Handbuch Geotechnik: Grundlagen – Anwendungen – Praxiserfahrungen [2. Aufl. 2019] 978-3-658-03054-4, 978-3-658-03055-1

Das Handbuch Geotechnik ist das Nachschlagewerk aus der Praxis für die tägliche Arbeit des Bauingenieurs und Architekten

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Handbuch Geotechnik: Grundlagen – Anwendungen – Praxiserfahrungen [2. Aufl. 2019]
 978-3-658-03054-4, 978-3-658-03055-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXI
Grundlagen der Geologie (Conrad Boley, Lisa Wilfing, Philipp Siebert)....Pages 1-12
Eigenschaften und Klassifikation von Böden (Yazhou Zou, Conrad Boley)....Pages 13-57
Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche (Winfried Entenmann, Yazhou Zou, Conrad Boley)....Pages 59-136
Bodenmechanik (Conrad Boley, Yazhou Zou)....Pages 137-224
Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik (Bernd Schuppener)....Pages 225-260
Wasserhaltung (Siegfried Stelzig)....Pages 261-327
Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung (Claas Meier, Roland Börger)....Pages 329-372
Geotechnische Bauverfahren (Gebhard Dausch, Jörg Zimbelmann)....Pages 373-446
Baugrundverbesserung (Wolfgang Wehr, Ulrich Trunk)....Pages 447-545
Flachgründungen (Karl Morgen, Sonja Seegert)....Pages 547-574
Pfahlgründungen (Jörg Zimbelmann, Conrad Boley, Yashar Forouzandeh)....Pages 575-629
Baugruben (Kurt-Michael Borchert, Fabian Kirsch, Jens Mittag)....Pages 631-721
Böschungen, konstruktive Hangsicherungen und Stützkonstruktionen (Dietmar Adam, Paul Waibel, Johannes Giere, Edelbert Vees)....Pages 723-862
Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau (Alfred Haack, Conrad Boley, Yashar Forouzandeh)....Pages 863-962
Geotechnik im Hochwasserschutz (Helmut Ferrari)....Pages 963-1015
Geotechnische Messverfahren (Roman Marte, Florian Scharinger, Monika Paulus-Grill, Werner Lienhart)....Pages 1017-1059
Baugrund- und Tiefbaurecht (Klaus Englert, Bastian Fuchs)....Pages 1061-1101
Back Matter ....Pages 1103-1121

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Conrad Boley Hrsg.

Handbuch Geotechnik Grundlagen – Anwendungen – Praxiserfahrungen 2. Auflage

Handbuch Geotechnik

Conrad Boley (Hrsg.)

Handbuch Geotechnik Grundlagen – Anwendungen – Praxiserfahrungen 2., vollständig überarbeitete Auflage Mit 689 Abbildungen

Hrsg. Conrad Boley Institut für Bodenmechanik und Grundbau Universität der Bundeswehr München München, Deutschland Mit Beiträgen von Dietmar Adam, Conrad Boley, Kurt-Michael Borchert, Roland Börger, Gebhard Dausch, Klaus Englert, Winfried Entenmann, Helmut Ferrari, Yashar Forouzandeh, Bastian Fuchs, Johannes Giere, Alfred Haack, Fabian Kirsch, Werner Lienhart, Roman Marte, Claas Meier, Jens Mittag, Karl ­Morgen, Monika Paulus-Grill, Florian Scharinger, Bernd Schuppener, Sonja Seegert, Philipp Siebert, Siegfried Stelzig, Ulrich Trunk, Edelbert Vees, Paul Waibel, Jimmy Wehr, Lisa Wilfing, Jörg Zimbelmann, Yazhou Zou

ISBN 978-3-658-03055-1  (eBook) ISBN 978-3-658-03054-4 https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2012, 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Karina Danulat Titelbild: Großprojekt Stuttgart 21, Albvorlandtunnel aufgenommen von: Tilman Sandner, Boley Geotechnik GmbH, München Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Der Erfolg der 1. Auflage war für den Verlag, für mich als Herausgeber und für die beteiligten Autoren eine große Motivation, das Handbuch Geotechnik auf dem eingeschlagenen Weg weiterzuentwickeln. Ich danke zunächst allen Lesern, die uns zur 1. Auflage wertvolle Hinweise zu Verbesserungen und Berichtigungen mitgeteilt haben. Sämtliche Kapitel wurden aktualisiert, inhaltlich überarbeitet und zum Teil erweitert. Die vorliegende 2. Auflage enthält in diesem Zusammenhang die Anpassung an die mittlerweile aktuelle europäische Normung, insbesondere bezüglich des Eurocode 7, in Deutschland vorliegend als DIN EN 1997-1 und -2. Inhaltlich bringt das nunmehr vorliegende Kapitel Baugruben eine wesentliche Erweiterung. Die Autoren Prof. Borchert, Dr. Kirsch und Dr. Mittag, die für dieses Kapitel gewonnen werden konnten, geben ihre jahrzehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet weiter. Auch das Kapitel Böschungen und konstruktive Hangsicherung hat wichtige inhaltliche Impulse erhalten durch die Erweiterung des Autorenteams um Prof. Giere und Prof. Vees. Beim Kapitel geotechnische Messverfahren ist bei der Grazer Autorengruppe Herr Prof. Lienhart und damit weitere Kompetenz auf dem Gebiet der Sensoren und Auswertemethoden hinzugekommen. Nicht zu vergessen sind die für die Geotechnik unverzichtbaren Grundlagen der Geologie. Frau Dr. Wilfing und Herr Siebert bereichern an dieser Stelle mit ihrer Fachkompetenz die vorliegende Auflage. Allen Autoren gehört mein verbindlicher Dank dafür, dass sie für das Handbuch Geotechnik ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben und ihr fundiertes Wissen einer breiten Fachöffentlichkeit zur Verfügung stellen. Meinen Mitarbeitern am Institut für Bodenmechanik und Grundbau der Universität der Bundeswehr München, ganz besonders Herrn Yashar Forouzandeh, danke ich sehr herzlich für ihre Unterstützung bei der Organisation des Werkes. Dem Springer-Verlag und hier insbesondere Frau Karina Danulat und Frau Annette Prenzer, die bereits die 1. Auflage begleitet haben, danke ich für die sehr angenehme Zusammenarbeit.

München, Juni 2019

Conrad Boley

Autorenverzeichnis Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Dietmar Adam leitet den Forschungsbereich Grundbau, Boden- und Felsmechanik am Institut für Geotechnik der Technischen Universität Wien und ist mit seinem Ziviltechnikerbüro Geotechnik Adam ZT GmbH weltweit als Konsulent mit Schwerpunkt Geotechnik tätig. Ministerialdirigent Prof. Dr. Roland Börger bearbeitet als Diplom-Geologe unter anderem Verfahren zur Erfassung, Bewertung und Sanierung von Altlasten, kontaminierten Standorten sowie von Boden- und Gewässerverunreinigungen. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind organische Kontaminationen in Grundwasserleitern und Oberflächengewässern. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Conrad Boley ist Ordinarius für Bodenmechanik und Grundbau an der Universität der Bundeswehr München. Er ist Partner im Büro Boley Geotechnik GmbH, Beratende Ingenieure mit Standorten in München, Stuttgart und Salzburg und als Berater, Planer und Prüfer national und international tätig. Prof. Boley ist Mitglied in zahlreichen Normenausschüssen und Fachgremien. Er leitet die Sachverständigenausschüsse „Tiefbau/Grundbau“ und „Verpressanker/Verpresspfähle“ beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBT) sowie den Arbeitskreis „Geotechnik/Tunnelbau“ bei der Bundesvereinigung der Prüfingenieure (VPIEBA). Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Erd-, Grund- und Felsbau und Prüfsachverständiger für Erd- und Grundbau nach PrüfV Bau. Vom Eisenbahnbundesamt (EBA) ist Prof. Boley anerkannt als Gutachter und Prüfingenieur für Erd- und Grundbau, Felsbau, Geokunststoffe und Tunnelbau. Er ist Leiter der Fachsektion Felsmechanik der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT) und Mitglied des Vorstandes. Prof. Dr.-Ing. Kurt-M. Borchert ist Bauingenieur und war geschäftsführender Gesellschafter des Ingenieurbüros GuD Geotechnik und Dynamik Consult GmbH. Er war vom Eisenbahnbundesamt (EBA) anerkannter Prüfsachverständiger für Erd- und Grundbau, Spezialtiefbau und ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Er ist Mitglied in zahlreichen Normenausschüssen, im Sachverständigenausschuss des Deutschen Institutes für Bautechnik und im Arbeitskreis Baugruben (EAB) der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT). Dipl.-Ing. Gebhard Dausch ist Leiter des Geschäftsbereichs Technik und Mitglied der Geschäftsleitung der Bauer Spezialtiefbau GmbH in Schrobenhausen. Zudem ist er als Mitarbeiter in nationalen und internationalen Normenausschüssen im Spezialtiefbau engagiert. Dipl.-Ing. (FH) Helmut Ferrari BEng. (Hons) ist Inhaber der HF consulting engineers in München mit den Schwerpunkten Wasserbau, Wasserkraft, Vergabe- und Vertragsmanagement. Er ist Privater Sachverständiger in der Wasserwirtschaft (PSW) und Mitglied der Fachkommission Wasserwirtschaft der AHO. Darüber hinaus ist er Lehrbeauftragter für Hochwassermanagement an der Universität der Bundeswehr München. M.Sc. Yashar Forouzandeh ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bodenmechanik und Grundbau der Universität der Bundeswehr München.

VIII

Autorenverzeichnis

Prof. Dr. jur. Bastian Fuchs, LL.M. (CWSL) ist Fachanwalt und Honorarprofessor für Deutsches und Internationales Bau- und Architektenrecht an der Universität der Bundeswehr München. Er ist Mitglied in den Normungsgremien DIN EN 1997-2 mit DIN 4020, ATV DIN 18302 (Spezialtiefbauarbeiten zum Ausbau von Bohrungen) sowie Mitglied in verschiedenen Richtlinien-Ausschüssen des VDI. Prof. Fuchs ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Baurecht und Vice Chairman der European Society for Construction Law. Prof. Dr. jur. Klaus Englert ist Fachanwalt und Honorarprofessor für Bau- und Architektenrecht an der THD Technischen Hochschule Deggendorf und Mitglied in den Normungsgremien DIN EN 1997-2 mit DIN 4020, ATV DIN 18301 (Bohrarbeiten), ATV DIN 18302 (Spezialtiefbauarbeiten zum Ausbau von Bohrungen), ATV DIN 18305 (Wasserhaltungsarbeiten) und ATV DIN 18327 (Brunnenbau- und Geothermiearbeiten). Weiter ist er in der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. in den Arbeitskreisen „Sachverständige für Geotechnik“ und „Verschleiß und Verklebung“ sowie als wissenschaftlicher Beirat der STUVA und des CBTR tätig. Dipl.-Geol. Dr. Winfried Entenmann ist seit 1984 in den Bereichen Projektsteuerung, Bauoberleitung, umwelttechnische und geotechnische Beratung tätig. Er ist Mitarbeiter bei der Prof. Burmeier Ingenieurgesellschaft mbH (BIG) in Hamburg und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für den Gefährdungspfad Boden – Wasser. Prof. Dr.-Ing. Johannes Giere ist Partner im Baugrundinstitut Prof. Dr.-Ing. E. Vees und Partner GmbH in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Johannes Giere ist Honorarprofessor an der Universität Tübingen. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Erdund Grundbau und die Standsicherheit von Böschungen. Prof. Dr.-Ing. Alfred Haack ist Bauingenieur und arbeitet seit über 50 Jahren bei und mit der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e. V. (STUVA) in Köln – bis Ende 2007 als geschäftsführendes Vorstandsmitglied und seitdem als freier Mitarbeiter. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Bauwerksabdichtung und des Brandschutzes für unterirdische Verkehrsanlagen und im Ingenieurbau. Zudem ist er Honorarprofessor an der TU Braunschweig. Dr.-Ing. Fabian Kirsch promovierte am Institut für Grundbau und Bodenmechanik der Technischen Universität Braunschweig über das Tragverhalten von Rüttelstopfsäulengruppen. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei der GuD Geotechnik und Dynamik Consult GmbH in Berlin und anerkannter Prüfsachverständiger für Erd- und Grundbau. Fabian Kirsch ist Mitglied in mehreren Arbeitskreisen der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT) und seit 2016 Mitglied im Vorstand. Er ist Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Berlin mit dem Schwerpunkt Baugrundverbesserungen. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Werner Lienhart leitet das Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme an der Technischen Universität Graz. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung von neuartigen Sensoren und Auswertemethoden zur Überwachung von Infrastrukturanlagen unter der Verwendung von berührungslosen und eingebetteten Sensoren. Vor der Tätigkeit an der Technischen Universität Graz war Prof. Lienhart als ProduktmanagerInnovation für die Entwicklung von GNSS Empfängern und Totalstationen bei Leica Geosystems in der Schweiz verantwortlich.

Autorenverzeichnis

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Roman Marte ist seit 2012 Vorstand des Instituts für Bodenmechanik und Grundbau an der Technischen Universität Graz. Darüber hinaus ist er Partner im Ingenieurbüro GDP ZT GmbH mit Standorten in Graz, Klagenfurt, Oberalm/Salzburg und Wien. Seine Forschungsschwerpunkte und fachlichen Tätigkeitsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich von Massenbewegungen, Bauen auf und in postglacialen, lakustrinen Feinsedimenten sowie der Ist-Zustandsbewertung von Stützkonstruktionen. Dr.-Ing. Claas Meier ist Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Boley Geotechnik GmbH in München. Er ist aktives Mitglied des Arbeitskreises Rüstungsaltlasten des Ingenieurtechnischen Verbands für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e.V. (ITVA). Claas Meier promovierte am Institut für Bodenmechanik und Grundbau der Universität der Bundeswehr München über das Materialverhalten von metastabilen Böden. Er ist Lehrbeauftragter für Bodendynamik an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften der Universität der Bundeswehr München. Dr.-Ing. Jens Mittag ist Bauingenieur und promovierte am Grundbauinstitut der Technischen Universität Berlin über das Filtrationsverhalten von Feinstbindemittelsuspensionen. Seit 2004 ist er bei der GuD Geotechnik und Dynamik Consult GmbH in Berlin als geschäftsführender Gesellschafter tätig, seit 2018 ist er auch Geschäftsführer der GuD Geotechnik und Umweltgeologie GmbH in Leipzig. Jens Mittag ist anerkannter Prüfsachverständiger für Erd- und Grundbau und Mitglied im Arbeitskreises 2.8 „Stabilisierungssäulen“ der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT). Dr.-Ing. Karl Morgen ist als Beratender Ingenieur und Prüfingenieur für das Ingenieurbüro WTM Engineers GmbH tätig. Er arbeitet zudem in zahlreichen Normungsgremien und berufsständischen Verbänden mit. Dr. phil. Monika Paulus-Grill promovierte an der Universität Salzburg in Erdwissenschaften (Petrographie, Mineralogie und Geologie) und ist Mitarbeiterin im Ingenieurbüro GDP ZT GmbH in Oberalm/Salzburg mit Arbeitschwerpunkten im Bereich der Baugrunderkundung und der Umweltgeologie. Dipl.-Ing. Dr.techn. Florian Scharinger ist Ingenieurkonsulent für Bauwesen und geschäftsführender Gesellschafter der GDP ZT GmbH mit Standorten in Graz, Klagenfurt, Oberalm/Salzburg und Wien. Im Rahmen seines Doktoratsstudiums an der Technischen Universität Graz widmete er sich der Weiterentwicklung eines Stoffgesetzes für weiche Böden, während seine aktuellen Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich der Planung und Ausführung von geotechnischen Projekten liegen. Dr.-Ing. Bernd Schuppener war Leiter der Abteilung Geotechnik der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe und Vorsitzender des für den Eurocode 7 zuständigen CEN-Ausschusses „Geotechnische Bemessung“. Er ist Leiter des Lenkungsgremiums Grundbau, Geotechnik des Normenausschusses Bauwesen im DIN und war über viele Jahre Vorsitzender des Ausschusses Sicherheit im Erd- und Grundbau.

IX

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Autorenverzeichnis

Dr.-Ing. Sonja Seegert arbeitete nach der Promotion am Institut für Statik der TU Braunschweig als Bauingenieurin bei der WTM Engineers GmbH in Hamburg und ist seitdem beim Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in Hamburg tätig. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen im konstruktiven Ingenieurbau und der Projektleitung. M.Sc. Philipp Siebert studierte Ingenieurgeologie an der Technischen Universität München und ist Projektleiter bei der Boley Geotechnik GmbH in München. Dipl.-Ing Siegfried Stelzig war Inhaber des Büros IGU GmbH in Mindelheim. Seine Schwerpunkte liegen in der Erarbeitung von Problemlösungen für Grundwasserabsenkungen und Bodenstabilisierung durch Grundwasserentzug. Prof. Dr.-Ing. Ulrich Trunk ist Dozent für Geotechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz/Basel in den Bereichen Lehre, Forschung und Beratung und war zuvor lange Jahre bei einem international ausgerichteten Unternehmen im Spezialtiefbau tätig. Dipl.-Ing. Paul Waibel ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen und Geschäftsführer der BGG Consult ZT-GmbH, Wien. Er ist seit vielen Jahren als Fachexperte für Geotechnik, Geologie und Hydrogeologie bei Bauprojekten im In- und Ausland beratend tätig. Prof. Dr.-Ing. Edelbert Vees ist Gründungspartner des Baugrundinstituts Prof. Dr.-Ing. E. Vees und Partner GmbH in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Baugrund, Gründungen, Bodenmechanik und anerkannter Sachverständiger für Erd- und Grundbau nach Bauordnungsrecht. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Wehr M.Sc. vertritt das Lehrgebiet Geotechnik an der Fachhochschule Erfurt. Zuvor war er viele Jahre für ein international ausgerichtetes Unternehmen im Spezialtiefbau, u.a. als Leiter der Abteilung Corporate Services tätig. Weiterhin ist er in nationalen und internationalen Fachgremien im Spezialtiefbau engagiert. Dr.-Ing. Lisa Wilfing ist Prokuristin und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Boley Geotechnik GmbH in München. Sie promovierte am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der Technischen Universität München über die Vortriebsprognose beim maschinellen Tunnelbau im Festgestein. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen in der Boden- und Felsmechanik sowie im Tunnelbau. Dr.-Ing. Jörg Zimbelmann ist Bauingenieur und Teamleiter Geotechnik in der Abteilung Bautechnik der Bauer Spezialtiefbau GmbH in Schrobenhausen. Davor war er mehrere Jahre als Projektingenieur im Technischen Büro Tiefbau der Ed. Züblin AG in Stuttgart sowie als Projektleiter im Consulting tätig. Er ist aktives Mitglied in mehreren Normenausschüssen. Dr.-Ing. Yazhou Zou ist Bauingenieur und Oberingenieur am Lehrstuhl für Bodenmechanik und Grundbau der Universität an der Bundeswehr München.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................................................. V Autorenverzeichnis ............................................................................................................ VII 1

Grundlagen der Geologie .................................................................................. 1.1 Begriffsdefinitionen und Spektrum ............................................................... 1.2 Der Kreislauf der Gesteine ............................................................................ 1.3 Glossar ausgewählter Fest- und Lockergesteine ............................................ 1.3.1 Festgesteine ........................................................................................ 1.3.2 Lockergesteine .................................................................................... 1.4 Literatur .........................................................................................................

1 1 1 2 2 6 11

2

Eigenschaften und Klassifikation von Böden .............................................. 2.1 Zusammensetzung von Böden und Bodengefüge .......................................... 2.1.1 Korngrößen und Korngrößenverteilung .............................................. 2.1.2 Entstehung und Mineralbestand von Bodenkörnern ........................... 2.1.3 Kornformen und Kornrauhigkeit ........................................................ 2.1.4 Kornoberfläche ................................................................................... 2.1.5 Bodengefüge ....................................................................................... 2.1.6 Porenwasser und Porenluft ................................................................. 2.2 Physikalische Eigenschaften von Böden ....................................................... 2.2.1 Bodenkenngrößen ............................................................................... 2.2.2 Zustandskenngrößen ........................................................................... 2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden ........................................................ 2.3.1 Wechselwirkung zwischen Wasser und Bodenkörnern ...................... 2.3.2 Verdichtungseigenschaften von Böden .............................................. 2.3.3 Kompressionseigenschaften und Formänderungsverhalten ................ 2.3.4 Festigkeit ............................................................................................ 2.4 Bodenklassifikation ....................................................................................... 2.5 Literatur .........................................................................................................

13 13 13 15 16 17 17 19 21 21 25 29 29 34 37 43 51 56

3

Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche ............ 59 3.1 Baugrunderkundung ...................................................................................... 59 3.1.1 Aufgaben der Baugrunderkundung ...................................................... 59 3.1.2 Geologische Grundlagen ..................................................................... 60 3.1.3 Grundlagen gemäß EC 7-2 .................................................................. 60 3.1.4 Erkundungsverfahren ........................................................................... 61 3.1.5 Ausbau von Bohrungen zu Grundwassermessstellen .......................... 93 3.1.6 Bohrlochgeophysikalische Verfahren .................................................. 94 3.2 Laborversuche ............................................................................................... 95 3.2.1 Versuche zur Bestimmung der physikalischen Eigenschaften ............. 95 3.2.2 Versuche zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften .............. 108

XII

Inhaltsverzeichnis

3.3

Feldversuche .................................................................................................. 3.3.1 Dichtebestimmung im Feld ................................................................. 3.3.2 Plattendruckversuche .......................................................................... 3.3.3 Flügelsondierungen ............................................................................. 3.3.4 Porenwasserdruckmessungen .............................................................. 3.3.5 SPT-Test, Bohrlochrammsondierung .................................................. 3.3.6 Seitendrucksondierung ........................................................................ 3.3.7 Erddruckmessungen ............................................................................ Literatur .........................................................................................................

127 128 130 132 132 133 133 134 134

Bodenmechanik ................................................................................................... 4.1 Grundlagen der Elastizitätstheorie ................................................................. 4.1.1 Spannungen auf ein Volumenelement ................................................ 4.1.2 Hauptspannungen ................................................................................ 4.1.3 Dehnungen .......................................................................................... 4.1.4 Elastizitätsgleichungen für einen isotropen Stoff ................................ 4.1.5 Ebener Verformungszustand ............................................................... 4.1.6 Zusammenstellung der Beziehungen zwischen elastischen Parametern ........................................................................................... 4.2 Spannungsermittlung ..................................................................................... 4.2.1 Spannungen infolge Eigengewicht ...................................................... 4.2.2 Spannungen infolge von Lasten .......................................................... 4.3 Berechnung von Zeitsetzungen ...................................................................... 4.3.1 Einleitung ............................................................................................ 4.3.2 Eindimensionale Konsolidationssetzung ............................................. 4.3.3 Konsolidationssetzungen bei Vertikaldrainagen .................................. 4.3.4 Sekundärsetzungen ............................................................................. 4.3.5 Bestimmung des Konsolidationsbeiwertes .......................................... 4.4 Erddruck ........................................................................................................ 4.4.1 Begriffe und Bezeichnungen ............................................................... 4.4.2 Erddrucktheorie nach Coulomb .......................................................... 4.4.3 Erddrucktheorie nach Rankine ............................................................ 4.4.4 Berechnungsverfahren für praktische Anwendungen ......................... 4.5 Materialmodelle ............................................................................................. 4.5.1 Einführung .......................................................................................... 4.5.2 Grundbegriffe ...................................................................................... 4.5.3 Grundlagen der Materialmodelle für elastisches Materialverhalten .... 4.5.4 Grundlagen der elastoplastischen Materialmodelle ............................ 4.5.5 Elastoplastische Materialmodelle für Böden ....................................... 4.6 Literatur .........................................................................................................

137 137 137 137 138 139 140

Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik ............................... 5.1 Eurocodes und Deutsche Normen (DIN) ....................................................... 5.1.1 Die Eurocodes ..................................................................................... 5.1.2 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik ................................................................................ 5.1.3 Die Einführung der Eurocodes in Deutschland ................................... 5.1.4 Pflege und Weiterentwicklung der Eurocodes ....................................

225 225 225

3.4 4

5

142 142 142 145 157 157 157 163 165 165 167 167 169 180 183 198 198 199 202 205 212 223

227 228 230

Inhaltsverzeichnis

5.1.5 Geplante Änderungen des EC7 bei der 2015 begonnenen Überarbeitung der Eurocodes ......................................... Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“ .......................... 5.2.1 Einführung .......................................................................................... 5.2.2 Geotechnische Kategorien .................................................................. 5.2.3 Bemessungssituationen ....................................................................... 5.2.4 Charakteristische Werte ...................................................................... 5.2.5 Grenzzustände der Tragfähigkeit ........................................................ 5.2.6 Versagen des Baugrunds (GEO) ......................................................... 5.2.7 Grenzzustand des Verlusts der Lagesicherheit (EQU) ....................... 5.2.8 Grenzzustand des Aufschwimmens (UPL) ......................................... 5.2.9 Hydraulischer Grundbruch, innere Erosion und Piping (HYD) .......... 5.2.10 Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit .......................................... 5.2.11 Beobachtungsmethode ........................................................................ Die Finite-Elemente-Methode ....................................................................... 5.3.1 Allgemeines ........................................................................................ 5.3.2 Grenzzustände der Tragfähigkeit ........................................................ 5.3.3 Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit .......................................... Literatur .........................................................................................................

231 232 232 233 233 235 239 241 251 252 253 254 255 256 256 257 257 258

Wasserhaltung ..................................................................................................... 6.1 Wozu Wasserhaltung? ................................................................................... 6.2 Ziel der Wasserhaltung ................................................................................... 6.3 Arten der Wasserhaltung ............................................................................... 6.3.1 Offene Wasserhaltung ........................................................................ 6.3.2 Geschlossene Wasserhaltung .............................................................. 6.3.3 Kombination von offener und geschlossener Wasserhaltung ............. 6.3.4 Ausführungstechnik Grundwasserentnahme ...................................... 6.4 Berechnung der Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse ............ 6.4.1 Grundlagen allgemein ......................................................................... 6.4.2 Grundlagen der Berechnung von Grundwasserabsenkungen ............. 6.4.3 Besondere Einflüsse auf die Grundwasserabsenkung ......................... 6.5 Berechnung der Wasserhaltung ..................................................................... 6.5.1 Grundwasserabsenkung durch Brunnen ............................................. 6.5.2 Grundwasserentspannung ................................................................... 6.5.3 Vakuumbeaufschlagung von Schwerkraftbrunnen ............................. 6.5.4 Vakuumwasserhaltung Kleinbrunnen ................................................. 6.5.5 Offene Wasserhaltung ........................................................................ 6.5.6 Restwasserhaltung in dichten Trögen ................................................. 6.5.7 Versickerung ....................................................................................... 6.6 Ausführung der Wasserhaltung ..................................................................... 6.6.1 Schwerkraftentwässerung mit Brunnen .............................................. 6.6.2 Vakuumentwässerung ......................................................................... 6.6.3 Offene Wasserhaltung ........................................................................ 6.7 Fehlerquellen der Wasserhaltung .................................................................. 6.7.1 Wahl des Wasserhaltungssystems ...................................................... 6.7.2 Dimensionierung der Wasserhaltung .................................................. 6.7.3 Ausführung .........................................................................................

261 261 261 262 262 263 263 263 265 265 270 281 285 285 291 297 300 301 310 314 318 318 321 322 323 323 324 325

5.2

5.3

5.4 6

XIII

XIV

Inhaltsverzeichnis

6.8 6.9

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Baugrubensystem – Wasserhaltung ............. 327 Literatur ......................................................................................................... 327

7

Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung .............................................. 7.1 Begriffsdefinitionen ....................................................................................... 7.2 Rechtliche und gesetzliche Grundlagen ......................................................... 7.3 Kategorisierung und Klassifizierung von Boden-, Bodenluftund Gewässerverunreinigungen ..................................................................... 7.3.1 Chemische Kontaminationen .............................................................. 7.4 Branchentypische Kontaminationsprofile ...................................................... 7.5 Erkundung kontaminationsverdächtiger Standorte ........................................ 7.5.1 Erfassung und Erstbewertung (Phase I) .............................................. 7.5.2 Orientierende Untersuchungen (Phase II a) ........................................ 7.5.3 Gefährdungsabschätzung (Phase II b) ................................................. 7.5.4 Sanierung, Sicherung und Nachsorge (Phase III) ............................... 7.6 Sicherungs- und Sanierungsverfahren ........................................................... 7.6.1 Allgemein ............................................................................................ 7.6.2 Sicherung ............................................................................................ 7.6.3 Umlagerung von Boden ...................................................................... 7.6.4 Dekontamination ................................................................................. 7.6.5 Grundwassersanierung ......................................................................... 7.7 Kampfmittelräumung ..................................................................................... 7.7.1 Baufachliche Richtlinien – Kampfmittelräumung (BFR KMR) ......... 7.7.2 Zuständigkeiten und Kostenverteilung ............................................... 7.8 Literatur ....................................................................................................................

329 331 336

8

373 373 374 374 377 382 389 389 390 390 399 402 404 404 405 406 406 408 410 411 412

Geotechnische Bauverfahren ........................................................................... 8.1 Einleitung ....................................................................................................... 8.2 Bohrtechnik .................................................................................................... 8.2.1 Einleitung ............................................................................................ 8.2.2 Bohrverfahren und Bohrwerkzeuge für Kleinlochbohrungen ............. 8.2.3 Bohrverfahren und Bohrwerkzeuge für Großlochbohrungen .............. 8.3 Pfähle ............................................................................................................. 8.3.1 Einleitung ............................................................................................ 8.3.2 Regelwerke ......................................................................................... 8.3.3 Bohrpfähle (0,3 m ≤ D ≤ 3,0 m) .......................................................... 8.3.4 Verdrängungspfähle ............................................................................ 8.3.5 Mikropfahl (Ø < 0,3 m) ...................................................................... 8.4 Ankertechnik .................................................................................................. 8.4.1 Einleitung ............................................................................................ 8.4.2 Regelwerke ......................................................................................... 8.4.3 Aufbau von Verpressankern ................................................................ 8.4.4 Stahlzugglieder bei Verpressankern .................................................... 8.4.5 Korrosionsschutz bei Verpressankern ................................................. 8.4.6 Herstellung von Verpressankern ......................................................... 8.4.7 Spannverfahren ................................................................................... 8.4.8 Sonderanker ........................................................................................

338 339 352 355 357 358 358 359 360 360 361 362 363 364 366 366 369 370

Inhaltsverzeichnis

8.5

Schlitzwandtechnik ........................................................................................ 8.5.1 Einleitung ........................................................................................... 8.5.2 Regelwerke ......................................................................................... 8.5.3 Ausrüstung .......................................................................................... 8.5.4 Herstellungsverfahren ......................................................................... 8.5.5 Ausführungsschritte ............................................................................ Spundwandbauweise ..................................................................................... 8.6.1 Allgemeines ........................................................................................ 8.6.2 Baustoffe und Spundwandprofile ....................................................... 8.6.3 Einbringtechniken ............................................................................... 8.6.4 Einbringhilfen ..................................................................................... 8.6.5 Lagegenauigkeit .................................................................................. 8.6.6 Ziehen von Spundbohlen .................................................................... 8.6.7 Dichtigkeit – Probleme und Maßnahmen zur Ertüchtigung ............... 8.6.8 Hinweise zu Entwurf und Ausführung ............................................... Literatur .........................................................................................................

412 412 413 413 416 418 424 424 424 429 437 439 441 441 442 443

Baugrundverbesserung ..................................................................................... 9.1 Einleitung ...................................................................................................... 9.2 Vertikaldrains ................................................................................................ 9.2.1 Einleitung ........................................................................................... 9.2.2 Verfahren und Geräte ......................................................................... 9.2.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.2.4 Überwachung und Prüfung ................................................................. 9.2.5 Zusammenfassung .............................................................................. 9.3 Tiefenrüttelverfahren ..................................................................................... 9.3.1 Einleitung ........................................................................................... 9.3.2 Verfahren und Geräte ......................................................................... 9.3.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.3.4 Überwachung und Prüfung ................................................................. 9.3.5 Zusammenfassung .............................................................................. 9.4 Fallplattenverdichtung ................................................................................... 9.4.1 Einleitung ............................................................................................ 9.4.2 Verfahren und Geräte ......................................................................... 9.4.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.4.4 Überwachung und Prüfung ................................................................. 9.4.5 Zusammenfassung .............................................................................. 9.5 Düsenstrahlverfahren ..................................................................................... 9.5.1 Einleitung ........................................................................................... 9.5.2 Verfahren und Geräte ......................................................................... 9.5.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.5.4 Überwachung und Prüfung ................................................................. 9.5.5 Zusammenfassung .............................................................................. 9.6 Verdichtungsinjektion ................................................................................... 9.6.1 Einleitung ........................................................................................... 9.6.2 Verfahren und Geräte ......................................................................... 9.6.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.6.4 Überwachung und Prüfung .................................................................

447 447 447 447 448 452 454 455 456 456 456 459 465 467 467 467 467 470 472 473 473 473 474 477 481 483 483 483 484 487 490

8.6

8.7 9

XV

XVI

Inhaltsverzeichnis

9.6.5 Zusammenfassung ............................................................................... Hebungsinjektion ........................................................................................... 9.7.1 Einleitung ............................................................................................ 9.7.2 Verfahren und Geräte .......................................................................... 9.7.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.7.4 Überwachung und Prüfung ................................................................. 9.7.5 Zusammenfassung ............................................................................... 9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung ........................................................ 9.8.1 Einleitung ............................................................................................ 9.8.2 Verfahren und Geräte .......................................................................... 9.8.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... Überwachung und Prüfung ............................................................................ 9.8.4 Zusammenfassung ............................................................................... 9.9 Tiefe Bodenvermörtelung .............................................................................. 9.9.1 Einleitung ............................................................................................ 9.9.2 Verfahren und Geräte .......................................................................... 9.9.3 Entwurf und Bemessung ..................................................................... 9.9.4 Überwachung und Prüfung ................................................................. 9.9.5 Zusammenfassung ............................................................................... 9.10 Stabilisierungssäulen (Rigid inclusions) ........................................................ 9.10.1 Einleitung .......................................................................................... 9.10.2 Verfahren und Geräte ........................................................................ 9.10.3 Entwurf und Bemessung ................................................................... 9.10.4 Überwachung und Prüfung ............................................................... 9.10.5 Zusammenfassung ............................................................................. 9.11 Zusammenfassung ......................................................................................... 9.12 Literatur .........................................................................................................

490 491 491 491 495 498 499 500 500 501 511 518 520 521 521 522 528 532 533 533 533 534 535 537 537 538 538

Flachgründungen ................................................................................................ 10.1 Einführung ..................................................................................................... 10.2 Bemessung von Flachgründungen ................................................................. 10.2.1 Beschreibung der Boden-Bauwerk-Interaktion zur Ermittlung von Sohldruckverteilung und Setzungen ........................................... 10.2.2 Geotechnische Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit ........ 10.2.3 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit ................................................ 10.2.4 Nachweisführung mit Hilfe der aufnehmbaren Bodenpressung ....... 10.3 Praxis-Hinweise zu Bemessung und Ausführung .......................................... 10.4 Literatur .........................................................................................................

545 545 546

Pfahlgründungen ................................................................................................. 11.1 Einleitung ....................................................................................................... 11.1.1 Anwendungsbereich .......................................................................... 11.1.2 Maßgebliche nationale technische Vorschriften für Pfähle ............... 11.1.3 Pfahlgründungssysteme – Einzelpfahllösungen, Pfahlroste, Pfahlgruppen, Kombinierte Pfahl-Plattengründungen (KPP) ........... 11.1.4 Baugrunduntersuchungen für Pfahlgründungen ................................ 11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände ............................................. 11.2.1 Allgemeines ......................................................................................

573 573 573 573

9.7

10

11

547 562 568 569 569 570

574 574 577 577

Inhaltsverzeichnis

11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5

Axiales Tragverhalten ....................................................................... Ermittlung der Pfahlwiderstände für axiale Belastung – Allgemeines .... Ermittlung von Pfahlwiderständen aus statischen Probebelastungen ... Ermittlung von Pfahlwiderständen aus dynamischen Probebelastungen .............................................................................. 11.2.6 Axiale Pfahlwiderstände aus Erfahrungswerten ............................... 11.2.7 Axiale Pfahlwiderstände aus empirischen und erdstatischen Verfahren .................................................................... 11.2.8 Pfahlwiderstände bei Mantel- und Fußverpressung .......................... Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände ............................................. 11.3.1 Biegeweiche Pfähle – Bettungsmodulverfahren ............................... 11.3.2 Kurze starre Pfähle – Dalbentheorie nach Blum ............................... Bemessung ..................................................................................................... 11.4.1 Sicherheitskonzept ............................................................................ 11.4.2 Einwirkungen aus dem Baugrund ..................................................... 11.4.3 Nachweis der Tragfähigkeit .............................................................. 11.4.4 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit ................................................ Pfahlgruppen ................................................................................................. 11.5.1 Axial beanspruchte Pfahlgruppen ..................................................... 11.5.2 Tragverhalten und Nachweise von horizontal beanspruchten Pfahlgruppen ............................................................. Probebelastungen ........................................................................................... 11.6.1 Statische axiale Pfahlprobebelastungen ............................................ 11.6.2 Statische Probebelastungen quer zur Pfahlachse .............................. 11.6.3 Dynamische Pfahlprobebelastungen ................................................. Qualitätssicherung bei der Bauausführung .................................................... 11.7.1 Allgemeines ...................................................................................... 11.7.2 Qualitätsprüfungen ........................................................................... Literatur .........................................................................................................

578 580 581

Baugruben ............................................................................................................. 12.1 Einführung ..................................................................................................... 12.2 Grundlagen für die Planung und Ausführung ................................................ 12.2.1 Baugrunduntersuchungen ................................................................. 12.2.2 Einwirkungen ................................................................................... 12.2.3 Nachbarbauwerke ............................................................................. 12.3 Baugrubensysteme ......................................................................................... 12.3.1 Gesamtsysteme ................................................................................. 12.3.2 Wandsysteme .................................................................................... 12.3.3 Unterfangungen ................................................................................ 12.3.4 Wandstützungen ............................................................................... 12.3.5 Dichtsohlen ....................................................................................... 12.4 Tragfähigkeitsnachweise ............................................................................... 12.4.1 Allgemeine Angaben ........................................................................ 12.4.2 Ermittlung der Einbindetiefe ............................................................ 12.4.3 Ermittlung der Schnittkräfte ............................................................. 12.4.4 Nachweis der Vertikalkräfte ............................................................. 12.4.5 Besondere Bauzustände bei Schlitzwänden .....................................

629 629 630 630 639 648 650 650 650 663 668 675 683 683 686 687 687 688

11.3 11.4

11.5

11.6

11.7 11.8 12

XVII

583 584 596 598 599 599 601 602 602 603 611 614 614 614 616 618 618 620 621 624 624 624 625

XVIII

Inhaltsverzeichnis

12.5

12.6

12.7

12.8 13

12.4.6 Dicht- und Stützsohlen ...................................................................... 12.4.7 Unterfangungen ................................................................................. Verformungen ................................................................................................ 12.5.1 Berechnungsgrundlagen .................................................................... 12.5.2 Wandverformungen aus Stabwerksberechnungen ............................ 12.5.3 Abschätzungen von Setzungen aus Wandverformungen .................. 12.5.4 Verformungen aus FE-Berechnungen ............................................... Baugrubenberechnungen mit der FE-Methode .............................................. 12.6.1 Grundlagen ........................................................................................ 12.6.2 Berechnungen ................................................................................... 12.6.3 Tragfähigkeitsnachweise ................................................................... 12.6.4 Gebrauchstauglichkeitsnachweise ..................................................... Kontrollen ...................................................................................................... 12.7.1 Übersicht ........................................................................................... 12.7.2 Überwachung von Dichtsohlen ......................................................... 12.7.3 Bodenverfestigungen ........................................................................ Literatur .........................................................................................................

694 698 703 703 705 706 707 707 707 709 709 711 711 711 713 718 719

Böschungen, konstruktive Hangsicherungen und ........................................... Stützkonstruktionen ............................................................................................ 721 13.1 Einführung ..................................................................................................... 721 13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen ......................................................... 723 13.2.1 Einwirkungen und Widerstände ........................................................ 723 13.2.2 Nachweisverfahren ........................................................................... 729 13.2.3 Berechnungsverfahren ...................................................................... 739 13.2.4 Sicherheitskonzepte .......................................................................... 742 13.2.5 Normative Berechnungs- und Bemessungsgrundlagen ..................... 743 13.3 Freie Böschungen .......................................................................................... 749 13.3.1 Allgemeines ...................................................................................... 749 13.3.2 Neigungsempfehlungen für die Vordimensionierung von Böschungen ................................................................................ 749 13.3.3 Rechnerische Standsicherheitsnachweise ......................................... 750 13.4 Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberflächen ..................................... 775 13.4.1 Ingenieurbiologische Sicherungsmaßnahmen ................................... 775 13.4.2 Auflastfilter ....................................................................................... 780 13.4.3 Futtermauern ..................................................................................... 780 13.4.4 Sonstige Verfahren zur Oberflächensicherung .................................. 781 13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke ...................................... 782 13.5.1 Bewehrte-Erde-Konstruktionen ........................................................ 782 13.5.2 Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen .................................... 786 13.5.3 Bodenvernagelung ............................................................................ 790 13.5.4 Gewichtsmauern ............................................................................... 794 13.5.5 Winkelstützmauern ........................................................................... 797 13.5.6 Nagelwände ....................................................................................... 800 13.5.7 Raumgitter-Stützkonstruktionen ....................................................... 810 13.5.8 Rippenwände ..................................................................................... 823 13.5.9 Ankerwände (Elementwände) ........................................................... 825 13.5.10 Tief gegründete Stützbauwerke ......................................................... 827

Inhaltsverzeichnis

13.5.11 Verankerungen .................................................................................. 13.5.12 Entwässerungseinrichtungen bei Stützkonstruktionen ...................... Sonstige Stützkonstruktionen ........................................................................ 13.6.1 Fangedämme ..................................................................................... 13.6.2 Aufgelöste Stützkonstruktionen ........................................................ 13.6.3 Galerien ............................................................................................ 13.6.4 Schalentragwerke .............................................................................. Hangstabilisierung durch Entwässerungsmaßnahmen ................................... 13.7.1 Oberflächennahe Entwässerung ........................................................ 13.7.2 Tiefenentwässerung, Tiefdrainschlitze ............................................. Erdwärmenutzung durch Stützkonstruktionen ............................................... Literatur .........................................................................................................

839 842 843 843 847 848 849 850 850 851 853 856

Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau ............................................... 14.1 Einführung ..................................................................................................... 14.1.1 Geschichte und Bedeutung ............................................................... 14.1.2 Statistik ............................................................................................. 14.2 Begriffe und Bezeichnungen ......................................................................... 14.3 Offene Bauweisen ......................................................................................... 14.3.1 Einführung und geschichtlicher Hintergrund .................................... 14.3.2 Baugruben ......................................................................................... 14.3.3 Stahlbetonkonstruktionen ................................................................. 14.3.4 Rahmenkonstruktionen aus Spundwänden mit Stahlbetonwänden und -decken ................................................... 14.3.5 Deckelbauweise ................................................................................ 14.3.6 Rahmenvorschub .............................................................................. 14.4 Geschlossene Bauweisen ............................................................................... 14.4.1 Einführung ........................................................................................ 14.4.2 Einfluss des Gebirges ....................................................................... 14.4.3 Vortrieb ............................................................................................. 14.4.4 Konventionelle Vortriebsmethoden .................................................. 14.4.5 Tunnelvortriebsmaschinen ................................................................ 14.4.6 Schildmaschinen ............................................................................... 14.4.7 Tunnelbohrmaschinen ...................................................................... 14.4.8 Sicherungsmittel ............................................................................... 14.4.9 Ausbau .............................................................................................. 14.5 Bewetterung.................................................................................................... 14.6 Abdichtung .................................................................................................... 14.7 Belastungen ................................................................................................... 14.8 Der Vortrieb kleiner Querschnitte ................................................................. 14.8.1 Allgemeines ...................................................................................... 14.8.2 Verfahrensübersicht .......................................................................... 14.8.3 Verfahrenswahl und Vorerkundung .................................................. 14.8.4 Rohrvortrieb ..................................................................................... 14.8.5 Mikrotunnelbau ................................................................................ 14.8.6 Das HDD-Verfahren ......................................................................... 14.9 Literatur .........................................................................................................

861 861 861 867 871 873 873 875 880

13.6

13.7 13.8 13.9 14

XIX

883 888 893 894 894 895 904 905 909 910 919 923 933 935 936 944 948 948 949 949 950 954 955 958

XX

Inhaltsverzeichnis

15

Geotechnik im Hochwasserschutz ................................................................. 961 15.1 Geotechnische Fragestellungen ..................................................................... 961 15.2 Grundlagen geotechnischer Planungen .......................................................... 963 15.2.1 Baugrund und Grundwasser .............................................................. 963 15.2.2 Bestandsbauwerke ............................................................................. 964 15.2.3 Maßgebende Einwirkungen .............................................................. 965 15.3 Systeme .......................................................................................................... 966 15.3.1 Deiche ............................................................................................... 966 15.3.2 HWS-Mauern und HWS-Wände ....................................................... 968 15.3.3 Mobile Systeme ................................................................................ 970 15.3.4 Rückhaltebecken und Flutpolder ....................................................... 972 15.3.5 Flutmulden und Entlastungstollen ..................................................... 974 15.4 Hydrologische und hydraulische Bemessungsgrundlagen ............................. 974 15.4.1 Bemessungswasserstand ................................................................... 974 15.4.2 Freibord ............................................................................................. 975 15.5 Deiche ............................................................................................................ 977 15.5.1 Aufbau und Baustoffe ....................................................................... 977 15.5.2 Dichtungssysteme ............................................................................. 980 15.5.3 Oberflächendichtungen ..................................................................... 980 15.5.4 Innendichtungen ................................................................................ 982 15.6 Sanierung bestehender Deiche ....................................................................... 989 15.7 Überströmbare Deiche ................................................................................... 991 15.8 Standsicherheitsnachweise ............................................................................. 992 15.8.1 Geotechnische Untersuchungen ........................................................ 992 15.8.2 Maßgebende Bemessungssituationen (Lastfälle) .............................. 994 15.8.3 Nachweise ......................................................................................... 996 15.8.4 Geotechnische Nachweise ................................................................. 998 15.9 Leitungen und Bauwerke in Deichen ............................................................. 1005 15.9.1 Leitungen .......................................................................................... 1005 15.9.2 Bauwerke .......................................................................................... 1006 15.10 Gehölze an Deichen ....................................................................................... 1006 15.11 Qualitätskontrollen im Deichbau ................................................................... 1008 15.11.1 Während der Baumaßnahme ........................................................... 1008 15.11.2 Nach der Fertigstellung ................................................................... 1011 15.12 Deichverteidigung .......................................................................................... 1011 15.13 Literatur ......................................................................................................... 1012

16

Geotechnische Messverfahren ........................................................................ 1015 16.1 Einleitung ....................................................................................................... 1015 16.2 Geotechnische Messungen ............................................................................. 1016 16.2.1 Ziel geotechnischer Messungen ........................................................ 1016 16.2.2 Gemessene bzw. abgeleitete Größen ................................................. 1019 16.2.3 Messmethoden .................................................................................. 1025 16.2.4 Messinstrumente ............................................................................... 1027 16.2.5 Auslegung und Planung von Mess- und Überwachungsprogrammen ... 1043 16.2.6 Aufzeichnung von Messergebnissen ................................................. 1044 16.2.7 Auswertung von Messergebnissen .................................................... 1045 16.2.8 Anwendung geotechnischer Messverfahren ...................................... 1045

Inhaltsverzeichnis

17

XXI

16.3 Geographische Informationssysteme (GIS) ................................................... 16.3.1 Welche Informationen können abgefragt werden? ........................... 16.3.2 Einsatz der GIS-Informationen in der Praxis .................................... 16.3.3 Informationsquellen – Beispiele ....................................................... 16.4 Literatur .........................................................................................................

1051 1051 1053 1055 1056

Baugrund- und Tiefbaurecht ............................................................................ 17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund und die richtige Baugrundausschreibung ................................................................................ 17.1.1 „Ohne Grund und Boden geht das Bauen nicht.“ ............................ 17.1.2 Was ist „Baugrund“? ........................................................................ 17.1.3 DIN EN 1997-2, ergänzt durch DIN 4020 als „Baugrund-Bibel“ .... 17.1.4 Der Baugrund ist Baustoff ................................................................ 17.1.5 Rechtsfolgen aus der Gleichsetzung von Baugrund und Baustoff .... 17.1.6 Zwischenergebnis ............................................................................. 17.1.7 Ausschreibungsvorgaben des § 7 VOB/A ........................................ 17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten ........................................................ 17.2.1 Beweislastregeln für die Vergütung ................................................. 17.2.2 Beweislastregeln für Schadensersatzansprüche ................................ 17.2.3 Beweisgrundsätze für §§ 906 und 909 BGB ..................................... 17.2.4 Beweisgrundsätze für die Mangelfreiheit ......................................... 17.2.5 Besonderheiten der Beweisführung bei Tiefbauleistungen ............... 17.2.6 Beweismöglichkeiten im Tiefbau ..................................................... 17.2.7 Anwendung der „5-M-Methode“ bei Tiefbauleistungen .................. 17.3 Checkliste für Tiefbauarbeiten ...................................................................... 17.4 Sonderprobleme beim Tiefbau: Die eingeführten Homogenbereiche ........... 17.4.1 Definition „Homogenbereich“ entsprechend der VOB Teil C ......... 17.4.2 Juristische Beurteilung ..................................................................... 17.4.3 Hinweise auf Sonderregelungen zum Oberboden ............................. 17.5 Der Bundesgerichtshof und die Baugrundprobleme ...................................... 17.6 Schlussbemerkung .........................................................................................

1059 1059 1059 1060 1062 1065 1067 1069 1069 1072 1073 1073 1075 1075 1076 1083 1086 1087 1089 1089 1091 1095 1095 1099

Sachwortverzeichnis ................................................................................................. 1101

Alles aus einer Hand.

Von der Ingenieurleistung über die Produkte bis zur Verlegung. NAUE ist Ihr kompetenter Partner für alle Teilbereiche ihres Geotechnik-Projektes.

1

Grundlagen der Geologie Conrad Boley, Lisa Wilfing, Philipp Siebert

1.1

Begriffsdefinitionen und Spektrum

Die Geologie ist eine Naturwissenschaft, die sich mit dem Bau und der Geschichte des Erdkörpers sowie seiner Genese beschäftigt. Dabei stehen vor allem die Prozesse im Vordergrund, welche die Erde formen und sie einer ständigen Veränderung und Entwicklung aussetzen. Die endogenen Prozesse, deren Ursprung im Erdinneren liegt, sind Motor der Plattentektonik. Diese wiederum ist Auslöser der Orogenese (Gebirgsbildung) und der Bildung neuer Kruste. Zudem verursacht sie Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis. Geologische Vorgänge an der Erdoberfläche, die durch Faktoren bestimmt werden, die von außen auf die Erde einwirken, werden als exogen bezeichnet. Physikalische und chemische Vorgänge lassen das Gestein verwittern und Böden entstehen. Die durch exogene Prozesse hervorgerufenen Abtragung des Gesteins (Erosion) führt zur Bildung von Lockergestein, welches transportiert und an anderer Stelle abgelagert wird (Sedimentation).

1.2

Der Kreislauf der Gesteine

Aus den Wechselwirkungen zwischen exogenen und endogenen Prozessen lässt sich der Kreislauf der Gesteine ableiten. Dabei werden die drei, auf der Erde auftretenden, Gesteinsgruppen– Magmatite, Metamorphite und Sedimentgesteine – durch geodynamische Prozesse im Erdinneren bzw. auf der Erdkruste gebildet (Bild 1-1). Magmatische Gesteine (auch als Magmatite bzw. Erstarrungsgesteine bezeichnet) entstehen durch Aufstieg und Kristallisation heißer Gesteinsschmelzen (Magmen), die durch das Aufschmelzen von Gesteinen der Unterkruste oder des oberen Mantels im Erdinneren gebildet werden. Bleibt das Magma beim Aufstieg in der Erdkruste stecken, kommt es durch langsames Abkühlen zur Bildung großer Kristalle. Es entstehen grobkörnige Intrusivgesteine oder Plutonite. Ein typisches Plutonisches Gestein ist der Granit, mit der klassischen Mineralzusammensetzung Feldspat, Quarz und Glimmer. Treten die Schmelzen in Form von Vulkanausbrüchen an die Oberfläche, kommt es zur schnellen Abkühlung. Das Resultat daraus sind feinkörnige bis glasige Effusivgesteine oder Vulkanite, wie z. B. Basalt. Sämtliche Gesteine an der Erdoberfläche erfahren den Einfluss der Verwitterung. Durch die Einwirkung von Wasser, Luft, Eis (Gletscher), Temperatur, Schwerkraft und der Lebewelt werden die kompakten Festgesteine bruchstückartig in lockeres Sedimentmaterial zerlegt bzw. vom Wasser aufgelöst und gegebenenfalls anschließend durch Wasser (fluviatil) und Wind (äolisch) verfrachtet. Die Abtragung des Gesteins wird in der Geologie als Erosion bezeichnet [1]. Schließlich werden die Sedimentmassen an den Rand der Kontinente transportiert und im Meer abgelagert (Sedimentation). Der Prozess, der die lockeren Sedimente in feste und kompakte Sedimentgesteine überführt, wird als Diagenese bezeichnet. Die Überlagerung jüngerer Gesteinsmassen führt zur Kompaktion. Durch zusätzlich eindringende Fluide kann es zur Ausfällung von Mineralen kommen, was zum Prozess der Sedimentverfestigung (Lithifizierung) beiträgt. Ein typisches Sedimentgestein ist der Sandstein, der in Flüssen und Meeren entsteht. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_1

2

1 Grundlagen der Geologie

1

Bild 1-1 Kreislauf der Gesteine

Werden Sedimentgesteine und Magmatite durch plattentektonische Prozesse in tiefere Bereiche der Erde versenkt, kommt es durch Erhöhung von Druck und Temperatur zur Änderung des Mineralbestands, der chemischen Zusammensetzung und zur Änderung des Gefüges in festem Zustand [12]. Es entstehen Metamorphite, die oft ein parallel gerichtetes, engständiges Flächengefüge, die sogenannte Schieferung, aufweisen [10]. Ein häufig vorkommendes metamorphes Gestein ist der Gneis, dessen Ausgangsgestein der Granit ist. Bei fortdauernder Absenkung wird das Gestein wieder aufgeschmolzen (Anatexis), und der Kreislauf beginnt von Neuem. Die Zunahme der Gesteinstemperatur mit der Tiefe wird als geothermischer Gradient bezeichnet, der in der oberen Kruste ca. 3 K („Kelvin“) pro 100 m beträgt [1]. Der Zerfall radioaktiver Elemente im Erdinneren sorgt für eine ständige Produktion von Wärme, die durch die Wärmeleitfähigkeit der Gesteine Richtung Erdäußerem transportiert wird.

1.3

Glossar ausgewählter Fest- und Lockergesteine

1.3.1 Festgesteine Konglomerat Konglomerate sind diagenetisch verfestigte Schotter, deren Komponenten angerundet sind. Sie entstehen in Flüssen und Flussdeltas, wenn es in den Poren zwischen den Komponenten zur Ausfällung von calcitischem bzw. silikatischem Bindemittel kommt. Ein

1.3 Glossar ausgewählter Fest- und Lockergesteine

3

bekanntes Konglomerat ist der Nagelfluh (Bild 1-2). Diese calcitisch verfestigten Schotter, die in den letzten Eiszeiten abgelagert wurden, sind vor allem im Alpenvorland weit verbreitet.

1

Breccie (Brekzie) Breccien sind verfestigte Trümmergesteine, deren grobkörnige Komponenten im Gegensatz zum Konglomerat auf Grund der kürzeren Transportweite eckig bis kantig ausgebildet sind. Sie entstehen zum Beispiel aus Schuttmaterial an Bergflanken und Schutthängen ebenfalls durch die Zementation der Komponenten (diagenetische Breccie). In Trockengebieten kann es durch Muren bzw. Schichtfluten an Gebirgsrändern zur Ablagerung von Fanglomeraten kommen, welche sowohl gerundete als auch kantige Komponenten enthalten. Des Weiteren werden durch tektonische Bewegungen an Störungszonen sogenannte Störungsbreccien gebildet (Bild 1-3).

Bild 1-2 Konglomerat (Nagelfluh) [13]

Bild 1-3 Störungsbreccie (hellgraue Dolomitbruchstücke in weißer Dolomitmatrix) [12]

Sandstein Er enthält je nach Transportweite und Reifegrad Quarzminerale sowie Feldspäte und andere Gesteinsbruchstücke. Bei einem Feldspatanteil von mehr als 25 % wird er als Arkose, bei mehr als 25 % Gesteinsbruchstücken wird er als lithischer Sandstein bezeichnet [8]. Die Verfestigung der Komponenten erfolgt durch das Ausfällen mineralischer Zemente (Bindemittel). Sandsteine können kieselig, calcitisch, tonig sowie ferritisch gebunden sein. Je nach Art des Bindemittels reicht die Festigkeit von gering fest (tonig gebunden) bis hochfest (silikatisch gebunden). Tonstein, Mergelstein Tonsteine bestehen aus einem Korngemisch von Tonmineralen und Quarz- / Feldspatfragmenten. Sie sind meist gering- bis mittelfest, nicht verwitterungsbeständig und zum Teil quellfähig bei Wasserzutritt [6]. Enthalten Tonsteine zwischen 25 % und 75 % Kalk, werden sie als Mergel bezeichnet (Bild 1-4). Im Gegensatz zum reinen Kalkstein brausen Mergel beim Beträufeln mit verdünnter Salzsäure etwas schwächer und mit deutlich erkennbarer brauner Farbe auf.

4

1 Grundlagen der Geologie

1

Bild 1-4 Nomenklatur der natürlichen Kalk-Ton-Mischungen

Kalkstein Kalksteine können in Abhängigkeit ihrer Enstehungsgeschichte gebankt oder massig vorkommen. Die spröde reagierenden Gesteine weisen hohe bis sehr hohe Druckfestigkeiten auf und können in humiden Gebieten zur Verkarstung neigen. Darunter versteht man die durch Lösungsverwitterung hervorgerufene Abtragung von Karbonaten und Evaporiten. Geschieht dies an der Oberfläche, entstehen mit der Zeit Karstlandschaften (Bild 1-5). Zudem weisen die angelösten Gesteine wechselnd tiefe Rillen und Rinnen auf, die als Karren (Bild 1-6) bezeichnet werden. Sickert das Regenwasser ein, kann es durch die Lösung des Calciumcarbonates zur Bildung von weit verzweigten unterirdischen Hohlräumen (Karsthöhlen) kommen. Diese Auslaugung (Subrosion) führt zu Massendefiziten im Untergrund. Als Folge daraus sackt das darüber liegende Material ab und es entstehen schüsselförmige Eintiefungen (Einsturzdolinen).

Bild 1-5 Karstlandschaft

Bild 1-6 Rinnenkarren

Dolomitstein Dieser ist makroskopisch in vielen Fällen nur schwierig vom Kalkstein zu unterscheiden. Er ist oft zuckerkörnig bis spätig ausgebildet und reagiert nicht bzw. nur äußerst schwach beim Salzsäuretest. Durch sein sprödes Bruchverhalten ist er häufig kleinstückig zerklüftet, wobei

1.3 Glossar ausgewählter Fest- und Lockergesteine

die Klüfte oft mit Calcit verheilt sind. Ähnlich wie bei Kalksteinen kann es durch Lösungsverwitterung zur Verkarstung kommen. Trotz seiner geringeren Löslichkeit ist er verwitterungsanfälliger als Calcit, da die einzelnen Kristalle beim Eindringen von Fluiden ihren Zusammenhalt verlieren. Evaporite (z. B. Gips, Anhydrit, Steinsalz) Diese drei Gesteine gehören zu den chemischen Sedimenten und entstehen durch die Anreicherung der im Wasser gelösten Salze bei Verdunstung bzw. totaler Eindampfung und werden daher als Evaporite bezeichnet. Sie sind hoch wasserlöslich, was oft zu großräumigen Auslaugungen im Untergrund führt. Bei entsprechendem Überlagerungsdruck sind sie plastisch verformbar. Vor allem Steinsalz ist wegen seiner geringen Dichte äußerst mobil und kann in Form von Salzstöcken (bzw. Salzdiapiren) in die Nähe der Erdoberfläche aufsteigen (Salztektonik, Halokinese). Eine in geotechnischer Hinsicht besondere Eigenschaft ist die Quellfähigkeit von Anhydrit bei Wasserzutritt (Volumenzunahme bis zu 64 % [6]). Dies führt zu gewaltigen Drücken im Sediment, wodurch das primäre Sedimentgefüge in der Regel gestört wird. Es entsteht in diesem Fall Schlangen- oder Gekrösegips. An der Oberfläche kann es infolge von Quellvorgängen bei Wasserzutritten zu beträchtlichen Hebungen kommen, wie dies in neuerer Zeit in den anhydrithaltigen Schichten des Gipskeupers in BadenWürttemberg aufgetreten ist [4], [5]. Rauhwacke (Zellenkalk, Zellendolomit) Wegen ihrer hohen Löslichkeit sind Evaporite in humiden Klimaten an der Oberfläche nicht zu finden. Infolge von Lösungsverwitterung reichern sich dunkle, tonig-siltige Verunreinigungen an, die sogenannte Residualsedimente bilden. Die Tone sind häufig oberhalb von Salzdiapiren zu finden und dichten diese auf Grund ihrer wasserstauenden Wirkung ab. Zudem kann es durch das Lösen der Evaporite und dem damit verbundenen Volumenverlust zum Einsturz und zur Brecciierung überlagernder Schichten (meist Dolomit) kommen. Die sekundär entstandenen Breccien können durch zirkulierende Kluftwässer calcitisch zementiert werden. Durch Auslaugung werden die enthaltenen Evaporite gelöst. Zudem haben die Dolomitbruchstücke aufgrund der Oberflächenrauhigkeit eine geringere Verwitterungsresistenz als Calcit, so dass es häufig zum selektiven Herauswittern der Dolomite kommt. Das Resultat sind zellig-poröse Dolomite und Kalke, die als Rauhwacken bzw. Zellenkalk oder Zellendolomit bezeichnet werden. Diese Gesteine können vor allem auf die Standsicherheit bei Bauwerken eine große Auswirkung haben, da sie beispielsweise zu Instabilitäten in der Ortsbrust führen können. Residualtone und Rauhwacken sind oft der einzige Hinweis an der Oberfläche für Evaporite in der Tiefe. Granit Granite sind helle, mittel- bis grobkörnige, meist massige Gesteine mit richtungslosem Gefüge und dem Mineralbestand Feldspat, Quarz und Glimmer. Bei mechanischer Beanspruchung im Gebirge kommt es zur Kluftbildung, wobei die einzelnen Klüfte häufig orthogonal ausgerichtet sind. Dadurch kann die Verwitterung an den Rändern von granitischen Kluftkörpern angreifen und sandiges Lockermaterial, sogenannten Granitgrus, erzeugen. Das Resultat sind schwach gerundete, kissenartige Blöcke (Wollsackverwitterung) [10], die bei lang einwirkender Verwitterung den Kontakt zum Gesteinsverband verlieren und als große Felsblöcke abrutschen können, was vor allem bei Böschungen und im Tunnelbau ein erhebliches Risiko darstellt.

5

1

6

1

1 Grundlagen der Geologie

Gneis Gneise haben zwar eine ähnliche mineralogische Zusammensetzung wie Granite, weisen jedoch durch die Metamorphose ein ausgeprägtes Lagengefüge auf. Dabei wechseln sich helle Bereiche aus Quarz und Feldspäten mit dunkleren Lagen ab, die vorwiegend aus Glimmern oder Amphibolen bestehen [11]. Diese Paralleltextur wird als Schieferung bezeichnet. Gneise mit einem sedimentärem Ausgangsgestein (z. B. Sandsteine, Arkosen) werden als Paragneise, solche mit magmatischem Ausgangsgestein als Orthogneise bezeichnet. Gneise haben bei Belastung parallel zu den Trennflächen andere felsmechanischen Eigenschaften als senkrecht dazu. Bei hangparallelem Einfallen der Schieferungsflächen kann es zum Abrutschen einzelner Gesteinspartien kommen. Im Tunnelbau führen ungünstige Verschneidungen von Tunnelachse und Trennflächen zu geologisch bedingten Mehrausbrüchen.

1.3.2

Lockergesteine

Voraussetzung für die Bildung von Lockergesteinen, die im geotechnischen Sprachgebrauch auch als Böden im eigentlichen Sinne bezeichnet werden, sind von außen angreifende Kräfte, die die Kornbindung von Festgesteinen lockern und diese zersetzen. Man spricht hier von Verwitterung. Die physikalische Verwitterung zermürbt das Gestein mechanisch, indem es durch Temperaturunterschiede sowie Frost sein Gefüge lockert (Frostsprengung). Pflanzenwurzeln sind ebenso in der Lage, mechanisch auf das Gestein einzuwirken (Wurzelsprengung). Bei der chemischen Verwitterung werden die Gesteine durch das Regenwasser sowie darin enthaltene Stoffe gelöst bzw. chemisch verändert. Die reine Lösungsverwitterung betrifft vor allem leicht lösliche Gesteine wie Evaporite. Zudem können kieselsäurereiche Gesteine verändert werden. So entstehen bei der Verwitterung von im Granit enthaltenen Feldspäten Tonminerale wie Kaolinit, was zur Reduzierung des Gesteinsverbandes führt. 1.3.2.1 Glazigene Böden Da es in der Erdgeschichte viele Perioden gab, in der große Teile der Erde von Gletschern bedeckt waren, haben glaziale Ablagerungen sowie ihre Erscheinungsformen wesentlichen Einfluss auf den Aufbau und die Eigenschaften des Baugrundes. Ein Großteil dieser Ablagerungen stammt aus dem geologischen Zeitalter des Quartärs. Dieses ist der jüngste Zeitabschnitt der Erde und umfasst ursprünglich die letzten 1,8 Millionen Jahre bis heute [14]. Charakteristisch für diesen Zeitraum sind extreme klimatische Bedingungen, mehrere Vereisungsperioden und ihre Hinterlassenschaften. Der geologische Begriff „Quartär“ wird gelegentlich verwendet, um eiszeitlich gebildete Böden wie Schmelzwasserkiese und Geschiebelehme begrifflich zusammenzufassen. Das stratigraphisch darunter liegende Tertiär beschrieb ursprünglich den Zeitabschnitt vor 1,8 bis 66 Millionen Jahren [14].Zwischen 2004 und 2009 fand eine Änderung der Nomenklatur der geologischen Zeitskala statt und der Begriff Tertiär wurde durch die Zeitalter Paläogen und Neogen ersetzt. Zudem wurde die Grenze zum Quartären Zeitalter auf 2,6 Millionen Jahre verschoben. Im allgemeinen Sprachgebrauch lässt sich der Begriff Tertiär jedoch schwer verdrängen, so dass er folgend weiter verwendet wird. Wie beim Quartär steht der Begriff Tertiär auch stellvertretend für die feinkörnigen Gesteine (z. B. Flinz bzw. Flinzlehm), die in diesem Zeitabschnitt gebildet wurden. Im Gegensatz zu den durchlässigen quartären Kiesen sind die tertiären, bindigen Schichten häufig wasserstauend. Neben dem feinkörnigen Tertiär können jedoch auch tertiäre Sande auftreten, die wiederum wasserführend

1.3 Glossar ausgewählter Fest- und Lockergesteine

7

sind. Die tertiären Schichtenserien können auch als Molassegesteine bezeichnet werden. Sie bestehen aus dem Abtragungsmaterial, das durch die alpidische Orogenese in die im Norden angrenzenden Senken transportiert wurde.

1

Im Folgenden wird für einige häufig vorkommende Böden, die aus den letzten Eiszeiten stammen bzw. durch die Mechanik des Eises gebildet wurden, der geologische Hintergrund erläutert. Beckenton Diese geschichteten Sedimente entstehen, wenn sich kleinste Schwebstoffe am Grund von Gletscherrückzugsseen absetzen. Da es in diesem Milieu kein Bodenleben gibt welches zu Bioturbation führt, sind die Sedimente fein laminiert und weisen eine jahreszeitlich bedingte Hell-Dunkel-Schichtung, sogenannte Warven (deshalb auch Warventone), auf. Darüber hinaus können die Tone bzw. Schluffe Grobmaterial enthalten, das in Form von Dropstones von driftenden Eisbergen ausgeschmolzen und in das feine Sediment gefallen ist. Geschiebelehm, Geschiebemergel Diese Sedimente werden an der Basis des sich bewegenden Gletschereises abgelagert. Im Eis enthaltene Gerölle werden dabei aufgeschmolzen und in den Untergrund gespachtelt. Es entstehen weit gestufte und ungeschichtete Sedimente, deren Korngrößenbereich sich von Tonpartikeln bis zum Blockwerk erstreckt. Bei höherem Kalkgehalt kommt es zur Bildung von Geschiebemergeln. Häufig wurde durch die Auflast des Gletschers das Lockermaterial entwässert und stark verdichtet, was großen Einfluss auf die Baugrundeigenschaften hat. Man spricht in diesem Falle von Vor- bzw. Überkonsolidation. Geschiebelehme können so fest sein, dass sie als Festgesteine zu klassifizieren sind. In der Praxis werden die Gesteine häufig als Grundmoräne bezeichnet. In geowissenschaftlicher Hinsicht treffender ist jedoch der Begriff Belastungstill. Moräne Moränen entstehen, wenn der Gesteinsschutt, den ein Gletscher mit sich trägt, an der Gletscherstirn ausschmilzt, sich akkumuliert und langgezogene Wälle bildet. Die unsortierten und ungeschichteten Sedimente sind im Gegensatz zu den Geschiebelehmen unverdichtet. Der Feinkornanteil ist oft ausgewaschen, so dass nur grobblockige Komponenten übrig bleiben (Blockmoräne). Findlinge Oftmals kommt es vor, dass mehrere Meter große Blöcke in die glazialen Ablagerungen eingebettet sind, die durch das Gletschereis transportiert und beim Gletscherrückzug ausgeschmolzen wurden. Diese sogenannten Findlinge sind wegen ihrer Größe bautechnisch von wesentlicher Bedeutung. In Geschiebeböden kommen sie besonders an deren Oberfläche vor. Schmelzwasserkiese Die vom Gletscher abfließenden, stark verzweigten Schmelzwasserflüsse (Zopfstromsysteme) hinterlassen vielfach mächtige, geschichtete glazifluviale Schmelzwasserkiese, die vor allem im süddeutschen Raum weit verbreitet sind (Münchner Schotterebene). Da sich die Ablagerungsbedingungen durch Hoch- bzw. Niedrigwässer und Strömungsverhältnisse oft änderten, können grobsandige Einschaltungen und sogenannte Rollkieslagen auftreten. Letztere sind

8

1 Grundlagen der Geologie

1

grobkörnige Lockergesteine, die durch den hohen Rundungsgrad der Kieskomponenten und einen geringen Feinkornanteil geprägt sind. Auf Grund ihrer hohen Durchlässigkeit und Kohäsionslosigkeit sind Rollkieslagen von wesentlicher bautechnischer Bedeutung. Deltasediment Münden Schmelzwasserflüsse in größere Seen, werden die mitgeführten gröberen Partikel am Boden abgelagert. Es entstehen Deltasedimente, die an der steil einfallenden Deltafront grobkörnig (kiesig, sandig) und schräggeschichtet sind und Richtung Beckenmitte hin feinkörniger werden, bis sie schließlich als fein laminierte Beckentone absedimentiert werden. Löss In der Umgebung der großen Inlandeismassen haben Fallwinde das feinkörnige Material aus den Böden ausgeweht, das bei nachlassendem Wind oder im Windschatten von Hügeln als Löss wieder abgelagert wurde. Die ursprünglich porösen und kalkhaltigen äolischen Ablagerungen sind in humiden Klimaten zu kalkfreiem Lösslehm verwittert. Lössböden sind häufig gekennzeichnet durch einen hohen Kalkgehalt und Salzbildungen. Daraus resultiert ihre hohe Wasserempfindlichkeit, die zu kollapsartigen Setzungen und Sackungen führen kann [9]. Permafrostboden In Gebieten mit Jahresmitteltemperaturen unter 0° C bleibt der Boden während eines Großteils des Jahres gefroren. Man spricht dann von Permafrost. Nur im Sommer können die obersten Schichten, die sogenannte aktive Lage, auftauen. Auf Grund seiner Instabilität kann das weiche Material schon bei extrem geringen Hangneigungen ins Fließen kommen. Dieser Vorgang, der als Bodenfließen oder Solifluktion bezeichnet wird, ist in erdstatischer Hinsicht von wesentlicher Bedeutung. Frostmusterboden Durch den periodischen Wechsel von Auftauen und Gefrieren sowie Bodenfließen kommt es zur Bildung charakteristischer Strukturböden. Ein häufiges Erscheinungsbild sind Sortierungseffekte, bei denen größere Komponenten im Boden ausfrieren, sich an der Oberfläche anreichern und sogenannte Steinringe bzw. Steinnetze bilden. Lokale Unterschiede in der Wärmeleitfähigkeit des Bodens lassen gefrorene an nicht gefrorene Bereiche angrenzen. Durch die unterschiedliche Volumenzunahme kommt es zum Phänomen der Bodenkonvektion. Dadurch wird feinkörniges Material nach oben gepresst. Es entstehen kleine Erdhügel, sogenannte Erdbülten. Schotterterrasse Diese für das Quartär typische geomorphologische Form entsteht durch das erneute Einschneiden eines Flusses in seinen vorher aufgeschütteten Schotterkörper [10]. Das Resultat sind sich lang hinziehende subparallele Verebnungsflächen, die treppenartig durch scharfe Erosionskanten voneinander getrennt sind. 1.3.2.2 Grundwasserböden (Gley) und organische Böden Diese Böden entwickeln sich unter dem Einfluss von Grundwasser bzw. bei Verlandung von Gewässern und sind zeitweilig sogar überflutet. Durch den hohen Anteil an Feinkorn (Ton, Schluff) und organischem Material erfordern sie in bautechnischer Hinsicht eine sorgfältige Untersuchung und Planung. Kennzeichnend sind in der Regel hohe Frostempfindlichkeit und

1.3 Glossar ausgewählter Fest- und Lockergesteine

9

hohe Setzungsaktivität. Organische Böden sind als unmittelbarer Gründungshorizont ungeeignet. Angetroffen werden sie häufig in Talauen und im Verlandungsbereich von Küsten und Seeufern.

1

Auelehm bzw. Überflutungslehm In der direkten Umgebung von Flüssen werden nach periodischen Überflutungsereignissen durch nachlassende Strömung extrem feinkörnige Auelehme abgelagert. Diese weichen Böden sind durch ihre hohe biologische Aktivität gekennzeichnet und reich an organischer Substanz [7]. Marsch Marschen sind vegetationsbedeckte, im Gezeitenbereich von Küstengebieten vorzufindende Flachlandschaften. Sie bestehen aus Schlick und den feinkörnigen Sedimenten der Wattenküsten bzw. Flussmündungen und enthalten häufig hohe Anteile an organischer Substanz [13]. Moor Moore gehören zu den hydromorphen Bildungen humider Klimazonen. Sie besitzen eine mindestens 0,3 m mächtige Torfschicht mit wenigstens 30 % organischer Substanz [13] und werden durch das Grundwasser (Niedermoor) bzw. durch Niederschlag (Hochmoor) gespeist. Organogene Schluffe und Tone (Klei bzw. Gley, Schlick, Seekreide) Der feinklastische (d. h. mineralische) Anteil überwiegt gegenüber dem organischem Anteil. Sie entstehen in Marschen bzw. in limnischem Milieu und weisen im Falle der Seekreide einen sehr hohen Kalkgehalt auf. Mudde (Gyttja, Faulschlamm) Bei diesen in Seen abgelagerten Böden überwiegen die organogenen Anteile. Sie bestehen aus zersetzter Pflanzensubstanz und mineralischen Beimengungen aus Ton, Schluff, Sand oder Kalk [4]. Torf, Kohle, Inkohlung Gerät pflanzliches Material unter Sauerstoffabschluss (z. B. in Mooren), können sich durch mikrobiellen Abbau kohlenstoffreiche Zersetzungsprodukte (Torf) bilden. Gelangen diese organischen Lagen durch geologische Vorgänge in Bereiche höheren Drucks und höherer Temperatur, sinken Wassergehalt und Porosität, während Kohlenstoffgehalt und Dichte steigen. Es entstehen aufeinanderfolgend Braunkohle, Steinkohle, Anthrazit und Graphit. 1.3.2.3 Weitere geologische Begriffe Tuff Vulkanische Tuffe entstehen durch die Verfestigung vulkanischer Auswurfprodukte und bestehen aus Glas- und Mineralfragmenten unterschiedlicher Korngrößen. Häufig ist bei diesen Vulkaniten eine Schichtung erkennbar. Kalktuffe hingegen werden im Süßwasser durch Kalkfällung unter dem Einfluss von Mikroorganismen gebildet und gehören zu den Sedimentgesteinen. Sie werden auch als Quelltuff oder Quellkalk bezeichnet. Die biogenen

10

1

1 Grundlagen der Geologie

Tuffe sind äußerst porös und weisen eine geringe Dichte auf. Durch die ständige Wasserdurchströmung kommt es zunehmend zur Kalkausfällung (Zementation) in den Hohlräumen. Es entstehen dichtere Süßwasserkalke, die auch als Travertine bezeichnet werden. Sinter Sinterkalke hingegen werden ohne die Beteiligung von Mikroorganismen rein auf chemischem Wege gebildet. Es kommt im Boden zur Bildung von Kalkknollen (Calicheknollen) sowie in unterirdischen Hohlräumen zur Bildung von Tropfsteinen. Thixotropie Thixotropie beschreibt in der Bodenkunde einen Prozess, der vorwiegend bei feinkörnigen Ton-Schluff-Gemischen vorkommt. Durch mechanische Beanspruchung (Erschütterungen, Belastung durch Bauwerke) ändert der Boden seine Viskosität von fest zu flüssig. Maßgebend für diesen Vorgang ist die mineralogische Zusammensetzung des Materials. Die im Boden enthaltenen plättchenförmigen Tonminerale stützen sich im ursprünglichen Zustand wie ein Kartenhaus gegeneinander in alle Raumrichtungen ab und fangen bei Belastung an, sich parallel in eine Richtung anzuordnen. Entlang dieser parallelen Flächen können die Mineralplättchen abgleiten und das Material beginnt zu fließen, wobei dieser Prozess durch die Einwirkung von Wasser maßgebend verstärkt wird. Quicktone Als Quickton werden marine, meist feinsandige Tone bezeichnet, die aufgrund ihrer Küstennähe einen hohen Wassergehalt besitzen. Durch die marinen Bildungsbedingungen weisen sie eine hohe Elektrolytkonzentration auf. Sobald die Böden durch die Regression des Meeres an die Oberfläche gelangen, führen die Auslaugungsprozesse der Salze dazu, dass die ursprünglich stabile Struktur von Tonpartikeln und Meersalz bei geringsten Erschütterungen zerstört wird. Es kommt daher zu verflüssigten Sedimentströmen, die z. B. an Hanglagen große Schäden ausrichten können und folglich als Baugrund ungeeignet sind. Trennflächen Trennflächen sind Fugen im Gestein, die den Festkörper durchziehen und über die in der Regel keine Zugkräfte übertragen werden können. Man unterscheidet zwischen – – – –

Klüftung Bankung (Schichtung) Schieferung Störung.

Diese können nach verschiedenen Gesichtspunkten beschrieben werden: – Art der Trennfläche – Trennflächenorientierung (Einmessen der Raumlage mit dem Gefügekompass und Darstellung im Lagenkugeldiagramm) – Trennflächenabstände – Oberflächenbeschaffenheit/Öffnungsweite und Füllungen: teilweise Füllung mit feinkörnigem Lockergestein, Mineralverheilungen, z. B. aus Calcit – Rauhigkeit und Ebenheit – Durchtrennungsgrad

1.4 Literatur

Klüftung Klüfte entstehen durch das Überschreiten der Bruchfestigkeit des Gesteins. Im Gegensatz zur Störung ist keine erkennbare Verminderung der Gesteinsfestigkeit an den Bruchrändern erkennbar. Klüfte entstehen durch tektonische Prozesse, Entlastungs- und Setzungsvorgänge, Hangbewegungen oder Temperatureffekte (z. B. physikalische Verwitterung). Die Größenordnung von Klüften reicht von wenigen Millimetern bis zu mehreren Metern. Treten größere Bewegungen entlang der Klüfte auf, spricht man von Verwerfungen. Bankung Bankung ist der lagenweise Aufbau bei Sedimentgesteinen. Sie entsteht durch primäre Änderung der Sedimentationsbedingungen, wie z. B. nachlassende Strömung. Schieferung Als Schieferung bezeichnet man das parallele Lagengefüge eines Gesteins, das durch die Einregelung der Mineralgemengeteile (z. B. bei Tonschiefer oder Gneis) im Zuge der Metamorphose entsteht. Diese ordnen sich senkrecht zum wirkenden Druck an. Daraus resultiert eine gute Spaltbarkeit des gesamten Gesteins. Störung/Störungszone Störungen sind tektonisch bedingte Erscheinungsformen im Gebirge, die durch Relativbewegungen zweier geologischer Körper (z. B. Decken) entstehen. Häufig grenzen verschiedene Gebirgsarten aneinander. Durch die Bewegungsvorgänge ist das umliegende Gestein zerbrochen bzw. zerschert und die Gebirgsfestigkeit bei gleichzeitig angestiegener Wasserdurchlässigkeit reduziert. Das gestörte, stark zerlegte Gestein wird als Mylonit (auch Kakirit) und der gestörte Bereich als Ruschelzone bezeichnet. Die Kernzone von Störungen kann zudem sehr feinkörniges Lockergestein enthalten, das im Gegensatz zum umliegenden zerbrochenen Gestein eine wasserstauende Wirkung hat.

1.4 [1] [2] [3] [4] [5]

[6] [7] [8]

Literatur Bahlburg, H. und Breitkreuz, C. (2012): Grundlagen der Geologie. 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Boley, C. (2018): Vorlesungsunterlagen Geotechnik, Universität der Bundeswehr München (unveröffentlicht) Boley, C., Englert, K., Fuchs, S. und Schalk, G. (2010): Baurecht-Taschenbuch: Sonderbauverfahren Tiefbau, Technische Erläuterungen – Rechtliche Lösungen. – 1. Auflage, Verlag Ernst & Sohn Dachroth, W. R. (2017): Handbuch der Baugeologie und Geotechnik. 4. Auflage, Springer-Verlag Englert, K. und Boley, C. (2010): Wenn der Baugrund zur Katastrophe führt: Technische und juristische Probleme mit dem Naturbaustoff „Baugrund“. Baurechtstreff 2010, Frankfurt/Main, Deutsche Gesellschaft für Baurecht, S. 1–14 Fecker, E. und Reik, E. (2001): Baugeologie. 2. Auflage, Springer-Verlag Grundmann, G. und Scholz, H. (2006): Kieselsteine im Alpenvorland. 2. Auflage, ChristianWeise-Verlag Jacobshagen, V., Arndt, J., Gotze, H.-J., Mertmann, D. und Wallfass, C. M. (2000): Einführung in die geologischen Wissenschaften, Ulmer-Verlag

11

1

12

1 Grundlagen der Geologie

[9]

1

[10] [11] [12] [13] [14]

Meier, C. und Boley, C. (2011): Structure and Collapsibility of Loess Soils in Middle Asia. Proc. XVIIth European Conf. on Soil Mechanics and Geotechnical Eng., Athens, Sept. 12-15, 2011 Murawsky, H. und Meyer, W. (2010): Geologisches Wörterbuch. 12. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Okrusch, M. und Matthes, S. (2014): Mineralogie: Eine Einführung in die Spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde, 9. Auflage, Springer-Verlag Press, F. und Siever, R. (2008): Allgemeine Geologie. 5. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Scheffer, F. und Schachtschabel, P. (2010): Lehrbuch der Bodenkunde. 16. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Stanley, S. M: (2001): Historische Geologie. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag

2

Eigenschaften und Klassifikation von Böden Yazhou Zou und Conrad Boley

2.1

Zusammensetzung von Böden und Bodengefüge

Boden ist ein Lockergestein im oberen Bereich der Erdkruste. Er besteht aus mineralischen und gelegentlich aus organischen Substanzen (Bodenkörnern) sowie aus der Porenflüssigkeit (Porenwasser) und dem Porengas im Porenraum.

2.1.1

Korngrößen und Korngrößenverteilung

2.1.1.1 Korngrößengruppen Die Größe der Bodenkörner wird durch den äquivalenten Korndurchmesser d in mm ausgedrückt. Hinsichtlich der Verteilung der Korndurchmesser werden Bodenkörner üblicherweise in 6 Korngrößengruppen mit entsprechender Benennung eingeteilt (Tabelle 2.1). Die Gruppen Schluffkorn, Sandkorn und Kieskorn können weiter in die Untergruppen Fein-, Mittel- und Grob- mit entsprechender Benennung unterteilt werden. Tabelle 2.1 Korngrößengruppen und ihre Benennung Korngrößengruppe

Benennung

Bis 0,002 mm

Feinstes

Untergruppe

0,002 bis 0,063 mm

Schluff

0,002 bis 0,006 mm 0,006 bis 0,02 mm 0,02 bis 0,063 mm

Feinschluff Mittelschluff Grobschluff

0,063 bis 2,0 mm

Sand

0,063 bis 0,2 mm 0,2 bis 0,63 mm 0,63 bis 2,0 mm

Feinsand Mittelsand Grobsand

2,0 bis 63,0 mm

Kies

2,0 6,3 20

Feinkies Mittelkies Grobkies

63,0 bis 200 mm

Steine

> 200 mm

Blöcke

bis 6,3 mm bis 20 mm bis 63 mm

Unterbenennung

Bodenkörner mit Korngrößen > 0,063 mm werden als Grobkorn und Bodenkörner mit Korngrößen ≤ 0,063 mm als Feinkorn bezeichnet.

2.1.1.2 Korngrößenverteilung Zur Klassifizierung von Böden und zur Untersuchung der mechanischen Eigenschaften von Böden dient die Verteilung der unterschiedlichen Korngruppen in einem Boden, die sogenannte Korngrößenverteilung. Die Korngrößenverteilung wird durch die Massenanteile

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_2

14

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

nannte Korngrößenverteilung. Die Korngrößenverteilung wird durch die Massenanteile einzelner Korngruppen dargestellt. Der Massenanteil xi der Korngruppe i kann mathematisch dargestellt werden als xi =

2

mi md

(2.1)

Hierbei ist mi die Trockenmasse der Korngruppe i und md die gesamte Trockenmasse. Die Massenanteile xi der unterschiedlichen Korngruppen in einem Boden werden durch die Korngrößenanalyse bestimmt, die Massenanteile der Korngruppen mit Korngrößen über 0,063 mm können durch Siebung, die Massenanteile der Korngruppen mit Korngrößen unter 0,125 mm durch Sedimentation bestimmt werden. Die Versuche zur Kornanalyse sind im Kapitel Laborversuche detailliert beschrieben. Die Korngrößenverteilung eines Bodens wird üblicherweise mit den Summenmassenanteilen a der Korngrößengruppen mit Korngrößen < d in Beziehung zur Korngröße (Korndurchmesser) d dargestellt. Die grafische Darstellung der Beziehung zwischen den Summenmassenanteilen und der Korngröße d im halblogarithmischen Maßstab wird Körnungslinie genannt (Bild 2-1). Die Körnungslinien A, B und C wurden durch Siebung, durch Sedimentation bzw. durch die Kombination von Siebung und Sedimentation bestimmt. Körnungslinie

Feinstes

100

Fein2

3

90 80 70

Schluffkorn MittelGrob-

4 5 6 7 8 91

2

3

Fein-

4 5 6 7 8 9 1

2

n io at t en B m di e S

un eb Si

40

3

Grobkörner Fein-

Grob-

4 5 6 7 89 1

2

3

Kieskorn Mittel-

4 5 6 7 89 1

Grob2

3

Steine

4 5 6 7 8 9

ion

60 50

Sandkorn Mittel-

Se nd u g

tat en dim

A Sie bu ng

Massenanteile a der Körner < d in % der Gesamtmenge

Feinkörner

C

30 20 10 0,001 0,002

0,006

0,02

0,06

0,2

d10 0,63

2,0 d30

6,3 d60

20

63 100

Korndurchmesser d in mm

Bild 2-1 Körnungslinie

Ein steil verlaufender Abschnitt in der Körnungslinie deutet auf das Vorherrschen einer Korngruppe hin, ein flacher Abschnitt auf das Fehlen einer Korngruppe. Die den Summenmassenanteilen 10 %, 30 % und 60 % entsprechenden Korngrößen werden mit d10, d30 bzw. d60 bezeichnet. Das Verhältnis zwischen d10 und d60 ist als Ungleichförmigkeitszahl U wie folgt definiert:

2.1 Zusammensetzung von Böden und Bodengefüge

U=

Für

15

d60

(2.2)

d10

U 2,0

Sand

Schluff

Feinstes

Korndichte

0,063–2,0

0,002–0,063

5)

Bezeichnung

D < 0,15

D < 0,20

sehr locker

0,15 ≤ D < 0,3

0,20 ≤ D < 0,45

locker

0,3 ≤ D < 0,5

0,45 ≤ D < 0,65

mitteldicht

D  0,5

D  0,65

dicht

Der Verdichtungszustand eines nichtbindigen Bodens kann im Feld anhand der Schlagzahl N bei einer Rammsonderung oder anhand des Spitzenwiderstandes qs bei einer Drucksonderung auf der Basis von Erfahrungswerten abgeschätzt werden (siehe Kapitel Baugrunderkundung).

2.2 Physikalische Eigenschaften von Böden

27

2.2.2.2 Konsistenz Die Konsistenz eines bindigen, d. h. feinkörnigen Bodens ist von seinem Wassergehalt abhängig. Mit zunehmendem Wassergehalt ändert sich die Konsistenz vom festen über den halbfesten, steifen, weichen und breiigen zum flüssigen Zustand (Bild 2-13). Mit den Grenzwassergehalten, dies sind die Fließgrenze wl, die Ausrollgrenze wP und die Schrumpfgrenze wS, werden die Konsistenzen voneinander abgegrenzt. wS

wP

wL IP

halbfest

fest

Konsistenzzahl IC

steif 1,0

weich 0,75

0,5

Zunehmender Wassergehalt w konstantes Volumen

flüssig

breiig

Volumenabnahme

0

Bild 2-13 Konsistenz und Konsistenzgrenzen

Die Fließgrenze wL ist der Grenzwassergehalt am Übergang von der flüssigen zur breiigen Konsistenz. Die Ausrollgrenze wP ist der Grenzwassergehalt am Übergang von der steifen zur halbfesten Konsistenz. Die Schrumpfgrenze wS ist der Grenzwassergehalt am Übergang von der halbfesten zur festen Konsistenz. Die Fließgrenze wL kann mit dem Fließgrenzengerät von Casagrande [1] bestimmt werden. Die Ausrollgrenze wP und die Schrumpfgrenze wS werden durch den Ausrollversuch bzw. den Schrumpfversuch ermittelt (siehe Kapitel Laborversuche). Die Plastizitätszahl IP ist als die Differenz zwischen der Fließgrenze wL und der Ausrollgrenze wP definiert:

I P = wL − wP

(2.18)

Je höher der Tonanteil und je größer die spezifische Kornoberfläche sind, desto höher ist der Wert der Plastizitätszahl. Die Plastizitätszahl ist ein Maß für die Wasserempfindlichkeit eines Bodens, d. h. dafür, wie schnell sich seine Konsistenz bei Wassergehaltsänderungen verändert. Die Konsistenzzahl IC ist als das Verhältnis der Differenz zwischen der Fließgrenze wL und dem natürlichen Wassergehalt w zur Differenz zwischen der Fließgrenze wL und der Ausrollgrenze wP definiert: IC =

wL − w wL − wP

(2.19)

Durch die Konsistenzzahl Ic ist die Konsistenz eines Bodens mit dem natürlichen Wassergehalt w wie in Tabelle 2.8 angegeben festgelegt.

2

28

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Tabelle 2.8 Benennung der Konsistenz Benennung Konsistenzzahl

2

fest oder halbfest

steif

weich

breiig

flüssig

1,0 < IC

0,75 < IC ≤ 1,0

0,50 < IC ≤ 0,75

0 < IC ≤ 0,50

≤0

Bei einem Wassergehalt w > wS nimmt das Volumen einer bindigen Bodenprobe mit abnehmendem Wassergehalt ab, während es bei w < wS und bei Veränderungen des Wassergehaltes nahezu konstant bleibt (Bild 2-13). Typische Werte der Zustandskenngrößen wL, wP und IP sind in Tabelle 2.9 angegeben. Tabelle 2.9 Typische Werte der Zustandskenngrößen wL, wP und IP in Prozent Bodenart

wL

wP

IP

Sand mit Feinkorn

20 – 40

15 – 20

5 – 25

Schluff

25 – 50

20 – 23

4 – 20

Ton, hochplastisch

60 – 85

20 – 35

33 – 55

Schluff und Ton, organisch

45 – 70

30 – 45

10 – 30

2.2.2.3 Aktivität bindiger Böden Die Aktivitätszahl IA eines bindigen Bodens ist als das Verhältnis der Plastizitätszahl I P zum Massenanteil m der feinsten Körner (d < 0,002 mm) an der Gesamtmasse des Bodens definiert:

IA =

IP m

(2.20)

Die Aktivitätszahl IA beschreibt die Aktivität der feinsten Körner in einem feinkörnigen Boden. Die Aktivität eines bindigen Bodens kann nach Tabelle 2.10 klassifiziert werden. Erfahrungswerte für die Aktivitätszahl I A einiger Tonmineralien sind gemeinsam mit ihrer Fließgrenze wL in Tabelle 2.11 angegeben. Tabelle 2.10 Benennung der Aktivität bindiger Böden Benennung

inaktiv

normal

aktiv

Aktivitätszahl IA

IA ≤ 0,75

0,75 < IA ≤ 1,25

IA > 1,25

Tabelle 2.11 Erfahrungswerte für die Aktivitätszahl IA und die Fließgrenze wL einiger Tonmineralien Mineralart

wL (%)

IA (–)

Quarzmehl



0

Kaolin

60

0,40

Illit

100

0,90

Ca-Montmorillonit

500

1,5

Na-Montmorillonit

700

7

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

29

2.2.2.4 Empfindlichkeit bindiger Böden Der Empfindlichkeitsindex St eines bindigen Bodens ist als das Verhältnis der einaxialen Druckfestigkeit qu einer ungestörten Bodenprobe zur einaxialen Druckfestigkeit q g einer bei gleichem Wassergehalt kräftig durchgekneteten und mit gleicher Dichte wieder geformten Bodenprobe definiert: St =

qu

(2.21)

qg

Die einaxialen Druckfestigkeiten qu und qg können durch einaxiale Druckversuche bestimmt werden (siehe Kapitel Laborversuche). Der Empfindlichkeitsindex St ist ein Maß für den Einfluss von Strukturstörungen eines bindigen Bodens auf dessen Festigkeit. Die Empfindlichkeit eines bindigen Bodens kann anhand des Empfindlichkeitsindexes nach Tabelle 2.12 klassifiziert werden. Tabelle 2.12 Empfindlichkeit bindiger Böden Benennung Empfindlichkeitsindex St

leicht empfindlich

mittelempfindlich

sehr empfindlich

Sr ≤ 2

2 < Sr ≤ 4

Sr > 4

2.3

Mechanische Eigenschaften von Böden

2.3.1

Wechselwirkung zwischen Wasser und Bodenkörnern

2.3.1.1 Wasserdurchlässigkeit Die Wasserdurchlässigkeit ist ein Maß für die Intensität der Wasserströmung durch die Porenräume eines Bodenelementes unter der Wirkung einer Potenzialdifferenz h (Bild 2-14 a). In gesättigten Böden und bei laminarer Strömung ist die Filtergeschwindigkeit v = q/A, und somit das Verhältnis der Durchflussrate q zur Querschnittsfläche A, nahezu proportional zum hydraulischen Gradienten i = h/l, der als das Verhältnis der Potenzialdifferenz h zur entsprechenden Strömungslänge l definiert ist (Bild 2-14 b). Bei geringen Strömungsgeschwindigkeiten, z. B. in sehr dichten, fetten Tonböden kann die Beziehung zwischen v und i bei einem kleinem Gradienten i < i0 (Stagnationsgradient) vom linearen Verlauf abweichen. Ebenso wird der lineare Bereich bei relativ großen Strömungsgeschwindigkeiten auf Grund dann einfließender Trägheitskräfte verlassen. Die Proportionalität zwischen v und i ist als sogenanntes Darcy’sches Gesetz

v = k i

(2.22)

bekannt. k wird als Durchlässigkeitsbeiwert bezeichnet. Der Durchlässigkeitsbeiwert k ist von der Bodenart, der Bodendichte, der Kornverteilung und dem Bodengefüge und darüber hinaus von der Zähigkeit, Dichte und Temperatur des Porenwassers abhängig. Er kann z. B. im Labor bestimmt werden (siehe Kapitel Laborversuche). Erfahrungswerte für Durchlässigkeitsbeiwerte für unterschiedliche Bodenarten sind in Tabelle 2.13 angegeben.

2

30

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

2

Bild 2-14 Wasserströmung in einem Bodenelement mit der Beziehung zwischen Filtergeschwindigkeit v und hydraulischem Gefälle i Tabelle 2.13 Erfahrungswerte für die Durchlässigkeitsbeiwerte von Böden Bodenart

Durchlässigkeitsbeiwert k (m/s)

Sandiger Kies

210-2 bis 110-4

Sand

110-3 bis 110-5

Schluff-Sand-Gemisch

510-5 bis 110-7

Schluff

510-6 bis 110-8

Ton

110-8 bis 110-12

Abhängig von der Größe des Durchlässigkeitsbeiwertes k kann die Durchlässigkeit von Böden in 5 Stufen eingeteilt werden (Tabelle 2.14). Tabelle 2.14 Einstufung der Durchlässigkeit von Böden Bezeichnung

Durchlässigkeitsbeiwert k (m/s)

sehr stark

> 110-4

stark

110-4 bis 110-5

mittel

110-5 bis 110-7

gering wasserdurchlässig

110-7 bis 110-8

sehr gering bis nicht wasserdurchlässig

< 110-8

Ein Bodenpaket mit einer Gesamtmächtigkeit d kann aus unterschiedlichen Bodenschichten, z. B. n Schichten bestehen, die unterschiedliche Mächtigkeiten von d 1 bis dn und unterschiedliche Wasserdurchlässigkeitsbeiwerte von k1 bis kn haben und die näherungsweise waagerecht zueinander liegen. Der mittlere horizontale Durchlässigkeitsbeiwert kh des Bodenpaketes in der Strömungsrichtung parallel zur Schichtung kann mit Gleichung (2.23) berechnet werden.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

kh =

1 d

31

n

k d i

(2.23)

i

i =1

Der mittlere vertikale Durchlässigkeitsbeiwert kv des Bodenpaketes in der Strömungsrichtung senkrecht zur Schichtung folgt aus Gleichung (2.24). kv =

d n

 i =1

(2.24)

di ki

Der Durchlässigkeitsbeiwert von Böden ist häufig in horizontaler Richtung größer als in vertikaler Richtung. Bei nichtbindigen Böden, wie Fein- und Mittelsanden kann dies z. B. auf die Sedimentationsprozesse im Zuge der Genese zurückgeführt werden. Der Wert k h kann in diesem Fall erfahrungsgemäß bis zu 10-mal größer sein als kv. Bei Tonböden kann infolge der bevorzugten Orientierung der Tonplättchen der Durchlässigkeitsbeiwert in der Richtung parallel zur Plättchenorientierung größer als in der Richtung normal zur Plättchenorientierung sein. Der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert kw eines teilgesättigten Bodens mit dem Sättigungsgrad Sr kann nach Kézdi [11] mit der Gleichung

 S − S ru   k w = k r  r  1 − S ru 

3

(2.25)

abgeschätzt werden, wobei Sru den Grenzwert der Sättigung darstellt, unter dem keine Wasserströmung mehr eintritt, und kr der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert des wassergesättigten Bodens ist. 2.3.1.2 Strömungskraft Bei der Wasserströmung durch die Porenräume eines Bodenelementes (Bild 2-14) entspricht der Potenzialunterschied h grundsätzlich dem Energieverlust, der auf den Widerstand der Bodenkörner gegen das strömende Porenwasser zurückzuführen ist. Die Gegenkraft dieser Widerstandskraft im Korngefüge ist die sogenannte Strömungskraft, die als Volumenkraft betrachtet werden kann. Die auf ein Bodenvolumen bezogene Strömungskraft wird spezifische Strömungskraft fs genannt. Sie ergibt sich zu:

fs = i  w ,

(2.26)

wobei i und w den hydraulischen Gradienten bzw. die Wichte des Wassers darstellen. Die Richtung der spezifischen Strömungskraft fs ist identisch zur Richtung der Wasserströmung. 2.3.1.3 Hydraulische Erosion Die Bewegung der Bodenkörner unter der Einwirkung der sogenannten Strömungskraft wird im Allgemeinen als hydraulische Erosion bezeichnet. Sie kann an der Bodenoberfläche, an den Kontaktbereichen zweier unterschiedlicher Bodenschichten sowie auch innerhalb eines homogenen Bodenbereiches eintreten (Bild 2-15). Die unterschiedlichen Arten von Erosion

2

32

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

werden als Oberflächenerosion, innere Kontakterosion (schichtennormal und schichtenparallel zur Strömungsrichtung) sowie Suffosion bezeichnet.

2

Bild 2-15 Erosion und Suffosion

Wenn die spezifische Strömungskraft fs an der Bodenoberfläche größer ist als die gesamte Widerstandskraft der Bodenkörper pro Volumeneinheit in der Gegenrichtung, findet eine Oberflächenerosion statt (Bild 2-15 a)). Bei der vertikalen Strömung nach oben beträgt der kritische hydraulische Gradient ic für die Oberflächenerosion ic =

 , w

(2.27)

wobei  die Wichte des Bodens unter Auftrieb ist. Das Kriterium der inneren Kontakterosion ist bei grobkörnigen Böden, z. B. bei Sand und Kies, nur von der Korngrößenverteilung der beiden Bodenschichten abhängig (geometrisches Kriterium). Für den Fall, dass die feine Bodenschicht aus feinkörnigen Böden, z. B. Schluff und Ton, besteht, sind nicht nur die Korngrößenverteilungen der beiden Bodenschichten, sondern auch die hydraulischen Bedingungen, z. B. die Strömungskraft sowie die mechanischen Eigenschaften des feinen Bodens maßgebend. Bei Böden mit Ungleichförmigkeitszahlen Ud (feiner Boden) bzw. UD (grober Boden) < 2 kann das geometrische Kriterium der inneren Kontakterosion nach der Filterregel von Terzaghi und Peck [23] bestimmt werden, nämlich: D15 d85

 4 und

D15 d15

4

(2.28)

wobei d15 und D15 die Korndurchmesser der Bodenkörner mit einem Massenanteil von 15 % für den feinen Boden bzw. für den groben Boden sind und d 85 der Korndurchmesser der Bodenkörner mit einem Massenanteil von 85 % für den feinen Boden. Für Ungleichförmigkeitszahlen 1 < Ud (UD) < 20 der beiden Bodenschichten kann das geometrische Kriterium der inneren Kontakterosion nach Cistin und Ziems [24] (Bild 2-16) bestimmt werden. Das Kriterium gilt nur für 0,1 mm < D50 < 30 mm und 4 mm < d50 < 100 mm, wobei d50 und D50 der Korndurchmesser der Bodenkörner mit dem Massenanteil 50 % für den feinen Boden bzw. für den groben Boden sind. Wenn das Abstandsverhältnis A50 = D50/d50 kleiner als der kritische Wert gemäß Bild 2-16 ist, ist die Sicherheit gegen innere Kontakterosion nach dem geometrischen Kriterium gegeben. Für den Fall, dass die feine Bodenschicht aus feinkörnigen Böden aufgebaut ist, kann das hydraulische Kriterium für innere Kontakterosion nach Davidenkoff [2] angewendet werden.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

33

Suffosion findet normalerweise in Böden statt, deren Korngrößenverteilung ungleichförmig ist und in welchen die Zwischenkorngrößen fehlen. In diesem Fall werden die Bodenkörner zur Bestimmung der Suffosionsgefahr zunächst in zwei Größenbereiche eingeteilt. Sodann wird die Suffosionssicherheit mit der Filterregel nach Terzaghi und Peck [23] gemäß Gleichung (2.28) oder nach Cistin und Ziems [24] (Bild 2-16) geprüft.

Bild 2-16 Cistin/Ziems-Diagramm

2.3.1.4 Kapillarwirkung (Kapillarität) Unter Kapillarwirkung versteht man die Wechselwirkung zwischen dem Porenwasser, der Porenluft und dem Feststoff (Bodenkörner) an ihren Grenzflächen. Infolge der Kapillarwirkung entsteht direkt über dem Grundwasserspiegel eine Kapillarzone mit einer Mächtigkeit hk, welche wiederum Kapillarsteighöhe genannt wird (Bild 2-17). In der Kapillarzone ist der Porenwasserdruck uw negativ (Zugspannungen). Der Sättigungsgrad Sr in der Kapillarzone nimmt mit zunehmender Höhe h über dem freien Grundwasserspiegel ab. Bei h > hk ist der Sättigungsgrad näherungsweise konstant. Die Kapillarsteighöhe hkp bei der Entwässerung der Kapillarzone ist höher als die Kapillarsteighöhe hka bei der Bewässerung. Bei der Entwässerung ist die Kapillarzone bis h = hkps näherungsweise gesättigt. Erfahrungswerte der Kapillarsteighöhe h kps bei der Entwässerung und einem Sättigungsgrad Sr  1,0 sind für unterschiedliche Böden in Tabelle 2.15 angegeben. In Tabelle 2.16 sind Versuchswerte der Kapillarsteighöhe hka für unterschiedliche Mineralien und Korngrößen aufgelistet. pk Ts

Ts

GOK

+



uw

Ts

h

teilgesättigte Zone

Ts pk

KWS

hk

a

Kapillarzone

b

hkp

hka

GWS

hkps 1

Grundwasser z

Bild 2-17 Kapillarwirkung bei Böden

a: Bewässerung b: Entwässerung

Sr

2

34

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

In der teilgesättigten Zone oberhalb der Kapillarzone ist infolge der Kapillarwirkung der Porenwasserdruck uw negativ und wird auch Porenwassersaugspannung genannt (Bild 2-17). Die Saugspannung uw nimmt mit zunehmendem Wassergehalt ab. Bei gleichem Wassergehalt bzw. Sättigungsgrad ist die Saugspannung uw bei Entwässerung höher als bei Bewässerung.

2

Tabelle 2.15 Kapillarsteighöhe in unterschiedlichen Bodenarten Bodenart

Kapillarsteighöhe hkps

Mittel- bis Grobkies

0,05 m

sandiger Kies oder Feinkies

bis 0,2 m

Grobsand oder schluffiger Kies

bis 0,5 m

Mittel- und Feinsand

bis 1,5 m

Schluff

bis mehrere Meter

Ton

Meter bis Zehnermeter

In der teilgesättigtem Zone entsteht infolge der Wirkung der Oberflächenspannung Ts des Porenwassers eine mittlere Spannung pk, die als sogenannter Kapillardruck zwischen den Körnern wirkt. Der Kapillardruck in der teilgesättigten Zone führt zu einer erhöhten Scherfestigkeit, die von äußeren Lasten unabhängig ist und somit wie eine Kohäsion wirkt. Sie wird Kapillarkohäsion oder scheinbare Kohäsion genannt. Tabelle 2.16 Kapillarsteighöhe hka unterschiedlicher Mineralien und Korngrößen Kapillarsteighöhe hka (mm) Korngröße (mm)

0,01–0,06

0,06–0,1

0,1–0,25

0,25–0,5

0,5–1,0

1,0–2,0



122

66

33

21

12

Gerundeter Quarz

122

83

62

26

15

9

Kantiger Quarz

205

100

56

26

13

6



99

49

23

13

7

Glimmer

Feldspalt

2.3.2

Verdichtungseigenschaften von Böden

2.3.2.1 Verdichtungsfähigkeit Die Erhöhung der Trockendichte bzw. die Verminderung des Porenanteils eines Bodens durch mechanische Wirkung, z. B. durch Stampfen oder Rütteln, wird Verdichtung genannt. Die Verdichtungsfähigkeit eines Bodens ist nicht nur von der Verdichtungsarbeit A, sondern auch vom Wassergehalt w des Bodens abhängig. Für Böden mit ausgeprägtem Feinkornanteil (Schluff- oder Tonkörner) nimmt bei gleicher Verdichtungsarbeit bei der Verdichtung mit zunehmendem Wassergehalt w die Trockendichte d zunächst bis zu einer maximalen Trockendichte max d zu und dann wieder ab (Bild 2-18 a). Die Beziehung zwischen der Trockendichte d und dem Wassergehalt w bei konstanter Verdichtungsarbeit wird Verdichtungskurve oder auch Proctorkurve genannt. Sie wird im Labor durch den sogenannten Proctorversuch bestimmt (siehe Kapitel Laborversuche).

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

35

tungskurve oder auch Proctorkurve genannt. Sie wird im Labor durch den sogenannten Proctorversuch bestimmt (siehe Kapitel Laborversuche). ρd

ρd

A = konstant

ie lin gs un ttig Sä

ie lin gs un ttig Sä

max ρd2 max ρd1

2

Sr =

=

1,0

Sr

A2

1,0

A1

S

r

A2 > A1 0

wopt wopt 2

S r = = 0 0,9 ,8

Wassergehalt w 1

a) für feinkörnige Böden

w1

wopt

Wassergehalt w

b) für grobkörnige Böden

Bild 2-18 Verdichtungskurven

Die maximale Trockendichte max d und der entsprechende Wassergehalt wopt werden maximale Trockendichte bzw. optimaler Wassergehalt genannt. Mit zunehmender Verdichtungsarbeit A nimmt die maximale Trockendichte max d zu und der optimale Wassergehalt wopt ab. Bei w < wopt (trockene Seite der Verdichtungskurve) ist der Reibungswiderstand zwischen den Körnern in einem Boden infolge der Kapillarsaugspannung sowie der Anziehungskräfte zwischen den Körnern größer als bei w = wopt. Somit kann der Boden bei w < wopt schlechter als bei w = wopt verdichtet werden. Bei w > wopt (nasse Seite der Verdichtungskurve) können das Porenwasser und sowie ggf. die eingeschlossenen Gasblasen in Böden mit wesentlichem Feinkornanteil in der bei der Verdichtung verstreichenden kurzen Zeit nicht vollständig ausgepresst werden. Somit kann der Boden bei w > wopt schlechter als bei w = wopt verdichtet werden. Für einen Boden mit der Korndichte s im gesättigten Zustand (Sättigungsgrad Sr = 1) ist die Trockendichte d des Bodens nur vom Wassergehalt w abhängig und kann geschrieben werden als

d =

s 1+ w

s w

,

(2.29)

wobei w die Dichte des Wassers ist. Gleichung (2.29) beschreibt die sogenannte Sättigungslinie, welche die Asymptote der Verdichtungskurven für jeweils unterschiedliche Verdichtungsarbeiten an der nassen Seite darstellt (Bild 2-18 a). Bei gleichem Sättigungsgrad Sr bzw. bei gleichem Porenluftanteil na ist die Trockendichte d eines Bodens nur noch vom Wassergehalt w abhängig und kann geschrieben werden als:

d =

s

w s 1+ Sr   w

=

 s  (1 − na )  1+ w s w

(2.30)

36

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

In Bild 2-18 a sind die Kurvenscharen beispielhaft für Sr = 0,9 und Sr = 0,8 dargestellt.

2.3.2.2 Verdichtungsparameter Der von Proctor [16] für bindige Böden eingeführte Verdichtungsversuch im Labor wird Proctorversuch genannt. Die konstante Verdichtungsarbeit beträgt A = 0,6 MNm/m3. Die entsprechende maximale Trockendichte wird Proctordichte Pr genannt und der entsprechende optimale Wassergehalt wird mit wPr bezeichnet. Bei feinkörnigen Böden sind die Proctordichte Pr und der optimale Wassergehalt wPr von der Fließgrenze wL abhängig. Erfahrungswerte für die Proctordichte Pr und den optimalen Wassergehalt wPr feinkörniger Böden in Abhängigkeit der Fliessgrenze wL sind in Bild 2-19 und Bild 2-20 dargestellt. In Tabelle 2.17 sind Erfahrungswerte für die Proctordichte Pr und den optimalen Wassergehalt wPr für verschiedene Bodenarten zusammengestellt. Tabelle 2.17 Erfahrungswerte der Proctordichte Pr und des optimalen Wassergehaltes wPr Proctordichte Pr (g/cm3)

Bodenart

Optimaler Wassergehalt wPr (%)

Sand

1,80 – 1,88

8 – 12

Schluff

1,61 – 1,80

16 – 22

Schluffiger Ton

1,85 – 1,95

12 – 15

Ton

1,58 – 1,70

19 – 23

Optimaler Wassergehalt wPr (%)

2,1

Proctordichte  Pr (g/cm3)

2

Für Böden mit überwiegendem Grobkornanteil, z. B. bei Sand oder Kies hat die Verdichtungskurve bei einem Wassergehalt w1 < wopt in der Regel ein Minimum (Bild 2-18 b). Bei Wassergehalten w < w1 ist der Reibungswiderstand infolge der Kapillarwirkung vernachlässigbar klein, somit kann der Boden bei w < w1 grundsätzlich leichter als bei w = w1 verdichtet werden.

2,0

Bereich der Proctordichte

1,9 1,8 1,7 1,6 1,5 0

10

20

30

40

50

60

70

Fließgrenze wL (%)

Bild 2-19 Proctordichte Pr feinkörniger Böden in Abhängigkeit der Fließgrenze wL

40,0

30,0

Ausrollgrenze 20,0

Bereich des optimalen Wassergehaltes

10,0

0,0 0

10

20

30

40

50

60

70

Fließgrenze wL (%)

Bild 2-20 Optimaler Wassergehalt wPr feinkörniger Böden in Abhängigkeit der Fließgrenze wL

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

37

Der Verdichtungszustand eines auf der Baustelle bis zur Trockendichte d verdichteten Bodens kann durch den sogenannten Verdichtungsgrad

DPr =

d  Pr

(2.31)

2

beschrieben werden.

2.3.3

Kompressionseigenschaften und Formänderungsverhalten

Die Fähigkeit von Böden, ihr Volumen zu verändern, wird als Kompressionsfähigkeit oder Zusammendrückbarkeit bezeichnet. 2.3.3.1 Porenwasserüberdruck, totale und effektive Spannung Wenn eine gesättigte Bodenprobe durch eine vertikale Spannung z belastet wird, entstehen zwischen den Bodenkörnern Kontaktkräfte Fi und im Porenwasser entsteht ein Porenwasserüberdruck u (Bild 2-21). Die mittlere vertikale Kontaktspannung  z = Fzi /A (A ist die Gesamtfläche) wird effektive oder wirksame Spannung genannt, wobei Fzi die vertikale Komponente der jeweiligen Kontaktkräfte Fi darstellt. Die gesamte vertikale Spannung z wird totale Spannung genannt. Die Beziehung zwischen der totalen Spannung z, der effektiven Spannung  z und dem Porenwasserüberdruck u kann geschrieben werden als:

 z =  z + u

(2.32)

Dieser von Terzaghi begründete Zusammenhang wird auch „Prinzip der totalen Spannungen“ genannt.

z s(t) Fi Fi

u

A

Bild 2-21 Kontaktkräfte Fi, Porenwasserüberdruck u und Konsolidationssetzung s(t)

Wenn sich ein Bodenelement unterhalb des Grundwasserspiegels im Baugrund befindet, umfasst die totale Spannung an einer Fläche des Bodenelementes auch noch den hydrostatischen Wasserdruck und die Spannung infolge des effektiven Bodeneigengewichtes. 2.3.3.2 Konsolidation gesättigter Böden Wenn die unter der vertikalen totalen Spannung z belastete Bodenprobe (Bild 2-21) drainieren kann, entweicht das Porenwasser unter dem Porenwasserüberdruck u. Infolge der Entwässerung der Bodenprobe nimmt der Porenwasserüberdruck u mit zunehmender Zeit t mit der

38

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Rate du/dt ab und die wirksame Spannung  z nimmt mit der gleichen Rate d z / dt = du / dt zu. Die totale Spannung z bleibt grundsätzlich konstant. Infolge der Zunahme der effektiven Spannung nimmt die Porenzahl e der Bodenprobe ab, was gleichbedeutend ist mit einer vertikalen Verformung s(t), die auch Konsolidationssetzung genannt wird.

2

Die synchron ablaufenden Prozesse der Abnahme des Porenwasserüberdruckes unter gleichzeitiger Zunahme der wirksamen Spannung und einer Abnahme der Porenzahl e mit der Zeit t werden zusammenfassend als Konsolidation bezeichnet. Wenn keine seitliche Verformung und Entwässerung der Probe stattfindet, spricht man von eindimensionaler Konsolidation. Bei einem Porenwasserüberdruck u  0 ist die Probe auskonsolidiert. Die entsprechende Setzung s wird Endsetzung genannt. 2.3.3.3 Eindimensionale Kompression Wenn sich der Porenraum bzw. die Porenzahl e einer (gesättigten und auch teilgesättigten) Bodenprobe unter der Wirkung einer vertikalen Spannung z ändern und eine vertikale Verformung bzw. Setzung s ohne seitliche Verformungen entsteht, ist die Probe unter der Spannung z eindimensional komprimiert. Diese Kompression wird eindimensionale Kompression genannt. Die Kompressionsfähigkeit eines Bodens kann durch die sogenannte Kompressionskurve veranschaulicht werden. Die Kompressionskurve einer gesättigten Bodenprobe mit der Höhe h ergibt sich aus der Beziehung zwischen der vertikalen Stauchung z = s/h und der vertikalen effektiven Spannung  z . Sie wird auch Druck-Stauchungs-Diagramm genannt (Bild 222) und wird auf der Grundlage von Kompressionsversuchen im Labor ermittelt (siehe Kapitel Laborversuche). Die Beziehungen für Belastung bzw. Entlastung werden Belastungskurve bzw. Entlastungskurve genannt. Die Neigung Es der Belastungskurve

Es =

 z  z

(2.33)

wird als Steifemodul bezeichnet. Er ist von der effektiven Spannung  z abhängig. e e0

εz

Belastungskurve a

Belastungskurve Wiederbelastungskurve εz1

Erstb belastungskurve

eb

Δεz

εz

ec

Entlastungskurve

e1

Entlastungskurve

e

Δσ‘z σ‘z1

Wiederbelastungskurve

c

d

σ‘z

σ‘z bzw. z

Bild 2-22 Kompressionskurve (DruckStauchungs-Diagramm)

σ‘zc

σ‘zb σ‘z1 σ‘z log σ‘z bzw. log z

Bild 2-23 Kompressionskurve (Beziehung zwischen Porenzahl e und effektiver Spannung ’z)

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

39

Analog zum Steifemodul bei Belastung werden die Neigung der Entlastungskurve bzw. der Wiederbelastungskurve Steifemodul für Entlastung bzw. für Wiederbelastung genannt. Die Kompressionskurve einer Bodenprobe kann darüber hinaus durch die Beziehung zwischen der Porenzahl e und dem logarithmischen Wert der effektiven Spannung  z dargestellt werden (Bild 2-23). Die Kurve für die Erstbelastung ist nahezu eine Gerade. Die Neigung C c dieser Erstbelastungskurve

Cc =

e1 − e log( z  z1 )

(2.34)

ist als Kompressionsbeiwert definiert und ist für die Erstbelastung konstant. Die Entlastungs- und Wiederbelastungskurve können näherungsweise durch die Gerade b-c in Bild 2-23 ersetzt werden. Die Neigung Cs der Geraden b-c

Cs =

e c − eb   zc  ) log( zb

(2.35)

wird als Schwellbeiwert oder Wiederbelastungsbeiwert bezeichnet. Bei teilgesättigten Böden kann die Kompressionskurve ebenfalls durch Kompressionsversuche im Labor bestimmt werden. Die Kompressionskurve kann in diesem Fall durch die Beziehung zwischen der vertikalen Stauchung z und der totalen Spannung z oder durch die Beziehung zwischen der Porenzahl e und dem Logarithmus der totalen Spannung z dargestellt werden. Bei teilgesättigten Böden ist die effektive Spannung z in den Gleichungen (2.33) bis (2.35) durch die entsprechende totale Spannung z zu ersetzen. 2.3.3.4 Kompressionsparameter Der Steifemodul Es ist von der vertikalen effektiven Spannung ' abhängig und für Erstbelastung kann nach Ohde [14] näherungsweise anhand der empirischen Beziehung

    Es = ve   at     at 

we

(2.36)

ermittelt werden. Hierbei ist at eine Bezugsspannung, i.a. at = 100 kN/m . Die zwei Parameter ve und we in Gleichung (2.36) können nach Ohde [14] aus Tabelle 2.18 entnommen werden. 2

Tabelle 2.18 Parameter für die Ermittlung des Steifemoduls nach Ohde Bodenart

ve

we

3 – 15

0,85 – 1,0

Tone

5 – 20

0,85 – 1,0

Schluffe

20 – 80

0,80 – 0,95

100 – 750

0,55 – 0,70

Organische Böden

Sande und kiesige Sande

2

40

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Nach Skempton [19] und anderen Autoren ist der Kompressionsbeiwert Cc von der Fließgrenze wL abhängig und kann für ungestörte bindige Böden zu

Cc = 0,009  (wL − 10 %)

2

(2.37)

und für gestörte bindige Böden zu

Cc = 0,007  (wL − 10 %)

(2.38)

abgeschätzt werden. Der Schwellbeiwert kann näherungsweise mit Cs = (0,25 bis 0,1)Cc angenommen werden. In Tabelle 2.19 sind Erfahrungswerte für Kompressions- und Schwellbeiwerte angegeben. Tabelle 2.19 Erfahrungswerte für Kompressions- und Schwellbeiwerte Bodenart

Kompressionsbeiwert Cc

Schwellbeiwert Cs

Kiesiger Sand

0,001

0,0001

Feinsand, dicht

0,005

0,0005

Feinsand, locker

0,01

0,001

Grobschluff

0,02

0,002

Toniger Schluff

0,03 – 0,6

0,01 – 0,02

Kaolin-Ton

0,1

0,03

Klei

0,1 – 0,3

0,03 – 0,1

Montmorillonit-Ton

0,5

0,4

Torf

1

0,3

Der Steifemodul Es und der Kompressionsbeiwert Cc für die Erstbelastung sind durch die Gleichung Es = 2,3   z

1+ e Cc

(2.39)

miteinander verknüpft. Hierbei sind z und e die bei dem jeweiligen Steifemodul E s vorhandene vertikale Spannung bzw. Porenzahl. Analog gilt Gleichung (2.39) auch für die Umrechnung zwischen dem Steifemodul Es für Entlastung bzw. Wiederbelastung und dem Schwellbeiwert Cs. 2.3.3.5 Eindimensionale primäre und sekundäre Kompression Wenn eine gesättigte bindige Bodenprobe durch eine vertikale Spannungszunahme z bei seitlich verhinderter Verformung belastet wird, entsteht eine von der Zeit t abhängige vertikale Verformung in Form einer Setzung s(t), die auch Zeitsetzung genannt wird. Bild 2-24 zeigt den typischen Verlauf einer Zeitsetzung, wobei die Zeit t in logarithmischem Maßstab auftragen ist. Alternativ kann die Setzung auch durch die entsprechende Porenzahl e ersetzt werden.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

41

Unmittelbar nach Lastaufbringung entsteht eine Setzung s0, die Sofortsetzung genannt wird. Die Sofortsetzung wird hauptsächlich durch die Verformung der im Porenraum eingeschlossenen Gasblasen und durch die elastische Verformung der Feststoffkörner verursacht. Bei zwei- und dreidimensionalen Verformungszuständen ist die Sofortsetzung zusätzlich eine Folge von Gestaltsänderungen. Der Hauptanteil der gesamten Setzung ist die Konsolidationssetzung s1. Sie ist die Folge der Entwässerung unter dem Porenwasserüberdruck u, also die Folge einer Konsolidation. Die Kompression infolge der Konsolidation wird auch primäre Kompression genannt. Nach der primären Kompression entsteht unter einem sehr kleinen verbleibenden Porenwasserüberdruck eine mit der Zeit t sehr langsam zunehmende Setzung s 2, die Sekundärsetzung genannt wird. Sie ist im Wesentlichen auf das Scherkriechen zwischen den Bodenkörnern zurückzuführen. Die Volumenabnahme infolge Kriechens wird sekundäre Kompression genannt. Die Konsolidationssetzung s1 = s100 – s0 kann wie folgt aus der Zeitsetzungskurve (Bild 2-24) bestimmt werden: An den Wendepunkt 1 wird eine Tangente 2 angelegt. Danach wird die Tangente 3 an den linearen oder linearisierten Abschnitt im Bereich der Sekundärkonsolidation angetragen. Die dem Schnittpunkt 4 entsprechende Zeit wird mit t98 bezeichnet. Die zur Zeit t98 gehörende Setzung s98 bedeutet, dass bis t98 die Konsolidationssetzung zu 98 % eingetreten ist. Die Konsolidationssetzung s98 ist ungefähr gleich der Setzung s100, bei der die Konsolidation abgeschlossen ist.

Bild 2-24 Zeitsetzung

Wenn die Zeitsetzung s(t) in Bild 2-24 durch die entsprechende Porenzahl e ersetzt wird, bezeichnet man die Neigung des linearen oder linearisierten Abschnittes im Bereich der Sekundärkonsolidation als Kriechbeiwert C.

C =

e  log t

(2.40)

Hierbei ist e das den Zeitinkrementen log t entsprechende Porenzahlinkrement im Bereich der Sekundärkonsolidation. Der Kriechbeiwert C kann nach Simons [18] mit Gleichung (2.41) in Abhängigkeit vom Wassergehalt w (in %) abgeschätzt werden zu:

C = 0,00018  w

(2.41)

2

42

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Darüber hinaus kann C für Tone nach Mesri [13] mit Gleichung (2.42) in Abhängigkeit vom Kompressionsbeiwert Cc ermittelt werden.

C = a  Cc

2

(2.42)

Hierbei ist a = 0,04 ± 0,01 für anorganische und a = 0,05 ± 0,01 für organische Tone. 2.3.3.6 Normal-, über- und unterkonsolidierte Böden Wenn die aktuelle Überlagerungsspannung v, d. h. die vertikale Spannung infolge des Bodeneigengewichtes sowie ggf. einer Auflast p im Boden, zugleich die größte jemals auf diesen Boden einwirkende effektive Spannung c ist, spricht man von einem normalkonsolidierten Boden (Bild 2-25 a). Wenn die aktuelle Überlagerungsspannung v im Boden kleiner als eine frühere maximale effektive Überlagerungsspannung c ist, wird der Boden als überkonsolidiert bezeichnet (Bild 2-25 b). Wenn ein Boden unter dem Bodeneigengewicht und ggf. einer Last p noch nicht auskonsolidiert ist, spricht man von einem unterkonsolidierten Boden. p1

frühere GOK p

p h1

h v = h + p

h v = h + p

c = h1 + p1> v

c = v = h + p

a)

b)

Bild 2-25 Normalkonsolidierte Böden a) und überkonsolidierte Böden b)

Das Verhältnis zwischen der früheren effektiven Überlagerungsspannung c und der aktuellen Überlagerungsspannung v ist als Konsolidierungsverhältnis OCR (englisch: overconsolidation ratio) definiert:

OCR = Hierbei gilt: OCR = 1 OCR > 1 OCR < 1

c v

(2.43)

normalkonsolidierter Boden überkonsolidierter Boden unterkonsolidierter Boden

Die frühere effektive Überlagerungsspannung c, auch Überkonsolidationsdruck oder Vorkonsolidationsdruck genannt, kann nach Casagrande mit Hilfe der Kompressionskurve, wie Bild 2-26 zeigt, grafisch ermittelt werden.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

43

2

Bild 2-26 Ermittlung des Überkonsolidationsdruckes c nach Casagrande

2.3.4

Festigkeit

Böden können bis zum Versagen bestimmte Scher- oder Zugbeanspruchungen ertragen. Die Fähigkeit von Böden zur Aufnahme von Scherbeanspruchungen wird als Scherfestigkeit f bezeichnet. Die Fähigkeit von Böden zur Aufnahme von Zugbeanspruchungen wird Zugfestigkeit z genannt. 2.3.4.1 Scherfestigkeit Die Scherfestigkeit von Böden kann durch Scherversuche und zwar Rahmenscherversuche und Dreiaxialversuche (Triaxialversuche) untersucht werden (siehe Kapitel Laborversuche). Wenn ein Bodenelement unter einer konstanten Normalspannung  durch eine Schubspannung  beansprucht wird, entsteht eine Scherdehnung  (Bild 2-27 a). Die konstante Normalspannung  kann eine totale Spannung  oder auch eine effektive Spannung  sein. Bild 2-27 b) zeigt zwei typische Scherspannungs-Scherdehnungs-Diagramme.

Bild 2-27 Bodenelement unter Scherbeanspruchungen

44

2

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Bei einem überkonsolidierten bindigen Boden oder dicht gelagerten nichtbindigen Boden (Kurve 1) hat die Scherfestigkeit f,1 des Bodens den Wert der maximalen Scherspannung max. Die konstante Scherspannung kons.,1 für eine sehr große Scherdehnung  wird Restscherfestigkeit r,1 genannt. Bei einem normal konsolidierten bindigen Boden oder einem locker gelagerten nichtbindigen Boden (Kurve 2) ist die einer Scherdehnung f entsprechende Scherspannung f,2 als Scherfestigkeit definiert und hängt davon ab, welche Scherdehnung f als Versagenszustand festgelegt wird. Die konstante Scherspannung kons.,2 für eine große Scherdehnung  ist die Restscherfestigkeit r,2 des normalkonsolidierten Bodens. 2.3.4.2 Coulomb’sches Schergesetz und Scherfestigkeitsverhalten Die Scherfestigkeit f in einer Scherfläche ist von der totalen Normalspannung  auf der Scherfläche abhängig. Die Beziehung zwischen der Scherfestigkeit f und der totalen Normalspannung  wird totale (Scher-)Festigkeitslinie genannt. Für einen bestimmten Bereich der Normalspannung  ist die totale Festigkeitslinie näherungsweise eine Gerade, die auch Schergerade für die totale Spannung genannt wird (Bild 2-28). Diese Schergerade kann durch das sogenannte Coulomb’sche Schergesetz dargestellt werden:

 f = c +   tan 

(2.44)

c und  sind die Kohäsion bzw. der Reibungswinkel. Für Sand und Kies wird in vielen Fällen die Kohäsion mit c = 0 kN/m2 angesetzt. Die Scherfestigkeit auf einer Scherfläche kann durch die effektive (wirksame) Spannung  dargestellt werden:

 f = c +   tan  

(2.45)

f wird effektive (wirksame) Scherfestigkeit genannt. c und  sind die effektive (wirksame) Kohäsion und der effektive (wirksame) Reibungswinkel. Die entsprechende Festigkeitslinie wird Schergerade für effektive Spannungen genannt. f

Sand und Kies

f

 

nie tsli i e k stig Fe

Schluff und Ton

c 0 Bild 2-28 Schergeraden



Sand, dicht

2

e rad rge e h Sand, Sc locker 1

0



Bild 2-29 Schergeraden von Sand

Bei gesättigten nichtbindigen Böden, z. B. bei Sand und Kies, ist die effektive Scherfestigkeit f von der Ausgangsdichte abhängig. f ist bei Sanden z. B. bei dichter Lagerung höher als bei lockerer Lagerung (Bild 2-29). Die Schergeraden gehen durch den Nullpunkt, d. h. die effektive Kohäsion beträgt c = 0. Der effektive Reibungswinkel 2 ist für dicht gelagerten Sand etwas höher als der effektive Reibungswinkel 1 für locker gelagerten Sand.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

45

Bei gesättigten bindigen Böden ist die effektive Scherfestigkeit f von der Belastungsgeschichte abhängig (Bild 2-30). Bei Erstbelastung, Entlastung bzw. Wiederbelastung ist die Porenzahl e bei gleicher Normalspannung  < v (v ist die Vorkonsolidationsspannung) unterschiedlich, wodurch sich auch die Festigkeitslinien unterscheiden. Die Festigkeitslinie für die Erstbelastung ist näherungsweise eine Gerade durch den Nullpunkt, die Kohäsion c1 ist näherungsweise gleich Null. 1 ist der effektive Reibungswinkel gesättigter bindiger Böden für Erstbelastung. Für teilweise überkonsolidierte bindige Böden können die Festigkeitslinien 2 und 3 für  < v und die Festigkeitslinie 1 für  > v näherungsweise durch die Gerade 4 ersetzt werden. 2 ist der effektive Reibungswinkel teilweise überkonsolidierter, gesättigter bindiger Böden, c2 ist die entsprechende effektive Kohäsion. Der Reibungswinkel 2 ist kleiner als der Reibungswinkel 1. e

v 1



Kom pres sion skur ve

3 2

1 Erstbelastung 2 Entlastung 3 Wiederbelastung

f slinien

2 2

keit Festig

4

Bild 2-30 Kompressionskurven und Festigkeitslinien gesättigter bindiger Böden

3

1 1

c2 0

v



Die effektive Scherfestigkeit f wird zur Bestimmung der Tragfähigkeit des Baugrundes verwendet. Die effektiven Spannungen im Baugrund müssen hierzu bekannt sein. Die effektive Scherfestigkeit f in Abhängigkeit der effektiven Spannung  kann durch drainierte Triaxialversuche oder konsolidierte, undrainierte Triaxialversuche oder auch durch Rahmenscherversuche mit langsamer Schergeschwindigkeit ermittelt werden (siehe Kapitel Laborversuche). Die Scherfestigkeit f gesättigter, bindiger bzw. nichtbindiger Böden in Abhängigkeit von der totalen Normalspannung  ist von den Entwässerungsbedingungen im Boden abhängig. Wenn ein Boden unter der Normalspannung  =  konsolidiert hat und die Entwässerung des Bodens während der Scherbeanspruchung nicht verhindert war, sind die Schergeraden für totale und effektive Spannung identisch. Die der Normalspannung  =  entsprechenden Scherparameter d =  und cd = c werden drainierter Reibungswinkel bzw. drainierte Kohäsion genannt. Bei Verhinderung der Entwässerung während der Scherbeanspruchung ergeben sich unterschiedliche Schergeraden für totale und effektive Spannung (Bild 2-31). Die der totalen Schergerade entsprechenden Scherparameter cu und ccu werden konsolidierter undrainierter Reibungswinkel bzw. konsolidierte undrainierte Kohäsion genannt. Der Reibungswinkel cu

2

46

2

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

ist kleiner als der Reibungswinkel . Die konsolidierte, undrainierte Scherfestigkeit f wird zur Bestimmung der Tragfähigkeit von gesättigtem Baugrund verwendet, wenn die Scherbeanspruchung sehr schnell stattfindet und nur die totalen Spannungen im Baugrund bekannt sind. Die konsolidierte, undrainierte Scherfestigkeit f kann durch konsolidierte, undrainierte Triaxialversuche oder durch Rahmenscherversuche mit schneller Schergeschwindigkeit nach vorheriger Konsolidation ermittelt werden (siehe Kapitel Laborversuche).

Bild 2-31 Konsolidierte, undrainierte Scherfestigkeit

Wenn der Boden unter einer Spannung v konsolidiert ist und die totale Spannung bis   v erhöht wird, der Boden jedoch unter  noch nicht konsolidiert ist, kann die totale Scherfestigkeit f des Bodens unter schneller Scherbeanspruchung durch den sogenannten undrainierten Triaxialversuch bestimmt werden. Die Schergerade für totale Spannungen ist im Idealfall eine horizontale Linie (Bild 2-32). Die entsprechende Kohäsion cu wird undrainierte Kohäsion genannt. Der entsprechende Reibungswinkel ist u = 0. Die undrainierte Kohäsion cu ist von der totalen Spannung  unabhängig und nimmt mit zunehmender Vorkonsolidationsspannung v zu. Die undrainierte Kohäsion cu kann auch durch Rahmenscherversuche mit hoher Schergeschwindigkeit ermittelt werden (siehe Kapitel Laborversuche).

Bild 2-32 Undrainierte Scherfestigkeit

Die Restscherfestigkeit r gesättigter Böden wird im Regelfall in Abhängigkeit der effektiven Spannung  dargestellt (Bild 2-33). Die Schergerade der Restscherfestigkeit geht durch den Nullpunkt. Die Kohäsion cr der Restfestigkeit ist somit näherungsweise gleich Null. Die Restscherfestigkeit r ist kleiner als die Peak-Scherfestigkeit f. Die Restscherfestigkeit r kann z. B. durch Kreisringscherversuche oder Rahmenscherversuche mit mehrfachen Umkehrscherungen bestimmt werden. Die Scherfestigkeit f eines teilgesättigten Bodens ist nicht nur von der Netto-Normalspannung  infolge des Bodeneigengewichts und den äußeren Lasten auf der Scherfläche abhängig, sondern auch vom Wassergehalt w. Für einen konstanten Wassergehalt kann die Scherfestigkeit f teilgesättigter Böden in Abhängigkeit von der Netto-Normalspannung  dargestellt werden (Bild 2-34). Die Festigkeitslinie für einen konstanten Wassergehalt w ist näherungsweise eine Gerade (Schergerade), die durch Gleichung (2.46) beschrieben werden kann.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

47

 f = c(w) +   tan  (w)

(2.46)

Die Kohäsion c(w) nimmt mit zunehmendem Wassergehalt w ab, während der Reibungswinkel (w) näherungsweise konstant ist. Die Scherfestigkeit f eines teilgesättigten nichtbindigen Bodens, z. B. eines Sandes oder Kieses ist etwa gleich derjenigen des Bodens im gesättigten Zustand bei freier Entwässerung. Bei teilgesättigtem Feinsand kann die Scherfestigkeit f infolge Kapillarwirkung etwas höher als die entsprechende Scherfestigkeit des Feinsandes im gesättigten Zustand sein.

Bild 2-33 Restscherfestigkeit

Bild 2-34 Schergerade teilgesättigter Böden

2.3.4.3 Scherparameter  und c Der effektive Reibungswinkel  und der Restreibungswinkel r sind von der Mineralzusammensetzung der Bodenkörner abhängig. In Tabelle 2.20 sind Erfahrungswerte für den Reibungswinkel  und den Restreibungswinkel r für unterschiedliche Mineralien angegeben. Tabelle 2.20 Erfahrungswerte für den Reibungswinkel  und den Restreibungswinkel r reiner Mineralien Mineral Montmorillonit Illit Kaolinit Glimmer Quarz a)

a) (°)

rb) (°)

7,5 – 16

4 – 10

16,5 – 25,5



24,5 – 31

15



16 – 26

30 – 45

30 – 35

nach Olson [15], b) nach Kenney [10]

Der effektive Reibungswinkel  von Sand ist nicht nur von der Mineralzusammensetzung der Sandkörner, sondern auch von der Korngrößenverteilung, der Kornform und der Schergeschwindigkeit abhängig. Je größer die Sandkörner, je dichter die Lagerungsdichte des Sandes, je ungleichmäßiger die Kornform und je rauher die Kornoberfläche sind, desto größer ist der Reibungswinkel . In Tabelle 2.21 sind Erfahrungswerte für den Reibungswinkel  von Sand für unterschiedliche Korngrößen und Anfangsdichten zusammengestellt. In Tabelle 2.22

2

48

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Sand für unterschiedliche Korngrößen und Anfangsdichten zusammengestellt. In Tabelle 2.22 sind Erfahrungswerte für den effektiven Reibungswinkel  und den Restreibungswinkel r unterschiedlicher nichtbindiger Böden angegeben.

2

Tabelle 2.21 Erfahrungswerte für den Reibungswinkel  von Sanden in Abhängigkeit von der Korngröße und der Lagerungsdichte im Anfangszustand (in Grad) Lagerungsdichte

Grobsand

Mittelsand

Feinsand

Schluffiger Sand

sehr locker

34

30

28

25

locker

36

33

30

28

mitteldicht

38

36

34

32

dicht

41

38

36

34

Der Reibungswinkel  nichtbindiger Böden kann abgeschätzt werden nach Schultze [17] mit der Korrelationsbeziehung (2.47) zwischen  und der Anfangsporenzahl e:

  = arc cot(3,36  e + 0,005)

(2.47)

Teferra [22] hat eine weitere Korrelation zwischen  und der Anfangsporenzahl e angegeben (2.48):

  = arc cot(a  e + b)

(2.48)

Hierbei sind a = 2,105 + 0,097  d85/d15 und b = 0,845 – 0,398  a. Tabelle 2.22 Erfahrungswerte für den Reibungswinkel  und den Restreibungswinkel r nichtbindiger Böden (in Grad) Bodenart

 (mitteldicht)

 (dicht)

r

Feinsand

28 – 32

30 – 34

26 – 30

gleichmäßiger Fein- bis Mittelsand

30 – 34

32 – 36

26 – 30

ungleichmäßiger Sand

34 – 40

38 – 46

30 – 34

sandiger Kies

36 – 42

40 – 48

32 – 36

Der Reibungswinkel  und die Kohäsion c gesättigter bindiger Böden sind nicht nur von der Bodenart abhängig, sondern z. B. auch von den Entwässerungsbedingungen und der Spannungsgeschichte. Der Reibungswinkel  für einen normalkonsolidierten bindigen Boden, der auch als Winkel s der Gesamtscherfestigkeit bezeichnet wird, kann abgeschätzt werden nach Kenney [9] mit der Korrelationsbeziehung (2.49) zwischen s und der Plastizitätszahl IP in %:

s = arcsin( 0,81 − 0,233  log I P )

(2.49)

Der Winkel s der Gesamtscherfestigkeit kann alternativ auch nach Ladd et al. [12] in Abhängigkeit von der Plastizitätszahl IP gemäß Bild 2-35 abgeschätzt werden.

2.3 Mechanische Eigenschaften von Böden

49

Bild 2-35 Korrelationsbeziehung zwischen dem Winkel s der Gesamtscherfestigkeit und der Plastizitätszahl IP nach Ladd et al. [12]

Für den effektiven Reibungswinkel  überkonsolidierter bindiger Böden haben Engel und Franke [3] eine Korrelationsgleichung (2.50) angegeben:

  = arctan[(ta n s ) / 0,86]1,608

(2.50)

Die undrainierte Kohäsion cu normalkonsolidierter, gesättigter bindiger Böden in einer Tiefe z unter der Geländeoberkante kann nach Skempton [20] mit Gleichung (2.51) abgeschätzt werden:

cu = (0,11 + 0,37  I P )    z

(2.51)

Hierbei ist IP die Plastizitätszahl als Dezimalbruch und  die Bodenwichte. Nach Wroth und Wood [25] kann die undrainierte Kohäsion cu (in kN/m2) in Abhängigkeit von der Konsistenzzahl IC (als Dezimalbruch) durch Gleichung (2.52) angenähert überschlagen werden:

cu = M  exp[ −0,46  ( I C − 1)]

(2.52)

Hierbei ist für normalkonsolidierte, nicht gealterte Sedimente M = 170, für völlig gestörte, durchgeknetete Sedimente M = 52,6. Allgemeiner Hinweis: Die überschlägige Abschätzung von Bodenkennwerten ersetzt nicht die durch DIN 4020 und EC 7-2 festgelegten Anforderungen an die Baugrunderkundung und die entsprechenden Labor- und Feldversuche.

2.3.4.4 Mohr-Coulomb’scher Grenzzustand Der Spannungszustand an einem Bodenelement kann durch den Mohr’schen Spannungskreis dargestellt werden. Im Grenzzustand eines Bodenelementes bei gleicher mittleren und kleinerer effektiven Hauptspannung (2 = 3) berührt die Schergerade den Mohr’schen Spannungskreis in der Darstellung der effektiven Spannungen (Bild 2-36). Dieser Grenzzustand wird auch Mohr-Coulomb’scher Grenzzustand genannt.

2

50

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

 f

f1

2

f3

 

Schergerade





f3

f

c

2f

f 0

f1

f3

f1





Bild 2-36 Mohr-Coulomb’scher Grenzzustand

Die Mohr-Coulomb’sche Grenzbedingung lässt sich in effektiven Spannungen schreiben als:

( f 1 −  f 3 ) − sin 2    ( f 1 +  f 2 + 2c  cot  ) 2 = 0

(2.53)

oder

 f 3 =  f 1 tan 2 (45 −

 2

) − 2c  tan( 45 −

 2

),

(2.54)

wobei c und  die effektive Kohäsion bzw. der effektive Reibungswinkel des Bodens sowie f3 und f1 die kleinere bzw. größere effektive Hauptspannung im Grenzzustand sind. Der Winkel f der Grenzfläche (Bruchfläche) ergibt sich zu (siehe Bild 2-36):

 f = tan( 45 +

 2

)

(2.55)

Mit Hilfe der Mohr-Coulomb’schen Grenzbedingung (2.53) oder (2.54) kann beurteilt werden, ob sich ein Bodenelement im Bruchzustand befindet. Auch der aktive und passive Erddruck können auf diese Weise ermittelt werden. Die Mohr-Coulomb’schen Grenzbedingungen (2.53) und (2.54) sowie der Winkel f in (2.55) können auch durch die totalen Spannungen f3 und f1 sowie die Festigkeitsparameter c und  in totalen Spannungen dargestellt werden. 2.3.4.5 Einaxiale Druckfestigkeit Die maximal aufnehmbare axiale Spannung einer zylindrischen Bodenprobe ohne verhinderte Seitendehnung wird als einaxiale Druckfestigkeit qu des Bodens bezeichnet (Bild 2-37).

Bild 2-37 Grenzspannungszustand unter einaxialer Belastung

2.4 Bodenklassifikation

51

Die einaxiale Druckfestigkeit qu eines Bodens kann mit Hilfe des einaxialen Druckversuches bestimmt werden (siehe Kapitel Laberversuche). Bei wassergesättigten bindigen Böden existiert zwischen der undrainierten Kohäsion cu und der einaxialen Druckfestigkeit qu folgende Beziehung:

cu = qu / 2

(2.56)

Bild 2-37 zeigt den Grenzspannungszustand einer gesättigten bindigen Bodenprobe unter einaxialer Belastung qu.

2.4

Bodenklassifikation

Bei der Bodenklassifikation werden die Böden je nach unterschiedlichen Merkmalen oder unterschiedlichen physikalischen und mechanischen Eigenschaften in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. In jeder Gruppe haben die Böden annähernd gleiche Merkmale, z. B. einen annähernd gleichen stofflichen Aufbau oder ähnliche physikalische und mechanische Eigenschaften, z. B. eine vergleichbare Konsistenz oder vergleichbare Festigkeitseigenschaften. Die Bodenklassifikation hat hauptsächlich zwei Ziele: 1. Die einheitliche Bezeichnung von Bodengruppen eines Bodens erlaubt eindeutige Schlüsse auf dessen grundsätzliche physikalische bzw. mechanische Eigenschaften. 2. Die definierte Bezeichnung von Böden oder Bodengruppen erlaubt den Austausch von Informationen über die Eigenschaften von Böden. In verschiedenen Ländern und in verschiedenen Teilgebieten der Geotechnik sind die Klassifikationskriterien (Merkmale und Eigenschaften) unterschiedlich. Tabelle 2.23 gibt häufig verwendete Klassifikationskriterien an. Tabelle 2.23 Häufige verwendete Klassifikationskriterien für Boden Merkmale

Physikalische Eigenschaften

Mechanische Eigenschaften

Korngrößenbereiche

Lagerungsdichte

Durchlässigkeit

Korngrößenverteilung

Konsistenzgrenzen

Verdichtungsfähigkeit

Kalkgehalt

Dichte

Zusammendrückbarkeit

Organische Bestandteile

Festigkeit Frostempfindlichkeit

Die in Tabelle 2.24 aufgelisteten Kurzzeichen (englische und deutsche) werden in den meisten Ländern und in den meisten Teilgebieten der Geotechnik für die Bodenklassifikation verwendet. Bei der Bodenklassifikation werden die Böden in den Regelwerken der meisten Länder zuerst nach dem Massenanteil des Feinkorns bzw. Grobkorns und nach organischen Beimengungen in einige Hauptgruppen, z. B. grobkörnige Böden, gemischtkörnige Böden, feinkörnige Böden oder organische Böden, eingeteilt. Die grobkörnigen Böden und teilweise auch gemischtkörnige Böden werden sodann hauptsächlich nach ihren Korngrößenverteilungen weiter in Untergruppen eingeteilt. Feinkörnige Böden werden im Wesentlichen in Abhängigkeit ihrer Konsistenzgrenzen Untergruppen zugeordnet.

2

52

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Tabelle 2.24 Kurzzeichen für die Klassifikation von Böden Kennbuchstabe auf Deutsch

2

Bedeutung

Kennbuchstabe auf Englisch

Bedeutung

A

ausgeprägt plastisch

C

clay

E

enggestuft

E

extremely high plasticity

F

Mudde

F

fine soil

G

Kies

G

gravel

H

Torf

H

high plasticity

I

intermittierend gestuft

L

low plasticity

K

Kalk

M

silt

L

leichtplastisch

O

organic

M

mittelplastisch

P

poorly graded

N

nicht bis kaum zersetzt

Pt

peat

O

organisch

Pu

poorly uniform

S

Sand

S

sand

T

Ton

U

upper plasticity

U

Schluff

V

very high plasticity

W

weit gestuft

W

well graded

X

Steine

Y

Blöcke

Z

zersetzt

In Tabelle 2.25 und Tabelle 2.26 sind die Bodenklassifikation nach DIN 18196 sowie die Bodenklassifikation gemäß dem „Unified Soil Classification System“ (USA) als Beispiele aufgelistet. Nach DIN 18196 (Tabelle 2.25) werden die Böden zuerst nach dem Massenanteil der Bodenkörner mit dem Durchmesser ≤ 0,063 mm und nach den organischen Beimengungen in fünf Hauptgruppen (grobkörnige Böden, gemischtkörnige Böden, feinkörnige Böden, Böden mit organischen Beimengungen und organische Böden) eingeteilt. Auffüllungen werden einer Hauptgruppe zugeordnet. Die „grobkörnigen Böden“ und die „gemischtkörnigen Böden“ werden nach dem Massenanteil der Bodenkörner mit einem Durchmesser ≤ 2 mm sowie nach den Korngrößenverteilungen (enggestuft, weitgestuft bzw. intermittierend gestuft) bzw. nach dem Massenanteil der Bodenkörner mit einem Durchmesser ≤ 0,063 mm in 14 Untergruppen (Zeile 1 bis 14) untergliedert. „Feinkörnige Böden“ und „Böden mit organischen Beimengungen“ werden nach der Plastizitätszahl Ip, der Plastizitätskarte (Casagrande-Diagramm, Bild 2-38), der Fließgrenze wL und ggf. nach organischen Beimengungen in 10 Untergruppen (Zeile 15 bis 24) eingeteilt. Die „organischen Böden“ untergliedern sich nach der Entstehungsgeschichte und dem Zersetzungsgrad in 3 Untergruppen (Zeile 25 bis 27).

2.4 Bodenklassifikation

53

22

23 24 25 26 27 28 29

Kurzzeichen bzw. Gruppensymbol

Gruppen Kies Sand

Untergruppen

– –

bis 60 %

Sand- Sand- Kies- KiesTon- Schluff- Ton- SchluffGemi- Gemi- Gemi- Gemische sche sche sche Schluff Ton

Lage zur A-Linie der Plastizitätskarte –

Massenanteil Korndurchmesser ≤ 2 mm

Hauptgruppen

Massenanteil Korndurchmesser≤0,063 mm über 40 %

Ip ≥ 7 % Ip ≤ 4 % Ip ≥ 7 % oder oder ober- oder unterunterhalb der halb der A- halb der AA-linie linie linie

21



20

über 40 %

19

bis 40 %

18



17



16

Auffüllung Organische Böden mit organischen Böden Beimengungen

15

Feinkörnige Böden

14



13



12

über 60 %

11



10



9

5 % bis 40 %

8

Gemischtkörnige Böden

7

GE

weitgestufte Kies-Sand-Gemische

GW

intermittierend gestufte Kies-Sand-Gemische

GI

enggestufte Sande

SE

weitgestufte Sand-Kies-Gemische

SW

intermittierend gestufte Sand-Kies-Gemische

SI

5 % bis 15 %

≤ 0,063 mm

GU

über 15 % bis 40 %

≤ 0,063 mm

GU*

5 % bis 15 %

≤ 0,063 mm

GT

über 15 % bis 40 %

≤ 0,063 mm

GT*

5 % bis 15 %

≤ 0,063 mm

SU

über 15 % bis 40 %

≤ 0,063 mm

SU*

5 % bis 15 %

≤ 0,063 mm

ST

über 15 % bis 40 %

≤ 0,063 mm

ST*

leicht plastische Schluffe

wL ≤ 35 %

UL

mittelplastische Schluffe

35 ≤ wL ≤ 50 %

UM

ausgeprägt plastische Schluffe

wL > 50 %

UA

leicht plastische Tone

wL ≤ 35 %

TL

mittelplastische Tone

35 ≤ wL ≤ 50 %

TM

wL > 50 %

TA OU

Tone mit organischen Beimengungen und organogene Tone wL > 50 %

OT

grob- bis gemischtkörnige Böden mit Beimengungen humoser Art

OH

grob- bis gemischtkörnige Böden mit kalkigen, kieseligen Bildungen

OK

ausgeprägt plastische Tone nicht brenn- oder schwelbar

6

enggestufte Kiese

Schluff mit organischen Beimengungen und organogene Schluffe 35 ≤ wL ≤ 50 %

Brenn- oder schwelbar

5



4

bis 60 %

3

über 60 %

2

bis 5 %

1

Grobkörnige Böden

Zeile

Tabelle 2.25 Bodenklassifikation nach DIN 18196

nicht bis mäßig zersetzte Torfe (Humus)

HN

zersetzte Torfe

HZ

Mudden als Sammelbegriff für Faulschlamm, Gyttja, Dy, Sapropel

F

Auffüllung aus natürlichen Böden, jeweiliges Gruppensymbol in eckigen Klammern

[]

Auffüllung aus Fremdstoffen

[]

2

54

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

50

ausgeprägt plastische Tone TA

30 mittelplastische Tone TM

ie Lin A–

20 leicht plastische Tone TL

10

Sand – Ton – Gemische ST

7 4 0

leicht plastische Schluffe UL

Zwischenbereich Sand-Schluff-Gemische SU

0

10

20

30

0)

I p=

L 3(w 0,7

Tone mit organischen Beimengungen, organogene Tone OT und ausgeprägt zusammendrückbare Schluffe UA

Schluff mit organischen Beimengungen und organische Schluffe OU und mittelplastische Schluffe UM

40

–2

50

60

70

80

Fließgrenze wL in % Bild 2-38 Plastizitätskarte (Casagrande-Diagramm)

Gemäß dem „Unified Soil Classification System“ (Tabelle 2.26) werden Böden zuerst nach dem Massenanteil der Bodenkörner mit einem Durchmesser  0,074 mm bzw. < 0,074 mm und nach organischen Beimengungen in 3 Hauptgruppen (grobkörnige, feinkörnige Böden und stark organische Böden) eingeteilt. Die grobkörnigen Böden werden dann nach dem Grobkornanteil > 4,8 mm, dem Massenanteil der Bodenkörner mit Durchmesser < 0,074 mm, der Korngrößenverteilung (d. h. der Ungleichförmigkeitszahl U und der Krümmungszahl Cc) sowie der Plastizitätszahl Ip 8 Untergruppen zugewiesen. Die feinkörnigen Böden werden zuerst nach der Fließgrenze wL und sodann nach der Plastizitätskarte (Bild 2-39) in 6 Untergruppen untergliedert. 60 50 e lin A-

Plasticity index

2

Plastizitätszahl Ip in %

40

40 CL

30 MH or OH

20 CL

10 7 4 0 0

CL CL-ML ML

10

20

ML or OL

30

40

50

60

70

80

90

100

Liquid limit

Bild 2-39 Plastizitätskarte gemäß Unified Soil Classification System (USA)

2.4 Bodenklassifikation

55

Feinkörnige Böden (mehr als 50 % der Bodenkörner < 0,074 mm)

Kiese (mehr als 50 % der Körner  4,8 mm) Sande (mehr als 50 % der Körner < 4,8 mm)

Grobkörnige Böden (mehr als 50 % der Bodenkörner  0,074 mm)

Kurzzeichen bzw. Gruppensymbol

Untergruppen

Ungleichförmigkeitszahl, Krümmungszahl und Plastizitätszahl

Hauptgruppen

Korngrößenverteilung und Fließgrenze

Tabelle 2.26 Bodenklassifikation gemäß dem „Unified Soil Classification System“ (USA)

Reine Kiese (weniger als 5 % der Körner < 0,074 mm)

U > 4, 1 < Cc < 3

„Gut“ abgestufte Kiese und Kies- GW Sand-Gemische

Obige Bedingungen nicht erfüllt

„Schlecht“ abgestufte Kiese und Kies-Sand-Gemische

Verunreinigte Kiese (mehr als 12 % der Körner < 0,074 mm)

Ip < 4 oder unterhalb der Schluffige Kiese; GM A-Linie „schlecht“ abgestufte Kies-SandSchluff-Gemische Ip > 7 oder oberhalb der A-Linie

Tonige Kiese; „schlecht“ abgestufte Kies-Sand-Ton-Gemische

GC

Reine Sande (weniger als 5 % der Körner < 0,074 mm)

U > 6, 1< Cc < 3

„Gut“ abgestufte Sande und Sand-Kies-Gemische

SW

Obige Bedingungen nicht erfüllt

„Schlecht“ abgestufte Sande und SP Sand-Kies-Gemische

Verunreinigte Sande (mehr als 12 % der Körner < 0,074 mm)

Ip < 4 oder unterhalb der A-Linie

Schluffige Sande; „schlecht“ abgestufte SandSchluff-Gemische

SM

Ip > 7 oder oberhalb der A-Linie

Tonige Sande; „schlecht“ abgestufte Sand-Ton-Gemische

SC

Ip < 4 oder unterhalb der A-Linie

Schluffe und sehr feine Sande, Gesteinsmehl, schluffige oder tonige Feinsande mit geringer Plastizität

ML

Ip > 7 oder oberhalb der A-Linie

Tone mit geringer bis mittlerer Plastizität, kiesige oder sandige Tone, schluffige Tone, leichte Tone

CL

unterhalb der A-Linie

Organische Schluffe und organische Schluff-Ton-Gemische mit geringer Plastizität

OL

unterhalb der A-Linie

Schluffe und schluffige Böden mit mittlerer bis hoher Plastizität

MH

oberhalb der A-Linie

Tone mit sehr hoher Plastizität

CH

unterhalb der A-Linie

Organische Tone mit mittlerer bis hoher Plastizität

OH

Dunkle Farbe, Geruch, schwammiges Anfühlen, faserige Textur

Torf und andere stark organische Böden

Pt

Schwach plastische Schluffe und Tone (Fließgrenze ≤ 50 %)

Plastische und hochplastische Schluffe und Tone (Fließgrenze > 50 %)

Stark organische Böden

GP

2

56

2 Eigenschaften und Klassifikation von Böden

Die VOB Teil C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen) klassifiziert Böden für unterschiedliche Gewerke [6], [7], [8].

2

Für Erdarbeiten sind Boden und Fels nach DIN 18300 (VOB/C) auf Grund ihres Zustandes vor dem Lösen in Homogenbereiche einzuteilen. Für Bohrarbeiten gilt die DIN 18301 (VOB/C), für Rohrvortriebsarbeiten die DIN 18319 (VOB/C). Der Homogenbereich ist ein begrenzter Bereich, bestehend aus einzelnen oder mehreren Boden- oder Felsschichten, der für das jeweilige Gewerk vergleichbare Eigenschaften aufweist. Zur Einteilung des Baugrundes in Homogenbereiche nach VOB/C für Erdarbeiten sind folgende wesentliche Inhalte zu berücksichtigen: 1) Datenbasis inklusive Feld- und Laborversuche, sowie Umfang der Baugrunduntersuchungen. 2) Umweltrelevante Inhaltsstoffe, sofern Boden gewonnen oder weiter verarbeitet wird. Dabei sind die unterschiedliche Behandlung oder Entsorgung innerhalb eines Homogenbereiches zu berücksichtigen. 3) Weitere Parameter, wie z.B. Lagerungsdichte, Bandbreite der Sondierwiderstände, Anteil an Steinen und Blöcken und Kornverteilungsbänder für Boden, sowie Abrasivität für Lockergesteine. 4) Verfahrensspezifische Kriterien (Leitparameter), wie z.B. Lösen und Einbau von Boden, Bodengruppe nach DIN 18196, Anteil an Blöcken und Konsistenz von Boden sowie Lösen und Einbau von Fels, einaxiale Druckfestigkeit und Trennflächenabstand von Fels. Weiterführende Hinweise zum Thema Homogenbereiche werden in Kapitel 12.2 gegeben.

2.5

Literatur

[1] Casagrande, A.: Classification and Identification of Soils. Proc. Amer. Soc. Civ. Engrs., 1947, Vol. 73, pp. 783–810 [2] Davidenkoff, R.: Anwendung von Filtern im Wasserbau. Ernst & Sohn Verlag, 1976 [3] Engel, J., Franke, D.: Improved Methods for the Calculation of Geotechnical Properties from the Results of Classification Tests. Proc. 15 th ICSMFE, Hamburg, 1997, Vol.1, pp. 283–285 [4] DIN 4020: Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke, September 201012 [5] DIN 18196: Erd- und Grundbau – Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke, 201105 [6] DIN 18300: VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Erdarbeiten, 2016-09 [7] DIN 18301: VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Bohrarbeiten, 2016-09 [8] DIN 18319: VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Rohrvortriebsarbeiten, 2016-09

2.5 Literatur

[9] Kenney, T. C.: Discussion Proc. ASCE, Vol. 85, 1959, No.1, SM3, pp. 67–79 [10] Kenney, T. C.: The Influence of Mineral Composition of the Residual Strength of Natural Soils. Proc. Int. Geotech. Conf., Oslo, Vol. 1, 1967, pp. 123–129 [11] Kézdi, Á.: Handbuch der Bodenmechanik, Band 1, Bodenphysik, VEB Verlag für Bauwesen, Berlin, 1969 [12] Ladd, C. C., Foott, R., Ishihara, K., Schlosser, F., Poulos, H. G.: Stress-Deformation and Strength Characteristics. Proc. 9th ICSMFE, 1977, Tokyo, Vol. 2, pp. 421–496 [13] Mesri, G., Castro, A.: C/Cc Concept and K0 during Secondary Compression. J. Geotech. Engng. Div. ASCE Vol. 113, 1987, pp. 230–249 [14] Ohde, J.: Grundbaumechanik, Hütte, Bd. III, 27. Auflage, 1951, S. 888 ff. [15] Olson, R. E.: Shear Strength of Kaolinite, Illite, Montmorillonite. ASCE Vol. 11, 1974, pp. 1215–1229 [16] Proctor, R. R.: The Design and Construction of Rolled Earth Dams, Eng. News Records 111, 1933, p. 254 ff. [17] Schultze, E.: Some Aspects Concerning the Application of Statistics and Probability to Foundation Structures. Proc. 2nd Int. Conf. On Application Statistics and Probability in Soils. Aachen, 1975, pp. 457–494 [18] Simons, N. E.: Normally Consolidated and Lightly Over-consolidated Cohesive Materi als. General Report Session 2, Conf. on Settlement of Structures, London 1975, pp. 500–530 [19] Skempton, A. W.: Notes on the Compressibility of Clays. Quarterly J. Geol. Society, 100, London, 1944, pp 119–135 [20] Skempton, A. W.: Disk. On Paper Grace and Henry in Proc. Inst. Civil. Eng., 7, 1957 [21] Soos, P. v., Engel, J.: Eigenschaften von Boden und Fels – ihre Ermittlung im Labor, Grundbau-Taschenbuch, Teil 1, 7. Auflage, Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 2009 [22] Teferra, A.: Beziehung zwischen Reibungswinkel, Lagerungsdichte usw., Forschungsberichte Bodenmechanik und Grundbau der RWTH Aachen, Hrsg. Schultze, E., Aachen, 1975, Heft 1 [23] Terzaghi, K., Peck, R. P.: Die Bodenmechanik in der Baupraxis, Springer Verlag, Berlin-Göttingen-Heidelberg, 1961 [24] Wittmann, L.: Sicherheitsaspekte bei der Filterbemessung, Wasserwirtschaft 72, 1982 [25] Wroth, C. P., Wood, D. M.: The Correlation of Index Properties with some Basic Engineering Properties of Soils. Canad. Geotech. J., 15, 1978, pp. 137–145

57

2

3

Baugrunderkundung, geotechnische Laborund Feldversuche Winfried Entenmann, Yazhou Zou und Conrad Boley

3.1

Baugrunderkundung

Die Baugrunderkundung beginnt mit der Information über das Baugrundstück durch Auswertung von Unterlagen, Plänen, topografischen und geologischen Karten sowie einer Ortsbegehung. Auf dieser Grundlage wird ein Erkundungsprogramm erstellt, das Angaben über die Art der durchzuführenden Untergrundaufschlüsse, deren Kombination, Dichte und Tiefe festlegt, die Art und den Umfang der Probenahme regelt sowie gegebenenfalls in den Aufschlüssen durchzuführende Feldversuche beschreibt. Unter den Erkundungsverfahren werden hier schwerpunktmäßig die direkten Aufschlussverfahren und zwar insbesondere Aufschlussbohrungen und Schürfe behandelt. Drucksondierungen und Rammsondierungen werden auf Grund ihrer Sonderstellung innerhalb der Gruppe der indirekten Erkundungsverfahren und zwar vor dem Hintergrund, dass sie sehr zuverlässig im Hinblick auf den Schichtenaufbau interpretiert werden können, an dieser Stelle ebenfalls behandelt, während andere indirekte Erkundungsverfahren bei den geotechnischen Feldversuchen beschrieben werden. Eine detaillierte Gliederung, Beschreibung und Zuordnung der verschiedenen Verfahren ist z. B. in [38] enthalten.

3.1.1

Aufgaben der Baugrunderkundung

Baugrundaufschlüsse dienen der Erkundung des oberflächennahen geologischen Aufbaus des Untergrundes. Ein Ziel ist hierbei z. B. abzuklären, ob die Bauwerkslasten eines geplanten Bauvorhabens sicher in den Untergrund abgetragen werden können. Neben der Erkundung der mechanischen Eigenschaften des Untergrundes spielt die Erkundung der Grundwasserverhältnisse eine wesentliche Rolle. Auf vorgenutzten Baugrundstücken ist es gegebenenfalls zusätzlich erforderlich, die Baugrundaufschlüsse mit Erkundungen zu einer eventuellen Schadstoffbelastung zu kombinieren. Dabei sind die Richtlinien der Altlastenerkundung zu berücksichtigen, zusammenfassend dargestellt z. B. in [43] und [53] sowie im Kapitel 7 „Altlasten, Kontaminationen und Kampfmittel“. Zunächst ist es erforderlich, mit der Baugrunderkundung Kenntnisse des Untergrundes zu erlangen, die es ermöglichen, eine Modellvorstellung des Untergrundes zu entwickeln. Der Untergrundaufbau, d. h. die geometrische Anordnung von Bodenschichten oder anders gearteter Bodenkörper im Untergrund ist dabei abhängig von der geologischen Entstehung. Im einfachsten Fall liegen mehr oder weniger horizontal übereinander liegende „Bodenschichten“ vor. In diesem Fall sind durch die Baugrunderkundung gegebenenfalls in der Fläche auftretende unterschiedliche Dicken (Mächtigkeiten) der einzelnen Schichten zu ermitteln. Häufig ist der Untergrund jedoch strukturell sehr viel komplizierter aufgebaut, insbesondere wenn Festgesteine an seinem Aufbau beteiligt sind. In diesem Fall dienen die Untergrunderkundungsarbeiten der Ableitung eines komplexen Baugrundmodells. Dieses erschließt sich,

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_3

60

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

insbesondere wenn nur punktuelle Aufschlüsse wie Bohrungen vorliegen, nur, wenn die Bohrergebnisse in Profilen dargestellt und mit geotechnischem und geologischem Grundwissen interpretiert werden.

3.1.2

3

Geologische Grundlagen

Die Auswahl eines Erkundungsverfahrens und die mit ihm erzielbaren Erkundungsergebnisse sind in erheblichem Maße abhängig vom geologischen Aufbau des zu erkundenden Untergrundes. Dieser bedingt: – die Einsetzbarkeit eines Verfahrens – die gewinnbaren Erkundungsergebnisse. Im Hinblick auf beides kann grob untergliedert werden in – Lockergesteine (Böden) – Festgesteine (Fels) – Halbfestgesteine. Halbfestgesteine entstehen zumeist durch eine Entfestigung von Festgesteinen, z. B. durch Verwitterung, Entspannung etc. oder seltener durch Verfestigung eines Bodens durch Zementation oder andere mineralogische Vorgänge, vgl. z. B. [51], [57]. Die Wahl des Erkundungsverfahrens richtet sich daher zunächst nach den zu erwartenden Eigenschaften des Untergrundes. Festgesteine liegen als schwer lösbare, lediglich an Klüften und Störungen durchtrennte Körper vor. Daher muss mit dem Erkundungsverfahren zunächst Lösearbeit aufgewendet werden, um Proben zu gewinnen. Bei Lockergesteinen dagegen liegen die einzelnen Körner bereits voneinander getrennt vor, so dass bei der Erkundung besonders darauf geachtet werden muss, dass deren Gefüge möglichst wenig gestört wird. Liegen Lockergesteine über Festgesteinen, so kommt der Erkundung ihrer Abgrenzung und des Überganges, z. B. in einer Verwitterungszone, große Bedeutung zu. Häufig sind dann unterschiedliche oder angepasste Erkundungsverfahren für das Lockergestein, die Halbfestgesteine in der Übergangszone und das Festgestein erforderlich. Während Lockergesteine überwiegend durch kleine Bodenproben repräsentativ dargestellt werden können, repräsentiert im Festgestein eine gewonnene Gesteinsprobe lediglich die Gesteinseigenschaften, während geotechnisch relevant das Kluft- und Störungsgefüge, d. h. die Schwächestellen im Gestein und deren räumliche Verteilung sind. Dieses ist üblicherweise großräumlich ausgebildet, inhomogen und anisotrop. Daher entzieht es sich der Erkundung durch Aufschlussverfahren mit kleinem aufgeschlossenen Gesteinsvolumen z. B. wie Bohrungen. Eine ausführliche Darstellung der Grundlagen für den Einsatz unterschiedlicher Erkundungsverfahren ist in [37] und [43] enthalten.

3.1.3

Grundlagen gemäß EC 7-2

Der im Oktober 2007 eingeführte Eurocode EC 7-2 [28] und die ergänzend heranzuziehende DIN 4020 [5] regeln unter anderem den Einsatz und die Berichterstattung über die Baugrunderkundung sowie Anforderungen an Feldversuche und geben Hinweise für die Planung eines Erkundungsprogramms. Im Hinblick auf die Baugrunderkundung sind hervorzuheben der Einsatz unterschiedlicher Verfahren, Empfehlungen zur Erkundung der Grundwasserverhältnisse und die Zuordnung zu verschiedenen Gründungsarten.

3.1 Baugrunderkundung

3.1.4

61

Erkundungsverfahren

Erkundungsverfahren sind technische Verfahren zur Erschließung der geotechnischen Eigenschaften des Untergrundes. Als Aufschlussverfahren werden üblicherweise diejenigen Erkundungsverfahren bezeichnet, mit denen ein Aufschluss, d. h. ein direkter Einblick in den Untergrund gewonnen wird. Die verfügbaren Verfahren zur Baugrunderkundung werden nachfolgend zusammengefasst und gegliedert. Dabei wird eine Beschränkung auf die gängigsten Verfahren vorgenommen. Direkte Erkundungsverfahren, die eigentlichen Aufschlüsse, liefern einen Einblick in den Untergrund, indem sie diesen der direkten Anschauung erschließen, entweder indem sie begehbar sind (Großaufschlüsse) oder indem sie signifikante Mengen an Probenmaterial liefern. Sie ermöglichen auch die Installation von Messgeräten im Untergrund. Dazu gehören: – Schürfe, Schurfschächte und Erkundungsstollen – Bohrungen und Kleinbohrungen. Die ingenieurgeologische Kartierung an der Geländeoberfläche wird unter Nutzung bereits vorhandener künstlicher Aufschlüsse wie benachbarter Baugruben, Leitungsgräben oder Straßenanschnitte vorgenommen, beschränkt sich jedoch auf den oberflächennahen Bereich. Unter den indirekten Erkundungsverfahren werden hier sowohl diejenigen Verfahren zusammengefasst, bei denen Messwerte vor Ort im Untergrund bestimmt werden, die einer Interpretation im Hinblick auf die Untergrundeigenschaften bedürfen als auch diejenigen Verfahren, bei denen durch oberflächengeophysikalische Verfahren über Fernwirkung bestimmte Parameter ermittelt werden. Diese Parameter müssen dann umgerechnet bzw. anhand von Korrelationen oder Erfahrungswerten interpretiert werden, um stoffspezifische bzw. mechanische oder hydraulische Kenngrößen zu erhalten. Folgende Sondierungen werden als Erkundungsverfahren eingesetzt und werden auf Grund ihrer Bedeutung als Erkundungsverfahren nachfolgend beschrieben: – Drucksondierungen – Rammsondierungen. Neben anderen nicht zur Erkundung eingesetzten Verfahren werden sie darüber hinaus auch als geotechnische Feldversuche zur Überprüfung z. B. der Verdichtung eingesetzt. Die wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Baugrunderkundungsverfahren sind die Bohrungen. Eine ausführliche Darstellung und Untergliederung liefern [2] und [37]. Eine sehr gute Arbeitshilfe für die fachtechnische Anwendung im Brunnenbau, die auch bei Aufschlussbohrungen hilfreich ist, gibt [61]. Die eigentlichen Erkundungsbohrungen für Lockergesteine sind auf Grund der Möglichkeit zur Gewinnung eines detaillierten Bohrprofils und qualitativ hochwertiger Proben: – Trockenbohrungen – Rammkernbohrungen. Für Festgesteine sind besonders die Kernbohrungen hervorzuheben. Daneben werden auch Bohrungen eingesetzt, die hinsichtlich des ermittelbaren Bohrprofils oder der zu gewinnenden Probengüte weniger gut geeignet sind, aber gegebenenfalls kostengünstiger sind oder unter manchen Baugrundverhältnissen leichter abgeteuft werden können:

3

62

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Für Lockergesteine: – – – –

3

Kleinbohrungen Kernbohrungen in Überspültechnik Spülbohrungen Hohlbohrschneckenbohrungen.

Kleinbohrungen werden zur Verdichtung des Bohrrasters bei leicht bohrbaren Böden in geringer Tiefe eingesetzt. Kernbohrungen in Überspültechnik dienen zum Einsatz in großen Tiefen bei ansonsten vergleichsweise gutem Untergrundaufschluss. Spülbohrungen sind ausschließlich ergänzend zu anderen Bohrungen einzusetzen, wenn eine relativ grobe Untergrundbeschreibung ausreichend ist und große Tiefen zu erreichen sind. Für Festgesteine: – Drehbohrungen/Rotarybohrungen – Druckluft-Drehschlagbohrungen – Hammerbohrungen. Eine eingehende Zusammenstellung der Einsatzgebiete der einzelnen Bohrverfahren wird unten in Abschnitt 3.1.4.12 „Zusammenfassung der Einsatzbereiche“ mitgeteilt. Weitere Bohrverfahren wie Schlagseilbohrungen, Counterflushbohrungen, Vibrationsbohrungen, Ultraschallbohrungen und andere spielen in der Baugrunderkundung keine große Rolle. 3.1.4.1 Trockenbohrungen Die Trockenbohrung ist das Bohrverfahren, das in Gebieten mit mächtigen Lockergesteinen, wie z. B. der Norddeutschen Tiefebene, zur Baugrunderkundung am häufigsten eingesetzt wird. Sie ist nicht geeignet zum Einsatz im Festgestein. Sie ist das Bohrverfahren, mit dem sich im Lockergestein die hochwertigsten Bodenproben („ungestörte Bodenproben“, Güteklasse 1 gemäß DIN EN ISO 22475-1 [31]) gewinnen lassen und ist gleichzeitig in denjenigen Tiefenbereichen, die für die üblichen Anforderungen der Baugrunderkundung in Frage kommen, sehr wirtschaftlich einsetzbar. Es können Tiefen bis 50 m, in Ausnahmefällen bis 100 m erreicht werden, wobei der Aufwand mit zunehmender Tiefe erheblich steigt. Die Trockenbohrung ist gekennzeichnet durch den Einsatz einer Verrohrung und dadurch dass der Austrag des Bohrgutes nicht über eine Spülung erfolgt. Sie basiert auf folgendem Funktionsprinzip: Mittels einer am Bohrgerät befestigten Einrichtung, der sogenannten Rohrdrehmaschine wird ein dickes, unten stumpfes Stahlrohr drehend und drückend in den Untergrund eingebracht. Dieses Stahlrohr ist lediglich mit dem Rohrschneidschuh bestückt, der das Eindringen des Rohres erleichtert und die Unterkante des Rohres vor Verschleiß schützt. Das eingebrachte Stahlrohr wird als Verrohrung bezeichnet und wird je nach Erfordernis beim Bohrforschritt durch Aufschrauben weiterer Rohre, sogenannte Rohrschüsse verlängert. Bild 3-1 zeigt schematisch die Herstellung einer Trockenbohrung mit folgenden Arbeitsschritten: 1: Einbringen der Verrohrung: 2: Entfernen des Bohrgutes, z. B. mit dem Ventilbohrer, Aufhöhung des Wasserstandes, 3: Teleskopieren mit der zweiten Rohrtour, Säubern des Bohrloches, 4: Einstellen des Ausbaumaterials, Verkiesen der Grundwassermessstelle und Ziehen der inneren Rohrtour 5: Abdichten der Messstelle und Ziehen der inneren, danach der äußeren Rohrtour, 6: Fertigstellung des Messstellenausbaus.

3.1 Baugrunderkundung

63

Der Rohrdrehtisch muss relativ hohe Drehmomente aufbringen können, denn er muss beim Niederbringen die Mantelreibung des Bodens an der Verrohrung überwinden. Mit dem Einbringen der Verrohrung geht das Fördern des Bohrguts unmittelbar einher: Der Boden, der in die Verrohrung „hineinwandert“, wird mit dem Bohrwerkzeug gefördert, das in der Verrohrung bewegt werden kann, ohne dass eine gegenseitige Behinderung zwischen der Rohrbewegung und der Förderung stattfindet. Zur Förderung des Bohrguts werden verschiedene Bohrwerkzeuge eingesetzt. Diese sind auf den zu fördernden Boden wie folgt abzustimmen.

3

Bild 3-1 Herstellung einer Trockenbohrung

Bindige Böden werden durch Werkzeuge gelöst und gefördert, die am Bohrgestänge geführt werden, welches wiederum am Kraftdrehkopf der Bohranlage befestigt ist. Die Lösung erfolgt im Wesentlichen schneidend. Rollige Böden, wie Sande und Kiese, liegen dagegen schon lose vor und können mit Bohrwerkzeugen gefördert werden, die am Seil geführt werden. Das Fördern von bindigen Böden aus dem Bohrloch ist sehr viel aufwändiger als das von rolligen Böden, da das Führen eines Werkzeuges am Bohrgestänge mit deutlich größerem Aufwand verbunden ist: Jedes Mal, wenn das Bohrwerkzeug mit Boden beladen ist, muss es am Gestänge zutage gefördert werden. Je nach erreichter Bohrtiefe sind dabei die einzelnen Stangen des Bohrgestänges auseinander- bzw. beim erneuten Wiederhinabführen zusammenzuschrauben. Für die Förderung der rolligen Böden stehen dagegen Bohrwerkzeuge zur Verfügung, die am Seil über einen Exzenter geführt werden. Wenn sie gefüllt sind bzw. kein weiterer Boden mehr mit ihnen eingewonnen werden kann, werden sie nach oben gezogen und ausgeleert. Die Wirkungsweise dieser Werkzeuge basiert darauf, dass über einen Klappen- oder Ventilmechanismus bei der Handhabung des Werkzeuges ein Unterdruck erzeugt wird, Wasser aus dem Bohrloch einströmt und Bodenpartikel mitreißt, die dann im Werkzeug gefangen werden. Dies funktioniert nur, wenn sich im Bohrloch Wasser befindet. Auf diese Art und Weise wird sukzessive die Verrohrung eingebracht und parallel dazu der Boden in der Verrohrung zutage gefördert.

64

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Oberhalb des Grundwasserspiegels müssen auch für rollige Böden am Gestänge geführte Werkzeuge benutzt werden, da das Wasser zum Eintrieb des Bodens in das Werkzeug fehlt. Bei Trockenbohrungen unter dem Grundwasserspiegel muss das Wasser in der Bohrung ergänzt werden. Bei zu geringer Wasserauflast besteht die Gefahr eines Aufbruchs der Bohrlochsohle.

3

Sobald die Mantelreibung eine solche Größe angenommen hat, dass sie mit dem Rohrdrehtisch nicht mehr aufgebracht werden kann oder die Gefahr besteht, dass die Rohre nach längerem Stillstand nicht mehr zu bewegen sind, wird die Verrohrung abgesetzt. Konzentrisch in dieser Verrohrung, der ersten „Rohrtour“, wird eine zweite Verrohrung, die zweite Rohrtour mit einem geringeren Durchmesser eingebracht. Diesen Vorgang nennt man Teleskopieren. Die Bohrrohre sind mit ihrem Außen- und Innendurchmesser aufeinander abgestimmt. Eine Liste ist in Tabelle 3.1 angegeben. Das Teleskopieren dient auch dem Schutz tieferer Grundwasserleiter vor Verschleppung von Schadstoffen. In Tabelle 3.1 mit aufgenommen sind die möglichen Ausbaudurchmesser von Grundwassermessstellen bei Verwendung des entsprechenden Bohrrohres. Tabelle 3.1

Abmessungen von gängigen Bohrrohren

Außen-

Innen-

Ausbau-

Außen-

Innen-

Ausbau-

168,3 219,1

149,2



355,6

333,4

150

200,0

50

406,6

381,0

273,0

250,8

80

482,8

457,2

323,9

301,6

125

558,8

533,4

635,0

609,6

Maße in mm

Das in der Trockenbohrung geförderte Bohrgut, aus dem die Proben entnommen werden, ist durch den Bohrvorgang gestört: Rollige Böden sind völlig durchmischt, d. h. es werden je Abschlag Bodenproben eines mittleren Kornaufbaus gefördert. Bindige Böden repräsentieren dagegen, da sie auf Grund ihrer Kohäsion eher in ihrem ursprünglichen Gefüge als Stücke und Brocken gefördert werden, noch in etwa den Feinschichtaufbau im Untergrund. Auch die höhenmäßige Zuordnung der Bodenprobe ist bei bindigen Böden entnahmebedingt genauer als bei rolligen Böden. In regelmäßigen Abständen wird aus dem zutage geförderten Bohrgut eine gestörte Probe genommen, d. h. Boden wird in einen Plastiktopf (1 l) abgefüllt und dieser sorgfältig beschriftet. Wenn die Bodenprobe außer für die Durchführung von bodenmechanischen Laborversuchen auch zur chemischen Analytik bestimmt ist, sind Glasgefäße vorzuhalten. Zusätzlich zu gestörten Bodenproben gibt es die Möglichkeit, „ungestörte Bodenproben“ (Sonderproben der Güteklasse A nach DIN EN ISO 22475-1) zu entnehmen. Zu den Güteklassen von Bodenproben und Kategorien von Probenahmeverfahren vgl. Abschnitt 3.1.4.13. Bild 3-2 zeigt schematisch die Entnahme einer Sonderprobe mit folgenden Arbeitsschritten: 1: Reinigen der Bohrlochsohle, Einbringen der Rammeinrichtung mit Schlammzylinder, Ventil und Entnahmezylinder, 2: Einrammen des Zylinders in den durch die Bohrung nicht gestörten Bereich unterhalb der Verrohrung; das Wasser im Entnahmezylinder entweicht durch das Ventil, 3: Ziehen der Einrichtung; das Ventil ist geschlossen, um ein Herausfallen der Probe zu verhindern.

3.1 Baugrunderkundung

65

Sonderproben können jedoch nur aus bindigen Bodenschichten entnommen werden. Zur Entnahme von Sonderproben wird ein Entnahmegerät am Seil auf die zuvor gesäuberte Bohrlochsohle hinab gelassen, wobei darauf zu achten ist, dass die Entnahme der Probe unterhalb der Verrohrung im durch den Bohrvorgang noch nicht gestörten Untergrundbereich stattfindet. Ein vorne mit einer Schneide versehener dünnwandiger Stahlzylinder wird mittels Rammschlägen, die über die Seilschlagvorrichtung ausgeübt werden, in den Untergrund eingeschlagen und dann entnommen. Beim Einschlagen muss das verdrängte Wasser über ein Ventil entweichen können, beim Ziehen dagegen muss das Ventil geschlossen sein, denn sonst fällt die Probe möglicherweise heraus.

Hinsichtlich von Einzelheiten der Entnahme wird auf [58] verwiesen. Die ungestörte Bodenprobe wird mit Plastikkappen verschlossen, beschriftet und in das bodenmechanische Labor eingeliefert. Die Orientierung der Bodenprobe ist auch ohne Beschriftung im Labor kenntlich: Die Gewindeverbindung ist oben, die Schneide unten.

Bild 3-2 Entnahme einer Sonderprobe, aus [54]

Zur Ausführung von Trockenbohrungen ist ein Bohrgerät erforderlich, dessen Leistungsfähigkeit vorrangig über den Rohrdrehtisch definiert wird. Der Geräteaufbau ist schematisch in Bild 3-3 dargestellt. Mit dem Rohrdrehtisch muss die Verrohrung unterschiedlichen Kalibers in den Untergrund eingedrückt und gedreht werden können. Daneben muss die Möglichkeit bestehen, die einzelnen Stücke der Rohrtour mit möglichst geringem manuellen Einsatz zusammen und wieder auseinander zu schrauben. Mit dem Kraftdrehkopf ist lediglich das Bohrwerkzeug für die Förderung von bindigem Boden zu bewegen. Das Bohrgerät muss mit folgenden Einrichtungen ausgestattet sein: – – – – – – – – – –

Verrohrungsmaschine Kraftdrehkopf (Kraftspülkopf) Winden Kreiselpumpe Seilschlagvorrichtung Gestängeabfang- und Brechvorrichtung Gestänge Rohre Rohrschneidschuh Wassertank.

3

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3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

3

Bild 3-3 Schematische Darstellung eines Bohrgerätes für Trockenbohrungen und Drehbohrungen

Für die Verrohrung werden Bohrrohre unterschiedlichen Kalibers vorgehalten, deren Durchmesser aufeinander abgestimmt sind. Im Einzelnen wird auf DIN 4918 [11] sowie auf Tabelle 3.1 verwiesen. Der Rohrschneidschuh wird auf die zu bohrenden Böden abgestimmt und besteht üblicherweise aus einem kurzen Stahlrohr, das vorne mit stumpfen Widiazähnen bestückt ist und sowohl innen als auch außen einige Millimeter über das Stahlrohr hinausreicht. Zur Entnahme von Boden aus der Verrohrung werden die in Bild 3-4 dargestellten Bohrwerkzeuge verwendet. Zum Einsatz in bindigen Böden kommen folgende am Bohrgestänge geführte Bohrwerkzeuge: – Bohrschnecke (Bild 3-4 Mitte) – Bohrschappe (Bild 3-4 links) – Steinfänger.

Bild 3-4 Bohrwerkzeuge zur Ausführung von Trockenbohrungen

3.1 Baugrunderkundung

67

Folgende Bohrwerkzeuge werden, am Seil geführt, zur Förderung von rolligen Böden verwendet: – Ventilbohrer (Bild 3-4 rechts). Sonstige Werkzeuge: – Bohrmeißel. Dieser dient zum Zertrümmern von Bohrhindernissen wie Geschieben oder zu deren seitlicher Verdrängung. 3.1.4.2 Rammkernbohrungen Die Rammkernbohrung beruht auf dem Trockenbohrverfahren. Sie stellt eine Trockenbohrung mit der Möglichkeit zur durchgehenden oder abschnittsweisen Entnahme von Bohrkernen dar. Die Methodik des Abteufens der Bohrung ist dieselbe wie bei der Trockenbohrung (Bild 3-1). Es gibt jedoch einen zusätzlichen Verfahrensschritt wie schematisch in Bild 3-5 dargestellt: Immer dann, wenn das in der Verrohrung befindliche Bodenmaterial gefördert ist wird die Bohrlochsohle gründlich gesäubert (1). Sodann wird die Kernentnahmevorrichtung mit Kernrohr und ggf. zusätzlich einem innen liegenden PVC-Liner am Seil bis auf die Bohrlochsohle hinab gelassen und das Kernentnahmerohr über die Seilschlagvorrichtung eingerammt (2). Dies erfolgt in den Untergrundbereich unterhalb der Unterkante der Verrohrung wo das Gebirge nahezu ungestört vorliegt. Der Bohrkern wird zusammen mit der Rammvorrichtung am Seil gezogen und zutage gefördert. Erst danach wird die Verrohrung 1 m tiefer geführt (3) und der restliche Boden mit den von der Trockenbohrung bekannten Bohrwerkzeugen eingewonnen. Sodann wiederholt sich der Zyklus (4).

Bild 3-5 Durchführung einer Rammkernbohrung

3

68

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Prinzipiell kann das Niederbringen des Kernrohres auch mit einem hochfrequenten Imlochhammer durchgeführt werden. Diese Bohrtechnik sollte jedoch in all den Fällen nicht zugelassen werden, wo das Einrammen mit der Seilschlagvorrichtung möglich ist. Dies ist bei den meisten pleistozänen und tertiären Böden der Fall. Die Vibration bei der Anwendung des hochfrequenten Imlochhammers führt bei rolligen, nicht dicht gelagerten Böden möglicherweise zu einer Verdichtung des Probenmaterials. Noch größer ist der Einfluss auf weiche oder steife bindige Böden. Bei diesen führt die Vibration zu Konsistenzänderungen in den Proben. Rammbohrkerne können aus allen Arten von Lockergesteinen gewonnen werden, auch aus ausgesprochen rolligen Bodenschichten, da sie mit Kernfängern arbeiten. Auf Grund der eingebrachten Rammenergie kann es zu einer Stauchung des Kernes kommen. Am anfälligsten dafür sind locker gelagerte Sande, die durch die Schläge verdichtet werden. Das Bohrprofil ist dann entsprechend den Kernlängen meterweise zu entzerren. Die zum Eintreiben des Kerns erforderlichen Rammschläge sind aufzuzeichnen und ggf. auf den PVC-Liner zu schreiben. Die Schlagzahl gibt erste Hinweise auf die Bodenart und Konsistenz. Die Rammkernbohrung erfordert dieselben Gerätschaften wie die Trockenbohrung. Zusätzlich wird ein Kernentnahmegerät benötigt, das am Seil geführt wird. Ein Kernfänger dient dazu, dass der Bohrkern nicht aus der Hülse herausrutscht. Weiche Böden, wie Torf und Klei, erfordern weiche, lange Federn, steife Böden oder rollige Böden härtere und kürzere Federn. Nach dem Zutage-Fördern wird der PVC-Liner beschriftet, orientiert und entweder versiegelt oder direkt auf der Baustelle aufgesägt und angesprochen. Abschnitte von Bohrkernen liefern Proben der Güteklasse 2. 3.1.4.3 Kernbohrungen in Überspültechnik Die Kernbohrung in Überspültechnik ist ein Bohrverfahren, das auf dem Spülbohrverfahren beruht. Die Spülbohrung liefert keine für geotechnische Aufgabenstellungen ausreichende Proben, sondern nur völlig zerstörte und unvollständige Sedimentproben. Die Spülbohrung hat allerdings den Vorteil, dass sie in Lockergesteinen in kurzer Zeit sehr große, bis weit über die mit Trockenbohrungen erzielbaren Tiefen erreicht. Die überwiegend für hydrogeologische Aufgabenstellungen entwickelte Kernbohrung in Überspültechnik lässt, anders als gewöhnliche Spülbohrungen, die durchgängige oder abschnittsweise Entnahme von Bohrkernen zu. Dieses neuartige Bohrverfahren wurde Anfang der 1980er Jahre eingeführt [3]. Unter anderem wird es auch Drehkernbohrverfahren bezeichnet [52]. Es hat sich zwischenzeitlich unter der Bezeichnung Kernbohrung in Überspültechnik etabliert. In der DIN EN ISO 22475-1 wird die Bezeichnung Rammrotationskernbohrung gewählt, während in [54] formuliert wird: Rammkernverfahren in Überbohrtechnik mit Spülhilfe. Da die Kernbohrung in Überspültechnik auf der Spülbohrtechnik basiert, wird diese nachfolgend kurz beschrieben: Hauptaufgabe der Spülbohrung ist es, mit einem rotierenden Bohrmeißel gelöstes Bodenmaterial im Spülstrom zu fördern. Bei der Lösung wirkt die Erosion der unter Druck eingebrachten Spülflüssigkeit, fokussiert in den Austrittsöffnungen des Bohrmeißels, mit. Die Spülung kühlt weiterhin das Bohrwerkzeug. Die Aufstiegsgeschwindigkeit muss zur Verhinderung der Sedimentation von erbohrtem Sediment größer als 0,5 m/s sein. Daneben übernimmt die Bohrspülung die Funktion, das Bohrloch zu stützen, denn die Spülbohrung arbeitet ohne Verrohrung. Die Spülflüssigkeit muss daher durch Zugabe von Bentonit und anderen Spülzusätzen aufbereitet werden, um die beste, auf das umgebende

3.1 Baugrunderkundung

69

Lockergestein abgestimmte Wirkung zu erzielen. Bei der Spülbohrung lädt sich die Bohrspülung mit Ton, Schluff und Sand auf, was ein anderes Sedimentationsverhalten bewirkt und abgeänderte Techniken der Spülungsaufbereitung nach sich zieht als bei der Drehbohrung im Festgestein. Im Hinblick auf die dafür erforderlichen Techniken wird auf [2] und [61] verwiesen. Die aus der Spülbohrung weiterentwickelte Kernbohrung in Überspültechnik erfordert eine etwas veränderte Ausstattung des Bohrgerätes als die Spülbohrung. Sie wird wie die Rammkernbohrung kontinuierlich mit Unterbrechungen für die Kernentnahme abgeteuft. Sie wird mit einem Bohrrohr ausgeführt, das am Kraftspülkopf geführt wird. Dieses Bohrrohr wird von verschiedenen Autoren mehr oder weniger treffend als „Spülgestänge“, „Spülrohr“ oder „Verrohrung“ bezeichnet. Von der Funktion her ist die Bezeichnung „Hilfsverrohrung“ am treffendsten. Diese Hilfsverrohrung hat ähnlich wie das Bohrgestänge bei der Spülbohrung die Aufgabe, die Bohrspülung zur Bohrlochsohle zu befördern und diese dort rotierend austreten zu lassen. Anders als bei der Spülbohrung erfolgt die Lösung des Bodens jedoch mit einer Räumkrone der eingerammten Bohrkernentnahmevorrichtung nacheilend. Die Hilfsverrohrung steht nicht wie die Verrohrung bei der Trockenbohrung im direkten Kontakt mit dem umgebenden Boden, sondern ist entsprechend dem Bohrgestänge bei der Spülbohrung frei am Kraftspülkopf beweglich und durch einen mit der Spülung gestützten Ringspalt vom Boden getrennt. In diesem Ringspalt erfolgt auch die Förderung des Bohrgutes. Ähnlich wie bei der Rammkernbohrung wird die Kernentnahmevorrichtung innerhalb der Hilfsverrohrung bewegt. Dabei handelt es sich wie bei der Rammkernbohrung um eine Rammkernvorrichtung, die am Seil geführt wird, jedoch mit dem Unterschied, dass das Rammkernrohr nicht mit dem Schlaggewicht verbunden ist. Die Rammkerne werden vorauseilend in den Untergrund eingerammt. Bild 4-6 zeigt eine Schemaskizze über den Bohrverlauf mit folgenden Arbeitsschritten: Einbringen des Rammkernrohrs im freien Fall, 2: Einbringen des Rammgewichts am Seil, Einrammen des Kernrohrs, 3: Nachführen des Bohrrohrs unter Spülhilfe bis 10 cm über Unterkante Kernrohr, 4: Ziehen des Kernrohrs, 5: Aufbohren im direkten Spülbohrverfahren, 6: Gewinnung des nächsten Kerns.

Bild 3-6 Herstellung einer Kernbohrung in Überspültechnik, aus [54]

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3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Anders als bei der Rammkernbohrung werden die Bohrkerne nach Einrammen des Kernrohrs nicht sofort gezogen, sondern zunächst „überspült“. Das bedeutet, dass die Hilfsverrohrung in Rotation versetzt wird und bis kurz oberhalb der mit dem Bohrkern erreichten Bohrtiefe abgesetzt wird. Bei diesem Vorgang kann der zu entnehmende Bohrkern etwas beeinflusst werden, weshalb die Qualität der Bohrkerne insbesondere bei rolligen Böden erfahrungsgemäß schlechter als bei Rammkernbohrungen ist. Sodann werden der Rammkern am Seil gezogen, die Bohrlochsohle auf Sauberkeit überprüft und der nächste Bohrkern eingeschlagen.

3

3.1.4.4 Kleinbohrungen Unter Kleinbohrungen werden unterschiedliche Bohrverfahren zusammengefasst, die lediglich gemeinsam haben, dass sie mit kleinem, leicht handhabbarem Gerät arbeiten. Es werden Handdrehbohrungen, Kleindruckbohrungen und Kleinrammbohrungen beschrieben. In der DIN EN ISO 22475-1 [31] werden Kleinbohrungen nicht mehr gesondert aufgeführt, sondern nur noch als Bohrungen mit Bohrdurchmessern zwischen 30 mm und 80 mm definiert. Praktische Bedeutung für die Baugrunderkundung hat lediglich die am häufigsten verwendete Kleinrammbohrung, die früher als Rammkernsondierung oder zwischenzeitlich auch als Bohrsondierung bezeichnet wurde. Diese ist zu unterscheiden von den Kleinstbohrungen, den Nutsondierungen mit Durchmessern von unter 30 mm, die auf Grund der geringen Aufschlussqualität bei gleichzeitiger kostengünstiger Verfügbarkeit von Kleinbohrungen für Baugrunderkundungen nicht eingesetzt werden sollten. Sie haben ihren Einsatzbereich bei der ingenieurgeologischen Kartierung. Kleinbohrungen sollten bei der Baugrundbeurteilung nicht ausschließlich eingesetzt werden, insbesondere wenn es um Bauobjekte der geotechnischen Kategorien 2 und 3 nach DIN EN 1997-1 [27] geht. Die Zuverlässigkeit des Baugrundaufschlusses und die Qualität der Probennahme sind eingeschränkt. Ausführliche Untersuchungen dazu und zur erforderlichen Qualitätssicherung enthält [55]. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kernrohrdurchmesser nicht kleiner als der 5-fache Durchmesser des erbohrten Größtkorns sein sollte. Die Kleinbohrung ist, so wie sie üblicherweise eingesetzt wird, eine unverrohrte Bohrung zum Einsatz im Lockergestein in flachen Teufenbereichen. In rolligen Böden erreicht man Endteufen von etwa 10 m bis 12 m, in bindigen, weichen Böden etwa 20 m. Bei der Kleinbohrung wird ein offenes Kernrohr mittels Handrammbohrhammer oder Kleinbohrgerät in den Boden eingetrieben, Bild 3-7. Beim Einrammen wandert ein zylindrischer Bodenkörper in das Kernrohr, das auf etwa einem Drittel Umfang offen ist, Bild 3-8. Beim Eintreiben wird durch Drehen des Bohrhammers im Uhrzeigersinn von Hand eine Rotation durchgeführt, damit die Gewindeverbindungen nicht aufgehen. Die Rotation dient auch dazu, dass der zylindrische Bodenkörper vom übrigen Boden abgeschert wird. Zu Beginn der Bohrung wird ein großer Kernrohrdurchmesser gewählt, bei großen geplanten Tiefen oder schlechter Bohrbarkeit die größte zur Verfügung stehende mit einem Durchmesser von 80 mm. Nach Eintreiben des Kernrohrs und nochmaligem Abscheren des Bodenkörpers wird der Bohrhammer vom Gestänge genommen und das Kernrohr mittels manuellem oder hydraulischem Ziehgerät gezogen. Um die Mantelreibung beim Weiterbohren zu vermindern, wird anschließend mit einem Kernrohr geringeren Durchmessers gearbeitet und bei weiterem Bohrfortschritt der Kernrohrdurchmesser weiter verringert bis auf 30 mm. Wichtig ist, den Boden beim Bohrvorgang am Herausfallen zu hindern. Dies passiert besonders häufig bei rolligen Böden und insbesondere im Grundwasserbereich. An der Unterkante

3.1 Baugrunderkundung

71

wird ein Federring eingesetzt, der Kernfänger oder „Korb“, der ein Herausrutschen nach vorne verhindert (Bild 3-8) Dennoch kann das Herausfallen von Boden aus dem Kernrohr nicht in jedem Fall verhindert werden. Unter anderem muss dieser Mangel gegen den günstigen Preis des Verfahrens abgewogen werden. Bild 3-7 Durchführung einer Kleinbohrung

Bild 3-8 Kernrohr der Kleinbohrung mit Kernfänger

Kleinbohrungen können verrohrt durchgeführt werden, üblich sind jedoch unverrohrte Kleinbohrungen. Dass diese überhaupt möglich sind, ist auf den Umstand zurückzuführen, dass diese kleinen Bohrlöcher üblicherweise kurzzeitig ohne Stützung offen bleiben und somit ein Ziehen und Wiedereinbringen des Kernrohrs zulassen. Kleinbohrlöcher, insbesondere in

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3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

sandigen Böden, sind unterhalb des Grundwasserspiegels jedoch oftmals auch nicht kurzzeitig standsicher. Beim Ziehen des Kernrohrs kommt es daher häufig zu Nachfall. Dies ist bei der Interpretation des nachfolgend gewonnenen Kernes zu berücksichtigen.

3

Jeweils unmittelbar nach Ziehen eines Kernrohrs wird die Nut im Kernrohr mit Spachtel oder Messer abgezogen und die Bodenansprache durchgeführt. Nach erfolgter Bodenansprache werden die Bodenschichten beprobt. Insbesondere bei den Kernrohren geringen Durchmessers ist bei dünnen Schichten nur ein geringes Probenvolumen erzielbar. Die üblicherweise verwendeten Probengefäße fassen 0,4 l und sind häufig dann nur teilweise gefüllt. Es können nur gestörte Bodenproben der Güteklasse 3 gewonnen werden. Da das wenig gestörte Bodenprofil im Kernrohr nur kurzzeitig zur Verfügung steht, sollte anders als bei Trockenbohrungen, bei denen eine stichprobenartige Bohrüberwachung der Regelfall ist, bei den Kleinbohrungen üblicherweise eine kontinuierliche Bohrüberwachung erfolgen, da die Ansprache des Bohrprofils durch den wissenschaftlichen Bearbeiter lediglich anhand der gestörten Bodenproben häufig nicht ausreichend ist. Für den Fall, dass der Eingewinn des Bodenmaterials zuverlässig erfolgte, ist bei den Kleinbohrungen eine sehr detailgenaue Profilaufnahme mit Unterscheidung von Schichten im Zentimeterbereich möglich. Bild 3-8 zeigt ein Kernrohr mit entsprechender Feinschichtung der erbohrten holozänen Böden. Allerdings wird das Bohrprofil durch den Rammvorgang komprimiert. Profile in weichen Böden werden bis auf 80 % verkürzt. Es sollte daher bei der Bodenansprache eine Korrektur erfolgen, die allerdings nicht immer möglich ist. Eine Überarbeitung des Bohrprofils mittels der Ergebnisse von Laborversuchen kann mit Einschränkungen erfolgen, sofern die eingewonnene Probemenge für die Durchführung von Laborversuchen, insbesondere die Bestimmung der Kornverteilungskurve, ausreichend war. Für die Ausführung von Kleinbohrungen ist zunächst ein Bohrhammer erforderlich. Dazu kommen die entsprechenden Kernrohre in abgestuften Durchmessern sowie Bohrgestänge. Zum Ziehen der Kernrohre ist ein Ziehgerät mit Klemmeinrichtung, z. B. Kugelklemme erforderlich. Um auch im Gelände beweglich zu sein und die Vorteile der Kleinbohrung gegenüber der Bohrung zu nutzen, sollte ein geländegängiges Fahrzeug mit Anhänger oder noch besser ein Raupencarrier verwendet werden. Weniger verbreitet sind kleine Kettenfahrzeuge mit fest installierter Kleinbohreinrichtung, die vorteilhaft beim Kleinbohrverfahren mit Verrohrung einsetzbar sind. 3.1.4.5 Drehbohrungen und Rotarybohrungen Die Drehbohrung ohne Kernentnahme und die sich von ihr nur in der Bohrtechnik unterscheidende Rotarybohrung sind keine Baugrundbohrungen. Die eigentliche Baugrundbohrung für Festgesteine ist die Drehbohrung mit Kernenentnahme, die Kernbohrung. Diese ist im Abschnitt 3.1.4.6 beschrieben. Sie ist eine Weiterentwicklung der Drehbohrung, daher wird das Funktionsprinzip der Drehbohrung nachfolgend ausführlich beschrieben. Die einfache Drehbohrung kann aber bei der Baugrunderkundung, z. B. zum Messstellenausbau oder zur Aufnahme geotechnischer Messeinrichtungen wie Inklinometern genutzt werden. Nicht geeignet ist sie zur Aufnahme des Untergrundprofiles. Gegebenenfalls ist über Korrelationen mit Kernbohrergebnissen eine Verdichtung des Bohrrasters möglich. Die Drehbohrung wird im Festgestein eingesetzt. Ein Bohrgerät, wie in Bild 3-3 dargestellt, kommt dabei zum Einsatz. Bei der klassischen Rotarybohrung, die in flachen Tiefen nur selten eingesetzt wird, erfolgt der Antrieb über einen Mitnehmerdrehtisch. Vorteil ist ein schnellerer Gestängeein- und -ausbau am Seil. Einzelheiten sind [2] zu entnehmen. Bei den anderen

3.1 Baugrunderkundung

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Drehbohrverfahren wird das Gestänge über den Kraftdrehkopf in Rotation versetzt. In der Literatur werden die Begriffe häufig nicht sorgfältig voneinander getrennt. Vom Prinzip der Bohrung her gibt es auch keinen Unterschied, dieser ist lediglich maschinentechnischer Art. In Bereichen mit geringer Lockergesteinsbedeckung kann bei Drehbohrungen auf eine Rohrdreheinrichtung verzichtet werden. Kurze Standrohre können auch mit dem Kraftdrehkopf oder mit dem Mitnehmerdrehtisch gesetzt werden. Zur Durchführung der Bohrung wird der sich am unteren Ende des Gestänges befindliche Bohrmeißel auf den Fels aufgesetzt und schneidet diesen. Auf das Bohrgestänge wird hydraulisch, bzw. durch Schwerstangen ein Andruck ausgeübt. Mit fortschreitender Bohrtiefe werden weitere Gestängeteile aufgesetzt, beim Ziehen des Gestänges werden die einzelnen Gestängeteile wieder abgeschraubt. Damit sich die Bohrung nicht schon nach wenigen Dezimetern im Untergrund festfrisst, muss das gelöste Festgestein, das sogenannte Bohrklein, an die Geländeoberkante verfrachtet werden. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass die Bohrkrone, auch Bohrmeißel genannt, einen größeren Durchmesser als das Gestänge aufweist und somit ein Spalt zwischen Gestänge und Bohrlochwandung entsteht. Durch das Gestänge wird Wasser unter hohem Druck in die Bohrung gepresst. Dieses tritt an Austrittsöffnungen aus der Bohrkrone düsenartig nach unten bzw. schräg zur Seite aus und reißt das Bohrklein mit sich. Die Bohrkrone ist so konstruiert, dass dieses Wasser, die sogenannte Spülung, in den Spalt zwischen Bohrlochwandung und Gestänge eindringen kann und von dort mit Bohrklein beladen unter großer Geschwindigkeit nach oben gepresst wird. Die Steiggeschwindigkeit der Spülung muss dabei höher als die Sinkgeschwindigkeit der größten transportierten Teilchen sein. Dies kann in einigen Fällen, insbesondere bei tiefen Bohrungen mit abschnittsweise unterschiedlichem Durchmesser, nicht gewährleistet sein. In diesem Fall werden als Bohrspülung Suspensionen verwandt oder andere Spülungszusätze. Eine ausführliche Darstellung enthält [2]. Im einfachsten Fall wird eine Bentonitsuspension eingesetzt. Diese hat zwei Aufgaben: Zum einen hat sie ein höheres spezifisches Gewicht als Wasser und kann daher bei geringerer Geschwindigkeit schwerere Teilchen nach oben befördern. Zum anderen hält sie das Bohrklein an Ort und Stelle fest, wenn Bohrunterbrechungen erforderlich sind. Dies ist z. B. beim Gestänge-ausbau der Fall. Wenn nämlich der Spülungsfluss unterbrochen ist, würde das gesamte in der Bohrung vorhandene Bohrklein nach unten sinken und auf den Bohrmeißel fallen. Dieser würde sich dann unter Umständen mit der Bohrlochwand verkeilen und könnte nicht mehr nach oben gebracht werden. Die Bohrung wäre samt Bohrwerkzeug aufzugeben. Der Spülungszusatz bewirkt einen Übergang vom „Solzustand“ in den „Gelzustand“, sobald im Bohrloch keine Bewegung des Meißels und Gestänges mehr stattfindet und keine weitere Spülung hineingepumpt wird. Die im bewegten Zustand flüssige Bohrspülung verhält sich dann gallertartig und hält das Bohrklein an Ort und Stelle fest. Sobald er zutage gefördert ist, muss der Feststoffanteil aus der Bohrspülung entfernt werden. Dies geschieht in Absetzbecken. Das Bohrklein bleibt darin liegen und die überstehende Bohrflüssigkeit wird im Kreislauf wieder in das Bohrloch gepumpt. In den Fällen, in denen auf dem Festgestein eine mehr als vernachlässigbar dicke Lockergesteinsauflage liegt, ist es häufig erforderlich, Verfahren zu kombinieren: Der Regelfall wird dann sein, dass im Lockergestein zunächst eine Trockenbohrung ausgeführt wird bis auf die Felsoberkante. Im Schutz der Verrohrung der Trockenbohrung (vgl. Abschnitt 3.1.4.1) wird dann die Drehbohrung oder besser eine Kernbohrung im darunter liegenden Fels ausgeführt.

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3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Um aus Drehbohrungen Aussagen über die Beschaffenheit des Untergrundes zu erhalten, müssen mehr als bei anderen, bessere Proben liefernden Bohrverfahren, die indirekten Aufzeichnungen beim Bohrvorgang genutzt werden: Der erforderliche Andruck und die erforderliche Umdrehungszahl, um einen optimalen Bohrfortschritt zu erlangen, werden bei modernen Bohrgeräten kontinuierlich aufgezeichnet. Den Stand der Technik zeigt [59] auf. Der Bohrfortschritt pro Zeiteinheit gibt dann Aufschluss über die Festigkeit des erbohrten Festgesteines. Weiterhin sind durch den Bohrgeräteführer Spülungsverluste zu dokumentieren: Wenn die Spülung im Untergrund verbleibt und nicht nach oben gelangt, muss der Bohrgeräteführer ohnehin gegensteuern, z. B. durch Erhöhung der Durchflussmenge, damit das Bohrklein wieder sicher nach oben gefördert wird. Spülungsverluste geben jedoch auch Hinweise auf Klüfte und andere Hohlräume im Untergrund. Auch die Farbe der Spülung kann Hinweise auf die durchörterten Gesteinsschichten oder Störungen liefern. Im Einzelnen wird auf Abschnitt 3.1.4.13 verwiesen. Da das Festgestein beim Bohrvorgang zerkleinert wird, kann die Gesteinsart nur anhand dieser Gesteinsbruchstücke festgestellt werden. In welcher Art sich das Bohrklein darstellt, ob als grobe Stücke, als Sand oder Schlamm, ist von der Gesteinsart, der Bohrtechnik und dem eingesetzten Bohrwerkzeug abhängig. Im günstigsten Fall sind es grobe Stückchen, die im Spülstrom nach oben getragen werden und in zeitlichen Abständen vom Bohrgeräteführer beprobt werden. Dieser lässt von Zeit zu Zeit Bohrklein aus dem Spülstrom in einer Plastikdose sedimentieren, beschriftet diese sorgfältig und bewahrt sie für die spätere Bewertung durch den Ingenieur oder Geologen auf. Bei der Bezeichnung der Tiefenlage der entnommenen Probe ist zu berücksichtigen, dass der Spülstrom insbesondere bei tiefen Bohrungen eine geraume Zeit benötigt, um bis an die Geländeoberfläche zu gelangen. Die entnommene Probe repräsentiert daher nicht die aktuelle Tiefe der Bohrkrone, sondern einen höheren Stand. Es erfolgt vor Ort eine Korrektur durch den Bohrgeräteführer anhand von Nomogrammen und Erfahrungswerten. Hinsichtlich der Qualität der Proben ist zu bemerken, dass es sich nicht nur um eine stark gestörte Probe handelt, sondern dass das über Sedimentation gewinnbare Bohrklein nicht unbedingt repräsentativ für das erbohrte Gestein ist. Insbesondere die weichen und feinkörnigen Anteile des Gesteins oder auch weiche Zwischenschichten werden zu Schlamm zerbohrt und sedimentieren nur sehr unzulänglich. Oder die sedimentierte Menge stellt nur einen geringen Anteil am insgesamt ausgetragenen Schlamm dar, während gröbere Partikel überrepräsentiert sind, da sie besser sedimentieren. Eine deutliche Verbesserung lässt sich durch den nachträglichen Einsatz von bohrloch-geophysikalischen Verfahren (Abschnitt 3.1.6) im offenen Bohrloch erzielen. Hinsichtlich der Darstellung der Bohrergebnisse in Bohrprofilen wird auf DIN EN ISO 14688-1 [29] bzw. DIN EN ISO 14689-1 [30] verwiesen. Neben der kontinuierlich durchgeführten Entnahme von gestörten Gesteinsproben können abschnittsweise auch höherwertige Bohrkerne entnommen werden. Das Drehbohrverfahren kann ohne großen Aufwand abschnittsweise als Kernbohrung durchgeführt werden, wenn die entsprechenden Gerätschaften vor Ort sind, vgl. Abschnitt 3.1.4.6. Zur Durchführung von Drehbohrungen ist ein Bohrgerät mit mindestens folgenden Komponenten erforderlich: – – – – –

Trägereinheit Bohrgerät mit Bohrturm und Kraftdrehkopf Gestängeabfang- und Brechvorrichtung Bohrgestänge Bohrkrone

3.1 Baugrunderkundung

75

– Kreiselpumpe/Kolbenpumpe – Wasservorrat und Sedimentationsbecken – Spülungspumpen, am besten Kolbenpumpen. Diese Systemkomponenten sind in der Schemazeichnung in Bild 3-3 dargestellt. Bild 3-9 zeigt Beispiele häufig eingesetzter Vollbohrkronen. Folgende Hauptgruppen an Bohrkronen stehen zur Verfügung: – – – – –

3

Rollenmeißel (1) Flügelmeißel (2) Diamant-Vollbohrkrone (4) Hartmetall-Splitterkrone Stratapax-Vollbohrkrone (3).

Die Wahl der Bohrkrone ist abhängig von: – – – – – – – – –

der Härte des zu durchbohrenden Gesteins der Zähigkeit der Klüftigkeit der Kornstruktur dem Schwellendruck der Druckfestigkeit der Scherfestigkeit dem durch das Bohrgerät aufbringbaren Andruck dem aufbringbaren Drehmoment und der Drehgeschwindigkeit.

Bild 3-9 Auswahl von Vollbohrkronen

Die Diamant-Vollbohrkrone dient dem Einsatz in harten Gesteinen. Von der Bauart her sind die oberflächenbesetzte Diamant-Bohrkrone und die imprägnierte Diamant-Bohrkrone zu unterscheiden. Folgende beiden Neuentwicklungen als Abwandlungen der oberflächenbesetzten Diamant-Bohrkrone werden häufig auch bei den Diamant-Bohrkronen beschrieben und zwar die Synset-Bohrkronen und die Stratacut-Bohrkronen. Im Einzelnen wird auf eine zusammenfassende Darstellung in [37] verwiesen.

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3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

3.1.4.6 Kernbohrungen

3

Die Kernbohrung ist das im Regelfall anzuwendende Bohrverfahren im Fels. Liegt dieser unterhalb einer Lockergesteinsbedeckung, ist dort zunächst eine Trockenbohrung durchzuführen und diese dann als Kernbohrung zu vertiefen. Die Verwitterungszone des Festgesteins wird mit der Kernbohrung erkundet. Für den Einsatz im Lockergestein ist sie ungeeignet, da der gewonnene Bohrkern durch die Spülung zerstört und ausgewaschen würde. Ausnahmen sind in [37] beschrieben. Die Kernbohrung basiert auf dem Drehbohrverfahren und ist eine Abwandlung desselben. Wesentlicher Unterschied ist, dass das Festgestein im Untergrund nicht völlig zerstört und als Bohrklein zutage gefördert wird, sondern nur zum Teil und ein durchgehender zylindrischer Gesteinskörper, der Bohrkern, geborgen wird, vgl. Bild 3-10.

Bild 3-10 Prinzip der Kernbohrung

Um dieses Ziel zu erreichen, wird auf das Gestänge nicht direkt die Bohrkrone geschraubt, sondern das Kernentnahmegerät, das sogenannte Kernrohr, an dessen unterem Ende sich dann die Bohrkrone befindet. Dabei handelt es sich um eine Hohlbohrkrone, die lediglich einen Ringspalt herstellt und im Zentrum den Bohrkern unversehrt lässt. Dieser wächst beim Tieferführen der Bohrung dann praktisch in das Kernrohr hinein. Wie bei der Drehbohrung können mehrere hundert Meter Bohrtiefe erreicht werden. Bei der Kernbohrung wird ein durchgehender Bohrkern gewonnen, das ist ein zylindrischer Gesteinskörper. Da das anstehende Festgestein üblicherweise Trennflächen aufweist, z. B. Klüfte oder Schichtflächen, fällt der Bohrkern in einzelnen Stücken an, die jeweils oben und unten durch eine solche Trennfläche begrenzt sind. Bei dieser Begrenzung handelt es sich dann entweder um Trennflächen, die auch In-situ-Trennflächen ohne gegenseitigen Zusammenhalt der beiden Gesteinspartien darstellen. Es können aber auch vor dem Bohren noch teilweise zusammenhängende Trennflächen sein, an denen die Gesteinsfestigkeit reduziert war oder an denen Gesteinsbrücken vorlagen. Diese sind dann auf Grund des Bohrvorganges und der dabei aufgebrachten Scherkräfte vollends durchtrennt worden. Insbesondere bei wei-

3.1 Baugrunderkundung

77

chen Gesteinen können auch künstliche, nicht vorgezeichnete Bruchflächen aus dem Bohrvorgang resultieren. Dies ist bei der Interpretation zu berücksichtigen und erfordert Erfahrung in der Bohrkernauswertung. Üblicherweise wird ein sogenanntes Doppelkernrohr eingesetzt, dessen Innenrohr sich beim Bohrvorgang nicht mitdreht, sondern wie der Bohrkern in Ruhe ist, während sich das Außenrohr mittels Kugellagern mit dem Gestänge dreht. So werden die erzeugten Scherkräfte auf den Bohrkern reduziert. Die maximal gewinnbare Kernlänge ist begrenzt durch die Länge des Kernrohres. In harten, wenig geklüfteten Gesteinen, wie z. B. massigen Graniten kann es vorkommen, dass der Bohrkern nach Ausschöpfung der Länge des Kernrohres abgerissen werden muss. Derartige künstliche Abrisse zeichnen sich dann jedoch meist durch muschelartige Abrissformen aus und können leicht von natürlich vorhandenen Trennflächen unterschieden werden. Beim Kernbohrverfahren kommt es häufig vor, dass sich im Bereich Bohrkrone – Kernfänger – Kernrohr Gesteinsbruchstücke verklemmen. Der Gesteinszylinder, der sich in das Kernrohr schiebt, ist auf Grund der Klüftigkeit des Gebirges üblicherweise in Einzelstücke aufgelöst, die im losen Verband stehen. Sobald nun irgendwelche Verkantungen beim Bohren festgestellt werden, muss das Kernrohr gezogen werden. Andernfalls ist mit einer fortschreitenden Schädigung des Bohrkerns beim Weiterbohren zu rechnen, die bis zur völligen Zerstörung und Austrag über die Bohrspülung führen kann. Bei besonders „gebrächem“ Gebirge, d. h. Festgesteinen, die durch Verwitterung und Entspannung eine geringe Gesteinsfestigkeit aufweisen und stark geklüftet sind, kann dies dazu führen, dass jeweils nur 10 cm oder 20 cm Kern an einem Stück, dem sogenannten „Kernschuss“ oder „Kernmarsch“, gefördert werden können. Dies bedeutet beim Kernbohrverfahren mit Doppelkernrohr einen ganz erheblichen Aufwand: Bei jeder einzelnen Förderung des „Kernmarsches“ muss das Gestänge auseinander geschraubt, das Kernrohr zerlegt und der Bohrkern entnommen werden. Anschließend muss das Kernrohr gereinigt und wieder zusammengeschraubt werden und nach Zusammenschrauben aller notwendigen Gestängeteile wieder auf Tiefe gebracht werden. Vorteilhaft ist daher der Einsatz des Seilkernverfahrens. Bei diesem Verfahren wird das jeweilige „Gestängebrechen“ vermieden. Beim Seilkernverfahren ist das Kernrohr so konstruiert, dass das Innenrohr am Seil entnommen werden kann, ohne dass das Bohrgestänge mit dem daran befindlichen Außenrohr gezogen werden muss. Das Innenrohr rastet lediglich ein und wird über die Seilzugkraft entriegelt. Da das Seil beim Bohren nicht in der Verrohrung bleiben kann, wird es mit einem Ausklinkmechanismus vom Kerninnenrohr getrennt. Das Seilkernbohrverfahren hat auf Grund dieser Zeitersparnis schon bei Bohrtiefen von etwa 20 m einen erheblichen Vorteil gegenüber dem konventionellen Kernbohrverfahren. Es hat allerdings auch Nachteile, die im Einzelfall gegen diesen Vorteil abzuwägen sind: Beim Kernbohren muss ein Mindestkerndurchmesser eingehalten werden, der vom Baugrundgutachter vorgegeben wird. Seilkernrohre werden üblicherweise mit Kerndurchmessern von 36,3 mm bis 132 mm verwendet, sie werden jedoch auch größer angeboten, vgl. Tabelle 3.2. Das Seilkernrohr hat bei gleichem Kerndurchmesser einen sehr viel größeren Außendurchmesser als das gewöhnliche Doppelkernrohr. Es muss daher beim Bohrvorgang ein größerer Ringspalt erzeugt werden, d. h. insgesamt mehr Fels gelöst werden. Beim Kernbohrverfahren kommen dem Bohrgeräteführer besondere Aufgaben zu: Er muss die Kernstücke sorgfältig entnehmen und ohne sie zu vertauschen in die Kernkiste zu legen. Vereinfacht wird das Verfahren, wenn die Kerne in einem PVC-Liner eingewonnen werden. Die Kerne stehen nach dem Einbringen in die Kernkiste oder dem Aufschneiden des Liners zur Bohrkernaufnahme bereit.

3

78

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Beim Bohrvorgang kommt es immer wieder zu Vorkommnissen, die bewirken, dass ein Teil des Bohrkerns aus dem Kernrohr rutscht und dann zerbohrt wird oder, dass feingeklüftete Bereiche mechanisch aufgelockert werden und dann zerbohrt werden oder dass z. B. in Störungszonen weichere Gesteinspartien oder Lockergesteinszwischenlagen (z. B. Störungsmylonit) ausgespült werden. Dieser sogenannte Kernverlust ist im Bohrprotokoll zu dokumentieren und in der Kernkiste durch Einlegen von Styropor oder ähnlichem kenntlich zu machen.

3

Tabelle 3.2

Gängige Kerndurchmesser und Bohrlochdurchmesser

Doppelkernrohr Bohr-

Kern-

Seilkernrohre Bohr-

36

22

46

32

56

42

66

38–52

76

48–62

48

86

58–72

58

101

72–84

116

86–96

131 146 176

mit geteiltem Innenrohr

Kern-

48

27

60

36,5

75,6

47,6

72

96,1

63,5

86

122,7

85

101–109

101

127,7

83

116–123

116

146

102

140

Maße in mm

Kerne, die zum Zerbröckeln neigen, sind gegebenenfalls durch besondere Maßnahmen, wie Sichern mittels Klebeband, zu schützen. Die einzelnen Stücke des Bohrkernes werden mit Pfeilen versehen, die in Bohrrichtung weisen, damit ein Vertauschen von „oben“ und „unten“ ausgeschlossen ist. Der Bohrgeräteführer muss im Schichtenverzeichnis jeden einzelnen „Kernmarsch“, d. h. den Tiefenabschnitt, aus dem der Kern jeweils in einem Stück gefördert wurde, verzeichnen. Große Kernmarschlängen deuten auf leichte Bohrbarkeit, viele kleine Kernmarschlängen auf häufiges Verkanten, z. B. durch Zerbröckeln des Kerns in kleinklüftigen Zonen, hin. Eine Probenahme erfolgt nach der Ansprache der Bohrkerne durch Entnahme einzelner Kernstücke, z. B. für einaxiale Druckversuche oder die Anfertigung von Dünnschliffen. Bohrkerne werden in den häufigsten Fällen nicht orientiert entnommen, d. h. es ist lediglich oben und unten bekannt, nicht jedoch der Rotationswinkel zwischen der Orientierung des Kernes vor Ort und seiner Lage in der Kernkiste. In den Fällen, in denen es lediglich um die Bestimmung des Schichtaufbaus und eine qualitative Beschreibung des Kluftinventars geht, ist dies ausreichend. Dort, wo es um eine Bestimmung von Raumlagen von Trennflächen geht, ist die Entnahme von orientierten Kernen erforderlich. Diese Orientierung erfolgt üblicherweise dadurch, dass beim Entnahmevorgang mittels einer Spitze eine Riefe in den Bohrkern geritzt wird. Die Ausrichtung der Spitze muss gegen Nord mittels Kompassmessung bestimmt werden. Besser, aber sehr viel aufwändiger sind peripher angelegte Pilotbohrungen. Auch geophysikalische Untersuchungen kommen zur Orientierung der Kerne zum Einsatz, indem eine Korrelation zwischen Kernaußenansicht und Bohrlochinnenansicht hergestellt wird, z. B. mittels Akustik-Log.

3.1 Baugrunderkundung

79

Eine sehr detaillierte Darstellung, wie gewonnenes Kernmaterial weiter ausgewertet werden kann, ist in [50] enthalten. Anders als bei Bohrungen im Lockergestein ist es bei Bohrungen im Festgestein zwingend erforderlich, dass der wissenschaftlich ausgebildete Bearbeiter über längere Zeiten auf der Bohrstelle präsent ist. Wie bei der Drehbohrung in Abschnitt 3.1.4.5 beschrieben, sind in jedem Falle die zusätzlichen, nur vom Bohrgeräteführer zu ermittelnden Daten, auch bei der Interpretation der Kernbohrung wichtig. Die Bohrkernansprache erfolgt anhand der Bohrkerne in der Kernkiste. Gegebenenfalls müssen sie gewaschen oder angefeuchtet werden. Danach wird entschieden, welche Kernstücke für Laborversuche zu nehmen sind und anschließend werden gegebenenfalls Kernstücke mit dem Geologenhammer zerschlagen, wo die Bohrkernansprache nur mittels eines frischen Bruches die erforderlichen Beobachtungen zulässt. Die Bohrkernansprache sollte im Regelfall durch einen Geotechnik-Ingenieur oder Ingenieurgeologen erfolgen, da anders als im Lockergestein neben der Beschreibung der Gesteinseigenschaften noch eine Vielzahl anderer Parameter deskriptiv zu erheben ist. Schon bei der Bohrkernansprache sind die Aufzeichnungen des Geräteführers über die Bohrtechnik mit zu bewerten. Zur Durchführung von Kernbohrungen sind dieselben Gerätschaften erforderlich wie bei der Durchführung von Drehbohrungen. Zusätzlich ist ein Kernrohr einzusetzen. Je nach Art des Kernrohres und der Entnahmetechnik für die Bohrkerne ist ein anderes Bohrgestänge als bei den Drehbohrungen erforderlich. Während beim Drehbohrverfahren die Bohrkrone direkt auf das Bohrgestänge geschraubt wird, ist bei der Kernbohrung zwischen dem Bohrgestänge und der Bohrkrone das Kernrohr angeordnet. Dieses dient der Aufnahme des eingewonnenen Bohrkernes. Daneben muss es die Durchleitung der Bohrspülung vom Bohrgestänge zur Bohrkrone zulassen. Vom Bauprinzip grundsätzlich zu unterscheiden sind Kernrohre für das Seilkernbohrverfahren und gewöhnliche Kernrohre. Das Seilkernrohr unterscheidet sich vom gewöhnlichen Kernrohr dadurch, dass der äußere Teil fest mit dem Bohrgestänge verschraubt ist und in der Bohrung verbleibt, während der innere Teil vom Bohrrohr gelöst und mittels Seil gezogen werden kann. Einzelheiten sind [4] zu entnehmen. Kernfänger sind Klemmvorrichtungen, die zusammen mit der Kernfanghülse dafür sorgen, dass der eingewonnene Kern beim Ziehen nicht aus dem Kernrohr fällt. Die Klemmwirkung darf sich nur beim Ziehen entfalten; beim Bohren muss der Kern ungestört in das Kernrohr wandern können. Kernfänger gibt es in unterschiedlicher Ausführung. Sie sind dem jeweiligen Gebirge anzupassen. Für harte Festgesteine, die wenig gestört erbohrt werden können, werden Kernfänger eingesetzt, die im Wesentlichen aus Konus und Spannfederring bestehen und Reibung mittels Noppen oder Rillen erzeugen. Für weiches Gebirge oder für Gesteine, die zum Bröckeln neigen, werden Kernfänger mit in Kernachse angeordneten weichen Federn verwendet. Kernbohrungen werden in Abhängigkeit vom zu durchbohrenden Gebirge üblicherweise mit großer Drehzahl und vergleichsweise geringem Andruck der Bohrkrone hergestellt. Auf diese Randbedingungen ist die Wahl der Bohrkrone abzustimmen. Deren Wahl beruht zu einem sehr großen Teil auf Erfahrungswerten des Bohrgeräteführers. Aus der Vielfalt der zur Verfügung stehenden Bohrkronen werden nachfolgend nur die wichtigsten Hauptgruppen beschrieben. Für Einzelheiten wird auf die Spezialliteratur, z. B. [52] verwiesen.

3

80

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Folgende Hauptgruppen an Bohrkronen (Bild 3-11) stehen zur Verfügung: – Stiftkronen (Widia-Kernbohrkronen) (5) – Hartmetall-Splitterkronen (8) – Diamant-Kernbohrkronen (4, 6, 7) – Stratapax oder Synset-Kernbohrkronen (1–3).

3

Bild 3-11 Auswahl an Kernbohrkronen (1–8)

Nachfolgend wird der Einsatz der einzelnen Bohrkronen kurz zusammengefasst beschrieben. Die Wahl der Bohrkrone ist abhängig von Gesteins- und Gebirgsparametern: – der Härte des zu durchbohrenden Gesteins – der Zähigkeit – der Klüftigkeit – der Kornstruktur. Geräteeigenschaften: – dem aufbringbaren Andruck durch das Bohrgerät – dem aufbringbaren Drehmoment und der Drehgeschwindigkeit – der Art des Bohrverfahrens (Doppelkernrohr, Seilkernverfahren). Qualitätsanforderungen: – der zulässigen mechanischen Beanspruchung des Bohrkerns – erforderliche Kalibertreue und Glätte der Bohrlochwandung. 3.1.4.7 Schürfe Einen großflächigeren Untergrundaufschluss, der begehbar ist und einen unmittelbaren Einblick in den Untergrund ermöglicht, erhält man durch Anlage eines Schurfes. Im einfachsten Fall ist dies ein Baggerschurf, der aus Sicherheitsgründen unverbaut nur bis in geringe Tiefen reichen darf, im Regelfall bis 1,25 m, in Sonderfällen bis maximal 1,75 m, vgl. DIN 4124 [10]. Baggerschürfe mit Verbau dagegen können je nach Geräteeinsatz durchaus mehrere Meter tief angelegt werden. Noch größere Tiefen erreicht man durch Anlage von verbauten Schurfschächten. Sie spielen jedoch nur in Ausnahmefällen eine Rolle.

3.1 Baugrunderkundung

81

Schürfe werden häufig als wirtschaftliche Alternative zu Bohrungen hergestellt. Besonders geeignet für die Anlegung von Schürfen mit geringer Erkundungstiefe sind Kleinbagger, insbesondere wenn es darum geht, in einfachem Gelände den oberflächennahen Untergrundaufbau an mehreren Stellen zu untersuchen. Die entsprechende Mobilität wird durch das problemlose Verladen der Kleinbagger auf Anhänger erreicht. Hinsichtlich der Aufschlussqualität sprechen folgende Argumente für das Anlegen von Schürfen: Die Wandungen der Schürfe erlauben einen unmittelbaren Eindruck des Untergrundaufbaus auf einer vergleichsweise großen Fläche. Damit werden im Festgestein strukturgeologische Untersuchungen überhaupt erst möglich. Schürfe erlauben die Entnahme von ungestörten Bodenproben aus Bereichen, die vorher schon sehr genau untersucht und gegeneinander abgegrenzt werden können. Insbesondere kann hinsichtlich der Frage der Durchlässigkeit entscheidend sein, dass aus Schürfen sowohl horizontal als auch vertikal orientierte ungestörte Bodenproben entnommen werden können, vgl. Bild 3-12.

Bild 3-12 Baggerschurf und Probenahme (Stechzylinder, vgl. Abschnitt 3.2.1)

Mit Schürfgruben können unter anderem folgende Strukturen ermittelt werden, die bei punktuellen Aufschlüssen nicht erkundet werden können: – – – – – – – –

Lateral erheblich variierende Schichtmächtigkeiten Auskeilende Schichten Isolierte Schichtkörper Verbogene Schichten wie Falten Verstellte Schichteinheiten An Störungen abgesetzte Schichteinheiten Vom Schichtmodell abweichende Untergrundstrukturen Klüftung und Störungsgefüge, räumlich.

Eine anschauliche Beschreibung der Probenahme aus Schürfen enthält [53], im übrigen wird auf DIN EN ISO 22475-1 [31] und DIN EN ISO 14689-1 [30] verwiesen.

3

82

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

3.1.4.8 Drucksondierungen Drucksondierungen werden zur Untergrunderkundung eingesetzt, jedoch auch als geotechnischer Feldversuch zur Überprüfung der Lagerungsdichte. Der Einsatz als Erkundungsverfahren überwiegt. Drucksondierungen haben unter den indirekten Erkundungsverfahren eine Sonderstellung, da sie über die Erkundung des Bauwerksuntergrundes hinaus eine spezifische Funktion im Hinblick auf die Dimensionierung von Pfählen und anderen Gründungselementen besitzen. Nach DIN EN ISO 22476-1 [7] werden sie gemäß ihrer englischen Bezeichnung „Cone Penetration Tests“ mit CPT abgekürzt. Überwiegend wird die am häufigsten eingesetzte CPT 10 mit einer Spitzenfläche von 10 cm2 eingesetzt. Werden in Abhängigkeit der zu erkundenden Böden andere Sondierspitzen eingesetzt, ist dies im Protokoll zu vermerken. Nach DIN EN ISO 22476-1 sind für besondere Untergrundverhältnisse auch andere Sondierspitzen zugelassen. Bei Spitzen mit Flächen zwischen 5 cm² und 20 cm² kann dies ohne Korrekturfaktor geschehen. Weitere Hinweise werden in [36] mitgeteilt.

Bild 3-13 Funktion der Drucksondierung, schematisch (links); Schnitt durch eine moderne Sonde (rechts)

3.1 Baugrunderkundung

83

Mit der Drucksondierung wird der Eindringwiderstand einer definiert ausgebildeten Sondierspitze und dem daran befindlichen Sondiergestänge bei Eindrücken mit konstanter Geschwindigkeit von etwa 2 cm/s in den Untergrund bestimmt. Der dabei ermittelte Eindringwiderstand des Untergrundes auf Sondierspitze und Gestänge als Reaktion auf das Eindrücken wird bei modernen Verfahren kontinuierlich aufgezeichnet. Je nach Anwendungsklasse, die sich aus dem zu erwartenden Bodenprofil ergibt, sind gemäß DIN EN ISO 22476-1 Mindestmessabstände von 2 cm oder 5 cm erforderlich. Der Spitzenwiderstand qC ist diejenige Komponente des insgesamt aufzuwendenden Druckes, die erforderlich ist, damit die kegelartig geformte Sondierspitze den im Untergrund vorhandenen Boden zur Seite drängt womit das gleichmäßige Eindringen der Sonde verbunden ist. Die zusätzlich gemessene lokale Mantelreibung fS, bezogen auf die Umfangsfläche der Sondierspitze, ist diejenige Scherspannung, die aufzubringen ist, um die beim dynamischen Prozess des Eindringens entstehende Wandreibung des zylindrisch ausgebildeten Teils der Sondierspitze, der Reibungshülse, am erzeugten Sondierkanal zu kompensieren. In den letzten Jahren wurden die Drucksondierungen weiterentwickelt im Hinblick auf ergänzende Datenermittlungen. Zunächst vorwiegend im angelsächsischen Raum eingesetzt, kommt die Drucksonde mit Porenwasserdruckaufnehmer immer häufiger zum Einsatz. Sie hat die eigene Bezeichnung „Piezocone Test (CPTU)“, welche auch in die Deutsche Normung eingebracht wurde. Bei diesen Drucksondierungen wird neben Spitzendruck und Mantelreibung der Porenwasserdruck in Abhängigkeit von der Sondiertiefe aufgezeichnet, der an verschiedenen Stellen der Spitze gemessen wird. Beim Dissipationsversuch wird die Änderung des Porenwasserdrucks über die Zeit während einer Unterbrechung des Eindrückvorgangs bestimmt. Er dient der Bestimmung der Entwässerungs- und Konsolidationseigenschaften von Böden. Sonderverfahren [48], z.B. die kontinuierliche näherungsweise Bestimmung von Schadstoffparametern, werden im Wesentlichen bei der Altlastenerkundung angewandt. Es ergeben sich jedoch in Einzelfällen auch geotechnische Anwendungen, z.B. Leitfähigkeitsmessungen bei Baugrunduntersuchungen zur Bestimmung des Salinitätsprofils über Subrosionshorizonten (z.B. Salzlaugung). Drucksondiergeräte bestehen aus einer Apparatur, die im Untergrund verankert wird oder so schwer ist, dass große Drücke über ein Gestänge auf die Sondierspitze hydraulisch oder mechanisch aufgebracht werden können. Das Funktionsprinzip ist schematisch in Bild 3-13 am Beispiel der „Gouda-Sonde“ [37] beschrieben: Bei dieser wird die Sondierspitze über das Innengestänge 15 cm vorauseilend in den Boden gedrückt. Die Abbildung zeigt links schematisch die Messung von Spitzendruck und Mantelreibung; Rechts ist eine moderne Sonde dargestellt. Mittlerweile hat es eine Vielzahl von Neuentwicklungen von Sondierspitzen gegeben, über deren Anwendungsbereiche und Zulässigkeit der Anwendung gibt DIN EN ISO 22476-1 Auskunft.

3

84

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Tabelle 3.3

Drucksondierungen – Festlegungen gemäß DIN EN ISO 22476-1

Gerät Spitzendurchmesser Gestängedurchmesser Spitzenöffnungswinkel

3

35,7 mm 35,3 mm – 36,0 mm Wie Kegel 60°

Durchführung Eindrückgeschwindigkeit Mindestabstand zwischen Drucksondierungen Mindestabstand zu vorab durchgeführten Bohrungen Toleranz Abweichung zur Vertikalen

2 cm/s +/– 0,5 cm/s 2m ≥ 20facher Bohrdurchmesser 50 %, abweichende Schlagzahlen, gespanntes Grundwasser etc.) – Gegebenenfalls eingesetzte Mittel zur Verringerung der Mantelreibung – Wahrnehmungen an der gezogenen Sondierspitze – Messprotokoll bei Beendigung der einzelnen Sondierung. Die Ergebnisse der Sondierungen werden als Einzelprofil je Sondierung über der Tiefe aufgetragen. Mit den Ergebnissen von Rammsondierungen kann ausschließlich auf die Lagerungsdichte und Konsistenz von durchteuften Böden geschlossen werden. Die Korrelation zwischen der Schlagzahl N10 und der Lagerungsdichte von rolligen Böden ist gut, die Korrelation zwischen N10 und der Konsistenz bindiger Böden sehr viel schlechter. Im einzelnen wird auf [48] verwiesen. 3.1.4.10 Ingenieurgeologische Oberflächenkartierung Die Oberflächenkartierung stellt kein eigentliches Erkundungsverfahren dar, liefert allerdings mitunter als Grundlage für die Untergrunderkundung einen ganz wesentlichen Beitrag. Eine gute Einführung in die geologische Kartierung, die auch mit wenigen Grundkenntnissen verständlich ist, liefert [53].

3.1 Baugrunderkundung

87

3

Bild 3-14 Beispiele von Oberflächenkartierungen sehr unterschiedlichen Maßstabs

Die durchgeführte ingenieurgeologische Kartierung ist eine detaillierte Beschreibung des geologischen Untergrundes, so wie sie an der Geländeoberfläche durchgeführt werden kann und reicht höchstens bis in 2 m Tiefe. Es werden natürlich vorhandene Aufschlüsse des Geländes, wie Böschungen, Geländeabrisse, Bachläufe oder andere Geländestrukturen ausgewertet, die einen Einblick in den oberflächennahen Untergrund erlauben, aber auch künstlich hergestellte Aufschlüsse, die zufälligerweise in der Umgebung des Untersuchungsobjektes liegen. Dies können Baugruben, Straßenböschungen etc. sein.

88

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Die Kartierung wird bei Baugrunderkundungen nur selten angewandt. Üblicherweise wird das Ergebnis älterer Kartierungen, zusammengefasst in der geologischen Karte oder in Spezialkarten, z. B. Baugrundplanungskarten, als Grundlage für das Erkundungsprogramm genutzt.

3

Explizit im Rahmen der Baugrunderkundung durchzuführende ingenieurgeologische Kartierungen können jedoch in Spezialfällen erforderlich sein, z. B. dort, wo der tektonische Aufbau des Untergrundes einen entscheidenden Einfluss auf die Gründung des Gebäudes hat oder wo andere, z. B. sedimentologische Strukturen auftreten, die im Untergrundaufschluss nicht oder nur sehr schwer erkannt werden können. Auch in Bereichen steiler Geländeneigungen, in denen Oberflächenphänomene wie Rutschungen eine wesentliche Rolle spielen, kann die ingenieurgeologische Kartierung nötig sein. Bild 3-14 zeigt beispielhaft einige Kartierungen ganz unterschiedlicher Maßstäbe, die als Grundlage für Baugrunderkundungen angelegt wurden: Oben links eine Satellitenbildkartierung für den Stauraum einer Talsperre, rechts die Kartierung einer Dammaufstandsfläche und unten die Aufnahme eines Abschnitts einer Herdmauerbaugrube unter einem Steinschüttdamm. 3.1.4.11 Oberflächengeophysikalische Verfahren Oberflächengeophysikalische Verfahren werden in der Baugrunderkundung nur selten eingesetzt. Die geophysikalischen Messungen müssen an direkten Aufschlüssen, in der Regel Bohrungen, geeicht werden. Üblicherweise wird man daher vorzugsweise das Bohrraster verdichten anstatt indirekte Verfahren zwischen den Bohrungen anzuwenden. In Sonderfällen, z. B. bei der Erkundung von Hohlräumen im Untergrund, stellen sie allerdings eine sinnvolle Ergänzung im Erkundungsprogramm dar. Oberflächengeophysikalische Verfahren wurden ursprünglich für die Rohstoffexploration entwickelt und anschließend in ihrer Auflösung immer mehr verfeinert, so dass sie nunmehr auch auf kleinräumige Erkundungsmaßnahmen anwendbar sind. Die vorrangige Problematik in der Anwendung besteht darin, dass es sich um indirekte Verfahren handelt, die anders als die Sondierungen nicht körperlich in das zu untersuchende Medium eindringen, sondern physikalische Felder vermessen. Von der Erdoberfläche aus werden entweder natürliche physikalische Felder ausgemessen (passive Verfahren), d. h. z. B. die lokale Feldstärke in Profilen aufgenommen und zwei- oder dreidimensional ausgewertet, so dass ein Tiefenprofil abgeleitet werden kann. Oder aber es werden von der Oberfläche aus physikalische Felder erzeugt und die Beeinflussung durch die inhomogen, im Untergrund vorliegenden Stoffeigenschaften, wie z. B. den spezifischen elektrischen Widerstand, wiederum in Profilen an der Oberfläche aufgezeichnet (aktive Verfahren) und das Tiefenprofil abgeleitet.

3.1 Baugrunderkundung

Tabelle 3.5

89

Einsatz verschiedener Erkundungsverfahren, aus [37]

Verfahren

Kurzzeichen

Baugrundprofil

Proben

Tiefe

Trockenbohrung

TB

Boden: im dmBereich genau

gestörte Proben, ungestörte Proben

max. ca.100 m

Rammkernbohrung

RKB

Boden: im mm- bis cm-Bereich genau

Rammkerne, ungestörte Proben (gestörte Proben)

max. ca.100 m

Kernbohrung in Überspültechnik

KBÜ

Boden: wie RKB, jedoch mit Störungen

Rammkerne ungestörte Proben

> 100 m

Kleinbohrungen

KIB

Boden: im cmBereich genau, jedoch ggf. gestaucht

gestört, geringe Probenmenge

ca. 10 m

Rotaryborung/ Drehbohrung

RB

Fels: Grobgliederung, Formationen

gestört, unvollständig

> 100 m

Kernbohrung

KB

Boden: eingeschränkt, Fels: sehr genau

Kerngewinn in Abhängigkeit von Felseigenschaften und Bohrtechnik

> 100 m

Schürfe

Sch

bester Aufschluss in Boden und Fels, direkte Anschauung

Sehr große Proben, orientierte Proben, ungestörte Proben

ca. 4 m

Drucksondierungen

DS

näherungsweise aus Reibungsverhältnis, Korrelationen zu Bohrungen



ca. 20 m

Rammsondierungen

RS

wenig zuverlässig



ca. 20 m

Ingenieurgeologische Kartierung

Kar

bei nicht-horizontaler Schichtung, jedoch meist lückenhaft

Oberflächengeophysikalische Messungen Geoph

nur anhand von Korrelationen Nachweis Hohlräume, Störungen

sehr große Proben, orientierte Proben –

3

Oberfläche

verfahrensabhängig

In beiden Fällen wird somit die Beeinflussung eines vorhandenen oder erzeugten physikalischen Feldes durch das im Untergrund vorhandene Drei-Stoff-System Feststoff, Wasser und Luft sowie gegebenenfalls im Wasser gelöste Stoffe oder aufschwimmende leichtere Flüssigkeiten (z. B. Öl) gemessen. Aufgezeichnet werden elektrische Felder, magnetische Felder, elektro-magnetische Felder oder auch Strahlung, wie die natürliche Radioaktivität von Gesteinen. Die Seismik basiert auf der Aufzeichnung der Laufzeiten künstlich erzeugter reflektierter und refraktierter Schallwellen im Untergrund. Je nach Aufgabenstellung stehen eine Reihe von oberflächengeophysikalischen Verfahren [42] zur Verfügung, die im Einzelnen für den spezifischen Einsatz zur Baugrunderkundung bei [49] detailliert beschrieben sind.

90

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Tabelle 3.5

3

Einsatz verschiedener Erkundungsverfahren, aus [37] (Fortsetzung)

Verfahren

Zweck

Bemerkungen zum Einsatz bei der Baugrunderkundung

TB

Baugrundaufschluss im Boden

Standarderkundungsverfahren im Boden, Verrohrung mit angepasstem Bohrdurchmesser gewährleistet präzisen Ausbau zur Grundwassermessstelle (GWM)

RKB

Detailgenauer Aufschluss im Boden

Bei hohen Anforderungen an das Bohrprofil. Bei Erfordernis durchgängig guter Bodenproben, finanziell aufwändig, abschnittsweise in Trockenbohrungen einsetzbar

KBÜ

Tiefe Bohrungen, Grundwasseraufschluss

Als Baugrundaufschluss in flachen Tiefen unwirtschaftlich gegenüber RKB, in großen Tiefen wirtschaftlich. Ausbau zur GWM erfordert Aufbohren, vorzugsweise als Spülbohrung

KlB

Baugrundaufschluss, Boden in geringer Tiefe

Nur ergänzend zur TB, RKB Keine Entnahme ungestörter Bodenproben GWM nur für orientierende Messungen

RB

Einbau von Messgebern

Bohrprofil unzulänglich für die meisten geotechnischen Fragestellungen, nur ergänzend zur KB

KB

Baugrundaufschluss im Fels

Standarderkundungsverfahren, finanziell aufwändig, abschnittsweise in RB einsetzbar

Sch

Baugrundaufschluss, Boden/Fels in geringer Tiefe

Wo ein großflächiger Aufschluss vorteilhaft ist. Gezielte Auswahl, Zuordnung und Orientierung von Proben, kein Ausbau zur GWM möglich, in geringen Tiefen wirtschaftlich

DS

Lagerungsdichte von Böden

Standarderkundung für Tiefgründungen in Kombination mit TB, RKB, Anwendungsgrenze bei dicht gelagerten, rolligen Böden

RS

Lagerungsdichte von Böden

Besonders bei dicht gelagerten Böden, größere Genauigkeit durch DS (aber teurer)

Kar

Erkundung der Gebirgsstruktur

Vorrangig bei Fels mit geringer Bodenauflage, Sonderanwendungen z. B. Talsperren, Rutschungen

Geoph

Korrelation zwischen Bohrungen

Sonderanwendungsfälle, z. B. Hohlraumerkundung

3.1.4.12 Zusammenfassung der Einsatzbereiche Die vorab beschriebenen Erkundungsverfahren sind dem Erkundungszweck und dem Untergrund anzupassen, im Einzelnen wird auf eine ausführliche Darstellung in [37] verwiesen. Zusammenfassend sind in Tabelle 3.5 spezifische Einsatzbedingungen dargestellt. 3.1.4.13 Probenahme, Dokumentation, Bohrüberwachung Vorrangiges Ziel der Erkundung ist die Gewinnung von Proben. Im Einzelnen ist die Gewinnung von Bodenproben bei den Trockenbohrungen, die von Felsproben bei den Kernbohrungen beschrieben. Sowohl bei Bodenproben als auch bei Felsproben ist deren Qualität ganz entscheidend für daraus abzuleitende Beschreibungen des Bohrprofils und der bodenmechanischen und felsmechanischen Eigenschaften dieser Schichten. Deshalb werden in DIN EN ISO 22475-1 [31] Probenahmekategorien auf der Grundlage der in DIN EN 1997-2 [28] angegebenen Güte-

3.1 Baugrunderkundung

91

klassen, die dort vor dem Hintergrund von bodenmechanischen Laborversuchen definiert sind, eingeführt. Für Bodenproben existieren 5 Güteklassen, wobei die Güteklasse 1 die beste und die Güteklasse 5 die geringste Qualität anzeigt. Definiert werden diese Güteklassen vom Ergebnis ausgehend, d. h. anhand der Bodeneigenschaften, die mit ihnen bestimmbar oder nicht bestimmbar sind und ob die natürlichen Eigenschaften durch den Gewinnungsvorgang verändert werden. Welches Aufschlussverfahren nun im Einzelnen welche Güteklasse erreichen kann und bei welcher Art der Probeentnahme dies gewährleistet ist, kann nicht definiert werden. Dies ist von vielen verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. Es kann aber eindeutig festgestellt werden, mit welchen Verfahren sie nicht erzielt werden können. Daher sind die Güteklassen eher als Zielgrößen aufzufassen. Die Anforderungen an Bodenproben nach DIN EN 1997-2 sind in der Tabelle 3.6 zusammengefasst. Für die Gewinnung der qualitativ hochwertigsten Bodenproben der Güteklasse 1 sind sogenannte Sonderproben erforderlich, die aus Trockenbohrungen oder Schürfen und mit Einschränkungen aus Kernbohrungen in Überspültechnik entnommen werden können. Tabelle 3.6

Güteklassen von Bodenproben gemäß DIN EN 1997-2 [28]

Güteklasse:

1

2

3

4

Kenngrößen, Eigenschaften

feststellbar

Schichtenfolge

+

+

+

+

Feinschichtgrenzen

+

+

+

+

Kornzusammensetzung Z

+

+

+

+

Konsistenzgrenzen

+

+

+

+

Grenzen Lagerungsdichte

+

+

+

+

Korndichte S

+

+

+

+

Organische Bestandteile

+

+

+

+

Wassergehalt w

+

+

+

Dichte 

+

+

Porenanteil n

+

+

Wasserdurchlässigkeit k

+

+

Steifemodul ES

+

Scherfestigkeit , c´

+

5

1

2

3

4

5

unverändert + +

+

+

+



+

+

+





+

+







+

+







+









+









Für Felsproben wird eine solche Klasseneinteilung nicht vorgenommen. Es wird gemäß DIN EN ISO 22475-1 lediglich unterschieden in Bohrkern und Bohrklein/Siebrückstand sowie Blockproben. Es wird dann im Wesentlichen darauf abgehoben, mit welchem Verfahren möglichst vollständige Kerne gewonnen werden können Die DIN EN ISO 22475-1 unterscheidet in Probenahmeverfahren der Kategorien A, B und C, wobei A Proben der Güteklasse 1 bis 5, B der Güteklasse 3 bis 5 und C der Güteklasse 5 zulassen. In den dazugehörigen Tabellen 2 und 3 werden Zuordnungen zu Bohrverfahren, Geräteeinsatz und Entnahmewerkzeug vorgenommen, deren Handhabbarkeit in der Praxis sich allerdings noch erweisen muss.

3

92

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Bei allen Erkundungsverfahren sind die Technik der Erkundung, die Probenahme und die Ergebnisse der Erkundung genau zu dokumentieren. Der Bohrgeräteführer führt ein Schichtenverzeichnis gemäß DIN EN ISO 22475-1 [31]. In dieses trägt er seine anhand seiner Ansprache der geförderten Bodenproben vorgenommene Klassifikation ein. Besonderen Wert muss der Bohrgeräteführer auf Angaben legen, die nicht reproduzierbar sind und für eine Interpretation der Bohrergebnisse zusätzlich wichtig sind, wie z. B. Angaben zum Bohrfortschritt oder zur Wasserführung des Untergrundes und entweder im Schichtenverzeichnis oder im dazugehörigen Kopfblatt gemäß DIN EN ISO 22475-1 zu notieren sind. Im Einzelnen sind bei den Bohrungen folgende Angaben erforderlich: – – – – – – – – – – – – –

Lage der Bohrung, einschließlich Lageskizze Nivellement des Bohransatzpunktes Angaben zur Bohrbarkeit und zum Bohrfortschritt Andruck Drehmoment Drehzahl Spülungsverfärbung ungewöhnliche Bohrereignisse, wie Wassereinbruch Bohrhindernisse und Methode der Hindernisbeseitigung Wasserzutritte zur Bohrung Bohrabweichungen Bohrstillstand Bohrwasserstände.

Bei der Erkundung mit Schürfen und anderen Verfahren ist eine entsprechend angepasste Dokumentation erforderlich. Die Aufzeichnungen des Bohrgeräteführers sind die Grundlage für das der Baugrundbeurteilung zu Grunde zu legende Bohrprofil, das vom Gutachter erstellt wird. Je nach Aufgabenstellung und deren Schwierigkeitsgrad ist eine unterschiedlich häufige Anwesenheit des Gutachters auf der Bohrstelle erforderlich. Sie reicht von einer stichprobenartigen Überwachung bis zu einer kontinuierlichen Bohrüberwachung und Steuerung der Bohrarbeiten, die insbesondere dann angezeigt ist, wenn zusätzliche Arbeiten, wie Probenahme für chemische Analysen oder geophysikalische Messungen koordiniert werden müssen. Durch den Gutachter erfolgt eine Zweitansprache der Bodenprobe und Überarbeitung des Bohrprofils. Dieser wählt dann gegebenenfalls Bodenproben für die Durchführung von bodenmechanischen Laborversuchen aus. Das Bohrprofil wird gemäß DIN 4023 [6] zeichnerisch dargestellt. Ein Beispiel dafür gibt Bild 3-15. Grundsätzlich darzustellen sind: – – – –

die bodenmechanische Ansprache der Grundwasserstand Schichtwasserstände die Konsistenz bindiger Schichten.

Je nach Aufgabenstellung kann es erforderlich sein, zusätzliche Angaben zu machen, vgl. [37].

3.1 Baugrunderkundung

93

3

Bild 3-15 Beispiel für ein Bohrprofil mit Ausbauplan der Grundwassermessstelle, aus [37]

3.1.5

Ausbau von Bohrungen zu Grundwassermessstellen

Bohrungen sind üblicherweise temporäre Aufschlüsse des Untergrundes, die nach Abschluss wieder verfüllt werden. Bei der Ausführung von langfristigen Messungen sind die Bohrungen auszubauen. Der häufigste Ausbau ist der zur Grundwassermessstelle, daneben werden Bohrungen auch zur langfristigen Messung von Verschiebungen und Spannungen eingesetzt.

94

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Dazu wird auf das Kapitel 16 „Geotechnische Messverfahren“ verwiesen. Nachfolgend wird der Ausbau von Bohrungen zu Grundwassermessstellen kurz erläutert.

3

Grundwassermessstellen sind Brunnen geringen Durchmessers. Bei den meisten bautechnischen Fragestellungen dienen sie lediglich dazu, dauerhaft die Messung von Wasserständen zuzulassen. Diese Messung erfolgt über Lote oder Pegelschreiber, die eine kontinuierliche Aufzeichnung der Wasserstände zulassen. Wenn Grundwassermessstellen ausschließlich der Messung von Wasserständen dienen, ist ein Ausbaudurchmesser DN 50 ausreichend. Bei einem Ausbaudurchmesser von DN 65 lassen sich geophysikalische Messungen zur Überprüfung des Messstellenausbaus problemlos durchführen. Besteht gegebenenfalls die Notwendigkeit, Wasserproben für hydrochemische Analysen entnehmen zu können, sind je nach Aufgabenstellung und in Abhängigkeit von der Tiefe der Messstelle größere Durchmesser erforderlich. Im Einzelnen wird z. B. auf das DVGW-Arbeitsblatt W 121 [35] verwiesen Vereinfacht gesprochen, besteht die Grundwassermessstelle aus einem Rohr, als Ausbaumaterial bezeichnet, das in das Bohrloch gestellt wird und an derjenigen Stelle Öffnungen besitzt, an der die Spiegelhöhe des Grundwassers bestimmt werden soll. Das Ausbaumaterial besteht üblicherweise aus PVC, bei speziellen Aufgabenstellungen werden andere Materialien eingesetzt. Von unten nach oben besteht der Brunnenausbau aus einem unten geschlossenen oder mit einem Stopfen versehenen Vollrohr, dem sogenannten Sumpfrohr. Auf dieses wird häufig auch verzichtet. Darauf wird das Filterrohr geschraubt. Dies ist im Fall der Grundwassermessstelle ein geschlitztes Rohr, in das Wasser von außen eindringen kann. Darüber wird ein weiteres Vollrohr, das sogenannte Aufsatzrohr angeordnet. Um Fremdwasserzuläufe zu vermeiden, sind die Rohrverbindungen gedichtet auszubilden. Am oberen Ende des Aufsatzrohres befindet sich eine verriegelbare Klappe. In Einzelfällen wird der Brunnenabschluss aufwändiger ausgeführt. Dann wird über das Aufsatzrohr ein verzinktes Stahlrohr geschoben, das mit einer Kappe versehen ist. Dies empfiehlt sich, wenn hydrochemische Messungen vorgesehen sind. Der Brunnenausbau wird konzentrisch in die Bohrung eingestellt. Dazu ist das Anbringen von Abstandshaltern erforderlich. Es sind auch mehrere Ausbauten in einem Bohrloch möglich, um Wasserstände in verschiedenen Grundwasserleitern messen zu können. Dies hat sich jedoch nur in Ausnahmefällen bewährt, da die einzelnen Filterstrecken nur sehr unzulänglich gegeneinander abzudichten sind und daraus letztendlich Mischwasserstände resultieren. Vorzuziehen sind in jedem Fall mehrere Bohrungen mit Einfach-Verfilterung zur Bestimmung der Wasserstände unterschiedlicher Grundwasserleiter.

3.1.6

Bohrlochgeophysikalische Verfahren

Bohrlochgeophysikalische Verfahren werden entweder im offenen, im verrohrten oder im ausgebauten Bohrloch durchgeführt. Sie dienen in den häufigsten Fällen einer Verbesserung des durch einfache Bohrtechnik, z. B. Spülbohrungen erfassten Bohrprofils. Bei detailgenau auswertbaren Bohrungen, wie Trockenbohrungen oder Kernbohrungen, liefern sie selten eine signifikante Verfeinerung des Bohrprofils. Bei schwierigen Aufgabenstellungen im Fels können bohrlochgeophysikalische Messungen allerdings hilfreich sein: Bei der Aufnahme von Festgesteinsprofilen liefern die Messungen petrophysikalische Parameter, wie Gesteinsdichte, Porosität, spektrale Zusammensetzung der natürlichen Gammastrahlung, elektrischer Gesteinswiderstand oder Schallwellenlaufzeit.

3.2 Laborversuche

95

Diese Parameter charakterisieren, wie die am Bohrkern visuell erkennbaren Eigenschaften, das Gestein und können entscheidende Parameter für felsmechanische Beurteilungen liefern, die ansonsten nicht oder nur mit erheblichem Aufwand an Laborversuchen an den Bohrkernen gewonnen werden können. Seltener werden sie eingesetzt, um indirekt auf hydraulische und mechanische Eigenschaften des Gebirges in der Umgebung des Bohrlochs zu schließen. Dafür sind die geotechnischen Feldversuche besser geeignet. Ferner werden bohrlochgeophysikalische Verfahren zur Überprüfung der Qualität des Ausbaus von Grundwassermessstellen eingesetzt. Ergeben sich dabei keine eindeutigen Beweise für Mängel, so doch zumindest Hinweise, denen dann mit anderen Mitteln nachgegangen werden kann. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass in das Bohrloch eine Sonde eingeführt wird, die während des kontinuierlichen Hochziehens entweder natürliche Felder oder Strahlung aufzeichnet oder selbst ein Feld erzeugt und dessen Beeinflussung durch die Umgebung des Bohrlochs misst. Im Einzelnen wird auf ausführliche Beschreibungen in [44], [41] verwiesen.

3.2

Laborversuche

Die physikalischen Eigenschaften von Böden und die entsprechenden Bodenkennwerte, z. B. der Wassergehalt, die Bodendichte, die Zustandgrenzen bindiger Böden, sowie die mechanischen Eigenschaften und die entsprechenden Kennwerte, z. B. die Durchlässigkeitseigenschaften von Böden, die Kompressionsfähigkeitseigenschaften von Böden, sowie die Scherfestigkeitseigenschaften von Böden, können durch Versuche im bodenmechanischen Labor bestimmt werden.

3.2.1

Versuche zur Bestimmung der physikalischen Eigenschaften

3.2.1.1 Versuche zur Bestimmung des Wassergehalts Ziel: Bestimmung des Wassergehalts von Böden Versuchsarten: Der Wassergehalt von Böden kann nach DIN 18121-1 [12] und DIN 181212 [13] im Labor durch Ofentrocknungsverfahren, durch Schnelltrocknungsverfahren oder durch Verfahren ohne Trocknung bestimmt werden. Nachfolgend wird nur das Ofentrocknungsverfahren vorgestellt. Prinzip: Beim Ofentrocknungsverfahren wird die Trockenmasse md einer feuchten Bodenprobe durch Trocknung der feuchten Bodenprobe im Ofen bestimmt. Die Masse m w des Wassers in der feuchten Probe ist die Differenz zwischen der feuchten Masse m und der Trockenmasse md. Daraus wird der Wassergehalt w der feuchten Bodenprobe errechnet. Geräte: Wärmeschrank, Waage mit einer Genauigkeit von 0,01g, hitzebeständige Behälter, Messer, Exsikkator. Proben: Aus praktischen Gründen sollte die Feuchtmasse m der Probe nicht kleiner sein als 3 g. Je größer die Bodenkörner sind, desto größer sollte die Feuchtmasse m sein. Durchführung: Die feuchte Probe wird in einen dicht schließenden Behälter eingebracht, samt dem Behälter gewogen und dann bei geöffnetem Behälter im Trockenofen bei 105 °C

3

96

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

getrocknet. Das Trocknen ist so lange fortzusetzen, bis sich die Masse der Probe nicht mehr ändert. Die getrocknete Probe wird zum Abkühlen wieder in den Behälter dicht eingeschlossen oder in einen Exsikkator gestellt und nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur samt Behälter gewogen.

3

Auswertung: Die Masse des Behälters mB wird gewogen; Die Masse m der feuchten Probe + die Masse mB des Behälters werden gewogen und mit m1 bezeichnet; Die Masse md der trockenen Probe + die Masse mB des Behälters werden gewogen und mit m2 bezeichnet; Masse mw des Porenwassers = m1 – m2; Trockenmasse md = m2 – mB; Wassergehalt:

w=

mw md

(3.1)

3.2.1.2 Versuche zur Bestimmung der Dichte von Böden Ziel: Bestimmung der Feuchtdichte  und der Trockendichte d von Böden. Prinzip: Die Dichte von Böden kann nach DIN 18125-1 [17] durch Laborversuche sowie nach DIN 18125-2 [18] durch Feldversuche bestimmt werden. Bei der Bestimmung der Dichte von Böden im Labor werden die Feuchtmasse m und die Trockenmasse md durch Wägung bestimmt. Das Volumen des feuchten Probekörpers wird über das Volumen des Probenrings (Ausstechzylinder), durch Tauchwägung oder durch die Vermessung des Probekörpers festgestellt. Die Feuchtdichte und die Trockendichte können aus diesen Werten errechnet werden. Ermittlung der Massen der Probe: – Geräte: Präzisionswaage, Wärmeschrank. – Durchführung: Zur Ermittlung der Feuchtmasse m wird die Probe gewogen. Nach der Volumenbestimmung und Trocknung der Probe bis zur Massenkonstanz im Wärmeschrank bei 105 °C wird auf die gleiche Weise die Trockenmasse md bestimmt. Die Trockenmasse md lässt sich bei bekanntem Wassergehalt w der Probe auch wie folgt errechnen: md =

m 1+ w

(3.2)

Ermittlung des Volumens des feuchten Probekörpers mit dem Probenring: – Geräte: Probenring oder Ausstechzylinder, Wärmeschrank. – Probe: feinkörnige Böden und Sande. Die Probe muss der Größe des Probenrings oder des Ausstechzylinders entsprechen (Bild 3-16). – Durchführung: Der Probenring (Ausstechzylinder) mit innenliegender Schnittkante wird senkrecht in die Probe eindrückt, bis der obere Rand des Probenrings (Ausstechzylinders) unter der Probenoberfläche sitzt (Bild 3-16). Das über den Zylinderrand reichende Probenende wird mit dem Messer abgeschnitten und die Probenoberfläche mit dem Zylinderrand eben abgeglichen. Die Feuchtmasse m des Probekörpers im Probenring (Ausstechzylinder) wird durch Wägung bestimmt. Das Innenvolumen des Probenrings (Ausstechzylinders) ist das Volumen V des Probekörpers.

3.2 Laborversuche

97

Bild 3-16 Schneiden der Probe

Ermittlung des Volumens des feuchten Probekörpers durch Tauchwägung: – Geräte: Waage, Tauchgefäß mit Tauchflüssigkeit, Draht, Tauchgefäß mit Überzugmittel aus Paraffin, Feinthermometer. – Probe: Bei festem Zusammenhalt auch unregelmäßige Form möglich. Das Volumen des Probekörpers sollte mindestens 100 cm3 betragen. – Durchführung: Nach Bestimmung der Feuchtmasse m wird die Probe in die Drahtschleife geschoben. Dann wird die Probe in das mit Paraffin gefüllte Gefäß getaucht, bis sie einen wasserdichten Überzug hat. Nach dem der Überzug erkaltet ist, wird die Probe einschließlich Überzug und Draht zur Ermittlung der Masse m1 und danach unter Wasser im Tauchgefäß zur Ermittlung der Masse m2 gewogen. Zur Messung des Wassergehaltes muss der Überzug durch Abschälen mit einem Messer entfernt werden. – Auswertung: 1 Volumen der Probe mit Überzug: V1 = (m1 − m2 ) (3.3)  FT FT ist die Dichte der Tauchflüssigkeit bei der Temperatur T. Masse des Überzugs und des Drahtes: m = m1 − m Volumen des Überzugs bei Vernachlässigung des Drahtvolumens: V2 =

(3.4) m Üz

(3.5)

Üz ist die Dichte des Überzugs aus Paraffin. Volumen des Probekörpers: V = V1 − V2

(3.6)

Ermittlung des Volumens der feuchten Probe durch Ausmessen des Probekörpers: – Geräte: Messer, Schieblehre. – Probe: mit innerem Zusammenhalt, so dass ohne Änderung der Dichte geometrisch regelmäßige Probekörper gewonnen werden können. – Durchführung: Aus der Bodenprobe wird ein Probekörper mit regelmäßiger Gestalt (z. B. Würfel, Quader, Kreiszylinder) ausgeschnitten. Das Volumen V des Probekörpers wird nach Bestimmung der Abmessungen berechnet.

3

98

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Bestimmung der Dichte der Probe: m Feuchtdichte der Probe:  = in g/cm3 V m Trockendichte der Probe:  d = d in g/cm3 V

3

(3.7) (3.8)

3.2.1.3 Versuche zur Bestimmung der Korndichte Ziel: Bestimmung der Korndichte von Böden. Versuchsarten: Die Korndichte von Böden kann nach DIN 18124 [16] mit Hilfe des Kapillarpyknometers oder mit Hilfe des Weithalspyknometers und einem Einfüllgerät bestimmt werden. Nachfolgend wird der Versuch mit Hilfe des Kapillarpyknometers vorgestellt. Prinzip: Die Trockenmasse md der Probe wird durch Wägung bestimmt. Das Volumen V k der Bodenkörner wird mit Hilfe des Kapillarpyknometers ermittelt. Daraus wird die Korndichte errechnet. Geräte: Thermometer, Wasserbad, Reibeschale, Vakuum-Exsikkator, Trockenofen, Kapillarpyknometer (Bild 3-17), Präzisionswaage, Wasserstrahlpumpe, Vorrichtung zum Kochen.

Stopfen

Bohrung

Proben: Korngrößen der Probe bis etwa 5 mm möglich. Die Masse der getrockneten Probe sollte etwa 20 g betragen. Durchführung: Die Masse des leeren Kapillarpyknometers mp einschließlich Stopfen (Bild 3Bild 3-17 Kapillarpyknometer 17) wird gewogen. Das Kapillarpyknometer einschließlich Stopfen wird mit entlüftetem, destilliertem Wasser gefüllt, in das Wasserbad gestellt und vollständig entlüftet. Anschließend wird das Kapillarpyknometer aus dem Wasserbad entnommen und die Masse des Kapillarpyknometers einschließlich Stopfen und Wasserfüllung m0 = mp + mwT1 bei der Temperatur T gewogen. mwT1 ist die Masse des Wassers im Kapillarpyknometer. Die Probe wird getrocknet und in der Porzellanschale zerkleinert. Die Masse md der getrockneten und zerkleinerten Probe wird gewogen. Die Probe wird in das getrocknete und abgekühlte Kapillarpyknometer eingefüllt und mit diesem und dem Stopfen m1 = mp + md gewogen. In das Kapillarpyknometer wird sodann bis etwa 2 cm über der Probenoberfläche destilliertes Wasser eingefüllt. Durch Kochen wird die Suspension im Kapillarpyknomter entlüftet. Nach erfolgter Abkühlung wird das Kapillarpyknometer mit entlüftetem, destilliertem Wasser aufgefüllt und in einem Wasserbad temperiert. Das mit Wasser und der Probe gefüllte Kapillarpyknometer mit Stopfen m2 = mp + md + mwT2 wird schließlich bei der Temperatur T gewogen. mwT2 ist die Masse des Wassers im Kapillarpyknometer. Auswertung: Volumen des Kapillarpyknometers: V pT =

mwT 1

 wT

=

m0 − m p

wT ist die Dichte der Wassers bei der Temperatur T.

 wT

(3.9)

3.2 Laborversuche

99

Volumen des Wassers: VwT =

mwT 2 m2 − m1 =  wT  wT

(3.10)

Volumen der Bodenkörner: Vk = V pT − VwT Korndichte:  s =

(3.11)

md in g/cm3 Vk

(3.12)

3 3.2.1.4 Versuche zur Bestimmung der Korngrößenverteilung Ziel: Bestimmung der Korngrößenverteilung. Versuchsarten: Die Korngrößenverteilung von Böden kann nach DIN 18123 [15] durch Siebung, durch Sedimentation und durch Kombination der Siebung und der Sedimentation bestimmt werden. Prinzip: Die Korngrößenverteilung grobkörniger Böden kann durch Siebung bestimmt werden, während bei feinkörnigen Böden eine Siebung nicht mehr möglich ist und daher das Prinzip der Sedimentation angewendet wird. Die Korngrößenverteilung gemischtkörniger Böden wird durch eine Kombination von Siebung und Sedimentation ermittelt. Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Siebung: – Geräte: Analysensiebe mit Maschenweiten oder Lochweiten von 0,063 mm bis 63 mm, mit Deckel und Auffanggefäß, Bottich, Waage, Trocknungsofen, etc. – Proben: Die Probenmenge sollte einen kennzeichnenden Durchschnitt des zu untersuchenden Bodens darstellen und ist dem Größtkorn anpassen. Die dem Größtkorn entsprechende Probemenge ist in Tabelle 3.7 angegeben. Tabelle 3.7

Dem Größtkorn entsprechende Probenmenge für Siebanalysen

Geschätztes Größtkorn in mm

MindestProbenmenge in g

Geschätztes Größtkorn in mm

MindestProbenmenge in g

2

150

30

4000

5

300

40

7000

10

700

50

12000

20

2000

60

18000

– Durchführung (sogenannte Nasssiebung): Die Probe wird im Trockenofen bei 105 °C bis zur Massenkonstanz getrocknet, nach Abkühlen auf 0,1 % ihrer Masse gewogen und in einem Bottich mit Wasser vermengt. Nach kräftigem Durchrühren wird die entstandene Aufschlämmung durch ein Feinsieb mit einer Maschenweite von z. B. 0,063 mm gewaschen. Nach erneuter Wasserzugabe wird der Vorgang so oft wiederholt, bis die abgegossene Flüssigkeit keine Trübung mehr zeigt. Der Siebdurchgang (Feinkorn) durch das Feinsieb wird bei 105 °C bis zur Massenkonstanz getrocknet und gewogen. Der Siebrückstand (Grobkorn) wird getrocknet und nach Abkühlen durch den aufeinander gesetzten Siebsatz gesiebt. Das Sieben kann von Hand oder mit einer Siebmaschine vorgenommen werden. Die Massen der Rückstände auf den einzelnen Sieben und in der Auffangschale werden ermittelt.

100

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

– Auswertung: Die Massen der Rückstände auf den einzelnen Sieben und in der Auffangschale werden in Prozente der Summe der Trockenmassen und diese in die entsprechenden Siebdurchgänge umgerechnet. Die Siebdurchgänge in Prozent werden in einem Diagramm zeichnerisch dargestellt (siehe Kapitel 2).

3

Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Sedimentation: – Grundlage: Unterschiedlich große Körner sinken in stehendem Wasser mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Der Zusammenhang zwischen Korngröße, Dichte und Sinkgeschwindigkeit folgt dem Gesetz von Stokes. – Geräte: Aräometer (Bild 3-18 a), Messzylinder, Wasserbad, Rührgerät, Trocknungsoffen, Präzisionswaage, Stoppuhr, Spatel etc. Da die Maße des Aräometers und der Maßzylinder vom Hersteller nicht genau eingehalten werden können, müssen die Kennwerte eines jeden Aräometers vor seiner Verwendung ermittelt werden. Die der Dichte der Suspension  entsprechende Einsenkung h in cm (Bild 4-18 b) kann mit der folgenden Gleichung errechnet werden: 1 V h = hs + h0 + (h − A ) 2 Az

mit

(3.13)

h: h0:

Höhe des Aräometers bis zum Ansatz des Stängels in cm Abstand zwischen dem Ansatz des Stängels und dem unteren Ende der Skala in cm hs: Abstand zwischen dem unteren Ende der Skala und der der Dichte  entsprechenden Ablesung in cm VA: Volumen des Aräometers in cm3 Az: Querschnittsfläche des Messzylinders in cm2.

Bild 3-18 Aräometer und Kennwertermittlung (Maße im mm)

a)

b)

3.2 Laborversuche

101

Beim Versuch wird das Aräometer am oberen Meniskusrand abgelesen. Die Skala des Aräometers gilt jedoch für den ebenen Wasserspiegel. Außerdem ist die Dichte des Wassers infolge der Zugabe eines Dispergierungsmittels etwas größer als die von destilliertem Wasser. Deshalb wird eine Meniskuskorrektur C m erforderlich, die durch Kalibrierung im Labor bestimmt werden kann (DIN 18123 [15]). – Proben: Für die Sedimentation ist eine Bodenprobe mit einer Trockenmasse von etwa 30 g bis 50 g zu verwenden. Dabei muss die erste Ablesung des Aräometers zwischen 1,02 g/cm3 und 1,03 g/cm3 liegen. Die nicht getrocknete Bodenprobe wird mechanisch fein zerkleinert, in einer Porzellanschale mit möglichst wenig entmineralisiertem Wasser mehrere Stunden lang gut durchgeweicht und mit dem Spatel zu einer gleichmäßig weichen Paste verarbeitet. Dann wird sie unter Zugabe von etwa 350 cm3 entmineralisiertem Wasser verdünnt, restlos in das Rührgefäß gespült und das Antikoagulationsmittel zugegeben. In diesem wird die Probe mindestens 30 min, bei ausgeprägt plastischen Tonen bis zu 4 h, gerührt. Anschließend wird die Probe durch das Sieb mit 0,125 mm Maschenweite gewaschen. Danach wird die Probenmenge in einen Messzylinder gefüllt und dieser mit weiterem entmineralisiertem Wasser bis auf 1000 cm3 aufgefüllt. Unmittelbar danach ist der dicht abgedeckte Messzylinder mindestens 10-mal hin und her zu kippen, bis der Boden des Messzylinders vollkommen frei von anhaftenden Bodenteilchen ist. – Durchführung: Nach dem hin und her Kippen wird der Messzylinder mit der Suspension auf den Tisch gestellt, gleichzeitig wird die Stoppuhr ausgelöst und das Aräometer in die Suspension so sorgfältig eingetaucht, dass es frei schwimmt. Nach 30 s, 1 min und 2 min liest man den Teilwert des Aräometers am oberen Rand des Meniskus ab. Danach nimmt man das Aräometer vorsichtig heraus und spült es in einem Standzylinder mit destilliertem Wasser ab und lässt es darin bis zur nächsten Ablesung schwimmen. Die weiteren Aräometerablesungen werden zweckmäßig nach 5 min, 15 min und 45 min und nach 2 h, 6 h und 24 h vorgenommen. Die Temperatur der Suspension wird in den ersten 15 Minuten einmal, später nach jeder Ablesung gemessen. Die Trockenmasse md der Probe wird nach dem Versuch durch Eindampfen, mittels Pyknometer oder durch Tauchwägung bestimmt. Bei der Ermittlung der Trockenmasse durch Eindampfen werden der Suspension einige Tropfen Salzsäure zugesetzt, um die Flockenbildung zu begünstigen und den Absetzvorgang zu beschleunigen. Die klare Flüssigkeit wird abgegossen, der Rest eingedampft und gewogen. – Auswertung: Der Durchmesser d der zur Zeit t sedimentierten Körner kann mit Gleichung (3.14) ermittelt werden.

18,35   v in mm s − w

d=

(3.14)

Die Sinkgeschwindigkeit ist hierbei:

v=

h t

in cm/s

(3.15)

3

102

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Die Absenkung h kann mit Gleichung (3.13) ermittelt werden. In Gleichung (3.13) beträgt die Höhe hs:

hs = 4142,8  (1,03 − 10−3 R) in mm

3

(3.16)

Hierbei sind: R = R + Cm: verbesserter Hilfswert in 103 g/cm3 R = ( – 1)  103: Hilfswert in 103 g/cm3 : Aräometerablesung am oberen Meniskusrand in g/cm3 Cm: Meniskuskorrekturwert, der für ein vorliegendes Aräometer durch Kalibrierung bestimmt werden kann, in der Einheit von R s: Korndichte in g/cm3 w: Dichte des Wassers in g/cm3 : Zähigkeit des Wassers in Nm/m2. Die Zähigkeit  und die Dichte w des Wassers können als Funktion der Temperatur T wie folgt ermittelt werden:

=

0,00178 1 + 0,0337  T + 0,00022  T 2

w =

1 1 + [(2,31 T − 2,0)2 − 182] 10−6

Die Temperatur T ist in °C einzusetzen. Der Massenanteil a der Körner kleiner als d bestimmt sich zu: 100 s (3.19)   ( R + CT ) in % a= md s − 1 Hierbei sind: md: Trockenmasse der Probe in g CT: Korrekturwert für den Einfluss der Temperatur, der dem Diagramm in Bild 3-19 entnommen werden kann. Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Siebung und Sedimentation: – Prinzip: Enthält eine Bodenprobe gleichzeitig nennenswerte Mengen an Körnern unter und über 0,063 mm Durchmesser, so müssen zur Bestimmung der Korngrößenverteilung der Probe die Korngrößen über 0,125 mm durch Siebung, die Korngrößen unter 0,125 mm durch Sedimentation bestimmt werden.

Bild 3-19 Korrekturwert CT für den Einfluss der Temperatur

(3.17)

(3.18)

3.2 Laborversuche

103

– Durchführung und Auswertung: Es müssen zwei Teilproben bearbeitet werden. Mit der Teilprobe A mit der Trockenmasse mdA wird eine Nasssiebung durchgeführt. Sie liefert den Massenanteil des Durchgangs a 0,125 mm Maschenweite (für die Grobanteil) betragen:

mid  100 (3.21) mdA Der Durchgang der Probe A durch das Sieb mit 0,125 mm Maschenweite darf nicht einer Sedimentation unterworfen werden, da die Probe bei 105 °C getrocknet wurde. ai =

Mit der Teilprobe B mit der Trockenmasse mdB wird eine Nasssiebung durch das Sieb mit 0,125 mm Maschenweite vorgenommen. An dem Siebdurchgang mit einer Trockenmasse md = 30 g bis 50 g wird eine Sedimentationsanalyse durchgeführt und der der Trockenmasse md der Feinanteile entsprechende Massenanteil a nach (3.19) bestimmt. Der Massenanteil a wird dann durch m 0,125

(3.22) mdA multipliziert. Damit ergibt sich der der gesamten Trockenmasse mdB entsprechende Massenanteil ai für die Feinanteile: m (3.23) ai =  0,125  a mdA 3.2.1.5 Versuche zur Bestimmung der Lagerungsdichte nichtbindiger Böden Ziel: Bestimmung der Trockendichte max d bei der dichtesten Lagerung und Bestimmung der Trockendichte min d bei der lockersten Lagerung. Prinzip: Die Trockendichte bei der lockersten Lagerung wird durch vorsichtiges Schütten einer trockenen nichtbindigen Bodenprobe in einen Versuchszylinder bestimmt. Die Trockendichte bei der dichtesten Lagerung wird durch Einrütteln der Versuchsprobe in einem Versuchszylinder ermittelt. Versuchsarten: Die Trockendichten max d und min d werden nach DIN 18126 [19] bestimmt. Zur Bestimmung der Dichte max d bei dichtester Lagerung wird die Probe je nach der Menge der Feinanteile entweder auf dem Rütteltisch oder mit der Schlaggabel eingerüttelt. Bei der Bestimmung der Dichte min d bei lockerster Lagerung wird die Probe je nach der Größe des Größtkorns und je nach Korngrößenverteilung entweder mit einem Trichter oder mit einer Kelle oder einer Handschaufel in den Versuchszylinder eingefüllt. Proben: Die Probe ist in einem Trockenofen bei 105 °C zu trocken. Jede Feuchtigkeitsaufnahme bis zum Versuchsbeginn ist zu verhindern.

3

104

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Bestimmung der Dichte max d bei dichtester Lagerung: – Versuchsmethode: Wenn die Feinkornanteile der Probe relativ klein sind, z. B. der Anteil < 0,06 mm kleiner als 15 % ist, wird die Dichte max d durch den Rütteltischversuch bestimmt. Wenn die Probe kein Feinkorn enthält, wird die Dichte max d durch den Schlaggabelversuch bestimmt. – Geräte: Rütteltischversuch: Rütteltisch (Bild 3-20), Versuchszylinder, Belastungskolben, Trichter, Kelle, Handschaufel, Waage, Trocknungsofen usw. Schlaggabelversuch: Versuchszylinder (Bild 3-21), Schlaggabel, Wasserstrahlpumpe, Kopfplatte, Trichter, Waage, Trocknungsofen etc. Auflast Zylinder

Feder Kolben Rütteltisch

Schlaggabel

Zylinder Filterpapier Filterplatte

Bild 3-20 Rütteltischverfahren zur Bestimmung der dichtesten Lagerung [56]

Bild 3-21 Schlaggabelverfahren zur Bestimmung der dichtesten Lagerung [56]

– Durchführung: Einrütteln der Probe auf dem Rütteltisch: Der Versuchszylinder wird auf dem Rütteltisch befestigt (Bild 3-20). Das Probenmaterial wird mit einem Trichter, einer Kelle oder einer Handschaufel gleichmäßig und locker in den Versuchszylinder eingefüllt und die Probenoberfläche eben abgeglichen. Der Belastungskolben mit Auflast wird in den Versuchszylinder eingeführt und die Probe durch Rütteln verdichtet. Der Abstand zwischen den Oberkanten von Versuchszylinder und Belastungskolben wird gemessen und die Probenmasse md gewogen. Der Versuch ist mindestens zweimal mit weiterem Probenmaterial zu wiederholen. Einrütteln der Probe mit der Schlaggabel: Die Filterplatte und das Filterpapier werden auf der Bodenplatte verspannt (Bild 3-21). Die Trockenmasse md der Versuchsprobe wird durch Wägung bestimmt. Etwa 1/5 der Probe wird gleichmäßig in den Versuchzylinder eingefüllt. Sodann wird Wasser in den Versuchszylinder gegossen, bis die Probe im Wasser steht. Der Boden wird durch die Schlaggabel mit vorgegebenen Schlagzahlen eingerüttelt. Anschließend wird das nächste Fünftel der Probenmasse in den Versuchzylinder gefüllt und analog verfahren, bis die gesamte Probe in den Versuchszylinder eingerüttelt ist.

3.2 Laborversuche

105

Nach Einrütteln des letzten Fünftels der Probe wird das Wasser mittels einer Wasserstrahlpumpe angesaugt. Die Kopfplatte wird auf die Oberfläche der Probe gelegt und nochmals gerüttelt. Der Abstand zwischen dem oberen Rand der Kopfplatte und dem oberen Rand des Versuchszylinders wird gemessen. Bestimmung der Dichte min d bei lockerster Lagerung: – Versuchsmethode: Bei einem Versuchszylinder mit relativ kleinem Durchmesser von < 100 mm soll dieser mit einem Trichter befüllt werden. Wenn der Boden nicht durch den Schaft des Trichters fließt oder wenn der Durchmesser des Versuchszylinders relativ groß, d. h. ≥ 150 mm ist, sollte das Probenmaterial mit der Kelle oder der Handschaufel in den Versuchszylinder eingefüllt werden. – Geräte: Versuchszylinder, Trichter, Kelle oder Handschaufel, Waage, Pinsel etc. – Durchführung: Einfüllen der Probe mit dem Trichter: Die Probe wird durch einen Trichter in den Versuchszylinder bis zu einer kegelförmigen Überschüttung eingefüllt. Danach wird die Oberfläche der Probe mit dem Stahllineal oder dem Messer vorsichtig auf dem Zylinderrand abgeglichen. Der Probenrest auf der Außenfläche des Versuchszylinders wird mit einem Pinsel entfernt und die Trockenmasse der Probe gewogen. Es sollten mindestens zwei Versuche durchgeführt werden. Einfüllen der Probe mit Kelle oder Handschaufel: Das Probenmaterial wird mittels einer Kelle oder einer Handschaufel in den Versuchszylinder eingefüllt. Dabei muss die Probe einen möglichst kleinen Winkel zur Probenoberfläche bilden. Die weitere Durchführung erfolgt analog zur Durchführung mit dem Trichter. Auswertung: – Dichteste Lagerung: Das Volumen der Probe wird aus der Querschnittsfläche A des Zylinders und der Höhe h der Probe zu V = A  h berechnet. Die Trockendichte d der gewogenen Trockenmasse md der Probe beträgt:

d =

md

(3.24)

V

Die Dichte max d bei dichtester Lagerung ist der Mittelwert der n Einzelergebnisse: n

max d =

  d ,i i =1

n

(3.25)

Aus max d werden die Porenzahl min e und die Porenanteil min n nach Tabelle 2.6 errechnet. – Lockerste Lagerung: Das Volumen der Probe Vz ist zugleich das Volumen des Versuchszylinders. Die Trockendichte d der gewogenen Trockenmasse md der Probe beträgt:

d =

md Vz

(3.26)

3

106

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Die Dichte min d bei lockerster Lagerung ist der Mittelwert der n Einzelergebnisse: n

min d =

i =1

(3.27)

n

Aus min d und max d werden die Porenzahl max e bzw. der Porenanteil max n und die Porenzahl min e bzw. der Porenanteil min n nach Tabelle 2.6 errechnet. – Abgeleitete Größen: Die Lagerungsdichte D und die bezogene Lagerungsdichte ID können nach Gleichung (2.16) bzw. Gleichung (2.17) errechnet werden. 3.2.1.6 Versuche zur Bestimmung der Zustandsgrenzen Ziel: Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze Versuchsarten: Die Fließgrenze wL und die Ausrollgrenze wP bindiger Böden werden nach DIN 18122-1 [14] mit dem Fließgrenzengerät nach A. Casagrande bzw. nach dem Ausrollverfahren bestimmt. Alternativ können die Fließ- und Ausrollgrenze auch mit dem Kegelfallgerät mittels eines einzigen Versuches ermittelt werden. Proben: 200 bis 300 g des feuchten Bodens ohne Körner mit einem Durchmesser über 0,4 mm. Die nicht getrocknete Probe wird in einer Porzellanschale mit destilliertem Wasser gut durchgeweicht und danach auf einer Glasplatte mit einem Spachtel zu einer Paste aufbereitet. Bestimmung der Fließgrenze mit dem Fließgrenzengerät nach Casagrande: – Geräte: Fließgrenzengerät nach A. Casagrande mit Furchenzieher (Bild 3-22), Werkzeug zum Aufbereiten, Porzellanschale, Waage, Spatel, Wärmeschrank, Exsikkator. – Durchführung: Die Schale des Fließgrenzengerätes wird mit der aufbereiteten Bodenprobe gefüllt und die Oberfläche mit dem Spatel auf eine größte Dicke von 10 mm glatt gestrichen (siehe Bild 3-23). Mit dem Furchenzieher wird senkrecht zur Nockenwelle eine Furche, die bis auf den Grund der Schale reicht, gezogen.

Ansicht

46

Oberfläche der Füllung

10

Schnitt 8

46,

50

Hartgummi

60

4

Messingschale

R= 5

3

  d ,i

Begrenzung der Füllung

Gummifüße 8 2

10 30° 30°

10

Oberfläche der Füllung

Furchenzieher

Bild 3-22 Fließgrenzengerät nach A. Casagrande [56]

Bild 3-23 Eingefüllter Boden in der Schale des Fließgrenzengerätes

3.2 Laborversuche

107

Die gefüllte Schale wird in das Schlaggerät eingehängt. Durch Drehen der Handkurbel wird die Schale dann so oft angehoben und wieder fallengelassen, bis sich die Furche am Boden der Schale auf eine Länge von 10 mm geschlossen hat. Die Anzahl der dazu erforderlichen Schläge wird festgestellt. Aus der Schalenmitte wird eine Probe von etwa 5 cm3 zur Wassergehaltsbestimmung entnommen. 0,40 Mindestens 4 Versuche mit verschiedenen Wassergehalten werden zur Bestimmung der Fließgrenze w entsprechenden Schlagzahlen und Wasser0,35 gehalte durchgeführt. Die Schlagzahlen, bei denen sich die Fuge schließt, sollen hierbei teilweise über und teilweise unter 25 liegen. 0,30 Versuche, die mehr als 40 oder weniger als 15 Schläge ergeben, werden nicht gewertet. - Auswertung: Die aus diesen Versuchen 0,25 ermittelten Wassergehalte werden nach 15 20 30 40 25 Schlagzahl N Bild 3-24 über den Schlagzahlen aufgetragen. Die Messpunkte liegen bei sorgfältiger Bild 3-24 Bestimmung der Fließgrenze aus 4 Einzelversuchen Versuchsdurchführung annähernd auf einer Geraden. Auf der Geraden wird für die Schlagzahl 25 der Wassergehalt abgegriffen. Dieser Wassergehalt ist als die Fließgrenze wL definiert. Bestimmung der Ausrollgrenze durch Ausrollen: – Geräte: nichtmetallische, abriebfeste, ebene Arbeitsplatte; wasseraufsaugende Unterlage (z. B. Filterpapier), Uhrglasschalen, Trockenschrank. – Durchführung und Auswertung: Von der aufbereiteten Probe wird ein Teil auf einer wasseraufsaugenden, nicht fasernden Unterlage zu 3 mm dicken Walzen ausgerollt. Dann wird die Teilprobe so lange wieder zusammengeknetet und neu ausgerollt, bis sie bei 3 mm Dicke zu zerbröckeln beginnt. Um Verdunstung zu vermeiden, müssen die Krümel zur Bestimmung des Wassergehaltes sofort in Uhrglasschalen eingeschlossen werden. Die Wassergehaltsbestimmung ist an einer Probe von etwa 5 g durchzuführen. Wassergehalt w

L

Der Versuch ist mindestens zweimal durchzuführen. Aus den Wassergehalten von mindestens 2 Proben, die nicht mehr als w = 0,02 = 2 % voneinander abweichen, wird das Mittel gebildet. Dieser Mittelwert ist die Ausrollgrenze wP. Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze mit dem Kegelfallgerät: – Geräte: Kegelfallgerät mit Kegel 76g/30° (Bild 3-25), Werkzeug zum Aufbereiten, Waage, Spatel, Trockenschrank. – Durchführung: Es werden drei Proben mit unterschiedlichen Wassergehalten, die etwa der Fließgrenze, der Ausrollgrenze und dem Mittelwert der beiden entsprechen, aufbereitet. Das Gerät wird waagrecht ausgerichtet (Bild 3-25). Eine homogen aufbereitete Probe mit einem der 3 oben genannten Wassergehalte wird in den Probenring dicht und gasblasenfrei eingefüllt. Die Oberfläche der Probe wird abgeglichen. Die Kegelspitze wird mit Schmiermittel behandelt und der Kegel senkrecht angehängt. Die Höhe der Probenplatte wird nach oben verschoben, bis die Kegelspitze die Oberfläche der Probe berührt. Im Moment der Berührung zwischen Kegelspitze und Probenoberfläche fällt der Kegel. Nach 5 Sekunden wird die Eindringtiefe h1 der Kegelspitze in der Probe auf dem Display

3

108

abgelesen. Sodann wird die Probe aus dem Probenring zur Bestimmung des Wassergehaltes w1 entnommen. Mit den anderen beiden Proben wird der Versuch wiederholt und die Eindringtiefen h2 und h3 sowie die entsprechenden Wassergehalte w2 und w3 bestimmt. – Auswertung: Die aus den Versuchen ermittelten Eindringtiefen h werden nach Bild 3-26 über den Wassergehalten w aufgetragen und die Geraden I und II durch diese Punkte gelegt. Die Differenz w des Wassergehaltes bei h = 2 mm muss keiner als 2 % sein, ansonsten sind die Versuche zu wiederholen. Auf der Geraden III, welche die Winkelhalbierende von I und II darstellt, wird für die Eindringtiefe h = 17 mm die Fließgrenze wL abgegriffen und für die Eindringtiefe h = 2 mm die Ausrollgrenze wP. 100

1: Schalter

2 1

3

2: Display

4 5

3: Kegel

6

5: Probenplatte

h (mm)

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

(w1, h1)

17 10 w 110–7 m/s, kann das ausfließende Wasservolumen durch einen Messzylinder gemessen werden (Bild 3-28).

Bild 3-29 Durchlässigkeitsgerät für hohe Wasserdruckdifferenzen

Sobald das ein- und ausfließende Wasservolumen pro Zeiteinheit gleich sind, wird der Durchlässigkeitsbeiwert bestimmt. Für die Berechnung des Durchlässigkeitsbeiwertes muss berücksichtigt werden, dass sich das hydraulische Gefälle im Versuchszeitintervall ändert.

3

112

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Zur Bestimmung der Beziehung zwischen der Filtergeschwindigkeit v und dem hydraulischen Gradienten i werden Versuche mit unterschiedlichen Wasserdruckdifferenzen durchgeführt.

3

Auswertung: – Versuch mit konstantem hydraulischen Gefälle Der hydraulische Gradient i beträgt: h i= l

(3.28)

Dabei sind: h: der hydraulische Höhenunterschied in m l: die durchströmte Länge in m. Die dem hydraulischen Gradienten i entsprechende Filtergeschwindigkeit v in der Fließrichtung ist

v=

Q A

Dabei sind: Q: der Durchfluss in m3/s A: die Querschnittfläche der Probe in m2. Der Durchlässigkeitsbeiwert ergibt sich aus den Gleichungen (3.28) und (3.29) zu Ql k= Ah

(3.29)

(3.30)

– Versuch mit veränderlichem hydraulischen Gefälle Der Durchlässigkeitsbeiwert k errechnet sich bei den Versuchen nach Bild 3-27 und Bild 3-29 zu a l h (3.31) k = 0 ln 1 A  t h2 Dabei sind: a: die Querschnittfläche des Standrohrs in m2 l0: die Höhe der Probe in m A: die Querschnittfläche der Probe in m2 t: die Zeitpanne ab Durchströmungsbeginn in s h1: die Wasserspiegelhöhe zu Beginn der Messung in m h2: die Wasserspiegelhöhe zum Zeitpunkt t in m. 3.2.2.2 Einaxialer Druckversuch Ziel: Der einaxiale Druckversuch dient der Bestimmung der einaxialen Druckfestigkeit q u und ggf. auch der Bestimmung des einaxialen Druckmoduls E u. Prinzip: Es wird eine gesättigte oder teilgesättigte, zylindrische oder prismatische Probe in axialer Richtung gestaucht. Der maximal aufnehmbare axiale Druck im kN/m2 ist die einaxiale Druckfestigkeit qu. Der einaxiale Druckversuch ist in DIN 18136 [24] geregelt. Versuchsarten: Der einaxiale Druckversuch kann in einem eigenen Versuchsstand oder in einem Triaxialgerät durchgeführt werden. Die Probe kann entweder weggesteuert mit kon-

3.2 Laborversuche

113

stanter axialer Stauchungsgeschwindigkeit oder lastgesteuert durch einen stufenweise erhöhten axialen Druck belastet werden. Im Folgenden wird der weggesteuerte Versuch behandelt. Proben: Die Proben können ungestört sein oder aus gestörtem Material hergestellt werden. Die Höhe der Probe sollte das 2- bis 2,5-fache des Durchmessers bzw. der Kantenlänge betragen. Der Durchmesser bzw. die Kantenlänge der Probe sollte mindestens das 6-fache des Größtkorndurchmessers betragen. Bei feinkörnigen Böden werden in der Regel zylindrische Proben mit 36 mm Durchmesser verwendet. Versuchsgerät: Einachsiale Werkstoffprüfmaschine oder Triaxialgerät, Vorrichtung mit Drehscheibe und Drahtsäge oder Stahllineal mit Schneide zur Herstellung der Probekörper, Schneidevorrichtung, Ausstechvorrichtung. Durchführung: Vor dem Einbau der Probe werden die Abmessungen der Probe festgestellt. Die Probe wird zentrisch in die Prüfmaschine eingebaut und durch axiale Verschiebung mit einer Verformungsgeschwindigkeit von in der Regel 1 % der Anfangshöhe der Probe belastet. Dabei werden die Änderung der Probehöhe h und die axiale Prüfkraft F zeitabhängig gemessen. Der einaxiale Druckversuch ist beendet, wenn der Bruch eingetreten ist, d. h. wenn das Maximum der Axialkraft erreicht ist oder die Stauchung  > 20 % beträgt. Auswertung: Die Stauchung  der Probe errechnet sich aus der Anfangshöhe der Probe h a und der Änderung der Probenhöhe h unter der Prüfkraft F:

=

h ha

(3.32)

Die maßgebliche Querschnittsfläche A errechnet sich aus der Anfangsquerschnittsfläche Aa und der Änderung der Probehöhe h, ausgedrückt durch die vertikale Stauchung :

A=

Aa 1− 

(3.33)

Die einaxiale Druckspannung  ergibt sich zu

=

F A

(3.34)

Die Beziehung zwischen  und  ergibt das Druck-Stauchungsdiagramm (Bild 3-30). Die maximale Druckspannung max  ist als einaxiale Druckfestigkeit qu wie folgt definiert: qu = max 

(3.35)

Wenn bis zu einer Stauchung von  = 20 % kein Extremwert erreicht wurde, so wird die einaxiale Druckspannung 0,2 bei  = 20 % als einaxiale Druckfestigkeit qu festgelegt: qu =  0,2

(3.36)

Die maximale Tangenteneigung der Druck-Stauchungslinie durch den Wendepunkt ist als einaxialer Druckmodul

Eu = max

d d

festgelegt (Bild 3-30).

(3.37)

3

114

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Bild 3-30 Druck-Stauchungsdiagramm

3

3.2.2.3 Proctorversuch Ziel: Bestimmung der Proctorkurve, nämlich der Beziehung zwischen der Trockendichte d und dem Wassergehalt w für eine konstante Verdichtungsarbeit. Aus der Proctorkurve können die Proctordichte Pr und der optimale Wassergehalt wPr bestimmt werden. Prinzip: Bei einem Proctorversuch wird die Bodenprobe in einem Versuchszylinder durch ein Fallgewicht mit einer bestimmten Verdichtungsarbeit verdichtet. Der Versuch besteht aus mindestens 5 Einzelversuchen, bei denen der Wassergehalt der Bodenproben jeweils unterschiedlich ist. Als Ergebnis erhält man die Beziehung zwischen der Trockendichte d und dem Wassergehalt w, aus der sich die Proctordichte Pr und der optimale Wassergehalt wPr bestimmen lassen. Der Proctorversuch ist in DIN 18127 [20] geregelt. Versuchsgerät: Versuchszylinder mit Aufsatzring (Bild 3-31), Verdichtungsgerät (Bild 3-31), Geräte zur Bestimmung des Wassergehalts (siehe Abschnitt 3.2.1.1) und Geräte zur Bestimmung der Bodendichte (siehe Abschnitt 3.2.1.2). Abhängig vom Fallgewicht und den Fallhöhen h2 des Verdichtungsgerätes ändern sich die Höhe h1 und der Durchmesser d1 des Versuchszylinders. Proben: Die erforderliche Mindestprobenmenge ist vom Größtkorn des zu untersuchenden Bodens und der hiernach auszuwählenden Größe des Versuchszylinders abhängig. Je größer das Größtkorn, desto größer ist der erforderliche Versuchszylinder. Durchführung: – Probenvorbreitung: Bei grobkörnigen Böden ohne plastische Eigenschaften wird die Bodenprobe im Trockenschrank bei 105 °C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Bei Böden mit plastischen Eigenschaften liegt die Temperatur bei < 60 °C. Bei grobkörnigen und gemischtkörnigen Böden wird das Überkorn mit Korngrößen ≥ 31,5 mm bzw. ≥ 63 mm nach dem Trocknen abgetrennt und der Überkornanteil durch Nasssiebung bestimmt. Beim ersten Einzelversuch sollte die Bodenprobe einen Wassergehalt aufweisen, der weit unter dem geschätzten optimalen Wassergehalt liegt. Bei den weiteren Einzelversuchen sollte der Wassergehalt jeweils um etwa w = 2 % bis 3 % erhöht werden. Vor Beginn jedes Einzelversuchs muss die Bodenprobe gleichmäßig durchfeuchtet sein.

3.2 Laborversuche

115

2,18 g/cm3

d für na

2,15

= 0,12

Pr

2,10

,0 für

wPr

s = 2

Trockendichte 

3

Sr = 1

d1

m3 ,67 g/c

2,05

2,02 0

a) Versuchszylinder

b) Verdichtungsgerät

Bild 3-31 Proctorgerät

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

0,12

Wassergehalt w

Bild 3-32 Proctorkurve

– Bestimmung der Feuchtdichte : Der Versuchszylinder wird mit Grundplatte und Aufsatzring auf eine feste Unterlage gestellt und fixiert. Die Bodenprobe wird in drei Schichten gleicher Dicke mit einer Schaufel in den Versuchszylinder eingefüllt. Jeweils nach Einbau einer Schicht wird sie mit vorgegebenen Werten für Fallgewicht, Fallhöhe und Schlagzahl gleichmäßig verdichtet. Wenn die drei Schichten verdichtet sind, wird der Aufsatzring vorsichtig abgenommen. Die Oberfläche der Probe wird mit einem Stahllineal oder Messer genau auf die Höhe des Zylinders eben abgeglichen. Anschließend wird der Versuchszylinder mit Inhalt gewogen. Auswertung: Für jeden Einzelversuch wird aus der ermittelten Feuchtmasse m und der Trockenmasse m d der Wassergehalt w=

m − md md

(3.38)

berechnet. Für jeden Einzelversuch werden aus der gesamten Feuchtmasse m der Probe im Versuchszylinder und dem Volumen V des Versuchszylinders bzw. der Bodenprobe die Feuchtdichte

=

m in g/cm3 V

(3.39)

und mit dem Wassergehalt w die Trockendichte

d =

 in g/cm3 1− w

(3.40)

ermittelt. Bei Bodenproben mit Überkorn müssen der Wassergehalt w und die Trockendichte d noch korrigiert werden.

116

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Die Proctorkurve, also die Beziehung zwischen der Trockendichte d und dem zugehörigen Wassergehalt w, ist in Bild 3-32 dargestellt. Aus der Proctorkurve wird die Proctordichte Pr bestimmt. Sie ist der Maximalwert der Proctorkurve, also die mit der vorgegebenen Verdichtungsenergie maximal erzielbare Trockendichte max d. Der zugehörige Wassergehalt ist der optimale Wassergehalt wPr bzw. wopt. Die Sättigungskurve für den Sättigungsgrad Sr = 1,0 und die Kurve für den konstanten Porenanteil na = 0,12 in Bild 3-32 werden analytisch aus den Gleichungen (2.29) und (2.30) ermittelt.

3

Der Verdichtungsgrad ergibt sich zu DPr = d/Pr. Da Pr lediglich für eine vorgegebene Verdichtungsenergie einen Maximalwert darstellt, sind in situ auch Verdichtungsgrade größer als 100 % möglich. 3.2.2.4 Eindimensionaler Kompressionsversuch Ziel: Ermittlung der eindimensionalen Kompressionseigenschaften von Böden, Bestimmung der Kompressionsparameter, z. B. Steifemodul Es, Kompressionsbeiwert Cc, Schwellbeiwert Cs, Vorkonsolidationsspannung, Untersuchungen zum Konsolidationsverhalten von Böden. Prinzip: Die Probe wird in einem Probenring eingebaut. Durch eine Belastungsvorrichtung wird die Probe in vertikaler Richtung ohne seitliche Verformungen komprimiert. Während der Kompression wird die Änderung der Probenhöhe infolge der vertikalen Belastung gemessen. Ergebnisse sind die Kompressionskurve sowie die zeitabhängigen Verformungseigenschaften der Probe. Daraus werden die Kompressionsparameter bestimmt. Versuchsarten: Der Kompressionsversuch kann weg- oder lastgesteuert gefahren werden. Nachfolgend wird der häufiger vorkommende lastgesteuerte Kompressionsversuch mit stufenweiser Belastung behandelt. Der Kompressionsversuch mit stufenweiser Belastung ist in DIN 18135 [23] geregelt. Versuchsgerät: – Belastungsvorrichtung: Beim lastgesteuerten Kompressionsversuch ist die vertikale Last steuerbar, z. B. stufenweise konstant. Beim weggesteuerten Kompressionsversuch ist die vertikale Verformung der Probe steuerbar, d. h. die vertikale Verformungsgeschwindigkeit ist konstant. – Kompressionsapparat: Der Kompressionsapparat besteht hauptsächlich aus Fußplatte, Filterplatte, Probenring und Belastungsstempel (Bild 3-33). Der Probenring kann im Allgemeinen feststehend (RF) oder schwebend (RS) ausgeführt sein, während beim weggesteuerten Kompressionsversuch der Probenring feststehend sein muss. – Messgeräte, Hilfsgeräte usw.: Die vertikale Kraft P wird durch einen Druckaufnehmer bzw. eine Kraftmessdose gesteuert bzw. gemessen. Entsprechend wird die vertikale Verschiebung des Belastungsstempels durch einen Wegaufnehmer gesteuert bzw. gemessen. Proben und Probenherstellung: Der Maximalkorndurchmesser der Bodenprobe sollte bei gleichförmigen Böden kleiner als 1/10 und bei ungleichförmigen Böden kleiner als 1/5 der Probehöhe sein. Die Probe vor dem Einbau kann entweder ungestört sein oder es wird eine nach gewünschter Dichte und ggf. nach gewünschtem Wassergehalt aufbereitete Probe getestet. Bei der Aufbereitung einer bindigen Bodenprobe sollte die Probe mit einem Wassergehalt oberhalb der Fließgrenze (w > wL) in ein Gefäß oder einen Ring mit großem Durchmesser einfüllt und dann bis zur gewünschten Dichte vorbelastet werden.

3.2 Laborversuche

8 2

4

117

FF

7 6 5

7 6

3

8 5 4 2

3

2 a) schwebender Ring (RS)

1

1: Probe 2: Filterplatte 3: Probenring 4: Belastungsstempel 5: Führung 6: Druckaufnehmer 7: Wegaufnehmer 8: Plexiglaszylinder

Bild 3-33 Kompressionsapparat

1 2 b) feststehender Ring (RF)

Die Probe wird beim Zuschneiden entweder unmittelbar in den Ring des Kompressionsapparats eingearbeitet und zusammen mit diesem in das Kompressionsgerät eingesetzt oder zunächst in einen Ausschneidring eingearbeitet und dann aus diesem in den Ring des Kompressionsapparats eingedrückt. Unmittelbar nach der Herstellung des Probekörpers ist dieser gemeinsam mit dem Ring zu wiegen. Nach Abzug der Ringmasse ergibt sich die Feuchtmasse m der Probe. Aus dem Probevolumen (Ringinnenfläche A  Ringhöhe) und der Feuchtmasse wird die Feuchtdichte  des Probekörpers berechnet. Nach Versuchsende werden die Trockenmasse der Probe und daraus der Anfangs- und Endwassergehalt bestimmt. Durchführung: – Vorbereitung: Die Versuchseinrichtung muss kalibriert werden. Nach dem Einbau der Probe in den Kompressionsversuchstand werden das Filterpapier und der Belastungsstempel mit Filterplatte aufgelegt und der Wegaufnehmer und die Messgeräte eingerichtet. Unter dem Eigengewicht des Belastungsstempels kann Wasser in den Plexiglaszylinder zugegeben werden. – Belastung: Beim lastgesteuerten, stufenweisen Kompressionsversuch wird die Probe in vertikaler Richtung stufenweise belastet und ggf. entlastet. Die Abfolge der Be- und Entlastung hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Bei Standardversuchen wird die Last bei jeder Lasterhöhung verdoppelt und bei Entlastung auf jeweils 1/4 reduziert. Bei jeder Laststufe ist zumindest das Abklingen der Primärkonsolidation abzuwarten. Ohne Überprüfung des Konsolidationsverhaltens können 24 h als Belastungsdauer in jeder Laststufe gewählt werden. Zur Untersuchung der Sekundärkonsolidation sollte die Belastungsdauer verlängert werden. Bei lastgesteuerten Kompressionsversuchen wird die Änderung der totalen vertikalen Kompressionsspannung durch den Druckaufnehmer gesteuert. Bei weggesteuerten Kompressionsversuchen wird die Probe durch die Verschiebung des Belastungsstempels mit konstanter Verschiebungsgeschwindigkeit komprimiert, wobei die vertikale Spannung durch eine Kraftmessdose gemessen wird. Soll auch das Zeit-Zusammendrückungs-Verhalten untersucht werden, so wird nach der Lastaufbringung die Zusammendrückung über die Zeit abgelesen und protokolliert. – Probenausbau: Nach Abschluss des Versuchs ist die Trockenmasse md der Probe zu bestimmen. Zur Versuchskontrolle ist auch der Ausbauwassergehalt zu ermitteln.

3

118

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Auswertung der Ergebnisse des stufenweisen Kompressionsversuchs: – Kompressionskurve: Die effektive vertikale Spannung z wird aus der gemessenen vertikalen Kraft F bezogen auf die Probenquerschnittsfläche A berechnet:

F A Die vertikale Stauchung z ergibt sich zu: s z = h0

 z =

3

(3.41)

(3.42)

Dabei sind: s die gemessene Zusammendrückung der Probe unter der vertikalen Spannung z h0 die Ausgangshöhe der Probe. Die zu der effektiven vertikalen Spannung z und der vertikalen Stauchung z gehörende Porenzahl e beträgt e = e0 −

s (1 + e0 ) . h0

(3.43)

Die Anfangsporenzahl e0 ergibt sich hierbei zu

e0 =

s −1 . d ,0

Die Anfangstrockendichte d,0 wird erhalten zu m d ,0 = d . A  h0

(3.44)

(3.45)

Dabei sind: s die Korndichte der Bodenprobe md die Trockenmasse der Probe. Die Kompressionskurve kann als Druck-Stauchungs-Diagramm oder als Beziehung zwischen Porenzahl e und effektiver vertikaler Spannung z, aufgetragen werden und ist in Bild 2-22 bzw. Bild 2-23 dargestellt. – Zeit-Zusammendrückungs-Verläufe: Die in den einzelnen Belastungsstufen gemessenen Zeit-Zusammendrückungs-Verläufe können gemäß Bild 2-24 dargestellt werden. – Ermittlung von Kennwerten: Aus den Inkrementen z und z der effektiven vertikale Spannung bzw. der vertikalen Stauchung in Bild 2-22 wird der Steifemodul Es für Belastung oder Entlastung nach Gleichung (2.33) berechnet. Aus den Inkrementen log(z1) – log(z) = log(z1/z) und e = e1 – e der effektiven vertikalen Spannung bzw. der Porenzahl für Erstbelastung in Bild 2-23 ergibt sich der Kompressionsbeiwert Cc nach Gleichung (2.34). Die Inkremente log(zc/zb) und e = ec – eb der effektiven vertikalen Spannung bzw. der Porenzahl in Bild 2-23 ergeben den Schwellbeiwert Cs für Entlastung oder Wiederbelastung auf der Grundlage von Gleichung (2.35).

3.2 Laborversuche

119

Die Überkonsolidierungsspannung bzw. der Vorkonsolidierungsdruck ergibt sich nach CASAGRANDE entsprechend der Darstellung in Bild 2-26. Der Kriechbeiwert C wird aus den Zeit-Zusammendrückungs-Verläufen gemäß Bild 2-24 bzw. Gleichung (2.40) ermittelt. Aus den Zeit-Zusammendrückungs-Verläufen ergibt sich der Konsolidationsbeiwert c v nach Gleichung (4.83) oder (4.84).

3

3.2.2.5 Rahmenscherversuch Ziel: Bestimmung der Scherfestigkeit, insbesondere der Scherparameter von Böden, z. B. des Reibungswinkels  und der Kohäsion c. Prinzip: Bei einem Rahmenscherversuch wird der Probekörper in zwei übereinander liegende starre Rahmen eingebracht und konsolidiert. Durch Verschiebung der Rahmen wird der Probekörper abgeschert und dabei der Scherwiderstand in Abhängigkeit vom Scherweg gemessen. Mindestens drei Proben werden unter unterschiedlichen vertikalen Lasten konsolidiert und abgeschert. Aus den Messergebnissen werden die Scherparameter bestimmt. Versuchsarten: Wenn die Probe nach der Konsolidation unter drainierten Bedingungen langsam abgeschert wird, liegt ein „konsolidierter, drainierter Rahmenscherversuch“ vor. Schnelles Abscheren nach der Konsolidation unter undrainierten Bedingungen führt zu einem „konsolidierten, undrainierten Rahmenscherversuch“. Nachfolgend wird im Wesentlichen auf den konsolidierten, drainierten Rahmenscherversuch eingegangen. Er ist in DIN 18137-3 [26] geregelt. Versuchsgerät: Ein Rahmenschergerät besteht aus Belastungsvorrichtung, Scherzelle (Bild 3-34) und Messgeräten. Es können vertikale Belastungen und Schubbelastungen aufgebracht werden. Letztere werden durch horizontale Verschiebung des unteren Rahmens mit einer konstanten Verschiebungsgeschwindigkeit v erzeugt. Die Scherzelle besteht hauptsächlich aus einer Lagerplatte mit horizontaler Führung, zwei Rahmen mit quadratischem oder rundem Innengrundriss, zwei Filterplatten, einem Belastungsstempel für vertikale Belastung und einem Wasserkasten. Die Messgeräte sind eine Kraftmessdose für die Scherkraft T, ein Wegaufnehmer für die vertikale Verformung und ein Wegaufnehmer für die horizontale Scherverformung s. N

7

5

4

12

T

10 11

8 s

v, T 9 6

Bild 3-34 Scherzelle

3

2

1

12

1: Probe 2: Filterplatte 3: unterer Rahmen 4: oberer Rahmen 5: Belastungsstempel 6: Lagerplatte 7: vertikaler Wegaufnehmer 8: horizontaler Wegaufnehmer 9: Vorschub v und Scherkraft T 10: Wasserkasten 11: Widerlager der Scherkraft T 12: Dränagebohrungen

120

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Proben und Probenherstellung: Die Bodenproben können ungestört oder aufbereitet wassergesättigt, teilgesättigt oder trocken sein. Die Querschnitte der Proben sind dem Innengrundriss des Scherrahmens entsprechend quadratisch oder rund. Bei ungestörten bindigen Proben werden die Probekörper mit einem Ausschneidering ausgestochen und dann in den Rahmen der Scherzelle eingedrückt. Bei nichtbindigen und aufbereiteten bindigen Proben dürfen die Probekörper mit der angestrebten Dichte und dem angestrebten Wassergehalt unmittelbar im Scherrahmen hergestellt werden. Vor dem Einbau sind der Wassergehalt und die Einbaumasse zu bestimmen. Durchführung: – Konsolidation: Bei bindigen Böden werden im Allgemeinen alle drei Proben unter der Normalspannung v konsolidiert, welcher der Boden während seiner geologischen Genese maximal ausgesetzt war. Davon ausgehend werden die Normalspannungen  reduziert oder gesteigert, so dass der relevante Spannungsbereich für die jeweilige Aufgabenstellung abgedeckt wird. Die Normalspannungen  werden mindestens bis zum Ende der primären Konsolidation bzw. des primären Schwellens aufrecht erhalten. Bei nichtbindigen Böden werden zur Bestimmung der Scherfestigkeit in Abhängigkeit von der Spannung bei gleicher Anfangsporenzahl verschiedene Werte von  gewählt, die den Spannungsbereich der praktischen Anwendung abdecken. Zur Bestimmung der Scherfestigkeit in Abhängigkeit von der Porenzahl wird die Normalspannung  bei allen Probekörpern gleich der größten effektiven Spannung im Rahmen der praktischen Anwendung gewählt. – Abscheren: Die Scherkraft wird durch kontinuierlichen Vorschub mit konstanter Geschwindigkeit unter gleichzeitiger Messung der Scherkraft T, des Scherweges s und der Höhenänderung des Probekörpers aufgebracht. Beim „konsolidierten, drainierten Scherversuch“ muss die Schergeschwindigkeit so klein sein, dass beim Abscheren kein Porenwasserdruck entsteht. Dagegen muss beim „konsolidierten, undrainierten Scherversuch“ die Schergeschwindigkeit so groß sein, dass beim Abscheren die Probe so wenig wie möglich entwässert wird. Zur Bestimmung der Scherfestigkeit wird der Abschervorgang so lange fortgesetzt, bis der Größtwert des Scherwiderstandes deutlich überschritten ist. Zur Bestimmung der Restscherfestigkeit im drainierten Versuch wird die Probe durch Umkehr der Scherrichtung zyklisch so oft abgeschert, bis zwischen zwei aufeinander folgenden Abschervorgängen kein weiterer Abfall des Scherwiderstands mehr festzustellen ist. Auswertung der Versuchsergebnisse für den konsolidierten, drainierten Rahmenscherversuch: Aus der aufgebrachten senkrechten Kraft N und dem Anfangswert A0 der Scherfläche kann die effektive Normalspannung  näherungsweise berechnet werden:

 =

N A0

(3.46)

Die Schubspannung  wird aus der gemessenen Scherkraft T und der Scherfläche A0 näherungsweise ermittelt:

=

T A0

(3.47)

3.2 Laborversuche

121

Die aus Gleichung (3.47) erhaltene Schubspannung  wird über dem Scherweg s gemäß Bild 2-27 aufgetragen. Auf diese Weise können die Peak-Scherfestigkeit f und ggf. auch die Restscherfestigkeit r bestimmt werden. Zur Bestimmung der Scherparameter werden f und ggf. r über der Normalspannung gemäß Bild 2-33 aufgetragen und der Reibungswinkel , die Kohäsion c und ggf. der Restreibungswinkel r ermittelt. Für teilgesättigte und trockene Böden ist die effektive Normalspannung  durch die totale Normalspannung  zu ersetzten. Zur Ermittlung der Abhängigkeit der Scherfestigkeit f von der Anfangsporenzahl e nichtbindiger Böden werden die Versuchsergebnisse in ein f-e-Diagramm übertragen (Bild 3-35). Aus diesem kann die Scherfestigkeit fn für eine Porenzahl en, die in situ zu erwarten ist, abgelesen werden. Unter der Annahme, dass c = 0 ist, ergeben sich mit fn und der Normalspannung , unter der abgeschert wurde, die Schergrade und somit der Reibungswinkel  für die Anfangsporenzahl en. f

f f1 f2 f3 f4

 e1

e3

e2

e4

e





en

Bild 3-35 Scherspannungs-Porenzahl-Diagramm und Schergerade für vorgegebene Anfangsporenzahl en

3.2.2.6 Triaxialversuche Ziel: Hauptziele von Triaxialversuchen sind Untersuchungen zu den Festigkeitseigenschaften und die Bestimmung der Scherparameter von Böden. Die Verformungseigenschaften von Böden können ebenfalls ermittelt werden. Versuchsarten: Wenn bei einem Triaxialversuch die drei Hauptspannungen 1, 2 und 3 voneinander verschieden und steuerbar (weggesteuert oder druckgesteuert) sind, wird der Triaxialversuch auch Real-Dreiaxialversuch oder Triaxialversuch mit 2 ≠ 3 genannt. Ein Triaxialversuch mit zylindrischer Probe verbunden mit der Randbedingung, dass die Hauptspannung 2 stets gleich der Hauptspannung 3 ist, heißt zylindrischer Triaxialversuch oder auch einfach Triaxialversuch. Je nach unterschiedlichen Konsolidations- und Drainagebedingungen können im Labor drei unterschiedliche Triaxialversuche durchgeführt werden. Wenn bei einem Triaxialversuch die Probe zunächst konsolidiert und dann bei offener Drainage ohne Porenwasserüberdruck abgeschert wird, liegt ein drainierter Triaxialversuch oder D-Versuch vor. Wird die Probe konsolidiert, aber bei geschlossener Drainage abgeschert, spricht man von einem konsolidierten, undrainierten Triaxialversuch oder CU-Versuch. Der unkonsolidierte, undrainierte Triaxialversuch oder UU-Versuch liegt vor, wenn eine vorkonsolidierte Probe bei geschlossener

3

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3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Drainage belastet und ohne Drainage abgeschert wird. Das Abscheren kann weggesteuert oder kraftgesteuert erfolgen. Nachfolgend wird vorwiegend auf weggesteuerte Versuche eingegangen. Triaxialversuche sind in DIN 18137-2 [25] geregelt.

3

Versuchsgerät: Ein Triaxialversuchsstand besteht hauptsächlich aus einem Belastungssystem (3, 4 und 5), einem Messsystem (6, 7, 8, 9 und 10) und einer Druckzelle 2 (Bild 3-36). Das Belastungssystem besteht aus einem Druckerzeuger für den Zelldruck, einem Druckerzeuger für den Sättigungsdruck und einer axialen Vorschubeinrichtung für die Aufbringung des axialen Drucks. Das Messsystem umfasst Messungen des Porenwasserdrucks, der axialen Kraft, des Zelldrucks, des Sättigungsdrucks, der Volumenänderung der Probe sowie der axialen Verformung. Die Druckzelle besteht aus einem Zylinder, zwei Filterplatten, einem Belastungsstempel und der eingebauten Probe mit Gummihülle (Bild 3-37).

Bild 3-36 Schema eines Triaxialgerätes [25]

Bild 3-37 Schema der Druckzelle [25]

3.2 Laborversuche

Prinzip: Bei einem Triaxialversuch wird in der ersten Phase des Versuchs eine zylindrische Probe mit einer Gummihülle in der radialen Richtung durch die Hauptspannungen 2 = 3 und in der vertikalen Richtung durch die Hauptspannung 1 = 3 belastet und ggf. konsolidiert. Sodann wird die Probe bei konstantem Zelldruck 3 durch die Verschiebung des Belastungsstempels in vertikaler Richtung und die damit verbundene Erhöhung der Hauptspannung 1 abgeschert. Beim Abscheren kann je nach Versuchstyp die Drainage offen oder geschlossen sein. Während des Abscherens werden die vertikale Verschiebung und ggf. der Porenwasserüberdruck und die Volumenänderung der Probe gemessen. Proben und Probenherstellung: Die Bodenproben können ungestört sein oder aus gestörtem Material aufbereitet werden. Es können wassergesättigte oder teilgesättigte Proben abgeschert werden. Das Größtkorn der Probe sollte 1/5 des Probenkörperdurchmessers bei ungleichförmigen und 1/10 des Probenkörperdurchmessers bei gleichförmigen Böden nicht überschreiten. Beim Herausarbeiten von Probenkörpern aus einer Bodenprobe dürfen das Gefüge und die Festigkeit nicht und der Wassergehalt der Probe vor Versuchsbeginn nur unwesentlich verändert sein. Vor dem Einbau der Probe werden ihre Abmessungen, d. h. ihre Höhe h0 und ihr Durchmesser d0, bestimmt. Durchführung: – Probeneinbau: Zur Untersuchung einer gesättigten Probe werden die Leitungen vor dem Einbau luftfrei mit Wasser gefüllt. Die Filtersteine und das Messsystem für den Porenwasserdruck und die Volumenänderungsmesseinrichtung werden entlüftet. Bei feinkörnigen Böden werden an beiden Enden der Probe sowie um die Probe herum Filterpapiere bzw. Filterpapierstreifen angelegt. Die zylindrische Probe wird gasblasenfrei zwischen den beiden Filterplatten in der Gummihülle eingebaut. Bei nichtbindigen Böden wird die Probe direkt auf dem unteren Filterstein und der Sockelplatte der Druckzelle hergestellt. Die Gummihülle wird an den beiden Seiten mit einem O-Ring abgedichtet. – Sättigung: Die Probe wird nach dem Einbau entweder bei offener oder bei geschlossener Drainage gesättigt. Bei offener Drainage erfolgt die Sättigung der Probe durch die Wasserströmung von unten nach oben infolge der angelegten Wasserdruckdifferenz. Bei geschlossener Drainage wird die Probe durch einen Sättigungsdruck u0 (Back-Pressure) gesättigt, unter dem die Gasblasen in den Porenräumen der Probe im Porenwasser gelöst werden. Während der Sättigung muss der Sättigungsdruck u0 in der Probe stets niedriger als der Zelldruck sein. – Konsolidation: Beim D-Versuch und beim CU-Versuch wird die Probe vor dem Abscheren unter einer vorgesehenen Konsolidationsspannung c konsolidiert. Nach der Sättigung wird der Zelldruck bis 3 = u0 + c erhöht. Bei offener Drainage wird sodann die Probe unter c konsolidiert und dabei die ausgepresste Wassermenge im Standrohr zeitabhängig abgelesen. Wenn die Wassermenge im Standrohr nahezu konstant ist, wird die Konsolidation beendet. – Abscheren: Der Probekörper wird durch die Verschiebung des Belastungsstempels abgeschert. Während der Verschiebung werden der Zelldruck 3, die Zusammendrückung h der Probe, die Stempelkraft P, der Porenwasserdruck u und ggf. das ausgedrückte Wasservolumen V zeitabhängig gemessen. Beim konsolidierten, drainierten Versuch wird der Probekörper nach der Konsolidation bei offener Drainage so langsam abgeschert, dass die Volumenänderungen des Probekörpers ohne Entwicklung von Porenwasserüberdrücken stattfinden können. Der Versuch ist

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3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

frühestens dann beendet, wenn 1 während eines Stauchungszuwachses von mindestens 2 % nicht mehr ansteigt. Steigt 1 auch weiterhin an, so wird der Versuch bis zu einer Stauchung von 20 % fortgeführt. Beim konsolidierten, undrainierten Versuch wird der Probekörper nach der Konsolidation bei geschlossener Drainage relativ langsam abgeschert, so dass sich der Porenwasserdruck hinreichend gleichmäßig über den Probekörper verteilen kann. Der Versuch ist beendet, wenn die Maxima von 1 – 3 überschritten sind oder wenn die Stauchung 20 % erreicht. Beim unkonsolidierten, undrainierten Versuch wird zunächst der Probekörper nach erfolgter Sättigung bzw. bei der Prüfung einer teilgesättigten Probe nach dem Einbau durch Erhöhung des Zelldrucks 3 bei geschlossener Drainage allseitig belastet. Danach wird der Probekörper bei geschlossener Drainage mit einer relativ großen Stauchungsgeschwindigkeit 1 , z. B. 1 = 1 % abgeschert. Der Versuch wird beendet, wenn 1 – 3 nicht mehr weiter anwächst oder wenn die Stauchung 20 % erreicht. – Für die Ermittlung der Scherparameter müssen mindestens drei gleichartige Probekörper unter unterschiedlichen Zelldrücken 3 konsolidiert bzw. belastet und dann abgeschert werden. Zur Bestimmung der undrainierten Kohäsion cu gesättigter bindiger Böden reichen im Einzelfall zwei Versuche mit gleichartigen Probekörpern aus. Auswertung der Versuchsergebnisse: – Konsolidierter, drainierter Versuch: Die Querschnittsfläche während des Abscherens beträgt A=

V0 − V h0 − h

,

(3.48)

wobei V0 das Anfangsvolumen des Probekörpers ist. Die effektive Axialspannung beträgt P − P0 +  3 − u0 , 1 = (3.49) A wobei P0 die Stempelkraft infolge des Zelldrucks 3 ist. Für jeden Versuch werden die halbe Hauptspannungsdifferenz (1 – 3)/2 und die bezogene Volumenänderung V/V0 als Funktion der Stauchung 1 aufgetragen (Bild 3-38). Zur Bestimmung der effektiven Scherparameter  und c werden für jeden Versuch der Spannungszustand für max 1, ggf. für den Endwert von 1, in einem Diagramm mit der halben Hauptspannungsdifferenz als Ordinate und der halben effektiven Hauptspannungssumme als Abszisse dargestellt (Bild 3-39). Die ausgleichende Gerade durch die Spannungszustände max 1 schließt mit der Abszissenachse den Winkel  ein und schneidet die Ordinatenachse beim Wert b. Die effektiven Scherparameter ergeben sich aus folgenden Beziehungen:

sin   = tan  

(3.50)

b cos  

(3.51)

und

c =

3.2 Laborversuche

125

Bild 3-38 D-Versuch [25]

3

Bild 3-39 (1-3)/2, (1+3)/2-Diagramm [25]

126

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

– Konsolidierter, undrainierter Versuch: Die Querschnittsfläche während des Abscherens beträgt A=

3

V0 A = 0 , h0 − h 1 − 1

(3.52)

wobei A0 die Anfangsquerschnittfläche der Probe ist. Die effektive Axialspannung beträgt P − P0 + 3 − u , 1 = (3.53) A mit u als gemessenem Porenwasserdruck während des Abscherens. In Abhängigkeit der Stauchung 1 werden die halbe Hauptspannungsdifferenz (1 – 3)/2 und der Porenwasserdifferenzdruck u = u – u0 aufgetragen (Bild 3-40). Außerdem wird in einem Diagramm mit den Achsen (1 – 3)/2 und (1 + 3)/2 der Pfad der effektiven Spannung dargestellt (Bild 3-41). Die Umhüllende der Spannungspfade ergibt eine Gerade und schließt mit der (1 + 3)/2-Achse den Wert  ein und schneidet die Ordinatenachse beim Wert b. Daraus werden die effektiven Scherparameter  und c nach den Gleichungen (3.50) und (3.51) erhalten.

Bild 3-40 CU-Versuch [25]

3.3 Feldversuche

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Bild 3-41 (1-3)/2, (1+3)/2Diagramm [25]

– Unkonsolidierter, undrainierter Versuch: Die Querschnittsfläche der Probe wird nach Gleichung (3.52) erhalten. Die totale Axialspannung beträgt

=

P − P0 + 3 . A

(3.54)

Die Spannungskreise der totalen Spannungen werden für die erhaltenen größten Axialspannungen 1 in einem --Diagramm aufgezeichnet (Bild 3-42). Daraus können die undrainierten Scherparameter u und cu bestimmt werden. Bei gesättigten und teilgesättigten Böden für größere Drücke  gilt u = 0. Bei teilgesättigten Böden für kleinere Drücke  ist u > 0.

Bild 3-42 UU-Versuch, --Diagramm [25]

3.3

Feldversuche

Geotechnische Feldversuche dienen der Bestimmung mechanischer und hydraulischer Parameter. Einige dieser Versuche werden an der Geländeoberkante oder in Baugruben durchgeführt (3.3.1 und 3.3.2). Die Sondierungen messen beim aktiv durchgeführten Eindringen einer Sonde in den Untergrund (3.1.4.8, 3.1.4.9 und 3.3.3) und andere nutzen eine vorab hergestellte Bohrung (Bohrlochmessungen, Bohrlochversuche, 3.3.4 bis 3.3.7). Die vorrangig der Erkundung dienenden Drucksondierungen und Rammsondierungen sind im Abschnitt Baugrunderkundung (Abschnitte 3.1.4.8 und 3.1.4.9) beschrieben. Nachfolgend werden die auf der Baustelle häufig eingesetzten Versuche unter 3.3.1 bis 3.3.5 erläutert, eine kleine Auswahl der Bohrlochmessungen und Bohrlochversuche wird kurz vorgestellt, eine ausführliche Darstellung enthalten [40], [45]. Im Übrigen wird auf die Normen DIN EN ISO 22476-1 ff. verwiesen [31], [32], [33], [34].

3

128

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Ein Teil der Bohrlochmessungen, wie z. B. Inklinometermessungen, Extensometermessungen oder Pendellotmessungen wird zusammen mit geodätischen Verfahren nicht nur für die Erkundung z. B. von Rutschungen eingesetzt, sondern vorrangig für die geotechnische Überwachung. Sie spielen beim Einsatz der Beobachtungsmethode eine bedeutende Rolle. Es wird diesbezüglich auf das Kapitel 16.2 „Geotechnische Messungen“ verwiesen. Eine Gliederung und Zuordnung der Verfahren ist [37] zu entnehmen.

3

Weiterhin dienen Feldversuche, insbesondere die im Abschnitt 3.3.1 beschriebenen Dichtebestimmungen und die in Abschnitt 3.3.2 beschriebenen Plattendruckversuche der Qualitätskontrolle durchgeführter Arbeiten im Erdbau. Es wird auf Abschnitt 15.11 verwiesen.

3.3.1

Dichtebestimmung im Feld

Die Dichte natürlicher Böden im Feld oder die Dichte künstlich angelegter und verdichteter Schüttungen wird durch Dichtebestimmungen im Feld ermittelt. Im Feldversuch wird die Dichte des Bodens im feuchten Zustand bestimmt, die für Standsicherheitsuntersuchungen gebraucht wird, während die als Referenzwert für Vergleiche unterschiedlich verdichteter Böden erforderliche Trockendichte üblicherweise durch Umrechnung mit dem im Labor bestimmten natürlichen Wassergehalt einer Probe ermittelt wird. Die Bestimmung der Dichte erfolgt über die Wägung einer definiert entnommenen Bodenprobe und den Bezug auf deren Volumen. Dazu dienen verschiedene Verfahren, die in DIN 18125-2 [18] beschrieben sind. Bild 3-43 zeigt einige dieser Verfahren. Bei der Ausstechzylindermethode (Bild 3-43) wird eine Probe aus dem Untergrund gewonnen, verpackt und im Labor ausgewogen. Das Volumen ergibt sich durch geometrische Berechnung des Hohlraumvolumens des Stechzylinders. Zur Vermeidung von Fehlern werden der gefüllte Zylinder und derselbe leere Zylinder gewogen und die Masse des Bodens durch Differenzbildung ermittelt. Die Gewinnung der Probe erfolgt mit einem dünnwandigen Stahlzylinder mit innenliegender Schnittkante unter Zuhilfenahme eines Entnahmegerätes, das beim Einschlagen eine Führung ermöglicht. Nach dem Einschlagen werden der gefüllte Zylinder vorsichtig ausgegraben und die offenen Kreisflächen spanabhebend bearbeitet, um den Überstand zu beseitigen. Sowohl beim Einschlagvorgang als auch bei der Bearbeitung soll die Bodenprobe möglichst wenig gestört werden. Grobkörnige Böden mit signifikantem Anteil an Kies eignen sich daher nicht für die Stechzylindermethode, da die groben Körner beim Einschlagvorgang die Probe stören und an den Kreisflächen bei der Bearbeitung ausbrechen. Bei den Ersatzmethoden dagegen wird die Bodenprobe gestört gewonnen und gewogen. Deren Volumen wird durch Bestimmung des Hohlraumvolumens im Untergrund ermittelt, das die Probe nach ihrer Entnahme hinterlässt. Dazu ist es erforderlich, dass die Grube zumindest zeitweilig standsicher ist. Bei rolligen Böden ohne nennenswerte tatsächliche oder scheinbare Kohäsion können keine senkrechten Wandungen hergestellt werden, die Grube muss entsprechend dem Reibungswinkel geböscht angelegt werden, was die Fehlerwahrscheinlichkeit erheblich erhöht. Weiterhin treten Fehler auf durch die Störung der Grubenwand bei der Entnahme. Diese können etwas ausgeglichen werden, wenn man die Grubendimension relativ groß wählt, wobei dann der Aufwand für den Versuch steigt.

3.3 Feldversuche

129

3

Bild 3-43 Feldversuche zur Bestimmung der Dichte von Böden

130

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

Je nach Kornaufbau des zu prüfenden Bodens oder der Steinschüttung sind sehr unterschiedlich große Gruben anzulegen bis hin zu einer Schürfgrube. Diese kann gegebenenfalls profilgerecht angelegt werden und ihr Inhalt dann geometrisch ermittelt werden, was selten gelingt oder es werden Ersatzstoffe in die Grube eingebracht, die ein beim Einbringvorgang konstant bleibendes Volumen aufweisen müssen. Im einfachsten Fall ist dies Wasser, dessen Volumen bei Schürfgruben über eine Wasseruhr ermittelt wird, bei kleineren Gruben über Messbecher und Messzylinder. Dazu muss die Grube vorher mit einer dünnen Folie ausgekleidet werden, damit kein Wasser versickert. Messfehler ergeben sich, wenn sich die Folie nicht sauber an die Wand legt. Standardisiert ist die Wasserersatzmethode im Ballonverfahren, bei dem ein flüssigkeitsgefüllter Ballon über eine Apparatur in die angelegte Grube eingebracht wird, die eine Differenzmessung des Flüssigkeitsspiegels zulässt, vgl. Bild 3-43. Daneben sind andere Stoffe wie Normsand oder in der Grube aushärtender Gips als Ersatzstoffe im Einsatz. Dazu gehören verschiedene Führungsbleche und andere Apparaturen, die in DIN 18125-2 [18] beschrieben sind. Wesentlich zur Vermeidung von Messfehlern sind die Wahl eines auf den jeweils zu prüfenden Boden angepassten Verfahrens und ein ausreichendes Probenvolumen.

3.3.2

Plattendruckversuche

Der Plattendruckversuch dient der Ermittlung des Setzungsverhaltens eines Bodens oder einer Erdschüttung, in Ausnahmenfällen auch eines Festgesteins bei Aufbringen einer stufenweise gesteigerten Last über eine kreiszylindrische Platte. Aus der Druck-Setzungslinie werden Verformungsmoduli und Bettungsmoduli ermittelt. Diese dienen zum einen der Beurteilung der Verformbarkeit und Tragfähigkeit eines Bodens, zum anderen der Beurteilung der erzielten Verdichtung einer Schüttung. Die Versuchsdurchführung ist für Böden in DIN 18134 [22] und für den Einsatz im Fels in der Empfehlung Nr. 6 des AK Versuchstechnik im Fels der DGGT [1] beschrieben. Neben dem statischen Plattendruckversuch gibt es als Schnellverfahren den dynamischen Plattendruckversuch. 3.3.2.1 Statischer Plattendruckversuch Beim statischen Plattendruckversuch wird üblicherweise die 300-mm-Platte eingesetzt, vgl. Bild 3-44. Sie wird für Böden mit 150 mm Größtkorn verwendet. Für gröberen Boden oder für weiche Böden, die seitlich leicht ausweichen, gibt es Platten mit Durchmessern von 600 mm und 762 mm. Die Platte wird mit einer von Hand zu bedienenden Hydraulikpumpe auf den Boden gepresst, wobei als Gegengewicht ein LKW dient. Die einwirkende Last wird mit einem mechanischen Kraftaufnehmer zwischen Platte und Hydraulikzylinder bestimmt. Die aus der Belastung resultierende Setzung wird mit einer Tastvorrichtung ermittelt. Die Prüffläche muss zunächst vorbereitet werden. Dazu ist sie zu glätten und eben herzustellen. Unebenheiten werden gegebenenfalls durch Mittelsand oder Gipsbrei ausgefüllt. Zur Ermittlung des Verformungsmoduls wird der Plattendruckversuch in mindestens 6 Laststufen bis zur vorgewählten Maximallast durchgeführt. Die Vorgaben in DIN 18134 im Hinblick auf die Versuchstechnik müssen genau eingehalten werden. Nach Belastung und Entlastung erfolgt eine Wiederbelastung des vorbelasteten Bodens. Die Auswertung des Versuchs erfolgt über festgelegte Punkte, aus denen die Sekante und deren Neigung bestimmt werden. Als Ergebnisse werden die Verformungsmoduli E V1 und EV2 für Erst- und Wiederbe-

3.3 Feldversuche

131

lastung angegeben. Zur Bewertung der Verdichtung werden E V2 und der Verhältniswert zwischen EV1 und EV2 verwendet. Der Bettungsmodul kS wird hilfsweise aus der Erstbelastungslast mit der 762-mm-Platte ermittelt. Es wird die mittlere Normalspannung bei einer Setzung von 1,25 mm bestimmt. Dieser Wert des Bettungsmoduls ist nicht verallgemeinerungsfähig, sondern gilt streng genommen nur für eine kreisförmige Lastfläche mit dem Durchmesser 762 mm.

3

Bild 3-44 Statisches und dynamisches Plattendruckgerät

132

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

3.3.2.2 Dynamischer Plattendruckversuch

3

Der dynamische Plattendruckversuch dient als Schnellverfahren der Dichteüberprüfung. Er kommt ohne Gegengewicht aus und ist daher flexibel einsetzbar. Das Gerät ist in Bild 3-44 dargestellt. Nach [46] besteht es aus einem 10,2 kg schweren Fallgewicht, das aus einer Höhe von 1,0 m auf eine Gummifeder fällt, die auf der Lastplatte sitzt. Dadurch wird eine Schwingung angeregt, die über ein Geophon gemessen wird. Aus der maximalen Spannung bezogen auf die maximale Einsenkung multipliziert mit dem 1,5-fachen Radius ergibt sich der dynamische Verformungsmodul Evd.

3.3.3

Flügelsondierungen

Flügelscherversuche oder nach der alten Bezeichnung Flügelsondierungen sind Sondierungen, die ausschließlich in feinkörnigen, wassergesättigten Böden mit Steifezahlen I C zwischen 0 und 1, d. h. im breiigen bis steifen Bereich zur Anwendung kommen. Mit einem „Flügel“, vier radial von der Sonde nach außen weisenden Metallplatten, wird ein zylindrisches Bodenvolumen durch Drehen des Gestänges abgeschert. Gebräuchlich sind Flügel mit einer Breite von 50 mm und einer Höhe von 100 mm (FVT 50) und mit einer Breite von 75 mm und einer Höhe von 150 mm (FVT 75) für weiche Böden. Der Flügel wird langsam mit 0,1 °/s bis 0,5 °/s bis zum Bruch des Bodens gedreht. Gemessen werden das Drehmoment und der Drehwinkel. Der Einfluss der Mantelreibung wird üblicherweise durch ein Hüllrohr minimiert. Über Korrekturfaktoren wird die undrainierte Flügelscherfestigkeit cfu ermittelt. Häufig wird eine Vorbohrung durchgeführt, dann muss ein Abstand der Versuchstiefen von 30 cm unterhalb der Bohrlochsohle eingehalten werden. Der Flügel wird an einem Gestänge in den Boden eingedrückt, die einzelnen Versuchstiefen müssen einen Mindestabstand von 0,5 m aufweisen Im Einzelnen wird auf DIN 4094-4 [9] sowie [39] verwiesen.

3.3.4

Porenwasserdruckmessungen

Vom Messprinzip her ist der zur Messung von Porenwasserdrücken eingesetzte Porenwasserdruckgeber eine kleine, punktuell messende Grundwassermessstelle (Piezometer). Anders als Grundwassermessstellen zeigt dieser jedoch Druckänderungen an, ohne dass große Wassermengen der Messstelle zufließen müssen, denn gemessen wird der Druck des Porenwassers auf eine Membrane. Bei der Grundwassermessstelle dagegen muss der Messstelle soviel Wasser zufließen wie erforderlich ist, um den Wasserstand in der Messstelle auf das neue Druckniveau zu heben und umgekehrt. Der Porenwasserdruckgeber kann auch in geringdurchlässigen Böden eingesetzt werden und in geringen Zeitabständen Messwerte liefern, während sich Grundwassermessstellen in Grundwassergeringleitern sehr träge verhalten. Bei weichen Böden können oberflächennah eindrückbare Porenwasserdruckgeber eingesetzt werden. Zur Messung von Porenwasserdrücken kommen mehrere verschiedene Messprinzipien zum Einsatz, deren Vor- und Nachteile in [60] beschrieben sind. Am häufigsten werden pneumatische Druckgeber eingesetzt. Elektrische Porenwasserdruckgeber arbeiten z. B. nach dem

3.3 Feldversuche

133

Messprinzip der schwingenden Saite, bei dem die Länge einer elastischen Saite entsprechend dem aufgebrachten Druck variiert und eine angeregte Schwingung in ihrer Frequenz verändert wird. Auch Messgeber, die auf dem Piezoeffekt beruhen, sind im Einsatz.

3.3.5

SPT-Test, Bohrlochrammsondierung

Der SPT-Test ist im internationalen Raum eine Sondierung in einer Bohrung, die an einem eigenen Gestänge auf die Bohrlochsohle aufgesetzt wird und zum einen der Entnahme einer kleinen Bodenprobe dient, zum anderen als Rammsondierung ausgewertet wird. Die Art der Durchführung ist in DIN EN ISO 22476-3 [33] beschrieben. Beim SPT-Test wird eine genormte Sonde über ein Fallgewicht zunächst in einer Anfangsrammung von 150 mm eingeschlagen. In genau derselben Art wird sie dann 300 mm weiter eingerammt. Die so ermittelte Schlagzahl N30 ist der SPT-Wert. Die in einer Hülse von 35 mm Durchmesser gewonnene Probe ist gestört, verbessert aber den Baugrundaufschluss dort erheblich, wo anders als hierzulande Spülbohrungen zur Baugrunderkundung eingesetzt werden. Zu beachten ist, dass die SPT-Werte auf Grund der Gestängereibung und anderer Einflussfaktoren zu korrigieren sind. Bei jedem SPT-Test wird die Bohrung unterbrochen, die Sonde eingebaut, der Test durchgeführt und die Sonde wieder ausgebaut. In Deutschland ist die SPT-Sonde dieser Bauart kaum verbreitet, sondern lediglich die Sondierung mit Vollspitze. Beim hierzulande üblichen Einsatz von hochwertigen Erkundungsbohrungen (Trockenbohrung und Kernbohrung) ist die Entnahme von Proben mit der SPTSonde überflüssig. Der Versuch mit Vollspitze wird dann üblicherweise am Seil ausgeführt, ohne dass ein Gestängeaus- und -einbau erforderlich wird. Die Korrektur auf Grund Gestängereibung entfällt dann. Zur Unterscheidung wird der Versuch in der DIN 4094-2 [8] nunmehr als Bohrlochrammsondierung bezeichnet (BDP borehole dynamic probing). Auch in dieser Art der Durchführung ist der Versuch sehr umständlich und kostenträchtig. In flachen Teufenbereichen ist es daher viel wirtschaftlicher, neben der Bohrung eine Drucksondierung durchzuführen. In größerer Tiefe hat er dagegen seine Berechtigung, wenn die Bestimmung der Lagerungsdichte erforderlich ist. Dies gilt insbesondere dort, wo die Probenahme erschwert ist, z. B. in Verwitterungszonen von Festgesteinen. Vor allem auch dann, wenn Drucksondierungen auf Grund der hohen Lagerungsdichte von nichtbindigen Böden infolge Kapazitätsgrenzen der Anlage nicht mehr möglich sind, werden Bohrlochrammsondierungen mit Erfolg eingesetzt.

3.3.6

Seitendrucksondierung

Seitendrucksondierungen oder Bohrlochseitendruckversuche werden im Bohrloch durchgeführt. Mit einer zylindrischen Druckvorrichtung wird auf die Wandung eines Bohrlochabschnittes mittels zweier Halbschalen ein Spreizdruck ausgeübt und die radiale Verformung des Bohrloches gemessen. Aus der mit elektrischen Messwertaufnehmern bestimmten Spannungs-Verformungs-Beziehung wird der Seitendruckmodul EB abgeleitet. Eine ausführliche Beschreibung enthält die DIN EN ISO 22476 Teil 7 [34].

3

134

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

3.3.7

3

Erddruckmessungen

Erddruckaufnehmer sind flache Druckkissen zur Messung der Totalspannung in Lockergesteinen. Nicht verwechselt werden dürfen diese mit den in der Felsmechanik eingesetzten Druckkissen (flat jack) zur Erzeugung eines Gegendruckes zum Gebirgsdruck in Schrämschlitzen bei Anwendung der Kompensationsmethode [62]. Erddruckaufnehmer werden in der Richtung des zu messenden Druckes mit ihrer Flächennormalen orientiert in den Boden eingebaut. Dazu wird die Bohrung im Bereich des eingebauten Erddruckaufnehmers mit Boden verfüllt, der in etwa dem des umgebenden Bodens entspricht. Da die Lagerungsdichte nicht entsprechend angepasst werden kann, müssen zunächst Kriechverformungen stattfinden, bis der Spannungszustand in der Umgebung ausgeglichen ist. Der Erddruckaufnehmer nimmt den Erddruck über die Oberfläche des ölgefüllten Druckkissens auf. Das Öl überträgt ihn auf eine Membrane in einem Kompensationsventil, das über Druckleitungen mit einer zentralen Messeinheit mit Pumpe verbunden ist. Bei anderen Typen von Erddruckgebern erfolgt die Messung indirekt über Verformungen und die Messwertweiterleitung erfolgt elektrisch. Bei weichen Böden können oberflächennah eindrückbare Erddruckgeber eingesetzt werden.

3.4 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]

[8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15]

Literatur AK Versuchstechnik im Fels der DGGT (Deutsche Gesellschaft für Geotechnik): DoppelLastplattenversuch, Empfehlung Nr. 6, Bautechnik 3/1985 Arnold, W. (1993): Flachbohrtechnik. – 968 S.; Leipzig-Stuttgart Assmann, W., Datzko, H. und Pickel, H. J. (1984): Neue Erkenntnisse bei Kernbohrungen im Lockergestein. – bbr 35(7): 238–240; Köln Buja, H.-O. (1999): Handbuch der Baugrunderkundung – Geräte und Verfahren. 1. Auflage, 441 S.; Düsseldorf (Werner) DIN 4020: Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-2; Dezember 2010 DIN 4023: Baugrund- und Wasserbohrungen. Zeichnerische Darstellung der Ergebnisse; Februar 2006 DIN EN ISO 22476-1: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Felduntersuchungen, Teil 1: Drucksondierungen mit elektrischen Messwertaufnehmern und Messeinrichtungen für den Porenwasserdruck, Oktober 2013 DIN 4094-2: Baugrund – Felduntersuchungen, Teil 2: Bohrlochrammsondierungen; Mai 2003 DIN 4094-4: Baugrund – Felduntersuchungen, Teil 4: Flügelscherversuche; Januar 2002 DIN 4124: Baugruben und Gräben – Böschungen, Verbau, Arbeitsraumbreiten; Januar 2012 DIN 4918: Nahtlose Bohrrohre mit Gewindeverbindung für verrohrte Bohrungen; April 2017 DIN 18121-1: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Wassergehalt, Teil 1: Bestimmung durch Ofentrocknung, April 1998 DIN 18121-2: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Wassergehalt, Teil 2: Bestimmung durch Schnellverfahren, Februar 2012 DIN 18122-1: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Zustandsgrenzen (Konsistenzgrenzen), Teil 1: Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze, Juli 1997 DIN 18123: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung der Korngrößenverteilung, April 2011

3.4 Literatur

[16] DIN 18124: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung der Korndichte, Kapillarpyknometer, Weithalspyknometer, April 2011 [17] DIN 18125-1: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung der Dichte des Bodens, Teil 1: Laborversuche, Juli 2010 [18] DIN 18125-2: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung der Dichte des Bodens, Teil 2: Feldversuche, März 2011 [19] DIN 18126: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung der Dichte nichtbindiger Böden bei lockerster und dichtester Lagerung, November 1996 [20] DIN 18127: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Proctorversuch, September 2012 [21] DIN 18130-1: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung des Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts, Teil 1: Laborversuche, Mai 1998 [22] DIN 18134: Baugrund – Versuche und Versuchsgeräte, Plattendruckversuch, April 2012 [23] DIN 18135: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, eindimensionaler Kompressionsversuch, April 2012 [24] DIN 18136: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, einaxialer Druckversuch, November 2003 [25] DIN 18137-2: Baugrund, Versuche und Versuchsgeräte, Bestimmung der Scherfestigkeit, Triaxialversuch, April 2011 [26] DIN 18137-3: Baugrund, Versuche und Versuchsgeräte, Bestimmung der Scherfestigkeit, Teil 3: direkter Scherversuch, September 2002 [27] DIN EN 1997-1 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln, März 2014 [28] DIN EN 1997-2: Eurocode 7 – Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrunds, Oktober 2010 [29] DIN EN ISO 14688-1: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Benennung, Beschreibung und Klassifizierung von Boden – Teil 1: Benennung und Beschreibung, Juli 2016 (Entwurf) [30] DIN EN ISO 14689-1: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Benennung, Beschreibung und Klassifizierung von Fels – Teil 1: Benennung und Beschreibung, Juli 2016 (Entwurf) [31] DIN EN ISO 22475-1: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Aufschluss- und Probenentnahmeverfahren und Grundwassermessungen – Teil 1: Technische Grundlagen der Ausführung, Januar 2007 [32] DIN EN ISO 22476-2: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Felduntersuchungen – Teil 2: Rammsondierungen, März 2013 [33] DIN EN ISO 22476-3: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Felduntersuchungen – Teil 3: Standard Penetration Test, März 2013 [34] DIN EN ISO 22476-7: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Felduntersuchungen – Teil 7: Seitendruckversuch, März 2013 [35] DVGW-Arbeitsblatt W121: Bau und Ausbau von Grundwasserbeschaffenheitsmessstellen, Juli 2003 [36] Eißfeldt, F. (2005): Sondierungen und deren Bewertung. – Tagungsband BAW-Seminar Baugrundaufschlüsse: Planung, Ausschreibung, Durchführung, Überwachung und Interpretation. 23.– 25.05.05, Bundesanstalt für Wasserbau, Dienststelle Hamburg: III1-III6; Hamburg [37] Entenmann, W., Banduch, M., Müller, L., Rübesamen, U., Blume, K.-H. und Siebenborn, G. (2008): Baugrunderkundungen – planen – durchführen – überwachen – auswerten, 312 S., ExpertVerlag, Renningen, 2. Auflage [38] Entenmann, W. (2011): Bohrverfahren für geotechnische und umwelttechnische Aufgabenstellungen. - Teil 1, bbr 03/2011: 24 – 29, Teil 2, bbr 06/2011: 26 – 31, Teil 3, bbr 07-08/2011: 26 – 33; Bonn (wvgw) [39] Faust, J. (2001): Feldflügelscherversuch. – Beuth-Kommentare Erkundung und Untersuchung des Baugrunds: 73-86; Berlin

135

3

136

3

3 Baugrunderkundung, geotechnische Labor- und Feldversuche

[40] Fecker, E. (1997): Geotechnische Messgeräte und Feldversuche im Fels. – 1. Auflage, 204 S.; Stuttgart (Enke) [41] Fricke, S. und Schön, J. (1999): Praktische Bohrlochgeophysik. – 1. Auflage, 254 S.; Stuttgart (Enke) [42] Gückelhorn, M., Dörrer, Th., Fröhlich, K., Geiling, P., Lorenz, K. und Schulze, E. (2000): Einsatzmöglichkeiten ingenieurgeophysikalischer Methoden zum Feststellen der Verdichtungen bei Erd- und Felsarbeiten im Straßenbau. – Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, 792: 39 S.; Bonn [43] Knödel, K., Krummel, H. Lange, G. (2003): Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien, Band 8: Erkundungspraxis. – 947 S., 2. Auflage, Berlin [44] Knödel, K., Krummel, H. Lange, G. (2005): Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien, Band 3: Geophysik – 1102 S., 2. Auflage, Berlin [45] Kovári, K. und Amstad, Ch. (1998): Feldmessungen in der Geotechnik. – Messen in der Geotechnik ´98, Mitt. Inst. Grundbau Bodenmech. 55: 1–15, TU Braunschweig [46] Kudla, W., Floss, R., Trautmann, Ch. (1991): Dynamischer Plattendruckversuch – Schnellprüfverfahren für die Qualitätssicherung von ungebundenen Schichten. Straße und Autobahn 2/91: 66–71 [47] Lunne, T., Robertson, P. K. und Powell, J. J. M. (1997): Cone Penetration Testing in Geotechnical Practice. – 312 S.; London [48] Melzer, K. J. (2001): Rammsondierung und Standard Penetration Test. – Beuth-Kommentare Erkundung und Untersuchung des Baugrunds: 47–58; Berlin [49] Militzer, H., Schön, J. und Stötzner, U. (1986): Angewandte Geophysik im Ingenieur- und Bergbau. – 2. Auflage, 419 S.; Stuttgart [50] Möbus, G. (1982): Methodik der tektonischen Bearbeitung des Kernmaterials von Bohrungen. – Freiberger Forschungshefte C 372: 160 S.; Leipzig [51] Müller, L. (1963): Der Felsbau. Band 1: Theoretischer Teil, Felsbau über Tage; Stuttgart [52] Rübesamen, U. (1994): Bodenprobenentnahmen aus Bohrungen für geologische und hydrogeologische Ansprachen. – bbr 45(2): 26–30; Köln. [53] Schreiner, M. und Kreysing, K.(1998): Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien, Band 4: Geotechnik, Hydrogeologie; Berlin [54] Siebenborn, G. (1998): Baugrundaufschlussbohrungen nach DIN 4021 in Böden. – bbr 12/98: 22– 29; Köln [55] Siebenborn, G. (2005): Kleinbohrungen nach DIN 4021 – eine (Ge-)Wissensfrage? – bbr 5/2005: 37–41; Köln [56] Soos, P. von und Engel, J. (2001): Eigenschaften von Boden und Fels – ihre Ermittelung im Labor – in: Grundbau-Taschenbuch, Teil 1, 7. Auflage, 123–218, Verlag Ernst & Sohn, Berlin [57] Stini, J. (1922): Technische Geologie; Stuttgart [58] Stölben, F. (2001): Probenentnahme in Boden und Fels. – Beuth-Kommentare Erkundung und Untersuchung des Baugrunds: 35–46; Berlin [59] Stölben, F. und Eitner, V. (2003): Aufschluss- und Probenahmeverfahren und Grundwassermessungen im Rahmen von geotechnischen Erkundungen – Technische Grundlagen der Ausführung, Qualitätskriterien und Konformitätsbewertung. – Berichte 14. Tagung Ingenieurgeologie: 233– 238, Kiel [60] Thut, A. (2001): Geotechnische Messverfahren – in: Grundbautaschenbuch, Teil 1, 7. Auflage, 653–717, Verlag Ernst & Sohn, Berlin [61] Urban, D. (2002): Arbeitshilfen für den Brunnenbauer – Brunnenbohrtechnik. – 1. Auflage, 367 S.; Bonn (dvgw) [62] Wittke, W. (1984): Felsmechanik, 1050 S., Springer-Verlag, Berlin

4

Bodenmechanik Conrad Boley und Yazhou Zou

4.1 4.1.1

Grundlagen der Elastizitätstheorie Spannungen auf ein Volumenelement

In der Bodenmechanik werden Druckspannungen üblicherweise als positive Spannungen eingeführt. Bild 4-1 zeigt ein Volumenelement und die darauf einwirkenden Normal- und Schubspannungen. Die Normalspannungen x, y und z sind positiv, wenn sie in die Richtung der Fläche gerichtet sind. ij ist die Schubspannung in Richtung j, die auf eine Fläche mit der Normalenrichtung i einwirkt. In diesem Fall ist ij positiv. Aus Gleichgewichtsgründen gilt ij = ji.

z

y

zy zx

x x

z

xy

yx yx xy

xz y

yz

zx zy

y xz

x

yz

z

Bild 4-1 Spannungen auf ein Volumenelement

Der Tensor der Spannungen auf dem Volumenelement lässt sich wie folgt darstellen:  x  xy  xz      =  yx  y  yz     zy  zx  z 

4.1.2

(4.1)

Hauptspannungen

Es gibt bei einem Volumenelement drei wechselseitig lotrechte Ebenen, auf denen die Schubspannungen verschwinden, während die Normalspannungen Maximalwerte erreichen. Diese Ebenen werden als Hauptspannungsebenen und die zugehörigen Spannungen als Hauptspannungen 1, 2 und 3 (größere, mittlere und kleinere Hauptspannung) bezeichnet. Die Hauptspannungen i (i = 1, 2, 3) ergeben sich aus der Lösung der kubischen Gleichung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_4

138

4 Bodenmechanik

 i3 − I1 i2 + I 2 i − I3 = 0

(4.2)

mit drei von der Wahl des Koordinatensystems unabhängigen, konstanten Invarianten:

4

I1 =  x +  y +  z = 1 +  2 +  3

(4.3a)

2 − 2 − 2 =   +   +   I 2 =  x y +  y z +  z x −  xy yz zx 1 2 2 3 3 1

(4.3b)

2 −   2 −   2 + 2   I3 =  x y z −  x yz y zx z xy xy yz zx = 1 2 3

(4.3c)

Die Richtungen der Normalen der Hauptspannungsebenen sind gegeben durch

cos(ni , x) = cos(ni , y) = cos(ni , z ) =

Ai Ai2 + Bi2 + Ci2 Bi Ai2

+ Bi2 + Ci2 Ci

Ai2

+ Bi2 + Ci2

(4.4a) (4.4b) (4.4c)

mit i = 1, 2, 3 und

Ai = ( y −  i )( z −  i ) −  zy yz ; Bi =  zy xz −  xy ( z −  i ); Ci =  xy yz −  xz ( y −  i ) .

4.1.3

Dehnungen

Unter der Wirkung der Normalspannungen x, y und z entstehen die Normaldehnungen x, y, z und unter der Wirkung der Schubspannungen ij entstehen die Schubverzerrungen ij. Der dem Spannungstensor {} entsprechende Dehnungstensor {} lässt sich schreiben als

  x  1   =   yx 2  1 zy  2

1  2 xy

y 1  2 zx

1   2 xz   1  yz  . 2  z  

(4.5)

Die den Hauptspannungen 1, 2 und 3 entsprechenden Hauptdehnungen i (i = 1, 2, 3) ergeben sich als Lösungen der Gleichung

 i3 − I1 i2 + I 2  i − I3 = 0 ,

(4.6)

4.1 Grundlagen der Elastizitätstheorie

139

wobei

I1 =  x +  y +  z = 1 +  2 +  3 I 2 =  x y +  y  z +  z  x − I3 =  x y  z −

4.1.4

2  x yz

4



2  xy

4

2  y  zx

4

(4.7a)





2  yz

4

2  z  xy

4



2  zx

+

4

= 1 2 +  2 3 +  31

 xy  yz  zx 4

= 1 2 3 .

(4.7b) (4.7c)

Elastizitätsgleichungen für einen isotropen Stoff

4

Nach der Elastizitätstheorie können für einen isotropen Stoff die Beziehungen zwischen Dehnungen {} und Spannungen {} geschrieben werden als

 x = [ x − ( y +  z )] / E

(4.8a)

 y = [ y − ( z +  x )] / E

(4.8b)

 z = [ z − ( x +  y )] / E

(4.8c)

 xy =  xy / G ;  yz =  yz / G ;  zx =  zx / G ,

(4.9)

wobei E der Elastizitätsmodul, G der Schubmodul und  die Poissonzahl ist. Die Volumendehnung ergibt sich zu

V = ( x +  y +  z ) =

1 − 2  , ( x +  y +  z ) = E 3K

(4.10)

wobei  = (x + y + z) die Summe der Normalspannungen ist. K wird als Kompressionsmodul bezeichnet. Die Spannungen können in Abhängigkeit der Dehnungen wie folgt ausgedrückt werden:

 x = V + 2G x

(4.11a)

 y = V + 2G y

(4.11b)

 z = V + 2G z

(4.11c)

 xy = G xy ;  yz = G yz ;  zx = G zx

(4.12)

mit dem -Modul

=

 E . (1 + )(1 − 2 )

(4.13)

 und G in (4.11) und (4.12) sind zwei unabhängige elastische Konstanten, die auch Lamé’sche Konstanten genannt werden.

140

4 Bodenmechanik

4.1.5

Ebener Verformungszustand

Wenn alle Spannungen in zwei parallelen Ebenen eines Körpers Null sind, wird der Zustand des Körpers zwischen den zwei Ebenen als ebener Spannungszustand bezeichnet. Wenn alle Verformungen eines Körpers in einer Richtung, z. B. in der y-Richtung, Null sind, liegt ein ebener Verformungszustand vor. Viele bodenmechanische Probleme lassen sich vereinfacht als ebener Verformungszustand beschreiben. 4.1.5.1 Spannungen

4

Bild 4-2 a) zeigt ein Element mit ebenem Verformungszustand, wobei die Dehnungen yx = yz = 0 und somit die Spannungen yx = yz = 0 sind.

x z

zx 

x xz





zx 3

3 1

  

z









a) Ebener Verformungszustand

x  ()



 z 1

xz

b) Mohr’scher Spannungskreis

Bild 4-2 Ebener Verformungszustand und Mohr’scher Spannungskreis

Die Spannungen in einer Ebene unter dem Winkel  gegenüber der Richtung z lassen sich schreiben als:

1 2

1 2

 = ( x +  z ) + ( x −  z )  cos 2 +  xz  sin 2 1 2 Die Hauptspannungen lauten:

 =  xz  cos 2 − ( x −  z )  sin 2 1 2

1,3 = ( x +  z ) 

1 2 ( x −  z )2 + 4 xz 2

(4.14) (4.15)

(4.16)



4.1 Grundlagen der Elastizitätstheorie

141

Sie sind unter dem Winkel 1 2

1 = arctan

2 xz  x − z

gegen die x-Achse geneigt bzw. unter 1 + 90° gegen die z-Achse (Bild 4-2 a). Die maximale Schubspannung max tritt auf Flächen auf, die unter 45° gegen die Hauptspannungsflächen geneigt sind und hat die Größe

 max =

1 2 . ( x −  z )2 + 4 xz 2

(4.17)

Der Spannungszustand im ebenen Verformungszustand kann durch den Mohr’schen Spannungskreis (Bild 4-2 b) dargestellt werden. Die Spannungen  =  und  =  können durch die Hauptspannungen 1 und 3 sowie den Winkel  zwischen der 1- und a-Ebene (Bild 4-2 a) dargestellt werden.

1 2

1 2

 =   = (1 +  3 ) + (1 −  3 )  cos 2

(4.18)

1 2

 =   = (1 −  3 )  sin 2

(4.19)

Die maximale Schubspannung max ergibt sich zu

1 2

 max = (1 −  3 ) .

(4.20)

4.1.5.2 Dehnungen Die den Spannungen  und  entsprechenden Dehnungen werden erhalten zu

1 2

1 2

 = ( x +  z ) + ( x −  z )  cos 2 +

 xz 2

 sin 2

und

  =  xz  cos 2 − ( x −  z )  sin 2 .

(4.21) (4.22)

Die Hauptdehnungen ergeben sich zu

1 2

2 . 1,3 = [ x +  z  ( x −  z )2 +  xz

(4.23)

Der Winkel zwischen der Hauptdehnungsebene und der x-Richtung hat die Größe 1 2

1 = arctan

 xz . x −z

(4.24)

Die größte Dehnung beträgt

 max = 1 −  3 .

(4.25)

4

142

4 Bodenmechanik

4.1.6

Zusammenstellung der Beziehungen zwischen elastischen Parametern

Einige Beziehungen zwischen Parametern bei elastischem Bodenverhalten sind in Tabelle 4.1 zusammengestellt. Tabelle 4.1

Beziehungen zwischen Parametern bei elastischem Bodenverhalten

Parameter

4

Bezeichnung

9 KG 3K + G

Elastizitätsmodul E

E=

Steifemodul Es

Es =

1 − E (1 + )(1 − 2 )

Verformungsmodul EV

EV =

E 1 − 2 = E 1 − v 2 (1 − )2 s

Schubmodul G

G=

E 2(1 + )

Kompressionsmodul K

K=

E 2(1 + ) = G 3(1 − 2 ) 3(1 − 2 )

Seitendruckbeiwert K0

K0 =

-Modul

=

2  G = E 1 − 2 (1 + )(1 − 2 )

Poissonzahl 

=

3K − 2G 6 K + 2G

4.2

 1 −

Spannungsermittlung

Im Rahmen der Spannungsermittlung in der Bodenmechanik wird der Baugrund häufig als Halbraum mit einer unendlich weit ausgedehnten horizontalen Oberfläche, der Geländeoberfläche, betrachtet.

4.2.1

Spannungen infolge Eigengewicht

4.2.1.1 Spannungen in homogenem Baugrund In einem homogenen Baugrund mit der Bodenwichte  sind die Spannungen infolge des Bodeneigengewichts in horizontaler Richtung achsensymmetrisch (Bild 4-3). Somit gilt für die Normalspannungen x = y und für alle Schubspannungen ij = 0. Die vertikale Normalspannung z und die seitliche Normalspannung x sind Hauptspannungen, die mit den Gleichungen

z =   z

(4.26)

4.2 Spannungsermittlung

und

143

 x = K0   z

(4.27)

berechnet werden können, wobei K0 Seitendruckbeiwert genannt wird. Die Normalspannungen z und x nehmen mit zunehmender Tiefe z zu (Bild 4-3). x

x

z

GOK Wichte 

z z x

x z z

z Bild 4-3

z

4

z

Spannungen in homogenem Baugrund

In einem homogenen Baugrund unter dem Grundwasserspiegel mit einer Bodenwichte bei Sättigung r ist die totale Spannung  in einer beliebigen Fläche die Summe aus der effektiven Spannung  und dem Porenwasserdruck u. Die effektiven Spannungen wirken zwischen den Körnern im Korngerüst. Der Porenwasserdruck im Porenwasser, der auch als neutrale Spannung bezeichnet wird, ist isotrop, d. h. er wirkt richtungsunabhängig in gleicher Größe in jeder Richtung und ist somit richtungsneutral (Bild 4-4). Die vertikale totale Spannung z, der Porenwasserdruck (hydrostatischer Wasserdruck) u und die vertikale effektive Spannung z lassen sich schreiben als:

z = r  z

(4.28)

u = w  z

(4.29)

 z =  z − u = ( r −  w )  z =    z

(4.30)

Hierbei sind  die Wichte des Bodens unter Auftrieb und w die Wichte des Porenwassers. Die seitliche effektive Spannung x und die seitliche totale Spannung x können geschrieben werden als:

 x = K0   z = K0     z

(4.31)

 x =  x + u = K0     z +  w  z

(4.32)

x

GOK

z

z

x

x z

x

Wichte r

z

Bild 4-4

z

GW

z

z

x

u z

u

x

Spannungen in homogenem Baugrund unter Grundwasser

144

4 Bodenmechanik

4.2.1.2 Seitendruckbeiwert K0 Der Seitendruckbeiwert K0 ist von der Vorbelastungsgeschichte abhängig. Baugrund mit vertikaler Vorbelastung hat einen höheren Seitendruckbeiwert als unter Eigengewicht verdichteter Baugrund. Bei homogenem Baugrund kann der Seitendruckbeiwert K 0 nach der Elastizitätstheorie in Abhängigkeit von der Poissonzahl  mit der Gleichung K0 =

4



(4.33) 1 − abgeschätzt werden. Bei normalkonsolidierten feinkörnigen Böden und bei unter Eigengewicht verdichteten grobkörnigen Böden kann der Seitendruckbeiwert K 0 nach Jaky [17] in Abhängigkeit vom effektiven Reibungswinkel  mit der Gleichung K0 = 1 − sin  

(4.34)

abgeschätzt werden. Bei überkonsolidierten Böden kann der Seitendruckbeiwert K 0 in Abhängigkeit vom effektiven Reibungswinkel  und dem Konsolidierungsverhältnis OCR mit der Gleichung

K0 = (1 − sin  )  OCR

(4.35)

grob abgeschätzt werden. 4.2.1.3

Spannungen in geschichtetem Baugrund

In horizontal geschichtetem Baugrund kann die vertikale effektive Spannung z,n an der Schichtgrenze n (Bild 4-5) mit der Gleichung

 z ,n =

n

  i  hi

(4.36)

i =1

ermittelt werden, wobei hi die Mächtigkeit der Bodenschicht i und i die effektive Bodenwichte der Bodenschicht i sind. Unterhalb des Grundwasserspiegels hat die effektive Bodenwichte i den Wert i der Wichte unter Auftrieb. x z

1 2 3 n

GOK

GW

x

0



h3



hn



u

0

z Bild 4-5

z



h1 h2

0

z,n

z

x,n

z

un

Spannungen in geschichtetem Baugrund

Die horizontale effektive Spannung x,n an den Schichtgrenze n kann näherungsweise mit der Gleichung  x ,n = K0   z ,n (4.37)

4.2 Spannungsermittlung

145

abgeschätzt werden. Die Werte des Seitendruckbeiwerts K 0 und damit die Spannungen x,n sind rechnerisch im Allgemeinen oberhalb und unterhalb einer Schichtgrenze unterschiedlich. In der Realität verlaufen diese Spannungsänderungen nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich. Der hydrostatische Wasserdruck u unterhalb des freien Grundwasserspiegels kann grundsätzlich nach Gleichung (4.29) berechnet werden.

4.2.2

Spannungen infolge von Lasten

Bei der Berechnung von Spannungen infolge von Lasten wird der Baugrund im einfachsten Fall als homogener, isotroper, elastischer Halbraum betrachtet. Außerdem wird unterstellt, dass der Boden Zugspannungen übertragen kann und die Spannungen infolge des Bodeneigengewichtes die Spannungen infolge von Lasten nicht beeinflussen und somit ein linearer Zusammenhang zwischen Spannungen und Verformungen besteht. Für diese Randbedingungen, die zu einer Vereinfachung der realen Verhältnisse führen, sind im Folgenden Lösungen für die Spannungsermittlung angegeben. Besondere Bedeutung hat die Spannungsberechnung zum Beispiel bei der Berechnung der Setzungen des Baugrundes infolge von äußeren Lasten. 4.2.2.1 Spannungen infolge einer vertikalen Einzellast Die Spannungen in einem beliebigem Punk A im Baugrund infolge einer vertikalen Einzellast P können in Zylinderkoordinaten dargestellt werden (Bild 4-6). Boussinesq [3] hat unter Anwendung der Elastizitätstheorie mit Hilfe einer Spannungsfunktion die Spannungen im Punkt A hergeleitet. Die Lösung lautet:

z =

3 3P 5  = 3Pz cos 2  z 2 2 R5

(4.38a)

r =

P  cos2   P  3r 2 z (1 − 2 ) R  3 2 −  3cos  sin  − (1 − 2 ) = 2 R + z  2  z  1 + cos  2 R 2  R3

(4.38b)

 = −  rz =

(1 − 2 ) P  3 cos2   (1 − 2 ) P  z R  − −  cos  =− 2  z 2  1 + cos  2 R 2  R R − z 

3P 3P rz 2 cos4  sin = 2 2  z 2 R3

(4.38c) (4.38d)

Im achsialsymmetrischen Spannungszustand gilt z = z = 0. Die radiale Spannung r und die tangentiale Spannung  sind von der Poissonzahl  abhängig. Unabhängig von der Poissonzahl v sind die vertikale Spannung z und die Schubspannung zr = rz. 4.2.2.2 Spannungen infolge einer vertikalen Linienlast Die Spannungszustände im Baugrund unter der Wirkung einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Linienlast q können vereinfacht unter der Annahme eines ebenen Verformungszustands beschrieben werden (Bild 4-7). Die Spannungen werden häufig in rechtwinkligen Koordinaten dargestellt. In einem beliebigen Punkt A in der x, z -Ebene können sie nach der Elastizitätstheorie mit Hilfe einer Spannungsfunktion hergeleitet werden. Die vertikale Spannung z kann auch durch Integration der Gleichung (4.38a) für y = –∞ bis y = +∞ erhalten werden, wobei P durch dP = qdy, z durch dz und R durch Ry ersetzt werden. Die Lösung lautet:

4

146

4

4 Bodenmechanik

x =

2q sin 2  cos 2q x 2 z =   R4 R

(4.39a)

z =

2q cos3  2q z 3 =   R4 R

(4.39b)

 xz =

2q sin cos 2  2q xz 2 =   R4 R

(4.39c)

Im ebenen Verformungszustand gilt yx = yz = 0. Die Spannungen x, z und xz sind von der Poissonzahl  unabhängig. P x



r

y



dy

y

q



z

x

R z

A





rz

z

R

z

x A

r

z

Bild 4-6

Ry

x

z

x

xz

z

Spannungen infolge einer vertikalen Einzellast

Bild 4-7

Spannungen infolge einer vertikalen Linienlast

4.2.2.3 Spannungen infolge einer horizontalen Linienlast Spannungszustände im Baugrund unter der Wirkung einer gleichmäßig verteilten, horizontalen Linienlast q können ebenfalls unter der Annahme ebener Verformungszustände ermittelt werden (Bild 4-8). Ähnlich wie die Spannungen im Baugrund infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Linienlast können die Spannungskomponenten in einem beliebigen Punkt A wie folgt geschrieben werden:

x =

2q sin 3  2q x3 =  R  R4

(4.40a)

z =

2q sin cos 2  2q xz 2 =   R4 R

(4.40b)

 xz =

2q sin 2  cos 2q x 2 z =   R4 R

(4.40c)

Die Spannungskomponenten x, z und xz sind wiederum von der Poissonzahl  unabhängig.

4.2 Spannungsermittlung

147

4.2.2.4 Spannungen infolge einer vertikalen Streifenlast Bei Spannungszuständen im Baugrund unter der Wirkung einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Streifenlast p der Breite b wird ebenfalls ein daraus resultierender ebener Verformungszustand angenommen (Bild 4-9). Die Spannungen in einem beliebigen Punkt A können nach der Elastizitätstheorie mit Hilfe einer Spannungsfunktion nach Kézdi [21] hergeleitet werden oder können durch Integration der Gleichungen (4.39a) bis (4.39c) für  = 1 bis  = 2 erhalten werden, wobei q durch dp = q  dx, R durch R = z/cos, x, z und xz durch dx, dz bzw. dxz ersetzt werden. Die Lösung lautet:

x =

z =  xz =

p



[(  2 − 1 ) − sin(  2 − 1 ) cos(  2 + 1 )]

(4.41a)

[(  2 − 1 ) + sin( 2 − 1 ) cos(  2 + 1 )]

(4.41b)

sin(  2 − 1 )sin(  2 + 1 )

(4.41c)

p

 p



y

b



x

dx

p

q

x x



z

R

z

x A

x

z

x

xz

3 x

A

1  

z





z

z

Bild 4-8

2  1

z

Spannungen infolge einer horizontalen Linienlast

Bild 4-9

Spannungen infolge einer vertikalen Streifenlast

Die Hauptspannungen 1 und 3 im Punkt A können geschrieben werden als:

1,3 =

p



[(  2 − 1 )  sin(  2 − 1 )]

(4.42)

Der Winkel 0 zwischen der Richtung der Hauptspannung 1 und der z-Achse beträgt:

1 2

0 = (  2 + 1 ) Die Spannungen in der x, z-Ebene sind von Materialparametern unabhängig.

(4.43)

4

148

4 Bodenmechanik

4.2.2.5 Spannungen infolge einer dreieckförmig verteilten, vertikalen Streifenlast Spannungszustände im Baugrund unter der Wirkung einer dreiecksförmig verteilten, vertikalen Streifenlast der Breite b führen ebenfalls zu ebenen Verformungszustände (Bild 4-10). Die Spannungen in einem beliebigen Punkt A im Baugrund können durch Integration der Gleichungen (4.39) hergeleitet werden. Die Lösung lässt sich schreiben wie folgt:

4

x =

 p0  x z R12 1   − ln 2 + sin 2  b R2 2  b 

(4.44a)

z =

p0  x 1   − sin 2  2   b 

(4.44b)

 xz =

p0  1 1 z  + cos 2 − b    2 2

(4.44c)

Die drei Spannungskomponenten x, z und xz sind von Materialparametern unabhängig.

p

b p0 

x



r0

0

x

z x

x

r

z A

z Bild 4-10 Spannungen infolge einer dreieckförmig verteilten, vertikalen Streifenlast

z

R

r

z A

z Bild 4-11 Spannungen infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen kreisförmigen Last

4.2.2.6 Spannungen infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen kreisförmigen Last Die Spannungen im Baugrund infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen kreisförmigen Last p (Bild 4-11) können durch Integration der Gleichung (4.38) hergeleitet werden. Die Spannungskomponenten unter dem Mittelpunkt 0 (r = 0) können in Zylinderkoordinaten dargestellt werden als:

4.2 Spannungsermittlung

3/2     1   z = p 1 −   2  1 + (r0 / z )  

 r =  =

 p z3 2(1 + ) z + 2 (1 + 2 ) − 2  2 1/2 2 3/2 2  (r0 + z ) (r0 + z ) 

 rz = 0

149

(4.45a)

(4.45b) (4.45c)

Die vertikale Spannung z ist von der Poissonzahl  unabhängig, während die radiale Spannung r von der Poissonzahl  abhängig ist. 4.2.2.7 Spannungen infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast unter einem Eckpunkt Die Spannungen im Baugrund infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast q (Bild 4-12) können durch Integration der Gleichung (4.38) erhalten werden. Die allgemeine Lösung wurde von Love [26] hergeleitet. Die Spannungen unter dem Eckpunkt einer rechteckigen Lastfläche lauten nach Holl [16] für  = 0,5:

z =

q 2

 ab abz  1 1  + arctan  2 + 2   zR3 R3  R1 R2   

(4.46a)

x =

q 2

 ab abz  − 2  arctan zR3 R1 R3  

(4.46b)

y =

q 2

 ab abz  − 2  arctan zR3 R2 R3  

(4.46c)

 xz =

q 2

b z 2b   − 2   R2 R1 R3 

(4.46d)

 yz =

q a z2a   − 2  2  R1 R2 R3 

(4.46e)

 xy =

q 2

  1 z 1  − z  + 1 +    R3  R1 R2  

mit den Abkürzungen R1 = a 2 + z 2 R2 = b2 + z 2 R3 = a 2 + b2 + z 2

(4.46f)

4

150

4 Bodenmechanik

Die vertikale Spannung z ist von  unabhängig. Die Gleichung (4.46a) kann umformuliert werden zu:

z =

q  a b a b  z + arctan 2  z  a 2 + b2 + c 2 a 2 + b2 + c 2

1   1  2 + 2  2 b + z 2   a +z

(4.47)

4

Bild 4-12 Spannungen infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast

Steinbrenner [33] hat die Gleichung (4.47) für beliebige Seitenverhältnisse a/b der Lastfläche ausgewertet und die Spannungsbeiwerte i1 = z/q in Abhängigkeit vom Seitenverhältnis a/b und vom Tiefenverhältnis z/b der Lastfläche eingeführt (Bild 4-13). Mit dem Spannungsbeiwert i1 kann die vertikale Spannung z = i1q unter dem Punkt 1 in der Tiefe z berechnet werden.

Bild 4-13 Spannungsbeiwerte i1 nach Steinbrenner [33]

Der Begriff Lastfläche steht gleichbedeutend für „schlaffe Lastfläche“. Die Lösungen gelten daher auch nur für biegeschlaffe Fundamente. Für den anderen Grenzfall eines starren Fundamentes kann hilfsweise die Spannungsermittlung unter dem kennzeichnenden Punkt (Abschnitt 4.2.2.9) herangezogen werden.

4.2 Spannungsermittlung

151

4.2.2.8 Spannungen infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast unter einem Punkt innerhalb und außerhalb der Lastfläche Zur Berechnung der vertikalen Spannung z infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast q unter dem Punkt o innerhalb der Lastfläche A kann die Lastfläche A durch den Punkt o in vier Teilflächen A1, A2, A3 und A4 aufgeteilt werden, bei denen der Punkt o jeweils ein Eckpunkt ist (Bild 4-14). Die den Teilflächen A1 bis A4 entsprechenden Spannungsbeiwerte io1 bis io4 können aus Bild 4-13 abgelesen werden. Die vertikale Spannung z infolge der gleichmäßig verteilten vertikalen Last q unter dem Punkt o beträgt:

 z = (io1 + io2 + io3 + io4 )  q = io  q

o

4

b1

a

b

(4.48)

=

a1

A1

A

io

=

io1

a3 b2 o+

a2

A2

+

o+

b3

o

+

io2

a4

A3

+

io3

o

b4

A4

+

io4

Bild 4-14 Einteilung in vier Teilflächen zur Berechnung der Spannung z unter dem Punkt o innerhalb der Lastfläche A

Zur Berechnung der vertikalen Spannung z infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast q unter dem Punkt o außerhalb der Lastfläche A können durch den Punkt o vier Teilflächen A1, A2, A3 und A4 aufgespannt werden (Bild 4-15). Die den Teilflächen A1 bis A4 entsprechenden Spannungsbeiwerte io1 bis io4 können aus Bild 4-13 abgelesen werden. Die vertikale Spannung z infolge der gleichmäßig verteilten vertikalen Last q unter dem Punkt o beträgt:

 z = (io1 − io2 − io3 + io4 )  q = io  q a

b

b3

b1

A

a1

A1

=

=

a2 o

o io

(4.49)

io1

-

b2

A2 io2

a3

+

o -

b4

A3

-

o io3

+

a4

A4

o

io4

Bild 4-15 Einteilung in vier Teilflächen zur Berechnung der Spannung z unter dem Punkt o außerhalb der Lastfläche A

152

4 Bodenmechanik

4.2.2.9 Spannungen infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Rechtecklast unter dem kennzeichnenden Punkt K Zur Berechnung der Setzungen eines starren Fundamentes werden die vertikalen Spannungen z unter dem kennzeichnenden Punkt K (Bild 4-16) bestimmt. Aus Gleichung (4.47) und unter Berücksichtigung von Bild 4-14 kann die vertikale Spannung z infolge einer gleichmäßig verteilten, vertikalen Rechtecklast q unter dem kennzeichnenden Punkt K geschrieben werden als:

4

z =

ai  bi ai  bi  z q 4   arctan + 2 2 2 2 2 i =1  z  ai + bi + z ai + bi2 + z 2 



mit a1 = 0,87a b1 = 0,87b

a2 = 0,87a b2 = 0,13b

 1 1  +  2  2 2 + z2  + a z b i i   

a3 = 0,13a b3 = 0,87b

(4.50)

a4 = 0,13a b4 = 0,13b

Zur Berechnung der vertikalen Spannung z unter dem kennzeichnenden Punkt K hat Kany [20] die Spannungsbeiwerte iK = z/q in Abhängigkeit vom Seitenverhältnis a/b und dem Tiefenverhältnis z/b hergeleitet (Bild 4-16). Mit dem Spannungsbeiwert iK kann die vertikale Spannung z = iK  q unter dem kennzeichnenden Punkt K in der Tiefe z berechnet werden. Durch Vergleich (4.50) mit (4.47) und unter Berücksichtigung von (4.48) und Bild 4-14 ist zu erkennen, dass die Kany-Tafel (Bild 416) tatsächlich die Anwendung der Steinbrenner-Tafel (Bild 4-13) an dem kennzeichnenden Punkt K darstellt.

Bild 4-16 Gleichmäßig verteilte Rechtecklast und Spannungsbeiwerte iK = z/q [11]

4.2 Spannungsermittlung

153

4.2.2.10 Spannungen infolge einer dreieckförmigen Flächenlast mit rechteckigem Grundriss Die lotrechte Spannung z1 in der Tiefe z unter dem Eckpunkt der Ordinate q = 0 einer lotrechten Dreieckslast auf rechteckiger Grundfläche (Bild 4-17) im elastisch-isotropen Halbraum kann nach Jelinek [18] geschrieben werden als:

 z1 =

q 2

  az a  z3  +  2 2 b  ( z 2 + b2 )  a 2 + b2 + z 2   b  a + z

(4.51)

Die Spannungsbeiwerte isd1 = z1/q in Abhängigkeit vom Seitenverhältnis a/b bzw.

a/

b a , 2 2

/

b 2

und vom Tiefenverhältnis z/a bzw. z/b, z /

b , 2

a 2

/ b,

a 2

z / der Lastfläche können aus Bild

4-17 abgelesen werden. Mit dem Spannungsbeiwert isd1 können die vertikale Spannung A = isd1  q unter dem Punkt A in der Tiefe z und die vertikale Spannung B = 2  isd1  q unter dem Punkt B in der Tiefe z berechnet werden (Bild 4-17). Die vertikale Spannung C = 2  isr  q/2 unter dem Punkt C in der Tiefe z und die vertikale Spannung M = 4  isr  q/2 unter dem Punkt M in der Tiefe z (Bild 4-17) werden mit Hilfe des Spannungsbeiwertes isr = i1 aus Bild 4-13 ermittelt.

Bild 4-17 Dreieckförmige Flächenlast und Spannungsbeiwerte i sd1 = z1/q [11]

4

154

4 Bodenmechanik

Analog zur Ordinate q = 0 wird die lotrechte Spannung z2 in der Tiefe z unter dem Eckpunkt der vollen Ordinate q einer lotrechten Dreieckslast wie folgt ermittelt (Jelinek [18]):

 z2 =

4

q  a b az a 2 + b2 + z 2 + a 2 + z 2   arctan + 2   2 b 2  z  a 2 + b2 + z 2 a + z 

(4.52)

Die Spannungsbeiwerte isd2 = z2/q ergeben sich aus Bild 4-18. Mit dem Spannungsbeiwert isd2 können die vertikale Spannung z2 = isd2  q unter dem Punkt 2 in der Tiefe z, die vertikale Spannung D = isd2  q unter dem Punkt D in der Tiefe z und die vertikale Spannung E = 2  isd2q unter dem Punkt E in der Tiefe z berechnet werden (Bild 4-18).

Bild 4-18 Dreieckförmige Flächenlast und Spannungsbeiwerte i sd2 = z2/q [11]

4.2.2.11 Spannungen infolge einer kreisförmigen Flächenlast Der Spannungsbeiwert ir = z/q für die Berechnung der unter verschiedenen Punkten und unter dem kennzeichnenden Punkt K einer kreisförmigen Flächenlast q in der Tiefe z hervorgerufenen Spannung z im elastisch-isotropen Halbraum kann nach Grasshoff [12] und Grasshoff/Siedek/Floss [13] durch numerische Ermittlung gewonnen werden. Aus Bild 4-19 kann der Spannungsbeiwert ir in Abhängigkeit vom Verhältnis x/r und vom Tiefenverhältnis z/r abgelesen werden.

4.2 Spannungsermittlung

155

4

Bild 4-19 Kreisförmige Flächenlast und Spannungsbeiwerte ir = z/q [11]

4.2.2.12 Spannungen infolge beliebiger Lasten und Flächen Die vertikalen Spannungen z unter einem beliebigen Punkt in der Tiefe z unter der Halbraumoberfläche infolge beliebiger Flächenlasten mit beliebig geformten Grundflächen können entweder durch Integration der Gleichung (4.38a) mittels Rechenprogrammen oder nach dem Verfahren von Newmark [28] erhalten werden. Für die Berechnung der Spannung z unter dem Mittelpunkt einer gleichmäßig belasteten Kreisfläche erhält man aus Gleichung (4.45a) 1

2  2 r0   z  3  = 1 −  − 1 . z  p   

(4.53)

Durch Einsetzen der Werte z/p = 0,1; 0,2; 0,3 usw. lassen sich Halbmesser r0 berechnen, 1 deren Flächen bei gleichmäßig verteilter Belastung und 10 Kreisringen je 10 z liefern. Wenn man zusätzlich die Ringe unterteilt, z. B. in 20 Segmente, erhält man ein Netz, bei dem jede Masche Druckspannungen mit einem Anteil von z/(1020) = 0,005z in der Tiefe z liefert (Bild 4-20). Jede Masche ist also eine Einflussfläche.

156

4 Bodenmechanik

Bild 4-20 Einflusskarte nach Newmark [11]

4

Die Grundfläche wird für die zu untersuchende Tiefe z in einem solchen Maßstab aufgetragen, dass die Strecke AB = z (Bild 4-20) ist. Daher muss die Grundfläche für jede Tiefe z in dem zugehörigen Maßstab neu gezeichnet werden. Einfacher ist es, das Raster der Grundfläche in nur einem Maßstab zu zeichnen und dafür die Einflusskarte nach Bild 4-20 in einer Reihe von verschiedenen Maßstäben auf durchsichtigem Papier aufzuzeichnen. Man legt dann die zur gewählten Tiefe z passende Karte so auf die Grundfläche, dass der Mittelpunkt M auf dem Punkt liegt, für den die Spannungsverteilung gesucht wird. Dann werden die von den Lastflächen bedeckten Maschen gezählt und mit der jeweiligen Flächenbelastung und mit dem Einflusswert (hier: 0,005) multipliziert. Der gesuchte Wert für die Spannung z in der Tiefe z ist dann:

 z = 0, 005 

i =k

 ni  pi

(4.54)

i =1

Hierbei ist ni die Anzahl der Maschen, auf die eine konstante Flächenlast pi wirkt. Die Halbmesser der Kreise für die Einflusskarte nach Newmark sind in Tabelle 4.2 angegeben. Tabelle 4.2 Kreis

Halbmesser der Kreise für die Einflusskarte nach Newmark

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

z/p

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

r/z

0,000

0,270

0,400

0,518

0,637

0,766

0,918

1,110

1,387

1,908



4.3 Berechnung von Zeitsetzungen

4.3

157

Berechnung von Zeitsetzungen

4.3.1 Einleitung Wenn auf eine gesättigte, feinkörnige Bodenschicht eine großflächige Belastung aufgebracht wird, entsteht an der Oberfläche der Bodenschicht eine zeitabhängige Setzung (vgl. auch Kapitel Laborversuche). Die Zeitsetzung kann in drei Anteile zerlegt werden, die Sofortsetzung, Konsolidationssetzung und Sekundärsetzung genannt werden (Bild 2-24). Die Sofortsetzung s0 wird bei großflächiger Belastung einer teilgesättigten Bodenschicht hauptsächlich von der Kompression und Auspressung der Gasblasen in den Porenräumen verursacht. Bei einer begrenzten Belastungsfläche wird die Sofortsetzung einer gesättigten oder teilgesättigten Bodenschicht teilweise auch durch die Scherverformungen des Bodens bewirkt. Der Anteil der Sofortsetzung infolge der Volumenverformung der Bodenkörner selbst ist sehr gering. Die Sofortsetzung einer gesättigten Bodenschicht unter einer großflächigen Belastung ist vernachlässigbar klein. Die Konsolidationssetzung s1 einer gesättigten feinkörnigen Bodenschicht wird von der Entwässerung der Bodenschicht unter der Wirkung des Porenwasserüberdrucks verursacht, der aus der Belastung resultiert. Die Konsolidationssetzung wird auch als Primärsetzung oder Konsolidierung bezeichnet. Die Sekundärsetzung s2 einer gesättigten Bodenschicht hat ihre Ursache hauptsächlich im Scherkriechen zwischen den Bodenkörnern. Sie wird auch Kriechsetzung genannt.

4.3.2

Eindimensionale Konsolidationssetzung

4.3.2.1 Eindimensionale Konsolidationstheorie Der Konsolidationsvorgang eines Bodenelementes in einem beliebigen Punkt einer gesättigten feinkörnigen Bodenschicht kann durch das Federtopfmodell nach Terzaghi dargestellt werden (Bild 4-21). Die Feder beschreibt das Korngerüst des Bodens und das Wasser im Topf das Porenwasser. Die Lochgrößen im Kolben sind vom Durchlässigkeitsbeiwert des Bodens abhängig. Unmittelbar nach der Belastung p, zum Zeitpunkt t = 0, gilt für den Wasserdruck (Porenwasserüberdruck) u = p und für die effektive Spannung im Korngerüst  = 0. Für t > 0 wird das Wasser durch das Loch des Kolbens teilweise ausgepresst, die Feder wird dadurch gespannt. Somit gelten 0 < u < p und 0 <  < p mit p =  + u. Für t = ∞ wird die Last p nur von der Feder übernommen, somit gelten  = p, u = 0 und p =  + u. Der Konsolidationsvorgang des Bodenelementes beschreibt allgemein die Wechselwirkungen zwischen den Spannungen u des Porenwassers und den effektiven Spannungen  sowie den korrespondierenden Verformungen. Es gilt grundsätzlich:

p =+u

(4.55)

4

158

4 Bodenmechanik

Wasser

Löcher p

h0

Kolben

p

p

h 0,3

Drehung um den Wandfuß s1

0,4 % bis 0,5 %

0,1 % bis 0,2 %

s1/h = -0,08D + 0,12

Parallele Bewegung s2

0,2 % bis 0,3 %

0,05 % bis 0,1 %

s2/h = -0,08D + 0,12

Drehung um den Wandkopf s3

0,8 % bis 1,0 %

0,2 % bis 0,5 %

s3/h = -0,05D + 0,09

Durchbiegung s4

0,4 % bis 0,5 %

0,1 % bis 0,2 %



4.4 Erddruck

169

Die Geländeoberfläche hinter der Wand kann unter dem Geländeneigungswinkel  geneigt sein (Bild 4-33), die Neigung der Wand wird über den Wandneigungswinkel  beschrieben. Der Winkel zwischen der Wandnormalenrichtung und der Richtung des Erddrucks wird Neigungswinkel  des Erddrucks genannt (Bild 4-33). Die Neigungsrichtung des Erddrucks in Bezug zur Wandnormalenrichtung ist von der Relativverschiebung zwischen Wand und Boden abhängig. Die Größe des Neigungswinkels ist nicht nur von der Wandbeschaffenheit und dem Reibungswinkel des Bodens abhängig, sondern auch von der Größe der Relativverschiebung von Wand und Boden. Der physikalisch mögliche Maximalwert des Neigungswinkels für den aktiven und passiven Erddruck wird als Wandreibungswinkel bezeichnet.

4

Geländeoberfläche + e(z) Erddruck

Wand +

+

Bild 4-33 Geländeneigungswinkel , Wandneigungswinkel  und Erddruckneigungswinkel 

Boden

z

In der Regel gilt für die Neigungsrichtung des Erddrucks: a ≥ 0 für aktiven Erddruck p ≤ 0 für passiven Erddruck 0 ≤  bei  ≥ 0 und 0 = 0 bei  < 0 für Erdruhedruck. Die Wandreibungswinkel  für aktiven und passiven Erddruck sind in Abhängigkeit vom effektiven Reibungswinkel  des Bodens nach DIN 4085 [8] für unterschiedliche Wandbeschaffenheiten in Tabelle 4.5 angegeben. Tabelle 4.5

Wandreibungswinkel  nach DIN 4085 [8]

Wandbeschaffenheit verzahnt rau weniger rau glatt

4.4.2

Wandreibungswinkel

   

=  = 2   / 3 =  / 2 =0

Erddrucktheorie nach Coulomb

4.4.2.1 Annahmen Die Erddrucktheorie nach Coulomb [6] geht von folgenden Annahmen aus: – Die Wand dreht sich um den Fußpunkt. – Die Wandbewegung ist zur Weckung des aktiven bzw. passiven Erddrucks ausreichend groß.

170

4 Bodenmechanik

– Die Gleitfläche ist eben und der Gleitkörper starr. – Der Boden hinter der Wand ist kohäsionslos. – Entlang der Gleitfläche gilt das Coulomb’sche Schergesetz und die Scherfestigkeit ist konstant. 4.4.2.2 Aktiver Erddruck

4

Wenn sich eine Wand der Höhe h mit ausreichender Verschiebung vom Erdreich wegbewegt, entsteht, zusätzlich zur Gleitfläche zwischen der Wand und dem Boden, eine weitere Gleitfläche im Boden hinter der Wand (Bild 4-34). An den beiden Gleitflächen ist der Boden im Grenzzustand. Die Erddruckkraft E an der Wand ist vom Neigungswinkel  der Gleitfläche im Boden abhängig. Die der maximalen Erddruckkraft entsprechenden Gleitfläche ist die maßgebende Gleitfläche. Die entsprechende Neigung der Gleitfläche wird mit a bezeichnet. Die entsprechende Erddruckkraft mit einem Neigungswinkel  = a zur Normalenrichtung der Wand ist die aktive Erddruckkraft und wird mit Ea bezeichnet. Für die maßgebende Gleitfläche wird durch eine Kräftebilanz im Grenzzustand die Erddruckkraft Ea folgendermaßen berechnet:

Ea = mit

  h2 2

Ka

(4.86)

: Bodenwichte Ka: aktiver Erddruckbeiwert, der sich ergibt zu Ka =

cos 2 ( −  )  sin(  +  a )sin( −  )  cos 2   1 +  cos( −  ) cos( +  a )  

2



1 cos( +  a )

(4.87)

Der Angriffspunkt der Erddruckkraft Ea liegt in der Höhe h/3 über dem Wandfuß. Geländeoberfläche Gleitfläche

+

h

Wand

h/3

 = a

Q

E = Ea

/2--

Ea

G

+

Q



 = a

G a - 

Bild 4-34 Aktiver Erddruck nach Coulomb [6]

Die Neigungswinkel a der maßgebenden Gleitfläche kann geschrieben werden als: 

a =  + arc cot  tan( −  ) + 

sin( +  a ) cos( −  )   cos( −  ) sin( −  ) cos( +  a )  1

(4.88)

4.4 Erddruck

171

Die horizontale Komponente Eah der aktiven Erddruckkraft folgt zu:

Eah = Ea cos( +  a ) =

  h2 2

K ah

(4.89)

mit dem entsprechenden aktiven Erddruckbeiwert

K ah

      cos( −  ) =     cos   1 + sin( +  a ) sin( −  )     cos( −  ) cos( +  a )     

2

(4.90)

4

Für  =  = a = 0 hat man speziell:

Ka = Kah = tan 2 ( / 4 −  / 2)

(4.91)

a =  / 4 +  / 2

(4.92)

und

Der aktive Erddruckbeiwert Kah kann aus Tabelle 4.6 abgelesen werden. Tabelle 4.6  = 25°

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb

 = –25°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,14

0,18

0,22

0,24

0,26

0,26

0,24

17

0,15

0,19

0,23

0,26

0,28

0,29

0,29

8

0,16

0,21

0,25

0,29

0,32

0,34

0,34

0

0,17

0,22

0,28

0,32

0,36

0,39

0,41

 = 25°

 = –15°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,15

0,19

0,24

0,27

0,29

0,30

0,30

17

0,16

0,21

0,25

0,29

0,32

0,34

0,35

8

0,17

0,22

0,27

0,32

0,36

0,39

0,41

0

0,18

0,24

0,30

0,35

0,40

0,44

0,48

 = 25°

 = –5°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,16

0,21

0,26

0,30

0,33

0,36

0,37

17

0,17

0,22

0,28

0,32

0,36

0,40

0,42

8

0,18

0,24

0,30

0,35

0,40

0,45

0,49

0

0,19

0,26

0,32

0,39

0,44

0,50

0,55

172

4 Bodenmechanik

Tabelle 4.6  = 25°

 = 0°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,17

0,22

0,28

0,32

0,36

0,9

0,41

17

0,18

0,24

0,29

0,34

0,39

0,43

0,46

8

0,19

0,25

0,31

0,37

0,43

0,48

0,53

0

0,20

0,27

0,34

0,41

0,47

0,53

0,60

 = 25°

4

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb (Fortsetzung)

 = 5°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,18

0,24

0,30

0,35

0,39

0,43

0,45

17

0,19

0,25

0,31

0,37

0,42

0,47

0,51

8

0,20

0,27

0,33

0,40

0,46

0,52

0,58

0

0,21

0,28

0,36

0,43

0,50

0,57

0,65

 = 25°

 = 15°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,21

0,29

0,36

0,43

0,49

0,55

0,60

17

0,22

0,30

0,37

0,45

0,52

0,59

0,66

8

0,23

0,31

0,40

0,48

0,56

0,64

0,72

0

0,24

0,33

0,42

0,50

0,59

0,69

0,79

 = 25°

 = 25°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

25

0,44

0,57

0,69

0,82

0,96

1,12

1,32

17

0,44

0,57

0,69

0,82

0,96

1,12

1,32

8

0,44

0,57

0,69

0,82

0,96

1,12

1,32

0

0,44

0,57

0,69

0,82

0,96

1,12

1,32

 = 30°

 = –30°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,10

0,13

0,16

0,19

0,20

0,20

0,18

20

0,10

0,14

0,18

0,21

0,23

0,24

0,22

10

0,11

0,15

0,19

0,23

0,26

0,27

0,27

0,11

0,16

0,21

0,26

0,29

0,32

0,33

0  = 30°

 = –20°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,10

0,14

0,18

0,21

0,23

0,24

0,22

20

0,11

0,15

0,19

0,23

0,26

0,27

0,28

10

0,11

0,16

0,21

0,26

0,30

0,33

0,33

0

0,12

0,17

0,23

0,28

0,33

0,37

0,40

 = 30°

 = –10°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,11

0,15

0,19

0,23

0,26

0,27

0,27

20

0,11

0,16

0,21

0,25

0,29

0,32

0,33

10

0,12

0,17

0,22

0,27

0,32

0,36

0,39

0

0,13

0,19

0,25

0,30

0,36

0,41

0,46

4.4 Erddruck

Tabelle 4.6  = 30°

173

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb (Fortsetzung)

 = 0°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,11

0,16

0,21

0,26

0,29

0,32

0,33

20

0,12

0,17

0,23

0,28

0,33

0,37

0,40

10

0,13

0,19

0,25

0,30

0,36

0,41

0,46

0

0,13

0,20

0,27

0,33

0,40

0,47

0,54

 = 30°

 = 10°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,13

0,19

0,24

0,30

0,35

0,39

0,41

20

0,13

0,19

0,26

0,32

0,38

0,43

0,48

10

0,14

0,21

0,27

0,34

0,41

0,48

0,55

0

0,15

0,22

0,30

0,37

0,45

0,54

0,63

 = 30°

 = 20°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,15

0,22

0,30

0,37

0,44

0,50

0,55

20

0,16

0,23

0,31

0,39

0,47

0,55

0,63

10

0,16

0,24

0,33

0,41

0,50

0,59

0,70

0

0,17

0,26

0,35

0,44

0,54

0,65

0,77

 = 30°

 = 30°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

30

0,33

0,47

0,61

0,75

0,91

1,10

1,33

20

0,33

0,47

0,61

0,75

0,91

1,10

1,33

10

0,33

0,47

0,61

0,75

0,91

1,10

1,33

0

0,33

0,47

0,61

0,75

0,91

1,10

1,33

 = 35°

 = –35°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,06

0,10

0,12

0,15

0,16

0,15

0,13

23

0,07

0,10

0,14

0,16

0,18

0,19

0,17

12

0,07

0,11

0,15

0,18

0,21

0,22

0,22

0,07

0,12

0,16

0,20

0,24

0,26

0,27

0  = 35°

 = –25°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,07

0,10

0,13

0,16

0,18

0,18

0,16

23

0,07

0,11

0,15

0,18

0,20

0,22

0,22

12

0,07

0,11

0,16

0,20

0,23

0,26

0,27

0

0,08

0,12

0,17

0,22

0,27

0,30

0,33

 = 35°

 = –15°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,07

0,11

0,14

0,18

0,20

0,21

0,20

23

0,07

0,11

0,16

0,20

0,23

0,25

0,26

12

0,08

0,12

0,17

0,21

0,26

0,29

0,32

0

0,08

0,13

0,19

0,24

0,29

0,34

0,39

4

174

4 Bodenmechanik

Tabelle 4.6  = 35°

 = –5°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,07

0,11

0,16

0,19

0,22

0,24

0,25

23

0,08

0,12

0,17

0,21

0,26

0,29

0,31

12

0,08

0,13

0,18

0,23

0,28

0,33

0,37

0,08

0,14

0,20

0,26

0,32

0,38

0,45

0  = 35°

4

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb (Fortsetzung)

 = 0°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,07

0,12

0,16

0,20

0,24

0,26

0,27

23

0,08

0,13

0,18

0,22

0,27

0,31

0,34

12

0,08

0,13

0,19

0,25

0,30

0,35

0,41

0

0,09

0,14

0,21

0,27

0,34

0,41

0,48

 = 35°

 = 5°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,08

0,12

0,17

0,22

0,26

0,29

0,30

23

0,08

0,13

0,18

0,24

0,29

0,34

0,37

12

0,08

0,14

0,20

0,26

0,32

0,38

0,44

0

0,09

0,15

0,21

0,28

0,36

0,43

0,51

 = 35°

 = 15°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,08

0,14

0,20

0,25

0,30

0,35

0,37

23

0,09

0,15

0,21

0,27

0,34

0,40

0,45

12

0,09

0,15

0,22

0,29

0,37

0,44

0,52

0

0,10

0,16

0,24

0,32

0,40

0,50

0,60

 = 35°

 = 25°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,10

0,17

0,24

0,31

0,38

0,45

0,50

23

0,10

0,18

0,25

0,33

0,42

0,50

0,59

12

0,11

0,18

0,27

0,35

0,45

0,55

0,66

0

0,11

0,19

0,28

0,38

0,48

0,60

0,74

 = 35°

 = 35°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

35

0,24

0,37

0,52

0,67

0,85

1,06

1,32

23

0,24

0,37

0,52

0,67

0,85

1,06

1,32

12

0,24

0,37

0,52

0,67

0,85

1,06

1,32

0

0,24

0,37

0,52

0,67

0,85

1,06

1,32

 = 40°

 = –40°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,04

0,07

0,09

0,11

0,12

0,11

0,09

27

0,04

0,07

0,10

0,13

0,14

0,14

0,13

13

0,04

0,08

0,11

0,14

0,17

0,18

0,17

0

0,05

0,08

0,12

0,16

0,19

0,21

0,21

4.4 Erddruck

Tabelle 4.6  = 40°

175

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb (Fortsetzung)

 = –30°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,04

0,07

0,10

0,12

0,14

0,14

0,12

27

0,04

0,08

0,11

0,14

0,16

0,17

0,17

13

0,04

0,08

0,12

0,16

0,19

0,21

0,22

0,05

0,09

0,13

0,17

0,22

0,25

0,27

0  = 40°

 = –20°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,04

0,07

0,11

0,13

0,15

0,16

0,15

27

0,04

0,08

0,12

0,15

0,18

0,20

0,21

13

0,05

0,08

0,13

0,17

0,21

0,24

0,26

0

0,05

0,09

0,14

0,19

0,24

0,28

0,32

 = 40°

 = –10°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,04

0,08

0,11

0,15

0,17

0,19

0,18

27

0,04

0,08

0,12

0,16

0,20

0,23

0,24

13

0,05

0,09

0,13

0,18

0,23

0,27

0,31

0

0,05

0,09

0,15

0,20

0,26

0,32

0,37

 = 40°

 = 0°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,05

0,08

0,12

0,16

0,19

0,21

0,21

27

0,05

0,09

0,13

0,18

0,22

0,26

0,29

13

0,05

0,09

0,14

0,20

0,25

0,31

0,36

0

0,05

0,10

0,16

0,22

0,28

0,35

0,43

 = 40°

 = 10°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,05

0,09

0,13

0,18

0,22

0,25

0,26

27

0,05

0,09

0,14

0,20

0,25

0,30

0,34

13

0,05

0,10

0,16

0,22

0,28

0,35

0,42

0

0,05

0,11

0,17

0,24

0,31

0,40

0,49

 = 40°

 = 20°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,05

0,10

0,15

0,21

0,26

0,30

0,32

27

0,05

0,10

0,16

0,23

0,29

0,35

0,41

13

0,06

0,11

0,17

0,25

0,32

0,41

0,50

0

0,06

0,12

0,19

0,27

0,35

0,45

0,57

 = 40°

 = 30°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,06

0,12

0,19

0,26

0,33

0,40

0,44

27

0,06

0,13

0,20

0,28

0,36

0,45

0,54

13

0,07

0,13

0,21

0,30

0,39

0,50

0,63

0

0,07

0,14

0,22

0,32

0,43

0,55

0,70

4

176

4 Bodenmechanik

Tabelle 4.6  = 40°

 = 40°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

40

0,16

0,28

0,43

0,59

0,77

1,00

1,29

27

0,16

0,28

0,43

0,59

0,77

1,00

1,29

13

0,16

0,28

0,43

0,59

0,77

1,00

1,29

0

0,16

0,28

0,43

0,59

0,77

1,00

1,29

 = 45°

4

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb (Fortsetzung)

 = –45°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,05

0,07

0,09

0,09

0,08

0,05

30

0,02

0,05

0,08

0,10

0,11

0,11

0,09

15

0,02

0,05

0,08

0,11

0,13

0,14

0,12

0

0,02

0,06

0,09

0,13

0,15

0,17

0,16

 = 45°

 = –35°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,05

0,07

0,09

0,11

0,10

0,08

30

0,02

0,05

0,08

0,11

0,13

0,14

0,13

15

0,02

0,05

0,09

0,12

0,15

0,17

0,17

0

0,02

0,06

0,10

0,14

0,17

0,20

0,22

 = 45°

 = –25°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,05

0,08

0,10

0,12

0,12

0,10

30

0,02

0,05

0,08

0,12

0,14

0,16

0,16

15

0,02

0,06

0,09

0,13

0,17

0,19

0,21

0

0,03

0,06

0,10

0,15

0,19

0,23

0,27

 = 45°

 = –15°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,05

0,08

0,11

0,13

0,14

0,12

30

0,02

0,05

0,09

0,13

0,16

0,18

0,19

15

0,02

0,06

0,10

0,14

0,18

0,22

0,25

0

0,03

0,06

0,11

0,15

0,21

0,26

0,31

 = 45°

 = –5°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,05

0,09

0,12

0,15

0,16

0,15

30

0,02

0,06

0,10

0,13

0,17

0,21

0,23

15

0,03

0,06

0,10

0,15

0,20

0,25

0,29

0

0,03

0,06

0,11

0,17

0,22

0,29

0,35

 = 45°

 = 0°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,06

0,09

0,13

0,15

0,17

0,16

30

0,03

0,06

0,10

0,14

0,18

0,22

0,24

15

0,03

0,06

0,11

0,15

0,21

0,26

0,31

0

0,03

0,07

0,11

0,17

0,23

0,30

0,38

4.4 Erddruck

Tabelle 4.6  = 45°

177

Erddruckbeiwerte Kah = Kagh nach Coulomb (Fortsetzung)

 = 5°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,02

0,06

0,09

0,13

0,16

0,18

0,18

30

0,03

0,06

0,10

0,15

0,19

0,23

0,26

15

0,03

0,06

0,11

0,16

0,22

0,28

0,33

0

0,03

0,07

0,12

0,18

0,24

0,32

0,40

 = 45°

 = 15°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,03

0,06

0,10

0,15

0,18

0,21

0,21

30

0,03

0,06

0,11

0,16

0,21

0,27

0,31

15

0,03

0,07

0,12

0,18

0,24

0,31

0,39

0

0,03

0,07

0,13

0,19

0,27

0,36

0,46

 = 45°

 = 25°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,03

0,07

0,12

0,17

0,22

0,26

0,27

30

0,03

0,07

0,12

0,18

0,25

0,32

0,38

15

0,03

0,07

0,13

0,20

0,28

0,36

0,46

0,03

0,08

0,14

0,22

0,31

0,41

0,53

0  = 45°

 = 35°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,03

0,08

0,14

0,21

0,28

0,34

0,38

30

0,03

0,08

0,15

0,23

0,31

0,40

0,50

15

0,03

0,09

0,16

0,24

0,34

0,45

0,58

0

0,04

0,09

0,17

0,26

0,37

0,50

0,66

 = 45°

 = 45°

a  ()

–30

–20

–10

0

10

20

30

45

0,09

0,20

0,34

0,50

0,69

0,93

1,24

30

0,09

0,20

0,34

0,50

0,69

0,93

1,24

15

0,09

0,20

0,34

0,50

0,69

0,93

1,24

0

0,09

0,20

0,34

0,50

0,69

0,93

1,24

4.4.2.3 Aktiver Erddruck: Graphisches Verfahren nach Culmann Zur Ermittlung der aktiven Erddruckkraft Ea und des entsprechenden Neigungswinkels a der Gleitfläche bei unebenem oder ungleichmäßig belastetem Gelände hat Culmann [7] ein graphisches Verfahren vorgestellt, das in Bild 4-35 und 4-36 beispielhaft für Erddruck aus dem Eigengewicht des Bodens und infolge einer Linienlast V dargestellt ist. Man wählt zunächst einige ebene Prüfgleitflächen 1,2, usw. durch den Wandfußpunkt O und errechnet die anteiligen Gewichte G1, G2, usw. sowie ggf. auch die Linienlast V. Weiterhin

4

178

4

4 Bodenmechanik

kann man graphisch die Erddruckkraft zu jeder Prüfgleitfläche bestimmen. Die Bilder 4-35 a) bis 4-35 c) zeigen beispielsweise die Vorgehensweise zur graphischen Ermittlung der Erddruckkraft E2 für die Prüfgleitfläche 2. Bild 4-35 a) zeigt den Gleitkeil durch die Gleitfläche 2 und die wirkenden Kräfte. In Bild 4-35 b) ist das entsprechende Kräftedreieck mit der Kräftebilanz dargestellt, wobei E'2 und E2 die Erddruckkräfte ohne bzw. unter Berücksichtigung der Linienlast V sind. Bild 4-35 c) zeigt den Gleitkeil und die im Uhrzeigersinn und mit dem Dehnwinkel 90° + φ gedrehten Kräftedreiecke, die in einem geeigneten Kräftemaßstab aufgetragen werden. Somit hat die Kraft Q2 die gleiche Richtung wie die entsprechende Gleitfläche 2. Die Gewichte G1 und G2 sowie V wirken vom Wandfußpunkt O aus in der Richtung der sogenannten Böschungslinie mit der Neigung -φ. Die Erddruckkräfte E2 und E'2 sind parallel zur Richtung der sogenannten Stellungslinie mit der Neigung 90° +  -  - φ. Ähnlich können die Kräftedreiecke für die anderen Gleitflächen 1 bis 6 gezeichnet, gedreht und zusammengesetzt werden (Bild 4-36). Durch alle Punkte Ki (siehe K2 in Bild 4-35 c) wird die Culmann-Erddrucklinie gezeichnet. Eine Gerade, die parallel zur Böschungslinie verläuft, wird dort an die Culmann-Erddrucklinie angetragen, wo die Erddruckkraft E am größten ist. Diese maximale Erddruckkraft ist die aktive Erddruckkraft E a(g+V). Die der Erddruckkraft Ea(g+V) entsprechende Gleitfläche (dicke Strichpunkt-Linie) ist die maßgebende Gleitfläche. Dadurch ist auch der Neigungswinkel a der Gleitfläche bestimmt. Die mit der gestrichelten Linie dargestellte Culmann-Erddrucklinie ist die Culmann-Erddrucklinie ohne Berücksichtigung der Auflast V und die entsprechende aktive Erddruckkraft ist Eag. Die dünne gestrichelte Linie zeigt die entsprechende maßgebende Gleitfläche. Wenn an der Geländeoberkante Linienlasten und Streifenlasten wirken, können mit den durch die Angriffspunkte der Linienlasten und durch die Ränder der Streifenlasten verlaufenden Prüfgleitflächen als Zwangsgleitflächen die graphischen Lösungen konstruiert werden.

Bild 4-35 Vorgehensweise zur Ermittlung der aktiven Erddruckkraft Ea nach dem CulmannVerfahren [7]

4.4 Erddruck

179

4

Bild 4-36 Culmann-Verfahren im Beispiel

4.4.2.4 Passiver Erddruck Wenn sich eine Wand mit ausreichender Verschiebung zum Erdreich hin bewegt, entsteht an der Wand eine passive Erddruckkraft Ep und im Boden hinter der Wand eine Gleitfläche mit dem Neigungswinkel p zur Horizontalen. Mit  = -p wird, ähnlich wie bei der Herleitung der aktiven Erddruckkraft Ea in Gleichung (4.86), die passive Erddruckkraft E p erhalten zu:

Ep =

  h2 2

Kp

(4.93)

mit dem passiven Erddruckbeiwert

Ka =

cos 2 ( −  )  sin( −  a ) sin( −  )  cos 2   1 +  cos( −  ) cos( +  a )  

2



1 cos( +  a )

(4.94)

Der Angriffspunkt der Erddruckkraft E p liegt in der Höhe h/3 über dem Wandfuß. Die horizontale Komponente Eph der passiven Erddruckkraft folgt zu:

E ph = E p cos( +  p ) =

  h2 2

K ph

(4.95)

mit dem entsprechenden passiven Erddruckbeiwert       cos( −  ) K ah =      cos   1 + sin( −  a ) sin( −  )     cos( −  ) cos( +  a )      Für  =  = p = 0 ergibt sich:

2

(4.96)

180

4 Bodenmechanik

K p = K ph = tan 2 ( / 4 +  / 2)

(4.97)

Der Neigungswinkel der maßgebenden Gleitfläche beträgt in diesem Fall

p =  / 4 −  / 2 .

(4.98)

Bei der Herleitung von Gleichung (4.93) ist eine ebene Gleitfläche angenommen worden. Die tatsächliche Gleitfläche im passiven Zustand ist gekrümmt, was zu einer kleineren passiven Erddruckkraft führt. Somit sind die mit den Gleichungen (4.93) und (4.95) ermittelten passiven Erddruckkräfte im Vergleich zu den tatsächlichen Erddruckkräften zu groß.

4

4.4.3

Erddrucktheorie nach Rankine

4.4.3.1 Annahmen Die Erddrucktheorie nach Rankine [30] geht von folgenden Annahmen aus: – Der Boden hinter der Wand ist isotrop und elastisch. – Die Festigkeit des Bodens gilt für die Mohr-Coulomb’sche Bruchbedingung (2.53). – Die Wandfläche ist glatt, somit sind die vertikalen und horizontalen Spannungen z bzw. x hinter der Wand Hauptspannungen. 4.4.3.2 Aktiver Erddruck Wenn sich eine Wand der Höhe h mit ausreichender Verschiebung vom Erdreich weg bewegt, befindet sich der Boden mit der Wichte  hinter der Wand in einem aktiven Grenzzustand (Bild 4-37 a). Die vertikale Spannung z = z in der Tiefe z ist die größte Hauptspannung 1. Die horizontale Spannung x ist der aktive Erddruck ea, der zugleich die kleinste Hauptspannung 3 ist.

z h

z

Grenzfläche

ea(z)

x = ea(z) a = 45 +

Ea



h/3

2

z a)

hKa b)

Bild 4-37 Aktiver Grenzzustand und aktiver Erddruck ea(z) nach Rankine

Für nichtbindige Böden kann nach der Mohr-Coulomb’schen Bruchbedingung (2.53) der aktive Erddruck ea(z) in der Tiefe z geschrieben werden zu ea ( z) = r  z  Ka

(4.99)

mit dem aktiven Erddruckbeiwert

  K a = tan 2  45 −  2 

(4.100)

4.4 Erddruck

181

Die Resultierende des aktiven Erddrucks ist die aktive Erddruckkraft Ea, die geschrieben wird als

Ea =

 2

 h2  K a .

(4.101)

Bild 4-37 b) zeigt die Verteilung des aktiven Erddrucks, der mit zunehmender Tiefe z zunimmt. Der aktive Erddruck ea(z) und die aktive Erddruckkraft Ea wirken in horizontaler Richtung. Der Abstand zwischen dem Angriffspunkt der Erddruckkraft und dem Wandfuß beträgt h/3. Der Neigungswinkel a zwischen einer Grenzfläche und der Horizontalen (Bild 4-37 a) beträgt

a = 45 +

 2

.

(4.102)

Für bindige Böden mit einer Kohäsion c kann Gleichung (4.99) erweitert werden zu ea ( z ) = r  z  Ka − 2c  Ka .

(4.103)

Der aktive Erddruck ea(z) in Gleichung (4.103) besteht aus zwei Anteilen (Bild 4-38). Der erste Anteil infolge des Eigengewichtes des Bodens ist positiv (Bild 4-38 b). Er hat eine dreieckförmige Verteilung. Der zweite Anteil infolge der Kohäsion ist negativ (Bild 4-38 c) und hat eine konstante Verteilung. Bild 4-38 d zeigt die resultierende Verteilung. Bis zur Tiefe von z0 ist der theoretische Erddruck negativ.

z0 =

2c

(4.104)

 Ka -

z0

a

h

+

=

ea(z) Ea (h – z0)/3

hKa a)

b)

2c K a

c)

b

c

d)

Bild 4-38 Aktiver Erddruck für bindige Böden mit einer Kohäsion c

Tatsächlich ist die Zugfestigkeit zwischen Wand und Boden vernachlässigbar gering. Somit kann der negative Erddruck bis zur Tiefe z0 in der Realität nicht auftreten. Unter Streichung der negativen Anteile ergibt sich die Verteilung a-b-c. In diesem Fall beträgt die aktive Erddruckkraft:

1 2c 2 Ea =   h2  K a − 2c  h  K a + 2 

(4.105)

Der Abstand zwischen dem Angriffspunkt der Erddruckkraft und dem Wandfuß beträgt (h – z0)/3 (Bild 4-38 d). Der Erddruck ea(z) und die aktive Erddruckkraft Ea wirken in der

4

182

4 Bodenmechanik

horizontalen Richtung. Der Neigungswinkel a zwischen der maßgebenden Gleitfläche und der Horizontalen kann nach Gleichung (4.102) ermittelt werden. 4.4.3.3 Passiver Erddruck Wenn sich eine Wand mit ausreichender Verschiebung zum Erdreich hin bewegt, befindet sich der Boden hinter der Wand in einem passiven Grenzzustand (Bild 4-39 a). In diesem Fall ist die vertikale Spannung z = z in der Tiefe z die kleinste Hauptspannung 3. Die horizontale Spannung x ist der passive Erddruck ep, der zugleich die größte Hauptspannung 1 ist.

4

Für nichtbindige Böden kann nach der Mohr-Coulomb’schen Bruchbedingung (2.53) der passive Erddruck ep(z) in der Tiefe z geschrieben werden als

ep ( z) = r  z  K p

(4.106)

mit dem passiven Erddruckbeiwert

  K p = tan 2  45 +  . 2 

(4.107)

Die Resultierende des passiven Erddrucks ist die passive Erddruckkraft E P mit

Ep =

z

 2

 h2  K p .

(4.108)

z

Grenzfläche

h

ep(z)

x = ep(z)  p = 45 −

Ep 

h/3

2

z

hKp b)

a)

Bild 4-39 Passiver Grenzzustand und passiver Erddruck nach Rankine

Bild 4-39 b zeigt die Verteilung des passiven Erddrucks, der wie die aktive Erddruckkraft E a in die horizontale Richtung wirkt. Der Abstand zwischen dem Angriffspunkt der Erddruckkraft und dem Wandfuß beträgt h/3. Der Neigungswinkel p zwischen der maßgebenden Gleitfläche und der Horizontalen (Bild 4-39 a) beträgt

 p = 45 −

 2

.

(4.109)

Für bindige Böden mit einer Kohäsion c ergibt sich der passive Erddruck e p(z) in der Tiefe z zu (siehe Bild 4-40)

e p ( z ) = r  z  K p + 2c  K p .

(4.110)

4.4 Erddruck

183

Anders als beim aktiven Erdruck ist der Kohäsionsterm positiv (Bild 4-40 c). 2c K p

ep(z) h

+

 h K p

a)

b)

Ea

=

4 2c K p

c)

  h  K p + 2c K p

d)

Bild 4-40 Passiver Erddruck für bindige Böden mit einer Kohäsion c

Die passive Erddruckkraft beträgt:

1 E p =   h2  K p + 2c  h  K p 2

(4.111)

Der passive Erddruck ep(z) und die passive Erddruckkraft E p wirken ebenfalls in der horizontalen Richtung.

4.4.4

Berechnungsverfahren für praktische Anwendungen

4.4.4.1 Aktiver Erddruck, ebener Fall Bei Berücksichtigung der Definitionen in Bild 4-33 gilt das nachstehende Berechnungsverfahren mit ausreichender Genauigkeit für − ≤  < − bei 0 ≤  ≤  −10° ≤  ≤ max bei − ≤  ≤ . Der Winkel max ist der Winkel zwischen der Gegengleitfläche und der Vertikalen (Bild 4-41) und kann ermittelt werden mit

 max = ag −  ,

(4.112)

wobei der Neigungswinkel ag der Gleitfläche des aktiven Erddrucks unter Ansatz des Eigengewichts des Bodens für  = 0 und a =  mit Gleichung (4.88) berechnet werden kann.

184

4 Bodenmechanik

A C

A A

90°- Eag



AB Gleitfläche AB Gegengleitfläche

 GAAB max

4

Bild 4-41 Aktiver Erddruck an der Gegengleitfläche

ag B

Bei  > max wirkt der Erddruck nicht an der Wand AB, sondern an der Gegengleitfläche AB. Aktiver Erddruck auf eine ebene Wand infolge Eigengewicht des Bodens Der aktive Erddruck auf eine ebene Wand bei ebener Geländeoberfläche infolge Eigengewicht des Bodens kann in Abhängigkeit der Tiefe z (Bild 4-42) ermittelt werden mit:

eagh ( z) =   z  Kagh

(4.113)

Der aktive Erddruckbeiwert lässt sich nach Coulomb [6] folgendermaßen berechnen: K agh =

cos 2 ( −  )  sin( +  a )sin( −  )  cos 2   1 +  cos( −  ) cos( +  a )  

(4.114)

2

Der aktive Erddruckbeiwert Kagh kann aus Tabelle 4.6 abgelesen werden.

 eagv(z) e (z) ag a 

h z



eagh(z)

eagh(z) Eagv

Eagh h/3   h  K agh

Bild 4-42 Aktiver Erddruck auf eine ebene Wand infolge des Eigengewichtes des Bodens

Der aktive Erddruck nimmt mit zunehmender Tiefe z linear zu. Die Horizontalkomponente der aktiven Erddruckkraft kann geschrieben werden als

4.4 Erddruck

Eagh =

185

  h2 2

K agh .

(4.115)

Die Vertikalkomponente der aktiven Erddruckkraft ergibt sich zu

Eagv = Eagh  tan( +  a )

(4.116)

Für den Sonderfall  =  = a = 0, der auch als RANKINE-Fall bezeichnet wird, vereinfacht sich der aktive Erddruckbeiwert zu:

  K agh = tan 2  45 −  2 

(4.117)

Die in Bild 4-42 dargestellte Erddruckverteilung gilt für eine Drehung der Wand um ihren Fußpunkt. Aktiver Erddruck infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Oberflächenlast Eine gleichmäßig verteilte vertikale Oberflächenlast pv kann als eine Bodenschicht mit einer äquivalenten Höhe hv = p/ betrachtet werden (Bild 4-43). Somit beträgt der Zuwachs der Horizontalkomponente infolge der gleichmäßig verteilten vertikalen Oberflächenlast

eaph = pv  Kaph .

(4.118) Bild 4-43 Erddruckzuwachs infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Oberflächenlast

pv

hv = pv/

Gleitfläche ag

h

Erddruckzuwachs pv  K aph

  h  K agh

Der entsprechende Erddruckbeiwert Kaph kann ermittelt werden mit

K aph =

cos   cos   K agh . cos( −  )

(4.119)

Hierbei ist Kagh der aktive Erddruckbeiwert infolge des Eigengewichtes des Bodens. Der aktive Erddruck eaph infolge pv ist bei homogenem Boden gleichmäßig über die Wandhöhe verteilt. Eine gleichmäßig verteilte Oberflächenlast, die von der Wand bis zum Austritt der Gleitfläche für ag reicht, liefert den gleichen Erddruckzuwachs wie eine Belastung, die von der Wand bis ins Unendliche reicht.

4

186

4 Bodenmechanik

Aktiver Erddruck infolge Eigengewichtes des Bodens bei gebrochener Wandgeometrie Bei gebrochener Wandgeometrie mit unterschiedlichen Wandneigungswinkeln i können die gebrochenen Strecken zu fiktiven Wandflächen verlängert werden (Bild 4-44 a). Die Erddruckbeiwerte unterscheiden sich je nach Wandneigungswinkel. Mit den jeweiligen Erddruckbeiwerten werden die aktiven Erddruckordinaten eag auf die jeweiligen fiktiven Wände berechnet. Die tatsächlichen Erddrücke wirken, wie in Bild 4-44 a) schraffiert dargestellt, nur auf die realen Wandabschnitte.

4

A

1

3

a

entspricht 1 Fiktive Wandflächen

2=0

eag

E

B

a= a=

entspricht 2 = 0

entspricht BC ag

max

entspricht 3

F

C

entspricht AB

eag

entspricht CD

a

D

a)

b)

Bild 4-44 Aktiver Erddruck infolge des Eigengewichtes des Bodens bei gebrochener Wandgeometrie

In dem in Bild 4-44 b) dargestellten Fall kann der Erddruck entweder an der Fläche ABCD oder näherungsweise im Schnitt DE angesetzt werden. Im ersten Fall können die Flächen AB, BC und CD als gebrochene Wände mit unterschiedlichen Wandneigungswinkeln und Wandreibungswinkeln betrachtet werden. Die entsprechende Erddruckverteilung ist in Bild 4-44 b) schraffiert dargestellt. Im zweiten Fall kann die Fläche DE als Wandfläche mit näherungsweise konstantem Wandreibungswinkel a =  betrachtet werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass im ersten Fall das Eigengewicht des Erdkörpers BCF und im zweiten Fall das Eigengewicht des Erdkörpers AECF zum Eigengewicht der Wand hinzugerechnet werden müssen. Die in Bild 4-44 dargestellte Erddruckverteilung gilt für eine Drehung der Wand um ihren Fußpunkt. Aktiver Erddruck infolge Eigengewichtes des Bodens bei gebrochener Geländeoberfläche Für den Fall der gebrochenen Geländeoberfläche kann der aktive Erddruck näherungsweise nach Jenne [19] berechnet werden, wenn der Geländeneigungswinkel  < 0,9 beträgt (Bild 4-45). Die gebrochene Geländeoberfläche hat drei unterschiedliche Neigungswinkel 1 bis 3. Die Erddruckverteilung von a bis b entspricht dem Neigungswinkel 1, die Erddruckverteilungen von b bis c und von c bis d den Neigungswinkeln 2 bzw. 3.

4.4 Erddruck

187

3 1 = 0

a

entspricht 1

2 b

eag

Bild 4-45 Aktiver Erddruck infolge Eigengewicht des Bodens bei gebrochener Geländeoberfläche

entspricht 2

c

entspricht 3

4

d

Aktiver Erddruck infolge Eigengewicht des Bodens bei oberflächenparallel geschichtetem Boden Bei oberflächenparallel geschichtetem Boden unterscheiden sich die Bodenkenngrößen und somit auch die Erddruckbeiwerte der einzelnen Schichten (Bild 4-46). Des Weiteren treten an jeder Schichtgrenze rechnerisch zwei Erddruckordinaten auf, eine an der unteren Grenze der oberen Schicht und eine an der oberen Grenze der unteren Schicht. Das Eigengewicht der oberen Schichten wirkt als Auflast auf die darunter liegenden Schichten. Wenn die Schichtung des Bodens nicht oberflächenparallel verläuft, darf das Verfahren nach Bild 4-46 als Näherung angewendet werden. Die in Bild 4-45 und Bild 4-46 dargestellten Erddruckverteilungen gelten für eine Drehung der Wand um ihren Fußpunkt.

Bild 4-46 Aktiver Erddruck infolge Eigengewicht des Bodens bei oberflächenparallel geschichtetem Boden

Aktiver Erddruck infolge Kohäsion und Mindesterddruck Wenn der Boden hinter der Wand eine Kohäsion c besitzt (Bild 4-47 a), kann die Horizontalkomponente des aktiven Erddrucks eah wie folgt ermittelt werden:

eah = eagh + each =   z  Kagh − c  Kach wobei each = - cKach der aktive Erddruckanteil infolge der Kohäsion c ist.

(4.120)

188

4 Bodenmechanik

Der der Kohäsion c entsprechende Erddruckbeiwert K ach kann ermittelt werden mit K ach =

2  cos( −  )  cos   cos( +  a ) [1 + sin( +  +  a −  )]  cos 

.

(4.121)

4

Bild 4-47 Aktiver Erddruck infolge Kohäsion und Mindesterddruck

Für  =  = 0 kann der Erddruckbeiwert Kach für Kohäsion nach DIN 4085 [8] aus Bild 4-48 abgelesen werden.

Bild 4-48 Erddruckbeiwert Kach für ebene Gleitfläche bei  =  = 0

Die rechnerischen aktiven Erddrücke aus Bodeneigengewicht und Kohäsion in der Tiefe h c sind Zugspannungen (Bild 4-47 b), wobei gilt:

4.4 Erddruck

hc =

189

c  K ach .

  K agh

(4.122)

Nach DIN 4085 [8] sind die rechnerischen Zugspannungen zu Null zu setzen. Somit beträgt die Erddruckresultierende aus den Erddruckspannungen: Eah1 = (h − hc )  (  h  Kagh − c  Kach ) / 2 .

(4.123)

In DIN 4085 wird ein Mindesterddruck definiert (Bild 4-47 c). Dieser anzusetzende Mindesterddruck entspricht dem Erddruck, der sich bei der Annahme einer Scherfestigkeit entsprechend  = 40° und c = 0 unter Beibehaltung der sonstigen geometrischen Größen und der Erddruckneigung ergibt. Der Erddruckbeiwert für den Mindesterddruck beträgt * =K Kagh agh ( = 40) .

(4.124)

Die Resultierende des Mindesterddrucks beträgt: * Eah, Min =   h 2  Kagh /2.

(4.125)

Die größere Erddruckresultierende aus Eah1 und Eah,Min ist maßgebend. Auch bei tiefer liegenden Schichten ist zu prüfen, ob der Mindesterddruck maßgebend ist. Erddrücke aus Auflasten sind stets zusätzlich anzusetzen. Erddruck infolge vertikaler Linien- oder Streifenlasten Wenn eine vertikale Linien- oder Streifenlast auf dem Gleitkeil angreift, die Last jedoch nicht größer ist als 1/10 der Eigenlast des Gleitkeils, verändert sich die Neigung der Gleitfläche aus dem Eigengewicht des Bodens nur sehr geringfügig (Bild 4-49). In diesem Fall kann die Horizontalkomponente der zusätzlichen Erddruckkraft infolge der Linien- oder Streifenlast ermittelt werden zu: EaVh = V 

sin(ag −  )  cos( +  a ) cos(ag −  −  a −  )

(4.126)

In Gleichung (4.126) kann der Neigungswinkel ag mit Gleichung (4.88) errechnet werden. V ist die vertikale Linienlast oder bei vertikaler Streifenlast die Resultierende V = p vb. Die Erddruckverteilungen für Linien- und Streifenlasten sind in Bild 4-49 a) bzw. b) dargestellt. Die Höhe hf kann folgendermaßen geschrieben werden:   tan ag tan   − hf = a   1 + tan  tan ag 1 + tan  tan    

(4.127)

Die Höhe hf ergibt sich damit zu:

hf =

2 EaVh eaph

− hh

(4.128)

4

190

4 Bodenmechanik

a

a

V

b pv



h

hf ag

4



h eaVh =



a)

hf

hf ag

2 EaVh hf



hf ≤ 0 eaph

hf > 0 eaph

eaVh

eaph = pv  K aph

eaph =

2 EaVh hf

b)

Bild 4-49 Aktiver Erddruck infolge vertikaler Linien- und Streifenlast Bei einer Linienlast ist die Erddruckverteilung dreieckförmig (Bild 4-49 a)), während sie bei einer Streifenlast für hf > 0 trapezförmig ist und für hf ≤ 0 wiederum dreieckförmig (Bild 4-49 b)). Hinweise zur Erddruckverteilung finden sich auch in DIN 4085 [8]. Aktive Erddruckkraft, wenn die Neigung der Erddruckgleitfläche aus Eigengewicht des Boden durch andere Einflüsse wesentlich verändert wird In diesem Fall und wenn die Wand eine ebene Wand und die Geländeoberfläche eben sind, werden die aktive Erddruckkraft Ea und der dazugehörige maßgebende Gleitflächenwinkel a durch Variation des Gleitflächenwinkels  wie folgt ermittelt (siehe Bild 4-50).

Bild 4-50 Gleitkeil

Die aktive Erddruckkraft infolge Eigenlast hinter der Wand mit der Wandhöhe h beträgt:

Eag =

G  sin(a −  ) cos( +  a +  − a )

(4.129)

Das Eigengewicht des Gleitkörpers für kohäsive Böden (Bild 4-50 b) ergibt sich zu:

G=

h 2  [( )  cos( −  )  cos( − a ) − zc2  cos   cos a ] 2  sin(a −  ) cos 

Die Tief zc beträgt:

(4.130)

4.4 Erddruck

zc =

191

2c



 tan( 45 +

 2

)−

pv cos   cos    cos( −  )

(4.131)

Bei kohäsionslosen Böden und zc ≤ 0, ist zc = 0 zu setzen. Die aktive Erddruckkraft infolge Kohäsion c bei kohäsiven Böden folgt zu:

Eac =

C  cos  , cos( +  a +  − a )

(4.132)

zc − h  (1 + tan   tan  ) . (tan  − tan  a )  cos a

(4.133)

wobei

C = c

Für die aktive Erddruckkraft infolge einer vertikalen Linienlast V gilt:

EaV =

V  cos(a −  ) cos( +  a +  − a )

(4.134)

Und für die aktive Erddruckkraft infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Auflast p v:

Eap = pv 

[ zc − h  (1 + tan   tan  a )]  sin(a −  ) (tan  − tan a )  cos( +  a +  − a )

(4.135)

Die Erddruckkraft infolge einer Horizontalkraft H beträgt:

EaH =

H  cos(a −  ) cos( +  a +  − a )

(4.136)

Die Gesamterddruckkraft ist damit: Ea = Eag + Eac + EaV + Eap + EaH

(4.137)

Eah = Ea  cos( +  a )

(4.138)

Eav = Ea  sin( +  a )

(4.139)

Es gilt: und Die Verteilung der einzelnen Erddruckanteile über die Wandhöhe darf sinngemäß nach den vorher erwähnten Regeln oder nach entsprechenden Normen angenommen werden. Bei kohäsiven Böden gilt die zuvor erwähnte Festlegung zum Mindersterddruck. Die berechnete Erddruckkraft ist mit der Mindersterddruckkraft zu vergleichen. Die größere Erddruckkraft ist maßgebend. 4.4.4.2 Aktiver Erddruck, räumlicher Fall Der Erddruck auf die Fläche einer kurzen Wand ist der sogenannte räumliche Erddruck. Der räumliche aktive Erddruck ist kleiner als der ebene aktive Erddruck, da auf einen räumlichen Erdkeil zusätzliche haltende Kräfte wirken, die bei ebenen Schnitten zu Null werden. Bei der Berechnung des aktiven Erddrucks auf eine kurze Wand wird eine rechnerische Wandlänge angenommen, die kleiner ist als die tatsächliche Wandlänge. Die Horizontalkomponente des räumlichen aktiven Erddrucks kann nach folgender Beziehung errechnet werden:

4

192

4 Bodenmechanik r = (e er er eah agh  lag + eaph  lap + each  l ) / l

(4.140)

Die Horizontalkomponente der räumlichen aktiven Erddruckkraft ergibt sich zu: r = (E Er Er Eah agh  lag + Eaph  lap + Each  l ) / l

(4.141)

Hierbei bedeuten

laer : rechnerische Wandlänge bei der Berechnung des aktiven Erddrucks

laEr : rechnerische Wandlänge bei der Berechnung der aktiven Erddruckkraft.

4

Die folgenden Gleichungen gelten für  =  = a = 0, in davon abweichenden Fällen können sie näherungsweise angewendet werden. er = l er = l  1 − 2 arctan A  lag    ap  

(4.142)

  1  1   Er = l  1 − 2 lag 1 + * 2   arctan A* − *     A A ( )       

(4.143)

  1 Er = l  1 − 2  arctan A*  +  ln(1 + ( A* )2 )  lap   *  A    

(4.144)

Dabei gilt: A=

z

A* =

2l

 h 2l

(4.145) (4.146)

und : z: h: l:

Reibungswinkel des Bodens im Bogenmaß Tiefe, in welcher der Erddruck wirkt Wandhöhe tatsächliche Wandlänge.

Für die Berechnung des aktiven Erddrucks auf Wände mit einem in der Wandebene geneigten Geländeverlauf, wie z. B. im Fall von Böschungen, sind in der DIN 4085 [8] ergänzende Angaben enthalten. 4.4.4.3 Erdruhedruck Erdruhedruck infolge Eigengewicht des Bodens Ist eine Wand in Ruhe, so wird der Erddruck auf die Wand Erdruhedruck e0(z) (Bild 4-50 a) genannt. Die Horizontalkomponente e0gh(z) des Erdruhedrucks infolge des Eigengewichtes des Bodens in der Tiefe z kann im Allgemeinen geschrieben werden als

e0 gh ( z ) = z    K0 gh ,

(4.147)

4.4 Erddruck

193

wobei  die Bodenwichte und K0gh der sogenannte Erdruhedruckbeiwert sind. Der horizontale Erddruck e0gh(z) nimmt mit zunehmender Tiefe z linear zu (Bild 4-51 b). Bei normal konsolidierten Böden kann der Erdruhedruckbeiwert K0gh ermittelt werden zu K0 gh = K1  f 

1 + tan 1  tan  1 + tan 1  tan  0

(4.148)

mit

K1 =

sin  sin 2   cos2  sin  − sin 2 

tan 1 =

(4.149)

4

K1 1 + K1  tan 2 

(4.150)

f = 1 − tan   tan 

(4.151)

Hierbei sind: : Wandneigungswinkel : Geländeneigungswinkel : Reibungswinkel des Bodens 0: Neigungswinkel des Erdruhedrucks. Es gilt 0 ≤  bei  > 0 und 0 = 0 bei  < 0.



h

e0(z) 

 z



e0gh(z) E0gh

e0gh(z)

h/3   h  K 0 gh

a)

b)

Bild 4-51 Erdruhedruck infolge Eigengewicht des Bodens

Im Sonderfall  =  = 0 = 0 gilt

K0 gh = 1 − sin  .

(4.152)

Die Beziehung nach Gleichung (4.152) wurde ursprünglich von JAKY [17] vorgestellt. Bei überkonsolidierten Böden können sich auch größere Werte für den Erdruhedruck ergeben als nach Gleichung (4.152). Die Horizontalkomponente der Erdruhedruckkraft ergibt sich zu

E0 gh =

1    h2  K0 gh 2

und die Vertikalkomponente entsprechend zu

(4.153)

194

4 Bodenmechanik

E0 gv = E0 gh  tan( +  0 ) .

(4.154)

Erdruhedruck infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Auflast Die Horizontalkomponente e0ph des Erdruhedrucks infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Auflast pv mit einer quasi unendlichen Breite kann berechnet werden zu

e0 ph = pv  K0 ph

(4.155)

mit dem Erdruhedruckbeiwert

4

K0 ph =

cos   cos   K0 gh cos( −  )

(4.156)

Der Erdruhedruck e0ph ist bei homogenem Boden gleichmäßig über die Wandhöhe h verteilt. Die Horizontalkomponente der Erdruhedruckkraft ergibt sich zu

E0 ph = pv  h  K0 ph .

(4.157)

Erdruhedruck infolge vertikaler Linien- oder Streifenlasten Der Erdruhedruck infolge einer vertikalen Linien- oder Streifenlast kann näherungsweise durch proportionale Umrechnung der Erddruckkraft aus Linien- und Streifenlasten im aktiven Zustand entsprechend Gleichung (4.158) erfolgen: E0Vh = EaVh 

K0 gh K agh

(4.158)

Die Erddruckverteilung kann nach Bild 4-49 oder nach DIN 4085 [8] bestimmt werden.

4.4.4.4 Passiver Erddruck, ebener Fall Passiver Erddruck infolge Eigengewicht des Bodens Die Verteilung des passiven Erddrucks infolge Eigengewicht des Bodens ist von der Art der Wandbewegung abhängig. Bei einer Drehung um den Wandfuß z. B. ist die Erddruckverteilung näherungsweise eine Parabel und bei paralleler Bewegung verläuft sie dreieckförmig. Unterschiedliche Erddruckverteilungen für unterschiedliche Wandbewegungen sind in DIN 4085 [8] angegeben. Die tatsächliche Gleitfläche im passiven Zustand ist in der Regel gekrümmt. Deshalb werden die passiven Erddrücke mit Gleichung (4.93) in bestimmten Fällen überschätzt. Im Allgemeinen kann die Horizontalkomponente des passiven Erddrucks infolge Eigengewicht des homogenen Bodens in der Tiefe z mit folgender Gleichung ermittelt werden:

e pgh ( z ) = z    K pgh

(4.159)

Für gekrümmte Gleitflächen und bei  =  = 0 kann der passive Erddruckbeiwert Kpgh infolge Eigengewicht des Bodens nach DIN 4085 [8] aus Bild 4-52 abgelesen werden.

4.4 Erddruck

195

4

Bild 4-52 Erddruckbeiwert Kpgh für gekrümmte Gleitflächen bei  =  = 0 nach Sokolovsky [32]

Die Horizontalkomponente Ebpgh der passiven Erddruckkraft auf eine Wand der Höhe h bei einer zur Wandebene parallelen Bewegung der Wand ergibt sich zu:

E bpgh =

  h2 2

 K pgh

(4.160)

Die entsprechende Vertikalkomponente beträgt

E bpgv = E bpgh  tan( +  p ) .

(4.161)

Für den Sonderfall  =  = p = 0 ergibt sich nach Mohr-Coulomb als maßgebende Gleitfläche eine Ebene mit dem Neigungswinkel

 p = 45 −

 2

.

(4.162)

Je größer der Reibungswinkel ist, desto ungenauer wird die Annäherung der tatsächlichen Gleitfläche durch eine Ebene. Der passive Erddruckbeiwert hat die Größe

  K pgh = tan 2  45 +  . 2 

(4.163)

Die Erddruckkraft Eapgh bei Drehung der Wand um ihren Fußpunkt liegt für  =  = 0 näherungsweise im Bereich 1 b 2 a  E  E pgh   E bpgh . 2 pgh 3

(4.164)

Die Erddruckkraft Ecpgh bei Drehung der Wand um ihren Kopfpunkt kann für Grenzfälle für  =  = 0 näherungsweise wie folgt abgeschätzt werden: E cpgh =

2 b E 3 pgh

(4.165)

196

4 Bodenmechanik

Passiver Erddruck infolge Kohäsion Die passive Erddruckkraft wird durch die Wirkung der Kohäsion c vergrößert. Die Horizontalkomponente der passiven Erddruckkraft beträgt

E pch = c  h  K pch .

(4.166)

Für gekrümmte Gleitflächen und  =  = 0 kann der passive Erddruckbeiwert Kpch für Kohäsion nach DIN 4085 [8] aus Bild 4-53 abgelesen werden.

4

Bild 4-53 Erddruckbeiwert Kpch für gekrümmte Gleitfläche bei  =  = 0 nach Sokolovsky [32]

Im Sonderfall  =  = p = 0 gilt

K pch = 2  K pgh .

(4.167)

Passiver Erddruck infolge einer gleichmäßig verteilten Oberflächenlast Die passive Erddruckkraft infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Oberflächenlast p v beträgt

E pph = pv  h  K pph .

(4.168)

Für gekrümmte Gleitflächen und bei  =  = 0 kann der passive Erddruckbeiwert Kpph für eine gleichmäßig verteilte, vertikale Oberflächenlast nach DIN 4085 [8] aus Bild 4-54 abgelesen werden.

4.4 Erddruck

197

4

Bild 4-54 Erddruckbeiwert Kpph für gekrümmte Gleitflächen bei  =  = 0 nach Sokolovsky [32]

4.4.4.5 Passiver Erddruck, räumlicher Fall Der Erddruck auf die Wandfläche einer kurzen Wand ist der sogenannte räumliche Erddruck. Der räumliche passive Erddruck ist größer als der ebene passive Erddruck. Wie beim aktiven Erddruck ist dies auf räumliche haltende Kräfte entlang des Bruchkörpers zurückzuführen. In der Modellvorstellung eines ebenen Gleitkeils können hier z. B. die Kräfte an den seitlichen Flanken des Erdkeils zusätzlich angesetzt werden. Bei der Berechnung des passiven Erddrucks auf eine kurze Wand wird eine rechnerische Wandlänge angenommen, die größer ist als die tatsächliche Wandlänge. Die Erddruckbeiwerte entsprechen dann wieder denen für den ebenen Fall. Die Horizontalkomponente der räumlichen passiven Erddruckkraft infolge Eigengewicht des Bodens, der Kohäsion c und infolge einer gleichmäßig verteilten vertikalen Auflast pv ergibt sich auf die gesamte rechnerische Wandlänge zu: r r + Er E rph = E pgh + E pch pvh =

= 

h2 Er + p  h  E Er E  l Er + c  h  E pch  l pc v pph  l pg 2 pgh pg

(4.169)

Hierin bedeuten h: Eph: l pEr :

Wandhöhe Horizontalkomponente der passiven Erddruckkraft im ebenen Fall rechnerische Wandlänge bei der Berechnung der passiven Erddruckkraft.

Dabei sind: Für eine tatsächliche Wandlänge l < 0,3  h: Er = 0,55  (1 + 2  tan  )  l  h l pg

(4.170)

198

4 Bodenmechanik

Er = 1,1 (1 + 0,75  tan  )  l  h l pc

(4.171)

Für eine tatsächliche Wandlänge l ≥ 0,3  h: Er = l + 0,6  h  tan  l pg

(4.172)

Er = l + 0,3  h  (1 + 1,5  tan  ) l pc

(4.173)

Die Höhe y des Angriffspunkts der Erddruckkraft E rph über dem Wandfuß darf näherungsweise wie folgt angenommen werden:

4

Im Gebrauchszustand (etwa halbe Bruchlast): h 3 Im passiven Bruchzustand: y=

l  h: y =

h 4

l  10  h : y =

(4.174)

(4.175) h 3

(4.176)

Bei h  l  10  h darf geradlinig interpoliert werden.

4.5

Materialmodelle

4.5.1 Einführung Vereinfacht versteht man unter Materialmodellen Beziehungen zwischen Spannungen und Verformungen des Materials. In anderen Worten ausgedrückt, beschreiben die Materialmodelle das Formänderungsverhalten des Materials. Materialmodelle werden teilweise auch als Stoffgesetze oder Materialgesetze bezeichnet. Diese Begrifflichkeit lässt allerdings vermuten, dass es sich hierbei tatsächlich um gesetzmäßige Zusammenhänge handeln könnte, was jedoch nicht der Fall ist, da es sich in der Regel lediglich um Modellvorstellungen handelt, die das reale Materialverhalten beschreiben sollen. Es existieren allerdings auch gesetzmäßige Zusammenhänge wie z. B. das Hooke’sche Gesetz, das für rein elastisches Materialverhalten den linearen Zusammenhang  =   E zwischen Dehnungen und Spannungen formuliert. Im Englischen sind für Materialmodelle die Begriffe „constitutive models“, „constitutive equations“ oder auch „constitutive laws“ gebräuchlich. Materialmodelle können durch Diagramme (Zeichnungen), durch mathematische Beziehungen oder theoretisch in Form von analytischer Mathematik dargestellt werden. Das Formänderungsverhalten von Böden ist sehr komplex. Beispielsweise kann eine Deformation teilweise reversibel (elastisch) oder nicht reversibel (plastisch) sein. Elastische und plastische Verformungen können je nach Be- oder Entlastung linear, aber auch nicht linear von den Spannungen abhängen. Die Verformungseigenschaften eines Bodens unter einem Spannungsinkrement sind neben der Spannungs- und Verformungsgeschichte abhängig vom Materialverhalten des Bodens. Böden unterscheiden sich je nach ihrer Korngröße, Mineralzusammensetzung und den Wechselwirkungen zwischen den Bodenkörnern und dem Porenwas-

4.5 Materialmodelle

199

ser. Auf Grund der großen Anzahl der einfließenden Parameter ist es mathematisch nicht möglich, ein Materialmodell so zu formulieren, dass es alle Eigenschaften des Bodens in gleicher Genauigkeit berücksichtigt und somit alle Verformungseigenschaften des Bodens exakt beschreiben kann. In der Literatur findet man viele Materialmodelle, die nur für ideale Böden gelten, andere Materialmodelle beschreiben die Eigenschaften eines Bodens nur näherungsweise. Nachfolgend werden wesentliche Grundbegriffe und einige Materialmodelle, die für ideale Böden gelten, vorgestellt. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die versuchstechnische Bestimmung der Modellparameter.

4.5.2

4

Grundbegriffe

4.5.2.1 Spannungs- und Dehnungstensoren Wenn die Richtungen x, y und z in Bild 4-1 durch 1, 2 bzw. 3 ersetzt werden, können der Spannungstensor in Gleichung (4.1) und der Dehnungstensor in Gleichung (4.5) geschrieben werden als

bzw.

11 12 13    =  21  22  23   31  32  33 

(4.1)

 11 12 13   =    21  22  23  .  31  32  33 

(4.5)

Die Spannungs- und Denungstensoren können zur Vereinfachung in Komponentenschreibweise dargestellt werden, nämlich:

bzw.

  =  ij

(4.1)

  =  ij

(4.5)

Die drei von der Wahl des Koordinatensystems unabhängigen, konstanten Invarianten I 1, I2 und I3 in Gleichung (4.3) können dann geschrieben werden als: I1 =  ii = 11 +  22 +  33 = 1 +  2 +  3

(4.3a)

2 − 2 − 2 =   +  +  I 2 = 11 22 +  22 33 +  3311 − 12 23 31 1 2 2 3 3 1

(4.3b)

2 −   2 −   2 + 2   =    I3 = 11 22 33 − 11 23 22 31 33 12 12 23 31 1 2 3

(4.3c)

Der Mittelwert  der Hauptspannungen 1, 2 und 3 beträgt 1 3

1 3

 = (1 +  2 +  3 ) = (11 +  22 +  33 ) .

(4.177)

 ist der sogenannte hydrostatische Anteil des Spannungstensors, der in allen Richtungen in gleicher Größe wirkt und daher auch als Kugeltensor bezeichnet wird. Der Spannungstensor

200

4 Bodenmechanik

 s11  sij =  s21  s31

s12 s22 s32

s13  11 −    s23  =   21 s33    31

12

13    22 −   23   32  33 −  

(4.178)

wird „deviatorischer Spannungstensor“ oder auch „Spannungsdeviator“ genannt und die drei Spannungsdifferenzen s1 = 1 −  , s3 =  2 −  , s3 =  3 − 

4

(4.179)

werden entsprechend als „deviatorische Hauptspannungen“ bezeichnet. Der Spannungsdeviator (von lat.: deviare = abweichen) gibt die Abweichung des Spannungszustandes vom hydrostatischen Spannungszustand an. Da aus diesem Spannungsanteil Scherbeanspruchungen resultieren, ist er ein Maß für die Ausnutzung von Böden. Für einen Spannungszustand gibt es auch für den deviatorischen Spannungstensor drei deviatorische Hauptspannungen s 1, s2 und s3 sowie entsprechende Invarianten, nämlich: J1 = s11 + s22 + s33 = 0

J2 =

(4.180)

1 2 2 2 1 ( s1 + s2 + s3 ) = [(1 −  2 )2 + ( 2 −  3 )2 + ( 3 − 1 )2 ] 2 6

1 1 J 3 = ( s13 + s23 + s33 ) = (21 −  2 −  3 )(2 2 − 1 −  3 )(2 3 − 1 −  2 ) 3 27

(4.181) (4.182)

4.5.2.2 Oktaederebene und Deviatorebene Wenn die Richtungen der Hauptspannungen 1, 2 und 3 eines Würfelelementes mit den Richtungen der drei Achsen x, y, bzw. z der kartesischen Koordinaten identisch sind und die Punkte A, B und C die Mittelpunkte der drei Flächen des Elementes in x-, y- und z- Richtung sind, erhält man durch die Punkte A, B und C im ersten Quadranten des kartesischen Koordinatensystems eine dreieckige Fläche A-B-C (Bild 4-55). In den anderen sieben Quadranten erhält man weitere sieben ähnliche Flächen. Die acht Flächen in den acht Quadranten spannen ein Oktaeder auf. Die dreieckige Fläche A-B-C wird „Oktaederebene“ genannt. Man kann beweisen, dass die Normalspannung okt bzw. die Schubspannung okt in den acht Oktaederebenen jeweils konstant sind. Die Normalspannung okt wird „Oktaeder-Normalspannung“ genannt und kann geschrieben werden als: 1 3

 okt = (1 +  2 +  3 ) =

I1 3

(4.183)

Die Schubspannung okt wird „Oktaeder-Schubspannung“ genannt und lautet: 1 3

 okt = [(1 −  2 )2 + ( 2 −  3 )2 + ( 3 − 1 )2 ]1/2 =

2 J 3 2

Die Normalspannung okt und die Schubspannung okt sind zugleich zwei Invarianten.

(4.184)

4.5 Materialmodelle

201

1 z Oktaederebene

Oktaeder

C

okt 2 x

A B

y

okt

Bild 4-55 Oktaederebene und Oktaederspannungen

3

Wenn ein dreidimensionaler Spannungsraum mit den drei Hauptspannungen 1, 2 und 3 als Achsen dargestellt wird, wird der Spannungsraum Hauptspannungsraum genannt (Bild 4-56 a). Jeder Spannungszustand an einem Bodenelement kann durch einen Punkt im Hauptspannungsraum dargestellt werden. Wenn die Normalenrichtung n einer Ebene, z. B. der Ebene a-b-c im Hauptspannungsraum, die Richtung der Raumdiagonalen (1 = 2 = 3) ist, wird die Ebene „Deviatorebene“ genannt. Man kann beweisen, dass in jedem Punkt einer Deviatorebene die mittlere Spannung 1 3

 =  okt = (1 +  2 +  3 )

(4.185)

konstant ist. Wenn der Punkt P(1, 2, 3) in einer Deviatorebene liegt, lässt sich zeigen, dass für die Längen der beiden Vektoren auf der Raumdiagonalen und der Deviatorebene zu diesem Punkt gilt:

OQ =

1 3

(1 +  2 +  3 ) = 3 okt =

I1 3

(4.186)

und

QP =

1 3

[(1 −  2 )2 + ( 2 −  3 )2 + ( 3 − 1 )2 ]1/2 = 3 okt = 2 J 2

(4.187)

Die Deviatorebene kann auch durch x-y-Koordinaten (ebene Koordinaten) dargestellt werden (Bild 4-56 b). Die Achsen 1, 2 und 3 sind die Projektionslinien der Hauptachsen 1, 2 und 3 in die Deviatorebene. Der Winkel  zwischen der Geraden QP und der x-Achse kann geschrieben werden als:

 = arctan(

2 3 − 1 −  2

−3 3J 3 1 ) = arcsin[ ] 3 2( J 2 )3/2 3(1 −  3 )

Der Winkel  ist ebenfalls eine Invariante und wird auch als Lode-Winkel bezeichnet.

(4.188)

4

202

4 Bodenmechanik

4 Bild 4-56 Deviatorebene und Lode-Winkel

Der Spannungszustand eines Elementes kann sowohl durch die Hauptspannungen 1, 2, 3 als auch durch die Invarianten I1, I2, I3 oder okt, okt,  dargestellt werden. In der Bodenmechanik kann die mittlere Spannung p mit 1 p =  okt = (1 +  2 +  3 ) 3

(4.189)

für die Charakterisierung des hydrostatischen Spannungsanteils verwendet werden. Für den deviatorischen Spannungsanteil wird die charakteristische Spannung

1 q = [(1 −  2 )2 + ( 2 −  3 )2 + ( 3 − 1 )2 ]1/2 = 3 okt = 3J 2 2

(4.190)

eingeführt, die kurz auch als Deviatorspannung bezeichnet wird.

4.5.3

Grundlagen der Materialmodelle für elastisches Materialverhalten

4.5.3.1 Elastisches Verhalten Wenn sich die Verformungen eines Werksstoffes infolge der Erstbelastung bei der Entlastung wieder umkehren können, wird der Werkstoff als „elastischer“ Werkstoff bezeichnet. Dabei können bei Belastung und Entlastung die Beziehungen zwischen Spannungen ij und Dehnungen ij linear oder auch nichtlinear sein. Bild 4-57 zeigt beispielsweise eine lineare Beziehung a) (linear elastisches Verhalten) und eine nichtlineare Beziehung b) (nichtlinear elastisches Verhalten) zwischen der Spannung  und der Dehnung  bei einaxialer Belastung und Entlastung. Bei einem linear elastischen, isotropen Stoff sind der Elastizitätsmodul E und die Poissonzahl  konstant (Bild 4-57 a), bei nichtlinear elastischem Stoffverhalten dagegen nicht (Bild 4-57 b).

4.5 Materialmodelle

203

4 Bild 4-57 Linear elastisches und nichtlinear elastisches Verhalten

4.5.3.2 Hooke’sches Gesetz Die Beziehungen zwischen Spannungen ij und Dehnungen ij für linear elastische homogene Stoffe können durch das verallgemeinerte Hooke’schen Gesetz beschrieben werden, nämlich

{ ij } = [aij ]{ ij } (i, j = 1,2…6).

(4.191)

In der Matrix [aij] gilt für die elastischen Konstanten aij = aji. Somit besitzt die Matrix [aij] tatsächlich nur 21 unabhängige elastische Konstanten. Wenn ein Körper nur in den drei Achsenrichtungen des kartesischen Koordinatensystems (x, y, z) anisotrop ist, kann Gleichung (4.191) vereinfacht geschrieben werden als:

 1   Ex    − xy   x   Ex     y    xz    − E  z  x   =  xy       0  yz    zx    0    0 



 yx Ey

1 Ey −

 yz Ey

− −

 zx Ez

 zy Ez

1 Ez

0

0

0

0

0

0

2(1 +  xy )

0

0

0

0

0

0

0

0

Ex

0 2(1 +  yz ) Ey 0

     0   x      y  0     z    xy     0   yz      zy  0    2(1 +  zx )   Ez 0

Darin sind Ex, Ey und Ez: der Elastizitätsmodul in der x-, y- bzw. z-Richtung xy und yx: die Poissonzahl in der x-y-Ebene infolge der Spannungen in x- bzw. y-Richtung

(4.192)

204

4 Bodenmechanik

xz und zx: yz und zy:

die Poissonzahl in der x-z-Ebene infolge der Spannungen in x- bzw. z-Richtung die Poissonzahl in der y-z-Ebene infolge der Spannungen in y- bzw. z-Richtung.

In diesem Fall erhält man also nur noch 9 voneinander unabhängige elastische Konstanten. Für einen linear elastischen isotropen Stoff mit dem konstanten Elastizitätsmodul E und der konstanten Poissonzahl  kann das Hooke’sche Gesetz (4.192) wie folgt vereinfacht werden:

4

 1  E     x  −  E    y      −  z  E   =   xy   0     yz    zx   0    0 





E 1 E

− −

 E



0

0

0

0

0

0

E

E 1 E

0

0

2(1 +  ) E

0

0

0

2(1 +  ) E

0

0

0

0





0

   0   x      y  0     z    xy  0     yz    0   zy   2(1 +  )   E  0

(4.193)

Das Hooke’sche Gesetz (4.193) kann auch als Beziehung zwischen Spannungsinkrementen ij und Dehnungsinkrementen ij geschrieben werden als:   1      x  1 −        y   z  E (1 −  )  1 −   =   xy  (1 +  )(1 − 2 )  0   yz   0     zx     0 

 1 − 1

 1 −  1 − 1

0

0

0

0

0

0

0

1 − 2 2(1 −  )

0

0

0

0

1 − 2 2(1 −  )

0

0

0

0

 1 − 0

   0    x    x        y   y 0     z    z  e   = D  0   xy   xy   yz    yz    0       zx    zx  1 − 2   2(1 −  )  (4.194) 0

 

[De] wird elastische Steifigkeitsmatrix genannt. Bei einem nichtlinear elastischen, isotropen Werkstoff sind der Elastizitätsmodul E i und die Poissonzahl i vom Spannungs- und Verformungszustand und zusätzlich von der Spannungsund Verformungsgeschichte abhängig (Bild 4-57 b). Unter einem kleinen Spannungsinkrement i in einer Richtung können der Elastizitätsmodul E i und die Poissonzahl i in dieser Richtung jeweils abschnittweise als konstant betrachtet werden. Die Beziehungen zwischen Spannungsinkrementen ij und Dehnungsinkrementen ij für nichtlinear elastische, isotrope Werkstoffe können analog zu Gleichung (4.192) wie folgt geschrieben werden:

4.5 Materialmodelle

 1   Ei, x   i, xy −    x   Ei , x      y   −  i , xz   z   Ei , x =   xy   0  yz      zx    0    0 

205



 i, yx Ei , y 1 Ei, y



 i, yz Ei , y

− −

 i, zx Ei, z

 i, zy Ei, z 1 Ei, z

0

0

0

0

0

0

2(1 +  i , xy )

0

0

0

0

0

0

0

0

Ei, x

0 2(1 +  i , yz ) Ei, y 0

    0      x     y  0     z    xy    0   yz       zy  0  2(1 +  i, zx )   Ei , z  0

(4.195)

Darin haben die 9 elastischen Konstanten Ex, Ey und Ez, xy und yx, xz und zx, sowie yz und zy jeweils analoge Bedeutung wie in Gleichung (4.192). Sie sind nicht nur vom Spannungsund Verformungszustand, von der Spannungs- und Verformungsgeschichte, sondern auch von der Größe der Spannungsinkremente ij abhängig. Unter weiteren Vereinfachungen der elastischen Konstanten wurden verschiedene nichtlinear elastische Materialmodelle für Böden vorgestellt (z. B. Lee/Idriss [25] und Duncan/Chang [10]).

4.5.4

Grundlagen der elastoplastischen Materialmodelle

4.5.4.1 Elastoplastisches Verhalten Die axiale Dehnung  einer Werkstoffprobe infolge einer einaxialen Belastung  kann sich bei einer vollständigen Entlastung nur teilweise oder gar nicht umkehren (Bild 4-58 a). Der umkehrbare Anteil e ist die sogenannte elastische Dehnung. Der nicht umkehrbare Anteil p wird plastische Dehnung genannt. Das Verformungsverhalten dieses Werkstoffes ist elastoplastisch.

Bild 4-58 Elastoplastisches Materialverhalten

4

206

4 Bodenmechanik

Wenn sich eine Materialprobe unter einer einaxialen Stauchung elastisch verhält, bis die axiale Spannung auf  = vA1 und die axiale Dehnung auf  = eA1 (Punkt A1 in Bild 4-57 b) angewachsen sind, und bei einer weiteren einaxialen Stauchung die Spannung vA1 konstant bleibt und gleichzeitig die weitere Verformung nicht umkehrbar, d. h. plastisch ist, werden die konstante Spannung vA1 „Fließspannung“ und die Verformung unter der Spannung vA1 „Fließen“ genannt. Der Punkt A1 wird „Fließpunkt“ genannt und die „Fließspannung“ vA1 wird auch als „Bruchspannung“ bezeichnet. Bei Entlastung ausgehend von einer Dehnung i verhält sich der Werkstoff elastisch. Dieser Werksstoff wird ideal elastoplastischer Werkstoff genannt.

4

Wenn bei einer Materialprobe unter einer einaxialen Belastung keine Verformungen auftreten, bis die axiale Spannung  = vA2 (Punkt A2 in Bild 4-58 b) beträgt, und unter dieser Spannung vA2 eine nicht umkehrbare plastische Verformung entsteht, ist das Werkstoffverhalten ideal plastisch. Die Materialprobe in Bild 4-58 c) verhält sich unter einer einaxialen Stauchung  bis  = vA (Punkt A in Bild 4-58 c) elastisch, danach treten elastische und plastische Verformungen auf. Die Spannung vA wird als „Fließspannung“ bezeichnet. Wenn die Probe vom Punkt B zum Punkt C entlastet wird, gehen die elastischen Verformungen wieder zurück, während die plastischen Verformungen eingeprägt bleiben. eA-B und pA-B sind die zusätzliche elastische Verformung bzw. die zusätzliche plastische Verformung infolge der weiteren Belastung vom Punkt A zum Punkt B (Bild 4-58 c). Wenn die Probe vom Punkt B bis zum Punkt D weiter belastet wird, entstehen weitere elastische und plastische Verformungen. Die dem Punkt B entsprechende Spannung vB ist eine neue „Fließspannung“. Die Zunahme der Fließspannung von vA bis vB wird „Verfestigung“ genannt. 4.5.4.2 Fließfläche und Bruchfläche Die Gesamtverformung ij eines Werkstoffes kann in einen elastischen Anteil eij und einen plastischen Anteil pij aufgespalten werden (sogenanntes superposition model):

 ij =  ije +  ijp

(4.196)

Der elastische Anteil kann nach Abschnitt (4.5.3.2) berechnet werden. Im Folgenden wird auf den plastischen Anteil eingegangen. In einem dreidimensionalen Spannungszustand ist der dem Fließpunkt A1 (oder A2) in Bild 4-58 b) entsprechende Spannungszustand im Hauptspannungsraum eine Fläche, z. B. die Fläche f1 in Bild 4-59, welche „Fließfläche“ genannt wird. Wenn unter einem hydrostatischen Druck (1 = 2 = 3) plastische Verformungen entstehen können, kann die Fließfläche geschlossen sein. Dieser Fall tritt bei Böden z. B. im Zuge der Verdichtung auf. Es treten in diesem Fall plastische Volumendehnungen auf. Plastische Scherverformungen treten auf, wenn ein Bruchzustand vorliegt. Für ideal elastoplastische Werkstoffe ohne Verfestigung wird die Fließfläche auch Bruchfläche genannt. Für elastoplatische Werkstoffe mit Verfestigung ändert sich die Fließfläche infolge der Verfestigung während der Belastung von der Fließfläche f1 bis zur Fließfläche f2 (Bild 4-59), ebenso wie der Fließpunkt A bis zum Punkt B in Bild 4-58 c) wandert. Innerhalb jeder neuen Fließfläche verhalten sich die Werkstoffe elastisch. Spannungszustände außerhalb von Fließflächen sind nicht möglich, lediglich die Veränderung der Fließfläche (z. B. Aufweitung, siehe Bild 4-59) ermöglicht Spannungszustände außerhalb der anfänglichen Fließfläche. Die

4.5 Materialmodelle

207

Spannungsänderungen, die ins Äußere der Fließfläche führen, sind teilweise mit elastischen und teilweise mit plastischen Verformungen verbunden. Bei Spannungsänderungen, die auf der Fließfläche bleiben, erfahren die Werkstoffe ausschließlich elastische Verformungen. Die Fließfläche und ihre Veränderung werden durch eine Fließfunktion f beschrieben, die von den Hauptspannungen 1, 2 und 3 abhängig ist. Es gilt: f (1 ,  2 ,  3 , H ) = 0

(4.197 a)

oder im Allgemeinen

f ( ij , H ) = 0

(4.197 b)

H wird „Verfestigungsparameter“ genannt, der das Fließverhalten der Werkstoffe beschreibt. Der Verfestigungsparameter H kann z. B. als Funktion der plastischen Verformungen oder der plastischen Arbeit formuliert sein. Bild 4-59 zeigt den Schnitt einer Deviatorebene mit der Fließfläche. Die Kurve  ist die Spur der Fließfläche in der Deviatorebene. 1 Fließfläche f2

= 

Bild 4-59 Fließfläche

=  

 Fließfläche f1

0

Deviatorebene

2

3

4.5.4.3 Klassische Fließbedingungen Der französische Ingenieur Tresca hat im Jahr 1865 auf Grund von Versuchen angenommen, dass Metalle zu fließen beginnen, wenn die größte Schubspannung max = (1 – 3)/2 den konstanten Wert v0/2 erreicht und somit

1 2

1 2

 max = (1 −  3 ) =  v0

(4.198)

gilt. Die Materialkonstante v0 wird „Vergleichsspannung“ genannt und kann durch einen einaxialen Zugversuch bestimmt werden (Bild 4-60). Die Bedingung (4.198) beschreibt einen hexagonalen „Zylinder“, dessen Symmetrieachse die erste Raumdiagonale des Hauptspannungsraums ist (Bild 4-61 a). Von Mises [27] stellte im Jahr 1913 auf Grund mathematischer Überlegungen die Fließbedingung

(1 −  2 )2 + ( 2 −  3 )2 + ( 3 − 1 )2 = 2 v20

(4.199)

4

208

4 Bodenmechanik

auf. Die Bedingung (4.199) beschreibt einen Kreiszylinder mit der ersten Raumdiagonalen des Hauptspannungsraums als Symmetrieachse (Bild 4-61 b). Bild 4-61 c) zeigt die Spuren der zwei Fließflächen in der Deviatorebene, welche durch den Ursprung (0-Punkt) des Hauptspannungsraums verläuft.



Fließpunkt

v0

4 Bild 4-60 Vergleichsspannung v0 0



1

1

1

v. Mises Fließfläche

=   =

n

Fließfläche



=   =

Tresca

n



0 0

3

2

0

3 a) Fließfläche nach Tresca

b) Fließfläche nach v. Mises

2

3

2

c) Spuren der Fließbedingungen von Tresca und v. Mises in einer Deviatorebene

Bild 4-61 Tresca und von Mises Fließfläche sowie ihre Spuren in einer Deviatorebene

4.5.4.4 Fließregel Wir beobachten eine aktuelle Fließfläche f im Hauptspannungsraum (Bild 4-62). Die drei Hauptachsen (1, 2, 3) beschreiben gleichzeitig auch die Richtungen der drei Hauptdehnungen (1, 2, 3). Wenn die Spannung i in einem Punkt A um ein vektorielles Spannungsinkrement i ins Äußere der Fließfläche zunimmt, entsteht ein dem Spannungsinkrement i entsprechendes vektorielles plastisches Dehnungsinkrement pi. Die Vorschrift zur Bestimmung der Richtungen des plastischen Dehnungsinkrements pi bezeichnet man als Fließregel.

4.5 Materialmodelle

209

pi

1 1

i A Plastische Potentialfläche g 0

3

Aktuelle Fließfläche f

2 2

Bild 4-62 Spannungs- und Verformungsinkremente sowie Fließfläche und plastische Potenzialfläche

3

Zur Definition der Fließregel wird im Hauptspannungsraum eine Fläche g durch den Spannungspunkt A gelegt. Die Normale auf die Fläche g im Punkt A bestimmt die Richtung des plastischen Dehnungsinkrements pi. Die Fläche g wird „plastische Potenzialfläche“ oder kurz „plastisches Potenzial“ genannt. Die plastische Potenzialfläche ist durch folgende Potenzialfunktion festgelegt: g (1 ,  2 ,  3 , H ) = 0

(4.200 a)

oder allgemein

g ( ij , H ) = 0

(4.200 b)

H ist der Materialparameter, der das Verfestigungsverhalten des Werkstoffes beschreibt. Er kann mit dem Verfestigungsparameter in Gleichung (4.197) identisch sein. H kann z. B. als Funktion der plastischen Verformung oder der plastischen Arbeit definiert sein. Wenn die drei Komponenten pi des plastischen Dehnungsinkrements pi proportional zu den drei Gradienten g/i der plastischen Potenzialfläche g in den drei Hauptspannungsrichtungen sind (Bild 4-62), können die drei Komponenten pi in den drei Hauptdehnungsrichtungen formuliert werden als

 ip = 

g ,  i

(4.201 a)

wobei  ein Proportionalitätsfaktor ist, der eine Funktion der Hauptspannungen 1, 2, 3 und des Spannungsinkrements i ist. Mit dem Faktor  sind die Beträge der plastischen Dehnungsinkremente pi festgelegt (siehe Abschnitt 4.5.4.5). Gleichung (4.201 a) kann verallgemeinert werden zu

 ijp = 

g .  ij

(4.201 b)

In diesem Fall ist der Proportionalitätsfaktor  eine Funktion der Spannungen ij und der Spannungsinkremente ij. Für idealelastische Werkstoffe gilt  = 0 und für plastische Werkstoffe  > 0. Gleichung (4.201 b) beschreibt die Fließregel. Wenn die Fließfläche f mit der Potenzialfläche g identisch ist, wird die Fließregel „assoziierte Fließregel“ (associated

4

210

4 Bodenmechanik

flow-rule) genannt, anderenfalls spricht man von einer „nichtassoziierten Fließregel“ (nonassociated flow-rule). Wenn für Zustände der Fließfunktion f ≤ 0  = 0 oder für den Gradienten der Fließfunktion f/ij ≤ 0 gilt, verhält sich der Werkstoff elastisch. Wenn d > 0 für f = 0 und für den Gradienten f/ij > 0 gilt, verhält sich der Werkstoff plastisch. Zur Bestimmung der Richtung des plastischen Dehnungsinkrements pi muss die Potenzialfunktion g bekannt sein.

4

4.5.4.5 Verfestigungsregel Die sogenannte Verfestigungsregel ist die Vorschrift zur Bestimmung der Größe der plastischen Dehnungsinkremente pij. Der Proportionalitätsfaktor  in Gleichung (4.201 b) bestimmt die Größe der plastischen Dehnungsinkremente pij. Somit kann die Verfestigungsregel als Regel zur Bestimmung des Proportionalitätsfaktors  aufgefasst werden. Verfestigungsregeln zur Bestimmung des Faktors  werden z. B. in [15], [23] und [24] vorgestellt. Wenn der Verfestigungsparameter H = H(ij, pij) als Funktion der Spannungen ij und der plastischen Dehnungen pij angenommen wird, gilt infolge Gleichung (4.197 b):

f =

f f  ij + H  ij

 H  H p    +   ij ij  = 0   p    ij ij  

(4.202)

Durch Einsetzen von (4.201 b) in (4.202) erhält man den Proportionalitätsfaktor :  f f H    +   ij H  ij  ij f   für 0  = − f H g H H  ijp  ij

(4.203)

Wenn der Verfestigungsparameter H = H(pij) ausschließlich eine Funktion der plastischen Dehnungen pij ist, vereinfachen sich (4.202) zu

f =

f f dH  ij +  p = 0  ij H d ijp ij

(4.204)

sowie (4.203) zu

f  ij  ij f  = für  0. f dH g H H d ijp  ij

(4.205)

Bei elastoplastischen Werkstoffen sind die gesamten Dehnungsinkremente ij die Summe der elastischen Dehnungsinkremente eij und der plastischen Dehnungsinkremente pij:

 ij =  ije +  ijp

(4.206)

4.5 Materialmodelle

211

Nur elastische Dehnungsinkremente führen auch zu Spannungsinkrementen. Die Beziehung zwischen den Spannungsinkrementen ij und den elastischen Dehnungsinkrementen ekl kann mit dem Hooke’schen Gesetz (4.194) wie folgt formuliert werden: e  ij = [ De ]ijkl  kl = [ De ]ijkl ( kl −  klp )

(4.207)

Durch Einsetzen von (4.201 b) in (4.207) erhält man

 ij = [ D e ]ijkl ( kl − 

g ).  kl

(4.208)

Durch weiteres Einsetzen von (4.207) in (4.204) folgt

1 f  = [ D e ]ijkl  kl A  ij

4 (4.209)

mit

A=

f g f dH g . [ D e ]ijkl −  ij  kl H d ijp  ij

(4.210)

Für elastische idealplastische Werkstoffe mit f/H = 0 gilt:

A=

f g [ De ]ijkl  ij  kl

(4.211)

Zur Bestimmung des Faktors  mit (4.203) und (4.205) müssen die Fließfunktion f, die plastische Potenzialfunktion g und der Verfestigungsparameter H bekannt sein. Zur Ermittlung des Faktors  mit (4.209) wiederum müssen die Fließfunktion f, die plastische Potenzialfunktion g in Abhängigkeit von ij, die elastische Steifigkeitsmatrix [De]ijkl sowie die gesamten Dehnungsinkremente kl bekannt sein. 4.5.4.6 Elastoplastische Steifigkeitsmatrix Durch Einsetzen von (4.209) in (4.208) erhält man die Beziehung zwischen den Spannungsinkrementen ij und den Dehnungsinkrementen kl:

 ij = [ D ep ]ijkl  kl

(4.212)

mit

[ De ]ijmn [ Dep ]ijkl = [ De ]ijkl −

g f [ De ] pqkl  mn  pq

f g f dH g [ De ]ijkl −  ij  kl H d  ijp  ij

(4.213)

Die quadratische Matrix [Dep]ijkl wird „elastoplastische Steifigkeitsmatrix“ genannt. Der Beziehung (4.205) kommt bei numerischen Verfahren wie der Methode der Finiten Elemente besondere Bedeutung zu. [Dep]ijkl ist die Matrixdarstellung des konstruktiven Tensors oder auch kurz der Materialtensor. Dieser stellt das eigentliche Materialmodell dar.

212

4 Bodenmechanik

Bei elastischen idealplastischen Werkstoffen, also ohne Verfestigung, gilt f/H = 0. Somit vereinfacht sich die Steifigkeitsmatrix (4.213) zu: [ De ]ijmn [ Dep ]ijkl = [ De ]ijkl −

4

4.5.5

g f [ D e ] pqkl  mn  pq

f g [ De ]ijkl  ij  kl

(4.214)

Elastoplastische Materialmodelle für Böden

4.5.5.1 Mohr-Coulomb’sches Materialmodell Das Mohr-Coulomb’sche Materialmodell ist ein elastisches idealplastisches Modell für Böden, bei dem die Fließfläche durch folgende drei Fließfunktionen dargestellt wird:

f1 =

1 1   −  3 + ( 2 +  3 )sin  − c cos  = 0 2 2 2

(4.215 a)

f2 =

1 1   − 1 + ( 3 + 1 )sin  − c cos  = 0 2 3 2

(4.215 b)

f3 =

1 1 1 −  2 + (1 +  2 )sin  − c cos  = 0 2 2

(4.215 c)

Die zwei Modellparameter  und c sind der Reibungswinkel bzw. die Kohäsion des Bodens. Die drei Fließfunktionen beschreiben einen hexagonalen Trichter im Hauptspannungsraum (Bild 4-63 a). Im Mohr-Coulombschen Materialmodell sind folgende drei plastische Potenzialfunktionen definiert:

g1 =

1 1   −  3 + ( 2 +  3 )sin = 0 2 2 2

(4.216 a)

g2 =

1 1  3 − 1 + ( 3 + 1 )sin = 0 2 2

(4.216 b)

g3 =

1 1 1 −  2 + (1 +  2 )sin = 0 2 2

(4.216 c)

Die Größe  als dritter Modellparameter ist der sogenannte Dilatanzwinkel des Bodens. Er ist ein Maß für die Volumenvergrößerung von Böden im Zuge des Abscherens.

4.5 Materialmodelle

1

213

Fließfläche

hexagonaler Trichter

1  0

f6

 0  0

0

t

4

f4

3 a)

2

0

 0 = −c  c tan 

3

0

f5

2

0

t

t

 0

b)

Bild 4-63 Mohr-Coulomb’sche Fließflächen

Die Fließfunktionen (4.215) führen dazu, dass bei einem Boden mit c > 0 Hauptspannungen i < 0 (i = 1, 2, 3) auf der Fließfläche möglich sind, was bedeutet, dass der Boden eine maximale Zugspannung tm = cctan() aufnehmen kann. Wenn die Zugfestigkeit eines Bodens t beträgt, können die Fließfunktionen (4.215) um folgende drei zusätzliche Fließfunktionen ergänzt werden: f 4 = 1 −  t = 0

(4.217 a)

f5 =  2 −  t = 0

(4.217 b)

f6 = 1 −  t = 0

(4.217 c)

Die von den drei Fließfunktionen (4.217) beschriebenen Fließflächen sind die Schnittflächen zwischen den drei Flächen f4, f5, f6 und dem hexagonalen Trichter (Bild 4-63 b). Bei assoziierter Fließregel können die den drei Fließfunktionen (4.217) entsprechenden Potenzialfunktionen geschrieben werden als: g4 = 1 −  t = 0

(4.218 a)

g5 =  2 −  t = 0

(4.218 b)

g6 = 1 −  t = 0

(4.218 c)

An den Verschneidungslinien von zwei benachbarten Fließflächen und zwei benachbarten plastischen Potenzialflächen müssen die Fließfunktionen, die plastischen Potenzialfunktionen und die Fließregel gesondert definiert werden [31] [22]. Für Spannungszustände innerhalb der Fließfläche verhält sich der Boden elastisch. Die elastischen Verformungen können mit dem Hooke’schen Gesetz gemäß Abschnitt 4.5.3 beschrieben werden. Dafür werden zwei elastische Parameter, der Elastizitätsmodul E und die Poissonzahl  benötigt. Für Spannungszustände auf den Fließflächen mit f/ij  [De]ijkl  kl > 0 wird zunächst die elastoplastische Steifigkeitsmatrix [De]ijkl mit (4.214) bestimmt. Sodann wird die Beziehung zwischen den Spannungsinkrementen ij und den Dehnungsinkremen-

214

4 Bodenmechanik

ten kl unter Anwendung von (4.212) ermittelt. Der Faktor  ist an dieser Stelle noch unbestimmt. Für die Ermittlung der plastischen Dehnungsinkremente werden die drei Modellparameter c,  und  benötigt. Die fünf Modellparameter E, , c,  und  können wie folgt bestimmt werden:

1-3

4

Elastizitätsmodul E: Der Elastizitätsmodul E (engl. Young’s Modulus) kann z. B. mit Hilfe eines konventionalen Triaxialversuchs erhalten werden. Bild 4-64 zeigt eine so ermittelte Spannungs-Dehnungsbeziehung. Der Modul E0 wird Anfangs-Tangentenmodul und der Modul E50 Sekantenmodul bei 50 %-Festigkeit genannt. Im Mohr-Coulomb’schen Modell ist E = E0 realistisch für überkonsolidierte bindige Böden. Für Sand und normal konsolidierte bindige Böden ist E = E50 geeignet.

1

1 E0

E50

1

Bild 4-64 Definition und Ermittlung der Moduli E0 und E50 aus den Ergebnissen von Triaxialversuchen

Poissonzahl : Der Anfangswert 0 der Poissonzahl als Ergebnis des konventionalen Triaxialversuches ist relativ klein. Im Mohr-Coulomb’schen Modell ist die Anwendung von  = 0 realistisch für Berechnungen von Entlastungszuständen. In anderen Fällen sollte der Wert der Poissonzahl höher als 0 gewählt werden. Die Poissonzahl  unter dem Eigengewicht kann aus dem jeweils maßgebenden Seitendruckbeiwert zu K0 = /(1-) bestimmt werden. Im Allgemeinen hat die Poissonzahl Werte zwischen 0,3 und 0,4. Reibungswinkel : Im Allgemeinen nimmt der Reibungswinkel  mit zunehmenden Scherverformungen ab. Für das Mohr-Coulomb’sche Modell ist  = cr geeignet. Hierbei ist cr der Reibungswinkel im kritischen Zustand (bei Abscherung ohne Volumenänderung). Kohäsion c: Die Kohäsion c kann unmittelbar durch Scherversuche, z. B. Triaxialversuche, bestimmt werden. Dilatanzwinkel : Im Mohr-Coulomb’schen Modell ist der Dilatanzwinkel  für Ton und Schluff näherungsweise gleich Null, ausgenommen bei stark überkonsolidierten Tonen und Schluffen. Für Quarzsand liegt die Größenordnung des Dilatanzwinkels bei  =  – 30°. Für sehr locker gelagerten Sand hat der Dilatanzwinkel  einen kleinen negativen Wert [2]. 4.5.5.2 Drucker-Prager’sches Stoffmodell Das Drucker-Prager’sche Stoffmodell [9] ist ein vereinfachtes Mohr-Coulomb’sches Modell. Die Fließfunktion f ist eine Funktion der mittleren Spannung p und der OktaederSchubspannung q (als effektive Spannung) gemäß den Definitionen in Abschnitt 4.5.2. Die Bezeichnung p wird für die mittlere Spannung p gebraucht, um hervorzuheben, dass hier die effektive mittlere Spannung gemeint ist.

4.5 Materialmodelle

215

f = q −  ( p + c cot  ) = 0

(4.219)

Die zwei Modellparameter  und c sind der Reibungswinkel bzw. die Kohäsion des Bodens. Die Fließfunktion f beschreibt einen kreisförmigen Trichter im Hauptspannungsraum (Bild 4-65). Der Modellparameter  hängt vom Reibungswinkel  ab und beschreibt die Steilheit des Trichters.

1

Fließfläche

4

 0 0

2

0

 0 = −c  c tan 

3

Bild 4-65 Drucker-Prager’sche Fließfläche

Die der Fließfunktion f entsprechende plastische Potenzialfunktion ist wie folgt definiert:

g = q −   p = 0

(4.220)

 ist ein Modellparameter, der die Dilatanz des Bodens beschreibt. Für Böden ohne Dilatanz gilt  = 0. Bei    ist die Fließregel nichtassoziiert. Die elastischen Verformungen sowie die elastoplastische Steifigkeitsmatrix [De]ijkl bestimmen sich analog zum Modell von Mohr-Coulomb. Für die Berechnung werden die vier Modellparameter c, ,  (in Anhängigkeit von ) und  (in Abhängigkeit von ) benötigt. Die Modellparameter E, , c,  und  bestimmen sich analog zum Modell von MohrCoulomb. Die zwei Parameter  und  können für unterschiedliche Spannungs- und Verformungszustände wie folgt ermittelt werden: Axialsymmetrische Spannungs- und Verformungszustände:

=

6sin  3 + sin 

(4.221)

=

6sin 3 + sin

(4.222)

Triaxialer Kompressionszustand:

=

6sin  3 − sin 

(4.223)

=

6sin 3 − sin

(4.224)

216

4 Bodenmechanik

Ebener Verformungszustand: Im ebenen Verformungszustand beeinflusst der Dilatanzwinkel  den Wert des Parameters . Die Parameter  und  können mit den folgenden Gleichungen abgeschätzt werden:

=

 sin   1 +  sin 

(4.225)

9

mit

4

= =

3 1−  2 / 9 3 sin

(4.226)

1 + sin 2  / 3

Bei einem Dilatanzwinkel  = 0 gilt

 = 3 sin  und  = 0 .

(4.227)

4.5.5.3 Materialmodell für weiche Böden Normal konsolidierte Schluffe, Tone und Mudden werden an dieser Stelle als „weiche Böden“ bezeichnet. Bei der ersten Kompression dieser weichen Böden entstehen elastische und plastische Volumendehnungen. Bei der folgenden Entlastung und Wiederbelastung entstehen hauptsächlich elastische Dehnungen. Das Modell für weiche Böden wird auch „soft soil model“ genannt. Das plastische Verformungsverhalten im Modell für weiche Böden ist durch 12 Fließfunktionen und zwar 6 Mohr-Coulomb’sche Fließfunktionen und 6 Fließfunktionen für Kompression festgelegt. Die sechs Mohr-Coulomb’schen Fließfunktionen zur Beschreibung der Bruchbedingungen lauten:

f fi = q fi −

6sin  6sin  p − c=0 3 − sin  3 − sin 

(i = 1, 2,…6)

(4.228)

Die zwei Parameter  und c sind die bekannten Mohr-Coulomb’schen Festigkeitsparameter. p und q sind die mittlere Spannung bzw. die Oktaeder-Normalspannung qfi (für i = 1,2,…6) in (4.228) beschreibt folgende sechs Funktionen der Hauptspannungen 1, 2 und 3:

q f 1 =  2 −  3 +

3 + sin  (  −  2 ) 3 − sin  1

(4.229 a)

q f 2 =  3 −  2 +

3 + sin  (  −  3 ) 3 − sin  1

(4.229 b)

q f 3 =  3 − 1 +

3 + sin  (  −  3 ) 3 − sin  2

(4.229 c)

q f 4 = 1 −  3 +

3 + sin  (  − 1 ) 3 − sin  2

(4.229 d)

q f 5 = 1 −  2 +

3 + sin  (  − 1 ) 3 − sin  3

(4.229 e)

4.5 Materialmodelle

217

q f 6 =  2 − 1 +

3 + sin  (  −  2 ) 3 − sin  3

(4.229 f)

Die sechs Fließfunktionen (4.228) können als sechs Fließflächen (Mohr-Coulomb’sche Bruchflächen) im Hauptspannungsraum dargestellt werden (Bild 4-66).

4 Bild 4-66 Fließfläche des Modells für weiche Böden im Hauptspannungsraum

Die sechs Fließfunktionen zur Beschreibung der Kompression (Kappenfließfläche) lauten:

q 2fi

+ ( p + c  cot  )( p − pc ) (i = 1,2,…6) (4.230) M2 Hierbei ist c die Kohäsion des Bodens. Die sechs Funktionen q fi (i = 1,2,…6) zur Beschreibung der Scherverformungen im Bruchzustand (sogenannte Konus-Fließfläche) sind durch Gleichung (4.229) definiert. fci =

Die charakteristische Spannung pc in (4.230) ist, wie Bild 4-67 zeigt, eine „isotrope Vorkonsolidationsspannung“. Sie hängt mit der plastischen Volumendehnung pv bei isotroper Kompression wie folgt zusammen:

 p  pc = − pc0 exp  * v *    − 

(4.231)

* und * sind der Kompressionsbeiwert bei isotroper erster Kompression bzw. der Schwellbeiwert bei isotroper Entlastung bzw. Wiederbelastung (Bild 4-67). p0c in (4.231) wird „Anfangs-Vorkonsolidationsspannung“ genannt.

v 1 *

Bild 4-67 Beziehung zwischen der Volumendehnung v und der mittleren Spannung p bei isotroper Kompression

* 1

pc

ln p

218

4 Bodenmechanik

Im dreiaxialen Spannungszustand (2 = 3) stellen die Fließfunktionen (4.230) in der p-qEbene Ellipsen dar (Bild 4-68). Bei größer werdendem Wert von pc verbreitern sich die Ellipsen. Verbindet man die Scheitelpunkte der Ellipsen, erhält man eine Gerade (Bild 4-68). Der Parameter M in (4.230) beschreibt die Steigung dieser Geraden. Er ist abhängig von der Poissonzahl EW bei Entlastung und Wiederbelastung, vom Seitendruckbeiwert K0nk bei eindimensionaler erster Kompression sowie vom Kompressionsbeiwert * und Schwellbeiwert *. Mohr-Coulombsche Bruchlinie

v

4

M 1

Kappe

Ellipse pc

c  cot 

p

Bild 4-68 Fließfläche des Modells für weiche Böden in der p-q-Ebene

Für Spannungszustände innerhalb der Fließflächen verhält sich der Boden rein elastisch. Das elastische Verformungsverhalten kann mit dem Hooke’schen Gesetz in Abschnitt 4.5.3 beschrieben werden. Bei Spannungszuständen auf den Mohr-Coulomb’schen Bruchflächen und f/ij[De]ijklkl > 0 kann die elastoplastische Steifigkeitsmatrix [De]ijkl mit (4.214) bestimmt werden. Für Spannungszustände auf der Kappen-Fließfläche und f/ij[De]ijklkl > 0 ergibt sich die elastoplastische Steifigkeitsmatrix [De]ijkl aus (4.213). Die Beziehung zwischen den Spannungsinkrementen ij und den Dehnungsinkrementen kl kann direkt mit (4.212) ohne Bestimmung des Faktors  erhalten werden. Für die Berechnung werden sieben Parameter, nämlich die Kohäsion c, der Reibungswinkel , der Dilatanzwinkel , die Poissonzahl EW bei Entlastung und Wiederbelastung, der Kompressionsbeiwert * bei isotroper erster Kompression, der Schwellbeiwert * bei isotroper Entlastung (oder Wiederbelastung) sowie der Parameter M benötigt, die wie folgt ermittelt werden können: Kohäsion c und Reibungswinkel : Die Kohäsion c und der Reibungswinkel  können nach Abschnitt 4.5.5.1 bestimmt werden. Dilatanzwinkel : Der Dilatanzwinkel  bei weichen Böden ist vernachlässigbar klein. Somit kann er im Modell für weiche Böden zu Null angenommen werden. Poissonzahl EW: Die Poissonzahl BE für Entlastung und Wiederbelastung im Modell für weiche Böden ist eine elastische Konstante. Ihr Wert liegt zwischen 0,1 und 0,2. Sie kann durch Entlastung und Wiederbelastung einer Bodenprobe im Oedometergerät aus den Versuchsergebnissen mit folgender Gleichung bestimmt werden:

 EW  x = 1 −  EW  z

(4.232)

4.5 Materialmodelle

219

x und z sind die Spannungsänderungen in der horizontalen bzw. vertikalen Richtung im Oedometergerät bei Entlastung oder Wiederbelastung. Kompressionsbeiwert * und Schwellbeiwert *: Der Kompressionsbeiwert * bei isotroper erster Kompression und der Schwellbeiwert * bei isotroper Entlastung (oder Wiederbelastung) werden durch isotrope Kompressionsversuche mit Entlastung und Wiederbelastung erhalten. Die Beziehungen zwischen der Volumendehnung v und dem logarithmischen Wert ln(p) der mittleren Spannung p für Erstbelastung und Entlastung bzw. Wiederbelastung sind näherungsweise zwei Geraden (Bild 4-67). Die Neigung der Geraden für Erstbelastung ist der Kompressionsbeiwert * und die Neigung der Geraden für Entlastung bzw. Wiederbelastung ist der Schwellbeiwert *. Der Kompressionsbeiwert * und der Schwellbeiwert * können auch durch eindimensionale Kompressionsversuche mit Entlastung und Wiederbelastung wie folgt indirekt bestimmt werden. Zunächst werden der Kompressionsbeiwert Cc und der Schwellbeiwert Cs ermittelt. Daraus lassen sich der Kompressionsbeiwert * und der Schwellbeiwert * wie folgt abschätzen:

* =

Cc

(4.233)

2,3(1 + e)

 * = 1,3

1 − EW Cs

(4.234)

1 + EW 1 + e

In (4.233) und (4.234) sind EW die Poissonzahl für Entlastung oder Wiederbelastung und e die mittlere Porenzahl im entsprechenden Be- oder Entlastungsbereich. Parameter M: Nach Brinkgreve [4] ist der Parameter M abhängig von der Poissonzahl EW, vom Seitendruckbeiwert K0nk bei eindimensionaler erster Kompression sowie von dem Kompressionsbeiwert * und dem Schwellbeiwert * und kann wie folgt bestimmt werden:

M =3

(1 − K0nk )2 (1 + 2 K0nk )2

+

(1 − K0nk )(1 − 2 EW )( * /  * − 1)

(1 + 2 K0nk )(1 − 2 EW ) * /  * − (1 − K0nK )(1 + EW )

(4.235 a)

Gleichung (4.235 a) kann näherungsweise geschrieben werden zu:

M  3,0 − 2,8K0nk

(4.235 b)

Der Seitendruckbeiwert Knk0 bei eindimensionaler erster Kompression in (4.235) kann durch eindimensionale Kompressionsversuche mit Messungen des Seitendrucks erhalten werden. Ferner muss die Anfangsvorkonsolidationsspannung p 0c in (4.231) bekannt sein. Bei normal konsolidierten weichen Böden kann sie für den aktuellen Spannungszustand mit p und q gemäß folgender Gleichung berechnet werden:

pc0 = p +

q2 M 2 ( p + c cot  )

(4.236)

Wenn ein überkonsolidierter Boden in seiner Konsolidationsgeschichte unter Knk0 konsolidiert ist, kann die Anfangsvorkonsolidationsspannung p 0c wie folgt abgeschätzt werden:

 (1 − K0nk )2  c2  − c cot   pc0 = A( c ) 1 + 2  ( M  A( c )) 

(4.237)

4

220

4 Bodenmechanik

Hierbei gilt 1 A( c ) = − (1 + 2 K0nk ) c + c cot  . 3

(4.238)

In (4.237) ist c die maximale vertikale Vorkonsolidationsspannung, die nach CASAGRANDE (siehe Abschnitt 2.3.3.6) ermittelt werden kann. 4.5.5.4 Materialmodell für feste Böden

4

Mindestens mitteldicht gelagerte Sande und Kiese sowie stark überkonsolidierte Schluffe oder Tone werden an dieser Stelle als „feste Böden“ bezeichnet. Bei festen Böden ist die Volumendehnung bei Belastung sehr gering und die plastische Dehnung hauptsächlich eine Scherdehnung. Das Materialmodell für feste Böden wird auch Hardening Soil Model genannt. Es tritt definitionsgemäß keine plastische Kompression auf. Im dreiaxialen Spannungszustand kann die Beziehung zwischen der Deviatorspannung q und der vertikalen Dehnung 1 bei erster axialer Belastung, wie Bild 4-69 zeigt, näherungsweise durch die folgende hyperbolische Funktion dargestellt werden:

1 =

q 1 für q < qf Ei 1 − q / qa

(4.239)

Hierbei sind qf die Deviatorspannung im Bruchzustand und q a eine theoretische Grenz-Deviatorspannung (Bild 4-69). Ei ist der von der kleineren Hauptspannung 3 abhängige anfängliche Tangentenmodul gemäß Bild 4-69 und ergibt sich wie folgt:

Ei =

Eiref

 c cot  +  3   ref   c cot  + p 

m

(4.240)

Hierbei sind c und  die Kohäsion bzw. der Reibungswinkel. pref ist eine Bezugsspannung, die häufig mit pref = 100 kPa eingeführt wird. Eiref ist der der Bezugsspannung pref entsprechende anfängliche Tangentenmodul. Der Index m ist ein Modellparameter, für feste Böden gilt m = 0,5.

q qa qf

Grenzspannung

1 1

E50

Bruchspannung

Ei EEW 1

1

Bild 4-69 Hyperbolische Beziehung zwischen q und 1 für einen drainierten Triaxialversuch

Die Deviatorspannung qf im Bruchzustand und die Grenz-Deviatorspannung qa in (4.239) können nach der Mohr-Coulomb’schen Bruchbedingung formuliert werden:

4.5 Materialmodelle

221

q f = (c cot  +  3 )

2sin  1 − sin 

(4.241a)

qa = q f / R f

(4.241b)

Hierbei ist Rf das sogenannte Bruchverhältnis, das häufig mit Rf = 0,9 angenommen wird. Der Elastizitätsmodul EEW für Ent- und Wiederbelastung gemäß Bild 4-69 wird in Abhängigkeit von 3 ermittelt:

EEW =

ref EEW

 c cot  +  3   ref   c cot  + p 

m

(4.242)

ref EEW ist der der Bezugsspannung pref entsprechende Elastizitätsmodul. Für viele Aufgabenstelref lungen kann EEW = Eiref angenommen werden.

Die Fließfunktion im Modell für feste Böden lautet f =

2 2q q − − p = 0 , Ei 1 − q / qa EEW

(4.243)

wobei p den Verfestigungsparameter für die plastische Scherdehnung darstellt. Durch Einsetzen der Gleichungen (4.240) und (4.242) in (4.243) ergeben sich bei unterschiedlichen Werten von p Fließfunktionen, die in der p-q-Ebene Fließlinien darstellen (Bild 4-70). Für m < 1 sind die Fließlinien gekrümmt. Im Mohr-Coulomb’schen Bruchzustand gilt m = 1 und in diesem Fall ist die Fließlinie eine Gerade. q

nie hli uc r B

e ch b s m lo ou linien r -C Fließ h o M

Bild 4-70 Fließlinien und Mohr-Coulomb’sche Bruchlinie in der p-q-Ebene

p nimmt zu

p

Da die plastische Volumendehnung pv fester Böden im Vergleich zur axialen plastischen Dehnung p1 sehr gering ist, kann die plastische Scherdehnung p näherungsweise ermittelt werden zu:

 p = 21p −  vp  21p

(4.244)

Durch Einsetzen von (4.244) in (4.243) erhält man ohne Betrachtung einer plastischen Potenzialfunktion direkt die axiale plastische Dehnung p1, welche infolge der Deviatorspannung q entsteht:

1p =

q q 1 − E 1 − q / qa EEW

(4.245)

4

222

4 Bodenmechanik

Die elastischen Dehnungen e1 und e2 = e3 in axialer bzw. in radialer Richtung infolge q bei Erst-, Be- und Wiederbelastung können mit den folgenden Gleichungen abgeschätzt werden:

1e =

q , EEW

 2e =  3e = − EW

q EEW

(4.246)

EW ist die Poissonzahl für Ent- und Wiederbelastung. Die gesamte axiale Dehnung 1 infolge der Deviatorspannung q beträgt

1 = 1e + 1p =

4

1 q . Ei 1 − q / qa

(4.247)

(4.247) beschreibt gerade die hyperbolische Kurve in Bild 4-69. Die Verformungen infolge der isotropen Belastung vor der deviatorischen Belastung sind elastisch und können mit dem Hooke’schen Gesetz (4.8) ermittelt werden. Aus (4.244) ergibt sich das Inkrement p der plastischen Scherdehnung in Abhängigkeit von der axialen plastischen Dehnung p1 näherungsweise zu: 

p

= 21p

(4.248)

Im Modell für feste Böden wird eine Beziehung zwischen dem Inkrement pv der plastischen Volumendehnung und dem Inkrement p der plastischen Scherdehnung angenommen:

 vp = sin m   p

(4.249)

mit m als mobilisiertem Dilatanzwinkel, der mit folgender Gleichung erhalten wird: sin m =

sin m − sin cr

1 − sin m sin cr

(4.250)

Hierbei sind m der mobilisierte Reibungswinkel und cr der Reibungswinkel im sogenannten kritischen Zustand (bei Abscheren ohne Volumenänderung). m kann errechnet werden mit sin m =

1 −  3 .  1 +  3 − 2c cot 

(4.251)

Der Reibungswinkel cr im kritischen Zustand ergibt sich zu

sin cr =

sin  − sin . 1 − sin  sin

(4.252)

Mit (4.248) und (4.249) kann das Inkrement pv der plastischen Volumendehnung infolge der Deviatorspannung q abgeschätzt werden. Die Kohäsion c, der Reibungswinkel  und der Dilatanzwinkel  im Modell können nach Abschnitt 4.5.5.1 bestimmt werden. Die im Modell anzusetzende Poissonzahl EW bei Ent- und Wiederbelastung kann grundsätzlich durch Oedometerversuche sowie Anwendung von Gleichung (4.232) erhalten werden. Die Poissonzahl EW bei festen Böden ist etwas höher als bei weichen Böden und hat im Allgemeinen Werte zwischen 0,2 und 0,3. ref ref Für den Bezugstangentenmodul kann Eiref  EEW  E50 angenommen werden. Hierbei ist ref E50 der Sekantenmodul gemäß Bild 4-69.

4.6 Literatur

4.6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26]

223

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4

224

4

4 Bodenmechanik

[27] Mises, R. von: Mechanik der festen Körper im plastisch deformablen Zustand. Nachrichten der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Mathematisch-physikalische Klasse, S. 263–269, 1913 [28] Newmark, N. M.: Influence charts for computation of vertical displacements in elastic foundations, Univ. Illinois, Bulletin 44, Nr. 45, 1947 [29] Olsen, R. A.: Consolidation under time-dependent loading. ASCE J. GE Div. 103, 1977 [30] Rankine, W. J. M.: Handbuch der Bauingenieurkunst. Nach der 12. Auflage deutsch bearbeitet von F. Kreuter, Wien, 1880 [31] Smith, I. M., Griffith, D. V.: Programming the Finite Element Method, Second Edition. John Wiley & Sons, Chichester, U. K., 1982 [32] Sokolovsky, V. V.: Statics of Granular Media. Pergamon Press, Oxford, 1965 [33] Steinbrenner, W.: Tafeln zur Setzungsberechnung. Straße 1, S. 121–124, 1934 [34] Taylor, D. W.: Research on Consolidation of Clays. Massachusetts Institute of Technology, Publication No. 82, 1942 [35] Terzaghi, K. und Fröhlich, O. K.: Theorie der Setzung von Tonschichten, Verlag Franz Deutike, Leipzig und Wien, 1936

5

Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik Bernd Schuppener

5.1

Eurocodes und Deutsche Normen (DIN) des Bauingenieurwesens

5.1.1 Die Eurocodes Erste Initiativen für die Aufstellung europäischer Normen im Bauwesen gingen 1975 von einer Reihe von Hochschullehrern und Vertretern der Bauindustrie aus. Sie wurden bald darauf von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft unterstützt, die europäische Normen als einen wesentlichen Bestandteil für die Entwicklung eines gemeinsamen Marktes betrachteten und eine Möglichkeit sahen, den freien Markt zu fördern und technische Handelshemmnisse durch Normen abzubauen. Im Jahr 1989 entschieden sich die Kommission und die Mitgliedsländer der Europäischen Union und der EFTA (European Free Trade Association), die Entwicklung und Veröffentlichung des Eurocodes an CEN (Comité Européen de Normalisation), das Europäische Normungsinstitut, zu übertragen, damit diese den Status von Europäischen Normen (EN) erhielten (Einzelheiten siehe in [28]). Die Koordination der Arbeit an den Eurocodes wurde dem Technischen Komitee (TC) 250 „Eurocodes für den konstruktiven Ingenieurbau“ (Structural Design) übertragen. Jeder der Eurocodes wird von einem Subkomitee (SC) betreut, in dem jedes Mitgliedsland des CEN vertreten ist. Das sind zum einen die Staaten der Europäischen Union und zusätzlich drei Mitglieder der EFTA, d. h. Island, Norwegen und die Schweiz sowie ggf. andere Staaten als Beobachter. Das derzeitige Eurocode-Programm umfasst die folgenden Normen, die in der Regel aus mehreren Teilen bestehen: – – – – – – – – – –

DIN EN 1990 Eurocode: DIN EN 1991 Eurocode 1: DIN EN 1992 Eurocode 2: DIN EN 1993 Eurocode 3: DIN EN 1994 Eurocode 4:

Grundlagen der Tragwerksplanung Einwirkung auf Tragwerke Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahlbetonbauten Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahlbauten Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahl-BetonVerbund-Bauten DIN EN 1995 Eurocode 5: Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauten DIN EN 1996 Eurocode 6: Entwurf, Berechnung und Bemessung von Mauerwerksbauten DIN EN 1997 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik (EC 7) DIN EN 1998 Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben DIN EN 1999 Eurocode 9: Entwurf, Berechnung und Bemessung von Aluminiumkonstruktionen

In der Planung sind weitere Eurocodes für Glaskonstruktionen und Konstruktionen mit einer Bewehrung aus Fiberglas. Die DIN EN 1990 [12] ist die Grundlagen-Norm für die Eurocodes DIN EN 1991 bis DIN EN 1999 des Bauwesens. In ihr werden die in allen Eurocodes verwendeten Begriffe definiert © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_5

226

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

und die Prinzipien und Anforderungen zur Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit von Tragwerken und damit die Bemessungsphilosophie im Bauwesen festgelegt. Wesentlicher Bestandteil der Bemessungsphilosophie ist das Bemessungskonzept der Grenzzustände mit Teilsicherheitsbeiwerten. Darüber hinaus liefert sie Hinweise zu Fragen der Zuverlässigkeit in Verbindung mit der Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit. Grenzzustände werden in der DIN EN 1990 [12] sehr allgemein als Zustände definiert, „bei deren Überschreitung das Tragwerk die Entwurfsanforderungen nicht mehr erfüllt“ (siehe 1.5.2.12 in [12]). Für die Geotechnik sind maßgebend:

5

– Grenzzustände der Tragfähigkeit, die im Zusammenhang mit Einsturz oder anderen Formen des Tragwerksversagens stehen, und – Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit, bei deren Überschreitung die festgelegten Bedingungen für die Gebrauchstauglichkeit eines Tragwerks oder Bauteils nicht mehr erfüllt sind. Die in der DIN EN 1990 [12] und den anderen Eurocodes angegebenen Zahlenwerte für die Teilsicherheitsbeiwerte und andere Zuverlässigkeitsparameter gelten als Empfehlungen zur Erreichung eines akzeptablen Zuverlässigkeitsniveaus. Es steht jedem Mitgliedsland des CEN frei, sie zu übernehmen oder eigene Werte festzulegen. Die Bemessung der Eurocodes konzentriert sich daher darauf, nachzuweisen, dass eine Überschreitung von Grenzzuständen vermieden wird, wobei die Grenzzustände „baupraktisch“ definiert sind als Versagensmöglichkeiten, unsichere Zustände und fehlende oder ungenügende Funktionsfähigkeit. Während frühere Bemessungsphilosophien Spannungen und Bruchzustände untersuchten, konzentriert sich die Bemessung auf Grundlage von Grenzzuständen auf die Überprüfung, was versagen könnte und was vermieden werden muss. Die Überprüfung der Grenzzustände wird mit Bemessungswerten der Einwirkungen bzw. der Beanspruchungen, Bemessungswerten der Materialfestigkeit und der geometrischen Randbedingungen durchgeführt, wobei die Bemessungswerte bewusst pessimistisch angesetzt werden. Bemessungswerte werden sowohl bei Grenzzuständen der Tragfähigkeit als auch bei Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit angesetzt. Da aber ein Zusammenbruch oder Einsturz einer Konstruktion ein ungleich schwerwiegenderer Schaden ist als Risse oder eine Schiefstellung eines Bauwerks, sind die Bemessungswerte für die beiden Grenzzustände nicht identisch. (Siehe dazu die Abschnitte 5.2.5 Grenzzustände der Tragfähigkeit und 5.2.10 Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit.) In allen Eurocodes wird abhängig vom Charakter der einzelnen Absätze nach Prinzipien und Anwendungsregeln unterschieden. Die Prinzipien enthalten: – allgemeine Bestimmungen und Begriffsbestimmungen, die immer gelten, sowie – Anforderungen und Rechenmodelle, die immer gültig sind, soweit auf die Möglichkeit von Alternativen nicht ausdrücklich hingewiesen wird. Ihnen wird in den Eurocodes der Buchstabe P vorangestellt. Die Anwendungsregeln sind allgemein anerkannte Regeln, die den Prinzipien folgen und deren Anforderungen erfüllen. Abweichende Anwendungsregeln sind zulässig, wenn vom Aufsteller nachgewiesen werden kann, dass sie mit den maßgebenden Prinzipien übereinstimmen und im Hinblick auf die Bemessungsergebnisse bezüglich der Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit, die bei Anwendung der Eurocodes erwartet werden, mindestens gleichwertig sind.

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5.1 Eurocodes und Deutsche Normen (DIN)

227

Die Mitgliedsländer der EU und der EFTA betrachten die Eurocodes als Normen: – zum Nachweis der Übereinstimmung der Hoch- und Ingenieurbauten mit den wesentlichen Anforderungen der Richtlinie 89/106/EWG, besonders mit der wesentlichen Anforderung Nr. 1: „Mechanischer Widerstand und Stabilität“ und der wesentlichen Anforderung Nr. 2: „Brandschutz“; – als Grundlage von Verträgen für die Ausführung von Bauwerken und der dazu erforderlichen Ingenieurleistungen und – als Grundlage für die Herstellung harmonisierter, technischer Bestimmungen für Bauprodukte. Die Eurocodes liefern damit Regelungen für den Entwurf, die Berechnung und Bemessung von kompletten Tragwerken und Baukomponenten, die sich für die tägliche Anwendung eignen. Sie gehen auf traditionelle Bauweisen und Aspekte innovativer Anwendungen ein, liefern aber keine vollständigen Regelungen für ungewöhnliche Baulösungen und Entwurfsbedingungen, wofür Beiträge von Spezialisten erforderlich sein können. Die Bestimmungen der Eurocodes beruhen auf nachstehenden Voraussetzungen: – die für die Planung erforderlichen Unterlagen werden von angemessen qualifiziertem Personal gesammelt, dokumentiert und interpretiert; – die Bauwerke werden von angemessen qualifiziertem und erfahrenem Personal geplant; – bei den für die Erstellung der Entwurfsgrundlagen für die Planung und für die Ausführung Zuständigen sind Kontinuität und eine sachgerechte Kommunikation gegeben; – eine angemessene Überwachung und Qualitätskontrolle in Produktionsstätten, Anlagen und auf der Baustelle sind vorhanden; – die Bauarbeiten werden norm- und vertragsgerecht von entsprechend geschultem und erfahrenem Personal ausgeführt; – Baustoffe und Bauprodukte werden entsprechend den Vorgaben dieser Norm oder den entsprechenden Lieferbedingungen für Stoffe und Produkte eingesetzt. Der EC 7-1 [15] fordert darüber hinaus: – Das Bauwerk wird in angemessenem Umfang und für die Dauer seiner Nutzung so unterhalten, dass seine Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit sichergestellt sind; das Bauwerk wird so genutzt, wie in der Planung vorgesehen. – Es ist notwendig, dass sich Planverfasser und Auftraggeber dieser Voraussetzungen bewusst sind. Zur Vermeidung von Unklarheiten sollten sie aktenkundig gemacht werden, z. B. im Geotechnischen Entwurfsbericht.

5.1.2

Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik

Das Subkomitee SC 7 bearbeitet den Eurocode 7 „Geotechnische Bemessung“ seit 1980 [28] und verabschiedete 1993 die ENV 1997-1 als Vornorm „Geotechnische Bemessung – Teil 1: Allgemeine Regeln“. Schon damals wurde deutlich, dass noch eine Vielzahl von Fragen diskutiert und einvernehmlich geklärt werden musste, bevor eine für alle Mitglieder des CEN akzeptable Europäische Norm (EN) zur Abstimmung gestellt werden konnte. Im Januar 1997 begann eine Arbeitsgruppe WG 1 mit Vertretern aus insgesamt 19 Mitgliedsländern mit der Überarbeitung der ENV zu einer EN. Dem erarbeiteten Entwurf, der im November 2004 veröffentlicht wurde, stimmten 26 von 28 Ländern zu. Er wird im Folgenden kurz als „EC 7-1“ bezeichnet.

5

228

5

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Ein wesentlicher Umstand, der ein positives Votum ermöglichte, lag in der Anerkennung des CEN TC 250, wonach eine geotechnische Bemessung Besonderheiten hat und nicht in gleicher Weise betrachtet werden kann wie die Bemessungsverfahren in den anderen Bereichen der Bauindustrie. Die geotechnischen Berechnungsmodelle variieren von Land zu Land und können nicht einfach vereinheitlicht werden, auch weil die Geologie von Land zu Land unterschiedlich ist und sich daraus regionale Traditionen der Bemessung entwickelt haben. Dies wurde durch eine Resolution des TC 250 bestätigt, indem anerkannt wird, dass der EC 7-1 [15] sich im Gegensatz zu den anderen Eurocodes ausschließlich auf die fundamentalen Regeln der geotechnischen Bemessung konzentriert und durch nationale Normen ergänzt wird. Der EC 7 bestand ursprünglich aus zwei weiteren Teilen: Teil 2, der sich der geotechnischen Bemessung auf Grund von Laborversuchen widmete, und Teil 3, der die geotechnische Bemessung auf Grund von Feldversuchen beinhaltete. Bei der Überarbeitung der beiden Vornormen entschloss man sich, sie zu einem einzigen Dokument mit dem Titel Eurocode 7: Geotechnische Bemessung – Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrunds zusammenzufassen. Im Frühjahr 2006 wurde der Entwurf des EC 7-2 [17] einstimmig angenommen und im März 2007 durch das CEN veröffentlicht. Auf den Inhalt der beiden Teile des EC 7 wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, da die wesentlichen Regelungen in diesem Abschnitt und in den anderen Abschnitten des Handbuchs behandelt werden.

5.1.3

Die Einführung der Eurocodes in Deutschland

Die Richtlinien der EU über das öffentliche Beschaffungswesen sehen vor, dass im Bauwesen in ganz Europa zukünftig in allen öffentlichen Ausschreibungen und Verträgen die Eurocodes zu Grunde gelegt werden. Damit werden die Eurocodes zur technischen Ausschreibungsgrundlage für Bauverträge der öffentlichen Hand. Das bedeutet allerdings nicht, dass grundsätzlich nur die Eurocodes angewendet werden müssen, aber ein Entwurfsaufsteller, der andere Normen verwendet, muss nachweisen, dass sein Entwurf einem Entwurf nach den Eurocodes äquivalent ist. Bei der praktischen Umsetzung der Harmonisierung der nationalen und europäischen Normen gelten folgende Grundsätze: – Die Eurocodes sind vollständig mit allen informativen Anhängen von allen Mitgliedsstaaten einzuführen. – Nationale Normen sind weiterhin zulässig, aber – nationale Normen dürfen weder europäischen Normen widersprechen noch mit ihnen konkurrieren. – Nationale Normen, für die es europäische Normen gibt, sind nach einer Übergangsfrist zurückzuziehen. Um die Eurocodes anwendbar zu machen und sie mit den nationalen Normen zu verbinden, sind in den Europäischen Staaten sogenannte „Nationale Anhänge“ zu erstellen. Wegen ihrer besonderen Bedeutung hat die Europäische Kommission in dem „Leitpapier L – Anwendung der Eurocodes“ [26] Vorschriften darüber erlassen, was in den nationalen Anhang aufzunehmen und wie er aufzubauen ist. Auch wenn nach 2.1.1 des Leitpapiers gilt: „Die Bestimmung von Sicherheitsniveaus für Hoch- und Ingenieurbauwerke und für Teile davon einschließlich der Aspekte der Dauerhaftigkeit und der Wirtschaftlichkeit ist und bleibt in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten“,

5.1 Eurocodes und Deutsche Normen (DIN)

229

werden jedoch in 2.3.4 dem nationalen Entscheidungsspielraum Grenzen gesetzt: „Ein nationaler Anhang kann den Inhalt eines EN-Eurocodes in keiner Weise ändern, außer wo angegeben wird, dass eine nationale Wahl mittels national festzulegender Parameter vorgenommen werden kann“. Nach Abschnitt 2.3.3 des Leitpapiers L [26] darf ein nationaler Anhang die national zu bestimmenden Parameter (Nationally Determined Parameter, NDP) enthalten. Das sind: – die Zahlenwerte der Teilsicherheitsbeiwerte, Streuungsfaktoren, Kombinationsbeiwerte und andere sicherheitsrelevante Beiwerte, – die Entscheidung über die anzuwendenden Nachweisverfahren, wenn mehrere zur Wahl gestellt werden, und – die Entscheidung bezüglich der Anwendung informativer Anhänge. Darüber hinaus darf der nationale Anhang Verweise auf nicht widersprechende zusätzliche Angaben enthalten, die dem Anwender beim Umgang mit dem Eurocode helfen. Der nationale Anhang darf also keinerlei zusätzliche nationale normative Regelungen enthalten. Spezifische nationale Regelungen sollen in nationale Normen aufgenommen werden, auf die im Nationalen Anhang verwiesen wird. Naheliegend wäre gewesen, auf die DIN 1054:2005 [7] zu verweisen. Die DIN 1054:2005 enthielt jedoch Regelungen, die auch im EC 7-1 enthalten sind. Sie konkurrierte daher mit dem EC 7-1 und musste nach einer Übergangszeit zurückgezogen werden. Um die speziellen deutschen geotechnischen Erfahrungen zu erhalten, wurde die DIN 1054:2005 überarbeitet, indem alle Regelungen gestrichen wurden, die schon im EC 7-1 enthalten sind. Die so überarbeitete DIN 1054:2010 [8] mit dem Titel Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1:20099, Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln stellt damit keine Konkurrenz mehr zum EC 7-1 dar.

Eurocode: Eurocode: Grundlagen Grundlagender der Tragwerksplanung Tragwerksplanung Eurocode Eurocode2:2: Bemessung Bemessungvon von Stahlbetonbauten Stahlbetonbauten

Eurocode Eurocode3:3: Bemessung Bemessungvon von Stahlbauten Stahlbauten

Nationaler NationalerAnhang Anhang zum zumEC EC22

Nationaler NationalerAnhang Anhang zum zumEC EC33

DIN DIN19702 19702 Massivbauwerke Massivbauwerke im Wasserbau im Wasserbau

DIN DIN19704 19704 Stahlwasserbauten Stahlwasserbauten

Handbuch Eurocode 7

EC 4

Eurocode Eurocode1:1: Einwirkungen Einwirkungenauf auf Tragwerke Tragwerke EC 5

EC 6

Eurocode Eurocode7-1: 7-1: Bemessung Bemessungininder der Geotechnik Geotechnik

EC 8

EC 9

Nationaler NationalerAnhang Anhang zu zuEC EC7-1 7-1 DIN DIN1054:2010 1054:2010 Ergänzende Ergänzende Regelungen Regelungenzu zuEC EC7-1 7-1

EAB EAB

DIN DIN4084: 4084: GeländeGelände-und und BöschungsbruchBöschungsbruchberechnung berechnung

Merkblatt Merkblatt Standsicherheit Standsicherheitvon von Dämmen Dämmenan anBundesBundeswasserstraßen wasserstraßen

DIN DINXXXX XXXX

DIN DINYYYY YYYY

EAU EAU

Bild 5-1 Hierarchie der Normen für den Bereich Verkehrswasserbau

5

230

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Die Hierarchie europäischer und deutscher Normen ist im Bild 5-1 für den Bereich des Verkehrswasserbaus dargestellt. An der Spitze der europäischen Baunormen stehen der Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung [12] und der Eurocode 1 Einwirkungen auf Tragwerke [14]. Sie sind Grundlage für die Bemessung im gesamten Bauwesen Europas. Auf diese beiden Grundnormen beziehen sich alle anderen 8 Eurocodes. Mit den Eurocodes allein ist in keinem der Fachgebiete des Bauingenieurwesens eine Bemessung und ein Nachweis möglich, weil die anzuwendenden Teilsicherheitsbeiwerte und in vielen Fällen auch zur Wahl gestellten Nachweisverfahren von den nationalen Normungseinrichtungen festgelegt werden müssen. Um die Eurocodes in den Mitgliedsstaaten anwendbar zu machen, sind diese in Nationalen Anhängen festzulegen. Die nationalen Anhänge stellen daher die Verbindung zwischen den Eurocodes und den weiterhin und zusätzlich geltenden nationalen Normen her.

5

5.1.4

Pflege und Weiterentwicklung der Eurocodes

Die Pflege und Weiterentwicklung der Eurocodes dient nicht nur dazu, Fehler und Missverständnisse zu beseitigen. Es muss darüber hinaus sichergestellt werden, dass durch die Aktualisierung der Eurocodes ihre Akzeptanz, ihre Vollständigkeit und damit auch ihre Bedeutung erhalten und ausgebaut werden. Aus diesem Grund wurde von SC 7 eine Maintenance Group (MG), eine Arbeitsgruppe zur Pflege und Weiterentwicklung der beiden Teile des EC 7, eingerichtet. Insbesondere nach der Einführung und den ersten Anwendungen ergaben sich in den Mitgliedsländern eine Menge technischer und juristischer Fragen zum EC 7, die geklärt werden mussten. Als erster Schritt wurden 2009/2010 die Fehler der ersten Fassung beider Teile durch eine Berichtigung richtiggestellt. Ergänzungsvorschläge sowie alle Fragen und Einsprüche zur Anwendung der Eurocodes, die in den Mitgliedsstaaten auftauchen, sind zunächst den nationalen Normungsinstitutionen zuzuleiten (siehe Bild 5-2). So weit wie möglich sollten die Fragen und Einsprüche durch die nationalen Normungsinstitutionen in den Mitgliedsstaaten behandelt werden. Nur Einsprüche und Fragen, die eine Auswirkung im Hinblick auf Korrekturen oder Ergänzungen haben, werden an die MG zur Pflege und Aktualisierung des Eurocodes weitergegeben. Die Arbeit dieser Arbeitsgruppe wird unterstützt durch die Entwicklung und Pflege einer Datenbank für die Eurocodes durch das Joint Research Center (JRC) der Europäischen Kommission in Ispra, Italien, das eine Internetplattform für Informationen zu den Eurocodes entwickelt hat (http://eurocodes.jrc.ec.europa.eu/login.php). Europäische Normen werden eigentlich spätestens vier Jahre nach ihrer Ratifizierung erneut in den Mitgliedsländern zur Diskussion gestellt und ggf. vom zuständigen technischen Komitee überarbeitet. Da die Einführung der Eurocodes in den Mitgliedsländern erhebliche Zeit in Anspruch nahm und deshalb noch auch keine ausreichende Erfahrung mit ihrer praktischen Anwendung gewonnen werden konnte, entschloss man sich, diese Frist bis 2013 zu verlängern. Zur Überarbeitung empfiehlt die Europäische Kommission den Mitgliedsstaaten, „… die national zu bestimmenden Parameter zu vergleichen … und die Auswirkungen im Hinblick auf die technischen Unterschiede beim Bauen abzuschätzen. Die Mitgliedsländer sollten auf Aufforderung der Kommission ihre national bestimmten Parameter ändern, um die Unterschiede von den empfohlenen Werten zu reduzieren“ [5]. In diesem Zusammenhang sind auch die zur Wahl gestellten Nachweisverfahren zu reduzieren. Auf lange Sicht können auch neue Themen entwickelt werden, z. B. die Standardisierung der Auswertung von Versuchsergebnissen im Hinblick auf die Wahl charakteristischer Werte für Bodenkenngrößen für die geotechnische Bemessung oder im Hinblick auf die Grundsätze für die Anwendung von numerischen Methoden, die im EC 7-1 nur in einer sehr allgemeinen Form geregelt sind.

5.1 Eurocodes und Deutsche Normen (DIN)

231

Anfragen und Einsprüche Nationale Normungsinstitute Technische Erläuterungen

Einsprüche

Nationale Bearbeitung

Maintenance Group des SC 7 Berichtigungen Erläuterungen Zustimmung des SC 7 zur Veröffentlichung

Ergänzungen

Europäische Bearbeitung

Abstimmung in den Mitgliedsländern

Zustimmung des CEN/TC 250 Veröffentlichung durch CEN

Bild 5-2 Pflege und Aktualisierung der Eurocodes

Der EC 7-1 und zum Teil auch andere Eurocodes sind „Regenschirm“-Normen und geben den Ländern die Möglichkeit, ihre speziellen nationalen geotechnischen Erfahrungen weiter zu nutzen. Zum Beispiel enthält der EC 7-1 nur empfohlene Zahlenwerte für die Teilsicherheitsbeiwerte und die Option drei verschiedener Nachweisverfahren für die Grenzzustände, über die die nationalen Normungsorganisationen entscheiden können. Diese Unbestimmtheit ist zwar einerseits ein erheblicher Nachteil für den Eurocode, andererseits bedeutet dies aber eine Offenheit, die eine Übernahme und Einführung einer solchen Norm nicht nur in Europa, sondern auch weltweit attraktiv macht. Allerdings ist eine weitere Harmonisierung in Europa in der Zukunft unbedingt erforderlich, um die Konkurrenzfähigkeit der Bauindustrie zu verbessern.

5.1.5

Geplante Änderungen des EC7 bei der 2015 begonnenen Überarbeitung der Eurocodes

Nachdem Ende 2014 die Einsprüche der Mitgliedsländer zu den Eurocodes eingegangen sind und Anfang 2015 auch die finanzielle Förderung der Arbeiten an der 2. Generation der Eurocodes durch einen Auftrag der Europäischen Kommission zugesagt wurde, konnte Ende 2015 bei allen Eurocodes mit der Überarbeitung begonnen werden. Der Auftrag sieht vor, dass etwa im Jahr 2020 die nächste Generation der Eurocodes vorliegt und für alle Eurocodes folgende Schwerpunkte bearbeitet werden: − −

eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit durch − weitgehend einheitliche Gliederung aller Eurocodes und − Straffung durch Wegfall von Wiederholungen sowie eine Reduzierung der national zu bestimmenden Parameter (NDP) und optionalen Nachweisverfahren.

5

232

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Für alle Eurocodes wurde beschlossen, die Unterscheidung in „Prinzipien“ und „Anwendungsregeln“ aufzugeben und die in den CEN-Regeln definierten modalen Hilfsverben zur Abfassung von Normtexten zu verwenden, die auch in allen deutschen Normen gebräuchlich sind. Der EC 7 wird in Zukunft aus 3 Teilen bestehen: − − −

5

im Teil 1 „Allgemeine Regeln“ werden alle grundsätzlichen Regelungen zu Bemessungssituationen, Nachweisverfahren, Grenzzuständen und charakteristischen Werten zusammengefasst, die für die 2 anderen Teile gelten werden; der Teil 2 „Baugrunduntersuchungen“ wird den alten Teil 2 enthalten, ergänzt durch Regelungen zu weiteren Untersuchungen z. B. geophysikalische Verfahren sowie für Fels und für seismische Standsicherheitsnachweise; Der Teil 3 „Geotechnische Bauwerke“ wird die bisher im Teil 1 enthaltenen Abschnitte zu Flächengründungen, Pfahlgründungen, Ankern, Stützbauwerken, hydraulisch verursachtem Versagen, Gesamtstandsicherheit und Erddämmen umfassen und zusätzliche Abschnitte z. B. über Bewehrte Erde und Injektionen.

In der Diskussion ist eine Neudefinition und weitere Differenzierung der Teilsicherheitsbeiwerte, die z.B. die Schadenfolgen, das Risiko und die Robustheit zur Berücksichtigung von menschlichen Fehlern abdecken sollen. Statt der Verwendung der bisherigen 3 Nachweisverfahren wird versucht, in einer großen Matrix Teilsicherheitsbeiwerte für die Einwirkungen bzw. Beanspruchungen und die Widerstände Teilsicherheitsbeiwerten für die nachzuweisenden geotechnische Grenzzustände anzugeben. Der jetzt gültige EC7 bezieht sich in erster Linie auf die klassischen Berechnungsmodelle für die geotechnischen Einwirkungen, Widerstände und Verformungen. Es ist geplant, auch normative Regelungen für numerische Verfahren aufzunehmen. Auch der neue EC7 wird keine umfassenden, von allen europäischen Staaten akzeptieren Regelungen zu geotechnischen Bemessung enthalten, sondern wieder auf Nationale Anhänge verweisen, in denen die nationalen Verfahren und die Sicherheitsanforderungen festgelegt sind. Daher wird es also auch in Zukunft weiter Normen-Handbücher geben, in denen die europäischen und die nationalen Regelungen für die tägliche Bemessungspraxis möglichst nutzerfreundlich zusammengefügt werden.

5.2

Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“ Band 1 „Allgemeine Regeln“

5.2.1 Einführung Die drei Normen, der EC 7-1 [15], der nationale Anhang zu EC 7-1 [16] und die DIN 1054:2010 [8] mit deutschen Ergänzungsregeln, sind leider alles andere als anwenderfreundlich, denn der Nutzer muss bei seiner Arbeit immer alle 3 Papiere im Auge haben. Daher wurden die 3 Normen in dem „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung. Band 1 Allgemeine Regeln“ [23] zusammengefasst. Der Kern des Normen-Handbuchs ist der EC 7-1, in den die ergänzenden deutschen Regelungen der DIN 1054 [8] und die Hinweise und Erläuterungen des nationalen Anhangs [16] hinter den entsprechenden Textstellen des EC 7-1 [15] eingefügt wurden. Dabei sind die ergänzenden Regelungen der DIN 1054 einschließlich der

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

233

Tabellen und Zeichnungen durch ein vorgesetztes „A“ gekennzeichnet, die Hinweise und Erläuterungen des nationalen Anhangs durch „NA zu …“. Das Normen-Handbuch gilt für die geotechnischen Aspekte beim Entwurf und der Bemessung von Hoch- und Ingenieurbauwerken. Es enthält – Vorschläge zur Einstufung geotechnischer Bauwerke in drei geotechnische Kategorien im Hinblick auf den erforderlichen Aufwand bei den Baugrunduntersuchungen und bei den Nachweisen der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit, – die Anforderungen an die Festigkeit, die Tragfähigkeit, die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit von geotechnischen Bauwerken und – Regeln zur Berechnung von Einwirkungen aus dem Baugrund, wie z. B. von Erddrücken. Die Bauausführung wird nur insoweit behandelt, wie dies zur Festlegung der Qualitätsanforderungen an die zu verwendenden Baustoffe und Bauprodukte und die Bauausführung auf der Baustelle notwendig ist, um mit den Vorgaben der Bemessungsregeln überein zu stimmen. Auch erdstatische Berechnungsverfahren sind nicht Gegenstand dieser Norm. Die wesentlichen Konzepte und die Sicherheitsphilosophie der geotechnischen Bemessung werden in den folgenden Abschnitten dargestellt.

5.2.2

Geotechnische Kategorien

Nach Abschnitt 2.1, Absatz (8) P des EC 7-1 [15] muss die Komplexität jeder Gründungsmaßnahme im Zusammenhang mit den damit verbundenen Risiken gesehen werden, um daraus Mindestanforderungen an Umfang und Qualität der geotechnischen Untersuchungen, der Berechnungen und der Bauüberwachung ableiten zu können. Es werden daher drei geotechnische Kategorien vorgeschlagen, mit denen geotechnische Bauwerke im Hinblick auf die Komplexität und den Schwierigkeitsgrad des Baugrunds und der Konstruktion klassifiziert werden. Die geotechnischen Kategorien haben im EC 7-1 lediglich den Charakter einer Empfehlung. In der DIN 1054:2010 [8] werden sie allerdings für Deutschland verbindlich eingeführt. In die Geotechnische Kategorie 1 fallen einfache Konstruktionen mit geringem Schadenspotenzial, bei denen die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit auf Grund von örtlichen Erfahrungen – d. h. ohne erdstatische Nachweise – beurteilt werden können. Die Mehrzahl der geotechnischen Konstruktionen ist in die Geotechnische Kategorie 2 einzustufen, während besonders schwierige und komplexe Probleme der Geotechnischen Kategorie 3 zuzuordnen sind. Genauere Hinweise zur Festlegung der geotechnischen Kategorie eines Bauwerks enthalten die Abschnitte 6 bis 12 sowie der Anhang A „Beispiele für Merkmale zur Einstufung in die Geotechnischen Kategorien“ der DIN 1054:2010 [8]. Die Regelungen des Normen-Handbuchs gelten für Bauwerke der Geotechnischen Kategorie 2. Für Bauwerke der Geotechnischen Kategorie 3 gelten sie selbstverständlich auch. Welcher zusätzliche Aufwand bei den Baugrunduntersuchungen, den rechnerischen Nachweisen und den Bauwerksmessungen für Bauwerke der Kategorie 3 erforderlich wird, ist in keiner Norm geregelt. Dies hat der entwerfende Ingenieur selbst zu entscheiden.

5.2.3

Bemessungssituationen

Der Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung [12] unterscheidet folgende Bemessungssituationen: ständige (persistent: BS-P), vorübergehende (transient: BS-T), außergewöhnliche (accidential: BS-A) und bei Erdbeben (earthquake: BS-E). Die Bemessung hinsichtlich der

5

234

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Zuverlässigkeit, d. h. der erforderlichen rechnerischen Sicherheit des Bauwerks, wird von diesen Situationen abhängig gemacht. Die ständige Normalsituation kann von einer vorübergehenden und besser überwachten Situation unterschieden werden, und nach einer außergewöhnlichen Situation darf ein Bauwerk gegebenenfalls auch begrenzte Schäden aufweisen. Innerhalb der Bemessungssituationen sind die kritischen Lastfälle festzulegen, z. B. Anordnungen veränderlicher Lasten und Berücksichtigung von Imperfektionen und Verformungen, die gleichzeitig mit den ständigen und veränderlichen Lasten zu berücksichtigen sind.

5

Im EC 7-1 wird nicht zwischen ständigen und vorübergehenden Bemessungssituationen unterschieden und ein gemeinsamer Teilsicherheitsbeiwert für beide Bemessungssituationen angegeben. Allerdings wird den nationalen Normungsgremien freigestellt, in Situationen mit zeitlich befristeten Tragwerken oder bei vorübergehenden Bemessungssituationen geringere Werte anzusetzen, „wenn die möglichen Folgen das rechtfertigen“ (siehe 2.4.7.1 (5) in [15]). Mit dieser Begründung wurde in Deutschland die Unterscheidung zwischen ständigen und vorübergehenden Bemessungssituationen beibehalten. Der EC 7-1 beschränkt sich in seinen Regelungen auf ständige und vorübergehende Bemessungssituationen. Für außergewöhnliche Situationen empfiehlt er, dass „alle Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen und Beanspruchungen … in der Regel gleich 1,0 gesetzt werden. Alle Teilsicherheitsbeiwerte für die Widerstände sollten dann entsprechend den besonderen Umständen der außergewöhnlichen Situation gewählt werden“ (siehe 2.4.7.1 (3) in [15]). Die DIN 1054:2010 [8] unterscheidet sich daher vom EC 7-1, als sie – für die geotechnische Bemessung eine vorübergehende Bemessungssituation BS-T definiert und – Teilsicherheitsbeiwerte für die vier Bemessungssituationen BS-P, BS-T, BS-A und BS-E angibt, wobei die Bemessungssituationen BS-P, BS-T und BS-A weitgehend den bisherigen drei Lastfällen entsprechen. Die ständigen Situationen, die den üblichen Nutzungsbedingungen des Tragwerks entsprechen, werden der Bemessungssituation BS-P zugeordnet. Hierbei werden ständige und während der Funktionszeit des Bauwerks regelmäßig auftretende veränderliche Einwirkungen berücksichtigt. Die Bemessungssituation BS-T ist den vorübergehenden Situationen zugeordnet, die sich auf zeitlich begrenzte Zustände beziehen, z. B. auf – Bauzustände bei der Herstellung eines Bauwerks, – Bauzustände an einem bestehenden Bauwerk, z. B. bei Reparaturen oder infolge von Aufgrabungs- oder Unterfangungsarbeiten und – Zustände mit einer planmäßig einmaligen Einwirkung. Den Situationen, die sich auf außergewöhnliche Bedingungen des Tragwerks oder seiner Umgebung beziehen, z. B. auf Feuer, Explosion, Anprall, extremes Hochwasser oder Ankerausfall, wird die Bemessungssituation BS-A zugeordnet. Hierbei werden neben den außergewöhnlichen Einwirkungen ständige und regelmäßig auftretende veränderliche Einwirkungen wie bei den Bemessungssituationen BS-P und BS-T berücksichtigt. Eine außergewöhnliche Situation ist auch dann gegeben, wenn gleichzeitig mehrere voneinander unabhängige seltene, z. B. ungewöhnlich große, planmäßig einmalig oder möglicherweise nie auftretende Einwirkungen zu berücksichtigen sind. Der Situation infolge von Erdbeben wird die Bemessungssituation BS-E zugeordnet. Die Tabellen 2-5 bis 2-7 enthalten die Teilsicherheitsbeiwerte der DIN 1054:2010 [8] für die Nachweise der Grenzzustände der verschiedenen geotechnischen Bauwerke in Abhängigkeit von den Bemessungssituationen.

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

5.2.4

235

Charakteristische Werte

5.2.4.1 Einführung Zu Beginn des Abschnitts 2.4 Geotechnische Bemessung auf Grund von Berechnungen des EC 7-1 wird festgestellt: „(2) Es sollte berücksichtigt werden, dass die Kenntnis der Baugrundverhältnisse vom Umfang und von der Güte der Baugrunduntersuchungen abhängt. Deren Kenntnis und die Überwachung der Bauarbeiten sind im Allgemeinen wichtiger für die Einhaltung der grundsätzlichen Anforderungen als die Genauigkeit der Rechenmodelle und Teilsicherheitsbeiwerte.“ Zu den erforderlichen Kenntnissen der Baugrundverhältnisse gehören – zum einen ein umfassendes, durch Bohrungen, Sondierungen und ggf. geophysikalische Untersuchungen belegtes Bild von der Geometrie der maßgebenden Baugrundschichten und – zum anderen eine zahlenmäßige Beschreibung der Bodenkenngrößen der Homogenbereiche, d. h. der charakteristischen Werte der Bodenkenngrößen, auf Grundlage von Feldund Laborversuchen. Bei der Planung der Baugrundaufschlüsse als Grundlage für das Baugrundmodell sind der EC 7-2 [17] und die DIN 4020:2010 [10] zu beachten. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die DIN 4020:2010 [10] den informativen Anhang B des EC 7-2 „Beispiele für Empfehlungen von Untersuchungsabständen und -tiefen“ für Deutschland als normativ festlegt und damit Mindeststandards für die Qualität und den Umfang von Baugrundaufschlüssen definiert. Die Einhaltung dieser Mindeststandards ist unabdingbare Voraussetzung zur Gewährleistung einer ausreichenden Sicherheit beim Bau und der Nutzung des zukünftigen Bauwerks. Welche enorme Bedeutung eine realistische Festlegung der charakteristischen Bodenkenngrößen für die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit einer Gründung hat, zeigt sich am deutlichsten beim Grundbruchnachweis. So führt die verhältnismäßig geringe Erhöhung des Reibungswinkels von = 30° auf = 32,5° zu einem Anstieg der rechnerischen Tragfähigkeit eines Fundament von über 40 %. Für den charakteristischen Wert fordert der EC 7-1 in 2.4.5.2: „(2) P Der charakteristische Wert einer geotechnischen Kenngröße ist als eine vorsichtige Schätzung desjenigen Wertes festzulegen, der im Grenzzustand wirkt.“ Wie vorsichtig die Schätzung sein muss, blieb vor dem Erscheinen des EC 7-1 allein der Erfahrung des Baugrundgutachters überlassen. Die Auswertung einer Umfrage unter 90 deutschen Geotechnikern zur Festlegung der charakteristischen Werte für den Reibungswinkel  und die Kohäsion c für ein klar umrissenes und einfaches Beispiel auf Grundlage von vier Versuchsergebnissen [33] zeigte Folgendes: – Der Mittelwert der von den Geotechnikern angegebenen charakteristischen Reibungswinkel  liegt nur unwesentlich unter dem arithmetischen Mittelwert der Versuchsergebnisse. – Bei der Kohäsion c sind deutsche Geotechniker erheblich vorsichtiger und wählen einen charakteristischen Wert, der deutlich unter dem Mittelwert liegt. – Allerdings schwankten die von den 90 Geotechnikern angegebenen charakteristischen Werte sehr stark.

5

236

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Die in der Umfrage festgestellten Probleme in der Bewertung von Versuchsergebnissen können durch die Anwendung der Empfehlung des EC 7-1 zur zahlenmäßigen Ermittlung der charakteristischen Werte vermieden werden (siehe EC 7-1, 2.4.5.2): „(11) Falls statistische Verfahren benutzt werden, sollte der charakteristische Wert so abgeleitet werden, dass für den betrachteten Grenzzustand die rechnerische Wahrscheinlichkeit für einen ungünstigeren Wert nicht größer als 5 % ist. ANMERKUNG In diesem Zusammenhang entspricht der vorsichtig gewählte Mittelwert einem Mittelwert mit einem 95%igen Vertrauensbereich für einen begrenzten Satz von Werten der geotechnischen Kenngröße. Ist dagegen örtliches Versagen angezeigt, entspricht eine vorsichtige Wahl dem einer 5-%-Fraktile zuzuordnenden unteren Wert.“

5

Wie diese Forderung zu interpretieren ist, zeigt schematisch Bild 5-3, in dem über dem Zahlenwert einer Bodenkenngröße die Häufigkeit seines Auftretens aufgetragen ist. Wenn man genügend Versuche an einem homogenen Boden durchführt, dessen Versuchsergebnisse keinen Einfluss z. B. von der Entnahmetiefe zeigen, so ergibt sich in hinreichend guter Näherung eine Normalverteilung der Einzelwerte, z. B. der undrainierten Scherfestigkeit einer bindigen Schicht.

Bild 5-3 Häufigkeitsverteilung von Versuchsergebnissen und daraus abgeleitete charakteristische Werte

In der praktischen Anwendung gibt es zwei unterschiedliche Fragestellungen. Im ersten Fall ist der charakteristische Wert einer Bodenkenngröße für den Fall zu ermitteln, dass der im untersuchten Grenzzustand in Anspruch genommene Bodenbereich so groß ist, dass der Mittelwert der Versuchsergebnisse der zu beurteilenden Bodenkenngröße maßgebend wird (siehe 2.4.5.2 (7) in [15]). Ein Beispiel dafür ist der Nachweis der Sicherheit der Einschnittsböschung im Bild 5-4, für den die dargestellten Bohrungen abgeteuft und für den an den Proben die bodenmechanischen Kenngrößen bestimmt wurden. In diesem Fall ist der „globale“ charakteristische Wert Xk,g durch die Berechnung des Mittelwertes zur Wahrscheinlichkeit von 95 % zu bestimmen; d. h.: die Wahrscheinlichkeit beträgt nur 5 %, dass der (unbekannte) wahre Mittelwert der Bodenkenngröße kleiner ist als X k,g. Unter diesen Voraussetzungen

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

237

kann der charakteristische Wert Xk eines Bodenkennwerts nach folgender Formel berechnet werden [1]:  1  X k , g = X m 1 − t(0,95  = X m1 n −1)V n 

(5.1)

Dabei ist Xm der arithmetische Mittelwert der einzelnen Versuchsergebnisse, V deren geschätzter Variationskoeffizient (V = s / X m mit s2 = (Xi – Xm)2 / (n–1)), n der Zahl der Versuchsergebnisse und t(0,95 n −1) der Faktor der Student-Verteilung bei (n–1) Freiheitsgraden und einem Vertrauensbereich von 95 %. Die Tabelle 5.1 enthält die Werte für 1 = Xk,g / Xm als Funktion der Anzahl n der Versuche und des Variationskoeffizienten V.

5

Bild 5-4 Beispiel für die Wahl des charakteristischen Werts als globaler charakteristischer Wert Xk,m (Böschungsstandsicherheit) Tabelle 5.1 Zahlenwerte für 1 nach [1] Zahl n der Versuchsergebnisse

Variationskoeffizient V 0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

3

0,92

0,83

0,75

0,66

0,58

4

0,94

0,88

0,82

0,76

0,71

5

0,95

0,90

0,86

0,81

0,76

6

0,96

0,92

0,88

0,84

0,79

8

0,97

0,93

0,90

0,87

0,84

10

0,97

0,94

0,91

0,89

0,86

20

0,98

0,96

0,94

0,92

0,90

40

0,99

0,97

0,96

0,95

0,93

Für diesen Fall, dass ein charakteristischer Kennwert als „globaler“ Mittelwert gesucht wird, schlägt Schneider [32] eine sehr einfache Formel zur Ermittlung von charakteristischen Werten vor: Xk,g = Xm – 0,5  s, wobei s die Standardabweichung der Versuchsergebnisse ist.

(5.2)

238

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Im zweiten Fall ist der charakteristische Wert einer Bodenkenngröße zu bestimmen, bei dem der für den untersuchten Grenzzustand in Anspruch genommene Bodenbereich so klein ist, dass nicht der Mittelwert der Versuchergebnisse des Untersuchungsbereiches zu Grunde gelegt werden kann, sondern ein örtlich kleinerer Wert maßgebend wird. Ein Beispiel dafür ist der Nachweis der Grundbruchsicherheit eines Einzelfundaments im Bild 5-5. Hier ist der „lokale“ charakteristische Wert Xk,l zu bestimmen, der dem Wert der 5-%-Fraktile der Normalverteilung der Einzelwerte entspricht. Für den lokalen charakteristischen Wert X k,l gilt, dass nur eine 5%ige Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass irgendwo im Boden eine noch kleinere Festigkeit auftritt. Für diesen Fall ist der charakteristische Wert:

5

 1 X k ,l = X m 1 − t(0,95 n −1)V 1 +  = X m 2 n  

(5.3)

Die Tabelle 5.2 enthält die Werte für 2 = Xk,l / Xm als Funktion der Anzahl n der Versuche und des Variationskoeffizienten V.

Bild 5-5 Beispiel für die Wahl des charakteristischen Werts als lokaler charakteristischer Wert Xk,l (Grundbruch eines Einzelfundaments)

Es gibt in der Praxis allerdings auch Fälle, wo der maßgebende Bodenbereich des untersuchten Grenzzustands zwar klein ist, aber trotzdem der globale charakteristische Wert angesetzt werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn das Bauwerk selbst so steif ist, dass es örtliche Unterschiede in der Festigkeit oder Steifigkeit des Baugrunds ausgleichen kann (siehe 2.4.5.2 (4) P und (9) in [15]). In vielen Fällen zeigen die Ergebnisse von Baugrunduntersuchungen im Labor und im Feld deutliche Einflüsse der Entnahmetiefe bzw. der örtlichen Spannungen. In diesem Fall können die Gleichungen (5.1), (5.2) und (5.3) zur Ermittlung von charakteristischen Werten nicht angewendet werden. Auf eine Darstellung der in solchen Fällen anzuwendenden statistischen Formeln wird hier verzichtet und auf Bauduin [1] und Fellin et al. [20] verwiesen. Als Ergebnis erhält man dann den charakteristischen Wert in Abhängigkeit der Tiefe bzw. der Spannung.

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

239

Tabelle 5.2 Zahlenwerte für 2 nach [1] Zahl n der Versuchsergebnisse

Variationskoeffizient V 0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

3

0,83

0,66

0,49

0,33

0,16

4

0,87

0,74

0,61

0,47

0,34

5

0,88

0,77

0,65

0,53

0,42

6

0,89

0,78

0,67

0,56

0,46

8

0,90

0,80

0,70

0,61

0,51

10

0,90

0,81

0,71

0,62

0,52

20

0,91

0,82

0,73

0,65

0,56

40

0,92

0,83

0,75

0,66

0,58

5.2.4.2 Beispiele Für die in den Bildern 5-4 und 5-5 dargestellten 11 Proben ergibt sich ein Mittelwert der in Versuchen ermittelten undrainierten Scherfestigkeit von c u,m = 79 kN/m², bei einer Standardabweichung von scu² = 41,4 und einem Variationskoeffizienten von Vcu = 0,08. Mit Tabelle 5.1 ergibt sich dann 1 = 0,95, so dass dann mit Gleichung (5.1) der globale charakteristische Wert der undrainierten Scherfestigkeit zum Nachweis der Böschungsstandsicherheit ermittelt werden kann zu: cu,k,g = cu,m  1 = 79  0,95 = 75 kN/m² Die Anwendung der Faustformel von Schneider [32] (Gleichung (5.2)) ergibt mit scu/2 = 3,2 einen charakteristischen Wert von cu,k,g = 75,8 kN/m², der sehr gut mit der aufwändigeren statistischen Auswertung übereinstimmt. Für den Nachweis der Standsicherheit eines Einzelfundaments, bei dem der lokale charakteristische Wert der undrainierten Scherfestigkeit maßgebend wird, ergibt sich aus Tabelle 5.2 mit den gleichen Werten 2 = 0,83. Mit Gleichung (5.3) wird dann die lokale charakteristische undrainierte Scherfestigkeit ermittelt zu: cu,k,l = cu,m  1 = 79  0,83 = 65,6 kN/m² Das Beispiel zeigt, dass der lokale charakteristische Wert deutlich unter dem globalen Wert liegen kann.

5.2.5

Grenzzustände der Tragfähigkeit

Wie im Kapitel 5.1 ausgeführt, konzentrieren sich die Eurocodes darauf, nachzuweisen, dass die Überschreitung von Grenzzuständen vermieden wird. Alle Grenzzustände, die die Sicherheit von Personen und/oder die Sicherheit des Tragwerks betreffen, sind als Grenzzustände der Tragfähigkeit einzustufen. Im Bedarfsfall sind folgende Grenzzustände der Tragfähigkeit nachzuweisen (siehe 2.4.7.1 (1) P in [15]):

5

240

5

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

– STR: Inneres Versagen oder sehr große Verformung des Bauwerks oder seiner Bauteile, einschließlich der Fundamente, Pfähle, Kellerwände usw., wobei die Festigkeit der Baustoffe für den Widerstand entscheidend ist. – GEO: Versagen oder sehr große Verformung des Baugrunds, wobei die Festigkeit der Locker- und Festgesteine für den Widerstand entscheidend ist. Diesem Grenzzustand entsprechen Bruchzustände im Baugrund wie z. B. Grundbruch, Gleiten, Böschungsbruch, Versagen des Erdwiderlagers bei Stützbauwerken sowie das Versagen von Ankern und Pfählen. – EQU: Verlust der Lagesicherheit des als starrer Körper angesehenen Bauwerks oder des Baugrunds, wobei die Festigkeiten der Baustoffe und des Baugrunds für den Widerstand nicht entscheidend sind. Dabei kann die Lagesicherheit durch weitere Elemente wie z. B. den Einfluss von Reibung zwischen Starrkörpern ergänzt werden. Diesem Grenzzustand entspricht in der Geotechnik das Kippen einer Stützwand auf Fels. – UPL: Verlust der Lagesicherheit des Bauwerks oder Baugrunds infolge Aufschwimmens (Auftrieb) oder anderer vertikaler Einwirkungen. – HYD: Hydraulischer Grundbruch, innere Erosion und Piping im Boden, verursacht durch Strömungsgradienten. Eine Gegenüberstellung der Definitionen der Grenzzustände der Tragfähigkeit des EC 7-1 bzw. DIN 1054:2010 [8] und der DIN 1054:2005 [7] enthält die Tabelle 5.3. Tabelle 5.3 Grenzzustände der Tragfähigkeit in den Eurocodes und der DIN 1054 EC 7-1 und DIN 1054:2010

DIN 1054:2005-01

Verlust der Lagesicherheit (EQU) Aufschwimmen (UPL)

Verlust der Lagesicherheit (GZ1A)

Hydraulischer Grundbruch (HYD) Versagen oder sehr große Verformungen des Tragwerks oder seiner Teile, wobei die Tragfähigkeit von Baustoffen und Bauteilen entscheidend ist (STR) Versagen oder sehr große Verformung des Baugrunds, wobei die Festigkeit des Baugrunds für den Widerstand entscheidend ist. (GEO)

Versagen von Bauwerken und Bauteilen durch Bruch im Bauwerk oder des stützenden Baugrundes (GZ1B)

Grenzzustand des Verlusts der Gesamtstandsicherheit (GZ1C)

Der EC 7-1 beschränkt die Überprüfung einer ausreichenden Sicherheit in den Grenzzuständen nicht auf rechnerische Nachweisverfahren (siehe 2.1 (4) in [15]). Grenzzustände können auch nachgewiesen werden durch: – konstruktive Maßnahmen, wenn vergleichbare Erfahrungen vorliegen, die eine Berechnung zur Bemessung unnötig machen, so z. B. Maßnahmen zur Sicherung von Fundamenten gegen Frost oder gegen chemische oder organische Einwirkungen, – Modellversuche oder Probebelastungen, die besonders bei der Bemessung von Pfahlgründungen geeignet sind, und – die Anwendung der Beobachtungsmethode.

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

5.2.6

241

Versagen des Baugrunds (GEO)

5.2.6.1 Einführung Es ist den Eurocodes zu verdanken, dass in allen Bereichen des Bauwesens in ganz Europa zukünftig der rechnerische Nachweis von Grenzzuständen in der gleichen Form durchgeführt wird. Beim Nachweis der Grenzzustände der Tragfähigkeit im Boden, eines Bauteils oder einer Verbindung einer Konstruktion (GEO oder STR) ist zu zeigen, dass der Bemessungswert Ed der Beanspruchungen nicht größer ist als der Bemessungswert Rd der Widerstände: Ed  Rd

(5.4)

Einzelheiten zu den Bemessungswerten der Einwirkungen sind im normativen Anhang A des Eurocodes: Grundlagen der Tragwerksplanung und im Eurocode 1: Einwirkung auf Tragwerke [14] zu finden. Die Ermittlung der geotechnischen Einwirkungen bzw. der Beanspruchungen und der geotechnischen Widerstände sind in den deutschen Berechnungsnormen geregelt. Leider endete die Gemeinsamkeit der europäischen Geotechniker bei der allgemeinen Formulierung der Grenzzustandsgleichung (4), da unüberbrückbare Differenzen bzgl. der Frage bestehen, wie die Bemessungswerte der Beanspruchungen und der Widerstände bei den Grenzzuständen der Tragfähigkeit des Baugrunds zu ermitteln sind. Da jedoch keines der beteiligten Länder das Projekt eines Eurocodes für die Geotechnik platzen lassen wollte, kam man überein, den Eurocode für mehrere unterschiedliche Nachweisverfahren zu öffnen. Im Ergebnis enthält daher der EC 7-1 drei Verfahren zum rechnerischen Nachweis von Grenzzuständen des Versagens des Baugrunds (GEO), d. h. zur Bemessung von Gründungen und zum Nachweis der Gesamtstandsicherheit. Für eines dieser drei Verfahren muss sich jedes Land im nationalen Anhang zum EC 7-1 entscheiden. Die Schwierigkeiten bei der einheitlichen Umsetzung der Grenzzustandsgleichung (4) haben im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum Ersten ist eine klare Trennung von Beanspruchungen und Widerständen in der Geotechnik nur in Ausnahmefällen möglich, denn – in vielen Fällen sind die Einwirkungen des Baugrunds auch von seinem Widerstand abhängig – z. B. wird der aktive Erddruck von der Scherfestigkeit in der Bruchfläche des aktiven Gleitkeils bestimmt, – in anderen Fällen ist der Widerstand von der Größe der Einwirkung abhängig – z. B. wird der Gleitwiderstand durch die Größe der lotrechten Komponente der Sohldruckresultierenden bestimmt. Zum Zweiten gibt es in der Geotechnik zwei grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Teilsicherheitsbeiwerte eingeführt werden können: – Man kann die Bemessungswerte Ed und Rd der Beanspruchungen und der Widerstände einerseits mit dem sogenannten Verfahren der faktorisierten Scherparameter ermitteln. Bei diesem Verfahren werden die Teilsicherheitsbeiwerte auf die charakteristischen Scherparameter φk und ck angewandt. So ermittelt man den Bemessungswert des Reibungsbeiwerts tan d, indem der charakteristische Wert des Reibungsbeiwerts tan k durch den Teilsicherheitsbeiwert  für die Reibung dividiert wird.

5

242

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

In entsprechender Weise ergibt sich der Bemessungswert der Kohäsion, indem der charakteristische Wert der Kohäsion ck durch den Teilsicherheitsbeiwert c für die Kohäsion dividiert wird: tan d = tan k /  ; cd = ck/ c Das Verfahren der faktorisierten Scherparameter entspricht dem Nachweis des Grenzzustandes GZ 1C der DIN 1054:2005 [7], wie er beim Nachweis der Gesamtstandsicherheit einer Böschung nach DIN 4084 [11] verwendet wird.

5

– Andererseits können die Bemessungswerte auch mit dem sogenannten Verfahren der faktorisierten Einwirkungen und Widerstände ermittelt werden. Ausgangspunkt sind die charakteristischen Werte der Einwirkungen bzw. Beanspruchungen und der Widerstand des Baugrunds, die mit den charakteristischen Werten der Scherparameter φk und ck bestimmt werden. Der Bemessungswerte der Beanspruchungen E d (Spannungen, Momente, Verformungen) werden aus den Einwirkungen F durch eine (erd)statische Berechnung mit Hilfe eines Berechnungsmodells ermittelt. In der Geotechnik können die Bemessungswerte der Beanspruchungen Ed ermittelt werden, entweder indem die statische Berechnung mit den Bemessungswerten der Einwirkungen Fd durchgeführt wird. Die Bemessungswerte der Einwirkungen Fd,i erhält man, indem man die charakteristischen Werte der Einwirkungen Fk,i mit dem Teilsicherheitsbeiwert F,i multipliziert: Ed = E {Fk,i  F,i} – oder indem die statische Berechnung mit den charakteristischen Werten der Einwirkungen Fk,i durchgeführt wird und die Teilsicherheitsbeiwerte E,i erst auf die sich ergebenden charakteristischen Werte der Beanspruchungen E k,i angewandt werden: Ed = E,i  Ek,i {Fk,i} Den Bemessungswert der Tragfähigkeit bzw. des Widerstands des Baugrunds erhält man, indem der charakteristische Wert der Widerstands R k durch den Teilsicherheitsbeiwert R für den Widerstand des Bodens dividiert wird: Rd = Rk / R Das Verfahren mit faktorisierten Einwirkungen und Widerständen entspricht dem Nachweis des Grenzzustandes GZ 1B der DIN 1054:2005 [7], wie er beim Nachweis z. B. der Gleitsicherheit, der Grundbruchsicherheit, dem Erdwiderstand und dem Nachweis von Pfählen verwendet wird. Aus diesen unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ermittlung der Bemessungswerte für die Beanspruchungen und die Tragfähigkeit des Bodens haben sich in der Diskussion des zuständigen Subkomitees drei Nachweisverfahren herauskristallisiert, die im EC 7-1 zur Wahl gestellt sind. Die drei Nachweisverfahren des EC 7-1 unterscheiden sich darin, wie und wann sie bei den Nachweisen die geotechnischen Einwirkungen und Widerstände mit Teilsicherheitsbeiwerten belegen (Tabelle 5.4). Im Folgenden werden die drei Nachweisverfahren des EC 7-1 und ihr Sicherheitskonzept anhand von Beispielen erläutert. Ausführliche Anwendungsbeispiele für geotechnische Standsicherheitsnachweise nach den drei Nachweisverfahren finden sich in [21].

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

243

Tabelle 5.4 Teilsicherheitsbeiwerte der drei Nachweisverfahren des EC 7-1 für ständige und vorübergehende Bemessungssituationen zum Nachweis der Grenzzustände des Versagens der Tragfähigkeit des Baugrunds Nachweisverfahren

DA 1

DA 2 und DA 2* DA 3

G: G,inf: Q: : c: cu: R,e: R,v: R,h:

Einwirkungen bzw. Beanspruchungen Bauwerk

Kombination 1

faktorisierte Einwirkungen

Kombination 2

G = 1,00; Q = 1,30

Baugrund

G = 1,35; G,inf = 1,00; Q = 1,50

Widerstand des Baugrunds

 = c = cu = 1,00

faktorisierte Scherparameter:  = c = 1,25; , cu = 1,40

faktorisierte Einwirkungen und Widerstände G = 1,35; G,inf = 1,00; Q = 1,50

R,e = R,v = 1,40; R,h = 1,10

G = 1,35; G,inf = 1,00; Q = 1,50

faktorisierte Scherparameter:  = c = 1,25, cu = 1,40

Teilsicherheitsbeiwert für ständige Einwirkungen Teilsicherheitsbeiwert für günstige ständige Einwirkungen Teilsicherheitsbeiwert für veränderliche Einwirkungen Teilsicherheitsbeiwert für den Reibungsbeiwert tan  Teilsicherheitsbeiwert für die Kohäsion c Teilsicherheitsbeiwert für Kohäsion cu des undrainierten Bodens Teilsicherheitsbeiwert für den Erdwiderstand Teilsicherheitsbeiwert für den Grundbruchwiderstand Teilsicherheitsbeiwert für das Gleitwiderstand

5.2.6.2 Die drei Verfahren des EC 7-1 zum Nachweis des Versagens des Baugrunds Nachweisverfahren DA 1 Beim Nachweisverfahren DA 1 (DA = design approach) sind zwei Nachweise mit zwei Kombinationen von Teilsicherheitsbeiwerten zu führen. Bei der Kombination 1 wird der Nachweis einer ausreichenden Sicherheit gegen ungünstige Abweichungen der Einwirkungen von ihren charakteristischen Werten erbracht. Daher werden nur die Einwirkungen – sowohl die aus dem Bauwerk als auch die aus dem Baugrund – mit Teilsicherheitsbeiwerten größer als 1 beaufschlagt (siehe Tabelle 5.4). Dabei wird unterschieden zwischen den ständigen Einwirkungen, die mit einem Teilsicherheitsbeiwert von G = 1,35 beaufschlagt werden und den veränderlichen Einwirkungen, die mit einem Teilsicherheitsbeiwert von Q = 1,50 zu multiplizieren sind. Wichtig ist, dass bei günstig wirkenden ständigen Einwirkungen der Teilsicherheitsbeiwert zu G,inf = 1,0 gesetzt wird. Die Zahlenwerte für die Teilsicherheitsbeiwerte auf die Einwirkungen entsprechen denen der Eurocodes für den konstruktiven Ingenieurbau. Da beim Nachweis der Kombination 1 nur eine Bemessung gegen ungünstige Abweichungen der Einwirkungen vorgenommen wird, werden die Widerstände des Bodens mit den charakteristischen Werten der Bodenkennwerte in denStandsicherheitsnachweis eingeführt, d. h., die Teilsicherheitsbeiwerte für die Scherparameter

5

244

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

sind daher  = c = cu = 1,00. Im Bild 5-6 links wird die Anwendung der Teilsicherheitsbeiwerte für die Kombination 1 für den Grundbruchnachweis einer Stützwand dargestellt. Bei der Kombination 2 wird der Nachweis einer sicheren Bemessung gegen ungünstige Abweichungen der Scherparameter von ihren charakteristischen Werten erbracht. Daher werden die Bemessungswerte der Einwirkungen und die Tragfähigkeit des Bodens mit faktorisierten Scherparametern ermittelt, d. h. die charakteristischen Werte der Scherparameter k und ck mit Teilsicherheitsbeiwerten in der Größe von  und c = 1,25 beaufschlagt. Bei den Einwirkungen aus dem Bauwerk werden nur die veränderlichen Lasten mit einem Teilsicherheitsbeiwert von Q größer 1,00 multipliziert. Im Bild 5-6 rechts wird die Anwendung der Teilsicherheitsbeiwerte für die Kombination 2 für den Grundbruchnachweis einer Stützwand dargestellt.

5

Qd = Q  Qk = 1,50  Qk

Qd = Q  Qk = 1,30  Qk

Gd = G  Gk = 1,35  Gk

Gd = G  Gk = 1,00  Gk qd = Q  qk = 1,30  qk

qd = Q  qk = 1,50  qk  == cc == 1,0 1,0 ´ ´dd == ´ ´kk,, c´ c´dd == c´ c´kk EQ,d = EQ(´d, c´d, qd) EG,d= GEG(´d,c´d) = 1,35  EG(´k,c´k) VVd, ,HHd, ,MMd d d d Rv,d = R (Vd, Hd, Md, ´d, c´d)

tan tan ´ ´dd== tan tan ´ ´kk// == tan tan ´ ´kk/1,25 /1,25 c´ c´dd == c´ c´kk// cc == c´ c´kk // 1,25 1,25 EQ,d = EQ(´d, c´d, qd) EG,d = G  EG(´d, c´d) = 1,00  EG(´d, c´d) VVd, ,HHd, ,MMd d d d Rv,d = R (Vd, Hd, Md, ´d, c´d)

Bild 5-6 Beispiel für die Anwendung der Teilsicherheitsbeiwerte im Nachweisverfahren DA 1 (links: Kombination 1, rechts: Kombination 2)

Maßgebend ist beim Verfahren 1 der Nachweis mit der Kombination der Teilsicherheitsbeiwerte, der die größeren Abmessungen für die Gründung liefert. Das Verfahren DA 1 war in dem Entwurf des Eurocodes 7 von 1994 zunächst das einzige zugelassene Verfahren. Es wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern stark kritisiert [34]. Die Kritik richtete sich zum einen auf die Verdopplung des rechnerischen Aufwandes, da jeder einzelne Grenzzustand der Tragfähigkeit mit zwei Nachweisen untersucht werden muss. Zum anderen war auch die zu Grunde liegende Sicherheitsphilosophie umstritten, da eine Gründung eine ausreichende Sicherheit auch für den Fall aufweisen muss, dass gleichzeitig sowohl die Einwirkungen als auch die Bodenkennwerte zur unsicheren Seite von den charakteristischen Werten abweichen. Das Verfahren DA 1 ist daher in Deutschland nicht zugelassen. Nachweisverfahren DA 2 und DA 2* Im Gegensatz zum Verfahren DA 1 wird bei den Verfahren DA 2 und DA 2* ein Grenzzustand nur mit einem Nachweis überprüft. Die beiden Verfahren beruhen auf dem Verfahren mit faktorisierten Einwirkungen und Widerständen (siehe Tabelle 5.4), wie es auch schon in der DIN 1054:2005 für die Bemessung von Gründungen verwendet wurde. Dabei werden die

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

245

Einwirkungen oder die Beanspruchungen sowohl des Bauwerks als auch des Bodens mit gleichen Teilsicherheitsbeiwerten beaufschlagt. Es sind die gleichen Zahlenwerte, die für die Einwirkungen oder Beanspruchungen europaweit im gesamten Bauingenieurwesen verwendet werden. Die Teilsicherheiten für die Widerstände des Bodens liegen zwischen R,e = R,v = 1,40 für Erdwiderstand und Grundbruchwiderstand und R,h = 1,10 für den Gleitwiderstand. Beim Verfahren 2 können die Teilsicherheitsbeiwerte entweder gleich zu Beginn der statischen Berechnung auf die charakteristischen Werte der Einwirkungen angesetzt werden (Nachweisverfahren DA 2, siehe Bild 5-7 links) oder erst am Ende der Berechnung auf die charakteristischen Werte der Beanspruchungen (Nachweisverfahren DA 2* siehe Bild 5-7 rechts). Qd = Q  Qk = 1,50  Qk Gd = G  Gk = 1,35  Gk qd = Q  qk = 1,50  qk

Qk

5

Gk qk

´ =  = 1,00 ´ = cc = 1,00 ´ ´dd == ´ ´kk,, c´ c´dd == c´ c´kk EQ,d = EQ (´d, c´d, qd) EG,d = G EG(´d,c´d)=1,35  EG(´k,c´k) VVd, ,HHd, ,MMd d d d Rv,k = R(Md, Vd, Hd, ´d, c´d) Rv,d = Rv,k / Rv Rv,d = Rv,k /1,40

 == cc == 1,0 1,0 ´ ´dd == ´ ´kk,, c´ c´dd == c´ c´kk

EQ,k = EQ(´k, c´k, qk) EG,k = EG(´k, c´k) VVk, ,HHk, ,MMk k k k Rv,k = R(Mk, Vk, Hk, ´k, c´k) Rv,d = Rv,k / Rv = Rv,k/1,40

Bild 5-7 Beispiel für die Anwendung der Teilsicherheitsbeiwerte im Nachweisverfahren DA 2 (links) und DA 2* (rechts)

In Deutschland hat man sich schon in der DIN 1054:2005 [7] für die Bemessung von Gründungen, Stützwänden, Pfählen und Ankern für das Verfahren DA 2* schieden, weil – der Statiker bei einer Berechnung immer mit den charakteristischen Größen arbeitet, die auch tatsächlich im Bauwerk wirken, und er somit einen besseren Überblick über für die realen Belastungen behält und – weil darauf aufbauend ohne eine neue Berechnung auch der Grenzzustand der Gebrauchsfähigkeit untersucht werden kann, der mit charakteristischen Werten der Beanspruchungen zu führen ist. Beim Verfahren DA 2* wird – mit Ausnahme von Zugpfählen – nicht zwischen günstig und ungünstig wirkenden ständigen Beanspruchungen unterschieden, da nur so das über Jahrzehnte bewährte Sicherheitsniveau des globalen Sicherheitskonzepts erhalten werden kann. Das Verfahren ist anwendbar für alle analytischen Verfahren wie die klassischen Methoden, die Elastizitätstheorie, die Finite-Elemente- und Federmodelle. In der DIN 1054:2010 wird dieser Nachweis „GEO-2“ genannt, weil er mit dem Nachweisverfahren 2 geführt wird.

246

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Nachweisverfahren DA 3 Auch beim Verfahren DA 3 ist nur ein rechnerischer Nachweis für einen Grenzzustand zu führen. Im Gegensatz zum Verfahren DA 2 beruht die Ermittlung der Bemessungswerte der Einwirkungen und der Tragfähigkeit des Baugrunds auf dem Verfahren mit faktorisierten Scherparametern (siehe Tabelle 5.4).

Qd = Q  Qk = 1,50  Qk Gd = G  Gk = 1,35  Gk qd = Qqk = 1,50  qk

5

tan tan ´ ´dd == tan tan ´ ´kk// == tan tan ´ ´kk// 1,25 1,25 c´ c´dd== c´ c´kk/ /cc == c´ c´kk // 1.25 1.25 EQ,d = EQ(´d, c´d, qd) EG,d = G  EG(´d,c´d) = 1.0  EG(´d,c´d) VVd,,HHd,,M Md d

d

d

Rv,d = R (Vd, Hd, Md, ´d, c´d) Bild 5-8 Beispiel für die Anwendung der Teilsicherheitsbeiwerte im Nachweisverfahren DA 3

Bei den Einwirkungen aus dem Bauwerk werden die gleichen Teilsicherheitsbeiwerte wie im gesamten Bauingenieurwesen verwendet. Für die Ermittlung der Einwirkungen und Widerstände aus dem Baugrund werden die Bemessungswerte der Scherparameter (faktorisierte Scherparameter) verwendet (siehe Bild 5-8). Dieses Verfahren sah schon die DIN 1054:2005 und sieht jetzt auch die DIN 1054:2010 für den Nachweis der Gesamtstandsicherheit, also der Böschungsstandsicherheit, vor. Es wird „GEO-3“ genannt, weil der Nachweis mit dem Nachweisverfahren 3 geführt wird. 5.2.6.3 Nachweisverfahren und Teilsicherheitsbeiwerte der DIN 1054:2010 Deutschland hat eine mehr als 70-jährige Tradition von Normen in der Geotechnik. Die erste Ausgabe der DIN 1054 wurde 1934 mit dem Titel „Richtlinie für die zulässige Belastung des Baugrunds im Hochbau“ veröffentlicht. Seitdem wurden die geotechnischen Normen laufend optimiert, das Sicherheitsniveau des bisherigen globalen Sicherheitskonzepts hat sich bewährt, und die gewählten Sicherheitsbeiwerte haben einen sicheren und wirtschaftlichen geotechnischen Entwurf ermöglicht. Daher wurde für die Umstellung der geotechnischen Normen auf das Teilsicherheitskonzept der Eurocodes beschlossen, das Sicherheitsniveau des alten globalen Sicherheitskonzepts beizubehalten. Die Nachweisverfahren und die Teilsicherheitsbeiwerte waren daher so auszuwählen, dass eine Bemessung auf Grundlage des EC 7-1 etwa zu den gleichen Abmessungen führt wie eine Gründungsbemessung nach den alten Normen des globalen Sicherheitskonzepts. Andernfalls wären wohl auch ernsthafte Probleme im Hinblick auf die Akzeptanz der Eurocodes entstanden. Zum Beispiel könnte bei einem Bauwerk, an dem Änderungen vorgenommen werden, nach dem neuen Sicherheitskonzept eine Verstärkung oder gar Unterfangung erforderlich werden, die beim bisherigen Sicherheitskonzept unterbleiben konnte.

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

247

Vergleichsbemessungen für ein Streifenfundament zeigen, dass das Sicherheitsniveau des bisherigen globalen Sicherheitskonzepts nur bei einer Verwendung des Nachweisverfahrens DA 2* erhalten werden kann, bei dem die Teilsicherheitsbeiwerte am Ende der Berechnung eingeführt werden, wenn die Grenzzustandsgleichung überprüft wird [37]. Aus diesem Grund wurde das Nachweisverfahren DA 2* in der DIN 1054:2005 und in der DIN 1054:2010 für Stützwände, Flachgründungen, Pfähle und Anker in Deutschland vorgeschrieben. Darüber hinaus zeigen die Vergleichsbemessungen [37], dass das Nachweisverfahren DA 2* die wirtschaftlichste Bemessung für Flachgründungen liefert. Die anderen Nachweisverfahren liefern bei Streifenfundamenten um bis zu 40 % größere Fundamentbreiten. Dies ist sicher ein gewichtiges Argument für die Annahme des Bemessungsverfahrens DA 2* durch andere Länder. Die Aufrechterhaltung des Sicherheitsniveaus des alten globalen Sicherheitskonzepts war nicht nur eine Grundvoraussetzung, die Akzeptanz der Eurocodes im deutschen Bauwesen sicherzustellen, sondern es war auch eine notwendige Annahme, um die Größe der Teilsicherheitsbeiwerte für geotechnische Einwirkungen und Widerstände zahlenmäßig festzulegen. Um zum Beispiel das Sicherheitsniveau im Nachweisverfahren DA 2* aufrechtzuerhalten, muss die Beziehung: γR  γG/Q ≈ ηglobal

(5.5)

erfüllt sein, wobei γR der Teilsicherheitsbeiwert für den Widerstand des Baugrunds, γ G/Q ein mittlerer Teilsicherheitsbeiwert für die Beanspruchungen aus ständigen und veränderlichen Einwirkungen und ηglobal der alte globale Sicherheitsbeiwert ist. In Deutschland hat man sich in der Geotechnik entschieden, für die ständigen und veränderlichen Beanspruchungen die gleichen Teilsicherheitsbeiwerte (γG = 1,35; γQ = 1,50) zu übernehmen, wie sie auch im Übrigen konstruktiven Ingenieurbau verwendet werden. Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob sie eine realistische Beschreibung der Unsicherheiten in der Geotechnik darstellen. Dem zuständigen Normenausschuss der Geotechnik war es jedoch wichtiger, für die Zukunft einheitliche Teilsicherheitsbeiwerte im gesamten Bauingenieurwesen einzuführen als spezifische Teilsicherheitsbeiwerte für die Einwirkungen des Baugrunds zu entwickeln. Nach einer Umstellung von Gleichung (5.5) ergibt sich der Teilsicherheitsbeiwert γ R für den Widerstand zu: γR ≈ ηglobal / γG/Q

(5.6)

Bei einem globalen Sicherheitsbeiwert von ηglobal = 2,0, wie er in Deutschland zum Beispiel für den Nachweis der Grundbruchsicherheit verwendet wird, und einem mittleren Teilsicherheitsbeiwert für die Beanspruchungen von γG/Q = 1,40, wird der Teilsicherheitsbeiwert für den Grundbruchwiderstand: γR,v ≈ 2,0 / 1,40 ≈ 1,40. Auf diese Weise wurden die Teilsicherheitsbeiwerte für den Widerstand des Baugrunds für alle Grenzzustände und Bemessungssituationen ermittelt. Bei GEO-2 werden die gleichen Teilsicherheitsbeiwerte verwendet, die auch im Anhang A des EC 7-1 empfohlen werden. Allerdings muss – mit Ausnahme von Zugpfählen – nicht zwischen günstig und ungünstig wirkenden ständigen Einwirkungen unterschieden werden, weil die Einwirkungen ungünstig wirkend immer maßgebend sind (siehe Vogt et al. [37]). Darüber hinaus haben im Gegensatz zum Anhang A des EC 7-1 die Teilsicherheitsbeiwerte für die wirksame Kohäsion c und die Kohäsion des undrainierten Bodens cu den gleichen Wert wie für den Reibungswinkel . Für den Nachweis der Böschungsstandsicherheit wurde in der DIN 1054:2005 und in der DIN 1054:2010 das Nachweisverfahren DA 3 festgelegt, da dieses Verfahren in leicht modifizierter Form auch früher in der DIN 4084 verwendet wurde.

5

248

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

Die Tabellen 5.5 bis 5.7 enthalten die Teilsicherheitsbeiwerte der DIN 1054:2010 für die Nachweise der Grenzzustände der verschiedenen geotechnischen Bauwerke in Abhängigkeit der Bemessungssituationen, die in den folgenden Jahren bei einigen Nachweise geändert wurden. Tabelle 5.5 Tabelle A 2.1 der DIN 1054:2010 – Teilsicherheitsbeiwerte γF bzw. γE für Einwirkungen und Beanspruchungen Einwirkung bzw. Beanspruchung

Formelzeichen

Bemessungssituation BS-P

BS-T

BS-A

HYD und UPL: Grenzzustand des Versagens durch hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen

5

G,dst G,stb Q,dst Q,stb H H

1,05 0,95 1,50 0 1,45 1,90

1,05 0,95 1,30 0 1,45 1,90

1,00 0,95 1,00 0 1,25 1,45

Ungünstige ständige Einwirkungen

G,dst

1,10

1,05

1,00

Günstige ständige Einwirkungen

G,stb

0,90

0,90

0,95

Ungünstige veränderliche Einwirkungen

Q

1,50

1,25

1,00

Destabilisierende ständige Einwirkungena) Stabilisierende ständige Einwirkungen Destabilisierende veränderliche Einwirkungen Stabilisierende veränderliche Einwirkungen Strömungskraft bei günstigem Untergrund Strömungskraft bei ungünstigem Untergrund EQU: Grenzzustand des Verlusts der Lagesicherheit

STR und GEO-2:

Grenzzustand des Versagens von Bauwerken, Bauteilen und Baugrund

Beanspruchungen aus ständigen Einwirkungen allgemeina) Beanspruchungen aus günstigen ständigen Einwirkungenb) Beanspruchungen aus ständigen Einwirkungen aus Erdruhedruck Beanspruchungen aus ungünstigen veränderlichen Einwirkungen Beanspruchungen aus günstigen veränderlichen Einwirkungen

G

1,35

1,20

1,10

G,inf

1,00

1,00

1,00

G,E0

1,20

1,10

1,00

Q

1,50

1,30

1,10

Q

0

0

0

1,00 1,20

1,00 1,00

GEO-3: Grenzzustand des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit Ständige Einwirkungena) Ungünstige veränderliche Einwirkungen

G Q

1,00 1,30

SLS: Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit G = 1,00 für ständige Einwirkungen bzw. Beanspruchungen Q = 1,00 für veränderliche Einwirkungen bzw. Beanspruchungen a) einschließlich ständigem und veränderlichem Wasserdruck b) nur im Sonderfall bei Zugpfahlgruppe (nach DIN 1054:2010, 7.6.3.1 A (3))

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

249

Tabelle 5.6 Tabelle A 2.2 der DIN 1054:2010 – Teilsicherheitsbeiwerte γM für geotechnische Kenngrößen Bodenkenngröße

Formelzeichen

Bemessungssituation BS-P

BS-T

BS-A

HYD und UPL: Grenzzustand des Versagens durch hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen Reibungsbeiwert tan  des drainierten Bodens und Reibungsbeiwert tan u des undrainierten Bodens Kohäsion c des drainierten Bodens und Scherfestigkeit cu des undrainierten Bodens

, u

1,00

1,00

1,00

c, cu

1,00

1,00

1,00

GEO-2 : Grenzzustand des Versagens von Bauwerken, Bauteilen und Baugrund Reibungsbeiwert tan  des drainierten Bodens und Reibungsbeiwert tan u des undrainierten Bodens Kohäsion c des drainierten Bodens und Scherfestigkeit cu des undrainierten Bodens

, u

1,00

1,00

1,00

c, cu

1,00

1,00

1,00

GEO-3: Grenzzustand des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit Reibungsbeiwert tan  des drainierten Bodens und Reibungsbeiwert tan u des undrainierten Bodens Kohäsion c des drainierten Bodens und Scherfestigkeit cu des undrainierten Bodens

, u

1,25

1,15

1,10

c, cu

1,25

1,15

1,10

Tabelle 5.7 Tabelle A 2.3 der DIN 1054:2010 – Teilsicherheitsbeiwerte γR für Widerstände Widerstand

Formelzeichen

Bemessungssituation BS-P

BS-T

BS-A

STR und GEO-2: Grenzzustand des Versagens von Bauwerken, Bauteilen und Baugrund Bodenwiderstände Erdwiderstand und Grundbruchwiderstand Gleitwiderstand

R,e, R,v R,h

1,40 1,10

1,30 1,10

1,20 1,10

1,10 1,10 1,10 1,15

1,10 1,10 1,10 1,15

1,10 1,10 1,10 1,15

b, s, t s,t

1,40 1,50

1,40 1,50

1,40 1,50

a a a

1,40 1,10 1,40

1,30 1,10 1,30

1,20 1,10 1,20

Pfahlwiderstände aus statischen und dynamischen Pfahlprobebelastungen Spitzenwiderstand Mantelreibung (Druck) Gesamtwiderstand (Druck) Mantelreibung (Zug)

b s t s,t

Pfahlwiderstände auf der Grundlage von Erfahrungswerten Druckpfähle Zugpfähle (nur in Ausnahmefällen) Herausziehwiderstände Boden- bzw. Felsnägel Verpresskörper von Verpressankern Flexible Bewehrungselemente

GEO-3: Grenzzustand des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit Scherfestigkeit: siehe Tabelle 5.5 Herausziehwiderstände: siehe STR und GEO-2

5

250

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

5.2.6.4 Kombinationsregeln Mit den Kombinationsregeln wird der sehr geringen Wahrscheinlichkeit Rechnung getragen, dass die möglichen veränderlichen Einwirkungen, wie z. B. Verkehrslasten, Wind und Schnee gleichzeitig in voller Größe wirken. Bei mehr als einer veränderlichen Einwirkung wird daher nur eine Einwirkung, die Leiteinwirkung Q k,1 voll berücksichtlich, während alle weiteren Einwirkungen als Begleiteinwirkungen Q k,i mit einem Kombinationsbeiwert 0 kleiner als 1 multipliziert werden. Bisher gab es in der Geotechnik keine Kombinationsregeln. Im Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung werden sie eingeführt und im EC 7-1 ist ihre Anwendung zwar vorgesehen, die Umsetzung wird jedoch den europäischen Mitgliedsstaaten überlassen.

5

Bei der Erarbeitung der DIN 1054:2010 Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1 [8] war sich der zuständige Ausschuss einig, dass z. B. die Bestimmung der äußeren Abmessungen des Fundaments mit den gleichen Beanspruchungen durchgeführt werden sollte wie die Stahlbetonbemessung des Fundaments. Daher wurden in der Geotechnik die Kombinationsregeln des Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung übernommen [12]. In der deutschen Geotechnik wird so weit wie möglich das Konzept verfolgt, bei einer erdstatischen Berechnung zunächst alle Beanspruchungen als charakteristische Werte zu ermitteln. Erst am Ende der Berechnungen werden mit Hilfe der Teilsicherheitsbeiwerte G,j für die ständigen Einwirkungen, P für eine Vorspannkraft und Q,i für die veränderlichen Einwirkungen daraus Bemessungswerte errechnet. Darauf muss auch die Anwendung der Kombinationsregeln mit Kombinationsbeiwerten abgestimmt werden. Im Regelfall, bei vorausgesetzter Gültigkeit des Superpositionsprinzips, können auf Grundlage der charakteristischen ständigen Einwirkungen Gk,j, der Vorspannkraft Pk, und der veränderlichen Einwirkungen Q ki die entsprechenden Beanspruchungen E einzeln errechnet und der Bemessungswert E d der Gesamtbeanspruchung unter Anwendung der Kombinationsregeln weiterhin am Ende einer Berechnung ermittelt werden – beispielhaft für die Bemessungssituationen BS-P und BS-T entsprechend der Gleichung:

Ed =   G, j  E (Gk , j ) +  P  E ( Pk ) +  Q,1  E (Qk ,1 ) +   Q,i  0,i  E (Qk ,i ) j 1

i 1

In besonderen Fällen, bei denen das Superpositionsprinzip nicht gilt, müssen Bemessungswerte der Beanspruchungen Ed aus den Bemessungswerten der Einwirkungen, die nach den Regeln des Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung [12] aus charakteristischen Einwirkungen verknüpft mit Teilsicherheitsbeiwerten  und Kombinationsbeiwerten  entstehen, ermittelt werden – z. B. wieder für die Bemessungssituationen BS-P und BS-T nach der formalen Gleichung:   Ed = E    G , j  G j "+ " P  Pk "+ " Q,1  Qk ,1 "+ "   Q,i 0,i Qk ,i   j 1 11  

Hierin bedeutet "+": „in Verbindung mit“. Um den maßgebenden Wert der Bemessungsbeanspruchung festzustellen, müssen bei mehreren unabhängigen veränderlichen charakteristischen Einwirkungen Qk,i gegebenenfalls mehrere Kombinationen untersucht werden. Dabei ist fallweise jeweils eine der unabhängigen veränderlichen Einwirkungen als Leiteinwirkung Qk,1 anzusetzen und die anderen – dann als zugehörige Begleiteinwirkungen bezeichnet –

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

251

können gleichzeitig je mit einem Kombinationswert 0,i abgemindert werden, dessen Größe von der Art der Einwirkung abhängt. In den Bemessungssituationen BS-A und BS-E sind zum Teil keine Teilsicherheitsbeiwerte vorgesehen und es werden statt des Kombinationsbeiwerts 0 für begleitende veränderliche Einwirkungen die kleineren Zahlenwerte der Kombinationsbeiwerte zum Festlegen des häufigen Werts der veränderlichen Leiteinwirkung 1 bzw. des quasi-ständigen Werts einer veränderlichen Einwirkung 2 verwendet, um die geringere Wahrscheinlichkeit der Gleichzeitigkeit mehrerer veränderlicher Einwirkungen im Fall des außergewöhnlichen Ereignisses bzw. Erdbebens zu berücksichtigen. Im Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung [12] bzw. in der in Deutschland eingeführten DIN 1055-100:2001 Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln [9] sind Kombinationsbeiwerte für den Hochbau festgelegt. Sie gelten auch für die Nachweise in der Geotechnik. Für in den Tabellen für den Hochbau nicht erfasste sonstige veränderliche Einwirkungen sind die Kombinationsbeiwerte 0 = 0,8, 1 = 0,7 und 2 = 0,5 zu verwenden.

5.2.7

Grenzzustand des Verlusts der Lagesicherheit (EQU)

Der Grenzzustand des Verlusts der Lagesicherheit EQU wird im EC 7-1 definiert (siehe 2.4.7.1 (1) P) als „Verlust der Lagesicherheit des als starrer Körper angesehenen Bauwerks oder des Baugrunds, wobei die Festigkeiten der Baustoffe und des Baugrunds für den Widerstand nicht entscheidend sind.“ Im Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung [12] wird EQU im Hinblick auf seine Anwendung im konstruktiven Ingenieurbau etwas anders und leider missverständlich definiert, was aber im dazu gehörigen nationalen Anhang [13] klar geregelt wird. Im Folgenden wird nur auf die Definition des EC 7-1 zurückgegriffen. Da bei einem Verlust der Lagesicherheit in der Regel keine Materialfestigkeit im Bauwerk oder Baugrund und damit kein Widerstand mobilisiert wird, werden in der Grenzzustandgleichung die Bemessungswerte Edst,d und Estb,d der destabilisierenden und der stabilisierenden Einwirkungen verglichen: Edst,d  Estb,d

(5.7)

Bei einer Flachgründung auf Fels, die im Grenzzustand der Lagesicherheit um eine Fundamentkante kippt, sind die stabilisierenden und destabilisierenden Momente M stb,d und Mdst,d aus den vertikalen und horizontalen, ständigen und veränderlichen Gründungslasten die stabilisierenden und destabilisierenden Einwirkungen zu vergleichen. Mit den charakteristischen Werten der Einwirkungen und den zugehörigen Sicherheitsbeiwerten G,dst, Q,dst und G,stb für die ständigen und veränderlichen destabilisierenden und die ständigen stabilisierenden Einwirkungen ergibt sich (7) zu: Edst,d = Edst,k (G)  G,dst + Edst,k (Q) Q,dst  Estb,d = Estb,d  G,stb

(5.8)

Es ist zu beachten, dass im Gegensatz zur Grenzzustandsgleichung (4) für STR und GEO bei EQU die Bemessungswerte der stabilisierenden (widerstehenden) Einwirkungen nicht ermittelt werden, indem die charakteristischen Werte durch einen Teilsicherheitsbeiwert  > 1

5

252

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

geteilt, sondern mit einem Teilsicherheitsbeiwert  < 1 multipliziert werden. Dabei werden in der DIN 1054:2010 (siehe Tabelle 5.5) mit G,dst = 1,10, Q,dst = 1,50 und G,stb = 0,90 die Zahlenwerte des Eurocodes Grundlagen der Tragwerksplanung bzw. des Anhangs A des EC 7-1 übernommen. Beim Nachweis des Grenzzustands EQU erlauben sowohl der Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung (siehe 6.4.2 (2) in [12]) als auch der EC 7-1 (siehe 2.4.7.2 (1) P in [15]), zusätzliche stabilisierende Kräfte – z. B. Scherkräfte oder Anker – in der Grenzzustandsgleichung zu berücksichtigen (siehe auch [22])). Obgleich diese Kräfte streng genommen Widerstände bzw. Reaktionskräfte sind, werden sie beim Nachweis der Lagesicherheit als stabilisierende Einwirkungen behandelt.

5

Bei Flächengründungen auf nichtbindigen und bindigen Böden kann eigentlich kein Nachweis der Sicherheit gegen Gleichgewichtsverlust durch Kippen geführt werden, da die Kippkante unbekannt ist. Anstatt eines Nachweises der Sicherheit gegen Kippen wurde in der DIN 1054:2005 der Nachweis der Einhaltung einer zulässigen Ausmittigkeit der Sohldruckresultierenden gefordert, bei der die Fundamentsohle unter den ungünstigsten ständigen und veränderlichen Einwirkungen mindestens noch bis zu ihrem Schwerpunkt durch Druck belastet sein musste. Dies entspricht bei rechteckigen Fundamentflächen einer globalen Sicherheit von  = 1,50 zwischen dem Moment der Vertikalkraft und dem zum Kippen führenden Moment der Horizontalkraft. Dieser Gedanke ist bei der Anpassung der DIN 1054 an das Konzept der Grenzzustände aufgenommen worden. Der Nachweis der zulässigen Ausmittigkeit von Flachgründungen auf Boden wird in der DIN 1054:2010 zum Nachweis des Grenzzustands der Lagesicherheit EQU, wobei wie beim Fels ein Kippen um eine Fundamentkante und ein starrer Baugrund angenommen werden. Mit den Teilsicherheitsbeiwerten für eine veränderliche destabilisierende Momentebeanspruchung von Q,dst = 1,50 und für eine günstig wirkende, ständige stabilisierende Momentebeanspruchung Q,stb = 0,90 ergibt sich ein globale Sicherheit von  = Q,dst /G,stb = 1,67, die etwas größer ist als diejenige globale Sicherheit, die sich bei Einhaltung einer zulässigen Ausmittigkeit ergibt. Die erhöhte Sicherheit ist gerechtfertigt, da damit eine Begrenzung der Schiefstellungen exzentrisch veränderlich belasteter Gründungen erreicht und das Verhindern des „Aufreitens“ von Turmfundamenten sicher vermieden wird.

5.2.8

Grenzzustand des Aufschwimmens (UPL)

Das Aufschwimmen von Bauwerken infolge der Auftriebskraft des Wassers ist ebenfalls ein Versagen durch Verlust der Lagesicherheit, allerdings hat man ihn wegen seiner Besonderheiten nicht unter den Grenzzustand EQU eingeordnet. Der Grenzzustand UPL wird im EC 7-1 definiert (siehe 2.4.7.1 (1) P in [15]) als „Verlust der Lagesicherheit des Bauwerks oder Baugrunds infolge Aufschwimmens (Auftrieb) oder anderer vertikaler Einwirkungen“. Die Grenzzustandsgleichung (Gleichung (2.8) in 2.4.7.4 in [15]) zum Nachweis gegen Aufschwimmen fordert, dass der Bemessungswert der destabilisierenden ständigen und veränderlichen Vertikalkräfte Gdst,d und Qdst,d nicht größer werden darf als die Bemessungswerte der stabilisierenden ständigen Vertikalkräfte Gstb,d: Gdst,d + Qdst,d  Gstb,d + Rd

(5.9)

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

253

wobei gegebenenfalls der Bemessungswert eines zusätzlichen Widerstandes Rd gegen Aufschwimmen berücksichtigt werden darf, der wie eine zusätzliche stabilisierende Einwirkung behandelt wird. Die geforderten Teilsicherheitsbeiwerte finden sich in der Tabelle 5.5. Einzelheiten der Berücksichtigung von Reibungskräften oder von Zugverankerungen bei unter Auftrieb stehenden Bauwerken sind im Abschnitt 10.2 der DIN 1054:2010 dargestellt. Weitere praktische Anwendungsfälle werden im Merkblatt Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen [3] und der EAU [18] geregelt. Bei bindigen, wenig durchlässigen Schichten stellt sich gelegentlich die Frage, ob zusätzlich zum Nachweis gegen Aufschwimmen noch ein Nachweis gegen hydraulischen Grundbruch erforderlich ist. Hier regelt die DIN 1054:2010 in A 10.2.1 (6), dass dies nur dann erforderlich ist, wenn der bindige Boden nicht mindestens steif ist. Bindige Böden sind im Abschnitt A 3.1.3 der DIN 1054:2010 definiert.

5.2.9

Hydraulischer Grundbruch, innere Erosion und Piping (HYD)

Die Definition des Grenzzustands HYD umfasst nach (2.4.7.1 (1) P in [15]) hydraulischen Grundbruch, innere Erosion und Piping im Boden, verursacht durch Strömungsgradienten. Allerdings gibt es nur für den hydraulischen Grundbruch eine Grenzzustandsgleichung. Es muss nachgewiesen werden, dass für jedes in Frage kommende Bodenprisma der Bemessungswert Sdst;d der destabilisierenden Strömungskraft in dem Prisma nicht größer ist als der Bemessungswert des stabilisierenden Gewichts unter Auftrieb G'stb;d desselben Prismas (siehe Gleichung (2.9b) in 2.4.7.5, (1) P in [15]): Sdst;d ≤ G'stb;d

(5.10)

Die Bemessungswerte der Strömungs- und der Gewichtskraft ergeben sich wieder aus dem Produkt ihrer charakteristischen Werte mit den entsprechenden Teilsicherheitsbeiwerten. Die in der Tabelle 5.5 geforderten Teilsicherheitsbeiwerte entsprechenden allerdings nicht denen der Tabelle A.17 des EC 7-1, insbesondere wird bei dem Teilsicherheitsbeiwert für die Strömungskraft unterschieden zwischen günstigem Untergrund, dem ein kleinerer Teilsicherheitsbeiwert zugewiesen wird, und ungünstigem Untergrund, bei dem die Strömungskraft mit einem größeren Teilsicherheitsbeiwert beaufschlagt wird. Der EC 7-1 enthält noch eine weitere Grenzzustandsgleichung des hydraulischen Grundbruchs (Gleichung (2.9a) in 2.4.7.5 (1) P in [15]) mit Spannungen, die jedoch in Deutschland nicht angewendet wird, da sie physikalisch nicht korrekt ist. Einzelheiten zur Durchführung des Nachweises gegen hydraulischen Grundbruch enthält der Abschnitt 10.2 der DIN 1054:2010 und die EAU [18]. Für die Wichte des Bodens ist dabei im Sinne von Abschnitt 3.3.3 A (3) von DIN 1054:2010 ein unterer charakteristischer Wert der Wichte festzulegen. Am schwierigsten ist die Bestimmung der Größe der Strömungskraft Sdst;k bzw. die Ermittlung des für den Nachweis maßgebenden waagerechten Schnitts durch den Baugrund, bei dem das Verhältnis von Strömungskraft Sdst;k und Eigenlast G'stb;k des Bodenprismas unter Auftrieb am ungünstigsten ist. Bei geschichteten Böden stellt sich in Schichten mit geringerer Durchlässigkeit immer ein größeres hydraulisches Gefälle und damit eine größere Strömungskraft ein. Dies ist bei Nachweis zu berücksichtigen, um den maßgebenden Bodenkörper mit der kleinsten Sicherheit zu ermitteln. Es empfiehlt sich in solchen Fällen die Bestimmung des Potenzialfeldes im durchströmten Boden. Für einfache geometrische Verhältnisse und homogenen Baugrund findet man Näherungslösungen in Handbüchern. Bei Baugrund mit Bodenschichten mit unterschiedlicher Durchlässigkeit oder wenn die räum-

5

254

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

liche Wirkung von Bedeutung ist, wie z. B. in Baugrubenecken, sind genauere Untersuchungen zur Ermittlung des hydraulischen Potenzials erforderlich. Sofern Angaben in der Literatur, z. B. in der EAU [18], hierzu nicht ausreichen, empfiehlt sich die Anwendung numerischer Methoden. Am zuverlässigsten kann die Strömungskraft bzw. die Auftriebskraft durch Messungen des Porenwasserdrucks im Untergrund bestimmt werden, die allerdings in der Planungsphase kaum möglich sind. In vielen Fällen empfiehlt es sich aber im Sinne der Beobachtungsmethode, beim Bau oder nach Fertigstellung des Bauwerks Messungen durchzuführen, um die Berechnungsannahmen zu überprüfen und das Bauwerk zu überwachen. Am Fuß von Stützwänden kann für das vom Boden durchströmte Bodenprisma eine Breite der halben Einbindetiefe der Stützwand angenommen werden. Deutlich auf der sicheren Seite liegt man, wenn man Davidenkoff [6] folgend ein unendlich dünnes Bodenprima, d. h. einen Stromfaden unmittelbar an der Stützwand untersucht.

5

Für die innere Erosion und für das Piping geben EC 7-1 und die DIN 1054:2010 keine Grenzzustandsgleichungen und Teilsicherheitsweite an, mit denen man eine ausreichende Sicherheit gegen den die Standsicherheit gefährdenden Materialtransport im Baugrund nachweisen kann. Bei der inneren Erosion wird die Einhaltung von Filterkriterien gefordert (siehe Merkblatt für die Anwendung von Kornfiltern [2] und [4]). Für das Piping empfiehlt der EC 7-1 einen indirekten Nachweis, wie er auch im Merkblatt für die Standsicherheit von Böschungen an Bundeswasserstraßen [3] beschrieben wird. Grundlage des Verfahrens ist, dass die Filterregeln und die Standsicherheit des Baugrunds selbst unter ungünstigsten hydraulischen Randbedingungen erfüllt sein müssen. Dazu sind in einem ersten Schritt Strömungsberechnungen für alle denkbaren Bemessungssituationen durchzuführen, und es sind dabei insbesondere entlang der Grenzflächen zwischen den Bauwerksteilen und dem Baugrund offene Fugen – und damit kein Potenzialabbau – anzusetzen, wo eine Hohlraumbildung wegen der Besonderheiten des Baugrunds, der Bauwerksgeometrie oder des Bauverfahrens nicht ausgeschlossen werden kann. Auf Grundlage dieser Strömungsberechnung ist dann in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob vor allem in den Bereichen, in denen Sickerwasser austritt, – ausreichende Sicherheiten gegen hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen sowie gegen Böschungsbruch gegeben sind und – wo der Boden selbst eine ausreichende Sicherheit gegen innere Erosion besitzt. Einzelheiten des Verfahrens und der Bewertung von Grenzflächen im Hinblick auf die Entwicklung von bevorzugten Sickerwegen finden sich im Merkblatt Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen [3]. Falls die Sicherheiten erfüllt sind, ist nachgewiesen, dass auch unter den o. g. ungünstigen Annahmen keine Gefahr eines Bodenaustrags besteht. Damit können zwar Umlagerungen im Baugrund nicht vollständig verhindert werden; da aber kein Material das System verlässt, besteht auch keine Gefahr, dass durch Piping ein Damm schrittweise zerstört wird.

5.2.10 Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit Alle Grenzzustände, die – die Funktion des Tragwerks oder eines seiner Teile unter normalen Gebrauchsbedingungen oder – das Wohlbefinden der Nutzer oder – das Aussehen des Bauwerks

5.2 Das „Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung“

255

betreffen, sind als Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit einzustufen (siehe Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung, 3.4, (1) (P) in [12]) Dabei wird beim „Aussehen“ auf große Durchbiegungen und ungewollte Rissbildung Bezug genommen und nicht auf Gesichtspunkte des optischen oder des architektonischen Erscheinungsbildes. Der EC 7-1 fordert, dass für alle Bemessungssituationen sichergestellt sein muss, dass kein Grenzzustand überschritten wird (siehe 2.1 (1) P in [15]). Der rechnerische Nachweis einer ausreichenden Gebrauchstauglichkeit wird mit der Grenzzustandgleichung: Ed  Cd

(5.11)

geführt (Gleichung (2.10) in 2.4.8 (1) P in [15]), wobei Ed der Bemessungswert einer Auswirkung von Einwirkungen (z. B. Setzungen) und Cd das maßgebende Gebrauchstauglichkeitskriterium ist. In der Regel werden die Teilsicherheitsbeiwerte beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit gleich 1,0 gesetzt. Die Gebrauchstauglichkeitskriterien sind für jedes Projekt besonders zu vereinbaren. Grenzwerte für Bauwerksverformungen und Fundamentbewegungen enthält der Anhang H des EC 7-1. Insbesondere bei setzungsempfindlichen Bauwerken sind die Gebrauchstauglichkeitskriterien so realistisch wie möglich und in enger Abstimmung mit dem konstruktiven Ingenieur festzulegen, der die Auswirkungen der Setzungen auf das Bauwerk beurteilen muss. Unnötig konservative Werte führen zu unwirtschaftlichen Abmessungen. Andererseits muss gewährleistet sein, dass die Sicherheit des Bauwerks nicht möglicherweise durch Verformungen des Baugrunds gefährdet wird, ohne dass im Baugrund selbst ein Grenzzustand der Tragfähigkeit erreicht ist. Ein wesentlicher Bestandteil der DIN 1054:2005 waren die Tabellen der zulässigen Sohldruckspannungen, die den charakteristischen Beanspruchungen gegenüber gestellt werden konnten, womit sich Einzelnachweise der Standsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit erübrigten. Zulässige Sohldruckspannungen passen nicht zum Teilsicherheitskonzept. In Regelfällen wird der Tragwerksplaner Bemessungswerte der Fundamentbeanspruchung ermitteln, die auch für die Nachweise der inneren Tragfähigkeit der Fundamente benötigt werden. Die DIN 1054:2010 enthält daher in den Tabellen A 6.1 bis A 6.8 Bemessungswerte des Sohlwiderstandes σR,d, mit denen die Bemessungswerte der Beanspruchung verglichen werden können. Die Tabellen gelten für die Bemessungssituation BS-P – auf der sicheren Seite liegend damit auch für die anderen Bemessungssituationen. Sie sind aus den bisherigen Tabellenwerten durch Multiplikation mit dem Faktor 1,4 abgeleitet worden, der als gewichteter Mittelwert für die Teilsicherheitsbeiwerte auf die ständigen und veränderlichen Einwirkungen bzw. Beanspruchungen G = 1,35 und Q = 1,50 gewählt wurde. Die Voraussetzungen zur Anwendung der Tabellen haben sich gegenüber den Vorgängerversionen der DIN 1054:2005 nicht geändert.

5.2.11 Beobachtungsmethode Wenn eine rechnerische Vorhersage des geotechnischen Verhaltens schwierig ist, kann es zweckmäßig sein, die Beobachtungsmethode anzuwenden, bei der der Entwurf während der Bauausführung überprüft und gegebenenfalls angepasst wird. Die Beobachtungsmethode ist eine Kombination der üblichen geotechnischen Untersuchungen, Nachweisen und Prognosen mit einer kontinuierlichen messtechnischen Kontrolle des Bauwerkes und des Baugrundes während dessen Herstellung und gegebenenfalls auch während dessen Nutzung. Mittels der laufenden messtechnischen Überwachung müssen kritische Situationen erkannt werden und

5

256

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

durch bereits vorbereitete geeignete technische Maßnahmen beherrscht werden. Ziel der Beobachtungsmethode ist es also, bei einer rechnerisch nicht ausreichend zuverlässigen Prognose der Standsicherheit oder Gebrauchstauglichkeit durch Messungen und vorgehaltene Maßnahmen ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Wesentliche Voraussetzung für ihre Anwendung ist allerdings, dass das Versagen des Bauwerks vorab erkennbar ist bzw. sich rechtzeitig ankündigt. Die bei der Anwendung der Beobachtungsmethode einzuhaltenden Bedingungen sind im Einzelnen im Abschnitt 2.7 des EC 7-1 [15] und der DIN 1054:2010 in [8] beschrieben. Weder der EC 7-1 noch die DIN 1054:2010 machen Angaben zu den bei der Beobachtungsmethode einzuhaltenden Sicherheiten. Es ist daher eine sehr enge und frühzeitige Abstimmung aller Maßnahmen zwischen dem Planer, dem Bauherrn, dem Prüfer und der ausführenden Baufirma erforderlich.

5

5.3

Die Finite-Elemente-Methode zum Nachweis von Grenzzuständen

5.3.1 Allgemeines Der EC 7-1 lässt offen, welche geotechnischen Berechnungsmodelle zur Ermittlung von Beanspruchungen und Widerständen für die Standsicherheitsnachweise anzuwenden sind. In den Anhängen werden zwar für die gängigen Nachweise Berechnungsmodelle empfohlen, doch sind diese Anhänge informativ und nicht verpflichtend. Daher hat man sich in Deutschland entschlossen, in der DIN 1054:2010 die deutschen geotechnischen Berechnungsnormen weiter in Bezug zu nehmen, die ausschließlich die klassischen erdstatischen Verfahren beinhalten. Allerdings wird der Anwender sowohl im EC 7-1 als auch in der DIN 1054:2010 an mehreren Stellen ermutigt, auch numerische Verfahren (z. B. die Finite-Elemente-Methode (FEM)) anzuwenden (siehe z. B. 2.4.1 (12) in [15]). Für geotechnische Berechnungen nimmt der Einsatz der FEM dank immer leistungsfähigerer Rechner und der Verwendung immer realistischerer Stoffgesetze stark zu. Weil damit auch eine deutliche Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit einhergeht, ist zu erwarten, dass in Zukunft die klassischen Berechnungsverfahren in der praktischen Anwendung bei der geotechnischen Bemessung zumindest zum Teil von den numerischen Verfahren verdrängt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ihre Gleichwertigkeit nachgewiesen ist und ihre Ergebnisse für geotechnische Nachweise entsprechend den europäischen und deutschen Normen geeignet sind. Der wesentliche Vorteil der FEM gegenüber klassischen Methoden besteht darin, dass besonders bei nichtlinearem Bodenverhalten bzw. schwieriger Geometrie des Baugrunds und des Bauwerks die Interaktion von Bauwerk und Boden insbesondere bei komplexen Bauabläufen modelliert werden kann. Dabei müssen keine Annahmen im Hinblick auf die auftretenden Bruchmechanismen getroffen werden. Diese ergeben sich quasi als Nebenprodukt der Berechnung. Ein weiterer bedeutender Vorteil der Berechnungen mittels der FEM gegenüber konventionellen Berechnungsverfahren besteht darin, dass neben den Grenzzustandsbetrachtungen auch der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit am gleichen mechanischen System erfolgt. Zur Anwendung von numerischen Verfahren bei der geotechnischen Bemessung gibt es schon umfangreiche Literatur (siehe z. B. [24], [25], [29], [35], [36] und [38]). Empfehlungen

5.3 Die Finite-Elemente-Methode

zur Verwendung der FEM finden sich auch in der EAB (siehe EB 103 [19] und siehe [39]). Außerdem beschäftigt sich der Arbeitskreis Numerik in der Geotechnik der DGGT mit diesem Thema, der dazu schon Empfehlungen erarbeitet hat (siehe [27], [31] und [30]). Im Folgenden wird der gegenwärtige Stand zur Anwendung der FEM beim Nachweis geotechnischer Grenzzustände nach EC 7-1 und DIN 1054:2010 zusammengefasst.

5.3.2

Grenzzustände der Tragfähigkeit

Für die Nachweise der Standsicherheit von Stützwänden nach dem Verfahren GEO-2 werden die charakteristischen Einwirkungen und Beanspruchungen gut mit der FEM ermittelt. Die Ergebnisse sind in guter Übereinstimmung mit denen der klassischen Verfahren. Auch Widerstände können durchaus berechnet werden. Die Erfahrungsgrundlage zur Beurteilung ihrer Verlässlichkeit ist jedoch noch gering. Um Widerstände mit der FEM zu berechnen, müsste sichergestellt sein, dass die Verformungsberechnung verlässlich bis nahe an den Bruchzustand durchgeführt werden kann und nicht numerische Instabilitäten einen „Bruch“ vortäuschen. Ferner müsste Einigkeit erzielt werden über den Weg zum Bruchzustand: zurzeit werden entweder die Scherparameter inkrementell reduziert oder eine zusätzliche Einwirkung aufgebracht, was jedoch zu unterschiedlichen numerischen Grenzzuständen führt. Deshalb wird empfohlen, Einwirkungen und Beanspruchungen aus Berechnungen mit der FEM in den Nachweis zu übernehmen und die Widerstände gemäß der klassischen Erdstatik anzusetzen. Es versteht sich, dass bei diesem Verfahren die in der DIN 1054:2010 angegebenen Teilsicherheitsbeiwerte anzusetzen sind. Besonders gut eignet sich die FEM bei Standsicherheitsnachweisen nach dem Verfahren GEO-3, bei dem die Scherparameter mit Teilsicherheitsbeiwerten beaufschlagt werden. Das Verfahren der sogenannten „-c-Reduktion“ modelliert GEO-3 sehr gut, so dass die Ergebnisse der Standsicherheitsberechnungen mit den Ergebnissen der klassischen Gleitkreismethode übereinstimmen. Allerdings eignet sich dieses Berechnungsverfahren ohne entsprechende Anpassungen nur bei solchen Anwendungsfällen, bei denen keine konstruktiven Elemente zur Sicherung der Standsicherheit verwendet werden.

5.3.3

Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit

Bei Berechnungen für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit herrscht bereits weitgehend Einigkeit, dass mit numerischen Modellen wie der FEM Verformungsprognosen wesentlich besser gelingen als mit allen herkömmlichen Verfahren. Voraussetzung ist natürlich ein geeignetes Stoffgesetz, das das Verhalten des Bodens wirklichkeitsgetreu wiedergibt. Insbesondere bei nichtlinearem Bodenverhalten ergeben sich bessere Ergebnisse. Je besser das Stoffgesetz, desto besser das Ergebnis. Eine Kalibrierung der Modelle an Messergebnissen, z. B. aus Teilbauzuständen, verbessert die Prognosen erheblich. Verschiedene jüngste Untersuchungen betonen allerdings die Notwendigkeit der Berücksichtigung der erhöhten Steifigkeit bei kleinen Dehnungen, um wirklichkeitsnahe Prognosen zu erhalten.

257

258

5 Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik

5.4 [1] [2] [3] [4] [5]

5

[6] [7] [8]

[9] [10]

[11] [12] [13] [14] [15] [16]

[17] [18]

[19] [20] [21]

[22]

Literatur Bauduin, Ch., Ermittlung charakteristischer Werte, in Grundbau-Taschenbuch, Teil 1: Geotechnische Grundlage, 6. Auflage, Herausgeber U. Smoltczyk, Ernst und Sohn, Berlin, 2001 Bundesanstalt für Wasserbau, Merkblatt für die Anwendung von Kornfiltern (MAK), Karlsruhe, 1989 Bundesanstalt für Wasserbau, Merkblatt Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen, 2009 Busch, K.-F., Luckner, L. und Thiemer, K, Geohydraulik, Gebrüder Bornträger, Berlin und Stuttgart, 1993 CEN, Commission recommendation of 11 December 2003 on the implementation and use of Eurocodes for construction works and structural construction products (2003/887/EC), Official Journal of the European Union, 19.12.2003, EN, L 332/62 & 63 Davidenkoff, R.: Zur Berechnung des hydraulischen Grundbruches. Die Wasserwirtschaft 46 (1956), Heft 9, S. 230 DIN 1054:2005-01: Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau, Beuth Verlag, Berlin DIN 1054:2010: Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1:2008-10 – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnologie – Teil 1: Allgemeine Regeln; Beuth Verlag, Berlin DIN 1055:2001-03: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln DIN 4020:2010, Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-2:2007-3 – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnologie – Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrunds, Beuth Verlag, Berlin DIN 4085:2007-10, Baugrund Berechnung des Erddrucks, Beuth Verlag, Berlin DIN EN 1990 Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung, Beuth Verlag, Berlin, Oktober 2002 DIN EN 1990/NA:2010, Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung, Beuth Verlag, Berlin DIN EN 1991 Eurocode 1, Einwirkung auf Tragwerke (EC 1), Beuth Verlag, Berlin DIN EN 1997-1:2009-09 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; (EC 7-1), Beuth Verlag, Berlin DIN EN 1997-1/NA, Nationaler Anhang zu DIN EN 1997-1:2010 – National festgelegte Parameter – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Beuth Verlag, Berlin DIN EN 1997-2:2007-03 – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrunds Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen, Häfen und Wasserstraßen“ (EAU), herausgegeben von der Hafenbautechnischen Gesellschaft e.V. (HTG) und der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e. V. (DGGT), 10.Auflage, Verlag Ernst & Sohn (2005) Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“ (EAB), herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT), 4. Auflage, Verlag Ernst & Sohn (2006) Fellin, W., Berghamer, S. und Renk, D., Konfidenzgrenzen der Scherfestigkeit als Grundlage zur Festlegung charakteristischer Scherparameter, geotechnik 32, (2009), Nr. 1 Frank, R., Baudin, C., Driscoll, R., Kavvadas, M., Krebs Ovesen, N. Orr, T. und Schuppener, B. Designers’ Guide to EN 1997-1, Eurocode 7: Geotechnical design Part 1: General rules. London: Thomas Telford, London, 2004 Grünberg, J. und Vogt, N., Teilsicherheitskonzept für Gründungen im Hochbau, Betonkalender, Band 1, 2009, Ernst & Sohn, Berlin

5.4 Literatur

[23] Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung. Band 1 Allgemeine Regeln, Beuth Verlag, Berlin (2011) [24] Heibaum, M. und Herten, M., Finite-Elemente-Methode für geotechnische Nachweise nach neuer Normung Bautechnik 84 (2007), Heft 9 [25] Hettler, A. und Schanz, T., Zur Anwendung der Finite-Elemente-Methode bei Baugrubenwänden, Bautechnik 85 (2008), Heft 9 [26] Leitpapier L – Anwendung der Eurocodes, Schriften des Deutschen Instituts für Bautechnik, Reihe LP Heft L, 2002 [27] Meißner, H., Numerik in der Geotechnik – Baugruben. Geotechnik 25, (2002), H. 1, 44–56 [28] Orr, T. L. L., The Story of Eurocode 7, Mitteilung 61 des Instituts für Geotechnik, „Von der Forschung zur Praxis“, Stuttgart, 2008 [29] Perau, E., Nachweis der erforderlichen Ankerlänge mit der Finite-Elemente-Methode. Bautechnik 84 (2007), H. 6, S. 367–378 [30] Schanz, T., Böschungsbruchberechnung – Berechnungsbeispiele, Beiblatt zu Empfehlung Nr. 4 des Arbeitskreises 1.6 „Numerik in der Geotechnik“. geotechnik 29, 2006, Nr. 4 [31] Schanz, T., Standsicherheitsberechnungen von Baugruben – Berechnungsbeispiele, Beiblatt zu Empfehlung Nr. 4 des Arbeitskreises 1.6 „Numerik in der Geotechnik“. geotechnik 29, 2006a, Nr. 4 [32] Schneider, H. R., Determination of characteristic soil properties, in Proceedings of the 12th European Conference on Soil Mechanics and Foundation Engineering, Amsterdam, Balkema, Rotterdam, 1999, Vol. 1, S. 273–281 [33] Schuppener, B., Die Festlegung charakteristischer Bodenkennwerte – Empfehlungen des Eurocodes 7 Teil 1 und die Ergebnisse einer Umfrage, Sonderheft der geotechnik, 1999 [34] Schuppener, B., Walz, B., Weißenbach, A., und Hock-Berghaus, K., EC7 – A critical review and a proposal for an improvement: a German perspective, Ground Engineering, Vol. 31, No. 10, 1998 [35] Schweiger, H. F., Application of FEM to ULS design (Eurocodes) in surface and near surface geotechnical structures, Proc. 11th Int. Conf. Computer Methods and Advances in Geomechanics, Barla, G. & Barla, M. (eds.), Patron Editore, Bologna, Vol. 4, (2005), [36] Schweiger, H. F., Results from the ERTC7 benchmark exercise, in: Numerical Methods in Geotechnical Engineering, European Conference on Numerical Methods in Geotechnical Engineering (2006), pp. 3–8 [37] Vogt, N., Schuppener, B. und Weißenbach, A., Nachweisverfahren des EC 7-1 für geotechnische Bemessungen in Deutschland, geotechnik 29 (2006) Nr. 3 [38] von Wolffersdorff, P. A., Wie soll die FEM in geotechnische Bemessungsvorschriften einfließen? Workshop Bemessen mit Finite-Elemente-Methode, TU Hamburg-Harburg, Veröffentlichung des Instituts für Geotechnik, Nr. 14 (2007) [39] Weißenbach, A., Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“ zur Anwendung des Bettungsmodulverfahrens und der Finite-Elemente-Methode. Bautechnik 80 (2003)

259

5

6

Wasserhaltung Siegfried Stelzig

6.1

Wozu Wasserhaltung?

Zur Entwässerung tiefer, in das Grundwasser eintauchender Baugruben und Baukörper ist es erforderlich, zur Ausführung von Tiefbau- und Rohbauarbeiten temporäre Maßnahmen der Wasserhaltung zu ergreifen. Dabei ist es unerheblich, ob Baugruben durch vertikale oder horizontale Abdichtungsmaßnahmen in Form von Verbauwänden, Dichtungssohlen oder durch Einbindung dichter Baugrubenwände in einen Nichtleiter vor anströmendem Grundwasser gesichert sind oder Baukörper ohne Baugrubensicherungsmaßnahmen in geböschten Baugruben ohne Schutz gegen anströmendes Grundwasser errichtet werden. Lediglich Umfang und Ausführungstechnik der Wasserhaltung werden davon beeinflusst.

6.2

Ziel der Wasserhaltung

Trockenlegung von Baugruben Nach der gewählten Art der Baugrubenherstellung wird zur Trockenlegung a) eine Grundwasserabsenkung bei nicht dichter Baugrube, b) eine Restwasserhaltung bei dichter vertikaler und horizontaler Baugrubenumschließung gewählt. c) Bei ausschließlich vorgesehener vertikaler Baugrubenumschließung ohne Einbindung in einen Nichtleiter ist die Anströmung von Grundwasser aus der Baugrubensohle zu berücksichtigen. Die dabei anfallende Wassermenge richtet sich nach der Lage der Unterkante des Verbaus sowie dem Verhältnis von vertikaler zu horizontaler Durchlässigkeit des Grundwasserleiters. Bodenstabilisierung Bei der Anlegung von Böschungskörpern in Böden, die beim Antreffen von Grundwasser zum Ausfließen neigen, wie z. B. gleichkörnige Sande, Kiese oder Schluffe, ist eine vorauseilende Entwässerung des Böschungskörpers erforderlich, um die Sickerlinien zum Böschungsfuß oder darunter zu zwingen. Zum Einbau von horizontalen Verbauelementen, wie z. B. Holz- oder Spritzbeton-Einbau im Zuge der Erdarbeiten für Baugruben, ist eine vorauseilende Grundwasserabsenkung unerlässlich. Stehen unter der Baugrubensohle undurchlässige Bodenschichten an, welche von druckwasserführenden Böden unterlagert werden, so muss zur Sicherung der Baugrubensohle das Druckwasser entspannt werden, wenn die Erdauflast zwischen Baugrubensohle und Unterkante der undurchlässigen Schicht nicht ausreicht, um den Wasserdruck zu kompensieren (Bild 6-3).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_6

262

6 Wasserhaltung

Bild 6-1 Offene Wasserhaltung

Bild 6-2 Grundwasserabsenkung mit Brunnen

6 Bild 6-3 Druckverhältnisse bei gespanntem Grundwasser

6.3

Arten der Wasserhaltung

Für die Ausführung von Wasserhaltungsmaßnahmen stehen grundsätzlich zwei Verfahren zur Verfügung.

6.3.1 Offene Wasserhaltung (Bild 6-1) Bei der offenen Wasserhaltung wird das aus der Baugrubensohle aufsteigende bzw. aus den Böschungen oder Baugrubenwänden ausströmende Grundwasser durch offene Gräben oder Drainageleitungen gefasst und Pumpensümpfen zugeführt, von denen aus das anfallende Grundwasser zur Vorflut oder Wiederversickerung abgeleitet wird. Diese Art der Wasserhaltung wäre grundsätzlich für alle Einsätze geeignet unter der Vorraussetzung, dass die Installation in Tiefenstaffeln von 0,5 m bis 1,0 m möglich und sinnvoll ist und eine Gefährdung der Baugrube durch Abgleiten von Böschungskörpern sowie Auftrieb der Baugrubensohle durch die anstehenden Böden ausgeschlossen werden kann. Die offene Wasserhaltung wird in der Regel im Zuge der Erdarbeiten installiert. Sinnvollerweise werden offene Wasserhaltungen in einer Staffel bis zu einer Absenktiefe von 0,50 bis 1,0 m ausgeführt.

6.3 Arten der Wasserhaltung

6.3.2

263

Geschlossene Wasserhaltung

(Bild 6-2) Bei der geschlossenen Wasserhaltung erfolgt die Grundwasserfassung, den Erdarbeiten vorauseilend, durch vertikale Brunnen oder tief reichende Drainschlitze. Das Heben des anfallenden Grundwassers kann dabei über in den Brunnen installierte Tauchkörper- oder Unterwasserpumpen erfolgen, ebenso wie über Vakuumbeaufschlagung des Fördersystems. Bei der Vakuumförderung ist zu beachten, dass die Förderhöhe mit etwa 7 m begrenzt ist. Bei der Entwässerung mit Drainschlitzen kann wahlweise die Ableitung des Grundwassers mit Gefälle zu Pumpensümpfen oder Brunnen am Ende der Drainleitungen erfolgen bzw. kann das Grundwasser durch direkt an den Drainagen angeschlossene Vakuumpumpen abgesaugt werden. Bei gering durchlässigen Böden und großen Absenktiefen kann durch Beaufschlagung der Vertikalbrunnen mit Unterdruck die Leistung des Einzelbrunnens verstärkt werden.

6.3.3

Kombination von offener und geschlossener Wasserhaltung

Häufig tritt der Fall auf, dass im Bereich der Aushubsohle einer Baugrube oder knapp darunter undurchlässiges oder gering durchlässiges Material ansteht, so dass eine vorauseilende Grundwasserabsenkung unter die Baugrubensohle nicht oder mit vertretbaren Mitteln nicht möglich ist. Durch die vorbeschriebenen Maßnahmen der geschlossenen Wasserhaltung ist lediglich eine begrenzte Vorabsenkung zu erzielen. Verbleibendes Restwasser kann nur durch eine zusätzliche offene Wasserhaltung flächig oder lokal abgeführt werden. Sinnvollerweise geschieht dies zusammen mit einer Flächendrainung der Baugrubensohle. Ziel aller Wasserhaltungsmaßnahmen ist eine für die Erd- und Rohbauarbeiten ausreichende Absenkung des Grundwassers unter die Baugrubensohle von mindestens 0,50 m.

6.3.4

Ausführungstechnik Grundwasserentnahme

6.3.4.1 Grundwasserentnahme durch Brunnen Die Entnahme des Grundwassers durch vertikale, den Erdarbeiten vorauseilende Brunnen wird in der Regel durch drei Brunnentypen gekennzeichnet: a) Großkalibrige, verrohrte Bohrbrunnen mit einem wirksamen Bohrdurchmesser von > 400 mm. Dieser Brunnentyp wird vorwiegend bei homogenen Grundwasserleitern mit Durchlässigkeiten > 110−5 m/s bzw. bei großen Absenktiefen eingesetzt. Durch die Abförderung des Grundwassers durch Unterwasserpumpen ist die mögliche Brunnentiefe nahezu unbegrenzt. Ebenfalls kann mit großen Brunnenabständen gerechnet werden, wodurch die Anzahl der Betriebspunkte einer Grundwasserabsenkungsanlage überschaubar bleibt. b) Die Wirkung einer Grundwasserabsenkung beruht darauf, dass sich die durch Einzelbrunnen erzielten Absenktrichter überlagern. Bei inhomogenen und geschichteten Böden ist es bei Einsatz großkalibriger Brunnen mit großen Brunnenabständen oft nicht möglich, eine

6

264

6 Wasserhaltung

für die flächige Absenkung erforderliche Korrespondenz der Brunnen zu erzielen. Hier hat sich nach den Erfahrungen des Verfassers der Einsatz von kleinkalibrigen gebohrten oder gespülten Brunnen mit einem Bohrdurchmesser von 150 bis 200 mm und einem Ausbaudurchmesser von 50 bis 100 mm bewährt. Diese kostengünstig herzustellenden verfilterten Kleinbrunnen werden je nach vorhandenen hydro-geologischen Verhältnissen in Abständen von 2 bis 10 m angeordnet. Durch den geringen Brunnenabstand können geologische Unregelmäßigkeiten auf kurze Distanz weitgehend kompensiert werden. Der Einbau von Pumpaggregaten in diese Brunnen ist nicht mehr möglich und durch die Viehlzahl der Entnahmepunke auch nicht sinnvoll. Diese Brunnen werden über ein Leitungssystem zusammengeschlossen und durch zentral angeordnete Vakuumpumpen abgesaugt. Nachteil dieses Verfahrens sind die begrenzte Absenktiefe, die mit maximal ≈ 5,0 m angenommen werden kann, sowie die gegenüber den Schwerkraftbrunnen in der Regel höheren Förderkosten.

6

c) Bei geringen Absenktiefen und stark durchlässigen Böden werden vielfach sogenannte Schachtbrunnen hergestellt, die aus gelochten Betonringen mit Durchmessern von 1000 bis 2500 mm bestehen. Diese Schachtringe werden mit herkömmlichen Erdbaugeräten abgesenkt und bedürfen damit nicht der Mithilfe des Spezialtiefbaus. Trotz ihrer großen Durchmesser ist die Leistungsfähigkeit durch die sehr kleine Eintrittsfläche in diese Brunnen sehr gering. Da der Grundwassereintritt nur über wenige Bohrlöcher erfolgt, ist zudem die Eintrittsgeschwindigkeit durch diese Öffnungen gegenüber den Hochleistungsfiltern der Bohrbrunnen hoch, was neben der Gefahr des permanenten Feinteilaustrages aus dem umgebenden Erdreich auch die rasche Verstopfung der Eintrittsöffnungen und die Verlandung der Brunnen zur Folge hat. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass diese im Absenkverfahren hergestellten Brunnen keinen Filtermantel gegenüber dem anstehenden Boden besitzen. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass diese Brunnen gegenüber Bohrbrunnen einen erheblich größeren Arbeitsraum in der Baugrube erfordern. 6.3.4.2 Grundwasserentnahme durch Drainagen Alternativ zur Grundwasserentnahme durch Brunnen kann auch eine Kombination von Drainagen mit Brunnen oder Pumpensümpfen erfolgen. Dafür stehen zwei Techniken zur Verfügung. a) Herstellen von Draingräben ab einem Niveau oberhalb des Grundwasserspiegels durch im offenen Graben verlegte Drainrohre mit filterstabiler Ummantelung. Der Einbau erfolgt in der Regel von einem betriebenen Pumpensumpf aus, so dass die Erdarbeiten in einer ständigen Vorabsenkung erfolgen können. Beim Durchfahren unterschiedlicher Bodenschichten ist es auf jeden Fall erforderlich, den Draingraben in seiner gesamten Tiefe zu verfiltern. b) Alternativ kann die Verlegung der Drainagen bis in eine Tiefe von 6,0 m ab Arbeitsniveau in gefrästen Drainschlitzen erfolgen. Auch hier ist auf eine filterstabile Ausführung zu achten. Der Drainschlitz muss auf jeden Fall, wenn Böden unterschiedlicher Durchlässigkeit durchfahren werden, auf gesamte Tiefe filterstabil ausgeführt werden. Die Grundwasserableitung kann hier im freien Gefälle zu Pumpensümpfen erfolgen oder die Drainstränge werden direkt durch Vakuumbrunnen abgesaugt.

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

6.4

265

Berechnung der Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

6.4.1 Grundlagen allgemein [3] Die Grundlagen der Berechnungen bilden das Gesetz von Darcy [3] über die Durchflussmenge durch einen Filter konstanten Querschnitts sowie das Kontinuitätsgesetz Q = k  A

h = k  A i = v  A l

(6.1)

Die angesetzte Fließgeschwindigkeit wird wie folgt berechnet: v=k

mit

A h l k i v Q

= = = = = = =

h Q = k i = l A

(6.2)

Filterfläche (m²) Druckhöhe (m) Länge der durchflossenen Filterstrecke (m) Durchlässigkeitsbeiwert (m/s) Grundwassergefälle Filtergeschwindigkeit (m/s) Durchflussmenge (m³/s)

Für die weiteren Betrachtungen wird grundsätzlich zwischen zwei Arten von Grundwasserleitern unterschieden: a) Grundwasser mit freier Oberfläche in einer durchlässigen Bodenschicht (Bild 6-4)

Bild 6-4 Grundwasser mit freier Oberfläche

6

266

6 Wasserhaltung

b) Grundwasser mit gespannter Oberfläche unter einer undurchlässigen Deckschicht (Bild 6-5)

6 Bild 6-5 Grundwasser mit gespannter Oberfläche

c) Grundwasser mit halbgespannter Oberfläche. Der Grundwasserleiter wird nach oben durch eine geringer durchlässige Deckschicht begrenzt, so dass es zwischen den wasserführenden Schichten zu einem vertikalen Grundwasseraustausch kommt. Diese Art der Grundwasserleiter-Darstellung ist für temporäre Bauwasserhaltungen von untergeordneter Bedeutung und wird im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. 6.4.1.1 Die Dupuit-Thiem’schen Brunnenformeln [3] Die Brunnenformeln (6.3) bis (6.9) wurden von Dupuit und Thiem unter Zugrundelegung folgender Voraussetzungen entwickelt: 1. Es wird ein „Beharrungszustand“ angenommen, in dem die Sickerströmung einen stationären Zustand bildet. 2. Das strömende Wasser ist homogen und besitzt nach allen Richtungen gleich physikalische Eigenschaften (isotrop). Alle Bodenporen sind von ihm erfüllt. Es befindet sich kein Gas im Boden. 3. Im Einzugsbereich wird die Wassermenge weder durch Verdunstung oder sonstige Verluste noch durch oberirdische Zuflüsse verändert. 4. Die Durchlässigkeit im Untergrund ist überall gleich groß. Der Untergrund ist homogen, die Durchlässigkeit ist auch in lot- und waagerechter Richtung gleich. 5. Mit den Brunnen wird die gesamte Mächtigkeit des Grundwasserleiters erfasst. 6. Das Wasser strömt, in einem senkrechten Schlitz gesehen, zum Brunnen hin, so dass sich das lineare Strömungsgesetz von Darcy anwenden lässt. 7. Der Grundwasserhorizont dehnt sich unendlich weit aus und hat in diesem Strömungsfeld die gleiche Mächtigkeit.

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

267

8. Der Kapillarsaum bleibt unberücksichtigt. 9. Das Wasser tritt in den Brunnen im Bereich der gesamten benetzten Filterfläche mit gleicher waagerechter Geschwindigkeit ein. Obwohl diese Voraussetzungen in der Realität weitgehend nicht erfüllt werden können, liefert der Berechnungsansatz von Dupuit-Thiem brauchbare Werte. Mit Auswertung des Darcy’schen Gesetzes sowie des Kontinuitätsgesetzes ergibt sich die allgemeine Spiegelgleichung bei freiem Wasserspiegel:

6

Bild 6-6 Grundwasserabsenkung am Brunnen

H ² − h² =

Q

k

 ( ln R − ln r )

(6.3)

oder allgemein ausgedrückt: y1 ² − y2 ² =

Q  ( ln x1 − ln x2 )  k

Für die anfallende Wassermenge ergibt sich für

Q=

  k  ( H ² − h²

(6.4)

h=H −s

)

ln R − ln r

(6.5)

Bei Grundwasser mit gespannter Oberfläche ist der Durchflussquerschnitt des Grundwassers unabhängig vom Abstand zum Brunnen gleich groß und wird mit m bezeichnet. Die allgemeine Spiegelgleichung ergibt sich dann zu:

H −h=

Q  ( ln R − ln r ) 2  k  m

(6.6)

268

6 Wasserhaltung

oder allgemein ausgedrückt:

y1 − y2 =

Q  ( ln x1 − ln x2 ) 2 k  m

(6.7)

Die anfallende Wassermenge ergibt sich aus

Q=

2 k  m s ln R − ln r

(6.8)

Die Formeln (6.6) bis (6.8) gelten nur, wenn das Absenkziel im Bereich der undurchlässigen Deckschicht liegt. Liegt das Absenkziel innerhalb des Grundwasserleiters, also unterhalb der undurchlässigen Deckschicht, so kann nach [3] die Wassermengenermittlung nach folgender Beziehung erfolgen: Q=

6

  k   ( H ² − h² ) − ( H − m ) ² 

(6.9)

ln R − ln r

die zu fördernde Wassermenge wird gegenüber der Wassermenge aus Grundwasserabsenkung ( H − m )² bei freier Grundwasseroberfläche um den Faktor   k  verkleinert. ln R − ln r 6.4.1.2 Mehrbrunnenformel nach Forchheimer [3] Die Berechnungen nach Dupuit-Thiem wurden für den Grundwasserandrang zu einem Einzelbrunnen aufgestellt. Für die Grundwasserabsenkung von Baugruben unterschiedlicher geometrischer Darstellung werden jedoch mehrere Brunnen für das Fassen des anströmenden Grundwassers erforderlich, die sich in ihrer Wirkung räumlich überlagern und aus einer Vielzahl von Einzelentnahmen eine flächige Absenkung erzielen. In Anlehnung an die Gleichung von Dupuit-Thiem ergibt sich unter Einbeziehung der Lage der Einzelbrunnen zu einem für die Bemessung maßgeblichen Punkt:

Bild 6-7 Brunnenanordnung Mehrbrunnenanlage

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

269

Für die Wassermengenermittlung bei freier Grundwasseroberfläche: y12 − y22 =

Q 1

1



 ln x1 − n  ln x2    k  n

(6.10)

Für die überschlägige Berechnung der Förderwassermenge kann von den Randbedingungen

x1 = R ; und y1 = H sowie x2 = ARe und y2 = h ausgegangen werden, damit ergibt sich für den freien Grundwasserleiter:

Q=

  k  ( H ² − h²

)

ln R − ln ARe

(6.11)

Dabei ist ARe der Radius eines Ersatzbrunnens, der die gleiche Fläche umschließt wie die trockenzulegende Baugrube. Für die Wassermengenermittlung bei gespanntem Grundwasserleiter – Baugrubensohle in der undurchlässigen Deckschicht – gilt:

Q=

2 k  m s ln R − ln Are

(6.12)

Für die Wassermengenermittlung bei gespanntem Grundwasserleiter – Baugrubensohle im Grundwasserleiter – gilt: Q=

  k  ( H ² − h² ) − ( H − m ) ²  ln R − ln Are

Bild 6-8 Schnitt durch eine Mehrbrunnenanlage

(6.13)

6

270

6 Wasserhaltung

6.4.2

Grundlagen der Berechnung von Grundwasserabsenkungen [3]

6.4.2.1 Geometrie der Baugrube Wie bereits angesprochen wurde, wird bei der Dimensionierung von Grundwasserabsenkungen die Baugrube durch einen flächengleichen Kreis mit dem Radius ARe ersetzt. Vereinfacht kann dabei für Vorberechnungen die Beziehung F  a b  ARe =   =       

(6.14)

verwendet werden. Nach [8] kann bei rechteckigen Baugruben auch die folgende Gleichung Anwendung finden: a   ARe =  b =  0.2 + 0,37   b b  

6

(6.15)

für a  b Bei sehr lang gestreckten Baugruben empfiehlt Herth/Arndts [3] ARe = L 3

(6.16)

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wert ARe nur für die Ermittlung der Förderwassermenge in einem ersten Berechnungsschritt erforderlich ist. Beim Nachweis der gewählten Mehrbrunnenanlage wird der Wert von ARe durch folgende Beziehung ersetzt: 1

ARe = e n 

ln xi

(6.17)

Dabei ist n die gewählte Brunnenanzahl und x der Abstand der Brunnen von einem nachzuweisenden Punkt der Baugrube.

Bild 6-9 Ersatzradius

6.4.2.2 Reichweite der Absenkung Für die Ermittlung der Reichweite einer Grundwasserabsenkung im stationären Zustand wird bei Grundwasserabsenkanlagen vorwiegend die Formel nach Sichardt [3]

R = 3000  s k verwendet.

(6.18)

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

271

Brauchbare Werte liefert ebenfalls die Formel von Kussagin [3]:

R = 575 s  ( k  H )

(6.19)

Dabei ist R eine Funktion der Absenktiefe und der Durchlässigkeit des anstehenden Bodens sowie zusätzlich nach Kussagin der Aquifermächtigkeit H. Insbesondere bei geringen Absenkungen und kleiner Durchlässigkeit ist es erforderlich, eine Korrektur der Reichweite nach der Gleichung von Weber [3]:

R0 = ( R 2 + ARe2 )

(6.20)

durchzuführen. Dies gilt, wenn die Baugrube nicht allzu groß ist bzw. ln ( R / ARe ) 1 . Für ln ( R / ARe ) 1 wird von Weyrauch [3] vorgeschlagen, anstelle Gleichung (6.11) die Gleichung (6.21) zu verwenden.

6 Q =   k ( H

2

 A  − h2 )   2 Re + 0, 25   R 

(6.21)

Diese Korrektur gilt auch bei der Wassermengenermittlung für gespannte Verhältnisse. 6.4.2.3 Aquifermächtigkeit Für die Belange der Grundwasserabsenkung ist diese die in Anspruch genommene Stärke des Grundwasserleiters. Die Berechnung der Förderwassermenge nach Dupuit/Thiem bzw. nach Forchheimer geht davon aus, dass für die Grundwasserabsenkung der Grundwasserleiter mit seiner gesamten Mächtigkeit in die Berechnung eingeht. Das heißt: Aquifermächtigkeit H = Bemessungswasserspiegel – OK Stauer bzw. H = s + sEB + h nach Bild 6-8

(6.22)

Dabei sollten Wasserspiegelschwankungen während der Betriebsdauer berücksichtigt werden.

sEB = Absenkung vom Scheitelpunkt der Absenkkurve – zwischen zwei Brunnen – zum Entnahmebrunnen h = tatsächliche Filtereintrittshöhe am Brunnenrand

Aus den Gleichungen (6.5) und (6.11) ist ersichtlich, dass mit größer werdendem H die Förderwassermenge ansteigt.

272

6 Wasserhaltung

In der nachstehenden graphischen Darstellung – Bild 6-10 – ist die Abhängigkeit der Förderwassermenge von der Aquifermächtigkeit bei gleichbleibender Absenkung dargestellt.

Bild 6-10 k = 5  10–3 m/s; ARe = 20 m; s = 2,50 m; H = 5 bis 16 m, Zuschlag Unvollkommenheit z = 1,30 (siehe 4.3.1)

6

Es ist zur Begrenzung der Förderwassermenge bei großer Aquifermächtigkeit und hoher Durchlässigkeit des Bodens empfehlenswert, die Entnahmebrunnen nicht bis zur Staueroberkante zu führen, sondern auf ein technisch und wirtschaftlich vertretbares Mindestmaß einzukürzen und als sogenannte unvollkommene Brunnen auszuführen. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Brunnen neben der weitgehenden horizontalen Anströmung auch von unten gespeist werden, wodurch die abzupumpende Fördermenge ansteigt. Dieser zusätzliche Grundwasserandrang wird nach dem derzeitigen Stand der Technik durch einen prozentualen Zuschlag zur horizontalen Anströmung berücksichtigt (siehe 4.3.1). Eine zusätzliche Reduzierung der beanspruchten Aquifermächtigkeit ist durch Verringerung der Brunnenabstände möglich. Die fehlende Filtereintrittshöhe wird durch die größere Brunnenanzahl und eventuell größere Brunnendurchmesser ausgeglichen. Für den ungeübten Wasserhalter kann in erster Näherung von folgenden Größenordnungen ausgegangen werden: Durchlässigkeit des Aquifers

Aquifermächtigkeit beansprucht

m/s

m

1x10–3 – 1x10–2

≈ 2,0

1x10–4 – 1x10–3 –5

–4

1x10 – 1x10

m

 s ≈ 2,5  s ≈ 2,0–3,0

Brunnenabstand

15–25 10–20

 s

10–20

Es lohnt sich, die einzelnen Parameter der Berechnungen zu variieren, um den Einfluss dieser Eingangsgrößen darzustellen.

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

Bild 6-11 Vergleich des Absenktrichters bei unterschiedlichen Brunnenabständen

6.4.2.4 Brunnendurchmesser Als wirksamer Brunnendurchmesser gilt der Bohrdurchmesser der gewählten Brunnenverrohrung unter der Voraussetzung, dass zwischen dem Brunnenausbau (Filter- und Vollrohre) und der Bohrlochwandung im Entnahmebereich der Brunnen eine filterstabile Kiesschüttung eingebaut wird. Es ist für die Dimensionierung der Wasserhaltung unerheblich, welche Brunnenform gewählt wird. Neben dem klassischen kreisrunden Brunnen kann es durchaus empfehlenswert sein, die Filtereintrittsfläche durch Überschneiden von Einzelbohrungen zu vervielfachen. Das kann z. B. durch kreisförmige oder linienförmige Anordnung der Einzelbohrungen erfolgen. Dabei wird nur eine zentral gelegene Bohrung mit Filter- und Vollrohren zur Aufnahme des Pumpaggregates ausgebaut. Die übrigen Bohrungen werden mit Filterkies verfüllt.

Bild 6-12 Brunnenherstellung durch überschnittene Einzelbohrungen

Diese Vorgehensweise empfiehlt sich besonders bei stark durchlässigen Böden, bei denen zur Reduzierung der Förderwassermenge die Brunnentiefe reduziert wird. Es sei auf den Abschnitt 6.4.2.3 verwiesen. Zu beachten ist, dass mit zunehmendem Außendurchmesser der Brunnen die Stärke der Filterkiesschüttung zunimmt, wodurch das Entsanden und bei längerem Betrieb die Regenerierbarkeit der Brunnen erschwert wird. Der gewählte Ausbaudurchmesser der Brunnen ist nicht für die Ergiebigkeit maßgeblich, sondern wird von dem Platzbedarf der zu installierenden Entnahmepumpe bestimmt.

273

6

274

6 Wasserhaltung

6.4.2.5 Absenktiefe Als Absenktiefe wird die Differenz zwischen dem Bemessungswasserspiegel und der Aushubsohle der Baugrube zuzüglich eines Zuschlages von üblicherweise 0,50 m für die Herstellung eines stabilen Arbeitsplanums bezeichnet. Auf diesen Zuschlag kann in Abstimmung mit dem Baugrundgutachter fallweise verzichtet werden, wenn die Aushubsohle rückschreitend – ohne Auflockerung – hergestellt und sofort versiegelt wird. Es ist wichtig, dass bei der Planung neben der großflächigen Aushubsohle auch alle Tiefteile, wie z. B. Einzelfundamente, Fundamentvouten, Aufzug- und Rolltreppenunterfahrten, Hebeanlagen, Grundleitungen usw., berücksichtigt werden. Bei stark durchlässigen Böden ist es oft wirtschaftlicher, derartige kurzfristige Bauzustände für diese Tiefteile durch sowohl vertikal als auch horizontal dichte Umschließungsmaßnahmen abzusichern. Für die überschlägige Dimensionierung der Grundwasserabsenkung wird in der Regel der tiefste Punkt der Baugrube berücksichtigt.

6

Bei der Ausführungsplanung zur Grundwasserabsenkung ist es sinnvoll, die Brunnenstandorte auf die tiefsten Teile zu konzentrieren, so dass außen liegende Bereiche noch in dem zu erwartenden Absenktrichter zu liegen kommen.

Bild 6-13 Absenktrichter bei innen liegenden Brunnen

Beim Antreffen von gespanntem Grundwasser und bei Kenntnis der vorhandenen geologischen Schichtgrenzen muss die Absenkung bzw. Entspannung des Grundwassers nicht unbedingt bis zur Baugrubensohle oder darunter angesetzt werden. Es muss dann lediglich das durch die Auflast zwischen Baugrubensohle und Oberkante Grundwasserleiter nicht kompensierte Druckpotenzial abgebaut werden.

Bild 6-14 Absenkung bei gespanntem Grundwasserleiter

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

Aus folgt

=

275

G t  = A hü   w

zulhü =

(6.23)

t  und  w

(6.24)

erfs E = hüvorh − zulhü erforderliche Entspannung.

(6.25)

6.4.2.6 Durchlässigkeit Neben der Mächtigkeit des Grundwasserleiters hat die Durchlässigkeit des anstehenden Baugrundes den größten Einfluss auf den zu erwartenden Grundwasserandrang. Die Durchlässigkeit, ausgedrückt durch den sogenannten k -Wert, hängt von der Kornverteilung des anstehenden Grundwasserleiters ab. Für eine Grobabschätzung kann auf die Anhaltswerte der nachstehenden Tabelle [8] zurückgegriffen werden. Tabelle 6.1 Durchlässigkeitsbeiwert k für verschiedene Bodenarten Bodenart

k(m/s) Grenzbereiche

überwiegend

–1

Steingeröll Grobkies Mittelkies Feinkies

10 bis 5 10–2 bis 1 10 bis 10

3,5x10–2 2x10–2 bis 3x10–2

Grobsand Mittelsand Feinsand

10–5 bis 10–2 10–6 bis 10–3 10–6 bis 10–3

10–4 bis 10–3 10–4 10–5 bis 10–4

Sand, lehmig, schluffig Schluff Löß

10–7 bis 10–4 10–9 bis 10–5 10–10 bis 10–5

Lehm

10–10 bis 10–6

10–6 10–9 bis 10–7 ungestört: 10–5 gestört: 10–10 bis 10–7 10–9 bis 10–8

Ton

10–12 bis 10–8

–4

–2

schluffig: 10–9 bis 10–8 mager: 10–10 bis 10–9 fett: 10–12 bis 10–10

6

276

6 Wasserhaltung

Tabelle 6.2 Ansätze zur Ermittlung des k-Wertes aus der Kornverteilung Korndurchmesser beim Durchgang der Summenlinie durch 10 bzw. 25 % der Gesamtmassenmenge

k-Wert [m/s]

Gültig für U = d60/d10

Hazen (1893)

d10 [mm]

2 [m/s] 0,0116  d10

U 20

c(U)

0,011

0,010

0,009

0,008

0,007

(0,006)

Tabelle 6.4

Korrekturfaktoren x10 bzw. x25 nach Seiler für 5 ≤ U ≤ 100 mit U = d60/d10

U [Zehner]

U [Einer] 0

x10 (U) x25 (U)

1

2

3

4

0

5

6

7

8

9

21,5

19,0

17,0

15,0

13,5

1

12,0

10,5

9,4

8,4

7,5

6,7

6,1

5,7/0,88

0,88

0,89

2

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,0

1,02

1,04

1,06

1,08

3

1,10

1,13

1,16

1,19

1,22

1,25

1,28

1,31

1,34

1,37

4

1,40

1,44

1,48

1,52

1,56

1,60

1,65

1,70

1,75

1,80

5

1,85

1,90

1,95

2,00

2,05

2,10

2,18

2,26

2,34

2,42

6

2,50

2,58

2,66

2,74

2,82

2,90

2,98

3,06

3,14

3,22

7

3,30

3,40

3,50

3,60

3,70

3,80

3,92

4,04

4,16

4,28

8

4,40

4,54

4,68

4,82

4,96

5,10

5,26

5,42

5,58

5,74

9

5,90

6,08

6,26

6,44

6,62

6,80

7,02

7,24

7,46

7,68

10

7,90

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

277

Für weitergehende Berechnungen zur Dimensionierung der Grundwasserabsenkung stehen folgende weitere Möglichkeiten zur Verfügung: a) Ermittlung des k-Wertes aus der Kornverteilung ungestörter Bodenproben [8] Dabei sind d10 , d25 , d60 die Siebdurchgänge bei 10 %, 25 % und 60 %. Es ist zu beachten, dass die daraus ermittelten k-Werte streng genommen nur für die untersuchte Probe gelten, also keine Aussage über die darüber hinausgehenden Bereiche haben. Es muss somit bei Verwendung dieses k-Wertes für die Dimensionierung einer Grundwasserabsenkung mit Abweichungen gerechnet werden. Bei der Bemessung einer Wasserhaltung sollten so ermittelte k-Werte lediglich für grobe Näherungen als erster Anhalt Verwendung finden. Stehen keine genaueren Angaben zur Verfügung, sollten diese Werte als Mittelwerte Eingang finden bei gleichzeitiger Grenzwertbetrachtung innerhalb einer Zehnerpotenz. Bei Vorgabe eines mittleren k-Wertes von z. B. 5 10−3 m/s empfiehlt sich dann, die Dimensionierung für kmax = 110−2 m/s und kmin = 110−3 m/s durchzuführen. Der obere Grenzwert bestimmt dann die Förderwassermenge, der untere Grenzwert die Brunnenanzahl und Brunnenabstände. b) Ermittlung des k-Wertes aus Bohrlochuntersuchungen Auf diese Möglichkeit soll hier nicht eingegangen werden, da diese Untersuchungen im Regelfall im Zusammenhang mit Baugrunduntersuchungen ausgeführt werden. Es soll hier nur auf die einschlägige Fachliteratur, z. B. [5] oder [8], verwiesen werden. c) k-Wert Ermittlung durch Pumpversuch Die genaueste Methode zur Ermittlung der für die Dimensionierung maßgeblichen Durchlässigkeit des Grundwasserleiters ist die Durchführung einer Probebepumpung bei gleichzeitiger Messung der Grundwasserspiegelbewegungen an Kontrollpegeln. Dabei ist zu beachten, dass die dadurch ermittelten k-Werte alle äußeren Einflüsse erfassen, wie z. B.: – – – –

Unregelmäßigkeiten des Bodenaufbaus im Grundwasserbereich Eintauchtiefe des Brunnens in den Grundwasserleiter vorhandene Störungen im Baugrund, z. B. durch stauende Einlagerungen künstliche Grundwassersperren aus nicht rückgebauten Dichtwandumschließungen oder Baukörpern – vorhandene, in Betrieb befindliche Grundwasserentnahmen oder Infiltrationen im Bereich des Absenktrichters – vorhandene, nicht dichte Vorfluter oder Grundwasserfassungen bzw. andere Gewässer Der Aufbau sowie die Auswertung des Pumpversuches erfolgt unter Zugrundelegung der allgemeinen Spiegelgleichung von Dupuit/Thiem y1 ² − y2 ² =

Q  ( ln x1 − ln x2 )  k

(6.4)

bei freiem Grundwasserspiegel bzw.

y1 − y2 =

Q  ( ln x1 − ln x2 ) 2 k  m

bei gespanntem Wasserspiegel.

(6.7)

6

278

6 Wasserhaltung

Der Versuchsaufbau erfolgt in der Regel mit einem Absenkbrunnen und zur Ermittlung des Absenktrichters mit zwei oder mehreren Messpegeln, die der Regel in Reihe gesetzt werden bzw. mindestens paarweise in Fließrichtung des Grundwassers und quer dazu. Die Tiefe der Entnahmebrunnen sollte den Verhältnissen der für die späteren Absenkbrunnen erforderlichen Tiefen entsprechen, um die gleichen geologischen Schichten zu erfassen. Die Messpegel werden ebenfalls mit ihren Unterkanten auf die Entnahmetiefe des Brunnens hergestellt. Die Absenkung im Brunnen sollte möglichst groß gewählt werden, um ähnliche Förderbedingungen wie bei der späteren Grundwasserabsenkung zu erzeugen. Die Pegel werden innerhalb des Baufeldes angeordnet. Nach den Erfahrungen des Verfassers hat sich etwa eine Verdoppelung des Abstandes Brunnen – Pegel 1 – Pegel 2 als sinnvoll erwiesen. Pegel im Brunnenbereich dürfen für die Berechnung des k-Wertes nicht berücksichtigt werden.

6

Zusätzlich empfiehlt sich zur eindeutigen Wasserstandsmessung im Brunnen der Einbau eines zusätzlichen Pegels in die Filterkiesschüttung des Brunnens. Vor Beginn des Pumpversuches sind die eindeutige räumliche Zuordnung Brunnen/Pegel ebenso wie der unbeeinflusste Grundwasserspiegel und die Unterkante des wirksamen Brunnenausbaus festzuhalten und zu dokumentieren. Während des Pumpversuches sind die Förderwassermengen sowie die Absenkungen in Brunnen und Pegeln kontinuierlich zu messen und aufzuzeichnen. Die Messintervalle sind bei Pumpbeginn zwischen 3 und 5 Minuten einzuhalten, mit zunehmender Betriebsdauer können die Messintervalle bis auf 15 Minuten gesteigert werden. Bei der klassischen Versuchsdurchführung geht man davon aus, dass zur Auswertung des Pumpversuches stationäre Verhältnisse erreicht werden, d. h. konstante Pegelablesungen bei gleichbleibender Grundwasserentnahme über mehrere Stunden. Sehr gute Ergebnisse bei kurzer Betriebsdauer ergibt bei gleicher Versuchsanordnung die raumzeitliche Versuchsauswertung nach W. Reitmeiner [7]. Dabei können nach den Erfahrungen des Verfassers innerhalb weniger Stunden – ohne den Beharrungszustand zu erreichen – sehr zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Aus der Bestimmungsgleichung für die raumzeitliche Beschreibung der Grundwasserspiegel Oberfläche im Absenkzeitraum  t  s( x, t ) = S +   lg  2  x 

(6.26)

lässt sich durch Gleichsetzen zweier zum gleichen Zeitpunkt, aber mit unterschiedlicher Entfernung vom Entnahmebrunnen gemessenen Grundwasserstände die Steigung der raumzeitlichen Absenkgeraden  wie folgt berechnen: Mit

s( x1 , t1 ) −   lg (

folgt

=

t1 t ) = s( x2,t1 ) −   lg( 12 ) 2 x1 x2

s( x1 , t1 ) − s( x2 , x1 ) 2lg( x2 / x1 )

(6.27)

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

279

Die in Gleichung (6.27) einzusetzende Funktion s( x, t ) steht für die raumzeitliche Absenkung unter gespannten Grundwasserverhältnissen. Mit der in Gleichung (28) wiedergegebenen Korrektur können alle Formeln der raumzeitlichen Auswertung auch für Grundwasser mit freier Oberfläche verwendet werden. Durch Gleichsetzen der Bestimmungsgleichung für den Wasserzufluss zu einem vollkommenen Brunnen mit freien bzw. gespannten Grundwasserverhältnissen erhält man aus: H 2 − y 2 = 2ms mit s = su und m = H

su = s −

s2 2H

(6.28)

Damit folgt für die Steigung der zeitlichen Absenkungsgeraden bei Grundwasser mit freier Oberfläche:

=

su ( x1 , t1 ) − su ( x2 , t2 ) 2lg( x2 / x1 )

(6.29)

Mit bekannter konstanter Wasserförderung folgt für die Durchlässigkeit aus der raumzeitlichen Bestimmungsgleichung:

k=

0,183  Q H 

(6.30)

Gemessene Versuchsdaten mit Auswertung eines im Februar 1992 durchgeführten Pumpversuches

Bild 6-15 Bodenprofil (Brunnenbohrung) mit räumlicher Lage der Beobachtungspegel zum Entnahmebrunnen ( s = Absenkung der Grundwasseroberfläche; H = 3,36 m Mächtigkeit des Grundwasserleiters)

6

280

6 Wasserhaltung

Tabelle 6.5 Versuchsdaten/Auswertung für die in Bild 6-15 wiedergegebenen Randbedingungen Uhrzeit

6

Fördermenge [l/s]

s PegelO [m]

s Pegel1 [m]

s Pegel 2 [m] Versuchsbeginn 0,04 0,06 0,065 0,07 0,075 0,08 0,09 0,095 0,10 0,105 0,115 0,125 0,13 0,135 0,145 0,15 0,155 0,16

9,30







9,35 9,40 9,45 9,50 9,55 10,00 10,10 10,20 10,30 10,40 10,50 11,00 11,10 11,20 11,30 11,40 11,50 12,00

2,92 3,28 3,17 1,90 3,00 3,00 3,40 4,56 3,37 3,18 3,25 3,19 3,56 3,45 3,86 3,55 3,68 3,38

0,85 0,875 0,89 0,925 0,925 0,94 0,95 0,96 0,97 0,98 0,99 1,00 1,135 1,15 1,16 1,175 1,18 1,185

0,255 0,27 0,28 0,29 0,30 0,31 0,32 0,33 0,34 0,35 0,355 0,385 0,40 0,41 0,42 0,43 0,435 0,44

qmittel = 0,00332 m3/s

k=

su Pegel 1 [m]

0,245 0,259 0,268 0,277 0,287 0,296 0,305 0,314 0,323 0,332 0,336 0,363 0,376 0,385 0,394 0,402 0,407 0,411

su Pegel 2 [m]

β [m]





0,040 0,059 0,064 0,069 0,074 0,079 0,089 0,094 0,099 0,103 0,113 0,123 0,127 0,132 0,142 0,147 0,151 0,156

0,129 0,126 0,129 0,131 0,134 0,137 0,136 0,139 0,141 0,145 0,141 0,151 0,157 0,159 0,159 0,161 0,162 0,161

βmittel = 0,144

0,183  0, 00332 =1, 26 10−3 m/s 3,36  0,144

k (11, 00 − 12, 00 ) =

0,183  0, 003524 =1, 21  10−3 m/s 3,36  0,1586

6.4.2.7 Leistungsfähigkeit des Einzelbrunnens Die Leistungsfähigkeit eines Einzelbrunnens aus der Gleichung nach Darcy für horizontalen Grundwasserzutritt in den Brunnen:

q = k  A i q = k i  U  h'

(6.1) (6.31)

h = Filtereintrittshöhe am Brunnen

i=

1

nach Sichardt [3] empirisch ermittelt 15 k U = Umfang des Brunnens

(6.32)

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

U = D 

281

bei kreisförmiger Ausbildung

q = D    h'  k  q = D    h' 

1 15 k

k 15

(6.33)

Diese empirischen Formeln gehen von folgenden Voraussetzungen aus [3]: a) Das Gesetz von Darcy gilt uneingeschränkt auch in Brunnennähe. b) Es ist keine Sickerstrecke vorhanden; der Wasserspiegel im Brunnen ist gleich dem Wasserspiegel am äußersten Brunnenrand. c) Es werden nur waagerechte Geschwindigkeiten berücksichtigt, die auf der ganzen benetzten Filterlänge gleich groß sind. d) Der Brunnen reicht bis zur Unterkante der wasserführenden Schicht. Es ist also ein vollkommener Brunnen. Es handelt sich um einen freien Wasserspiegel.

6.4.3

Besondere Einflüsse auf die Grundwasserabsenkung

Die geometrische Anordnung der Grundwasserabsenkungsanlage sowie die Wassermengenermittlung hängen zusätzlich neben den unter Punkt 4.2 aufgeführten Grundlagen von verschiedenen weiteren Einflüssen ab. 6.4.3.1 Zuschlag für unvollkommene Brunnen Nach Dupuit/Thiem durchfahren die Brunnen die gesamte Mächtigkeit des Grundwasserleiters und werden danach im Wesentlichen horizontal angeströmt.

Bild 6-16 Vergleich vollkommener/ unvollkommener Brunnen

6

282

6 Wasserhaltung

In der Praxis ist dies vielfach nicht möglich, da häufig ein Grundwasserstauer erst in größeren Tiefen ansteht bzw. gar nicht erschlossen wurde. Um unverhältnismäßig große Förderwassermengen zu vermeiden, werden die Brunnen lediglich in eine für die erforderliche Absenkung ausreichende Tiefe geführt und als unvollkommene Brunnen hergestellt, welche dann nach der weitgehend horizontalen Anströmung zusätzlich von unten angeströmt werden. Für die Ermittlung der Grundwassermenge wird nach Breitenöder [3] von einem Zuschlag zur Wassermenge Qunvollk =   Qvollk

(6.34)

ausgegangen.

6

Bild 6-17 Vergrößerungsfaktor  nach Breitenöder für einen unvollkommenen Brunnen

Neben der Brunnentiefe und Aquifermächtigkeit – soweit bekannt – geht auch die Absenktiefe des Grundwassers in den Vergrößerungsfaktor ein. Nach Herth/Arndts [3] wird ein Zuschlag von 10 bis 30 % zu den für vollkommene Brunnen ermittelten Förderwassermengen als ausreichend erachtet. Nach den Erfahrungen des Verfassers sollte der Zuschlag mindestens an der Obergrenze angeordnet werden. Bei stark durchlässigen Böden und großer Aquifermächtigkeit kann ein noch größerer Zuschlag zweckmäßig sein. Dieser Zuschlag darf nur für die Bestimmung der Förderwassermenge erhoben werden, nicht aber für den Nachweis der Absenkung. Entgegen dieser prozentualen Erhöhung der Förderwassermenge wird nach einem in Amerika angewandten Verfahren, auf welches hier nicht näher eingegangen wird, die Fördermenge für unvollkommene Brunnen aus der Einzelförderung der Brunnen ermittelt. Dieses Verfahren wird ausführlich im Grundbautaschenbuch Teil 2 [8] beschrieben. 6.4.3.2 Grundwassergefälle bzw. unterschiedliche Tiefenlage des Grundwasserstauers Bei großen Baugruben können sich Abweichungen der Aquifermächtigkeit infolge der Neigung des Grundwasserspiegels oder der Oberfläche des Grundwasserstauers auswirken. Hier

6.4 Grundwasserabsenkung für stationäre Verhältnisse

283

empfiehlt sich die Berechnung der Grundwasserabsenkung als Grenzwertbetrachtung für die maximale und minimale Aquifermächtigkeit. Daraus ergeben sich unterschiedliche Förderleistungen und Brunnenanordnungen. Die Brunnen können dann den örtlichen Gegebenheiten entsprechend verteilt und mit Pumpen bestückt werden. Hilfreich kann bei derartigen Verhältnissen die Anwendung von Modellbetrachtungen sein, da hierbei die besonderen Einflüsse in einem Berechnungsgang zusammengefasst werden können. 6.4.3.3 Absenkung in der Nähe offener Gewässer Nach Forchheimer kann der Einfluss eines offenen Gewässers ohne dichte Gewässersohle durch folgende Beziehung berücksichtigt werden:

Q=

  k  ( H ² − h² )

(6.35)

ln 2e − ln Are

Dabei ist e die Entfernung von Baugrubenmitte bis Gewässerrand. Bei vorwiegend langsam fließenden bzw. stehenden Gewässern ist das Gewässerbett weitgehend durch Sedimente abgedichtet, so dass hier in der Regel bei Niedrig- und Mittelwasserverhältnissen kein nennenswerter Einfluss auf die Grundwasserabsenkung zu erwarten ist. Anders stellen sich die Verhältnisse häufig bei Hochwasserereignissen dar, wo der Wasserspiegel über den sedimentierten Bereich ansteigt und ein nahezu ungebremster Austausch zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser mit geringer zeitlicher Verzögerung erfolgen kann. 6.4.3.4 Absenkung in einem Gewässer

Bild 6-18 Absenkung in einem Gewässer

Bei kleinen Baugruben mit nicht dichter Sohle kann der Grundwasserandrang nach Darcy wie folgt ermittelt werden:

Q = k  A

h t1 + t2

(6.36)

Die Durchlässigkeit k kann hier abgemindert werden, da die Baugrube vorwiegend vertikal angeströmt wird.

6

284

6 Wasserhaltung

Davidenkoff und Franke [2] haben für den Wasserandrang aus Spundwandumströmung pro lfm Umschließungslänge folgende Beziehung aufgestellt:

q= k  h  f

(6.37)

Dabei ist f ein in dreidimensionalen Analogie-Modellen ermittelter Formfaktor. 6.4.3.5 Einfluss von Tauchwänden auf die Grundwasserabsenkung Vielfach wird die Meinung vertreten, dass vertikale Dichtwände ohne Einbindung in einen Grundwasserstauer einen erheblichen Einfluss auf den Grundwasserandrang zur Baugrube haben.

6 Bild 6-19 Der Einfluss von Tauchwänden auf die Grundwasserabsenkung T = Abstand Wasserspiegel – OK Stauer; t = Abstand Wasserspiegel Unterkante Verbau

Für die Abminderung der Förderwassermenge bei einer Grundwasserabsenkung mit vertikal dichter Umschließung ohne Einbindung in eine stauende Schicht kann die vorstehende Graphik mit dem daraus zu ermittelndem Abminderungsfaktor [3] verwendet werden. Die Reduzierung der Wassermenge kann wohl auf die auch hier vorwiegend senkrechte Anströmung der Baugrube bei reduzierter vertikaler Durchlässigkeit zurückgeführt werden. Oft wird auch die Meinung vertreten, dass bei derartigen Tauchwänden eine Absenkung des Grundwasserspiegels außerhalb der Baugrube vermieden wird. Nach den Erfahrungen des Verfassers haben derartige Dichtwände eine zeitlich verzögernd Wirkung auf das Einstellen der Absenkung außerhalb der Baugrube. Je nach Durchlässigkeit des Grundwasserleiters stellt sich im Beharrungszustand eine mehr oder weniger starke Annäherung zwischen innerer und äußerer Absenkung ein. Die deutliche Verhinderung einer Absenkung außerhalb Baugrube ist nur zu erwarten, wenn zwischen Verbauunterkante und Ruhewasserspiegel eine stauende Schicht vorhanden ist. 6.4.3.6 Modellbetrachtungen Für die qualitative und quantitative Betrachtung von Grundwasserabsenkungen können die vorbeschriebenen Einflüsse durch Grundwassergefälle, Neigung des Grundwasserstauers, offene Gewässer, Tauchwände, Baugruben im offenen Gewässer und geschichtete Böden durch vereinfachte 3D-Simulationen berücksichtigt werden. Dabei muss allerdings das Ver-

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

285

hältnis horizontaler zu vertikaler Durchlässigkeit bekannt sein bzw. muss geschätzt werden. Während bei den vorbeschriebenen Verfahren die Einflüsse auf die Grundwasserabsenkung einzeln durch Zuschläge berücksichtigt werden, werden bei der Modellbetrachtung alle äußeren Einflüsse gebündelt und die gegenseitigen Beeinflussungen berücksichtigt.

6.5

Berechnung der Wasserhaltung

6.5.1 Grundwasserabsenkung durch Brunnen Vorraussetzung für die Durchführung der Bemessung ist die Kenntnis folgender Ausgangsdaten: a) b) c) d) e)

Geometrie der Baugrube Gründungs- bzw. Aushubtiefen Aquiferdaten, d. h. Mächtigkeit des Grundwasserleiters Durchlässigkeit des Aquifers Wahl der in Anspruch genommenen Aquifermächtigkeit.

Die Wahl der in Anspruch genommenen Aquifermächtigkeit ist in der Regel zu empfehlen, wenn die vorhandene Aquifermächtigkeit größer als die 3-fache Absenktiefe ist, wobei mit abnehmender Durchlässigkeit die erforderliche Aquifermächtigkeit zunimmt. Grundsätzlich sollte bei dieser Betrachtung die Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden, da bei gleichbleibender Absenktiefe die Förderwassermenge mit zunehmender Aquifermächtigkeit zunimmt, gleichzeitig können allerdings die Brunnenabstände vergrößert werden. Allgemein kann festgestellt werden, dass mit zunehmender Aquifermächtigkeit die Betriebskosten steigen, die Anlagekosten dagegen reduziert werden können. Bei kurzer Betriebsdauer kann somit die Aquifermächtigkeit größer gewählt werden, was geringere Brunnenanzahl, größere Brunnenabstände und höhere Wassermengen erzeugt. Bei längerer Betriebsdauer wird die genutzte Aquifermächtigkeit gering gewählt, was geringere Brunnenabstände, größere Brunnenanzahl, aber geringere Wassermengen erzeugt. Bei der Festlegung der Brunnenabstände und Anordnung sollten folgende Punkte berücksichtigt werden: – Grundsätzlich sollten die Brunnen vorzugsweise am Umfang der Baugrube angeordnet werden, um sie der Gefährdung durch den Baubetrieb zu entziehen. – Bei einheitlicher Tiefe der Baugrube empfiehlt sich eine gleichmäßige Verteilung der Brunnen am Umfang der Baugrube. – Bei Baugruben mit unterschiedlichen Aushubtiefen sollten die Brunnen auf die Tiefbereiche konzentriert werden. Das heißt, mit abnehmender Baugrubentiefe kann der Brunnenabstand vergrößert werden. Dabei sollte dann aber die ausreichende Förderleistung der Einzelbrunnen nachgewiesen werden. Durch die unterschiedlichen Brunnenabstände wird ein geneigter Absenktrichter erzeugt. – Ausspringende Ecken der Baugrube sollten möglichst durch Brunnen abgedeckt sein. – Bei großen Durchlässigkeiten können zur Verringerung der Förderwassermengen die Brunnen innerhalb des Baukörpers so angeordnet und die Absenkung so tief erzeugt werden, dass sich am Rand der Baugrube noch eine ausreichende Absenkung einstellt. Zu bedenken sind hierbei die verminderte Betriebssicherheit der Absenkanlage durch den Ein-

6

286

6 Wasserhaltung

fluss des Baubetriebes und die erforderlichen Durchstoßungspunkte der Brunnen durch den Gründungskörper (Bild 6-20). – Bei lokalen Eintiefungen, z. B. durch Aufzugunterfahrten, sollten die Brunnen so aufgeteilt werden, dass je ein Brunnen in der Nähe dieser Eintiefungen zu liegen kommt bzw. zusätzliche Brunnen hier angeordnet werden, welche nach Fertigstellung dieser tiefgründenden Bauteile und ausreichender Auftriebssicherung ersatzlos rückgebaut werden können. Die Wahl der Brunnenabstände bedarf einiger Übung und Erfahrung, nachdem mehrere Faktoren die Geometrie der Anlage beeinflussen.

6

Bild 6-20 Zusammenhang Anordnung der Brunnen innerhalb der Baugrube und Absenktrichter

6.5.1.1 Berechnungsbeispiel Angenommen wird eine L-förmige Baugrube nach Bild 6-21 mit den äußeren Abmessungen von maximal 60  40 m. y

s = 3.0 m

s = 2.5m

15 m

20 m

25 m

40 m

x

Bild 6-21 Baugrube Grundriss

60 m

Grundwasserleiter ist Kies, ein Stauer ist in vertretbarer Tiefe nicht vorhanden, d. h., die vorgesehenen Brunnen werden als unvollkommen betrachtet.

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

287

Berechnungsgrundlagen: Rechnerische Aquifermächtigkeit H = 6,60 m gewählt Zuschlag für unvollkommene Brunnen z = 1, 25 Zuschlag für das Leerpumpen des Absenktrichters z = 1,1 k = 110−3 m/s Durchlässigkeit Kies s = 2,5 / 3,0 m Absenkung D = 600 mm Brunnendurchmesser Gewählt werden 8 Brunnen im Abstand von 20 bis 25 m. Koordinaten der Brunnen: Brunnen

x(m)

y(m)

1 2 3 4 5 6 7

0 25 50 60 60 40 25

8

0

0 0 0 20 40 40 25 25

6

Als vermutlich ungünstigster Punkt B wird gewählt: B x = 50 m;

y = 40 m

Der ungünstigste Punkt B wird im Bereich der größten Absenktiefe gewählt, dabei sollte der mittlere Abstand zu den Einzelbrunnen so groß wie möglich sein. Das heißt, dass dieser Punkt exzentrisch zu den Brunnen liegt und die zu erwartende Fördermenge groß wird. B wird hier zwischen den Brunnen 5 und 6 angeordnet – Bild 6-22 – (zur Kontrolle können auch weitere Punkte der Baugrube untersucht werden). Gang der Berechnung: Ermittlung der Reichweite nach Sichardt für smax = 3,0 m

R = 3000  s  k

(6.18)

R = 284,60 m

h = H − smax = 6,60 − 3,0 = 3,60 m

Ermittlung von Are bezogen auf den gewählten Punkt B: Brunnen Nr.

Abstand zum Punkt B (m)

lnx

1 2 3 4 5 6 7

64,03 47,17 40,00 22,36 10 10 29,15

8

52,20

4,16 3,85 3,69 3,11 2,30 2,30 3,37 3,96

288

6 Wasserhaltung

 ln x = 3,343 n

ARe = e ln

 ln x n

= 28,30 m

R = 2,308 1 ARe

Förderwassermenge:

QvollB =

QvollB =

6

  k  ( H ² − h²

)

(6.11)

ln R − ln ARe

1,1   0,001  ( 6,6² − 3,6² ln 284,60 − ln 28,30

)

= 0,046 m3/s

Dabei bedeutet der Faktor 1,1 einen Zuschlag für schnelles Abpumpen des Absenktrichters. Qmax B = 1, 25 QvollB = 0,057 m3/s Erforderliche Brunnenleistung: q Br =

Qmax B 8

= 0, 0071 m3/s

Ermittlung der möglichen Förderleistung der Brunnen: Dafür ist es erforderlich, die Filtereintrittshöhe am Brunnen und damit die maßgebliche Filtereintrittsfläche zu bestimmen. Nach Bild 6-8 wird die den Brunnen anströmende Wassermenge wie folgt in Anlehnung an die Formel von Dupuit/Thiem ermittelt [3]:

q=

  k  ( h2 − h '2 )

(6.38)

ln b − ln r

Dabei ist r der Brunnenradius r = D / 2 . Der Brunnenabstand 2b im Bereich des Punktes B beträgt 20,0 m. Nachdem bei einer Mehrbrunnenanlage, welche die Baugrube umschließt, die Brunnen weitgehend von außen angeströmt werden, muss die rechnerische Leistungsfähigkeit der Einzelbrunnen erhöht werden. Dies geschieht durch einen Zuschlagsfaktor von 1,5 bei großen und 2,0 bei kleinen Brunnenabständen [3]. d. h. 1,5q bzw. 2q =

  k  ( h2 − h '2 ) ln b − ln r

(6.39)

Für h ' = h − sEB ergibt sich für den Zuschlagsfaktor 1.5:

sEB = h −

h2 −

1,5q  ( ln b − ln r )  k

(6.40)

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

sEB = 3, 60 − 3, 602 −

289

1,5

0, 046 20  ( ln − ln 0,3) 8 2   0, 001

sEB = 3,60 −1,84 =1,76 m

h ' = 3,60 −1,76 =1,84 m

qmögl = D    h '

k 15

qmögl = 0, 6   1,84 

(6.33)

0, 001 15

qmögl = 0,0073 m³/s  0,0071 m3/s Es ist nicht sinnvoll, einen absoluten Ausgleich zwischen der rechnerisch erforderlichen Brunnenleistung und der möglichen Brunnenleistung herzustellen. In Anbetracht der Streubreite der Berechnungsgrundlagen – es sei hier insbesondere darauf hingewiesen, dass die aus den Baugrundaufschlüssen im Baubereich ermittelte Durchlässigkeit des Grundwasserleiters für den gesamten Absenktrichter als gültig angesetzt wird – scheint dies nicht sinnvoll. Es sei auch angemerkt, dass es in der Regel billiger ist, die Anlage mit ausreichenden Sicherheiten zu versehen als aufwändige Nacharbeiten mit den gleichzeitigen erforderlichen Kosten für Betriebsunterbrechungen und zusätzlichen Baustelleneinrichtungskosten in Kauf zu nehmen. Dies sollte auch bei den folgenden Betrachtungen beachtet werden. Nachweis der Absenkung zu einem beliebigen Punkt P1 Aus der allgemeinen Spiegelgleichung von Dupuit/Thiem im Vergleich zwischen dem Punkt B, für den die Förderdaten ermittelt wurden, und Punkt P1: y1 ² − y2 ² =

Q

 k

 ( ln x1 − ln x2

)

(6.4)

x1 =

1 n x n 1 b

xb = Abstand Brunnen zum Punkt B y1 = h

x2 =

1 n x n 1 p

x p = Abstand Brunnen zum Punkt P y2 = yP

 n   ln xB QvollB  1 − y 2p = h 2 − 1.1    k  n  



n

 ln xP  1

n

   

(6.41)

Der Zuschlag für die Anströmung der Brunnen von unten bei unvollkommenen Brunnen darf hier nicht berücksichtigt werden.

6

290

6 Wasserhaltung

Der mittlere Abstand der Brunnen vom Punkt B entspricht dabei dem Ersatzradius:

ARe = 28, 298 m Der mittlere Abstand des Punktes P1 zu den Brunnen ermittelt sich für die Koordinaten x p = 40,0 m; y p = 25, 00 m

analog zur Ermittlung von ARe mit x p = 25, 28 m

y 2p = 3, 62 −

0, 046  ( 3,343 − 3, 23) 1,1  0, 001

y 2p =11,51 m² sP = H − y p = 3, 21 m Absenkung am Punkt P1

6

Wenn die rechnerisch ermittelten Werte nicht den erforderlichen oder gewünschten Werten entsprechen, so können die Ausgangswerte, wie da sind: Aquifermächtigkeit (nur bei unvollkommenen Brunnen), Brunnenanzahl und Abstände, Brunnendurchmesser und ungünstiger angenommener Punkt, geändert werden.

Bild 6-22 Darstellung der Isolinien der Grundwasserabsenkung

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

6.5.2

291

Grundwasserentspannung

Für die Ausgangsdaten gilt weitgehend das unter 6.5.1 Angeführte. Ergänzend sind folgende Vorgaben zu berücksichtigen: a) Für die Leistungsfähigkeit der Einzelbrunnen ist maximal die Mächtigkeit m des in Anspruch genommenen Grundwasserleiters anzusetzen. b) Vor Beginn der Dimensionierung der Entspannungswasserhaltung sollte bei eindeutigen Druckverhältnissen unter der Baugrubensohle die Notwendigkeit und Größe der Entspannung durch Gleichgewichtsbetrachtungen untersucht werden.

Bild 6-23 System der Entspannung

6

6.5.2.1 Ermittlung der erforderlichen Entspannung aus der Gleichgewichtsbetrachtung

 A=G G A A = hü   w

=

G =  ( t 

=

(6.23)

)

( t   ) hü   w

zul hü =

( t   )   w

(6.42) (6.43)

Die erforderliche Entspannung se ergibt sich dann zu: erf se = hü − zul hü

(25)

Zusätzlich sollte die für die Entspannung relevante Aufschlusstiefe, bis zu welcher die Brunnen geführt werden sollten, ermittelt werden: aus  =

t hü   w

für A = hü − t

292

6 Wasserhaltung

erf t =

  w  A  −   w

(6.44)

Aufschlusstiefe = Baugrubensohle −erf t Die erforderliche auftriebssichere Ansatzhöhe der Entspannung errechnet sich aus  =

t=

t hü   w

  hü   w 

(6.45)

Ansatzhöhe = UK Stauer + t Berechnungsbeispiel

6

Es wird die Baugrube mit den gleichen Abmessungen wie unter 6.5.1.1 gewählt. Lediglich die Baugrubentiefen zu Vergleichszwecken wird tiefer gewählt, um auch die Brunnenanordnung beibehalten zu können.

Bild 6-24 System der Entspannungswasserhaltung Baugrubensohle –3,0/–4,0 m

Mächtigkeit des entspannten Grundwassers hü = 5,50 m H = 7,50 m

Mächtigkeit des gespannten Aquifers m = 2,00 = m Brunnendurchmesser D = 0,60 m Durchlässigkeit des Aquifers k = 0,00005 m/s Sicherheitszuschlag zur Auftriebsberechnung  = 1,1 Zuschlag für die Erstentspannung z = 1, 0

 Stauer = 20 kN/m2

 W = 10 kN/m2

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

293

a) Ermittlung der erforderlichen Entspannung bei Berücksichtigung der Auflast zwischen Baugrubensohle und gespanntem Grundwasserleiter. Ermittlung der Auftriebssicherheit:

=

t hü   w

(6.23)

Wsp

BGS

Stauer UK



t



müNN

müNN

müNN

m

m

kN/m2

0,00

–3,00

–5,50

5,50

2,50

20,00

0,91

0,00

–4,00

–5,50

5,50

1,50

20,00

0,55

η

Da   1,1 , ist eine Entspannung erforderlich. b) Ermittlung der erforderlichen Entspannung: hü = 5,50 m zul hü =

t    w

(6.24)

Entspannung erf se = hü − zul hü

(6.25)

BGS

Wsp

UK Stauer

t



zulhü

se=hü – zulh

müNN

müNN

müNN

m

m

m

m

–3,00

0,00

–5,50

2,50

5,50

4,55

0,95

4,00

0,00

–5,50

1,50

5,50

2,73

2,77

c) Ermittlung der erforderlichen Aufschlusstiefe: t  aus  = hü   w für A = hü − t erf t =

  w  A  −   w

(6.44)

BGS

Wsp

A

erft

UK-Aufschluss

müNN

müNN

m

m

müNN

–3,00

0,00

3,00

3,67

–6,67

–4,00

0,00

4,00

4,89

–8,89

d) Ermittlung der zulässigen Aushubtiefe bis zum Einsatz der Entspannung: t  aus  = hü   w

t=

  hü   w 

(6.45)

6

294

6 Wasserhaltung

Wsp

Uk Stauer



t

Bohransatz

müNN

müNN

m

m

müNN

0,00

–5,50

5,50

3,02

–2,48

e) Dimensionierung der Entspannungswasserhaltung: Berechnungsgrundlagen: Mächtigkeit des entspannten Grundwassers

H = 7,50 m

Mächtigkeit des gespannten Aquifers

m = 2,00 m

Brunnendurchmesser Zuschlag für die Erstentspannung

D = 2r = 600 mm

Durchlässigkeit des Aquifers

k = 0,00005 m/s

z = 1, 0

Erforderliche Entspannung aus Punkt b

6

se max = 2,77 m se min = 0,95 m

Brunnenanordnung: wie unter 6.5.1.1 Ungünstigster Punkt: B wie unter 6.5.1.1 Gang der Berechnung: Reichweite der Entspannung

R = 3000  semax  k = 58,76 m

ARe = 28,30 m h = H − se max = 4,73 m

Förderwassermenge Qmax B = z  2   k  m  semax  ( 2  ARe / R + 0, 25 )

für z = 1 Zuschlage für die Erstentspannung da ln( R / A) = 0,73  1

(6.12/21)

Qmax B = 0,0021 m³/s

Bei unvollkommenen Brunnen wird die Förderleistung entsprechend 6.5.1.1 erhöht. Erforderliche Brunnenleistung Q q Br = max B = 0, 00026 m3/s 8 Ermittlung der möglichen Förderleistung der Brunnen Analog zu der Bestimmungsformel für ungespannte Verhältnisse nach 6.5.1.1 ergibt sich:

1,5  q bzw. 2, 0  q = hier s eb =

  k  2  m  seb ln b − ln r

1,5  q  ( ln b − ln r ) 2   k  m

(6.46)

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

1,5  s eb =

295

0, 0021  20    ln − ln 0,30  8  2  2    0, 00005  2, 0

s eb = 2, 21 m h = h − seb

h = 4,73 − 2, 21 = 2,52 m  m q = D   m 

k 15

(6.33a)

qmögl = 0,0018m3 /s  0,00026 m3 /s Nachweis der Entspannung zu einem beliebigen Punkt: xP = 40 m; yP = 25 m

Aus der allgemeinen Spiegelgleichung von Dupuit/Thiem im Vergleich zwischen dem Punkt B, für den die Förderdaten ermittelt wurden, und Punkt P:

y1 − y2 =

Q  ( ln x1 − ln x2 2   k  m

)

(6.7)

x1 =

1 n x n 1 b

x2 =

1 n  x x = Abstand Brunnen vom Punkt P y2 = yP n 1 p P

xB = Abstand Brunnen vom Punkt B y1 = h

n  n   ln xP  ln xB QvollB  1 − 1 yP = h + 2   km  n n  

     

(6.47)

yP = 4,36 m sP = H − yP = 7,50 − 4,36 = 3,14m

6.5.2.2 Entspannung durch Überlaufbrunnen Bei einer vorhandenen klar definierten, druckwasserhaltenden Trennschicht zwischen Baugrubensohle und gespanntem Grundwasserleiter ist es zulässig, die Restauflast zwischen Baugrubensohle und gespanntem Grundwasserleiter zu berücksichtigen. Es muss dabei nachgewiesen werden, dass die über der Baugrubensohle anstehende Druckhöhe sseb durch die Auflast zwischen Baugrubensohle und Oberkante Grundwasserleiter gehalten wird.

6

296

6 Wasserhaltung

Als Beispiel wird die Berechnung für eine Baugrube mit den äußeren Abmessungen 40  40 m gewählt.

Bild 6-25 System Entspannung durch Überlaufbrunnen

6

Als erster Schritt wird die erforderliche Entspannung, wie unter 6.5.2.1 beschrieben, ermittelt. hü = 500,00 − 493,00 = 7,00m; t = 495,0 − 493,0 = 2,00m;  = 20kN/m²

zul hü =

2, 0  20 t  = = 3, 64 m    w 1,110

zulsEB = 3,64 − ( 495,00 − 493,00 ) =1,64m

(6.24)

Entspannung erf se = hü − zul hü = 7,00 − 3,64 = 3,36m Nachweis der Überlaufbrunnen Entspannung

se = 3,36 m

Gespannter Aquifer m = 1,0m Durchlässigkeit Aquifer = 0,00001m/s Baugrubenfläche 1600 m² Reichweite der Entspannung

R = 3000  se  k = 31,90 m

(6.18)

F ARe =    23, 0 m  

(6.14)

ln ( R / ARe ) = 0,3 1 Q = 2   k  m  se  ( 2  ARe / R + 0, 25 ) = 0,00035m³/s

Bohrdurchmesser der Überlaufbrunnen D = 300 mm

(6.12/21)

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

297

Mögliche Leistungsfähigkeit der Brunnen

q = D   h '  für

k 15

(6.33)

h'=m

q = 0,0002 m3 /s

Brunnenanzahl gewählt

n = 18 Brunnenabstand gewählt 2b =

seb =

F = 9, 4 m n

1,5  ( Q / n )  ( ln b − ln r ) 2   k  m

(6.46)

seb =1,60m 1,64m = zul hü

Das anfallende Entspannungswasser wird über Draingräben oder Flächendrainagen den übrigen Entwässerungsanlagen zugeführt. Bei der Entspannung durch Überlaufbrunnen ist unbedingt zu berücksichtigen, dass diese Entspannung sich erst nach längerer Zeit einstellen kann, nachdem mit abnehmendem Überdruck der zeitliche Verlauf verzögert wird. Bei schwer zu entwässernden Böden empfiehlt es sich, z. B. durch eine Unterdruckbepumpung mit entsprechenden Kleinbrunnen eine Vorentspannung zu erzwingen und erst danach auf Überlaufbetrieb umzuschalten.

6.5.3

Vakuumbeaufschlagung von Schwerkraftbrunnen

Bei der Entwässerung von feinkörnigen Sedimenten aus Feinsanden und Schluffen hat sich in der Praxis zur Steigerung der Förderleistung der Brunnen und damit zur Erhöhung der erzielbaren Absenkung des Grundwassers die Beaufschlagung der Bohrbrunnen – nach entsprechender Abdichtung der Brunnen gegen unkontrollierten Luftzutritt – mit Unterdruck als sinnvoll erwiesen. In seiner Veröffentlichung „Bemessung von Grundwasserabsenkungsanlagen mit Vakuumtiefbrunnen“ [4] geht J. Kramer auf die Möglichkeit der Dimensionierung von Grundwasserabsenkungsanlagen bei Vakuumbeaufschlagung der Brunnen ein. Er stützt sich dabei auf Versuchsauswertungen von Öllös [4] über die Ausbildung des Unterdruckraumes am Brunnen von Pumpbeginn bis zum Erreichen eines Beharrungszustandes. Als wichtigste Erkenntnis aus diesen Versuchen konnte abgeleitet werden, dass die Depressionskurve infolge Schwerkraft den Unterdruckraum tangiert, so dass die Annahme berechtigt ist, dass der Unterdruck nichts anderes als die Vergrößerung des Brunnendurchmessers bewirkt.

6

298

6

6 Wasserhaltung

Bild 6-26 Verlauf der Absenkkurve nach Modellversuchen von Öllös

Bild 6-27 Verlauf der Unterdruckkurve auf Grund der geometrischen Beziehungen

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

299

Zur Beurteilung des Randes des Unterdruckraumes wird wie folgt vorgegangen: Unter der Voraussetzung, dass die horizontale Durchlässigkeit des Bodens ungleich größer als die vertikale Durchlässigkeit ist, baut sich der Unterdruck vom Brunnenrand aus im Verhältnis der jeweiligen Mantelflächen ab.

x1  p1 = x2  p2

(6.48)

Im Beharrungszustand hat sich gezeigt, dass sich der Übergang von Vakuumbetrieb auf Schwerkraftentwässerung dort einstellt, wo in einem horizontal geschichteten Boden der wirksame Unterdruck noch ca. 50 cm Wassersäule beträgt. Bei dem in Bild 6-27 dargestellten Beispiel steht am Brunnenrand im Abstand von 0,35 m von der Brunnenachse ein Unterdruck von 0,7 bar an. Im Abstand von 1,0 m von Brunnenachse beträgt der Unterdruck noch: 0,35  0,70 = 1,0  p2

p2 = 0, 245bar

Bei einem Restunterdruck von 0,49 bar liegt somit der wirksame Brunnenrand im Abstand von: 0,35  0,70 = x3  0,049 ; x3 = 5,0 m

Umgekehrt kann damit auch der für den – für die ausreichende Dimensionierung der Wasserhaltung erforderliche – rechnerischen Brunnendurchmesser notwendige Unterdruck ermittelt werden. Die Berechnung der Brunnenleistung ergibt z. B. einen erforderlichen Brunnenradius von 750 mm bei einem tatsächlichen Bohrradius von 300 mm. Der erforderliche Unterdruck im Brunnen beträgt dann:

0,75  0,049 = p  0,30 p = 0,12 bar Zur Bestimmung der anfallenden Wassermenge der Brunnen wird von Kramer folgender Ansatz vorgeschlagen: qv = q + q 

mit

 U

 pv

(6.49)

qv = Brunnenleistung unter Vakuum

q = Wassermenge nach Dupuit/Thiem  = empirisch gefundener Einflussfaktor (im Mittel – 15) U = Ungleichförmigkeitsgrad des Bodens ( U = d60 / d10 ) pv = Unterdruck im Brunnen

Im stationären Zustand hat sich die Einsetzung des rechnerisch ermittelten Brunnenradius am Unterdrucksaum in die Gleichung von Dupuit/Thiem als zutreffend erwiesen.

6

300

6 Wasserhaltung

Luftbedarf der Vakuumbeaufschlagung Der Luftbedarf wird aus folgenden Beziehungen ermittelt: QL = kL  A i

(6.50)

p0 − p 1 QL = kw  70  D   ( H − h )  3 w

(6.51)

kw = Durchlässigkeit des Bodens unter Grundwasser

mit

k L = Luftdurchlässigkeit des Bodens h= D= A=

Filtereintrittshöhe am Brunnen Brunnendurchmesser Mantelfläche des Brunnens

Voraussetzungen

6

a) Das Darcy’sche Gesetz ist anwendbar ( Q = k  A  i ). b) Die Luftströmung ist laminar ( Re  40 10 ). c) Die Luftströmung erfolgt ausschließlich horizontal. d) Der Einfluss des Auftriebsverlustes und des Unterdruckes auf die Verminderung des Porenvolumens sind vernachlässigbar gering: ( k1 : k2 =

13 3 : 2 ) 1 + 1 1 +  2

Bei gleichem Kornaufbau und gleicher Struktur eines Bodens verhalten sich die Durchlässigkeitswerte entsprechend ihrem Porenvolumen. e) Die Wasserdurchlässigkeit des Bodens k w ist bekannt. f) Strömungsgefälle i =

po − p

w

in m Wassersäule

g) Die Luftdurchlässigkeit beträgt k L = kw 

w 1 1  in m/s bei 10 oC k L = 70   k L 3 3

P0 = Luftdruck, p = Vakuumdruck im Brunnen

6.5.4

Vakuumwasserhaltung Kleinbrunnen

Bei feinkörnigen, schwach durchlässigen Böden – k  110−5 m/s – mit Absenktiefen bis maximal 5,0 m und geringem Abstand der Aushubsohle zu vorhandenen, stauenden Schichten ist der Einsatz von großkalibrigen Schwerkraftbrunnen auch unter Verwendung von Vakuumbeaufschlagung nicht sinnvoll. Die erforderlichen Brunnenabstände werden dann so gering, dass sowohl die Installationskosten als auch die laufenden Kosten für Vorhalten und Betrieb unverhältnismäßig aufwendig werden. In diesem Fall empfiehlt sich der Einsatz von unter Vakuum betriebenen Kleinbrunnen, die mit verhältnismäßig geringem Aufwand hergestellt und über zentral angeordnete Vakuumanlagen abgesaugt werden. Bei gleichkörnigen

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

301

Mittelsanden und kurzen Einsätzen können so genannte Spülfilter mit einem Durchmesser von meist 50 mm zum Einsatz kommen. Bei feinsandig schluffigen Böden neigen diese Spülfilter bei nicht ausreichender Filterstabilität zum raschen Versanden. Hier haben sich Kleinbohrbrunnen von 100 bis 250 mm Bohrdurchmesser mit Filtern von 50 bis 80 mm und einem Filterkörper aus Quarzsand oder Gleichwertigem bewährt. Über diesen Filterkörper und den geringen Abstand der Brunnen untereinander können auch horizontal geschichtete Böden mit befriedigendem Ergebnis entwässert und stabilisiert werden. Für die Berechnung der Grundwasserabsenkung mit diesen Kleinbrunnen können die gleichen Berechnungsverfahren wie für die Entwässerung mit großkalibrigen Brunnen angewendet werden. Auf die zusätzliche Wirkung einer möglichen Vakuumbeaufschlagung des Bodens sollte zur Sicherheit in der Praxis verzichtet werden, da der aufgebrachte Unterdruck fast ausschließlich zum Heben und Abfördern des anfallenden Grundwassers aufgebracht wird. Zusätzliche Vakuumverluste entstehen unvermeidlich in der Vielzahl der Anschlusspunkte an das Leitungssystem sowie den empfindlichen Leitungsverbindungen bis zu den Pumpaggregaten. Zu berücksichtigen ist die mit maximal rund 8 m begrenzte Förderhöhe der Anlage.

Bild 6-28 Sytematischer Aufbau einer Vakuumanlage mit Kleinbrunnen

6.5.5

Offene Wasserhaltung

Bei einer Grundwasserabsenkung durch Brunnen wird das Grundwasser dem Tiefbau vorauseilend punktförmig unterhalb der Baugrubensohle gefasst und abgefördert. Bei der offenen Wasserhaltung wird das aus den Baugrubenwänden anfallende und aus der Baugrubensohle aufsteigende Grundwasser flächig im Zuge des Erdbaus durch Draingräben oder Drainageleitungen gefasst. Die Förderwassermengen nähern sich dabei dem für die Entwässerung erforderlichem Minimum. Unter Zugrundelegung der Dupuit/Thiem’schen Gleichung

Q=

  k  ( H ² − h² ln R − ln r

)

(6.5)

6

302

6 Wasserhaltung

ergibt sich für die offene Wasserhaltung mit

s = H ; und h = H − s = 0   k  s2

Q=

ln R − ln r

Qoffen QGWA

=

s2 s = H 2 − h2 2H − s

Hieraus lässt sich wiederum ableiten, dass zur Minimierung der Förderwassermenge einer Grundwasserabsenkung die Einbindetiefe der Brunnen in das Grundwasser auf ein technisch und wirtschaftlich vertretbares Mindestmaß reduziert werden sollte. 6.5.5.1 Wassermengenermittlung für Baugruben

6

Durch Davidenkoff [1] wurde eine Berechnungsmethode zur Ermittlung des Wasserzuflusses zu einer rechteckigen Grube mit vertikalen Böschungen entwickelt. Folgende Annahmen liegen der Berechnung zu Grunde: 1. Der ursprüngliche Grundwasserspiegel ist als horizontale Ebene angenommen, wie das bei der Berechnung des Zuflusses zu Brunnen üblich ist. 2. Die Richtung des in die Grube fließenden Wassers ist in Bild 6-29 durch Pfeile wiedergegeben worden. 3. Das Grundwasser aus der Zone unter der Grubensohle kann nur von den längeren Seiten AD und BC in die Grube gelangen, und zwar wird die Grundwasserströmung von der Seite BC durch die Fläche EBCF, die Grundwasserströmung von der Seite AD durch die Fläche AEFD in die Grube eintreten (Bild 6-29). 4. Der Boden ist zunächst als homogen angenommen. Die Berechnungsformeln sind aber bei entsprechender Umformung auch für den Fall anwendbar, bei dem der Boden oberhalb und unterhalb der Grubensohle unterschiedliche Durchlässigkeiten hat. 5. Die Abführung des Wassers geschieht mit offener Wasserhaltung. Die gesamt zufließende Wassermenge beträgt:

 L  t  t  Qgesamt = k  H 2   1 +   m + 1   1+  n   H R  H  

(6.52)

wobei der Boden oberhalb und unterhalb der Baugrubensohle gleich ist. Es gilt für T  H : t = H für T  H : t = T mit

t

= aktive Zone, in der die Grundwasserströmung unterhalb der Grubensohle durch das Vorhandensein der Grube beeinflusst wird H = Absenkung bis Baugrubensohle T = der Abstand zwischen der Grubensohle und einer möglicherweise vorhandenen undurchlässigen Schicht

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

R = 575 s 

303

( kH )

(6.19)

bzw.

R = 3000  s  k

(6.18)



m=

L2 + R

n=

L + 2t   4R  ln  1 + 2  L + 2t 2R  

(6.53)

 R  ln    0.1 L2 

(6.54)

2

6

Bild 6-29 Angenommene Richtung der Grundwasserströmung

Bild 6-30 Zufluss zu den kürzeren Seiten und zu den Ecken der Grube

Bild 6-31 Zufluss zu den längeren Seiten der Grube

304

6 Wasserhaltung

Bild 6-32 Beiwerte m und n

Berechnungsbeispiel:

6

L1 = 60m; L2 = 20m; H = 4,0m; T = 10m; k = 0,001m/s;

t = H = 4,0m für T  H Reichweite nach Kussagin R = 575 4 

( 0,001 4)

=146 m

L2 20 = = 0,14 R 146 t 4 = = 0, 03 R 146

nach Bild 6-33

m ~ 0,88; n ~ 1,90

 4  60  4  Qgesamt = 0, 001 42  1 +   0,88 +  1+ 1,90    47 l / sec 146  4   4  6.5.5.2 Grundwasserentnahme durch Drainstränge der vorerrechneten Förderwassermenge nach Davidenkoff

Bild 6-33 Drainsystem

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

305

2b = 6,70m Abstand der Drainstränge

qStrang = 47 / 3 = 15,6 l/s = 0,26 l/(s  m) qStrang, einseitig = 0, 26 / 2 = 0,13 l/(s  m) = 0,00013 m³/(s  m) Anströmung zum Drain einseitig q = F  vkrit ; mit vkrit =

vkrit =

k ; nach Sichardt 15

(6.55)

0, 001 = 0, 002 m/s 15

Zur Sicherheit sollte die kritische Fließgeschwindigkeit nicht ausgeschöpft werden.

vgewählt = 0,0005m/s Ferf =

q vgewählt

=

0, 00013 = 0, 26 m²/m 0, 0005

6

herf = 0, 26 m zur Sicherheit gewählt

h = 0,50 m

I erf = I=

aus q = k  I  F

q 0, 00013 = = 0, 26 k  F 0, 001 0,50

h ; b

herf = I  b = 0, 26 

6, 70 = 0,87 m 2

hvorh =1,50 − h =1,0m  0,87 m

6.5.5.3 Zufluss zu Sickersträngen [3] Die Anströmung eines vollkommenen Sickerschlitzes lässt sich analog zur Anströmung zum Vertikalbrunnen nach Dupuit/Thiem wie folgt ermitteln. Die ermittelte Wassermenge bezieht sich auf die einseitige Anströmung pro m Schlitz. Aus q = k  i  y ;

mit i =

dx dy

folgt q = k  y

dy dx

für die Randbedingungen y = H in x = R und y = h in x = 0 folgt dann

q=

k ( H 2 − h2 ) 2R

R =1500  s  k bis R = 2000  s  k

(6.56) (6.57)

306

6 Wasserhaltung

Bild 6-34 Zufluss zu einem Sickerschlitz bei Grundwasser mit freier Oberfläche

6

Für die Anströmung des Sickerschlitzes gilt die Beziehung 2 R−x  2 H − ( h0 + Si )  (6.58)   R  Die Größe der Sickerstrecke Si kann nach Chapman aus Bild 6-35 entnommen werden.

H 2 − y2 =

Bild 6-35 Größe der Sickerstrecke nach Chapman

Die Anströmung zu einem unvollkommenen Sickerschlitz wird nach Chapman [3] pro lfm und Seite wie folgt berechnet: T − t0  k  q =  0, 73 + 0, 27   ( T 2 − t02  T  2R 

)

(6.59)

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

307

Wenn ein derartiger Sickerschlitz in fließendem Grundwasser von nur einer Seite gespeist wird, steigt das Wasser auf der abgewandten Seite bis zum Höchstwert 1, 48   ( T − t0 ) + 1 an. td = t0   R  

(6.60)

Voraussetzung R / T  3 für die Gültigkeit der Gleichungen (59) und (60) Für die Betrachtung von Grundwasserabsenkungen im Zusammenhang mit Baugruben kann somit td als die gewünschte Absenkung betrachtet werden.

6

Bild 6-36 Zufluss zu einem unvollkommenen Sickerschlitz bei Grundwasser mit freier Oberfläche

Bei parallel verlegten Sickerschlitzen gelten die empirischen Formeln von Chapman entsprechend. Der höchste Punkt der Absenkkurve zwischen 2 Schlitzen ermittelt sich mit:  c +c  td = to   1 2  T − to + 1  R  

(

)

Bild 6-37 Absenkung zwischen zwei parallelen unvollkommenen Sickerschlitzen bei Grundwasser mit freier Oberfläche

(6.61)

308

6

6 Wasserhaltung

Bild 6-38 Diagramm für c1

Bild 6-39

Diagramm für c2

Zufluss zu einem vollkommenen Sickerschlitz mit gespannter Oberfläche von einer Seite:

q=

k  m( H − h) R

; bei H − y =

q  ( R−x ) k m

(6.62)

Bild 6-40 Zufluss zu einem vollkommenen Sickerschlitz mit gespannter Oberfläche

Zufluss zu einem unvollkommenen Sickerschlitz mit gespannter Oberfläche bei Anströmung von einer Seite:

q=

k  m  ( T − te ) R+l

(6.63)

Bild 6-41 Zufluss zu einem unvollkommenen Sickerschlitz von einer Seite bei Grundwasser mit gespannter Oberfläche

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

309

Der Wert l hängt von dem Verhältnis m1 zu m ab und kann aus dem Diagramm von Barron entnommen werden.

q=

td =

k  m ( T − te ) R+l

l  (T − te ) R+l

+ te

(6.63.1)

(6.63.2)

6

Bild 6-42 Diagramm für l nach Barron

Bei Absenkung des Wasserspiegels in den gespannten Grundwasserleiter ergibt sich für einseitige Anströmung beim Übergang von der gespannten zur freien GW Oberfläche: 2 k   ( H 2 − h2 ) − ( H − m )    q= 2R

(6.64)

Bild 6-43 Übergang des Grundwassers von gespannter zur freien Oberfläche bei Zufluss zu einem Sickerschlitz

310

6 Wasserhaltung

6.5.6

Restwasserhaltung in dichten Trögen

Vorwiegend in innerstädtischen Bereichen werden Baugruben, die in das Grundwasser eintauchen, durch allseits dichte Umschließung mit Einbindungen in undurchlässige oder zumindest schwach durchlässige Schichten hergestellt. Sind derartige absperrende Schichten in vertretbaren Tiefen nicht zu erwarten, werden diese durch horizontale Dichtsohlen mit Anbindung an die vertikalen Verbauwände ersetzt. Die Herstellung derartiger dichter Baugruben entspricht einerseits dem Wunsch zum Schutz des Grundwassers, zum anderen soll damit möglichen Gefährdungen vorhandener baulicher Anlagen vorgebeugt werden. Das zu fassende und abzuleitende Grund- und Oberflächenwasser reduziert sich damit auf

6

– das Abpumpen des eingeschlossenen Porenwassers – das Abpumpen von unvermeidlichem Restwasser aus Verbauundichtigkeiten der vertikalen Umschließung sowie möglicher Dichtungssohlen – das Abpumpen von Niederschlagswasser – das Abpumpen von Grundwasser durch Verbauumläufigkeiten bei Einbindung der Verbauwände in nur gering durchlässige Bodenschichten. Das im dichten Trog eingeschlossene Restwasser ermittelt sich aus der Kubatur des im Grundwasser liegenden Erdkörpers und einem im Labor ermittelten oder geschätzten wassergefüllten Porenanteil.

VTrogwasser =  VBoden im Wasser  = Porenvolumen,wassergesättigt QTrog =

VTrogwasser Abpumpzeit

(6.65) (6.66)

Die Ermittlung von Restwassermengen aus der vertikalen und horizontalen Baugrubenumschließung können über Ersatzdurchlässigkeiten oder bei lokalen Fehlstellen mit Hilfe der Berechnungsmethode nach Brauns [3] erfolgen. Nachdem sich im stationären Zustand der Baugrube derartige Grundwasserzutritte unterhalb der Baugrubensohle befinden, ist es nicht möglich, die erforderlichen Bemessungsgrundlagen festzulegen. In der Praxis hat es sich als sinnvoll und meistens ausreichend erwiesen, den Dichtwänden und Sohlen eine spezifische Restwassermenge von qrest ~ 1 – 5 l/s auf 1000 m² benetzte Fläche zu zuordnen. QVerbau =U Verbau  hbenässt  qRest

(6.67)

Diese Restwassermenge muss je nach Verbauart und Ausführung gewählt werden. Lokale, starke Grundwasserzutritte unterhalb der Baugrubensohle, die nicht nachgedichtet werden können und deren Ortung schwierig ist, können ohnehin nur im Zuge der Erdarbeiten durch örtliche Maßnahmen der offenen Wasserhaltung gefasst werden. Für die Ermittlung des Niederschlagswassers reicht es in der Regel aus, den Bemessungsregen für ein jährlich einmal auftretendes Regenereignis zu wählen. Dieser Wert r15,n =1 kann der einschlägigen Fachliteratur, z. B. ATV Handbuch, entnommen werden. Bei der gesamt anfallenden Niederschlagsmenge kann von einer mittleren Niederschlagshöhe in Deutschland von ca. 900 mm/a ausgegangen werden. Ausschlaggebend für die Festlegung der momentan abzuführenden Wassermengen ist dabei die Wahl der Abpumpzeit.

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

311

QRegen = r15,n=1  FBaugrube  tRegen / tAbpump mit

r15,n =1 = FBaugrube = tRegen = tAbpump =

(6.68)

Niederschlagsmenge bei einem einmal jährlich auftretenden Regenereignis über die Dauer von 15 Minuten Baugrubenfläche [ha] Regendauer [s] gewählter Förderzeitraum [s]

Bei Versickerung außerhalb der Baugrube und ungünstigen Bodenverhältnissen empfiehlt es sich, die Abpumpzeit länger zu wählen. Zur Ermittlung der anfallenden Grundwassermengen aus Verbauumströmungen bei Einbindung der vertikalen Dichtwände in einen nur schwach durchlässigen Grundwasserleiter bietet sich als einfache Lösung das Fragmentenverfahren nach Pavlosvsky an. Die Wassermengenermittlung erfolgt dabei über Formfaktoren [6]. qum =

k h 1 1 + f1 f 2

(6.69)

f1 = 3

T1 −1 t1

(6.70)

f2 = 3

T2 −1 t2

(6.71)

Bild 6-44 Spundwandumströmung

Nachteile dieses Verfahrens sind: – Die Durchlässigkeit des Bodens wird als gleichbleibend angenommen. – Absenkungen außerhalb der Baugrube zur Reduzierung der Potenzialdifferenz zwischen äußerem und innerem Wasserspiegel werden nicht berücksichtigt. – Bei großflächigen Baugruben wird die Anströmung über die gesamte Sohlfläche nicht berücksichtigt.

6

312

6 Wasserhaltung

– Bei stark durchlässigen Böden im Umströmungsbereich kann es mit zunehmender Betriebsdauer zu einem fast vollständigen Abbau zwischen innerem und äußerem Wasserspiegel kommen. Zuverlässiger erscheint die Wassermengenermittlung bei vertikaler Baugrubenumschließung ohne Einbindung in einen Stauer aus Modellbetrachtungen. Hier wird die Anströmung der gesamten Baugrubenfläche zu Grunde gelegt unter Berücksichtigung von geologischen Wechsellagerungen und der im Zuge der Baugrubenentwässerung erzielten äußeren Absenkung. Bei stark durchlässigem Grundwasserleiter und Ausführung der vertikalen Baugrubenwände als Tauchwände, also ohne Einbindung in einen Stauer oder zumindest in eine geringer durchlässige Bodenschicht, muss davon ausgegangen werden, dass sich mit zeitlicher Verzögerung außerhalb der Baugrube nahezu die gleiche Absenkung einstellt wie innerhalb der Baugrube. Die Vorstellungen von einem dichten Trog sind dann nicht mehr gegeben.

6

Die Restwasserentnahme innerhalb der Baugrube kann durch Brunnen erfolgen, wenn zwischen Baugrubensohle und Stauer bzw. Dichtsohle oder Unterkante Verbau durchlässige Böden anstehen in denen das anfallende Restwasser gesammelt wird. Die Dimensionierung erfolgt dann nach den Gleichungen von Dupuit/Thiem:

sEB = h − h2 − bzw. sEB =

1,5q  ( ln b − ln r )  k

1,5  q  ( ln b − ln r ) 2   k  m

bei gespannten Verhältnissen

(6.40)

(6.46)

und Sichardt:

q = D    h 

k 15

(6.33)

q = D   m 

k 15

(6.33a)

bzw.

Beispiel Restwasserhaltung Baugrube 50  40m GOK 500,00 müNN BGS 490,00 müNN Wsp 495,00 müNN

FBaugrube = 50  40m = 2000 m² U Baugrube = 2  (50 + 40) = 180 m

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

313

Bild 6-45 Schnitt Baugrube

Trogwasser

VTrogwasser =  VBodenimWasser

(6.65)

VTrogwasser =   FBaugrube  hWasser

 = 0,25 hWasser = Wsp − BGS + 1,0 = 495,00 − 490,00 + 1,00 = 6,00 m VWasser = 0, 25  2000  6,00 = 3000 m³

tAbpump = 10 Tage Abpumpzeit gewählt QTrog =

3000 =12,5m³/h  3,5l/s 10  24

Restwasser Verbau QVerbau =U Verbau  hbenässt  qrest

(6.67)

hbenässt = Wsp − UKVerbau = 495,00 − 486,00 = 9,00 m qVerbau = 3 l/(s 1000m²) QVerbau =180  9,00  0,003 = 4,86l/s

Niederschlagswasser

QRegen = r15,n=1  FBaugrube  tRegen / tAbpump r15,n=1 =130l/(s  ha)

tRegen =15min tAbpump =1,0 h QRegen =130  0, 2000 15 60 / (1,0  3600 ) = 6,50l/s

(6.68)

6

314

6 Wasserhaltung

Verbauumläufigkeiten qum =

k h 1 1 + f1 f 2

(6.69)

kv-Sand = 0,00001m/s , h = 495,00 − 489,50 = 5,50m T1 = 495,00 − 484,00 = 11,00m; t1 = 495,00 − 486,00 = 9,00m; T2 = 489,50 − 484,00 = 5,50m; t2 = 489,50 − 486,00 = 3,50m;

f1 = 3

qum =

6

5,50 11 −1 = 0,830 −1 = 0, 606 ; f 2 = 3 3,50 9 0, 00001  5,50 = 0, 000019 m3 /(s  m) 1 1 + 0, 606 0,830

Qum = qum U = 0,000019 180~3,5l/s

Nachweis der Entnahmebrunnen Qmittel = QVerbau + Qum = 4,8 + 3,5 = 8,3l/s

bei angenommen 2 Restwasserbrunnen DN 600 mm diagonal angeordnet 2b = 482 + 382  60 m kKies = 0,005m/s

h = 489,50 − 488,00 = 1,50m Entnahmehöhe im Kies vom Absenkziel bis UK Kies

sEB

1,5q  ( ln b − ln r ) = h − h2 − =1,50 − 1,502 −  k

1,5 

8,3  ( ln 30 − ln 0,30 ) 2 = 0,85m (6.40)   0, 005

h = h − sEB = 1,50 − 0,85 = 0,65m

0, 005 k = 0, 60    0, 65 = 0, 0058m³/s = 5,8l/s 15 15 = 2  5,8 = 11,6l/s  8,3l/s bei 2 Brunnen

qmögl = D    h  Qmögl

Steht unterhalb der Baugrubensohle kein durchlässiges Material in ausreichender Mächtigkeit an, müssen zur Restwasserfassung lokale Maßnahmen der offenen Wasserhaltung mittels Drainagen und Pumpensümpfen in erforderlichem Umfang vor Ort festgelegt werden.

6.5.7

Versickerung

Nur noch in seltenen Fällen ist es möglich und zulässig, das bei Wasserhaltungsanlagen geförderte Grund- und Oberflächenwasser in vorhandene Entsorgungsanlagen – Kanäle oder natürliche Vorflut – abzuleiten.

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

315

In vielen Fällen wird seitens der Genehmigungsbehörden die Forderung erhoben, das geförderte Grundwasser außerhalb der Baugrube dem Grundwasserhaushalt wieder zuzuführen. Bei dichten Baugruben, d. h. Baugruben mit vertikalen und horizontalen Abdichtungen, ist dies in der Regel problemlos der Fall, da das Grund- und Oberflächenwasser direkt außerhalb der Baugrube wieder eingeleitet werden kann. Schwierig gestaltet es sich bei nicht dicht umschlossenen oder frei geböschten Baugruben. Hier kann das geförderte Wasser nicht unmittelbar neben der Baugrube in den für die Trockenlegung der Baugrube erforderlichen Absenktrichter versickert werden, da sich dann die gewünschte Absenkung nur bedingt einstellen kann bzw. im ungünstigsten Fall bei Förderung und Versickerung von großen Wassermengen sich keine Absenkung einstellt. Die Versickerung muss so weit von der Baugrube entfernt angeordnet werden, dass eine Überlagerung von Absenk- und Aufstautrichter, auch unter Berücksichtigung der natürlichen Abflussbedingungen des Grundwassers, ausgeschlossen ist. Sollte bedingt durch örtliche Zwänge dieser Zustand nicht hergestellt werden können, muss der Anteil der Umläufigkeit zwischen Förder- und Versickerungsanlage auf jeden Fall berücksichtigt werden. Folgende Arten der Versickerung sind üblich:

6

– Versickerung durch vertikale Bohrbrunnen – Versickerung durch vertikale Schachtbrunnen – Versickerung durch offene Sickerbecken. Zusätzlich besteht bei geeigneten örtlichen und geologischen Bedingungen die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der Versickerung durch Druckbeaufschlagung der Brunnen zu erhöhen. 6.5.7.1 Versickerung mit Bohrbrunnen Bei dieser gebräuchlichsten Art der Wiederversickerung des Grundwassers in den Boden werden in der Regel Mehrbrunnenanlagen erforderlich, d. h., dass neben der einzelnen Brunnenleistung auch die Überlagerung der Einzelbrunnen zu berücksichtigen ist. In der Fachliteratur [3] sind Berechnungsverfahren für Mehrbrunnenanlagen mit und ohne Beeinflussung durch die Absenkanlagen beschrieben. Auf diese Verfahren soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da dadurch der Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung gesprengt würde. Grundsätzlich gelten für die Dimensionierung der Versickerung die gleichen Berechnungsgrundlagen wie für die Grundwasserabsenkung. Zur Ermittlung der Gesamtleistung der Versickerungsanlage gilt nach Dupuit/Thiem bzw. Forchheimer: −Qs =

Qs =

2   k x  H 2 − ( H + z )   

ln R − ln ARe

  k x ( 2 H  z + z2 ) ln R − ln A Re

(6.72)

316

6 Wasserhaltung

bzw. für gespannte Verhältnisse

−Qs = Qs =

2    k  m  H − ( H + z ) ln R − ln ARe

2    k  m z ln R − ln ARe

(6.73)

Für Einzelbrunnen gilt ARe = Brunnenradius. Für die Leistungsfähigkeit der Einzelbrunnen kann nach der Empfehlung von Herth/Arndts nur ein Viertel der horizontalen Durchlässigkeit des anstehenden Grundwasserleiters angesetzt werden.

ks =

k 4

6

Bild 6-46 Versickerungsbrunnen bei Grundwasser mit freier Oberfläche

Bild 6-47 Versickerungsbrunnen bei Grundwasser mit gespannter Oberfläche

(6.74)

6.5 Berechnung der Wasserhaltung

317

Bild 6-48 Mehrbrunnenanlage

6

Die Leistungsfähigkeit der Einzelbrunnen ergibt sich dann nach Sichardt:

qBrunnen = D    h ' wobei h = H + z + zEB

ks 15

,

(6.33)

z EB = Aufstau am Brunnen.

Für temporäre Grundwasserabsenkungen kann mit hinreichender Genauigkeit die Anzahl der erforderlichen Brunnen dann mit

n=

QFörderung qBrunnen

ohne weiteren Nachweis ermittelt werden, unter Voraussetzung

Qs  QFörderung 6.5.7.2 Versickerung über Schachtbrunnen Hier gelten, unter der Voraussetzung, dass die Sickerschächte in das Grundwasser eintauchen, die gleichen Bemessungskriterien wie bei Bohrbrunnen. Es muss berücksichtigt werden, dass die Filtereintrittsfläche von gelochten Betonfertigteilen nur einen geringen Bruchteil der Eintrittsfläche von Schlitzbrückenfiltern bzw. geschlitzten Filtern ausmacht. Bei Versickerung über dem Grundwasserspiegel – also im sogenannten ungesättigten Bereich – ist darauf zu achten, dass einerseits die Durchlässigkeit des Baugrundes deutlich geringer ist als im wassergesättigten Bereich und die Versickerung vorwiegend über die Sohlfläche der Schächte erfolgt. Bei horizontal geschichteten Böden kann dies dazu führen, dass das Sickerwasser nicht direkt in den Grundwasserleiter eingeschichtet werden kann. Auf die Bemessung derartiger Versickerungen im ungesättigten Bereich soll hier nicht eingegangen werden. Es wird auf das ATV-Regelwerk Arbeitsblatt ATV-DVWK-A138 hingewiesen, wo der Berechnungsgang in Berechnungsbeispielen erläutert ist.

318

6 Wasserhaltung

6.5.7.3 Versickerung über Erdbecken

Bild 6-49 Sickerbecken

Die Leistungsfähigkeit derartiger Becken kann nach Sichardt wie folgt ermittelt werden:

k 15 U = Umfang des Beckens h = H + z Q = U  h 

6

(6.75)

h = z bei Aushub des Beckens bis Wasserspiegel

k 15  k = Durchlässigkeit des Bodens im ungesättigten Bereich

Q = 2 ( L + B ) z 

(6.76)

Auch hier ist zu berücksichtigen, dass horizontale Schichtungen unterhalb des Sickerbeckens zu Beeinträchtigungen der Sickeranlage führen können. Eine weitere Möglichkeit zur Bemessung von Sickerbecken ist in dem unter dem in Punkt 6.5.7.2 erwähnten ATV-Arbeitsblatt nachzulesen. Als wirkungsvollste Art der Versickerung kann die Wiedereinleitung des Grundwassers über Vertikalbrunnen angesehen werden da hierbei die gesamte Profilsäule des anstehenden Baugrundes über die Brunnen angesprochen wird.

6.6

Ausführung der Wasserhaltung

6.6.1

Schwerkraftentwässerung mit Brunnen

6.6.1.1 Bohrung herstellen Die für Grundwasserabsenkung erforderlichen Brunnen mit Durchmessern zwischen 500 und 1000 mm bis 30 m Tiefe (und auch tiefer) werden üblicherweise mittels verrohrter Bohrungen hergestellt. Aus Termin- und Kostengründen sind für die Herstellung dieser Bohrungen nur noch selten Greiferbohrgeräte in Gebrauch, üblicherweise werden die für die Herstellung von Pfählen und Bohrträgern gebräuchlichen Drehbohranlagen verwendet. Spülbohrungen ohne Verrohrung kommen nur selten bei tiefen Brunnen zur Anwendung. Der Nachteil der Drehbohrungen zur klassischen Greiferbohrung liegt in der Ungenauigkeit bei der Aufnahme des geologischen Profils, da durch die eingesetzten Bohrwerkzeuge pro Hub eine wesentlich stärkere Schicht als bei der Greiferbohrung gelöst wird. Die Schichtgrenzen unterschiedlicher geologischer Abfolgen sind dabei nur auf 0,50 bis 1,0 m genau feststellbar. Bei feingliedrigen

6.6 Ausführung der Wasserhaltung

319

Schichtungen mit geringer Schichtstärke ist das Erkennen einzelner Schichten fast unmöglich. Vorteil der Drehbohrungen sind die hohen Bohrleistungen. Folgendes ist bei der Herstellung der Bohrungen zu beachten: – Die Bohrung sollte im Gegensatz zur Pfahl- oder Trägerbohrung nicht oder nur mit geringer Vorauseilung der Verrohrung hergestellt werden. – Die Verrohrung darf nur schockierend mit geringem Ausschlag links-rechts und nicht drehend eingebracht werden, um ein Verschmieren der Bohrlochwandung zu vermeiden, was zu erheblichen Leistungsverlusten des Brunnen führen kann. – Das Vorgesagte gilt auch für den Rückbau der Verrohrung nach Brunnenausbau, da beim Drehen der Verrohrung das Drehmoment über die Filterkiesschüttung auf den Filterausbau übertragen werden kann, was zur Zerstörung des Ausbaus führt. – Beim Drehbohren werden im Gegensatz zur Greiferbohrung mehr Feinteile im Grundwasser aufgewirbelt und in der Schwebe gehalten, wodurch sich vor Einbau des Ausbaus erhebliches Setzgut ablagert, was den Filtereinbau erschwert, teilweise auch unmöglich macht. Bei hohem Schwebstoffanteil in der Bohrung empfiehlt sich vor Einbau des Filterkörpers das Abpumpen dieses Wasser-Boden-Gemisches bei gleichzeitiger Frischwasserzugabe. Ebenfalls zu beachten ist, dass bei derartigen „Dickspülungen“ sich der Einbau des Brunnenfilters durch das langsame Fluten des Ausbaus ebenso verzögert wie das Einbringen der Filterkiesschüttung, besonders bei feinkörnigen Filtersanden mit geringen Sinkgeschwindigkeiten. – Die erbohrte geologische Abfolge muss dokumentiert und mit den Vorgaben vorhandener Aufschlüsse verglichen werden. Dies ist insbesondere für die Aufteilung von Filter- und Vollrohrstrecken, für die Festlegung der Filterkiesschüttung und erforderlichen Tonsperren wichtig. 6.6.1.2 Brunnenausbau Nach Fertigstellung der Bohrungen ist zu überprüfen, ob der vorgesehene Brunnenausbau mit der vorgegebenen geologischen Abfolge harmoniert. Ist dies nicht der Fall, so ist abgestimmt auf das erbohrte geologische Profil ein Ausbauvorschlag zu erstellen und dem Bauherrn oder dessen Vertreter zur Freigabe vorzulegen. Die Aufteilung des Ausbaus nach Filter- und Vollrohren erfolgt anhand der vorhandenen wasserführenden Schichten. Wenn möglich sollte der Einbau von Filterstrecken innerhalb von Baugruben über der Baugrubensohle vermieden oder auf ein Mindestmaß beschränkt werden, oder die Filterstrecke wird über der Baugrubensohle durch ausreichende Maßnahmen gegen Feinteileintrag während der Erdarbeiten gesichert. Es ist zu gewährleisten, dass der Brunnenausbau zentrisch in die Verrohrung eingesetzt wird. Dies geschieht durch entsprechende Abstandhalter. Die Förderpumpe sollte auf jeden Fall in einem geschlossenen Rohr im Bereich der Brunnenunterkante eingebaut werden, um einen ständigen Feinteilaustrag im Ansaugbereich der Pumpe zu vermeiden. Die Filterkiesschüttung sollte nach den Regeln des Brunnenbaus gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 113 erfolgen. Irrtümlicherweise wird vielfach die Festlegung der Schüttkorngrößen nach den Filterregeln der Bodenmechanik gefordert. Bei diesem Kriterium sollen durch das angestrebte Körngrößenverhältnis zweier unterschiedlicher Böden innere Erosionserscheinungen durch die Schleppkraft des Grundwassers vermieden werden. Beim Brunnenbau soll dagegen die Förderleistung auf ein vertretbares Maximum gesteigert werden. Beim Anfahren der Brunnen ist das Herauslösen von Feinteilen aus dem anstehenden

6

320

6 Wasserhaltung

Grundwasserleiter in der Brunnenumgebung zum Aufbau eines natürlichen Filters außerhalb des Brunnens zur Erhöhung der Ergiebigkeit gewünscht. Genau dies würde nach den Filterregeln der Bodenmechanik verhindert. Aus der regionalen Verfügbarkeit haben sich als grobe Näherung folgende Filterkiesschüttungen als geeignet erwiesen: – bei anstehenden sandigen Kiesen – bei anstehenden Mittel- bis Grobsanden – bei anstehenden schluffigen Feinsanden

Filterkies 4 bis 8 mm Filterkies 2 bis 3 mm Filterkies 1 bis 2 mm

Der gewählt Körnungsbereich der Filterkiesschüttung bestimmt auch die erforderliche Schlitzweite bzw. Lochgröße der Brunnenfilter. Die Stärke der Filterkiesschüttung sollte nicht mehr als 30 bis 50 cm betragen, ansonsten wird eine mögliche Reinigung des Filterkörpers von Ablagerungen und Inkrustierungen erschwert. Wichtig ist die gleichmäßige zentrische Schüttung des Filtermaterials.

6

Auf die Umwicklung des Brunnenausbaus mit Filtergeweben soll verzichtet werden, da sich nach den Erfahrungen des Verfassers vermehrt Feinteile ablagern, die zu einem raschen Leistungsverlust der Brunnen führen. Bei geringem Grundwasserzutritt in die Brunnen beim Bohren kommt es vor, dass der Wasserstand in den Brunnen vor Rückbau der Verrohrung tiefer als außerhalb des Brunnens ansteht. Hier empfiehlt es sich, den Wasserspiegel im Brunnen vor Rückbau der Verrohrung auf den äußeren Wasserspiegel anzugleichen – besser noch zu erhöhen –, um mindestens einen Potenzialausgleich zu erzielen. Dadurch wird ein unerwünschter Feinteileintrag in die Brunnen beim Ziehen der Verrohrung vermieden. Werden verschiedene durch undurchlässige Schichten getrennte Grundwasserhorizonte durchfahren, so sind diese Grundwasserhorizonte, soweit von der Wasserwirtschaft gefordert, durch entsprechende Abdichtungen bereits im Bauzustand zu trennen, oder die Brunnen sind im Zuge des Rückbaus dicht zu verfüllen und die Filterkiesschüttungen durch geeignete Materialien – z. B. Dämmer oder Zement – zu verpressen. Für die Trennung einzelner Horizonte im Bauzustand werden in der Regel quellfähige Ton-Bentonit-Granulate verwendet. Zur Verhinderung der Verunreinigung der Filterkiesschüttung durch Tonsperren werden am Übergang zur Filterkiesschüttung ca. 0,50 m starke Sandschichten empfohlen. Es sollte nur darauf geachtet werden, dass der Rückbau der Bohrlochverrohrung vor dem Aufquellen des Dichtungsmaterials erfolgt, da ansonsten Schäden an der Tonsperre zu erwarten sind bzw. der Ausbau mit der Bohrlochverrohrung gezogen werden kann. Nach Fertigstellung des Brunnenausbaus sind der Ruhewasserspiegel einzumessen und der Brunnenausbau und die Filterkiesschüttung von möglichem Setzgut zu reinigen. Gegebenenfalls kann die Reinigung der Filterkiesschüttung auch durch zusätzliche Maßnahmen wie Entsandungspumpen und Kolben erfolgen, wobei gleichzeitig eine Leistungssteigerung der Brunnen erfolgt. Für diese Maßnahmen wird auf die einschlägigen DVGW-Richtlinien verwiesen. Die Herstellung von Schachtbrunnen erfolgt in der Regel durch gelochte Betonfertigteile, deren Filtereintrittsfläche gegenüber Schlitzbrückenfiltern nach DIN 4922/4923 oder PVC-Filtern nach DIN 4925 nur gering ist. Der Hauptwasserandrang erfolgt über die Sohlfläche und setzt voraus, dass unterhalb der Schachtsohle durchlässiges Material in ausreichender Mächtigkeit ansteht. Derartige Brunnen sind nur für geringe Absenkungen bis maximal 1,0 m im Zusammenwirken mit Drainleitungen zu empfehlen.

6.6 Ausführung der Wasserhaltung

321

Die Grundwasserentnahme erfolgt über Unterwasserpumpen bzw. Tauchkörperpumpen. Vorteil der Unterwasserpumpen, die vorwiegend in der Trinkwasserversorgung eingesetzt werden, sind die schlanke Ausführung, die günstige Leistungsbilanz, die nahezu unbegrenzten Förderhöhen sowie die günstigen Anschaffungskosten. Nachteilig sind die Bauhöhe sowie die geringere Verschleißfestigkeit gegenüber mechanisch verunreinigtem Grundwasser. Vorteile der Tauchkörperpumpen sind die geringe Bauhöhe, die tief liegende Ansaugung des Grundwassers und die Verschleißfestigkeit gegen mechanisch verunreinigtes Grundwasser. Nachteilig können der größere Platzbedarf, die geringeren Förderhöhen und die höheren Anschaffungskosten sein. Bei Kombination unterschiedlicher Pumpentypen sollten die Förderbedingungen angeglichen werden. Bei Mehrbrunnenanlagen ist darauf zu achten, dass alle Brunnen zur Vermeidung von Umläufigkeiten mit Rückschlagklappen zu versehen sind. Die Zuleitungen von den Brunnen zu den Ableitungen sollten aus starren zugfesten Leitungen oder aus hochfesten, formstabilen und armierten Schläuchen bestehen, Schnellkupplungsrohre sollten hier vermieden werden. Im Anschluss an die Sammelleitung empfiehlt sich der Einbau von Absperr- und Drosselschiebern zum Einregulieren oder Auswechseln von Pumpaggregaten. Für die Dimensionierung des gesamten Leitungssystems sei auf das DVGW-Arbeitsblatt W 302 hingewiesen. Bei Winterbetrieb ist auf die Frostsicherheit des hydraulischen Systems zu achten. Bei starkem Grundwasserandrang reicht es in der Regel, die Absperrorgane zu isolieren. Bei geringem Grundwasserandrang kann es zur Verhinderung von Frostschäden erforderlich werden, das gesamte Leitungssystem über Heizdrähte am Einfrieren zu hindern. Bei der Versorgung mit elektrischer Antriebsenergie ist darauf zu achten, dass die Einspeisung vom Netz des Versorgungsträgers unabhängig vom übrigen Baustrom erfolgt. Die Stromverteilung sollte so über Steueranlagen erfolgen, dass eine gegenseitige Beeinflussung der Pumpen ausgeschlossen ist, d. h., pro Pumpe ist je ein Motorschutz und ein Fehlerstromschutzschalter vorzusehen. Ebenfalls sollte die Möglichkeit der Zuschaltung von wasserstandsabhängigen Steuerungen gegeben sein. Derartige Steuerungen sind jedoch nur bei geringer Förderleistung der Pumpen und geringer Schaltfrequenz möglich. Empfehlenswert ist auch der fixe Einbau von Betriebsstundenzählern. Zur Absicherung der elektrischen Versorgung sollte eine vom Netz unabhängige, automatisch zuschaltende Notstromversorgung installiert und regelmäßig überprüft werden. Versorgungsleitungen und Steuerkabel sind so zu verlegen, dass sowohl die ständige Zugängigkeit als auch der Schutz vor mechanischer Beschädigung und Wasserschäden gewährleistet ist.

6.6.2

Vakuumentwässerung

6.6.2.1 Vakuumbeaufschlagung von Schwerkraftbrunnen Zur Erhöhung der Brunnenleistung ist es bei schwach durchlässigen Böden sinnvoll, Schwerkraftbrunnen mit Unterdruck zu beaufschlagen. Voraussetzung hierfür ist die luftdichte Ausführung der Brunnen zumindest über dem abgesenkten Grundwasserspiegel. Dafür werden die Verbindungen des Brunnenausbaus je nach Material und Verbindungsart in luftdichter Ausführung hergestellt, im Ringraum des Brunnen zwischen Ausbau und Bohrlochwandung werden im Vollrohrbereich Tonsperren vorgesehen. Den oberen Abschluss des Brunnenausbaus bilden sogenannte Vakuumbrunnenköpfe mit dichten Rohr- und Kabeldurchführungen. Die Brunnen sollten vor der Beaufschlagung mit Unterdruck einige Zeit – 1 bis 2 Wochen – nur mit Schwerkraft betrieben werden. Die Vakuumbeaufschlagung erfolgt durch externe

6

322

6 Wasserhaltung

Luftpumpen, an die je nach anstehendem Boden und gewünschtem Unterdruck mehrere Brunnen angeschlossen werden können. Der Unterdruck sollte bei 0,20 bis 0,50 bar liegen. Die Unterdruckbeaufschlagung sollte langsam in mehreren Stufen erfolgen. Die angeschlossenen Brunnen dienen als Ausgleichsbehälter. Zur Einhaltung eines möglichst konstanten Unterdruckes in den Brunnen werden die Luftpumpen druckabhängig gesteuert. Bei geringem Flurabstand des Grundwassers muss durch eine entsprechende Steuerung und Alarmeinrichtung im Brunnen gewährleistet sein, dass bei Ausfall einer Unterwasserpumpe im Brunnen das Grundwasser nicht in die Luftpumpen gesaugt werden kann. 6.6.2.2 Vakuumwasserhaltung

6

Bei der Entwässerung feinkörniger Böden und flach liegendem Grundwasserspiegel sowie geringen Absenktiefen werden als kostengünstigere Alternative zu den mit Vakuum beaufschlagten Schwerkraftbrunnen Kleinbrunnen mit geringen Abständen unter Vakuum betrieben. Dabei dient die Vakuumbeaufschlagung im Wesentlichen zum Heben und Abfördern des Grundwassers. Die Brunnen werden über luftdichte Verbindungen in gemeinsamen Leistungssystemen zusammengefasst. Das anfallende Grundwasser wird zentralen Vakuumpumpen zugeführt und durch Tauchkörperpumpen an die Vorflut weitergegeben. Die Anzahl der pro Pumpanlage angeschlossenen Brunnen liegt je nach Wasseranfall und Leitungswegen zwischen 30 und 50 Stück. Die Leistung der Brunnen sollte nicht über 0,5 bis 1,0 l/s angesetzt werden. Es sollte beachtet werden, dass für das gesamte Fördersystem nicht der an der Pumpe, sondern der an dem von der Pumpe entferntest gelegenen Brunnen gemessene Unterdruck maßgeblich ist. Neben dem Luftverlust in den Brunnen ist mit Fremdluftzufuhr in den vielen Rohrverbindungen und Anschlüssen zu rechnen. Da der Grundwasserandrang zu den Einzelbrunnen unterschiedlich ist, können einzelne Brunnen im laufenden Betrieb trockenfallen, wodurch zusätzlich Lufteintrag in das System erfolgt, was dann zum Ausfall des gesamten Systems führen kann. Dieser Zustand kann durch zwei Maßnahmen auf einfachste Weise unterbunden werden: – Die Brunnentiefe und damit die Filtereintrittsstrecke wird so gewählt, dass das Vakuumsystem nicht in der Lage ist, das Grundwasser bis dahin abzusenken. – Der Standort der Pumpanlage wird so gewählt, dass der Unterdruck nicht ausreicht, das Grundwasser bis zur Filterstrecke abzusenken. Bei ausgefilterten, gebohrten Kleinbrunnen ist, soweit der Luftzutritt nicht anderweitig unterbunden werden kann, zwischen Brunnenausbau und Bohrloch-Wandung eine Tonsperre einzubauen. Um dem anstehenden Boden keine Feinteile zu entreißen, sollten die Vakuumpumpen mit geringem Unterdruck angefahren und langsam auf volle Leistung gesteigert werden. Dies kann z. B. durch gezielte Fremdluftzufuhr erfolgen. Es ist normal, dass der Unterdruck auch bei optimalen Förderbedingungen im Betrieb abfällt. Die ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass mit zunehmender Absenkung des Grundwassers das ursprünglich mit Wasser gefüllte Porenvolumen des Baugrundes durch Luft aufgefüllt wird.

6.6.3

Offene Wasserhaltung

Der Einsatz von offenen Wasserhaltungen wird im Allgemeinen bei geringen Absenkungen – bis 1,0 m – und geringen Förderwassermengen vorgesehen. Bei tieferen Absenkungen müsste

6.7 Fehlerquellen der Wasserhaltung

323

die Fassungsanlage mehrfach in der Tiefe versetzt werden, was sowohl aus Kostengründen als auch aus baubetrieblichen Gründen nicht zu empfehlen ist. Eine Ausnahme stellen gefräste Drainagen dar, die bis ca. 6,0 m Tiefe ab Planum hergestellt werden können und damit eine Alternative zur Grundwasserabsenkung bis 3 m Absenktiefe darstellen. Bei flächiger Einbringung dieser Drainart ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die dabei verursachten Baugrundauflockerungen unterhalb der Baugrubensohle tolerierbar sind. Die Fassungsanlage der offenen Wasserhaltung besteht aus Drainagegräben/Drainageleitungen, Flächendrainungen und Pumpensümpfen. Wichtig ist wie bei den vorbeschriebenen Absenkbrunnen die Filterstabilität der Fassungsanlage. Dafür werden die Drainagen mit auf den anstehenden Boden abgestimmten Filterkies ummantelt. Bei feinkörnigen Böden werden die Drainagegräben zusätzlich mit Filtergewebe ausgekleidet. Bei gefrästen Drainagen haben sich kokosummantelte Drainageleitungen bewährt. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, dass bei geschichteten und schwach durchlässigen Böden der Zulauf des Grundwassers zu den Drainageleitungen über eine ausreichende Verfilterung des gefrästen Schlitzes erfolgt. Bei den Pumpensümpfen können bei stark durchlässigen Böden gelochte Fertigteile verwendet werden. Es ist jedoch zu beachten, dass auf Grund der geringen Eintrittsfläche die Anströmgeschwindigkeit zu den Bohrungen in den Schachtwänden groß ist, was wiederum zur Anlagerung von aus dem Boden ausgespülten Feinteilen an diesen Öffnungen führen kann. Die Sohle der Schächte kann durch ausreichende Filterkiesschüttung vor Feinteilaustrag geschützt werden. Bei feinkörnigen Böden empfiehlt sich eine geschlossene Schachtausführung und Entwässerung lediglich über die Drainageleitungen. Die Pumpensümpfe dienen dann nur zur Aufnahme der Förderpumpen. Zur Unterstützung der offenen Wasserhaltung im stationären Zustand ist es bei feinkörnigen Böden, nicht zuletzt zum Schutze des Gründungskörpers, sinnvoll, in Zuge der Aushubarbeiten die Baugrubensohle mit einem Flächenfilter mit Anschluss an das Drainagesystem abzudecken.

6.7

Fehlerquellen der Wasserhaltung

6.7.1 Wahl des Wasserhaltungssystems Die Wahl des Wasserhaltungssystems ist abhängig von dem gewünschten Erfolg: – Trockenlegung der Baugrube mit geringst möglichem Aufwand – Bodenstabilisierung durch Entzug des Grundwassers – Gewährleistung der Auftriebssicherheit der Baugrubensohle und abhängig von den vorhandenen hydro-geologischen Verhältnissen. Bei geringen Absenkungen – bis 1,0 m – und hoher Durchlässigkeit sowie bei Kluftwasser ist eine offene Wasserhaltung sinnvoll auch zur Minimierung der Förderwassermenge. Darüber hinaus ist Schwerkraftbetrieb mit und ohne Vakuumunterstützung notwendig. Bei geringen Durchlässigkeiten und Absenktiefen bis etwa 5,0 m ist der Einsatz von Vakuumkleinbrunnen eventuell auch von gefrästen Drainagen sinnvoll. Bei Kleinbrunnen ist zu unterscheiden zwischen Spülfilteranlagen und gebohrten, ausgefilterten Kleinbrunnen. Spülfilteranlagen neigen zur Versandung und sind nur für kurze Betriebs-

6

324

6 Wasserhaltung

dauer vorbehaltlos zu empfehlen. Gebohrte, sorgfältig ausgefilterte Kleinbrunnen zeigen nach umfangreichen Erfahrungen des Verfassers auch bei Einsatzdauer von über 1 Jahr keine Ermüdungserscheinungen. Beachtet werden sollten auch vorhandene Nachbarbebauungen. Zu Einschränkung von Setzungsgefährdungen sollten zur Reduzierung der Reichweite des Absenktrichters die Brunnentiefe gering gehalten werden. Vorhandene die Wasserhaltung tangierende bauliche Anlagen, die sowohl durch Setzungsgefährdung bei Absenkung des Grundwassers als auch durch Vernässung bei Wiederversickerung des Grundwassers geschädigt werden können, sind zu berücksichtigen. Ebenfalls ist der Einfluss von Wasserhaltungsmaßnahmen auf bestehende Grundwassernutzungen zu beachten.

6.7.2

6

Dimensionierung der Wasserhaltung

– Bemessungswasserspiegel: Bei der Wahl des Bemessungswasserspiegels sollten jahreszeitliche Schwankungen berücksichtigt werden. Die Auslegung der Anlage hat nach den zu erwartenden Spitzen zu erfolgen. – Entnahmetiefe: Bei der Wahl der Entnahmetiefe sind zu berücksichtigen: – Sollen vollkommene oder unvollkommene Brunnen hergestellt werden? – Werden große Wassermengen (bei kurzer Betriebszeit) oder geringe Wassermengen (bei langer Betriebszeit) gewünscht? – Wie wirkt sich die Wasserhaltung auf vorhandene Anlagen aus? – Brunnenaufteilung: Die Aufteilung der Brunnen sollte auf die Profilierung der Baugrubensohle abgestimmt sein. (Je tiefer die Baugrube, umso geringer die Brunnenabstände.) – Brunnendurchmesser: Die Leistungsfähigkeit des Einzelbrunnens ist linear vom Brunnendurchmesser abhängig. Die Regenerierfähigkeit der Brunnen sollte beachtet werden. – Durchlässigkeit: Die Durchlässigkeit des Aquifers wird im Vorfeld der Baumaßnahme nur in seltenen Fällen durch einen Pumpversuch, aber meistens aus Kornverteilungen ermittelt, aus Erfahrung geschätzt oder aus Pumpversuchen in Pegelausbauten bei geringer Aussagekraft ermittelt. Die Dimensionierung sollte dann als Worst-case-Betrachtung zwischen plausiblen Grenzwerten ausgeführt werden. Im Zuge der Installation der Grundwasserabsenkungsanlage kann mit verhältnismäßig geringem Aufwand ein Kurzpumpversuch unter Betriebsbedingungen gefahren werden. – Bewertung von Baugrubenumschließung: Der Einfluss von nur vertikalen Baugrubenumschließungen wird vielfach überschätzt und sollte nicht überbewertet werden. Die Absenkung außerhalb der Baugrube erfolgt oft mit zeitlicher Verzögerung bis in die Größenordnung der inneren Absenkung. Die Berechnungen sollten in sich schlüssig sein. Häufig wird die Förderwassermenge aus der Baugrubenfläche nach Dupuit/Thiem, die Einzelleistungen der Brunnen werden bei geschätzter Filtereintrittshöhe ohne näheren Nachweis ermittelt, was in der Regel zu falschen Einzelförderleistungen und falschen Brunnenanzahlen führt. Bei der Bewertung der Berechnungsergebnisse müssen alle Unwegsamkeiten der eingehenden Berechnungsparameter gewertet werden. Es sollten zwischen den Berechnungsergebnissen und den Möglichkeiten der geplanten Anlage ausreichende Sicherheiten vorgesehen werden. Es ist schlichtweg unsinnig, aus unsicheren Aquiferdaten z. B Wassermengen oder Absenkdaten im Kommastellenbereich als verbindlich anzusehen. Auch muss man davon ausgehen, dass lokale Störungen im Baugrund, sei es durch geologische Abweichungen oder künstliche Veränderungen, Anpassungen an der Wasserhaltungsanlage erforderlich machen.

6.7 Fehlerquellen der Wasserhaltung

325

Zusätzlich sollte bei der Bewertung von Wasserhaltungsberechnungen bedacht werden, dass alle vorauseilenden hydro-geologischen Untersuchungen auf das jeweilige Baufeld bezogen sind, die Dimensionierung der Wasserhaltung sich jedoch auf deren Reichweite bezieht, die erheblich über das Baufeld hinausgeht. Neben zu erwartenden hydrogeologischen Abweichungen haben gerade im innerstädtischen Bereich vorhandene Einbauten in das Grundwasser einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.

6.7.3

Ausführung

Brunnenherstellung: Die Herstellung der verrohrten Bohrungen sollte nicht mit vorauseilender und durchdrehender Verrohrung erfolgen. Dies kann zu einer Vorverdichtung des Bodens und zur Verdichtung der Bohrlochwandung führen. Fehlerhafte Aufnahme des geologischen Profils der Bohrung führt zu falschem Brunnenausbau. Beim Bohren ist mit starkem Schwebstoffgehalt im Grundwasser innerhalb der Bohrung zu rechnen, was zu Erschwernissen beim Brunnenausbau führt. Bei starker Verschmutzung ist ein Austausch dieser „Dickspülung“ gegen klares Wasser sinnvoll. Der Brunnenausbau muss zentrisch im Bohrloch eingebracht werden. Kontakt zur Bohrlochwandung führt zu lokalen Fehlstellen in der Ausfilterung und somit zu Feinteileintrag in die Brunnen. Die Schlitz- oder Lochweite der eingebauten Filterrohre muss auf die Filterkiesschüttung abgestimmt sein. Die Filterkiesschüttung sollte zentrisch erfolgen, um den Ausbau nicht zu verschieben. Das Schüttkorn sollte ausreichend hoch über der rückzubauende Verrohrung eingebracht werden, um Fehlstellen der Ausfilterung zu vermeiden. Für die Filterkiesschüttung darf nur Rundkorn, kein gebrochenes Material verwendet werden. Für den Einbau von wirksamen Tonsperren sollte quellfähiges Material verwendet werden. Die Quellzeit muss auf die Arbeitsgeschwindigkeit beim Rückbau der Bohrlochverrohrung abgestimmt sein. Voraussetzung des Quellvorganges ist das Vorhandensein von Wasser. Beim Durchfahren der Brunnen von unterschiedlichen Grundwasserstockwerken ist es erforderlich, die Trennung dieser Stockwerke nach Fertigstellung der Wasserhaltung durch angepasstes Verfüllen der Brunnen und Verpressen der Filterkiesschüttung wiederherzustellen. Dafür sind bei der Brunnenherstellung Verpressleitungen einzubauen. Bei vorgesehener Vakuumbeaufschlagung der Brunnen ist der Ausbau luftdicht herzustellen. Beim Rückbau der Bohrlochverrohrung darf nur mit geringen Drehbewegungen gearbeitet werden, da ansonsten mit der Zerstörung des Ausbaus gerechnet werden muss. Nach Fertigstellung der Brunnen sind diese sofort zu reinigen und zu entschlammen. Soweit erforderlich, können Maßnahmen der Entsandung des Brunnenringraumes durchgeführt werden – Kolben, Schockentsanden. Die fertige Brunnentiefe ist zu protokollieren. Die Brunnen sind bis zur Installation dicht und unfallsicher zu verschließen. Pumpenistallation: Die Unterwasser- oder Tauchkörperpumpen sind in die dafür vorgesehenen Vollrohr- und Sumpfstrecken einzubauen. Steigleitungen sind zugfest auszubilden oder

6

326

6 Wasserhaltung

an Seilen aufzuhängen. Versorgungs- und Steuerkabel sind vor mechanischen Beschädigungen zu schützen. Bei Einbau von Sondensteuerungen sollen die Kabel während des laufenden Betriebes in der Höhe verändert werden können. Alle Pumpen sind mit Rückschlagklappen zu versehen, um bei Pumpenausfall einen Rückfluss in die Brunnen zu verhindern. Die Pumpen sind bei Inbetriebnahme der Wasserhaltungsanlage langsam auf ihre volle Leistung hochzufahren. Bei stark verschmutztem Grundwasser bei Betriebsbeginn können die Brunnen zur Reinigung in das Baufeld entwässern. Ebenso sind bei Vakuumanlagen und bei Vakuumbeaufschlagung von Schwerkraftbrunnen die Luftpumpen langsam auf volle Leistung zu steigern. Elektroinstallation: Die Einspeisung der elektrischen Energie muss unabhängig von der Baustellenversorgung erfolgen. In den Verteileranlagen ist jede Pumpe mit einem Motorschutz und einem Fehlerstromschutzschalter abzusichern. Ebenfalls sind Einrichtungen zur wasserstandsabhängigen Steuerung und zur Betriebsstundenzählung vorzusehen.

6

Alle Kabel sind jederzeit zugänglich zu verlegen und vor mechanischen Beschädigungen zu schützen. Steckkontakte sind, soweit dies möglich ist, zu vermeiden und nicht auf den Boden aufzulegen. Die Elektroversorgung ist gegen Netzausfall durch eine automatisch zuschaltende Notstromversorgung zu sichern. Alle Elektroanlagen sind hochwassersicher aufzustellen. Leitungssystem: Rohrleitungen innerhalb der Baugrube sollen aus stabilen Rohren oder hochfesten Druckschläuchen mit zugfesten Verbindungen ausgeführt werden. Auf Schnellkupplungsrohre sollte verzichtet werden. Die Dimensionierung der Rohrleitungen sollte großzügig sein, um hohe Reibungsverluste zu vermeiden. Einen Nutzen von unterdimensionierten Rohrleitungen hat in der Regel nur der Energieversorger. Die Leitungsführung sollte gestreckt sein, Hochpunkte, in denen sich Luftpolster ansammeln können, welche zu Einengungen des Leitungsquerschnittes führen, sollten vermieden werden. Bei unvermeidlichen Hochpunkten, z. B. bei Rohrbrücken, sind Be- und Entlüftungseinrichtungen einzubauen. Das gesamte Leitungsnetz sollte ein Höchstmaß an Schutz vor mechanischer Beschädigung gewährleisten. Bei Einbau von Druckerhöhungsmaßnahmen über Beckensysteme sollte ein unkontrolliertes Überlaufen der Becken bei Betriebsstörungen durch Notabschaltung der Wasserhaltungsanlage möglich sein. Dies gilt insbesondere bei Ableitung von kontaminiertem Grundwasser. Bei den für Vakuumanlagen gebräuchlichen Schnellkupplungsrohren sollte darauf geachtet werden, dass diese Verbindungen gegen unbeabsichtigtes Öffnen gesichert werden. Für alle Einzelteile einer Wasserhaltungsanlage sind ausreichend Ersatzteile zum kurzfristigen Einsatz vorzuhalten. Grundvoraussetzung für einen weitgehend störungsfreien Betrieb sind sorgfältige Planung und Ausführung der Installation sowie der pflegliche Umgang aller im Schutz dieser Anlage tätigen Gewerke mit dieser Anlage.

6.9 Literatur

6.8

327

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Baugrubensystem – Wasserhaltung

Die derzeitigen Techniken des Spezialtiefbaus ermöglichen auch unter ungünstigsten Bedingungen die Herstellung von dichten Baugruben mit nur geringen Restwasserhaltungen, deren Kosten im Verhältnis zu den Kosten der Baugrubenumschließung vernachlässigbar sind, abgesehen von Entspannungsmaßnahmen zur Auftriebssicherung der Baugrubensohlen. Zur Reduzierung der Kosten für aufwändige Baugrubenumschließungen für Dichtwände und Sohlen ist es oft sinnvoll, eine Lösung der Baugrubenherstellung durch nicht dichte Verbauwände im Schutz einer Grundwasserabsenkung anzudenken. Dadurch können je nach örtlichen Verhältnissen erhebliche Einsparungen erzielt werden. Vorraussetzung dafür sind: – Die erforderliche Absenkung des Grundwassers ist genehmigungsfähig. – Es sind keine baulichen oder ökologischen Schäden an vorhandenen Anlagen zu befürchten. – Die Grundwasserableitung zu einer Vorflut oder einer Versickerungsanlage ist möglich. – Kontaminationen im Grundwasser sind nicht zu erwarten und werden auch durch den laufenden Betrieb der Wasserhaltung nicht zur Baustelle mobilisiert.

6.9

Literatur [1] Davidenkoff, R. (1956): Angenäherte Ermittlung des Grundwasserzuflusses zu einer in einem durchlässigen Boden ausge-hobenen Grube. Mitteilungsblatt der Bundesanstalt für Wasserbau [2] Davidenkoff; R., Franke, L. (1966): Räumliche Sickerströmung in eine umspundete Baugrube im Grundwasser. Reliefänderungen in der Tidestromrinne des Wangerooger Fahrwassers im Verlaufe einer Sturmperiode und in der darauf folgenden Periode mit ruhigeren Wetterlagen (3) [3] Herth, W.; Arndts, E. (2017): Theorie und Praxis der Grundwasserabsenkung, 3. Aufl. Klassiker des Bauingenieurwesens. Ernst, Wilhelm & Sohn, Berlin [4] Kramer, J. (1978): Bemessung von Grundwasserabsenkungsanlagen mit Vakuumtiefbrunnen. Bauen im Grundwasser [5] Kruseman, G.; Ridder, N.d.; Uehlendahl, A. (1973): Untersuchung und Anwendung von Pumpversuchsdaten. Müller, Köln-Braunsveld [6] Nußbaumer, M. :Baugrubenumschließung – Standsicherheitsprobleme [7] Reitmeier, W. (Hrsg) (1995): Bestimmung der Transmissivität aus den Meßdaten kurzzeitig gefahrener Pumpversuche. COPLAN Ingenieurgesellschaft für Abwassertechnik mbh, Eggenfelden [8] Witt, K.J. (Hrsg) (2017): Grundbau-Taschenbuch, 8. Aufl. Ernst Wilhelm & Sohn, Berlin

6

7

Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung Claas Meier und Roland Börger

Industrielle Tätigkeiten und Produktionsprozesse haben in den letzten hundert Jahren mitunter zu weitreichenden und im Einzelfall gravierenden Belastungen der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft geführt. Altstandorte der Industrie, auf denen in der Vergangenheit mit wasser- bzw. umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, oder Altablagerungen, wie z. B. ungesicherte Deponien, sind nicht selten für die Freisetzung ökotoxischer Substanzen verantwortlich. Verschiedenste Schädigungen der belebten Umwelt waren bzw. sind die Folge, die als Verschlechterung der Umweltqualität und als Folge der Anreicherung von Toxinen in der Nahrungskette über die jeweiligen Wirkungspfade Boden – Gewässer – Luft – Pflanze – Tier – Mensch in gesundheitlichen Beeinträchtigungen der biotischen Welt zum Ausdruck kommen können. Aber auch bei der Wiederbelebung von Standortbrachen können derartige Belastungen virulent sein und den Einsatz geotechnischer Sanierungsverfahren zur Rekultivierung erforderlich machen, um eine erneute infrastrukturelle Nutzung mit betriebswirtschaftlicher Entwicklung der Flächen zu ermöglichen. Während es bei ungesicherten Deponien – die Standorte Hamburg-Georgswerder1, BielefeldBrake2, Dortmund-Dorstfeld3, Leverkusen-Dünnaue4 und Münchehagen5 haben in diesem Zusammenhang traurige Berühmtheit erlangt – oder bei Leckagen an Produktionsstandorten in der Regel zu punktförmigen Einträgen von Kontaminanten in Boden und Gewässer kommt, stellen Verunreinigungen der Abluft und der Abwässer aus Industrieanlagen oder aus kommunalen Einrichtungen überwiegend lineare bis flächige Einträge von Schadstoffen in die Umwelt dar. Gerade die Industrie- und Siedlungsgeschichte des 20. Jahrhunderts zeigt, dass es im Extremfall bis hin zu einer Destabilisierung natürlicher Stoffkreisläufe kommen kann, wie z. B. die Einträge von Phosphat oder Nitrat aus landwirtschaftlicher Nutzung in Gewässer erkennen lassen. Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen von Altlasten bzw. von Boden- und Gewässerverunreinigungen sind dann gegeben, wenn in der Vergangenheit auf Altstandorten über längere Zeiträume mit größeren Mengen an Schad- und/oder Gefahrstoffen umgegangen worden ist und die angewandten Verfahrensweisen es nahelegen, dass es zu Kontaminationen gekommen sein kann. Bei Altablagerungen kann eine solche Annahme dann getroffen werden, wenn Art und Zeit des Betriebs bzw. der Zeitpunkt der Stilllegung den Verdacht erhärten, dass das Deponat nicht sachgerecht behandelt worden ist oder die Ablagerungsfläche nicht in geeigneter Weise baulich hergerichtet sein könnte. Von Seiten des Gesetzgebers ist in der Vergangenheit als Folge eingetretener Schäden häufig versucht worden, mit Sanierungsauflagen und Grenzwerten einzuschreiten und regulierend

1,5 2 3 4

Unter anderem Ablagerung dioxinhaltiger Industrieabfälle auf einer ungesicherten Deponie. Sensible Wohnbebauung auf ungesichertem Deponiekörper mit unter anderem chemischen Abfällen. Sensible Wohnbebauung auf stark kontaminierter Fläche einer ehemaligen Zeche und Kokerei. Deponierung chemischer Abfälle und sprengstofftypischer Verbindungen (Nitroaromaten/Explosivchemikalien).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_7

330

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

nachzusteuern, um im Nachgang Umweltqualitätsstandards wieder herzustellen und reparierend tätig zu werden. Diese „End-of-Pipe“-Betrachtung, die erst im Versagensfall greift, sich als nachsorgender Umweltschutz versteht und auf verschiedenste geotechnische Verfahren zurückgreift, wird seit einiger Zeit durch eine Rechtsetzung auf europäischer Ebene mit einer stärker präventiven Ausrichtung als Ergebnis eines zwischenzeitlichen Paradigmenwechsels abgelöst. Mittels prospektiv-gestaltender Herangehensweise bereits bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen sowie bei der Genehmigung und Bewilligung industrieller Anlagen und Einrichtungen soll auf umweltschonende Techniken, Prozesse und Verfahren zurückgegriffen werden, um die Freisetzung schädlicher Substanzen bereits zu Beginn der Wertschöpfungskette wie auch beim späteren Gebrauch und der anschließenden Entsorgung nach Ablauf der Nutzungsphase zu vermeiden. Damit einher gehen energie- und ressourcenschonende Verfahren, die als behördliche Genehmigungsauflagen einem ganzheitlichen Ansatz folgen und zu einem produktionsintegrierten Umweltschutz (PIUS) führen. Als medienübergreifend ausgerichteter Ansatz können ganzheitliche Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme bei der Abkehr vom nachsorgenden und der Ausrichtung hin zum vorsorgenden Umweltschutz unterstützen.

7

Auch die Rechte des Einzelnen hat der Gesetz- und Verordnungsgeber als Lehre aus der Vergangenheit gestärkt. Das Umweltinformationsgesetz (UIG) 6 räumt jeder Person die Möglichkeit ein, nach Maßgabe des Gesetzes freien Zugang zu Umweltinformationen bei den auskunftspflichtigen Stellen zu erhalten. Mit dem Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) 7 wird der Inhaber einer technischen (Groß-)Anlage oder umweltrelevanten Einrichtung in Haftung genommen und zu Schadensersatz verpflichtet, wenn durch die Anlage oder Einrichtung ein Dritter oder eine Sache beschädigt werden. Kommt es durch vorsätzliches bzw. fahrlässiges Handeln oder durch bestimmte berufliche Tätigkeiten zu Umweltschäden, so reglementiert das Umweltschadensgesetz (USchadG)8 die Sanierungspflicht. Nicht nur nach Eintritt eines Schadensereignisses, sondern bereits bei einer solchen Besorgnis ist eine Informations-, Anzeige- und Mitteilungspflicht gegenüber den Umweltbehörden gegeben. Während bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts die Umweltrechtssetzung überwiegend national geprägt war, ist seit Anfang bis Mitte der 1990er Jahre die Rahmenkompetenz auf die Europäische Union (EU) übergegangen. Mittlerweile werden rund 80 % der grundlegenden Verordnungen und Richtlinien im Umweltbereich von der EU erlassen. Hierbei entfalten Verordnungen unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten, während Richtlinien der nationalen Umsetzung und Anpassung bedürfen. Geotechnische Verfahren zur Behebung eingetretener Schäden und Beeinträchtigungen bleiben aber weiterhin hochaktuell und werden zukünftig an Bedeutung noch gewinnen. Steigende Anforderungen an Umweltqualitätsstandards sowie zunehmender Ressourcen- und Energieverbrauch bei rasch wachsender Weltbevölkerung zwingen zu einem bewussteren und

6 7 8

Umweltinformationsgesetz (UIG) vom 22. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3704. Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) vom 10. Dezember 1990, BGBl. I, S. 2634, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017, BGBl. I, S. 2421, 2422. Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG) vom 10. Mai 2007, BGBl. I, S. 666, geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 4. August 2016 BGBl. I, S. 1972, 1975, dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABL. EU Nr. L 143, S. 56.

7.1 Begriffsdefinitionen

331

schonenderen Umgang mit den Umweltmedien, der vor allem auch Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung tragen muss. Die weitere Verfeinerung chemischer Analyseverfahren wird neue, bis dato noch nicht erkannte bzw. erkennbare Belastungen offenkundig machen, so z. B. PFTVerbindungen (perfluorierte Tenside), für deren Behebung geotechnische Verfahren zur Anwendung gelangen. Geotechnische Verfahren tragen mit dazu bei, Fehler und Versäumnisse bei der Entwicklung und Anwendung bisheriger und früherer Techniken, Verfahrens- und Handlungsweisen zu beheben. Neben- und Folgewirkungen bis hin zu gravierenden Schäden – oftmals als Folge unwissenden oder achtlosen Umganges mit Substanzen und Verbindungen – treten mitunter erst nach Jahren auf. Das vorliegende Kapitel 7 gibt einen Überblick über die Anwendung „reparierender“ geotechnischer Verfahren der Umweltvor- bzw. -nachsorge.

7.1

Begriffsdefinitionen

Für die im vorliegenden Kapitel verwandten Begrifflichkeiten werden folgende Definitionen zu Grunde gelegt: Altlasten Altlasten nach der Definition des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG)9 sind – stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind → Altablagerungen – Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist → Altstandorte, durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Altlastverdächtige Flächen sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen (siehe unten) oder sonstiger Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit besteht. Boden und „schädliche Bodenveränderungen“ Als Boden im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG § 2 Abs. 1) wird die obere Schicht der Erdkruste bezeichnet, soweit sie Träger der in § 2 Abs. 2 genannten Funktionen ist, einschließlich der flüssigen Bestandteile (Bodenlösung) und der gasförmigen Bestandteile (Bodenluft), ohne das Grundwasser und Gewässerbetten. Der Boden erfüllt im Sinne dieses Gesetzes natürliche Funktionen, unter anderem als Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen (§ 2 Abs. 2 1.b) sowie als Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers (§ 2 Abs. 2 1.c).

9

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz – BBodSchG), Fassung vom 17. März 1998, BGBl. I, S. 502, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. September 2017, BGBl. I, S. 3465, 3505.

7

332

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

„Schädliche Bodenveränderungen“ im Sinne des BBodSchG (§ 2 Abs. 3) sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeiführen. Schädliche Veränderungen können auch Bodenverdichtungen sein. Boden- bzw. Grundwasser-Verunreinigung Beeinträchtigung bis hin zur Schädigung durch signifikantes Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle (siehe unten) für einen oder mehrere Parameter und/oder Schadstoffe mit Vorliegen von relevanten Veränderungen der chemischen, physikalischen, biologischen bzw. ökologischen Beschaffenheit. Deponien Deponien im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetztes (KrW/AbfG) 10 sind Beseitigungsanlagen zur Ablagerung von Abfällen oberhalb der Erdoberfläche (oberirdische Deponien) oder unterhalb der Erdoberfläche (Untertagedeponien). Gefahrstoffe

7

Gefahrstoffe sind Stoffe oder Zubereitungen mit gefährlichen Eigenschaften im Sinne des § 3a Abs. 1 des Chemikaliengesetzes11 sowie Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des Chemikaliengesetzes. Geringfügigkeitsschwellen Maßstab, bis zu welchen Stoffkonzentrationen bzw. Parametergrößen anthropogene, räumlich begrenzte Änderungen der chemisch-physikalischen Beschaffenheit eines Umweltkompartimentes als geringfügig einzustufen ist. Benennung der Konzentrationen, bei denen trotz erhöhter Stoffgehalte gegenüber den regionalen/lokalen Hintergrundwerten keine relevanten ökotoxischen Wirkungen auftreten können und die Anforderungen der Trinkwasserverordnung oder die nach einer entsprechenden Risikobetrachtung abgeleiteten Werte eingehalten werden. Gewässer Gewässer im Sinne des Wasserhaushaltsgesetz (WHG) 12 (§ 1 Abs. 1) sind – das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (oberirdische Gewässer, z. B. Quellen, Bäche, Flüsse, Seen, Talsperren, Kanäle), – das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres (Küstengewässer), 10

11

12

Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrW) Fassung vom 24. Februar 2012, BGBl. I, S. 212, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017, BGBl. I, S. 2808. Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz – ChemG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. August 2013, BGBl. I, S. 3498, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. Juli 2017, BGBl. I, S. 2774, 2777. Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG), Fassung vom 31. Juli 2009, BGBl. I, S. 2771.

7.1 Begriffsdefinitionen

333

– das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht (Grundwasser). Gemäß § 1a Abs. 1 WHG sind Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Sie sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen Einzelner dienen, vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktionen und der direkt von ihnen abhängigen Landökosysteme und Feuchtgebiete auf deren Wasserhaushalt unterbleiben und damit insgesamt eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet wird. Dabei sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen. § 1a Abs. 2 WHG verpflichtet jedermann, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften13 zu verhüten. Grundwasser Unterirdisches Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht. Grundwasserleiter Eine unter der Geländeoberfläche liegende Schicht oder Schichten von Felsen oder anderen geologischen Formationen mit Wasserführung und hinreichender Porosität und Permeabilität, so dass entweder ein nennenswerter Grundwasserstrom oder die Entnahme von Grundwassermengen möglich ist. Grundwasserkörper Ein abgegrenztes bzw. abgrenzbares Grundwasservolumen innerhalb eines oder mehrerer Grundwasserleiter. Hintergrundgehalt Schadstoffgehalt eines Bodens oder Gewässers, der sich aus dem geogenen (natürlichen) und/oder anthropogen bedingtem Grundgehalt (background) und der ubiquitären Stoffverteilung als Folge diffuser Einträge zusammensetzt. Kontaminationen Stofflich-chemisch bzw. biologisch bedingte Bodenveränderungen oder Gewässerverunreinigungen. Nichtstoffliche als vielmehr physikalische Bodenveränderungen sind z. B. Versiegelung, Verdichtung oder Bodenerosion.

13

Vgl. auch Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserverordnung – AbwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2004, BGBl I, S. 1108, 2625, geändert durch Art. 121 der Verordnung vom 29. März 2017, BGBl. I, S. 626, 645.

7

334

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Kontaminierte Bereiche Kontaminierte Bereiche sind Standorte, bauliche Anlagen, Gegenstände, Boden, Wasser, Luft und dergleichen, die über eine gesundheitlich unbedenkliche Grundbelastung hinaus mit Gefahrstoffen (siehe oben) oder biologischen Arbeitsstoffen verunreinigt sind. Die Baustellenpraxis zeigt jedoch, dass bei der Anwendung geotechnischer Verfahren Begrifflichkeiten wie – – – –

Kontaminations- und Altlast-(verdachts-)Flächen, kontaminierte Flächen, schädliche Bodenveränderungen oder Boden- und Grundwasser-Verunreinigungen

in der Regel wenig trennscharf, oftmals synonym und für Belastungen der Umweltmedien in allgemeiner Form gebraucht werden. Belastungen können dabei neben dem eigentlichen Boden auch in der Bodenluft, dem kapillar gebundenen (Boden-)Wasser, dem Grund- und Oberflächenwasser bis hin in Ausgasungen bzw. Gasaustritten aus dem Boden in die atmosphärische Umgebungsluft auftreten. Militärische Altlasten und Rüstungsaltlasten

7

In den Regelwerken von Bund und Ländern klaffen die jeweiligen Definitionen zu diesen beiden Begrifflichkeiten weit auseinander, wobei auch über die Frage der Einbeziehung der Kampfmittelbeseitigung bzw. der Kampfmittel(be)räumung, d. h. der räumlichen Ortung, der Identifikation, der Ansprache und Aufnahme sowie der mechanischen Entfernung mit der anschließenden dauerhaften Vernichtung von Munition und Munitionsteilen, nicht immer Einvernehmen erzielt werden kann. Kampfmittelräumung (auch Kampfmittelberäumung): Suchen, Bergen und Sicherstellen von Kampfmitteln (Munition bzw. Munitionsteile) und deren Entmunitionierung. Kampfmittelbeseitigung: Endgültiges Unschädlichmachen durch Vernichtung. Der Teilaspekt der Delaborierung stellt das Unschädlichmachen von Munition oder Munitionsteilen dar, unter Umständen auch zur Wiederherstellung der Handhabungssicherheit. Zünder und explosionsfähige Ladungen werden demontiert und voneinander getrennt. Insgesamt folgt die Kampfmittelräumung den einzelnen Schritten historische sowie technische Erkundung, gezielte Räumung, Delaborierung und anschließende Vernichtung. Kampfmittel: Gewahrsamlos gewordene Gegenstände militärischer Provenienz und Teile solcher Gegenstände, wenn diese Explosiv-, Kampf-, Nebel-, Brand- oder Reizmittel enthalten. Kampfstoff: Chemische Inhaltsprodukte (chemische Kampfstoffe), im Sprachgebrauch auch oftmals als „Giftgas“ bezeichnet. Eine endgültige Klärung der Begrifflichkeiten Militärische Altlasten und Rüstungsaltlasten hat das Sondergutachten Altlasten II des Rates von Sachverständigen der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU, 1995) versucht. Hiernach soll nur noch der Oberbegriff Militärische Altlasten Gültigkeit besitzen, der wiederum in Altstandorte – der Militärproduktion14 und

14

Grundstücke stillgelegter Anlagen zur Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Vernichtung von militärischen Ausrüstungsgütern.

7.1 Begriffsdefinitionen

335

– des Militärbetriebes15 unterteilt wird. Militärische Altlasten liegen dann vor, wenn Gefährdungen für die Umwelt – insbesondere für die menschliche Gesundheit – bereits gegeben bzw. zu erwarten sind, so z. B. als Folge des Umganges mit umweltgefährdenden Stoffen. Sanierung § 4 Abs. 3 BBodSchG verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Eine Sanierung im Sinne des BBodSchG (§ 2 Abs. 7) bezeichnet Maßnahmen – zur Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe (Dekontaminationsmaßnahmen), – die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern, ohne die Schadstoffe zu beseitigen (Sicherungsmaßnahmen), – zur Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens. Schadstoffe Stoffe und Zubereitungen, die auf Grund ihrer Gesundheitsschädlichkeit, ihrer Langlebigkeit oder Bioverfügbarkeit im Boden oder auf Grund anderer Eigenschaften und ihrer Konzentrationen geeignet sind, den Boden in seinen Funktionen zu schädigen oder sonstige Gefahren hervorzurufen. Schutzgüter Gesetzlich normierte Schutzgüter sind: – – – – –

menschliche Gesundheit und Unversehrtheit Eigentum im Sinne des Ordnungsrechts Bodenfunktionen Gewässer im Sinne des Wasserrechts und Luft im Sinne des Immissionsschutzrechts.

Verdachtsflächen Flächen, von denen auf Grund früherer Nutzungsformen erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgehen können. Wassergefährdende Stoffe und Wassergefährdungsklassen Wassergefährdende Stoffe sind gemäß § 19 g Abs. 5 (WHG) feste, flüssige und gasförmige Stoffe, die geeignet sind, nachhaltig die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers nachteilig zu verändern. Hierzu zählen insbesondere Kraft- und Betriebsstoffe, flüssige Brennstoffe, Säuren und Laugen oder sonstige Chemikalien.

15

Grundstücke stillgelegter militärischer Anlagen zur Erprobung und Anwendung von militärischen Ausrüstungsgütern oder zur Ausübung sonstiger militärischer Aktivitäten. Militärische Ausrüstungsgüter bzw. militärische Aktivitäten sind solche, die militärischen Zwecken dienen oder von militärischen Auftraggebern nachgefragt werden.

7

336

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Für die Bewertung des Gefährdungspotenzials eines wassergefährdenden Stoffes ist die auf Grund des § 19 g Abs. 5 WHG ergangene Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährlichen Stoffen (AwSV) 16 von Bedeutung. Folgende Einstufungen wurden getroffen: – WGK 117: schwach wassergefährdend, z. B. Schwefelsäure, Aceton – WGK 2: wassergefährdend, z. B. Diesel, Heizöl, Ammoniak – WGK 3: stark wassergefährdend, z. B. Altöl, Benzol, Quecksilber, Benzin. Bei Stoffen, Stoffgruppen oder Gemischen, deren Zusammensetzung nicht bekannt ist oder die noch nicht in eine Wassergefährdungsklasse eingestuft sind, ist vorsorglich davon auszugehen, dass es sich um stark wassergefährdende Stoffe mit WGK 3 handelt, es sei denn, dass offensichtlich eine geringere Wassergefährdung angegeben ist. Wirkungspfad(e) Weg eines Schadstoffes von der Schadstoffquelle bis zu dem Ort einer möglichen Wirkung auf ein Schutzgut. Zur Bewertung möglicher Gefahren werden folgende Wirkungspfade unterschieden:

7

– Boden – Mensch (bzgl. der Sensibilität ist die Nutzungsform Kinderspielfläche, Wohngebiet, Park- und Freizeitanlage oder Industrie- und Gewerbegrundstück zu berücksichtigen) – Boden – Nutzpflanze – Boden – Grundwasser – Boden – bauliche Anlage – Grundwasser – bauliche Anlage.

7.2

Rechtliche und gesetzliche Grundlagen

Das Bundesrecht umfasst derzeit rund 2.000 Gesetze, 3.000 Rechtsvorschriften und weit mehr als 85.000 Einzelbestimmungen, wobei rund ein Drittel der Neuerungen sich auf den Umweltbereich erstrecken. Nachfolgend werden die wesentlichen Regelungen der einschlägigen Fachgesetze des Boden- und Gewässerrechts im Überblick für den Anwender dargestellt: Wasserhaushaltsgesetz des Bundes (WHG): Zielt auf den Gewässerschutz ab. Stellt den Ordnungsrahmen im Wasserrecht dar und trägt im Zusammenhang mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)18 sowie den daraus abgeleiteten, aufzustellenden und umzusetzenden Bewirtschaftungsplänen mit dazu bei, einen „guten ökologischen Zustand“ der Gewässer zu erreichen. Vor allem die EU-Grundwasserrichtlinie (GWRL) fordert schwerpunktmäßig den Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung sowie einen guten chemischen und mengenmäßigen Zustand. Hinsichtlich des Vorliegens von Altlasten mit den in der Regel punktuellen Einträgen über Schadstofffahnen formuliert Art. 5 Abs. 5 GWRL, dass diese vornehmlich zu verhindern sowie zu begrenzen und Maßnahmen zu ergreifen sind, die Beeinträchtigungen ausschließen oder beheben. 16 17 18

Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährlichen Stoffen (AwSV) vom 18. April 2017, BGBl. I, S. 905 Anlage 1 WGK O = im Allgemeinen nicht wassergefährdend (nomenklatorisch überholte und nicht mehr verwandte Klassifizierung). Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (EUWasserrahmenrichtlinie – WRRL), ABl. EG L 327 vom 22. Dezember 2000, 1 ff.

7.2 Rechtliche und gesetzliche Grundlagen

337

Grundwasserverordnung (GrwV)19: Hebt auf die Einleitung von Stoffen und den Eintrag in das Grundwasser ab. Normiert und reglementiert sind die „Benutzung“ des Grundwassers sowie die speziell zu beantragende wasserrechtliche Erlaubnis für sämtliche relevanten Maßnahmen an Grundwasservorkommen, wie z. B. das Schaffen von Aufschlüssen, das Entnehmen, Behandeln, Ab- oder Umleiten von Grundwasser bzw. das Einleiten von Prozesswasser und das Einleiten von Stoffen und Substanzen. Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG)20: Zum nachhaltigen Schutz des Bodens bzw. zur Sicherung und Wiederherstellung der natürlichen Bodenfunktionen. Die als untergesetzliches Regelwerk erlassene Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) 21 spezifiziert und konkretisiert die jeweiligen Bestimmungen. Neben der Vorsorgepflicht zum sachgerechten Umgang mit Böden bzw. Gewässern und gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen beschreibt das Gesetz bzw. die korrespondierende Verordnung auch Regelungen und Anforderungen für das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden. Es legt Prüfwerte und Parameter zur Identifizierung und zum Nachweis von Belastungen ebenso fest wie Hinweise auf Analyseparameter und Untersuchungsgegenstände. Das Überschreiten von Maßnahmenwerten zieht das Einschreiten der zuständigen Behörde nach sich, die Anforderungen und Spezifikationen an die Abwehr, an die Untersuchung und Sanierung der Kontaminationen bzw. der schädlichen Bodenveränderungen stellen kann. Geogene Vorbelastungen, wie z. B. in Gebieten mit erhöhter Grundschadstoffbelastung, sind entsprechend zu berücksichtigen. Gleichzeitig wurden Verfahren und Vorgehensweisen zur Ermittlung (unter anderem Probennahme, Probenbehandlung, Qualitätssicherung, Untersuchungsverfahren etc.) vereinheitlicht und verbindlich erlassen. Bei Hinweisen auf relevante Überschreitung von Prüfwerten sind Erkundungsmaßnahmen zu ergreifen, um Umfang und Ausmaß der Schädigung festzustellen. Bei hinreichendem Verdacht auf schädliche Bodenveränderungen oder auf das Vorliegen von Altlasten kann die Erstellung einer Gefährdungsabschätzung angeordnet werden, für die unter Umständen die Einbindung von Sachverständigen und von Untersuchungsstellen nach § 18 BBodSchG erforderlich ist. Die Behörde hat die Befugnis, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit, entsprechende Maßnahmen – insbesondere Sanierungsuntersuchungen und -planungen – im Bedarfsfall anzuordnen. Soweit erforderlich, unterliegen Altlasten und Altlastverdachtsflächen der Überwachung durch die zuständige Behörde, die wiederum Eigenkontrollmaßnahmen wie Boden- oder Gewässeruntersuchungen fordern kann. § 4 Abs. 3 BBodSchG fordert bei Vorliegen schädlicher Bodenveränderungen grundsätzlich die Sanierung dergestalt, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Sind seit dem Inkrafttreten des BBodSchG im Jahr 1998 schädliche Bodenveränderungen neu eingetreten, so müssen

19

20

21

Verordnung zum Schutz des Grundwassers (Grundwasserverordnung – GrwV) vom 9. November 2010, BGBl. I, S. 1513, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. Mai 2017, BGBl. I, S. 1044. Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz – BBodSchG), Fassung vom 17. März 1998, BGBl. I, S. 502, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. September 2017, BGBl. I, S. 3465, 3505 Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), Fassung vom 12. Juli 1999, BGBl. I, S. 1554, zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 27. September 2017, BGBl. I, S. 3465.

7

338

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

verschärfte Auflagen eingehalten werden. Vorrangig vor anderen Sanierungsmaßnahmen sind Dekontaminationsmaßnahmen zu ergreifen. Die BBodSchV spezifiziert und detailliert Maßnahmen und Anforderungen – für die Untersuchung und Bewertung von Altlastenverdachtsflächen, – an die Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten (Schutz-, Beschränkungs-, Sicherungs-, Dekontaminations- und Sanierungsmaßnahmen), – an die Sanierungsuntersuchungen und an die sich an der Folgenutzung ausrichtenden Sanierungsplanungen, – zur Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen durch fluviatile Bodenerosion, – an die Vorsorge vor schädlichen Bodenveränderungen. Teilweise bis auf das Korngrößenspektrum von Böden heruntergebrochene Prüf-, Maßnahmeund Vorsorgewerte erlauben eine erste Einschätzung und Beurteilung des Schadstoff- bzw. Kontaminationsumfanges. Die mit den aufgeführten Verfahren erzielten Ergebnisse sind in der gutachterlichen Gesamtbewertung einer differenzierten Betrachtung und Befunddiskussion zu unterziehen.

7

Von besonderer Bedeutung und zur Anwendung verbindlich sind die in Anhang I, Ziff. 6.2, aufgeführten und bezeichneten Wirkungspfade, die chemisch-physikalischen Untersuchungsparameter und -verfahren sowie die Darstellung der Normen, technischen Regeln und sonstigen Methoden. Hinsichtlich der stofflichen und qualitativen Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden nach § 12 BBodSchV – so z. B. Bodenmaterial, Baggergut, Klärschlämme, Bioabfälle oder sonstige Abfälle – ist eine entsprechende Spezifizierung mit der Vollzugshilfe LABO22 vorgenommen worden; ergänzende Anforderungen enthält die DIN 19731, die auch die Kriterien für die Herstellung der Durchwurzelbarkeit des aufgebrachten Oberbodens aufführt. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-AbfG)23: Zum Umgang mit mineralischen Abfällen, Inert-Abfällen bzw. mit kontaminierten Stoffen oder Produkten, die bei der Sanierung von Böden anfallen. Anhang I schreibt Anforderungen und den weiteren Umgang mit derartigen Stoffen und Stoffgruppen bei der Verbringung auf Deponien fest.

7.3

Kategorisierung und Klassifizierung von Boden-, Bodenluftund Gewässerverunreinigungen

Nachteilige, überwiegend anthropogen verursachte Veränderungen der Umweltmedien finden sich in den unterschiedlichsten physiko-chemischen Ausprägungen und Umfängen. Eine Kategorisierung und Klassifizierung erfolgt als chemische Kontamination oder als physi-

22

23

LABO (Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz) in Zusammenarbeit mit den Länderarbeitsgemeinschaften Boden (LAB), -Abwasser (LAGA) und -Wasser (LAWA): Vollzugshilfe zu § 12 BBodSchV – Vollzugshilfe zu den Anforderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden (§ 12 BBodSchV) vom 11.09. 2002. Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrW) Fassung vom 24. Februar 2012, BGBl. I, S. 212, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2808).

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

339

kalische bzw. biologische Modifikation der Eigenschaften von Boden, Bodenluft, Gewässer bzw. der atmosphärischen Umgebungsluft. Die Definitionen der Wirkungspfade Boden – Mensch, Boden – Nutzpflanze und Boden – Grundwasser dienen in Deutschland als Orientierungshilfe für die Beschreibung und die sich daraus ableitende Gefährdungsabschätzung für Altlastenstandorte. In Deutschland existieren dazu nach Trautmann et al. (2002), [20] zahlreiche Verordnungen und Vorgaben auf Bundesund Länderebene. So setzt die Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) 24 Grenzwerte fest, die auf den vielfältigen Nutzungen von Boden (Spielfläche, Wohngebiet, Freizeit/Grünfläche, Gewerbefläche etc.) abgestimmt sind. Für Gewerbeflächen existieren nur Grenzwerte für bestimmte Schwermetalle und Benzo(a)pyren. § 1 (BBodSchV): „Zweck dieses Gesetzes ist es, den Boden vor schädlichen Veränderungen zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen. Hierzu sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, bestehende schädliche Bodenveränderungen und Altlasten zu sanieren sowie nachteilige Einwirkungen auf den Boden nach Maßgabe dieser Gesetze so weit wie möglich zu vermeiden.“ Die LAGA, Mitteilung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall25, klassifiziert schadstoffbelasteten Boden in 6 Klassen (Z0 bis 5), gibt Anforderungen an die stoffliche Verwertung mineralischer Abfälle vor und unterstützt bei der Bewertung von Abfällen, die bei der Sanierung von Kontaminationen auftreten. Neben möglichen physikalischen Belastungen oder Expositionen durch Strahlung (ionisierend bzw. nicht ionisierend) können z. B. Veränderungen eintreten durch Temperatureinwirkungen, Kälte, Staubverfrachtungen (Winderosion/-deposition) oder durch Änderungen der Isotopen-Verhältnisse. Zu den chemischen Einflüssen zählen Beeinflussungen durch Gase, Flüssigkeiten oder feste Stoffe, die sich auf das Gleichgewicht des Naturhaushaltes auswirken. Nachfolgend wird auf die häufigsten und in der geotechnischen Praxis relevantesten Ausprägungsformen eingegangen und anhand von Praxisbeispielen das grundsätzliche Vorgehen bei der Erfassung, Bewertung und Sanierung nachteiliger Veränderungen aufgezeigt.

7.3.1

Chemische Kontaminationen

7.3.1.1 Mineralöl-Kohlenwasserstoffe sowie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (MKWS oder KWS) sind die am häufigsten produzierten, transportierten und verwandten Chemikalien unserer Industrieepoche. Allein im Zeitraum von 1985 bis 1987 entfielen über 90 % der gemeldeten und erfassten Unfälle bei Lagerung, Transport und Umschlag wassergefährdender Stoffe auf diese Substanzgruppe. In der Altlastenbearbeitung treten dementsprechend Verunreinigungen durch Mineralöl-Kohlenwasserstoffe mengenmäßig mit einem Anteil von rund 40 % der bearbeiteten Fälle am

24 25

Vgl. Bundesbodenschutzverordnung (BBodschV) (1999): Verordnung zum Schutz von schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten. Vgl. LAGA (2003): Vereinheitlichung der Untersuchung und Bewertung von Reststoffen, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln für die Verwertung von Böden, Schlacken und Aschen aus Verbrennungsanlagen für Siedlungsabfälle, für mineralische Abfälle und Reststoffe aus Gießereien, Mitteilung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA).

7

340

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

häufigsten auf. Die oftmals durch schleichende und längere Zeit unerkannte Leckagen oder Undichtigkeiten aus Speicherbehältnissen und deren Zuleitungen oder durch akute Unfälle eingetretenen Kontaminationen von Boden und Grundwasser umfassen neben den – Kraft- und Brennstoffen wie Heizöl, Petroleum, Benzin (allg. Ottokraftstoff), Diesel und Kerosin auch die schwerflüchtigen – Schmiermittel und -stoffe wie (Motor-)Öle und Fette sowie Feststoffe wie Bitumina und Wachse. Mineralölprodukte bestehen je nach Verwendungszweck aus unterschiedlichen Gemischen gesättigter und ungesättigter aliphatischer (langkettiger) sowie aromatischer (cyclischer, ringförmiger/-kettiger) Kohlenwasserstoffverbindungen. Unter chemischen Gesichtspunkten erfolgt eine Unterteilung in die aliphatischen Kohlenwasserstoffe: – – – –

7

n-Alkane (unverzweigte Moleküle, z. B. n-Hexan, n-Heptan, Hexadecan, Octan, Ethan), n-Alkene (unverzweigte Moleküle, z. B. Ethen, 1-Octen) n-Alkine (unverzweigte Moleküle, z. B. Acethylen, 1-Octin) Isoalkane (verzweigte Moleküle, z. B. Trimethylpentan, Pristan, Phytan, Isopentan, Isohexan) – cyclische Alkane (aliphatische cyclische Moleküle, z. B. Cyclohexan, Cyclopropan, Cyclooctan, Naphtene) – Asphaltene und in die aromatischen Kohlenwasserstoffe, wie z. B. – Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol und Styrol (siehe unten). Summarisch betrachtet sind n-Hexan, n-Heptan und Octan sowie Isoparaffine und Cycloalkane (Cyclohexan) der Kettenlängen C5-C10 die relevanten Hauptbestandteile. Gerade bei den Ottokraftstoffen kommt es neben der eigentlichen Verunreinigung durch aliphatische Verbindungen mitunter zu einer begleitenden Belastung durch volatile, aromatische (ringförmige Moleküle) Bestandteile mit deutlich höherem Dampfdruck und besserer Wasserlöslichkeit. Diese Gruppe von Verbindungen wird in der Laboranalytik durch die Leitparameter Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol26 (BTEX; auch summarisch als (einkernige) aromatische Kohlenwasserstoffe bezeichnet) erfasst und abgebildet. In den einschlägigen Statistiken werden MKWS- und BTEX-Schäden sowohl zusammengefasst als auch getrennt behandelt; unter den MKWS-Kontaminationen machen die BTEX-Schäden mengenmäßig rund 20 % aus. Bei beiden Ausprägungsformen, die auch vergesellschaftet auftreten können, handelt es sich jeweils um Gruppen von Verbindungen. Insgesamt sind die aromatischen Kohlenwasserstoffe toxikologisch relevante Substanzen, die auf das chemische Grundgerüst des Benzols zurückgehen. Statistisch nicht immer zufriedenstellend zugeordnet und behandelt sind die parallel mit den KFZ-Kraftstoffen auftretenden Belastungen durch Additive. Das bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts als Antiklopfmittel verwandte Bleitetraethyl ist durch das Substitut Methyltertiärbuthylether (MTBE) abgelöst worden; teilweise erfolgt die Behandlung dieser Sub-

26

Leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe, teilweise auch als „Monoaromaten“ bezeichnet; Xylol als ortho-, meta-, para-Xylol; nach neuer Nomenklatur Benzen, Toluen, Etylbenzen und Xylene.

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

341

stanzen gemeinsam mit den MKWS-Schäden, mitunter erfolgt aber auch die separate Ausweisung. Bedingt durch das im Vergleich zu Wasser geringere spezifische Gewicht der MKWS von < 1,0 g/cm3 kommt es bei Kontakt mit dem Grundwasser zur Ausbildung einer Grenzfläche zwischen den beiden nicht mischbaren Flüssigkeiten. Im angelsächsischen Sprachraum hat sich für die Leichtfraktion der aufschwimmenden MKWS-Phase die Begrifflichkeit „light non aqueous phase liquids (LNAPL)“ ausgeprägt. Bei den BTEX-Monoaromaten können sich auf Grund der Löslichkeit des Benzols in der wässrigen Phase von rund 1,6 mg/L jedoch mitunter weitreichende Belastungen auch des tieferen Grundwasserkörpers einstellen. Die klassischen, bis zum Jahr 2002 praktizierten infrarotspektroskopischen Analyseverfahren nach DIN 38409 DEV H 17 (verseifbare Öle und Fette) und DEV H 18 (MineralölKohlenwasserstoffe), sind seit Inkrafttreten der Freon-Verbotsverordnung nicht mehr anzuwenden (vgl. Schmid (2002), [16]). Laboranalytisch werden die MKWS als Summenparameter unter Verzicht auf FCKW-haltige Lösungsmittel gaschromatographisch nach neuen Verfahrensvorschriften bestimmt. Für die MKWS-Untersuchung der einzelnen Medien ist auf folgende Verfahren zurückzugreifen: – Wasser: – Boden: – Abfall:

DIN EN ISO 9377-2 DIN EN ISO 16703 DIN EN 14039

Die nach den früheren Verfahren DEV H 17/H 18 gewonnenen Messergebnisse sind mit den gaschromatographisch erzielten Befunden nur bedingt bis sehr eingeschränkt vergleichbar, da sie auf verschiedene Spektren abheben. Analytisch nicht immer einwandfrei trennbar, jedoch für die Beurteilung des Kontaminationsumfanges mitunter von Bedeutung, sind die mit den anthropogenen MKWS vergesellschaftet auftretenden geogenen oder biogenen MKWS. Im Einzelfall kann zur Referenzierung bzw. Kalibrierung der Befundergebnisse auf Hintergrund- oder Background-Beprobungen/Analysen von Probennahmepunkten außerhalb des eigentlichen Untersuchungsgebietes zurückgegriffen werden. Zur laboranalytischen Detektion und Abtrennung sei an dieser Stelle auf die Ausführungen von Kube & Zirkler (2008), [12] verwiesen, die auf die Erfassung und Bewertung mineralölstämmiger und biogener/geogener MKWS in Böden eingehen. 7.3.1.2 Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe Mit einem Anteil von rund 20 % am Schadensspektrum folgen Belastungen durch leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW) bzw. durch leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe27 (LCKW/CKW), die überwiegend in flüssiger Form in der industriellen Fertigung und im metallverarbeitenden Gewerbe (unter anderem auch in der KFZ-Branche und an Tankstellen) zum Einsatz kamen. Bevorzugte Anwendungen bis zum Verbot dieser Substanzen in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren neben dem Einsatz als Lösungsmittel die Entfettung, Entlackung und Kaltreinigung metallischer Oberflächen zur Vorbereitung nachfolgender Behandlungsschritte, wie z. B. dem Lackieren, Verzinken, Phosphatieren, Brünieren oder Verchromen. Bei den LHKW handelt es sich im Wesentlichen um

27

Beide Bezeichnungen werden oftmals unzutreffenderweise synonym verwandt, obwohl die am häufigsten vertretenen Chlorkohlenwasserstoffe (CKW oder LCKW) neben den Fluor-, Brom- und Iodkohlenwasserstoffen lediglich eine Untergruppe der LHKW (Oberbegriff) darstellen. Zu den schwerflüchtigen CKW zählen Verbindungen wie z. B. polychlorierte Biphenyle (PCB)

7

342

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

die in Tabelle 7.1 aufgeführten relevanten Einzelverbindungen 28 (verändert und ergänzt nach Wöstmann (2007), [21]). Die größte Relevanz für die Bearbeitung von Schadensfällen durch derartige Verbindungen besitzen die in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit am häufigsten als Lösungsmittel eingesetzten Verbindungen Dichlormethan (DCM), 1,1,1-Trichlorethan (1,1,1TRI, TCA), Tetrachlorethen (PER, PCE) und Trichlorethen (TRI, TCE). In dieser Gruppe stellen PER und TRI insbesondere bei den Grundwasserverunreinigungen die bedeutendsten Substanzen dar. Das signifikante Auftreten von Vinylchlorid (Chlorethen) als vergleichsweise stabilem Abbauprodukt dieser Substanzgruppe gilt als Indikator für bereits eingetretene Alterungsprozesse bei Gewässerschäden und wird daher mitunter als diagnostisches Kriterium zur größenordnungsmäßigen Abschätzung des Zeitpunkts eines Schadenseintritts herangezogen. Bei Bodenkontaminationen lassen sich die Parameter Vinylchlorid sowie cis-/trans-1,2Dichlorethen laboranalytisch nur selten nachweisen29. Hinsichtlich der chemischen Untersuchungsverfahren für die gaschromatographische Bestimmung der Einzelparameter wird zum Teil noch auf die zwischenzeitlich überholte DIN 38407 (F 4, F 5, [Ethen: F 9]) bzw. auf die aktuelle DIN EN ISO 10301 zurückgegriffen;.

7

LHKW/CKW-Schäden in Grundwasserkörpern gelten allgemein als besonders gravierend, kostenaufwändig und mit geotechnischen Sanierungsverfahren nur schwer beherrschbar. Die angeführten Verbindungen besitzen mit ρ = 1,2 bis 1,7 g/cm3 eine größere Dichte als Wasser. Sie sind teilweise gut wasserlöslich und sinken im Grundwasserkörper gravitativ an die Basis ab. Nach einer gewissen Verweildauer im Grundwasserkörper können sie mitunter auch grundwasserstauende Schichten „durchschlagen“ und liegende Grundwasserhorizonte30 über mehrere Stockwerke verunreinigen. Besonders problematisch stellen sich die Detektion und die Sanierung einer Grundwasserkontamination dann dar, wenn der Aquifer bereits über große Flächen verunreinigt ist und die Verbindungen sich in morphologischen Vertiefungen an der Basis des Grundwasserstauhorizontes angesammelt haben. In der Literatur wird für absinkende LHKWs zum Teil auch die Bezeichnung „dense non aqueous phase liquids“ (DNAPL) verwandt. CKW/LHKW weisen eine WGK-3-Klassifizierung auf, lediglich das Vinylchlorid mit deutlich höherem Dampfdruck verfügt über eine Einstufung mit WGK 2. Auf Grund volatiler Eigenschaften dieser Verbindungen kann es zu Verunreinigungen in den Poren rolliger Böden (sandig-kiesige Substrate) kommen, die mittels Bodenluftbeprobung detektorisch und laboranalytisch am besten fass- und diagnostizierbar sind. In bindigen Böden ist die Bodenluftbeprobung schwierig; hier ist auf Beprobungen der Bodensubstanz (d. h. „des Originals“) auszuweichen. Als weitere Untergruppierung dieser Klasse von Verbindungen haben die leichtflüchtigen halogenierten Verbindungen in Form der gemischt halogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) auch nach dem Herstellungsverbot in Europa nach wie vor Bedeutung für Sanierungsvorhaben.

28 29 30

IUPAC und Trivial-Bezeichnungen werden oftmals parallel und ohne eindeutige Stringenz verwandt. PER kann sich über die Zwischenstufen TRI und Dichlorethen in VC abbauen. Vgl. DIN 4049 (1/1992): Hydrologie – Grundbegriffe, Teil 1; Begriffe der Gewässerbeschaffenheit, Teil 2; Begriffe zur quantitativen Hydrologie, Teil 3.

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

343

Tabelle 7.1 20 wichtige LHKW/CKW-Verbindungen IUPAC31-Bezeichnung

Trivial-Bezeichnung

Ethen-Reihe:



Tetrachlorethen

Perchlorethylen (PER, PCE), Tetrachlorethylen, Perchlorethen

Trichlorethen – 1,1,1- oder 1,1,2-

Trichlorethylen (TRI, TCE)

Dichlorethen – 1,1- oder 1,2-cis bzw. 1,2-trans

cis [1,2] bzw. trans [1,2]

Monochlorethen

Vinylchlorid (VC), Chlorethen

Methan-Reihe:



Tetrachlormethan

Tetrachlorkohlenstoff, Tetra

Trichlormethan

Chloroform

Dichlormethan

Methylenchlorid, DCM

Monochlormethan

Chlormethan, Methylchlorid

Ethan-Reihe:



Hexachlorethan



Pentachlorethan



Tetrachlorethan – 1,1,2,2- oder 1,1,1,2-



Trichlorethan – 1,1,2- oder 1,1,1-

Methylchloroform (E 111), 1,1,1-TRI, TCA

Dichlorethan – 1,1- oder 1,2-



Monochlorethan

Chlorethan, Ethylchlorid

In der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sind diese Verbindungen durch ihre ozonzerstörende Eigenschaft in der Stratosphäre. Die dort durch UV-Strahlung freigesetzten Halogene reagieren mit dem Ozon und führen zu einem Abbau dieser Schutzschicht. Bei der geotechnischen Bearbeitung von Altlasten nehmen solche Verbindungen eine nur untergeordnete Rolle ein. LHKW/CKWs stellen in Boden, Bodenluft und Grundwasser hochmobile Verbindungen dar – eine besonders signifikante Gruppe von Umweltschadstoffen. Bereits in geringsten Konzentrationen ist belastetes Grundwasser sensorisch auffällig und für den menschlichen Verzehr ungeeignet. 7.3.1.3 Polycyclische Kohlenwasserstoffe (PAK) Rund 15 % der aufgetretenen umweltgeotechnischen Schäden entfallen auf Verbindungen aus der Substanzklasse der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK). Die über 1.000 bekannten Einzelverbindungen der PAK werden nicht zielgerichtet für industrielle Fertigungsprozesse hergestellt, sondern entstehen überwiegend als Folge anthropogener Tätigkeit bei unvollständigen Verbrennungsprozessen organischer Stoffe (z. B. Müllverbrennung, Energieerzeugung, KFZ-Abgase, Tabakrauch, allg. Brandrückstände etc.). Ein nahezu flächiger Eintrag erfolgt über gasförmige Emissionen, bei denen die PAK am Schwebstaub angelagert sind. Eine reduzierte Umweltexposition dieser Verbindungen kann letztlich nur über

31

IUPAC = International Union of Pure and Applied Chemistry; international gültige Allgemeinbezeichnung nach verbindlichem Klassifizierungsschema und Nomenklaturregeln.

7

344

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

technische und präventive organisatorische Maßnahmen erreicht werden. Insgesamt ist eine schlechte Wasserlöslichkeit dieser Verbindungen gegeben, wodurch es zur Anreicherung in Oberböden kommt. Die Begrifflichkeit „PAK“ stellt eine Sammelbezeichnung für organische Verbindungen einer Substanzfamilie von 2 bis 6 aromatischen Ringen mit mehreren verbundenen aromatischen Ringsystemen dar, die auch unter der Bezeichnung „kondensierte aromatische Kohlenwasserstoffe“ geführt werden. Bei Temperaturen < 1.000 °C bilden sich überwiegend 3- bis 4-ringige PAK, bei > 1.000 °C entstehen 5- bis 7-kernige Ringsysteme. Besonders häufig treten die zum Teil als krebserregend eingestuften PAK bei Schwelbränden mit Sauerstoffunterschuss/-defizit auf. Die von Seiten der US-amerikanischen Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (US EPA) als Leitparameter zur Charakterisierung von Schäden bezeichneten 16 Einzelverbindungen der PAK (vgl. Tabelle 7.2) sind mittlerweile als internationaler Bemessungsstandard allgemein anerkannt. Bei der laboranalytischen Untersuchung wird gezielt auf die am häufigsten auftretenden Substanzen abgehoben. Tabelle 7.2 Die 16 wichtigsten polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen (PAK) nach US EPA 16 wichtigste polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen (PAK)

7

Naphtalin

Benz(a)anthracen

Acynaphtalin

Chrysen

Acenaphten

Benzo(b)fluoranthen

Fluoren

Benzo(k)fluoranthen

Phenanthren

Benzo(a)pyren

Anthracen

Dibenz(a,h)anthracen

Fluoranthen

Benzo(g,h,i)perylen

Pyren

Indeno(1,2,3-c,d)pyren

Bedeutend ist das kanzerogene bzw. mutagene Potenzial 32 in Verbindung mit der nur langsamen biologischen Abbaubarkeit und der Langzeitstabilität dieser Substanzen. Leitparameter hierfür ist neben Benzofluoranthen und Fluoranthen das mittlerweile fast ubiquitär vorliegende Benzo[a]pyren, auch auf Grund seiner Persistenz und Toxizität. Darüber hinaus sind Naphtalin und Anthracen ebenfalls bereits recht weit verbreitet. Bei Gefährdungsabschätzungen ist grundsätzlich auch der Aspekt der möglichen Anreicherung in den Umweltmedien und insbesondere in der Nahrungskette zu betrachten, da sich vor allem die hochkernigen PAK bevorzugt am organischen Kohlenstoff Corg. in Böden anreichern, wohingegen niederkernige „Polycyklen“ eher die Tendenz zur Verfrachtung mit dem Sickerwasser aufweisen. In der Umweltgeotechnik haben PAK Bedeutung bei der Sanierung ehemaliger Gaswerksund Kokereistandorte erhalten. Als Folge der Kohleverschwefelung ist es an diesen Standorten oftmals zu lokal gravierenden Kontaminationen von Boden und Grundwasser gekommen.

32

Zwölf der angegebenen Verbindungen sind in der Bundesrepublik Deutschland als kanzerogen eingestuft.

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

345

Darüber hinaus finden sich PAK im Schwarzdeckenmaterial von Straßenbauschutt, wenn es sich um Reste von Steinkohlenteer 33 handelt. Für derartiges Material kommt oft nur die Auskofferung und schadlose Deponierung in geeigneten Einrichtungen in Betracht. Für ausgedehnte Belastungen auf ungeschützten Oberflächen mit großen Kubaturen und drohender inhalativer Aufnahme wird vereinzelt zur Vermeidung von Auswehung bzw. flächiger äolischer Verfrachtung auf Überdeckung mit Inertmaterial als Sicherungsmaßnahme ausgewichen. PAK treten auch im Gebäudebauschutt und vereinzelt im Bodenaushub in mitunter hohen Konzentrationen bei Vorliegen von Steinkohlenteer, Pech- und Teerölderivaten, wie z. B. bei Baumaterialien mit Dach- und Teerpappe-Anhaftungen, auf (Rother & Friese (2001), [14]). In erheblichem Umfang können PAK-Belastungen im Klärschlamm, in Siedlungsabfällen, Feuerungsschlacken, Aschen, Schlacken, Holzkohleresten, Bitumen, Dachbahnen, Teerpappen und in Vergussmassen aus dem Gebäudebereich entwickelt sein. Die in den vergangenen Jahrzehnten praktizierte Klärschlammverbringung auf landwirtschaftlichen Böden hat mit zu einer flächigen Verbreitung der „Polycyclen“ in der Umwelt beigetragen. 7.3.1.4 Metalle und Schwermetalle Rund 12 % der Schadensfälle im Umweltbereich machen Belastungen durch Metalle bzw. Schwermetalle aus. Schwermetalle weisen ein spezifisches Gewicht von ρ > 2,8 g/cm 3 auf. Die in der Umweltgeotechnik wichtigsten und „gängigsten“ Schwermetalle sind die in Tabelle 7.3 aufgezählten chemischen Elemente. Tabelle 7.3 Die 12 wichtigsten Schwermetalle. CrIII bzw. CrVI bezeichnen unterschiedliche Oxidationszustände des Elements Auflistung der 12 wichtigsten Schwermetalle Arsen (As)

Nickel (Ni)

Antimon (Sb)

Kobalt (Co)

Barium (Ba)

Kupfer (Cu)

Blei (Pb)

Quecksilber (Hg)

Cadmium (Cd)

Titan (Ti)

Chrom (CrIII bzw. CrVI)

Zink (Zn)

Bei vertiefenden Untersuchungen erfolgt teilweise eine Ausdehnung der Untersuchungen auch auf die Parameter Beryllium (Be), Selen (Se), Thallium (Th) und Vanadium. Schwermetalle sind zum einen über die Verbringung von Abfällen, Klärschlämmen und Sedimentationsrückständen sowie von Deponatmaterial auf ackerbaulich genutzten Flächen und zum anderen über die atmosphärische Verfrachtung über Stäube, Abgase und (Kamin-)Abluft in die Umweltkompartimente Boden und Gewässer eingetragen worden. An Produktionsstandorten kann es darüber hinaus im Einzelfall durch Leckagen, durch sorglosen Umgang mit Substanzen oder auf Grund fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse – wie z. B. über die früher praktizierte Herstellung von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln unter Verwendung von Quecksilber oder der Einsatz in Holzschutzmitteln – zu lokal gravie-

33

Asphalt als Derivat des Erdöls ist im Gegensatz zum früher verwandten Steinkohlenteer in der Regel frei von PAK.

7

346

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

renden Umweltschäden gekommen sein. Belastungen durch Quecksilber können in Schlacken und Feuerungsrückständen und in Rüstungs- und militärischen Altstandorten relevant sein. Bei Munitionsfangsanden auf Schießständen oder im Einflussbereich von Bleischrot auf Wurftaubenschießständen treten als Folge des Projektileinschlages neben dem eigentlichen Blei auch Anreicherungen von Kupfer, Antimon, zum Teil Arsen und untergeordnet Zink auf. Wenngleich der Einsatz von Schwermetallen seit geraumer Zeit kritisch geprüft und Minderungs- und Minimierungsstrategien Wirkung zeigen, wie z. B. die zwischenzeitliche völlige Substituierung von organischem Blei in Form von Bleitetraethyl als Antiklopfmittel in Ottokraftstoffen, finden Schwermetalle noch immer zahlreiche Einsatz- und Anwendungsbereiche. Arsen findet sich als natürliches Nebengemengeteil in Zinn-, Kupfer- sowie Bleierzen und tritt als Legierungsbestandteil in verschiedenen Metallen auf. In früheren Jahren ist es neben der Verwendung für Ratten- und Schädlingsgifte auch in der Ledergerberei eingesetzt worden. Vor allem an lederverarbeitenden Standorten und insbesondere für Gerbereien kann das Auftreten von Chrom in den drei- und sechswertigen Oxidationsstufen Bedeutung erlangen. ChromVI fand lange Zeit als Gerbstoff Verwendung. Mittlerweile wird weitgehend auf die Chrom-Gerbung von Leder in Europa verzichtet.

7

Zur Herstellung von Farben und Lacken (unter anderem Titan) sowie als Legierungsbestandteile, zur Konservierung, als Korrosionsschutzmittel und zur chemischen Stabilisierung von Substanzen sind Schwermetalle in der chemischen Industrie und insbesondere in der Elektrochemie (Galvanik) jedoch unverzichtbar. Vor allem die Belastung kommunaler und privater Abwässer mit Schwermetallen führt zwangsläufig zu einer Anreicherung im Klärschlamm. Zwar hat der Gesetz- und Verordnungsgeber zwischenzeitlich die Kriterien für die Behandlung von Klärschlämmen drastisch verschärft, die aus heutiger Sicht eher großzügigen Grenzwerte der Vergangenheit haben jedoch bereits zu einer weiten Verbreitung in der belebten Umwelt geführt. Steinbrück et al. (2008), [18] geben allein für die in Rheinland-Pfalz im Jahr 2005 angefallenen rund 95.000 t kommunalen Klärschlämme eine Verwertung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen mit rund 67 % (rd. 63.500 t) an. Für die Umweltrelevanz sind vor allem die Elementspezifizierung der Schwermetalle und die Effekte der begleitenden Matrizes von Bedeutung. Die Mobilität im Boden ist stark pHabhängig, im sauren Milieu ab pH 6 bzw. pH 5,5 sind deutliche Wanderungstendenzen und eine Verlagerung mit dem Sickerwasser feststellbar. Vor allem Quecksilber und Blei haben neben Arsen auf Grund ihrer bioziden Wirkung breite Bekanntheit erlangt; Kupfer weist bereits bei geringen Konzentration von 0,1 mg/L im Wasser fischtoxische Wirkung auf. Signifikant bei Schädigungen durch Schwermetalle sind organspezifische und organschädigende Wirkungen, wenn die tendenziell eher „bevorzugte“ Anreicherung im Fettgewebe ein kritisches Maß überschritten hat. Im Rahmen der Laboranalytik empfiehlt sich neben der Feststellung der Schwermetallgehalte in der Originalsubstanz auch die Ermittlung des pH-Wertes (Boden), um Aufschluss über das Aciditätsmilieu zu erhalten. Eluatuntersuchungen aus wässriger oder aus CaCl2-Lösung gestatten eine grobe Abschätzung des Auswaschungsverhaltens. Hinsichtlich der anzuwendenden Analyseverfahren wird auf die einzelparameterbezogenen einschlägigen Normen und Verfahrensvorschriften hingewiesen.

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

347

7.3.1.5 Polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe Bei den polychlorierten aromatischen Kohlenwasserstoffen handelt es sich um mehrfach chlorierte aromatische Verbindungen von hoher Persistenz, die sich wiederum in drei Einzelgruppierungen unterteilen lassen: Chlorierte Monoaromaten Die wichtigsten Substanzen sind das Pentachlorphenol (PCP) und das Hexachlorbenzol [synonym: Hexachlorbenzen] (HCB). Bis zum Herstellungs- und Anwendungsverbot in den 1990er Jahren ist vor allem das PCP auf Grund seiner insektiziden, fungiziden und bakteriziden Eigenschaften in verschiedenen Baustoffen und in Holzschutzmitteln, aber auch als Gerbmittel, eingesetzt worden. Da es sich bei den chlorierten Monoaromaten um Substanzen handelt, die in der umweltgeotechnischen Praxis vergleichsweise selten auftreten, seien diese im Rahmen der vorliegenden Darstellung nur der Vollständigkeit halber aufgeführt und nicht vertiefend behandelt. Polychlorierte Biphenyle Als polychlorierte Biphenyle (PCB) wird eine Substanzgruppe von insgesamt 209 Chlorverbindungen, sogenannte Kongenere, mit unterschiedlicher Anzahl und Position der Chloratome an den Benzolringen der PCB-Grundstruktur bezeichnet, die der allgemeinen Grundformel C12H10–nCln (mit n = 1–10) folgen. Die Bezeichnung PCB-Homologe (maximal 10) nimmt eine Unterteilung nach der Anzahl der Chloratome vor; die Begrifflichkeit PCBIsomere wird angewandt bei gleicher Anzahl von Chloratomen, aber unterschiedlicher Chlorsubstitution (bis zu 46 Isomere). Als Leitparameter zur repräsentativen Abschätzung des Belastungsumfanges in Böden und Gewässern werden sechs „Ballschmiter“-Kongenere herangezogen, die einer internationalen, alphanumerischen Bezifferung folgen. Tabelle 7.4 Für die Beurteilung von PCB-Belastungen in Böden und Gewässern relevante Ballschmiter-Kongenere Auflistung der sechs Ballschmiter-Kongenere PCB-28

PCB-101

PCB-153

PCB-52

PCB-138

PCB-180

Auf diese relevanten Verbindungen beschränkt sich in der Regel auch die Laboranalytik von Probenmaterial; die DIN ISO 10382 bzw. die DIN 38414 (S 20) und die DIN 38407 (F 3) machen hierzu entsprechende Vorgaben. Neben dem Einsatz als Kühl- und Isolierflüssigkeit für Transformatoren (Askarelöle) fanden „technische PCB“ etwa seit dem Jahr 1930 bis zum Herstellungsverbot in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1989 Verwendung als Gerbereimittel, für fungizide/biozide Zwecke in dauerelastischen Fugen- und Dichtungsmassen (Kitte, Spachtel- und Vergussmassen) sowie als Weichmacher in Klebern und in Kunststoffen. Des Weiteren fanden PCB Einsatz als Kühl- und Isolierflüssigkeiten in Kondensatoren, als Öle in hydraulischen Geräten sowie in Lacken und Farben. Wegen ihrer chemischen Inertheit und Hitzebeständigkeit wurden PCB auch als Schmier-, Imprägnier- und Flammschutzmittel in Isolatoren genutzt. Im Gebäudebe-

7

348

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

reich finden sie sich als Weichmacher in Dichtungsmassen und in Dehnungsfugen sowie zum Teil in Holzschutzanstrichen. Darüber hinaus können sogenannte „thermische PCB“ bei Verbrennungs- und Verschwelungsprozessen entstehen. Vor allem Kunststoffbrände unter Anwesenheit chlorchemischer Substanzen und Verbindungen – so auch die Müllverbrennung – werden zwischenzeitlich kritisch gesehen. Der Haupteintragspfad in die Umwelt ist die luftgetragene Deposition, die in der Vergangenheit zu einer flächigen, fast ubiquitären Verbreitung geführt hat. Als weiterer bedeutender Eintragspfad ist auch hier die früher praktizierte Klärschlammverbringung auf Böden zu nennen. Relevanz für umweltgeotechnische Sanierungsverfahren ist bei in der Vergangenheit aufgetretenen Undichtigkeiten, Leckagen oder Unfällen gegeben, die einer Erfassung, Bewertung und Sanierung bedürfen. Wenngleich die Herstellung polychlorierter Biphenyle in Europa bereits seit fast 30 Jahren verboten ist, finden sich bei akuten Infrastruktur- und Rückbaumaßnahmen noch immer Belastungen durch diese Verbindungen in Baumaterialien und Böden. Bei eher kleinräumigen Schadbereichen wird auf eine Auskofferung und Verbringung in eine ortsfeste, in der Regel thermische Behandlungsanlage bzw. auf eine Deponierung in einer entsprechend gesicherten Einrichtung zurückgegriffen.

7

Polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/PCDF) sowie polybromierte Dibenzodioxine und -furane (PBDD/PBDF) Die bekannteste Verbindung dieser Gruppe polychlorierter (polybromierter) aromatischer Kohlenwasserstoffe ist das zu den polychlorierten Dibenzodioxinen (PCDD) zählende 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (2,3,7,8-TCDD) [umgangssprachlich „Seveso-Gift“]. Mitunter vergesellschaftet treten polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) sowie untergeordnet auch polybromierte Dibenzodioxine (PBDD) und polybromierte Dibenzofurane (PBDF) auf. Insgesamt handelt es sich bei den polychlorierten Dioxinen und Furanen um aromatische Verbindungen ringförmiger Moleküle, bei denen die sauerstoffverbrückten Phenylringe wechselweise durch Chloratome ersetzt sind; für die in der Regel mit untergeordneter Bedeutung rangierenden bromierten Verbindungen gilt Analoges. Von den 210 verschiedenen PCDD/PCDF-Verbindungen entfallen 75 Isomere auf die Gruppe der PCDD – hier sind fünf Isomere hochtoxisch – und 135 Isomere auf die PCDF mit insgesamt sieben hochtoxischen Isomeren. Die höchste Giftigkeit besitzt das 2,3,7,8-TCDD, das sich bevorzugt im Fettgewebe anreichert und als außerordentlich persistent gilt. PCDD/PCDF entstehen nicht zielgerichtet als unbeabsichtigte Begleitverbindungen bei chemischen Formulierungsprozessen („chemisches Homologenprofil“) und bei einer Vielzahl von Verbrennungs-/Pyrolyse-Prozessen („thermisches Homologenprofil“) mit teilweisem Sauerstoff-Unterschuss in einem eng begrenzten Temperaturfenster unterhalb von 800 °C. Hinsichtlich der chemischen Prozesse ist die Begleitbildung bei der Fertigung von Transformatorenölen, der Herstellung von PCB, PCP, Chlorphenolen, Chlorbenzolen, Naphthalinen und bei der Pestizid-/Biozid-Synthese zwischenzeitlich nachgewiesen worden. Insbesondere die Gegenwart von organischem oder anorganisch gebundenem Chlor wirkt sich insgesamt förderlich auf die PCDD/PCDF-Entstehung aus. Als Haupteintragspfade in die Umwelt gelten thermische Prozesse, wie z. B. die Abfallverbrennung von unter anderem Kunststoffen (mit und ohne Flammschutzmittel) oder der Haus-/Gebäudebrand (Kaminruß, Filterstäube, Rostaschen) mit luftgetragener Deposition oder in der Vergangenheit der flächi-

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

349

ge Eintrag über die Klärschlammverbringung. Insbesondere die Bildung von PCDD/PCDF im Klärschlamm offensichtlich als Folge photochemischer Prozesse ist noch nicht hinreichend untersucht und geklärt. Vor allem die Verbrennung von Polystyrol aus Isolierstoffen scheint die PCDD/PCDF-Bildung zu begünstigen. Größenordnungsmäßige Abschätzungen gehen davon aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland jährlich etwa 12.500 g 2,3,7,8-TCDD (TE, siehe unten) durch Verbrennungsvorgänge in die Umwelt freigesetzt werden; für die Klärschlammverbringung wird von 30 bis 60 g jährlicher Fracht ausgegangen. Zur Abschätzung der möglichen Gefährdung durch Dioxingemische, die stets Dioxinkongenere/-Isomere unterschiedlicher Toxizität als Begleitverbindungen mit enthalten, wurde das Konzept der TCDD-Äquivalenzfaktoren (TE bezogen auf die TS34) eingeführt. Hierbei wird entsprechend der toxischen Wirkung einzelner Verbindungen ihr Anteil im Gemisch umgerechnet in eine äquivalente Menge 2,3,7,8-TCDD, dem giftigsten der Dioxine. 1 ng TE eines komplexen Dioxingemischs entspricht somit 1 ng 2,3,7,8-TCDD bezüglich der Toxizität. Als Faustformel hat sich in der Praxis gezeigt, dass nach Multiplikation der PCDD/PCDF-Summenwerte jeweils mit einem Faktor von 0,01 bis 0,02 das Ergebnis zumeist der tatsächlichen TE-Belastung nahekommt. Wenngleich die absoluten Expositionsmengen dieser Verbindungen im Vergleich zu den übrigen Schadstoffen sehr gering sind, so spielen sie doch auf Grund ihrer Toxizität und Persistenz eine große Rolle. Insbesondere bei der umweltgeotechnischen Rekultivierung, der Wiedernutzbarmachung und der Neuentwicklung von Altstandorten und Brachen muss der Themenkomplex der Dioxine und Furane behandelt und untersucht worden sein. Stellt sich im Laufe der Arbeiten die PCDD/PCDF-Problematik zufällig als virulent und ungeklärt heraus, bildet dieser Umstand ein enormes Investitionshemmnis und behindert den Fortgang der Arbeiten. Die präventive und ggf. begleitende Untersuchung auf diese Gruppe an Kontaminanten trägt frühzeitig dazu bei, Missverständnisse und das behördliche Stilllegen von Baustellen zu vermeiden. Sprengstofftypische Verbindungen, Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Xenobiotika sowie perfluorierte Tenside (PFT) „Sprengstofftypische Verbindungen“ oder „Nitroaromaten“ zeigen hinsichtlich der Erfassung, Bewertung und Sanierung von Boden- und Grundwasser-Verunreinigungen eine enge Verwandtschaft zum TNT als dem bedeutendsten militärischen Sprengstoff des vergangenen Jahrhunderts. Bundesweit hat sich in Fachkreisen eine Klassifizierung der Rüstungsaltlasten/militärischen Altlasten nach Standortkategorien bzw. nach Nutzungstypen gemäß folgender Gliederung weitestgehend durchgesetzt:

34

TS = Trockensubstanz nach Trocknung bei 105 Grad Celsius; vereinzelt auch als TM = Trockenmasse bezeichnet.

7

350

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

– Produktionsanlagen bzw. Fertigungsstätten für (konventionelle) Sprengstoffe, Treibmittel, chemische Kampfstoffe, Brand-, Nebel- und Rauchmunition, Leucht-, Signal- und Zündmittel – Munitionsfüllstellen und Munitionsanstalten (Lagerung, Bezünderung, Laborierung, mit oder ohne Füllstellen) – Delaborier-, Spreng- und Brandplätze (Vernichtung, Beseitigung, Übungstätigkeit) – Forschungs- und Erprobungsstellen, Schießplätze, Flugplätze – Sonstige, wie z. B. Bunkeranlagen, Tanklager, Flak-Stellungen, Ablagerungsflächen (Mun-Verklappung/-deponierung), zum Teil Kasernen, Bomben(ziel)abwurfplätze, ehemalige Gefechtsfelder mit Kriegs-/Kriegsfolgewirkungen. Die Praxis zeigt, dass insbesondere auf Grund der sich bildenden Metabolite 35 der sprengstofftypischen Verbindungen36 sich das iterative, abgestufte Vorgehen bei der laboranalytischen Untersuchung von Probenmaterial zur Feststellung des Belastungsspektrums und -umfangs bewährt hat. Zur Differenzierung sei für den Praktiker im geotechnischen Umfeld folgende Unterteilung nach den wichtigsten Parametern37 in Anlehnung an Börger (1998), [4] vorgenommen:

7

– Sprengstoffe: 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT), Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol), Dinitrobenzol (DNB), Hexogen (RDX), Nitropenta (PETN, Pentaerithritetranitrat), Hexyl (Hexanitrodiphenylamin), Tetryl (Tetranitrodiphenylamin), Oktogen (HMX) – Initialsprengstoffe: Knallquecksilber, Bleiazid, Bleitrinitroresorcinat, Tetrazein – Treibladungspulver: Nitrocellulose in Mischungen mit Nitroglycerin, Nitroglycol, Nitroguanidin – Pyrotechnika: Brand-, Nebel- und Rauchsätze – Chemische Kampfstoffe38: + Nervengifte (i. W. phosphororganische Verbindungen wie Tabun, Sarin, Soman, VX); + Hautgifte (nicht arsenorganische Verbindungen wie S-Lost, N-Lost [Gelbkreuz]; arsenorganische Verbindungen wie Lewisit, Clark I, Clark II); + Lungengifte [Grünkreuz] (Phosgen(e), Chlorpikrin); + Blutgifte bzw. Gifte der Zellatmung und des Zellstoffwechsels (Blausäure, Chlorcyan, Arsenwasserstoff); + Nasen-Rachen-Reizstoffe (Adamsit, Clark I, Clark II); + Tränengase bzw. Augenreizstoffe (Bromaceton, Chloracetophenon). Im Rahmen der allgemeinen Herangehensweise zur Feststellung des möglichen Belastungsspektrums von Boden und Grundwasser eines Standortes kann auf folgende Parameter zur Gewinnung eines ersten Überblicks zurückgegriffen werden:

35 36 37 38

Chemische Ab- und Umbauprodukte auf Grund physikochemischer Instabilität der Edukte. Synonyme Bezeichnung für Explosivchemikalien bzw. Nitroaromaten. Ohne Abbauprodukte bzw. Metabolite. Allein von den chemischen Kampfstoffen sind in Deutschland während der beiden Weltkriege des letzten Jahrhunderts mehrere 100.000 Tonnen produziert worden. Während des II. Weltkrieges wurden C-Kampfstoffe zwar produziert und gelagert, jedoch nicht für Gefechtshandlungen eingesetzt.

7.3 Boden-, Bodenluft- und Gewässerverunreinigungen

351

Tabelle 7.5 Wichtigste sprengstofftypische Parameter (Nitroaromaten und zum Teil Metabolite) bei Boden- und Gewässeruntersuchungen zur ersten Feststellung von Schadstoffschwerpunkten im Rahmen einer iterativen Herangehensweise Wichtigste sprengstofftypische Parameter bei Boden- und Gewässeruntersuchungen 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT)

3,4-Dinitrotoluol

2-Amino-4,6-Dinitrotoluol

2-(Mono-)Nitrotoluol

4-Amino-2,6-Dinitrotoluol

3-(Mono-)Nitrotoluol

2,4-Dinitrotoluol

4-(Mono-)Nitrotoluol

2,6-Dinitrotoluol

1,3,5-Trinitrobenzol

Hexyl

Hexogen

Nitropenta

Oktogen

Hinsichtlich der laborativen Analyseverfahren für Boden- und Gewässeruntersuchungen sind die entsprechenden Applikationen und Standards in der DIN 38407 (F 17) und der DIN EN ISO 17993:2004-03 niedergelegt. Der Umgang mit Probenmaterial, das mit chemischen Kampfstoffen belastet ist, ist einerseits extrem selten und bedarf andererseits besonderer Arbeitsschutzvorkehrungen, wie z. B. dem Arbeiten unter Vollschutz und ggf. mit atmosphärischem Überdruck. Eine vertiefende Behandlung dieser Aspekte würde den Rahmen der vorliegenden Ausführungen sprengen, so dass auf die einschlägige Fachliteratur hierzu verwiesen wird. Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel (PBSM) können bei der Rekultivierung von Böden und darüber hinaus bei der Erschließung von Grundwasserkörpern für Trinkwasserzwecke von Bedeutung sein. Der Einsatz derartiger Substanzen hat sich im Einzelfall sowohl auf die Ziel- als auch auf die Nicht-Zielorganismen ausgewirkt. Unspezifische Totalherbizide, wie z. B. der PBSM-Wirkstoff Diuron, sind in der Vergangenheit zur Unkrautfreihaltung von befestigten und unbefestigten Flächen, Wegen und Anlagen verwandt worden. Solche unspezifischen Breitband- bzw. Totalherbizide sind in der Land- und Forstwirtschaft in der Regel nicht zum Einsatz gekommen. Für diese Anwendungsbereiche ist auf selektiv wirkende Verbindungen zurückgegriffen worden. Da für den Bereich der praktischen Umweltgeotechnik derartige Verbindungen keine große Tragweite besitzen, sei an dieser Stelle hinsichtlich des Auftretens, der Relevanz, der Parametrierung und der Behandlung u.a. auf Börger (1996), [3] und Börger & Poll (1998), [5] verwiesen. Umweltrelevante Xenobiotika bzw. Human- und Veterinärpharmaka (z. B. Östrogene, Lipidsenker, Antibiotika) wurden in der jüngeren Vergangenheit insbesondere in der aquatischen Phase von (auch bereits geklärten) Abwässern und Sedimentationsrückständen nachgewiesen. Diese Verbindungen stellen einen Sonderfall dar, der – wenn auch in der Trinkwassergewinnung von großer Tragweite – in der umweltgeotechnischen Praxis bisher kaum von Bedeutung ist und an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt ist. Seit dem Jahr 2006 ist eine weitere Gruppe, die perfluorierten Tenside (PFT), die zum Teil auch als Perfluortenside bezeichnet werden, bekannt. Unter diese Begrifflichkeit fallen organische, oberflächenaktive Substanzen, die ausschließlich industrieller Herkunft sind und wie folgt eingeteilt werden: – Perfluorierte Alkylsulfonate (PFAS) mit dem häufigsten Vertreter Perfluoroctansulfonat (PFOS) – Perfluorierte Carbonsäuren (PFCA) mit dem häufigsten Vertreter Perfluoroctansäure (PFOA) sowie untergeordnet den – Fluortelomeralkoholen (FTOM).

7

352

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Derartige Fluorchemikalien finden auf Grund ihrer chemischen und thermischen Stabilität sowie auf Grund ihrer UV-Beständigkeit und weitgehenden Verwitterungsresistenz in Verbindung mit schmutz-, farb-, fett-, öl- und wasserabweisenden Eigenschaften verbreitete Anwendung in Industrie- und Konsumprodukten. Textil-, Papier-, Photo- und metallverarbeitende Industrie sowie die Branche der Löschmittelproduzenten zählen zu den Hauptanwendern. PFT können in Produkten des täglichen Gebrauchs enthalten sein, wie z. B. schmutzabweisenden Teppichen, antihaftbeschichtetem Kochgeschirr, Möbeln, Tapeten, lipophoben Lebensmittelverpackungen, in wasserdichten bzw. atmungsaktiven Funktionsbekleidungen und -schuhen sowie in Sprays für Möbel und Kleidung, in Wandfarben und in Haushaltsreinigern. Die industrielle Fertigung der Perfluortenside setzte in den 1960er Jahren ein und hat seitdem stetig zugenommen. Auf Grund der Anreicherung im Klärschlamm und anschließender Verbringung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ist es vereinzelt zu weitreichenden, regional zum Teil fast flächigen Bodenbelastungen gekommen. Neben der Aufnahme über die Nahrungskette kommt es zu einer Anreicherung in der Leber von Organismen. Darüber hinaus kommt es zum Austritt des PFT über den Sickerwasserpfad und damit zur Anreicherung in der aquatischen Phase. PFTVerbindungen sind praktisch nicht abbaubar.

7

In der geotechnischen Praxis kann die PFT-Problematik insbesondere dann Bedeutung erlangen, wenn es auf Brachflächen in der Vergangenheit zur Verbringung von Industrieabfällen – teilweise auch unter der Bezeichnung „Dünger“ oder „Bodenhilfsstoff“ – gekommen ist; auch Flächen mit Löschschaumanwendungen können Virulenz besitzen. Von Seiten der Wasserwirtschaft wird für Trinkwasser ein Vorsorgewert von 0,1 µg/L angestrebt; in Nordrhein-Westfalen konnten in Oberflächengewässern und Kläranlagenausläufen bereits PFTGehalte von 0,56 bis 0,71 µg/L nachgewiesen werden. Bei der Sanierung derartig belasteter Böden wird – abhängig von der jeweiligen Kubatur – zum Teil die Auskofferung und thermische Behandlung (i. w. S. Verbrennung) angestrebt; bei der Reinigung von belastetem Wasser wird auf Aktivkohleabsorption bzw. auf Nanofiltration zurückgegriffen.

7.4

Branchentypische Kontaminationsprofile

Von besonderem Interesse bei der Bearbeitung von Altstandorten und Altlastverdachtsflächen ist die Aufwältigung und möglichst Rekonstruktion der in der Vergangenheit erfolgten Tätigkeiten, Prozesse und umgeschlagenen Produktionsflüssigkeiten/-substanzen, die kontaminationsrelevante Wirkungen im Regelbetrieb oder bei Unfällen bzw. Leckagen und Undichtigkeiten von Rohrleitungs- oder Speichersystemen gehabt haben können. Zur Rückverfolgung von Betriebsabläufen und zur Erschließung spezieller Kontaminationspotenziale hat der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR, 1989) eine branchenbezogene Arbeitshilfe für die Erhebung und Auswertung derartiger Angaben zu produktionstypischen Bodenbelastungen auf stillgelegten Industrie- und Gewerbeflächen erarbeitet. Mit der vorgenommenen Flächentypisierung und der Darstellung spezifischer, auf die jeweilige Branche bezogener Belastungsprofile ist ein gezieltes Detektieren des Schadstoffinventars vergleichbar einer Stoff- und Standortcharakteristik möglich. Angaben zu Vor-, Zwischen und Hauptprodukten sowie zum möglichen Zurückbleiben von Produktresten nach Stilllegung ergänzen die Ausführungen. Der Sachverhalt der branchentypischen Kontaminationsprofile sei hier nur kurz angerissen und querverwiesen. Für einen ersten Überblick über mögliche branchenspezifische Schadstoffe auf Altstandorten und Altlastverdachtsflächen soll folgende Auflistung als Anhalt dienen.

7.4 Branchentypische Kontaminationsprofile

353

Tabelle 7.6 Übersicht über branchenspezifische Schadstoffe39 Branche

Mögliche Schadstoffe

Steinkohlenbergbau, Gaswerke, Kokereien

Ammonium, Anthracen, Arsen, Asbest, Benzo(a)pyren, Benzol, Blei, Chrom, Cyanide, Ethylbenzol, Fuoren, Kresole, Mesitylen, MKWS, Naphthalin, PAK (allg.), Phenol, Säuren/Basen, Teeröle, Thiocyanate, Toluol, Xylole, Schwermetalle (Zink)

NE-Metallerzbergbau

Blei, Cadmium, Chrom, Cyanide, Kresole, Kupfer, Phenol, Quecksilber, Säuren/Basen, Zink, Schwermetalle allg.

Mineralölverarbeitung, Mineralöllagerung (inkl. Altöl)

Anthracen, Arsen, MKWS, BTEX, LHKW allg., Blei, Chrom, Dibromethan, Dichlorethan, Dichlorpropan, Kupfer, Naphthalin, Nickel, PAK allg., PCB, Phenol, PCN, PCP, Säuren/Basen, Selen, TCDD, Teeröle, Tetrachlorethan, Tetraethylblei, Trichlorethan, Trichloretehn, Vanadin, Zink

Eisen- und Stahlherstellung

Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Cyanide, Fluoride, MKWS, Nickel, Phenol, Quecksilber, Säuren/Basen, Vanadin, Zink

NE-Metallhütten

Antimon, Arsen, Beryllium, Blei, Cadmium, Chrom, Cyanide, Fluoride, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Säuren/Basen, Selen, Thallium, Vanadin, Zink

NE-Metallumschmelzwerke

Antimon, Arsen, Beryllium, Blei, Cadmium, Chrom, Cyanide, Fluoride, Kupfer, MKWS, Nickel, Quecksilber, Säuren/Basen, Zink

Metallgießereien

Antimon, Arsen, Cadmium, Cyanide, Blei, Kupfer, Nickel, Phenol, Quecksilber, Säuren/Basen, Vanadin, Zink

Oberflächenveredlung, Härten von Metallen

Antimon, Arsen, MKWS, BTEX, Blei, Cadmium, LHKW allg., Chloroform, Chrom, Cyanide, Dichlormethan, Fluoride, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Säuren/Basen, Selen, Tetrachlorethen, Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethan, Trichlorethen, Zink

Herstellung von Batterien, Akkumulatoren

Antimon, Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Fluoride, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Säuren/Basen, Selen, Zink

Herstellung von anorganischen Grundstoffen und Chemikalien

Ammonium, Antimon, Arsen, Beryllium, Blei, Cadmium, Chrom, Cyanide, Dinitrophenol, Fluoride, Fluorosilikate, Kupfer, Nickel, Nitrobenzol, PCP, Quecksilber, Säuren/Basen, Selen, Tetrachlorkohlenstoff, LHKW allg., Thallium, Thiocyanate, Vanadin, Zink

Herstellung von anorganischen Grundstoffen, Chemikalien, Pharmazeutika

MKWS, BTEX, LHKW, PAK, PCB, TCDD, PCP, Metalle und Schwermetalle

Herstellung von Kunststoffen

Acrylnitril, BTEX, Blei, Cadmium, LHKW allg., Chloroform, Chrom, Cyanide, Dibromethan, Dichlorethan, Dichlorethen, Dichlorpropan, Dinitrotoluol, Epichlorhydrin, Fluoride, Kresolöe, PAK, OPhenol, Phthalate, Säuren/Basen, Selen, Tetrachlorkohlenstoff, Toluol, Vinylchlorid, Zink

Herstellung von Farben und Lacken

Anthracen, Antimon, Arsen, MKWS, BTEX, Blei, Cadmium, Chlorbenzol, Chloroform, LHKW allg., Chlorphenol, Chrom, Cyanide, Dichlormethan, Dinitrophenol, Dinitrotoluol, Fluoranthen, Fluoride, Kresole, Kupfer, Mesitylen, Naphthalin, Nitrobenzol, PAK, PCB, PCP, Phenol, Phthalate, Quecksilber, Säuren/Basen, Selen, Teeröle, Tetrachlorethan, Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethan, Trichlorethen, Zink

39

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

7

354

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Tabelle 7.6 (Fortsetzung) Übersicht über branchenspezifische Schadstoffe40

7

Herstellung von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln

Aldrin, Arsen, BTEX, Blei, LHKW allg., Chloroform, Chlorbenzol, Chlorphenol, Chrom, Cyanide, DDT, Dibromethan, Dichlorphenol, Dichlorpropan, Dinitrophenol, Epichlorhydrin, Fluoride, Fluorosilikate, Hexachlorbenzol, Hexachlorcyclohexan, Kresole, Kupfer, Naphthalin, Nitrobenzol, PCP, Phenol, Quecksilber, Selen, TCDD, Teeröle, Tetrachlorkohlenstoff, Thallium, Trichlorbenzol, Trichlorphenol, Tetrachlorethan, Zink

Herstellung von Explosivstoffen

Antimon, Arsen, Blei, Chrom, Dinitrophenol, Nitroaromaten allg., Trinitrotoluol, Kupfer, Nitrobenzol, Phenol, Säuren/Basen, MKWS

Munition

und

Aufbereitungsanlagen für verbrauchte Lösungsmittel, Chemikalien etc

MKWS, BTEX, LHKW, PAK, PCB, PCP, PCN, TCDD

Tierkörperbeseitigung, Tierkörperverwertung

Ammonium, MKWS, Tetrachlorethen

Herstellung und Verarbeitung von Glas

Antimon, Arsen, Benzol, Blei, Cadmium, Chrom, Cyanide, Fluoride, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Selen, Zink

Bearbeitung, Imprägnierung, Verarbeitung von Holz

Arsen, MKWS, Chrom, DDT, Dichlormethan, Dinitrophenol, Fluoranthen, PAK allg., Fluoride, Fluorosilikate, Kresole, Kupfer, Naphthalin, Nickel, PCB, PCN, PCP, Phenol, Quecksilber, Säuren/Basen, TCDD, Teeröle, Tetrachlorkohlenstoff, LHKW allg., BTEX, Trichlorethen, Zink

Herstellung und Verarbeitung von Papier, Pappen und Textilien

Antimon, Arsen, BTEX, Blei, Chrom, Cyanide, Epichlorhydrin, Kupfer, MKWS, PCB, PCP, Quecksilber, Säuren/Basen, Tetrachlorethen, Teeröle, Thallium, LHKW allg., Trichlorbenzol, Trichlorethan, Trichlorethen, Zink

Herstellung von Speiseölen und Nahrungsfetten

MKWS, BTEX, Chrom, LHKW allg., Chloroform, Dichlorethan, Dichlormetzhan, Nickel, Säuren/Basen, Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethen, Tetrachlorethen

Chemische Reinigungen

MKWS, LHKW allg., Chloroform, Dichlorethan, Tetrachlorethen, Trichlorethan, Trichlorethen

Abfallbehandlungsanlagen, Betriebskläranlagen, Schrottplätze, Abwrackplätze, Güterbahnhöfe, Bahnbetriebswerke, Flugplätze, Luftfahrt- und Marine-Werften

MKWS, BTEX, LHKW, PAK, PCB, PCP, PCN, TCDD, Metalle und Schwermetalle

Metallverarbeitung

Antimon, Arsen, MKWS, BTEX, Blei, Cadmium, LHKW allg., Chloroform, Chrom, Cyanide, Dichlormethan, Fluoride, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Säuren/Basen, Selen, Tetrachlorethen, Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethan, Trichlorethen, Zink

Verarbeitung von Gummi, Kunststoffen und Asbest

Antimon, Asbest, Acrylnitril, MKWS, PAK allg., Benzo(a)pyren, BTEX, Blei, Chlorbenzol, Chrom, Cyanide, Dichlorethan, Dichlorethen, Dichlormethan, Dichlorpropan, Dinitrotoluol, Epichlorhydrin, Fluoride, Kupfer, Nitrobenzol, PCB, Phenol, Phthalate, Quecksilber, Selen, Teeröle, Tetrachlorkohlenstoff, LHKW allg., Trichlorethan, Trichlorethen, Zink

40

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

7.5 Erkundung kontaminationsverdächtiger Standorte

7.5

355

Erkundung kontaminationsverdächtiger Standorte

Welche zeitlichen Dimensionen mit der Altlastbearbeitung verbunden sind, zeigen die diesbezüglichen Anstrengungen des Bundeslandes Bayern. Von den im Jahr 2004 erfassten 14.000 Verdachtsflächen soll bis zum Jahr 2020 durch vertiefende Arbeiten und detailliertere Prüfungen der Altlastverdacht geklärt werden. Erfassungen und Recherchen im Jahr 2007 haben für das Bundesland Hessen eine Anzahl von 7.091 Altablagerungen und von 104.347 Altstandorten ergeben. Von den erfassten bzw. weiter bearbeiteten und erkundeten Altstandorten sind 432 als altlastenverdächtige Flächen und 363 als Altlasten eingestuft worden; darüber hinaus konnte in 203 Fällen der Altlastenverdacht ausgeräumt und bei 366 Standorten die Einstufung als Altlast aufgehoben werden. Auf Bundesebene weist der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU, 2000) für das Jahr 2000 rund 360.000 (erst) erfasste altlastverdächtige Flächen aus; 1995 belief sich diese Angabe noch auf 170.000. Erste Angaben aus dem Jahr 1978 mit einer allmählich zunehmenden Sensibilität und steigendem Umweltbewusstsein der Gesellschaft gingen von Schätzungen über rund 50.000 Altdeponien und wilde Ablagerungen in den alten Bundesländern aus. Nicht immer von den „zivilen“ Verdachtsflächen scharf zu trennen sind die militärischen oder Rüstungsaltlasten. Die Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 1996 beziffern sich auf etwa 3.600 derartiger Verdachtsflächen; der SRU (2000) gibt in seinem Gutachten zur Umweltpolitik im Jahr 2000 diese Summe mit rund 10.000 an. Auf Grund des Umstandes, dass die erfassenden Bundesländer nicht immer nach einheitlichen Kriterien vorgehen und teilweise die militärischen Altlasten/Rüstungsaltlasten nicht separat erheben, können die Zahlenangeben jedoch nur als Größenordnung bzw. als Anhalt dienen. Um eine strukturierte und systematische Bearbeitung bei der Erfassung, Bewertung und Sanierung kontaminationsverdächtiger Standorte und Flächen zu gewährleisten, hat sich – von kleineren Abweichungen abgesehen – in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren das dreistufige Vorgehen nach einem Phasenmodell durchgesetzt (Bild 7-1). Mittels diesem Vorgehen ist sowohl eine qualifizierte, belastbare und vor allen Dingen nachvollziehbare Erfassung der Verdachtsfläche mit anschließender Gefährdungsabschätzung möglich. Den Abschluss bilden im Bedarfsfall die Sanierung und Folgeüberwachung; bestätigt sich im Einzelfall der gehegte Verdacht einer Belastung nicht, so kann die Fläche aus dem Altlastverdacht entlassen und das Verfahren abgeschlossen werden. Sofortmaßnahmen zur Abwehr akuter Gefahrenzustände können unmittelbar nach deren Feststellen in allen Phasen bzw. Teilschritten separat bzw. begleitend ergriffen werden.

7

356

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Erfassung

Erfassung

Altlastverdachtsfläche

Phase I historisch-genetische Recherche

Altlastverdacht ausgeräumt

Altlastverdacht besteht fort

Phase II a Orientierende Untersuchungen

Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, ggf. weitere Veranlassung behördliche Überwachung, ggf. weitere Veranlassung

Orientierende Untersuchung

Altlastverdacht ausgeräumt

7

Bewertung

Bewertung Altlastverdacht besteht fort

Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, ggf. weitere Veranlassung behördliche Überwachung, ggf. weitere Veranlassung

Detailuntersuchung

Phase II b Altlastverdacht ausgeräumt

Gefährdungsabschätzung

Bewertung

Bestätigung der Altlast

Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, ggf. weitere Veranlassung behördliche Überwachung, ggf. weitere Veranlassung

Sanierungsuntersuchung, Sanierungsplanung

Sanierung und Überwachung Phase III

Sanierungsmaßnahmen/ sonstige Maßnahmen Planung/ Durchführung/ Überwachung

Überwachung der Wirksamkeit der Sanierungsmaßnahme im Rahmen der Nachsorge; Behördliche Überwachung/ Eigenkontrollmaßnahmen, ggf. weitere Veranlassung

Bild 7-1 Verfahrensfließbild des stufenweisen Vorgehens bei der Erfassung, Bewertung und Sanierung kontaminationsverdächtiger Standorte

7.5 Erkundung kontaminationsverdächtiger Standorte

357

7.5.1 Erfassung und Erstbewertung (Phase I) Phase I stellt eine Erstsichtung verfügbarer Unterlagen und Dokumente aus Archiven, Katasterämtern, Museen und Betriebs-/Produktionstagebüchern dar. Im Idealfall lassen sich bei industriellen Anlagen und Einrichtungen auf dieser Grundlage Produktions- und umgeschlagene Chargenmengen von Vor-, Zwischen- und Hauptprodukten ermitteln, was erste, vorsichtige Rückschlüsse und Annahmen auf umweltrelevante Kontaminationspotenziale gestattet. Unter das Zusammentragen von Informationen fällt auch die Befragung von Zeitzeugen, die Aufschluss über den Zeitraum, den Umfang und die Art der Nutzung des betreffenden Areals geben können. Behördliche Genehmigungsunterlagen, Bescheide, Erlaubnisse und Bewilligungen können einen ersten aufschlussreichen Überblick über die auf der Verdachtsfläche in der Vergangenheit erfolgten Handlungen und Prozesse geben. Neben topographischen Karten tragen Flurstücks-, Parzellen- und Katasterpläne zur eindeutigen Identifizierung des Arbeitsgebietes bei; (hydro-)geologische Karten geben Aufschluss über Grundwasserverhältnisse und anzutreffende Locker- und Festgesteinsformationen. Wesentlicher Bestandteil dieser Phase ist die historisch-genetische Recherche. Sie zielt unter Verwendung multitemporaler Luftbildaufnahmen und kartographischer Unterlagen verschiedener Zeiträume in Kombination mit den Planunterlagen auf eine möglichst lückenlose und detailgetreue Wiedergabe der Nutzungsphase und -umstände ab. Spätestens mit Auswertung der Luftbildaufnahmen zeigen sich beim Gebäudebestand mitunter erste Diskrepanzen zwischen den Entwurfs- bzw. Bauplänen und den späteren baulichen Einrichtungen vor Ort. Luftbildaufnahmen liefern wertvolle Hinweise auf z. B. Vegetationsschäden und -anomalien. Bei Deponiekörpern lassen neben der Flächenbestimmung z. B. Zäune oder Einfriedungen den Rückschluss zu, ob es sich um unkontrollierte und wilde Verbringung von Deponat gehandelt hat oder ob eine Zugangskontrolle bzw. -beschränkung erfolgt ist. Die Berücksichtigung alliierter Bildbestände aus den 1940er Jahren (Zweiter Weltkrieg) liefert oftmals eine wertvolle Hilfe, um neben baulichen Bestandsdarstellungen unter Umständen auch kriegsbedingte Einflüsse auf Luftbildern festzustellen. Bei taktisch bedeutenden Einrichtungen haben die alliierten Streitkräfte zum Teil Photographien vor, während und nach Bombardierungen – letztere zur Erfolgskontrolle – angefertigt und archiviert. Im konkreten Fall können die in kommunalen Einrichtungen archivierten Protokolle der sogenannten Luftschutzpolizei zur Verdichtung der Sachverhaltserhebungen zwischen den Zeitpunkten einzelner Luftbildaufnahmen beitragen (vgl. Dodt & Mark (2003), [6]). Derartige Protokolle beschreiben zum Teil recht detailliert Art und Umfang kriegsbedingter Zerstörungen, teilweise sogar auf einzelne Gebäude oder Parzellen bezogen, was unter Umständen wiederum Rückschlüsse auf leckgeschlagene und ausgelaufene Chemikalien aus Eisenbahnkesselwagen bei Gleisanlagen bzw. Verladeeinrichtungen gestattet. Ab Mitte der 1950er Jahre wurden Luftbildarchivalien von ersten Befliegungen der Landesvermessungsämter ergänzt, die sukzessive vervollständigt wurden und heute im Abstand von fünf bis zehn Jahren eine Aktualisierung erfahren. Beprobungen vor Ort, bodeneingreifende Maßnahmen wie Aufschlussschürfe etc. werden erfahrungsgemäß in Phase I noch nicht durchgeführt und bleiben der Intensivierung der nachfolgenden Phase II vorbehalten. Für die Fokussierung dieser Arbeiten bildet die historischgenetische Recherche als Standortcharakteristik eine wichtige Voraussetzung.

7

358

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

7.5.2 Orientierende Untersuchungen (Phase II a) Auf der Basis des in Phase I gewonnenen Daten- und Erkenntnisstandes schließt sich Phase II an, die wiederum in zwei Einzelschritte unterteilt ist. Im Gegensatz zur Phase I umfasst Phase II a erste orientierende (Vor-)Untersuchungen in der betreffenden Lokalität, an deren Beginn eine ausgiebige Geländebegehung steht. Nach entsprechender Abstimmung mit den zuständigen Bau- und Umweltbehörden – im Falle von Kampfmittelverdacht auch mit dem jeweiligen Kampfmittelräum-/Kampfmittelbeseitigungsdienst des betroffenen Bundeslandes sowie ggf. notwendiger entsprechender Freigabe jedes einzelnen Bohr-, Schurf- oder Aufschlusspunktes – finden erste bodeneingreifende Maßnahmen an Verdachtsflächen bzw. „kariösen“ Stellen statt, die anhand der Phase I und als Ergebnis der Geländebegehung auf Grund von Verdachtsmomenten als relevante Teilbereiche festgelegt wurden.

7

Bereits bei der Begehung und vor allem bei den Sondierarbeiten können aufwändige Arbeitsschutzmaßnahmen bis zum Vollschutz für die Vor-Ort-Kräfte bei toxischen chemischen Substanzen (unter anderem auch chemische Kampfstoffe wie z. B. arsenorganische Verbindungen) zu berücksichtigen sein. Für die in der Regel als Kleinrammbohrung durchzuführenden „Bohrungen“ im DN 30 bis DN 60 kann im Extremfall bei Verdacht auf toxische Kontaminanten oder bei Vorliegen von Kampfmittelbelastungen unter Umständen ein personenunabhängiges automatisiertes Sondierverfahren erforderlich werden. Das gewonnene Proben-/Bohrgut ist im Gelände sensorisch und lithologisch anzusprechen, zu dokumentieren und zwecks Laboranalytik auf festgelegte Parameter qualifiziert zu beproben, worauf im weiteren Verlauf noch detaillierter eingegangen wird. Ziel und Zweck der Phase II a ist es, durch erste orientierende Voruntersuchungen an Verdachtspunkten den Kontaminationsverdacht auszuräumen oder – bei Nachweis von Belastungen – als „Schwarz-Weiß-Befundung“ zu erhärten. Die weitere dreidimensionale Abgrenzung und die gutachterliche Bewertung des Ausmaßes der Kontamination ist Phase II b vorbehalten.

7.5.3 Gefährdungsabschätzung (Phase II b) Mit Verfügbarkeit sowohl der Bohr- als auch der Laborergebnisse findet eine erste Bewertung etwaiger Befundauffälligkeiten statt. In diesem Fall sind als Phase II b vertiefende Untersuchungen des oder der Schadkörper mit ggf. Einrichtung von Grundwasser-Messstellen (sogenannte Grundwasser-Aufschlüsse) notwendig, die eine dreidimensionale Abgrenzung der Schadkörper im Boden und im Grundwasser zum Ziel haben. In diese Phase II b fällt auch das unabdingbare zeitliche Monitoring, d. h. die Beobachtung etwaiger Auffälligkeiten im Grundwasserkörper durch in der Regel 20-minütige Pumpbeprobungen41 und anschließende Laboranalytik. Mehrfachbeprobungen und -untersuchungen über mehrere Monatszyklen können zur weiteren Verifizierung beitragen. Am Ende der Gefährdungsabschätzung in Phase II b, die wiederum in mehrere Schritte unterteilt sein kann, muss die Bestätigung oder Ausräumung des Altlastverdachtes stehen. Bei 41

Pumpbeprobung bis zur messtechnischen Konstanz der Vor-Ort-Parameter Temperatur, pH-Wert, Sauerstoffgehalt, Leitfähigkeit, RedOx-Potenzial und kontinuierlicher Registrierung des korrespondierenden Grundwasserspiegels ist obligatorisch.

7.5 Erkundung kontaminationsverdächtiger Standorte

359

Verdachtsbestätigung muss die Phase II b mit einer Beurteilung der Sanierungs- bzw. Sicherungs- oder Beobachtungsnotwendigkeit schließen. Gutachterliche Leistung ist insbesondere die Feststellung der Sanierungswürdigkeit einer Boden- bzw. Grundwasser-Verunreinigung und die grundsätzliche Sanierungsfähigkeit einer Altlast bzw. einer Verunreinigung. Innerhalb der einzelnen Phasen wird die Abarbeitung des Verfahrensteilschrittes der Sanierungsuntersuchung nicht einheitlich gehandhabt. Mittels dieses Teilschrittes soll orientierend an den zu erreichenden Sanierungszielwerten im Wesentlichen Aufschluss über das zu wählende Sanierungsverfahren gewonnen werden. Die Sanierungsuntersuchung kann Gegenstand der Gefährdungsabschätzung sein und die Phase II b abschließen, sie kann aber auch Bestandteil der nachfolgenden Phase III sein.

7.5.4 Sanierung, Sicherung und Nachsorge (Phase III) Phase III beinhaltet den gesamten Zeitraum der Sanierung bzw. Sicherung einer Boden-, Bodenluft- oder Grundwasser-Verunreinigung. Voraussetzung ist die gutachterliche Feststellung der Sanierungswürdig- und der Sanierungsfähigkeit einer Altlast, für die von Seiten der zuständigen Umweltbehörden die Sanierungszielwerte formuliert werden. An diesen Eckpunkten richtet sich die Sanierungsuntersuchung zur Wahl des geeigneten Verfahrens aus. Im Idealfall werden die Eignungsuntersuchungen von Pilotversuchen im Gelände begleitet, um Abschätzungen zum zeitlichen Bedarf, zu den anfallenden Kosten, der Abreinigungsleistung eines beabsichtigten Verfahrens und der Erreichbarkeit von (nutzungsbezogenen) Sanierungszielwerten zu treffen. Insbesondere das Sanierungsziel muss sich an der späteren Nutzung eines Areals bzw. Standortes ausrichten. Sanierungszielwerte für belastetes Erdreich fallen bei einem beabsichtigten Wiedereinbau auf sensiblen Standorten mit Wohnbebauung und Kinderspielplätzen entsprechend strenger aus als in Bereichen ohne empfindliche Nutzung, wie z. B. außerhalb von Trinkwasserschutzgebieten mit späterer Oberflächenversiegelung des Einbaumaterials oder als Schüttgut für Lärmschutzwälle. Mit Wahl eines bestimmten Sanierungsverfahrens schließen sich Sanierungsplanung und -konzeption an, wobei insbesondere arbeitsschutzseitigen Bestimmungen für das Arbeiten in kontaminierten Bereichen strikte Beachtung zu schenken ist. Planung, Durchführung und Überwachung geotechnischer Sanierungs- bzw. Sicherungsverfahren bedürfen der gutachterlichen Begleitung, insbesondere auch zur Kontrolle der Wirksamkeit des gewählten Verfahrens. Für die Dauer der Sanierungsmaßnahme sind begleitende Beprobungen und die laboranalytische Untersuchung von Probengut unabdingbar. Ziel der Sanierung bzw. der Sicherung muss es sein, das Umweltrisiko für die Kompartimente Boden, Wasser und Luft einzuschränken und orientierend an der Folgenutzung (nutzungsorientierte Sanierungszielwerte) die Fläche in die räumliche Nutzungsstruktur wieder einzugliedern. Mit Inkrafttreten des BBodschG (1998) hat der Gesetzgeber die Sicherung, d. h. die schadlose Immobilisierung relevanter Verunreinigungen, als gleichwertiges Verfahren neben den Sanierungsverfahren rechtlich normiert. Dort wo geeignet, geotechnisch umsetzbar und umweltseitig vertretbar, lassen sich mit diesem konservativen Vorgehen Kosten einsparen. Die in den letzten Jahren weiter entwickelten und ausgefeilten geotechnischen Verfahren führen nur noch im Ausnahmefall – so z. B. bei einer außergewöhnlichen Toxizität des

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360

7

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Schadstoffes42 oder bei geringer Kubatur des Imprägnationskörpers – zu einer Verbringung auf eine gesicherte Deponie. Als Stand der verfügbaren Technik und der allgemein anerkannten Regeln wird eine Sanierung vor Ort „in situ“43 oder „on site“44 angestrebt. „Off-site“-Verfahren45 in einer ortsfesten Behandlungsanlage erfordern in der Regel den Transport des Schadmaterials. Allen Verfahren gemeinsam ist das mögliche Anstreben des anschließenden Wiedereinbaus des sanierten bzw. behandelten Erdreichs. Bei der Sanierung belasteter Gewässer wird überwiegend auf eine Behandlung vor Ort mit anschließender Wiedereinleitung oder auf eine Ableitung in die Vorflut bzw. in die Kanalisation zurückgegriffen. Den formalen Abschluss der Phase III bildet die gutachterliche Bescheinigung des Sanierungserfolges. Im Bedarfsfall kann sie die analytische Beobachtung der (Rest-)Schadkörperentwicklung in Form einer Nachsorge bzw. einer Überwachung enthalten. Bei GrundwasserKontaminationen ist die zeitliche Beobachtung der hydrochemischen und -physikalischen Qualität sinnvoll, um etwaiges „Nachbluten“ als Folge weiterer Restmobilisierung von im Boden oder Grundwasser verbliebenen Schadstoffen und den dauerhaften Sanierungserfolg festzustellen. Zu diesem Zweck sollte der Erhalt und die dauerhafte Nutzung errichteter Grundwasser-Messstellen erwogen werden. Uneinheitlich gehandhabt wird die verfahrensseitige Stellung der Maßnahmen zur Folgenutzung eines Areals nach Abschluss von Phase III. Teilweise als eigenständige Phase IV werden im Bedarfsfall bei der Anschlussnutzung einer Industriebrache die vor der (Neu-)Erschließung des Areals mit den ingenieur- und geotechnischen Rückbaumaßnahmen vorgenommenen Arbeiten geführt. Das stufenweise Vorgehen nach dem Phasenmodell erlaubt eine systematische, strukturierte und nachvollziehbare Erfassung, Bewertung und Sanierung von Altlasten und kontaminierten Standorten. Die historisch-genetische Recherche verschafft einen ersten Überblick über die Nutzungshistorie eines Areals und trägt wesentlich Informationen zum Gelände und zu geotechnischen Kennwerten bei. Die durchzuführenden Arbeiten und Tätigkeiten sind auf die jeweilige Verdachtsfläche im Einzelnen abzustimmen sowie an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen; das Phasenmodell stellt nur das generelle Vorgehen zur Eingrenzung, Befundung, Beurteilung und ggf. Sanierung/Sicherung dar.

7.6

Sicherungs- und Sanierungsverfahren

7.6.1 Allgemein Unter dem Begriff „Sanierung“ wird im Allgemeinen die Summe notwendiger Maßnahmen verstanden, die sicherstellt, dass von einer Altlast im Zusammenhang mit ihrer geplanten Nutzung keine Gefahr für Menschen oder andere Schutzgüter ausgeht. Darunter lassen sich Sicherungs- oder Dekontaminationstechniken zusammenfassen, aber auch die Umlagerung des Bodens zur Weiterverwendung in einem anderen Nutzungsrahmen mit toleranteren Zielwerten (Bild 7-2).

42 43 44 45

Wie z. B. volatile arsenorganische Verbindungen aus chemischen Kampfstoffen. „in situ“: Behandlung des Erdreichs im eingebauten Zustand ohne Auskofferung. „on site“: Ausbau des Materials und Behandlung in mobiler Einrichtung vor Ort. „off site“: Ausbau des Materials, Transport und Behandlung in einer räumlich entfernten Anlage.

7.6 Sicherungs- und Sanierungsverfahren

361

Erfassung der Kontamination Bauwerk/ Baugrund

Sanierungsuntersuchung: Detaillierte historische und technische Erkundung, Gefahrenbeurteilung

Industrielle Nebenprodukte, Abfälle, Kampfmittel, etc.

Sanierungsplanung

Sicherung

Dekontamination

Entsorgung auf Deponie

Weiterverwertung

Ex-situ Verfahren Entfernen der Schadstoffe aus dem Boden oberhalb der Erdoberfläche

On-site Verfahren Reinigung des Bodens in mobilen Anlagen vor Ort

In-situ Verfahren Behandlung im Boden. Austragung von Schadstoffen durch Luft oder Wasser; biologischer Abbau oder Umwandlung

Off-site Verfahren Behandlung kontaminierten Bodens in Entsorgungszentren

Wieder- bzw. Weiterverwertung Erfolgskontrolle und Beobachtung/Überwachung

Bild 7-2 Kreislauf zur Sanierung von Baugrundkontaminationen (Boley & Meyer (2006), [2])

Bei der Entscheidung für eine geeignete Sanierungsmaßnahme ist nach Doetsch & Grimski (1999), [7] die standortspezifische Abwägung von Kontamination, Freisetzungs- und Transportmechanismen, die Sensibilität der Nutzung sowie die Schutzwürdigkeit des Grundwassers und des Bodens entscheidend.

7.6.2 Sicherung Ziel von Sicherungsmaßnahmen ist die akute Eindämmung des Gefahrenherdes im Baugrund, um eine Verschlechterung der Gesamtsituation zu verhindern (vgl. u.a. Prinz & Strauß (2018), [13]). Dabei werden die Transportwege der Schadstoffe eingeschränkt oder unterbrochen (vgl. Klapperich et al. (2005), [11]). Zur Sicherung kommen im Wesentlichen die Verfahren „Einkapselung“ und „Immobilisierung durch Bindemittelzugabe“.

7

362

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Nach erfolgter Sicherung kann über weitere Vorgehensweisen im Umgang mit der Kontamination entschieden werden. So kann eine Dekontamination erfolgen, aber auch eine Bodenentnahme zur Weiterverwertung oder zur Endlagerung auf einer Baustoffdeponie. 7.6.2.1 Einkapselung Eine Einkapselung des Schadstoffherdes verhindert zunächst mittels Oberflächenabdichtungen eine weitere Durchsickerung des Bodens durch Niederschlag. Vertikale Dichtungselemente, z. B. Schlitzwände oder Einphasen-Dichtwände, schirmen die Kontamination seitlich gegen den Zustrom von Grundwasser ab. Dabei ist darauf zu achten, dass die Dichtwände in geringdurchlässigen Baugrund einbinden, um eine Durchströmung des verunreinigten Bodens mit Grundwasser zu verhindern. 7.6.2.2 Immobilisierung durch Bindemittelzugabe Durch die Zugabe von Bindemitteln in einer Verunreinigungszone oder ihrer direkten Umgebung kann eine effektive und wirtschaftliche Sanierung besonders anorganischer Kontaminationen durchgeführt werden. Organische Verunreinigungen lassen sich mit diesem Verfahren selten fixieren, da nur wenige Schadstoffe mit anorganischen Bindemitteln chemische Reaktionen eingehen.

7

Tabelle 7.7

Bindemittel zur Immobilisierung ausgewählter Schadstoffe (nach Schade)

Schadstoff

Immobilisierung durch

Mineralöle

Kunststoff

Anorganische Salze

Verglasung

Schwermetalle

Zementmischung

Eine Immobilisierung wird entweder in situ durch Injektionslanzen oder durch eine Kombination aus Bodenausbau und nachfolgender Fixierung durchgeführt. Durch Zuführen von Zement, Wasserglas, Kunststoff oder anderen Lösungen (Tabelle 7.7) werden die Schadstoffe in weitgehend wasserundurchlässigen Körpern gebunden, so dass ihre Mobilität und Umweltverfügbarkeit langfristig reduziert wird (vgl. Schade (2003), [15]). Für hoch belastete Böden erfolgt die Endlagerung auf Sonderabfalldeponien. Ein schadstoffbelasteter Boden > Z2 (nach LAGA) kann nach erfolgreicher Immobilisierung jedoch noch im Straßenbau wiederverwertet werden. Bei Schadstoffgehalten < Z4 (nach LAGA) muss eine spezielle Überprüfung feststellen, ob eine Immobilisierung erfolgreich durchgeführt werden kann.

7.6.3 Umlagerung von Boden Auf Grund begrenzter Kapazitäten wird gering belasteter Erdaushub nicht auf Deponien entsorgt, sondern alternativen Verwertungsmöglichkeiten zugeführt. Schadstoffbelastete Baustoffe, die einem Belastungsgrad < Z2 (nach LAGA) entsprechen, können unter anderem zu Rekultivierungszwecken wiederverwertet werden (vgl. Schade (2003), [15]). Aber auch Böden, die Anforderungen an eine hohe Nutzungssensibilität (Kinderspielflächen, Wohngebiete) nicht entsprechen, können in Gewerbe- oder Industriegebieten durchaus eine Verwertung finden. Z2-Materialien bzw. Böden und Baustoffe der Einbauklasse EK2 werden häufig bei

7.6 Sicherungs- und Sanierungsverfahren

363

Einhaltung aller technischen Sicherheitsmaßnahmen im Straßenbau zu Dammschüttungen und Errichtungen von Lärmschutzwällen etc. verwendet (vgl. Heyer (2005), [8]). Geregelt wird diese Vorgehensweise nach Vorgaben des Bundesministeriums für Verkehr, TL MinStB46. Ist Boden mit teer- und pechhaltigen Substanzen versetzt, kann er gemäß Ru/Va-StB47 im Straßenoberbau wieder verarbeitet werden. Besteht kein unmittelbarer Bedarf für gering belasteten Erdaushub, so ist er auf gesonderten Deponien zwischenzulagern. Beim Bodenaushub ist darauf zu achten, dass eventuell vorhandene gering durchlässige quartäre Deckschichten unterhalb der Kontamination nicht durchteuft werden, sondern als Sperrschicht erhalten bleiben (vgl. Trautmann et al. (2002), [20]).

7.6.4 Dekontamination Nach Sicherung des Kontaminationsherdes kann als Weiterbehandlung eine Sanierung nach Ex-situ- oder In-situ-Verfahren erfolgen. Dabei werden technische und administrative Maßnahmen angewendet, die im Zusammenhang mit der vorgegebenen oder geplanten Nutzung zu einer dauerhaften oder zeitlich befristeten wirksamen Beseitigung von Gefährdung bzw. Gefahrenherden führen (vgl. Klapperich et al. (2005), [11]). Mittelfristig soll es zu einer deutlichen Verminderung oder Beseitigung der Verunreinigungen und ihrer Folgen kommen. Mitunter wird eine Kombination verschiedener Methoden angewendet, die zusammen zu einer ökologisch-ökonomischen Gesamtlösung beitragen. 7.6.4.1 Thermische Behandlung (on-site) Bei thermischer Behandlung wird eine direkte Verbrennung des Bodens (bei ~1200 °C) in oxidierender Atmosphäre über offener Flamme eingeleitet. Dabei werden organische Schadstoffe zu CO2 und H2O aufoxidiert, verdampft und in der Abgasreinigung oxidiert. Die Abgase werden in einer nachgeschalteten Reinigungsanlage gereinigt. Jegliche Verbrennungsrückstände müssen auf einer Sonderabfalldeponie endgelagert werden. Thermische Verfahren eignen sich für alle Bodenarten und eliminieren besonders wirkungsvoll organische Verbindungen, CKW, Aromaten, Dieselöle und Cyanide. Hohe Temperaturen führen zu einer starken Beeinflussung der Bodenmatrix. 7.6.4.2 Bodenwäsche (on-site) Durch Bodenwäsche erfolgt eine Schadstoffabtrennung mittels Wasser und mechanischer Energie. Eine verstärkte Wirkung wird durch den Einsatz von Waschzusatzstoffen (Tensiden) und einer Erwärmung des Wassers erzielt. Das Verfahren eignet sich besonders gut für rollige Böden, die mit Mineralölen, Aromaten, PAKs, Schwermetallen und anorganischen Verbindungen verschmutzt sind. Nach dem Vorgang ist das Prozesswasser zu reinigen und das Schadstoffkonzentrat auf einer Sondermülldeponie endzulagern. Bevorzugte Anwendungsgebiete sind Sandböden mit max. 25 bis 30 % Feinkornanteilen.

46 47

Vgl. Technische Lieferbedingungen für Mineralstoffe im Straßenbau Vgl. Richtlinien für die umweltverträgliche Verwertung von Ausbaustoffen mit teer-und pechtypischen Bestandteilen sowie für die Verwertung von Ausbauasphalt im Straßenbau

7

364

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

7.6.4.3 Mikrobiologische Reinigung (on-site) Eine „sanfte“ Sanierungstechnik im Bereich anorganischer Kontamination (durch Mineralöle, Kohlenwasserstoffe, Aromate, PAKs) ist die mikrobiologische Reinigung. Durch Zuführung schadstoffabbauender Mikroorganismen wird ein mikrobieller Abbau in Gang gesetzt, der die Bodenschadstoffe zu Endprodukten wie CO2, Wasser und Biomasse zersetzt. Um den kontaminierten Boden besonders schnell und effektiv reinigen zu können, müssen die Lebensbedingungen der Mikroorganismen optimiert werden. Dazu wird der Boden in Beeten und Halden großflächig aufgebracht und mit Nährstofflösungen berieselt. Mit diesem Verfahren sind Cyanide, Stickstoffverbindungen, MKN und Phenole besonders leicht abbaubar.

7.6.5 Grundwassersanierung Kontaminationen im Baugrund finden ihre weiträumige Verbreitung vor allem über das Grundwasser und bedrohen somit unter Umständen Trinkwasserressourcen. Die nachfolgenden in situ-Sanierungsmethoden sind vornehmlich bei der Reinigung kontaminierten Grundwassers anzuwenden. 7.6.5.1 Funnel and Gate (in situ)

7

Unter „Funnel and Gate“ versteht man ein langfristiges Sanierungsverfahren, bei dem verunreinigtes Grundwasser mittels einer wasserdichten Sperrwand im Untergrund (Funnel) gezielt auf Durchlassbereiche (Gates) hingeleitet wird. Im Gate befindet sich reaktives Material z. B. in Form von Aktivkohle. Das zuströmende Grundwasser durchläuft auf Grund seiner Fließbewegung das reaktive Material und wird dabei gereinigt. Bei dem Verfahren handelt sich um ein passives System, das ohne Pumpmaßnahmen auskommt. Monitored Natural Attenuation (in situ) Bei Monitored Natural Attenuation (MNA) handelt es sich, ähnlich wie bei „Funnel and Gate“, um ein passives Sanierungsverfahren – besonders zur Reinigung des Grundwassers von Kohlenwasserstoffverbindungen und Metallen. Das MNA als überwachter, natürlicher Rückhalte- und Abbauprozess wird vor allem zur Fahnensanierung im Anschluss an aktive Sanierungen (z. B.: vorherige Extraktion der Kontamination) angewendet (vgl. Katzenbach et al. (2001), [9]). Das in den USA während der 1990er Jahre entwickelte und in Europa immer häufiger angewendete Verfahren versucht mittels natürlicher Selbstheilungsprozesse die Ausbreitung von Schadstoffen in gesättigter und ungesättigter Bodenzone zu verlangsamen, ihre Toxizität zu minimieren und unter günstigen Bedingungen zu einer Verringerung der Schadstoffmobilität zu führen (Bild 7-3). Dabei beruht das Verfahren auf einer Vielzahl natürlicher, destruktiver und nichtdestruktiver Prozesse. Nur destruktive Prozesse wie biologischer und abiotischer Abbau, biochemische Transformation, Mineralisierung und Huminisierung führen zu einer langfristigen Entfernung von Kontaminationsherden (vgl. Katzenbach et al. (2003), [10]). Das Potenzial des Verfahrens hängt unter anderem vom Vorhandensein geeigneter Mikroorganismen und von der Konzentration reduzierender und oxidierender Verbindungen im Boden ab. Wasserstoffkonzentrationen dienen dabei als Indikator für das vorherrschende mikrobiologische Milieu.

7.6 Sicherungs- und Sanierungsverfahren

365

GOF gasförmige Komponenten ungesättigte Bodenzone

Residualsättigung der organischen Phase

Kapillarsaum

im Wasser gelöste Komponenten

gesättigte Bodenzone

Grundwasserfließrichtung

Bild 7-3

Schadstoffausbreitung einer organischen Phase

Um eine möglichst hohe Effektivität des Verfahrens zu garantieren, muss zuvor die Kontaminationsfahne in Lage und Ausdehnung (schrumpfend, stabil, mobil) (Bild 7-4) exakt aufgenommen werden. Zusätzlich müssen im Abstrombereich sämtliche bodenmechanische, hydrogeologische und chemische Parameter aufgezeichnet und ein spezielles Monitoringsystem installiert werden, um die generellen Voraussetzungen zur Anwendung des Verfahrens zu evaluieren.

Bild 7-4

Maximale Schadstofffahnenlänge (Teutsch et al. (1997), [19])

Drainagegräben mittels Großbohrtechnik (in situ) Zur Herstellung unterirdischer Drainagegräben zur Grundwassersanierung im Festgestein finden häufig Großbohrtechniken Anwendung. In mit Kies verfüllten Sanierungsgräben können Kontaminationen im unmittelbaren Abstrombereich eines Schadenszentrums aufgefangen und abgeleitet werden. Die Drainagegräben werden mit Bohrdurchmessern von 1,2 bis 1,5 m hergestellt. Das Verfahren erlaubt eine individuelle Anpassung der Grabenbreite an die Ausdehnung der Schadstofffahne im Untergrund und in seinem Tiefgang an die geologische Schichtabfolge, so dass grundwasserstauende Horizonte nicht beschädigt und in die Sanierung einbezogen werden (vgl. Schmid et al. (2006), [17]).

7

366

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

7.7

Kampfmittelräumung

Auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende gelten zahlreiche Flächen der Bundesrepublik Deutschland als sogenannte Kampfmittelverdachtsflächen (KMVF). Noch 2018 wird allein für das Land Brandenburg davon ausgegangen, dass rd. 350.000 Hektar der Landesfläche als kampfmittelverdächtige Flächen einzustufen sind. Wie intensiv einzelne Flächen belastet sind, ist regional verschieden und insbesondere von historischen Zusammenhängen bestimmt. Hierbei lässt sich grundsätzlich zwischen militärisch genutzten Flächen und Flächen, auf denen Kampfhandlungen stattfanden, unterscheiden. Militärisch genutzte Flächen umfassen sowohl Flächen der Erprobung und militärischer Übungen, als auch Rüstungsstandorte, auf denen Munition produziert wurde. Darüber hinaus zählen Flächen, auf denen zum Ende des Krieges Munition „entsorgt“ wurde, ebenfalls zu kampfmittelverdächtigen Flächen. Hierzu gehören unter anderem auch Gewässer. Die bei solchen Flächen grundsätzlich zu erwartenden Munitionsarten decken das gesamte Spektrum, beginnend bei Handwaffenmunition, über Geschütz- und Panzermunition, bis hin zur Abwurfmunition, ab. Kampfmittel werden jedoch nicht nur auf den o. g. Flächen gefunden. Daher ist eine Gefahr durch Kampfmittel auf keiner Fläche auszuschließen, außer die Fläche ist durch entsprechende Untersuchungen vom Kampfmittelverdacht befreit.

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7.7.1 Baufachliche Richtlinien – Kampfmittelräumung (BFR KMR) Die Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover, als Leitstelle des Bundes für Kampfmittelräumung, erarbeitete 2007 die „Arbeitshilfen zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes (Arbeitshilfen Kampfmittelräumung - AH KMR)“ . Diese gelten insbesondere für die Planung und Ausführung der Erkundung, Bewertung und Räumung von Kampfmitteln auf Bundesliegenschaften im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) sowie des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Die AH KMR, dessen Verwendung außerhalb der Zuständigkeit des Bundes ausdrücklich begrüßt wird, beinhaltet methodische Ansätze für die Erkundung kampfmittelverdächtiger Flächen sowie Empfehlungen zur Räumung kampfmittelbelasteter Flächen (KMBF). Zur Vereinigung umfangreicher bindender Regelwerke des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sowie des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) haben die bisherigen „Arbeitshilfen Kampfmittelräumung“ mit der Ausgabe vom September 2018 den Status einer Baufachlichen Richtlinie [1] erhalten. Das in der Baufachlichen Richtlinie Kampfmittelräumung (BFR KMR) empfohlene methodische Vorgehen wird als das "Phasenschema Kampfmittelräumung" bezeichnet und gliedert sich in drei Phasen (Bild 7-5).

7.7 Kampfmittelräumung

367

7

Bild 7-5

Phasenschema Kampfmittelräumung, aus [1]

368

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

7.7.1.1 Phase A: Historische Erkundung der möglichen Kampfmittelbelastung und Bewertung Um den Kampfmittelverdacht bereits frühzeitig ausräumen oder bestätigen zu können, wird im ersten Schritt eine historisch-genetische Rekonstruktion der möglichen Kampfmittelbelastung durchgeführt. Ziele dieses, in der BFR KMR als Phase A bezeichneten, Abschnitts der Erkundungsmaßnahme sind: – Rekonstruktion der historischen Nutzung und Vorgänge, die zu einer Belastung mit Kampfmitteln geführt haben können, – räumlich und genetisch differenzierte Ermittlung der potentiellen Belastung, – Erhebung der Kostenwirkungsfaktoren, – Kennzeichnung (Ausweisung) verdächtiger Flächen, – Bewertung der Belastung und – Empfehlung weiterer Maßnahmen. Kann bereits durch die historische Erkundung der Verdacht einer Kontamination mit Kampfmitteln ausgeschlossen werden, so besteht kein weiterer Handlungsbedarf. Ergibt sich jedoch ein konkreter Verdacht, so ist eine Bewertung unter Berücksichtigung aller ermittelten Erkenntnisse abzugeben. Gemäß der BFR KMR sind hierbei insbesondere zu berücksichtigen:

7

– – – – – – –

gegenwärtige und zukünftige Nutzung, bereits durchgeführte Räummaßnahmen, Sorte, Art, Lage und Menge des vermuteten oder festgestellten Kampfmittels, vermuteter Zustand der Kampfmittel, Möglichkeit der Selbstdetonation, Möglichkeit der Detonation durch Fremdeinwirkung und Wirkung auf Schutzgüter.

Darüber hinaus werden Empfehlungen für eine weitere, d. h. technische Erkundung der kontaminierten Fläche gegeben. 7.7.1.2 Phase B: Technische Erkundung der Kampfmittelbelastung und Gefährdungsabschätzung Ergeben die in der Phase A durchgeführten Untersuchungen einen hinreichenden Verdacht, wird in der Phase B eine technische Erkundung mit dem Ziel einer Gefährdungsabschätzung durchgeführt. Bei der technischen Erkundung kommen geophysikalische Verfahren zum Einsatz, die Aufschluss über den in Phase A ermittelten Verdacht geben sollen. Der Einsatz solcher Verfahren zur Ortung von Kampfmitteln ist eine unverzichtbare Maßnahme zur Gefahrenabwehr und wird seit langem mit Erfolg eingesetzt. Bestätigen die Ergebnisse der technischen Erkundung den aus der Phase A stammenden Verdacht nicht, so besteht kein weiterer Handlungsbedarf. Wurde hingegen der Verdacht einer Kontamination bestätigt, so endet die Phase B mit einer Bewertung der angetroffenen Situation unter den o. g. Gesichtspunkten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei einer Bestätigung des Kontaminationsverdachts ohne Gefahr bei der derzeitigen Nutzung ebenfalls kein weiterer Handlungsbedarf besteht. Erfolgt später eine Nutzungsänderung, so ist die neue Situation unter angepassten Gesichtspunkten zu bewerten.

7.7 Kampfmittelräumung

369

7.7.1.3 Phase C: Räumkonzept, Ausschreibung und Durchführung einer Kampfmittelräumung Bestätigen die Ergebnisse der technischen Erkundung den Kampfmittelverdacht, so ist in der Phase C eine Räumung der Kampfmittel notwendig. Hierzu gliedert sich diese Phase in zwei Schritte. Im ersten Schritt (entspricht der Phase C1 der BFR KMR) werden möglicherweise vorhandene Lücken der technischen Erkundung durch weitere Untersuchungen geschlossen. Ebenfalls sind spezielle, standortbezogene Untersuchungen diesem Schritt zuzuordnen. Anhand aller Erkundungsergebnisse wird ein Räumkonzept erarbeitet, auf dessen Grundlage die Vergabe der eigentlichen Kampfmittelräumung erfolgt. Der zweite Schritt der Phase C (entspricht der Phase C2 der BFR KMR) ist die Durchführung der Kampfmittelräumung auf Grundlage des Räumkonzepts. Die hierbei zu erbringenden Leistungen sind nach der BFR KMR: – – – –

Herstellung der Räumfähigkeit der Fläche, Sondierung und Ortung der Kampfmittel, Freilegung, Identifizierung, Bergung und Transport in ein Bereitstellungslager.

Anschließend erfolgt die Übergabe an den Kampfmittelbeseitigungsdienst des jeweiligen Bundeslandes, der die abschließende Vernichtung der geborgenen Kampfmittel vornimmt. Bei diesem letzten Akt stellen die Länder Bayern und Thüringen eine Ausnahme dar, da hier eine fast vollständige Privatisierung der Kampfmittelbeseitigung (Erkundung und Räumung) stattgefunden hat.

7.7.2 Zuständigkeiten und Kostenverteilung Eine bundesweit einheitliche Grundlage, welche die Zuständigkeiten, die Finanzierung und die Frage der Haftung regelt, gibt es derzeit nicht. Die Beseitigung von Kampfmitteln gilt als Vermeidung oder Reduzierung einer potentiellen Gefahr und ist somit als Teil der öffentlichen Sicherheit dem Sachgebiet des Polizei- und Ordnungsrechts zugeordnet und in Landesgesetzen geregelt. Hieraus lässt sich grundsätzlich auch die Verteilung der Kosten ableiten. Wird im Grundgesetz keine weitere Regelung getroffen, so haben die Bundesländer die Kosten zu tragen, welche sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Darüber hinaus heißt es im Grundgesetz in Artikel 120 weiter, dass der Bund die aus Besatzungskosten und anderen Kriegsfolgelasten abzuleitenden Aufwendungen zu tragen hat. Aufgrund der allein durch den Bund nicht mehr zu gewährleistenden Kostenübernahme, erklärte der Bundesfinanzminister 1956 auf Grundlage des Allgemeinen Kriegsfolgegesetzes (AKG) die in Tabelle 7.8 dargestellte Verteilung der Kosten der Kampfmittelräumung. Diese Kostenverteilung wird allgemein als sogenannte Staatspraxis bezeichnet. Länderspezifische Regelungen und Besonderheiten können im Detail der Anlage A-1.3 der Baufachlichen Richtlinie Kampfmittelräumung (BFR KMR) entnommen werden.

7

370

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Tabelle 7.8 Verteilung der Kosten aufgrund Kampfmittelräumung Übernahme der Räumungskosten durch

Herkunft der

Lage der

Munition

Munition

Bund

Deutsche Munition

Bundesliegenschaft

X

Deutsche Munition

andere Liegenschaft

X

Munition der Alliierten

Bundesliegenschaft

X

Munition der Alliierten

andere Liegenschaft

Land

X

Die der Kampfmittelräumung vorausgehende Erkundung einer Fläche werde per Definition des „Baugrundrisikos“ dem jeweiligen Eigentümer, in der Regel dem Bauherrn, zugeordnet. Die durch die Bundesministerien des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sowie der Verteidigung (BMVg) bereitgestellten Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung (BFR KMR), dienten als Grundlage für die vorangegangenen Ausführungen. Die BFR KMR werden unter Mitwirkung der Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen sowie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) fortgeschrieben und basieren auf reichhaltigen Kenntnissen und Erfahrungen aus der Praxis unter Berücksichtigung geltender Gesetze und Verordnungen.

7

7.8 [1]

[2] [3]

[4]

[5] [6]

[7] [8] [9]

Literatur Baufachliche Richtlinien Kampfmittelräumung (BFR KMR), Arbeitshilfen zur Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes, Hrsg. Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat und Bundesministerium der Verteidigung , September 2018 Boley, C., Meyer, F. (2006): Umweltgeotechnik. Vorlesungsskriptum (unveröffentlicht), Universität der Bundeswehr, München, Institut für Bodenmechanik und Grundbau Börger, R. (1996): Erfassung, Modellierung und Interpretation der Kontaminationsverteilung in einem karbonatischen Kluftaquifer – Eine Trendanalyse unter dem Aspekt hydrogeologischer Charakterisierung und Bilanzierung anthropogener Einträge in das Natur-Lysimeter „Schöppinger Berg“ (Nordwestliches Münsterland) – Münster. Forsch. Geol. Paläont., 78, 117–229, 35 Abb., 23 Tab., 2 Anl.; Münster Börger, R. (1998): Boden- und Grundwasser-Verunreinigungen durch Explosivchemikalien von Rüstungsaltlasten und militärischen Altlasten – N. Jb. Geol. Paläont. Abh., 208, 179–203, 2 Abb., 6 Tab.; Stuttgart Börger, R., Poll, K. (1998): Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel in Grundund Quellwässern eines verkarsteten Kluftaquifers – Grundwasser, 1/98, 14–21, 3 Abb.; Berlin Dodt, J., Mark, H. (2003): Die Protokolle der Luftschutzpolizei – eine Quelle zur Erfassung altlastverdächtiger Flächen des Zweiten Weltkrieges. – altlasten spektrum, 5/2003, 205–254, 2 Abb., 1 Tab.; Berlin Doetsch, P., Grimski, D. (1999): Sicherung oder Dekontamination von Altlasten? – Kriterien und Systematik zur Entscheidungsfindung. Geotechnik 22, Nr. 3, 201–212. Heyer, D. (2005): Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen im Erdbau. Geotechnik 28, Nr. 3, 162–166. Katzenbach, R.; Fehsenfeld, A.; Vogler, M. (2001): Grundsatzstudien zu den Möglichkeiten und Grenzen von Natural Attenuation. Vorträge zum 8. Darmstädter Geotechnik-Kolloquium 2001, Mitteilungen des Institutes und der Versuchsanstalt für Geotechnik der Technischen Universität Darmstadt, Heft Nr. 55, 215-232

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Weiterführende Literatur Boley, C.; Englert, K.; Fuchs B.; Schalk, G. (2011): Baurecht-Taschenbuch Sonderverfahren Tiefbau Technische Erläuterungen – Rechtliche Lösungen, Ernst & Sohn, Berlin Boley, C. (2016): Akademische Zusatzausbildung "Fachplaner KMR" an der Universität der Bundeswehr in München, Vortrag im Rahmen der 2. Kampfmittelfachtagung – Schulterschluss bei der Kampfmittelräumung, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben; Berlin Boley, C.; Meier C. (2017): Der postgraduale Studiengang zum Fachplaner in der Kampfmittelräumung, Vortrag im Rahmen der Fachtagung "Kampfmittelräumung" des Bunds Deutscher Feuerwerker und Wehrtechniker e.V.; Bad Kissingen Boley, C.; Meier, C. (2018): Seminar über die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen der Kampfmittelräumung, Bayerische Ingenieurekammer Bau; München Börger, R., Blindow, N., Schimmer, H., Poll, K. (2005): Zur möglichen Belastung eines Fischereigewässers durch Explosivchemikalien aus verklappten Kampfmitteln und korrodiertem Munitionsschrott des Zweiten Weltkrieges – Ergebnis geophysikalischer und hydrogeologischer Untersuchungen am Gertrudensee nördlich von Münster in Westfalen – Münster. Forsch. Geol. Paläont., 100, 109–119, 4 Abb., 1 Tab.; Münster

371

7

372

7

7 Umweltgeotechnik und Kampfmittelräumung

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [BMU] (2000): Umweltpolitik – Umweltgutachten 2000 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen – Kurzfassung, 92 S., 1 Tab.; Berlin Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen [SRU] (1995): Altlasten II – Sondergutachten Februar 1995, 285 S., 64 Abb., 48 Tab., 5 Anh.; Stuttgart Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz [HMULRV] (2005): Boden gut gemacht – Die Sanierung des Rüstungsaltstandortes Stadtallendorf, 473 S., 86 Abb., 24 Tab., 11 Taf.; Wiesbaden Kaufmann, U. (1992): Hydrochemische Untersuchungen am Dethlinger Teich. – 315-326, 5 Abb., in: Thomé-Kozmiensky, K.-J. [HRSG] (1992) Kommunalverband Ruhrgebiet [HRSG](1989): Erfassung möglicher Bodenverunreinigungen auf Altstandorten – Arbeitshilfe für die Erhebung und Auswertung von Informationen über produktionstypische Bodenbelastungen auf stillgelegten Industrie- und Gewerbeflächen – 278 S., 38 Abb.; Essen Köppler, J., Schneider, U., Weingran, C. (2004): 15 Jahre Erkundung und Sanierung von Rüstungsaltlasten – eine Bestandsaufnahme. – altlasten spektrum, 1/2004, 5–15, 5 Abb.; Berlin Marose, U., Thieme, J. (2004): Bearbeitungsstand der Rüstungsaltlastverdachtsstandorte in den Ländern, altlasten spektrum, 1/2004, 16–22, 2 Tab.; Berlin Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW [MURL NRW] (2000): Materialien zur Altlastensanierung und zum Bodenschutz – Die Untersuchung von Spreng- und Brandplätzen – Erfahrungen und Handlungsempfehlungen aus Nordrhein-Westfalen, 10, 88 S., 9 Tab.; Essen Oberholz, A. (2000): Militärische Altlasten in der Ostsee. – Entsorgungspraxis, 64–66, 2 Abb.; Berlin Prokop, G., Skala, C., Kasamas, H. (2008): Österreich zieht Bilanz nach 18 Jahren Altlastensanierungsgesetz – altlasten spektrum, 60–66, 7 Abb., 4 Tab.; Berlin Thomé-Kozmiensky, K.-J. (1992): Management zur Sanierung von Rüstungsaltlasten. – 878 S., 118 Abb., 54 Tab., 26 Taf.; Berlin

8

Geotechnische Bauverfahren Gebhard Dausch und Jörg Zimbelmann

8.1

Einleitung

In Kapitel 8 werden die wesentlichen geotechnischen Bauverfahren beschrieben. Sie werden in der Praxis auch als „schwerer“ Spezialtiefbau bezeichnet. Schwer im Sinne von schwerem Gerät und hohen Lasten, die hier bewegt werden (Bild 8-1).

Bild 8-1 Innerstädtische Großbaustelle für Gründungsarbeiten (Quelle: Bilfinger)

Die geotechnischen Bauverfahren erfordern von den Beteiligten ein hohes Maß an Verantwortung und Erfahrung. Die Produkte, die die Spezialtiefbauer herstellen, werden überwiegend im Baugrund produziert. Somit sind sie dem Auge nicht direkt zugänglich. Eine Korrektur ist oftmals erst im Nachhinein möglich. Der Erfahrung der Ausführenden kommt eine besondere Rolle zu. Um das hohe Verletzungsrisiko zu minimieren ist unbedingt auf die Einhaltung der Arbeitssicherheitsvorschriften zu achten. Das Besondere an den Arbeiten im Spezialtiefbau ist der Umgang mit dem Baustoff Boden. Die Auswahl der Geräte, der Werkzeuge und der Verfahrenstechnik steht immer in Verbindung mit den vorhandenen bzw. vermuteten Boden- und Felseigenschaften. Für die erfolgreiche Durchführung einer Baumaßnahme sind neben der Erfahrung und dem Verfahren, auch die richtige Wahl der Geräte und der zugehörigen Werkzeuge entscheidend. Weiterhin sind für das Personal der richtige Umgang mit den technischen Mitteln und die Einhaltung der Normen und Vorschriften sehr wichtig. Die Gesetze der Physik lassen sich auch im Spezialtiefbau nicht überlisten.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_8

374

8 Geotechnische Bauverfahren

Die ordnungsgemäße Dokumentation der Arbeiten gemäß den Vorgaben der jeweiligen Ausführungsnormen hat im Spezialtiefbau eine sehr hohe Bedeutung. In den folgenden Kapiteln werden die gängigsten Verfahren praxisnah vorgestellt und beschrieben.

8.2

Bohrtechnik

8.2.1 Einleitung Im Spezialtiefbau wird hinsichtlich der Bohrtechnik vereinfacht zwischen „Kleinlochbohrtechnik“ mit Durchmessern bis 300 mm und „Großlochbohrtechnik“ mit Durchmessern bis über 3000 mm unterschieden. Die gängigen Bohrrohrdurchmesser sind in Tabelle 8.1 aufgelistet. Tabelle 8.1 Gängige Bohrrohrdurchmesser und zugehöriger Bohrlochinhalt Bohrrohrdurchmesser [mm]

8

Bohrlochinhalt [l/m]

88,9

6,2

101,6

8,1

108

9,2

114,3

10,3

127

12,7

133

13,9

152,4

18,2

178

24,9

203

32,4

219,1

37,7

254

50,7

304,8

73,0

508

202,7

620

301,9

640

321,7

750

441,8

880

608,2

1080

916,1

1180

1093,6

1300

1327,3

1500

1767,1

1800

2544,7

2000

3141,6

2200

3801,3

2500

4908,7

3000

7068,6

Intelligentes Bauen verbindet Menschen.

porr.at

8.2 Bohrtechnik

375

Die gebräuchlichen Bohrverfahren werden durch verfahrenstechnische und anwendungsbezogene Kriterien unterteilt. Die Arbeitsweise des Bohrwerkzeugs und Art der Bohrgutförderung stellen die verfahrenstechnischen Kriterien dar. Die spätere Nutzung der Bohrung, wie z. B. für Anker, Brunnen, Pfähle, Injektionen, Rohrschirme, Einbau von Messinstrumenten, Erdwärme, Entwässerung oder Sprenglöcher, ist die anwendungstechnische Vorgabe. Eine übergeordnete Unterteilung der Bohrverfahren ist in Tabelle 8.2 dargestellt. Tabelle 8.2 Bohrverfahren im Spezialtiefbau Bohrverfahren

Trockenbohrverfahren

Bohrgutförderung

Lösevorgang

Diskontinuierlich

Drehbohren Greiferbohren (Schlagbohren) Rammbohren

Kontinuierlich

Endlosschnecke (drehbohren)

Verdrängend (ohne Bohrgutförderung)

Drehend Rammend Direkte Spülbohrverfahren: – Spüldrehbohren – Rotary-Bohren – Imlochhammer – Außenhammer

Kontinuierlich im Spülstrom

Spülbohrverfahren

Indirekte Spülbohrverfahren: – Saugbohren – Strahlsaugbohren – Lufthebebohren Trockenbohrkombination

Kombinationsverfahren

Hohlbohrschnecke: – drehend – schlagend – rammend – drückend Doppelkopfbohrverfahren: – drehend/drehend

Spülbohrkombination

Hohlbohrschnecke: – drehend – drehschlagend Doppelkopfbohrverfahren: – drehend/drehend – drehschlagend/drehend – drehschlagend/drehschlagend

Trockenbohrverfahren sind durch die diskontinuierliche (intermittierende) Bohrgutförderung im jeweiligen Bohrwerkzeug gekennzeichnet. Dabei können das Lösen des Bodens und das Füllen des Bohrwerkzeuges drehend, schlagend oder rammend erfolgen. Es wird kein Zusatz von Wasser oder Zugabe einer Spülung zur Unterstützung des Bohrvorgangs zugegeben. Das Werkzeug wird nach jeder Füllung aus dem Bohrloch gefahren und entleert. Die Stützung des Bohrlochs wird mit Bohrrohren (Standrohren), welche drehend, schlagend oder vibrierend in den Boden gebracht werden, sichergestellt. Beim Drehbohren (Bild 8-2, links) wird das

8

376

8 Geotechnische Bauverfahren

Werkzeug an einer Kellystange geführt und ins Bohrloch abgesenkt. Durch eine Drehbewegung wird der Boden gelöst und im Bohrwerkzeug gesammelt. Beim Greiferbohrverfahren (Schlagbohren, Bild 8-2, rechts) wird ein geöffneter Einseil- oder Zweiseilgreifer am Seil geführt, in die Bohrung abgelassen, kurz vor dem Erreichen der Bohrlochsohle gestoppt und anschließend im freien Fall (im geöffneten Zustand) mehrmals auf die Bohrlochsohle aufgesetzt bzw. aufgeschlagen. Das gelöste Bohrgut wird mit dem Greifer aufgenommen und aus dem Bohrloch gefördert. Bei harten bis sehr harten Bodenschichten erfolgt der Lösevorgang durch Einsatz eines Meißels. Das Bohrklein bzw. der Bohrschmant, welches nicht mit dem Greifer aufgenommen werden kann, muss mit einer Bohrschappe gefördert werden. Unterhalb des Grundwasserspiegels ist der Einsatz einer Kiespumpe oftmals sinnvoll. Beim Rammbohrverfahren wird auf das passiv wirkende Bohrwerkzeug mit einem separaten Rammhammer eingewirkt. Das Rammbohrverfahren eignet sich besonders in rolligen und festgelagerten, kiesigen und bindigen Böden. Ursprünglich wurde es als reines Aufschlussbohrverfahren für kleinkalibrige Bohrungen bis 350 mm und mit geringen Teufen eingesetzt. Eine kontinuierliche Bohrgutförderung erfolgt beim Drehbohren mit Endlosschnecken. Beim Vollverdrängungsbohren wird eine Vollverdrängerbohrschnecke in den Boden eingedreht oder eingerammt.

8

Bild 8-2 Drehbohrgerät mit Bohrschnecke und Seilbagger mit Kugelgreifer (Quelle: Bilfinger)

Spülbohrverfahren sind alle Bohrverfahren, bei denen ein Spülmedium zur kontinuierlichen Förderung des gelösten Bohrgutes eingesetzt wird. Die Förderung kann direkt, also im Ringraum zwischen Bohrgestänge und Bohrlochwandung, oder indirekt im Bohrgestänge aufsteigend erfolgen (Bild 8-3). Direkte Spülbohrverfahren werden auch Normal-, Rechts- oder Druckspülbohrverfahren genannt. Beim Spüldrehbohren wird der Bohrstrang durch einen verfahrbaren Drehantrieb angetrieben. Beim Rotary-Bohren wird der Bohrstrang an einem feststehenden Drehtisch angetrieben. Bei beiden Verfahren wird das Bohrgut drehend gelöst. Drehschlagend wirkende Spülbohrverfahren werden überwiegend im Festgestein eingesetzt. Das Imloch- oder Tieflochhammerbohren ist gekennzeichnet durch den in der Bohrkrone des Bohrgestänges sitzenden Hammer. Der Lösevorgang des Bodens geschieht drehendschla-

8.2 Bohrtechnik

377

gend. Der Antrieb des Hammers erfolgt in der Regel mit Druckluft, die den Schlagkolben des Hammers in Bewegung bringt. Das WASSARA-Imlochhammerbohren ist ein Verfahren aus Schweden, welches mit Wasserspülung funktioniert. Der maximale Bohrdurchmesser ist begrenzt, es können aber sehr große Teufen erreicht werden. Indirekte Spülbohrverfahren sind auch unter den Namen Gegenstrom-, inverse, Links- oder Umkehr-Spülbohrverfahren bekannt. Sie werden je nach Antriebsart der Spülung in Saugbohren (Kreiselpumpe und Vakuumpumpe), Strahlsaugbohren (Wasserstrahlpumpe) oder Lufthebebohrverfahren (Mammutpumpen-Prinzip) unterschieden. Die indirekten Spülbohrverfahren sind für große Bohrdurchmesser geeignet. Beim Saugbohrverfahren ist die Bohrteufe physikalisch begrenzt. Das Lufthebeverfahren ist noch für Teufen bis über 500 m noch einsetzbar.

8

Bild 8-3 Indirektes Spülbohrverfahren

Die Kombinationsbohrverfahren stellen eine Kombination aus Trocken- und Spülbohrverfahren dar. Eine genaue Zuordnung lässt sich nicht eindeutig treffen.

8.2.2

Bohrverfahren und Bohrwerkzeuge für Kleinlochbohrungen

Die Kleinbohrtechnik ist ein sehr komplexer Bereich des Spezialtiefbaus. Die Fachleute müssen sich mit vielen kleinen Details des Bohrverfahrens, der Zubehörteile und natürlich auch mit der Geologie beschäftigen. Fachkenntnisse über Bohrkronen, Gewindeverbindungen, Spülmedien, Druckluftbedarfsermittlung und den Umgang mit schwer bohrbaren Böden sind Voraussetzung für die wirtschaftliche Abwicklung einer Bohrung.

378

8 Geotechnische Bauverfahren

8.2.2.1 Rammbohren (Drehschlagbohren) Das Rammbohren ist ein Bohrverfahren, bei dem mit einem Hydraulikhammer ein Bohrrohr drehschlagend in den Boden getrieben wird. Die erste Voraussetzung für die Anwendung des Rammbohrverfahrens ist die Rammbarkeit des Bodens. In locker bis mitteldicht gelagerten Böden ist das Rammen eines Bohrrohres sehr gut möglich. In steinigen oder sehr dicht gelagerten Böden kann jedoch nicht gerammt werden. Das Bohrrohr besteht aus einzelnen Rohrschüssen, die durch Nippel untereinander verbunden werden. Zum Rammen wird die Rohrtour vorne mit einer aufgesteckten sogenannten „verlorenen“ Rammspitze abgedeckt. Dadurch wird beim Rammen der Boden seitlich verdrängt und kann nicht ins Rohr eindringen. Die Gewinde von Rammbohrrohren sind normalerweise linksgängig und überwiegend mehrgängig. Deshalb lässt sich die Gewindeverbindung mit wenigen Umdrehungen lösen und auch wieder herstellen. Eine kleine Erleichterung beim Rammen kann dadurch erreicht werden, dass Wasser unter Druck ins Bohrrohr gepresst wird. Das erfolgt über einen Spülkanal in der Schlaghaube am Kopf der Rohrtour. Ein Teil des Druckwassers tritt an der Rammspitze aus und wirkt leicht schmierend an der äußeren Bohrrohrwand.

8

Wenn sehr weiche und breiige Bodenschichten zu durchrammen sind, besteht die Gefahr, dass der nach der Seite verdrängte Boden durch den Spalt zwischen Rammspitze und Rammschuh am Anfangsrohr gedrückt wird und ins Bohrrohr gelangt. In diesem Fall muss beispielsweise vor dem Einbau eines Ankers die ganze Rohrtour gespült und gereinigt werden. Wenn die Rammspitze beim Rammen auf ein Hindernis trifft, kann sie abgelenkt werden (Bild 8-4). Ist sie erst einmal, z. B. durch einen Stein, abgelenkt, so folgt die ganze Rohrtour dieser Ablenkung in einem gekrümmten Verlauf. Es ist wiederholt vorgekommen, dass Rammrohre, die von der Baugrube aus schräg nach unten gerammt wurden, wieder an der Geländeoberfläche aufgetaucht sind.

Bild 8-4 Abgelenkte Rammbohrung (Quelle: Bilfinger)

8.2 Bohrtechnik

379

Auf das Rammrohr ist am Kopf eine Schlaghaube geschraubt, die bei jeder Verlängerung der Rohrtour abgeschraubt und dann neu angesetzt werden muss. Durch die Schlaghaube wir die Schlagenergie des Bohrhammers auf die Rohrtour übertragen. Es gibt geschlossene Schlaghauben und solche mit einem zentral angeordneten Spülkanal. Durch den Spülkanal kann Druckluft oder Druckwasser in das Rammrohr gepresst werden, die durch Austritt an der Rammspitze den Rammvorgang erleichtern. 8.2.2.2 Imlochhammerbohren (Drehbohren mit Tieflochhammer) Bei Bohrungen über 30 m Länge ist das Bohren mit einem Außenhammer oft unwirtschaftlich, weil ein zu großer Teil der Schlagenergie im Bohrgestänge verloren geht. Daher ist bei langen Bohrungen der Einsatz eines „Imlochhammers“ angebracht. Ebenso ist der Einsatz eines Imlochhammers bei Bohrungen im harten Fels oftmals sinnvoll. Der Imlochhammer besitzt einen druckluftbetriebenen Schlagkolbenmechanismus. Es sitzt im Bohrloch am Ende des Bohrgestänges und wirkt mit seiner Schlagenergie direkt auf die Bohrkrone. Gängige Durchmesser des Tieflochhammers und der zugehörigen Krone sind in Tabelle 8.3 gegeben. Die Bezeichnung „Imlochhammer“ beschreibt seinen Arbeitsort „im Loch“. Da der Hammer tief im Bohrloch arbeitet, wird der Imlochhammer auch häufig als „Tieflochhammer“ bezeichnet. Die englische Bezeichnung ist „Down-Hole-Drilling“-DHD oder „Down-the-HoleDrilling“-DTH. Tabelle 8.3 Tieflochhammer- und Tieflochhammerkronendurchmesser Tieflochhammer [Zoll] [mm]

Tieflochhammerkrone [mm]

3,5

88,9

Ø 90 Ø 93 Ø 100

4

101,6

Ø 105 Ø 114 Ø 127

5

127

Ø 130 Ø 140 Ø 152

6

152,4

Ø 152 Ø 159 Ø 171

8

203,2

Ø 200 Ø 254 Ø 305

Beim Imlochhammerbohren wird mit zwei Drehantrieben auf dem Bohrgerät gearbeitet. Der eine Antrieb dreht die Außenverrohrung in den Boden. Der zweite Antrieb dreht das Innengestänge mit dem Imlochhammer. Durch den Kanal im Innengestänge (Bohrgestänge) wird die Druckluft für den Betrieb des Imlochhammers bis zur Bohrkrone geleitet.

8

380

8 Geotechnische Bauverfahren

Die Druckluft dient nicht allein zum Antrieb des Schlagwerkzeuges, sondern auch zu Kühlung und zur Reinigung der Bohrlochsohle. Die Abluft aus dem Bohrhammer kann nur durch eine hohe Auftriebsgeschwindigkeit das Bohrklein aus dem Bohrrohr austragen. Deshalb sollte der Ringraum zwischen Innengestänge und Außenrohr nicht zu groß gewählt werden. Als Anhaltswert gilt eine Auftriebsgeschwindigkeit von >15 m/s, besser zwischen 20 und 40 m/s. Ist der Bohrkleinaustrag, auf Grund eines zu groß gewählten Ringspaltes zwischen Bohrdurchmesser und Gestängedurchmesser, zu gering, so kann der Druckluft ein Schaummittel zugegeben werden. Die Dosierung beträgt 0,2 bis 1,5 % der ebenfalls beigefügten Wassermenge. Als Wasserbedarf sind rund 10 l je 10 m3/min Ansaugleistung des Kompressors anzusetzen. Durch die Zugabe eines Schaummittels reduziert sich der Druckluftbedarf um ca. 30 % und die erforderliche Aufstiegsgeschwindigkeit des Bohrkleins kann auf > 3,5 m/s herabgesetzt werden. Wesentliche Vorteile des Imlochhammerbohrens sind: – – – – – –

Große Bohrtiefen von 30 bis 150 m direkte Übertragung der Schlagenergie auf die Bohrlochsohle sehr hoher Bohrfortschritt besonders richtungsgenaues Bohren relativ kleines Bohrgerät Geräuschentwicklung im Bohrloch.

Die im Spezialtiefbau üblichen Durchmesser für Tieflochhammer und der zugehörigen Tieflochhammerkronen sind in Tabelle 8.3 aufgeführt.

8

Das effiziente Imlochhammerbohren hängt zudem noch von folgenden Faktoren ab: – – – – –

richtiges Verhältnis von Bohrdurchmesser und Druckluftmenge ausreichende Druckluftmenge für Antrieb Schlagkolben und für Bohrkleinaustrag optimaler Andruck der Bohrkrone auf die Bohrlochsohle optimale Schlagfrequenz und Drehzahl zum Bohrfortschritt (keine Leerschläge) an die Geologie angepasste Bohrkronenform.

Heutzutage kommen häufig Exzenterbohrkronen zum Einsatz. Mit deren Hilfe können die Bohrrohre freigeschnitten werden, ohne mit einer verlorenen Krone arbeiten zu müssen. Des Weiteren gibt es für besonders große Bohrdurchmesser sogenannte Bündelhammer (Multihammer, Cluster-Drill), die aus mehreren kleineren Imlochhämmern zusammengesetzt werden. 8.2.2.3 Überlagerungsbohren Beim herkömmlichen Überlagerungsbohren werden Bohrrohr und Innengestänge gemeinsam von einem Drehschlaghammer (Hydraulikhammer) angetrieben. Sobald die Bohrung auf harten, standfesten Fels auftrifft, wird das Bohrrohr abgesetzt und nur noch mit dem Innengestänge weitergebohrt. Bohrrohr und Innengestänge sind in ein gemeinsames Kopfstück geschraubt, an das der Bohrhammer angeschlossen wird. Somit wirken auf das Bohrrohr und das Innengestänge die gleichen Schlag- und Drehimpulse durch den Bohrhammer. Das Innengestänge hat einen zentralen Spülkanal, durch den das Spülmittel bis zur Bohrkrone und damit zur Bohrlochsohle geführt wird. Dort tritt es aus dem Bohrgestänge aus, nimmt das gelöste Bohrklein auf und fließt damit im Ringraum zwischen Innengestänge und Außenrohr zum Bohrlochmund, wo es ausgetragen wird.

8.2 Bohrtechnik

381

Ein Teil des Spülstromrückflusses fließt aber auch an der Außenwand des Bohrrohres ab. Das liegt daran, dass das Bohrrohr eine nach außen überstehende Ringbohrkrone (mit Freischnitt) hat. Durch den Freischnitt reduziert sich die Mantelreibung auf das Bohrrohr. Die Weiterentwicklung der Überlagerungsbohrmethode stellt das Doppel-Kopf-Bohrverfahren dar (Bild 8-5). Dabei wird sowohl das Bohrrohr als auch das Innengestänge jeweils durch einen eigenen Drehkopf (daher Doppelkopf) angetrieben. Das Bohrrohr wird durch einen hydraulischen Drehantrieb lediglich gedreht, während auf das Innengestänge durch einen dahinter angeordneten (zur Luftseite hin) Hydraulikhammer Dreh- und Drehschlagimpulse ausgeübt werden. Durch die gegenläufige Drehung von Bohrrohr und Innengestänge wird ein Verstopfen des Ringraumes durch sich festsetzendes Bohrklein und ein Aufdrehen des Anfängerrohres verhindert. Durch eine Relativbewegung des Innengestänges zum Bohrrohr ist es möglich, sowohl vorauseilend als auch innenliegend (ohne Vorauseilmaß) zu bohren.

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Bild 8-5 Ankerbohrgerät mit Doppel-Kopf-Bohranlage und Druckluftspülung (Quelle: Bilfinger)

Bei Bohrungen bis etwa 30 m Länge ist es in den meisten Fällen wirtschaftlich, die Dreh- und Schlagbewegung von einem außenliegenden Hydraulikhammer über das Innengestänge auf die Bohrkrone zu übertragen. Der Hydraulikhammer kann so eingestellt werden, dass sein Schlagwerk erst bei einem bestimmten Anpressdruck der Bohrkrone einsetzt und daher nicht ständig in Betrieb sein muss. Bei Bohrungen gegen drückendes Wasser hat sich das Doppel-Kopf-Bohrverfahren in Verbindung mit der verlorenen Bohrkrone gut bewährt. Durch die Bohrkrone wird zum einen ein Freischnitt des Bohrrohrs erzielt, und zum anderen wird beim Nachlegen weiteren Bohrgestänges (Bohrrohr und Innengestänge) wasserdicht abgeschlossen, so dass kein Bodenmaterial ins Bohrrohr eintritt. Ausgehend von den zuvor beschriebenen Grundsystemen werden heutzutage verschiedene Abwandlungen dieser Systeme eingesetzt. Diese können je nach geologischer Situation und Platzangebot für das Bohrgerät gewählt werden.

382

8 Geotechnische Bauverfahren

8.2.2.4 Schneckenbohrung In bindigen Böden wie Ton, Mergel u. Ä. kann mit einer durchlaufenden Bohrschnecke gearbeitet werden. Die Bohrschnecke wird aus einzelnen bis zu 3 m langen Schüssen zusammengesetzt. Entweder werden die Einzelstücke über Sechskantverbinder mit Steckbolzen, zylindrischem Schraubgewinde oder mit API-Gewinde (Zapfengewinde) verbunden. Ihr Antrieb erfolgt durch einen Kraftdrehkopf, der auf der Lafette des Bohrgerätes geführt wird. Beim Abbohren ist darauf zu achten, dass Vorschub und Drehzahl so aufeinander abgestimmt sind, dass das Bohrgut überwiegend zum Bohrlochmund gefördert wird. Bei nicht ausreichend hoher Drehzahl stellt sich ein „Korkenziehereffekt“ ohne Bodenförderung ein mit der Gefahr, dass das Drehmoment zu schwach wird und die Schnecke nicht mehr gedreht werden kann. Nach Erreichen der vorgesehenen Bohrtiefe wird die mit Boden gefüllte Bohrschnecke aus dem Bohrloch zurückgezogen unter Beibehaltung der Drehbewegung. Dadurch wird die Mantelreibung im Boden verringert. Das Bohrloch muss allerdings standfest sein, sonst ist ein Zusammenbruch nicht zu verhindern.

8.2.3

Bohrverfahren und Bohrwerkzeuge für Großlochbohrungen

Für die Herstellung von Großlochbohrungen werden in Deutschland im Allgemeinen folgende Bohrverfahren eingesetzt:

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– Drehbohrverfahren – Greiferbohrverfahren – Lufthebebohrverfahren. Die Anwendungsmöglichkeiten von Großlochbohrungen sind wie folgt: – – – – – – –

Herstellung von Großbohrpfählen Herstellung von Trägerbohrungen Herstellung von Brunnen Hindernisbeseitigung für Spundwand- oder Schlitzwandtrassen unterirdischer Bauwerksabbruch (auch unterhalb des Grundwasserspiegels) Bodenaustausch zur Baugrundverbesserung Bodenaustausch zur Kontaminationsbeseitigung.

8.2.3.1 Drehbohrverfahren Das Drehbohrverfahren kann in allen Bodenarten und im Fels angewandt werden. Der Bohrdurchmesser reicht von ca. 500 bis über 2000 mm. Die Bohrungen werden in der Regel mit Bohrrohren gestützt, die entweder direkt mit dem Drehbohrgerät oder mit Hilfe einer Anbauverrohrungsanlage in den Boden gedreht werden. Die erreichbare Bohrtiefe ist abhängig von der maximalen Länge der teleskopierbaren Kelly-Stange und der Leistungsfähigkeit des Bohrgerätes. Üblich sind Tiefen zwischen 15 bis 40 m. Mit einer 5-fach-Kelly können sogar Bohrungen bis über 70 m ausgeführt werden. Das Bohrwerkzeug wird über die Kelly-Stange gehalten und innerhalb des Bohrrohrstranges geführt. Der Bohrfortschritt wird von folgenden Parametern beeinflusst: – – – –

Andruck Drehzahl Drehmoment Vorschubgeschwindigkeit /Eindringtiefe pro Umdrehung

8.2 Bohrtechnik

– – – –

383

Geometrie des Bohrwerkzeugs Art der Schneidewerkzeuge (Flachzahn oder Rundschaftmeißel) Bohrdurchmesser Geologie.

Für den optimalen Bohrfortschritt sind diese Parameter auf den jeweiligen Boden und das gewählte Bohrwerkzeug abzustimmen. Es gibt kein Universalwerkzeug, das für alle Böden gleich gut und gleich schnell arbeitet. Durch Versuche auf der Baustelle ist das für den jeweiligen Bohreinsatz geeignetste Werkzeug zu ermitteln. Es sollten daher immer zwei bis drei verschiedene Werkzeuge auf der Baustelle vorhanden sein, um variieren zu können. Der Verschleiß an den Werkzeugen ist während des Bohrvorgangs zu beobachten. Es müssen alle relevanten Stellen immer wieder kontrolliert werden und gegebenenfalls die Schneidewerkzeuge, wie Rundschaftmeißel oder Flachzahn, rechtzeitig gewechselt werden, bevor sich der Verschleiß auf die Zahnhalter auswirkt. Beim Drehbohrverfahren kommen folgende Werkzeuge zum Einsatz (Bild 8-6): – Bohrschnecke: progressiv, einschnittig, zweischnittig, mit/ohne Pilotbohrer – Bohreimer: einschnittig, zweischnittig, mit Räumerleiste – Kernbohrrohr: mit Anschweißstollen, Rundschaftmeißel oder Rollenmeißel. Die verschiedenen Variationen werden für die verschiedenen Bodenarten benötigt. Bei sandigem, kiesigem Boden wird oberhalb des Grundwassers mit Bohrschnecken gebohrt. Die Bohrschnecken besitzen einen Pilotbohrer, der für das Zentrieren des Werkzeuges wichtig ist. Sobald im Grundwasser gebohrt werden muss, ist die Verwendung eines Bohreimers sinnvoll. Ein Kernbohrrohr wird in harten Felsstrukturen eingesetzt, wobei hier nur ein Ringspalt geschnitten wird. Den freigebohrten Kern muss anschließend eine Bohrschnecke brechen oder muss er mit Meißel und Greifereinsatz geborgen werden.

Bild 8-6 Zweiflügelige Bohrschnecke (links) (Quelle: Bilfinger), Bohreimer (rechts) (Quelle: Fa. HARTFUSS)

8

384

8 Geotechnische Bauverfahren

8.2.3.2 Greiferbohrverfahren (Schlagbohrverfahren) Das Greiferbohrverfahren hat ein weites Einsatzfeld. Es wird für die Herstellung von Großlochbohrungen im Brunnenbau, für Bohrpfahlgründungen, für Bohrträgerverbauten und für Aufschlussbohrungen eingesetzt. Bohrgreifer werden überwiegend in Ton, Schluff, Sand und Kies verwendet, d. h. in Böden, die leicht lösbar sind. Der Bohrgreifer besteht im Wesentlichen aus dem Greiferkörper (Grundkörper), dem Schließmechanismus für die Greiferspaten. Die Standardausführung für Greiferkörper ist die lange Bauart (Tropfenform). Die Ausführung erfolgt in geschweißter Stahlplattenkonstruktion mit Gleitführungen bzw. Führungsleisten. Die Innenlager sind mehrschichtig ausgebildet und mit auswechselbaren Spannbüchsen bestückt. Für Arbeiten unter beschränkten Lichtraumprofilen gibt es niedrige Bauarten. Durch den mechanischen Aufbau bedingt, unterscheidet man zwei Arten von Greifern, den Einseilund den Zweiseilgreifer.

8

Beim Einseilgreifer ist das Hubseil, das mit der Seilwinde des Baggers gefahren wird, gleichzeitig das Schließseil für die Greiferspaten. Der Einseilgreifer hat einen besonderen Schließmechanismus. Während der Greifer am Seil hängt, ist der Schließmechanismus arretiert. Der Greifer wird im geöffneten Zustand in das Bohrloch abgelassen. Nach dem Aufschlag auf der Bohrlochsohle wird das Schließseil entlastet. Die Arretierung wird gelöst und die Spaten werden beim anschließenden Anziehen des Seils geschlossen. Mit dem Einseilgreifer kann nur ein einziger Eindring-Aufschlag ausgeübt werden. Die Bohrleistung hängt sehr stark von der Fallgeschwindigkeit des Greifers und von der Festigkeit des Bodens ab. Die Fallhöhe muss dem zu lösenden Boden angepasst werden. Übergroße Fallhöhen bringen keine Leistungssteigerung, sondern führen zu kostspieligen Gewaltschäden. Wasser im Bohrloch führt zu einem Leistungsabfall wegen der Bremswirkung auf den Greifer und durch Ausspülungen des Feinmaterials in den Spaten beim Herausziehen des Greifers. Die Zweiseilgreifer (Bild 8-7) werden, wie es der Name bereits sagt, mit zwei Seilen betätigt, dem Hubseil und dem Schließseil. Durch das im Greiferkörper vorhanden starke Federpaket werden die Greiferspaten im freien Fall geöffnet gehalten. Der Greifer kann deshalb mit dem Hubseil häufiger auf der Sohle aufgesetzt (eingestochen) und mit dem Schließseil zwischengeschlossen werden. Dadurch kann der Füllgrad erhöht werden. Der Nachteil des Zweiseilgreifers sind seine geringen Schließkräfte.

Bild 8-7 Zweiseilgreifer in verschiedenen Größen (Quelle: Fa. HARTFUSS)

8.2 Bohrtechnik

385

Bild 8-8 Kugelgreifer als Zweiseilgreifer (Quelle: Fa. HARTFUSS)

Zur Erhöhung der Schließkräfte bei den Greifern wurden Umlenkrollen eingebaut und das Schließseil mehrfach eingeschert. Des Weiteren wurde die Konstruktionsform der Freifallspaten in Kugelspaten (Bild 8-8) verändert. Somit erhöhte sich auch das Füllungsvolumen. Das Ausschwemmen der Feinteile beim Durchfahren der Wassersäule ist ebenfalls geringer. Die Kiespumpe (auch Schlammbüchse) ist im Gegensatz zu den Bohrgreifern ein relativ dichtes Fördergefäß. Kiespumpen oder Bohrschappen werden daher dort eingesetzt, wo Wasser im Bohrloch ansteht und mit dem Bohrgreifer nicht mehr wirtschaftlich gearbeitet werden kann.

Bild 8-9 Kiespumpe am Seilbagger (Quelle: Julius Berger Nigeria)

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386

8 Geotechnische Bauverfahren

Die Kiespumpe (Bild 8-9) besteht aus einem zylindrischen Hohlkörper mit einem oberen und unteren Ventil. Das obere Ventil ist in einem Saugkolben untergebracht, der sich im Hohlkörper auf und ab bewegen lässt. Durch die Bewegung des Saugkolbens öffnet und schließt sich das untere Ventil und lässt ein Boden-Wasser-Gemisch in den Hohlkörper einströmen. Die Entleerung des geförderten Bohrgutes erfolgt durch die Entriegelung der Bodenklappe oder durch Aufsetzen auf einen Entleerungsstuhl. Ein weiteres Werkzeug beim Greiferbohren ist der Meißel. Meißel benötigen ein gewisses Gewicht, um auf der Bohrlochsohle wirkungsvoll zu arbeiten. Bei Arbeiten unter Wasser muss der Körper außerdem strömungsgünstig ausgebildet sein. Im Regelfall ist der Meißel 3,5 bis 6,0 m lang und wiegt zwischen 2,0 bis 10,0 t. Für die unterschiedlichen Baugrundverhältnisse gibt es verschiedene Schneiden. Sie unterscheiden sich in Anordnung und Form, z. B. kreuzförmig (Bild 8-10), ringförmig, flach und sternförmig. Der Winkel der Meißelschneiden richtet sich nach der Bodenart, in der gearbeitet wird, und liegt zwischen 50° bis 120°. Der Freifallmeißel ist ein Bohrwerkzeug zum Durchörtern von Bohrhindernissen, wie z. B. Mauerwerk oder Findlinge. Mit dem Meißel wird auch die Pfahleinbindung in Felsschichten hergestellt. Der Meißel hängt bei der Meißelarbeit am Seil des Trägergerätes. Die Fallhöhe des Meißels sollte begrenzt werden. Beispielsweise sollte im trockenen Bohrloch die Fallhöhe für angewitterten Fels 2,0 bis 3,5 m nicht übersteigen. Im harten Fels beträgt die Fallhöhe maximal 3,0 bis 4,0 m.

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Bild 8-10 Kreuzmeißel (Quelle: Fa. HARTFUSS)

8.2.3.3 Lufthebebohrverfahren Ursprünglich war das Großlochbohren nach dem Linksspülverfahren nur für lockere Quartärund Tertiär-Bodenformationen gedacht. Das Lufthebebohrverfahren ermöglicht aber auch das Abteufen von Felsbohrungen, sogar im Karst mit tiefliegendem Wasserspiegel, sofern das

8.2 Bohrtechnik

387

Soll-Verhältnis zwischen Eintauchtiefe und Förderhöhe gewahrt bleibt. Doch erst der Bau schwerer Lufthebebohranlagen, die Entwicklung von hochverschleißfesten Bohrgestängen, von besonders konstruierten Schwerstangen mit Bleifüllung, Großlochbohrwerkzeugen für Hartformationen, Räumern und Stabilisatoren haben es ermöglicht, Felsbohrungen mit großem Bohrdurchmesser schnell, sicher und wirtschaftlich abzuteufen. Eine Lufthebebohranlage besteht im Wesentlichen aus dem Bohrwerkzeug, dem Bohrgestänge – gleichzeitig Förder- und Steigleitung –, dem Drehtisch zum Antrieb des Bohrwerkzeuges, einem Druckluftkompressor, dem Luftspülkopf und der Luftleitung mit Einblasdüsen in der Steigleitung. Um funktionsfähig zu sein, muss bei dem Verfahren die Eintauchtiefe größer sein als die Förderhöhe. Der Druckluftkompressor muss, je nach Teufe der Bohrung und Durchmesser der Steigleitung, 4,5 bis 20 m3/min mit einem Druck von 6 bis 7 bar liefern. Eine Zusatzwasserpumpe mit einer Leistung von 100 bis 400 m3/h gehört ebenfalls zu den vorzuhaltenden Geräten, ebenso ein Bagger mit entsprechendem Ausleger und ausreichender Tragkraft. Außerdem ist ein Behälter vorzuhalten, der das aus dem Austragschlauch gelieferte Wasser-Feststoff-Gemisch aufnimmt. Der Einsatz einer Lufthebebohranlage beginnt ab einer Bohrtiefe von 30 bis 40 m wirtschaftlich zu werden. Bei über 75 m steigt die Förderleistung noch an. Zum Schutz des Bohrlochmundes wird ein sogenanntes Standrohr gesetzt, das je nach Länge mit einem geeigneten Verfahren in den Boden getrieben wird. Der lichte Durchmesser dieser Schutzverrohrung ist etwas größer als der Durchmesser des rotierenden Bohrwerkzeuges. Die Länge der Verrohrung hängt ab von dem im oberen Bereich der Bohrstrecke anstehenden Boden und muss im Allgemeinen so weit in diesen einbinden, dass die Reaktionskräfte aus der rotierenden Bewegung des Drehbohrkopfes, der am oberen Ende der Schutzverrohrung befestigt wird, vom Standrohr aufgenommen werden können. Bei Bohrarbeiten im Trockenen erfolgt der Kernaushub zunächst mit einem Bohrgreifer. Die verrohrte Strecke wird so weit ausgebohrt, dass für das darauf folgende Rotations-Nassbohren hinreichend Tiefe vorhanden ist. Sobald die erforderliche Teufe erreicht ist, wird auf die rotierende Nassbohrung umgestellt. Hierzu installiert man eine Bohrbühne mit HydroDrehbohrkopf und Fördergestänge. Das Gestänge besteht aus einer Rohrleitung im Durchmesser von 150 bis 300 mm, an deren äußerem Umfang Pressluftrohre kleineren Durchmessers (1 bis 1½) angebracht sind. Als Bohrwerkzeug können Drei-Flügel-Meißel, Stufenmeißel mit Pilotspitze, Jumbo-Meißel und Rollenmeißel dienen. Diese Bohrwerkzeuge haben lediglich die Aufgabe, den Boden zu lösen. In nichtbindigen Böden haben die an den Flügeln angebrachten Zähne die Aufgabe, die Lagerungsdichte der Böden zu stören, in bindigen Schichten geschieht die Lösung des Bodens spanabhebend und im Fels beim Einsatz von Rollenmeißeln durch Zerdrücken bzw. Zermalmen des Mineralgefüges. Um den Bohrandruck den Baugrundverhältnissen anpassen zu können, werden zusätzlich Schwerstangen oberhalb des lösenden Werkzeuges angebracht. Zur Zentrierung und Abstützung werden sogenannte Stabilisatoren am Gestänge befestigt. Mit Hilfe dieser letztgenannten Vorrichtungen wird eine große Richtungsgenauigkeit, vor allem bei Vertikalbohrungen, erreicht. Vor Inbetriebnahme ist sicherzustellen, dass der Wasserüberdruck im Bohrrohr gegenüber dem Grundwasserspiegel bzw. dem freien Wasserspiegel mindestens 2,5 bis 3 m beträgt und dieser Wasserüberdruck durch Wasserzugabe stets gehalten werden kann. Sollte dies zu irgendeinem Zeitpunkt nicht möglich sein, ist die Förderung des Wasser-Feststoff-Gemisches bis zur Feststellung der Ursache sofort zu unterbinden. Sodann wird die Drehbohranlage in

8

388

8 Geotechnische Bauverfahren

Betrieb gesetzt und Druckluft in die Druckleitung eingelassen. Diese Druckluft tritt an düsenförmigen Öffnungen, die in Höhe des Flansches des Bohrwerkzeuges angebracht sind, in die Steigleitung ein und steigt in dieser auf. Die im Fördergestänge befindliche Wassersäule wird mit Luft angereichert und verringert dadurch ihre Dichte. Es entsteht eine Druckdifferenz zwischen der Flüssigkeitssäule im Bohrloch und derjenigen im Bohrgestänge. Infolge der höheren Dichte der äußeren, im Ringraum befindlichen Wassersäule strömt die Spülung aus dem Bohrloch in die Ansaugöffnung der Steigleitung und im Gestänge aufwärts. Durch diesen Strömungsvorgang wird der Abtransport des vom Bohrwerkzeug gelösten Bodens bewerkstelligt, wobei man sich das aufsteigende Wasser-Druckluft-Gemisch als Kolben wirkend vorstellen kann. Infolge dieser Fließbewegung gelangt das Bohrgut zu Tage und kann sich in einem Spülteich absetzen, aus dem das gereinigte Wasser dem Bohrloch dann von außen wieder zufließt. Bei Anwendung von Bentonitsuspension als Stützflüssigkeit muss diese in einer Regenerieranlage vom Bohrgut getrennt werden, damit sie mehrfach verwendet werden kann. Wenn mit zunehmender Bohrtiefe der Druck der eingeblasenen Druckluft nicht mehr ausreicht, um den Spülstrom bis zur Geländeoberfläche zu heben, müssen zur Aufrechterhaltung der Spülströmung in der Steigleitung weitere, der Höhe nach gestaffelte Einblasdüsen für die Druckluft vorgesehen werden.

8

Es kann davon ausgegangen werden, dass das Wasser-Feststoff-Gemisch im Verhältnis 90:10 gefördert wird. Bei nichtbindigen Böden kann der Bohrfortschritt 12 m/h, bei bindigen Böden mittelfester Konsistenz 6 bis 8 m/h betragen. Allgemein gilt, dass die Wassersäule im Ringraum nicht rascher als ca. 15 bis 20 m/min fallen darf, um eine Erosion der unverrohrten Bohrlochwand zu vermeiden. Zahlenbeispiel für die geförderte Feststoffmenge: Durchmesser der Steigleitung:

ds = 300 mm = 0,30 m

Durchströmte Fläche der Steigleitung: As = 0,07 m2 Bei 300 mm Durchmesser der Steigleitung sei eine Liefermenge des Kompressors von 20 m3 Luft je Minute mit einem Druck von 14 bar erforderlich. Der Spülungsdurchsatz ist abhängig von der Aufstiegsgeschwindigkeit im Gestänge, der als Erfahrungswert 3 bis 4 m/s sein sollte. Mit diesen Werten ergibt sich eine Fördermenge je Sekunde von: – Q = vs ∙ As = 3,5 m/s ∙ 0,07 m2 = 0,245 m3/s – in der Minute: 14,7 m3/min – in der Stunde: 882 m3/h Die Schüttung an der Austrittsöffnung kann z. B. bestehen aus: – 70 % Wasser = 0,7 ∙ 882 = 617,4 m3/h (Wasser mit Feststoffen) – 30 % Luft = 0,3 ∙ 432 = 264,6 m3/h Da Feststoffe nur im Wasser transportiert werden, ergibt sich bei einem Wasser-FeststoffVerhältnis von 95:5 eine Fördermenge an Feststoffen von: – VF = 617,4 m3/h ∙ 5 % = 30,9 m3/h Bei einem Bohrdurchmesser von D = 2000 mm = 2,0 m gilt: – Querschnittsfläche – theoretische Aushubleistung

A = 3,14 m2 L = 30/3,14 = 9,84 m/h

8.3 Pfähle

8.3

389

Pfähle

8.3.1 Einleitung Pfähle gehören zu den wichtigsten Bestandteilen bei Gründungs- oder Verbaumaßnahmen. Die Weiterentwicklung der Pfahltechniken und die fortlaufende Verbesserung der Geräte zur Pfahlherstellung haben dazu geführt, dass heute immer größere Durchmesser und Tiefen erreicht werden können. Die Bedeutung von Pfählen für Hoch-, Industrie- und Tiefbau sowie für Verkehrs- und Wasserbauten ist unverändert hoch. Mit Hilfe von Pfählen werden Bauwerkslasten auf oder in tiefliegende Bodenschichten abgetragen. Die Lastabtragung in den Baugrund erfolgt über den Pfahlmantel („Mantelreibung“) und/oder über die Pfahlspitze („Spitzendruckpfahl“). Pfähle werden normgemäß in drei verschiedene Systeme unterteilt: – Bohrpfähle (nach DIN EN 1536 [23]) – Verdrängungspfähle (nach DIN EN 12699 [32]) – Mikropfähle (nach DIN EN 14199 [34]). Weitere Unterscheidungsmerkmale zeigt Bild 8-11. Bohrpfähle mit Durchmesser ≥ 300 mm nach DIN EN 1536 · · · · · ·

Verrohrt mit/ohne Fußaufweitung Unverrohrt Ohne Bohrlochstützung Mit Suspensionsstützung Mit vollständig durchgehender Bohrschnecke Mit teilweise durchgehender Bohrschnecke und großem Seelenrohr (Teilverdrängungsbohrpfahl)

Verdrängungspfähle nach DIN EN 12699 ·

·

Fertigrammpfähle - Holzpfähle - Stahlpfähle - Stahlbetonpfähle - Spannbetonpfähle - Schleuderbetonpfähle

Mikropfähle nach DIN EN 14199 · ·

Ortbetonpfähle mit Schaftdurchmessern von 150 bis 300 mm Verbundpfähle (z.B. Rohroder Stabverpresspfahl)

Ortbetonrammpfähle - Innenrohrrammung (z.B. Frankipfahl) - Kopframmung (z.B. Simplexpfahl)

·

Schraubpfähle / Vollverdrängungsbohrpfähle - Atlaspfahl - Fundexpfahl

·

Verpresste Verdrängungspfähle - Verpressmörtelpfahl (VMPfahl), früher Mantelverpresspfahl (MV-) bzw. Rüttelverpresspfahl (RV-) - Rüttelinjektionspfahl (RIPfahl)

Bild 8-11 Pfahltypen nach DIN EN 1536 [23], DIN EN 12699 [32] und DIN EN 14199 [34]

8

390

8 Geotechnische Bauverfahren

8.3.2

Regelwerke

Die aktuellen Europäischen Normen für Pfähle sind wie folgt: – – – – –

DIN EN 1536: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Bohrpfähle [23] DIN EN 12699: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Verdrängungspfähle [32] DIN EN 12794: Betonfertigteile – Gründungspfähle [33] DIN EN 14199: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Mikropfähle [34] Nationale und Europäische bauaufsichtliche Zulassungen für Mikropfähle der einzelnen Hersteller

Die „alten“ DIN und sonstigen Regelwerke sind: – DIN 4014: Bohrpfähle; Herstellung, Bemessung und Tragverhalten [9] – DIN 4026: Rammpfähle; Herstellung, Bemessung und zulässige Belastung [10] – DIN 4128: Verpresspfähle (Ortbeton- und Verbundpfähle) mit kleinem Durchmesser; Herstellung, Bemessung und zulässige Belastung [14] – DIN 18301, VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Bohrarbeiten [16] – DIN 18304, VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Rammarbeiten [17] – EA-Pfähle: Empfehlungen des Arbeitskreises „Pfähle“, Verlag Ernst & Sohn [35]

8

8.3.3

Bohrpfähle (0,3 m ≤ D ≤ 3,0 m)

8.3.3.1 Allgemeines Bohrpfähle sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Hohlraum in den Untergrund gegraben und der Pfahlschaft an Ort und Stelle gegen den anstehenden Boden betoniert wird. Im Regelfall wird die Bohrlochwandung bis zum Betonieren durch eine Verrohrung oder durch Flüssigkeitsüberdruck im Bohrloch gestützt, um eine Auflockerung und Entspannung der angrenzenden Bodenschichten so weit wie möglich zu verhindern. Mit einem speziellen Fußaufschneider können Bohrpfähle mit einer Fußaufweitung hergestellt werden. Durch den Druck des flüssigen Betons entsteht eine gute Verzahnung mit dem Baugrund. In besonderen Fällen kann die Lastübertragung durch eine nachträgliche Verpressung der Fuß- und/oder der Mantelfläche noch weiter verbessert werden. Zu den Bohrpfählen werden nicht nur runde Pfähle mit Durchmessern von 0,3 bis 3,0 m gerechnet, sondern auch Gründungskörper mit abweichenden Querschnittsformen, wenn sie auf die beschriebene Weise hergestellt werden. Beispielhaft seien hier Barrettes (Schlitzwandelemente) angeführt. Die Vor- und Nachteile von Bohrpfählen sind in Tabelle 8.4 aufgelistet. 8.3.3.2 Bohrpfähle mit verrohrter Bohrung Wenn bei der Pfahlherstellung der durchörterte Boden auch bei der Verwendung stützender Flüssigkeiten nicht standsicher ist und mit Ausbrüchen aus der Bohrlochwand gerechnet wird, muss verrohrt gebohrt werden.

8.3 Pfähle

391

Tabelle 8.4 Vor- und Nachteile von Bohrpfählen Vorteile

Nachteile

Große Bandbreite an Durchmessern und Anpassung an die Lasten

Auflockerung des Bodens bei unsachgemäßem Arbeiten

Bodenansprache möglich

Entsorgung des Aushubs

Längenanpassung möglich

Grundbruchgefahr

Teleskopierbar

Betonieren im Kontraktorverfahren

Fußaufweitung zur Tragkrafterhöhung

Ziehen des Bewehrungskorbes beim Rohrziehen

Arbeiten unter begrenzter Höhe

Schrägneigung begrenzt auf ca. 4:1

Fuß- und/oder Mantelverpressung zur Tragkrafterhöhung

Nachbruch der Bohrlochwand bei unverrohrtem Bohren

Verrohrte Bohrpfähle werden heute überwiegend mit hydraulischen Verrohrungsmaschinen (VRM, Bild 8-12), Rohrdrehmaschinen (RDM) oder auch mit Drehbohranlagen hergestellt. Das Bohrrohr wird so tief wie möglich, dem Aushubniveau vorauseilend, in den Boden gedreht. Dabei kann nur bei Seilgreiferbohrungen weiterhin ausgegriffen werden. Bei Drehbohranlagen kann der Kernaushub erst nach der Entkoppelung des Drehantriebes vom Bohrrohr mit Bohrschnecke oder Bohreimer erfolgen. Der gesamte Bohrrohrstrang wird aus Einzelstücken (übliche Einzellängen von 1 bis 6 m) bis zur erforderlichen Tiefe gebracht.

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Bild 8-12 Drehbohrgerät mit Anbauverrohrungsanlage (Quelle: Bilfinger)

Beim Bohren unter dem Grundwasserspiegel und bei gespanntem Grundwasser ist im Bohrrohr Wasserüberdruck bzw. Überdruck einer Stützflüssigkeit ständig aufrechtzuerhalten, um einen hydraulischen Grundbruch des Bodens zu vermeiden.

392

8 Geotechnische Bauverfahren

Die Verrohrung muss dem Bohrfortschritt vorauseilen, um unter die Bohrung reichende Auflockerungen während des Bohrvorgangs zu verhindern. In weichen, bindigen und in nichtbindigen Böden ist ein Voreilmaß von bis zu einem Rohrdurchmesser erforderlich. Wenn beim Abteufen der Bohrung das Bohrwerkzeug der Verrohrung vorauseilt, kann es zu ungewollten Auflockerungen im Boden kommen. Diese führen zu einer Reduzierung der Tragfähigkeit des Pfahles und bei Belastung des Pfahles auch zu größeren Setzungen. Umgekehrt ist eine Verdichtung des anstehenden Bodens beim Eintreiben der Verrohrung nicht zu erwarten. Zu schnelles Ziehen des Bohrwerkzeuges kann auch zu einem hydraulischen Grundbruch führen. Deshalb ist bei Bohreimern auf einen ausreichend großen Durchlass für die Flüssigkeit in der Bohrung zu achten. Bei zu schnellem Anziehen des Bohrwerkzeugs kann sich ein Unterdruck entwickeln, wodurch das Werkzeug den anstehenden Boden hochreißt und die Sohle aufgelockert wird. Ist die Solltiefe der Bohrung erreicht und ist keine Fußverbreiterung vorgesehen, muss der Boden bis zur Unterkante der Verrohrung ausgeräumt werden. Der Pfahl muss unmittelbar nach dem Ausräumen des Bodens bewehrt und betoniert werden. Falls die Mantelreibung beim Eindrehen bzw. Herausziehen der Verrohrung für die Drehbohranlage zu groß wird, wird in der Regel eine Verrohrungsmaschine zur Unterstützung eingesetzt. 8.3.3.3 Bohrpfähle mit teilverrohrter Bohrung mit/ohne Stützflüssigkeit

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Bohrpfähle mit einer Teilverrohrung sind Pfähle, bei denen nur im oberen Bereich der Bohrung (je nach Baugrundverhältnissen bis ca. 3 bis 6 m) eine Verrohrung benötigt wird (Bild 8-13). Die restliche Bohrung kann entweder trocken gebohrt oder mit Verwendung einer Stützflüssigkeit zur Stabilisierung der Bohrlochwandung hergestellt werden.

Bild 8-13 Korbeinbau und Aushub mit Kugelgreifer bei teilverrohrten Pfählen (Quelle: Bilfinger)

8.3 Pfähle

393

Das Bohrrohr wird entweder eingedreht oder einvibriert und stützt den oberen Teil der Bohrung, wo das Eigengewicht des Baggers auf die Standsicherheit der Bohrlochwandung noch eine wesentliche Rolle spielt. Wenn der anstehende Baugrund standsicher ist und nicht mit Nachbrüchen gerechnet werden braucht, kann die Bohrung bis auf Endtiefe ohne hydraulische Stützung gebohrt werden. Dies ist aber in den seltensten Fällen möglich. Üblich sind Bohrungen unter Verwendung einer hydraulischen Bohrlochstützung. In der Regel wird eine Wasser-Bentonit-Mischung oder eine Polymerlösung verwendet. Mit diesem Verfahren können relativ große Durchmesser (bis 3000 mm) und tiefe Bohrlöcher (40 bis 100 m Tiefe) erreicht werden. Es können allerdings nur vertikale Bohrungen hergestellt werden. Auf den Suspensionsspiegel ist ähnlich wie bei der Schlitzwandherstellung besonders zu achten. Ebenso ist ein ausreichender Vorrat an Suspension auf der Baustelle vorzuhalten. 8.3.3.4 Bohrpfähle mit durchgehender Bohrschnecke Bohrpfähle mit durchgehender Bohrschnecke werden oft als Schneckenortbetonpfähle (SOBPfähle) bezeichnet. Die SOB-Pfähle werden unverrohrt hergestellt. Die Stützung der Bohrlochwandung erfolgt durch den auf den Schneckenwendeln befindlichen Boden. Während des Abbohrens muss der Geräteführer auf zwei Dinge achten. Erstens muss er die Drehzahl und den Vorschub der Bohrschnecke so an die Bodenverhältnisse anpassen, dass er die Schnecke nicht wie einen Korkenzieher in den Boden dreht und fest fährt, sondern den Boden immer leicht abscherend auf der Schnecke transportiert. Zweitens sollte der Bodenaustrag durch die Schnecke auf ein Minimum reduziert werden. Die Schnecke fördert bei Drehung ohne Vorschub wie eine Förderschnecke und entspannt somit den anstehenden Boden. Nach Erreichen der Endtiefe der Bohrung wird beim Zurückziehen der Schnecke sofort mit dem Betonieren begonnen. Durch das Seelenrohr der Schnecke und mittels Betonierkopf am Ende der Schnecke kann der Beton direkt am Ende des Werkzeugs ins Bohrloch eingepumpt werden. Bei SOB-Pfählen werden immer Betonpumpen eingesetzt (Bild 8-14). Die Schnecke sollte „kalt“ gezogen werden. Wenn dies auf Grund des Bodenwiderstandes nicht funktioniert, kann mit leichter Drehung, wie zuvor beim Abbohrvorgang, die Schnecke gezogen werden. Während des Betoniervorgangs muss der Gerätefahrer auf den Betondruck achten. Hier besteht die Gefahr des Festpressens der Schnecke. Beim Zurückziehen der Schnecke ist diese fast komplett mit Bodenmaterial zwischen den Wendeln gefüllt. Hier ist es vorteilhaft, die Schnecke mit einem Schneckenputzer kurz oberhalb der Bohrebene zu reinigen. Dadurch wird das Herunterfallen von Steinen oder sonstigem Boden auf das Personal und das Gerät vermieden. Nach dem Herausfahren der Schnecke aus dem frisch betonierten Bohrpfahl wird anschließend der Bewehrungskorb mit Hilfe eines Hebegerätes oder mit dem Hilfsseil am Drehbohrgerät direkt in den frischen Beton abgelassen. Zuvor sollte der Kopfbereich des Pfahles mit einem Minibagger abgezogen werden, so dass die Lage des Pfahls genau festgestellt werden kann. Falls der Eindringwiderstand so hoch ist, dass der Korb nicht von alleine einsinkt, wird er entweder mit einem Aufsatzrüttler oder mit einem Minibagger auf Höhe eingebaut. Die Körnung des Betons und die Konfiguration des Bewehrungskorbes müssen speziell auf die Erfordernisse des SOB-Verfahrens angepasst sein.

8

394

8 Geotechnische Bauverfahren

8 Bild 8-14 Drehbohrgerät mit SOB-Schnecke und Betonpumpe (Quelle: Implenia)

Die maximale Tiefe und der Durchmesser dieser Pfähle hängen sehr stark von der Größe des Drehbohrgerätes ab. Die Länge einer Schnecke ist begrenzt durch die Höhe, die unterhalb des Drehantriebs vorhanden ist. Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit, eine Betonierkelly einzusetzen, wodurch die Bohrtiefe um weitere 4 bis 6 m vergrößert werden kann. Die üblichen Durchmesser liegen zwischen 540 bis 1200 mm. Standardtiefen sind 12,0 bis 18,0 m. In Ausnahmefällen sind Bohrtiefen von 24,0 bis 30,0 m möglich, dies erfordert jedoch eine entsprechend abgestimmte Gerätetechnik. 8.3.3.5 Bohrpfähle mit Teilverdrängerbohrschnecke Dieses Verfahren ähnelt dem im Kapitel zuvor beschriebenen Bohrverfahren mit durchgehender Schnecke. Der Unterschied liegt jedoch in der Geometrie der Schnecke und darin, dass der Boden bei diesem Verfahren teilverdrängt wird. Die Schnecke besitzt im Verhältnis zur Wendelbreite ein größeres Seelenrohr. Die Wendel ist zwischen 5 bis 10 cm breit. Bei den SOB-Schnecken muss das Seelenrohr nur die Betonierleitung aufnehmen. Bei den Teilverdrängerbohrschnecken kann durch das Seelenrohr ein Bewehrungskorb vor dem Betonieren eingestellt werden. An der Spitze der Schnecke kann ein verlorener Deckel angebracht werden, oder es wird mit wiedergewinnbarer Spitze gearbeitet. Nach Einbau des Bewehrungskorbes startet der Betoniervorgang über das Seelenrohr der Schnecke.

8.3 Pfähle

395

8.3.3.6 Bohrpfähle im Doppelkopfbohrverfahren Das Doppelkopfbohrverfahren (Bild 8-15) für die Bohrpfahlherstellung ist ein leistungsfähiges Verfahren, welches aber einen sehr hohen Geräteanteil benötigt. Auf Grund der erforderlichen Kräfte für das Eindrehen einer Verrohrung parallel zur durchgehenden Bohrschnecke kommen hier nur sehr große Drehbohrgeräte zum Einsatz. Dieses Verfahren stellt eine Kombination des SOB-Verfahrens, gekoppelt mit dem Kellybohrverfahren mit Außenverrohrung dar. Am Mäkler des Bohrgerätes müssen zwei Drehantriebe angebaut sein. Während des Abbohrvorgangs drehen die Antriebe gegenläufig.

8

Bild 8-15 Doppelkopfbohranlage im Vordergrund; Einrütteln eines Bewehrungskorbes mit Aufsatzrüttler im Hintergrund

Eine Abwandlung dieses Verfahrens ist auch unter dem Namen VDW-Verfahren bekannt. VDW bedeutet „vor der Wand“, d. h., mit diesem System kann unmittelbar vor einer bestehenden Hauswand mit einem sehr kleinen Abstand gearbeitet werden. Der Arbeitsablauf beim „gekoppelten“ Doppelkopfbohrverfahren ist wie folgt: – – – –

Ansetzen am Bohrpunkt Abbohren der durchgehenden Schnecke mit gleichzeitigem Eindrehen des Bohrrohres Bohrwerkzeug und Rohr während des Betonierens durch das Seelenrohr ziehen Einbau des Bewehrungskorbes mit Aufsatzrüttler.

Beim „entkoppelten“ Verfahren kann der Drehantrieb der Bohrschnecke mit Bohrgut unabhängig vom Drehantrieb des Bohrrohres nach Erreichen der Endtiefe zurückgefahren werden. So kann der Bewehrungskorb vor dem Betonieren eingebaut werden. Beim Doppelkopfbohren kann unter Umständen die Zugabe von Spülungsluft (Druckluft) ab einer Tiefe von 6 bis 8 m sinnvoll sein, da sonst der Boden zwischen der Bohrschnecke und der Rohrwandung so verdichtet werden kann, dass kein Bohrfortschritt mehr erzielt wird.

396

8 Geotechnische Bauverfahren

8.3.3.7 Ausführung von Bohrpfahlwänden Mit allen der zuvor beschriebenen Verfahren, mit Ausnahme der teilverrohrten Methode mit/ohne Suspensionsstützung, können Bohrpfahlwände als Verbauelement hergestellt werden. Generell werden bei den Bohrpfahlwänden drei Varianten unterschieden (Bild 8-16): – aufgelöste Bohrpfahlwand – tangierende Bohrpfahlwand – überschnittene Bohrpfahlwand. Aufgelöste Bohrpfahlwand mit Spritzbetonausfachung

60

15

Æ88

c1) Überschnittene Bohrpfahlwand – Herstellung der (unbewehrten) Primärpfähle Æ88

a)

2,00

150

2,00

Tangierende Bohrpfahlwand

150

150

150

c2) Überschnittene Bohrpfahlwand – Herstellung der (bewehrten) Sekundärpfähle Æ88

b)

2,00

93

8

93

93

93

93

Æ88

2,00

75

75

75

75

75

75

75

75

Bild 8-16 Bohrpfahlwände – Ausführungsvarianten

Aufgelöste Bohrpfahlwände (kurz APW genannt) sind durch eine im Grundriss linear oder gekrümmte Anordnung von Bohrpfählen der verschiedensten Durchmesser gekennzeichnet, wobei der lichte Abstand zwischen den Pfählen mehr als 10 cm des Bohrpfahldurchmessers beträgt. Üblicherweise weisen aufgelöste Pfahlwände Achsmaße von 1,0 bis 3,0 m auf. Der Zwischenraum zwischen den Pfählen wird bei fortschreitendem Aushub durch Spritzbeton gesichert (Bild 8-17). Die Spritzbetonsicherung kann entweder eben oder durch ein Gewölbe erfolgen.

Bild 8-17 Aufgelöste Bohrpfahlwand (Quelle: Bilfinger)

8.3 Pfähle

397

Das Tragverhalten dieser Wände entspricht jenem von Trägerbohlwänden (kurz TBW genannt). Es ist nach EAB eine entsprechende Bemessung vorzunehmen. Eventuell vorhandenes Sickerwasser kann durch Dränmatten bzw. sonstige Filterelemente hinter dem Spritzbeton gefasst und einer geeigneten Vorflut zugeführt werden. Aufgelöste Pfahlwände kommen in der Regel dort zur Anwendung, wo angrenzende Verkehrswege oder leichte Bebauungen (Garagen etc.) zu sichern sind und Trägerverbauten eine zu geringe Wandsteifigkeit aufweisen würden. Unter tangierenden Bohrpfahlwänden (kurz TPW genannt) versteht man im üblichen Sinn Bohrpfähle, die einen lichten Pfahlabstand von 5 bis 10 cm aufweisen. Die Pfähle werden sinnvollerweise mit einer Bohrschablone, an die jedoch nur geringe Anforderungen hinsichtlich Stärke und Bewehrung zu stellen sind, hergestellt. Jeder Pfahl wird bewehrt. Ein besonderes Augenmerk ist bei der Herstellung von tangierenden Bohrpfählen auf die Bohrgenauigkeit zu richten, da ein Verlaufen der Pfähle in Wandachse Probleme hinsichtlich des Abteufens der nachfolgenden Bohrung mit sich bringen kann, da benachbarte Pfähle unter Umständen angeschnitten werden. Der Einsatzbereich von tangierenden Bohrpfählen ist in erster Linie bei benachbarten Bebauungen zu sehen, da durch die massive Anordnung von bewehrten Stahlbetonpfählen sehr große Biegemomente abgetragen werden können. Zudem wird durch die Pfahl-an-Pfahl-Anordnung der Boden hinter der Wand während des Aushubs nicht aufgelockert. Bei sorgfältiger Ausführung der Bohrung selbst können Verformungen aus dem Bohrvorgang hinter der Wand weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Herstellung erfolgt in Böden ohne Grundwasser oder im Schutz einer geschlossenen Grundwasserabsenkung durch Schwerkraft- oder Vakuumbrunnen. Im Falle der Sicherung einer tangierenden Pfahlwand mit Injektionsankern werden diese üblicherweise im Pfahlzwickel angeordnet (Bild 8-18). Ist dies nicht in jedem Zwickel der Fall, so ist durch geeignete Maßnahmen (z. B. Betonplomben) zu gewährleisten, dass eine einwandfreie Kraftübertragung erfolgen kann.

Bild 8-18 Tangierende Bohrpfahlwand (Quelle: Bilfinger)

8

398

8 Geotechnische Bauverfahren

Der Einsatzbereich überschnittener Bohrpfahlwände (kurz ÜPW genannt, Bild 8-19) ist in erster Linie in der Herstellung wasserdichter Baugruben zu sehen. Zur Sicherstellung der Überschneidung sind generell Bohrschablonen erforderlich. Die Ausbildung der Schablonen (Stärke, Höhe, Bewehrung etc.) richtet sich nach den Erfordernissen bezüglich Wandtiefe, Überschneidung und zulässiger Toleranzen. Die Herstellung von überschnittenen Bohrpfahlwänden erfolgt im sogenannten Pilgerschrittverfahren. In einem ersten Arbeitsgang werden die unbewehrten Primärpfähle hergestellt bzw. betoniert. Anschließend erfolgt das Abteufen der bewehrten Sekundärpfähle, wobei die zuerst betonierten Pfähle angeschnitten werden. Es entsteht so eine ausreichend wasserdichte Baugrubenumschließung. Analog zu den Arbeitsgängen der Primär- bzw. Sekundärpfahlherstellung werden auch unterschiedliche Betone verwendet. Generell sieht die DIN EN 1536 [23] mindestens Betone der Klassen C 20/25 vor, erlaubt jedoch für Primärpfähle auch niedrigere Güteklassen; hier sollte auf eine langsame Erhärtungszeit (z. B. durch Zugabe von Flugasche als Füller und Verwendung entsprechender Zemente) geachtet werden. Dadurch wird das Einschneiden mit den bewehrten Pfählen, die eine Betongüte nach statischen Erfordernissen aufweisen müssen, erleichtert. Hier ist jedoch anzumerken, dass für alle Betone Eignungsprüfungen vorliegen müssen bzw. im Einzelfall durch die Mischwerke durchgeführt werden müssen. Letzteres ist bei den Sonderbetonen der Primärpfähle häufig der Fall.

8

Bild 8-19 Überschnittene Bohrpfahlwand (Quelle: Bilfinger)

8.3 Pfähle

8.3.4

399

Verdrängungspfähle

8.3.4.1 Einleitung Die alte Bezeichnung „Rammpfähle“ aus DIN 4026 [10] wurde durch die englische Bezeichnung „Displacement Piles“ in DIN EN 12699 [32] verdrängt. Verdrängungspfähle werden ohne Bodenförderung in den Boden eingebracht. Sie verdrängen seitlich den anstehenden Boden. Durch die Verdichtung und Umlagerung des Bodens in unmittelbarer Nähe zum Pfahl, ist ihre Tragfähigkeit relativ hoch. Normativ sind die Verdrängungspfähle in der DIN EN 12699 [32] erfasst. Folgende Einbauverfahren mit vollständiger Bodenverdrängung werden unterschieden: – – – –

Rammen mit Innenrammung oder Freifallrammung Rütteln oder Vibrationsrammung Eindrücken oder Einpressen Drehen.

Die Wahl des Einbringverfahrens wird durch folgende Parameter beeinflusst: – – – – –

Querschnittsform Länge Material des Pfahls Baugrund Randbebauung.

Der Ablauf der Pfahleinbringung muss im Voraus geplant werden. Aus den gegenseitigen Einflüssen über Verdichtungs- und Verdrängungswirkung und Porenwasserdruckaufbau sowie schädliche Auswirkungen auf Nachbarpfähle oder naheliegende Bauten sollte frühzeitig ein Rammplan erstellt werden. Die jeweiligen Mindestabstände sind in DIN 4026 [10] bzw. DIN EN 12699 [32] beschrieben. 8.3.4.2 Fertigrammpfähle Fertigrammpfähle können aus verschiedenen Baustoffen bestehen (vgl. Bild 8-11): – – – – –

Holzpfahl Stahlpfahl Stahlbetonpfahl Spannbetonpfahl Schleuderbetonpfahl.

Die Verwendung von Holzpfählen war im Mittelalter sehr weit verbreitet. Heutzutage ist dies recht stark zurückgegangen. In Zentraleuropa werden Pfähle aus Eiche, Fichte, Kiefer, Tanne und Kastanie eingesetzt. Holzpfähle sind durch Befall von Pilzen oder Bakterien gefährdet. Ebenso schädlich wirkt sich auch der Wechsel von Feuchtigkeit und Trockenheit aus. Pfähle die permanent unter Wasser stehen, haben eine fast unbegrenzte Haltbarkeit. Bei Stahlpfählen kommen verschiedene Querschnittsformen (Walzprofile, Rundrohre, Kastenprofile und zusammengesetzte Spundwandprofile) zum Einsatz. Auf Grund der Schweißbarkeit des Stahles an den Stoßverbindungen können Stahlpfähle sehr gut verlängert und an die benötigten Pfahllängen angepasst werden. In der Regel sind Korrosionsschutzmaßnahmen bzw. die Querschnittsverluste durch Abrostung zu berücksichtigen. Stahlbetonfertigpfähle müssen mit einer Mindestbewehrung hergestellt werden. Die Vorgaben dazu liefert DIN EN 12794. Die Transportierbarkeit und das Alter nach dem Betonieren

8

400

8 Geotechnische Bauverfahren

müssen berücksichtigt werden. Das Betonalter spielt für die Widerstandsfähigkeit beim Rammen eine wichtige Rolle. In Deutschland werden überwiegend Pfähle mit quadratischen Abmessungen (20  20, 25  25, 30  30, 35  35, 40  40, 45  45 cm2) eingebaut. Es gibt aber auch Rechteckformen, Doppel-T-Vollquerschnitte und Kreisformen mit und ohne Vollquerschnitt. Die Anpassung an die erforderliche Länge wird über Kupplungsstöße erreicht. Spannbetonfertigpfähle sind Pfähle, die eine Mindestbewehrung aus Spannstahl besitzen und nach dem Aushärten des Betons vorgespannt werden. Am weitesten verbreitet ist dieses Pfahlsystem in den Niederlanden. Bei diesen Pfählen ist die Betonqualität von besonderer Wichtigkeit. Durch die Vorspannung werden mögliche Haarrisse einfach überdrückt.

Schleuderbetonpfähle (Bild 8-20) sind kreisrunde Spannbetonfertigpfähle mit einem Hohlraum im Zentrum.

8

Bild 8-20 Schleuderbetonpfahlsegmente (Quelle: Bilfinger)

8.3.4.3 Ortbetonrammpfähle Bei der Pfahlherstellung wird durch das Einrammen oder Einrütteln von dickwandigen Rohren mit geschlossener Spitze ein Hohlraum hergestellt, wobei der Boden vollständig verdrängt wird. Hinsichtlich des Einbringverfahrens werden zwei Arten unterschieden: – Pfahltyp mit Innenrammung (System FRANKI) – Pfahltyp mit Kopframmung (System SIMPLEX). Die Rammung erfolgt entweder durch Freifall-Innenrammung mit einem schweren Fällbären und aus großer Höhe auf einen Betonpropfen im Fuß des Rohres, oder durch Kopframmung auf eine Rammhaube. Bei letzterem System ist das Rohr mit einer verlorenen Fußplatte ver-

8.3 Pfähle

401

schlossen. Nachdem das Mantelrohr auf Endtiefe gebracht ist, kann in das trockene Rohr die Bewehrung eingestellt werden, gefolgt von der Betonage. 8.3.4.4 Vollverdrängungsbohrpfähle (Schraubbohrpfähle) Das bekannteste System ist der FUNDEX-Pfahl. Bei diesem System wird ein Stahlrohr (Vortreibrohr) mit verlorener Schraubspitze durch Rechtsdrehung ohne Bodenaustrag in den Boden auf Tiefe gebracht. Die Schraubspitze hat einen größeren Durchmesser als das nachlaufende Vortreibrohr. Sie erleichtert das Eindringen in den Boden und reduziert die Mantelreibung auf das Rohr. Anschließend kann der Bewehrungskorb und der Beton in das Vortreibrohr eingebracht und mit dem Rückziehen des Rohres begonnen werden. Das zweite, bekannte System ist der ALTLAS-Pfahl. Bei diesem System wird ein Stahlrohr mit anmontiertem Schneidkopf in den Boden gedreht. Der Schneidkopf ist unten durch eine verlorene Fußspitze wasserdicht abgeschlossen. Nach Erreichen der Endtiefe wird ggf. der Bewehrungskorb eingestellt und anschließend das Rohr mit Beton gefüllt. Danach wird das Rohr mit dem eingängigen Schraubenflügel am Schneidkopf wieder herausgedreht und gezogen. Der Pfahl erhält dadurch eine schraubenförmige Geometrie. In den letzten Jahren kommen immer mehr Verdrängerbohrwerkzeuge auf den Markt. Diese Werkzeuge können, ähnlich wie beim Kellybohren, an ein leistungsfähiges, hydraulisches Drehbohrgerät angebaut werden (Bild 8-21). Bei diesem Verfahren wird das Bohrwerkzeug, bestehend aus Bohranfänger, Vorlaufschnecke und konisch verlaufendem Verdrängungskörper, in den Boden gedreht und gedrückt. Nach Erreichen der geforderten Bohrtiefen wird über das Seelenrohr im Bohrgestänge der Beton an die Spitze des Werkzeugs gepumpt und der gesamte Bohrstrang zurückgezogen. Anschließend kann ein Bewehrungskorb in die Betonsäule eingedrückt oder einvibriert werden.

Bild 8-21 Drehborgerät mit Vollverdrängerbohrwerkzeug (Quelle: BAUER)

8

402

8 Geotechnische Bauverfahren

8.3.4.5 Verpresste Verdrängungspfähle Verpresste Verdrängungspfähle sind gekennzeichnet durch das Verpressen eines Zementmörtels oder einer Zementsuspension während des Einbringens eines Stahlrammpfahles. Verpressmörtelpfähle (VM-Pfahl) waren früher in Deutschland auch unter dem Namen Mantelverpresspfahl (MV-Pfahl) oder Rammverpresspfahl (RV-Pfahl) bekannt. Der Pfahlschaft kann aus unterschiedlichen Stahlprofilen, wie z. B. Rundstahl, H-Profil, Doppel-UProfil etc., bestehen. Der Pfahlschuh – eine rechteckige oder quadratische Pfahlspitze – wird an den Pfahlschaft angeschweißt. Dadurch, dass die Spitze im Vergleich zum Schaft vergrößert ist, schafft sie einen Ringraum, der mit Zementmörtel verpresst wird. Der Zementmörtel wird nur unter hydrostatischem Druck eingebaut, da der Ringraum nach oben offen ist. VMPfähle werden oft als Zug- und Druckpfähle sowie als wechselbelastete Pfähle im Hafen und Offshore-Bereich eingesetzt. Der Rüttelinjektionspfahl (RI-Pfahl, Bild 8-22) unterscheidet sich eigentlich nicht wesentlich vom VM-Pfahl. Er besteht aus HEB- oder HEA-Profilen und besitzt am Pfahlfuß lediglich eine Aufdoppelung aus auf den Steg und die Flansche aufgeschweißten Blechen. Der während des Einrüttelns entstehende Hohlraum ist viel kleiner als beim VM-Pfahl und wird mit Zementsuspension verfüllt. Die Anwendungsbereiche sind denen der VM-Pfähle ähnlich. Die Tragfähigkeit ist jedoch etwas geringer. RI-Pfähle können bis zu einer Neigung von 1:1 eingebaut werden.

8

Bild 8-22 RI-Pfähle: Kopfausbildung (Mitte), Fußausbildung (links und rechts)

8.3.5

Mikropfahl (Ø < 0,3 m)

8.3.5.1 Einleitung Der Mikropfahl ist wegen des günstigen Verhältnisses von Querschnittsfläche zu Tragfähigkeit und wegen des geringen Platzbedarfs für die Herstellung vielseitig einsetzbar. Die Anwendungspalette reicht von Gründungen, der Ertüchtigung von bestehenden Gründungen über Auftriebssicherungen (Bild 8-23) bis zur Stabilisierung von Hängen und Böschungen.

8.3 Pfähle

403

Auf Grund seines Herstellungsverfahrens, des Aufbaus, der Trageigenschaften, der Verpressung und der Prüfung ähnelt der Mikropfahl in vielen Bereichen dem Verpressanker nach DIN EN 1537 [24]. Der Begriff „Mikropfahl“ rührt von dem maximal zulässigen Außendurchmesser. Dieser beträgt bei Bohrpfählen mit kreisförmigen Querschnitten (oder vergleichbaren ähnlichen Querschnittsformen) 300 mm und bei Verdrängungspfählen 150 mm. Durch die relativ kleinen Durchmesser können die Geräte zur Herstellung der Bohrungen auch unter beengten Verhältnissen oder in schwer zugänglichen Bereichen (Hängen, Felswand) eingesetzt werden.

8

Bild 8-23 Mikropfähle zu Auftriebssicherung der Bodenplatte (Quelle: Bilfinger)

8.3.5.2 Regelwerk Das Regelwerk für Mikropfähle umfasst folgende Normen: – DIN EN 14199: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau –Mikropfähle [34] – DIN 4128: Verpresspfähle (Ortbeton- und Verbundpfähle) mit kleinem Durchmesser (Bemerkung: DIN 4128 wurde zurückgezogen) [14] – Nationale und Europäische bauaufsichtliche Zulassungen der einzelnen Hersteller. 8.3.5.3 Ortbetonpfähle Nach der Definition der DIN 4128 [14] ist ein Ortbetonpfahl ein Pfahl mit durchgehender Längsbewehrung aus Betonstahl mit einer Zementmörtel- oder Beton-Verpressung. Die Betondeckung beträgt 30 bis 45 mm, in Abhängigkeit des chemischen Angriffs des Bodens oder Grundwassers. 8.3.5.4 Verbundpfähle Ein Verbundpfahl ist ein Pfahl mit einem vorgefertigten Tragglied aus Stahlbeton oder Stahl mit einem Mindestschaftdurchmesser von 100 mm. Der Name Verbundpfahl kommt von der Kraftübertragung zwischen dem Stahlglied und dem umgebenden Verpresskörper.

404

8 Geotechnische Bauverfahren

8.3.5.5 Mikropfahlsysteme Nach Kempfert [43] werden in Deutschland die in Tabelle 8.5 aufgeführten Mikropfahlsysteme eingesetzt. Tabelle 8.5 Standard-Mikropfahlsysteme in Deutschland, nach Kempfert [43]

8

System

Tragglied

Dywidag GEWI-Pfahl, System Dywidag

Betonstabstahl, GEWI-Einstab oder Erstverpressung mit Abschlusskappe -Mehrstab, 1–3 Stäbe ø 32 bis 63 mm, Nachverpressung über Verpressgekoppelt durch Muffenverbindung ventile oder Verpresslanzen

BBV Einstabpfahl, System Bilfinger Berger Vorspanntechnik

Betonstabstahl Bst 500 mit Gewinderippen, ø 28, 40 oder 50 mm, gekoppelt durch Muffenverbindung, HDPEKappe am erdseitigen Ende mit Hüllrohr verbunden

Erstverpressung mit Abschlusskappe Nachverpressung über Nachinjektionsrohre oder Manschettenrohre

BVV Verpresspfahl, System Bilfinger Berger Vorspanntechnik

Stabstahl mit Gewinderippen S 555/700, ø 63,5 mm, gekoppelt durch Muffenverbindung

Erstverpressung mit Abschlusskappe Nachverpressung über Verpressventile oder Verpresslanzen

Stabverpresspfahl mit einem Tragglied aus Stabstahl, System BAUER

Betonstabstahl mit Gewinderippen S 555/700, ø 63,5 mm, gekoppelt durch Muffenverbindung

Erstverpressung mit Abschlusskappe Nachverpresslanzen mit Ventilen

Verbundpfahl, System Stump

Betonstabstahl mit Gewinderippen BSt 600S, ø 20 bis 50 mm, gekoppelt durch Muffenverbindung

Erstverpressung mit Abschlusskappe Nachverpressung über Nachinjektionsrohre oder Manschettenrohre

Rohrpfahl, System Stump

Rohrbewehrung ø 60,3 bis 106,5 mm, Nachverpressung über Nachinjekkombiniert mit GEWI-Stab im Pfahltionsrohre mit Ventilen kopfbereich Ausbildung des Stahltragglieds als Manschettenrohr, Verpressung mit Doppel- oder Einfachpacker

Wurzelpfahl

Bewehrungskorb aus Betonstabstahl als Ring- oder Spiralbewehrung

8.4

Verpresssystem

Injektionsschläuche mit/ohne Packer

Ankertechnik

8.4.1 Einleitung Die Geburtsstunde der Verpressanker im Lockergestein wurde mehr oder weniger zufällig eingeleitet. Auf der Baustelle des Neubaus des Bayerischen Rundfunks in München wurde im Jahr 1958 durch die Fa. Bauer, Schrobenhausen, der Grundgedanke der heutigen Ankertechnik im Spezialtiefbau erarbeitet. Es gibt verschieden Einteilungsmöglichkeiten für Anker: 1. Bodenart: – Anker im Lockergestein – Anker im Fels

8.4 Ankertechnik

405

2. Nutzungsdauer: – < 2 Jahre: Kurzzeitanker, Temporäranker, Verbauanker – > 2 Jahre: Daueranker, Permanentanker 3. Bauart: – Verpress- oder Injektionsanker: Kraftübertragung über Verpresskörper – Gebirgsanker: im Bergbau und Tunnelbau eingebrachte Zugglieder Die DIN 4125 [11] kennt noch weitere Unterscheidungsmerkmale bei Ankern, wie z. B. Verbundanker, Druckrohranker, Freispielanker oder blockierte Anker. Hierbei wird in der Art und Weise der Krafteinleitung in den Baugrund unterschieden. Ohne die Ankertechnik wären im klassischen Ingenieur- und Hochbau einige Bauwerke nicht zu realisieren. Durch die Einleitung von Zugkräften in den Baugrund ist es beispielsweise möglich, Zeltdächer wie beim Olympiastadion in München oder Hangeinschnitte im Bereich von ICE-Trassen zu sichern. Bei der Herstellung von Baugruben ohne schwere Stahlaussteifungen stellen die Verpressanker eine wirtschaftliche Alternative dar. Je nach Dauer der Krafteinleitung in den Baugrund werden Anker in Kurzzeit-(Temporär-, Verbau-) oder Daueranker (Permanentanker) unterschieden. Für einen Nutzungszeitraum bis zu zwei Jahren werden sie als Kurzzeitanker bezeichnet und über zwei Jahre hinaus als Daueranker. Der eigentliche Unterschied liegt im Korrosionsschutz der Ankerteile, der während der gesamten Nutzungsdauer garantiert werden muss. In der Ankertechnik werden auch Zugkräfte durch Zugpfähle oder Bodennägel eingeleitet. Der wesentliche Unterschied zu den Verpressankern ist, dass diese über die gesamte Länge des Stahlzuggliedes mit Zementstein kraftschlüssig mit dem Boden verbunden werden. Wenn auf Grund von Kontaminationen der Boden oder das Grundwasser so stark verändert ist, dass die Ankerteile angegriffen werden und ihre Funktion nicht während der gesamten Nutzungsdauer übernehmen können, dürfen sie nicht eingebaut werden.

8.4.2

Regelwerke

Die aktuellen Regelwerke für Verpressanker sind: – DIN EN 1537: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Verpressanker [24] – DIN 4125: Verpressanker. Kurzzeit und Daueranker. Bemessung, Ausführung und Prüfung [11] – DIN 18309, VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Einpressarbeiten [18] – Nationale und Europäische bauaufsichtliche Zulassungen der einzelnen Hersteller. Bei Verpressankern im Lockergestein haben wir in Deutschland bei der Normung den Sachverhalt, dass die DIN EN 1537 [24] bauaufsichtlich noch nicht eingeführt ist und DIN 4125 [11] offiziell vom Deutschen Institut für Normung zurückgezogen wurde. DIN 4125 [11] ist somit weiterhin für die Bauaufsicht maßgebend. DIN EN 1537 [24] regelt die Ausführung und die Prüfung von Verpressankern. Die Bemessung soll nach DIN 1054:2005-01 [8] durchgeführt werden. Das Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin erteilt für Ankerkopfkonstruktionen von Kurzzeitankern und für Daueranker allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen, die für eine Anwendung in Deutschland erforderlich sind. Durch eine Zustimmung im Einzelfall kann ein neues

8

406

8 Geotechnische Bauverfahren

Ankersystem ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung von der zuständigen Baubehörde für die Einzelanwendung freigegeben werden.

8.4.3

Aufbau von Verpressankern

Ein Verpressanker besteht aus drei Teilen (Bild 8-24): Ankerkopfkonstruktion, Stahlzugglied und Verpresskörper.

8 Bild 8-24 Verbundanker mit Ankerkopf (1), Stahlzugglied (6) und Verpresskörper (7) aus DIN EN 1537 [24]

Bei Verpressankern im Lockergestein wird durch Einpressen von Zementsuspension oder -mörtel im hinteren Bereich eines in den Boden eingebrachten Stahlzuggliedes ein Verpresskörper hergestellt. Im vorderen (erdseitigen) Bereich des Ankers wird durch eine Ankerkopfkonstruktion das zu verankernde Bauteil kraftschlüssig verbunden. Die Kraftschlüssigkeit wird durch das Vorspannen des zwischen Verpresskörper und Ankerkopf liegenden Stahlzuggliedes erreicht.

8.4.4

Stahlzugglieder bei Verpressankern

Bei Verpressankern dürfen nur allgemein bauaufsichtlich zugelassene Spannstähle nach Tabelle 8.6 verwendet werden. Die überwiegende Anzahl von Verpressankern im Lockergestein bilden die Litzenanker. Eine Litze besteht aus sieben Einzeldrähten, die verseilt werden. Die sechs äußeren Drähte haben einen Durchmesser von 5,2 mm und der Kerndraht einen Durchmesser von 5,22 mm. Der Nenndurchmesser einer Litze beträgt ca. 15,3 mm bzw. 0,6", der Nennquerschnitt 140 mm. Ein Litzenanker kann aus mehreren Einzellitzen aufgebaut werden. In Tabelle 8.7 sind die allgemeinen Daten aufgeführt.

8.4 Ankertechnik

407

Tabelle 8.6 Gebräuchliche Zugglieder für Verpressanker [53] Bezeichnung

Anzahl derStäbe/ Bündel/ Litzen

Durchmesser des Einzelstabes/ der Einzellitze

Stahlgüte [N/mm2]

Zulässige Kraft nach DIN 4125 [kN]

Einstabanker aus Spannstahl

1

26,5 32,0 36,0 26,5 32,0 36,0 40,0 26,5 32,0 36,0

835/1030 835/1030 835/1030 950/1050 950/1050 950/1050 950/1050 1080/1230 1080/1230 1080/1230

263 384 485 299 436 552 682 340 496 628

Stahl warmgewalzt, gereckt und angelassen, mit Gewinderippen, Rechtsgewinde

Einstabanker aus Baustahl

1

32 40 50 63,5

500/550 500/550 500/550 550/700

230 359 561 1004

Linksgewinde

Bündelanker

3 bis 12

12,0

1420/1570

275 bis 1100

Vergüteter Spannstahl, rund, gerippt

Litzenanker

2 bis 12 2 bis 12 2 bis 12 2 bis 12

0,60", 15,3 mm 0,62", 15,7 mm 0,60", 15,3 mm 0,62", 15,7 mm

1570/1770 1570/1770 1660/1860 1660/1860

126/Litze 135/Litze 133/Litze 143/Litze

Litzen bestehend aus 7 kaltgezogenen runden glatten Einzeldrähten ø 5,2 mm

Bemerkung

Tabelle 8.7 Bruchlast und Gebrauchslasten von Litzenankern mit Einzellitzen 0,6" aus Spannstahl St 1570/1770 [53] Last an der Streckgrenze FS [kN]

0,9  FS [kN]

Litzenanzahl

Stahlquerschnitt [mm2]

Bruchlast FZ [kN]

Zulässige Gebrauchslast n. DIN 4125 im LF 1 ŋ = 1,75 [kN]

2

280

496

440

396

251

3

420

743

659

593

377

4

560

991

879

791

502

5

700

1239

1099

989

628

6

840

1487

1319

1187

754

7

980

1735

1539

1385

879

8

1120

1982

1758

1582

1005

9

1260

2230

1978

1780

1130

10

1400

2478

2198

1978

1256

11

1540

2726

2418

2176

1382

12

1680

2974

2638

2374

1507

8

408

8 Geotechnische Bauverfahren

Die Herstellung der Anker kann zum einen in einer Werksfertigung mit Eigen- und Fremdüberwachung erfolgen. Sie kann aber auch auf der Baustelle direkt erfolgen. Dabei ist aber strengstens auf einen sauberen und überdachten Arbeitsraum zu achten. Beschädigte Litzen dürfen nicht verwendet werden. Litzen dürfen nicht geschweißt werden. Litzen werden auf Ringen, auf Spulen oder Haspeln versandt (Bild 8-25). Jeder Lieferung von Spanndrahtlitzen ist ein Lieferzeugnis beizufügen, in dem unter Angabe der fremdüberwachenden Stelle zu bestätigen ist, dass diese Lieferung aus einer güteüberwachten Herstellung stammt. Die für den Einbau fertig montierten Anker sind bodenfrei zu lagern und vor Beschädigung, Verschmutzung und Feuchtigkeit zu sichern. Werden Anker gestapelt, so müssen sie parallel aufeinander liegen. Werden sie in Abständen durch Kanthölzer unterstützt, so darf das Gewicht der darüber liegenden Anker nur über die Hölzer abgetragen werden. Anker dürfen keinesfalls geworfen oder fallengelassen werden. Sie sind von Hand oder auf Schultern oder mit Tragbändern zu tragen. Es ist sicherzustellen, dass die als Korrosionsschutz eingefüllte Schutzpaste nicht ausfließt.

8

Bild 8-25 Transport eines Litzen-Dauerankers aufgerollt auf einer Haspel (Quelle: Bilfinger)

8.4.5

Korrosionsschutz bei Verpressankern

Die Korrosionsschutzmaßnahmen sind in der Produktionsstätte herzustellen. Die Litzen müssen auch während der Verarbeitung bis zur Herstellung des endgültigen Schutzes (z. B. Verpressen mit Zement) gegen Korrosion, mechanische Beschädigung usw. geschützt werden. Die Wirksamkeit des Korrosionsschutzes hängt von der Unversehrtheit der Korrosionsschutzkomponenten ab. Deshalb ist besonders beim Transport und Einbau des fertig montier-

8.4 Ankertechnik

409

ten Dauerankers dafür zu sorgen, dass die Hüllrohre nicht durch unsachgemäße Behandlung verletzt werden. Einen Überblick über die erforderlichen Korrosionsschutzmaßnahmen bei Temporär- und Dauerankern gibt Tabelle 8.8. Ein weiteres wichtiges Detail bei Ankern sind die Abstandshalter. Sie sorgen für eine ordentliche Positionierung des Ankers im Bohrloch. Durch eine zentrische Lage in der Bohrung und dadurch später im Verpresskörper wird die Tragfähigkeit des Ankers entsprechend positiv beeinflusst. Der korrekte Einbau der Abstandshalter ist somit aber auch eine Art Korrosionsschutz. Tabelle 8.8 Korrosionsschutz bei Kurzzeit- und Dauerankern [53] Kurzzeitanker

Daueranker

Ankerkopf

 Schutzanstrich oder Schutzkappe  Überschubrohr oder Schutzanstrich im Bereich zwischen Ankerplatte und Hüllrohr in der freien Stahllänge  Abdichtung des luftseitigen Endes des Hüllrohrs in der freien Stahllänge

 Mechanisch widerstandsfähige Schutzkappe  Auspressen der Schutzkappe mit Korrosionsschutzpaste  Schutzanstrich der Stahlteile  Mit Korrosionsschutzpaste ausgefülltes Überschubrohr am Übergangsbereich zwischen Ankerplatte und Hüllrohr der freien Stahllänge, fest mit der Ankerplatte verbunden, gegen das Hüllrohr abgedichtet

Freie Stahllänge

 Hüllrohr aus Kunststoff (PP- oder PE-Rohr), Wandstärke ≥ 2 mm oder  Schrumpfschlauch mit einer Wanddicke ≥ 1 mm (wenn Innenseite mit Korrosionsschutz beschichtet) oder ≥ 5 mm (wenn keine Innenbeschichtung vorhanden) oder  Werksmäßig aufgebrachte Kunststoffbeschichtung mit einer Dicke ≥ 1,5 mm  Abdichtung des erdseitigen Endes des Hüllrohres mit Dichtungsband, durch Ausschäumen oder mit Ringdichtung (falls erforderlich)

 Hüllrohr aus Kunststoff entsprechend den Festlegungen im Zulassungsbescheid  Auspressen des Ringraumes zwischen Stahl und Hüllrohr mit Korrosionsschutzpaste oder  Anordnung eines zweiten (inneren) Kunststoffrohres, bei dem der Ringraum zwischen Stahl und Rohr mit Zementstein (d ≥ 5 mm) ausgefüllt ist. Äußeres und inneres Kunststoffrohr müssen gegeneinander frei beweglich bleiben

Verankerungslänge

Zementsteinüberdeckung ≥ 20 mm im Lockergestein und ≥ 10 mm im trockenen Fels

 Bei Verbundankern: geripptes Kunststoffrohr, bei dem der Ringraum zwischen Stahl und Rohr mit Zementstein (≥ 5 mm) ausgefüllt ist  Bei Druckrohrankern: geripptes Stahldruckrohr, bei dem der Ringraum zwischen Ankerstahl und Druckrohr mit Korrosionsschutzpaste ausgefüllt ist  Zementsteinüberdeckung des gerippten Kunststoffrohres bzw. Druckrohres ≥ 10 mm

8

410

8 Geotechnische Bauverfahren

8.4.6

Herstellung von Verpressankern

8.4.6.1 Herstellung des Bohrloches Die allgemein üblichen Bohrverfahren für die Herstellung von Ankerbohrlöchern sind im Kapitel 8.2.2 beschrieben (vgl. auch Bild 8-26). Die Wahl des geeigneten Bohrverfahrens hängt von verschiedenen Faktoren ab: – – – – – – – –

Geologie Hydrologie: Bohren gegen drückendes Wasser Ankersystem und Durchmesser Ankerlänge Erschütterungen Lärmentwicklung Spülung Arbeitssicherheit.

8

Bild 8-26 Herstellung eines Bohrlochs im Doppelkopfbohrverfahren (Quelle: Bilfinger)

8.4.6.2 Ankereinbau und Verpressen Nach der Fertigstellung der Bohrung wird der Anker in das Bohrloch eingeführt und nach Plan eingebaut. Dabei ist sind folgende Punkte zu beachten: – bei unverrohrten Bohrungen: beim Rückbau des Gestänges druckloses Auffüllen der Zementsuspension bis zum Bohrlochmund – bei verrohrten Bohrrungen: Ausspülen und Reinigen des Bohrloches, Zementsuspension beim Rückbau des Gestänges bis zum Bohrlochmund druckfrei einfüllen – zentrische Lager des Ankers in der Verpressstrecke

8.4 Ankertechnik

– – – –

411

Lage des Verpresskörpers nicht im Schichtgrenzbereich keine Beschädigung der Hüllrohre oder Injektionsleitungen Gefahr des Verrutschens der Litzen innerhalb des Hüllrohres erhöhtes Verletzungsrisiko des Personals beim Einbau: Quetschungen, Peitschenhieb.

Beim Verpressen unterscheidet man in folgende Schritte: – Vorinjektion: Verfüllen der Krafteintragungsstrecke mit Zementsuspension mit anschließendem Wiederaufbohren nach einer bestimmten Aushärtezeit. – Eigentliche Verpressung: Aufbau eines Suspensionsdruckes von 5 bis 10 bar bei Felsankern und 10 bis 30 bar im Lockergestein, dabei kontinuierlicher Rückbau der Verrohrung (bei verrohrten Bohrungen) – Nachinjektion: bei Ankern in bindigen Böden und gering tragfähigen nichtbindigen Böden zur Tragfähigkeitserhöhung über Injektionsleitungen oder Manschettenrohre zur mehrfachen Nachverpressung. Die Zementsuspension sollte auf die Bodeneigenschaften abgestimmt sein. Als Faustformeln gelten: – w/z-Wert zwischen 0,35 bis 0,70 – in bindigen Böden und Fels sollte w/z-Wert < 0,45 sein – w/z-Wert < 0,4 kann zu Problemen in den Verpressleitungen führen (Stopfergefahr) – nur Zement nach DIN EN 447 [22] verwenden – Anmachwasser muss nahezu Trinkwasserqualität haben. Der Verbrauch an Zementsuspension kann sehr stark schwanken. Beim Verpressen ist auf den Suspensionsbedarf besonders zu achten, und es sind bei einem zu hohen Verbrauch Gegenmaßnahmen zu treffen. Diese können beispielsweise eine Reduktion des w/z-Wertes oder der Einsatz von Geotextilschläuchen sein. Über das Verpressen ist ein Protokoll zu führen.

8.4.7

Spannverfahren

Für das Spannen und Festlegen der verschiedenen Ankersysteme gibt es die zugehörigen Geräte und Werkzeuge. In den jeweiligen Zulassungsbescheiden und Spannanweisungen sind diese beschrieben. Mit dem Spannen darf erst nach der Aushärtung des Verpresskörpers begonnen werden. Im Normalfall beträgt dieser Zeitraum ca. drei bis vier Tage. Für den Praktiker ist wichtig, dass er die vorgebenen Laststufen bei der Prüfung in die entsprechende Einheit der Laststufen der Spannpresse umrechnen kann (Umrechnung von [kN] in [bar]). Die Umrechnungsformel lautet:

p[bar] =

100*Vorspannkraft[kN] Kolbenfläche[cm²]

(8.1)

Beispiel: Die Vorspannkraft beträgt 475 kN und die Kolbenfläche ist 235,6 cm2

Druck =

100* 475[kN ] = 201, 6 bar 235, 6[cm²]

Bei der Durchführung des Spannverfahrens ist auf den Sitz der Presse und die ausreichende Stabilität der Widerlagerkonstruktion zu achten (Bild 8-27). Für die Mannschaft ist es beim Spannen lebenswichtig zu wissen, dass sich während des Spannvorgangs niemand hinter der Presse aufhält. Bei einem plötzlichen Versagen kann die Presse geschossartig nach hinten wegfliegen. Das Anfahren der einzelnen Laststufen passiert nicht zu schnell. Während des

8

412

8 Geotechnische Bauverfahren

Haltens der einzelnen Stufen wird das Kriechmaß des Ankers im Spannprotokoll dokumentiert. Die Messung des Dehnweges wird mit einer Messuhr mit einer Genauigkeit von 1/100 mm durchgeführt.

8

Bild 8-27 Aufbau einer Litzenspannpresse während der Prüfung

Nach Erreichen der Festlegekraft muss ein systembedingter Schlupf der Ankermutter bzw. der Verkeilung berücksichtigt werden. Das genaue Maß ist in den jeweiligen Zulassungsbescheiden vorgegeben. Der Anker wird dementsprechend überspannt und nachgelassen.

8.4.8

Sonderanker

Es gibt eine Vielzahl von Ankersystemen und Ankertypen. Hier sollen nur einige der in der letzten Zeit immer häufiger eingesetzten Typen kurz erwähnt werden: – – – –

gestaffelte Hochlastanker Anker mit aufweitbarem Verpresskörper wiederausbaubare Anker Anker mit nachjustierbaren Ankerkräften.

8.5

Schlitzwandtechnik

8.5.1 Einleitung Schlitzwände werden überwiegend im städtischen Tiefbau bei der Herstellung von tiefen Baugruben eingesetzt. Die Schlitzwandtechnik ist ein grundwasserschonendes, geräusch- und erschütterungsarmes Verfahren zur Herstellung von bewehrten Betonwänden in unmittelbarer Nähe zu Randbebauungen und anstehendem Grundwasser.

8.5 Schlitzwandtechnik

413

Das erste Patent für Schlitzwände in der Bautechnik stammt aus dem Jahr 1912. Erst mit den sich erweiternden Kenntnissen über die Stützwirkung von Tonsuspensionen nahm die Schlitzwandtechnik ihre Stellung bei der Herstellung von unterirdischen Verbauwänden ein. Mitte der 1950er Jahre haben H. Lorenz und Ch. Veder mit ihren Arbeiten die Grundlagen für die heutige Technik gelegt [[48], [52]]. In Deutschland wurden Schlitzwände am häufigsten mit einem Schlitzwandseilgreifer als Aushubwerkzeug hergestellt. Aufgrund der zunehmenden Aushubtiefen nimmt der Einsatz von Schlitzwandfräsen kontinuierlich zu. In Frankreich, Nordamerika, Asien und im Mittleren Osten werden Schlitzwände auf Grund der Geologie und der örtlichen Randbedingungen in der Regel mit Hilfe von Schlitzwandfräsen hergestellt. Die gebräuchlichsten Schlitzwanddicken sind 60, 80, 100, 120 und 150 cm. Die Tiefe t eines Schlitzwandelementes ist theoretisch nicht begrenzt. Praktisch hängt die maximale Tiefe eines Schlitzes von der Länge des auf den Raupenseilbagger zu montierenden Seiles ab. In der Regel sind Schlitzwandtiefen beim U-Bahn-Bau etwa 30 bis 40 m tief. Mit zunehmender Tiefe der Wand erhöht sich die Gefahr der Abweichung aus der lotrechten Solllage. Nach den Vorgaben der DIN EN 1538 [25] ist die Maßabweichung aus der Vertikalen auf 1 % begrenzt. Dies gilt sowohl in Längs- als auch in Querrichtung des Elementes. Die horizontalen Einzellängen von Schlitzen sind von den Randbedingungen wie Bodenkennwerten, äußeren Lasten, Grundwasserstand und der Dichte der Stützflüssigkeit abhängig. Für die Länge des Schlitzes wird ein Standsicherheitsnachweis geführt. Die Mindestlänge ist auch von der Breite der Aushubwerkzeuge abhängig. Übliche Schlitzwandgreiferbreiten sind 2,80, 3,20 und 4,20 m. Einzellängen von Schlitzwandelementen reichen somit von minimal 2,80 m bis ca. 8,0 m.

8.5.2

Regelwerke

Folgende Unterlagen stellen den normativen Hintergrund für Schlitzwandarbeiten dar: – – – –

DIN 4126: Ortbeton-Schlitzwände [12] DIN 4127: Schlitzwandtone für stützende Flüssigkeiten [13] DIN EN 1538: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Schlitzwände [25] DIN 18313, VOB Teil C: Schlitzwandarbeiten mit stützenden Flüssigkeiten [19]

8.5.3

Ausrüstung

8.5.3.1 Baustelleneinrichtung Der Platzbedarf für eine Schlitzwandbaustelle beträgt ca. 500 bis 800 m2 je nach Größe der Baustelle und Anzahl der Silos für die Suspensionsbevorratung. Der Arbeitsstreifen eines Aushubgerätes ist zwischen 12,50 bis 15,0 m breit. Auf diesem Arbeitsstreifen bewegen sich neben dem Aushubgerät zusätzlich noch die Fahrzeuge zum Abtransport des Aushubs (LKW, Radlader) und Betonfahrzeuge. Das Arbeitsplanum muss ausreichend tragsicher und stabil sein, außerdem sollte es mindestens 1,50 m über dem höchsten Grundwasserspiegel und 0,20 m über der Leitwandoberkante liegen.

8

414

8 Geotechnische Bauverfahren

Zur Baustelleneinrichtung gehört neben den Büro-, Mannschafts-, Magazin- und Werkstattcontainern noch ein Laborcontainer zur Prüfung der Suspension und zur Durchführung der Betonkontrollen. Die Anzahl der Silos für die Lagerung der Stützflüssigkeit richtet sich nach den Risiken eines plötzlichen Verlustes an Stützflüssigkeit. In DIN 4126 [12] – Ortbeton-Schlitzwände ist Folgendes angegeben: „Üblich ist der doppelte Wert des Volumens bis zu der Tiefe, in der noch Hohlräume zu erwarten sind.“ 8.5.3.2 Schlitzwandherstellung mittels Tieflöffel In wenigen Ausnahmefällen kommt ein Tieflöffel für das Ausgraben des Schlitzes zum Einsatz (Bild 8-28). Die Breiten können je nach Gerätetyp zwischen 40 bis 80 cm sein. Die Tiefe ist durch die Kinematik des Baggerauslegers auf ca. 10 m begrenzt.

8

Bild 8-28 Schlitzwandaushub mit Hydraulikbagger und Tieflöffeleinsatz (Quelle: Bilfinger)

8.5.3.3 Schlitzwandherstellung mittels Seilgreifer Der Aushub mit seilgeführten Schlitzwandgreifern (sogenannten Seilgreifern, Bild 8-29 links und Mitte)) gehört zum Standardverfahren. Die Nenndicken der Greifer sind 400, 450, 600, 800, 1.000, 1.200 und 1.500 mm. Die Maulweiten betragen 2,80, 3,40 und 4,20 m. Das Gewicht liegt je nach Typ zwischen 7,0 bis 20 t. Das maximale Gewicht eines Greifers ist begrenzt durch die Windenhubkraft der Seilwinde des Baggers. Hierbei ist das Maximalgewicht des mit Aushubmaterial gefüllten Greifers zu berücksichtigen. Neue Sonderkonstruktionen ermöglichen Greiferdicken von 2.000 mm. Die Bauhöhe eines Greifers reicht von knapp 3,0 m (Kurzgreifer) bis zu ca. 12,0 m.

8.5 Schlitzwandtechnik

415

8.5.3.4 Hydraulische Schlitzwandgreifer Der hydraulisch betriebene Schlitzwandgreifer (Bild 8-29 rechts) wird entweder am Baggerseil oder mittels einer ausfahrbaren (teleskopierbaren) Stange geführt. Das Schließen und Öffnen der Greiferschalen wird durch eine hydraulische Steuerung ermöglicht. Die Abmessungen sind nahezu gleich wie bei den Seilgreifern.

8 Bild 8-29 Seilgreifer (links), Schlitzwandfräse (Mitte) und Hydraulikgreifer (rechts)

8.5.3.5 Schlitzwandfräse Die Schlitzwandfräse kommt wirtschaftlich und zweckmäßig zum Einsatz bei Wandtiefen zwischen 40 bis 120 m. Ein großer Vorteil liegt in der großen Genauigkeit in puncto Vertikalität. Mit den elektronischen Hilfsmitteln kann der Verlauf der Wand zu jeder Zeit beobachtet und mittels Steuerplatten am Fräsenkörper korrigiert werden. Das Lösen des Bodens wird durch die rotierenden Fräsräder mittels Saugbohrverfahren erreicht. Der Aushub wird kontinuierlich an der Schlitzsohle gelöst, teilweise zerkleinert, mit Bentonitsuspension vermischt und hydraulisch über eine Pumpe nach oben gefördert. Die mit Boden versetzte Suspension wird durch eine Ringleitung (verstärkte SK-Rohre) zur Regenerierungsanlage gepumpt. Dort wird sie gereinigt und dem Schlitz wieder zugeführt. Die Suspension ist Förder- und Stützmittel zugleich. Die Fräse ist in der Lage, selbst Fels bis zu einer Festigkeit von 250 MN/m2 zu lösen. Entscheidend ist hier allerdings die Wahl der Lösewerkzeuge. Bei den Fräsen können dies Rollenmeißel, Rundschaftmeißel oder sogenannte Japanzähne sein. Die Wanddicken betragen 600, 800, 1.000, 1.200 und 1.500 mm. Die Fräsbreite ist entweder 2,80 oder 3,20 m. Das Gewicht einer Fräse liegt zwischen 25 bis 45 t. Die Fräse wird an Seilen eines schweren Raupenseilbaggers mit integrierter Hydraulikanlage gehalten.

416

8 Geotechnische Bauverfahren

8.5.3.6 Schlitzwandmeißel Der Einsatz eines Schlitzwandmeißels (Bild 8-30) wird beim Antreffen von Hindernissen oder kleineren Felseinbindungen notwendig. Oftmals wird ein Meißel auch zum Auflockern von dicht gelagerten Bodenschichten eingesetzt. Der Meißel wird an einem Seil des Raupenbaggers über ein Kettengehänge angehängt. Das Gewicht eines Meißels schwankt je nach Größe zwischen 3 bis 15 t. Die Löseeinrichtungen eines Meißels können unterschiedlich aussehen. Häufig verbreitet ist der Zahnmeißel, an dem eine bestimmte Anzahl von festverschweißten oder auswechselbaren Zähnen montiert ist. Werden die Bodenverhältnisse zunehmend härter oder reichen bis hin zu Fels, werden Felsmeißel mit Schneidleisten eingesetzt.

8

Bild 8-30 Schlitzwandmeißel mit Seilbagger (Quelle: Bilfinger)

8.5.4

Herstellungsverfahren

8.5.4.1 Zweiphasen-Verfahren Die klassische Ortbeton-Schlitzwand wird im Zweiphasen-Verfahren hergestellt. In der ersten Phase (Bild 8-31) erfolgt der Aushub des Schlitzes im Schutz einer nicht erhärtenden Stützflüssigkeit. In der zweiten Phase (Bild 8-32) wird in den Schlitz ein Bewehrungskorb eingehoben, und anschließend wird der Schlitz mit Beton im Kontraktorverfahren ausbetoniert. 8.5.4.2 Einphasen-Verfahren Beim Einphasen-Verfahren wird eine selbsterhärtende Stützflüssigkeit, in der Regel Dichtwandmasse auf Zementbasis, eingesetzt. Die Stützflüssigkeit wird nach Erreichen der Endtiefe des Schlitzes nicht ausgetauscht, sondern verbleibt im Schlitz und bekommt im Laufe der Zeit ihre Festigkeit.

8.5 Schlitzwandtechnik

417

Bild 8-31 Zweiphasen-Verfahren: Aushub im Schutz einer Stützflüssigkeit (Phase 1)

8

Bild 8-32 Zweiphasen-Verfahren: Bewehrungskorb- und Betoneinbau (Phase 2)

Schlitzwände im Einphasen-Verfahren werden bei folgenden Aufgaben verwendet: 1. Ohne statische Funktion – Dichtungsschlitzwände – Kombinierte Schlitzdichtwand 2. Mit statischer Funktion – Dichtwand mit eingestellter Spundwand – Dichtwand mit eingestellten Trägern – Beton-Fertigteilwand

418

8 Geotechnische Bauverfahren

8.5.5

Ausführungsschritte

8.5.5.1 Vorbereitende Maßnahmen Folgende vorbereitende Maßnahmen sollten im Vorfeld vor der Schlitzwandherstellung überprüft und bedacht werden: – – – – – – – –

Baustelleneinrichtungsfläche und Arbeitsplanum herstellen Aufbau der Mischanlage und der sonstigen Baustellencontainer Aufbau der Silos für Bevorratung der Stützflüssigkeit (auf Betonfundament) Erkundung der Schlitzwandtrasse auf Hindernisse ggf. Umlegung von Leitungen und Kanälen in Bereiche außerhalb der Trasse Sicherung von nicht verlegbaren Leitungen und Kanälen fürs „Unterschlitzen“ ggf. Entfernung von Hindernissen durch Vor- und Zertrümmerungsbohrungen Abdichten bzw. Abmauern von Kanälen, die durchschlitzt werden müssen.

8.5.5.2 Herstellung der Leitwand Für alle Arten von Schlitz- und Dichtwänden sind Leitwände vor Beginn des Schlitzens notwendig. Sie werden in der Regel als rechteckige Stahlbetonwände (Bild 8-33) oder Winkelstützwände (Bild 8-34) mit einer Höhe von 70 cm bis 150 cm und einer Dicke von 20 bis 40 cm aus Ortbeton oder aus Fertigteilen mit Ortbetonergänzung hergestellt.

8

Bild 8-33 Einseitig geschalte Ortbeton-Leitwand in standfestem Boden (Quelle: Bilfinger)

Die Aufgaben einer Leitwand sind: – – – –

Sicherung der Wandansatzlinie Führungsrahmen für das Aushubwerkzeug Sicherung des oberen Geländebereiches vor Einstürzen (Aufnahme Erddruck) Kontrolle und Niveauhaltung der Stützflüssigkeit

8.5 Schlitzwandtechnik

419

– Ausgleichbecken für schwankenden Flüssigkeitsspiegel im unmittelbaren Bereich des Schlitzes während des Aushubs – Orientierungshilfe für die Einteilung der Schlitzlamellen – Auflager für die Befestigung der Einbauteile (Bewehrungskorb, Spundwandprofile etc.) – Auflager für Ziehgeräte zum Ziehen der Fugen- und Abschalelemente – Auflager für Sicherungselemente zum Schutz des Personals vor Hineinfallen. Der lichte Abstand der einzelnen Leitwandelemente richtet sich nach der Wanddicke der herzustellenden Schlitzwand plus einem Toleranzmaß von 3 bis 5 cm (Beispiel: Wanddicke 60 cm + 4 cm Toleranz = 64 cm lichter Abstand). Die Leitwände müssen in regelmäßigen Abständen mit Kant- oder Rundhölzern gegenseitig ausgesteift werden, um ihre Lage zu sichern und ein Verdrehen oder Verschieben zu vermeiden. Leitwände sind meist Bauhilfsmaßnahmen und werden nach Beendigung der Schlitzwandarbeiten wieder abgebrochen. Bei schwierigen Bodenverhältnissen und gespanntem Grundwasser kann es erforderlich werden, die Leitwände über das Arbeitsniveau zu betonieren, um einen höheren hydrostatischen Druck der Stützflüssigkeit aufbauen zu können.

8

Bild 8-34 Leitwand in Form einer Winkelstützwand (Quelle: Bilfinger)

8.5.5.3 Aufbereitung und Regenerierung der Stützflüssigkeit Zur Stützung der Bodenwandung während des Schlitzens muss eine Stützflüssigkeit verwendet werden. Üblich ist eine Suspension aus Wasser und Tonmehl (Bentonit). Das pulverförmige Bentonit wird in das Wasser intensiv eingemischt. Die Bentonitkonzentration in der Suspension beträgt zwischen 3 und 5,5 % (30 bis 55 kg/m3 Suspension). Als weitere Stützflüssigkeiten sind Polymerlösungen oder Bentonit-Polymer-Suspensionen vereinzelt im Einsatz. Die thixotrope Bentonitsuspension sollte nach dem Anmischen in Vorratsbehältern noch ca. 6 bis 8 Stunden ausquellen, um die in der DIN EN 1538 [25] geforderten rheologischen Eigenschaften entwickeln zu können (Tabelle 8.9). Die Beschreibung zur Durchführung der Prüfungen an Suspensionen ist in DIN 4127 [13] enthalten.

420

8 Geotechnische Bauverfahren

Tabelle 8.9 Eigenschaften der Bentonitsuspension nach DIN EN 1538 [25] Eigenschaften

Verwendung Zustand „frisch“

Dichte [g/ml]

Zustand fertig für die Wiederverwendung

Zustand vor dem Betonieren

< 1,10

< 1,25

32 bis 50

32 bis 60

32 bis 50

< 30

< 50

entfällt

pH-Wert

7 bis 11

7 bis 12

entfällt

Sandgehalt [%]

entfällt

entfällt

15%) kann es mehrere Wochen dauern bis sich der Porenwasserüberdruck wieder abgebaut hat. Nachfolgende Prüfungen des Verdichtungserfolgs sollten daher nicht zu früh nach der Ausführung stattfinden. Probleme können in manchen Teilen Europas, aber vorwiegend im mittleren Osten, bei karbonathaltigen Sanden entstehen, da die Körner sehr zerbrechlich sind, ein Großteil der Energie beim Zerkleinern der Körner absorbiert wird und somit nicht mehr viel Energie zur Verdichtung zur Verfügung steht. Ein ähnliches Problem kann bei zementierten Schichten entstehen, erfahrungsgemäß auch wenn diese relativ dünn sind. In diesen Fällen wird mehr Energie (also größere Fallhöhe oder ein größeres Gewicht) benötigt, als bei nicht zementierten Sanden. 9.4.2.2 Verfahren in bindigen Böden Das Verfahren in bindigen Böden ist viel komplexer als in nichtbindigen Granulaten. Vor allem in Tonen ist die herkömmliche Konsolidierungstheorie nicht anwendbar, da zusätzliche Drainagepfade durch Risse im Boden entstehen, die von den unteren Ecken der Fallplatte ausgehen, siehe Bild 9-15. Das Wasser kann durch die Risse schneller entweichen. Parallelen dazu finden sich auch bei der Sprengverdichtung, bei der noch höhere Energien aufgewendet werden.

9 Bild 9-15 Mechanismus in bindigen Böden [60]

Genau wie bei nichtbindigen Böden ist bei bindigen Böden die Fallplattenverdichtung oberhalb des Wasserspiegels relativ einfach. Im Gegensatz dazu kommt es unterhalb des Wasserspiegels sehr schnell zum Überschreiten einer Energiegrenze, über der praktisch keine weitere Bodenverbesserung mehr stattfindet, sondern nur noch eine seitliche Verdrängung des Bodens und starke Hebungen in der Umgebung des Fallgewichts. Wenn dieses beobachtet wird, ist das Verfahren sofort zu stoppen und zu ändern. Bei diesen Böden sind sehr viele Übergänge mit geringer Fallhöhe nötig, was die Bauzeit extrem verlängern kann. In diesem Zusammenhang wurde schon von Konsolidierungszeiten von mehreren Jahren berichtet. Besser ist hier eine Verfahrensvariante, das sogenannte „Dynamic Replacement“, bei dem der Trichter der Fallplatte mit granularem Material wie Kies oder Schotter aufgefüllt wird. Dadurch entstehen Schotterpfeiler mit sehr großem Durchmesser. Möglich ist auch eine Kombination der Fallplattenverdichtung mit vorher ausgeführten Rütteldrainsäulen oder Rüttelstopfsäulen, um zusätzliche Drainagewege schaffen.

470

9 Baugrundverbesserung

9.4.2.3 Geräte Viele Baustellen werden von standardmäßig ausgestatteten Raupenkränen mit leichten sicherheitsrelevanten Änderungen ausgeführt. Von Spezialtiefbaufirmen wurden nach und nach immer mehr Details verbessert, so dass heute auch Kräne mit einer Automatisierung des gesamten Ablaufes angeboten werden. Bei den meisten Bauvorhaben wird ein Gewicht von 6 bis 20 t aus eine Höhe von etwa 20 m fallen gelassen. Für spezielle Bauvorhaben können sowohl das Gewicht (bis 170 t) wie auch die Fallhöhe (bis 30 m) wesentlich größer gewählt werden. Die Fallgewichte sind typischerweise gehärtete Stahl- oder Betonplatten. Zum Erreichen von größeren Tiefen wird in Ausnahmefällen von der Plattenform zu Gunsten eines kleinen länglichen Gewichts abgewichen.

9.4.3

Entwurf und Bemessung

Die wichtigste Frage beim Entwurf ist diejenige nach der möglichen Behandlungstiefe, da eine zu geringe Tiefe ein Ausschlusskriterium sein kann. Beim Entwurf hat sich die folgende Formel von [75] bewährt:

D = a WH

(9.7)

D = Behandlungstiefe in Metern, a = Faktor zwischen 0,375 und 0,7, W = Gewicht in Tonnen, H = Fallhöhe in Metern Das folgende Bild 9-16 von [71] zeigt, dass die Behandlungstiefe mit der Bodensteifigkeit, der Bodenart und der eingebrachten Energie variiert.

9

Bild 9-16 Behandlungstiefe nach [71]

Die Form der behandelten Bodenzone entspricht in etwa der Spannungsverteilung im Boden nach Boussinesq für ein Kreisfundament. Die zu erwartenden Setzungen werden anhand des ersten Überganges mit dem Fallgewicht abgeschätzt und extrapoliert. Da die Eindringtiefe mit jedem Übergang abnimmt, ist die Beziehung nicht linear. Anhand der folgenden Tabelle kann die Setzung in Abhängigkeit von der Behandlungstiefe abgeschätzt werden:

9.4 Fallplattenverdichtung

Tabelle 9.1

471

Abgeschätzte Setzung als % der Behandlungstiefe

Bodenart

% der Behandlungstiefe

Natürliche Tone

1–3 %

Tonige Auffüllung

3–5 %

Sande

3–10 %

Granulare Auffüllungen

5–15 %

Torf

7–20 %

Zwei weitere wichtige Punkte sind die Schallausbreitung und die auftretenden Schwingungen, falls Nachbarbebauung oder Verkehrswege vorhanden sind. Beim Auftreffen des Fallgewichts kann ein Geräuschpegel von 110 bis 120 dB entstehen, der jedoch nur 0,5% der Zeit eines gesamten Fallplattenzyklus ausmacht. Ansonsten ist der Geräuschpegel vernachlässigbar klein. Um die entsprechende Norm jedes Landes einzuhalten, wird ein Mindestabstand von 50 m zur Nachbarbebauung empfohlen. Die Schwingungen mit einer typischen Frequenz zwischen 5 und 15 Hz können möglicherweise Gebäude schädigen und von Menschen als störend wahrgenommen werden. Richtwerte für maximale Partikelgeschwindigkeiten am Fundament für Gebäude in gutem Zustand sind: – Gebäudeschäden – Geringe Risse – Störung von Bewohnern

40 mm/s 10 mm/s 2,5 mm/s

Geringere Werte sind für Gebäude in schlechtem Zustand anzunehmen. Außerdem kann es zu Gebäuderesonanzen kommen, die die Schwingungen in den oberen Stockwerken verstärken. Für Leitungen und Kanäle im Boden wird empfohlen Werte von 15 bis 20 mm/s anzusetzen, außer für Gasleitungen. Das folgende Bild 9-17 zeigt die bei verschiedenen Verfahren auftretenden Schwingungen als Anhaltswerte.

Bild 9-17 Schwingungen bei verschiedenen Verfahren [60]

9

472

9 Baugrundverbesserung

Vorsicht ist bei weichem Boden geboten, der sich direkt auf einer harten Schicht, wie sehr dichtem Sand, Kies oder Fels befindet, da die harte Schicht die Schwingungen weiter als erwartet leitet. Ähnliches gilt für gefrorenen Boden im Winter. Zur Verringerung von Schwingungen kann entweder die Fallhöhe bei gleichzeitiger Erhöhung der Übergänge oder das Fallgewicht verringert werden. Als Schwingungsabschirmung kann auch ein Graben oder ein mit Flüssigkeit gestützter Schlitz ausgehoben werden. In jedem Fall wird empfohlen die Anwohner vorher umfassend zu informieren. Beim Auftreffen des Fallgewichts auf den Boden kann es zu Steinschlag kommen. Der Entwurf sollte etwa 60 m Sicherheitsabstand zu bestehenden Gebäuden oder Verkehrswegen berücksichtigen. Das gilt auch für den Abstand zwischen zwei Kränen, die gleichzeitig Fallplattenverdichtung auf einer Baustelle durchführen. Mobile Wände als Abtrennschutz haben sich für den Bauablauf als hinderlich erwiesen, da sie sehr oft versetzt werden müssen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Raupenkräne eine genügend tragfähige Arbeitsebene besitzen. Je nach Gerätegröße ist eine Arbeitsebene mit einer Stärke zwischen 0,15 m und 1,5 m vorzusehen. Wenn eine Auffüllung oder Deponie zu verdichten ist, sind erfahrungsgemäß 50 bis 100% mehr Energie nötig als bei gewachsenem Boden. Bei Bauabbruchdeponien können Hohlräume möglicherweise nur teilweise geschlossen werden, was zu unerwarteten Differenzsetzungen führen kann.

9.4.4

9

Überwachung und Prüfung

Bei vielen Baustellen werden als Überwachung nur die Setzungsmessung nach dem ersten Übergang und das messtechnische Überwachen des Baufeldes gefordert.

Bild 9-18 Drucksondierung als Beispiel der Verdichtungskontrolle in nichtbindigen Böden [60]

9.5 Düsenstrahlverfahren

473

Als Prüfung dienen überwiegend In-situ-Lasttests. Es wird nochmals darauf hingewiesen, den Lasttest nicht zu früh, also erst nach vollständigem Abbau des Porenwasserüberdrucks durchzuführen. Das gilt besonders für Tonböden und Böden mit hohem Schluffanteil. Für nichtbindige Böden wird als Feldversuch die Drucksondierung oder der SPT (Standard Penetration Test) empfohlen und als ausreichend erachtet. Besser und genauer wäre natürlich ein Großbelastungsversuch. In kohäsiven Böden ist in der Regel nur der Großbelastungsversuch zu empfehlen. Auf Großbelastungsversuche kann generell verzichtet werden, wenn vergleichbare Erfahrungen aus ähnlichen Projekten vorliegen.

9.4.5

Zusammenfassung

Die Fallplattenverdichtung ist ein für große Flächen ohne direkte Nachbarbebauung ein gutes und wirtschaftliches Verfahren vorwiegend bei nichtbindigen Böden oberhalb des Grundwassers. Es ist nur bei Verdichtungstiefen von weniger als ca. 10 m effektiv anwendbar.

9.5

Düsenstrahlverfahren

9.5.1 Einleitung Im Kapitel Düsenstrahlverfahren wird nach einer Beschreibung von Verfahren und Geräten schwerpunktmäßig auf den Entwurf und die Bemessung eingegangen. Den Abschluss bilden Hinweise zu Qualitätsüberwachung, Überwachung und Prüfung. Das Düsenstrahlverfahren wird sowohl zur Verfestigung von Lockergesteinen als auch zu ihrer Abdichtung eingesetzt. Es können sowohl bindige Bodenarten, einschließlich Tone, als auch nichtbindige Böden behandelt werden, ebenso Mischböden und Wechsellagerungen mit organischen Anteilen. Oft wird die verfestigende und die abdichtende Wirkung kombiniert, etwa bei Unterfangungen, mit den gleichzeitig statisch wirksame und wasserundurchlässige Baugrubenumschließungen hergestellt werden können. Weitere Anwendungen sind umweltrelevante Maßnahmen wie die Einkapselung und Immobilisierung von Kontaminationen im Baugrund sowie das gezielte Einbringen von chemisch aktiven Substanzen zum Abbau von Kontaminationen. Eine übersichtliche Darstellung der über 50-jährigen Entwicklung des Verfahrens findet sich z.B. im Kapitel 5 von [76]. In der im Jahr 2017 veröffentlichten Überarbeitung der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 12716 [33] sind Mindestanforderungen für die Ausführung und Qualitätssicherung des Düsenstrahlverfahrens geregelt. In Deutschland erfolgt die geotechnische Bemessung (äußere Tragfähigkeit) nach DIN EN 1997 und die Ermittlung der Festigkeit (innere Tragfähigkeit) nach DIN 4093:2015-11 [28]. Für das Düsenstrahlverfahren ist in Deutschland eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Instituts für Bautechnik erforderlich. Da mit den drei oben genannten Normen das Verfahren vollständig geregelt ist, können sich hier Änderungen ergeben.

9

474

9 Baugrundverbesserung

9.5.2

Verfahren und Geräte

Das Prinzip des Düsenstrahlverfahrens besteht darin, das Bodengefüge mit Hilfe eines energiereichen Schneidstrahls aufzulösen bzw. zu erodieren. Als Schneidmedium kann Wasser oder eine Suspension verwendet werden. Hierbei wird ein Teil des anstehenden Bodens zum Zuschlagsstoff des Düsenstrahlkörpers, das so entstehende Material wird auch Bodenbeton genannt. DIN EN 12716 [33] fordert, dass die zur Erzeugung des Schneidstrahls verwendete Hochdruckpumpe das Schneidmedium mit einem Druck von mindestens 250 bar Druck fördert, was bei üblichen Suspensionen zu Austrittsgeschwindigkeiten des Schneidmediums an der Düse größer 170 m/s und bei Wasser größer 210 m/s bewirkt. Durch das Abbinden des beim Erodieren des Bodens entstehenden Gemisches aus Boden und Suspension entsteht ein verbesserter Boden bzw. ein statisch wirksamer Körper mit ggf. abdichtender Funktion. Das Verfahren wird von den ausführenden Firmen auch mit Markennamen wie Soilcrete® oder Hochdruckinjektion (HDI) bezeichnet.

9

Bild 9-19 Herstellung von Düsenstrahlsäulen (dargestellt ist das Dreifach- bzw. T-Verfahren)

Es gibt drei Verfahrensvarianten, das Einfachverfahren (S=Single), das Doppelverfahren (D=Double) und das Dreifachverfahren (T=Triple), siehe Bild 9-20. Diese werden so auch in der überarbeiteten Fassung der DIN EN 12716 [33] definiert. In der Literatur werden meist nur die Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe verwendet und die Verfahren als S-, Doder T-Verfahren bezeichnet. Das S–Verfahren (Single-Direktverfahren, siehe Bild 9-20 links) benutzt einen Suspensionsstrahl zum gleichzeitigen Erodieren und Verfestigen des Bodens ohne Luftummantelung des Schneidstrahls. Das S-Verfahren wird für kleine bis mittlere Säulendurchmesser eingesetzt oder dort, wo der Einsatz der Luftummantelung nachteilige Folgen hätte. Das D-Verfahren (Double- oder Direktverfahren, siehe Bild 9-20 Mitte) setzt zur Erhöhung der Erosionsleistung und damit der Reichweite des Schneidstrahls bzw. des erzielbaren Säulendurchmessers eine Ummantelung des Schneidstrahls mit Druckluft ein. Die Luftummantelung wird mit einer um die Suspensionsdüse angeordneten Ringdüse erzeugt. Dafür ist ein Gestänge mit mindestens zwei Kanälen für die Medien Suspension und Luft erforderlich. Das D-Verfahren ist das aktuell am weitesten verbreitete Verfahren. Es eignet sich besonders gut

9.5 Düsenstrahlverfahren

475

für nichtbindige Bodenarten, durch Ein- bzw. Vorschalten des sogenannten Vorschneidens des Bodens mit Wasser oder mit einer Suspension mit hohem w/z-Wert lässt sich der Einsatzbereich auch auf bindige Böden ausdehnen.

S

D

T

Bild 9-20 Düsenstrahlverfahren (S = Single, D = Double, T = Triple)

Beim T-Verfahren (Triple- oder Trennverfahren, siehe Bild 9-20 rechts) wird der Boden mit einem meist luftummantelten Wasserstrahl erodiert. Über eine zusätzliche Düse unterhalb der Wasser- oder Schneiddüse wird gleichzeitig die Zementsuspension zugegeben. Der mit dem Wasserstrahl erodierte Boden wird mit der Suspension vermischt. Wesentlich für das Verfahren ist die Trennung von Erodieren und Zementieren des Bodens. Wie beim S- und DVerfahren muss die Rücklaufsuspension das Bohrloch stabilisieren, da die Bohrungen üblicherweise als Spülbohrungen abgeteuft werden. Der Einsatz der drei Medien Wasser, Luft und Suspension erfordert ein Gestänge mit 3 Kanälen. Um eine ausreichende Durchmischung der Zementsuspension mit dem erodierten Boden zu erreichen, muss die Suspension mit mehr als 15 bar gepumpt werden. Das T-Verfahren eignet sich besonders gut für bindige Böden und hat den theoretischen Vorteil, dass die Flüssigkeitsmenge des Schneidstrahls und die Suspensionsmenge, somit auch der Zementgehalt des abgebundenen Düsenstrahlelements, getrennt voneinander geregelt werden können. Die Suspensionsmenge und deren Bindemittelgehalt ist auf die zu erreichende Festigkeit abzustimmen. Das T-Verfahren wird vor allem bei feinkörnigen oder gemischtkörnigen Böden eingesetzt, bei denen das Schneiden mit einem Suspensionsstrahl zu einer hohen Viskosität der Rücklaufsuspension führen kann. Hier ist das Schneiden oder Erodieren des Bodens mit Wasser vorteilhaft. Die Bohrlochstabilität ist in solchen Böden meist auch ohne Bindemittel in der Bohr- und Schneidflüssigkeit gegeben. Wegen der aufwändigeren Gerätetechnik (zusätzliche Pumpe, 3-fach-Gestänge) wird das TVerfahren heute oft durch das D-Verfahren mit Vorschneiden ersetzt. Wie oben bereits ausgeführt, kann das Vorschneiden allein mit Wasser oder mit einer Suspension mit hohem w/zWert bzw. geringerem Zementgehalt erfolgen. Im zweiten Vorgang wird eine Suspension mit höherem Zementgehalt verwendet.

9

476

9 Baugrundverbesserung

Durch hydraulische Optimierung des Düsenträgers (Monitor) sowie dem Einsatz leistungsfähigerer Pumpen konnte die Effektivität des Verfahrens in den zurückliegenden 15-20 Jahren stark erhöht werden, so dass bei gleichem Energieeinsatz an der Pumpe größere Säulendurchmesser erreicht werden. In der Anfangszeit des Verfahrens wurden Säulen mit Durchmessern von ca. 1.0 m hergestellt, aktuell können von einigen technisch führenden Anbietern Säulen mit Durchmessern bis zu 4,50 m sicher hergestellt werden. Die notwendige Stabilität des Gewölbes über den frischen oder noch nicht abgebundenen Säulen ist hierbei zu beachten, siehe [96]. Mit langen Einwirkzeiten auf ein Bodenvolumen kann die maximale Strahlreichweite noch wesentlich gesteigert werden. Solch lange Verweildauern bei sehr niedrigen Umdrehungsgeschwindigkeiten des Gestänges sind jedoch in der Regel nicht mehr wirtschaftlich und bleiben auf besondere Anwendungen beschränkt. Für die praktische Ausführung und Festlegung der Arbeitsparameter ist meist nicht die nach sehr langer Einwirkdauer maximal erzielbare Reichweite maßgebend, sondern das innerhalb wirtschaftlich sinnvoller Grenzen je Zeiteinheit erodierbare Bodenvolumen, mit der dabei eingesetzten Energie und Flüssigkeitsmenge. Die Einwirkzeit des Düsenstrahls auf den Boden wird bei gleichen Parametern für Menge und Druck der eingesetzten Medien wesentlich über die Ziehgeschwindigkeit und zu einem gewissen Grad die Rotationsgeschwindigkeit des Gestänges gesteuert.

9

Bild 9-21 Zieharten des Gestänges, feste Schrittweite oder kontinuierlich

Das Gestänge kann entweder kontinuierlich oder mit fester Schrittweite gezogen werden, siehe Bild 9-21. Bei kontinuierlichem Ziehen sind die Rotationsgeschwindigkeit und die vertikale Ziehgeschwindigkeit festzulegen. Bei fester Schrittweite sind die Rotationsgeschwindigkeit, die Anzahl der Wiederholungen oder Anzahl der Umdrehungen (Wiederholungsfrequenz) vor dem nächsten Ziehschritt und die Größe des Schrittes festzulegen. Dabei sind die Baugrundeigenschaften zu berücksichtigen. Der anzustrebende und erreichbare Säulendurchmesser ist abhängig vom eingesetzten Verfahren, dem anstehenden Baugrund, der eingebrachten Energie und der Bauaufgabe. Bei Unterfangungen sind die maximal auszuführenden Säulendurchmesser auch in Abhängigkeit des zu sichernden Bauwerks festzulegen, siehe u.a. [98]. Die eingebrachte Energie je Zeiteinheit oder je Meter Säule folgt aus den Parametern Druck und Menge der Medien Flüssigkeitsstrahl und Luft, sofern eingesetzt, und den Dreh- und Ziehgeschwindigkeiten des Gestänges und somit des Schneidstrahls. Große Säulendurchmesser können bei schrittweisem Ziehen durch mehrfaches Rotieren des Düsenstrahls auf gleicher Tiefenstufe erreicht werden. Dabei sind bis zu fünf Wiederholungen zweckmäßig. Weitere Wiederholungen führten in Versuchen zur Ermittlung der optimalen Wiederholungsfrequenz nur noch zu gering zunehmenden Reichweiten, siehe Bild 9-22. Die mögliche Schrittweite ist u.a. abhängig vom anstehenden Baugrund oder Boden. In fein-

9.5 Düsenstrahlverfahren

477

körnigen Böden sind kleinere Schrittweiten erforderlich, bei rolligen Böden sind größere möglich, bei Kiesen bis zu 10 cm.

Bild 9-22 Versuche zur optimalen Wiederholungsfrequenz, Säulenradius in Abhängigkeit von der Wiederholungsfrequenz [60]

Es existieren Kombinationen des Düsenstrahlverfahrens und der im Unterkapitel 9.8 beschriebenen Tiefen Bodenvermörtelung, die hier nicht weiter behandelt werden. Diese Verfahren werden meist zur Stabilisierung oder Verfestigung sehr gering tragfähiger feinkörniger Böden eingesetzt, jedoch nicht für Abdichtungen oder Unterfangungen.

9.5.3

Entwurf und Bemessung

Eine einfache Ermittlung des möglichen Säulendurchmessers anhand der Boden- und Herstellparameter ist aufgrund des komplexen Dreiphasensystems aus Luft, Flüssigkeiten und Boden und der Vielzahl der Einflussparameter trotz umfangreicher Forschungsarbeiten (siehe u.a.[8], [89]) bisher nicht möglich oder nicht mit der erforderlichen Genauigkeit. Geplante oder angestrebte Säulendurchmesser auf Basis empirischer Formeln und Erfahrungswerte sind deshalb projektbezogen durch die Ausführung geeigneter Probeelemente oder -säulen zu überprüfen, die Herstellparameter sind entsprechend den Ergebnissen anzupassen (DIN EN 12716 [33], [98]). Im Folgenden werden die wesentlichen Haupteinflüsse auf die Reichweite des Düsenstrahls beschrieben. Dies sind Durchflussmenge und Druck des Schneidmediums Wasser bzw. Suspension sowie Luftdruck und -menge der Ummantelung des Schneidstrahls. Der Suspensionsdruck der Zementsuspension beim T-Verfahren hat keinen Einfluss auf die Reichweite. Hierbei werden die Drücke verfahrensbedingt immer vor der Düse im Gestänge oder in der Leitung gemessen, und somit vor der Energieumwandlung von potentieller Energie des Schneidmediums vor der Düse in kinetische Energie des Schneidstrahls bei Austritt aus der Düse. Die Verluste bei der Energieumwandlung werden u.a. von Düsenart- und form, Bauart des Monitors und Verschleiß der Komponenten beeinflusst. Ausschlaggebend für den Erosionsprozess des Bodens und somit die erreichbare Reichweite ist die kinetische Energie des Düsenstrahls, der vor allem durch seine Austrittsgeschwindigkeit und seine Masse bestimmt wird, hinzu kommt die Wirkung der Luftummantelung.

9

478

9 Baugrundverbesserung

Kann der Flüssigkeitsstrahl bei rolligen Böden das Korngefüge auflösen, findet eine Erosion des anstehenden Bodens statt. Mit zunehmender Entfernung von der Düse nimmt die Energie des Düsenstrahls durch Reibung und andere Einflüsse ab. Die maximale Reichweite ist erreicht, wenn der Schneidstrahl das Bodengefüge nicht mehr auflösen kann. Bei feinkörnigen Böden werden nicht einzelne Bodenkörner bzw. -partikel aus dem Gefüge gelöst, hier wird die Bodenmatrix aufgeschnitten und zerkleinert. Bei Drücken im Gestänge von 30 bis 60 MPa bzw. 300 bis 600 bar ergeben sich bei Suspensionen Strahlgeschwindigkeiten an der Düse von 190 m/s bis 270 m/s, siehe hierzu auch Abschnitt 9.5.2. Die Durchflussmenge ist abhängig von der Geschwindigkeit des Schneidmediums an der Düse und dem Düsendurchmesser, siehe Gleichung 9.8. Die Geschwindigkeit ist abhängig vom Druck vor der Düse, dem Effektivitätskoeffizient der Düse sowie dem spezifischen Gewicht des Schneidmediums. Auf Basis des Energieerhaltungssatzes kann die Durchflussmenge mithilfe der beiden folgenden Formeln ermittelt werden:

 d2  Q = v0     0   4 

(9.8)

v0 = m  2  g  p0 / 

(9.9)

und

9

V0 ist hierbei die Geschwindigkeit des Schneidmediums an der Düse und d0 der Düsendurchmesser, welcher üblicherweise zwischen 3 bis 10 mm liegt; g ist die Erdbeschleunigung. Der Faktor m ist der Effektivitätskoeffizient der Düse, der bei neuen Düsen je nach Bauart, siehe oben, zwischen 0,9 und 1,0 liegt. Durch Verschleiß sinkt der Effektivitätskoeffizient auf kleinere Werte, so dass die Reichweite des Düsenstrahls bei sonst gleichbleibenden Parametern kleiner wird. Der Verschleiß und sein Einfluss sind deshalb in festzulegenden Abständen zu prüfen. P0 ist der Anfangsdruck des Strahls an der Düse. In Versuchen und Beispielen wurde die Veränderung des dynamischen Strahldrucks eines Wasserstrahls in Abhängigkeit von der Entfernung zur Düse ermittelt. Die Ergebnisse sind in Bild 9-23 dargestellt. Hierbei wurde festgestellt, dass der Strahldruck bei einem Wasserschneidstrahl ohne Luftummantelung in einer Entfernung von nur 40 cm auf 0,3% im Vergleich zum Strahldruck an der Düse (100%) abfällt. Ursache ist eine Aufweitung bzw. Auffächerung des Strahles, die nach dem Kontinuitätssatz zu einer Geschwindigkeitsreduzierung führt. Bei einer Luftummantelung mit ausreichender Luftgeschwindigkeit ist in einer Entfernung von 40 cm noch ca. 60% des Strahldrucks vorhanden, bei 100 cm noch 20%. Der Schneidstrahl trat bei diesen Versuchen in ein Wasserbecken aus, in dem der Strahldruck gemessen wurde. Die obigen Untersuchungen und Auswertungen von ausgeführten Probeelementen zeigen, dass die Luftummantelung des Schneidstrahls einen enormen Einfluss auf die erzielbare Reichweite hat. Bei diesen im Wasser ausgeführten Versuchen konnte eine Steigerung der Reichweite bis zu einem Faktor von 3 mit einer Druckluftgeschwindigkeit mit etwa der halben Schallgeschwindigkeit erreicht werden (siehe Bild 9-23), somit eine Reichweite von 120 cm statt 40 cm. Der Einfluss der Luftummantelung auf die Reichweite des Düsenstrahls im Boden ist nach den vorliegenden Erfahrungen geringer als der oben unter Wasser festgestellte. Hier kann

9.5 Düsenstrahlverfahren

479

beim D-Verfahren die Reichweite je nach Luftmenge und Luftdruck um ca. 30% erhöht werden. Luftdruck und -menge können nicht beliebig erhöht werden, sollen gleichbleibende Herstellparameter erreicht werden [93]. Luftdruck und -menge sind wie die anderen Herstellparameter kontinuierlich aufzuzeichnen. Eine Aufzeichnung allein des Luftdrucks ist nicht ausreichend, da der planmäßige Luftdruck auch bei geschlossener Luftleitung anliegen kann. Eine auch bei gleichbleibendem Luftdruck schwankende Luftmenge hat Einfluss auf die erzielbare Reichweite. Je größer die Luftmenge gewählt wird, um so größer ist der Einfluss von Luftmengenschwankungen auf die Reichweite des Düsenstrahls. Eine ausreichend genaue Luftmengenmessung setzt hohe Ansprüche an die zum Einsatz kommende Messtechnik. Für Arbeiten bis in eine Tiefe von 20 m sollte ein Druckluftkompressor mit 0,7 MPa bzw. 7 bar zum Einsatz kommen. Sind größere Ausführungstiefen geplant, muss die Größe des Kompressors gemäß der Aufgabenstellung angepasst werden. Nötig sind dabei Strahlgeschwindigkeiten des Luftstrahls von mindestens der Geschwindigkeit des Schneidstrahles [88], so dass der Schneidstrahl nicht durch die Luftummantelung abgebremst wird. Luftdruck und –menge sind so zu wählen, dass der Druck in der noch flüssigen Säule, der als Gegendruck zum Luftdruck im Gestänge wirkt, keinen Einfluss auf die austretende Luftmenge hat. Dies ist bei sogenannten überkritischen Verhältnissen gegeben.

9

Bild 9-23 Wasserdruck in Abhängigkeit vom Abstand zur Düse, aus [60]

Beobachtungen an freigelegten Säulen zeigen, dass vor allem bei größeren Durchmessern eine Mindesthöhe der Säule erforderlich ist, bis die mit den Herstellparametern mögliche Reichweite erreicht werden kann. Grund hierfür dürften die bei noch geringer Säulenhöhe vorhandenen Reibungsverluste zwischen Düsenstrahl und dem zum Bohrloch rückströmenden erodierten Boden-Suspensionsgemischs sein [94]. Bei der Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel wurden DSV-Arbeiten im Los Fritzens erstmals DSV-Säulen aus einem unter Druckluft bergmännisch aufgefahrenen Tunnel ausgeführt [52]. Die Ausführung unter Druckluft von 0.6 bar wurde vorab in einem Probefeld untersucht. Hierbei konnten keine nachteiligen Einflüsse der Druckluft auf die Säulenherstellung und die

480

9 Baugrundverbesserung

Qualität der Säulen festgestellt werden [99]. Weitere Anwendungen des DSV-Verfahrens im Tunnelbau sind in [99] beschrieben. Einzelheiten zur Bemessung des Boden-Bindemittelgemisches der Düsenstrahlsäulen werden in DIN 4093:2015-11 [28] in Abschnitt 4 und in der überarbeiteten DIN EN 12716 [33] in Anhang A geregelt. Die Festigkeit wird von Art und Menge des Zementanteils sowie den verbleibenden Bodenanteilen in der Düsenstrahlmasse oder Kubatur bestimmt. Die Bandbreite der in Druckversuchen bestimmten Festigkeitswerte reicht von 2 bis 25 N/mm2, siehe Bild 9-24. DIN 4093:2015-11 [28] lässt den Ansatz von charakteristischen Werten bis zu 10 N/mm² zu, während die überarbeitete DIN EN 12716 [33] diese Einschränkung nicht vornimmt. Die Entwicklung der Festigkeit wird vor allem durch die Zementart und den Boden bestimmt. Bei feinkörnigen Böden wie Schluffen und Tonen ist die Festigkeitsentwicklung langsamer als bei rolligen Böden. Die Bandbreite ist in Bild 9-24 dargestellt. Dies ist z.B. bei der Planung der Herstellabfolge von Düsenstrahlarbeiten, z.B. für Unterfangungen, zu berücksichtigen. Detailliertere Untersuchungen zu Festigkeit und erreichbarem Durchmesser in Abhängigkeit des anstehenden Bodens finden sich in [58].

9

Bild 9-24 Druckfestigkeit von Düsenstrahlsäulen, Abb. Keller Grundbau

Die Bemessung des Verfahrens unter Zuhilfenahme einer Finiten-Element-Berechnung ist nur bei ausreichender Erfahrung mit dieser Methode und ausreichenden Baugrundinformationen zu empfehlen. Da DSV-Elemente üblicherweise unbewehrt ausgeführt werden, sind die zulässigen Zugspannungen begrenzt, siehe DIN 4093:2015-11 [28]. Auch aus diesem Grund sollten Verformungen und Spannungen für Bauwerke mit DSV-Kubaturen mit höherwertigen Stoffgesetzen berechnet werden, wenn daraus Aussagen zu zulässigen oder möglichen Spannungen oder Verformungen in DSV-Kubaturen abgeleitet werden sollen. Für Weiteres wird auf die Empfehlungen des Arbeitskreises 1.6 der DGGT „Numerik in der Geotechnik“ verwiesen.

9.5 Düsenstrahlverfahren

9.5.4

481

Überwachung und Prüfung

Stand der Technik ist es, die Arbeitsparameter kontinuierlich elektronisch zu überwachen und aufzuzeichnen. Dieses ist im Einzelnen in der überarbeiteten DIN EN 12716 [33] sehr detailliert geregelt. Weitere Hinweise sind in [10] zu finden. Kontinuierlich elektronisch in Echtzeit überwacht und aufgezeichnet werden müssen: – die Tiefe – die Ziehgeschwindigkeit bzw. die Schrittweite und Verweildauer des Gestänges in den einzelnen Tiefenstufen – die Rotationsgeschwindigkeit – der Suspensions- oder Wasserdruck sowie Suspensions- oder Wasserpumprate des Schneidstrahls, beim T-Verfahren die Parameter des Schneidmediums und der Suspension – der Luftdruck und je nach herzustellender Kubatur auch die Luftmenge. Folgende Hauptpunkte sind im Besonderen zu berücksichtigen und zu kontrollieren. a) Die Säulenposition Festzustellen sind die Säulenposition oder der Bohransatzpunkt an Geländeoberfläche und die Bohrabweichung und deren Verlauf bis zum Bohrtiefsten. Die Bohrabweichung darf nach DIN EN 12716 [33] bis zu 2% der Bohrtiefe bei vertikalen Bohrungen betragen. Im Allgemeinen kann eine Abweichung von 1:100 unterschritten werden, wenn keine Hindernisse im Boden angetroffen werden. Fehlstellen infolge zu großer Bohrabweichungen können vereinfacht dargestellt wie folgt entstehen: – Durch Bohrabweichungen kann der Abstand zwischen zwei Säulen so groß werden, so dass die Reichweite des Düsenstrahls nicht ausreicht, einen ausreichenden Überschnitt zwischen den Säulen herzustellen. Es verbleibt eine sogenannte Fehlstelle, in der der Boden nicht erodiert und verfestigt wird. – Falls eine Bohrung in einer bereits vorhandenen und schon (teil-)erhärteten Säule endet, kann der Düsenstrahl die bereits vorhandene Säule und deshalb den umgebenden Boden nicht mehr erodieren, die herzustellende Säule fehlt. Zu sogenannten Verschattungen kann es kommen, wenn alte Fundamente, sonstige Bauwerksreste, Hindernisse oder alte Pfähle im Boden vorhanden sind und die Reichweite des Düsenstrahls durch diese Hindernisse behindert wird. Hinter dem Hindernis wird der Boden nicht erodiert, wodurch ein sogenannter Düsschatten entsteht. Eine Messung der Bohrabweichung mit einem Inklinometer ist nach DIN EN 12716 [33] Anhang C bei Bohrtiefen ab 10 m stichprobenartig an jeder zehnten Säule und ab Bohrtiefen von 30 m an jeder Säule gefordert. Die Position und Ausrichtung der Bohrlafette ist bei jeder Säule zu kontrollieren. Vor allem bei Düsenstrahlelementen mit abdichtender Funktion hat sich eine Vermessung des Bohrlochverlaufs mittels Inklinometer oder anderen Methoden je nach Bohrtiefe und anderen Randbedingungen bei allen Bohrungen bewährt, auch bei Bohrtiefen kleiner 30 m, siehe hierzu u.a. [95]. Je nach zulässiger Restwassermenge kann bereits eine fehlende oder den Baugrund nicht ausreichend abdichtende Säule dazu führen, dass die vertraglich einzuhaltende Restwassermenge überschritten wird. Die zu erwartenden Bohrabweichungen und der erwartete, geplante oder mit Probenelementen festgestellte Säulendurchmesser sind bei der Planung des Säulenrasters, vor allem bei Abdich-

9

482

9 Baugrundverbesserung

tungsaufgaben, zu berücksichtigen. Berechnungen und Erfahrungen zeigen, dass sowohl ein zu großer planmäßiger Abstand der Säulen als auch ein zu enger Abstand zu einem höheren Risiko von Fehlstellen führen können [95]. Aus der Auswertung der Bohrabweichungen und des anzunehmenden Überschnitts zwischen vorhandenen Säulen werden Zusatzmaßnahmen wie Kontrollbohrungen, Zusatzsäulen u.a. zum Schließen möglicher Fehlstellen infolge fehlenden Überschnitts oder Kontrollbohrungen im Bereich bereits hergestellter Säulen festgelegt und ausgeführt. Die erreichte Dichtigkeit sollte für abgeschlossene Teilbaugruben zu einem Zeitpunkt überprüft werden, zu der ergänzende Überprüfungen und ggf. erforderliche Nacharbeiten sofort ausgeführt werden können [94], [97]. b) Der Säulendurchmesser Der Durchmesser kann am zuverlässigsten mit Probesäulen und deren anschließender Freilegung direkt ermitteln werden. Mit Kernbohrungen kann der Säulendurchmesser im Bereich der Bohrung festgestellt werden, die Bohrung für die Säule und die Kernbohrung sind je nach Tiefe und Länge zu vermessen. Bei Kernbohrungen kann das Boden-Bindemittelgemisch bedingt durch seine Festigkeit oft nur in kleinen Stücken oder überhaupt nicht (Kernverlust) geborgen werden, wenn das falsche Bohrverfahren gewählt wird. Empfohlen wird eine Seilkernbohrung frühestens 14 Tage nach der Säulenherstellung. Als besonders zuverlässig haben sich zur Bestimmung des Säulendurchmessers vor allem in größeren Tiefen oder unterhalb des Grundwasserspiegels, in denen eine Freilegung nicht mehr möglich ist, mit akustischen Aufnehmern ausgestattete Pegelstangen erwiesen. Diese erlauben bereits während des Düsens eine Kontrolle der Reichweite und damit eine sofortige Anpassung der Arbeitsparameter. Verfahren zur Durchmesserbestimmung werden u.a. in [10], [58] erläutert.

9

Eine Kontrolle des Säulendurchmessers ist bis jetzt nur stichprobenartig möglich. Kontinuierlich und bei jedem Düsvorgang messende Verfahren zur Messung oder Kontrolle des Säulendurchmessers stehen bisher nicht zur Verfügung. In Bereichen vergleichbarer Baugrundeigenschaften können mit den aus der Herstellung der Probeelemente abgeleiteten Herstellparameter Düsenstrahlelemente mit vergleichbaren Abmessungen hergestellt werden. Der Umfang erforderlicher Baugrunduntersuchungen ist u.a. in DIN EN 12716 [33] beschrieben. Ausreichende Baugrunduntersuchungen mit einer Beschreibung der Bodenbereiche mit für Düsenstrahlarbeiten vergleichbaren Baugrundeigenschaften sind vor allem für Abdichtungsaufgaben unerlässlich. c) Die Säuleneigenschaften Die Eigenschaften der Säule bzw. des Säulenmaterials sind durch Probenentnahme aus der frischen Säule oder an Probestücken, die mit Kernbohrungen nach ausreichender Erhärtung des Säulenmaterials gewonnen werden, zu prüfen. Geeignete Bohrverfahren sind in Abschnitt b) genannt, siehe hierzu auch [58]. Eine zeitnahe Prüfung des Erhärtungsverlaufs des DSV-Materials in den ersten Tagen nach Herstellung, unabhängig von Forderungen in Zulassungen und Normen zur Gewinnung von Probekörpern für einaxiale Druckversuche, sollte an Rückstellproben aus dem Rücklauf oder an Proben, die mittels Tiefenentnahmegeräten aus frischen Düsenstrahlelementen gewonnen werden, erfolgen. Schadstoffe im Boden können den Abbindevorgang verzögern oder hemmen. Darauf erhielte man indirekt Hinweise und könnte entsprechende Kontrollen veranlassen.

9.6 Verdichtungsinjektion

9.5.5

483

Zusammenfassung

Mit dem in der Euronorm DIN EN 12716 [33] geregelten Düsenstrahlverfahren können anspruchsvolle Bauaufgaben für die Verfestigung und Abdichtung von Lockergesteinen ausgeführt werden. Ein Vorteil im Vergleich zu anderen Verfahren ist, dass mit kleinen Bohrdurchmessern Düsenstrahlelemente mit bis zu ca. 4.0 m Durchmesser hergestellt werden können, auch bei beengten Platzverhältnissen. Wird die hergestellte Kubatur statisch beansprucht, ist in Deutschland für die Ausführung eine Zulassung des Instituts für Bautechnik erforderlich, die Ermittlung der Festigkeit (innere Tragfähigkeit) erfolgt nach DIN 4093:2015-11 [28]. Dieses Verfahren zur Baugrundverbesserung wird vorwiegend in drei Verfahrensvarianten ausgeführt, die als S-, D- und T-Verfahren bezeichnet werden. Die Wahl des Verfahrens ist u.a. abhängig vom anstehenden und zu behandelnden Baugrund, der Bauaufgabe und den Platzverhältnissen. Entwurf und Planung von Düsenstrahlarbeiten sind anspruchsvoll, Erfahrungswerte und empirische Zusammenhänge bilden die Grundlage. Eine der Bauaufgabe angepasste Baugrunderkundung und Qualitätskontrolle sind elementarer Bestandteil des Verfahrens.

9.6

Verdichtungsinjektion

9.6.1 Einleitung Im Kapitel Verdichtungsinjektion wird nach einer Beschreibung von Verfahren und Geräten schwerpunktmäßig auf den Entwurf und die Bemessung eingegangen. Methoden und Maßnahmen zur Überwachung und Prüfung werden vorgestellt. Ziel der Injektion ist eine kontrollierte Verdichtung und Verbesserung des den Injektionspunkt umgebenden Bodens, ohne dass der als Injektionsgut verwendete Mörtel in die Poren eindringt, wie dies bei Auffüllinjektionen der Fall ist, oder dass im Korngefüge wie bei der Hebungs- oder Aufreissinjektion durch das Injizieren des Injektionsguts Risse entstehen, die mit Suspension gefüllt werden. Anwendungsgebiete sind die Bodenverbesserung von natürlich gewachsenen Böden, unregelmäßigen Auffüllungen oder tiefliegenden dünnen Weichschichten, die Hohlraumverfüllung, die Gründungssanierung von Altbauten und in geringem Maße die Kompensation von Bauwerkssetzungen. Für Neubauten kommt dieses Verfahren aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel nicht in Frage. Eine übersichtliche Darstellung der über 50-jährigen geschichtlichen Entwicklung befindet sich im Kapitel 6 von [60]. Die europäische Ausführungsnorm DIN EN 12715 [32] regelt neben anderen Injektionsverfahren das Verdichtungsinjektionsverfahren sowie die Ausführung und die Qualitätskontrolle. Zusätzliche Grundlagen bilden die DIN 18301 Bohrarbeiten und die DIN 18309 Einpressarbeiten. Nach DIN EN 12715 [32] beschreibt die Verdichtungsinjektion das Injizieren von speziellem Mörtel in den Boden. Ziel ist grundsätzlich eine kontrollierte Verdichtung des Baugrunds und das Erreichen einer Bodenverbesserung.

9

484

9 Baugrundverbesserung

9.6.2

Verfahren und Geräte

Bei der Verdichtungsinjektion wird ein Mörtel mit geringem Setzmaß von weniger als 75 mm in den Boden eingepresst. Der Mörtel sollte Schluff- und Sandanteile besitzen, um nach dem Verpressen eine genügend große innere Reibung aufzuweisen. Er dringt nicht wie bei einer Auffüllinjektion in die Poren des umgebenden Bodens ein und sprengt das Korngefüge auch nicht auf, wie bei der Hebungsinjektion in Kapitel 5.7. Es soll eine kontrollierte Verdichtung des umgebenden lockeren Bodens und gegebenenfalls eine Hebung in geringem Umfang von Bauwerken erreicht werden. Das Verfahren gliedert sich in mehrere Verfahrensschritte. Nach dem Mischen des Mörtels wird das Gestänge abgeteuft und in verschiedenen Tiefenstufen nacheinander Mörtel eingepresst, der sich modellhaft kugel- oder eiförmig ausbreitet, siehe Bild 9-25. Das Gestänge wird nach dem Abteufen mittels Bohren, Rammen oder Vibrieren in der Regel von unten nach oben schrittweise gezogen. In der Regel wird auf diese Weise eine durchgehende Säule mit Kontakt des Mörtelvolumens der einzelnen Verdichtungsstufen hergestellt. Eine Sonderform bilden die Stabilisierungssäulen (STS), bei denen das Gestänge kontinuierlich gezogen wird, so dass eine Säule mit gleichmäßigem Durchmesser von etwa 15 cm, welcher dem Durchmesser der Bohrkrone entspricht, entsteht. Bei STS-Säulen kommt es nur untergeordnet zu einer Verdichtung des umgebenden Bodens. Ein Vorteil gegenüber Kleinbohr- oder Micropfählen oder einer Unterfangung ist, dass kein direkter Kontakt zwischen dem Injektionskörper und dem Fundament notwendig ist, um eine Baugrundverbesserung zu erreichen.

9

Bild 9-25 Mit dem Verdichtungsinjektionsverfahren hergestellte Säulen, Abb. Keller Grundbau

9.6 Verdichtungsinjektion

485

Die Verdichtungsinjektion lässt sich in folgenden Böden anwenden: – Locker gelagerte, nichtbindige Böden, wie Sande oder Kiese, über und unter dem Wasserspiegel – weiche ungesättigte oder teilgesättigte feinkörnige Böden, wie Schluffe oder Tone – strukturempfindliche Böden, wie z. B. Löss – Böden mit Hohlräumen in Karst- oder Erdfallgebieten – tiefliegende dünne (auch gesättigte) Weichschichten mit einer Mächtigkeit von weniger als 2.0 m, die unter einer großen Auflast stehen. Hier kann mit der Ausführung von Verdichtungsinjektionen eine Überbrückung der Weichschicht erzielt werden. Von einer Anwendung des Verfahrens bei mächtigeren Weichschichten ist dringend abzuraten, da sich der Porenwasserüberdruck nicht abbauen kann, und es so zu einer großflächigen Plastifizierung der Schicht mit schwer abschätzbaren oder unvorhersehbaren Setzungen kommen kann. Die gleiche Problematik besteht bei der Anwendung in gesättigten Feinsanden. Im Folgenden soll primär auf die Beschreibung der Verfahren und Mischer, Bohrgeräte, Pumpen und Kleingeräte, wie solche zum Ziehen des Gestänges sowie den Entwurf und die Bemessung eingegangen werden. Ferner wird die Überwachung und Prüfung der Baugrundverbesserung mittels Verdichtungsinjektionen behandelt. 9.6.2.1 Mischer Für das Mischen des Mörtels werden meist zwei Arten von Mischern verwendet, ein Chargenmischer oder ein Durchlauf-Schneckenmischer. Die Mischer unterscheiden sich in erster Linie in ihrer Mischleistung. Ihre Auswahl ist primär abhängig von der Baustellengröße bzw. der täglich zu verpressenden Menge an Injektionsgut. Der Chargenmischer, mit einem Mischvolumen von 0,1 m3 bis 0,8 m3 ist gut geeignet für kleinere Baumaßnahmen, bei denen in einer Schicht zwischen 1.0 m3 und 4.0 m3 Injektionsgut einzubringen sind. Der Mörtel kann auf der Baustelle aus Einzelkomponenten gemischt oder aus Fertigmischungen hergestellt werden. Der Mischer wird über Silo und Schnecke oder Radlader beschickt. Ein Durchlauf-Schneckenmischer, mit einer Leistung von 40 m3/h oder ggf. noch größerer Mischleistung, wird bei großen Baugrundverbesserungsmaßnahmen und zu erbringenden Schichtleistungen eingesetzt, bei denen zwischen 7.0 m3 und 150 m3 Injektionsgut je Schicht zu verpressen sind. Silos, Schnecken, Förderbänder und die Wasserversorgung sind darauf auszulegen. Der Zement und die Zuschlagstoffe werden direkt über Förderbänder in den Mischer transportiert, das Mischen der trockenen Zuschlagstoffe mit Wasser erfolgt in einer kontinuierlich fördernden Schnecke. Eine optische Kontrolle der Mörtelkonsistenz und die Messung des Setzmaßes sind notwendig, die Wassermenge ist ggf. anzupassen, um die vorgegebene Mörtelkonsistenz zu erreichen. Neben einer Mischung auf der Baustelle können Mörtel auch mit Transportbetonmischern geliefert werden. Die vorgegebene Mischung kann mit Hilfe von Verzögerern drei Stunden oder mehr im Fahrzeug verbleiben. Diese Methode ist für kleine und große Schichtleistungen geeignet.

9

486

9 Baugrundverbesserung

9.6.2.2 Bohrgeräte In Abhängigkeit des Baugrunds, der zu erreichenden Injektionstiefe und den Platzverhältnissen erfolgt die Auswahl des Einbringverfahrens für das Injektionsgestänge und des dafür geeigneten Bohr- oder Trägergeräts.

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Bild 9-26 Kleines Bohrgerät

In weichen bis steifen Böden wird das Rammverfahren bevorzugt, sofern nicht umgebende Bauwerke oder andere Randbedingungen eine Rammung ausschließen. Das Gestänge kann hierbei vorlaufend mit einem Aufsatzrüttler oder –hammer eingebracht werden und danach im Zuge der Verpressarbeiten mit Hilfe von Hydraulikziehgeräten stufenweise gezogen und ausgebaut werden. Drehbohrungen oder Drehschlagbohrungen sind bei weichen Böden bis zu einer Bohrtiefe von 8 m übliche Bohrverfahren. Bei diesen Bohrungen wird im Allgemeinen auf eine Vorbohrung verzichtet. Die Bohrgeräte haben meist Kettenfahrwerke. Für ein Arbeiten unter begrenzten Platzverhältnissen können kleine Bohrgeräte eingesetzt werden, mit denen das Arbeiten in Gebäuden möglich ist (siehe Bild 9-26). Das Einbringen der Bohr- bzw. Injektionsrohre kann vorlaufend zu den Injektionsarbeiten mit einem Bohrgerät erfolgen, das stufenweise Ziehen mit einem hydraulischen Ziehgerät oder in einem oder getrennten Arbeitsgang mit dem Bohrgerät.

9.6 Verdichtungsinjektion

487

Der für das jeweilige Projekt günstigste Arbeitsablauf wird in Abhängigkeit u.a. von Baugrundeigenschaften, Bohr- oder Rammtiefe, Anzahl der Injektionspunkte, Injektionsmengen und Platzverhältnissen festgelegt. Die eingesetzten Bohrkronen sind häufig eigene Entwicklungen der ausführenden Unternehmen, die häufig auch baustellenspezifisch angepasst werden. Neben verlorenen Kronen kommen als Grundtypen Dreiflügelkronen oder Bügelkronen zum Einsatz. Auf weitergehende Darstellungen der Bohrkronen wird verzichtet. Bei größeren Bohrtiefen kann je nach Bohrgerät und Bohrkopf die erforderliche Bohrtiefe aufgrund der Reibung zwischen Bohrlochwandung und Bohrrohr mit reinen Drehbohrungen nicht erreicht werden. In diesen Fällen ist die Bohrung als Spülbohrung auszuführen, ggf. kombiniert mit Vorbohren. Die auch zur Stabilisierung des Bohrlochs eingesetzte Bohrspülung wird u.a. aus Zement, Füllern, Bentonit und Wasser hergestellt. 9.6.2.3 Pumpen Für das Einbringen des Mörtels in den Boden werden Standard-Betonpumpen eingesetzt. Der erforderliche Druck für die Verdichtungsinjektion kann mit diesen Kolbenpumpen in der Regel erreicht werden. Mit Kolbenpumpen können im Gegensatz zu Schraubenförderpumpen auch geringe Pumpraten mit hohem Druck gefördert werden. Die minimale oder maximale Pumprate der Pumpe muss ggf. durch entsprechende Modifikationen angepasst werden. Bewährt haben sich Pumpen mit einer Leistung von 80 kW und Kolben mit einem Durchmesser von circa 10 cm. Beim Verpressen des Mörtel darf dieser unter Druck nur eine begrenzte Menge an Wasser abgeben, dieses Phänomen wird auch „Bluten“ bezeichnet. Ansonsten kann es in den Leitungen und im Gestänge, vorzugsweise an Übergängen mit und ohne Querschnittsänderungen oder Bögen zu einem Zusetzen oder Verstopfen der Leitung kommen. 9.6.2.4 Kleingeräte Neben den bereits erwähnten Geräten werden zur Durchführung einer Verdichtungsinjektion weitere Kleingeräte benötigt. Dazu zählen hydraulische Ziehgeräte für das Gestänge, Schläuche, Druckmessdosen, Mengenmessgeräte sowie Messgeräte für die Überwachung von Bauwerksbewegungen. Die verwendeten Schläuche sollten einen Mindestinnendurchmesser von 50 mm über die gesamte Schlauchlänge aufweisen. Durchmesserveränderungen, auch nur auf kurze Längen, sind für einen reibungslosen Ablauf des Verfahrens hinderlich und können zum Zusetzen der Leitungen führen. Druck, Pumprate, Menge des verpressten Injektionsguts, Injektionstiefe sowie Bauwerksbewegungen sind für eine kontinuierliche Qualitätskontrolle aufzuzeichnen und zu dokumentieren.

9.6.3

Entwurf und Bemessung

Merkblätter oder Normen für den Entwurf und die Bemessung von Verdichtungsinjektionen liegen aktuell nicht vor, daher werden im Folgenden Empfehlungen auf der Basis langjähriger Erfahrungen gegeben.

9

488

9 Baugrundverbesserung

Auf Basis des Geotechnischen Berichts und der Planungen der Baumaßnahme muss zunächst eine ausreichend genaue Beschreibung der Schwächezone im Boden erfolgen sowie die erforderlichen Behandlungstiefen ermittelt werden. Daraus ist ein geeignetes Raster für die Durchführung zu wählen. Die Abstände der Injektionspunkte liegen in der Regel zwischen 1,0 m und 5,0 m, Abstände zwischen 1,5 m und 2,0 m finden dabei überwiegend Anwendung. Die Abstände der Injektionspunkte kann oder sollte hierbei in Abhängigkeit von der Ausführungstiefe angepasst werden. Bei Schwächezonen nahe zur Arbeitsebene sind kleinere Raster mit geringeren Verpressmengen je Injektionspunkt, bei größeren Tiefen über 10 m können größere Abstände in Kombination mit größeren Injektionsmengen gewählt werden. In der Praxis hat sich eine Injektionsabfolge mit Primärraster und dazwischen liegendem Sekundärraster durchgesetzt. Durch die Herstellung des Primärrasters wird der Erddruckbeiwert erhöht, die Sekundärsäulen haben so bereits ein horizontales Widerlager. Dies führt schneller zu einer ersten leichten Hebung, die auch Kontakthebung genannt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass eine kraftschlüssige Verbindung zwischen dem behandelten Boden und Fundament erreicht worden ist. Nach Herstellung des Primärrasters sollte man mindestens einen Tag zur Aushärtung des eingebrachten Mörtels warten, bevor mit dem Sekundärraster begonnen wird.

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Es ist festzulegen, ob die Verdichtungsinjektion stufenweise von unten nach oben (das Aufwärtsverfahren) oder von oben nach unten (das Abwärtsverfahren) durchgeführt werden soll. Im Regelfall wird das Aufwärtsverfahren gewählt, da es schneller und kostengünstiger ist. Grund dafür ist, dass man beim Abwärtsverfahren abwarten muss, bis der Mörtel der obersten Injektionsstufe in der Nähe der Geländeoberfläche teilweise erhärtet ist und erst dann mit der Ausführung der nächsttieferen Injektionsstufen fortfahren kann. Das Abwärtsverfahren bietet Vorteile, wenn die Auflast sehr gering ist und man ungleichmäßige Hebungen vermeiden will oder wenn ein sehr setzungs- oder verformungsempfindliches Bauwerk in sehr kleinen Schritten gehoben werden soll. Für den Entwurf und die Bemessung von Verdichtungsinjektionen sind die Parameter Injektionsmenge, Injektionsdruck und Injektionsrate maßgebend und eng miteinander verknüpft. Eine Planung oder Auswertung nur anhand eines Parameters bleibt unvollständig. Hinzu kommt als wesentlicher Bestandteil des Entwurfs die Wahl des geeigneten Injektionsguts. Zunächst sollte auf Basis des Geotechnischen Berichts eine Vordimensionierung der erforderlichen Injektionsmenge erfolgen. Diese wird in der Regel als Prozentsatz des behandelten Bodenvolumens angegeben, wobei der Prozentsatz stark abhängig ist von den Baugrundeigenschaften. Bei mitteldicht bis dicht gelagerten rolligen Böden wird von einem Prozentsatz von 5% ausgegangen, und bei sehr locker gelagerten Böden von einem Prozentsatz von bis zu 15%. Weist der Baugrund größere natürlich entstandene oder anthropogene Hohlräume auf, beispielsweise in Karstformationen, können auch weit darüber hinausgehende Injektionsvolumina erforderlich werden. Die Bestimmung des Injektionsdrucks erfolgt in Abhängigkeit der Injektionsmenge je Injektionspunkt, den Baugrundeigenschaften und dem Überlagerungsdruck der jeweiligen Injektionsstelle. Druckverluste in den Leitungen und Rohren sind hierbei zu berücksichtigen, um vom an einem Manometer, z.B. an der Pumpe, angezeigten Druck auf den Druck im Injektionsrohr am Injektionspunkt schließen zu können. Der Druckverlust kann anhand von Erfahrungswerten oder geeigneten Messungen auf der Baustelle bestimmt werden. In der Regel wird ein Druck im Injektionsrohr kurz vor dem Austrittspunkt oder der Bohrkrone zwischen 6 bar und 20 bar erreicht. Der geringere Wert gilt dabei für kleine Tiefen, der höhere Wert kann bei großen Tiefen erzielt werden.

9.6 Verdichtungsinjektion

489

Übersteigt der Druck im Injektionsrohr kurz vor dem Austrittspunkt einen Wert von 20 bar, kann es zu ersten Hebungen des Baugrunds kommen. Die im Baugrund dabei aufgebauten Drücke sind u.a. aufgrund der Ausbreitung des Injektionsguts deutlich geringer. Beobachtete Hebungen sind üblicherweise ein Abbruchkriterium für den Injektionsvorgang an der entsprechenden Injektionsstufe, der dann sofort zu beenden ist. Die Injektionsrate bei Verdichtungsinjektionen wird in Abhängigkeit der Dräneigenschaften des Bodens und der Injektionstiefe bestimmt. Bei schlecht entwässernden oder dränierenden Böden und besonders bei einer Ausführung nahe der Geländeoberfläche sollte die Injektionsrate zwischen 5 l/min und 20 l/min liegen. Bei gut dränierenden und ausreichend durchlässigen Böden kann eine mittlere Injektionsrate von 20 l/min bis 100 l/min erreicht werden. Generell sollte die maximale Injektionsrate einen Wert von 100 l/min bis 300 l/min, letzterer Wert für größere Tiefen mit ausreichender Überlagerung, nicht überschreiten. Maßgebend für die Zusammensetzung des Injektionsguts ist weniger eine hohe Festigkeit nach Erhärten als ein ausreichend großer Reibungswinkel des Materials nach dem Injizieren. Die Festigkeit des Mörtels ist bei diesem Bodenverbesserungsverfahren nur von untergeordneter Bedeutung. Hohe Reibungswinkel werden vorwiegend über einen hohen Sandanteil erreicht. Die Pumpfähigkeit und Stabilität der Mischung unter Druck wird durch die Zugabe geeigneter Bindemittel wie Zement, Bentonit und Flugasche erreicht. Aus diesem Grund kann aus bei sich daraus ergebenden Kostenvorteilen ein großer bzw. der gesamte Zementanteil durch Flugasche ersetzt werden. Die Umweltverträglichkeit und die Materialeigenschaften des Mörtels nach Erhärten sind in diesen Fällen nachzuweisen. Typische Mischungen bestehen aus drei Masseanteilen Sand und einem Teil Zement bzw. Flugasche, zusätzlich kann Bentonit zugegeben werden, wobei ein Anteil von 3% bezogen auf die Bindemittel nicht überschritten werden sollte. Andernfalls wird der Mörtel zu weich und lässt sich nicht durch Druck verfestigen. Eine Bemessung findet im einfachsten Fall über eine standardmäßige Setzungsberechnung mit einer Abschätzung des durch die Verdichtungsinjektion erhöhten Steifemoduls statt. Aus Erfahrung mit Sondierungen vor und nach der Bodenverbesserung ist bekannt, dass sich das Sondierergebnis in Abhängigkeit vom Feinkornanteil des Bodens um einen bestimmten Faktor verbessert [101]. Bei hohem Feinkornanteil von mehr als 50% ist in der Regel ein Verbesserungsfaktor < 1,5 zu erwarten, während es bei einem Feinkornanteil von weniger als 15% durchaus ein Verbesserungsfaktor von mehr als 3.0 erreicht werden kann. Diesen Faktor kann man näherungsweise als Erhöhungsfaktor des Steifemoduls in die Setzungsberechnung einführen. Eine bessere Abschätzung erhält man mit dem bereits im Unterkapitel Rüttelstopfverdichtung vorgestellten Verfahren nach Priebe mit einer Ergänzung für starre Säulen. Die Genauigkeit des Berechnungsverfahrens wird auch dadurch erhöht, dass ein Einstanzen des Säulenkopfes und des Säulenfußes in den Boden über und unter der Verdichtungsinjektionssäule berücksichtigt wird. Die Bemessung des Verfahrens unter Zuhilfenahme einer Finiten-Element-Berechnung ist nur bei ausreichender Erfahrung mit dieser Methode und ausreichenden Baugrundinformationen zu empfehlen, daher wird in diesem Zusammenhang ergänzend auf die Empfehlungen des Arbeitskreises 1.6 der DGGT „Numerik in der Geotechnik“ verwiesen.

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490

9 Baugrundverbesserung

9.6.4

Überwachung und Prüfung

Die Überwachung und Prüfung von Verdichtungsinjektionen umfasst eine kontinuierliche Beobachtung und Aufzeichnung der Tiefe, des Injektionsdrucks, der Injektionsmenge und der Injektionsrate nach DIN EN 12715 [32]. Die Messung der Injektionsmenge oder Pumprate sollte vorlaufend und während der Ausführung in regelmäßigen Abständen kalibriert werden, z.B. durch das Pumpen in ausgemessene Behälter. Neben der Aufzeichnung und Kontrolle der o.g. Parameter sind die Überwachung von Bauwerksbewegungen, die Prüfung des Setzmaßes des Mörtels und der Steifigkeitszunahme des Bodens notwendig. Bei der Kontrolle der Steifigkeitszunahme mit Sondierungen ist der notwendige Abbau von Porenwasserüberdruck als Folge des Verdichtungsvorgangs zu beachten. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 9.3.4. zum Rüttelstopfverfahren. Folgende Anforderungen sind zu erfüllen:

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Die Überprüfung der Hebung erfolgt vorzugsweise mittels Rotationslaser und ist kontinuierlich durchzuführen, Warneinrichtungen bei Überschreiten von bestimmten Verformungswerten sind ggf. vorzusehen.



Das Setzmaß des Mörtels sollte bei einem Wert zwischen 2,5 cm und 7,5 cm liegen.



Die Prüfung der Steifigkeitszunahme des Bodens zwischen den Säulen erfolgt vorzugsweise in der Mitte zwischen den Rasterpunkten, wenn die Verdichtungsinjektion zur Bodenverdichtung eingesetzt wird.



Als Verfahren zur Überprüfung der Steifigkeitszunahme im Boden werden Drucksondierungen und SPT-Sondierungen empfohlen.

Im Zuge der Qualitätskontrolle sollten in regelmäßigen Abständen, mindestens arbeitstäglich, Rückstellproben des Injektionsguts, vorzugsweise in Zylindern mit 100 mm Durchmesser und 200 mm Höhe, genommen werden. An diesen kann der Erhärtungsverlauf kontrolliert und die einaxsiale Druckfestigkeit bestimmt werden. Die Häufigkeit der Probennahme und die Anzahl der Proben ist in der Planung festzulegen. Falls Verdichtungsinjektionssäulen mit einer bestimmten Festigkeit gefordert werden, erfolgt die Prüfung der Festigkeit an den oben beschriebenen Rückstellproben in Zylinderform.

9.6.5

Zusammenfassung

Ziel der in der Euronorm DIN EN 12715 [32] geregelten Verdichtungsinjektionen ist eine kontrollierte Verdichtung des Baugrunds zur Verbesserung der Bodeneigenschaften. Prinzipiell werden Verdichtungsinjektionen nicht in einzelne Varianten unterteilt, der Herstellprozess kann aufgrund durch die Wahl der Geräte, des Rasters, der Einbringung der Injektionsrohre und des Injektionsablaufs auf die Eigenschaften und Tiefenlage des zu verbessernden Bodenvolumens und den Randbedingungen abgestimmt werden. Das Verfahren kann an die Aufgabenstellung, vorhandene Bauwerke und die Baugrundverhältnisse angepasst werden und bietet ein großes Anwendungsgebiet in unterschiedlichen Baugrundbedingungen und Bodenarten. Aktuell gewinnt diese Art der Baugrundverbesserung auf dem Gebiet der Gebäudenachgründung zunehmend an Bedeutung und bildet eine Alternative zu anderen Methoden für die Gründungssanierung bzw. -ertüchtigung.

9.7 Hebungsinjektion

9.7

491

Hebungsinjektion

9.7.1 Einleitung Im Kapitel Hebungsinjektion wird nach einer Beschreibung von Verfahren und Geräten auf den Entwurf und die Bemessung schwerpunktmäßig eingegangen. Den Abschluss bildet ein Teil zur Überwachung und Prüfung. Anwendungsgebiete sind die Stabilisierung von langanhaltenden Setzungen oder Differenzsetzungen unter bestehenden Fundamenten, sowie das Anheben von Gebäuden, die bereits größere Setzungen erfahren haben. Ferner die Erhöhung der Bodensteifigkeit und der aktive Setzungsausgleich bei Tunnelbauarbeiten. Im Folgenden soll primär auf die Beschreibung der Verfahren und Geräte sowie den Entwurf und die Bemessung eingegangen werden. Ergänzend wird die Überwachung und Prüfung der Baugrundverbesserung mittels Hebungsinjektionen behandelt. Eine übersichtliche Darstellung der über 60-jährigen Entwicklung des Verfahrens ist in Kapitel 7 „Soil fracturing“ in [60] dargestellt. In der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 12715 [32] ist das Hebungsinjektionsverfahren genormt. Hier sind Einzelheiten zu den verschiedenen Verfahren und zu der Ausführung und der Qualitätskontrolle geregelt. Für die Hebungsinjektion wird auch der Markenname Soilfrac verwendet.

9.7.2

Verfahren und Geräte

Durch das Injizieren des Injektionsguts werden bei diesem Verfahren durch Überschreiten der Festigkeit des Bodens gezielt (siehe Bild 9-27) Risse (Fracs) im Boden erzeugt und geöffnet, in die das Injektionsgut eindringt und erhärtet. Durch mehrmalige Einwirkung kann nahezu jeder Boden verbessert und dadurch Hebungen eingeleitet werden. In sehr weichen Böden kann dieses Verfahren zur Baugrundverbesserung eingesetzt werden. Aufgrund des Auf- und Abbau von Porenwasserüberdrücken ist der Einsatz des Verfahrens zur Erzeugung und Steuerung von Bauwerkshebungen bei solchen Baugrundbedingungen eingehend zu prüfen. Nach erfolgter Planung werden in einem ersten Schritt die für die Ausführung der Injektionen erforderlichen Ventilrohre oder Manschettenrohre mittels geeigneter Bohrungen in den zu behandelnden Baugrund eingebaut. Sofern die Injektionen unter Bauwerken auszuführen sind, werden hierzu in vielen Fällen Bohrungen ausgeführt, die leicht gegen die Horizontale geneigt sind. Die Ventilrohre weisen Öffnungen bzw. Bohrungen in regelmäßigen und festzulegenden Abständen auf, die mit Gummimanschetten verschlossen sind. Die Manschettenrohre werden je nach Baugrund in verrohrte oder unverrohrte Bohrungen eingebaut. Die Bohrungen werden meist als Spülbohrungen oder im Doppelkopfbohrverfahren ausgeführt. Der Ringraum wird mit sogenannter Mantelmischung gefüllt. Die Mantelmischung soll eine Umläufigkeit beim Injizieren des Injektionsguts entlang der Bohrung verhindern. Bei Spülbohrungen im Lockergestein ist eine Stützwirkung der Suspension erforderlich. Das Bohrgut wird mit der Spülung am Bohransatzpunkt ausgetragen. Auch eine Verwendung von Bohrlochhämmern oder der Einbau mittels Rammverfahren für die Installation der Ventilrohre ist möglich, sofern dies im anstehenden Baugrund und den vorhandenen Bauwerken möglich bzw. zulässig ist. Die Bohrungen können auch mit Bohransatzpunkten unterhalb des Grundwasserspiegels gegen drückendes Grundwasser ausgeführt werden, wenn die Bohrungen mit

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492

9 Baugrundverbesserung

entsprechenden Preventern ausgeführt werden. Bodenentzug während der Bohrarbeiten ist zu vermeiden, um Setzungen darüber oder benachbart liegender Bauwerke zu verhindern. Die maximale Bohrlänge bei nicht gesteuerten Bohrungen liegt bei ca. 70 m. Die Bohrabweichungen sollten vermessen werden, um die Lage der Ventile bezogen auf die Bauwerksstrukturen zu kennen. Die Ventilstufen und Ventilrohre sind so anzuordnen, dass mit dem damit erhaltenen Raster und Abständen der einzelnen Ventilöffnungen das Injektionsziel erreicht werden kann. Die einzuhaltenden Abstände sind abhängig vom Baugrund, der Art des Bauwerks und seinen Bauwerksabmessungen und der Tiefenlage der Gründung und des Abstands der Ventilstufen zur Gründungsebene (siehe Bild 9-27). In die Ventilrohre wird dann ein geeigneter Packer, vorzugsweise ein Doppelpacker, eingeführt. Mit dem Doppelpacker kann das Manschettenrohr vor und hinter der zu bearbeitenden Ventilstufe abgesperrt werden. Das Injektionsgut wird über eine separate Leitung zwischen die beiden Packer gepumpt und über das sich durch den Druck öffnende Ventil in den Boden eingepresst. Um den für die Einbringung der Suspension nötigen Riss oder Frac zu erzeugen, muss die Mantelmischung und der ggf. bereits mit Injektionen vorbehandelte Boden aufgerissen werden. Um die gewünschte Baugrundverbesserung oder Hebungen zu erreichen müssen die Ventilstufen in aller Regel mehrfach verpresst werden. Bei Hebungsinjektionen sind Vorgaben für die Injektionsmenge je Einpressvorgang, der maximale Injektionsdruck und bei Wiederholung die Erhärtungspause vor einer erneuten Beaufschlagung des gleichen Ventils einzuhalten.

9

Bild 9-27 Netzwerk von Fracs [60]

Durch Injizieren des Injektionsguts sollen im Boden durch das Überschreiten seiner Festigkeit Risse oder Fracs entstehen, in die das Injektionsmaterial eindringt und dort erhärtet. Der Aufreissdruck ist abhängig vom Spannungszustand im Boden an der Injektionsstelle und den Scherparametern des ggf. schon mehrfach injizierten Bodens. Durch das wiederholte Verpressen einzelner Ventilstufen bildet sich ein Netzwerk aus lamellenförmigen mit Suspension gefüllten Rissen im Baugrund aus. Ein Frac-Netz weist dabei ganz unterschiedliche und unregelmäßige Formen auf, die mittleren Rissdicken liegen zwischen wenigen Millimetern und mehren Zentimetern (siehe Bild 9-27). Die Reichweite der Fracs kann über den aufgebrachten Injektionsdruck und die eingebrachte Injektionsmenge gesteuert bzw. begrenzt werden. Der gemessene Injektionsdruck ist der Druck in der Injektionsleitung vor dem Packer und ist höher als der Druck in der Suspension während des Eindringens in den Boden. Der Druck im mit Suspension gefüllten Riss nähert sich erst dann dem an der Pumpe gemessenen Druck, wenn kein weiteres Injizieren bei gleichem Druck mehr möglich ist.

9.7 Hebungsinjektion

493

Da die Injektionsmenge je Ventil in der Planung und Ausführung begrenzt wird, ist der Einpressvorgang i.d.R. beendet, bevor ein solcher Druck im Riss erreicht werden könnte. Im Übrigen könnte dies am Injektionsverlauf erkannt und entsprechend reagiert werden, auch durch eine automatisierte Abschaltung der Pumpe. Setzt man den an der Pumpe gemessenen Druck dem Druck im Riss gleich, überschätzt man i.d.R. den im Baugrund und ggf. auf Bauwerke wie Tunnel wirkenden Druck. Nach dem Verpressen der einzelnen Ventilstufen sind Wartezeiten für die Erhärtung und Auswertung der Hebungsresultate notwendig, bevor auf diesen Ventilstufen weitere Injektionen folgen können. Eine dauerhafte Bodenverbesserung kann nur durch das Injizieren von Injektionsgut in mehreren Phasen erreicht werden, die sehr arbeits- und zeitintensiv sein können. Entscheidend für den Erfolg einer Hebungsinjektion ist der Einsatz geeigneter und ausgereifter Messtechnik zur Beobachtung der vertikalen und horizontalen Deformationen von Bauwerken, Geländeoberfläche und im Bodeninneren. Die Messtechnik sind mit ausreichendem Vorlauf vor Beginn der Bohr- und Injektionsarbeiten in Betrieb zu nehmen. Die Erfassung, Visualisierung und Überwachung der Bauwerksbewegungen und Injektionen erfolgt mit dafür geeigneter Software, die auch Voraussetzung für die Planung und Ausführung der jeweils nächsten Injektionsschritte ist. Dies erfordert ein interdisziplinäres Zusammenspiel von Geotechniker, Statiker und Messtechniker unter Anwendung der Beobachtungsmethode.

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Bild 9-28 Anordnung der Geräte und der Messtechnik, Abb. Keller Grundbau

Bei komplizierten Fragestellungen kann es notwendig sein, die Hebungsinjektion mit anderen Verfahren, wie Verdichtungsinjektion, Düsenstrahlverfahren und hydraulischem Pressen zu kombinieren. In den folgenden Absätzen werden die Verfahrensschritte und die Geräte, die bei der Hebungsinjektion verwendet werden, näher erläutert. Die Anordnung ist Bild 9-28 zu entnehmen.

494

9 Baugrundverbesserung

9.7.2.1 Installation der Ventilrohre Die Ventilrohre können mit Längen von 70 m und mehr eingebaut werden. Hierbei kommen Spülbohrungen oder verrohrte Bohrungen zum Einsatz. Es werden auch Bohrlochhämmer oder Rammverfahren verwendet. Das Bohrgut wird über Luft- oder Wasserspülung an den Bohransatzpunkt transportiert.

Bild 9-29 Typische Anordnung der Geräte [60]

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Die Grundgeräte haben in der Regel eine Lafette mit 4 m bis 5 m Länge. Wenn die Bohrungen von einem Schacht oder einer Arbeitsgrube aus hergestellt werden (siehe Bild 9-29), sollte der Schachtdurchmesser aus arbeitstechnischen Gründen mindestens einen Meter größer sein als die Lafettenlänge. Der Überstand von Preventern o.ä. ist zu berücksichtigen. Die einzubauenden Ventilrohren sind aus PVC oder Stahl, mit einem Innendurchmesser zwischen selten 2,5 cm und meist 5,0 cm, wobei bei größeren Ventilrohrlängen ein Durchmesser von mindestens 5,0 cm erforderlich ist. Bei mehrfacher Beaufschlagung sind Stahlrohre oder dickwandige PVC-Rohre vorzusehen. Der Ventilabstand entlang eines Manschettenrohrs liegt meist bei 0,33 m, 0,5 m oder 1,0 m. Durch die o.g. Mantelmischung mit geringer Festigkeit wird eine Umläufigkeit zwischen den Ventilen entlang der Bohrung verhindert. Die Doppelpacker bestehen meist aus einem mit Gummi ummantelten Drahtnetz. Die Packer werden mit Druckluft oder Wasser aufgepresst und gegen das Ventilrohr verspannt. Eine Reinigung der Ventilrohre nach dem Verpressvorgang ist unerlässlich. Die Reinigung erfolgt dabei über Hochdruckschläuche, die im Packer-System integriert sind. Auch eine Reinigung über separate Reinigungssysteme ist möglich. 9.7.2.2 Vorbereitung der Suspension Das Anmischen der Suspensionen für Mantelmischung und Ausführung der Injektionen erfolgt in der Regel auf der Baustelle. Für die Suspensionen werden Bindemittel wie Zement, Flugasche, Füller und Bentonit verwendet, welche in Silos oder seltener als Sackware bevorratet werden. Es können daraus bestehende Fertigmischungen verwendet werden oder Suspensionen aus den o.g. Bestandteilen auf der Baustelle angemischt werden.

9.7 Hebungsinjektion

495

Als Mischer kommen Kollodialmixer oder Hochfrequenzmixer zum Einsatz, mit dem die Suspensionen mit den erforderlichen Wasser-Bindemittelwerten homogen hergestellt werden. Die Wasser-Bindemittelwerte sind u.a. abhängig vom verwendeten Bindemittel und Baugrund, sie liegen meist zwischen 0.45 und 1.5. Zudem sind zum Anmischen der Suspension ein Vorratsbehälter mit Wasser sowie kleinere Behälter für ggf. erforderliche Additive erforderlich (siehe Bild 9-28). Die Suspensionen werden nach dem Anmischen in Vorratsbehältern mit einem Fassungsvermögen zwischen 500 Liter bis 1000 Liter mit Rührwerk umgepumpt. 9.7.2.3 Verpresstechnik Das Injizieren des Injektionsguts für die Hebungsinjektion vom Vorratsbehälter zum Doppelpacker erfolgt mit Kolbenpumpen geeigneter Bauart über Schlauchleitungen. Die Kolbenpumpen können hierbei entsprechend vorzugebenden Parametern gesteuert werden wie Gesamtpumpmenge, Pumprate, maximaler Druck, Druckanstieg o.ä.. Wichtig ist hierbei, dass auch geringe Pumpraten mit konstant hohem Druck gefahren werden können. Ein Pumpendruck zwischen 0 bar und 100 bar sowie eine Pumprate von 1 l/min bis 20 l/min sollte stufenlos eingestellt werden können. Sehr häufig kommen sogenannte Injektionscontainer zum Einsatz, in denen neben dem Vorratsbehälter mehrere Pumpen samt Steuerungs- und Aufzeichnungselektronik installiert sind. Das Injektionsgut an einer Injektionsstelle wird in einzelnen Chargen eingepresst. Dazwischen liegen Wartezeiten für das Aushärten der eingebrachten Suspension, die Beobachtung von Bauwerksbewegungen und die Auswertung der Injektionsparameter und Bauwerksbewegungen für die Festlegung und Steuerung der weiteren Injektionsschritte. Eine Bodenverbesserung kann nur mit abschnittsweiser Injektion erzielt werden.

9

Bild 9-30 Ventilrohre mit Doppelpacker: Rissentstehung bei der Erstverpressung und nach mehrmaliger Beaufschlagung, Abb. Keller Grundbau

9.7.3

Entwurf und Bemessung

Mit den Hebungsinjektionen soll neben einer Erhöhung von Steifigkeit und Scherfestigkeit des Bodens vor allem eine Verdrängung des Bodens in vertikaler Richtung erreicht werden. Das in den Baugrund eingebrachte Suspensionsvolumen verdrängt den anstehenden Boden, je nach Bodenart wird in geringerem Maß auch eine Verdichtung des Bodens erreicht. Der Bo-

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9 Baugrundverbesserung

den wird in den ersten Injektionsphasen in der Regel durch das Entstehen vertikaler Risse in horizontaler Richtung verdrängt, solange die Überlagerungsspannungen größer als die horizontalen Spannungen sind. Die Risse entstehen i.d.R. parallel zur größeren Hauptspannung oder senkrecht zur kleineren. Im Allgemeinen ist der Erddruckbeiwert des Baugrunds kleiner als 1.0, folglich sind die Horizontalspannungen kleiner als die Vertikalspannungen. Die mit Injektionsgut gefüllten vertikalen Risse führen zu einer Erhöhung der Horizontalspannungen, siehe Bild 9-31. In der ersten Injektionsphase muss ein Spannungszustand geschaffen werden, bei dem die im Bereich der auszuführenden Hebungsinjektionen bzw. der Manschettenrohre die Horizontalspannungen größer als die Vertikalspannungen sind, somit ein Erddruckbeiwert größer als 1.0 erreicht wird. Dies führt zu einer Drehung der Rissrichtung, so dass horizontale Risse entstehen können, und der Volumenzuwachs im Boden in vertikaler Richtung erfolgt. Dieser Volumenzuwachs bewirkt Hebungen, siehe Bild 9-31. Wenn erforderlich, wird mit den zuerst auszuführenden Injektionen ein ringförmiges Widerlager entsprechend eines Ödometerrings hergestellt, der das seitliche Ausweichen des Bodens verhindert, siehe Bild 9-32. Die in der ersten Phase entstandenen netzförmigen Fracs wirken nach dem Erhärten der eingebrachten Suspension als ringförmiges Widerlager. Dieses Widerlager kann sowohl mit Injektionen als auch mit anderen Verfahren wie beispielsweise der Verdichtungsinjektion, DSV-Körpern oder Spundwänden hergestellt werden. Durch diese Maßnahme wird die Kohäsion bzw. die zulässige oder aufnehmbare Zugspannung im verbesserten Boden ringförmig erhöht.

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Bild 9-31 Vertikalschnitt der Spannungsverteilung im Boden vor der Injektion (links) und in der Hebungsphase (rechts) [60]

Ist das Widerlager mit Injektionen herzustellen, gilt auch hier wie bei den eigentlichen Hebungsinjektionen der Grundsatz, dass das Einbringen großer Injektionsmengen in den Boden je Injektionsvorgang nicht zu der Ausbildung eines Widerlagers führt. Grund dafür ist, dass

9.7 Hebungsinjektion

497

die entstanden Fracs bei zu enger zeitlicher Abfolge der Injektionsschritte nicht ausreichend aushärten oder zu große Fracs mit unzureichender Vernetzung und somit zu geringer Verfestigung des Bodens entstehen. Zyklische oder dynamische Einwirkungen während der Injektionsphase haben nachteiligen Einfluss auf das Aushärten der Suspension in den Fracs und können erreichte Hebungsbeträge wieder rückgängig machen, ggf. sogar zur Vergrößerung vorhandener Verformungen führen. Die Suspension wird aus den Rissen verdrängt oder die Erhärtung durch entsprechende Baugrundverformungen gestört.

Bild 9-32 Modell des Widerlagerringes [60]

Die erreichten Hebungen sind nicht linear proportional zum eingebrachten Injektionsvolumen. In der ersten Injektionsphase zur Konditionierung des Baugrunds mit entsprechender Erhöhung der horizontalen Spannungen sind erfahrungsgemäß anfänglich keine Hebungen zu beobachten. Die Injektionen bis zu den ersten Hebungen werden auch als Kontaktinjektion bezeichnet. Die Anzahl der Injektionsschritte und das einzubringende Injektionsvolumen können für die erste Phase nur sehr eingeschränkt abgeschätzt und ermittelt werden. Weitere Injektionen nach Erreichen der ersten Hebungen führen dann zu einer mehr oder weniger stetigen Zunahme der Hebungen. Das erzeugte Hebungsvolumen erreicht über alle Injektionsphasen maximal 5% des Injektionsvolumens, bezogen auf das Injektionsvolumen in der eigentlichen Hebungsphase werden Werte von 5% bis 25% erreicht, siehe Bild 9-31. Dies ist u.a. abhängig vom Baugrund, der Anordnung und Lage der Manschettenrohre, den Bauwerksabmessungen und den vorhandenen Lasten. Durch die Injektionen kann eine Erhöhung der Steifigkeit des injizierten Bodens gegenüber dem unbehandelten Zustand um den Faktor 2 bis Faktor 5 erreicht werden. Die Dicke der als verbessert anzusehenden Bodenschicht ist abhängig von der Reichweite der Injektionen oder Länge der Risse. Die Ausführung von Hebungsinjektionen bei Bauwerken mit größeren Abmessungen der Gründungskörper wie Bodenplatten ist erfahrungsgemäß einfacher als bei Einzel- und Streifenfundamenten, vor allem dann, wenn diese hohe Lasten aufweisen. Das Heben von Einzelund Streifenfundamenten ist im Vergleich zu Bodenplatten häufig aufwendiger, da eine größere Anzahl an Injektionsschritten notwendig ist. Die Abschätzung der Hebung anhand von zweidimensionalen Modellen ist in der Praxis meist ausreichend. Vereinfacht erfolgt dies über den Ansatz eines imaginären, ringförmigen Widerlagers, vergleichbar dem Ödometerversuch.

9

498

9 Baugrundverbesserung

In Einzelfällen kann die Anwendung der Finiten-Element-Methode ergänzend zu vereinfachenden zweidimensionalen Modellen hilfreich sein. Hierbei ist es notwendig, die Bodenparameter während der Konditionierungsphase kontinuierlich an die Messwerte anzupassen. Eine Abschätzung oder Messung der ursprünglichen Spannungs- und Dichteverteilung im Boden erweist sich häufig als schwierig, ergänzend wird auf die Empfehlungen des Arbeitskreises 1.6 der DGGT „Numerik in der Geotechnik“ verwiesen. Die zulässigen Schiefstellungen und Differenzsetzungen von Bauwerken, die mittels Hebungsinjektionen behandelt werden sollen, sind als Grundlage für die Planung anhand der vorhandenen statischen Berechnungen der zu hebenden Bauwerke und ggf. ergänzender Untersuchungen oder Berechnungen vorab festzulegen.

9.7.4

Überwachung und Prüfung

Für die Steuerung, Überwachung und Prüfung von Hebungsinjektionen sind umfangreiche Messungen und die Aufzeichnung von Herstellparametern erforderlich. Neben Verformungen in vertikaler und horizontaler Richtung von Bauwerken, Oberflächenpunkten und ggf. Messpunkten im Baugrund sind der Verlauf von Pumpendruck, Pumpmenge und Pumprate für jeden Injektionsvorgang erforderlich. Bauwerksverformungen werden vorzugsweise mit sogenannten Druckschlauchwaagen gemessen, mit denen eine temperaturkompensierte und kontinuierliche Messung mit hoher Genauigkeit über lange Zeiträume möglich ist, siehe Bild 9-33. Diese werden mit unabhängigen Nivellements überprüft. Bodenverformungen werden mit Vertikal- und Horizontalinklinometer, Extensiometer und Erddruckgeber gemessen bzw. überwacht. Bei der Festlegung der Injektionsabfolge ist zu berücksichtigen, dass zulässige Schiefstellungen oder Setzungsdifferenzen nicht erreicht oder überschritten werden.

9

Bei großen Projekten sind häufig mehr als 100.000 Verpressvorgänge und mehr als 300 Messgeber für Bauwerksverformungen kontinuierlich aufzuzeichnen, was zu einer beträchtlichen Zahl an Messdaten führt. Für die Darstellung, Auswertung, Interpretation und Festlegung der weiteren Injektionsschritte bzw. Verfahrenssteuerung sind spezielle Visualisierungssysteme, basierend auf Datenbanken, erforderlich, die seitens spezialisierter Messtechnikfirmen angeboten werden, Bild 9-34. Siehe hierzu u.a. [81], [96].

Bild 9-33 Grundriss mit Anordnung der Messgeber, Abb. Keller Grundbau

9.7 Hebungsinjektion

499

Bild 9-34 Linien gleicher Deformationen als Ergebnis von Schlauchwaagenmessungen, Abb. Keller Grundbau

Von der verwendeten Mantelmischung und der Injektionssuspension werden in regelmäßigen Abständen, mindestens arbeitstäglich, Rückstellproben genommen. An diesen Probekörpern werden Laborversuche zur Kontrolle der Festigkeitsentwicklung durchgeführt. Hinzu kommen Versuche zur Kontrolle der Suspensionseigenschaften wie Viskositätsprüfungen mittels Marsh-Trichter, Kugelharfe oder anderen Geräten, Bestimmung des Sedimentationsmaßes und ggf. der Filtratwasserabgabe. Hinzu kommen Kontrollen und Wartung der Injektionspumpen und der zugehörigen Steuerung. Anzahl und Art der Prüfungen sind in einem projektbezogenen Qualitätssicherungsplan vorzugeben. Orientierung bieten die Hinweise in DIN EN 12715 [32] und der Kommentar zu EN 12715 der Österreichischen Gesellschaft für Geotechnik ÖGG [79]. Feldversuche für Hebungsinjektionen können wertvolle Informationen zur Wirksamkeit der Injektionen liefern, vor allem wenn die Ausführung in Baugrundbedingungen erfolgen soll, in denen noch wenige Ausführungserfahrungen vorhanden sind. Es sind jedoch nur dann verwertbare Ergebnisse zu erzielen, die den Aufwand rechtfertigen, wenn die Abmessungen von Bauteilen, Baugrundverhältnisse und Tiefenlage der Injektionspunkte sowie Einwirkungen aus Bauwerken entsprechend den wirklichen Verhältnissen gewählt oder modelliert werden können.

9.7.5

Zusammenfassung

Das Hebungsinjektionsverfahren ist bei fast allen Bodenarten möglich und in der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 12715 [32] beschrieben. Hauptanwendungsgebiete sind das Anheben von Gebäuden, die bereits Setzungen erfahren haben und der aktive Setzungsausgleich bei Tunnelbauprojekten.

9

500

9 Baugrundverbesserung

9.8

Injektionen ohne Baugrundverdrängung

9.8.1 Einleitung In der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 12715 [32] sind die Injektionen ohne Baugrundverdrängung neben anderen Injektionsverfahren geregelt. Diese wird gerade überarbeitet, eine neue Fassung ist für 2019 zu erwarten. In dieser Norm sind Einzelheiten zu verschiedenen Verfahren, der Ausführung und der Qualitätskontrolle aufgeführt. Für die Festigkeitsermittlung des Injektionskörpers ist DIN 4093:2015-11 [28] zu beachten. Bei Injektionen ohne Baugrundverdrängung wird das Injektionsmittel in die im Boden vorhanden Poren oder Hohlräume eingebracht, um diese mit Injektionsgut zu füllen. Ziel ist es, das in den Poren vorhandene Gas bzw. Wasser mittels Suspension, Lösung, Polyurethan- oder Acrylatharzen oder anderen Mitteln teilweise oder vollständig zu verdrängen. Anwendbar sind Injektionen ohne Baugrundverdrängung in Lockergestein, Fels und Böden mit großen Hohlräumen. Dabei unterscheidet man aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsgebiete zwischen Poreninjektionen und Felsinjektionen bzw. Injektionen der vorhandenen Trennflächen. Poreninjektionen führen je nach verwendetem oder einsetzbarem Injektionsmittel zu einer Erhöhung der Festigkeit und Steifigkeit oder einer Reduzierung der Durchlässigkeit oder es werden beide Wirkungen erzielt. Eine alleinige Erhöhung der Festigkeit ohne gleichzeitige Reduzierung der Durchlässigkeit ist nicht möglich, da der für die Strömung von Grundwasser zur Verfügung stehende Porenraum verringert wird. Typische Anwendungen solcher Injektionen sind:

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– – – – – –

Unterfangungen Horizontale Abdichtungen als Dichtsohlen von Baugruben Verkittung riesel- oder fliessfähiger rolliger Böden Schleierinjektion unterhalb von Dämmen und Staumauern Kluftinjektionen im Fels Hohlraumverfüllungen in Karstgebirgen und Bergbaufolgelandschaften.

Felsinjektionen bzw. Injektionen vorhandener Trennflächen werden in den meisten Fällen mit dem Ziel ausgeführt, die Durchlässigkeit des Gebirges zu reduzieren, so z. B. im Bereich einer Sperrenstelle oder im Bereich vorhandener oder aufzufahrender Tunnel oder Stollen. Die erreichbare Reduzierung der Durchlässigkeit ist abhängig von Gestein, Trennflächensystem, Trennflächenabstände, Öffnungsweiten, ggf. vorhandene Füllung der Trennflächen, Strömung, Injektionsdruck, Injektionsmittel und möglicher Reichweite des Injektionsguts. Im Folgenden soll primär auf die Beschreibung der Verfahren und Geräte sowie den Entwurf und die Bemessung eingegangen werden. Ergänzend wird die Überwachung und Prüfung der Injektionen ohne Baugrundverdrängung behandelt. Die ersten Anwendungen und Entwicklungen dieser Injektionsverfahren erfolgten vor mehr als 200 Jahren im Berg- und Wasserbau, siehe Bild 9-35. Die geschichtliche Entwicklung wird im Folgenden nicht weiter ausgeführt werden, hierfür wird auf [60], [53] und [67] verwiesen, denen auch weitergehende Informationen zum Entwurf und der Ausführung entnommen werden können. Der Kommentar zur EN 12715 der Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik ÖGG [79] enthält ergänzende Hinweise zur europäischen Norm für Injektionen und fasst vorhandene Erfahrungen und Empfehlungen zusammen.

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

501

Einen Überblick über Felsinjektionen mit Zementsuspensionen gibt Stille in [90]. Hier werden u.a. die Eigenschaften von zementbasierten Injektionsmitteln, die Injektionsausbreitung in klüftigem Fels, das mögliche Aufreissen von Fels oder „hydraulic jacking“ und die Planung von Injektionen erläutert.

9.8.2

Verfahren und Geräte

9.8.2.1 Unterscheidung der Injektionsverfahren In der Literatur werden Unterscheidungen der einzelnen Injektionsverfahren nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen. Diese Einteilung kann nach [53] wie folgt vorgenommen werden: −









Unterscheidung nach dem zu injizierenden Baugrunds −

Boden bzw. Lockergestein



Fels



Hohlraum

Unterscheidung nach dem Ziel der Injektionsarbeiten −

Festigkeitserhöhung



Hohlraumverfüllung



Reduzierung der Durchlässigkeit

Unterscheidung nach der erforderlichen Wirksamkeit der Injektion −

temporär



permanent

Unterscheidung nach dem Prinzip der Injektion oder dem Injektionsverfahren −

Poreninjektion



Permeationsinjektion



Verdrängungsinjektion



Verdichtungsinjektion



Aufreissinjektion

Unterscheidung nach dem einzupressenden Injektionsgut

Meist kommen bei Poreninjektionen in Lockergestein Lösungen als Gele wie Weichgele und deren Weiterentwicklungen sowie Suspensionen auf Zementbasis oder Tonmehl zum Einsatz. Die Wahl des geeigneten Injektionsverfahrens erfolgt auf Basis der Baugrundeigenschaften, dem hierbei einsetzbaren Injektionsgut und dem Injektionsziel. Die einzelnen Injektionsmittel in Verbindung mit den einzelnen Injektionsverfahren und ihren Anwendungsgrenzen werden nachfolgend vorgestellt.

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502

9 Baugrundverbesserung

Bild 9-35 Erste Injektionsarbeiten zur Gründungsverstärkung eines Brückenpfeilers, ca. 1810

9.8.2.2 Wahl des Injektionsguts Injektionsgut für Poreninjektionen

9

Das Injektionsgut bei Poreninjektionen im Lockergestein ist auf die Größen der im Boden vorhandenen Poren abzustimmen, siehe Bild 9-36. Hierbei ist für das jeweilige Injektionsmittel die Grenzkornverteilungskurve angegeben, bis zu der ein Eindringen des gewählten Injektionsmittels in die vorhandenen Poren möglich ist. Bild 9-36 verdeutlicht, dass eine Poreninjektion – ohne Änderung der Bodenstruktur oder Aufreißen sogenannter Fracs – bei Einsatz von Lösungen, wie Weichgelen, deren Weiterentwicklungen und Silikatgelen, nur bis zu Mittelsanden möglich ist. Suspensionen auf Zementbasis können nur bei Kiesen mit einem maximalen Sandanteil von ca. 10% bis 20% angewendet werden. Böden mit einem Schluffanteil > 10% können auch mit Gelen oder Ultrafeinstzementen nicht mehr ausreichend homogen porenfüllend injiziert werden.

Bild 9-36 Eignung verschiedener Injektionsmittel für Poreninjektionen in Abhängigkeit von der Kornverteilung des anstehenden Bodens, Abb. Keller Grundbau

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

503

Schulze [87] hat zur Veranschaulichung der Porengrößen ein Verfahren entwickelt, um bei der bekannten Kornverteilungskurve eine Bodens die sogenannte Porenengstellenverteilung als Maß für die Injizierbarkeit zu ermitteln. Diese ist in Bild 9-37 dargestellt.

Bild 9-37 Siebkurve, Korngrößen- und Porenengstellenverteilung nach [87]

Einfachere Ansätze gehen davon aus, dass eine Injizierbarkeit des vorhandenen Lockergesteins mit einer Suspension möglich ist, wenn das Verhältnis an D15/d85  24 ist, d. h. dass der Korndurchmesser D15 des anstehenden Bodens bei 15% des Siebdurchgangs 24mal größer ist als der Korndurchmesser d85 bei 85% des Siebdurchganges des Bindemittels in der Suspension bzw. im Injektionsgut. Injektionsgut für Poreninjektionen Verwendet man für Poreninjektionen Suspensionen mit Bindemitteln, die eine höhere Festigkeit als der anstehende Boden erreichen, geht mit einer Reduzierung des Porenvolumens und der damit verbundenen Reduzierung der Durchlässigkeit immer eine Erhöhung von Steifigkeit und Scherfestigkeit einher. Dies ist anders, wenn für das Füllen des Porenraumes für eine reine Abdichtung ein sogenanntes Gel mit geringer Eigenfestigkeit verwendet wird. Suspensionen als Mischungen von Flüssigkeiten und Feststoffen bestehen meist aus Zement, Bentonit, Wasser und ggf. Füllern aus Steinmehlen und Zusatzstoffen. Der Wasserbindemittelwert w/b liegt für Injektionen für Zementsuspensionen üblicherweise zwischen 0,6 und 2,0 und bei bis zu 5,0 für Feinstzementsuspensionen. Bei Wasserbindemittelwerten w/b < 0,5 spricht man von Pasten. Wird Sand mit Korndurchmessern zwischen 0,1 und 3,0 mm im Verhältnis Zement : Sand = 1 : 2 hinzugefügt, spricht man von Mörteln. Solche Mörtel sind nur für die Injektion von großen Poren wie bei sandfreien Kiesen oder Steinschüttungen geeignet, siehe Bild 9-36. Feinstzemente haben eine Größe des Zementkorns von 15 bis 20 µm, Normalzemente von bis zu 100 µm. Für die Ausführung von Abdichtungen in Sanden hat sich die Verwendung von Weichgelen als Mischung von Wasserglas (Natriumsilicat) und Härtern bewährt. Hiermit lassen sich Dichtsohlen in auftriebsicherer Tiefenlage mit geringen Restwassermengen herstellen. Auf

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504

9 Baugrundverbesserung

die erforderliche Qualitätssicherung bei der Ausführung solcher Arbeiten wird hier nicht weiter eingegangen. Aufgrund der Umweltbelastungen aus den hohen pH-Werten (pH-Wert  13.0) dieser Weichgele erfolgten Entwicklungen umweltfreundlicherer Gele mit vergleichbaren Eigenschaften, die geringere pH-Werte aufweisen, wie z.B. Bauer-Silikatgel LWS mit einem pH-Wert < 10.5. Erfahrungen zur Ausführung von Dichtsohlen mit Gelen mit geringerem pH-Wert liegen vor, aufgrund des geringeren pH-Wertes des Injektionsguts sind Wechselwirkungen mit dem Boden und dem anstehenden und aus den Poren zu verdrängendem Grundwasser zu beachten und zu untersuchen. Die Ausbreitung und die Überlappung der einzelnen Injektionsbereiche zeigt Bild 9-38.

Bild 9-38 Freigelegte Bauer-Silikatgel-LWS-Injektionskörper, aus [7]

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Sogenannte Hartgele als Mischung aus Wasserglas und organischem Härter (Ester), die früher häufig zur Herstellung von verfestigten Bodenkubaturen für Unterfangungen eingesetzt wurden, finden heute aufgrund von Umweltauflagen keine Anwendung mehr. Dies hat zur Entwicklung und Verbreitung des Düsenstrahlverfahrens beigetragen. Als chemische Injektionsmittel stehen ferner Polyurethane bzw. Polyurethanharze (PU-Harz) zur Verfügung, die zunächst vor allem im Bergbau Verwendung fanden. Weitere Einzelheiten finden sich hierzu bei [55]. PU-Harze werden auch für Injektionen in Fels, in Übergangsgesteinen, weichem Fels und Lockergestein für Abdichtungen oder Verfestigungen verwendet, wenn Zementsuspensionen aufgrund der Öffnungsweite der Trennflächen oder Porengröße nicht eindringen können. PUHarze können ferner so eingestellt werden, dass sie bei Kontakt mit Wasser aufschäumen und verfestigen, so dass Abdichtungen auch bei fließendem Wasser ausgeführt werden können. Acrylatgele werden bei speziellen Anforderungen, wie Schleierinjektionen im Lockergestein eingesetzt und können wegen des hohen Penetrationsvermögens für das Füllen von Trennflächen mit geringen Öffnungsweiten auch bei Felsinjektionen im Tunnelbau angewendet werden. Bei Acrylatgelen handelt es sich um ein flüssiges Mehrkomponenteninjektionsmittel, meist bestehend aus einer (Meth)-Acylat-Lösung (AI-Komponente), einem Aktivator (AIIKomponente) sowie einem Härtersalz in Kombination mit Wasser (B-Komponente). Acrylatgele weisen im Gegensatz zu zementbasierten Injektionsmitteln nach dem Anmischen ein quasi Newton’sches Fließverhalten ohne Fließgrenze auf, wobei die Viskosität des ange-

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

505

mischten Materials, ähnlich wie bei PU-Harzen, zeitabhängig ist und bis zum Erhärten bzw. Gelieren unterschiedlich schnell ansteigt. Der Anstieg der Viskosität kann durch die Zusammensetzung und ggf. Zugabe von Verzögerern beeinflusst und eingestellt werden. In Bild 9-39 und Bild 9-40 sind nach [39] und [14] die zeitabhängigen Viskositätsverläufe für unterschiedliche wässrige kolloidale Suspensionen (silica sol) und Acrylatgele dargestellt.

Bild 9-39 und 9-40 Viskositätsverlauf in Abhängigkeit von der Zeit nach dem Anmischen für Silica sol [39] und Acrylatgele [14]

Polyurethane werden bei Lockergesteinen vor allem für die Abdichtung von Fehlstellen gegen strömendes Wasser eingesetzt, bei Betonkubaturen für die Behandlung von Rissen. Sie weisen i.d.R. höhere Viskositäten im Vergleich zu Acrylatgelen auf, haften auch an nassen Oberflächen, wobei sie hohe Zugfestigkeiten ausbilden können. Das Eindringverhalten von Polyurethanen in Risse, Trennflächen und Poren wird neben der Viskosität und Fließgrenze durch Benetzung, Trennflächenöffnungs- bzw. Rissweiten, Rauhigkeit von Oberflächen bestimmt. Bei geringen Durchlässigkeiten des anstehenden Baugrunds oder Felsens kann bei geringen effektiven Injektionsgutaufnahmen das Entlüften von Bohrlöchern notwendig werden. In der europäischen Ausführungsnorm für Injektionen DIN EN 12715 [32] und zugehörigen Kommentaren finden sich eher allgemeine Hinweise zu notwendigen Prüfungen zu Materialverhalten, Umweltverträglichkeit und Dauerhaftigkeit von chemischen Injektionsmitteln wie Polyurethanen und Acrylatgelen. Herstellerseitige Untersuchungen befassen sich mehr mit der Anwendung solcher Injektionsstoffe in Betonbauteilen. Hier sind weitere Untersuchungen notwendig, um die Anwendung der genannten Injektionsmittel auf Ergebnissen grundlegender Versuche besser abstützen zu können. Injektionsgut für Hohlraumverfüllungen Die Wahl des Injektionsguts für Hohlraumverfüllungen ist abhängig von der Art und Größe des zu verfüllenden Hohlraums. Die Möglichkeiten reichen von Suspensionen mit meist geringem Zementgehalt über Pasten und Mörtel bis hin zu Beton. Nur in seltenen Fällen werden hohe Anforderungen an die Festigkeit des Injektionsguts gestellt.

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9 Baugrundverbesserung

Injektionsgut für Felsinjektionen In Bezug auf Felsinjektionen ist die Wahl des geeigneten Injektionsguts stark von der Aufgabenstellung abhängig. Aufgrund einer großen Bandbreite der möglichen Aufgabenstellungen wird auf eine detaillierte Darstellung der unterschiedlichen Injektionsmittel und den zahlreichen Auswahlkriterien verzichtet. In Kapitel 5 „Permeation“ in [60], in der DIN EN 12715 [32], im Kommentar zur EN 12715 der ÖGG [79] finden sich Hinweise zur Auswahl des Injektionsguts in unterschiedlichen Baugrundarten, ebenso in [67].

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Bild 9-41 Hinweise für die Anwendung von Injektionsgut für unterschiedliche Baugrundarten, Tabelle 3 aus DIN EN 12715 [32]

9.8.2.3 Durchführung von Injektionen – Einbringen des Injektionsguts Das Injektionsgut kann mittels Manschettenrohren, über offene Bohrgestänge, Verrohrungen oder Rammlanzen in den Baugrund eingebracht werden. Die häufigsten werden nachfolgend beschrieben.

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

507

Manschettenrohre Manschettenrohre, auch tube à manchettes oder TAM genannt, werden je nach Aufgabenstellung aus Kunststoffen wie PVC oder Stahl hergestellt, weisen unterschiedliche Innendurchmesser und Wandstärken auf. Die Wahl des geeigneten Manschettenrohrs hängt u.a. von der Anzahl der durchzuführenden Injektionsdurchgänge ab. Sind nur ein oder zwei Durchgänge vorgesehen, kommen in der Regel Rohre aus PVC zum Einsatz. Ist eine größere Anzahl an Injektionsdurchgängen vorgesehen, werden Stahlmanschettenrohre verwendet. Die üblichen Durchmesser liegen unabhängig von Material zwischen 1“ und 2“. Zur Einbringung des Injektionsguts sind Manschettenrohre in regelmäßigen Abständen von 33 cm, 50 cm oder 100 cm mit Öffnungen zu versehen, die mit einer Abdichtung, z.B. Gummi, verschlossen sind. Diese Abdichtung verhindert das Eindringen von Flüssigkeiten wie Grundwasser oder Injektionsgut in das Rohr während der Injektion über ein anderes Ventil, siehe Bild 9-42. Einbringen der Manschettenrohre in den Baugrund Erfolgt die Injektion über Manschettenrohre, sind diese zunächst in den Boden einzubauen. Dies kann durch Bohren, Rütteln oder Rammen erfolgen, wobei die Wahl der Einbringungsmethode vom u.a. anstehenden Baugrund, weiteren Randbedingungen wie beispielsweise Nachbarbebauung, den Platzverhältnissen, Tiefenlage der zu injizierenden Bodenbereiche und den Einwirkungen auf die injizierten Bodenbereiche abhängt. In den durch eine Bohrung oder Rammung geschaffenen Hohlraum oder das Bohrgestänge einer verrohrten Bohrung werden die Manschettenrohre eingestellt. Der verbleibende Hohlraum oder Ringraum wird mit einer sogenannten Mantelmischung verfüllt, ein unverrohrtes Bohrloch wird während des Einbaus des Manschettenrohrs durch die vorab eingebrachte Mantelmischung gestützt. Die Mantelmischung soll das Fließen des Injektionsmaterials entlang des Bohrlochs verhindern und somit einen gezielten Eintrag des Injektionsguts in den zu behandelnden Baugrund sicherstellen. Die Festigkeitseigenschaften der Mantelmischung sind so zu wählen, dass ein Aufsprengen mit dem Injektionsgut oder Wasser zu Beginn des Injektionsvorgangs möglich ist. Die Mischung sollte darüber hinaus ausreichend schnell erhärten, sodass ein rascher Injektionsablauf möglich ist. Das mögliche Aufsprengen ist das maßgebende Kriterium. In der Regel liegt die Erhärtungsdauer der Mantelmischung zwischen einem und sechs Tagen. Nachdem die Mischung ausgehärtet ist, können die Injektionen ausgeführt werden. Erfolgt die Einbringung der Manschettenrohre über Bohrungen, können verschiedenen Bohrverfahren verwendet werden. Die Wahl eines geeigneten Verfahrens erfolgt in Abhängigkeit des anstehenden Baugrunds, der Bohrlänge, der erforderlichen Bohrgenauigkeit und Neigung der Bohrung zur Vertikalen und Horizontalen. Zusätzlich ist darauf zu achten, dass durch den Bohrvorgang das Eindringen des Injektionsguts in den umliegenden Boden nicht verschlechtert wird. Beim drehschlagbohrenden Bohren wird der umgebende Boden verdichtet, dadurch der Porenraum reduziert, ebenso die Porengröße. Dies kann das Injizieren des Injektionsguts erschweren – geringere Pumpraten zur Folge haben – oder das Injizieren verhindern. Vorteilhaft in Lockergesteinen sind Spülbohrungen. Für weitergehende Informationen zur Bohrtechnik wird auf das Kapitel „Bohrtechnik“ im Grundbautaschenbuch, Band 2, 7. Aufl., und auf Informationsmaterialien von Bohrgeräte- und Bohrwerkzeugherstellern verwiesen. Die Wahl eines geeigneten Packersystems ist abhängig vom anstehenden Boden, dem Injektionsziel, der Länge der Manschettenrohre sowie dem Material und Durchmesser des Manschettenrohrs. Einfach- und Doppelpacker sperren das Manschettenrohr oder unverrohrte Bohrloch (bei Fels- oder Betoninjektionen) nach unten oder nach oben und unten mittels ORingen oder mittels mechanisch, pneumatisch oder hydraulisch aufzuweitenden Absperrelementen aus Gummi ab. Bei Doppelpackern wird das Injektionsgut im Zwischenraum zwi-

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9 Baugrundverbesserung

schen beiden Packern in den Baugrund eingepresst. Einfachpacker schließen das Manschettenrohr nur nach oben bzw. zum Bohransatzpunkt ab. Mit Doppelpackern können einzelne Ventile gezielt beaufschlagt werden, bei Einfachpackern kann man nicht kontrollieren, durch welche Ventile das Injektionsgut in den Baugrund eindringt, sofern unterhalb des Packers mehrere Ventile vorhanden sind. Bei Injektionssohlen kommen statt der Manschettenrohre häufig Verpressleitungen mit Fußventilen, einzeln oder als zu Bündeln zusammengefasste Pakete zum Einsatz, siehe Bild 9-43. Diese Verpressleitungen werden bis zur Endtiefe in den Boden eingebracht, der Hohlraum zwischen Bohrlochwandung und Verpressleitung mit einer Mantelmischung verfüllt, um ein Austreten des Injektionsguts an die Oberfläche zu verhindern. Die Verpressleitungen können in verrohrte Bohrungen, ausgeführt mit verlorener Spitze, eingestellt werden oder mittels Rammen in den Baugrund eingebracht werden. Beim Zurückziehen der Werkzeuge wird das Bohr- oder Rammloch mit Mantelmischung verfüllt. Kommen mehrere Fußventile zum Einsatz, werden diese in unterschiedlichen Tieflagen eingebaut, um mehrere sandwichartig übereinanderliegende Injektionsschichten, ggf. mit unterschiedlichem Injektionsgut, herstellen zu können.

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Bild 9-42 Linke Seite: Manschettenrohr aus PVC, 1, mit O-Ringpacker, rechte Seite: Stahlmanschettenrohr, 2 mit Doppelpacker

Bild 9-43 Bündel mit Einpressleitungen und Fußventilen in unterschiedlichen Tiefenstufen für die Herstellung einer Abdichtungssohle, im Hintergrund eingebaute Einpressleitungen für die Herstellung einer Weichgelsohle

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

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Bild 9-44 Eingebaute Einpressleitungen mit Fußventilen für die Herstellung einer Bauer Silikatgel-LWS-Sohle, Abb. Bauer Spezialtiefbau GmbH

Injektionen über offene Bohrgestänge, Verrohrungen und Rammlanzen Injektionen können auch über offene Bohrgestänge, Verrohrungen und Rammlanzen ausgeführt werden. Diese Verfahren finden besonders in stark durchlässigen rolligen Böden Anwendung. Das Injektionsgut wird in der Regel unter Ziehen des Bohr- oder Rammgestänges in den Boden eingepresst. Durch Regulierung oder Begrenzung des Injektionsdrucks wird das Austreten des Injektionsmaterials an die Geländeoberfläche verhindert, eine Mantelmischung ist nicht vorhanden. Mit diesem Verfahren können Injektionen schneller und kostengünstiger als mit Manschettenrohren ausgeführt werden. Die Einbringtiefe ist im Vergleich zu über Bohrungen eingebrachten Manschettenrohren geringer, der maximale Injektionsdruck ist geringer, die Kontrolle von Verpressdruck und Menge schwieriger bzw. ungenauer, die erreichbare Homogenität des Injektionskörpers ist geringer. Dies sollte bei der Wahl des Injektionsverfahrens berücksichtigt werden, ist aber je nach Aufgabenstellung oftmals von untergeordneter Bedeutung. Dieses Verfahren wird häufig als sogenannter Rieselschutz oder im Vorwege von händischen Unterfangungen ausgeführt. Somit kann mit solchen Injektionen das Auslaufen von Rollkiesen beim Ausheben von Baugruben und Ausschachtungen verhindert werden. Injektionen im Tunnel Im Tunnelbau werden Injektionen oftmals zur Sicherung des Tunnelvortriebs ausgeführt, zur Stabilisierung des Baugrunds, Auffahren von Querschlägen, Reduzierung der Gefahr von Ausbläsern bei Hydroschildvortrieben oder Reduzierung des Druckluftverlusts. Bei Tunnelvortrieben im Fels werden Injektionen häufig zur Reduzierung der anfallenden Wassermenge ausgeführt. Die Injektionen können vorab von der Geländeoberkante, aus Schächten oder von Stollen sowie direkt von der Ortsbrust aus durchgeführt werden. Beim Vortreiben mit Tunnelbohrmaschinen sind entsprechende Injektionsvorrichtungen in der Planung und im Entwurf der Maschine vorzusehen. Weiteres ist u.a. in [65] ausgeführt.

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9 Baugrundverbesserung

9.8.2.4 Gerätetechnik Mischtechnik, Mischer und Vorratssilos Die Zement- und Bentonitsuspensionen werden überwiegend direkt auf der Baustelle mit geeigneten Mischern hergestellt. Hierbei muss ein ausreichendes Aufschließen des Injektionsguts über eine hohe Scherbeanspruchung durch den Mischvorgang und das Mischwerkzeug gewährleistet werden. Dies kann durch den Einsatz von Geräten mit einer hohen Umdrehungszahl von etwa 1.200 min-1 sichergestellt werden. Die Größe der Mischanlage richtet sich nach der zu verpressenden Menge Injektionsgut je Schicht oder für das gesamte Projekt. Angemischte Suspensionen werden zur Bevorratung in Vorratsbehältern umgepumpt. Hierbei ist darauf zu achten, dass keine Verschlechterung der Suspensionseigenschaften eintritt. Hierzu dienen u.a. Rührwerke. Bei der Verwendung von Gelen – Weichgele, LWS, Acrylatgele, Silicagel u.a. – als Injektionsgut ist die sogenannte Kipp- oder Topfzeit bzw. Zunahme der Viskosität nach dem Anmischen ein bedeutender Parameter. Das Material muss vor Erreichen der Kipp- oder Topfzeit verpresst werden, da bei Anstieg der Viskosität bei gleichbleibendem Verpressdruck kein weiteres Eindringen des Injektionsguts mehr erreicht werden kann. Bei Erreichen der Kippoder Topfzeit hat die Viskosität der Lösung durch die Gelbildung stark zugenommen. Der Anstieg der Viskosität ist hierbei produktabhängig und kann durch Mischungsverhältnisse und Verzögerer in produktabhängigen Grenzen eingestellt werden. Pumpen

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Zum Injizieren des Injektionsguts in den Boden kommen geeignete Pumpen zum Einsatz. Im Allgemeinen sind Pumpraten zwischen 3 l/min und 20 l/min, Einpressdrücke von 50 bar bis 70 bar sowie abzudeckende Druckspitzen von bis zu 100 bar zum Aufbrechen der Mantelmischung erforderlich. Je nach Anforderung können Kolbenpumpen, Schraubenförderpumpen oder sogenannte Injektionscontainer mit mehreren Kolbenpumpen eingesetzt werden. Die Wahl des geeigneten Pumpentyps ist u.a. abhängig von der Einpressrate, dem erforderlichen maximalen Druck bei hohen und niedrigen Einpressraten und dem eingesetzten Injektionsmaterial. Mit Kolbenpumpen sind geringe Einpressraten bei hohen Drücken möglich. Dies ist mit Schraubenförderpumpen nicht möglich, da hier bauartbedingt bei hohen Drücken keine Mindest- oder Sollpumprate eingestellt werden kann bzw. hohe Drücke nur bei hohen Pumpraten möglich sind. In einem Injektionscontainer sind drei bis acht Kolbenpumpen mit zugehörigem Vorratsbehälter eingebaut, die über eine installierte Steuerungs- und Registrierungseinrichtung effektiv vom Gerätefahrer bedient werden und überwacht werden können, siehe Bild 9-45.

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

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Bild 9-45 Blick in modernen Injektionscontainer, Abb. Keller Grundbau.

Für das Verpumpen von Mörtel, Pasten und betonähnlichem Injektionsgut werden meist Kolbenpumpen mit größeren Kolbendurchmessern verwendet, die auch für Beton geeignet sind. Für das Verpumpen und Mischen von Acrylatgelen und Polyurethanharzen stehen spezielle Dosier-, Misch- und Pumpstationen zur Verfügung. Bei Acrylatgelen und PU-Harzen erfolgt das Mischen der zwei bzw. drei Komponenten meist über einen sogenannten Mischkopf, der kurz vor Packer oder Bohrloch angeordnet ist. Als Injektionspumpen kommen meist Doppelkolbenpumpen zum Einsatz, mit denen über zwei parallel laufende Kolben zwei Injektionsgutkomponenten mit gleicher Pumprate bis zum Mischkopf gefördert werden.

9.8.3

Entwurf und Bemessung

9.8.3.1 Notwendige Baugrundinformationen Der Entwurf und die Ausführung von Injektionen ohne Baugrundverdrängung sind in der DIN EN 12715 [32] geregelt, im Einzelnen sind dies Injektionsziel, die Reichweite der Injektion sowie verschiedene Injektionsstrategien. Die Bemessung statisch beanspruchter Kubaturen, die mit Injektionen verfestigt werden, ist in der DIN 4093:2015-11 [28] geregelt. Grundlage für die Planung und Ausführung sind ausreichende Baugrunduntersuchungen mit Erfassung aller erforderlichen Baugrundinformationen. Ergänzend zur DIN EN 12715 [32] regelt die Norm VOB/C ATV DIN 18309 alle notwendigen Baugrundinformationen für den Entwurf und die Bemessung von Injektionen. Dabei sind im Allgemeinen folgende Parameter für Lockergesteine zu erfassen: −

Schichtenfolge



typische Kornverteilung



Durchlässigkeiten



Anisotropie der Durchlässigkeit kh/kv

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9 Baugrundverbesserung



Porosität und Porenzahl



Sättigungsgrad



Spezifische Oberfläche der Bodenschichten



Lagerungsdichte



Kornform



Verformbarkeit bzw. Steifigkeit



Grundwasserstand



Grundwassergradient



Chemische Parameter des anstehenden Grundwassers



Lage vorhandener Brunnen, Vorfluter, Kanäle und weitere Sparten

Die Qualität und der Umfang der durchzuführenden Baugrunduntersuchungen sind abhängig von den Anforderungen an die durchzuführenden Baugrundinjektionen. In einer mehrstufigen Baugrunduntersuchung können ggf. weitere Untersuchungen in Bezug auf die Injektionsarbeiten notwendig werden. Die Feinschichtung des Baugrunds kann großen Einfluss auf das Injektionsergebnis nehmen. Dies ist in Bild 9-46 schematisch dargestellt. Auf der rechten Seite dringt das Injektionsgut in die kiesigen Sande ein, die Porengrößen im schluffigen Sand sind zu klein. Somit entsteht kein homogener Injektionskörper wie auf der linken Seite dargestellt.

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Bild 9-46 Idealisiertes Bodenprofil, auf der linken Seite homogene Baugrundschicht mit gleichmäßiger Ausbreitung des Injektionskörpers; auf der rechten Seite schluffige Sandzwischenschichten, in die das Injektionsgut nicht eindringen kann.

Wird der injizierte Bodenkörper später vertikal durchströmt, sind für die rechte und linke Seite die gleichen Durchlässigkeiten oder Restwassermengen zu erwarten. Wird der Injektionskörper z.B. als abdichtender Lückenschluss zwischen zwei Bohrpfählen einer Baugru-

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

513

benumschliessung ausgeführt, wird der Injektionskörper horizontal durchströmt. In diesem Fall kann es abhängig vom Gradienten zu einem Wasserzutritt und infolge Erosion zu einem Materialeintrag in die Baugrube kommen. Bei geplanter horizontaler Durchströmung sind bei diesem Beispiel mehr Baugrundinformationen erforderlich wie bei einer vertikalen. Die Anforderungen an Baugrundinformationen sind für auszuführende Penetrationsinjektionen mindestens gleich, wenn nicht höher als bei anderen Injektionen oder dem DSVVerfahren, da die Feinschichtung des Bodens erheblichen Einfluss auf den erreichbaren Injektionserfolg hat. Dies wird in Projekten häufig anders umgesetzt. Bei Injektionsvorhaben in Fels sind Untersuchungen zum vorhandenen Trennflächensystem unerlässlich, z.B. durch Befahrung von Bohrungen mit Kamera oder Ultraschallgeräten. Hieraus können Informationen über die Orientierung und Lage, die Abstände, die Öffnungsweite sowie einer möglichen Füllung der Trennflächen gewonnen werden. In Bezug auf die Bestimmung der Transmissivität und Durchlässigkeit bzw. der vorhanden Strömungsgeschwindigkeit im Baugrund wird an dieser Stelle auf das Kapitel 4 in [60] verwiesen. Für die Bestimmung der Durchläsigkeit von Fels oberhalb des Bergwasserspiegels haben sich Gasabpressversuche bewährt. Bei Hohlraumverfüllungen wird die Erkundung möglicher Hohlräume in einem festzulegenden oder vorgegebenen Raster sehr häufig mit der unmittelbaren Verfüllung angetroffener Hohlräume kombiniert, d.h. wird bei der Bohrung für die Erkundung ein Hohlraum angetroffen, wird dieser sofort verfüllt. 9.8.3.2 Injektionsziele Der Entwurf muss auf Basis bekannter Entwurfsgrundsätze und der projektspezifischen Anforderungen sowie Baugrundeigenschaften erfolgen. Die zu erreichenden Injektionsziele und Kriterien zu ihrer Überprüfung sind im Rahmen der Planung festzulegen. Näheres hierzu ist in der DIN EN 12715 [32], 7.2. und auch in DIN 4093:2015-11 [28] geregelt. Als maßgebendes Kriterium für den Erfolg oder die Qualität einer Abdichtung mittels Injektionen werden häufig zulässige Restwassermengen vorgegeben oder vereinbart anstelle eines zu erreichenden Durchlässigkeitsbeiwerts des verbesserten Bodens. Dieser Wert basiert oftmals auf regionalen Erfahrungswerten, bei denen jedoch nicht immer alle Einflussgrößen wie Wasserspiegeldifferenz oder Gradient berücksichtigt werden. Die erreichte Abdichtung der Injektion wird bei Baugruben i.d.R. mit Pumpversuchen vor dem Aushub überprüft. Für den Entwurf des Injektionsziels anhand des Durchlässigkeitsbeiwerts sollte bei Weichgelsohlen in Sand in der Planung von einem erreichbaren k f-Wert von 5·10-7 m/s bis 10-6 m/s ausgegangen werden, auch wenn in Projekten geringere Durchlässigkeitsbeiwerte erreicht wurden. Die erreichbare Festigkeit in Lockergestein wird maßgebend vom Injektionsgut sowie der Kornverteilung, Lagerungsdichte und Feinschichtung des Baugrunds beeinflusst. Die Überprüfung der erreichten Festigkeit kann über eine Bohrkernentnahme mittels angepasster Bohrtechnik und einem einaxialen Druckfestigkeitsversuchs im Labor erfolgen. Weitere Erläuterungen zur Kernentnahme finden sich in Abschnitt 9.5.4. Als Obergrenze für die Verkittung mittels Injektionen erreichbare einaxiale Druckfestigkeit kann näherungsweise ein Bruchwert von 2.5 MPa angesetzt werden. Die Planung und Durchführung von Injektionsversuchen in Abhängigkeit vom Injektionsziel, der erforderlichen Qualität und Homogenität sowie unter Einbeziehung der Wichtigkeit der Injektionen für das Gesamtprojekt sind unumgänglich. Diese Anforderungen sind in den

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514

9 Baugrundverbesserung

entsprechenden Normen geregelt und von großer Bedeutung für den erreichbaren Injektionserfolg, vor allem dann, wenn keine Erfahrungen mit Injektionsarbeiten im anstehenden oder in vergleichbaren Baugrund vorliegen. Das Einfärben oder Markieren des Injektionsguts mit Stoffen wie Fluorescein, kann die Beurteilung der Ausbreitung und des Eindringens des Injektionsguts in Poren oder Trennflächen anhand von Kernbohrungen unterstützen. 9.8.3.3 Injektionsparameter und Reichweite der Injektionen Der Entwurf von Injektionsarbeiten schließt das Injektionsraster mit der Anordnung der Manschettenrohre und dem Abstand der einzelnen Ventile und Manschetten sowie die Festlegung der zu verwendenden Injektionsparameter wie max. Verpressmenge je Injektionspunkt bzw. Ventil für den einzelnen und den gesamten Injektionsvorgang und die dabei zu verwendenden Drücke und Pumpraten ein. Dies ist unter anderem in der DIN EN 12715 [32] geregelt. Die erzielbare Reichweite der Injektionen ist abhängig vom Baugrund, dem zu verwendenden Injektionsgut, der Tiefenlage des Injektionspunkts oder -ventils und den dabei zu verwendenden Injektionsparametern wie Durchflussmenge, Druck und geplante Gesamtmenge je Injektionspunkt. Die Reichweite von Injektionen mit Zementsuspensionen in dafür geeigneten Kiesen liegt zwischen ca. 0,5 m und ca. 1,0 m. Mit Gelen werden in Sanden Reichweiten in ähnlicher Größenordnung erreicht. Injektionsraster für Abdichtungen werden in der Regel als gleichseitiges Dreiecksraster ausgebildet, in gleichförmigen Sanden werden hierbei in Abhängigkeit der Lagerungsdichte und Tiefenlage der Sohle Flächen zwischen ca. 1,2 m² und 2,5 m² Grundfläche je Injektionspunkt erreicht. Bei größeren Bohr- oder Rammtiefen für den Einbau von Manschettenrohren oder Einpressleitungen mit Fußventilen, siehe Bild 9-43 und 9-44, ist der Einfluss von Bohrabweichungen zu berücksichtigen.

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Nachstehende Bandbreiten geben Erfahrungswerte für Verpressraten an, mit denen ein Aufreissen des Baugrunds verhindert und gleichzeitig eine große Reichweite erzielt werden sollen. Die projektbezogenen Parameter sind wie nachfolgend beschrieben festzulegen: −

Lockergestein: übliche Verpressraten zwischen 5 l/min und 20 l/min



Fels: Verpressraten bis zu 100 l/min, abhängig von der Öffnungsweite der Trennflächen und dem einzubringenden Injektionsgut



Hohlraumverfüllungen: Verpress- oder Pumprate in Abhängigkeit des zu verfüllenden Hohlraums und gegebenenfalls von den eingesetzten Geräten.

Für die Steuerung der Injektionsarbeiten sind die jeweiligen Maxima der Parameter wie Druck, Menge und Verpressrate sowie das weitere Vorgehen bei Erreichen eines Maximalwertes der o. g. Parameter festzulegen. Wird z. B. der maximale Druck erreicht, kann eine Reduzierung der Einpressrate zur Reduzierung eines erreichten Injektionsdrucks vorgesehen werden. Wird die maximale vorgesehene Injektionsmenge erreicht, kann nach Abschluss des ersten Injektionsdurchgangs und Auswertung der Ergebnisse ein zweiter Verpressvorgang auf der gleichen Einpressstufe oder eine Verdichtung des Injektionsrasters ausgeführt werden. Der maximale Verpressdruck wird hierbei üblicherweise auf 80% des Druckes festgelegt, bei dem im Baugrund während des Verpressvorganges Risse auftreten. Dieser Druck kann durch entsprechende Vorversuche im jeweiligen Baugrund ermittelt werden. Er ist unter anderem abhängig vom Überlagerungsdruck, gegebenenfalls vorhandenen Bauwerkslasten und einer geologischen Vorbelastung des Baugrundes. Die Rissentstehung kann anhand der Ver-

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

515

pressprotokollen festgestellt werden, so dass ein projektspezifischer maximaler Verpressdruck festgelegt werden kann. Ferner ist festzulegen, wie die Injektionsarbeiten bei Erreichen des maximalen Verpressdrucks fortgesetzt werden sollen. Durch eine Reduzierung der Einpressrate kann der erforderliche Verpressdruck reduziert werden. Eine häufige Regelung ist, den Einpressvorgang zu beenden, wenn das vorgegebene maximale Injektionsvolumen der Verpressstufe erreicht wird. Nach Auswertung aller Verpressstufen eines Injektionsdurchgangs werden dann die weiteren Injektionsschritte festgelegt. Mögliche Anpassungen der Injektionsarbeiten können die Ausführung eines zweiten Injektionsdurchgangs sein oder eine Verdichtung des Injektionsrasters, wenn die erforderliche Reichweite nicht erzielt wird. Nach [54] sollte bei Felsinjektionen der Verpressdruck je nach Baugrund nahe am maximal möglichen Injektionsdruck gewählt werden, um eine möglichst hohe Penetration des Injektionsmittels zu erreichen, wobei der maximale Injektionsdruck von der Gebirgsqualität und dem Überlagerungsdruck abhängt. In Bild 9-47 sind nach [100] die Injektionsdrücke für unterschiedliche Gebirgsqualitäten und Tiefen nach der Ausführungspraxis in den USA und Schweden dargestellt.

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Bild 9-47 Erfahrungswerte für den Injektionsdruck bei Felsinjektionen in Abhängigkeit des Überlagerungsdrucks und der Gebirgsqualität, nach [100].

Der Einfluss einer nach dem Anmischen des Injektionsguts zunehmenden Viskosität auf die Reichweite bei Felsinjektionen ist in Bild 9-48 für Silica Sol dargestellt [40].

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9 Baugrundverbesserung

Bild 9-48 Reichweite von Felsinjektionen mit Silica Sol in Abhängigkeit der Zunahme der Viskosität des Injektionsmittels nach dem Anmischen, nach [40].

Der Suspensionsverbrauch ist im Lockergestein bzw. Boden ist vor allem abhängig vom Porenanteil und in Fels abhängig vom Kluftabstand, der Kluftöffnungsweite und –füllung. Bei Poreninjektionen in dafür geeigneten Lockergesteinen liegt der Suspensionsverbrauch bei 25% bis 40% des behandelten Bodenvolumens, im Fels bei 0,5% bis 3,5% des injizierten Felsvolumens. Die mittlere Bohrlänge je m³ injiziertem Boden- oder Felsvolumen liegt häufig zwischen 0,25 bis 0,80 m/m³.

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Bei Suspensionen ist darauf zu achten, dass sie sich während des Verpressens nicht entmischen. Dies führt bei Engstellen zu einer Anlagerung der Feststoffe und einem Auspressen des Wassers. Eine Entmischung führt zu einer Reduzierung der Reichweite der Injektion. Bei Gelen ist die Kippzeit oder Topfzeit zu berücksichtigen. Das Injektionsgut muss verpresst sein, bevor ein die Ausbreitung verhindernder Anstieg der Viskosität erfolgt. Je nach Injektionsgut kann dieser Anstieg stetig oder mit einem starken Anstieg nach längerer konstanter Viskosität erfolgen. Die Umweltverträglichkeit des Injektionsguts ist vorab durch geeignete Versuche und Prüfzeugnisse nachzuweisen. Diese sind teilweise auch Bestandteil oder Voraussetzung von bauaufsichtlichen Zulassungen. 9.8.3.4 Injektionsstrategien Zur Planung der Reihenfolge der Injektionen sowohl innerhalb einer Bohrung oder eines Manschettenrohrs als auch innerhalb des zu bearbeitenden Baugrundvolumens stehen Erfahrungswerte und Empfehlungen zur Verfügung, die projektbezogen anzupassen sind. Zur Abfolge innerhalb einer Bohrung, eines Manschettenrohrs oder eines Bohrgestänges sind in der DIN EN 12715 [32], Tabelle 4, siehe Bild 9-49, zu Injektionsstrategien in Boden und Fels aufgeführt.

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9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

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Bild 9-49 Injektionsstrategien nach Tabelle 4, DIN EN 12715 [32]

Bei Injektionen zur Verfestigung werden die Injektionspunkte häufig im sogenannten Pilgerschrittverfahren beaufschlagt. Auf eine zunehmende Füllung vorhandener Poren durch die ersten oder primären Injektionen kann dann durch Auswertung der Parameteraufzeichnungen der zwischen den zuerst ausgeführten Injektionspunkten liegenden sekundären oder tertiären Injektionen z. B. anhand des Anstiegs des Injektionsdrucks, eines Rückgangs der Injektionsmenge und anderen Parametern geschlossen werden. Bei der Planung sind auch ggf. vorhandene natürliche Grundwasserströmungen, Grundwasserabsenkungen und Einbauten im Baugrund zu berücksichtigen, um eine ungewollte Verfrachtung von Injektionsgut zu minimieren oder zu verhindern. Ergänzend können vor der Durchführung der eigentlichen Injektionen umlaufend um das Injektionsfeld sogenannte Randinjektionen ausgeführt werden, die eine Ausbreitung des Injektionsguts über das zu bearbeitende Volumen hinaus begrenzen oder verhindern. Die Ausbreitung des Injektionsguts kann auch mit anderen Maßnahmen wie Verdichtungsinjektionen oder DSV-Elementen begrenzt werden. Bei Abdichtungsmaßnahmen gegen Grundwasser werden die Injektionen meist in Front ausgeführt, sodass ein Einschließen des verdrängten Porenwassers durch das Injektionsmittel verhindert wird. Bei diesem Verfahren ist zu berücksichtigen, dass das Porenwasser aufgrund der anisotropen Durchlässigkeit von Böden in horizontaler Richtung in der Regel einfacher als in vertikaler Richtung verdrängt werden kann. Bei der Herstellung von Dichtsohlen mit Gelen in kiesigen Sanden wird häufig über die oberste Injektionsstufe eine Bindemittelsuspension eingepresst, erst danach darunterliegend das Gel eingebracht. Mit diesen Injektionen werden größere Poren im Boden mit Suspension gefüllt. Der Boden im Bereich der Injektionen wird verdichtet, der Porenraum, der für eine Abdichtung mit Gel aufzufüllen ist, wird verringert. Als zusätzliche Maßnahme kann eine weitere Injektionsstufe darunter mit einer Bindemittelsuspension ausgeführt werden, die den Kontakt von Gel mit dem Grundwasser reduziert, wie dies bei Weichgelen oft angestrebt wird. Bei diesem Einbringungsverfahren ist die Höhenlage der Ventile auf die einzelnen Injektionsstufen abzustimmen. Die Höhenlage der einzelnen Manschettenrohre oder Verpressschlauchpakete ist beim Einbau zu kontrollieren. Für Felsinjektionen haben sich bis heute verschiedene Abbruchkriterien, wie z.B. die GINMethode (Grouting Intensity Number), ACG-Methode (Aperture Controlled Grouting) oder RTGC-Methode (Real Time Grouting Control) in der Praxis etabliert. In [41] werden die verschiedenen Abbruckkriterien analysiert und diese hinsichtlich ihrer zugrundeliegenden Theorie, als auch der praktischen Anwendung, mit Vor- und Nachteilen bewertet.

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9 Baugrundverbesserung

Forschungsvorhaben der letzten Jahre, speziell an der Entsorgungsorganisation SKB und der Technischen Hochschule Chalmers in Schweden führten zu analytischen Lösungen für die Injektionsausbreitung im Festgestein [43] sowie zu einem neuen Konzept der «Echtzeit Kontrollmethode für Injektionen» (RTGC) [64].

Überwachung und Prüfung 9.8.3.5 Abrechnung Der Aufwand und somit die Kosten für Injektionsarbeiten, neben dem Einbringen von Manschettenrohren o.ä., kann durch die nachfolgend aufgelisteten Hauptpositionen beschrieben werden. Unterschiedliche Aufnahmen des Injektionsguts, Pumpzeiten und erforderliche Umsetzvorgänge der Einpresseinrichtung können damit auch für inhomogene Baugrundverhältnisse erfasst, kalkuliert und vergütet werden. Soll eine Abrechnung von Injektionsarbeiten z. B. allein nach dem eingepressten Injektionsgut oder dem injizierten Bodenvolumen erfolgen, erfordert die Kalkulation des Aufwands ausreichend genaue Baugrundinformationen sowie eine detaillierte Planung. Weitere Hinweise zu Ausschreibung und Abrechnung enthält z.B. ATV DIN VOB/C 18309. Ausschreibung und Abrechnung von Injektionsarbeiten können nach folgenden Positionen erfolgen: – Injektionszeit bzw. Pumpzeit der zum Einsatz kommenden Pumpen – Injektionsmenge – Aufwand für das Einführen oder Anschließen und Versetzen der Einpresseinrichtung, wie z. B. Packer in Manschettenrohren.

9

Bild 9-50 Erfassen und Archivieren von Messwerten, Auswertung und Steuerung von Injektionsarbeiten mit Hilfe geeigneter Software

9.8 Injektionen ohne Baugrundverdrängung

519

9.8.3.6 Parameteraufzeichnung Die Überwachung und Prüfung von Injektionen ohne Baugrundverdrängung umfasst ein kontinuierliches Aufzeichnen der Injektionsparameter, eine Material- und Qualitätskontrolle. Hinzu kommen bei Injektionen zur Verfestigung indirekte Kontrollen zur Erreichung des Injektionsziels über die Verpressmenge und Festigkeit des eingesetzten Injektionsgutes. Mittels Registriereinheiten erfolgt eine Erfassung und Aufzeichnung der einzelnen Injektionsparameter wie Aufreissdruck der Mantelmischung, Einpressrate, Pumpendruck und Gesamtverpressmenge als Funktion über die Zeit für jeden einzelnen Verpresspunkt. Zur schnellen und übersichtlichen Analyse, Auswertung, Visualisierung und Steuerung der ermittelten Daten stehen geeignete Programme zur Verfügung wie Grout Control [63], siehe Bild 9-50. Mit Hilfe solcher Programme ist eine schnelle und übersichtliche Auswertung der Injektionsdaten und Parameter möglich und bei größerem Injektionsumfang unerlässlich. Das Auffinden auffälliger Injektionspunkte oder Bereiche, in den z.B. eine Verdichtung der Injektionen erforderlich ist, ist allein anhand der Auswertung von Mittelwerten o.ä. nicht möglich. 9.8.3.7 Kontrolle der Eigenschaften des Injektionsguts Je nach Injektionsgut werden nachfolgend aufgeführte Versuche ausgeführt, die auch in DIN EN 12715 [32] beschrieben sind: – – – – –

Dichtemessung, z. B. mit Hilfe des Aerometers Viskosität mit Viskosimeter oder Marsh-Trichter Bestimmung der Fließgrenze, z.B. mit Kugelharfe Absetzmaß oder Sedimentationsrate Bestimmung der Kippzeit sowie der zeitlichen Viskositätsentwicklung, vor allem bei Gelen und Harzen für unterschiedliche Temperaturen. Bauteil- und Baugrundtemperaturen sind meist niedriger als die Temperatur bei Ausführung von Laborversuchen. – Erhärtungsverhalten und einaxiale Druckfestigkeit nach z. B. 7, 14 und 28 Tagen. 9.8.3.8 Qualitätskontrolle sowie Abnahmekriterien Die Qualitätskontrolle der Injektionen erfolgt auf der Basis der Auswertung der ermittelten Injektionsparameter und ergänzenden Beobachtungen, Aufzeichnungen sowie Berichten der Ausführenden vor Ort. Bei Verfestigungskubaturen ist die erreichte Festigkeit nachzuweisen. Dies erfolgt üblicherweise an Bohrkernen, die mit Kernbohrungen aus dem verfestigten Körper gewonnen werden. Die Qualität der gewinnbaren Probe ist im besonderen Maß abhängig vom anstehenden Boden und dem erreichten Verfestigungsgrad. Das Gewinnen einer repräsentativen Kernprobe setzt den Einsatz dafür geeigneter Bohrverfahren voraus. Werden z.B. Kieskörner aus der Matrix gelöst, kann der Kern durch die Rotation zermahlen werden. Bei Abdichtungen wird das Injektionsziel einer ausreichend geringen Restwassermenge meist über einen Pumpversuch nachgewiesen. Bei Felsinjektionen kann der Nachweis des Eindringens des Injektionsguts in Trennflächen durch Kernbohrungen, unterstützt durch Kamerabefahrung der Bohrlöcher, Einfärben oder Markieren des Injektionsguts mit geeigneten Mitteln erfolgen. Bei Abdichtungsmaßnahmen werden häufig Abpressversuche ausgeführt. Liegt das zu untersuchende Felsvolumen

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9 Baugrundverbesserung

unterhalb des Bergwasserspiegels im gesättigten Bereich, erfolgt dies meist mit Wasser abpressversuchen, in teilgesättigtem Fels oder oberhalb des Bergwasserspiegels sind Gasabpressversuche geeignet. 9.8.3.9 Indirekte Kontrolle über Verpressmenge und Festigkeit des eingesetzten Injektionsgutes Mit Hilfe einer qualifizierten Überprüfung und Kontrolle der Herstellparameter kann auf eine gleichmäßige Injektion des behandelten Bodens geschlossen werden. Abweichungen von vorgegebenen Sollwerten mit festzulegenden Bandbreiten, die auch Hinweise auf Abweichungen des Baugrundaufbaus gegenüber den vorhandenen Baugrundinformationen geben können, werden frühzeitig festgestellt und können analysiert werden. Hierfür stehen neben anderen Kontrollen nachfolgende zur Verfügung: – Aufzeichnung und Auswertung der Herstellparameter einschließlich der Bohr- oder Rammarbeiten für das Einbringen von Manschettenrohren u. Ä. – Bohrwiderstand beim Durchbohren bereits injizierter Bereiche, z. B. bei einer absteigenden Injektion im Fels – Zunahme des Aufreißdrucks bei mehrfachem Injizieren am gleichen Injektionsort – Veränderung der Injektionsmengen bei Ausführung von Injektionen in Primär- Sekundärund ggf. Tertiärrastern – Auffinden von Injektionspunkten und Bereichen mit überdurchschnittlich großen Aufnahmemengen und daraus ggf. abzuleitende Zusatzmaßnahmen – Pumpversuch bei Dichtsohlen – Wasserabpressversuche bei Abdichtungsinjektionen in Boden oder Fels

9

Alternativ oder ergänzend zur Festigkeitsbestimmung an Kernen kann eine indirekte Kontrolle und Bewertung der erreichten Verfestigung über Verpressmenge und Festigkeit des eingesetzten Injektionsgutes erfolgen. Aus der Festigkeit des Injektionsguts, den Injektionsparametern und den Bodenparametern Scherfestigkeit und Steifigkeit wird auf die erreichte Festigkeit des injizierten Bodens geschlossen.

9.8.4

Zusammenfassung

Die in der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 12715 [32] geregelten Injektionsverfahren ohne Baugrundverdrängung werden in erster Linie zur Abdichtung oder Verfestigung rolliger bzw. nicht-bindiger Böden und klüftigem Fels verwendet. Bei der Ausführung in Lockergesteinen werden diese als Poreninjektion bezeichnet. Dazu gehören auch das Verfüllen von natürlichen oder künstlichen Hohlräumen im Baugrund. Die Wahl des Injektionsguts und des Injektionsverfahrens ist unter anderem abhängig vom Injektionsziel und dem anstehenden Baugrund. Die Injektionsverfahren sind in der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 12715 [32] beschrieben. Daraus ergibt sich ein breites Anwendungsspektrum für Injektionsverfahren ohne Baugrundverdrängung. Ausreichende Baugrundinformationen sind Voraussetzung für eine angepasste Planung und erfolgreiche Ausführung.

9.9 Tiefe Bodenvermörtelung

9.9

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Tiefe Bodenvermörtelung

9.9.1 Einleitung Im Kapitel „Tiefe Bodenvermörtelung“ wird nach einer Beschreibung von Verfahren und Geräten auf den Entwurf und die Bemessung schwerpunktmäßig eingegangen. Den Abschluss bildet ein Teil zur Überwachung und Prüfung. Die Anwendung der Tiefen Bodenvermörtelung erfolgt als Bodenverbesserung unter Gebäuden oder anderen Bauwerken, wie auch bei Grundbruch- und Geländebruchproblemen z. B. bei Dämmen, als Dichtwand im Wasserbau und zur Einkapselung von Schadstoffen im Boden. Die hauptsächlichen Ziele sind reduzierte Setzungen, vergrößerte Stabilität, vergrößerte Tragfähigkeit, Dämpfung von Erschütterungen, Verhinderung einer Verflüssigung und Verbesserung des Handlings ausgekofferten Bodens. Tabelle 9.2

Klassifizierung der Bodenvermörtelung nach a) Art des Bindemittels, b) Mischverfahren, c) Position der Mischstelle [60]

9

522

9 Baugrundverbesserung

Eine übersichtliche Darstellung der über 40-jährigen geschichtlichen Entwicklung befindet sich im Kapitel 9 von [76]. In der europäischen Ausführungsnorm DIN EN 14679 [34] ist die tiefe Bodenvermörtelung genormt. Hier sind Einzelheiten zu den verschiedenen Verfahren und zu der Ausführung und der Qualitätskontrolle geregelt. Auch das von der EU geförderte Projekt EuroSoilStab trägt zur Standardisierung mit dem Ziel bei, die Anwendungsmöglichkeiten der Mischverfahren auch auf organische Tone und Torfe auszudehnen. Das Forschungsprogramm umfasst die Bereiche Bodenuntersuchungen, Entwurf und Ausführung. Es wurde vom British Research Establishment veröffentlicht.

9.9.2

Verfahren und Geräte

Die unterschiedlichen Verfahren lassen sich nach Topolnicki in [76] wie in Tabelle 9.2 grafisch dargestellt klassifizieren. Die Tiefe Bodenvermörtelung (TBV) zur Baugrundverbesserung, international als „Deep Mixing Method“ (DMM) bekannt, kann grundsätzlich in zwei Verfahren unterteilt werden, wobei beide Verfahren unter Verwendung mechanischer Mischenergie ausgeführt werden. 9.9.2.1 Trockenmischverfahren

9

Bei dem Trockenmischverfahren, auch Trockenpulver-Einmisch-Technik (TET) genannt, wird der Boden mit trockenem Bindemittel, das üblicherweise aus einem Kalk-Zement-Gemisch besteht, unter Einsatz mechanischer Energie vermengt. Das Bindemittel wird im Trägergerät mit Druckluft gefördert und mit einem am Boden des Vorratsbehälters angebrachten Geber dosiert. Der Drucklufttank und der Behälter für das Bindemittel werden üblicherweise auf einem speziellen Shuttlefahrzeug hinter dem Trägergerät hergeführt, Bild 9-51. Das Shuttlefahrzeug pendelt regelmäßig zwischen der bis zu mehreren hundert Metern entfernten Mischstation und dem Trägergerät.

Bild 9-51 Gerät zur TET-Säulen Herstellung mit Shuttlefahrzeug rechts [88]

9.9 Tiefe Bodenvermörtelung

523

Zur Anwendung des Verfahrens in Europa sind die Geräte relativ leicht und mit breiten Ketten versehen, so dass sie eine Bodenpressung von nur ca. 35 kPa besitzen und damit auch auf sehr weichem Untergrund sicher bewegt werden können. Sie sind mit einem Mischwerkzeug so ausgerüstet, dass sehr weicher oder weicher Boden mit einer undrainierten Scherfestigkeit bis etwa 25 kPa (maximal 50 kPa) behandelt werden kann. Das Drehmoment bei 150 bis 180 U/min beträgt typischerweise ca. 7 kNm. Ziehgeschwindigkeiten variieren zwischen 15 und 25 mm pro Umdrehung. Dadurch werden Säulen mit einem Durchmesser zwischen 60 cm und 80 cm bis zu einer Tiefe von 25 m hergestellt. Die Säulen sind in der Regel vertikal, können aber auch mit einer Neigung von bis zu 1:4 ausgeführt werden.

Bild 9-52 Herstellungsverfahren von TET-Säulen [88]

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Bild 9-53 Mischwerkzeuge für das Trockenverfahren [60]

524

9 Baugrundverbesserung

Das TET-Herstellungsverfahren ist in Bild 9-52 dargestellt. Ein Mischwerkzeug wird zuerst in den Boden bis zum Säulenfuß eingedreht, wobei der anstehende Boden in seiner Struktur gelöst und ggf. zerkleinert wird. Beim Ziehen wird trockenes Bindemittel zugegeben und der Boden intensiv mit dem Bindemittel vermengt. Nachdem die Säulen teilweise oder ganz die geplante Steifigkeit erreicht haben, kann eine Auflast z. B. in Form einer Aufschüttung aufgebracht werden. Es kommen verschiedene Mischwerkzeuge zum Einsatz, wie auf dem Bild 9-53 zu sehen ist. 9.9.2.2 Nassmischverfahren Beim Nassmischverfahren (Deep Soil Mixing, DSM) wird in der Regel eine Suspension zum Mischkopf gepumpt und ebenfalls mechanisch über Mischwerkzeuge mit dem anstehenden Boden vermischt. Die Zusammensetzung und Dosierung der Suspension, sowie die Mischwerkzeuge und die Mischintensität können den Bodenverhältnissen angepasst werden. Ein Shuttlefahrzeug wird beim Nassmischverfahren nicht benötigt, da die Suspension direkt von der Mischstation zum Trägergerät gepumpt wird.

9

Bild 9-54 Mischwerkzeuge des Nassmischverfahrens mit Mischarmen [60]

Das Trägergerät hat in der Regel ein bis drei Mischwerkzeuge, die in den Boden mit einer Geschwindigkeit von 0,5–1,5 m/min eingebracht werden. Beim Herausziehen wird die Geschwindigkeit meist noch erhöht. Außerhalb Europas werden im Regelfall Großgeräte ver-

9.9 Tiefe Bodenvermörtelung

525

wendet, die Säulen mit einem Durchmesser von über einem Meter herstellen, während in Europa die Durchmesser zwischen 0,3 m und 0,9 m variieren. Die Maximaltiefe liegt bei etwa 25 m. Die Rotationsgeschwindigkeit beim Ziehen liegt nur bei 30 bis 50 U/min. Die Mischwerkzeuge sind sehr unterschiedlich und können entweder viele einzelne Arme (Bild 9-54) oder eine Schneckenform (Bild 9-55) besitzen. Die Suspension wird in der Regel nur ganz unten zugegeben. Die Werkzeuge der ersten Kategorie haben mehrere Mischarme, die alle die gleiche Länge haben, aber unterschiedlich geneigt sind um den Boden effektiv zu zerkleinern. Zusätzlich sind die Arme mit Hartmetallüberzügen und Zähnen ausgerüstet.

9

Bild 9-55 Mischwerkzeuge des Nassmischverfahrens mit Schneckenwindungen [60]

Dagegen sind die Werkzeuge der zweiten Kategorie mit durchgehenden oder unterbrochenen schneckenförmigen Windungen versehen. Hierbei sind überlappende oder sehr nah beieinander liegende Schnecken typisch, welche in unterschiedlichen Richtungen rotieren. Es existieren auch Kombinationen des im Unterkapitel 9.5 beschriebenen Düsenstrahlverfahrens und der Tiefen Bodenvermörtelung, auf die jedoch nicht näher eingegangen wird. Der Installationsprozess beim Nass- und auch beim Trockenmischverfahren kann unterschiedlich gewählt werden (siehe Bild 9-56). Das mechanische Eindringen kann entscheidend erschwert werden, wenn das Mischwerkzeug auf eine harte Schicht trifft oder wenn die Entwurfstiefe relativ groß ist. Durch Unterbrechungen in der Auf- und Abwärtsbewegung oder durch Vorbohren kann dieses erleichtert werden. Nachdem die Entwurfstiefe erreicht wurde, verbleibt das Mischwerkzeug etwa 0,5 bis 2 Minuten in dieser Tiefe. Oft wird noch eine kleine zusätzliche Auf- und Abbewegung von 0,5 bis 1 m eingeführt um einen hinreichenden Kontakt des Säulenfußes mit der harten Gründungsschicht zu gewährleisten (siehe Bild 9-56c). Auf jeden Fall sollte die Tiefe der Gründungsschicht durch eine verringerte Dreh-

526

9 Baugrundverbesserung

geschwindigkeit und ein verändertes Drehmoment verifiziert werden. Ein mehrmaliges gänzliches Herausziehen und Wiederversenken kann hilfreich sein, um die Säule innerhalb von Bodenschichten mit sehr unterschiedlichen Steifigkeiten und Eigenschaften zu homogenisieren (siehe Bild 9-56e). 9.9.2.3 Verfahrensdetails Bei dem Nassmischverfahren wird die Suspension mit dem Bindemittel in der Regel (fast) vollständig beim Eindringen zugegeben um das Mischwerkzeug zu schmieren und die Penetration zu erleichtern. Beim Trockenmischverfahren ist es umgekehrt.

Bild 9-56 Typische Installationsprozesse [76]

9

Generell ist mit mehreren Mischwerkzeugen eine bessere Homogenität je Zeiteinheit zu erreichen als mit nur einem Mischwerkzeug. Besonders Ton tendiert dazu, das Mischwerkzeug zu verkleben und zu dem sogenannten Korkenziehereffekt zu führen, siehe Bild 9-57.

Bild 9-57 Korkenziehereffekt im Ton [38]

9.9 Tiefe Bodenvermörtelung

527

Wenn ein einzelner Mischschaft vorhanden ist, kann man sich mit einem „freeblade“, also einem nicht rotierenden freien Arm behelfen. Das freeblade ist durch ein Lager von dem Werkzeug entkoppelt, steht durch seinen etwas größeren Durchmesser immer in der gleichen Position und führt zu einer Zwangsmischung zwischen freeblade und den darüber und darunter befindlichen Werkzeugarmen. Übrigens haben bei der Verwendung von mehreren Werkzeugen die als Abstandshalter dienenden Querstreben (siehe Bild 9-54) zwischen ihnen die gleiche Funktion. Die optimale Form und die Neigung der Werkzeugarme können nicht in jedem Boden gleich sein. In den nächsten Abschnitten werden Hinweise gegeben, wie das optimale Werkzeug aussehen sollte. Vorab ist wichtig zu wissen, dass man im Vergleich zum Nassmischverfahren beim Trockenmischverfahren intensiver mischen muss um die gleiche Homogenität zu erhalten. Die Aufgaben des Mischwerkzeugs sind es, beim Herunterfahren den Boden möglichst gut zu lösen und in kleine Stücke zu zerteilen, während man beim Herausziehen den Boden möglichst innig mit dem Bindemittel mischen und wieder verdichten muss. Für Letzteres sollte die Neigung der Arme so sein, dass das Material von außen nach innen und zusätzlich von oben nach unten gedrückt wird. Die Effektivität wird noch erhöht, wenn bei einem Werkzeug an verschiedenen Stellen vertikal, horizontal und geneigt gemischt wird. Dieses ist beim Standardwerkzeug für das Trockenverfahren der Fall, welches in Schluffen und Tonen benutzt wird, siehe Bild 9-53 oben. In Böden mit einer ausgeprägten Struktur, wie z. B. Torf, ist mehr Scherung erforderlich, weshalb ein Werkzeug mit möglichst vielen Armen besser geeignet ist, siehe Bild 9-53 unten. Die Anordnung der Injektionsdüsen hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Bindemittelzugabe beim Eindringen oder beim Herausziehen des Mischwerkzeugs erfolgt. Beim Trockenverfahren, bei dem das Bindemittel beim Herausziehen zugegeben wird, befindet sich die Öffnung des Zugabekanals weit oben am Werkzeug. Umgekehrt sind beim Nassmischverfahren die Düsen, bedingt durch die Materialzugabe beim Eindringen, ganz unten angeordnet. Die Mischintensität, die von einer bestimmten Anzahl von Mischarmen an einem einzelnen Mischschaft in einem Bodenkörper von 1m Höhe erzeugt wird, nennt man auch „blade rotation number“. Diese Zahl ist ein Maß für die Intensität der Mischung.

R R  T =  M   e + h   Ve Vh  mit

(9.10)

T = Mischintensität oder blade rotation number Summe M = Anzahl der Mischarme Re = Rotationsgeschwindigkeit beim Eindringen in U/min Ve = Geschwindigkeit beim Eindringen in m/min Rh = Rotationsgeschwindigkeit beim Herauffahren U/min Vh = Geschwindigkeit beim Herauffahren in m/min

Die Eingabegrößen hängen auch von der Richtung der Materialzugabe ab. Bei der Materialzugabe beim Eindringen sind die Formelterme mit Index e und h aktiv, während bei der Materialzugabe beim Herausziehen der Term mit Index e wegfällt, da der Boden beim Eindringen ohne Material gemischt wird. Zu beachten ist noch, dass ein Arm, der sich über den ganzen Durchmesser erstreckt, als zwei Arme gezählt wird. Für das Nassmischverfahren werden für Sande und Tone Mischintensitäten von T > 430 angegeben, während beim Trockenmischverfahren Werte 200 < T < 430 empfohlen werden.

9

528

9 Baugrundverbesserung

9.9.3

Entwurf und Bemessung

Der Entwurf und die Bemessung sind größtenteils empirisch und sie werden auch heute immer noch weiter entwickelt. Zuerst muss die Anwendbarkeit des Verfahrens geprüft werden. Das geschieht im einfachsten Fall mit Hilfe des Bildes 9-58.

Bild 9-58 Anwendungsgrenzen der Tiefen Bodenvermörtelung [38]

9

Weiter oben wurde bereits bildlich auf die Probleme im Ton hingewiesen, aber auch im Kies sind dem Verfahren durch großen Abrieb Grenzen gesetzt. Beispielhaft sei auf Bild 9-59 verwiesen, bei dem ein Werkzeug mit 60 cm Durchmesser verwendet wurde.

Bild 9-59 Lebensdauer eines Werkzeugs in Abhängigkeit vom Quarzgehalt des Bodens [38]

Generell muss zuerst ein Verfahren (nass oder trocken) gewählt werden, sowie die Festigkeit und Steifigkeit der Säule über die Bindemittelmischung und das Säulenraster.

9.9 Tiefe Bodenvermörtelung

529

9.9.3.1 Verfahrenswahl Ein Vergleich beider Verfahren wird in Tabelle 9.3 angestellt, nach [37]. Tabelle 9.3

Vergleich des Nass- und des Trockenmischverfahrens Nassmischverfahren

Trockenmischverfahren

Gewicht des Trägergeräts

groß, mehr als 50 t

mittel, 20 t – 35 t

Bindemittel

variabel

Kalk/Zement

Bindemittelmischung

Gemisch mit Wasser

trocken

Bindemittelgehalt (Vol %)

15 % – 35 %

3%–5%

Maximale Tiefe

ca. 25 m

ca. 25 m

Durchmesser des Mischkopfes

1m–3m

0,6 m – 1,0 m

Rotationsgeschwindigkeit

30 – 50 U/min

150 – 200 U/min

Eindringverhalten

sehr gut

begrenzt auf weiche Böden

Scherfestigkeitszunahme

bis zu 10 MN/qm

0,1 – 0,5 MN/qm

Als maßgebliche Unterschiede sind beim Trockenmischverfahren der reduzierte Bindemittelgehalt von nur 3% bis 5% und die hohe Rotationsgeschwindigkeit, die eine effektive und schnelle Mischung gewährleistet, hervorzuheben. Die Bindemittelmenge liegt beim Nassmischverfahren in der Regel bei 100–500 kg/m3 und beim Trockenmischverfahren bei 80– 240 kg/m3. Das TET-Verfahren ist besonders geeignet für sehr weiche Tone und Torfe mit Wassergehalten zwischen 60% und 200%, da in diesen Böden kein zusätzliches Wasser zum Abbinden des Materials in den Boden eingebracht werden muss. Das Nassverfahren hat in Tonen den Nachteil, dass eine große Menge an Überschussmaterial entsteht, da eine größere Bindemittelmenge verwendet wird. Die Scherfestigkeit kann durch die Wasserzugabe auch geringer sein. Das Trockenmischverfahren ist bei Frost durch die Verwendung von Druckluft besser geeignet und im Allgemeinen ist es wirtschaftlicher als das Nassmischverfahren. Werden Säulen mit großer Scherfestigkeit und Steifigkeit benötigt, ist gemäß Tabelle 9.3 das Nassmischverfahren zu wählen. Das Gleiche gilt, wenn Eindringprobleme des Werkzeugs zu erwarten sind. Die Homogenität der Säule über den Säulenquerschnitt ist beim Nassmischverfahren ebenfalls besser. Am Rande sei angemerkt, dass es bei beiden Verfahren der tiefen Bodenvermörtelung im Gegensatz zu anderen Verfahren, bei denen Trockenpulver mittels einer Schnecke eingebracht wird, nicht zu einer mangelhaften Säulenaushärtung kommen kann. Durch die Vermengung des Bodens mit dem Bindemittel muss man also nicht auf im Boden befindliches Wasser zur Hydratation eines größeren Säulenquerschnitts hoffen. 9.9.3.2 Trockenmischverfahren Die Entwurfsphilosophie beim TET-Verfahren ist ähnlich wie bei anderen Bodenverbesserungsverfahren – es wird ein stabilisierter Boden hergestellt, der mechanisch mit dem umgebenden nicht direkt stabilisierten Boden zusammenwirkt. Die aufgebrachten Lasten werden sowohl von dem mechanisch bearbeiteten, als auch von dem unverbesserten Boden abgetragen.

9

530

9 Baugrundverbesserung

Das TET-Verfahren wird bevorzugt zur Herstellung von halbfesten Stabilisierungssäulen eingesetzt, die zusammen mit dem umgebenden Boden ein Tragsystem bilden. Es soll ausdrücklich betont werden, dass es sich trotz der Verwendung von Zement durch die geringen Dosierungen nicht um pfahlartige Tragelemente handelt. Nicht die Tragfähigkeit der Einzelsäule ist für die Verbesserung entscheidend, sondern die Steifigkeitsverbesserung des Bodenpakets, welches auf Grund der Durchmengung mit dem Bindemittel entsteht. Dieses Entwurfkonzept steht im Gegensatz zu demjenigen für höherfeste Stabilisierungssäulen aus hydraulischem Bindemittel ohne Vermengung mit dem Baugrund, wie es in [26] beschrieben wird. Die Scherfestigkeiten in verschiedenen Böden werden in Bild 9-60 in Abhängigkeit der Bindemittelmenge und der Abbindezeit veranschaulicht.

9 Bild 9-60 Scherfestigkeiten mit dem TET-Verfahren in verschiedenen Böden [51]

Der Entwurfsprozess beginnt mit einfachen Laborprüfungen, bei denen die Festigkeitsentwicklung des Gemisches aus anstehendem Boden und Bindemittel mit verschiedenen Bindemittelanteilen und Bindemittelmengen geprüft wird [92]. Es wird anschließend ein Vergleich mit Prüfungsergebnissen von vorherigen Projekten, die in einer umfangreichen Datenbank archiviert sind, angestellt, um auf die Festigkeiten in situ zu schließen. Für größere Projekte wird eine Vorprüfung im Feld angestrebt, da sich diese Aufwendungen in der Regel schnell kompensieren, wenn man eine Optimierung des Bindemittelgehalts für das Gesamtprojekt erreichen kann. Angemerkt sei, dass sich die Durchlässigkeit des Bodens durch den Einbau der Säulen ändert. Wird nur Kalk eingebracht, erhöht sich die Durchlässigkeit, während beim Einbringen von Zement das Gegenteil der Fall ist.

9.9 Tiefe Bodenvermörtelung

531

In Verformungsberechnungen für das Gesamtsystem wird eine gemittelte Scherfestigkeit des Komposits Boden/Säulen angenommen, und wird dann als Bodenverbesserung nach [83] berechnet. In Skandinavien ist auch eine vereinfachte Abschätzung über die Säulen- bzw. die Rasterfläche gebräuchlich, die jedoch auf der unsicheren Seite liegen kann. Die Säulen werden im Normalfall mit einem Durchmesser von 60 cm ausgeführt und in den Verformungsabschätzungen berücksichtigt. Die Säulen können als Block- und Gitterelemente, Wände oder Einzelsäulen angeordnet werden, siehe Bild 9-61.

Bild 9-61 Mögliche Säulenanordnungen der TET-Säulen [88]

Für die Aufnahme größerer Lasten wird deren Abtragung über Block- oder Wandelemente vornehmlich in sehr weichem Boden empfohlen [61]. Einzelsäulen sollten genau wie bei Grundbruch- oder Geländebruchproblemen ausdrücklich nicht verwendet werden. Bei letztgenannten können sogar Wandelemente ein Risiko darstellen, falls sich der Boden dazwischen wandparallel bewegen kann. Gitteranordnungen sind hier besser geeignet. 9.9.3.3 Nassmischverfahren Der Entwurf beim Nassmischverfahren ist ähnlich wie beim Trockenmischverfahren. Die Kennwerte sind jedoch unterschiedlich, wie in der folgenden Tabelle 9.4 anhand von einaxialen Druckfestigkeiten und Durchlässigkeiten in Abhängigkeit des Zementgehalts dargestellt. Tabelle 9.4

Typische einaxiale Druckfestigkeiten und Durchlässigkeiten

Bodenart

Zementanteil α (kg/m3)

Einaxiale Druckfestigkeit (28 Tage) Quf (MPa)

Durchlässigkeit k (m/s)

Schlamm

250–400

0.1–0.4

1  10–8

Torf, organischer Schluff/Ton

150–350

0.2–1.2

5  10–9

Weicher Ton

150–300

0.5–1.7

5  10–9

Steifer Ton

120–300

0.7–2,5

5  10–9

Schluff und schluffiger Sand

120–300

1.0–3.0

1  10–8

Fein- und Mittelsand

120–300

1.5–5.0

5  10–8

Grobsand und Kies

120–250

3.0–7.0

1  10–7

9

532

9 Baugrundverbesserung

In manchen Tonen lässt sich die einaxiale Druckfestigkeit durch weitere Zementzugabe nicht mehr steigern. In diesen Fällen wird die Zugabe von Hochofenschlacken empfohlen. Zur Herstellung von Dichtwänden sollte etwas Bentonit zugegeben werden. Bei der Bemessung des Nassmischverfahrens ist die Tendenz zu beobachten, die Säulen immer steifer und fester zu dimensionieren, so dass diese im Extremfall sogar zur Gründung von schweren Brücken genutzt werden.

9.9.4

Überwachung und Prüfung

Die Überwachung und Prüfung ist gemäß der Euronorm DIN EN 14679 [34] auszuführen. Während des Produktionsprozesses sind typischerweise zu überwachen und dokumentieren: Bezeichnung und Position der Säule, Art des Mischwerkzeugs und Bindemittel, Vertikalität der Säule und Geländehebungen. Weiterhin werden die Zeitverläufe der Mischtiefe, Bindemittelmenge, Luft- bzw. Suspensionsdruck, Umdrehungsgeschwindigkeit, Versenk- und Ziehgeschwindigkeit und Drehmoment in der Regel kontinuierlich aufgezeichnet. Die Säulenqualität wird beim Nassverfahren oft mit Flüssigkeitsproben der frischen Säule aus verschiedenen Tiefen und mit Proben aus Kernbohrungen beurteilt. Durch Mikrorisse, die beim Bohren entstanden sind, kann es bei Kernbohrungen Probleme geben, weshalb nur spezielle Bohrverfahren und Probendurchmesser von mehr als 76 mm verwendet werden sollten. Die beste Kontrolle erhält man durch das Ausgraben oder Herausziehen von Einzelsäulen.

9

Beim TET-Verfahren ist wegen der geringen Festigkeit von Kernbohrungen und standardmäßigen Drucksondierungen abzuraten. Hier kommt entweder eine modifizierte Drucksondierung (SCPT) oder ein Ausziehwiderstandsversuch (PORT) in Frage, siehe Bild 9-62, [92].

Bild 9-62 SCPT und PORT-Versuch [88]

Um den gesamten Säulenquerschnitt zu testen, werden beim SCPT-Versuch an die Drucksonde Flügel angeschweißt und die Sonde dann von oben nach unten eingedrückt. Beim PORT-Versuch dagegen wird ein Flügel mit Hilfe eines Stahlseils von unten nach oben durch die Säule gezogen, wobei das Problem des Auswanderns des Flügels aus der Säule nicht auftritt, da der Flügel mit dem Stahlseil schon während der Herstellung durch das Hohlgestänge zentrisch installiert wurde. Die Eindrück- bzw. Ausziehkraft beider Versuche ist mit der

9.10 Stabilisierungssäulen (Rigid inclusions)

533

Scherfestigkeit etwa mit dem Faktor 10 bis 11 korreliert. Eine detaillierte Beschreibung der beiden Prüfmethoden befindet sich in [92]. Mit diesen Prüfungen können die in situ erzielten Steifigkeiten und die Berechnungsansätze überprüft werden. Direkte Probebelastungen, wie Plattendruckversuche auf Einzelsäulen oder Belastungstests von Säulengruppen, sind am genauesten, aber auch am teuersten und nur in Einzelfällen anzuraten.

9.9.5

Zusammenfassung

Die tiefe Bodenvermörtelung ist in der DIN EN 14679 [34] geregelt und in vielen Böden einsetzbar, z. B. als Bodenverbesserung unter Gebäuden oder anderen Bauwerken, bei Grundbruch- und Geländebruchproblemen, als Dichtwand oder zur Einkapselung von Schadstoffen im Boden. Zu unterscheiden ist nach dem Trocken- und dem Nassmischverfahren mit unterschiedlichen Geräten, unterschiedlicher Bemessung und Qualitätskontrolle.

9.10 Stabilisierungssäulen (Rigid inclusions) 9.10.1 Einleitung Stabilisierungssäulen, auch unter verschieden Markennamen wie CMC (controlled modulus columns), CSC (controlled stiffness columns), INSER, STA, oder STS bekannt, werden in Abhängigkeit von ihrem Durchmesser in unterschiedlichen Normen bzw. Richtlinien geregelt. Die europäische Ausführungsnorm DIN EN 12699 [31] umfasst die unterschiedlichen Verfahren von Vollverdrängungspfählen mit einem Durchmesser größer 15 cm, sowie die Ausführung und die Qualitätskontrolle. Für Säulen mit kleinerem Durchmesser findet [26] Anwendung. Allgemein beschreiben Stabilisierungssäulen pfahlartige Elemente mit kleinem Durchmesser, die aus Einbaumaterialien gefertigt werden und eine bedeutend höhere Steifigkeit aufweisen als der umgebende Boden. Maßgebend ist das Verhältnis der Steifigkeiten zwischen den pfahlähnlichen Elementen und dem Boden, welches hingegen vielfach außer Acht gelassen oder gar gänzlich ignoriert wird [106]. Der Grenzwert für Baugrundverbesserungsverfahren liegt bei einem Steifigkeitsverhältnis von ca. 40-50 zwischen Element und Boden. Im Allgemeinen wird durch die Einbringung einer grobkörnigen Lastverteilungsschicht eine unmittelbare Verbindung zwischen Element und Boden verhindert. Stabilisierungssäulen finden in erster Linien Anwendung, um Setzungen von Gründungen und großflächigen Bauwerken zu reduzieren. Im Folgenden soll primär auf die Beschreibung der Verfahren und Geräte sowie den Entwurf und die Bemessung eingegangen werden. Ergänzend wird die Überwachung und Prüfung der Baugrundverbesserung mittels Stabilisierungssäulen behandelt. Die in Frankreich beginnende geschichtliche Entwicklung ist ausführlich und übersichtlich im ersten Kapitel von [3] dargestellt.

9

534

9 Baugrundverbesserung

9.10.2 Verfahren und Geräte Allgemein sind Rigid inclusions unbewehrte Säulen aus Beton, Mörtel oder Suspension, die einen Durchmesser von 12-15 cm besitzen [26]. Teilweise werden auch Durchmesser bis zu 25 cm erreicht. In Säulen, die einen Durchmesser von über 25 cm besitzen, können Stahlbewehrungen in Form von Stäben oder Profilen eingebaut werden. In der Regel werden diese jedoch aus wirtschaftlichen Gründen ohne Bewehrung ausgeführt und nur vereinzelt, beispielsweise in Randbereichen mit Horizontallasten, mit Bewehrung versehen. Es wird bei dieser Art der Baugrundverbesserung eine Unterscheidung nach Herstellungsverfahren vorgenommen, woraufhin sich die Rigid inclusions in Vollverdrängersäulen mit kontrolliertem Modul und in Stabilisierungssäulen im Nassverfahren unterscheiden. Basis beider Verfahren bildet die Einbringung eines Vollverdrängerwerkzeugs in den Boden bis zur geplanten Endtiefe mit anschließendem Ziehen und gleichzeitiger Zugabe des Säulenmaterials. Nach Einhalten einer entsprechenden Erhärtungszeit ist die Säule belastbar. Eine Ausnahme in Bezug auf das Herstellungsverfahren bilden Hybridsäulen (Columns with Mixed Modulus, CMM), die aus zwei Teilen bestehen. Sie werden nur teilweise mit dem oben beschrieben Verfahren gefertigt. Die oberen 1-2 m unter Geländeoberkannte werden dahingegen als duktile Rüttelstopfsäule konstruiert. Dadurch können harte Auflagerpunkte unter der Fundamentplatte vermieden und die Nachgiebigkeit des Säulenkopfes während der Aushärtung des Säulenmaterials gewährleistet werden. Beim direkten Befahren der Arbeitsebene oder durch horizontale Belastung aufgrund von Erdbeben kann es somit zu keinerlei Beschädigung des Säulenkopfes kommen.

9

Ziel dieser Gründungsform ist eine Umlagerung der Lasten vom Boden auf die steiferen Stabilisierungsäulen. Diese Wirkungsweise wird in [26] nochmals näher beschrieben. Sowohl die Ausführung als „schwimmende“ Gründung, bei der die Säulen nicht in einen tragfähigen Horizont einbindet, als auch die „stehende“ Gründung mit einer Säulenendtiefe im Übergangsbereich zum tragfähigen Baugrund ist möglich. Zur Herstellung der Säulen kommen entweder Bohrwerkzeuge mit Vollverdrängung (siehe Bild 9-63) oder Aufsatzrüttler auf einem Verdrängungsrohr (siehe Bild 9-64) zum Einsatz.

Bild 9-63: Typisches Vollverdrängerbohrgerät für Stabilisierungssäulen

9.10 Stabilisierungssäulen (Rigid inclusions)

535

9

Bild 9-64: Typisches Verdrängungsrohr mit Aufsatzrüttler für Stabilisierungssäulen

9.10.3 Entwurf und Bemessung Der Entwurf und die Bemessung von Stabilisierungssäulen mit einem Durchmesser größer 15 cm ist allgemein nach der DIN 4014 bzw. DIN 1054:01-2005 [13], unter dem Ansatz von Anhaltswerten für Bohrpfähle, zu führen. Auf der Grundlage dieser Nachweisführung ergab sich, dass Säulen im Allgemeinen bewehrt auszuführen sind. Das Deutsche Institut für Bautechnik DIBt bestätigte dies im Jahr 2010. Nach der französischen Empfehlung [3] wird abweichend folgender Nachweis geführt [56]: Zunächst erfolgt eine Ermittlung der Lastverteilung des Systems ohne Stabilisierungssäulen (rigid inclusions) nach den üblichen Bemessungsverfahren für Gründungen und Böschungen. Werden die Nachweise der Stabilität gegen Grundbruch, Kippen, Gleiten oder Böschungsbruch im Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS) allein durch das System nicht erfüllt, sind die nachfolgenden Nachweise in den sogenannten „Bereich 1“ einzuordnen. Werden alle

536

9 Baugrundverbesserung

Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS) allein durch das System erfüllt, so können die Stabilisierungssäulen als Säulen zur Verformungsreduktion in Ansatz gebracht und in den „Bereich 2“ eingeordnet werden. Der „Bereich 1“ umfasst die Nachweise der äußeren Tragfähigkeit der Säulen unter der neutralen Ebene wie für Pfähle im Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS) und im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (SLS). Die innere Tragfähigkeit der Säulen wird durch eine Begrenzung der Druck- und Schubspannungen im Querschnitt im ULS und im SLS gewährleistet. Außerdem kann die günstigere Wirkungsweise der Säulen bei einem erneuten Tragfähigkeitsnachweis der Einzelfundamente berücksichtigt werden. Dies führt zu einem Ansetzen von reduzierten Lasten bei der zweiten Berechnung. Ergänzend ist die Verträglichkeit der berechneten Vertikal- und Horizontalverformungen am Gesamtsystem im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zu überprüfen. Ein Einsatz von Stabilisierungssäulen als Zugpfähle ist in der Praxis nicht üblich. Dennoch können im Querschnitt der Säulen Zugspannungen, aufgrund von Biegebeanspruchung, auftreten. Daher ist hier eine Bewehrung nach Eurocode 2 vorzusehen. Der „Bereich 2“ umfasst eine Betrachtung der Säulen als reine Setzungsbremse. Aus diesem Grund sind keine zusätzlich Nachweise in Bezug auf die äußere Tragfähigkeit der Stabilisierungssäulen zu führen. Diese Annahme steht im Gegensatz zu der Philosophie der KPPRichtlinie [45]. Die Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (SLS) zur Berücksichtigung der Verformungen sowie ein Nachweis der Inneren Tragfähigkeit der rigid inclusions sind ergänzend zu führen. Die aufgrund von Biegebeanspruchung möglichen Zugspannungen im Querschnitt müssen im „Bereich 2“ nur bei einem Überschreiten der charakteristischen Betonzugfestigkeit durch Bewehrung aufgenommen werden.

9

Nach [3] sind keine Schubkräfte in unbewehrten Querschnitten mit einem Säulendurchmesser kleiner als 30 cm zulässig. Diese Anforderung wurde in Anlehnung an die geringe innere Tragfähigkeit bei sehr kleinen Säulendurchmessern gestellt [106]. Zusätzlich werden in [3] ein Mindestdurchmesser für unbewehrte Säulen von 25 cm und der Nachweis der Knicksicherheit für kleine Durchmesser gefordert.

Bild 9-65: Tragsystem von Stabilisierungssäulen mit Spannungen und Setzungen

Entlang der Säulentragglieder des Systems tritt sowohl positive als auch negative Mantelreibung auf (siehe Bild 9-65), wobei die Bemessung der Entwurfslasten in Anlehnung an die Bruchlast erfolgt. Der Entwurf und die Planung dieser Tragsysteme sind stark von den anste-

9.10 Stabilisierungssäulen (Rigid inclusions)

537

henden Bodenparamatern sowie von den einwirkenden Lasten abhängig. Eine Änderung einer oder mehrere Einflussfaktoren kann zu einem Verlust der äußeren und inneren Tragfähigkeiten führen. Dies birgt ein erhebliches Risiko für das Bauwerk und wird in weichen Böden oder in Böden mit gering mächtigen Lastverteilungsschichten zusätzlich erhöht. Die Anwendung von Rechenmodellen, die auf der Annahme eines ausreichend duktilen Verhaltens des Baugrund-Bauwerk-Systems basieren, ist nach DIN 1045-1 und DIN EN 1992-11 nicht zulässig. Diese Regelung basiert auf der Definition eines ausreichend duktilen Verhaltens nach DIN 1054. Duktilität ist charakterisiert durch das Auftreten großer Verformungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Ist ein Bauteil nicht ausreichend duktil, führt das zu einem plötzlichen Bruch im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Besonders bei Säulen mit kontrolliertem Modul besteht dieses Risiko, da hier bereits bei der Bemessung nach [108] von teilweise gerissenen bzw. gebrochenen Säulen ausgegangen wird. Nach DIN 1045-1 ist daher der Ansatz der Betonzugspannungen bei unbewehrten Querschnitten sowie nach DIN EN 1992-11 die Berücksichtigung der Querkraft im Grenzzustand der Tragfähigkeit nicht zulässig. Die Anwendung von Standardberechnungsverfahren, welche beispielsweise bei anderen Baugrundverbesserungsverfahren zur Berechnung herangezogen werden, ist aktuell nicht zulässig. Grund dafür ist das geringere Sicherheitsniveau im Vergleich zur DIN 1054 bzw. DIN EN 1997-1. Auf dem Gebiet der Berechnung von rigid inclusions müssen gegenwärtig weitere Forschungen und Untersuchungen in Bezug auf eine Teilsicherheitserhöhung oder eine Einführung von Multiplikatoren in der DIN 1054 angestellt werden. Durch diese Maßnahmen sollen die bereits beschriebenen Risiken in Bezug auf die Bemessung von Stabilisierungssäulen minimiert werden. Allgemein ist zu ergänzen, dass diese Art der Baugrundverbesserung hinsichtlich der großen Komplexität der Bauwerk-Baugrund-Wirkungsweise stets in die geotechnische Kategorie GK3 einzuordnen ist.

9.10.4 Überwachung und Prüfung Die Überwachung und Prüfung von Stabilisierungssäulen umfasst je nach Säulendurchmesser eine Kontrolle gemäß DIN EN 12699 [31] für Verdrängungspfähle mit D > 15 cm oder eine Kontrolle nach [26] mit D < 15 cm. Die Anwendung der Beobachtungsmethode als Sicherheitsnachweis ist hier, aufgrund des möglichen schlagartigen Versagens bei mangelnder Duktilität, nicht zulässig (DIN 1054).

9.10.5 Zusammenfassung Ziel des in der Euronorm DIN EN 12699 [31] oder in [26] geregelte Tragsystem aus pfahlähnlichen Elementen ist eine Verbesserung der Tragwirkung durch eine Umlagerung der abzutragenden Lasten vom Boden auf die steiferen Säulenelemente. Stabilisierungssäulen sind in nahezu allen Böden anwendbar. Gleichwohl sind Anwendungsgrenzen in sehr weichen Böden zu berücksichtigen. Ein negativer Aspekt dieses Verfahrens bildet allerdings die innere Tragfähigkeit der Säulen, die besonders aufgrund von größeren Einflüssen der Herstellungsungenauigkeiten bei Säulen

9

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9 Baugrundverbesserung

mit kleinem Durchmesser gefährdet sein kann [11]. Diesbezüglich sollten auf Basis des aktuellen Wissenstands größere Sicherheiten für Säulen mit kleinem Durchmesser berücksichtigt werden.

9.11 Zusammenfassung Im Kapitel „Baugrundverbesserung“ im Spezialtiefbau wurde gezeigt, dass es neben den konventionell verwendeten Pfählen für Gründungen eine Vielzahl von kostengünstigeren Verfahren zur Verfügung stehen, die nicht allein bei Bauaufgaben für Gründungen eingesetzt werden können wie z.B. Injektionen und Düsenstrahlverfahren. Im Einzelnen wurde auf Vertikaldrains, Tiefenrüttelverfahren, Fallplattenverdichtung, Düsenstrahlverfahren, Verdichtungsinjektion, Hebungsinjektion, Injektionen ohne Baugrundverdrängung, Tiefe Bodenvermörtelung und Stabilisierungssäulen (Rigid Inclusions) eingegangen.

9.12 Literatur [1]

9

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9.12 Literatur

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9

9 Baugrundverbesserung

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9

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Danksagungen Für die Anregungen und die Korrektur der Unterkapitel danken wir recht herzlich M.Sc. Julian Braun , Dipl.-Ing. Jürgen Keil, Dipl.-Ing. Paul Pandrea, Dipl.-Ing. Heinz Priebe, Dr.-Ing. Wolfgang Sondermann, Dr. techn. Robert Thurner und Dipl.-Ing. Joachim Wranek.

9

10

Flachgründungen Karl Morgen und Sonja Seegert

10.1

Einführung

Flachgründungen übertragen die Lasten aus dem Bauwerk im Wesentlichen über eine in horizontaler Richtung ausgedehnte, ebene Gründungssohle in den Baugrund. Zu den Flachgründungen gehören – – – –

Einzelfundamente Streifenfundamente Fundamentroste und Fundamentplatten.

Flachgründungen binden mit geringer Tiefe in den Baugrund ein, so dass nahezu keine Einspannung in den Boden vorliegt. Bild 10-1 veranschaulicht den Lastabtrag von der Gründung in den Baugrund. Horizontale Lasten H werden über Reibung in der Bodenfläche und über den an der Stirnseite des Fundamentes mobilisierbaren Erdwiderstand abgetragen.

Bild 10-1 Statisches Gleichgewicht an einer Flachgründung

Vertikale Lasten V stehen mit der Resultierenden der Bodenpressung im Gleichgewicht. Auch Momente infolge von in Bezug zum Schwerpunkt der Sohlfläche exzentrisch angreifenden Lasten werden über die Bodenpressung aufgenommen. Dabei sind die Verformung des Tragwerks und die Verformung des Baugrundes miteinander gekoppelt. Bei der Bemessung ist es somit eine entscheidende Aufgabe, die Interaktion zwischen Boden und Bauwerk zutreffend zu beschreiben. Diesem Thema widmet sich der 2003 erschienene DIN Fachbericht 130 [10]. Einen Überblick über die Ursprünge und die Entwicklung der Modelle zur Beschreibung von Boden-Bauwerk-Interaktion findet man beispielsweise bei Klausel [20]. Für die Ausbreitung der an der Sohle auftretenden Spannung in die Tiefe und in die horizontale Richtung existieren für einfache Fälle analytische Lösungen. Eine grundlegende Arbeit ist die Berechnung der Spannungsverteilung unter einer konzentrierten Last auf einem elastischen, isotropen Halbraum, welche 1885 von Boussinesq [8] vorgestellt wurde. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_10

546

10 Flachgründungen

Die Gültigkeit der Modellvorstellungen, die den verschiedenen Ansätzen zu Grunde liegen, ist stets im konkreten Anwendungsfall zu überprüfen. Insbesondere ist die Idealisierung des Systems als statisches Modell und die Beschreibung von Systemsteifigkeiten und Anschlüssen von großer Bedeutung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die zutreffende Wahl der Bodenparameter, wobei zu beachten ist, ob diese als konstant angenommen werden können oder auf Grund von äußerer Einwirkung, z. B. Wasserzutritt, oder auf Grund von zeitlichen Prozessen variieren können. Eine enge Abstimmung mit dem Baugrundgutachter ist somit unerlässlich. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die bei der Bemessung von Flachgründungen erforderlichen Nachweise. Abschnitt 10.2.1 fasst Ansätze zur Beschreibung der BodenBauwerk-Interaktion zusammen und diskutiert Aspekte der praktischen Bemessung anhand von Beispielen. In Abschnitt 10.2.2 sind die im Grenzzustand der Tragfähigkeit zu führenden geotechnischen Nachweisverfahren erläutert, Abschnitt 10.2.3 macht Anmerkungen zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit. Abschließende Bemerkungen in Abschnitt 10.3 geben ergänzende Hinweise für Bemessungspraxis und Ausführung.

10.2

Bemessung von Flachgründungen

Die Bemessung beinhaltet den Nachweis der ausreichenden Tragfähigkeit des Baugrundes und des Gründungsbauteils selbst. Der Schwerpunkt des vorliegenden Kapitels liegt hierbei auf den geotechnischen Nachweisen. Die im Grenzzustand der Tragfähigkeit nach [18] zu führenden Nachweise folgen aus dem in Bild 10-1 dargestellten Lastabtrag und sind in Tabelle 10.1 aufgelistet. Mit dem Nachweis gegen Kippen wird das globale Gleichgewicht der Momente überprüft. Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit wird überprüft, ob keine klaffende Fuge auftritt. Der Nachweis gegen Gleiten gewährleistet die Einhaltung des Gleichgewichts der horizontalen Kräfte.

10

Tabelle 10.1 Übersicht über die geotechnischen Nachweise von Flachgründungen Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit

Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit

Kippen (EQU)

Klaffende Fuge

Gleiten (GEO-2)

Setzungen, Hebungen

Aufschwimmen (UPL)

Schiefstellung

Grundbruch (GEO-2)

Des Weiteren ist die Sicherheit gegen Materialversagen, also die innere Tragfähigkeit der Bauteile selbst, nachzuweisen. Hierfür muss die Verteilung des Sohldrucks bekannt sein. Berechnungsverfahren sind in Abschnitt 10.2.1 gezeigt. Die Ermittlung der Bodenpressung ist auf Grund der Interaktion eng an die Berechnung von Setzungen gekoppelt, welche im Rahmen des Grenzzustandes der Gebrauchstauglichkeit zu berücksichtigen sind. Unter vereinfachten Bedingungen können die Nachweise gegen Grundbruch und das Unterschreiten eines bestimmten Setzungsmaßes über die Einhaltung einer zulässigen Bodenpressung erbracht werden, siehe Abschnitt 10.2.4.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

547

10.2.1 Beschreibung der Boden-Bauwerk-Interaktion zur Ermittlung von Sohldruckverteilung und Setzungen Der Kontakt zwischen Bauwerk und Baugrund wird sowohl von der Steifigkeit des Gründungskörpers als auch von den Verformungseigenschaften des Baugrundes beeinflusst. Für die zutreffende Ermittlung von Spannungen und Verformungen und die hierauf aufbauende Bemessung ist die Berücksichtigung dieser Interaktion erforderlich. Verschiedene Modellvorstellungen zur Beschreibung der Kopplung von Boden und Baugrund sind bisher entwickelt und ermöglichen die Ableitung von Ansätzen zur Boden-Bauwerk Interaktion. Einen Überblick gibt Bild 10-2, die Verfahren sind in den folgenden Abschnitten kurz beschrieben. Spannungstrapezverfahren

Bettungsmodulverfahren

(a)

Steifemodulverfahren

(b)

Finite-ElementeGesamtmodell

(c)

(d)

Bild 10-2 Verfahren zur Beschreibung der Interaktion zwischen Bauwerk und Baugrund bei Flachgründungen

Hinsichtlich des Genauigkeitsgrades der Beschreibung der Interaktion formuliert der DIN Fachbericht 130 die in Tabelle 10.2 aufgelisteten vier Nachweisstufen N1 bis N4. Der Einfluss der Steifigkeit des Bauwerks ist umso geringer, je steifer die Gründung im Vergleich hierzu ist. Nur für setzungsunempfindliche Bauwerke wird eine Berechnung unter Vernachlässigung der Interaktion als ausreichend erachtet. Tabelle 10.2 Nachweisstufen nach DIN Fachbericht 130 [10] Nachweisstufe

Berücksichtigung der Baugrundverformung bei der Bemessung des Überbaus

Berücksichtigung der Steifigkeit des Überbaus bei der Setzungsermittlung

Setzungsunempfindliche Bauwerke

N1

keine

keine (schlaffer Überbau)

Setzungsempfindliche Bauwerke

N2

Ansatz als Zwangseinwirkung

keine (schlaffer Überbau)

N3

Ja

Ja

N4

wie N3, zusätzlich räumliche Verteilung der Steifigkeit

wie N3, zusätzlich räumliche Verteilung der Steifigkeit

10

548

10 Flachgründungen

10.2.1.1 Weitere Abstufung der Verfahren Der DIN Fachbericht unterscheidet die in Bild 10-2 genannten Modelle noch feiner, wie in Bild 10-3 gezeigt. Zusätzlich kennt der DIN FB 130 noch das Modell BM15, rotationssymmetrische Volumenelemente. Hierbei wird in der FEM-Formulierung die Rotationssymmetrie des Fundamentes ausgenutzt. Das Modell BM13 beinhaltet ein bilinear elastisches Materialmodell, welches den Einfluss einer Vorbelastung berücksichtigt. Berechnungsmodelle für Streifenfundamente und Fundamentplatten

Spannungstrapezverfahren BM1: Lineare Verteilung der Sohlpressung

Bettungsmodulverfahren BM2: Konstante Bettungsmoduln BM3: Knotenweise unterschiedliche Bettungsmoduln BM4: Berechnung mit iterativ verbesserten Bettungsmoduln

10

Steifemodulverfahren

Finite Elemente Methode

BM5: Berechnung für den elastischisotropen Halbraum

BM9/BM12: Lineare Elastizität

BM6: Iteration für beliebig geschichteten Baugrund BM7: Elimination für beliebig geschichteten Baugrund

BM10/BM13: Bilinear elastisches Verhalten BM11/BM14: Elasto-plastisches Verhalten

BM8: Steifemodulverfahren für die starre Platte

Bild 10-3 Zusammenfassung der Einteilung in Berechnungsmodelle für Streifenfundamente und Fundamentplatten nach DIN Fachbericht 130 [10]

10.2.1.2 Einfluss der Bauwerkssteifigkeit Der Einfluss der Steifigkeit des Bauwerks auf die Bodenpressung ist von zwei Grenzfällen gekennzeichnet, das ideal biegestarre Fundament und das ideal schlaffe Fundament mit verschwindender Biegesteifigkeit. Beim starren Gründungskörper sind die Spannungen am Rand des Fundamentes höher als im mittleren Bereich, wobei die rechnerisch ermittelten Spannungsspitzen auf Grund plastischer Verformung des Bodens in der Realität nicht auftreten. Die Sohlfläche bleibt bei Setzung eben. Beim ideal schlaffen Fundament wird die vertikale Belastung direkt übertragen. Es erfolgt keine Umlagerung und die Bodenpressung entspricht damit der Flächenlast.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

549

Als Maß für die Beurteilung der Wechselwirkung zwischen Baugrund und Tragwerk kann die Systemsteifigkeit verwendet werden, die für einen Balken mit Rechteckquerschnitt definiert ist zu 3

K=

1 EB  d  , 12 ES  L 

(10.1)

wobei EB der Elastizitätsmodul des Materials für die Gründung und E S der Steifemodul des Bodens ist, vgl. Bergmeister und Wörner [4]. Die Abmessungen d und L sind die Dicke und Länge des Fundamentbalkens. In Abhängigkeit der Systemsteifigkeit kann die in Tabelle 10.3 dargestellte Abgrenzung vorgenommen werden. Tabelle 10.3 Abgrenzung von Fundamenten anhand der Systemsteifigkeit von Balken, aus Betonkalender 2006, Teil 1, Bergmeister und Wörner [4] Systemsteifigkeit K

Einordnung

K > 0,100

starr

0,010 < K < 0,100

halbstarr

0,001 < K < 0,010

halbschlaff

K < 0,001

schlaff

Hinsichtlich der Ausbildung der Bauwerkssteifigkeit unterscheidet der DIN FB 130 das Widerstandsprinzip und das Ausweichprinzip. Aufbauend auf dem Widerstandsprinzip ist das Tragwerk möglichst steif auszubilden, um bei ungleichmäßigen Setzungen Verformungen innerhalb der Struktur zu vermindern. Die Anwendung des Ausweichprinzips folgt der Idee, das Tragwerk möglichst weich auszubilden damit Zwängungen spannungsfrei aufgenommen werden können. Der DIN FB 130 empfiehlt, das Bauwerk bei setzungsempfindlichem Untergrund möglichst steif zu konstruieren um Lastumlagerungen im Tragwerk zu nutzen. Dies hat jedoch zur Folge, dass hohe Beanspruchungen infolge Zwang entstehen, die bei der Tragwerksplanung zu berücksichtigen sind. Spannungstrapezverfahren Zu den einfachsten und ältesten Ansätzen gehört das Spannungstrapezverfahren. Das Verfahren ermittelt eine lineare Sohldruckverteilung, welche das Gleichgewicht von vertikalen Kräften und Momenten gewährleistet, vgl. Bild 10-2 (a). Die Verformungen des Bodens oder des Gründungskörpers werden nicht berücksichtigt. Der Sohldruck q kann berechnet werden mit

q=

M V My + x+ x y , A Iy Ix

(10.2)

10

550

10 Flachgründungen

wenn x- und y-Achse mit den Hauptachsen des Systems übereinstimmen. Dabei sind A die Grundfläche des Fundamentes und Ix und Iy die Flächenträgheitsmomente bezüglich der Hauptachsen. Gleichung (10.2) gilt für den Fall, dass das globale Moment keine Zugspannungen in der Gründungssohle erzeugt, also keine klaffende Fuge auftritt, vgl. auch Abschnitt 10.2.3. Das Spannungstrapezverfahren ist bei sehr steifen, näherungsweise starren Fundamenten anwendbar. Bettungsmodulverfahren Das Bettungsmodulverfahren geht von einer Beschreibung des Gründungskörpers als gebetteten Balken oder gebettete Platte aus. Das Spannungs-Verformungsverhalten des Bodens wird mit linear-elastischen Federn abgebildet, Bild 10-2 (b). Der Bettungsmodul entspricht der Steifigkeit der Federn, welche nicht miteinander gekoppelt sind. Die Annahme, dass die Setzung an einer Stelle dem dort wirkenden Sohldruck proportional ist, führt dazu, dass die Mitwirkung des umgebenden Bodens nicht erfasst wird. Eine gleichmäßige Belastung bewirkt daher – im Gegensatz zum Steifemodulverfahren – keine Setzungsmulde, sondern eine gleichmäßige vertikale Setzung eines Fundamentes, sofern dessen Biegesteifigkeit räumlich konstant ist. Die Lösung weist einen Sprung in der Verschiebung am Fundamentrand auf, welcher in der Realität in der Regel nicht auftritt, da der Boden eine endliche Schubsteifigkeit aufweist. In der Sohlfläche können keine Zugspannungen aufgenommen werden. Dies ist bei einer Berechnung mit dem Bettungsmodulverfahren zu überprüfen, sofern der Ausfall der Bettung auf Zug vom verwendeten Berechnungsprogramm nicht automatisch erfasst wird. In Bereichen, in denen die Berechnung Zugspannungen liefert, ist die Bettung nicht anzusetzen. Mit einer Begrenzung des Bettungsmoduls kann berücksichtigt werden, dass die Bodenpressung nicht beliebig ansteigen kann, sondern sich bei Erreichen einer bestimmten Spannung plastische Verformungen einstellen.

10

Das Bettungsmodulverfahren ist bei Balken und Platten anwendbar, deren Längenabmessungen groß im Vergleich zur Dicke der zusammendrückbaren Bodenschicht sind, oder bei großen konzentrierten Lasten, wenn keine räumlich ausgedehnte Mitwirkung des Bodens zu erwarten ist. Anwendungsbeispiele sind Rollfelder und Kranbahnen. Das Verfahren ist beispielsweise bei engen Stützenabständen weniger geeignet, da der gegenseitige Einfluss der konzentrierten Lasten nicht berücksichtigt wird. Wichtig für das Verständnis und die Anwendung des Verfahrens ist, dass der Bettungsmodul keine reine Bodeneigenschaft ist, sondern auch von den Steifigkeiten des Bauwerks abhängt. Im Allgemeinen ist der Bettungsmodul daher unter einer Gründung nicht konstant. Dementsprechend sind auch Verfahren entwickelt, die eine räumliche Variation des Bettungsmoduls berücksichtigen. Ein Ansatz wird im Folgenden vorgestellt.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

551

10.2.1.3 Bettungsmodulverfahren mit iterativer Verbesserung der Bettungsmoduln Eine zutreffendere Beschreibung der Interaktion mit dem Bettungsmodulverfahren gelingt, wenn man die Bettungsmoduln räumlich veränderlich wählt. Ahrens und Winselmann [1] schlagen ein entsprechendes Verfahren mit iterativer Verbesserung der Bettungsmoduln vor. Hierbei wird das System im ersten Schritt als gebetteter Balken bzw. gebettete Platte berechnet. Die resultierende Sohldruckverteilung wird als Belastung in einer Setzungsberechnung angesetzt. Die ermittelte Setzungsmulde wird mit der Biegelinie verglichen und die Bettungsmoduln KBj in weiteren Iterationsschritten so lange modifiziert bis die Biegelinie mit der Setzungsmulde übereinstimmt. Der Ablauf des Verfahrens ist in Bild 10-4 gezeigt.

Bild 10-4 Algorithmus beim Bettungsmodulverfahren mit iterativer Verbesserung der Bettungsmoduln nach Ahrens und Winselmann [1]

Ahrens und Winselmann nutzen verschiedene Verfahren zur Setzungsermittlung, unter anderem einen von Schleicher [25] entwickelten Ansatz. Auf Grundlage der Berechnung der Spannungsverteilung im elastischen Halbraum für eine Punktlast, welche von Boussinesq ermittelt wurde, berechnet Schleicher durch Integration die Verschiebungen unter verteilten Lasten für verschiedene Geometrien und Steifigkeiten. Er bestimmt die Setzung unter einer rechteckförmig verteilten schlaffen Last p in Abhängigkeit von den Koordinaten x und y zu s ( x, y ) =

 p (b − y ) ln C 

+(b + y ) ln

+(a − x) ln

+ ( a + x ) ln

( a − x )2 + ( b − y )2 + ( a − x ) ( a + x )2 + ( b − y )2 − ( a + x )

( a − x )2 + ( b + y )2 + ( a − x ) (10.3)

( a + x )2 + ( b + y )2 − ( a + x ) ( a − x )2 + ( b − y )2 + ( b − y ) ( a − x )2 + ( b + y )2 − ( b + y ) ( a + x )2 + ( b − y )2 + ( b − y ) 

.

( a + x )2 + ( b + y )2 − ( b + y ) 

10

552

10 Flachgründungen

Dabei ist C von der Dimension des Elastizitätsmoduls E und definiert mit

C=

m2 E mit m = 1/ und der Querdehnzahl  m2 − 1

()

Mit Gleichung (10.3) kann die Einheits-Setzung im Mittelpunkt eines Elements berechnet werden, die dann im Verlauf der Iteration nur noch mit der Last zu multiplizieren ist. Aus der Nachlaufrechnung ermittelt man im Element gemittelte Sohlpressungen. Auch ein Ausfall der Bettung auf Zug sowie eine Begrenzung der Bodenpressung können bei dem Verfahren auf einfachem Wege berücksichtigt werden. In der Praxis erfolgt der in Bild 10-4 gezeigte Iterationsalgorithmus oft zwischen Tragwerksplaner und Baugrundgutachter durch ein bis zwei ingenieurmäßig bewertete Iterationsstufen. 10.2.1.4 Wahl des Bettungsmoduls Bei der Ermittlung des Bettungsmoduls ist eine enge Abstimmung mit dem Baugrundgutachter erforderlich. Die Größe des Bettungsmoduls sollte stets an den vorliegenden Fall angepasst werden und Literaturwerte nicht ohne Prüfung übernommen werden. Fischer [15] fasst eine Auswahl von Ansätzen zur Abschätzung des Bettungsmoduls zusammen, siehe Tabelle 10.4. Da der Bettungsmodul auch von der Steifigkeit des Bauwerks selbst abhängt, ist es im Allgemeinen erforderlich, den Bettungsmodul für die Berechnung der einzelnen Bauteile eines Bauwerks verschieden zu wählen, obwohl die gleichen Bodeneigenschaften vorliegen. So sollte beispielsweise der Bettungsmodul, der für die Bemessung einer Sohlplatte ermittelt wurde nicht ohne Prüfung für die Berechnung einer benachbarten Spundwand übernommen werden. Beispiele für die Anwendung des Bettungsmodulverfahrens sind in Abschnitt 10.2.1.6 und 10.2.1.7 gezeigt. 10.2.1.5 Steifemodulverfahren

10

Der vereinfachte Ansatz nach dem Bettungsmodulverfahren mit konstantem Bettungsmodul beschreibt die Interaktion zwischen Gründung und Baugrund nicht zutreffend, da die Setzung an einer beliebigen Stelle der Baugrundsohle in Wirklichkeit nicht nur von dem Sohldruck an dieser Stelle, sondern auch von den benachbarten Spannungen und somit von der gesamten Sohldruckverteilung abhängt. Nimmt man an, dass das Fundament an jeder Stelle auf dem Baugrund aufliegt, so muss die Verformung des Untergrundes der Biegelinie des aufliegenden Gründungsbauteils entsprechen. Die Nutzung dieser Kopplungsbedingung ist auch die Grundidee des in Abschnitt 10.2.1.2 vorgestellten modifizierten Bettungsmodulverfahrens nach Ahrens und Winselmann [1]. Das Steifemodulverfahren (auch Steifezifferverfahren) berücksichtigt die Mitwirkung von Bereichen außerhalb der Gründung beim Lastabtrag, so dass eine örtliche Belastung Verformungen im gesamten Halbraum verursacht, siehe Bild 10-2 (c). Ein Berechnungsverfahren wurde 1942 von Ohde [24] vorgestellt, bei welchem die Dreimomentengleichung für den durchlaufenden Träger genutzt wird, Bild 10-5. Die Kopplungsbedingung, dass die Setzung der Durchbiegung des Gründungsbauteils entsprechen muss, wird in den Elementmittelpunkten erfüllt.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

553

Tabelle 10.4 Übersicht über Ansätze zur Abschätzung des Bettungsmoduls, aus Fischer [15] Quelle

Bettungsmodul

DIN 4018/DIN 4019

ks 

Kögler/ Scheidig (1938)

quadr. Fundament Streifen

unendl. langer Streifen Dimitrov (1955)

f = Setzungsbeiwert

Es f b

ks = Es 

l + 2h l h

ks = 2  Es 

ks =

Definitionen und Beiwerte

1 b + 2h b  ln b

Es h

ks =  

mit l>b

Es (1 +  ²)  b

Sand und Kies:  = 0,125 bis 0,50

l/b (–)

1,0

1,5

2,0

3,0

5,0

10

20

30

50

p (–)

1,05 0,87 0,78 0,66 0,54 0,45 0,39 0,33 0,3

Ton:  = 0,20 bis 0,40

De Beer in Hahn (1981) Terzaghi (1955)

ks = 1,33  Sand

Ton

Es 3

b²  l

 b + 30  ks = k0     2b 

2

30 l / b + 0,5  b 1,5  l / b l =  : ks = k0  20 / b l = b : ks = k0  30 / b k s = k0 

Wichte 

(kN/m³)

13

16

19

k0 trocken und feucht

(MN/m³)

13

40

160

unter Auftrieb

(MN/m³)

8

25

100

einaxiale Druckfestigkeit

(kN/m³)

steif sehr steif 100–200 200–450

hart >450

k0

(MN/m³)

100

50

25

b/l

(–)

1

1/2

1/4

f

(–)

0,45

0,42

0,35

mit b in cm

Rausch (1969)

ks =

Jaky (1944)

ks =

E f F

; F = b  l (m²)

2 Es  3 b 2 E ks =  3 z

Gibson (1967)

Der Steifemodul Es ist der Quotient aus Spannungsänderung und auf die Höhe eines Volumenelementes bezogene Zusammendrückung im einachsigen Formänderungszustand

Es =

Δ . Δs

(10.5)

10

554

10 Flachgründungen

Bei linear-elastischem, isotropen Materialverhalten sind Steifemodul bei verhinderter Seitendehnung (wie im Ödometerversuch) und Elastizitätsmodul über die Querdehnzahl gekoppelt mit

E = Es 

1 − − 2 2 . 1 −

(10.6)

Das Steifemodulverfahren findet häufig Anwendung bei Gründungsplatten unter Hoch- und Industriebauten, wenn Lasten in relativ geringem Abstand auftreten und ihre gegenseitige Beeinflussung zu berücksichtigen ist. Die maßgebenden Materialparameter für die Anwendung des Steifemodulverfahrens sind die Querdehnzahl  und der Elastizitätsmodul des Bodens E. Häufig akzeptieren Programme auch die Eingabe des Steifemoduls selbst, welcher mit der Querdehnzahl entsprechend umgerechnet wird. Möglichkeiten zur Ermittlung des Steifemoduls sind – – – –

Rückrechnung von gemessenen Setzungen In-situ-Messungen, z. B. mit Seitendrucksonde, Pressiometer oder Flach-Dilatometer Probebelastungen Laborversuche: Kompressions- und Triaxialversuch, Ableitung aus Druck- Setzungsdiagrammen – Korrelation mit Ergebnissen von Feldversuchen, z. B. Drucksondierungen und Rammsondierungen – Verwendung tabellierter Bodenkennwerte, vor allem für Voruntersuchungen. Während im Ödometerversuch die seitliche Verschiebung verhindert ist, ist sie im Boden eingeschränkt möglich. Der Steifemodul im Feld wird daher vom im Labor ermittelten Wert abweichen.

10

Bild 10-5 Steifemodulverfahren nach Ohde [24]

10.2 Bemessung von Flachgründungen

555

10.2.1.6 Finite-Elemente-Methode Die Finite-Elemente-Methode (FEM) gehört zu den verbreitetesten Verfahren in der Strukturmechanik. Besonders bei komplexen Geometrien und unterschiedlichen Randbedingungen bietet die Anwendung der FEM Vorteile. Einige Beispielrechnungen von Flachgründungen zeigt der DIN Fachbericht 130 [10] und vergleicht die Ergebnisse für unterschiedliche statische Systeme und Bodenprofile. Verschiedene Elementformulierungen und Ansätze zur Beschreibung von Werkstoffen sind bisher entwickelt, einen Überblick geben unter anderem Bathe [3] sowie Dinkler und Ahrens [9]. Zunehmend erfolgt auch die Modellierung des gesamten Tragwerks mit Finiten Elementen, hierbei ist besonderes Augenmerk auf die Kopplung der verschiedenen Elementtypen zu legen. Bischoff [5] diskutiert verschiedene Fehlerquellen, die in der Praxis auftreten können. Barth und Margraf [2] vergleichen Modelle anhand der Berechnung von Fundamentplatten mit der FEM. Mit einem integralen Modell ist es möglich, sowohl Fundament und aufgehendes Bauwerk als auch den Baugrund mit Finiten Elementen zu beschreiben, Bild 10-2 (d). Der Kontakt zwischen Fundament und Boden, also die Kopplung der im Allgemeinen verschiedenen Elementtypen, muss hierbei ebenfalls zutreffend beschrieben werden. Von großer Bedeutung ist das Materialmodell, welches für die betreffenden Baustoffe und den Boden verwendet wird. Für einen Überblick über Stoffgesetze für Böden und granulare Materialien sei unter anderem auf Kolymbas und Herle [21], Muir Wood [23] sowie auf die Veröffentlichungen der Mitglieder des Netzwerkes ALERT Geomaterials (http://alert.epfl.ch) verwiesen. Bei der Anwendung sogenannter höherwertiger Stoffmodelle ist stets auf eine Validierung und Verifikation des verwendeten Modells zu achten. Dies kann anhand von Laborversuchen, Benchmarks aus der Literatur und Ergebnissen aus Messungen vor Ort erfolgen. Allgemein gilt, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Elementtyps oder eines Materialmodells stets im Einzelfall zu überprüfen ist. 10.2.1.7 Praxis-Beispiel 1: Flachgründung eines Silos Anhand der Fundamentplatte eines Silos wird die Bemessung einer Flachgründung mit dem Bettungsmodulverfahren bei Ansatz örtlich veränderlicher Bettungsmoduln gezeigt. Der Silo wird zur Lagerung von Zucker genutzt und weist ein Fassungsvermögen von 60.000 t auf. Eine Kreiszylinderschale mit einem Innendurchmesser von 44 m, einer Höhe von 46 m und einer Wandstärke von 40 cm bildet die Silowand. Auf Grund des Befüllens und Entleerens ist mit Setzungen und Hebungen zu rechnen. Die Silowand ist mit versetzt angeordneten Spanngliedern in horizontaler Richtung vorgespannt, wobei die einzelnen Spannglieder im Grundriss jeweils einen Halbkreis umfassen. Vier Lisenen ermöglichen die Aufnahme der Spanngliedanker, in diesem Bereich ist die Wand auf eine Dicke von 80 cm verstärkt. Unterhalb der Sohle ist ein Abzugskanal vorgesehen, seitlich schließen ein Elevatorturm und ein Betriebsgebäude an, siehe auch Bild 10-6. Die Bemessung des Silos erfolgt mit dem Finite-Elemente-Programm SOFiSTiK [27]. Die Sohlplatte wird als elastisch gebettete Platte modelliert, wobei der Bettungsmodul in Abhängigkeit der Steifigkeit des Bauwerks und der Bodeneigenschaften örtlich veränderlich angesetzt wird. Zu beachten ist hierbei die im Vergleich zur Schale und zur Sohlplatte relativ hohe Steifigkeit von Elevatorturm und Abzugskanal.

10

556

10 Flachgründungen

Tabelle 10.5 Übersicht über untersuchte Bettungssituationen, Schnitt A-A und Schnitt B-B Nr.

Schnitt

Skizze

Setzungsdifferenz aus Bodeninhomogenität

Waagerechte Sohlfläche, keine Setzungsdifferenzen

2

Muldenlagerung, Setzung der Sohlplatten-Mitte um 2,5 cm relativ zum Rand

3

Schnitt B-B

1

Kuppenlagerung, Setzung des Sohlplatten-Randes um 2,5 cm relativ zur Mitte

4

Schiefstellung auf Grund einer Setzung um 5 cm am rechten Rand

5

Schiefstellung auf Grund einer Setzung um 5 cm am linken Rand

6

Schiefstellung auf Grund einer Setzung um 5 cm am rechten Rand Schnitt A-A

10

7

Schiefstellung auf Grund einer Setzung um 5 cm am linken Rand

10.2 Bemessung von Flachgründungen

557

Grundlage für die Ermittlung der Bettungsmodulverteilung sind vom Baugrundgutachter prognostizierte maximale Setzungen und Setzungsdifferenzen. Tabelle 10.5 gibt einen Überblick der hieraus abgeleiteten Bettungssituationen. Dabei resultieren die angenommenen Schiefstellungen aus veränderlichen Bodeneigenschaften in horizontaler Richtung. Die Setzungsunterschiede werden zusätzlich mit Verformungen aus Bautoleranzen, Setzungsunterschieden infolge unterschiedler Steifigkeit der Gründungsbauteile sowie ungleichmäßiger Lastverteilung überlagert. Bild 10-6 Silo mit angrenzendem Elevatorturm und Betriebsgebäude im Grundriss

Für die Variation des Bettungsmoduls werden im Grundriss insgesamt 31 verschiedene Bereiche unterschieden. Innerhalb dieser Bereiche ist der Bettungsmodul konstant. Die Bettungsmoduln sind jeweils derart angepasst, dass sich bei Belastung die in Tabelle 10.5 gezeigten Sohlverformungen in der Mitte und am Rand einstellen. In Abhängigkeit der Steifigkeitsverhältnisse treten Abweichungen von einer gleichmäßigen Setzungsmulde bzw. einer Schiefstellung mit ebener Sohlfläche auf. Für die maßgebenden Spannungen erfolgt die Bemessung des Massivbaus. Die iterative Ermittlung der Bettungsmoduln folgt prinzipiell dem in Bild 10-4 dargestellten Ablauf mit steter Kommunikation und Abstimmung zwischen Tragwerksplaner und Baugrundgutachter. Die Setzungsberechnung des Baugrundgutachters wurde hier mit Hilfe des Programms GGU Slab [16] durchgeführt.

(a) Bettungssituation 2 Verteilung des Bettungsmoduls

(b) Bettungssituation 2, Verteilung der Sohlspannung infolge Belastung aus Schüttgut

Bild 10-7 Verteilung der Bettungsmoduln und der Sohlspannungen für die Bettungssituation 2 in Tabelle 10.5

10

558

10 Flachgründungen

Bild 10-7 (a) zeigt die Verteilung der Bettungsmoduln für die Bettungssituation 2, Muldenlagerung. Je dunkler die Einfärbung ist, desto höher ist der Wert des Bettungsmoduls. Im mittleren Bereich sind die Bettungsmoduln geringer gewählt als am Rand, um die Abbildung der Mulde zu ermöglichen. Auf Grund der hohen Steifigkeit von Elevatorturm und Abzugskanal wird der Bettungsmodul in diesen Abschnitten höher angesetzt. Bild 10-7 (b) zeigt die berechnete Verteilung der Bettungsspannungen. Dunkle Bereiche kennzeichnen hohe Spannungen. Der Verlauf der Bettungsspannung spiegelt die Bettungsmodulverteilung wider, die Spannung ist höher in Bereichen mit hohem Bettungsmodul. Bild 10-8 (a) zeigt die Verformung der Struktur für die gleiche Bettungssituation. Das Setzungsmaximum in der Mitte der Gründung führt zu einer Muldenlagerung des Abzugskanals. In Querrichtung (Schnitt A-A) ergibt sich eine kuppenförmige Verformung der Sohle. In Zusammenhang mit der hohen Steifigkeit des Abzugskanals ergibt sich also eine nicht rotationssymmetrische Verformung der Struktur und eine Ovalisierung der Kreiszylinderschale, welche in der Draufsicht, Bild 10-8 (b), deutlich zu erkennen ist.

10 a) 3D-Ansicht

b) Draufsicht

Bild 10-8 Ovalisierung der Kreiszylinderschale auf Grund Setzungsmaximum in der Mitte der Sohlfläche (Muldenlagerung, zu Tabelle 10.5, Zeile 2), Verformung 30-fach überhöht

Die in Bild 10-8 (b) gezeigte Ovalisierung wurde bei dem Entwurf der Dachkonstruktion berücksichtigt. So besteht das Dach aus einer kegelförmigen Stahl-/Holzkonstruktion mit einem oberen Druckring und einem unteren Zugring. Das Ringelement liegt zwängungsfrei auf der Zylinderwand auf, so dass horizontale Verschiebungen des Wand-Kopfpunktes keine zusätzliche Beanspruchung der Dachkonstruktion verursachen. Das Beispiel zeigt, dass eine Berücksichtigung der Boden-Bauwerk-Interaktion bei komplexen Strukturen von großer Wichtigkeit ist.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

559

10.2.1.8 Praxis-Beispiel 2: Flachgründung eines Betriebsgebäudes Das folgende Beispiel zeigt ausgewählte Aspekte, die im Rahmen der Bemessung einer Sohlplatte zu beachten waren. Die Baumaßnahme umfasst die Errichtung eines Betriebsgebäudes als Erweiterung der Staatsoper Hamburg. Das Betriebsgebäude wird seitlich mit einer L-förmigen Bebauung (Mantelbebauung), welche Verkaufsflächen und Restaurants beinhaltet, umschlossen. Die neu zu errichtenden Gebäudeteile erstrecken sich über zehn oberirdische und zwei, bzw. in Bereichen auch drei, unterirdische Geschosse. Das Baufeld hat eine maximale Ausdehnung von 35  69 m. Bild 10-9 zeigt schematisch den Grundriss mit dem Bezug zum Bestand. Zur Minimierung von Unterfangungen der vorhandenen Bebauung wurde zur Umschließung der Baugrube eine überschnittene Bohrpfahlwand ausgeführt, welche zum Teil auch zum dauerhaften Lastabtrag der Bauwerkslast genutzt wurde. In Teilbereichen wurde eine rückverankerte, wasserundurchlässige Düsenstrahlunterfangung erforderlich.

Bild 10-9 Darstellung der Bebauung. Im linken Bereich ist der Neubau an den Bestand angebunden

Die Untersuchung des Baugrundes ergab eine Schichtung von sandigen Auffüllungen, zum Teil mit Einlagerung von Bauschutt, Torf oder Bauwerksresten, über einem steifen Geschiebemergel und Sand. Bild 10-10 zeigt das Bodenprofil für die Bemessung und den Grundwasserstand in Bezug zur baulichen Situation in einem Teilbereich der Mantelbebauung. Die Konsistenz des Geschiebemergels konnte als überwiegend steif eingeordnet werden und wies damit eine für die Aufnahme der Bauwerkslasten ausreichende Tragfähigkeit auf. Als Gründung wurde daher eine biegesteife Sohlplatte gewählt, die zusammen mit den aufgehenden Wänden als WU-Konstruktion ausgebildet wurde. Diese Lösung ermöglichte die Minimierung von Setzungsdifferenzen bei gleichzeitiger Abdichtung gegen das Grundwasser. In besonders hoch belasteten Bereichen wurden Sohlvertiefungen vorgesehen. Die Dicke der Sohlplatte variiert daher zwischen 1,00 m und 1,35 m. Die Baugrunduntersuchung zeigte, dass die wasserführenden Sande unterhalb des Geschiebemergels einen gespannten Grundwasserleiter bilden. Mit Hilfe der Auswertung von Wasserstandsmessungen wurden Bemessungswasserstände für Bau- und Endzustand unter Berücksichtigung niederschlagsreicher Zeiten vom Baugrundgutachter ermittelt. Rechnerisch wurde sowohl für den Bau- als auch für den Endzustand einheitlich ein Wasserstand von NN+ 3,50 m angesetzt (vgl. Bild 10-10).

10

560

10 Flachgründungen

Zusätzlich war zu berücksichtigen, dass sich innerhalb des Geschiebemergels dünne, wasserführende Sandlagen befanden, deren Wasserergiebigkeit mit Grundwasser-Messstellen und Pumpversuchen überprüft wurde. Die Auswertung der Messungen bestätigte die Möglichkeit einer offenen Wasserhaltung.

Bild 10-10 Schematischer Schnitt in einem Bereich der Mantelbebauung und Bemessungsprofil

10

Für die Ermittlung der Sohlspannungen zur Bemessung der Sohlplatte wurde, wie im vorigen Beispiel, das Bettungsmodulverfahren verwendet. Aus den Lastangaben der Tragwerksplanung und entsprechenden Setzungsberechnungen ermittelte der Baugrundgutachter eine mittlere Bettungsziffer für das gesamte Baufeld. Dieses Vorgehen wurde durch im Vorfeld durchgeführte Vergleichsrechnungen abgesichert. Die Ermittlung der Lasten aus dem aufgehenden Bauwerk auf die Sohle erfolgte mit der Finite-Elemente-Methode. Auf eine Erhöhung des Bettungsmoduls zur Berücksichtigung der erhöhten Steifigkeit im Bereich von Stützen wurde in diesem Fall verzichtet, da der nach oben gerichtete Wasserdruck auf die Sohle relativ groß war. Zwei ausgewählte Lastkombinationen sind in Tabelle 10.6 aufgelistet und folgten aus der Überlagerung von insgesamt 17 verschiedenen Lastfällen. Tabelle 10.6 Ausgewählte, untersuchte Lastkombinationen Maßgebend für

Bauwerkslast

Auftrieb

Wichte Beton

1) max q

Bemessung der Sohlplatte

Gebäude inkl. Ausbau- und Verkehrslasten

– maximaler Auftrieb – ohne Auftrieb

25 kN/m³

2) min g 6 OG

Auftriebsnachweis (Beispiel in Abschnitt 10.2.2.4)

Rohbau bis einschl. Decke 6. OG

maximaler Auftrieb

24 kN/m³

10.2 Bemessung von Flachgründungen

561

Der Ansatz minimaler Lasten und maximalen Auftriebs (Zeile 2 in Tabelle 10.6) ist maßgebend für den Nachweis der Auftriebssicherheit. Insbesondere im Bereich des Übergangs zur vorhandenen Bebauung, siehe Bild 10-9, waren die vertikalen Lasten relativ gering, so dass dieser Bereich besonders auftriebsgefährdet war. Beispielhaft wird das Vorgehen für einen Teilbereich in Abschnitt 10.2.2.4 gezeigt. Die Reduzierung der Wasserhaltung über die Bauzeit erfolgte kontrolliert in Abhängigkeit vom jeweiligen Baufortschritt und der dadurch erzeugten Auflast. Im Rahmen der statischen Berechnung wurden entsprechende Zwischenzustände berücksichtigt. Die Auftriebssicherheit nach Abschalten der Wasserhaltung war mit Fertigstellung des 6. Obergeschosses gewährleistet. Für die Bemessung der oberen Bewehrungslage der Sohlplatte war die maximale vertikale Belastung maßgebend, welche mit maximalem Auftrieb kombiniert wurde. Die Kombination von maximaler Auflast ohne Auftrieb (hiermit wurde auch ein Umbau oder Arbeiten an der Nachbarbebauung berücksichtigt) war für die Ermittlung der unteren Bewehrungslage maßgebend, siehe Zeile 1 Tabelle 10.6.

10

Bild 10-11 Ergebnis der Berechnung als gebettete Platte für eine Lastkombination mit maximalem Auftrieb, Darstellung der Bodenpressung (kN/m 2)

Bei der Bemessung der Sohlplatte wurden auch ein Ausfall der Lagerung am Rand und Bettungsausfall auf Zug berücksichtigt. Es wurde damit erfasst, dass in der Sohlfuge keine Zugspannungen aufgenommen werden können. Auf Zug beanspruchte Bereiche traten vor allem

562

10 Flachgründungen

an der Verbindung zum Baubestand auf, da dort die Lasten aus der aufgehenden Bebauung relativ gering ausfielen. Bild 10-11 zeigt die Bodenpressung, die infolge einer Lastkombination unter Berücksichtigung maximalen Auftriebs ermittelt wurde. Am Übergang zur Bestandsbebauung sind Bereiche mit verschwindender Sohlpressung (B = 0) zu erkennen. Auf Grund der geringeren vertikalen Lasten ergab die Berechnung mit zunächst vollflächig angesetzter, konstanter Bettung Zugspannungen, die nicht in der Sohlfläche aufgenommen werden können. In einer anschließenden Neuberechnung wurde daher ein Ausfall der Bettung modelliert indem diese nicht mehr als Randbedingung angesetzt wurde. Die Biegesteifigkeit eines auf Biegung beanspruchten Stahlbetonquerschnittes nimmt infolge des Überganges von Zustand I (Zugzone des Betons nicht gerissen) in Zustand II (Zugzone des Betons gerissen) ab. Im vorliegenden Beispiel wurde daher eine auf bis zu 60 % reduzierte Biegesteifigkeit der Sohle angesetzt. Die Abminderung erfolgte analog zu dem in Heft 220 des DAfStb gezeigten Vorgehen, siehe Grasser et al. [17]. Zusätzlich zum Bettungsmodul in vertikaler Richtung wurde für der Berechnung der Baugrube des gezeigten Bauvorhabens auch der Bettungsmodul in horizontaler Richtung ermittelt, siehe Boley et al. [6] und Boley und Unold [7].

10.2.2 Geotechnische Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit Der vorliegende Abschnitt fasst die nach EC 7 [18] im Grenzzustand der Tragfähigkeit zu führenden geotechnischen Nachweise zusammen. Beispielrechnungen mit Bezug auf die in Abschnitt 10.1 gezeigten Praxis-Beispiele ergänzen die Darstellung. Für den Ansatz von Teilsicherheitsbeiwerten sei auf [18] verwiesen. 10.2.2.1 Nachweis der Sicherheit gegen Kippen

10

Entsprechend der aus DIN 1054 übernommenen Regelung darf für den Nachweis der Sicherheit gegen Gleichgewichtsverlust durch Kippen (Grenzzustand EQU) eine fiktive Kippkante am Fundamentrand angenommen werden. Die stabilisierenden Momente um diese Drehachse müssen größer sein als die destabilisierenden Momente, s. folgende Gleichung 𝐸𝑑𝑠𝑡;𝑑 ≤ 𝐸𝑠𝑡𝑏;𝑑 .

(10.7)

Zusätzlich muss die Gebrauchstauglichkeit entsprechend A 6.6.5 in [18] nachgewiesen werden. Bei Gründungen auf nichtbindigen und bindigen Böden muss die maßgebende Sohldruckresultierende infolge ständiger Einwirkungen innerhalb der 1. Kernweite liegen, sodass keine klaffende Fuge auftritt. Unter ständigen und veränderlichen Einwirkungen muss die Sohldruckresultierende innerhalb der 2. Kernweite liegen, so dass in der Gründungssohle bis zum Schwerpunkt Druckspannungen vorhanden sind. Bild 10-12 zeigt die Definition der 1. und 2. Kernweite für eine rechteckige und eine kreisförmige Fundamentfläche.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

563

Bild 10-12 Definition von 1. und 2. Kernweite bei einem rechteckförmigen Fundament und einem Kreisfundament

10.2.2.2 Nachweis der Gleitsicherheit Der Nachweis ist erforderlich, wenn der Lastvektor nicht normal zur Sohlfläche ist. Der Nachweis der Gleitsicherheit wird über das Gleichgewicht der parallel zur Sohlfläche wirkenden Kräfte geführt 𝐻𝑑 ≤ 𝑅𝑑 + 𝑅𝑝;𝑑 .

(10.8)

Dabei ist Hd der Bemessungswert der parallel zur Sohlfläche wirkenden Einwirkungen einschließlich von aktiven Erddruckkräften, Rd der Scherwiderstand in der Sohlfuge und Rp,d der an der Stirnseite mobilisierbare Erdwiderstand, vgl. Bild 10-1. Beim Ansatz des Erdwiderstandes ist zu prüfen, ob dieser in allen Zuständen vorhanden ist, oder ob Bauzustände maßgebend werden, z. B. Abgrabungen am Fundament. Bei der Berechnung des Scherwiderstands sind die folgenden Fälle zu betrachten: – konsolidierter Zustand – 𝑅𝑑 = 𝑉𝑑 ′ ∙ tan 𝛿𝑑 oder 𝑡𝑎𝑛 𝛿𝑘 – 𝑅𝑑 = 𝑉𝑘 ′ ∙ 𝛾𝑅;ℎ

(10.9a) (10.9b)

wobei der Bemessungswert des Sohlreibungswinkels mit Hilfe des kritischen Reibungswinkels ermittelt wird, ′ 𝛿𝑑 = 𝜑𝑐𝑣;𝑑 bei Ortbetonfundamenten

bzw. 2

′ 𝛿𝑑 = 𝜑𝑐𝑣;𝑑 bei Fertigteilfundamenten. 3

Der kritische Reibungswinkel darf durch den charakteristischen Reibungswinkel ersetzt werden, ein Wert von 35° darf jedoch nicht überschritten werden. Bei vorgefertigten Fundamenten ist zu berücksichtigen, ob diese im Mörtelbett verlegt werden. Für weitere Details siehe [18].

10

564

10 Flachgründungen

– unkonsolidierter Zustand 𝐴∙𝑐 𝑅𝑑 = 𝑢;𝑘 .

(10.10)

𝛾𝑅;ℎ

Wenn bei einem undrainierten Tonboden Wasser oder Luft in die Sohlfläche eindringen kann, muss folgende Kontrolle vorgenommen werden: 𝑅𝑑 ≤ 0,4 ∙ 𝑉𝑑 .

(10.11)

Bei in Gleitrichtung ansteigender Sohlfläche ist zusätzlich eine ausreichende Sicherheit gegen Gleiten in einer durch den Boden verlaufenden Bruchfläche nachzuweisen. Für den Gleitwiderstand gilt dann: 𝑅𝑑 = (𝑉𝑘′ ∙ 𝑡𝑎𝑛𝜑 ′ 𝑘 + 𝐴 ∙ 𝑐 ′ 𝑘 )/𝛾𝑅;ℎ .

(10.12)

10.2.2.3 Nachweis der Grundbruchsicherheit Die zunehmende Belastung eines Fundamentes verursacht eine Umlagerung des Sohldrucks, so dass das Maximum der Sohlpressung bei einem starren Fundament nicht mehr an den Außenkanten, sondern in der Mitte des Fundamentes auftritt, Bild 10-13 (a). Die Folge ist ein instabiler Gleichgewichtszustand, der zum Grundbruch führt, wenn die Scherfestigkeit des Bodens in der Bruchfläche überschritten wird. Der Versagensmechanismus ist in Bild 10-13 (b) dargestellt. Für den Nachweis der Grundbruchsicherheit sind gemäß [18] die Verfahren aus der DIN 4017 anzuwenden. Der Nachweis wird am Beispiel des bereits in Abschnitt 10.2.1.6 gezeigten Silos erläutert. Weitere ausführliche Berechnungsbeispiele zeigt das Beiblatt zur DIN 4017 [11].

10

(a) Sohlspannungen

(b) Bruchfigur

Bild 10-13 Grundbruchmechanismus. (a) Entwicklung der Sohl-Spannungsverteilung infolge einer Laststeigerung in den Stufen 1 bis 4 (b) Versagensmechanismus, nach Smoltczyk und Vogt [26]

Die für den Grundbruchnachweis angenommene Geometrie ist mit Angabe der Bodenkennwerte in Bild 10-14 dargestellt.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

565

Bild 10-14 Geometrie für den Nachweis der Sicherheit gegen Grundbruch für den Silo aus Abschnitt 10.2.1.6

Die DIN 4017 definiert den charakteristischen Widerstand gegen Grundbruch R n,k zu 𝑅𝑛,𝑘 = 𝑎 ∙ 𝑏 ∙ ( 𝛾2 ∙ 𝑏 ∙ 𝑁𝑏

+

𝛾1 ∙ 𝑑 ∙ 𝑁𝑑

+

𝑐𝑘 ∙ 𝑁𝑐 )

(10.13)

Einfluss d. Fundamentbreite Einfluss d. Einbindetiefe Einfluss d. Kohäsion

mit der Wichte des Baugrundes oberhalb der Sohlfläche, 𝛾1 , und der Wichte des Baugrundes unterhalb der Sohlfläche, 𝛾2 . Die vollen Abmessungen des Fundamentes a und b sind nur bei zentrischer Belastung ansetzbar, bei exzentrisch belasteten Fundamenten ist der Teil der Sohlfläche anzusetzen, deren Schwerpunkt dem Angriffspunkt der Resultierenden der vertikalen Belastung entspricht. Die Abmessungen dieser Fläche sind mit den Ausmitten ea und eb a = a − 2  ea

(10.14a)

b = b − 2  eb

(10.14b)

Die Abmessungen a bzw. a bezeichnen hierbei stets die längere Seite. Je nach Lage der Resultierenden kann a entlang der Kante b liegen und umgekehrt (vgl. DIN 4017 [11] und Beiblatt hierzu). Bei dem vorliegenden kreisförmigen Fundament mit zentrischer Belastung werden die Abmessungen a und b für ein flächengleiches Quadrat berechnet, daraus folgt a = b = 41,98 m. Als Gründungstiefe d wird rechnerisch d = 1,40 m angesetzt. Die Terme in Gleichung (10.11) verdeutlichen, dass sowohl die Materialeigenschaften des Bodens als auch die Geometrie des Fundamentes die Grundbruchsicherheit beeinflussen. Die verschiedenen Einflüsse werden mit den Tragfähigkeitsbeiwerten N b, Nc und Nd erfasst, die aus entsprechenden Grundwerten Nb0, Nd0 und Nc0 ermittelt werden mit Nb = Nb0  b  ib  b  b

(10.15a)

Nd = Nd 0  d  id  d  d und

(10.15b)

Nc = Nc0  c  ic  c  c

(10.15c)

10

566

10 Flachgründungen

Die Grundwerte der Tragfähigkeitsbeiwerte Nb0, Nd0 und Nc0 sind in Abhängigkeit des Reibungswinkels formuliert mit Nb0 = ( Nd 0 − 1)  tan 

(

Nd 0 = tan 2 45 + 

2

(10.16a)

)e

 tan 

Nc0 = ( Nd 0 − 1) / tan 

für   0; für  = 0 gilt Nd 0 = 1

(10.16b)

für   0; für  = 0 gilt Nc0 = 5,14 .

(10.16c)

Im vorliegenden Fall wird die Scherfestigkeit bei undrainierten Verhältnissen c u=150 kPa und ein Reibungswinkel von  = 0, angesetzt um das Entstehen von Porenwasserüberdrücken auf Grund von schnellen Befüllvorgängen zu erfassen. Somit gilt Nb0 = 0, Nd0 = 1 und Nc0 = 5,14. Der Bemessungswert für den Grundbruchwiderstand ist gemäß [18] 𝑅𝑑 =

𝑅𝑛,𝑘

(10.17)

𝛾𝑅,𝑣

mit dem Teilsicherheitsbeiwert 𝛾𝑅,𝑣 für den Grenzzustand GEO-2. Die Formbeiwerte sind für Streifen, Rechteck, Quadrat und Kreisfundament in Tabelle 10-7 angegeben. Für ein kreisförmiges Fundament und φ = 0 ist νd = 1,0 und νc = 1,2. Tabelle 10.7 Formbeiwerte für den Nachweis der Grundbruchsicherheit Grundrissform

10

b

d

c 

=

Streifen

1,0

1,0

1,0

1,0

Rechteck

1 – 0,3 · b/a

1 + b/a · sin 

(d · Nd0 –1)(Nd0 – 1)

1 + 0,2 · b/a

1 + sin 

(d · Nd0 –1)(Nd0 – 1)

1,2

Quadrat/Kreis 0,7

Die Lastneigungsbeiwerte ib, ic und id hängen vom Neigungswinkel der Resultierenden ab. Auf Grund der vertikalen Beanspruchung sind die Neigungsbeiwerte hier i b = ic = id = 1,0. Die normal zur Sohlfläche wirkende Komponente des Grundbruchwiderstands aus charakteristischen Bodenkenngrößen ist somit 𝑅𝑛,𝑘 = 41,98 𝑚 ∙ 41,98 𝑚 ∙ (0 + 18

𝑘𝑁 𝑚3

∙ 1,4𝑚 ∙ 1 +

150𝑘𝑁 𝑚2

∙ 5,14 ∙ 1,2) = 1675 𝑀𝑁,

und der Bemessungswert des Widerstandes 1675𝑀𝑁 𝑅𝑑 = = 1196 𝑀𝑁. 1,4 Auf der Einwirkungsseite sind die vertikale Belastung aus Schüttgut als Verkehrslast mit 600.000 kN und die vertikale Belastung aus Eigengewicht mit 125.000 kN in der Bemessungssituation BS-P zu berücksichtigen, so dass 𝑁𝑑 = 600.000 𝑘𝑁 ∙ 1,50 + 125.000 𝑘𝑁 ∙ 1,35 = 1069 𝑀𝑁. Mit Nd < Rd ist eine ausreichende Sicherheit gegen Grundbruch gegeben.

10.2 Bemessung von Flachgründungen

567

10.2.2.4 Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen Im Grenzzustand UPL ist die Sicherheit gegen Aufschwimmen nachzuweisen. Die hydrostatische Auftriebskraft 𝐴𝑘 ∙ 𝛾𝐺,𝑑𝑠𝑡 muss geringer sein als das um Sicherheitsreserven verminderte Eigengewicht 𝐴𝑘 ∙ 𝛾𝐺,𝑑𝑠𝑡 ≤ 𝐺𝑘 ∙ 𝛾𝐺,𝑠𝑡𝑏 Der Nachweis wird am Beispiel des in Abschnitt 10.2.1.7 dargestellten Betriebsgebäudes gezeigt. Dabei wird der in Bild 10-15 dargestellte schraffierte Bereich am Übergang zur bestehenden Bebauung untersucht. Die Flächenlast aus Auftrieb 𝐴𝑑 ist mit dem in Bild 10-10 dargestellten Bemessungswasserstand 𝐴𝑑 = 1,05 ∙ 10 𝑘𝑁⁄𝑚³ ∙ (3,50 𝑚 + 2,54 𝑚) = 63,42 𝑘𝑁⁄𝑚² . Die Dicke der Sohle beträgt auf einer Fläche von 356 m2 d = 1,35 m und auf einer Fläche von 127 m2 d = 1,00 m. Das mittlere Eigengewicht der Sohle ist in diesem Bereich damit

g Sohle =

1,35 m  24, 0 kN/m³  356 m² + 1, 00 m  24, 0 kN/m³ 127 m² = 30,19 kN/m² 356 m² + 127 m²

10

Bild 10-15 Im Beispiel untersuchte Fläche für Auftriebsnachweis am Übergang zur Bestandsbebauung (Bereich mit relativ geringer vertikaler Belastung)

Aus den Geschossen ist daher eine Belastung von 𝑘𝑁 𝑘𝑁 63,42 2 ≤ 0,95 ∙ (30,19 2 + 𝑔𝑘 ) 𝑚 𝑚 63,42 𝑘𝑁 𝑘𝑁 𝑘𝑁 → 𝑔𝑘 ≥ − 30,19 = 36,57 0,95 𝑚² 𝑚² 𝑚² −3 𝑘𝑁 10 𝑀𝑁 → 𝐺𝑘 ≥ 36,57 2 (356 + 127)𝑚2 ∙ = 17,66 𝑀𝑁 𝑚 𝑘𝑁

568

10 Flachgründungen

erforderlich, damit das Kräftegleichgewicht in vertikaler Richtung erfüllt ist. Dies war im vorliegenden Fall ab dem 6. OG gegeben und wurde während der Bauphase in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Wasserhaltung entsprechend berücksichtigt.

10.2.3 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit Verformungen können die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks mindern, wenn zulässige Grenzwerte überschritten werden. Verformungsdifferenzen rufen als Zwangseinwirkung in statisch unbestimmten Tragwerken Schnittgrößen hervor. Das Maß der zulässigen Verformungen, insbesondere von Setzungen und Schiefstellungen, hängt vom Bauwerk und dessen Nutzung hat. Es ist ggfs. gemeinsam mit dem Bauherr festzulegen, und die aufgehende Struktur ist entsprechend auszubilden. So wurde bei dem in Abschnitt 10.2.1.6 gezeigten Silo eine verschiebliche Lagerung der Dachkonstruktion vorgesehen, um zwängungsfreie Verformungen infolge von Setzungen zu ermöglichen. Einen umfassenden Überblick über zulässige Setzungsdifferenzen gibt Fischer [15]. Bild 10-16 zeigt Grenzwerte für Verdrehungen in Abhängigkeit vom Schadensmaß. Wie in Abschnitt 10.2.2.1 bereits erläutert ist die Lage der Sohldruchresultierenden zu überprüfen. Die direkte Berechnung von Setzungen kann beispielsweise nach dem Verfahren von Kany [19] (f-Tafeln) erfolgen, siehe Kapitel 4.2. Für die Ermittlung von Zeitsetzungen siehe Kapitel 4.3.

10

Bild 10-16 Grenzen für Winkelverdrehungen. Betonkalender 2006, Teil 1 [4]

10.3 Praxis-Hinweise zu Bemessung und Ausführung

569

10.2.4 Nachweisführung mit Hilfe der aufnehmbaren Bodenpressung Beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, v.a. – – – – –

Schichtgrenzen verlaufen waagerecht, ausreichende Festigkeit des Baugrundes, vorwiegend statische Beanspruchung bei drainierten Verhältnissen, Neigungswinkel der Resultierenden  ≤ 0,2, die Bedingungen hinsichtlich der Ausmitte der Sohldruckresultierenden sind eingehalten

dürfen die Nachweise für die Grenzzustände Grundbruch und Gleiten sowie der Nachweis der Setzungen durch den Nachweis, dass die vorhandene Sohldruckbeanspruchung den Sohlwiderstand nicht überschreitet, ersetzt werden. Details liefert Abschnitt A 6.10.1 in [18].

10.3

Praxis-Hinweise zu Bemessung und Ausführung

Die in Abschnitt 10.2.1.6 und 10.2.1.7 gezeigten Beispiele verdeutlichen, dass für eine zutreffende und wirtschaftliche Bemessung von Flachgründungen eine frühzeitige Abstimmung zwischen Tragwerksplaner und Baugrundgutachter erforderlich ist. Bei der Erstellung von Baugrundgutachten sollte darauf geachtet werden, dass Hinweise zu Materialparametern sowie eine Gründungempfehlung mit Ausführungshinweisen enthalten sind. Das Berechnungsverfahren sollte mit dem Baugrundgutachter abgestimmt werden. Werden Maßnahmen zur Bodenverbesserungen ausgeführt, ist vor Baubeginn mit Messungen und Feldversuchen zu überprüfen, ob eine ausreichende Tragfähigkeit erzielt wurde. Neben einer ausreichenden Baugrunderkundung sollten ggfs. auch Erfahrungen aus Setzungen benachbarter Bauwerke beachtet werden. Mögliche Setzungen sind in enger Abstimmung mit dem Baugrundgutachter für die Bemessung festzulegen. Das unvermeidbare Setzungsmaß ist bei der Planung zu berücksichtigen. Bei der Stahlbetonbemessung von Sohlplatten ist ggfs. die Steifigkeit zur Berücksichtigung des Übergangs in Zustand 2 zu reduzieren. Damit kann eine wesentlich wirtschaftlichere Bemessung erfolgen. Bei hoher konzentrierter Belastung ist eine ausreichende Sicherheit gegen Durchstanzen nachzuweisen analog zum Durchstanzen von Deckenplatten. Im Unterschied zum Durchstanzen von Deckenplatten sind Bodenplatten in der Regel jedoch gedrungener. Untersuchungen zum Durchstanzversagen von rotationssymmetrischen Platten verschiedener Schlankheit wurden von Timm [28] durchgeführt. Aus Versuchsergebnissen und aus numerischen Untersuchungen leitet Timm einen Ansatz für die Durchstanzbemessung von Bodenplatten ab. Die Einbindetiefe von Flachgründungen ist oftmals von der Frostsicherheit bestimmt, so dass für deutsche Witterungsverhältnisse die Sohle mindestens in einer Tiefe von 80 cm liegen sollte. Zur Sicherung der Betondeckung der unteren Lage sind eine Sauberkeitsschicht und geeignete Abstandshalter vorzusehen. Die Anordnung einer Folie ist nicht ausreichend.

10

570

10 Flachgründungen

10.4 [1]

[2] [3] [4] [5] [6]

[7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14]

10

[15] [16] [17] [18]

Literatur

Ahrens, H., Winselmann, D. (1984): Eine iterative Berechnung von Flachgründungen nach dem Steifemodulverfahren. Finite-Elemente-Anwendungen in der Baupraxis, FEM’84, Ernst und Sohn, Berlin Barth, C., Margraf, E. (2004): Untersuchung verschiedener Bodenmodelle zur Berechnung von Fundamentplatten im Rahmen von FEM-Lösungen. Bautechnik, 81, Heft 5, S. 337–343 Bathe, K.-J. (2007): Finite-Elemente-Methoden. Springer, Berlin Bergmeister, K., Wörner, J.-H (Hrsg.) (2006): Betonkalender 2006, Teil 1, Turmbauwerke, Industriebauten Bischoff, R. (2010): Statik am Gesamtmodell: Modellierung, Berechnung und Kontrolle. Der Prüfingenieur. April 2010 Boley C., Unold F., Morgen K., Wurzer O. (2005): Modellierung der Baugrund-TragwerkInteraktion: Ein Fundament der geotechnischen Entwurfspraxis. Beton- und Stahlbetonbau, 100, Heft 4, 268–276 Boley, C., Unold, F. (2005): Komplexe Modellierungstechniken für Tragwerke im Grundwasser. Der Prüfingenieur, April 2005, 16–23 Boussinesq, J. (1885): Application des Potentiels a l’Etude de L’Equilibre et du Mouvement des Solides Elastiques, Gauthier-Villard, Paris Dinkler, D., Ahrens, H. (2006): Finite-Element-Methoden Teil 1, Institut für Statik, Technische Universität Braunschweig DIN Fachbericht 130 (2003): Wechselwirkung Baugrund/Bauwerk bei Flachgründungen. DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.), Beuth Verlag DIN 4017. Baugrund- Berechnung des Grundbruchwiderstandes von Flachgründungen. März 2006 DIN 4018. Berechnung der Sohldruckverteilung unter Flächengründungen. September 1974 DIN 4019 T1. Setzungsberechnungen bei lotrechter, mittiger Belastung. April 1979 DIN 4019 T2. Setzungsberechnungen bei schräg und bei außermittig wirkender Belastung. Februar 1981 Fischer, D. (2009): Interaktion zwischen Baugrund und Bauwerk, Dissertation. Schriftenreihe Geotechnik, Heft 21, Universität Kassel GGU Slab. Berechnung von elastisch gebetteten Platten nach dem Bettungsmodul- und dem Steifemodulverfahren mit der Finiten-Element-Methode. User Manual Version 9 Grasser, E., Kordina, K., Quast U. (1979): Bemessung von Beton- und Stahlbetonbauteilen, nach DIN 1045, Ausgabe Dezember 1978 Handbuch Eurocode 7 (2015): Geotechnische Bemessung, Band 1: Allgemeine Regeln, 2. aktualisierte Auflage, DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.), Beuth Verlag

[19] Kany, M. (1974): Berechnung von Flächengründungen, 2. Auflage, Ernst und Sohn, Berlin [20] Klausel, E. (2010): Early history of soil-structure interaction. Soil Dynamics and Earthquake Engineering. 30, 822–832 [21] Kolymbas, D., Herle, I. (2008): Stoffgesetze für Böden, In: Grundbau-Taschenbuch, Teil 1: Geotechnische Grundlagen [22] Moormann, C. (2010): Die Geotechnische Normung auf dem Weg zum Eurocode 7. Der Prüfingenieur, April 2010, S. 41–54 [23] Muir Wood, D. (2004): Geotechnical Modelling, Spon Press, Taylor & Francis [24] Ohde, J. (1942): Die Berechnung der Sohldruckverteilung unter Gründungskörpern. Der Bauingenieur. 23. Jahrgang, Heft 14/16, S. 99–107 und S. 122–127

10.4 Literatur

571

[25] Schleicher, F. (1926): Zur Theorie des Baugrundes. Der Bauingenieur, Heft 48, 931–935 [26] Smoltczyk U., Vogt N. (2009): Flachgründungen, In: Grundbau-Taschenbuch, Teil 3: Gründungen und geotechnische Bauwerke. K. J. Witt (Hrsg.), Ernst und Sohn [27] SOFiSTiK Manual, Basisfunktionalitäten, Version 2016, SOFiSTiK AG [28] Timm, M. (2003): Durchstanzen von Bodenplatten unter rotationssymmetrischer Belastung. Dissertation. Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz, Technische Universität Braunschweig

10

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11

Pfahlgründungen Jörg Zimbelmann, Conrad Boley und Yashar Forouzandeh

11.1

Einleitung

11.1.1 Anwendungsbereich Pfahlgründungen als heute gängigste Ausführungsform von Tiefgründungen kommen in der Regel dann zum Einsatz, wenn für den Abtrag von Lasten in den Baugrund Bodenschichten mit geringer Tragfähigkeit oder auch freies Wasser überbrückt werden müssen, d. h. wenn eine Flachgründung zu starken Setzungen, Verkantungen oder sogar zum Versinken des Bauwerks führen würde. Dazu werden Einzelpfähle, z. B. zum Abtrag konzentrierter Einzellasten unter Stützen, sowie Pfahlgruppen hergestellt. Die Gründungen hoher schlanker Bauwerke mit sowohl hohen konzentrierten Lasten als auch extremen Anforderungen hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit und zulässiger Verformungen werden seit den 1990er Jahren vermehrt auch als kombinierte Pfahl-Plattengründungen geplant und ausgeführt. Maßnahmen der Bodenverbesserung mittels pfahlähnlicher Gründungselemente, wie z. B. Betonrüttelsäulen oder CSV-Säulen werden im Kapitel „Baugrundverbesserung“ behandelt und sind nicht Bestandteil des vorliegenden Kapitels. Für den Entwurf und die Bemessung von Pfahlwänden wird auf das Kapitel „Baugruben und Verankerungen“ verwiesen. Die unterschiedlichen Pfahlarten und deren Herstellung werden im Kapitel „Geotechnische Bauverfahren“ behandelt.

11.1.2

Maßgebliche nationale technische Vorschriften für Pfähle

Der Entwurf und die Bemessung von Pfählen sind in den nachfolgend aufgelisteten Regelwerken und Normen geregelt. – DIN EN 1997-1:2014-03 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN 1997-1:2004 + AC:2009 + A1:20131 – DIN EN 1997-1/NA:2010-12 Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln – DIN 1054:2010-12 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-12 – DIN 1054/A1:2012-08 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1; Änderung A1:2012

1 2

Die Fassung 2009-09 wurde zurückgezogen und durch die überarbeitete Fassung DIN EN 19971:2014-03 ersetzt. Bauaufsichtlich eingeführt ist derzeit jedoch noch die Fassung 2009-09 [11]. Die gemeinsam geltenden Regelwerke DIN EN 1997-1:2009-09 [24], das zugehörige nationale Anwendungsdokument [23] sowie DIN 1054:2010-12 [14] sind der Übersichtlichkeit halber im Normenhandbuch Eurocode 7 [19] zusammengefasst. DIN 1054/A2:2015-11 enthält Änderungen zu DIN 1054:2010-12 und nationale Ergänzungen zu DIN EN 1997-1:2009-09.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_11

574

11 Pfahlgründungen

– Empfehlungen des Arbeitskreises „Pfähle“ – EA-Pfähle, 2. Auflage (2012), Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e. V. – DIN EN 1993-5:2010-12 Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 5: Pfähle und Spundwände; Deutsche Fassung EN 1993-5:2007 + AC:2009 [22] – DIN EN 1993-5/NA:2010-12 Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 5: Pfähle und Spundwände [21] Des Weiteren sind als anerkannte Regeln der Technik in Deutschland anzusehen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): – Richtlinie für den Entwurf, die Bemessung und den Bau von kombinierten PfahlPlattengründungen (KPP), 2000, Hrsg.: DIBt – ZTV-ING – Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für Ingenieurbauten, Stand: 2018/01, Hrsg.: BASt Bezüglich der Ausführungsnormen wird auf das Kapitel „Geotechnische Bauverfahren“ verwiesen.

11.1.3

Pfahlgründungssysteme – Einzelpfahllösungen, Pfahlroste, Pfahlgruppen, Kombinierte Pfahl-Plattengründungen (KPP)

Einzelpfähle sind gemäß [10] definiert als Pfähle, „die weder über den Baugrund noch über einen Überbau mit anderen Pfählen in Interaktion treten, bzw. zwischen denen nur eine vernachlässigbar geringe Wechselwirkung auftritt.“ Bei Pfahlrosten stehen die einzelnen Pfähle ausreichend weit voneinander entfernt, so dass eine Wechselwirkung über den Baugrund ausgeschlossen werden kann. Durch den Überbau bzw. das statische System sind die Pfähle jedoch gekoppelt.

11

Sind mehrere Pfähle über eine gemeinsame Pfahlkopfplatte oder einen Kopfbalken verbunden und unterschreiten die Abstände der Pfähle untereinander ein bestimmtes Maß, wirken die Pfähle als Pfahlgruppe, da sie sich in ihrem äußeren Tragverhalten gegenseitig beeinflussen. Der Ausdruck Gruppenwirkung oder auch Pfahl-Pfahl-Interaktion bezeichnet die gegenseitige Beeinflussung der Pfähle [10]. Kombinierte Pfahl-Plattengründungen (KPP) sind geotechnische Verbundkonstruktionen aus Pfählen, Bodenplatte und Boden. Der Lastabtrag erfolgt sowohl über die Pfähle mittels Spitzendruck und Mantelreibung, als auch über die Sohlnormalspannungen der Bodenplatte. Ein Ziel der KPP ist die Reduzierung der Setzungen durch Inanspruchnahme der oberen und der tieferen Lastabtragsbereiche im Baugrund. Durch die Erfassung der mittragenden Wirkung der Bodenplatte lässt sich die Anzahl der Pfähle reduzieren.

11.1.4

Baugrunduntersuchungen für Pfahlgründungen

Ein wesentliches Ziel der Baugrunderkundung ist die Erkundung der Beschaffenheit und der Eigenschaften von Boden und Fels sowie der Grundwasserverhältnisse. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse können die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit der Bauwerke sowie die Auswirkungen der Bauwerke auf ihre Umgebung ermittelt und bewertet werden. Im Hinblick auf Pfähle ist eine Baugrunderkundung auch für die Wahl des Herstellungsverfahrens und gegebenenfalls dessen Anpassung an örtliche Gegebenheiten unerlässlich.

11.1 Einleitung

575

Maßgebende Regelwerke für Baugrunduntersuchungen sind in Deutschland nach aktuellem Stand DIN EN 1997-2:2010-10 [26] einschließlich nationalem Anhang [25] sowie DIN 4020:2010-12 [16] bzw. das entsprechende Normenhandbuch EC 7-2 [18]. Pfähle sind der geotechnischen Kategorie (GK) 2 oder 3 zuzuordnen. Die Übersicht gemäß Tabelle 11.1 entspricht jener in Anhang AA der DIN 4020 [16] bzw. der textlichen Darstellung in Abschnitt 3.2 der EA-Pfähle [10]. Hinsichtlich des Untersuchungsumfangs, d. h. Anzahl und Art der Feld- und Laborversuche, sowie der mindestens erforderlichen Erkundungstiefe za (Bild 11-1) ab Pfahlunterkante sind Anhaltswerte in DIN EN 1997-2:2010-10, Anhang B.3 zu finden. Es gilt: z a  max5,0m;1,0  bg ;3,0  Db 

(11.1)

Besteht der Verdacht, dass unmittelbar unterhalb einer als tragfähig eingestuften Schicht eine weiche Schicht liegt (Durchstanzgefahr), so wird gemäß DIN EN 1997-1, Abschnitt 7.6.2.1 empfohlen, die Erkundungstiefe auf mindestens den 4-fachen Pfahlfußdurchmesser zu vergrößern (za ≥ 4∙Db). Gemäß Absatz (7) in Abschnitt 3.2 der EA-Pfähle [10] wird eine Erkundungstiefe za ≥ 4∙Db dann empfohlen, wenn die Pfahlwiderstände auf der Grundlage von Erfahrungswerten ermittelt werden. Tabelle 11.1 Merkmale zur Einstufung von Pfahlgründungen in geotechnische Kategorien (nach [16]) GK 2

GK 3

Durchschnittliche Baugrundverhältnisse

Ungewöhnliche oder besonders schwierige Baugrundverhältnisse

Übliche Hoch- und Ingenieurbauten Bauwerke der Bedeutungskategorie I und II nach DIN EN 1998-5/NA

– Bauwerke mit hohem Sicherheitsanspruch – Bauwerke mit hoher Verformungsempfindlichkeit – Wenn ungewöhnliche Lastkombinationen für die Gründung maßgebend werden. – Bauwerke der Bedeutungskategorie III und IV nach DIN EN 1998-5/NA

– Ermittlung der Pfahlwiderstände auf Druck aus Erfahrungswerten – „Übliche“ zyklische, dynamische oder stoßartige Einwirkungen – Aktive Beanspruchung quer zur Pfahlachse (Lasteinleitung am Pfahlkopf) – Zugpfähle als Kurzzeitanker – Negative Mantelreibung

– Ermittlung der Pfahlwiderstände auf Zug aus Erfahrungswerten – „Erhebliche“ zyklische, dynamische oder stoßartige Einwirkungen – Passive Beanspruchung quer zur Pfahlachse (Seitendruck, Setzungsbiegung) – Zugpfähle als Daueranker – Hoch ausgelastete Pfähle bei sehr geringen zulässigen Setzungen – Pfähle mit Mantel- und/oder Fußverpressung – Kombinierte Pfahl-Plattengründungen

Bei Pfahlgründungen sind direkte Aufschlüsse (vor allem Bohrungen) zwingend durchzuführen. Für Bauwerke der geotechnischen Kategorie 3 liegt es im Ermessen des geotechnischen Sachverständigen, inwieweit der Untersuchungsumfang ausgedehnt wird. Geeignete Verfahren der Baugrunduntersuchung zur Ableitung von Pfahltragfähigkeiten aus Korrelationen sind in DIN EN 1997-2:2010-10, Anhang B.2 angegeben. Teilweise liegen für

11

576

11 Pfahlgründungen

diese Verfahren in Deutschland nur wenige Erfahrungen vor, weshalb sie als unüblich eingestuft werden. Zudem ist für die Bestimmung der Pfahltragfähigkeiten aus Baugrundversuchen mit anderen als in der EA-Pfähle angegebenen Korrelationen die Brauchbarkeit nachzuweisen [3].3 Für die Korrelationen gemäß EA-Pfähle werden als Eingangswerte in nichtbindigen Böden der Spitzenwiderstand qc der Drucksonde und in bindigen Böden die Scherfestigkeit des undrainierten Bodens cu benötigt. Wichtig ist bei allen Korrelationen die Beachtung der Anwendungsgrenzen, da nur in den vorgegebenen Bereichen gesicherte Ergebnisse zu erwarten sind. Übliche Feldversuche für Pfahlgründungen in nichtbindigen Böden sind Drucksondierungen (CPT), Bohrlochrammsondierungen (BDP) bzw. Standard Penetration Tests (SPT) sowie Rammsondierungen. Die Umrechnung der BDP-Schlagzahl N30 auf den Spitzenwiderstand qc der Drucksonde kann mittels Tabelle 11.2 erfolgen. Für die Umrechnung der Schlagzahl N 10 der schweren Rammsonde (DPH) auf qc kann Formel (11.2) verwendet werden. Voraussetzung ist allerdings ein grobkörniger Boden nach DIN 18196 mit weniger als 10 % Körnern größer 20 mm Durchmesser. Alternativ kann auch DIN EN 1997-2, Anhang G.4 herangezogen werden. Die Umrechnung der Schlagzahlen N10 von leichten und mittleren Rammsondierungen auf N10(DPH) der schweren Rammsonde kann für enggestufte Sande mit Ungleichförmigkeitszahl U < 3 nach DIN EN 1997-2, Anhang G.5 erfolgen.

11

Bild 11-1 Mindesterkundungstiefe – Definition von za, Db und bg (nach [26])

3 DIN 1054:2010-12, zu 7.6.2.3 A(1)

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

577

Tabelle 11.2 Orientierungswerte zur Umrechnung zwischen dem Spitzenwiderstand q c der Drucksonde (CPT) in MN/m² und der Schlagzahl N30 der Bohrlochrammsonde (BDP) [10, 15] Bodenart

qc/N30 [MN/m²]

Fein- bis Mittelsand, leicht schluffiger Sand

0,3 – 0,4

Sand, Sand mit etwas Kies

0,5 – 0,6

Weitgestufter Sand

0,5 – 1,0

Sandiger Kies, Kies

0,8 – 1,0

qc (CPT )  N10 ( DPH )

(11.2)

mit qc in [MN/m²]

Die undrainierte Kohäsion cu für Korrelationen der Pfahltragfähigkeit in bindigen Böden kann im Labor aus einaxialen Druckversuchen oder aus undrainierten, unkonsolidierten Triaxialversuchen ermittelt werden. Bei weichen Böden kann c u alternativ auch bereits im Feld aus einem Flügelscherversuch bestimmt werden. Allerdings ist der maximal gemessene Scherwiderstand cf,max beim erstmaligen Abscheren mit einem Korrekturfaktor  in Abhängigkeit der Plastizität abzumindern (Formel (11.3), Tabelle 11.3). Alternativ können auch die Korrelationen aus DIN EN 1997-2, Anhang I verwendet werden. cu =   c f ,max Tabelle 11.3

(11.3)

Korrekturfaktoren  für weiche, erstbelastete Böden [10]

Plastizitätszahl Ip [%]

0

30

60

90

120

Korrekturfaktor 

1,0

0,8

0,68

0,60

0,55

11.2

Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände bei axialer Belastung

11.2.1 Allgemeines Generell sind bei Pfählen folgende zwei Versagensmöglichkeiten zu untersuchen: – Die innere Pfahltragfähigkeit muss gegeben sein, d. h. der Pfahlbaustoff darf unter den Einwirkungen aus Herstellung, Transport, Einbringvorgang und Bauwerkslasten nicht versagen. – Die äußere Pfahltragfähigkeit beschreibt die Lastweiterleitung aus dem Pfahl in den umgebenden Baugrund und dessen Fähigkeit, die eingeleiteten Lasten ohne unzulässig große Verformungen oder Bruch aufzunehmen. Die nachfolgenden Kapitel befassen sich mit der äußeren Pfahltragfähigkeit. Die Ausführungen gelten für ruhende Beanspruchungen. Hinsichtlich der Pfahlwiderstände unter zyklischer, dynamischer oder stoßartiger Belastung wird auf Kapitel 13 der EA-Pfähle [10] verwiesen. Die innere Tragfähigkeit ist Gegenstand der Bemessung des Pfahlbaustoffs, insbesondere der Bemessung des Pfahlbetons nach DIN EN 1992 einschließlich der nationalen Anwendungsdokumente.

11

578

11 Pfahlgründungen

11.2.2 Axiales Tragverhalten Der axiale Pfahlwiderstand bei Druckbelastung Rc setzt sich im Allgemeinen aus zwei Anteilen zusammen: – Pfahlfußwiderstand (base resistance) Rb (nicht bei Zugbelastung) – Pfahlmantelwiderstand (shaft resistance) Rs. Der charakteristische Widerstand von Druckpfählen Rc,k setzt sich gemäß Gleichung (11.4) aus dem Pfahlmantelwiderstand Rs,k über die einzelnen Schichten i aufaddiert und dem Pfahlspitzenwiderstand Rb,k zusammen. Der Bemessungswert des Pfahlwiderstands Rc,d wird nach Gleichung (11.5) berechnet, wobei die Teilsicherheitsbeiwerte für den Gesamtwiderstand auf Druck γt sowie für den Pfahlspitzenwiderstand γb und den Pfahlmantelwiederstand bei Druckbelastung γs unabhängig von der Bemessungssituation stets identisch sind (γt = γb = γs = 1,10).

Rc,k = Rb,k + Rs,k = Ab  qb,k +  As ,i  qs,i,k

(11.4)

R R R s,k b,k c,k R = = + c,d γ γ γ s b t

(11.5)

i

11.2.2.1 Setzungsabhängigkeit von Pfahlmantel- und Pfahlfußwiderstand Sowohl Rb als auch Rs hängen von der Pfahlsetzung s ab. Der Zusammenhang zwischen aktivierbarem Widerstand und zugehöriger Pfahlsetzung wird durch die Widerstands-SetzungsLinie (WSL) bzw. bei Zugbelastung durch eine Widerstands-Hebungs-Linie (WHL) beschrieben (Bild 11-2). Der Maximalwert der Pfahlmantelreibung qs wird bei der Grenzsetzung ssg aktiviert. Dies entspricht dem Bruchzustand für die Mantelreibung.

11

Die Pfahlmantelreibung qs nimmt ab einer zugehörigen Grenzsetzung ssg nicht weiter zu. Dieser Bruchzustand für die Mantelreibung wird in der WSL durch ein „Abknicken“ sichtbar. Idealisiert lässt sich dies durch einen bilinearen Verlauf der Kurve für den Pfahlmantelwiderstand Rs darstellen, was einem elastisch-plastischen Verhalten entspricht. Der Verlauf des Pfahlspitzendrucks qb zeigt demgegenüber einen annähernd parabolischen Verlauf, d. h. eine stetige Zunahme mit zunehmenden Setzungen im betrachteten Lastbereich. Je höher der Anteil des Pfahlfußwiderstands an der Gesamttragfähigkeit ist, desto undeutlicher fällt der Knick aus dem Einfluss der Mantelreibung aus. Ein Bruchversagen ist dann oft nicht zu erkennen, weshalb als Versagenskriterium eine Grenzsetzung sg von 10 % des Pfahlfußdurchmessers Db definiert wird: sg = 0,1 Db

(11.6)

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

Bild 11-2

579

Widerstands-Setzungslinien, getrennt nach Pfahlfußwiderstand und Pfahlmantelreibung (nach [29, 32])

11.2.2.2 Verlauf der Mantelreibung über die Pfahllänge, weitere Einflüsse auf den Pfahlspitzendruck Der Verlauf der Mantelreibung qs über die Pfahllänge stellt sich derart ein, dass eine Abnahme im Pfahlfußbereich auftritt. Je nach Pfahlart (Ramm- oder Bohrpfähle) und anstehendem Boden (Sand oder Ton) ist dieser Effekt mehr oder weniger ausgeprägt. Dies wird auf den sogenannten „Falltüreffekt“ zurückgeführt: auf Grund der Zusammendrückung des Bodens unterhalb des Pfahlfußes wird der umgebende Boden in vertikaler Richtung entlastet, wodurch auch die horizontalen Spannungen im Pfahlfußbereich und damit die Mantelreibung abnehmen. Der Einfluss der Einbindetiefe d und der Querschnittsabmessungen b kann durch das Verhältnis (d/b) ausgedrückt werden. Für (d/b) ≈ 15 oder größere Tiefen kann bei nichtbindigen Böden die Mantelreibung als konstant angenommen werden [29, 32]. Der Pfahlspitzendruck qb ist unter anderem von der Pfahleinbindetiefe und vom Pfahldurchmesser abhängig. Generell steigt der aktivierbare Spitzendruck mit der Tiefe auf Grund der ebenfalls zunehmenden Überlagerungsspannungen an [29, 32]. Wie in Bild 11-3 dargestellt, existiert jedoch eine auf die Pfahlabmessungen bezogene Grenztiefe (d/b) kr, ab welcher der Spitzendruck einen nahezu konstanten Wert annimmt. Die Durchmesserabhängigkeit des Pfahlspitzendrucks ist in dicht gelagerten nichtbindigen Böden besonders stark ausgeprägt und kann annähernd durch Gleichung (11.7) beschrieben werden. In lockeren nichtbindigen Böden geht der Einfluss des Durchmessers jedoch stark zurück und Gleichung (11.7) gilt nicht mehr. Je kleiner die Setzungen und je geringer die Baugrundfestigkeit sind, desto geringer ist auch der Einfluss des Pfahldurchmessers auf den Spitzendruck [29, 32].

qb  Db = const.

(11.7)

11

580

11 Pfahlgründungen

Bild 11-3 Tiefenabhängigkeit des Pfahlfußwiderstands und Grenztiefe (d/b)kr (nach [29, 32])

11.2.2.3 Einfluss der Zeit auf die Pfahltragfähigkeit Mit zunehmender Standzeit der Pfähle im Boden nimmt im Allgemeinen auch deren Tragfähigkeit zu. Dieses Phänomen tritt vor allem bei Verdrängungspfählen auf. Während der Spitzendruck über die Zeit nahezu unverändert bleibt, kann die Mantelreibung stark zunehmen. Dies gilt sowohl für nichtbindige Böden als auch für weiche bindige Böden. Erklärt wird die Tragfähigkeitszunahme durch eine Zunahme der horizontalen Spannungen. In nichtbindigen Böden führt die Verdrängung des Erdreichs beim Einbringvorgang zur Bildung eines Gewölbes um den Pfahl. Diese Gewölbespannungen bauen sich mit der Zeit ab (Relaxation), wodurch die radialen Spannungen und damit die Mantelreibung zunehmen. In bindigen Böden wird dieser Vorgang noch durch Konsolidationseffekte überlagert [29, 32].

11

In steifen bindigen Böden kann nach [32] unter Verweis auf Ergebnisse von Tomlinson jedoch auch der umgekehrte Effekt einer Tragfähigkeitsabnahme von bis zu 25 % auftreten.

11.2.3

Ermittlung der Pfahlwiderstände für axiale Belastung – Allgemeines

Nach DIN EN 1997-1:2014-03 [24] ist ein Nachweis der Pfahltragfähigkeit mit folgenden Methoden zulässig: – statische Probebelastungen – dynamische Probebelastungen, die an statischen Probebelastungen kalibriert wurden – empirische und analytische Berechnungsverfahren, die an statischen Probebelastungen kalibriert wurden – mittels der Beobachtungsmethode. Zu den analytischen Verfahren zählen z. B. die Abschätzung des Pfahlspitzendrucks mittels angepasster Grundbruchformel oder die Berechnung der Pfahlmantelreibung über den Erdruhedruck und einen Reibungsbeiwert. Auf Grund der Vielzahl an Einflussgrößen auf die Pfahltragfähigkeit, ist eine Berechnung nur mit analytischen Verfahren oder mittels numerischer Berechnungen im Allgemeinen nicht sinnvoll.

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

581

Zur Kalibrierung der empirischen Verfahren steht eine Vielzahl von Ansätzen zur Verfügung. Eine ausführliche Übersicht einschließlich der Bandbreiten der Eingangsparameter gibt Kempfert in [32]. Nach DIN 1054:2010 [14] muss die äußere Tragfähigkeit anhand einer WiderstandsSetzungs-Linie nachgewiesen werden. Dafür werden Pfahlprobebelastungen dringend empfohlen, da nur sie als ausreichend zuverlässig anzusehen sind. Als ausreichend abgesichert können auch die Erfahrungswerte der EA-Pfähle angesehen werden. Deren Anwendbarkeit ist allerdings in jedem Fall von einem geotechnischen Sachverständigen zu bestätigen.

11.2.4

Ermittlung von Pfahlwiderständen aus statischen Probebelastungen

Statische Pfahlprobebelastungen werden durchgeführt, um die oben erwähnte WiderstandsSetzungs-Linie (WSL) bzw. Widerstands-Hebungs-Linie (WHL) zu ermitteln. Je nachdem, ob der Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS) oder im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (SLS) geführt wird, sind unterschiedliche WSL (WHL) herzuleiten. 11.2.4.1 Charakteristischer Pfahlwiderstand Rc,k(ULS) im Grenzzustand der Tragfähigkeit nach EC 7-1 und DIN 1054:2010 Der charakteristische Grenzwiderstand Rc,k(ULS) für Druck (und analog Rt,k(ULS) für Zug) wird aus den Messwerten Rc,m (bzw. Rt,m) hergeleitet, indem diese entsprechend Formel (11.8) durch Streuungsfaktoren  geteilt werden. Die Streuungsfaktoren sind von der Anzahl n der probebelasteten Pfähle abhängig (Tabelle 11.4), wobei nur Bereiche mit einheitlichen Baugrundeigenschaften zusammengefasst werden dürfen4. Wenn der Überbau ausreichend steif ausgebildet ist, um eine Lastumlagerung von „weichen“ auf „steife“ Pfähle zu gewährleisten, dürfen die Faktoren 1 und 2 gemäß Gleichung (11.9) abgemindert werden. Die Pfahlgrenzsetzung kann mit Gleichung (11.6) ermittelt werden, wenn ein eindeutiger Bruchzustand aus der gemessenen WSL nicht erkennbar ist.  ( Rc,m )mitt ( Rc,m )min    ; Rc,k = MIN       1 2  

 *1,2 = Tabelle 11.4

1,2 1,1

(11.8)

mit 1  1, 0

(11.9)

Streuungsfaktoren 1,2 für statische Pfahlprobebelastungen nach DIN 1054:2010 [14]

n

1

2

3

4

≥5



1,35

1,25

1,15

1,05

1,00



1,35

1,15

1,00

1,00

1,00

n … Anzahl der probebelasteten Pfähle

4 DIN 1054:2010-12, 7.6.2.2, A(10)

11

582

11 Pfahlgründungen

11.2.4.2 Charakteristischer Pfahlwiderstand Rc,k(SLS) im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit nach EC 7-1 und DIN 1054:2010 Der Nachweis im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit kann sowohl durch Gegenüberstellung von Kräften gemäß Gleichung (11.10-1) als auch durch Vergleich der erwarteten bzw. berechneten Setzungen mit einem zulässigen Wert (Gleichung (11.10-2)) erfolgen.

Ed (SLS ) = Ek  Rd (SLS ) = Rk (SLS )

(11.10-1)

vorh s k  zul s k

(11.10-2)

Neben der absoluten Setzung interessieren in der Regel vor allem bei Pfahlgruppen die möglichen Setzungsdifferenzen. Die Setzungsdifferenzen nehmen mit der Verringerung der Steifigkeit der Pfahlkopfplatte zu. Die Setzungsdifferenz kann bei Pfahlgruppen mit starrer Pfahlkopfplatte vernachlässigt werden. Ist keine Pfahlkopfplatte vorhanden, sind die folgende Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (GZG) bei Pfahlgruppen nachzuweisen: -

Eckpfählen Δs= -0,13 bis -0,23∙sG5

-

Randpfählen Δs= -0,02 bis -0,06∙sG

-

Innenpfählen Δs= 0,09 bis 0,15∙sG [41]

Die EA-Pfähle empfiehlt, zwischen „geringen“ und „erheblichen“ Setzungsdifferenzen zu unterscheiden. Im Fall geringer Setzungsunterschiede können für die Pfähle Federkonstanten anhand der charakteristischen Widerstands-Setzungs-Linie ermittelt werden (Bild 11-4 (a)). Sind erhebliche Setzungsdifferenzen zu erwarten, wird empfohlen, die Setzungsunterschiede anhand einer oberen und einer unteren WSL zu ermitteln. Diese WSL-Grenzlinien sind aus der „mittleren“ WSL entsprechend Gleichung (11.11) und Bild 11-4 (b) herzuleiten. Der Faktor  ist von der Pfahlherstellung, der Baugrundschichtung und der Stellung der Pfähle abhängig und sollte durch den geotechnischen Sachverständigen festgelegt werden. Als Anhaltswert wird oft  = 0,15 verwendet [32].

s k =   s k

(11.11)

11

Bild 11-4

Widerstands-Setzungs-Linien und Pfahlwiderstände Rc,k(SLS) im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit a) geringe Setzungsdifferenzen zwischen den Einzelpfählen zu erwarten; b) erhebliche Setzungsdifferenzen zwischen den Einzelpfählen zu erwarten (aus [10])

5sG ist die mittlere Setzung aller Pfähle

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

11.2.5

583

Ermittlung von Pfahlwiderständen aus dynamischen Probebelastungen

Dynamische Pfahlprobebelastungen müssen grundsätzlich an statischen Pfahlprobebelastungen kalibriert werden. Besondere Bedeutung hat diese Kalibrierung bei zeitabhängigen Setzungen oder Kriechverformungen, welche bei kurzzeitiger dynamischer Belastung noch nicht auftreten und somit nicht erfasst werden können. Bei der Kalibrierung müssen der Pfahltyp, die Pfahllänge und der Pfahlquerschnitt annähernd übereinstimmen. Der Baugrund muss bei beiden Versuchen vergleichbare Verhältnisse aufweisen. Dynamische Pfahlprobebelastungen sind nach DIN 1054:2010 nicht zulässig, wenn der Pfahlfuß oder der maßgebliche Mantelreibungsanteil in wassergesättigten, bindigen Schichten liegt. Grund hierfür ist eine mögliche Überschätzung des wirklichen Pfahlwiderstands aufgrund von Porenwasserüberdrücken. Das Ergebnis der dynamischen Probebelastung ist der statische Anteil des Pfahlwiderstands Rstat, der analog zur statischen Probebelastung als Messwert eingestuft wird. Dementsprechend erfolgt die Ermittlung des charakteristischen Pfahlwiderstands durch Abminderung der Messwerte mit Streuungsfaktoren (Gleichung (11.12) und Tabelle 11.5). Abschließend empfiehlt die EA-Pfähle einen Abgleich der so ermittelten Pfahlwiderstände mit örtlichen Erfahrungen durch den geotechnischen Sachverständigen.

  ( Rc,m )mitt ( Rc,m )min   Rc,k = MIN  ;      5 6   (11.12) Tabelle 11.5

Grundwerte der Streuungsfaktoren 0,5 und 0,6 nach DIN 1054:2010 [14]

n

≥2

≥5

≥ 10

≥ 15

≥ 20



1,60

1,50

1,45

1,42

1,40

 1,50 1,35 n … Anzahl der probebelasteten Pfähle

1,30

1,25

1,25

11

Die Endwerte 5/6 der Streuungsfaktoren werden nach Gleichung (11.13) aus den Grundwerten 0,5/6 gemäß Tabelle 11.5 ermittelt. Neben der Anzahl n der durchgeführten dynamischen Probebelastungen gehen der Standort des statischen Referenzversuchs, das Auswerteverfahren (direktes oder erweitertes Verfahren, vgl. Abschnitt 11.6.3) und die Fähigkeit des Tragwerks zur Lastumlagerung in die Berechnung von 5/6 ein (Bild 11-5).

i = (0,i + Δ ) D

(11.13)

584

11 Pfahlgründungen

Bild 11-5

11.2.6

Zuschläge  und Modellfaktoren D zur Ableitung der Streuungsfaktoren 5/6 (nach [14])

Axiale Pfahlwiderstände aus Erfahrungswerten

11.2.6.1 Allgemeines In EC 7-1 und DIN 1054:2010 wird die Ermittlung von Pfahltragfähigkeiten anhand von Erfahrungswerten als „Grenzwert des Druckwiderstands aus den Ergebnissen von Baugrundversuchen“ bezeichnet. DIN 1054:2010 verweist hinsichtlich der Erfahrungswerte auf Kapitel 5.4 der EA-Pfähle, wobei zu folgenden Pfahltypen Angaben zu finden sind:

11

– – – – – –

Fertigrammpfähle Ortbetonrammpfähle Bohrpfähle Teilverdrängungsbohrpfähle Schraubpfähle verpresste Verdrängungs- und Mikropfähle.

Hinsichtlich weiterführender Literatur wird auf die EA-Pfähle [10] sowie [32] verwiesen, auf die auch im Folgenden Bezug genommen wird. 11.2.6.2 Grundlagen und Anwendbarkeit Grundlage der Erfahrungswerte nach [10] sind umfangreiche statistische Auswertungen von Probebelastungsergebnissen und deren Kalibrierung an Versuchen mit bekanntem Untergrundaufbau. Die Aufteilung des Pfahlgesamtwiderstands in Pfahlspitzenwiderstand q b und Pfahlmantelreibung qs erfolgte iterativ, bis die Abweichung zwischen dem Messwert der Pfahlgesamttragfähigkeit und dem Berechnungsergebnis zu Null wurde.

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

585

Nachfolgend werden jeweils kleinere und größere Werte der Pfahlwiderstände angegeben. Diese Werte sind die 10 %- und 50 %-Fraktile der ausgewerteten Probebelastungen. Sie entsprechen Wahrscheinlichkeiten von 90 % bzw. 50 % dafür, dass die Pfahlgrenztragfähigkeit nicht überschritten wird. In der Regel sollten die kleineren Tabellenwerte Verwendung finden. Die 50 %-Fraktilen dürfen nur angewandt werden, wenn deren Anwendbarkeit im konkreten Fall durch einen Sachverständigen für Geotechnik bestätigt wurde. Grundvoraussetzung für die Anwendung von Erfahrungswerten ist eine Baugrunduntersuchung gemäß Eurocode 7, Teil 2 [26] und DIN 4020 [16]. Für Vorbemessungen im Vorfeld der Baugrunderkundung dürfen zunächst die unteren Tabellenwerte herangezogen werden. Bei Zugpfählen sollten die Pfahlwiderstände generell aufgrund von statischen Probebelastungen ermittelt werden. Die Bandbreite der Baugrundfestigkeiten bei den ausgewerteten Probebelastungen (mittlerer Sondierwiderstand qc der Drucksonde bei nichtbindigen Böden und undrainierte Scherfestigkeit cu,k bei bindigen Böden) ist in Tabelle 11.6 dargestellt. Die unteren Werte stellen die Anwendungsgrenze für die Erfahrungswerte dar. Bei Böden mit geringeren Festigkeitskennwerten muss ein geotechnischer Sachverständiger hinzugezogen werden. Entgegen Tabelle 11.6 wird jedoch generell als Mindestwert des Sondierwiderstands im Pfahlfußbereich qc ≥ 10 mN/m² empfohlen. Zwischenwerte dürfen in allen Tabellen linear interpoliert werden. Tabelle 11.6

Bereiche der Baugrundfestigkeiten als Grundlage der Erfahrungswerte [10]

Boden

Baugrundfestigkeit

nichtbindig bindig

qc = 7,5 – 25 MN/m² Pfahlspitzenwiderstand

cu,k = 100 – 250 kN/m²

Pfahlmantelreibung

cu,k = 60 – 250 kN/m²

11.2.6.3 Fertigrammpfähle Stahlbeton-, Spannbeton- und Stahlprofilpfähle Bei Pfählen mit nicht kreisförmigem Querschnitt ist zunächst der äquivalente Pfahlfußdurchmesser Deq nach den Gleichungen (11.14-1) bzw. (11.14-2) zu berechnen. Bei Stahlprofilpfählen sind die Seitenlängen aL und as der umrissenen Pfahlfußfläche anzusetzen. – Quadratische Pfähle:

Deq = 1,13  as

– Rechteckige Pfähle:

Deq = 1,13  as  aL / as

(11.14-1) ; aL  as

(11.14-2)

Abweichend von den Ausführungen in Abschnitt 11.2.2.1 wurde bei der Ermittlung der Erfahrungswerte gemäß EA-Pfähle eine setzungsabhängige Mobilisierung der Grenzmantelreibung unterstellt. Dies bedeutet, dass nach Erreichen einer Setzung ssg* noch eine weitere Steigerung der Mantelreibung bis zur Grenzsetzung ssg stattfindet (kein vertikaler Verlauf von Rk(s) nach Erreichen von ssg*, vgl. Bild 11-6). Die Pfahlmantelreibung bei Mobilisierung des Bruchzustandes kann implizit nach Gleichung (11.15) ermittelt werden. ssg* [cm] = 0,5  Rs,k (ssg* ) [MN]  1,0 [cm]

(11.15)

11

586

11 Pfahlgründungen

Bild 11-6 Charakteristische WiderstandsSetzungs-Linie für Fertigrammpfähle (nach [10])

Die allgemeine Beziehung gemäß Gleichung (11.4) zur Berechnung des Pfahlwiderstands wird in der EA-Pfähle ebenfalls modifiziert (Gleichung (11.16), Bild 11-7). Es werden zusätzliche Anpassungsfaktoren b für den Spitzenwiderstand und s für die Mantelreibung eingeführt, womit unterschiedliche Profilformen berücksichtigt werden können (Tabelle 11.7).

Rk (s) = Rb,k ( s) + Rs,k ( s) = b  Ab  qb,k + s   As,i  qs ,i ,k

(11.16)

i

Tabelle 11.7 Anpassungswerte für Spitzenwiderstand b und Mantelreibung s bei Fertigrammpfählen [10] b

Pfahltyp Stahlbeton und Spannbeton Stahlträgerprofil (Profilhöhe h ≤ 0,50 m und h/bF≤1,5)

11

s = 0,035 ∙ Deq

1,00 0,61 – 0,30 ∙ h/bF

s = 0,10 ∙ Deq

0,78 – 0,30 ∙ h/bF

Doppeltes Stahlträgerprofil

0,25

Offenes Stahlrohr und Hohlkasten (0,3 ≤ Db ≤ 1,60 m)

0,95∙e-1,2∙Db

Geschlossenes Stahlrohr (Db ≤ 0,80 m)

0,80

bF h

s 1,00 0,60 0,60 1,1∙e-0,63∙Db 0,60

Flanschbreite des Stahlträgerprofils Profilhöhe des Stahlträgerprofils

In den Tabellen 11.8 und 11.9 sind die Erfahrungswerte für Fertigrammpfähle in Abhängigkeit der Bodenfestigkeitsparameter angegeben. Folgende Randbedingungen sind bei deren Anwendung einzuhalten: – Mindesteinbindung in eine tragfähige Schicht: 2,50 m – Einbringung durch Rammen (Tragfähigkeitsreduzierung bei vibrierten Pfählen, Abminderung der Tabellenwerte ist durch einen geotechnischen Sachverständigen festzulegen) – Mindeststärke der tragfähigen Schicht unterhalb des Pfahlfußes mindestens 5 Deq bzw. mindestens 1,50 m – Mittelung der Festigkeitsparameter zur Ermittlung des Pfahlspitzenwiderstands in folgendem Bereich: von 1∙Deq oberhalb bis 4∙Deq unterhalb des Pfahlfußes.

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

Bild 11-7

587

Nennwerte der Pfahlfußflächen und der Pfahlmantelflächen von Stahlprofilpfählen (nach [10])

Tabelle 11.8

10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für den charakteristischen Pfahlspitzenwiderstand qb,k von Fertigrammpfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10]

Bezogene Pfahlkopfsetzung s/Deq

Pfahlspitzenwiderstand qb,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

25

100

150

250

0,035

2.200 (5.000)

4.000 (6.500)

4.500 (7.500)

350 (450)

550 (700)

800 (950)

0,100

4.200 (6.000)

7.600 (10.200)

8.750 (11.500)

600 (750)

850 (1.100)

1.150 (1.500)

Tabelle 11.9

10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Fertigrammpfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10]

Pfahlkopfsetzung

Pfahlmantelreibung qs,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

25

60

150

250

ssg*

30 (40)

65 (90)

85 (120)

20 (30)

35 (50)

45 (65)

ssg = sg = 0,1 ∙ Deq

40 (60)

95 (125)

125 (160)

20 (35)

40 (60)

55 (80)

11

588

11 Pfahlgründungen

Fertigrammpfähle aus Holz Für Druckpfähle aus Holz verweist die EA-Pfähle auf DIN 4026:1975 [17]. Die dort angegebenen Zahlenwerte entsprechen den charakteristischen Pfahlwiderständen von gerammten Verdrängungspfählen aus Holz in bindigen und nichtbindigen Böden, wie sie in DIN 1054:2005, Anhang C.4 zu finden sind (vgl. Tabelle 11.10). Offenbar ist in den Werten nach DIN 4026:1975 [17] noch keine globale Sicherheit von  = 2,0 enthalten. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Tabellenwerte sind neben einer Mindesteinbindung von 5 m ein ausreichend tragfähiger nichtbindiger Baugrund (Spitzenwiderstand der Drucksonde qc ≥ 10 MN/m²) oder halbfester bindiger Boden (Konsistenzzahl IC > 1,0 bzw. undrainierte Kohäsion cu,k ≥ 150 kN/m²). Bei besonders tragfähigem nichtbindigem Baugrund (qc ≥ 15 MN/m²) oder festen bindigen Böden (cu,k ≥ 200 kN/m²) dürfen die Tabellenwerte mit dem Faktor 1,25 beaufschlagt werden. Tabelle 11.10

Erfahrungswerte für den charakteristischen Pfahlwiderstand Rk von Fertigrammpfählen aus Holz [13, 17]

Einbindetiefe in den tragfähigen Baugrund in [m]

Charakteristische Pfahltragfähigkeit Rk in [kN] Fußdurchmesser Deq in [cm] 15

20

25

30

35

3

100

150

200

300

400

4

150

200

300

400

500

5



300

400

500

600

11.2.6.4 Ortbetonrammpfähle Für Ortbetonrammpfähle existieren im Wesentlichen zwei Herstellverfahren: – System Simplex mit Kopframmung und verlorener Fußplatte – System Franki mit Innenrohrrammung, in der Regel mit Fußausrammung.

11

Simplexpfähle Für Simplexpfähle gelten die gleichen Anwendungsgrenzen wie für Fertigrammpfähle aus Stahl und Beton. Auch hier gelten die Gleichung (11.15) sowie Bild 11-6. Die Pfahltragfähigkeit ist nach den Beziehungen (11.4) und (11.5) zu ermitteln. Tabelle 11.11 Erfahrungswerte (10 %- und 50 %-Fraktil) für den charakteristischen Pfahlspitzenwiderstand qb,k von Simplexpfählen in nichtbindigen Böden [10] Bezogene Pfahlkopfsetzung s/Db

Pfahlspitzenwiderstand qb,k in [kN/m²] bei einem mittleren Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²] 7,5

15

25

0,035

2.200 – 5.000

4.000 – 6.500

4.500 – 7.500

0,100

4.200 – 6.000

7.600 – 10.200

8.750 – 11.500

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

589

Tabelle 11.12 10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Simplexpfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10] Pfahlkopfsetzung

≥ ssg*

Pfahlmantelreibung qs,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

25

60

150

250

55 (70)

105 (135)

130 (165)

25 (40)

45 (65)

60 (85)

In den Tabellen 11.11 und 11.12 sind die Erfahrungswerte gemäß EA-Pfähle [10] aufgelistet. Für den Pfahlspitzenwiderstand in bindigen Böden liegt aktuell noch keine Tabelle vor, da die Datenbasis noch zu gering ist. In [32] werden Werte für Geschiebemergel angegeben. Die Mantelreibung gemäß Tabelle 11.12 ist für die Setzungen ssg* und die Grenzsetzung ssg = sg = 0,1 ∙ Db in gleicher Größe anzusetzen, weshalb nur ein Wert angegeben wird. Frankipfähle Aufgrund der Fußausrammung und der damit einhergehenden Fußaufweitung tragen Frankipfähle einen großen Teil der Belastung über den Pfahlfußwiderstand ab. Die Bemessung für den Pfahlfußwiderstand erfolgt mittels Nomogrammen (Bilder 11-8 und 11-9). Eingangswert sind in einer Vorbemessung die bekannten Parameter der Baugrundfestigkeit qc bzw. cu,k. Aus den Nomogrammen kann das erforderliche Pfahlfußvolumen V ermittelt werden. Der für den Fußwiderstand maßgebende Bereich reicht von 2 ∙ Ds ≥ 1,0 m oberhalb bis 3 ∙ Ds ≥ 1,5 m unterhalb der Rammtiefe. Obere Erfahrungswerte und Angaben für Geschiebemergel können der EA-Pfähle [10] entnommen werden. Beim Nachweis der Tragfähigkeit nach erfolgter Herstellung werden der Norm-RammarbeitAnteil W sowie das hergestellte Pfahlfußvolumen V als Eingangswerte verwendet und so der tatsächliche Pfahlfußwiderstand ermittelt. Der Norm-Rammarbeit-Anteil W ist der Quotient aus der auf den letzten zwei Metern geleisteten Rammarbeit W ist und der Norm-Rammarbeit Wnorm. Er muss größer bzw. gleich 0,5 sein (Gleichung (11.17)). Die lokale Tragfähigkeit des Baugrunds wird durch Wist erfasst, während in Wnorm der Durchmesser des Vortreibrohres und die Masse des Rammbärs eingehen (Tabelle 11.13). W=

Wist Wnorm

 0,5

(11.17)

Tabelle 11.13 Norm-Rammarbeit W norm für lotrechte Frankipfähle [10] Rohrdurchmesser Ds in [cm]

Bärgewicht in [kN]

Fallhöhe in [m]

Anzahl Rammschläge/2m

NormRammarbeit Wnorm in [kNm]

42

22,0

6,5

125

17.875

51

30,0

6,5

125

24.375

56

37,5

6,5

125

30.469

61

45,0

6,5

125

36.563

11

590

11 Pfahlgründungen

Bild 11-8

Untere Erfahrungswerte für Pfahlfußwiderstände und erforderliche Pfahlfußvolumina von Frankipfählen in nichtbindigen Böden (aus [10])

Bild 11-9

Untere Erfahrungswerte für Pfahlfußwiderstände und erforderliche Pfahlfußvolumina von Frankipfählen in bindigen Böden (aus [10])

11

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

591

Der Mantelwiderstand wird anhand der folgenden Tabellen 11.14 und 11.15 berechnet. Hierbei ist zu beachten, dass erst oberhalb von 80 cm über der Rammtiefe eine Mantelreibung q s,k angesetzt werden darf. Das Maß von 0,8 m entspricht dem Rohrhub für die Fußherstellung (Bild 11-10). Tabelle 11.14 Erfahrungswerte (10 %- und 50 %-Fraktil) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Frankipfählen in nichtbindigen Böden [10] Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde

Bruchwert der Pfahlmantelreibung qs,k

in [MN/m²]

in [kN/m²]

7,5

70 – 95

15

115 – 150

≥ 25

135 – 180

Tabelle 11.15 Erfahrungswerte (10 %- und 50 %-Fraktil) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Frankipfählen in bindigen Böden [10] Undrainierte Scherfestigkeit cu,k

Bruchwert der Pfahlmantelreibung qs,k

in [kN/m²]

in [kN/m²]

60

35 – 45

150

55 – 70

≥ 250

70 – 90

11

Bild 11-10 Rohrhub und Bereich, in dem Mantelreibung angesetzt werden darf (nach [32])

Bei geneigten Pfählen ist die geleistete Rammarbeit Wist mit dem Faktor f gemäß Tabelle 11.16 abzumindern.

592

11 Pfahlgründungen

Tabelle 11.16 Abminderungsfaktoren f für die geleistete Rammarbeit W ist bei geneigten Frankipfählen [10] Pfahlneigung

Abminderungsfaktor f

Lotrecht bis 10:1

1,00

Bis 8:1

0,95

Bis 6:1

0,90

Bis 4:1

0,85

11.2.6.5 Bohrpfähle Bei Bohrpfählen wird unterstellt, dass die Grenzmantelreibung ab der zugehörigen Pfahlkopfsetzung ssg konstant ist. Die Grenzsetzung bei Erreichen des Bruchwerts der Mantelreibung kann mit Formel (11.18) ermittelt werden. Für den setzungsabhängigen Pfahlwiderstand Rk(s) gelten die Gleichungen (11.4) und (11.5).

ssg [cm] = 0,5  Rs,k (ssg ) [MN ] + 0,5 [cm]  3,0 [cm]

(11.18)

Die Erfahrungswerte für Spitzendruck und Mantelreibung der Tabellen 11.18 und 11.19 gelten unter folgenden Voraussetzungen: – Pfahlschaftdurchmesser Ds (bzw. Pfahlfußdurchmesser Db bei Pfählen mit Fußaufweitung): 0,3 m ≤ Ds/b ≤ 3,0 m – Mindesteinbindung in eine tragfähige Schicht: 2,50 m – Mindeststärke der tragfähigen Schicht unterhalb des Pfahlfußes mindestens 3 ∙ Ds/b ≥ 1,50 m – Maßgebender Bereich für den Pfahlspitzenwiderstand nach Tabelle 11.17 – Erforderliche Baugrundfestigkeit im Pfahlfußbereich analog Tabelle 11.6, d. h. qc ≥ 7,5 MN/m² (besser qc ≥ 10 MN/m²) bzw. cu,k ≥ 100 kN/m² – Bei Pfählen mit Fußverbreiterung sind die Tabellenwerte auf 75 % abzumindern.

11

Tabelle 11.17 Maßgebender Bereich für die Ermittlung des Pfahlspitzenwiderstands aus dem mittleren Spitzenwiderstand qc der Drucksonde bzw. der charakteristischen undrainierten Scherfestigkeit cu,k [10] Pfahlfußdurchmesser Db

Für den Pfahlspitzenwiderstand maßgebender Bereich

≤ 60 cm

1∙Db oberhalb bis 4∙Db unterhalb des Pfahlfußes

> 60 cm

1∙Db oberhalb bis 3∙Db unterhalb des Pfahlfußes

Tabelle 11.18 10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Bohrpfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10] Pfahlkopfsetzung

≥ ssg

Pfahlmantelreibung qs,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

≥ 25

60

150

≥ 250

55 (80)

105 (140)

130 (170)

30 (40)

50 (65)

65 (85)

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

593

Tabelle 11.19 10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für den charakteristischen Pfahlspitzenwiderstand qb,k von Bohrpfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10] Bezogene Pfahlkopfsetzung s/Ds bzw. s/Db

Pfahlspitzenwiderstand qb,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

25

100

150

250

0,02

550 (800)

1.050 (1.400)

1.750 (2.300)

350 (450)

600 (750)

950 (1.200)

0,03

700 (1.050)

1.350 (1.800)

2.250 (2.950)

450 (550)

700 (900)

1.200 (1.450)

0,10 (= sg)

1.600 (2.300)

3.000 (4.000)

4.000 (5.300)

800 (1.000)

1.200 (1.500)

1.600 (2.000)

Für Fels, Schluff- und Tonstein sowie Sandstein sind in [10] weitere Erfahrungswerte zu finden. 11.2.6.6 Teilverdrängungsbohrpfähle Teilverdrängungsbohrpfähle nach DIN EN 1536 können auf unterschiedliche Art und Weise hergestellt werden. So kann z. B. die Schnecke durchgehend oder auch nur teilweise durchgehend ausgebildet sein. Der Grad der Bodenförderung ist vom Durchmesser des Seelenrohrs Di, dem Außendurchmesser der Schnecke Da, der Steigung der Schneckenwendel, der Rotationsgeschwindigkeit im Verhältnis zur Vortriebsgeschwindigkeit und anderen Faktoren abhängig. Somit ist eine zuverlässige Angabe von Erfahrungswerten für die aktivierbaren Pfahlwiderstände nicht möglich. Unter Beachtung der Anwendungsgrenzen für Bohrpfähle dürfen hilfsweise die Erfahrungswerte der Tabellen 11.18 und 11.19 um den Faktor 1,15 erhöht werden, wenn sichergestellt ist, dass das geförderte Bodenvolumen geringer als das Pfahlvolumen ist. Anstelle von Tabelle 11.17 gilt allgemein für den maßgebenden Bereich des Pfahlfußwiderstands: Mittelung von 1∙Ds oberhalb bis 4∙Ds unterhalb des Pfahlfußes. 11.2.6.7 Schraubbohrpfähle Schraubbohrpfähle werden auch als Vollverdrängungsbohrpfähle bezeichnet. In den Tabellen 11.20 sowie 11.21 sind Erfahrungswerte für Atlaspfähle angegeben, für deren Anwendung folgende Randbedingungen einzuhalten sind: – Eine Bodenumlagerung von tragfähigem Baugrund in überlagernde, weniger tragfähige Schichten aufgrund der herstellungsbedingten Verdrängung ist auszuschließen. – Maßgebender Bereich zur Bestimmung des Pfahlfußwiderstands von 1∙Ds oberhalb bis 4∙Ds unterhalb des Pfahlfußes. – Mindeststärke der tragfähigen Schicht unterhalb des Pfahlfußes mindestens 3∙Ds ≥ 1,50 m. – Erforderliche Baugrundfestigkeit im Pfahlfußbereich analog Tabelle 11.6, d. h. qc ≥ 7,5 MN/m² (besser qc ≥ 10 MN/m²) bzw. cu,k ≥ 100 kN/m².

11

594

11 Pfahlgründungen

Zudem ist für Ds der Außendurchmesser der Wendel einzusetzen. Ähnliche Angaben für Fundexpfähle können [10] entnommen werden. Tabelle 11.20 10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für den charakteristischen Pfahlspitzenwiderstand qb,k von Atlaspfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10] Bezogene Pfahlkopfsetzung s/Ds

Pfahlspitzenwiderstand qb,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

25

100

150

250

0,02

950 (1.400)

1.650 (2.300)

2.650 (3.450)

600 (800)

900 (1.250)

1.300 (1.950)

0,03

1.200 (1.850)

2.150 (2.950)

3.350 (4.450)

750 (950)

1.050 (1.500)

1.650 (2.350)

0,10 (= sg)

2.750 (4.000)

4.750 (6.500)

6.000 (8.000)

1.350 (1.750)

1.800 (2.500)

2.200 (3.250)

Tabelle 11.21 10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Atlaspfählen in nichtbindigen und bindigen Böden [10] Pfahlmantelreibung qs,k in [kN/m²] Nichtbindige Böden Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

11

Bindige Böden Undrainierte Scherfestigkeit cu,k in [kN/m²]

7,5

15

≥ 25

60

150

≥ 250

85 (105)

160 (200)

200 (245)

40 (60)

75 (95)

95 (120)

11.2.6.8 Verpresste Verdrängungs- und Mikropfähle Die Erfahrungswerte der ehemaligen DIN 4128:1983 für Verpresspfähle sind identisch mit jenen der DIN 1054:2005. Dabei wird lediglich nach Bodenarten unterschieden. Verglichen mit der EA-Pfähle liegen die Werte für die Mantelreibung q s,k jedoch teilweise auf der unsicheren Seite und sollten deshalb nicht verwendet werden. Hinsichtlich des Spitzendrucks gelten für die unterschiedlichen Pfahlarten folgende Regelungen: – Verpressmörtelpfähle (VM-Pfähle): der Spitzendruck darf wie bei gerammten Verdrängungspfählen angesetzt werden (Mindeststärke der tragfähigen Schicht unterhalb des Pfahlfußes mindestens 3∙Ds ≥ 1,50 m; qc ≥ 7,5 MN/m²). – Rüttelinjektionspfähle (RI-Pfähle): zur Ableitung eines Spitzenwiderstands sind Pfahlprobebelastungen zwingend erforderlich. – Verpresste Mikropfähle (Pfahlschaftdurchmesser Ds ≤ 30 cm): der Ansatz eines Spitzenwiderstands ist nicht zulässig.

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

595

In den Tabellen 11.22 und 11.23 sind Erfahrungswerte für die Bruchwerte der Pfahlmantelreibung angegeben. Tabelle 11.22

10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Verpressmörtelpfählen (VM-Pfählen), Rüttelinjektionspfählen (RI-Pfählen) und verpressten Mikropfählen in nichtbindigen Böden [10]

Mittlerer Spitzenwiderstand qc der Drucksonde in [MN/m²]

VM-Pfähle

Bruchwert der Pfahlmantelreibung qs,k in [kN/m²] RI-Pfähle

Verpresste Mikropfähle (Ds ≤ 30 cm)

7,5

105 (135)

90 (115)

135 (175)

15

180 (230)

150 (195)

215 (280)

≥ 25

225 (275)

180 (220)

255 (315)

Tabelle 11.23 10 %-Fraktil-Erfahrungswerte (50 %-Fraktile in Klammern) für die charakteristische Pfahlmantelreibung qs,k von Verpressmörtelpfählen (VM-Pfählen) und verpressten Mikropfählen in bindigen Böden [10] Undrainierte Scherfestiggkeit cu,k in [kN/m²]

Bruchwert der Pfahlmantelreibung qs,k in [kN/m²] VM-Pfähle

Verpresste Mikropfähle (Ds ≤ 30 cm)

60

40 (50)

55 (65)

150

80 (90)

95 (105)

≥ 250

95 (105)

115 (125)

** Rüttelinjektionspfähle (RI-Pfähle) sind nicht in bindigen Böden einsetzbar

11

11.2.6.9 Anwendung auf Zugpfähle Für Zugpfähle sollte die Bestimmung der Pfahltragfähigkeit anhand von Pfahlprobebelastungen die Regel sein. In Ausnahmefällen ist der Ansatz von Erfahrungswerten zulässig, wenn diese durch einen Sachverständigen für Geotechnik bestätigt werden. Die Abschätzung der Grenzhebung ssg,t aus Erfahrungswerten für die Widerstands-HebungsLinie kann nach Gleichung (11.19) erfolgen, wobei je nach Pfahltyp entweder s sg gemäß Gleichung (11.18) bzw. ssg* Gleichung (11.15) einzusetzen ist. ssg ,t = 1,3  ssg (*)

(11.19)

Die rechnerisch ansetzbare Länge der Verpresskörper ist nach EA-Pfähle bei Verpressmörtelund Rüttelinjektionspfählen auf maximal 15 m zu begrenzen. Für verpresste Mikropfähle beträgt die maximal ansetzbare Länge 12 m.

596

11 Pfahlgründungen

11.2.7

Axiale Pfahlwiderstände aus empirischen und erdstatischen Verfahren

Die empirischen Verfahren geben Korrelationen zwischen Ergebnissen aus Labor- und Feldversuchen und den ansetzbaren Werten für Spitzendruck und Mantelreibung an, was den Erfahrungswerten der EA-Pfähle entspricht. Eine sehr gute Übersicht der Korrelationen gegliedert nach Versuchen und Autoren findet sich in [32]. 11.2.7.1 Erdstatische Ansätze für die Pfahlmantelreibung Die Pfahlmantelreibung qs,k kann nach [39] z. B. unter Verwendung der Mohr-Coulombschen Bruchbedingung rechnerisch geschätzt werden:

qs,k = ca +  h  tan  a = ca + Ks   v  tan  a = ca +    v mit

(11.20)

ca = Adhäsion h´ = Horizontalspannung a = Reibungswinkel zwischen Pfahlschaft und umgebendem Boden Ks = horizontaler Erddruckbeiwert v´ = Vertikalspannung

Die Pfahl-Boden-Adhäsion ca hängt von vielen Faktoren wie z. B. Pfahltyp, Bodenart und Einbringmethode ab. Sie wird gemäß der Beziehung (11.21) durch Multiplikation der Scherfestigkeit des undrainierten Bodens cu mit dem Adhäsionskoeffizienten s ermittelt.

ca =  s  cu

(11.21)

Entsprechend der Fülle an Einflussfaktoren variiert der Faktor s innerhalb einer großen Bandbreite (Tabelle 11.24). Tabelle 11.24 Werte des Adhäsionskoeffizienten s (auszugsweise aus [32])

11

s

Bemerkung

Quelle

m∙r

m = 0,8 – 1,0 für Beton (je nach Oberfläche) m = 0,7 für Stahl r = 0,4

Skov [44]

0,4 1,0

cu > 100 kN/m² cu < 30 kN/m²

Lehane [36]

1,0 1,0 – 0,011 ∙ (cu – 25) 0,5

cu ≤ 25 kN/m² 25 kN/m² < cu < 70 kN/m² cu ≥ 70 kN/m²

Mandolini [38]

Für den Normalspannungsanteil aus Gleichung (11.19) kann in nichtbindigen und in normalkonsolidierten bindigen Böden gesetzt werden:

 = Ks  tan  a = K0  tan  ' = (1 − sin  ')  tan  '

(11.22)

11.2 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

597

Gemäß [39] stellt die Beziehung (11.21) in normalkonsolidierten Tonböden eine untere Schranke dar. In überkonsolidierten Böden kann der Erdruhedruckbeiwert K 0 nach Gleichung (11.23) abgeschätzt werden.

K0 = (1 − sin  ')  OCR

(11.23)

OCR Konsolidierungsverhältnis (over consolidation ratio) 11.2.7.2 Erdstatische Ansätze für den Pfahlspitzendruck Der aktivierbare Pfahlspitzendruck kann z. B. mittels der modifizierten Grundbruchformel rechnerisch abgeschätzt. qb,k = 0,5    Db  Nb + c  NC +  vb  Nq

mit

(11.24)

c = Kohäsion vb = Vertikalspannung auf Höhe des Pfahlfußes  = Wichte des umgebenden Bodens Db = Pfahlfußdurchmesser Nb, NC, Nq = Tragfähigkeitsbeiwerte für den Einfluss des Pfahlfußdurchmessers, der Kohäsion und der Gründungstiefe

Die Tragfähigkeitsbeiwerte entsprechen nicht jenen von Flachgründungen. Gründe hierfür sind zum einen der Umstand, dass der Pfahlspitzendruck nicht unbegrenzt mit der Tiefe ansteigt. Zudem wird der Spannungszustand am Pfahlfuß und damit der Reibungswinkel des Bodens durch die Pfahleinbringung verändert. Der Nb-Term wird aufgrund des geringen Wertes von Nb meist vernachlässigt. Zwischen den Tragfähigkeitsbeiwerten Nc und Nq besteht folgende Beziehung: NC = ( Nq − 1)  cot  '

(11.25)

11

Bild 11-11 Werte für Tragfähigkeitsbeiwerte für den Einfluss der Kohäsion(Nc) und der Gründungstiefe (Nq) [32]

Poulos empfiehlt die Bestimmung von Nq anhand der Lösungen von Berezantzev [4], da diese verglichen mit anderen Autoren eine geringere Abhängigkeit von der bezogenen Einbinde-

598

11 Pfahlgründungen

tiefe d/Db (d = Pfahleinbindung, Db = Pfahlfußdurchmesser) aufweisen. Kempfert gibt in Bild 11-11 die Werte für Tragfähigkeitsbeiwerte für den Einfluss der Kohäsion (N c) und der Gründungstiefe (Nq) an. Die aus Bild 11-11 abgelesenen Werte für Nq müssen in Abhängigkeit von d/Db mittels Korrekturwerte (Tabelle 11.25) abgemindert werden. Tabelle 11.25 Korrekturwerte für Nq in Abhängigkeit von d/Db [4] d/Db

´ 26°

30°

34°

37°

40°

5

0,75

0,77

0,81

0,83

0,85

10

0,62

0,67

0,73

0,76

0,79

15

0,55

0,61

0,68

0,73

0,77

20

0,49

0,57

0,65

0,71

0,75

25

0,44

0,53

0,63

0,70

0,74

11.2.8

Pfahlwiderstände bei Mantel- und Fußverpressung

Sowohl die Pfahlmantelreibung als auch der Pfahlspitzendruck sind setzungsabhängige Größen. Im Gebrauchszustand überwiegt meist der Mantelreibungsanteil, da zur Aktivierung des Pfahlspitzenwiderstands größere Setzungen erforderlich sind [42, 43]. Bei der Pfahlbemessung ist oft nicht die Pfahlbruchlast (Nachweis der äußeren Pfahltragfähigkeit), sondern die zulässige Pfahlkopfsetzung (Nachweis der Gebrauchstauglichkeit) das entscheidende Kriterium. Das Ziel von Mantel- und Fußverpressungen ist somit in vielen Fällen die Begrenzung der auftretenden Setzungen, was eine größere Ausnutzung der äußeren Pfahltragfähigkeit ermöglicht [42, 43].

11

Pfahlfußverpressungen erfolgen über Presskissen am Pfahlfuß. Alternativ kommen auch Auspressrohre mit Manschetten-Ventilen im Bereich der Pfahlsohle zum Einsatz. Das Einpressen von Zementsuspension in die Presskissen bzw. in den Untergrund führt zu einer Vorbelastung des Untergrunds am Pfahlfuß, wodurch ein Teil der Setzungen vorweggenommen wird (Vorspannen des Untergrunds). Wichtig ist dabei eine laufende Kontrolle der eingepressten Zementsuspensionsmenge, des Verpressdrucks und der Pfahlkopfverschiebungen. Bei einem Grenzwert der Pfahlkopfhebungen, z. B. bei 2 mm, wird die Pfahlfußverpressung abgebrochen. Mantelverpressungen werden mittels Injektionsrohren, die an der Bewehrung befestigt sind, ausgeführt. Zum Einsatz kommen sowohl Einfachventilrohre, die meistens nur einmal verpresst werden, und Manschettenrohre. Der Vorteil der Manschettenrohre ist die Möglichkeit der Beaufschlagung in unterschiedlichen Tiefen mittels Doppelpackern. Das Prinzip der Mantelverpressung beruht auf einer Vergrößerung der Pfahlmantelreibung durch Erhöhung des seitlichen Erddrucks (Verdrängung des Bodens durch Zementsuspension) und einer Verspannung des Pfahlmantels mit dem umgebenden Boden. Die Traglasterhöhungen durch Mantel- und Fußverpressungen betragen ca. 50 bis 100 % der Traglast des vergleichbaren unverpressten Pfahls. Eine rechnerische Prognose ist in der Regel jedoch sehr aufwändig und mit Unsicherheiten behaftet, da Faktoren wie die herstellungsbe-

11.3 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

599

dingte Beeinflussung des Baugrunds, die verpresste Suspensionsmenge im Mantelbereich und/oder die Anordnung der Verpressventile rechnerisch schwer zu erfassen sind. Für die Bemessung dürfen bei mantelverpressten Bohrpfählen die Erfahrungswerte für verpresste Mikropfähle angesetzt werden. Alternativ erlaubt die EA-Pfähle auch eine Erhöhung der Erfahrungswerte für die Mantelreibung von Bohrpfählen um 50 %.

11.3

Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände bei Belastung quer zur Pfahlachse

Vor allem Pfähle mit großen Durchmessern werden neben der axialen Belastung oft auch zum Abtrag horizontaler Lasten herangezogen. Nach DIN 1054:2010 dürfen nur Pfähle mit Pfahlschaftdurchmessern Ds ≥ 30 cm bzw. Kantenlängen as ≥ 30 cm zum Abtrag von Querbeanspruchungen herangezogen werden. Generell ist bei den horizontalen Lasten zwischen planmäßig am Pfahlkopf eingeleiteten Schnittgrößen und passiver Beanspruchung des Pfahls durch den umgebenden Baugrund (vgl. Abschnitt 11.4.2) zu unterscheiden. Die am Pfahlkopf eingeleiteten Belastungen erzeugen eine Biegebeanspruchung des Pfahlschaftes. Der Lastabtrag in den Baugrund erfolgt über horizontale Bettung. Bei der Berechnung der Pfahlschnittgrößen sowie der Pfahlkopfverschiebungen und Pfahlkopfverdrehungen ist zwischen schlanken, biegeweichen, sogenannten „langen“ Pfählen und starren, sogenannten „kurzen“ Pfählen zu unterscheiden. Während der Einfluss der Querlasten bei den langen Pfählen bis zum Pfahlfuß abgeklungen ist, erfährt der Pfahlfuß der kurzen Pfähle eine Horizontalverschiebung [29]. Die Abgrenzung zwischen starren und biegeweichen Pfählen kann über die Schlankheit  = s/Ds erfolgen, wobei s die Pfahleinbindung ist. Als obere Grenze für starre Pfähle wird in [31]  < 6 angegeben. In weichen bindigen Böden kann sogar  < 10 angesetzt werden, in locker gelagerten, trockenen Sanden teilweise sogar  < 15. Die nachfolgenden Ausführungen gelten für ruhende Beanspruchungen. Hinsichtlich der Pfahlwiderstände unter zyklischer Belastung wird auf [10] und die dort zitierte Literatur verwiesen.

11.3.1

Biegeweiche Pfähle – Bettungsmodulverfahren

Analog zu Flachgründungen gilt für biegeweiche Pfähle die Differentialgleichung des elastisch gebetteten Balkens (Gleichung (11.26)). Die Bettungsspannung h(z) wird über den Bettungsmodul ks mit den Horizontalverschiebungen y(z) verknüpft (Beziehung (11.27)), d. h. es wird ein linearer Zusammenhang von Spannungen und Verformungen unterstellt.

EI 

d 4 y( z ) +  h ( z )  Ds = 0 dz 4

 h ( z ) = ks  y ( z )

(11.26) (11.27)

Im einfachen theoretischen Modell erfährt der Boden außerhalb des Pfahlschaftes keine Verschiebungen und ist nicht am Lastabtrag beteiligt. Dies entspricht einer sprunghaften Änderung der Bodenverformungen entlang des Pfahlschaftes, die in Realität so nicht auftreten

11

600

11 Pfahlgründungen

kann, da ein Teil der Belastung über Schubspannungen auch in den seitlich gelegenen Baugrund eingeleitet wird (Bild 11-12).

11

Bild 11-12 a) Zusammenhang zwischen Pfahlverschiebungen und Bettungsspannung beim Bettungsmodulverfahren, b) Bodendeformationen nach der Bettungsmodultheorie – Abweichungen zwischen Theorie und Realität, c) LastVerschiebungs-Kurve – Theorie und Realität (nach [29, 32])

Nach DIN 1054:2010 [14] darf der Bettungsmodul nach Gleichung (11.28) aus dem Steifemodul des Bodens Es und dem Pfahlschaftdurchmesser Ds ermittelt werden. Dies ist jedoch nur ein Näherungsansatz und die ermittelte maximale charakteristische Horizontalverschiebung darf nicht größer als Minimalwert aus 0,03∙Ds und 2,0 cm werden. ks 

Es

(11.28)

Ds

Für Pfähle in Sand kann mit Gleichung (11.29) und Tabelle 11.26 ein linear mit der Tiefe zunehmender Bettungsmodul ermittelt werden. ks ,k ( z ) = k R 

z Ds

(11.29)

11.3 Einzelpfähle – Tragverhalten und Widerstände

601

Tabelle 11.26 Empirischer Hilfswert kR für linear mit der Tiefe zunehmenden Bettungsmodul in Sand (nach [32]) Spitzenwiderstand qc [MN/m²]

Einheitsbettungsmodul kR [MN/m³]

5 – 10

2

10 – 15

6,5

> 15

18

Es sei darauf hingewiesen, dass ks lediglich eine Hilfsrechengröße und kein Materialparameter ist. Es ist zu achten, dass die ermittelte Bodenreaktion niemals größer als der passive Erddruck werden darf. Zur genauen Ermittlung der Pfahlverschiebungen müssen die Größe und Verteilung des Bettungsmoduls deshalb aus Probebelastungen gewonnen werden. Des Weiteren sollte die Verschiebungsabhängigkeit des Bettungsmoduls erfasst werden (Mobilisierungsfunktion). Für die Schnittgrößenermittlung und den Nachweis der inneren Pfahltragfähigkeit sind obige Beziehungen im Allgemeinen jedoch ausreichend.

11.3.2

Kurze starre Pfähle – Dalbentheorie nach Blum

Analog zur Spundwand mit Fußeinspannung hat Blum ein Berechnungsmodell für Dalben entwickelt [6]. Dabei wird die idealisierte Einspannung in der Tiefe t 0 des Drehpunkts angenommen. Kräftegleichgewicht wird durch den Ansatz der Ersatzkraft C im Drehpunkt hergestellt. Die Ersatzkraft C wird unterhalb des Drehpunkts aktiviert, weshalb der Dalben bzw. der Pfahl unter den Drehpunkt hinaus verlängert werden muss (gesamte erforderliche Einbindetiefe d nach Gleichung (11.30)).

erf d = 1, 2  t0

(11.30)

Die unbekannte Tiefe t0 des Drehpunkts kann für Pfähle mit quadratischem Querschnitt (Seitenlänge as) durch Lösen des Momentengleichgewichts im Drehpunkt gefunden werden (Gleichung (11.31)). Blum setzt dazu sowohl den Erdwiderstand über die Pfahlbreite a s, als auch den Erdwiderstand infolge zweier seitlicher Erdkeile an (Bild 11-13). Die Lösung erhält man entweder durch iterativ verbesserte Schätzungen oder durch Abgreifen des Momentennullpunkts aus der grafischen Lösung von Gleichung (11.32).

ΣM = 0 t t ³ t 1 M 0 + H 0  t0 −    K ph  as  t0 ²  0 −   K ph  0  0 = 0 2 3 23 4 6  ( M 0 + H 0  t0 )] = 0 t0 4 + 4  [ a s  t 0 ³ −   K ph

M ( z ) = M 0 + H 0  z −   K ph  [

as  z ³ 6

+

z4 ] 24

(11.31)

(11.32)

11

602

11 Pfahlgründungen

Bild 11-13 Veranschaulichung der Ansätze gemäß Dalbentheorie (nach [29, 32])

Eine Umrechnung auf kreisförmige Pfahlquerschnitte kann nach Kempfert mittels Gleichung (11.33) erfolgen. Ds ,ers =

4  as ²



(11.33)

Das Verfahren nach Blum gilt für vertikale Pfähle ( = 0) und eine ebene Geländeoberfläche ( = 0). Zudem setzt Blum den Reibungswinkel zwischen Pfahl und Baugrund für die Ermittlung des Erdwiderstandsbeiwertes Kpgh zu p = 0. Kempfert hat das Verfahren für geböschtes Gelände erweitert, wobei die Erdwiderstandsbeiwerte nach DIN 4085 für p = -’/3 angesetzt werden dürfen. Weitere Informationen sind in [6] zu finden. Nach E 69 der EAU [9] kann der passive Wandreibungswinkel mit p ≤ ’k (bzw. p ≤ -2/3∙’k für ’k ≤ 35°) angesetzt werden, wenn der Nachweis Vk = 0 erfüllt werden kann (analog Verbauberechnung).

11

11.4

Bemessung

11.4.1

Sicherheitskonzept

Generell müssen bei Pfählen die Grenzzustände der Tragfähigkeit (ULS) und der Gebrauchstauglichkeit (SLS) nachgewiesen werden. Die Grenzzustände der Tragfähigkeit beinhalten den Nachweis der inneren Standsicherheit und den Nachweis der äußeren Standsicherheit. Die innere Standsicherheit entspricht der Bemessungssituation STR (structure failure) für das Versagen des Pfahlbaustoffs. Die äußere Standsicherheit, d. h. Versagen innerhalb des Baugrunds, ist für den Grenzzustand GEO-2 nachzuweisen. Generell werden die charakteristischen Einwirkungen Ek,i getrennt nach ständigen und veränderlichen Einwirkungen mit den entsprechenden Teilsicherheiten G bzw. Q aus Tabelle A 2.1 der DIN 1054:2010 und je nach Bemessungssituation mit Kombinationsbeiwerten multipliziert. Gegebenenfalls sind unterschiedliche Lastkombinationen zu untersuchen. Die charakteristischen Widerstände Rk,i werden durch die entsprechenden Teilsicherheitsbeiwerte R aus Tabelle A 2.3 der DIN 1054:2010 dividiert. Die Teilsicherheiten M für geotechnische Kenngrößen (Scherparameter) betragen im Grenzzustand GEO-2 stets 1,0.

11.4 Bemessung

603

Im Hinblick auf die Kombinationsregeln oder die Gegenüberstellung der Grenzzustandsbezeichnungen des Eurocodes und der DIN 1054:2010 mit der Vorgängernorm DIN 1054:2005 wird auf Kapitel 5 „Nachweiskonzepte und Sicherheit in der Geotechnik“ verwiesen.

11.4.2

Einwirkungen aus dem Baugrund

Wesentliche Hinweise ergeben sich aus der EA-Pfähle [10], auf die im Folgenden Bezug genommen wird. 11.4.2.1 Negative Mantelreibung Negative Mantelreibung tritt auf, wenn sich der Boden relativ zum Pfahl setzt, d. h. wenn sich die betroffene Schicht und die überlagernden Schichten an den Pfahl hängen. Grund hierfür ist in der Regel die Setzung einer Weichschicht infolge von Aufschüttungen, Konsolidationsvorgängen oder sinkendem Grundwasserspiegel. Eine andere Möglichkeit der Entstehung von negativer Mantelreibung kann darin bestehen, dass die Pfahlherstellung vor dem Aushub erfolgt. Die Bodenentlastung infolge Aushub führt zu einer Entspannung des Baugrunds und damit zu Hebungen. Diese werden teilweise dadurch kompensiert, dass sich der Boden wiederum an den Pfahl hängt. Als neutraler Punkt wird jene Tiefe bezeichnet, in der die Pfahlsetzung aus axialer Beanspruchung F und die Setzung des umgebenden Bodens (z. B. aus zusätzlicher Flächenlast p) gleich groß sind. Oberhalb des neutralen Punkts setzt sich der Boden stärker als der Pfahl, weshalb in diesem Bereich negative Mantelreibung n anzusetzen ist. Unterhalb des neutralen Punkts überwiegt die Pfahlsetzung die Setzung des umgebenden Bodens, d. h. erst unterhalb des neutralen Punkts findet ein Lastabtrag in den Baugrund statt. Der Maximalwert der Pfahlnormalkraft liegt somit im neutralen Punkt (Bild 11-14). Je höher die am Pfahlkopf eingeleitete axiale Pfahllast F bei sonst vergleichbaren Parametern ist, desto größer werden die Pfahlsetzungen, wodurch der neutrale Punkt nach oben verschoben wird. In der Realität findet der Übergang von negativer Mantelreibung zum Lastabtrag über positive Mantelreibung qs nicht in einem Punkt, sondern in einer Übergangszone statt. Die Mächtigkeit dieser Übergangszone ist vom Schnittwinkel  der Setzungskurven des Pfahls und des umgebenden Bodens im neutralen Punkt abhängig. Je größer  ist (je starrer der Pfahl), desto dünner ist die Übergangszone (vgl. hierzu auch [10]). Für Berechnungen darf jedoch ein neutraler Punkt unterstellt werden.

11

604

11 Pfahlgründungen

Bild 11-14 Qualitative Darstellung der Zusammenhänge von Pfahlwiderstand, Beanspruchungen aus Bauwerkslasten F und negativer Mantelreibung bei homogenem Untergrund sowie Definition des neutralen Punkts (nach [10])

Zur Ermittlung der Tiefe des neutralen Punkts und der negativen Mantelreibung sind folgende Größen erforderlich: – Verlauf der Pfahlsetzungen über die Tiefe – Verlauf der Bodensetzungen über die Tiefe – Aus den Setzungen resultierend der Verlauf der Relativverschiebung zwischen Pfahl und Boden – Mobilisierungsfunktionen für negative Mantelreibung n und positive Mantelreibung qs. Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit sollten die Setzungen für die mit Teilsicherheitsbeiwerten beaufschlagten Belastungen ermittelt werden, auch wenn diese Setzungen in der Realität nicht auftreten. Somit ist die Tiefenlage des neutralen Punktes je nach untersuchtem Grenzzustand unterschiedlich. Generell sind zwei Ansätze zur Bestimmung der charakteristischen negativen Mantelreibung n,k gebräuchlich:

11

– bei bindigen Böden Ableitung von n,k aus der Scherfestigkeit cu,k des undrainierten Bodens (totale Spannungen)

 n,k =  n  cu ,k

(11.34)

Gemäß EA-Pfähle wird für n ein Bereich zwischen 0,15 und 1,60 angegeben. Nach DIN 1054:2005 kann generell n = 1,0 gesetzt werden. Eine Übersicht möglicher nWerte in Abhängigkeit der Bodenart ist in Tabelle 11.26 dargestellt. – in nichtbindigen Böden (nach EA-Pfähle auch in bindigen Böden) Ableitung von n,k aus effektiven Spannungen

 n,k = K0  tan  'k   'v = n   'v ’v = effektive Vertikalspannung K0 = Erdruhedruckbeiwert ’k = charakteristischer Reibungswinkel

(11.35)

11.4 Bemessung

605

Tabelle 11.27-1 n-Werte zur Berechnung der negativen Mantelreibung mit totalen Spannungen (auszugsweise nach [32, 33]) n

Bodenart Sandiger Schluff

Bemerkung

Quelle

0,50 – 1,70 0,65 – 1,60 0,50 – 1,30

Spitzendruckpfahl Geneigter Spitzendruckpfahl Reibungspfahl

Endo [27]

Schluffiger Ton

0,40 – 0,50

Feldmessung

Little [37]

Ton

0,40 – 0,61

Feldversuch

Fellenius [28]

Ton

1,00

Rammpfähle

Auvinet [1]

Je nach Bodenart kann n nach EA-Pfähle [10] Werte von 0,1 bis 1,0 annehmen (vgl. auch Tabelle 11.27-2), wobei für nichtbindige Böden 0,25 ≤ n ≤ 0,30 gebräuchliche Werte sind. Tabelle 11.27-2 n-Werte zur Berechnung der negativen Mantelreibung mit effektiven Spannungen (auszugsweise nach [32, 33]) Bodenart

n

Bemerkung

Quelle

Schluff Magerer Ton Mittlerer Ton Fetter Ton

0,25 0,20 0,15 0,10

für Einzelpfähle, Franke [29] empirische Ermittlung

Gebrochener Fels Sand, Kies Schluff Ton, normalkonsolidiert, wL ≤ 50 % Ton, normalkonsolidiert, wL > 50 %

0,40 0,35 0,30 0,30 0,20

für Einzelpfähle mit Setzungsraten von ca. 10 mm/Jahr

Sand, Kies Sehr locker Locker Mitteldicht Dicht Sehr dicht

0,35 0,45 0,45 1,00 0,50 –> 1,00

Bohrpfähle Bohrpfähle

Kolymbas [35]

Bustamante [8] Bustamante [8] Briaud et al [7] Bustamante [8] Briaud et al [7]

Analog zu den Gleichungen (11.20) bis (11.23) wird in den Gleichungen (11.34) und (11.35) die Mantelreibung aus der Mohr-Coulombschen Bruchbedingung hergeleitet. Sowohl die Werte für n als auch n streuen sehr stark. Während sich die positive Mantelreibung qs,k als Widerstandswert auf der sicheren Seite liegend im unteren Bereich der n- und n-Werte bewegt, ist die negative Mantelreibung n,k als Belastung anzusetzen, und die sichere Seite ist nach oben abzuschätzen. Somit ist Vorsicht bei der Aussage geboten, die negative Mantelreibung n,k könne nicht größer als die positive Mantelreibung q s,k werden. Hinsichtlich der Teilsicherheitsbeiwerte sind Einwirkungen aus negativer Mantelreibung der Bemessungssituation BS-P zuzuordnen.

11

606

11 Pfahlgründungen

11.4.2.2 Seitendruck Seitendruck wirkt dann auf Pfähle, wenn es in weichen bindigen Böden infolge zusätzlicher Auflasten zu Bodenverschiebungen und zu einem Umfließen der Böden quer zur Pfahlachse kommt. Auslöser können nachträgliche Aufschüttungen (z. B. hinter Brückenwiderlagern) oder auch Abgrabungen sein (Bild 11-15). Die Folge sind zusätzliche Beanspruchungen der Pfähle auf Biegung.

Bild 11-15 Mögliche Ursachen für Pfahlbeanspruchungen aus Seitendruck – (a) Aufschüttung, (b) Aushub (nach [10])

11

Für Gründungspfähle in Böschungen und an Geländesprüngen ist Seitendruck auch ohne das Vorhandensein einer bindigen Weichschicht zu berücksichtigen. Bei Böschungen hängt die Größe des Seitendrucks davon ab, ob die Pfähle zur Ertüchtigung der Böschung erforderlich sind, oder ob die Böschung ohne Pfähle bereits standsicher ist. An Geländesprüngen muss die Grenztiefe bestimmt werden. Oberhalb der Grenztiefe ist Seitendruck anzusetzen. Erst unterhalb der Grenztiefe wirkt der Boden stützend auf den Pfahl und es darf eine seitliche Bettung angesetzt werden. Genaue Angaben zu Böschungen und Geländesprüngen können [10] entnommen werden. Die Frage, ob Seitendruck für die Pfahlbemessung berücksichtigt werden muss, kann durch eine Geländebruchuntersuchung nach DIN 4084 geklärt werden. Dazu ist am sogenannten „entkleideten“ System der die Stützkonstruktion belastende Erddruck E d aus rein ständigen Lasten als stützend anzusetzen (Bild 11-16). Innerhalb der Weichschichten wirkt die undrainierte Scherfestigkeit cu,k haltend. Werden die Ausnutzungsgrade nach Tabelle 11.28 überschritten, ist Seitendruck zu berücksichtigen. Die Größe des anzusetzenden Seitendrucks pro Einzelpfahl ist die kleinere Gesamtkraft aus: – dem charakteristischen Fließdruck pf,k und – dem charakteristischen resultierenden Erddruck ek. Seitendruck ist nach [10] als ständige Einwirkung zu betrachten.

11.4 Bemessung

607

Tabelle 11.28 Grenzwerte des Ausnutzungsgrads  für Geländebruchuntersuchungen nach DIN 4084 am „entkleideten“ System [10] 

Weiche Bodenschichten, die ggf. einen Seitendruck auf Pfähle bewirken können

0,80

Bindige Böden (vor allem normal- oder leicht überkonsolidiert mit weicher oder noch ungünstigerer Konsistenz)

0,75

Stark organische Böden mit VGl > 15 % und w > 75 %, z. B. Klei, Torf usw.

Bild 11-16 Untersuchung zur Notwendigkeit des Ansatzes von Seitendruck bei der Pfahlbemessung – (a) System und belastende Erddruckkraft, (b) Geländebruchuntersuchung nach DIN 4084 am „entkleideten“ System (nach [10])

Charakteristischer Fließdruck pf,k Für die Ermittlung des charakteristischen Fließdrucks pf,k wird unterstellt, dass die Scherfestigkeit des Bodens ausgenutzt ist und der plastifizierte Boden den Pfahl umfließt. Der Fließdruck auf einen Einzelpfahl ist nach Gleichung (11.36) zu ermitteln. Bei Pfahlgruppen ist der Fließdruck umso größer, je dichter die Pfähle stehen. Der entsprechende Gruppenfaktor (Anpassungsfaktor) a ist Bild 11-17 zu entnehmen. p f ,k = 7 a  cu,k  as

mit

bzw.

p f ,k = 7 a  cu,k  Ds

as = Pfahlbreite senkrecht zur Fließrichtung bei quadratischem Querschnitt Ds = Pfahlschaftdurchmesser bei rundem Querschnitt a = Anpassungsfaktor aus dem Verbauverhältnis

(11.36)

11

608

11 Pfahlgründungen

Bild 11-17 Anpassungsfaktor a aus dem Verbauverhältnis nach Wenz (aus [10])

Charakteristischer resultierender Erddruck ek Auf zwei gedachte senkrechte Wände vor und hinter der Pfahlgruppe wirken der passive bzw. der aktive Erddruck (Bild 11-18). Diese sind für den ebenen Fall und die Erddruckneigungswinkel a/p = 0° zu ermitteln. Der Erdwiderstandsbeiwert ist zu Kpgh = 1,0 zu setzen. Der charakteristische resultierende Erddruck ek wird nach Gleichung (11.37) aus der Differenz gebildet. Ungeachtet der Erddruckanteile aus veränderlichen Lasten, darf ek als ständige Einwirkung betrachtet werden. Für die Berechnung des aktiven Erddrucks sind die drei Fälle, undrainierter Anfangszustand, Endzustand und teilkonsolidierter Zwischenzustand, zu unterscheiden (Gleichungen (11.38) bis (11.40)).

11

Bild 11-18 System und Erddruckansatz zur Bestimmung von ek (nach [10])

11.4 Bemessung

609

Δek = ea,k − e p,k

(11.37)

– Anfangszustand (undrainiert): ea,k =   z + Δpk − 2  cu ,k

(11.38)

– Endzustand (effektive Scherparameter): – ea,k = (  z + Δpk )  Kagh − 2  c 'k  Kagh

(11.39)

– Teilkonsolidierte Zustände: – ea,k = (  z + Uc  Δpk )  Kagh + (1 − U c )  Δpk − 2  c 'k  Kagh

(11.40)

pk = Spannungen aus einer Auflast oder sonstigen fließdruckerzeugenden Einwirkungen Uc = Konsolidierungsgrad in der Weichschicht infolge pk Der resultierende Erddruck ek multipliziert mit der Einflussbreite b ergibt schließlich den als Linienlast auf den Pfahl anzusetzenden Seitendruck p e,k (Formel (11.41)). Die Einflussbreite b ist nach [10] der Minimalwert aus einer der folgenden Bedingungen: – – – –

Mittlerer Pfahlachsabstand quer zur Kraftrichtung nach Bild 11-17 Dreifache Pfahlbreite as bzw. dreifacher Pfahlschaftdurchmesser Ds Dicke der den Seitendruck erzeugenden Schicht Gesamte Breite der Pfahlgruppe dividiert durch die Anzahl aller Pfähle. pe,k = b  Δek

(11.41)

[kN/m]

Bei einer Pfahlgruppe mit ng Pfählen und Pfahlabständen < 4∙as bzw. < 4∙Ds ist der Seitendruck nach Gleichung (11.42) und Bild 11-19 anzusetzen, wenn der so berechnete Wert größer ist als jener aus Gleichung (11.41). pe,k =

( B '+ 3  as )  k  Δek ng

bzw.

pe,k =

( B '+ 3  Ds )  k  Δek

(11.42)

ng

Ansatz von Mindestmomenten und Einfluss der Entfernung Wenn der Abstand l zwischen der Pfahlgruppe und der Einwirkung (Bild 11-20a), die zur Seitendruckbeanspruchung der Pfähle führt, relativ groß ist, so ist auf die in Wirkungsrichtung des Seitendrucks liegenden vorderen Pfähle ein reduzierter Seitendruck (Abminderung gemäß Tabelle 11.29) anzusetzen, wenn für die Pfahlachsabstände a < 4 ∙ as bzw. a < 4 ∙ Ds gilt. Tabelle 11.29 Charakteristische Seitendruckbeanspruchung auf entfernt stehende Pfähle (nach [10]) Abstand l [m]

10 bis 15

25 bis 40

Schichtdicke des weichen Bodens hw [m]

15 – 30

5 – 15

15 – 30

5 – 15

Reduktion des resultierenden Erddrucks auf %

10 – 20

5 – 15

5 – 15

5

Für den Fall, dass Seitendruck zu berücksichtigen ist, sollte auf alle unmittelbar betroffenen Pfähle (auch die entfernt stehenden) eine Mindestmomentenbeanspruchung gemäß Bild 11-20b bei der Pfahlbemessung angesetzt werden.

11

610

11 Pfahlgründungen

Bild 11-19 Beiwerte k zur Aufteilung des Seitendrucks auf die Einzelpfähle einer Pfahlgruppe nach Horch [30]

11

Bild 11-20 (a) Entfernungseinfluss, (b) charakteristisches Mindestmoment (nach [10])

11.4.2.3 Zusatzbeanspruchung von Schrägpfählen aus Baugrundverformung (Setzungsbiegung) Geländeaufhöhungen wie z. B. Hinterfüllungen von Kaimauern im Hafenbau führen zu Setzungen der unterlagernden Schichten, insbesondere der weichen, setzungsempfindlichen Schichten. Schrägpfähle, die in diesen unterlagernden Schichten vorab hergestellt wurden,

11.4 Bemessung

611

werden durch die Setzungen zwangsverformt, was eine zusätzliche Biegebeanspruchung des Schrägpfahls bedeutet. Diese zusätzliche Biegebeanspruchung muss bei der inneren Pfahlbemessung berücksichtigt werden. Ein Verfahren zur Ermittlung setzungsinduzierter Biegebeanspruchungen auf die Ankerpfähle von Uferbauwerken wird in [34] vorgestellt. Der Ort der größten Pfahlkrümmung infolge Setzungen ist gleichzeitig der Ort des größten Moments, das aus M--Linien ermittelt wird. Die Größe der Einwirkungen darf nach [10] näherungsweise aus der vertikalen Auflastspannung über den geneigten Pfählen ermittelt werden (Bild 11-21). Für die Einflussbreite pro Pfahl gilt dabei 3 ∙ Ds ≤ 3 m ≤ Pfahlachsabstand. Die zur Pfahlachse senkrechte Lastkomponente kann jedoch nicht größer als der Fließdruck werden.

Bild 11-21 Zusatzbeanspruchung bei Schrägpfählen (nach [10])

11.4.3

Nachweis der Tragfähigkeit

Die äußere Standsicherheit, d. h. das Versagen innerhalb des Baugrundes, ist für den Grenzzustand GEO-2 nachzuweisen. Die Teilsicherheiten M für geotechnische Kenngrößen (Scherparameter) betragen im Grenzzustand GEO-2 stets 1,0. 11.4.3.1 Axial belastete Pfähle Die charakteristischen axialen Beanspruchungen aus der aufgehenden Konstruktion und aus dem Baugrund (negative Mantelreibung n) werden getrennt nach ständigen und veränderlichen Einwirkungen mit den entsprechenden Teilsicherheiten G bzw. Q aus Tabelle A 2.1 der DIN 1054:2010 und je nach Bemessungssituation mit Kombinationsbeiwerten multipliziert. Vereinfachend wird hier auf die Darstellung der Kombinationsbeiwerte verzichtet. Im Fall druckbeanspruchter Pfähle sind alle druckerzeugenden Lasten anzusetzen. Fc,d =  G  Fc,G,k +  Q  Fc,Q,k

(11.43)

Für den Nachweis auf Herausziehen bei zugbeanspruchten Pfählen dürfen nur die ungünstig wirkenden veränderlichen Einwirkungen Ft,Q,rep berücksichtigt werden. Die günstig wirkenden

11

612

11 Pfahlgründungen

ständigen (Druck-)Einwirkungen Fc,G,k sind mit einem reduzierten Teilsicherheitsbeiwert G,inf anzusetzen (Gleichung (11.44)). Ft ,d =  G  Ft ,G,k +  Q  FtQ,rep −  G,inf  Fc,G,k

(11.44)

Der Bemessungswiderstand Rc/t,d für Druck bzw. Zug ergibt sich aus dem charakteristischen Widerstand nach Abschnitt 11.2 mittels Division durch den entsprechenden Teilsicherheitsbeiwert R aus Tabelle A 2.3 der DIN 1054:2010. Rc / t ,d =

Rc / t ,k

R

(11.45)

Der Herausziehwiderstand verpresster Verdrängungspfähle nach DIN EN 12699 und verpresster Mikropfähle nach DIN EN 14199 ist gemäß DIN 1054:2010, 7.6.3.2 bei der Festlegung der Bemessungswiderstände aufgrund von Pfahlprobebelastungen nach Gleichung (11.46) zu ermitteln, wobei ein zusätzlicher Modellfaktor M zu berücksichtigen ist. Unabhängig von der Pfahlneigung ist der Modellfaktor (M) gleich 1,25 zu setzen. Rt , d =

Rt , k

 s , t  M

(11.46)

Zusätzlich ist zu beachten, dass bei rückverankerten Unterwasserbetonsohlen in der Regel auf dem ersten Pfahlmeter im Boden keine Mantelreibung angesetzt wird, um Auflockerungen und Toleranzen beim Aushub Rechnung zu tragen. Bei Zugpfählen ist gemäß DIN 1054:2010 neben dem Nachweis auf Herausziehen des Einzelpfahls (GEO-2) noch der Nachweis gegen Abheben bzw. Aufschwimmen des am Pfahl angehängten Erdkörpers im Grenzzustand UPL zu führen, was nach DIN 1054:2005 dem Grenzzustand GZ 1A (Verlust der Lagesicherheit) entspricht. Dabei werden die günstig wirkenden ständigen Einwirkungen Estb,k mit G,stb < 1,0 multipliziert. Destabilisierende Einwirkungen Edst,k werden mit G/Q,dst ≥ 1,0 beaufschlagt. Widerstände kommen bei dem Nachweis UPL nicht vor.

11

 G,dst  Gdst ,k +  Q,dst  Qdst ,k   G, stb  (Gstb,k + GE,k )

(11.47)

11.4.3.2 Quer zur Pfahlachse belastete Pfähle Analog zum Tragverhalten wird auch beim Nachweis der Tragfähigkeit von quer zur Pfahlachse beanspruchten Pfählen zwischen biegeweichen Pfählen und kurzen starren Pfählen unterschieden. Für biegeweiche, „lange“ Pfähle ist zunächst der Bettungsmodul gemäß Abschnitt 11.3.1 festzulegen. Anschließend erfolgt die Ermittlung der charakteristischen Pfahlschnittgrößen sowie der charakteristischen Bettungsspannung h,k zwischen Pfahl und Boden. Hinsichtlich der äußeren Tragfähigkeit sind zwei Nachweise zu führen. Zum einen darf die charakteristische Bettungsspannung h,k an keiner Stelle größer als die Erdwiderstandsspannung e ph,k für den ebenen Fall werden (Gleichung (11.48)). Zweitens darf der Designwert der für das Gleichgewicht erforderlichen Bettungsreaktion Bh,d den räumlichen Erdwiderstand Erph,d nicht überschreiten (Gleichung (11.49)).

11.4 Bemessung

613

 h,k  e ph,k Bh,d  E r ph,d

(11.48) mit

Bh,d = Ds    h,d dz

(11.49)

Bei der Ermittlung des Bettungsmoduls ks,k mittels der Gleichungen (11.28) bzw. (11.29) wird dessen Verschiebungsabhängigkeit vernachlässigt. Dies wird teilweise dadurch kompensiert, dass beim lokalen Nachweis nach Gleichung (11.48) als maximal aktivierbare Widerstandsgröße die Erdwiderstandsspannung für den ebenen Fall angesetzt wird. Auf einen Tragfähigkeitsnachweis in horizontaler Richtung kann bei langen, schlanken Pfählen verzichtet werden, wenn die Pfähle vollständig im Boden eingebettet sind und die horizontalen Lasten folgende Grenzwerte nicht überschreiten: – 3 % der lotrechten Beanspruchung in der Bemessungssituation BS-P – 5 % der lotrechten Beanspruchung in der Bemessungssituation BS-T. Die Gleichung (11.31) zur Berechnung kurzer, starrer Pfähle nach der Dalbentheorie beinhaltet noch keine Teilsicherheiten. Für den Nachweis der äußeren Tragfähigkeit ist zunächst die Tiefe t0 des Drehpunkts zu wählen. Anschließend werden durch Momentengleichgewicht um den Drehpunkt die für das Gleichgewicht erforderliche charakteristische Bettungsreaktion Bh,k (getrennt nach ständigen und veränderlichen Anteilen zur Ermittlung von B h,d) sowie die Schnittgrößen ermittelt. Der Nachweis erfolgt wiederum mittels Gleichung (11.49). Die Pfahllänge wird iterativ bestimmt. 11.4.3.3 Nachweis gegen Knickversagen Pfähle können unter hohen Drucklasten seitlich ausknicken, wenn eine seitliche Stützung durch den Boden fehlt (z. B. bei Pfählen im freien Wasser) oder wenn die seitliche Stützung durch den Boden zu gering ist (in weichen und breiigen Schichten). Maßgebender Parameter für die seitliche Stützung des Bodens ist dabei die charakteristische undrainierte Scherfestigkeit cu,k. Je nach Regelwerk werden unterschiedliche Angaben gemacht, wann ein Knicknachweis zu führen ist. Nach [24] muss die Knicksicherheit für schlanke Pfähle im Wasser oder in sehr weichen Sedimenten nachgewiesen werden, wobei eine Definition von „schlank“ nicht weiter ausgeführt wird. Hier hilft die EA-Pfähle, wonach Pfähle mit Schaftdurchmessern Ds < 0,30 m als schlank anzusehen sind. Die vereinfachende Regelung nach [20] und [24], dass ein Knicknachweis in der Regel entfallen kann, wenn cu,k ≥ 10 kN/m² gilt, wird durch [14] und [10] relativiert. Unter Berufung auf [45] wird dort für Mikropfähle stets ein Knicknachweis gefordert. Mit Hilfe des Nachweisverfahrens nach [45] kann überprüft werden, ob Knicken oder Materialversagen unter gleichzeitiger Normalkraft- und Biegebeanspruchung (Interaktion) maßgebend ist. Das Verfahren geht dabei von folgenden Annahmen aus: – unendlich langer Pfahl, Ausbildung der maßgebenden Halbwelle frei von Festhalterungen – sinusförmiger Ansatz der Imperfektionen w0, der Biegelinie wN infolge Normalkraft und der Bodenstützung p – bilineare Mobilisierungsfunktion für die Bodenstützung (elastisches Verhalten bis zum Erreichen der maximalen Bodenstützung, die dem Fließdruck entspricht).

11

614

11 Pfahlgründungen

11.4.3.4 Materialversagen von Pfählen Das Materialversagen von Pfählen, d. h. die innere Pfahltragfähigkeit, ist unter Anwendung der entsprechenden Materialnormen nachzuweisen. Die nationalen Normen DIN 1045-1 für Beton, DIN 18800 für Stahl sowie DIN 1052 für Holz sind mittlerweile zurückgezogen und durch die entsprechenden Eurocodes (DIN EN 1992 für Beton, DIN EN 1993 für Stahl sowie DIN EN 1995 für Holz) einschließlich der nationalen Anhänge ersetzt worden.

11.4.4

Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit werden alle Teilsicherheitsbeiwerte zu 1,0 gesetzt. Bei Pfählen wird die Gebrauchstauglichkeit durch Einhaltung der zulässigen Pfahlkopfverschiebungen erbracht. Dabei sind sowohl der Einzelpfahl als auch das Verhalten der Pfahlgruppe zu betrachten. Die Pfahlsetzungen sollten anhand von Widerstand-Setzungs-Linien bzw. WiderstandHebungs-Linien aus Pfahlprobebelastungen ermittelt werden. Hinsichtlich der Erfordernis, obere und untere Grenzwerte der Pfahlkopfverschiebungen anzugeben, um etwaige Setzungsdifferenzen zu erfassen, wird auf Abschnitt 11.2.4 verwiesen. Zur Ermittlung realistischer horizontaler Pfahlkopfverschiebungen mittels Bettungsmodulverfahren ist eine Kalibrierung des Rechenmodells an Pfahlprobebelastungen unabdingbar. Sowohl die Verschiebungsabhängigkeit des Bettungsmoduls als auch die Verteilung über die Tiefe sind dafür zu ermitteln.

11

11.5

Pfahlgruppen

11.5.1

Axial beanspruchte Pfahlgruppen

Der Ausdruck Gruppenwirkung bezeichnet die gegenseitige Beeinflussung der zu einer Pfahlgruppe zusammengefassten Einzelpfähle untereinander. 11.5.1.1 Druckpfahlgruppen In der Regel weicht die Tragfähigkeit der Pfahlgruppe von der Summe der Einzeltragfähigkeiten ab. Auch die Setzungen von Einzelpfählen und Pfahlgruppen mit gleicher durchschnittlicher Pfahllast differieren. Gründe hierfür sind eine ungleichmäßige Verteilung der Gesamtlast auf die einzelnen Pfähle sowie unterschiedliche Pfahlwiderstände. Des Weiteren ist die aufgehende Konstruktion von Bedeutung. So bestimmt die Lastverteilung bei biegeweichen Pfahlkopfplatten die Pfahlreaktionen und die Setzungen. Der Pfahlachsabstand, ab dem eine gegenseitige Beeinflussung vernachlässigbar ist, hängt stark vom Pfahltragverhalten ab. Der in der Praxis oft angesetzte Grenzwert von a = 3 ∙ D ist nur für Spitzendruckpfähle akzeptabel. Bei Pfählen, die hauptsächlich über Mantelreibung tragen, ist die Beeinflussungsgrenze bedeutend größer und nimmt oft Werte a ≥ 8 ∙ D an. Neben der Art der Kopfplatte und dem Verhältnis von Pfahlachsabstand a zu Pfahldurchmesser D wird nach [32] das Trag- und Verformungsverhalten von Druckpfahlgruppen durch folgende Faktoren beeinflusst (vgl. auch Bild 11-22):

11.5 Pfahlgruppen

615

– Pfahltyp sowie Herstellungsabfolge – Pfahlanzahl n und Pfahlgruppengeometrie (Pfahllänge L, Einbindetiefe in die tragfähige Schicht d, Pfahlachsabstand a) – Baugrund. Die mittlere Setzung einer Pfahlgruppe kann hilfsweise mit der Modellvorstellung einer tiefergelegten Flachgründung abgeschätzt werden, wie dies in [13] empfohlen wird. Dieser Ansatz ist jedoch nur für Pfähle, die hauptsächlich auf Spitzendruck abtragen, anwendbar. Eine weitere Möglichkeit ist die Setzungsberechnung mit Hilfe des setzungsbezogenen Gruppenfaktors Gs. Für Bohrpfähle sind in [10] Diagramme enthalten, anhand derer der setzungsbezogene Gruppenfaktor Gs ermittelt werden kann.

Gs = mit

sG sE

(11.50)

sG = mittlere Setzung der Pfahlgruppe sE = Setzung eines vergleichbaren Einzelpfahls

11

Bild 11-22 Qualitativer Verlauf der Widerstands-Setzungs-Linien von Einzelpfählen und Gruppenpfählen (nach [32])

Der widerstandsbezogene Gruppenfaktor GR,i kann ebenfalls Diagrammen aus [10] entnommen werden. Durch Kombination von G s und GR,i ist zusätzlich die Berechnung pfahlpositionsabhängiger Federsteifigkeiten möglich. Die Anwendungsgrenzen der Diagramme hin-

616

11 Pfahlgründungen

sichtlich Pfahlachsabständen, Pfahllängen und Anzahl der Pfähle in der Gruppe sind zu beachten. GR ,i =

mit

RG ,i RE

(11.51)

RG,i = Gruppenpfahlwiderstand des i-ten Gruppenpfahls RE = Pfahlwiderstand eines vergleichbaren Einzelpfahls

Der Nachweis der Tragfähigkeit ist bei Gruppenpfählen stets sowohl für die gesamte Pfahlgruppe als auch für die einzelnen Gruppenpfähle (unter Berücksichtigung des jeweiligen Gruppenfaktors GR,i) zu führen. Der Widerstand der Pfahlgruppe entspricht dabei der Summe der Pfahlwiderstände der einzelnen Gruppenpfähle. Alternativ darf nach [10] die Pfahlgruppe auch durch einen großen Ersatzeinzelpfahl idealisiert werden (Gleichung (11.52) und Bild 11-23).

Rk ,G = qb,k   Ab,i +  qs,k , j  As , j

(11.52)

Bild 11-23 Ansatz der Widerstandsanteile für den Nachweis der Pfahlgruppe als Ersatzeinzelpfahl (nach [10])

11.5.1.2 Zugpfahlgruppen

11

Die Nachweise von Zugpfahlgruppen unterscheiden sich prinzipiell nicht von denjenigen für den Einzelzugpfahl.

11.5.2

Tragverhalten und Nachweise von horizontal beanspruchten Pfahlgruppen

Sind die Pfähle über eine Kopfplatte miteinander verbunden, wird allen Pfählen näherungsweise die gleiche horizontale Kopfverformung aufgezwungen. Die Pfähle der vordersten Reihe erhalten den größten Lastanteil. Sie schirmen die dahinterliegenden Pfähle ab. Auch hier wird zwischen Randpfählen und Zentrumspfählen unterschieden (Bild 11-24). Für doppeltsymmetrische Pfahlgruppen kann der Lastanteil H i des i-ten Pfahls an der auf die gesamte Pfahlgruppe wirkenden Horizontallast HG nach Gleichung (11.53) berechnet werden [10, 13].

11.5 Pfahlgruppen

Hi HG

=

i i

617

;

i =  L  Q

(11.53)

Der Bettungsmodul ist bei obigem Verfahren ebenfalls anzupassen.

Bild 11-24 Abminderungsfaktoren i in Abhängigkeit der Lage des Pfahls innerhalb der Gruppe (nach [10, 13])

Die Faktoren L und Q hängen dabei von den Pfahlachsabständen a L in Kraftrichtung bzw. aQ quer zur Kraftrichtung ab. Die Abminderungsfaktoren sind aus Bild 11-25 zu entnehmen. Für Pfahlachsabstände von aL ≥ 6 ∙ Ds bzw. aQ ≥ 3 ∙ Ds werden die Beiwerte L/Q zu 1,0, d. h. eine Gruppenwirkung ist für größere Achsabstände nicht mehr gegeben.

11

Bild 11-25 a) αL für das Verhältnis Pfahlachsenabstand (aL) in Kraftrichtung zum Pfahlschaftdurchmesser (Ds) b) αQA und αQZ für das Verhältnis Pfahlachsenabstand (aQ) quer zur Kraftrichtung zu Pfahlschaftdurchmesser Ds (aus [10])

618

11 Pfahlgründungen

11.6

Probebelastungen

Pfahlprobebelastungen ermöglichen eine genauere Berücksichtigung der vor Ort vorherrschenden Bodenverhältnisse bei der Bemessung, wenn sie vor der eigentlichen Baumaßnahme ausgeführt werden. Das Ziel von Pfahlprobebelastungen ist die Ermittlung einer LastVerschiebungskurve. Gemäß DIN EN 1997-1 sind Pfahlprobebelastungen zwingend auszuführen, wenn vergleichbare Erfahrungswerte für die Pfahlart, das Herstellungsverfahren oder die vorherrschenden Baugrundverhältnisse nicht vorliegen. Bei Mikropfählen nach DIN EN 14199 müssen immer Pfahlprobebelastungen ausgeführt werden. Von entscheidender Bedeutung ist die Wahl des Versuchsstandortes. Die Bodenverhältnisse sollten für die geplante Baumaßnahme bzw. den geplanten Bereich repräsentativ sein. Werden separate Versuchspfähle hergestellt, so sollten diese möglichst den späteren Bauwerkspfählen entsprechen. Zulässige geometrische Abweichungen sind in der EA-Pfähle definiert. Werden Tragwerkspfähle einer Probebelastung unterworfen, muss nachgewiesen werden, dass das aufgrund der Probebelastung veränderte Verformungsverhalten für das spätere Bauwerk unschädlich ist. Genaue Festlegungen hinsichtlich der Anzahl der Probebelastungen liegen derzeit nicht vor. Es wird empfohlen, für jede Pfahlart und jede einheitliche Baugrundsituation mindestens einen Versuch durchzuführen. Gemäß EA-Pfähle sollten für Bauwerke mit mehr als 100 Pfählen mindestens zwei Probebelastungen ausgeführt werden. Für Zugpfähle nennt DIN EN 1997-1 einen Richtwert von mindestens 2 % der Anzahl der Bauwerkspfähle. Nach DIN EN 14199 sind bei Mikropfählen mindestens 3 % der geplanten Pfahlanzahl, mindestens jedoch 2 Pfähle zu testen.

11.6.1

11

Statische axiale Pfahlprobebelastungen

Das Ergebnis axialer Pfahlprobebelastungen sind Widerstands-Setzungs-Linien bzw. Widerstands-Hebungs-Linien. Die Druckwiderstandsanteile Pfahlspitzendruck und Pfahlmantelreibung können dabei getrennt bestimmt werden. Bei Bohrpfählen ist dies durch eine entsprechende Instrumentierung bedeutend einfacher möglich als bei Verdrängungspfählen, wo für eine getrennte Ermittlung die Belastungsrichtung umgekehrt werden muss. Vor allem in Sanden führt aber eine Umkehr der Belastungsrichtung zu Auflockerungserscheinungen und damit zu einer Unterschätzung der Mantelreibung respektive zu einer Überschätzung des Spitzendrucks. Als Widerlagerkonstruktionen kommen neben Totlasten auch Zugpfähle und Verpressanker zum Einsatz. Angaben zu Mindestabständen zwischen der Widerlagerkonstruktion und der Belastungseinrichtung sind in der EA-Pfähle [10] und prEN ISO 22477-1 [40] zu finden, wobei die Anforderungen im erstgenannten Regelwerk je nach System teilweise höher sind.

11.6 Probebelastungen

619

Bild 11-26 Mindestabstände zwischen Belastungseinrichtung und Probepfahl für DruckProbebelastungen (nach [10])

Die Belastung erfolgt mittels hydraulischer Pressen. Über den Pressendruck kann gleichzeitig die Pfahlbelastung erfasst werden. Alternativ ist auch eine Messung mittels Kraftmessdosen möglich, wenn eine erhöhte Genauigkeit erforderlich ist. Für die Auslegung der Pressen hinsichtlich ihres maximalen Hubs müssen die elastischen Verformungen der Widerlagerkonstruktion berücksichtigt werden. Wichtig ist eine zentrische Krafteinleitung in axialer Richtung. Zur Kontrolle sind die horizontalen Pfahlkopfverformungen in zwei zueinander senkrechten Richtungen zu messen. Anstelle der aufwändigen Widerlagerkonstruktionen oder bei beengten Verhältnissen kann die Pfahlprobebelastung auch mittels einer oder mehrerer einbetonierter hydraulischer Pressen nach dem Osterberg-Verfahren erfolgen. Als Widerlager werden dabei der Pfahl bzw. Pfahlabschnitte und der umgebende Boden genutzt. Bei Anordnung von lediglich einer Pressenebene (d. h. Unterteilung des Pfahls in zwei Segmente) wird von einem „Single-Level Test“ gesprochen. „Multi-Level Tests“ bezeichnen die Verfahrensvariante mit zwei oder mehr Pressenebenen (drei oder mehr Pfahlsegmente).

11

620

11 Pfahlgründungen

Bild 11-27 Single-Level Test und Multi-Level-Test nach dem Osterberg-Verfahren (nach [10])

Genaue Angaben hinsichtlich Versuchsplanung und Versuchsdurchführung (Instrumentierung, Messverfahren, Messintervalle, Belastungsstufen, etc.) und Auswertung können der EA-Pfähle [10] und prEN ISO 22477-1 [40] entnommen werden.

11.6.2

11

Statische Probebelastungen quer zur Pfahlachse

Für biegeweiche, schlanke Pfähle erfolgen die Ermittlung der Pfahlschnittgrößen und die innere Bemessung in der Regel nach dem Bettungsmodulverfahren. Für eine hinreichend genaue Vorhersage der Pfahlverformungen müssen Größe und Verteilung der Bettungsmoduln aus horizontalen Pfahltests ermittelt werden. Die Probepfähle sollten den gleichen Durchmesser wie die Bauwerkspfähle aufweisen. Eine Übertragung mittels Gleichung (11.28) unter der Annahme E s ≈ konst. ist nicht zu empfehlen, da die Beziehung zwischen der Bettungsspannung h und der Horizontalverschiebung stark nichtlinear ist (vgl. Bild 11-12 c). Die erforderliche Pfahllänge Lmax kann mit Gleichung (11.54) abgeschätzt werden, wobei nach [10] zur Ermittlung der elastischen Länge LE eine grobe Schätzung des Bettungsmoduls ausreicht. Lmax = 4  LE

mit

LE = 4

4  EI ks  Ds

(11.54)

Neben der horizontalen Prüflast sind zumindest die Pfahlkopfverschiebung y0 sowie die Pfahlkopfverdrehung 0 zu messen. Die Biegelinie kann mittels Inklinometern gemessen werden, was eine Rückrechnung auf die Biegemomente erlaubt. Dies setzt allerdings die genaue Kenntnis des Pfahlquerschnitts und des E-Moduls über die Tiefe voraus. Bei horizontalen Pfahlprobebelastungen ist der Pfahlkopf in der Regel frei drehbar, und es wird lediglich eine Horizontalkraft am Pfahlkopf eingeleitet. In die späteren Bauwerkspfähle

11.6 Probebelastungen

621

wird bei einer Kopfeinspannung jedoch zusätzlich ein Moment eingeleitet. Die Biegelinien des eingespannten und des frei drehbaren Systems sind unterschiedlich. Damit im Versuch aufgrund der horizontalen Last HV annähernd gleiche Bodenreaktionen wie im späteren Gebrauchszustand unter Hk und Mk mobilisiert werden, muss die Versuchslast HV entsprechend angepasst werden. Hierzu kann nach [32] unter Berufung auf Bergfelder & Schmidt [5] die Beziehung (11.55) herangezogen werden (yH, yM … Pfahlkopfverschiebungen infolge Horizontalkraft und Moment).

HV  yH = H k  yH + M k  yM mit H k = M k = 1: HV = H k  (1 +

(11.55)

yM ) yH

Je nach Richtung wirkt das Moment dabei vergrößernd oder verkleinernd auf H V (Bild11-28). a)

Vergrößerung der Versuchslast H V gegenüber Hk infolge des Moments Mk

b)

Verkleinerung der Versuchslast HV gegenüber Hk infolge des Moments Mk M0

M0

H0

-

H0

-

+ +

+

Bild 11-28 Einfluss der Beanspruchungsrichtung des Moments (nach [10])

Genauere Angaben, insbesondere hinsichtlich Instrumentierung, Versuchsdurchführung und Belastungszuständen sowie etwaigen Besonderheiten (Schwell- und Wechsellasten, Einfluss des gerissenen Querschnitts etc.) werden in [10] und [32] angegeben. Mit den Messgrößen Horizontallast H, Pfahlkopfverschiebung y0 und Pfahlkopfverdrehung 0 kann der Bettungsmodul hinsichtlich Größe und Verteilung ermittelt werden. Ausgehend von einer ersten Annahme für den Bettungsmodulverlauf ist dieser iterativ anzupassen, bis die berechneten Verschiebungsgrößen mit jenen des Pfahltests übereinstimmen. Dazu ist die genaue Kenntnis der Pfahlsteifigkeit über die Tiefe erforderlich. Die Berücksichtigung des gerissenen Querschnitts kann nach [10] erfolgen.

11.6.3

Dynamische Pfahlprobebelastungen

11.6.3.1 Allgemeines Um die Pfähle bis an ihre Grenztragfähigkeit zu belasten, sind teilweise recht große Lasten erforderlich. Die Belastung wird bei dynamischen Pfahlprobebelastungen nach dem HighStrain-Verfahren durch das Abbremsen einer Masse (z. B. Rammbär) aufgebracht. Als Alternative steht der sogenannte Rapid-Load-Test, der auch als Statnamic-Verfahren bezeichnet wird, zur Verfügung, wo die Belastung durch die Beschleunigung einer Masse vom Pfahlkopf

11

622

11 Pfahlgründungen

weg erfolgt. Bei den dynamischen Testverfahren wird somit das Newton’sche Grundgesetz (Kraft = Masse  Beschleunigung) ausgenutzt, wodurch die erforderliche Masse verglichen mit der Totlast einer statischen Pfahlprobebelastung bedeutend geringer ausfallen kann. Für die Gewichtskraft der zu beschleunigenden Masse empfiehlt die EA-Pfähle [10] je nach Verfahren ca. 1 % bis 10 % des angestrebten Pfahlwiderstands. Neben der Pfahltragfähigkeit kann mit dem High-Strain-Verfahren die Eignung und Wirksamkeit der eingesetzten Rammgeräte überprüft werden. Der Prüfungsumfang sollte 10 % aller Pfähle einer Baumaßnahme, mindestens jedoch zwei Pfähle pro Pfahltyp und Baugrundbereich betragen. Der Nachteil dieser kurzzeitigen Prüfverfahren ist, dass zeitabhängige Setzungen und Kriechverformungen unter konstant gehaltener Belastung nicht erfasst werden können. Aufgrund dessen ist eine Kalibrierung der dynamischen Pfahlwiderstände an statischen Pfahlprobebelastungen erforderlich. 11.6.3.2 Dynamische Pfahlprüfungen Bei dynamischen Pfahltests werden der Zeitverlauf der Dehnungen und Beschleunigungen am Pfahlkopf sowie der zeitliche Verlauf der Pfahlkopfverschiebung gemessen und aufgezeichnet. Alle Auswerteverfahren basieren auf der eindimensionalen Wellentheorie [2]. Die durch den Rammschlag eingeleitete Stoßwelle wird infolge der Bodenwirkung aus Mantelreibung und Spitzendruck verändert. Ein Teil der Stoßwelle wird am Pfahlende reflektiert und läuft in der Zeit T = 2 ∙ L/c (L … Pfahllänge, c … Wellengeschwindigkeit) zum Pfahlkopf zurück, wo die Verschiebung registriert wird. Für einen freien, nicht in den Boden eingebundenen Pfahl gilt die eindimensionale Wellengleichung (11.56) mit der Verschiebung u in Abhängigkeit der Zeit t und des Ortes x und der Ausbreitungsgeschwindigkeit c der longitudinalen Stoßwelle (Materialkonstante) [2].  ² u E  ²u  ²u =  = c²  t ²  x² x²

11

c=

;

E



(11.56)

Mit Hilfe des Hooke’schen Gesetztes und der zeit- und ortsabhängigen Lösung der Verschiebung u(x, t) kann gezeigt werden, dass die am Pfahlkopf eingeleitete Kraft F der Geschwindigkeit v proportional ist, wobei v die Ableitung der Pfahlverschiebung u ist (nicht zu verwechseln mit der Wellengeschwindigkeit c). Der Proportionalitätsfaktor wird als Impedanz Z bezeichnet. E steht hier für den dynamischen Elastizitätsmodul.

F = EA   =

EA v = Z v c

;

Z=

EA = A E   c

(11.57)

Dringt der Pfahl in den Boden ein, wird die Geschwindigkeit des Pfahls infolge der Mantelreibung kleiner als v. Je stärker die Proportionalität der Kraft F und der Geschwindigkeit v abnimmt, desto größer ist die Mantelreibung. Die Reflexion der Welle hängt von der Fußauflagerung d. h. der Pfahlfußverschiebung ab. Je nach Größe des Pfahlspitzenwiderstands bewegt sich die Fußauflagerung zwischen den zwei Grenzfällen „freies Ende“ (reiner Mantelreibungspfahl, Reflexion der Stoßwelle als Zugwelle) und „festes Ende“ (Reflexion der Stoßwelle als Druckwelle, Pfahlfußverschiebung gleich Null). Somit kann aus der Pfahlfußreflexion auf die Größe des Spitzendrucks geschlossen werden.

11.6 Probebelastungen

623

Für den gesamten Eindringwiderstand des Pfahl Rtot lässt sich die Gleichung (11.58) herleiten [32].

1 Rtot =  [( F1 + Z  v1 ) + ( F2 + Z  v2 )] 2

(11.58)

Die Indizes bezeichnen den Zeitpunkt der Messung, wobei allgemein t 2 = t1+2L/c = t1 + T gilt. Wird für t1 der Zeitpunkt der Lasteinleitung gesetzt, entspricht t2 dem Zeitpunkt, wenn die Fußreflexion wieder den Pfahlkopf erreicht. Die Kräfte F i bzw. F(t) können aus den gemessenen Dehnungen (t) berechnet werden. Die Geschwindigkeiten v(t) erhält man durch Integration der gemessenen Beschleunigungen a(t) über die Zeit.

F (t ) = EA   (t )

(11.59)

v(t ) =  a(t ) dt

(11.60)

Der Gesamtwiderstand des Pfahls unter dynamischer Belastung setzt sich aus einem statischen Anteil Rstat sowie einem dynamischen Anteil Rdyn zusammen. Rstat hängt dabei von den Pfahlverschiebungen u respektive den Differenzverschiebungen zwischen Pfahl und umgebendem Boden ab. Rdyn bezeichnet die Trägheits- und Dämpfungskräfte des Bodens. Nutzbar ist lediglich der statische Widerstand Rstat. Rtot = Rstat + Rdyn

(11.61)

Zur Bestimmung des dynamischen Anteils stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, wobei unterschieden wird zwischen: – direkten Verfahren (z. B. CASE, TNO) – erweiterten Verfahren mit vollständiger Modellbildung (z. B. CAPWAP, TNOWAVE). Im Folgenden wird lediglich auf das CASE-Verfahren eingegangen. Dabei wird der dynamische Widerstandsanteil als linear viskos, d. h. geschwindigkeitsproportional gedämpft angenommen. Zusätzlich wird ein empirischer Dämpfungsfaktor Jc eingeführt, der vom Pfahltyp, der Pfahllänge, der Bodenart und der Schichtenfolge abhängt und anhand von statischen Pfahlprobebelastungen zu kalibrieren ist. Mit der Eindringgeschwindigkeit des Pfahlfußes v b nach Gleichung (11.63) sowie Gleichung (11.62) können Rdyn und damit Rstat bestimmt werden. Rdyn = J c  Z  vb

vb = v1 +

F1 − Rtot Z

(11.62) (11.63)

11.6.3.3 Rapid-Load-Test Beim Rapid-Load-Test erfolgt die Belastung durch das Beschleunigen einer Reaktionsmasse vom Pfahlkopf weg. Die Pfahlkopfbewegungen sowie die eingeleitete Kraft werden dabei zeitabhängig gemessen. Der Hauptunterschied zur dynamischen Pfahlprobebelastung liegt in der Einwirkungsdauer. Diese ist beim Rapid-Load-Test bedeutend länger und sollte nach [10] größer als die 12-fache Laufzeit der Welle vom Pfahlkopf zum Pfahlfuß sein. Unter dieser Voraussetzung wird der Pfahl während der gesamten Prüfdauer als überdrückt angenommen. Infolgedessen wird un-

11

624

11 Pfahlgründungen

terstellt, dass Wellenausbreitungsvorgänge (bis zu einer Pfahlgrenzlänge) vernachlässigt werden können. Die Auswertung erfolgt nach der sogenannten Unloading-Point-Methode (vgl. hierzu [10]).

11.7 11.7.1

Qualitätssicherung bei der Bauausführung Allgemeines

Die Qualität einer Tiefgründung beschränkt sich nicht nur auf die Ausführungsqualität, sondern erfordert auch die Berücksichtigung etwaiger Auswirkungen auf die Umwelt während der Pfahlherstellung bzw. -einbringung, wie z. B. Erschütterungen, Setzungen und Lärm. Die Ausführungsqualität wird in den jeweiligen Herstellungsnormen, d. h. in DIN EN 1536 bei Bohrpfählen, DIN EN 12699 bei Verdrängungspfählen und DIN EN 14199 bei Mikropfählen, geregelt. Weitere Hinweise können der EA-Pfähle [10] entnommen werden, wie z. B. die Erfordernisse, die Ziehgeschwindigkeit und der Durchmesser des Bohrwerkzeugs sind beim Bohren unter Wasserauflast an die jeweiligen Bodenverhältnisse anzupassen, um die herstellungsbedingten Auflockerungen der Bohrlochsohle möglichst gering zu halten.

11.7.2

Qualitätsprüfungen

Zur Überprüfung der Integrität, d. h. der Unversehrtheit des Pfahls nach der Herstellung, sind folgende Methoden gebräuchlich: – zerstörungsfreie Prüfverfahren nach der „Low-Strain“- oder der „High-Strain“-Methode – Ultraschallprüfungen – Kernbohrungen (z. B. Bestimmung der Betondruckfestigkeit, Kontrolle einer durchgängig gleichen Betonqualität) und visuelle Bewertungen.

11

Je nach eingesetztem Prüfverfahren kann die Aussagekraft lokal begrenzt sein (z. B. Ultraschallprüfungen oder Kernbohrungen), oder das Prüfverfahren an sich beinhaltet gewisse Unschärfen (z. B. High-Strain- und Low-Strain-Methode). Somit lässt sich meist nur eine Aussage hinsichtlich signifikanter Qualitätseinbußen treffen. 11.7.2.1 Dynamische Integritätsprüfungen Die dynamische Integritätsprüfung zählt zu den zerstörungsfreien Verfahren. Generell wird zwischen dem Low-Strain- und dem High-Strain-Verfahren unterschieden. Beide Verfahren beruhen auf der eindimensionalen Stoßwellenausbreitung (vgl. Abschnitt 11.6.3). Beim Low-Strain-Verfahren erfolgt die Einleitung eines dynamischen Impulses mittels Hammerschlag auf den Pfahlkopf, was eine kostengünstige und schnelle Prüfung erlaubt. Da lediglich die Pfahlkopfbewegungen über die Zeit aufgezeichnet werden, sind keine Aussagen zur Pfahltragfähigkeit möglich. Je nach Pfahlabmessungen und den in situ vorherrschenden Bodenverhältnissen fällt das Signal der am Pfahlfuß reflektierten Welle mehr oder weniger deutlich aus. Erfolgreiche Messungen ermöglichen, „Abweichungen von der planmäßigen Querschnittsqualität“ (Einschnürungen des Pfahlschaftes, Risse, etc.) oder der Betonqualität zu erkennen [10]. Je nach Baugrund ist eine Identifizierung der Bodenschichtgrenzen möglich.

11.8 Literatur

625

Bei der High-Strain-Methode wird der dynamische Impuls mit einem Rammgerät aufgebracht. In der Regel wird dabei gleichzeitig eine dynamische Pfahlprobebelastung durchgeführt, d. h. neben den Pfahlkopfverschiebungen werden die Dehnungen und Beschleunigungen aufgezeichnet. 11.7.2.2 Ultraschallmessungen Bei der Ultraschall-Integritätsprüfung werden die Laufzeit und die Signalstärke einer mechanischen Welle im Ultraschallbereich (meist 100.000 Hz) gemessen, welche von einem Sender zu einem Empfänger übertragen wird [10]. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle vom E-Modul und der Dichte des Pfahlbaustoffs abhängen (vgl. Beziehung (11.56)), kann damit auf die Homogenität des Pfahles geschlossen werden. Sender und Empfänger werden dabei in Leerrohren geführt. Die Leerrohre müssen für die Übertragung der Schallwellen auf den Pfahlschaft wassergefüllt sein. Bei der „Cross-Hole“Technik laufen Sender und Empfänger höhengleich in separaten Rohren, d. h. die Messung erfolgt horizontal. Es können zwei oder mehr Rohre pro Pfahl verwendet werden. Eine Sonderform ist die „Down-Hole“-Messung, bei der Sender und Empfänger in nur einem Rohr übereinanderliegend geführt werden, d. h. die Messung erfolgt vertikal [10]. Der große Vorteil der Ultraschall-Integritätsprüfung gegenüber der Low-Strain-Prüfung ist, dass eine Begrenzung hinsichtlich der Pfahllänge praktisch entfällt. Allerdings kann mit der Ultraschall-Methode lediglich der zwischen den Leerrohren liegende Pfahlquerschnitt erfasst werden.

11.8 [1]

Literatur

Auvinet, G. (1981): Negative Skin Friction in Mexico City Clay 10th International Conference on Soil Soil Mechanics and Foundation Engineering, Vol. 2, S 599–604

[2]

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11

626

11

11 Pfahlgründungen

[12] DIN 1054/A1:2012-08 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1; Änderung A1:2012 [13] DIN 1054:2005-01 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau, einschl. Berichtigungen 1 bis 4 [14] DIN 1054:2010-12 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997–1 [15] DIN 4014:1990-03 Bohrpfähle – Herstellung, Bemessung und Tragverhalten [16] DIN 4020:2010-12 Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997–2 [17] DIN 4026:1975-08 Rammpfähle – Herstellung, Bemessung und zulässige Belastung [18] DIN Deutsches Institut für Normung (2011): Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung, Band 2 Erkundung und Untersuchung, 1. Aufl. Beuth Verlag, Berlin [19] DIN Deutsches Institut für Normung (2015): Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung, Band 1 Allgemeine Regeln, 1. Aufl. Beuth Verlag, Berlin [20] DIN EN 14199:2005-05 Ausführung von besonderen geotechnischen Arbeiten (Spezialtiefbau) – Pfähle mit kleinen Durchmessern (Mikropfähle) [21] DIN EN 1993-5/NA:2010-12 Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 5: Pfähle und Spundwände [22] DIN EN 1993-5:2010-12 Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 5: Pfähle und Spundwände; Deutsche Fassung EN 1993-5:2007 + AC:2009 [23] DIN EN 1997-1/NA:2010-12 Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln [24] DIN EN 1997–1:2014-03 Eurocode 7 - Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN 1997-1:2004 + AC:2009 + A1:2013 [25] DIN EN 1997-2/NA:2010-12 Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrunds [26] DIN EN 1997–2:2010-10 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrunds; Deutsche Fassung EN 1997–2:2007 + AC:2010 [27] Endo, M. (1962): Negative Skin Friction acting on Steel Pipe Piles in Clay 7th International Conference on Soil Mechanics and Foundation Engineering, Vol. 2, S 85–92 [28] Fellenius, BH. (1972): Down-drag on piles in clay due to negative skin friction. Canadian Geotechnical Journal:323–337 [29] Franke, E. (1997): Pfähle; in: Grundbau-Taschenbuch, Teil 3, Kap. 3.3, 5. Aufl. Ernst & Sohn, Berlin [30] Horch, M. (1980): Zuschrift zu Seitendruck auf Pfähle. Geotechnik (4):207 [31] Kempfert, H. (1989): Dimensionierung kurzer, horizontal belasteter Pfähle. Bauingenieur 64:201– 207 [32] Kempfert, H., Moormann, C. (2018): Pfahlgründungen; in: Grundbau-Taschenbuch, Teil 3, Kapitel 3.2, 8. Aufl. Ernst & Sohn, Berlin [33] Kempfert, H.-G., Gebreselassie, B. (2006): Excavations and Foundations in Soft Soils. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg [34] Kobarg, J. (2001): Setzungsinduzierte Biegebeanspruchungen von Schrägpfählen. Bauingenieur 76:42–49 [35] Kolymbas, D. (1989): Pfahlgründungen. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg [36] Lehane, BM. (1997): Design of axially loaded piles – Irish practice; Design of Axially Loaded Piles – European Practice; De Cock & Le Grand (eds). Balkema, Rotterdam

11.8 Literatur

627

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11

12

Baugruben Kurt-Michael Borchert, Fabian Kirsch, Jens Mittag

12.1 Einführung Baugruben sind Ingenieurbauwerke, welche im Wesentlichen aus einem oder zwei Bauteilen bestehen, und zwar der Baugrubenwand und einer ggf. erforderlichen Dichtsohle. Baugrubenwände können als Böschungen oder als Stützbauwerke ausgeführt werden. In diesem Kapitel werden die verschiedenen möglichen Stützbauwerke vorgestellt. Bei der Ausführung von weitgehend wasserdichten Baugrubenkonstruktionen sind bei durchlässigen Böden auch Abdichtungssohlen herzustellen, auf die ebenfalls detailliert eingegangen wird. Es werden die Grundlagen der Planung, die Auswahl der Tragfähigkeitsnachweise und die messtechnische Überwachung behandelt.

Bauteile,

die

Soweit es die topographische Lage erlaubt, ist die Herstellung von Baugruben mit Böschungen in der Regel die wirtschaftlichste Ausführungsart. Wenn dann bei hohem Grundwasserstand auch eine Grundwasserabsenkung genehmigt wird, ist das bei Tiefen bis ca. 5 m die einfachste und schnellste Ausführungsart. Baugruben werden in der Regel als Hilfskonstruktionen benötigt, um darin eingebettet beispielsweise folgende Bauwerke zu errichten: • • • •

Untergeschosse von Gebäuden Straßen- oder Bahntunnel Kabel- oder Rohrtrassen Start- und Zielbaugruben bei Rohr- oder Schildvortrieb

Durch die zu errichtenden Bauwerke ergeben sich die Tiefe und die Grundrissform der Baugrube. Als Stützbauwerke für die Baugrubenwände kommen folgende Wandsysteme zum Einsatz: • • • • • •

Trägerbohlwände Spundwände Bohrpfahlwände Schlitzwände MIP-Wände Düsenstrahl- und Injektionswände

Düsenstrahlwände oder auch Wände aus Zementinjektion werden bei gleichzeitiger Abfangung von Nachbarbauwerken gewählt. Diese Art von Unterfangungen werden in diesem Kapitel ebenfalls behandelt, da sie bei innerstädtischen Baugruben sehr oft gebraucht werden, um für die Untergeschosse von Gebäuden die gesamte Grundstücksfläche nutzen zu können. Auf herkömmliche Unterfangungen, die abschnittsweise gemauert oder betoniert werden, wird nur kurz eingegangen. Sie kommen nur noch selten zur Ausführung. Um das Grundwasser zu schonen, werden in vielen Regionen Deutschlands große Absenkungen innerstädtisch nicht genehmigt, so dass zum Grundwasserschutz sogenannte Trogbaugruben ausgeführt werden müssen. Es sind dabei relativ dichte Wände und dichte © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_12

630

12

Baugruben

Sohlen erforderlich. Wenn keine natürliche relativ undurchlässige Boden- oder Felsschicht ansteht, muss zu diesem Zweck eine künstliche Dichtsohle angeordnet werden. In den letzten Jahren wurden meist folgende Arten von Dichtsohlen ausgeführt: • • •

Tiefliegende Weichgelsohlen Tiefliegende, mittelhochliegende oder hochliegende Düsenstrahlsohlen Unterwasserbetonsohlen

In Kiesen sind auch Zementinjektionen, bei Grobsandschichten auch Feinstbindemittelinjektionen möglich. Da diese Ausführung jedoch auf Sonderfälle beschränkt ist, erfolgen keine weiteren Angaben hierzu. Jede Baugrube ist mit ihren Randbedingungen (Feldverhältnisse, Nachbarbauwerke, Abmessungen und Wasserverhältnisse) ein Unikat und bedarf einer individuellen Planung. Da immer eine Interaktion zwischen den Konstruktionsteilen der Baugrube und dem umgebenden Untergrund eintritt und daraus die wesentlichen Einwirkungen auf die Baugrubenkonstruktion herrühren, ist für die Planung eines derartigen Ingenieurbauwerkes ein hohes geotechnisches Fachwissen erforderlich.

12.2 Grundlagen für die Planung und Ausführung 12.2.1 Baugrunduntersuchungen 12.2.1.1 Untersuchungsumfang Baugruben sind geotechnische Bauwerke und es muss sichergestellt werden, dass kein definierter Grenzzustand überschritten wird. Grenzzustände können entweder im Baugrund, im Bauwerk/Bauteil oder als gemeinsames Versagen Bauwerk/Bauteil und Baugrund eintreten. Daraus ergibt sich, dass der Baugrund im Bereich der Baugrube eingehend zu erkunden ist. Weitere Regeln können dem Kapitel 5.2 entnommen werden. Auch für Baugruben ist die Festlegung der geotechnischen Kategorie (siehe Kapitel 5.2.2) von Bedeutung. Für Baugruben ist die geotechnische Kategorie gemäß folgender Tabelle 12.1 festzulegen. Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass die Art des Baugrundes, die Höhe des Grundwasserspiegels sowie das System der Baugrubenwand, der Dichtsohle und der Verankerungen die Einordnung bestimmen.

12

Nach DIN EN 1997-2 und DIN 4020 sind die Mindestanforderungen an geotechnische Untersuchungen von der Geotechnischen Kategorie (GK) abhängig. Bei GK2 und GK3 sind direkte Aufschlüsse erforderlich, und die notwendigen Baugrundkenngrößen müssen versuchstechnisch und/oder mit Hilfe von Korrelationen bestimmt werden. Bei der GK3 ist zu überprüfen, ob ergänzende Untersuchungen zur Bestimmung bestimmter Eigenschaften des Untergrundes bzw. des Bauwerkes erforderlich sind. Die erforderlichen Feld- und Laborversuche sind in den vorgenannten Normen ausführlich beschrieben. 12.2.1.2 Tiefe und Lage der Aufschlüsse Von besonderer Bedeutung sind für Baugruben die Lage und die Tiefe der Felduntersuchungen (Anhang B3 der DIN EN 1997-2). Der Anhang B3 ist in Deutschland normativ. Die dort angegebenen Untersuchungstiefen sind keine Richtwerte, sondern Mindesttiefen, wie sie in Bild 12-1 dargestellt sind.

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

Verankerungen

Dichtsohle

Baugrubenwand

Grundwasser

Baugrund

Tabelle 12.1

631

Geotechnische Kategorien für Baugruben (nach [7], etwas gekürzt)

Geotechnische Kategorie 1

Geotechnische

Geotechnische

Kategorie 2

Kategorie 3

mindestens mitteldichte oder steife Böden, standfester Fels

keine Einordnung in GK 1 oder GK 3 möglich

wechselhafte regellose Schichten bindiger und nichtbindiger, organischer, breiiger bis weicher bindiger und kriechfähiger Böden; Fels mit ungünstig verlaufenden Störzonen oder Trennflächen; Bergsenkungs-, Erdfallgebiet heterogene Auffüllungen

 0,5 m unterhalb der Baugrubensohle

 2,0 m oberhalb der Baugrubensohle mit GW-Absenkung oder unverankerter Sohle

> 2,0 m oberhalb der Baugrubensohle; Umströmung der Baugrubenwände; horizontale/vertikale Durchlässigkeit > 3,0; Setzungsweiche Böden im Einflussbereich der Absenkung

Spund- und Trägerbohlwände bis 3 m Baugrubentiefe; Normverbau nach DIN 4124; Böschungen bis 3 m; Unterfangung nach DIN 4123 mit einer freien Höhe  0,5 m

Baugrubenwände bis 10 m Baugrubentiefe; Baugrubenwände als Bohrpfahl- und Schlitzwände; Unterfangung nach DIN 4123 mit einer freien Höhe > 0,5 m

Neben verschiebungs- und setzungsempfindlichen Gebäuden mit mehr als 2 Abstützungen; Baugrubenwand als Bodenverfestigung und umströmte Wände

keine

unverankerte Unterwasserbetonsohlen; wenig durchlässige Böden

verankerte Unterwasserbeton- und Bodenverfestigungssohlen; tiefliegende Dichtsohlen

keine für die Wand

maximal eine Lage in der Wand

Ankerkopf unterhalb des Grundwasserspiegels; Bodennägel gemäß DIN EN 14490 oder Mikropfähle; Verankerung in Unterfangungskörpern

keine für die Sohle

keine für die Sohle

alle Arten für die Sohle

Das Bild 12-1 entspricht den Angaben in DIN EN 1997-2. In Bild 12-2 wurde eine Ergänzung für Verankerungen und Dichtsohlen vorgenommen, die ebenfalls zu berücksichtigen ist, da sonst keine ausreichenden Aussagen für Verankerungsstrecken und zu Dichtsohlen möglich sind. Die in Abbildung 12-2 angegebenen Werte za, z‘a, z*a sind Empfehlungen und berücksichtigen geringe Neigungsabweichungen bei Ankern für die Baugrubenwände und Ungenauigkeiten bei der Herstellung von senkrechen Verankerungen. Für Aufschlüsse im Grundriss der Baugrube sind die Abstände für Hoch- und Industriebauten zu berücksichtigen (siehe Bild 12-3). Um die Baugrundschichtung im Bereich des die Baugrubenwand belastenden Erddruckes zu erkennen, ist der Aufschlusspunkt außerhalb der Baugrube innerhalb des möglichen Erddruckkeils anzuordnen. Oft wird das z. B.

12

632

12

Baugruben

innerstädtisch nicht möglich sein, so dass Erkenntnisse aus Aufschlüssen aus der Umgebung herangezogen werden müssen, um sicherzustellen, dass die richtigen Kennwerte für den Erddruckansatz gewählt werden.

Bild 12-1 Untersuchungstiefen für Baugruben gemäß DIN EN 1997

12

Bild 12-2 Untersuchungstiefen für Verankerungen und Dichtsohlen gemäß DIN EN 1997

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

633

Bild 12-3 Lage der Aufschlüsse im Grundriss für Baugruben ohne Wandverankerungen

12.2.1.3 Feld- und Laboruntersuchungen In den folgenden Tabellen 12.2 bis 12.4 sind die in Deutschland üblichen Feld- und Laborversuche gemäß DIN EN 1997-2 Anhang A aufgelistet. In der letzten Spalte wurde ergänzend angegeben, wofür das Ergebnis des Versuches in der Regel erforderlich ist. Hier wird für die Bemessung der Baugrube (B), die Herstellung (H), d. h. für die Kenndaten der Homogenbereiche gemäß VOB Teil C [19], und die Bemessung der Gründung (G) eine Angabe gemacht. Die Ergebnisse sollen in dem Geotechnischen Bericht dargestellt und bewertet werden. Tabelle 12.2 Ergebnisse aus Standardversuchen im Feld gemäß DIN EN 1997-2 Feldversuch

Versuchsergebnisse

Für *)

CPT

Spitzenwiderstand qc, lokale Mantelreibung fs, Reibungsverhältnis Rf

B, H, G

CPTU

wie CPT mit Porenwasserdruck u

B, G

Rammsondierung

Schlagzahl N10 für DPL, DPM, DPH und N20 bei DPSH

B, H, G

SPT

Schlagzahl N

B, H, G

Pressiometerversuch (nach Ménard)

Pressiometer-Model EM, Kriechdruck pf, Grenzdruck pLM, Expansionskurve

G

Versuch mit dem flexiblen Dilatometer

Dilatometer-Modul EFDT Verformungskurve

G

Flügelscherversuch

Kohäsion des undränierten Bodens (unkorrigiert) cfv Kohäsion des undränierten Boden (durchwalkt) crv Drehmoment-Drehwinkel-Kurve

B, H

Belastungsversuch für Flachgründungen

Grenzsohldruck pu

G

12

634

12

Tabelle 12.3

Liste von Laborversuchen für Böden

Laborversuch

Versuchsergebnisse

Für *)

Wassergehalt

Wert für w

H

Dichte

Wert für 

B, H

Korndichte

Wert für s

G

Korngrößenverteilung

Körnungsverteilungskurve

B, H

Konsistenzgrenzen (Boden)

Ausroll- und Fließgrenzen wP, wL

B, H

Lagerungsdichte

Werte für emax, emin und ID

B, H

Organischer Anteil

Wert für den Glühverlust COM

H, G

Kalkgehalt

Wert für Kalkgehalt CCaCo3

H

Sulfatgehalt

12

Baugruben

Wert für Sulfatgehalt

H, G

cSO2− oder cSO2− 4

3

Chloridgehalt

Wert für den Chloridgehalt CCl

B, G

pH

pH-Wert

B

Kompressionsversuch

Drucksetzungskurve Sekundärsetzungskurve (Kriechkurve) Werte für Eoed und ‘p oder Cs, Cc, ‘p Wert für Ca

B, G

Laborflügelsonde

Wert für die Kohäsion des undränierten Bodens cu

G, B, H

Fallkegelversuch

Wert für die Kohäsion des undränierten Bodens cu

G, B, H

Einaxialer Druckversuch

Wert für die einaxiale Druckfestigkeit qu = 2 cu

G, B, H

Unkonsolidierter, undränierter Kompressionsversuch

Wert für die Kohäsion des undränierten Bodens cu

G, B, H

Dreiaxialversuch, konsolidiert

Spannungs-Dehnungskurven und Porenwasserdruckkurven, Spannungspfade c‘, ‘ oder cu Veränderlichkeit von cu mit ‘c Verformungsparameter E‘ oder Eu

G, B

Konsolidierter direkter Scherversuch

Spannungs-Verschiebungs-Kurve, --Diagramm, c‘, ‘ Restscherfestigkeit

B, G

California Bearing Ratio

Wert für den CBR-Index ICBR

B, G

Durchlässigkeit

Durchlässigkeitsbeiwert k

B, G

Die DIN EN 1997-2 mit dem nationalen Anhang und auch die DIN 4020 beziehen sich im Wesentlichen auf die Bemessung der Konstruktion für die Baugruben und auch der Gründung. Welche Bewertung für die Ausführung vorzunehmen ist, kann der VOB Teil C [19] entnommen werden. Für die Kalkulation der Ausführung wurden im Jahr 2015 für alle entsprechende VOB-Normen die Homogenbereiche eingeführt. Ausführliche Erläuterungen zu diesem System der Homogenbereiche können [6] entnommen werden. In den Tabellen 12.5 und 12.6 sind für die zur Bildung von Homogenbereichen erforderlichen Kenndaten für die folgenden Ausführungsnormen der VOB Teil C angegeben. DIN 18300 DIN 18301 DIN 18304

Erdarbeiten Bohrarbeiten Ramm-, Rüttel- und Pressarbeiten

DIN 18311 DIN 18313 DIN 18321

Naßbaggerarbeiten Schlitzwandarbeiten Düsenstrahlarbeiten

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

635

Tabelle 12-4 Liste von Laborversuchen für Fels Laborversuch Fels

Versuchsergebnisse

Für *)

Wassergehalt

Wert für w

G, H

Dichte und Porosität

Wert für  und n

B, H

Schwellen (Fels)

Schwelldruckindex, Schwelldruck, Unbehindertes Schwellen, Schwellen unter gleich bleibender Belastung

B, G

Einaxiale Zusammendrückung

Wert für c Wert für den Verformungsmodul E Wert für die Poisson-Zahl v

B, G

Punktlastversuch

Festigkeitsindex Is,50

B, G

Direkter Scherversuch

Spannungs-Verschiebungs-Kurve, c‘, ‘ Restscherfestigkeit

B, G

Brazil Test

Zugfestigkeit T

B, G

Dreiaxialer Kompressionsversuch

Spannungsverformungskurven, Spannungspfade, c‘, ‘ Wert für den Verformungsmodul E und Poisson-Zahl v

G

Einaxialer Druckversuch

Druckfestigkeit c

B, H, G

Erläuterungen zu den Tabellen 12.2, 12.3 und 12.4: *) In dieser Spalte wird angegeben, welche Kenntnisse für die Planung gewonnen werden können. G - Bemessung der Gründung B - Bemessung der Baugrube H - Homogenbereiche für die Ausführung In Abhängigkeit der erforderlichen Leistung der einzelnen Gewerke, z. B. Erdarbeiten gemäß DIN 18300 sind aus den Baugrundschichten Homogenbereiche zu bilden. Da die Geräte der einzelnen Gewerke unterschiedlich sind, können jeweils andere Baugrundschichten für die Homogenbereiche zusammengefasst werden. Die erforderlichen Bandbreiten der Kenndaten für die erkundeten Baugrundschichten sind vom geotechnischen Sachverständigen z. B. als Ergänzung zum geotechnischen Bericht (siehe Bild 12-5 und Bild 12-6) anzugeben, um die Homogenbereiche im Rahmen der Planung bilden zu können.

12

636

12

Tabelle 12.5

Kenndaten für Böden in den ATV-Normen 2015 [6] für die Ausführung von Baugruben

ja

ja

ja

ja

2

Anteil an Steinen

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

3

Anteil an Blöcken

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

4

Anteil an großen Blöcken

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

5

mineralogische Zusammensetzung der Steine und Blöcke

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

6

Dichte

ja

nein

nein

nein

nein

ja

nein

7

Kohäsion

nein

nein

ja

nein

nein

nein

nein

8

undränierte Scherfestigkeit

ja

nein

ja

nein

ja

ja

ja

9

Sensitivität

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

10

Wassergehalt

ja

nein

ja

ja

ja

ja

ja

11

Konsistenz

nein

ja

nein

nein

ja

nein

nein

12

Konsistenzzahl

13

Plastizität

14 15 16

Lagerungsdichte

ja

ja

17

Kalkgehalt

nein

nein

18

Sulfatgehalt

nein

nein

19

Organischer Anteil

ja

20

Benennung und Beschreibung organischer Böden

nein

21

Abrasivität

22

Bodengruppe

23

ortsübliche Bezeichnung

18321

ja

18313

nein

18311

ja

18304

Korngrößenverteilung mit Körnungsbändern

18301

18300 GK1

DIN 18300 GK2, GK3

Eigenschaften/ Kennwerte (Kenndaten)

1

Nr.

12

Baugruben

ja

nein

ja

ja

nein

ja

ja

nein

ja

nein

nein

nein

nein

nein

Plastizitätszahl

ja

nein

ja

ja

nein

ja

ja

Durchlässigkeit

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

ja

ja

ja

nein

nein

ja

ja

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

ja

nein

nein

nein

ja

nein

nein

nein

nein

ja

nein

nein

nein

nein

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

ja

ja

13

7

13

10

13

14

12

E1, E2, usw.

E1, E2 usw.

B1, B2 usw.

V1, V2 usw.

N1, N2 usw.

S1, S2 usw.

D1, D2 usw.

Anzahl Parameter Vorschlag für Bezeichnung der Homogenbereiche

Grundlagen für die Planung und Ausführung

18321

18313

18311

18304

DIN

Eigenschaften/ Kennwerte (Kenndaten)

18301

Nr.

637

Kenndaten für Fels in den ATV-Normen 2015 [6] für die Ausführung von Baugruben

18300 GK1

Tabelle 12.6

18300 GK2, GK3

12.2

1

Benennung von Fels

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

2

Dichte

ja

nein

nein

nein

ja

ja

nein

3

Verwitterung

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

4

Veränderungen

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

5

Veränderlichkeit

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

6

Kalkgehalt

nein

nein

nein

nein

nein

ja

nein

7

Sulfatgehalt

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

8

Druckfestigkeit

ja

nein

ja

ja

ja

ja

nein

9

Spaltzugfestigkeit

nein

nein

nein

nein

nein

ja

nein

10

Trennflächenrichtung

ja

ja

ja

nein

ja

ja

nein

11

Trennflächenabstand

ja

ja

ja

nein

ja

ja

nein

12

Gesteinskörperform

ja

ja

ja

nein

ja

ja

nein

13

Öffnungsweite von Trennflächen

nein

nein

nein

nein

nein

ja

nein

14

Kluftfüllung von Trennflächen

nein

nein

nein

nein

nein

ja

nein

15

Gebirgsdurchlässigkeit

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

16

Abrasivität

nein

nein

ja

nein

nein

nein

nein

17

ortsübliche Bezeichnung

ja

nein

ja

ja

ja

ja

ja

Anzahl Parameter

10

7

10

3

10

14

5

E1, E2 usw.

E1, E2 usw.

B1, B2 usw.

V1, V2 usw.

N1, N2 usw.

S1, S2 usw.

D1, D2 usw.

Vorschlag Bezeichnung der Homogenbereiche

12.2.1.4 Geotechnischer Bericht Nach der DIN EN 1997-2 (Abschnitt 6) und der DIN 4020 (Abschnitt A7) ist ein Geotechnischer Bericht zu erstellen. Für Baugruben der Geotechnischen Kategorien GK2 und GK3 muss dieser Bericht folgenden Inhalt besitzen: Berichtsabschnitt 1:

Geotechnischer Untersuchungsbereich mit Darstellung der geotechnischen Informationen (Untersuchung des Baugeländes, örtliche Erfahrungen, Feld- und Laborversuche)

Berichtsabschnitt 2:

Auswertung und Bewertung der geotechnischen Untersuchungsergebnisse (für Baugruben ist die Bewertung im Hinblick auf die Konstruktionselemente erforderlich)

12

638

12

Berichtsabschnitt 3:

Baugruben

Folgerungen, Empfehlungen und Hinweise Der Berichtsabschnitt 3 enthält im Wesentlichen die Festlegung der charakteristischen Kennwerte (siehe hierzu Abschnitt 5.2.4) und Grundwasserstände für maßgebliche Berechnungsmodelle

Für die Bemessung von Baugrubenkonstruktionen sind die maßgeblichen Berechnungsmodelle von großer Bedeutung. Vom Sachverständigen für Geotechnik sind Baugrundprofile als Berechnungsmodelle zu entwickeln und darzustellen. Mit den charakteristischen Kennwerten für die in dem Berechnungsmodell angegebenen Schichten kann die Planung erfolgen.

Bild 12-4 Berechnungsmodell für den Geotechnischen Bericht Abschnitt 3

12

Bild 12-5 Zusammenarbeit des Geotechnischen Sachverständigen und des Planers

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

639

In Bild 12-4 ist ein Berechnungsmodell für eine Baugrube dargestellt, wie es z. B. vom Sachverständigen für Geotechnik geliefert werden könnte. In Bild 12-5 ist die Zusammenarbeit zwischen dem Sachverständigen für Geotechnik und dem Objekt- und Tragwerksplaner dargestellt. Für die Planung von Baugruben muss der Objekt- und Tragwerksplaner gute Kenntnisse zur Geotechnik besitzen, um Bemessungen, die in der Regel auf einer Interaktion zwischen Konstruktion und Baugrund beruhen, sachgerecht durchzuführen. Wie Bild 12-4 zeigt, ist die Schichtdarstellung für die Baugruben auch über den Neubau hinaus z. B. für Verankerungen darzustellen. Die charakteristischen Kennwerte je Modellschicht sind anzugeben. Die Modellschicht erhält auf der sicheren Seite liegende charakteristische Kennwerte.

12.2.2 Einwirkungen 12.2.2.1 Allgemeines Auch für Baugrubenbemessungen ist zwischen ständigen und veränderlichen Einwirkungen zu unterscheiden. Nach den Empfehlungen des Arbeitskreises Baugruben der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik EAB Abschnitt 4.1 [7] ist es in der Regel bei einer ungünstigen Einwirkung zulässig, die Nutzlast und den veränderlichen Teil von Bauwerkslasten mit einem Faktor für BS-T fq = 1,08 und für BS-T/A fq = 1,05 zu erhöhen und sie dann wie ständige Lasten zu behandeln. In der Tabelle 12.7 sind die bei Baugruben üblichen Einwirkungen aufgelistet. Tabelle 12.7 Ständige und veränderliche Einwirkungen auf Baugrubenkonstruktionen [7] Ständige Einwirkungen

Veränderliche Einwirkungen

Eigenlasten der Konstruktion einschl. Abdeckungen, Hilfsbrücken

Nutzlasten auf Abdeckungen und Hilfsbrücken Erddruck aus Nutzlasten für Straßen- und Schienenverkehr, Baustellenverkehr, Baggern und Hebewerkzeugen

Erddruck aus Bodeneigengewicht, großflächige Gleichlast pk = 10 kN/m² Erddruck aus Eigenlasten eines benachbarten Bauwerkes

12.2.2.2 Nutzlasten aus Baustellenverkehr, Baubetrieb und Baugeräten Üblicherweise deckt die großflächige Auflast von p k = 10 kN/m² neben Baugrubenwänden Ablagerungen von Baumaterialien und Baucontainern ab. Sind größere Ablagerungen von Boden und sonstigen Stoffen zu erwarten, sind genauere Untersuchungen erforderlich und ggf. zusätzliche Lasten anzusetzen.

12

640

12

Tabelle 12.8

Baugruben

Nutzlasten, die durch Ansatz der Gleichlast p k = 10 kN/m² berücksichtigt werden

Straßenverkehr

Baustellenverkehr, Baugeräte

Lasten gem. StVZO Feste Straßendecke mit  15 cm Dicke Abstand Hinterkante der Baugrubenwand zur Aufstandsfläche der Räder av  1 m

Lasten gem. StVZO auch ohne feste Straßendecke

Tabelle 12.9

Lasten und Abstände von Baugeräten gem. Tabelle 12.9

Lasten und Abstände von Baugeräten (Bagger und Hebegeräte)

Gesamtlast Baugerät [kN]

Abstand av von der Hinterkante der Baugrubenwand [m]

100

1,5

300

2,5

500

3,5

700

4,5

Können die Vorgaben nach Tabelle 12.8 und 12.9 nicht eingehalten werden, sind mit den Rad- und ggf. Kettenlasten von Rampenfahrzeugen gesonderte Nachweise zu führen. Detaillierte Angaben können der EAB Abschnitte 2.5 bis 2.8 [7] entnommen werden. Auf den Nachweis dieser Lasten darf verzichtet werden, wenn neben der Baugrubenwand eine zusätzliche Ersatzlast q’k gem. Tabelle 12.10 und Bild 12-6 angesetzt wird. Für die Ersatzlasten aus Tabelle 12.10 gilt: • • • •

Zwischenwerte dürfen geradlinig interpoliert werden Grundfläche von Abstützvorrichtungen von Baugeräten  0,25 m² Bei Gleisen ist der Abstand von Schwellenkopf maßgebend Der Abstand bezieht sich von der Baugrubenwand bis zur Aufstandsfläche

Für weitere Sonderfälle ist die EAB, Abschnitt 2 [7] zu beachten. Tabelle 12.10

Ersatzlast q’k neben der Baugrubenwand [7]

Gesamtlast [kN]

12

Breite bq der Ersatzlast q’k [m]

Ersatzlast q’k [kN/m²]

50

25

Abstand  0,6 m 10

100

50

20

1,5

200

80

30

1,75

300

110

40

2,0

400

125

45

2,25

500

140

50

2,5

600

145

55

2,75

700

150

60

3,0

kein Abstand

0,75

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

641

12.2.2.3 Nutzlasten aus Straßen- und Schienenverkehr Auf die Untersuchung von Einzellasten von Straßenfahrzeugen kann verzichtet werden, wenn der Abstand der Aufstandsflächen oder der Schwellenenden a v  1 m (siehe Bild 12-6) ist oder bei geringerem Abstand die Ersatzlasten gem. Tabelle 12.11 und Bild 12-7 eingehalten werden. Tabelle 12.11 Ersatzlasten für Straßen- und Schienenverkehr Abstand av von der Baugrubenwand [m]

Ersatzlast q’k auf einer Breite bk = 1,5 m [kN/m²]

0,6 bis 1,0

10

< 0,6

40

Die Aufstandbreite ba richtet sich nach den Radlasten und ist in der EAB Abschnitt 2.5 geregelt. In Abhängigkeit vom Fahrbahnbelag ist fd = 0,5 bis 1,0 anzusetzen. Ist kein Straßenbelag vorhanden, kann fd  d = 0,15 m angesetzt werden.

Bild 12-6 Abstand von Aufstandsflächen

Bild 12-7 Nutzlasten pk und q‘k

12.2.2.4 Erddrucklasten Die Ermittlung des aktiven Erddruckes ist im Kapitel 4.4 ausführlich beschrieben. Der aktive Erddruck bzw. auch der Ruhedruck oder evtl. Zwischenwerte sind als Einwirkungen zu berücksichtigen. Der Erddruck als Einwirkung ist bei Baugrubenwänden in seiner Größe und Verteilung von der gewählten Bauweise abhängig. Die EAB [7] macht im Abschnitt 3 hierzu ausführliche Angaben. Neben der Art der Baugrubenwand hat bei Abstützungen durch Steifen oder Anker die Größe der Vorspannung einen Einfluss auf den Erddruck. Grundsätzlich können für die Erddruckfiguren folgende Angaben gemacht werden: a)

Feste Stützungen, z. B. bei einer leichten Vorspannung von Steifen, ziehen einen größeren Erddruck auf sich als wenig nachgiebige Stützungen, z. B. Steifen, die nur verkeilt sind. b) Bei einer biegeweichen Baugrubenwand ist die Neigung zur Erddruckumlagerung größer als bei einer steifen Baugrubenwand. c) Bei mitteldicht oder dicht gelagerten nichtbindigen Böden und bei steifen bis festen bindigen Böden ist eine stärkere Erddruckumlagerung zu erwarten als bei locker gelagerten nichtbindigen Böden und bei weichen bis steifen bindigen Böden.

12

642

12

Baugruben

In der Regel können Schlitzwände und Pfahlwände als biegesteif angesehen werden. Spundwände sind bei großen Stützweiten biegeweich. Trägerbohlwände sind durch die geringe Steifigkeit der auf Abstand gesetzten Verbauträger und der Einbauart der Verbohlung immer als biegeweich anzusehen. Schlitzwände, Bohrpfahlwände und Spundwände sind nur verformungsarm, wenn sie entsprechend gestützt werden. Unterfangungskörper sind biegesteif und auch verformungsarm und werden daher in der Regel einen höheren Erddruck als den aktiven Erddruck als Einwirkung erhalten. Bei bindigen Böden kann bei der Ermittlung des Erddruckes die Kohäsion angesetzt werden, es ist jedoch auch ein Mindestdruck zu berücksichtigen. Gemäß EAB [7] ist nach Abschnitt 3.2 der Erddruck alternativ auch mit einem Ersatzreibungswinkel ‘Ers,k = 40° zu bestimmen. Die größere Erddrucklast je Schicht ist maßgebend. Da bei gestützten Baugrubenwänden die Stützung unterschiedliche Erddruckumlagerungen bewirkt, sind die Erddruckfiguren für folgende Wände unterschiedlich: a) b) c) d)

freistehende, im Boden eingespannte Baugrubenwände einmal gestützte Baugrubenwände zweimal gestützte Baugrubenwände dreimal oder öfter gestützte Baugrubenwände

Für freistehende Baugrubenwände sind die aus der Erddrucktheorie gem. Kapitel 4 ermittelten Erddruckverteilungen ohne Umlagerung zu berücksichtigen. Für die gestützten Baugrubenwände sind in den Bildern 12-8 bis 12-12 übliche einfache Lastfiguren für Baugrubenwände gezeichnet. Diese Lastfiguren sind der EAB [7] entnommen, die noch zahlreiche andere Verteilungen berücksichtigt.

12

Bild 12-8 Lastfiguren für einmal gestützte Baugrubenwände

Bild 12-9 Lastfiguren für zweimal gestützte Baugruben mit hoher Lage der Stützung

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

643

Bild 12-10 Lastfiguren für zweimal gestützte Baugruben mit mittlerer und tiefer Lage der Stützung (a) und b) für Trägerbohlwände sowie c) und d) für Spundwände und Ortbetonwände)

12

Bild 12-11 Lastfiguren für dreimal oder öfter gestützte Spundwände und Ortbetonwände

644

12

Baugruben

Bild 12-12 Lastfiguren für dreimal oder öfter gestützte Trägerbohlwände

Das Verhältnis eho,k : ehu,k in den Bildern 12-8 bis 12-12 ist gemäß Tabelle 12.12 anzusetzen. Tabelle 12.12

Verhältnis der Erddruckordinaten eho,k : ehu,k

Bild

Spundwand, Ortbetonwand

Trägerbohlwand

12.8 b)

1,2

1,5

12.8 c)

1,5

2,0

12.9 a)

1,5

2,0

12.10 c)

2,0

-

12.11 a), b), c)

2,0

-

Die gemäß EAB empfohlenen Lastfiguren berücksichtigen dabei nicht den vorangegangenen Bauzustand. Die Lastfigur des jeweiligen Bauzustandes ergibt sich aus dem vorangegangenen Bauzustand und dem Zuwachs des Erddruckes für den untersuchten Bauzustand. Der zusätzliche Erddruck konzentriert sich in der Regel an der letzten Abstützung. Erddrücke aus Nutzlasten auf der horizontalen Geländeoberfläche sind wie folgt zu berücksichtigen

12

pk = 10 kN/m²

:

Gleichlast kann in die Umlagerung einbezogen werden

q’k

:

Sind als veränderliche Einwirkungen nach ihrer Verteilung auf die Baugrubenwand anzusetzen

Durch vielfache Randbedingungen bei der Herstellung einer Baugrube kann sich die Erddruckverteilung anders ergeben, als die in den Bildern 12-8 bis 12-12 dargestellten Figuren. Bei der Bemessung sollten wirklichkeitsnahe Erddruckfiguren berücksichtigt werden, die in Sonderfällen zu ermitteln sind. Bei der Ermittlung der Erddrucklast ist, wie im Kapitel 4.4.1 erläutert, der Wandreibungswinkel nach DIN 4085 zu berücksichtigen. Wenn gekrümmte oder gebrochene Gleitflächen berücksichtigt werden und wenn die vertikalen aktiven Erddruckanteile mindestens so groß wie die nach oben gerichtete Vertikalkomponente aus dem Erdwiderstand sind, dann können die höheren Wandreibungswinkel *k der Tabelle 12.13 verwandt werden.

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

Tabelle 12.13

645

Grenzwerte der Erddruckneigungswinkel [7]

Wandbeschaffenheit

Gekrümmte Gleitflächen

Ebene Gleitfläche

Beispiel Baugrubenwand

Verzahnte Wand

*k = ‘k

k  2  ‘k / 3

Unterfangung Einphasenschlitzwand, Bohrpfahlwand

Raue Wand

‘k  30°, *k  ‘k - 2,5° ‘k > 30°, *k  27,5°

k  2  ‘k / 3

Bohlträger und Ausfachungen

Weniger raue Wand

*k = ‘k / 2

k  ‘k / 2

Schlitzwand mit geringem Filterkuchen

Glatte Wand

*k = 0

k = 0

Hoher Tongehalt im Boden mit geringer Konsistenz

12.2.2.5 Wasserdruck Baugruben können bei einer Lage im Grundwasser nur mit Grundwasserhaltung hergestellt werden. Die Grundwasserhaltung erfolgt entweder durch eine Grundwasserabsenkung (Bild 12-13 a) und b)) (siehe Kapitel 6) oder durch eine relativ dichte Baugrubenkonstruktion (Trogbaugrube, Bild 12-13 c), d), und e)). Für die Bemessung von Baugruben sind folgende Grundwasserstände von Bedeutung: − − −

Aktueller Grundwasserstand (AGW) Bauwasserstand (BGW) Höchster Grundwasserstand (HGW)

Der AGW wird bei Grundwasserabsenkungen die abzupumpende Wassermenge und bei Trogbaugruben die Restwassermenge mit bestimmen. Der BGW ist für die Bemessung der Brunnenanlagen einer Grundwasserabsenkung und der Baugrubenteile (Wasserdruck auf Wände und Sohlen bei Trogbaugruben) anzusetzen. Für die Bemessung von Baugrubenkonstruktionen ist zu prüfen, ob höhere Wasserstände als der Bauwasserstand kurzfristig auftreten können. Der HGW ist in der Regel für die Bemessung des Bauwerkes maßgebend.

12

a) Grundwasserabsenkung weit außerhalb der Baugrube

b) Grundwasserabsenkung an einer Trägerbohlwand

646

12

Baugruben

c) Trogbaugrube mit Dichtsohle

d) Trogbaugrube mit Unterwasserbetonsohle

e) Baugrube in relativ undurchlässigem und vereinfachten Wasserdruckansatz Boden mit Umströmung

Bild 12-13 Baugruben im Grundwasser

Bei Grundwasserabsenkungen ist zu untersuchen, ob der Absenktrichter in seinem Bereich Strömungskräfte auf den aktiven Erdkeil und den Verankerungskörper hervorruft. Bei Baugruben mit einer Fassung des Grundwassers in der Baugrubensohle werden ebenfalls Strömungskräfte wirken, die den Erddruck erhöhen und den Erdwiderstand verringern können. Der hydraulische Grundbruch ist nachzuweisen.

12

12.2.2.6 Erdbeben Stützbauwerke in Erdbebengebieten müssen so bemessen sein, dass sie im Fall eines Erdbebens ihre Funktion erhalten, um größere Schäden in der Umgebung zu vermeiden. Somit ist, wenn die zu errichtende Baugrube in der Erdbebenzone 1 oder größer gemäß DIN 4149 liegt, die Berücksichtigung von Erdbebenbelastungen bei der statischen Dimensionierung erforderlich. Die Einteilung in Erdbebenzonen basiert auf einer Arbeit von Leyendecker [13], in deren Rahmen Karten erstellt wurden, anhand derer die regional maximal aufgetretenen Erdbeben identifiziert werden können. Der Nachweis der Stützbauwerke auf Erdbebeneinwirkung wird in der Regel unter Ansatz einer quasi-statischen Ersatzlast geführt. Es hat sich hierbei etabliert, eine Erhöhung des aktiven Erddrucks infolge der Erdbebenbeanspruchung bei der Stützwandbemessung zu berücksichtigen. Das prinzipielle Vorgehen zur Ermittlung des zusätzlichen horizontalen

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

647

Erddruckbeiwertes kh infolge Erdbeben ist in DIN 4149 sowie im Eurocode 8 (DIN EN 1998-5) dargestellt. Nach DIN EN 1998-5 kann der zusätzliche horizontale Erddruckbeiwert infolge Erdbeben näherungsweise folgendermaßen ermittelt werden: kh = a g 

S gr

(12.1)

Hierbei ist ag der Bemessungswert der Bodenbeschleunigung. Dieser kann z. B. nach Tabelle 2 der DIN 4149 abgeleitet werden. Bei dem Wert g handelt es sich um die Erdbeschleunigung. Der Wert S ist ein Untergrundparameter, welcher sich anhand der geologischen Untergrundklasse (Untergrund ab einer Tiefe von ca. 20 m) sowie der Baugrundklasse (seismisch relevanter oberflächennaher Baugrund) ermitteln lässt. Hierfür sind ebenfalls Ansätze in DIN 4149 oder im Eurocode 8 enthalten. Der Wert r ergibt sich in Abhängigkeit der Art des zu untersuchenden Stützbauwerks. Es wird gemäß DIN EN 1998-5 für freie Schwergewichtswände in Abhängigkeit der aufnehmbaren Verschiebung ein Wert von r = 1,5…2 vorgeschlagen. Für verankerte oder ausgesteifte Wände wird der Faktor mit r = 1 angesetzt. In der statischen Bemessung wird dieser erdbebeninduzierte Erddruckbeiwert k h zu dem klassischen statischen Erddruckbeiwert k hinzuaddiert, sodass sich für die Bemessung ein Ersatzerddruckbeiwert wie folgt ergibt: ke = k + kh

(12.2)

Für Stützbauwerke mit einer Höhe < 10 m wird empfohlen, den zusätzlichen erdbebeninduzierten Erddruckbeiwert als über die Höhe konstant anzunehmen. Das hier beschriebene Nachweisverfahren ist für „übliche“ Stützwandkonstruktionen anwendbar. Sollten besondere Randbedingungen vorliegen, wie z. B. benachbarte Bauwerke, die zusätzliche Beanspruchungen im Erdbebenfall erzeugen könnten oder das Vorliegen besonders verflüssigungsgefährdeter Böden, so sind zusätzliche Untersuchungen z. B. mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode oder vertiefende Ansätze zur Berücksichtigung einer Verflüssigungsgefährdung erforderlich. Dies muss im Einzelfall gesondert bewertet werden. Für die Nachweise von Erdbeben ist die Bemessungssituation BS-E, für die keine Teilsicherheitswerte angegeben werden, zu berücksichtigen. 12.2.2.7 Sonstige Einwirkungen Es gibt eine Vielzahl von Einwirkungen, die bei Baugrubenkonstruktionen zusätzlich zum Erd- und Wasserdruck zu berücksichtigen sind. Der Erddruck selbst kann sich in Sonderfällen gegenüber den Angaben in den Abschnitt 12.2.2.1 bis 12.2.2.4 erhöhen. Hierzu wären zu nennen: − −

Horizontalkräfte aus Schienen-, Baustellen- und Straßenverkehr (z. B. Brems- und Fliehkräfte) auf die Geländeoberfläche Erddruckerhöhungen durch dynamische Einwirkungen (Erschütterungen durch Maschinen)

12

648

12

Baugruben

Als weitere zu beachtende Einwirkungen auf Baugrubenkonstruktionen können genannt werden: − − − − −

Temperatureinwirkungen, insbesondere auf Steifen Schiffsstoß bei Baugruben an Wasserstraßen und Baugruben mit Unterwasserbetonsohlen, bei denen Schiffe oder Pontons zum Einsatz kommen Ausfall von Konstruktionsteilen der Baugrube (z. B. Steifen- oder Ankerausfall) Erddruck aus Nachbarbauwerken (siehe Abschnitt 12.2.3) Lasten bei Prüfungen z. B. Ankern, Pfählen

Bei dem Ansatz der Teilsicherheiten ist die Bemessungssituation zu beachten. Nach der EAB [7] sind vier Situationen möglich: BS-P

Permanenter Zustand

BS-T

Regelfall (Bauzustand)

BS-T/A

Sonderfälle, wie selten auftretende Einwirkungen (siehe EAB Abschnitt 2.1)

BS-A

Ausnahmefälle, wie Anprall von Baugeräten, Ausfall von Traggliedern (siehe EAB Abschnitt 2.1)

12.2.3 Nachbarbauwerke Innerstädtisch sind in der Regel Nachbarbauwerke für die Baugrubenkonstruktion zu berücksichtigen, die einen zusätzlichen Erddruck, Vertikal- und Horizontalkräfte und auch eine Erddruckminderung bewirken können. Bei den Lasten aus Nachbarbauwerken sind ständige und veränderliche Lasten zu unterscheiden. In der Regel ist es zulässig, die veränderlichen Bauwerksnutzlasten mit dem Faktor fq = 1,08 (siehe 12.2.2.1) zu erhöhen und mit der Eigengewichtslast als einzige ständige Einwirkung zu behandeln. Zur Ermittlung der repräsentativen Lasten sind gem. EAB [7] die in Tabelle 12.14 aufgeführten Kombinationsbeiwerte anzusetzen. Tabelle 12.14

Kombinationsbeiwerte

Last aus Altbau

12

Neubau Straßen- und Schienenverkehr Baustellenlasten

Kombinationsbeiwert  1,0 Aus der Statik des Neubaus 1,0 Abweichungen bei Angaben von Verkehrsbetrieben 1,0

Beim Ansatz des Erddruckes auf Baugrubenwände ist der Abstand der Vorderkante der Gründung des Bauwerkes zu beachten. Bei großem Abstand kann der aktive und bei kleinem Abstand sollte bei Beschränkung von Setzungen für das Bauwerk der erhöhte aktive Erddruck angesetzt werden. Der EAB [7] können die in der Tabelle 12.15 angegebenen Empfehlungen entnommen werden. Besteht die Möglichkeit, dass die Baugrubenwand keine Bewegung erfährt, z. B. bei Unterfangungen oder bei einer Absteifung der Baugrubenwand z. B. auf ein unverschiebliches Bauwerk, dann sollte der Erdruhedruck angesetzt werden.

12.2

Grundlagen für die Planung und Ausführung

Tabelle 12.15

649

Erddruck auf Baugrubenwände neben Bauwerken

Abstand Bauwerk siehe Bild 12.14

ohne Setzungseinschränkung

keine/eingeschränkt

gering/gering

vorhanden/sehr gering

groß

Eah,k + EaBh,k

0,25  (E0h,k + E0Bh,k) + 0,75  (Eah,k + EaBh,k)

0,5  (E0h,k + E0Bh,k + Eah,k + EaBh,k)

0,75  (E0h,k + E0Bh,k) + 0,25  (Eah,k +EaBh,k)

klein

Eah,k + EaBh,k

0,25  E0h,k + 0,75  Eah,k +EaBh,k

0,5  (E0h,k + E0h,k) +EaBh,k

0,75  E0h,k + 0,25  Eah,k + EaBh,k

mit:

Empfindlichkeit/Setzung des Bauwerkes

Eah,k - horizontaler aktiver Erddruck EaBh,k - horizontaler Erddruck aus der Bauwerkslast EOh,k - Erdruhedruck aus dem Boden EOBh,k - Erdruhedruck aus der Bauwerkslast

Weiterhin ist bei Baugruben in der Nähe von Nachbarbauwerken zu beachten, dass nicht gestützte, nur im Boden eingespannte Baugrubenwände nur zulässig sind, wenn im Bereich der freien Wandhöhe keine Fundamentlasten der Nachbarbebauung eingetragen werden. Trägerbohlwände dürfen nur unter besonderen Voraussetzungen neben Bauwerken hergestellt werden und es muss mit besonderer Sorgfalt bei der Ausführung vorgegangen werden. Die Ausfachung muss durch Vorkeilen vorgespannt und Hohlräume hinter der Ausfachung sicher ausgeschlossen werden. Meist wird eine Ausfachung aus Spritz- oder Ortbeton vorzuziehen sein. Die Verfüllung der Bohrlöcher für die eingestellten Bohlträger muss mit gut verdichtungsfähigem Boden und ausreichend verdichtet erfolgen.

Bild 12-14 Abstand zwischen Baugrubenwand und Bauwerk [7]

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Herstellung der Baugrubenelemente Auswirkungen auf die Nachbarbebauungen hat. So gibt die DIN 4150, Teil 3 Regelabstände zu gerammten oder vibrierten Elementen in Bezug auf die Nachbarbebauung (siehe Bild 12-23), deren Einhaltung dringend empfohlen wird, vor. Besonders relevant sind hier locker gelagerte sackungsempfindliche Böden oder Böden, die bei Anregung durch Erschütterung zu Entfestigung oder Fließen neigen. Auf die vielfältigen Auswirkungen herstellungsbedingter Verformungen beispielsweise aus den Bohr-, Ramm- oder Pressarbeiten für die vertikale Umschließung oder den Herstellungen von Rückverankerungen kann hier nicht in allen Einzelteilen eingegangen werden. Es muss jedoch eindringlich darauf hingewiesen werden, dass die Verformungsbeträge relevante

12

650

12

Baugruben

Größenordnung annehmen können und zu den Verformungen aus dem Baugrubenaushub und den Wandverformungen, die ebenfalls Auswirkungen auf Nachbarbauwerke haben, hinzuaddiert werden. Neben der Herstellung und dem Aushub sowie den Wandverformungen der Baugrube können auch eventuell erforderliche Grundwasserabsenkungen Auswirkungen auf die Verformung von Nachbarbauwerken haben. Erfahrungsgemäß sind die Setzungsbeträge, die bei einer Grundwasserabsenkung in mitteldicht oder dicht gelagerten nichtbindigen Böden eintreten, von untergeordneter Bedeutung. Bei zu Kornumlagerungen neigenden Böden, wie sehr locker gelagerten oder fließfähigen Böden sind diese Setzungsbeträge unter Umständen relevant. Auf alle Fälle sind die Verformungen von Nachbarbauwerken bei Grundwasserabsenkungen zu beachten, wenn im Bereich der Gründung der Nachbarbauwerke organische Böden anstehen, die bei Grundwasserabsenkungen Setzungen hervorrufen können. Auch bei tiefgegründeten Nachbarbauwerken kann durch eventuell hervorgerufene negative Mantelreibungen eine Setzung entstehen.

12.3 Baugrubensysteme 12.3.1 Gesamtsysteme Das Baugrubensystem ist zuerst abhängig vom Vorhandensein von Grundwasser. Wenn kein Grundwasser, auch nicht in Form von Schichtenwasser, vorhanden ist, ist nur die Art der Baugrubenwand auszuwählen. Die Baugrubenwand kann als wasserdurchlässige Wand oder als Böschung hergestellt werden. Böschungsformen sowie die dafür erforderlichen Standsicherheitsnachweise sind Kapitel 13 zu entnehmen. Ist Grundwasser vorhanden und liegt der Bemessungswasserstand (siehe 12.2.2.5) zu dicht unter (in der Regel < 50 cm) oder sogar über der Baugrubensohle, so ist eine Grundwasserabsenkung (Bild 12-13 a) und b)) oder eine Trogbaugrube (Bild 12-13 c) bis d)) zu wählen.

12

Soweit kein Grundwasser die Baugrube beeinflusst, regelt die DIN 4124 Baugruben und Gräben - Böschungen, Verbau, Arbeitsraum - viele einfache Fälle. Diese Regelbauweisen werden hier nicht weiter behandelt und es wird auf DIN 4124, [20] und [10] verwiesen. Die Regelbauweisen der DIN 4124 in Form von Böschungen, unverbauten Gräben, Gräben mit Holzverbau, Baugruben mit Trägerbohlwänden und Gräben mit vorgefertigten Grabenverbauwänden bieten sich bei einfachen Verhältnissen ohne direkte Nachbarbebauung, ohne Grundwasser oder im Schutze einer Grundwasserabsenkung bis Tiefen von 5 m an. Die Arbeitsraumbreite gem. DIN 4124 beträgt prinzipiell zwischen Außenkante des Bauwerks ggf. mit der Schalung und der Verbauwand einschließlich einer vorhandenen Gurtung oder Ankerköpfen mindestens 60 cm. Bei Böschungen kann dieses Maß am Fuß der Böschung auf 50 cm reduziert werden.

12.3.2 Wandsysteme 12.3.2.1 Allgemeines Andere als die unter 12.1 genannten Baugrubenwände, wie z. B. Winkelstütz-, Schwergewichts-, Raumgitter- und Gabionenwände, sind auch für Baugruben möglich, werden aber in der Regel für Hangsicherungen z. B. an Verkehrswegen eingesetzt. Diese Wände werden in Kapitel 13 behandelt. Von diesen Wandsystemen kommen in Sonderfällen

12.3

Baugrubensysteme

651

Nagelwände mit Spritzbeton, Ortbeton oder Betonfertigteilen auch bei Baugruben zum Einsatz, wenn z. B. keine unter die Baugrubensohle einbindenden Bauteile möglich sind oder eine Verankerung erforderlich wird, aber die Länge der Verankerung stark eingeschränkt ist. Nagelwände bieten sich bei besonders standfestem Boden an. Wenn zur Herstellung der Baugrubenwand Arbeiten nur mit kleinen Baugeräten möglich sind, kann eine Nagelwand eine wirtschaftliche Alternative zu einem abgesteiften oder verankerten Verbau sein. Für die Wahl des Baugrubensystems sind in der Tabelle 12.16 günstige und ungünstige Einsatzbereiche angegeben. Die angegebene Rangfolge ist eine grobe Abschätzung zu einer ersten Orientierung und muss immer im Einzelfall in einem Variantenvergleich ermittelt werden. Tabelle 12.16

Einsatz und Wirtschaftlichkeit von Wandsystemen

BaugrubenWandsystem

Nicht einsetzbar

Einsatzbereich

Rangfolge der Wirtschaftlichkeit

günstig

ungünstig

Böschungen

standfester Baugrund

weiche bindige Böden neben Nachbarbauwerken

fließende und breiige Böden

1 (wenn möglich)

Trägerbohlwand

standfester Baugrund

dicht an Nachbarbauwerken

fließende und breiige Böden

2

Aufgelöste Bohrpfahlwand

standfester Baugrund

dicht an Nachbarbauwerken

fließende und breiige Böden

3

Bodenverfestigungswand

gut verfestigungsfähige Böden

bindige Böden

organische Böden

4

Spundwand

Rammen oder Einrütteln und, Wiederausbau möglich

wenn Einpressen erforderlich

Blöcke, sehr feste Böden, Fels

5

Tangierende oder überschnittene Bohrpfahlwand

neben Nachbarbauwerken

-

-

6

Schlitzwände

nichtbindige und bis halbfeste bindige Böden

sehr hoher Grundwasserstand

zu hohe Lasten neben dem Schlitz, große Blöcke/Fels

7

12.3.2.2 Böschungen Böschungen werden ausführlich im Kapitel 13 behandelt. Bei ausreichendem Platz und wenn keine besonders belasteten Böden zur Herstellung der Böschung entsorgt werden müssen, ist diese Art der Baugrubenwand in der Regel bei Tiefen bis ca. 10 m die wirtschaftlichste Ausführung (siehe Tabelle 12.16). 12.3.2.3 Trägerbohlwände Die Trägerbohlwand, auch als Berliner- oder Essener-Verbau bezeichnet, hat viele Vorzüge und ist eine sehr wirtschaftliche Ausführungsart (siehe Tabelle 12.16).

12

652

12

Baugruben

In der Tabelle 12.17 sind für eine Auswahl im Rahmen einer Planung Vor- und Nachteile benannt. Als Verbauträger werden alle Profile von Doppel-T-Trägern und auch U-Profile gewählt. Die Größe des Trägers ergibt sich aus der Bemessung. Weiter ist jedoch auch ein ausreichendes Auflager für die Ausfachung erforderlich. Daher sind Breitflanschträger günstig. Für den Einbau von versenkten Ankerköpfen bietet sich auch der Einbau von zwei U-Profilen an (Bild 12-15). Doppel-T-Träger können Aussteifungen direkt aufnehmen, bei Verankerungen sind Gurtungen erforderlich. Bei direkter Abstützung der Verbauträger ist beim Lastfall Ausfall der Stützung eine Gurtung oder ein Zugband zur Lastübertragung auf die Nachbarträger vorzusehen. Tabelle 12.17 Vor- und Nachteile von Trägerbohlwänden Vorteile

Nachteile



sehr anpassungsfähig an Grundrissformen





Hindernisse z. B. Leitungen, alte Bauteile können in den Verbau integriert werden





In allen standfesten Baugrundschichten herstellbar Alle Bauteile können zurückgebaut werden



Ziehen der Bohlträger einfach und ohne große Baugrundstörung möglich









keine Sicherung gegen Grund- und Schichtwasser und daher Ausspülungen von Boden möglich Wenn Holz als Ausfachung eingebaut wird und ein Ausbau nicht möglich ist, wird langfristig eine Verrottung eintreten Ausfachung muss in der Regel händisch erfolgen Beim Versagen von Steifen oder Ankern direkt auf Verbauträgern keine Lastumlagerung möglich Einbau der Ausfachung bei nicht standfestem Boden zeitaufwendig

Die Verbauträger können durch Einrütteln und Einrammen eingebracht werden. Der Einbau in gestützte Bohrlöcher ist dann erforderlich, wenn erschütterungsfrei gearbeitet werden muss. Doppel-U-Profile werden in der Regel in Bohrlöcher eingestellt. Der Abtrag von Vertikallasten aus dem Bohlträger in den Baugrund erfolgt bei eingerammten oder eingerüttelten Bohlträgern über Mantelreibung und Spitzendruck. Bei Bohlträgern, die in eine verrohrte Bohrung eingestellt werden, ist es bei entsprechenden Vertikallasten erforderlich, eine Fußplatte aus Stahl oder Beton für den Abtrag über Spitzendruck vorzusehen. Wird dagegen der Trägerfuß einbetoniert, ist ein Ziehen nicht mehr möglich.

12

Eine Mantelreibung kann bei Verbauträgern, die in verrohrte Bohrungen eingestellt werden, infolge der meist nur locker herstellbaren Verfüllung des Bohrloches nicht angesetzt werden. Es ist auch möglich, für die Verbauträger vorher mit einer Schneckenbohrung die Hindernisfreiheit zu prüfen. Mit der Schnecke Boden zu fördern und damit den Einbau der Verbauträger zu vereinfachen, ist nur bei standfestem Boden (mindestens halbfester bindiger Boden) vertretbar. Als Ausfachungen werden folgende Bauteile eingesetzt, wobei die Rangfolge der Aufzählung die Häufigkeit der Anwendung angibt. a)

Holzbohlen in der Regel aus Nadelholz gemäß DIN EN 1995-1-1 und DIN EN 338 (Bild 12-16) b) Kanaldielen und Leichtspundwände gemäß DIN EN 1993-5 und DIN EN 1993-1-1 c) Beton oder Stahlbeton gem. DIN EN 1992-1-1 d) Bodenverfestigung gem. DIN 4093

12.3

Baugrubensysteme

653

Die Ausfachungstypen a) bis c) können ebenso wie auch der Verbauträger bei entsprechenden Randbedingungen ausgebaut werden. Die Bodenverfestigung ermöglicht keinen einfachen Rückbau der Baugrubenwand.

Bild 12-15 Bohlträger aus U-Profilen mit Ankerkopfplatte

12

Bild 12-16 Einbau von Holzbohlen mit Vorspannung [20]

Beim Einbau von Holzbohlen ist es sinnvoll, mit einer Lehre (Bild 12-16 b)) zu arbeiten, um eine Bodenüberhöhung und damit Vorspannung durch das Keilen zu erzeugen. Die Bohle kann bei Baugrubenwänden ohne Setzungseinschränkungen auch gerade und nicht wie in Bild 12-16 b) dargestellt mit Vorspannung eingebaut werden. Sollte der Boden nicht

654

12

Baugruben

ausreichend standfest sein, ist es ggf. erforderlich, Bohlen einzeln einzubauen und auch nur dafür den Bodenaushub vor der Wand durchzuführen. Im Allgemeinen sollte der Aushub nur 0,5 m vorauseilen, bevor die Bohlen eingebaut werden. In standfesten bindigen Böden können auch Abschnitte bis 1 m freigelegt werden. Das gleiche gilt für horizontal liegende Kanaldielen und Betonfertigteile. In Bild 12-17 sind die Einbaulängen und die Abmessung für die Bemessung der horizontalen Verbauelemente dargestellt. Sie können wie folgt berechnet werden:

LB = at −

3 bt − d st 5

Ls = at −

4 bt 5

Bild 12-17 Arbeitsvorgang und Abmessungen für die Verbohlung

12

Bild 12-18 Ausführung einer inneren Baugrubenecke

Bei Eckträgern ist die Belastung in den beiden Verbauträgerachsen zu berücksichtigen. Gegebenenfalls ist auch eine Torsion nachzuweisen.

12.3

Baugrubensysteme

655

Bild 12-19 Ausführung einer einspringenden Baugrubenecke

12.3.2.4 Bodenverfestigungswände Bei dieser Art der Wand wird eine Bodenverfestigung mit Traggliedern hergestellt. Als Verfahren kommen das Mixed-in-Place (MiP) oder das Düsenstrahl-Verfahren (DSV) zur Anwendung. Da die Bodenverfestigung keine Zugspannungen aufnehmen kann, ist der Einbau von Tragelementen aus Stahlträgern erforderlich. Die Ausfachung, die bei Trägerbohlwänden z. B. aus Holzbohlen besteht, wird bei der Wandart durch die Verfestigung des Bodens zwischen den Trägern erreicht. Die Verbauträger müssen in die noch nicht abgebundene Suspension eingestellt werden. In Sonderfällen kann auch der Verbauträger vor der Bodenverfestigung im Boden eingebracht werden sein. Diese Bauweise ermöglicht es nicht, die Verbauträger durch Ziehen wieder auszubauen. Sie hat den Vorteil, dass sie wasserdicht hergestellt werden kann und beim Baugrubenaushub keine Arbeiten mehr zur Herstellung der Wand erforderlich werden. MiP-Wände können mit unterschiedlichen Mischwerkzeugen hergestellten werden: a)

einzelnes, um eine Bohrachse drehendes Mischwerkzeug

b)

drei nebeneinander angeordnete Mischwerkzeuge

c)

Fräse

12

656

12

Baugruben

Die Mischwerkzeuge nach a) und b) werden ausführlich in Kapitel 9.9 beschrieben. Im Gegensatz zu den Mischverfahren nach a) und b), bei denen das Mischwerkzeug um die vertikale Achse rotiert, rotieren im Falle c) Fräsräder um eine horizontale Achse (Cutter-SoilMixing (CSM) [17]). Dieses Verfahren kann auch in festeren bindigen Böden angewandt werden. Die Durchführung der Bodenverfestigung regeln die DIN EN 14679 und die DIN EN 12716 und die Bemessung die DIN 4093. In der Abbildung 12-20 sind im Grundriss die Formen der unterschiedlich hergestellten Bodenverfestigungswände dargestellt. Die Herstellung von Bodenverfestigungswänden ist erschütterungsarm und im Hinblick auf herstellungsbedingte Verformungen ein sehr günstiges Verfahren. Dadurch, dass der Boden nur mit einer Suspension vermischt wird, entstehen bei der Herstellung kaum Verformungen, so dass die Baugrubenwand gut vor Nachbarbauwerken hergestellt werden kann. Zur Aufnahme des Erd- und ggf. Wasserdruckes und zum Abtrag über ein horizontales Gewölbe zu den Verbauträgern sind in der Regel charakteristische Druckfestigkeiten der Verfestigung von mindestens 2 MPa erforderlich.

Bild 12-20 Systeme von verfestigten Baugrubenwänden

12.3.2.5 Bohrpfahlwände

12

Im Kapitel 8.3.3.7 sind die unterschiedlichen Bohrpfahlwände beschrieben worden. In der Tabelle 12.18 sind für die einzelnen Arten von Bohrpfahlwänden bei Baugruben die Vor- und Nachteile und die Besonderheiten zusammengefasst. Der Bohrpfahl selbst kann für die Herstellung von Baugrubenwänden mit den in der Tabelle 12.19 aufgeführten Verfahren hergestellt werden (siehe hierzu auch Kapitel 8.3.3). Bei innerstädtischen Baugruben ist es oft erforderlich, Baugrubenwände direkt vor Nachbarbauwerken zu errichten. Um für die Untergeschosse des Neubaus nicht zu viel Raum zu verlieren, sind neben der Dicke der Baugrubenwand selbst die Herstellungstoleranzen, die Verformungen der Wand und die Abstände für den Geräteeinsatz zu berücksichtigen. In Bild 12-21 sind die zu berücksichtigenden Maße dargestellt. Dabei ist die Herstellungsebene zu beachten, von der aus die Herstellungstoleranzen gemäß Tabelle 12.20 zu ermitteln sind.

12.3

Baugrubensysteme

Tabelle 12.18

657

Besonderheiten bei Bohrpfahlwänden

Wandart

Sinnvoller Einsatz

Ungünstig

Besonderheiten

Aufgelöste Bohrpfahlwand

standfestem Boden über dem Grundwasser

Schichtwasser

Ausfachung z. B. mit Spritzbeton

Tangierende Bohrpfahlwand

über dem Grundwasser

Schichtwasser, Feinsand, Hindernisse, die zu Bohrabweichungen führen können

Bohrschablone erforderlich

Überschnittene Bohrpfahlwand

als wasserdichte Wand

Primärpfähle erhalten keinen Bewehrungskorb

Bohrschablone und Pilgerschrittverfahren erforderlich

Tabelle 12.19

Bohrpfahlarten mit Besonderheiten für Baugrubenwände

Bohrpfahlart

Besonderheiten

Verrohrte Bohrung

Für die Drehbohranlage Abstand zu Nachbarbauwerken erforderlich

Teilverrohrte Bohrung

Ungünstig für tangierende und überschnittene Bohrpfahlwände

Durchgehende Bohrschnecke

Nicht für überschnittene Bohrpfahlwand geeignet. Bewehrung muss in den frischen Beton eingebracht werden. Ungünstig bei Einsatz neben Gebäuden, da Bodenförderung durch die Schnecke nicht ausgeschlossen werden kann. Keine gute Führung bei Hindernissen im Untergrund möglich.

Doppelkopfbohrverfahren (auch VDW-Verfahren genannt)

Bohrung dicht vor Gebäuden möglich, Bewehrung muss in den frischen Beton eingebracht werden.

Tabelle 12.20

Herstellungstoleranzen für Bohrpfahl- und Schlitzwände

Wandsystem

Toleranzen

Ansatzpunkt aK [mm]

Bohrpfähle D = Durchmesser

Schlitzwände

D  1500 aK  0,1  D D > 1500 aK  0,15  D  50  25,  -50  20,  -20

gem. DIN EN 1536

erreichbar gem. DIN EN 1538 erreichbar

Abweichung ab (z) von der senkrechten Achse 2%

12

1% 1%  0,5 %

Für den Bau der Untergeschosse neben Baugrubenwänden ist einschränkend folgende Lage vor der Achse der Baugrubenwand gem. Bild 12-21 zu berücksichtigen: Wandkopf

z = 0 : a0 =  aK + av(0)

(12.3)

Wandfuß

z = L : aL = av(L) + aK + aB oder aL = av(L) - aK - aB

(12.4)

B

mit a = ab(L) Wandstrecke

z = l : az =  ab(l) + av(z)

(12.5)

658

12

Baugruben

Bild 12-21 Herstellungstoleranzen einer Baugrubenwand mit Stützung am Kopf

Für das Gebäude vor der Wand ist max aW = aK + ab(z) + av(z) zu bestimmen. Soweit muss das Bauwerk von der Vorderkante Wand entfernt geplant werden. Der Ausgleich auf der Wand kann maximal eine Dicke von 2 x (aK + ab(H)) erreichen. In Bild 12-22 ist eine Wand mit einer Neigungsabweichung nach außen dargestellt, die einen dicken Wandausgleich erforderlich macht, wenn die Kellerwand gegen die Baugrubenwand betoniert wird.

12

Bild 12-22 Extreme Wandlage für einen Wandausgleich

12.3

Baugrubensysteme

659

12.3.2.6 Spundwände Die Technik der Spundwandbauweise wird ausführlich im Kapitel 8.6 beschrieben. Spundwände als Baugrubenwände einzusetzen, bietet sich besonders bei folgenden Randbedingungen an: − − −

im offenen Wasser Spundwand kann wieder ausgebaut werden geringe Baugrubenwanddicken erforderlich

Wenn Spundwände eingebaut werden, die bei der Bemessung voll ausgenutzt werden, sind durch die geringe Steifigkeit der Wand große elastische Verformungen zu berücksichtigen. Spundwände sollten in Sanden und Kiesen nicht direkt vor Nachbarbauwerken eingerammt oder eingerüttelt werden, da Sackungen infolge einer Bodenverdichtung unvermeidlich sind. Auch beim Einpressen sind Verdichtungen um die Spundwandbohle zu erwarten. In abgestuften Kies-Sand-Schluff-Böden mit mindestens mitteldichter Lagerung sind nur geringe Verdichtungen zu erwarten. Die in Bild 12-23 dargestellte, aus der DIN 4150-3 entnommene, Situation des erforderlichen Abstandes bzw. der zulässigen Tiefe von Spundwänden zu Gebäudegründungen, sollte auch auf eingerammte oder eingerüttelte Verbauträger angewandt werden. Auch bei größeren Abständen der Erschütterungsquelle können bei ungünstigen Bodenverhältnissen (locker gelagerter gleichförmiger Sand, Schluff) Sackungen auftreten. Es ist zu empfehlen, dass für die Bewertung dynamisch induzierter Sackungen ein geeigneter Sachverständiger hinzugezogen wird.

Bild 12-23 Abstände zu Bauwerken beim Einrütteln oder Einrammen von Baugrubenwänden in nichtbindigen Böden

Erfahrungen zeigen, dass Spundwandbohlen, die länger im Boden verbleiben, nur sehr schwer gezogen werden können. Dies gilt besonders für bindige Böden. Bei bindigen Böden kann es auch zu Bodenanhaftungen kommen, so dass beim Ziehen dann Hohlräume im Untergrund verbleiben. Um Hohlräume im Boden vollständig zu vermeiden, können Injektionsrohre aus Stahl mit der Spundwand eingebracht werden, über die beim Ziehen Zementsuspension verpresst wird. Um die Spundwände erschütterungsarm einbauen und auch wieder ziehen zu können, werden diese in einen mit Suspension hergestellten Schlitz (siehe Kapitel 8.5) eingestellt. Die Suspension wird so angemischt, dass sie nur eine geringe Festigkeit erreicht. Auch bei dieser

12

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Baugruben

Ausführungsart hat sich jedoch gezeigt, dass nicht immer alle Bohlen wieder ausgebaut werden können. Für Aufzugsschächte und sonstige Vertiefungen unter der normalen Bauwerkssohle sind Böschungen erforderlich oder es bieten sich Spundwandtröge mit einer Unterwasserbetonoder Düsenstrahlsohle an, wenn grundwasserschonend zu bauen ist (Bild 12-24). Damit wird eine Grundwasserabsenkung für die Vertiefungen vermieden. Die Spundwände für die Tröge sind durch die Abstützung auf die DS-Sohle relativ kurz und damit gut einbaubar. Bei geringen Tiefen kann die Wand mit Stützung auf der DS-Sohle eingespannt berechnet werden.

Bild 12-24 Spundwandtrog in einer Baugrube

12.3.2.7 Schlitzwände Für Baugruben im Grundwasser, welches nicht abgesenkt werden darf, sind Schlitzwände im Norddeutschen Raum der am häufigsten eingesetzte Wandtyp. Sie besitzen eine sehr geringe Wasserdurchlässigkeit und sind relativ schnell und variabel herstellbar. Die Schlitzwandtechnik wird ausführlich in Kapitel 8.5 beschrieben. Die Wanddicke wird nach statischen Erfordernissen bestimmt. Übliche Wanddicken sind 60, 80 und 100 cm. Die Schlitzwanddicke sollte aus Erfahrung so gewählt werden, dass maximal zwei Bewehrungslagen (bei 60 cm dicken Wänden besser nur einlagig) eingebaut werden müssen. Mehr Lagen und auch eine zu eng angeordnete Bewehrung können dazu führen, dass die Bewehrung während der Betonage nicht mehr vollständig von dem im Schlitz aufsteigenden Beton ummantelt wird.

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Für die Herstellung des suspensionsgestützten Schlitzes ist die Schlitzbreite von Bedeutung. Bei großen Schlitzwandbreiten ist eine schnelle Herstellung möglich. Schlitzbreiten beim Zweiphasen-Verfahren von bis zu ca. 8 m sind üblich. Die zulässige Schlitzwandbreite ist mit dem Nachweis des offenen Schlitzes (siehe Kapitel 12.4.5.1) zu ermitteln. Das Gleiche gilt auch für den Eckschlitz. Für die Dichtigkeit der Schlitzwand im Grundwasser ist die Ausführung der Fugen von Bedeutung. Nicht einwandfrei hergestellte Wandfugen können zu Restwasserraten oder sogar zu Bodeneinspülungen bis hin zur Havarie der Baugrube führen. Neben einer Kontrolle bei der Herstellung ist auch eine kontinuierliche Kontrolle der Fugen beim Aushub zu empfehlen, um Schadstellen sofort zu erkennen und gegebenenfalls Abdichtungsmaßnahmen treffen zu können. Bei der Anpassung von Schlitzwänden an die Baugrubenform sind die Greiferbreiten und der Aushubvorgang zu beachten. In den Bildern 12-25 sind mögliche offene mit Suspension

12.3

Baugrubensysteme

661

gestützte Eckschlitze dargestellt. Sollte diese dargestellte Form des offenen Schlitzes nicht möglich sein, muss übergreifert werden (siehe Bild 12-26). Der Überstand des betonierten Schlitzes ist dann im Zuge des Baugrubenaushubes bei einspringenden Ecken abzubrechen.

Bild 12-2 Aushub bei Eckschlitzen

Bei der Ausführung von schrägen Ecken muss die Maulbreite ebenfalls beachtet werden (siehe Bild 12-26). Wenn die Grundstücksgrenze schräg ist, ist die Schlitzwand so anzuordnen, dass kein Teil der Wand darüber hinausragt. Ist es eine einspringende Ecke können die störenden Überstände abgebrochen werden.

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Bild 12-26 Eckschlitze für abgeschrägte Ecken

In einspringenden Ecken sollten keine Schlitzwandfugen und stattdessen eine Eckbewehrung angeordnet werden, da sich die Fuge durch die Verschiebung infolge Erd- und Wasserdruck öffnen kann und es dann zu Undichtigkeiten kommt. Trotz sorgfältiger Ausführung sind in Fugen immer wieder Wasserzuflüsse zu beobachten. Soweit diese keinen Boden transportieren, sind sie ungefährlich. Bei zu großen Wasserzuflüssen sind Abdichtungen mit Injektionen erforderlich. Das unvermeidliche

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Baugruben

Restwasser in der Fuge muss dagegen beim Betonieren von Untergeschosswänden beachtet werden. Daher empfiehlt es sich, in der Ausgleichsschicht eine Dränage vorzusehen (siehe Bild 12-27), die das Wasser unter die Baugrubensohle leitet und von dort über die Restwasserhaltung abführt.

Bild 12-27 Dränageplatte vor einer Schlitzwandfuge

Je nach Schlitzwanddicke können erforderliche Verankerungskörper versenkt werden. Sie stören dann nicht bei Aufbau der Untergeschosswände. Im Bild 12-28 ist eine mögliche Ankerkopfkonstruktion dargestellt.

12 Bild 12-28 Versenkter Ankerkopf in der Schlitzwand

Die Erddruck- und ggf. die Wasserdruckkräfte am Ankerauflager sind über horizontale Gewölbe oder in die Schlitzwand integrierte Balken zu den Ankerköpfen zu führen. Die Ankerköpfe mit den Rohrdurchführungen sind in der Schlitzwand so anzuordnen, dass das Betonierrohr innerhalb des Schlitzwandkorbes zwischen den Ankerkonstruktionen eingeführt werden kann.

12.3

Baugrubensysteme

663

12.3.3 Unterfangungen 12.3.3.1 Allgemeines Unterfangungen sind Bauteile, die unter bestehenden Gebäude angeordnet werden, um daneben die Gründung eines Neubaus auch unterhalb der Gründungssohle des zu unterfangenden Bauwerkes zu ermöglichen. Die Unterfangung eines Gebäudes ist damit eine Art der Baugrubenwand, die vertikale Lasten aus dem Nachbargebäude und horizontale Erddrücke aufnehmen muss. Dies ist auf innerstädtischen Grundstücken, z. B. bei Lückenbebauungen, von Vorteil, da die Grundstücksfläche für den Neubau voll genutzt werden kann und kein Raumverlust durch eine vorgesetzte Baugrubenwand entsteht. Bei einer Lückenbebauung muss die Unterfangung auf dem Nachbargrundstück errichtet werden und bedarf daher einer Genehmigung. Im Rahmen der Planung ist auch festzulegen, ob die Unterfangung als standsicheres Dauerbauwerk hergestellt wird und nicht nur als temporäre Baugrubensicherung, die nach der Herstellung des Neubaus die Wirkung verliert. Wird die Unterfangung freistehend ausgebildet und ist sie auch nach einem Rückbau des Neubaus standsicher, ist dies eine dauerhafte Sicherung. Unterfangungen können herkömmlich mit Untermauern oder Betonieren gem. DIN 4123 oder mit Bodenverfestigungen ausgeführt werden. Die Herstellung einer herkömmlichen Unterfangung erfordert handwerklich eine hohe Kompetenz, um die Verformungen durch die Störung des Baugrundes unter dem Fundament gering zu halten und damit das Gebäude so wenig wie möglich zu schädigen. Erfahrungen in eng gestuften Sanden, die im norddeutschen Raum häufig anzutreffen sind, zeigen, dass die Ausführung von herkömmlichen Unterfangungen ohne größere Setzungen am zu unterfangenden Gebäude sehr schwierig ist. Für die Planung einer Unterfangung müssen folgende Fragestellungen geklärt werden: • •

• •

Welche Baugrundverhältnisse sind unter dem Fundament zu erwarten (siehe hierzu auch Abschnitt 12.2.1) Ist das zu unterfangende Gebäude ausreichend standsicher, um unterfangen zu werden? - Kann die zu unterfangende Wand Lasten umlagern (Scheibenwirkung)? - Kann das Fundament aufgrund seiner Beschaffenheit abschnittsweise frei stehen? Welche Vertikal- und Horizontallasten (z. B. Gewölbeschub aus Kappendecken) sind auf dem Fundament vorhanden? Welche Querwände und nahe stehende parallele Wände zur zu unterfangenden Wand sind vorhanden und müssen berücksichtigt werden?

Weiter ist bei einer Unterfangung zu beachten, dass die Bauwerkslasten tiefer im Baugrund eingeleitet werden und dadurch zusätzliche Setzungen unvermeidbar sind. Dies ist besonders dann von Bedeutung, wenn unter dem Fundament in tieferer Lage weichere Schichten anstehen und diese sich durch zusätzliche Bodenspannungen (*z = uz - z) stärker verformen (siehe Bild 12-29).

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Baugruben

Bild 12-29 Vergleich der Spannungen im Boden mit und ohne Unterfangung

12.3.3.2 Herkömmliche Unterfangung Die Ausführung und die Nachweise, die für eine herkömmliche Unterfangung zu erbringen sind, werden in der DIN 4123 detailliert angegeben. Es gibt für die dort vorgegebene Vorgehensweise jedoch Einschränkungen, die Bild 12-30 entnommen werden können. Nicht freigelegte Querwände müssen in der Regel herkömmlich nicht mit unterfangen, jedoch muss der Erddruck aus den Fundamentlasten der Querwand berücksichtigt werden. Die Unterfangungswand muss mindestens die Dicke der zu unterfangenden Wand erhalten.

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Bild 12-30 Einzuhaltende Randbedingungen einer Unterfangung nach DIN 4123

Die herkömmliche Unterfangung muss abschnittweise im Pilgerschrittverfahren erfolgen. Die Breite des freigelegten Abschnittes beträgt b  1,25 m. Der nächstliegende zur gleichen Zeit hergestellte Abschnitt muss in einem Abstand mit einem lichten Maß  3 x b liegen, wobei b die Breite des Unterfangungsabschnittes ist. 12.3.3.3 Unterfangungen mit einer Bodenverfestigung Folgende Bodenverfestigungen eignen sich für Unterfangungen: •

Düsenstrahlverfahren

12.3

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• •

665

Injektionen Vereisung

Am häufigsten wird die Verfestigung mit dem Düsenstrahlverfahren eingesetzt, da es in allen nichtbindigen und bindigen Böden einsetzbar ist. Auch organische Böden lassen sich mit diesem Verfahren verfestigen, jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine ausreichende Festigkeit erreicht werden kann. Das Prinzip des Düsenstrahlverfahrens wird im Kapitel 9.5 erläutert und die Injektion im Kapitel 9.8. Da für Unterfangungskörper eine relativ hohe Festigkeit erreicht werden muss, sind Injektionsmittel, die hohe Festigkeiten erzielen, z. B. Zementsuspensionen, erforderlich, die aber nur auf ausreichend durchlässige Böden beschränkt sind. Auch der Einsatz von Kunststofflösungen und Ultrafeinzementen ist möglich. Kunststofflösungen sind sehr teuer und auch Ultrafeinzemente, die in Grobsande injiziert werden können, sind wesentlich teurer als eine alternative Verfestigung mit dem Düsenstrahlverfahren. Sie kommen daher nur in Sonderfällen zur Ausführung. Vereisungen sind aufgrund des hohen Energiebedarfs insbesondere bei längerer Bauzeit das teuerste Verfahren, jedoch kann die Verfestigung wieder rückgängig gemacht werden. Diese Art der Unterfangung ist auf Sonderfälle beschränkt und findet in folgenden Fällen Anwendung: − − − −

eine Injektion ist infolge ungeeigneter Böden nicht möglich. beim Düsenstrahlverfahren sind z. B. durch alte Pfähle Düsschatten zu erwarten. die Verfestigung darf nicht dauerhaft sein. die Vereisung dient als zusätzliche Abdichtung eines Düsenstrahl- oder Injektionskörpers.

Unterfangungen von Gebäudefundamenten erhalten dabei vergleichbare Formen bzw. Kubaturen, denn bei den vorgenannten Verfahren werden jeweils einzelne Säulen verfestigt. In Bild 12-31 ist ein Unterfangungskörper dargestellt, der mit zwei Säulenreihen hergestellt werden kann. Bei der Herstellung einer Unterfangung mit dem Düsenstrahlverfahren kann ein Fächer ( 2 Düssäulen quer zur Giebelwand) frisch in frisch hergestellt werden. Die Fächer können gleichzeitig im Abstand von 4 x D (D = Düsdurchmesser) gedüst werden. Die folgenden Fächer können erst nach einem Aushärten der Düssäulen, meist am folgenden Tag, herstellt werden. Für die Herstellung der Düssäulen unter dem Fundament sollte die aufgehende Wand eine Scheibenwirkung besitzen, um Lastumlagerungen zu ermöglichen. Bei Injektionen ist dieses Pilgerschrittverfahren nicht erforderlich, da das Bodengefüge durch die Injektion nicht zerstört wird. Die Düsdurchmesser sollten bei der Unterfangung von Giebelwänden D ≤ 1,3 m betragen. Werden größere Düsdurchmesser gewählt, sind für den Zustand der lediglich mit Suspension gestützten Säulen gesonderte Standsicherheitsnachweise zu führen. Bei der Bemessung und Ausführung von verfestigten Unterfangungskörpern sind weiterhin noch folgende Randbedingungen zu beachten: • •

Die Kubatur ergibt gewollt oder ungewollt (infolge größerer Ausbreitung der Düsenstrahlsäule oder der Injektion) einen Sporn unter dem Neubau (siehe Bild 1231). Querwände und Giebelwände lassen sich in der Regel nur begrenzt unterfangen.

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Bild 12-31 Unterfangungskörper aus Düsenstrahl- oder Injektionssäulen

Der unter der Gründungssohle des Neubaus verbleibende Sporn hat den Vorteil, dass die Lastresultierende keine klaffende Fuge (DIN 1054 A 6.6.5) hervorruft. Er hat jedoch den Nachteil, dass er auf dem Grundstück verbleibt. Es ist zu prüfen, ob nach der geltenden Bauordnung des Bundeslandes damit eine Baulast verbunden ist. Der Sporn wird belastet und sich wie der Neubau setzen. Erfahrungen mit vielen Unterfangungskörpern mit Sporn haben gezeigt, dass in der Regel das unterfangene Gebäude dennoch keine größeren unzulässigen Setzungen erhält. Auch wenn der Sporn nicht ausgeführt oder beseitigt wird, ist mit einer Mitnahmesetzung zu rechnen, die sich nicht signifikant von der Setzung mit Sporn unterscheiden. Querwände oder auch nahe liegende parallel zur Giebelwand verlaufende Wände haben einen maßgebenden Einfluss auf die Erddruckbelastung. In Bild 12-32 ist beispielhaft ein verfestigter, statisch erforderlicher Unterfangungskörper ohne und mit Querwand dargestellt. Der Erddruck E2 aus der Querwand ist unter Berücksichtigung seiner räumlichen Wirkung zu berechnen.

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Bild 12-32 Unterfangung mit und ohne Einfluss aus einer Querwand

12.3

Baugrubensysteme

667

Freistehende Unterfangungen lassen sich, wenn kein Wasserdruck auf die Unterfangung wirkt, mit wirtschaftlichen Kubaturen bis zu einer freien Höhe H von ca. 3 m herstellen. Bei größeren Unterfangungshöhen oder der Aufnahme von Wasserdruck sind Abstützungen durch Steifen oder Verpressankern erforderlich. In Bild 12-33 ist für eine Unterfangung die erforderliche Kubatur mit und ohne Abstützung dargestellt.

Bild 12-33 Statisch erforderliche Unterfangungskubatur ohne und mit Stützung

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Bild 12-34 Detail der Ankerköpfe bei Unterfangungskörpern

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Der Einsatz einer Verankerung hat den Vorteil, dass die Vorspannkraft des Ankers so gewählt werden kann, dass die Resultierende in der Sohlfuge im Kern liegt. Bei unverankerten Wänden ist dies nur mit einer Vergrößerung der Kubatur möglich. Eine ausreichende Stützung durch die Verankerung ist sowohl ohne als auch mit Gurtung möglich (Bild 12-34). Die Gurtung verteilt die Ankerlast auf den Unterfangungskörper. Wenn nur einzelne Ankerplatten angeordnet werden, muss die Ankerkraft über ein horizontales Gewölbe zu den Ankerkopfplatten geleitet werden. Der im Bild 12-34 b) und c) dargestellte Ankerkopf auf einer Auflagerplatte hat den Vorteil, dass der Anker je nach Tiefe des Ankerloches versenkt liegen kann. Der Nachteil ist, dass der Unterfangungskörper geschwächt wird. Wenn ein horizontales Gewölbe zum Übertrag der Erddruckkräfte gewählt wird, dann ist nachzuweisen, dass der Horizontalschub aus dem Gewölbe auch am letzten Anker abgeleitet werden kann, z. B. durch die Anordnung eines horizontal zum Gewölbe hin geneigten Ankers.

12.3.4 Wandstützungen 12.3.4.1 Allgemeines Abstützungen von Baugrubenwänden sind dann erforderlich, wenn im Boden eingespannte Wände nicht mehr ausführbar sind. Dies ist bei zu großen Schnittkräften oder zu großen Verformungen der Fall. Die möglichen Schnittkräfte werden durch die Art der Baugrubenwand vorgegeben. Unverankerte Wände neben Bauwerken sind außerdem nach der EAB [7] nur dann zulässig, wenn die freie Wandhöhe nicht im Lastausstrahlungsbereich des Fundamentes liegt (Bild 12-35).

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Bild 12-35 Freistehende und abgestützte Baugrubenwand neben einem Gebäude

In der Tabelle 12.21 sind Hinweise zu Vor- und Nachteilen von Abstützungen bei verschiedenen Randbedingungen aufgeführt.

12.3

Baugrubensysteme

Tabelle 12.21

669

Gegenüberstellung von verankerten und ausgesteiften Baugrubenwänden

Randbedingung

Verpressanker

Steifen

Neben Bauwerken

Genehmigung durch den Nachbarn erforderlich

keine Einschränkungen

Unter dem Grundwasserhorizont

Ankerherstellung gegen drückendes Wasser erforderlich

Grundwasserabsenkung für den Einbau erforderlich

Mehr als eine Abstützung erforderlich

keine Einschränkungen

Einbau der unteren Steifenlagen unter der oberen Steifenlage ermöglichen

Baugrube mit Unterwasserbetonsohle

Ankerherstellung nur über dem Grundwasserstand sinnvoll

Herstellung von Abstützungen unterhalb des Grundwasserstandes sehr aufwendig

Schmale Baugrube

Arbeitsraum für Ankergerät und Biegeradius für die Ankerlitzen beachten

Aussteifungen sinnvoll

Baugrundschichten

Verpresskörper nur in einer tragfähigen Baugrundschicht anordnen

keine Einschränkungen

Vorspannung

Beim erforderlichen Anspannen immer vorhanden, Nachspannen auch möglich

Einbau von Pressen erforderlich

Gegenüberliegende Wände erhalten unterschiedliche Belastungen

keine Einschränkungen

Stützlasten müssen ausgeglichen werden

Bauwerksdecken und Bauwerkssohle

Wenn die Ankerköpfe in das Bauwerk ragen, Köpfe über der Sohle und den Decken anordnen

UK-Steifen müssen ausreichend hoch über OK-Decke und OK-Sohle liegen

Abstützung darf nicht dauerhaft wirksam sein

Anker müssen entspannt werden

keine Einschränkungen, da Wiederausbau

12.3.4.2 Steifen Im Kanalbau (schmale Baugruben) werden bei geringen Tiefen Holzsteifen oder Kanalstreben aus Stahl eingebaut. Bei großen und tiefen Baugruben kommen in der Regel Stahlsteifen als Rohre, HE-B- bzw. PSP-Profile oder Systemsteifen zur Ausführung. In Sonderfällen sind auch Stahlbetonbalken und Stahlbetondecken als Aussteifungselemente sinnvoll. Dies bietet sich an, wenn Decken oder Balken in das später herzustellende Bauwerk integriert werden sollen. In Bild 12-36 sind Steifensysteme für eine rechteckige Baugrube dargestellt. Sollten bei großen Baugruben mehrere durchgehende Steifen nicht möglich sein, kann die Aussteifung auch mit liegenden Fachwerkträgern erfolgen. Bei langen Steifen sind Knickhalterungen sinnvoll, um die Trägerprofile für den Lastfall des Knickens nicht stärker ausbilden zu müssen. Die Knickhalterung in der Ebene der Steifen kann über Verbände erfolgen. Für das Ausknicken nach oben oder unten sind Stützen erforderlich. In der Regel werden heute Stahlsteifen mit der Gurtung verschweißt oder erhalten besondere Auflagerkonstruktionen.

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Bild 12-36 Aussteifung mit Fachwerkträgern

12.3.4.3 Verpressanker 12.3.4.3.1 Allgemeines

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Die Ankertechnik wird in Kapitel 8.4 ausführlich behandelt. In der Regel werden für Baugrubensicherungen Temporäranker eingesetzt. Wenn die Nutzung langfristig gewährleistet werden muss, dann müssen Daueranker eingesetzt werden. Wenn der Anker für eine Baugrube über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren benötigt wird, können auch Semipermanentanker eingesetzt werden. Hier wird nur der gesamte Ankerkopf, der das gegen Korrosion anfälligste Teil des Ankers ist, wie ein Dauerankerkopf ausgebildet [24]. Da diese Art der Ausführung nicht normengerecht ist, muss dies jedoch vorher mit den Prüfinstanzen abgestimmt werden. In innerstädtischen Bereichen wird für den Verbleib von Verpressankerteilen im öffentlichen Land eine Gebühr verlangt. Bei Trassen, die z. B. für ein Tunnelbauwerk vorgehalten werden, werden Verpressanker oft nicht genehmigt bzw. sind wieder auszubauen. Es existieren verschiedene Systeme zum Ankerausbau [24]. Die Erfahrung zeigt aber, dass oft nicht alle Stahlzugglieder wieder ausgebaut werden können. Der Verpresskörper und die Ummantelung der freien Ankerstrecke verbleiben auch bei wiederausbaubaren Ankern im Boden oder müssen durch eine Überbohrung nach dem Ziehen der Ankerstähle aufwändig entfernt werden. 12.3.4.3.2 Anordnung von Verpressankern Bei Baugruben ohne einspringende Ecken im Grundriss sind die Ankerlagen nach den statischen Erfordernissen zu wählen. In der folgenden Tabelle 12.22 sind einige

12.3

Baugrubensysteme

671

Entwurfsgrundsätze (siehe auch [23]) aufgeführt, die bei der Planung berücksichtigt werden sollten. Tabelle 12.22 Entwurfsgrundsätze für die Planung von Verpressankern Lage und Abmessungen

Vorgaben

Höhenlage der Verpresskörper

≥ 3 m Überdeckung bis zur Geländeoberfläche bis zum Beginn des Verpresskörpers ≥ 4 m Überdeckung bis Mitte Verpresskörper

Freie Stahllänge

≥6m

Abstand der Verpresskörpermitten

 1,5 m

Lage der Verpresskörper zu Bauwerken und Leitungen

- Abstand der Verpresskörper ≥ 3 m - nicht unter besonders empfindlichen Bauwerken - Lage der Verpresskörper unter Bauwerken staffeln

Ankerneigung zur Horizontalen

≥ 10°

Lage der Verpresskörper an einspringenden Ecken

nicht im Bereich des aktiven Erddrucks der anschließenden Wand

Verpressstrecke

4 bis 10 m

Bei der Lage von Verpresskörpern unter Gebäuden ist die mögliche Blockverschiebung des Gesamtsystems von Baugrubenwand mit dem verankerten Boden zu beachten, da im Bereich über den Verpresskörperstrecken Dehnungen auftreten, die zu Rissen im Gebäude führen können. Es ist sinnvoll, die Anker mit den Verpresskörpern mit unterschiedlichen Längen zu staffeln (Bild 12-37). Auch konstruktiv längere Verpressanker verringern oder verhindern eine Blockverschiebung.

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Bild 12-37 Staffelung der Verpressstrecken unter Bauwerken

Wenn es möglich ist, sollten die Verpresskörper hinter benachbarten Bauwerken angeordnet werden. Liegt der Ankerkopf unter dem Grundwasserhorizont ist es erforderlich, gegen Wasserdruck zu bohren. Nur wenn dies vermieden werden kann, ist das Risiko von Bodenentzug infolge

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Baugruben

Wasserzuströmung durch einen Fehler beim Bohren oder Einsetzen des Stahlzuggliedes ausgeschlossen. Erfahrungen bei der Herstellung von Verpressankerlagen in Sandböden zeigen je Lage herstellungsbedingte Setzungen zwischen 0,5 cm bis 1,0 cm. Insbesondere bei langen und vielen Verpressankern kann das in Summe zu Setzungen von mehreren Zentimetern führen. Dies ist besonders bei lockeren und aber auch bei mitteldichten Sanden zu erwarten. Bei der Anordnung von Verpressankeransatzpunkten in Baugrubenecken ist die Stellung des Bohrgerätes zu beachten. Direkt neben Ecken ist die Ankerherstellung durch die Lage der Bohrrohre auf dem Bohrgerät nur eingeschränkt möglich. Bei einspringenden Ecken ist darauf zu achten, dass keine Verpresskörper im aktiven Erddruckkeil liegen und dass sich die kreuzenden Anker auch unter Berücksichtigung von Bohrabweichungen zuzüglich eines Sicherheitsabstandes von ca. 20 cm nicht treffen. Bohrungen bei sich kreuzenden Verpressankern sollten nur ausgeführt werden, wenn alle Anker noch nicht gespannt sind. 12.3.4.3.3 Ankerkräfte Die Ankerbohrungen werden in der Regel mit Durchmessern von ca. 89 mm bis ca. 200 mm hergestellt (siehe Kapitel 8.4). Die in der Tabelle 12.23 angegebenen Grenzlasten von Verpressankern sind Erfahrungswerte, die örtlich zu überprüfen sind. Die in der Tabelle aufgeführten Werte sind als Mittelwerte über die gesamte Verpressstrecke zu verstehen. Örtliche Erfahrungen sind zu berücksichtigen und wenn keine Eignungsuntersuchungen für das gewählte Ankersystem in vergleichbaren Böden vorliegen, sind diese vor Baubeginn durchzuführen Tabelle 12.23

Erfahrungswerte für Grenzlasten beim Bruch bei Verpressankern im norddeutschen Raum (Verpresskörperlänge 4 m bis 10 m und Verpresskörperdurchmesser >150 mm)

Bodenart

Mantelreibungskraft kN/m

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Kies sandig mindestens mitteldicht

~110 bis 250

Sand kiesig, Mittel-, Grobsand mindestens mitteldicht

~70 bis 120

Fein-, Mittelsand mitteldicht

~50 bis 100

Bindiger Boden mit Nachverpressung

~15 bis 140

Bindiger Boden

~10 bis 100

12.3.4.4 Stützsohlen Baugrubenwände können in Höhe der Baugrubensohle und auch tiefer durch Stützsohlen gehalten werden. In Höhe der Baugrubensohle werden Unterwasserbeton- und bei geringen Tiefen auch Düsenstrahlsohlen vorgesehen. Tiefer liegende Stützsohlen können mit dem Düsenstrahlverfahren (DS-Verfahren) oder mit Zementinjektionen hergestellt werden. In Bild 12-38 sind verschiedene Stützsohlen dargestellt.

12.3

Baugrubensysteme

673

Bild 12-38 Stützsohlen

Die in Bild 12-38 a) und b) dargestellten Stützsohlen sind gleichzeitig die Dichtsohlen einer Trogbaugrube. Weitere Angaben zu diesen Sohlen erfolgen in Kapitel 12.3.5. Die obere Sohle in Bild 12-38 c) wird gesondert angeordnet, um die Baugrubenwand kurz unter der Baugrubensohle zu stützen. Dadurch erhält die Baugrubenwand eine geringere Stützweite und die Verschiebungen im Bereich des Fußes sind wesentlich geringer als beim reinen Bodenauflager. Wirtschaftlich ist solch eine Ausführung einer tiefliegenden Dichtsohle und einer Stützsohle nur, wenn beide Sohlen mit dem gleichen Verfahren, z. B. dem Düsenstrahlverfahren, hergestellt werden. Durch Aufkantungen der Stützsohlen vor Wänden (Bild 12-39) lässt sich ebenfalls die Stützweite der Wand reduzieren. Bei schmalen Baugruben kann eine gewölbte Form der Sohle ausgeführt werden. Damit wird eine relativ hochliegende Stützung der Wand erreicht und auch die Verankerung der Sohle kann optimal bemessen werden.

Bild 12-39 Stützsohle mit Aufkantung mit dem DS-Verfahren

Bild 12-40

Gewölbte Stützsohle mit dem DS-Verfahren

12.3.4.5 Sonstige Abstützungen Neben den beschriebenen Abstützungen mit Steifen, Verpressanker und Stützsohlen können bei bestimmten Randbedingungen auch die in den Bildern 12-41 bis 12-44 dargestellten Konstruktionen ausgeführt werden. Die Konstruktion (Bild 12-41) bietet sich an, wenn eine Baugrubenwand nicht mit Verpressankern gesichert werden kann und auch horizontale Steifen zur gegenüberliegenden Baugrubenwand nicht möglich sind. Nach dem Einbau der Steife gegen die bereits hergestellte Bauwerkssohle kann die Berme, die zunächst zur Sicherung der Wand diente, entfernt und die Bauwerkssohle vervollständigt werden. Alternativ zur Bauwerkssohle ist es auch möglich, die Steife auf eine Konstruktion mit senkrechten Trägern oder Pfählen abzustützen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Konstruktion zur Aktivierung des passiven Erddruckes verschiebt und diese Verschiebung gegebenenfalls z. B. durch Anordnung von Pressen ausgeglichen werden muss.

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Bild 12-41 Abstützungen in die Baugrube

Bild 12-42 Stützung mit Mikropfählen

Die Anordnung von Mikroverpresspfählen gem. Bild 12-42 bietet den Vorteil, dass bei ausreichendem Verbund zwischen Mikropfahl und Verbauwand bereits vor dem Aushub die Wand gestützt wird und keine Arbeitsebene für die Verankerung erforderlich wird. Nachteilig ist, dass der Mikropfahl nicht mehr geprüft und gespannt werden kann.

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Bild 12-43 Deckelbauweise für Tunnelbauwerke

12.3

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Bild 12-44 Deckelbauweise für Hochbauten

Eine weitere Art der Abstützung ist die Deckelbauweise, bei der die für das Bauwerk erforderliche Decke vor dem Aushub eingebaut wird. Diese Art der Bauweise bietet sich für innerstädtische Tunnelbauwerke an, um den Verkehr oberirdisch wieder zuzulassen (siehe Bild 12-43 und auch Kapitel 14). Bei Hochbauten, die sehr schnell errichtet werden sollen, kann nach dem Bau der Decke auf den Baugrubenwänden nach oben und unten gebaut werden (Bild 12-44).

12.3.5 Dichtsohlen 12.3.5.1 Übersicht Dichtsohlen für Trogbaugruben können durch natürliche Verhältnisse, z. B. bindige wenig wasserdurchlässige Bodenschichten, durch Bodenverbesserungen oder Unterwasserbetonsohlen gebildet werden. Die Bodenverbesserung bei Dichtsohlen muss die natürliche Durchlässigkeit des Bodens wesentlich reduzieren. Durchlässigkeiten von kf < 10-7 m/sec sind anzustreben. Die Durchlässigkeit der Wände und Sohle beeinflussen den um die Baugrube sich einstellenden Absenktrichter. Bei sehr dichten Baugruben mit k < 10-8 m/s und Baugrubenflächen bis ca. 3.000 m² ist in der Regel nur direkt neben der Baugrubenwand mit geringen Absenkungen bis zu einigen Dezimetern zu rechnen. In Bild 12-45 sind die verschiedenen Dichtsohlen dargestellt, die in der Tabelle 12.24 verglichen werden. In der Tabelle 12.24 sind darüber hinaus Ausführungsgrenzen angegeben, die aus Erfahrungen mit hergestellten Baugruben gewonnen wurden, bei denen keine Havarien oder andere Schäden zu verzeichnen waren. Die aufgeführten Tiefenlagen Tw gelten für mindestens mitteldicht gelagerte Sande und Kiese mit entsprechenden Wichten. Verankerte hochliegende Düsenstrahlsohlen, wie sie früher geplant und auch ausgeführt wurden, sollten bei Wasserdrücken über ca. 2 m nicht hergestellt werden, da sich gezeigt hat, dass Wasserzuflüsse bei Fehlstellen nicht mehr zu stoppen und die Fehlstellen nicht ausreichend genau zu lokalisieren sind.

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Bild 12-45 Dichtsohlenarten

Bild 12-46 Systemmaße zu Tabelle 12.24

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12.3

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Tabelle 12.24 Vergleich verschiedener künstlicher Sohlabdichtungen Parameter

Hochliegend unverankert UW-Sohle DS-Sohle

Hochliegend verankert UW-Sohle mittelhochliegende DS-Sohle

h 0,8 m Düssäulen nicht in Höhe von Stein- und Blocklagen anordnen

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Bild 12-52 Lage der Düssohle unter einer dichteren Bodenschicht

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12

Baugruben

Die Überdeckung der Düssohle kann auch unter Berücksichtigung der Größe einer möglichen Fehlstelle und des anstehenden Baugrunds ermittelt werden [3]. Da die Lochgröße, also die Fehlstelle in der Sohle, nicht vorher bestimmbar ist, ist die Berechnung einer erforderlichen Überdeckung nur mit der Annahme einer Lochgröße möglich. Hier sollten Bandbreitenuntersuchungen ausgeführt werden. Die Schichten werden durch die Düsbohrungen mit den entstehenden Düskerzen gestört und besitzen dadurch eine geringere Durchlässigkeit als der ungestörte Boden. Der Abstand der Oberkante der Sohle t u  3 m bis zu einer darüber liegenden dichteren Schicht (Bild 12-52) ist erforderlich, um eine sichere Entwässerung mit Brunnen und auch eine Kontrolle des Wasserstandes mit Pegeln zu ermöglichen. Bei einer Sohle mit Überschneidungen der Düssäulen und ohne Fehlstellen z. B. durch Düsschatten sind erfahrungsgemäß Durchlässigkeiten kSohle < 10-7 m/s zu erreichen. 12.3.5.4 Injektionssohlen In Kapitel 9.8 ist eine Poreninjektion mit Zementsuspension ausführlich beschrieben. Diese Art der Abdichtungsinjektion ist relativ preisgünstig, eignet sich aber nur bei Kiesböden mit einer Durchlässigkeit von kf >~ 10-2 m/s. Feinstbindemittel können auch in weniger durchlässigen Böden mit kf >~ 10-3 m/s injiziert werden. Da Weichgele keine hohe Festigkeit im Korngefüge besitzen, können sie nur als tiefliegende Injektionssohlen zur Anwendung kommen. Sehr umfangreiche Erfahrungen wurden mit einem Weichgel, bestehend aus Natriumsilikat, Natriumaluminat und Wasser gemacht. Mit diesem Gel wurden geringe Durchlässigkeiten kf < 10-8 m/s erreicht. Da mit dem Reaktiv Natriumaluminat jedoch Aluminium in den Baugrund eingeleitet wird und auch der pH-Wert des Injektionsgutes > 10,5 ist, werden diese Sohldichtungen in Deutschland nur in Sonderfällen genehmigt. Die Entwicklung von neuen Reaktiven führte zu den sog. Ökogelen, die vom Deutschen Institut für Bautechnik bei Nachweis der Umweltverträglichkeit für den Einsatz eine Zulassung erhalten und als grundwasserverträglich gelten können. Weichgelsohlen können in Böden mit Durchlässigkeiten kf > 5  10-4 m/s hergestellt werden. Der Schluffanteil sollte < 10 % sein. Weitere Details zu Injektionsverfahren sind [18] zu entnehmen. 12.3.5.5 Verankerung von Dichtsohlen

12

Hochliegende (Bild 12.45 c)) und mittelhochliegende Sohlen (Bild 12.45 d)) müssen zur Auftriebssicherheit verankert werden, da das Gewicht der Sohle selbst mit oder ohne Bodenüberdeckung nicht ausreicht, um die Wasserdruckdifferenz mit den anzusetzenden Sicherheiten aufzunehmen. Für Unterwasserbetonsohlen, die nur hochliegend herstellbar sind, können viele unterschiedliche Verankerungen eingesetzt werden. Bei mittelhochliegenden Sohlen sind in der Regel nur gebohrte Zugsysteme einsetzbar. In der Tabelle 12.26 werden die Zugsysteme für unterschiedliche Sohlen angegeben.

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

683

Tabelle 12.26 Verankerungssysteme für Dichtsohlen Zugelement

Unterwasserbetonsohlen

RI-Pfähle

x

Mikroverpresspfähle

x

Verpressanker

x

Bohrpfähle

x

Düsenstrahlsohlen x x

12.3.5.6 Natürliche Dichtsohlen Wenn in entsprechender Tiefe relativ undurchlässige Böden bzw. Gesteine anstehen, können diese zur Dichtung einer Trogbaugrube genutzt werden. Die Erkundung dieser Schicht muss so umfangreich sein, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Bereiche mit durchlässigen Böden ausgeschlossen werden können. Die Schichtunterkante muss auf der gleichen Höhe oder tiefer als eine tiefliegend hergestellte Abdichtungssohle liegen. Hoch- oder mittelhochliegende natürliche Sohlen mit Verankerungen sind nicht zu empfehlen, da die Verankerungsstrecke mit der erforderlichen Gewölbewirkung zwischen den Verankerungen infolge Inhomogenitäten im Boden gestört sein kann. Oft sind bindige Schichten mit Sandbändern größerer Durchlässigkeit durchzogen, die bei einem entsprechenden Wasserdruck zum hydraulischen Grundbruch der Sohle führen können. Diese wasserführenden Schichten sollten mit den Baugrubenwänden abgesperrt werden. Der Wasserdruck ist durch Bohrungen und ggf. Brunnen zu entspannen (Bild 12-53).

12 Bild 12-53 Natürliche Dichtsohle mit Sandlinsen

12.4 Tragfähigkeitsnachweise 12.4.1 Allgemeine Angaben Die Bemessung einer Baugrubenkonstruktion erfolgt i.d.R. über den Nachweis der Standsicherheit bzw. des Grenzzustandes der Tragfähigkeit, auch als ULS (Ultimate Limit State) bezeichnet. In vielen Fällen ist jedoch auch zu prüfen, ob bei den prognostizierten

684

12

Baugruben

Verformungen der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit SLS (Serviceability Limit State) eingehalten wird, was bei Baugruben auch angrenzende Bauwerke und bauliche Anlagen umfasst. Der Grenzzustand der Tragfähigkeit ist nach EC 7-1 und [7] für folgende Grenzzustände zu untersuchen: STR:

Inneres Versagen oder sehr große Verformungen des Tragwerkes oder seiner Einzelteile, einschließlich der Fundamente, Pfähle, Kellerwände usw., wobei die Festigkeit der Baustoffe für den Widerstand entscheidend ist

GEO-2: Versagen oder sehr große Verformungen des Baugrunds bei der Inanspruchnahme der Scherfestigkeit beim Erdwiderstand, beim Gleitwiderstand, beim Grundbruchwiderstand und beim Nachweis in der tiefen Gleitfuge GEO 3: Versagen oder sehr große Verformungen des Baugrunds bei der Inanspruchnahme der Scherfestigkeit beim Nachweis der Gesamtstandfestigkeit, also beim Nachweis gegen Böschungsbruch und Geländebruch UPL:

Auftriebsversagen der Baugrubenkonstruktion

HYD:

Hydraulischer Grundbruch, innere Erosion oder Piping im Boden

Für die Nachweise sind die Einwirkungen und Beanspruchungen, geotechnischen Kenngrößen sowie Widerstände in Abhängigkeit von den im Eurocode 7 geregelten Bemessungssituationen mit den in DIN 1054 angegebenen Teilsicherheiten zu beaufschlagen. Für Baugruben stellt die Bemessungssituation BS-T (Transient Situation) den Regelfall und die Bemessungssituation BS-A (Accidental Situation) den Ausnahmefall dar. Die in [7] eingeführte Bemessungssituation BS-T/A entspricht dem früheren Lastfall 2/3 und soll besondere Lasten wie beispielsweise Fliehkräfte, Bremskräfte und Seitenstoß aus Schienenverkehr oder auch Temperatureinwirkungen auf Steifen berücksichtigen. Die Stützung der Baugrubenwände hat einen maßgebenden Einfluss auf die Größe und Verteilung des Erddruckes. Die Wahl eines geeigneten Stützsystems ist vor allem bei möglichst verformungsarmen Baugruben neben Bauwerken wichtig. Nach [7] sind folgende Arten der Stützung zu unterscheiden: Tabelle 12.27

12

Stützungen von Baugrubenwänden

Art der Stützung

Beispiele

nicht gestützt

keine Steifen oder Anker, nur Einspannung im Boden

nachgiebig gestützt

nicht oder nur gering vorgespannte Anker

wenig nachgiebig gestützt

Steifen werden kraftschlüssig verkeilt, Verpressanker auf mindestens 80% der charakteristischen Kraft der nächsten Bauphase vorgespannt und festgelegt

annähernd unnachgiebig gestützt

Ansatz eines erhöhten aktiven Erddruckes sowie Kontrollieren und Nachspannen der Anker und Steifen

unnachgiebig gestützt

Ansatz eines abgeminderten oder vollen Erdruhedruckes, Vorspannen und ggf. Nachspannen der Steifen und Anker, Anker wesentlich länger als rechnerisch erforderlich

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

685

Bei der Bemessung einer Baugrubenkonstruktion wird nach [7] in der Regel wie folgt vorgegangen: • • • •

Festlegung der Abmessungen des statischen Systems, i.d.R. aus Erfahrungen. Ermittlung der charakteristischen Einwirkungen auf die Konstruktion. Dies sind Wasserdruck, Erddrücke und ggf. auch Vorverformungen. Am gewählten statischen System werden die charakteristischen Beanspruchungen E k in Form von Schnittgrößen im Tragwerk selbst und auch zwischen dem Tragwerk und dem Baugrund (Boden oder Fels) ermittelt. Aus den charakteristischen Beanspruchungen ergeben sich die Bemessungswerte durch Multiplikation mit den Teilsicherheitsbeiwerten. Ed = EG,d + EQ,d = EG,k  G + EQ,k  Q



Es werden anschließend die Widerstände der Konstruktionsteile und des Bodens ermittelt. Der Bemessungswert des Widerstandes ergibt sich mit Rd,i = Rk,i / R



(12.9)

Für die jeweils maßgebenden Einwirkungskombinationen und Schnitte ist mit den Bemessungswerten der Beanspruchungen und Widerstände nachzuweisen. Ed,i  Rd,i





(12.8)

(12.10)

Veränderliche Einwirkungen können bei Baugrubenkonstruktion vereinfacht berücksichtigt werden. Die großflächige Auflast pk = 10 kN/m² ist als ständige Einwirkung zu behandeln. Darüber hinausgehende veränderliche Lasten können mit dem Faktor fq = Q/G (siehe Tabelle 12.28) erhöht werden, dann ist zur Ermittlung der Bemessungsbeanspruchung nur noch der Teilsicherheitswert G zu berücksichtigen. Wird eine Grenzzustandsbedingung nicht eingehalten bzw. besteht ein Sicherheitsüberschuss, der mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Optimierung der Baugrubenkonstruktion reduziert werden soll, sind die Abmessungen anzupassen und die Berechnungen zu wiederholen.

Tabelle 12.28 Faktor für veränderliche Einwirkungen Bemessungssituation

fq

BS-T

1,08

BS-T/A

1,05

BS-A

1,00

Grundsätzlich müssen bei der Berechnung von Baugruben alle auftretenden Bauzustände betrachtet werden. Dies umfasst sowohl die Bauphasen bis zum Erreichen der Endaushubtiefe, also Zwischenaushubzustände für den Einbau von Ankern oder Steifen sowie deren Einbau und Anspannen, als auch den Rückbau von Steifen und das Entspannen von Ankern beim Verfüllen der Baugrube oder das Umsteifen auf die Bodenplatte oder Deckenscheiben des in der Baugrube errichteten Bauwerkes. In Abhängigkeit davon, ob bei der Berechnung der Baugrubenwand nur die Standsicherheit maßgebend ist oder auch die Gebrauchstauglichkeit untersucht werden soll und eine wirtschaftlichere Dimensionierung zu erfolgen hat, sind Vereinfachungen bei der Wahl des

12

686

12

Baugruben

statischen Systems und dem Ansatz der Bodenreaktion möglich. Diese Vereinfachungen liegen in folgenden Punkten: • • •

der als statisches System gewählte Träger ist unnachgiebig und nicht federnd gelagert die Verformungen aus Bauzuständen werden nicht als Vorverformungen für nachfolgende Bauzustände berücksichtigt der Fußpunkt des Bodenauflagers kann als unverschieblich und im Fall der freien Auflagerung in Höhe der Resultierenden angenommen werden

Bei einer genaueren Untersuchung kann die Nachgiebigkeit des Fußauflagers über Mobilisierungsfunktionen, das Bettungsmodulverfahren (siehe [7] Abschnitt 4.5) oder die Finite-Elemente-Methode (FEM) abgebildet werden.

12.4.2 Ermittlung der Einbindetiefe Die Ermittlung der Einbindetiefe einer Baugrubenwand erfolgt für den Grenzzustand GEO-2, geht also vom charakteristischen Erddruck und den charakteristischen Bodenreaktionen aus. Die Berechnung umfasst folgende wesentliche Schritte: • • • •

• • •

12

Ermittlung der charakteristischen Größe des Erddrucklast aus Bodeneigengewicht, Kohäsion und großflächiger Auflast p ≤ 10 kN/m² sowie aus Nutzlasten Ansatz einer Verteilung der Erddrucklast in Abhängigkeit vom Vorhandensein einer Stützung und der Nachgiebigkeit des Wandsystems Ermittlung der charakteristischen Bodenreaktion im Einbindebereich der Wand unter Berücksichtigung von freier Auflagerung, Teil- oder Volleinspannung Ableitung des Bemessungswertes Bh,d der Auflagerkräfte, wobei die Anteile aus Bodeneigengewicht, Kohäsion und großflächiger Auflast p ≤ 10 kN/m² mit dem Teilsicherheitsbeiwert γG zu multiplizieren sind, die Anteile aus sonstigen Belastungen der Geländeoberfläche mit γQ. Ermittlung des Bemessungswertes des Erdwiderstandes E ph,d Nachweis, dass der Bemessungswert der Auflagerkraft höchstens dem Bemessungswert des Erdwiderstandes entspricht Bh,d ≤ Eph,d Wenn der Nachweis nicht gelingt, ist entweder die Einbindetiefe der Wand zu vergrößern oder aber die Auflagerkraft durch Anpassung von Anzahl und Lage der Stützungen zu verringern.

Bei Trägerbohlwänden ist in Ergänzung der Ermittlung der Einbindetiefe zusätzlich das Gleichgewicht der Horizontalkräfte nachzuweisen. Dabei ist zu zeigen, dass die in der Erddruckberechnung vernachlässigte charakteristische Erddruckkraft ∆Eah,k unterhalb der Baugrubensohle zusammen mit der Auflagerkraft von dem Erdwiderstand aufgenommen werden kann, der bei einer im Einbindebereich durchgehenden Wand zur Verfügung stünde. Bh,d + ∆Eah,d ≤ Eph,d

(12.11)

Eine weitere Besonderheit bei Trägerbohlwänden besteht in der Berechnung des Erdwiderstands. Da unterhalb der Baugrubensohle nur die Träger einbinden, bildet sich vor deren Flansch ein räumlicher Erdwiderstand aus, im Bruchzustand entsteht eine räumliche Bruchmuschel. Die EAB enthält Verweise auf Berechnungsvorschläge zur Ermittlung des räumlichen Erdwiderstandes für frei aufgelagerte Trägerbohlwände.

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

687

Sofern sich die einzelnen Bruchmuscheln überschneiden, sind Abminderungen für den Erdwiderstand vorzunehmen. Die Summe der Erdwiderstände vor den Trägerfüßen kann jedoch nicht größer werden als der Erdwiderstand vor einer durchgehenden Wand. Wird der für nichtbindige Böden entwickelte Berechnungsvorschlag auf bindige Böden übertragen, so ist der aus der Kohäsion resultierende Anteil auf die Hälfte zu reduzieren. Bei Trägerbohlwänden mit Fußeinspannung können die gleichen Ansätze genutzt werden, allerdings ist es gemäß EAB zweckmäßiger, die vor den einzelnen Trägern wirkenden räumlichen Erdwiderstände auf den Achsabstand der Träger zu verteilen und die für Spundwände entwickelten Berechnungsverfahren zu nutzen.

12.4.3 Ermittlung der Schnittkräfte Aus der Berechnung der Einbindetiefe sind auch die im System vorhandenen charakteristischen Schnittgrößen bekannt. Jedoch sind nach EAB Vereinfachungen möglich, die zu einer wirtschaftlicheren Ausnutzung der Konstruktionsteile führen können. So kann beispielsweise für den Fall, dass im Bereich unterhalb der Baugrubensohle mindestens mitteldicht gelagerter nichtbindiger Boden oder mindestens steifer bindiger Boden ansteht und beim Ansatz der Bodenreaktion eine mit der Tiefe geradlinig zunehmende Verteilung zugrunde gelegt wird, der mögliche Erdwiderstand stärker ausgenutzt werden. Die Nachweise der Tragfähigkeit der Einzelteile für die ermittelten Bemessungsschnittgrößen erfolgen gemäß der Grenzzustandsbedingung Ed ≤ Rd

(12.12)

nach den für die relevanten Materialien Beton und Stahlbeton, Stahl bzw. Holz maßgebenden Regelwerken.

12.4.4 Nachweis der Vertikalkräfte 12.4.4.1 Innerer Nachweis der Vertikalkräfte Beim Nachweis des sogenannten inneren Gleichgewichtes der Vertikalkräfte wird gezeigt, dass der zur Mobilisierung des Erdwiderstandes vor dem Wand- bzw. Trägerfuss erforderliche negative Neigungswinkel δp,k sich einstellen kann. Die Summe aller nach unten gerichteten charakteristischen Einwirkungen Vk muss dabei gleich oder größer als die Vertikalkomponente der charakteristischen Auflagerkraft B v,k sein. Der Nachweis wird mit den charakteristischen Werten wie folgt geführt: Vk = Gk + Eav,k + Av,k + Cv,k ≥ Bv,k mit

Gk Eav Av Cv

(12.13)

Eigengewicht der Wand Vertikalkomponente des aktiven Erddrucks Vertikalkomponente der Ankerkraft Vertikalkomponente der Ersatzkraft bei Einspannung im Boden nach Blum

12

688

12

Baugruben

Kann der Nachweis nicht erbracht werden, bedeutet dies, dass die Vertikalkomponente der Auflagerkraft Bv,k die Wand rechnerisch nach oben aus dem Boden schiebt. Der Neigungswinkel δp,k ist flacher anzusetzen, was zu einer Verringerung des mobilisierbaren Erdwiderstandes und im Ergebnis einer neuen Wandberechnung zu einer größeren Einbindetiefe und anderen Schnittgrößen führt. Günstige wirkende veränderliche Vertikalkräfte dürfen nicht berücksichtigt werden. Bei Ankerneigungen von ≥ 15° kann gemäß EAB auf den Nachweis der Mobilisierung des Erdwiderstandes verzichtet werden. 12.4.4.2 Äußerer Nachweis der Vertikalkräfte Sofern die Vertikalkomponente der nach unten gerichteten Einwirkungen relativ groß ist, was vor allem bei Baugruben mit stark geneigten Ankern der Fall sein kann, ist über den Nachweis des sogenannten äußeren Gleichgewichts zu zeigen, dass die Belastung vom Baugrund nach der Grenzzustandsbedingung Vd ≤ Rd

(12.14)

aufgenommen werden kann und die Wand nicht im Baugrund versinkt. Die Summe der Bemessungswerte der nach unten gerichteten Einwirkungen V d darf nicht größer werden als die Summe der Bemessungswerte der Widerstände R d. Vd = Gd + Eav,d + Av,d + Cv,d ≤ Rd

(12.15)

Die charakteristischen Fußwiderstände Rb,k für den Nachweis der äußere Tragfähigkeit von Bohlträgern, Bohrpfählen und Schlitzwänden können aus Probebelastungen, aus Erfahrungswerten der EA-Pfähle sowie für Spundwände nach den Vorgaben der EAB ermittelt werden. Die charakteristische Reibungskraft auf der Baugrubenseite kann alternativ aus dem Mantelwiderstand Rs,k oder der Vertikalkomponente der Auflagerkraft B k ermittelt werden. Bei Einspannung im Boden ist die Aufklagerkraft B h,k um die Hälfte der Ersatzkraft Ch,k zu verringern, auch die Vertikalkomponente der Ersatzkraft C v,d darf nur mit der Hälfte angesetzt werden Bei Schlitzwänden und Spundwänden darf die Mantelreibung auch in Wandtiefen angesetzt werden, die über das statisch erforderliche Maß hinausgehen, Bei Schlitzwänden müssen diese Bereiche dafür nicht bewehrt sein.

12

Wenn sich der Nachweis nicht führen lässt, kann die positive Erddruckneigung verringert werden, was jedoch zu einer Vergrößerung der Erddrucklast führt. Die Wandberechnung ist mit der neuen Erddrucklast zu wiederholen, Einbindetiefe und Schnittgrößen sind neu zu ermitteln. Ggf. kann auch die Ankerneigung reduziert und die Einbindetiefe der Wand konstruktiv verlängert werden.

12.4.5 Besondere Bauzustände bei Schlitzwänden 12.4.5.1 Überblick Bei mit Stützflüssigkeit gefüllten Schlitzen sind folgende Nachweise zu führen: •

Sicherheit gegen Unterschreiten des statisch erforderlichen Flüssigkeitsspiegels

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

• • •

689

Sicherheit gegen Zutritt von Grundwasser in den Schlitz Sicherheit gegen Abgleiten von Einzelkörnern oder Korngruppen Sicherheit gegen den Schlitz gefährdende Gleitflächen im Boden

12.4.5.2 Flüssigkeitsspiegel Der Nachweis gegen Unterschreiten des angesetzten Flüssigkeitsspiegels wird in DIN 4126 als Voraussetzung für die Untersuchung der Standsicherheit des offenen Schlitzes angeführt. Es ist sicherzustellen, dass beim Anschneiden von Hohlräumen, wie beispielsweise Rohrleitungen, oder auch grobkörnigen Bodenschichten der Flüssigkeitsspiegel nicht unter das rechnerisch erforderliche Maß absinkt. Während sich ein unkontrolliertes Abfließen von Stützflüssigkeit über angeschnittene Rohrleitungen nur über eine vorauslaufende Recherche und ein gezieltes Verdämmen aufgefundener Leitungen verhindern lässt, kann der Verlust über die Eindringung in grobkörnige Schichten näherungsweise abgeschätzt werden. Das Verlustvolumen wird über die Eindringung s und den Porenanteil n ermittelt: s=

mit

p  d10 2  F

(12.16)

p - Druckdifferenz zwischen Stützflüssigkeit und Grundwasser d10 - Korngröße bei 10 % Massenanteil

 F - Fließgrenze der Stützflüssigkeit Für die Bestimmung des Verlustvolumens kann der gefüllte Porenanteil des Bodens gemäß DIN 4126 mit n = 0,25 angenommen werden. Zum schnellen Ausgleich erwarteter oder auch unerwarteter Stützflüssigkeitsverluste kann dann ein ausreichendes Reservevolumen vorgehalten werden. 12.4.5.3 Grundwasser in den Schlitz Hier ist nachzuweisen, dass der Suspensionsdruck in jeder Tiefe des Schlitzes größer ist als der von außen wirkende Wasserdruck pW ,k   G,dst  pF ,k   G, stb

mit

(12.17)

pW , k und pF , k - charakteristischer hydrostatischer Druck des Grundwassers

bzw. der Stützflüssigkeit,  G ,dst und  G , stb - Teilsicherheitsbeiwerte für destabilisierende bzw.

stabilisierende ständige Einwirkungen Der Suspensionsspiegel darf nur bis maximal 20 cm unter Leitwandoberkante angesetzt werden. Besondere Beachtung müssen hier Schichten mit gespanntem Grundwasser finden. Sofern das Druckniveau tieferliegender Schichten höher und somit für den Nachweis maßgebend ist, muss der Suspensionsspiegel vor dem Anschneiden dieser Schichten um das erforderliche Maß erhöht werden.

12

690

12

Baugruben

12.4.5.4 Einzelkörner oder Korngruppen Dieser sogenannte innere Nachweis stellt sicher, dass die Fließgrenze der Stützflüssigkeit ausreicht, um ein Abgleiten von Einzelkörnern und Korngruppe aus der Bodenmatrix zu verhindern.  k   G 

mit

2  F  F tan k  d10 

(12.18)

 k - charakteristische Wichte des Bodens unter Auftrieb der

Stützflüssigkeit, näherungsweise darf die Wichte des Bodens unter Auftrieb  k angesetzt werden

F  k γG γφ -

0,6 als Anpassungsfaktor für die Fließgrenze F charakteristischer Reibungswinkel Teilsicherheitsbeiwert für ständige Einwirkungen Teilsicherheitsbeiwert für den Reibungsbeiwert tan  k

Mit γG = 1,00 und γφ = 1,15 lässt sich Gleichung 12.18 überführen in die einfachere Form erf  F 

 k  d10 tan k

(12.19)

In DIN 4126 sind in Abhängigkeit von der Bodenart folgende Mindestfließgrenzen benannt, bei deren Einhaltung über die gesamte Aushubarbeiten der Nachweis entfallen kann:

 F  10 N/m2 für d10 ≤ 0,6 mm  F  30 N/m2 für d10 ≤ 2 mm

 F  70 N/m2 für d10 ≤ 5 mm Bei Kies- und Steinschichten mit d10 > 5 mm müssen ggf. feinkörnige Materialien wie Sand, Zement oder granuliertes Bentonit vor dem Aushub eingepresst oder während des Aushubs zugegeben werden. Alternativ kann der Nachweis auch über die Herstellung von Versuchsschlitzen oder mindestens 20 in vergleichbaren Randbedingungen ausgeführte Schlitze erbracht werden.

12

12.4.5.5 Gleitflächen im Boden Mit diesem sogenannten äußeren Nachweis wird gezeigt, dass die wirksame Stützkraft der Flüssigkeitsfüllung des Schlitzes größer ist als die Erddruckkraft und somit ein Einfallen des Schlitzes verhindert wird. Eah,k   G,dst  Sk   G, stb

mit

Eah,k -

(12.20)

charakteristischer aktiver Erddruck. Dieser ist um den Anpassungsfaktor η0 = 1,2 im Sinne eines erhöhten aktiven Erddruckes zu erhöhen, wenn bauliche Anlagen im kritischen Bereich des Schlitzes gemäß Bild 12-54 vorhanden sind

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

Sk γG,dst und γG,stb -

691

charakteristische Stützkraft Teilsicherheitsbeiwerte für destabilisierende bzw. stabilisierende ständige Einwirkungen

Bild 12-54 Kritischer Bereich eines Schlitzes, mit rechteckigem und runden Lamellenabschluss

Sofern die Stützkraft der Flüssigkeit nicht über eine reine Membranwirkung realisiert wird, sondern über die Eindringung in den Boden, so ist derjenige Anteil der Stützwirkung in Abzug zu bringen, der durch die Eindringung außerhalb der rechnerischen Gleitfläche nicht für die Stützung zu Verfügung steht. Im folgenden Bild 12-55 wird die Ermittlung der charakteristischen Stützkraft für eine membranartige Stützkrafteinleitung und für eine Eindringung der Suspension in den Boden dargestellt. Für den Bereich der Leitwand ermöglicht DIN 4126 statt der Druckkraft der Stützflüssigkeit den Ansatz der Erddruckkraft aus Bodeneigengewicht und ständiger gleichmäßig verteilter Auflast bis zur Höhe des Erdruhedruckes, wenn die Leitwand mit Aussteifung darauf ausgelegt sind.

12

Bild 12-55 Ermittlung der wirksamen Stützkraft S bei membranartiger Stützkrafteinleitung und bei Eindringung der Suspension in den Boden

692

12

Dabei sind

Baugruben

SH,k - charakteristische hydrostatische Druckkraft der Stützflüssigkeit Wk - charakteristische hydrostatische Druckkraft des Grundwassers SL,k - charakteristische hydrostatische Druckkraft im Bereich der Leitwand EL,k - charakteristische Erddruckkraft im Bereich der Leitwand SE,k - charakteristischer Druckkraftverlust hinter der Gleitfuge

und es ergibt sich bei der Membranwirkung die Stützkraft Sk = SH,k – Wk – SL,k + EL,k oder bei der Eindringung in den Boden Sk = SH,k - Wk - SE,k - SL,k + EL,k Auf die Verringerung der Stützkraft darf verzichtet werden, wenn diese nur weniger als 5 % beträgt oder wenn das Druckgefälle fs0 ≥ 200 kN/m3 ist. Das Druckgefälle als Maß für die Übertragung der Stützkraft der Flüssigkeit über die Eindringtiefe darf vereinfacht wie folgt ermittelt werden: fs0 

2  F d10

(12.21)

Alternativ kann statt einer Abminderung der Stützkraft durch Abzug der anteiligen Eindringfläche hinter der Gleitfuge auch ein pauschaler Anpassungsfaktor η 2 in Ansatz gebraucht werden: Sk = η2 ∙ (SH,k - Wk) mit

(12.22)

η2 = 0,85 für 100 ≤ fs0 < 200 kN/m3 η2 = 0,80 für 50 ≤ fs0 < 100 kN/m3 η2 = 0,70 für fs0 < 50 kN/m3

Aufgrund der begrenzten Länge des mit Stützflüssigkeit gefüllten offenen Schlitzes wird es beim Aushub zu einer Erddruckumlagerung auf die seitlich angrenzenden Bereiche kommen. Im Unterschied zu dem aus der Ermittlung des ebenen Erdruckes bekannten Bruchmodellen kommt es dadurch zur Ausbildung von räumlich gekrümmten Bruchköpern und zu einer Verringerung des auf eine Flächeneinheit wirkenden Erddruckes.

12

Es existieren verschiedene Ansätze, die Bruchkörper abzubilden und die im Vergleich zum ebenen Erddruck resultierenden Erddruckabminderungen zu erfassen. Neben Verfahren, welche die vorhandenen Bruchmuscheln möglichst genau nachbilden wollen, existieren auch prismatische Erdkeilmodelle, bei denen die räumliche Wirkung bzw. die Erddruckabminderung durch Ansatz von Schubkräften auf den real nicht vorhandenen Seitenflächen des Bruchkörpers erzielt wird. Praktisch handelt es sich dabei um eine Reduzierung des ebenen Erddruckes. Aufgrund der einfachen Handhabung hat dieses Erdkeilmodell auch Eingang in die DIN 4126 gefunden. Die auf den Seitenflächen des Erdkeiles wirkende Reibung muss dabei durch einen bilinearen Ansatz der Normalspannung σy,g aus Bodeneigengewicht und einen dreieckförmigen Ansatz der Normalspannung σy,p aus seitlichen Auflasten begrenzt werden. Der Kohäsionsanteil der Schubspannung darf nur mit zwei Dritteln des charakteristischen Wertes c k eingehen.

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

693

Die maximale und somit für den Standsicherheitsnachweis maßgebende Erddruckkraft E ah ist für jede Aushubtiefe durch Variation des Gleitflächenwinkels ϑa zu ermitteln.

Bild 12-56 Prismatisches Erdkeilmodell mit ebener Gleitfläche nach DIN 4126

In DIN 4126 werden Bedingungen angeführt, bei welchen der Nachweis der Standsicherheit des offenen Schlitzes bei beliebig langen Schlitzen bzw. bei Schlitzen mit Längen l s ≤ 3,5 m und unmittelbar angrenzenden Gebäuden entfallen darf. Neben geometrischen Bedingungen und der Begrenzung der einwirkenden Lasten muss in jedem Fall ein Druckgefälle fs0 ≥ 200 kN/m3 oder ein Stützkraftverlust infolge Eindringung der stützenden Flüssigkeit in den Boden von ≤ 5 % eingehalten sein. 12.4.5.6 Gegenmaßnahmen bei Standsicherheitsproblemen Bei Problemen mit dem rechnerischen Nachweis der Standsicherheit existieren verschiedene Möglichkeiten, welche jedoch nur eine begrenzte Wirkung entfalten können bzw. mit Nachteilen behaftet sind. Die Sicherheit gegen Eindringen von Grundwasser in den Schlitz und auch die äußere Standsicherheit gegen den Schlitz gefährdende Gleitflächen lässt sich durch eine Erhöhung des Suspensionsspiegels verbessern. Da die Suspension jedoch nicht höher als bis 20 cm unter die Oberkante der Leitwand angesetzt werden darf, wäre damit insbesondere bei hoch anstehendem Grundwasserspiegel ggf. eine Führung der Leitwand über das Geländeniveau hinaus verbunden. Die innere Sicherheit gegen Abgleiten von Einzelkörnern oder Korngruppen sowie auch die äußere Standsicherheit bei Stützkraftwirkung über Eindringung in den Boden kann durch eine Stützflüssigkeit mit einer höheren Fließgrenze verbessert werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass zur Sicherung der Betondeckung mit höherer Fließgrenze auch größere Abstände der Bewehrungsstäbe erforderlich sind.

12

694

12

Baugruben

12.4.6 Dicht- und Stützsohlen 12.4.6.1 Allgemeines In Kapitel 12.3.4.4 sind die Systeme der Stützsohlen und in Kapitel 12.3.5 der Dichtsohlen beschrieben. Stützsohlen sind immer in ihrer Tragfähigkeit als Abstützung der Baugrubenwände nachzuweisen. In der folgenden Tabelle sind die erforderlichen Nachweise für verschiedene Dichtsohlen angegeben. Tabelle 12.29

Nachweise bei Dichtsohlen

Dichtsohlenart

Tragfähigkeit (Festigkeit)

Hydraulischer Grundbruch

Aufschwimmen

Unterwasserbetonsohle

ja

-

ja

mittelhochliegende Dicht- und Stützsohle

ja

-

ja

tiefliegende Dichtsohle

-

-

ja

durchströmter bindiger Boden

beim Wandnachweis enthalten

ja

ja

12.4.6.2 Nachweis der Tragfähigkeit Unterwasserbetonsohlen oder Stützsohlen erhalten die im Bild 12-57 dargestellten Einwirkungen. In der Regel können die Einwirkungen aus der Wandstützung von Unterwasserbetonsohlen oder Sohlen mittels Bodenverfestigung mit ausreichender Sicherheit aufgenommen werden, wenn diese übliche Dicken aufweisen. Die Bemessungswerte der Druckfestigkeiten ergeben sich wie folgt: Unterwasserbetonsohle:

12

fs,d = fcd,pl = cc,pl  fck / c (12.23) mit: fcd,pl = 0,7 Bemessungswert der einaxialen Betondruckfestigkeit, maximal C 35/45 ansetzbar cc,pl = 0,7 Beiwert zur Berücksichtigung von Langzeitwirkungen für unbewehrten Beton fck charakteristische Zylinderdruckfestigkeit des Betons c = 1,5 Teilsicherheitsbeiwert für Beton für ständige und vorübergehende Einwirkungen c = 1,3 bei außergewöhnlichen Einwirkungen (Ausfall eines Zugpfahles)

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

695

HW,k - Stützlast aus der Baugrubenwand US,k - Hydrostatischer Druck auf die Sohle GS,k - Eigengewicht der Sohle Z - Zugkraft der Sohlverankerung GB,k - Eigengewicht des überdeckenden Bodens Bild 12-57 Einwirkungen auf Stützsohlen

Bodenverfestigung: fs,d = fm,d = 0,85  fm,k / m (12.24) mit: fm,k charakteristische Zylinderdruckfestigkeit gem. DIN 4093 m = 1,5 Teilsicherheit für die Bemessungssituation BS-P und BS-T gem. DIN 1054:2010-12 Weitere Hinweise zur Festigkeit von Bodenverfestigungen können Tabelle 12.30 entnommen werden. Für das Wandauflager ist folgender Nachweis zu führen: HW,d  fs,d  dk

(12.25)

HW,d = HW,k  G,dst mit: HW,k Einwirkung aus dem Wandlauflager

(12.26)

12

696

12

Baugruben

fs,d dk

siehe Formel 12.23 oder 12.24 anzusetzende Bemessungshöhe der Sohle (für UW-Betonsohlen siehe Bild 12.47) G,dst = 1,05 für BS-T und BS-T/A Für Sohlen aus Zementinjektionen oder dem Düsenstrahlverfahren sollte zur Berücksichtigung von Herstellungstoleranzen die anzusetzende Bemessungshöhe wie folgt berücksichtigt werden: d k = d s - ao - au mit: ds - ausgeführte minimale Düs- oder Injektionshöhe ao = au = 5 cm beim Düsenstrahlverfahren ao = 10 cm bei Zementinjektion au = 5 cm bei Zementinjektion

(12.27)

Bei Unterwasserbetonsohlen ist dk gem. Bild 12.47 anzusetzen. Weiter ist die Gewölbekraft zwischen den Pfählen zu ermitteln und zum Nachweis der Tragfähigkeit dem Bemessungswert der Druckfestigkeit gegenüberzustellen [8]. 12.4.6.3 Nachweis gegen Aufschwimmen Der Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen ist gem. DIN EN 1997-1 Abschnitt 10.2 zu führen mit: Vdst,d  GStb,d + Rd (12.28) mit: Vdst,d Hydrostatischer Wasserdruck auf die Unterkante der annähernd wasserundurchlässige Schicht GStb,d Eigengewicht der über der Unterkante der Dichtsohle lagernden Schichten Rd Reibungskräfte, Ankerkräfte, Wandgewichte zu führen.

12

Bei einer schmalen Baugrube kann ein Gewölbe angesetzt werden, wenn über die Gewölbewirkung der Wasserdruck us,k auf die Wände übertragen und dort auch eingeleitet werden kann. Der Nachweis ist dann wie folgt möglich. Vdst,k  G,dst  (Gk + Tk + Pk)  G,stb

(12.29)

(uS,k  b + 2  uW,k dW)  G,dst  (2  GW,k + GB,k + GS,k + 2  TW,k + 2  PW,k)  G,stb (12.30) mit: uS,k = W  TW uW,k = W  (TW + tw) GW,k

Hydrostatischer Druck auf die UK Sohle [kN/m²] Hydrostatischer Druck auf die UK-Wand [kN/m²] charakteristischer Wert des Wandgewichtes [kN/m]

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

GB,k

GS,k PW,k TW,k = 0,8  Eah,k  tan a,k

697

charakteristischer Wert des Bodengewichtes über der Dichtsohle unter Berücksichtigung der GW-Standes in der Baugrube. Bei UW-Sohle nicht vorhanden [kN/m] charakteristischer Wert des Dichtsohlengewichtes [kN/m] charakteristischer Wert des Gewichtes von Stützen oder Vertikalanteil einer Verankerungskraft [kN/m] charakteristischer Wert des Vertikalanteiles des Erddruckes bei BS-T

Bild 12-58 Ansatz der Einwirkungen beim Nachweis gegen Aufschwimmen

Für den inneren Bereich, also bei breiten Baugruben, ist der Nachweis ohne eine vorhandene Verankerung wie folgt zu führen: Vdst,k  G,dst  Gk  G,stb

(12.31)

uS,k  b  G,stb  (GB,k + GS,k)  G,stb

(12.32)

Mit einer Verankerung über Zugpfähle gilt: uS,k  b  G,stb  (GB,k + GS,k + GE,k)  G,stb (12.33) mit: GE,k charakteristische Gewichtskraft des angehängten Bodenkörpers am Zugpfahl Da im inneren Bereich einer Baugrube in der Regel keine Schubkräfte auf Nachbarbereiche übertragen werden können, ist dieser Nachweis sinnvoll an einem Einzelpfahl zu führen. uS,k  la  lb  G,stb  (GB,i,k + GS,i,k + GE,i,k)  G,stb mit: la, lb Raster der Zugpfähle  3,5 m

(12.34)

GB,i,k = (B,r,k  dB + B,k  0,5)  la  lb charakteristisches Gewicht des Bodens über der Sohle

(12.35)

12

698

12

Baugruben

GS,i,k = S,k  ds  la  lb (12.36) charakteristische Wichte der Dichtsohle B,r,k gesättigte Wichte des Bodens B,k erdfeuchte Wichte des Bodens s,k charakteristische Wichte des Bodens unter der Dichtsohle unter Auftrieb GE,i,k = 0,8 ’B,k  la  lb  (L - 0,33  cot B,k  (l2a + l2b)) (12.37) charakteristisches Gewicht des angehängten Bodenkörpers am Zugpfahl ‘B,k charakteristische Wichte des Bodens unter Auftrieb unter der Dichtsohle B,k charakteristische Reibungswinkel des Bodens im Bereich des Zugpfahlfußes L Zugpfahllänge ab UK Sohle Die Teilsicherheiten sind mit G,dst = 1,05 (BS-T) und G,stb = 0,95 (BS-T/A) anzusetzen. Für die Bemessungssituation BS-A siehe EAB [7]. Für die Zugpfähle ist der Bemessungswert der Beanspruchung eines Pfahles wie folgt zu ermitteln. Ft,i,d = us,k  la  lb G - (GB,i,k + GS,i,k)  G,inf

(12.38)

Ft,i,d  Rt,i,d (12.39) mit: Ft,i,d Bemessungswert der Beanspruchung eines Zugpfahles G = 1,2 bei BS-T und G = 1,1 bei BS-A G,inf = 1,0 Rt,i,d Bemessungswert für die Mantelreibung des einzelnen Zugpfahles (siehe [8])

12

Bei der Bemessung der Sohle und der Zugpfähle ist gem. EAB [7] der Nachweis zu führen, dass für den Grenzzustand STR mit der Bemessungssituation BS-A der Ausfall eines Zugpfahles nicht zum Versagen führt. Der Nachweis erfolgt für ein größeres Feld mit dem Raster 2  la / 2  lb. Bei einem gleichmäßigen Raster ergibt sich für den Nachbarpfahl vereinfacht eine Lasterhöhung von  1,25  Ft,i,d und es ist die Teilsicherheit für BS-A zu berücksichtigen.

12.4.7 Unterfangungen 12.4.7.1 Allgemeines Für herkömmliche Unterfangungen, die betoniert oder gemauert werden und abschnittsweise herzustellen sind, wird auf DIN 4123 verwiesen. In diesem Kapitel werden Angaben zur Bemessung von Unterfangungen gemacht, die durch Bodenverfestigungen mit dem Düsenstrahlverfahren oder Zementinjektionen hergestellt werden. Beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit ist die Setzung des Unterfangungskörpers zu untersuchen (siehe hierzu 12.3.3.1 mit Bild 12-29). Zusätzlich sind herstellungsbedingte Verformungen zu

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

699

berücksichtigen. Erfahrungen mit dem Düsenstrahlverfahren haben gezeigt, dass in der Regel herstellungsbedingte Setzungen von ca. 0,5 cm bei Unterfangungshöhen bis ca. 3 m eintreten. Bei Zementinjektionen liegen die herstellungsbedingten Setzungen durch die Bohrungen für die Injektionsrohre in vergleichbarer Größenordnung. Sowohl Zwischenzustände als auch der Endzustand der Unterfangung sind nach DIN 1054 für ständige Lasten und regelmäßig auftretende Verkehrslasten der Bemessungssituation BS-P zuzuordnen (siehe DIN 4123). In der Regel sind wirtschaftliche Kubaturen der Unterfangungskörper nur mit einem Sporn unterhalb der Baugrubensohle herstellbar. Dies bedeutet, dass ggf. eine Baulast zu berücksichtigen ist, wenn die Dauerhaftigkeit der Unterfangung nur mit dem Sporn im Endzustand gesichert ist. Alternativ könnten zur Vermeidung des Spornes Daueranker eingebaut werden. Werden Bodenverfestigungen unter dem bestehenden Fundament für eine Unterfangung geplant, so ist die Standsicherheit (Grundbruch, Gleiten, Kippen) auch für den Ausgangszustand nachzuweisen. Bei nicht ausreichenden Sicherheiten sind vorab Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen, um eine Verfestigung unter dem Fundament sicher durchführen zu können. 12.4.7.2 Einwirkungen Neben der Belastung aus der zu unterfangenden Wand ist der Erddruck aus Boden und den Gebäudeauflasten (siehe Bild 12-32) sowie ggf. ein Wasserdruck zu berücksichtigen. Werden die Empfehlungen der EAB [7] übernommen, ist der Erddruck mit kleinem Abstand der Bebauung gültig (siehe Tabelle 12.15) und da das Gebäude direkt betroffen ist, sollte folgender Erddruck hinter der Wand angesetzt werden: E = 0,5  EOh,k + 0,5  Eah,k + EaBh,k

(12.40)

Bei sehr empfindlichen Gebäuden ist es empfehlenswert, den Anteil des Erdruhedruckes auf 75 % zu erhöhen. Der Erddruck ist gem. DIN 4085 zu bestimmen und für eine nicht ebene Wandhinterkante kann die entsprechende Näherung (siehe Bild 12-59) berücksichtigt werden. Bei kohäsiven Böden ist der Mindesterddruck gem. DIN 4085 vergleichend anzusetzen. Die Einwirkungen aus dem zu unterfangenden Gebäude sind zu ermitteln. Bei Unsicherheiten bezüglich der geometrischen Verhältnisse sind Schürfe anzuordnen, um die Kellergeschosssohlen zu vermessen. Es ist in der Regel sinnvoll, auch das Gebäude im betroffenen Bereich vor Beginn der Baumaßnahme beweiszusichern. Bei nicht ausreichender Standsicherheit sind Sicherungsmaßnahmen (siehe DIN 4123, Abschnitt 6.6) vorzunehmen.

12

700

12

Baugruben

Bild 12-59 Erddrücke auf den Unterfangungskörper

12.4.7.3 Ermittlung der Kubatur Für die Ermittlung der statisch erforderlichen Kubatur sind in der Regel folgende Nachweise maßgebend: • •

Kippnachweis in der Sohlfuge Grundbruchnachweis

Es kann auch ein Geländebruchnachweis und der Gleitnachweis von Bedeutung sein. Alle Nachweise sind wie für Flachfundamente gem. DIN EN 1997-1 und DIN 1054 zu führen. Kippnachweis Folgende Nachweise sind zu führen: eQ  b / 3

für charakteristische Lasten in ungünstiger Kombination

(12.41)

und für die Gebrauchstauglichkeit

12

eG  b / 6

für ständige Einwirkungen.

(12.42)

Aus den vorgenannten Bedingungen muss daher zwischen ständigen Einwirkungen G Gv EG P EQ

Eigengewicht aus der Gebäudewand mit Fundament Eigengewicht der Bodenverfestigung Erddruck aus Bodengewicht und ständige Gebäudelasten und veränderliche Einwirkungen Verkehrslast aus der Gebäudewand Erddruck aus Verkehrslasten des Gebäudes

unterschieden werden. Die Lagen der Resultierenden RG und RQ in der Sohlfuge (siehe Bild 12-59) werden sich entsprechend unterscheiden.

12.4

Tragfähigkeitsnachweise

701

Gleitnachweis Es ist in der Sohlfuge nachzuweisen H d  Rd + Rp,d

mit:

Hd - Bemessungswert der Horizontalkraft Rd - Bemessungswert des Gleitwiderstandes Rp,d - Bemessungswert des Erdwiderstandes

H d = Eu ,d - Td =Eu ,G   G + Eu ,Q   Q - Td

mit:

(12.43)

(12.44)

G = 1,35 und Q = 1,5 Td : Kräfte aus Stützungen

Rd = (Vk'  tan k' + A'  ck' ) /  R,h

(12.45)

R p , d = R p , k /  R ,e

(12.46)

mit:

A‘ - belastete Sohlfläche R,h = 1,1 und R,e = 1,4

Bei Plattengründungen des zu unterfangenden Gebäudes können bei ausreichend breiten Abmessungen der Platte auch Reibungen in der Fuge zwischen Unterfangungskörper und Fundamentplatte als Stützung angesetzt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Schubkraftübertragung nicht durch Abdichtungsbahnen oder Folien ausgeschlossen sind. Grundbruchnachweis Da in der Sohlfuge auch horizontale Lasten abzuführen sind, ist der Grundbruch nach DIN 4017 und nicht über den Ansatz von Bemessungswerten des Sohlwiderstandes zu führen. Es gilt: Vd  Rd

(12.47)

Vd enthält dabei die Gewichte aus dem Gebäude, aus dem Unterfangungskörper, aus den Vertikalanteilen des Erddruckes und ggf. Vertikalanteile aus der Verankerung.

12 12.4.7.4 Materialnachweis Für die Bemessung von Bodenverfestigungen als Unterfangungskörper ist die DIN 4093 zu berücksichtigen. Die charakteristischen Werte der Beanspruchung E k des Verfestigungskörpers können mit einem linear-elastischen Verhalten ermittelt werden. Bei der Berechnung der Normalspannung im Körper dürfen Zugspannungen rechnerisch jedoch nicht angesetzt werden. Bei der Ermittlung in einem zweidimensionalen Spannungszustand bei Ansatz einer Schub- und Druckspannung ist aber der Ansatz einer Zugspannung gem. Bild 12-60 möglich. Weiter ist zu beachten, dass durch außermittige Belastungen im Unterfangungskörper eine Rissöffnung (klaffende Fuge) bis maximal zur halben Breite in jeder Höhe auftreten darf. Nur im überdrückten Bereich dürfen Schubspannungen übertragen werden.

702

12

Baugruben

Die Verfestigungskörper sind so auszubilden, dass die erforderlichen Druckfestigkeiten in Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen auch erreichbar sind. In der Tabelle 12.30 sind aus Erfahrungswerten erreichbarer Bruchfestigkeiten angegeben. Tabelle 12.30

Erfahrungswerte von Bruchfestigkeiten [N/mm²] bei Bodenverfestigungen

Bodenart

Düsenstrahlverfahren

Zementinjektion

Sand/Kies

10 - 30

15 - 40

Grob- Mittelsand

5 - 15

10 - 20

Feinsand

5 - 10

-

schluffige Sande

3-8

-

Geschiebemergel

2-7

stark schluffiger toniger Boden

2-5

-

2

-

Böden mit organischen bis stark organischen Anteilen

Bei Zementinjektionen oder beim Düsenstrahlverfahren ist gem. DIN 4093 maximal eine charakteristische Festigkeit fm,k  10 N/mm² bzw. fm,d  5,67 N/mm² ansetzbar.

12 Bild 12-60 Zulässige Spannungsbereiche im Verfestigungskörper

Der im Bild 12-60 dargestellte zulässige Spannungsbereich kann bei der Ermittlung von 1, 3 und  voll ausgenutzt werden. Werden nur Druckspannungen 1 und  ermittelt, ist nur der eingeschränkte Bereich   0,2  fm,d und 1  0,7  fm,d möglich. In Bild 12-61 sind aus Erfahrung Spannungspunkte dargestellt, die bei der Bemessung in der Regel maßgebend sind. Es ist wirtschaftlich sinnvoll bei Unterfangungskörpern Ankerplatten auf den Unterfangungskörper aufzusetzen und die Lasten über ein horizontales Gewölbe abzutragen

12.5

Verformungen

703

(Bild 12-62). Zu beachten ist hierbei, dass der horizontale Gewölbeschub am Ende des Unterfangungskörpers auch aufgenommen werden kann. Dies kann z. B. durch ausreichenden Erddruck oder horizontal geneigte Anker erfolgen Spannungspunkte I

II

III

IV

1, 3 = 0,  = 0 hohe Randspannung aus der außermittigen Wandlast 1, 3 und  1 - Vertikallast 3 - Spannung hinter der Ankerplatte  - aus Erddruck 1 - hohe Randlast, wenn keine Verankerung vorhanden  - aus Erddruck und ggf. Ankerkraft 3 = 0 Vereinfachter Nachweis 0,2  fm,d  t  R  a

Bild 12-61 Maßgebende Spannungsbereiche

12 Bild 12-62 Horizontalgewölbe zu den Ankerplatten

12.5 Verformungen 12.5.1 Berechnungsgrundlagen Bei Einhaltung der Regelungen der EAB [7] in Bezug auf die Verteilung des Erddruckes und bei Einhaltung der entsprechenden Standsicherheitsnachweise sind die Verformungen von Baugrubenwänden in mindestens mitteldicht gelagerten nichtbindigen oder mindestens

704

12

steifen bindigen Böden in der Regel klein, so tauglichkeitsnachweise nicht unbedingt erforderlich sind.

dass

besondere

Baugruben

Gebrauchs-

Anders verhält es sich bei Situationen, in denen die Baugrube unmittelbar neben vorhandenen Bauwerken oder Gebäuden errichtet wird oder wenn sich benachbarte bauliche Anlagen in einem schlechten baulichen Zustand befinden oder wenn besondere Verformungsanforderungen aus der Nutzung von Nachbarbebauungen abgeleitet werden können. In diesen Fällen beeinflussen Verformungen oder Verschiebungen der Wand die Standsicherheit oder die Gebrauchstauglichkeit benachbarter baulicher Anlagen, und es muss ein Nachweis der Gebrauchstauglichkeit geführt werden. Im Regelfall werden die Nachweise zunächst anhand der Stabwerkssysteme für die unterschiedlichen Bauzustände abgeleitet. Die Verformungen der Bauteile unter den Einwirkungen bei der entsprechenden Stützsituation (Anker, Steifen, Erdauflager oder Stützsohlen) ergeben sich in guter Näherung aus den elastischen Eigenschaften des Wandmaterials. Sind größere Genauigkeiten bei der Betrachtung der Wandverformungen erforderlich, so kann durch Einführung einer entsprechenden Nachgiebigkeit der Stützungen (Anker oder Steifen) und insbesondere durch detaillierte Erfassung der Bettungssituation im Erdauflagerbereich die Genauigkeit der Verformungsberechnung erhöht werden. Sind neben den eigentlichen Wandverformungen auch die Verformungen des umgebenden Bodens infolge der Wandverformungen und der entsprechenden Entlastungen aus dem Baugrubenaushub relevant, so sind numerische Untersuchungen mit der Methode der FinitenElemente (vgl. Kapitel 12.6) durchzuführen. Die Verformungen - also der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit - werden unter Ansatz der charakteristischen Werte der Einwirkungen berechnet. Bezüglich der Erddruckansätze gelten dabei die gleichen Regelungen wie in den Berechnungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Damit realitätsnahe Ergebnisse erwartet werden können, dürfen die Systemabmessungen nicht von den tatsächlichen Einbausituationen abweichen, was insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Einbindetiefe relevant ist. Zur realistischen Abbildung der Verformungen im Fußbereich sollte mit einer elastischen Bettung nach dem Bettungsmodulverfahren gerechnet werden. Im Regelfall können Verformungen, die aus dem Anspannen von Ankern oder Vorspannen von Steifen herrühren, vernachlässigt werden.

12

Zu beachten ist, dass sämtliche Berechnungen zur Abschätzung der Wandverformungen, aber auch Berechnungen des Kontinuums beispielsweise mit der Finiten-Element-Methode lediglich die bodenmechanischen Zusammenhänge und die Wand-Boden-Interaktion abbilden können. Nicht erfasst sind herstellungsbedingte Verformungen beispielsweise durch Auflockerungen bei Bohrarbeiten, Kornumlagerungen bei dynamischen Anregungen oder andere herstellungsinduzierte Verformungen. Je nach Ausführungsart und bautechnischer Sorgfalt können diese Verformungen die Einflüsse infolge Baugrubenaushub und Wandverformungen überschreiten. Sie dürfen also keinesfalls vernachlässigt werden, wenn es um die Betrachtung der Verformungen von umliegenden Bauwerken, aber auch baulichen Anlagen wie Leitungen und Verkehrswegen geht. Hinweise zu möglichen Verformungsbeträgen sind in den jeweiligen Kapiteln angegeben. Allerdings beruhen sie weitgehend auf Erfahrungen, so dass im Allgemeinen von einer sicheren Abschätzung der Verformungen ausgegangen werden sollte. Insbesondere bei großen Baugruben spielen neben den Wandverformungen auch die Entspannungsvorgänge und daraus resultierenden möglichen Hebungen infolge der Aushubentlastung eine Rolle, die ggf. später durch das Gewicht des in der Baugrube

12.5

Verformungen

705

errichteten Bauwerkes wieder kompensiert werden. Wenn diese Verformungsanteile eine relevante Größenordnung annehmen, so sind die Berechnungen sinnvollerweise mit Kontinuums-Modellen beispielsweise nach der Methode der Finiten-Elemente durchzuführen.

12.5.2 Wandverformungen aus Stabwerksberechnungen 12.5.2.1 Ungestützte Wände Für nicht gestützte, im Boden eingespannte Baugrubenwände setzen sich die Verformungen aus zwei Anteilen zusammen. Zum einen der infolge der Verdrehung der Wand bei der Weckung der Erdwiderstandskräfte entstehende Verformungsbetrag, beispielsweise des Wandkopfes und zum anderen der Betrag, der durch die elastischen Verformungen des Wandelementes, also beispielsweise der Spund- oder Ortbetonwand entsteht. Da die Kopfverschiebungen ungestützter Baugrubenwände eine Größenordnung von bis zu 5 % der freien Wandhöhe erreichen können, sind nicht gestützte, im Boden eingespannte Wände neben Bauwerken mit besonderer Sorgfalt auszuführen und nur dann zulässig, wenn die Baugrubensohle nicht tiefer liegt als die Gründungssohle des benachbarten Gebäudes. Nach [20] ergeben sich Verdrehungen der ansonsten zunächst starr angenommenen Wand von etwa 1° bei dichtgelagerten bis 1,5° bei locker gelagertem Sand. In erster Näherung können diese Werte auch bei steifen bis halbfesten bindigen Böden zugrunde gelegt werden. In weichen bindigen Böden dürften noch größere Drehwinkel entstehen. Zu diesen Verdrehungen, die zu Kopfverschiebungen zwischen 1,5 % und 2,5 % der freien Wandhöhe zuzüglich der Einbindelänge bis zum Drehpunkt führen, sind die elastischen Verformungen des Wandelementes aus der Kragarmwirkung zu addieren. Diese ergeben sich aus der Stabwerksberechnung und nehmen bei weichen Wänden, wie Spundwänden oder Trägerbohlwänden, relevante Größenordnungen an. Bei Ortbetonwänden hingegen können diese Verformungsanteile aufgrund der großen Steifigkeit des Systems in der Regel vernachlässigt werden. 12.5.2.2 Gestützte Wände Zur Ermittlung der Wandverformungen einfach oder mehrfach gestützter Wände bietet sich das Bettungsmodulverfahren zur genaueren Ermittlung der Verschiebungen des Wandfußes an. Damit kann neben der Biegelinie, also der Ermittlung der Verformungen des Wandsystems selber, auch die Verschiebung im Einbindebereich des Wandfußes realitätsnah abgeschätzt werden. Hierbei wird die Bodenreaktion durch nicht miteinander gekoppelte Einzelfedern vereinfacht. Bei der Ermittlung der Federkennlinien sind besondere Überlegungen erforderlich. So sind die Federkennlinien je nach Wandbewegungsart, z. B. Parallelverschiebung oder Drehung um den Fußpunkt oder um den Kopfpunkt, jeweils unterschiedlich anzusetzen. Darüber hinaus hat der Ausgangsspannungszustand, also der ursprüngliche Überlagerungsdruck, einen Einfluss auf die tatsächliche Bettungsreaktion. Normalerweise kann bei der Ermittlung des Ausgangsspannungszustandes von einem Erdruhedruck, berechnet von der ursprünglichen Geländeoberkante, ausgegangen werden. Obwohl die Bettungsreaktion eine nichtlineare Beziehung darstellt, wird in aller Regel ein linear-elastischer ideal-plastischer Ansatz für die Federsteifigkeiten im Wandfußbereich herangezogen. Der anzusetzende Bettungsmodul ksh,k ergibt sich aus dem horizontalen Steifemodul der entsprechenden Bodenschicht zu: k sh,k =

Esh,k tB

(12.48)

12

706

12

Baugruben

Hierbei wird für die durchgehende Wand die von der Bettung erfasste Einbindetiefe tB (vgl. Bild 12-63) angesetzt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Steifemodul in der Regel mit zunehmender Tiefe ansteigt, so dass hier in Abhängigkeit von der Einbindelänge ein entsprechender Mittelwert anzusetzen ist. In [10] werden Anhaltswerte für Bettungsmodulen bei nichtbindigen und bindigen Böden in Abhängigkeit von der Lagerungsdichte bzw. Konsistenz und vom Mobilisierungsgrad angegeben. In [7] sind ebenfalls Werte angegeben, die in der Tabelle 12.31 zusammengefasst werden.

Bild 12-63 Biegelinie, System, Einwirkungen und Widerstände für die Ermittlung der elastischen Bettung Tabelle 12.31

Bettungsmodul in MN/m³ für nichtbindige Böden unter Wasser bei einem Ausnutzungsgrad des Erdwiderstandes von µ  1 und in der Bemessungssituation BS-T

Bodenart

12

Bettungsmodul in MN/m³

locker gelagerter nichtbindiger Boden

1-4

mitteldicht gelagerter nichtbindiger Boden

3-10

dicht gelagerter nichtbindiger Boden

8-15

sehr dicht gelagerter nichtbindiger Boden

12-20

Auf diese Weise wird eine realitätsnähere Abbildung des Verformungsverhaltens der gestützten Wand berücksichtigt. Wenn darüber hinaus die Federsteifigkeit der Wandstützung (Verpressanker oder Steife) in das System mit einbezogen wird, kann eine vergleichsweise genaue Ermittlung der Wandverformungen und der zugehörigen Biegelinie erfolgen.

12.5.3 Abschätzungen von Setzungen aus Wandverformungen Um aus den wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben ermittelten Wandverformungen auf eine realistische Abschätzung von Setzungen hinter der Wand zu kommen, müssen Modelle verwendet werden, die die Boden-Bauwerks-Interaktion realitätsnah abbilden. Dies ist im Allgemeinen nur mit numerischen Modellen beispielsweise auf Basis der FiniteElement-Methode möglich. Dennoch kann in grober Näherung davon ausgegangen werden, dass sich die maximalen Horizontalverformungen der Wand, insbesondere in nichtbindigen

12.6

Baugrubenberechnungen mit der FE-Methode

707

Böden als Vertikalverschiebungen innerhalb eines unter 45° geneigten Erdkeils von der Baugrubensohle aus bis zur Geländeoberfläche in etwa volumengleich abbilden. Diese grobe Vereinfachung kann jedoch nur für eine erste Einschätzung möglicher Setzungen hinter der Wand herangezogen werden. Genauere Betrachtungen müssen dann angestellt werden, wenn in diesen Bereichen Bauwerke und Bauwerksteile vorhanden sind, deren Gebrauchstauglichkeit auch bei Betrachtung dieser Verformungen nicht gewährleistet ist und somit genauere Berechnungen erforderlich werden.

12.5.4 Verformungen aus FE-Berechnungen Sofern sowohl die Verformungen der Wand als auch die des umgebenden Bodens für die Betrachtung beispielsweise der Gebrauchstauglichkeit relevant sind, sind numerische Modelle entweder als ebener Verzerrungszustand im zweidimensionalen Baugrubenschnitt oder bei komplexen Geometrien auch als räumliches Modell beispielsweise mit der Methode der Finiten Elemente zu berücksichtigen. Neben der exakten Geometrie können dabei auch die einzelnen Bauphasen sowie der Ausgangsspannungszustand korrekt abgebildet werden, was insbesondere bei komplexeren Baugrubenkonstruktionen für eine höhere Genauigkeit der Verformungsprognose sorgt. Näheres zu Gebrauchstauglichkeitsnachweisen auf der Basis der Finite-Element-Methode ist dem nachfolgenden Kapitel 12.6 zu entnehmen.

12.6 Baugrubenberechnungen mit der FE-Methode 12.6.1 Grundlagen Sofern die Verformungen der Baugrubenumschließung im Zusammenhang mit den Verformungen des umgebenden Bodens und den darin eingebetteten Nachbarbauwerken relevant sind, bieten sich Baugrubenberechnungen mit numerischen Methoden an. In der Geotechnik wird hierzu in den allermeisten Fällen die Methode der Finiten Elemente verwendet, bei der ein geometrisches Modell der Gesamtsituation inkl. der einzelnen Zwischenbauzustände so abgebildet wird, dass eine realitätsnahe Modellierung der einzelnen Bauzustände beispielsweise der Aushubphasen und der Stützungen sowie des Ausgangsspannungszustandes ermöglicht wird. Dabei kommen im Regelfall zweidimensionale Schnitte im ebenen Verzerrungszustand zu Anwendung. Bei komplexen Geometrien und Baugrubenecken können auch räumliche Modelle Verwendung finden. Die Grundlagen der Finite-Element-Analyse in der Geotechnik werden beispielsweise in [10] erläutert. Auf eine nähere Beschreibung der mathematischen Zusammenhänge wird hier nicht eingegangen und auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Die Anwendung der Finite-Element-Methode in der Geotechnik ist beispielsweise in [9] beschrieben. Ein wesentlicher Vorteil der Finiten-Element-Methode besteht darin, dass die Bodenreaktionen und die entsprechenden Erddruckeinwirkungen bei realitätsnahem Ansatz der Baugrundsteifigkeiten nicht als Berechnungsannahme in die Analyse einfließen, sondern sich aus den Gesamtverformungen ergeben. Insbesondere können hierbei die entsprechenden Erddruckentwicklungen bei den aufeinander folgenden Aushub- und Stützzuständen, inkl. entsprechender Vorspannkräfte, Berücksichtigung finden. Darüber hinaus werden auch die infolge der Aushubentlastung eintretenden Hebungen des Gesamtsystems wirklichkeitsnah erfasst. In besonderen Fällen ist es also möglich, sowohl den Tragfähigkeitsnachweis - oder

12

708

12

Baugruben

zumindest wesentliche Teile davon - als auch die Gebrauchstauglichkeitsnachweise in einem Gesamtsystem zu führen. Eine wesentliche Bedeutung bei der Durchführung von Finite-Element-Berechnungen kommt dabei der stofflichen Modellierung des Untergrundes zu. Da bei Baugrubenkonstruktionen die Erfassung von Verformungen erforderlich ist, ist es im Allgemeinen nicht ausreichend, einfache linear-elastische, ideal-plastische Stoffmodelle, wie beispielsweise das MohrCoulomb oder das Drucker-Prager-Modell zu verwenden, obwohl diese Modelle für Standsicherheitsnachweise im Allgemeinen ausreichen. Besser geeignet sind elasto-plastische Stoffmodelle mit isotroper Verfestigung, wie beispielsweise das Cam-Clay-Modell oder das Hardening-Soil-Modell. Hierbei entstehen plastische Verformungsanteile bereits vor Erreichen des Grenzgleichgewichts, indem eine spannungsabhängige elasto-plastische Steifigkeit in das Stoffmodell eingeführt wird. Bei Erreichen eines Spannungszustandes auf der initiellen Fließfläche können weiter plastische Dehnungsanteile entstehen, indem sich diese Fließfläche weitet (siehe hierzu auch Kapitel 4.5). Dieses Verhalten wird allgemein als Verfestigung bezeichnet. Wenn die Fließfläche sich in allen Richtungen gleichmäßig ausbreitet, spricht man von isotroper Verfestigung. Darüber hinaus können komplexere Stoffmodelle auch ein anisotropes elasto-plastisches Stoffverhalten abbilden oder durch Verzicht auf die Unterscheidung zwischen elastischen und plastischen Dehnungen bei den sogenannten hypoplastischen Stoffmodellen auch zahlreiche Richtungsumkehrungen bei der entsprechenden Belastungsgeschichte berücksichtigen. Im Allgemeinen sind jedoch elasto-plastische Stoffmodelle mit isotroper Verfestigung ausreichend zur Berechnung von Baugruben. Eine Besonderheit kann die Berücksichtigung einer erhöhten Steifigkeit bei kleinen Dehnungen (small strain stiffness) darstellen, bei der insbesondere bei kleinen Spannungsänderungen genauere Verformungsbetrachtungen möglich werden. Der Bestimmung der zugehörigen Materialparameter des verwendeten Stoffmodells kommt eine wesentliche Bedeutung zu. In der Regel finden hier die charakteristischen Werte des Baugrundmodells, eventuell ergänzt durch örtliche Erfahrungen, Anwendung, meist jedoch ergänzt durch zusätzliche Parameter, wie beispielsweise den Dilatanzwinkel oder die Entlastungs- und Wiederbelastungssteifigkeiten sowie die zugehörige Querdehnzahl.

12

Können die entsprechenden Modellparameter nicht aus den charakteristischen Werten des Baugrundmodells ermittelt werden, so bietet sich die Nachrechnung von Elementversuchen mit dem zur Verwendung vorgesehenen Stoffmodell an, um die Baugrundkenngrößen bzw. die Parameter des Stoffmodells an den Laborversuchen zu kalibrieren. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Einfluss der Probennahme und die vergleichsweise geringen Ausdehnungen der im Elementversuch untersuchten Bodenvolumen eine unvermeidliche Ungenauigkeit bedingen, so dass im Allgemeinen auch mit Erfahrungswerten und Korrelationen der Stoffparameter mit den vor Ort anzutreffenden Lagerungsdichten bzw. Konsistenzen gute Ergebnisse erzielt werden können. In [9] werden die Mindestabmessungen des für die Baugrubenberechnung anzusetzenden Modellausschnittes vorgegeben. Diese sind in Bild 12-64 zusammengefasst. Darüber hinaus ist auch die Netzfeinheit, also die Unterteilung des Gesamtgebietes in die jeweiligen Finiten Elemente, auf deren Basis die eigentliche Ermittlung der Gleichgewichtszustände erfolgt, von großer Bedeutung. Bereiche mit hohen Spannungsgradienten sollten dabei feiner elementiert werden als Bereiche, in denen eine gleichmäßige Spannungsverteilung zu erwarten ist. Sowohl Rechenzeit als auch Ergebnisgenauigkeit hängen unmittelbar von der Netzfeinheit, also der Anzahl der Elemente,

12.6

Baugrubenberechnungen mit der FE-Methode

709

ab. Allerdings können insbesondere bei zweidimensionalen Systemen heute keine größeren Einschränkungen in Bezug auf die Rechenzeit auch bei sehr feinen Netzeinteilungen und einer größeren Anzahl von Berechnungsschritten festgestellt werden, so dass hier feineren Netzen in der Regel der Vorzug vor gröberen Vernetzungen zu geben ist. Eine Sensitivitätsstudie in Bezug auf die Netzfeinheit wird jedoch im Allgemeinen empfohlen.

Bild 12-64

Größe des Berechnungsausschnittes

12.6.2 Berechnungen Die Berechnungen erfolgen anhand der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Vorgaben bezüglich der Netzgröße und Elementfeinheit sowie unter Berücksichtigung der Parameter geeigneter Stoffmodelle durch Abbildung der gesamten Baugrubengeometrie inkl. aller Zwischenbauzustände. Die einzelnen Bauteile werden dabei meist als Wandelemente, Steifen als entsprechende Stäbe sowie Anker in der freien Ankerlänge als Zugelemente und im Bereich des Verpresskörpers als in den Boden eingebettete Stäbe mit Schubkraftübertragung abgebildet, so dass durch entsprechende Auswahl von Elementen auch die daraus ableitbaren Schnittgrößen unmittelbar in eine Nachweisführung Eingang finden können.

12.6.3 Tragfähigkeitsnachweise Die Anwendung der Finite-Element-Methode bei Tragfähigkeitsnachweisen ist durchaus Gegenstand kontroverser Betrachtungsweisen. In der europäischen und nationalen Normung nach EC 7 und DIN 1054 hat man sich bei den Nachweisverfahren zur Betrachtung der Standsicherheit für die Verfahren GEO 2 und GEO 3 entschieden, wobei das Verfahren GEO 3 nur für den Nachweis der Gesamtstandsicherheit beispielsweise im Geländebruch Verwendung finden kann. Im Nachweisverfahren GEO 3 werden die Teilsicherheitsbeiwerte unmittelbar auf die Scherparameter tan ‘k und c’k angesetzt. Für alle übrigen Standsicherheitsnachweise ist das Verfahren GEO 2 für den Grenzzustand des Versagens von Bauwerken und Bauteilen anzuwenden. Dies bedingt, dass eine Standsicherheitsbetrachtung des Baugrubensystems lediglich durch schrittweise Reduktion der Festigkeiten, wie sie in vielen Programmsystemen einfach möglich ist, nicht unmittelbar für den Standsicherheitsnachweis geeignet ist. Dies erschließt sich auch dadurch, dass eine Reduktion der Baugrundfestigkeiten nicht notwendig alle möglichen Bruchzustände einer Baugrubenwand, die sich auch durch entsprechendes Bauteilversagen realisieren können, abbilden kann. Insofern wird bei Verwendung der Finite-Element-Methode bei

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710

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Tragfähigkeitsnachweisen im Allgemeinen auszugehen sein (vgl. hierzu auch [10]).

von

Baugruben

folgendem schrittweisen Vorgehen

• Abbildung des Gesamtsystems inkl. aller Bauzustände und Vorgabe der charakteristischen Werte der Einwirkungen (Wichten, Lasten, einwirkende Kräfte etc.) zur Vordimensionierung des Bauwerkes mit konventionellen Berechnungsmethoden oder aus Erfahrung (Wandstärken, Einbindelängen, Ankerneigungen etc.). • Durchführen von Finite-Element-Berechnungen mit charakteristischen Werten der Festigkeiten und daraus Ermittlung der charakteristischen Beanspruchungen der Wandsysteme (Erddruckverteilungen). • Ermittlung der Bemessungswerte der Beanspruchungen beispielsweise Biegemomente, Ankerzugkräfte etc. aus den charakteristischen Beanspruchungen des vorangegangenen Schrittes unter Verwendung der zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerte • Führen von Tragfähigkeitsnachweisen • Optimieren von Bauteilabmessungen und Neuberechnung • Nachoptimierung des Gesamtsystems und Führen aller Tragfähigkeitsnachweise, Betrachtung der Gebrauchstauglichkeit am selben Berechnungssystem (Verformungen der Wand und des umgebenden Bodenkontinuums inkl. darin eingebetteter Bauwerke und Bauteile) Bei dem oben beschriebenen Vorgehen können insbesondere die realistischen Erddruckverteilungen für eine optimierte Abmessung von Bauteilen sorgen. Es ist allerdings an dieser Stelle zu betonen, dass bei Verwendung der Finite-Element-Methode bei Baugrubenentwürfen und unmittelbarer Umsetzung von Erddruckverteilungen aus FEBerechnungen jede spätere Änderung des Gesamtsystems beispielsweise durch Änderungen der Wandsteifigkeiten oder Veränderungen der Ankerneigungen eine vollständige Neuberechnung mit der Finiten-Element-Methode bedingt, was insbesondere in längeren Planungsphasen durchaus zu erheblichen Berechnungsaufwendungen führen kann. Insofern sind aus Sicht der Verfasser Finite-Elemente-Berechnungen zur Kalibrierung von normierten Erddruckansätzen mit anschließenden klassischen Berechnungsverfahren durchaus Vorteile abzugewinnen, da hierbei nicht unmittelbar das gesamte Berechnungsmodell auch bei Änderungen kleinerer Baugrubendetails verändert werden muss.

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Dennoch kann beispielsweise der Nachweis der Einbindetiefe durch Integration der horizontalen Bodenreaktion vor dem Wandfuß und Multiplikation mit dem zugehörigen Teilsicherheitsbeiwert bei anschließender Gegenüberstellung mit den durch die entsprechende Teilsicherheit reduzierten Erdwiderstandkräften geführt werden. Ebenso können die Tragfähigkeitsnachweise sämtlicher Bauteile (Wände, Anker oder Steifen) auf vergleichbare Weise durch Ableitung der charakteristischen Schnittkräfte bei anschließender Berücksichtigung der zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerte und Gegenüberstellung mit den Bauteilwiderständen geführt werden. In Bezug auf den ebenfalls erforderlichen Nachweis des Gleichgewichts der Vertikalkräfte sind besondere Überlegungen notwendig. Da in aller Regel die Baugrubenwände nicht durch Volumen, sondern durch entsprechende strukturelle Elemente, wie Scheiben oder Platten, abgebildet werden, ist das vertikale Gleichgewicht im Finite-Element-Modell zwar enthalten geführt, jedoch entspricht dies nicht unbedingt den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort, bei denen Fußwiderstände und Mantelreibungskräfte berücksichtigt werden müssen. Insofern bietet es sich an, für den Nachweis der Vertikalkräfte alle vertikal einwirkenden Erddruckanteile sowie die Vertikalanteile von Ankerkräften mit Hilfe der Finite-ElementMethode zu ermitteln und zu addieren. Der entsprechende Nachweis der Vertikalkräfte sollte

12.7

Kontrollen

711

dann klassisch, ggf. unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten für Mantelreibungs- und Fußwiderstände geführt werden. Gleiches gilt für die Nachweise von Ausziehwiderständen der Anker. Auch hier sollten die Ankerkräfte mittels der Finite-Element-Methode ermittelt und der entsprechende Nachweis auf der Grundlage von Erfahrungswerten oder durch entsprechende Eignungsprüfungen geführt werden. Ebenfalls kann der Nachweis der Ankerlänge nur bedingt mit Hilfe der Finite-Element-Methode geführt werden. Ggf. kann hier, da es sich dabei in erster Näherung um einen Gesamtstandsicherheitsproblem handelt eine -c-Reduktion der Bodenparameter zu entsprechenden Bruchfiguren führen, jedoch sollte hier der Nachweis der tiefen Gleitfuge mit klassischen Methoden geführt werden.

12.6.4 Gebrauchstauglichkeitsnachweise Wie oben gezeigt, stellen sich bei Anwendung der Finite-Element-Methode in Bezug auf die entsprechenden erforderlichen Tragfähigkeitsnachweise noch einige Schwierigkeiten, so dass im Allgemeinen eine Kombination aus Finite-Element-Methode und klassischen Berechnungsmethoden für die Tragfähigkeitsnachweise erforderlich wird. Anders stellt sich dies bei den Nachweisen zur Gebrauchstauglichkeit dar. Hier kann unmittelbar das aus dem Finite-Element-Modell abgeleitete Verformungsbild bei den entsprechenden Nachweisen Berücksichtigung finden. Ein erheblicher Vorteil liegt dabei in der gleichzeitigen Betrachtung von Wandverformungen und deren Auswirkung auf die Umgebung. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die die Prognosegenauigkeit von entsprechenden FE-Modellen in der Gegenüberstellung mit tatsächlichen Kontrollmessungen (vgl. hierzu auch Kapitel 12.7) zeigen. Bei Berücksichtigung der eingangs genannten Anforderungen an die stofflichen und geometrischen Modellierungen können dabei in guter Näherung die tatsächlich eintretenden Verformungen infolge der Wandverschiebungen und des Baugrubenaushubs abgebildet werden. Dies gilt jedoch nicht für die ebenfalls in relevanter Größenordnung möglichen herstellungsbedingten Verformungen, was hier bereits mehrfach erwähnt wurde.

12.7 Kontrollen 12.7.1 Übersicht Kontrollen sind durchzuführen, um den Nachweis einer einwandfreien Planung und Ausführung zu erbringen. Viele Prüfungen der Baustoffe sind in den entsprechenden Normen in Form von Festigkeitsprüfungen und sonstigen Kontrollen geregelt. Auch die messtechnische Überwachung ist eine Form der Kontrolle und wird ausführlich in Kapitel 16 behandelt. In diesem Kapitel 12.7 werden folgenden Kontrollen in Ergänzungen zum Kapitel 16 behandelt. • • • • •

Messtechnische Überwachung der Sohlen von Trogbaugruben Messtechnische Überwachung bei Wasserhaltungen Bewertung von Messergebnissen Prüfungen von Bauteilen der Baugruben Baustoffprüfungen

Auf die allgemein bekannte Prüfung gem. DIN EN 206-1 für Beton wird nicht weiter eingegangen. Es werden jedoch Hinweise zur Prüfung besonderer Bauteile gemacht und die Prüfung von Bodenverfestigungen behandelt.

12

712

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Baugruben

Die messtechnische Überwachung von Baugruben ist laufend erforderlich, um daraus Schlüsse im Hinblick auf die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit ziehen zu können. Die messtechnische Überwachung von Wasserhaltungen ist erforderlich, um die Grundwasserbeeinflussung zu minimieren. Kontrollen der Grundwasserförderung und der Absenkhöhen können frühzeitig auf mögliche Havarien hinweisen und diese dadurch vermeiden. Auf die in diesem Zusammenhang erforderlichen Analysen von Grundwasserproben wird hier nicht eingegangen. Zur Bewertung von Verformungen sind die in EAB [7] definierten Schwellen-, Eingreif- und Alarmwerte von Bedeutung. Diese Werte sind im Rahmen der Planung zu bestimmen. Da das Erreichen oder Überschreiten dieser Werte durch die Messergebnisse Einfluss auf den Bauablauf haben kann, sind diese vorab zwischen allen Beteiligten (Bauherr, Prüfinstanzen, Planer und ausführende Firma) abzustimmen und in einem Überwachungskonzept festzulegen.

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Bild 12-65 Sicherungsablaufplan zur Bewertung von Messergebnissen

Weiter ist auch ein Sicherungsablaufplan (siehe Bild 12-65) zu erstellen, der vorgibt, wer wann zu informieren ist und welche Sicherheitsmaßnahmen zu treffen sind. Er ist speziell jeder Baustellensituation anzupassen.

12.7

Kontrollen

713

In der Tabelle 12.32 sind die möglichen Beteiligten und Sicherungen zu Bild 12-65 angegeben. Tabelle 12.32 Mögliche Beteiligte und Sicherungen bei einer messtechnischen Überwachung Überschreitung von

Information an

Sicherung

Schwellenwert SW

Beteiligte 1 Bauüberwacher, Bauleiter, Planer Beteiligte 2 Bauüberwacher, Prüfingenieur, Bauleiter, Bauherr Planer

• •

Messintervalle verringern Randbedingungen der Planung und Ausführung überprüfen

• •

Messintervalle verringern Falls erforderlich Sicherungen vorbereiten

Beteiligte 3 Bauüberwacher Prüfingenieur Bauleiter Bauherr Planer Nachbarn



Falls erforderlich Baustopp Sicherung einbauen

Eingreifwert EW

Alarmwert AW



12.7.2 Überwachung von Dichtsohlen 12.7.2.1 Unterwasserbetonsohlen Messtechnisch ist es möglich, die Verformungen von Sohlen zu erfassen. Am einfachsten gestaltet sich dies bei Unterwasserbetonsohlen. In [5] sind Beispiele von ausgeführten messtechnischen Überwachungen von Sohlverformungen erläutert. In Bild 12-66 sind die Prinzipien der Verformungsmessungen bei Unterwasserbetonsohlen dargestellt.

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Bild 12-66 Verformungsmessungen an Unterwasserbetonsohlen

Der Einbau von Extensiometern wurde mehrfach bei einem großen Bauvorhaben in Berlin vorgenommen. Jedoch zeigte sich, dass die Messergebnisse von Mehrfachextensiometern nicht fehlerfrei sind. Der Einbau vor dem Unterwasseraushub und die Verankerung im Untergrund inkl. der Verfüllung des Bohrloches sind problematisch. Der Einbau des Extensiometers vor dem Aushub ist zwar sinnvoll, um auch die Hebung der Aushubsohle zu

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12

Baugruben

messen, dabei können jedoch die Köpfe der Extensiometer durch die Aushubgeräte beschädigt werden. Die Köpfe sind entsprechend weit genug unter der Aushubsohle anzuordnen und von Tauchern nach dem Aushub für die Kabelführung und die Auslesung des Datenloggers freizulegen. Die Anordnung von Messtürmen oder steifen Messstäben, mit deren Hilfe die Hebung der Sohle an diesem Punkt geodätisch gemessen werden kann, ist die einfachste Methode, die allerdings erst nach dem Aushub und der Betonage der UW-Sohle möglich ist. Es können damit, wie auch beim Extensiometer, nur einzelne Hebungspunkte der UW-Sohle überwacht werden. Eine sehr gute Methode ist die Anordnung von Horizontalinklinometern auf der Sohle (siehe auch [5]). Damit ist die Hebung der Sohle beim Lenzen erkennbar. Werden zusätzlich die Hebungen an den Baugrubenwänden gemessen, ist die Gesamtverformung beim Lenzen der Trogbaugrube dokumentiert (Bild 12-67).

Bild 12-67 Ergebnisse von Inklinometermessungen auf der Sohle und geodätische Hebungsmessungen der Baugrubenwände

Die Hebungen entstehen durch die Entlastung des Baugrundes und die Beanspruchung der Unterwasserbetonsohle durch den Wasserdruck unter der Sohle. Die Materialparameter der UW-Sohle sind gut einzugrenzen bzw. auch gut zu bestimmen. Der Hebungsbetrag infolge der Entlastung ist von der Bodensteifigkeit abhängig. Die Mächtigkeit der eingebauten Unterwasserbetonsohle kann durch Kernbohrungen geprüft werden. Die Bohrlöcher sind vor dem Lenzen kraftschlüssig zu schließen.

12

Bei sehr großen in einem Zug betonierten Flächen sind Risse in der UW-Betonsohle infolge Schwinden des Betons nicht zu vermeiden. Durch das Einlegen von Bewehrungskörben kann die Risslage gesteuert werden. Vor dem Lenzen im Zuge des Pumpversuches (siehe 12.7.2.4) sind die Risse mit Hilfe von Tauchern aufzunehmen und zu schließen. Hier bieten sich in der ersten Phase eine Zementinjektion an, wenn keine Wasserströmung durch den Riss erfolgt. Später sind schnell abbindende Kunststofflösungen einzusetzen. 12.7.2.2 Sohlen aus Zementsuspension Düsenstrahlsohlen werden durch überschnittene Düssäulen und Zementinjektion durch aneinandergereihte etwa kugelförmige Körper hergestellt. Die Überschneidung der Düssäulen oder die vollständige Injektion des Bodens muss gesichert sein, um eine dichte Baugrube zu gewährleisten. Es ist dafür erforderlich, vor Ort in der Tiefe der geplanten Sohle Probesäulen herzustellen, um den erreichten Durchmesser bestimmen zu können. Hierfür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung.

12.7

Kontrollen

• •

715

Entnahme von Bohrkernen in verschiedenen Abständen von der Düsachse bzw. von Injektionsquelle Tastbohrungen bis auf den verfestigten Probekörper in verschiedenen Abständen

Beim Düsenstrahlverfahren können alternativ noch folgende Prüfungen durchgeführt werden: • • •

Farbpegelverfahren Hydrophon- oder Erschütterungspegelverfahren Tastschirmverfahren

Die Düssäulen oder die Injektionskörper freizulegen und zu vermessen, ist in der Regel durch das anstehende Grundwasser und die erforderliche Tiefe nicht möglich. Es sind daher die oben aufgeführten indirekten Verfahren einzusetzen. Bei Probesäulen ist es zwingend erforderlich, die Lage der Düs- oder Injektionsachse einzumessen, um in der Tiefe die Reichweite von der Achse bestimmen zu können. Die besten Erkenntnisse lassen sich aus Kernbohrungen ableiten, da so eine Probe aus dem Verfestigungskörper entnommen und begutachtet werden kann. Das Verfahren der Tastbohrung eignet sich gut in Sanden. Beim Antreffen der Verfestigung wird der Bohrvortrieb durch den Verfestigungskörper maßgebend verringert. Das HydrophonVerfahren oder das Verfahren mit Erschütterungspegeln wird beim Düsenstrahlverfahren eingesetzt. Dabei werden Pegel in unterschiedlichen Abständen von der Düsachse messtechnisch überwacht. Bestreicht der Suspensionsstrahl den Pegel, wird ein Signal registriert und die Reichweite kann ermittelt werden. Die Messergebnisse müssen dabei aus Erfahrung interpretiert werden. Das Tastschirmverfahren, bei dem die Ausbreitung von Schirmstreben in der frischen Säule gemessen wird, ist bei großen Bohrtiefen für DS-Sohlen nur eingeschränkt einsetzbar, da die Schirmkonstruktion in der Düskerze abgeteuft werden muss. Bei Farbpegeln werden die mit einem Farbanstrich versehenen Pegel nach dem Düsen gezogen und aus dem Abrieb wird auf den Durchmesser geschlossen. Bei tiefliegenden Dichtsohlen ist in der Regel die Festigkeit nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da nur eine Abdichtungswirkung zu erzielen ist. Bei mittelhochliegenden Dichtund Stützsohlen muss hingegen die Festigkeit nachgewiesen werden. Die erforderliche Anzahl der zu prüfenden Kerne wird in der DIN 4093 geregelt. In Deutschland ist es erforderlich, dass für das eingesetzte DS-Verfahren eine Zulassung vorliegt. Für die Zementinjektion sind die DIN EN 12715 und die DIN SPEC 18187 zu beachten. Kernproben von Verfestigungskörpern aus großen Tiefen zu gewinnen, erfordert erfahrene Bohrfirmen. Der Kern muss einen Durchmesser von ca. d = 10 cm besitzen und sollte ein Verhältnis h/d ≥ 2 aufweisen, sonst sind Abminderungen der bestimmten Druckfestigkeit vorzunehmen. 12.7.2.3 Weichgelsohlen Die Kontrolle der Ausführung von Weichgelsohlen kann nur in Probefeldern erfolgen. Das Ausbreitmaß an einzelnen Probeinjektionen im Feld zu messen ist nicht möglich, da die Festigkeit einer Bodenprobe mit dem injizierten Weichgel sehr gering und die Entnahme einer ungestörten Probe praktisch nicht möglich ist. Es sollte daher z. B. in einem Spundwandkasten die erreichte Dichtigkeit überprüft werden.

12

716

12

Baugruben

12.7.2.4 Grundwasserhaltung Messungen der Wassermengen und Absenktiefen bei Grundwasserabsenkungen, wie im Kapitel 6 beschrieben, ermöglichen eine Kontrolle der Kennwerte für die Berechnung und machen Fehler bei der Herstellung, z. B. beim Brunnenausbau, erkennbar. Messungen ermöglichen es auch, dass Inhomogenitäten, die unterschiedliche Durchlässigkeiten aufweisen, im Baugrund erkannt und im Zuge der Ausführung eine Anpassung der Planung (z. B. Lage von Brunnen) vorgenommen werden. Bei Trogbaugruben wird Grundwasser beim Pumpversuch, beim Lenzen und nach der Absenkung im Trog als sogenanntes Restwasser gefördert. In der Regel werden in Deutschland die Förderwassermengen von den zuständigen Behörden begrenzt, um das Grundwasser zu schonen. Für Trogbaugruben hat sich eine Restwasserrate von 1,5 l/s je 1.000 m² benetzter Fläche als Grenzwert etabliert und wird i.d.R. von den Behörden genehmigt. Im Rahmen des Pumpversuches ist die Dichtigkeit der Trogbaugrube zu kontrollieren. Beim Pumpversuch erfolgt eine Probeabsenkung des Grundwassers in der Baugrube. Dabei wird die Wasserförderung gemessen und daraus die Durchlässigkeit der Gesamtkonstruktion ermittelt. Der Pumpversuch kann in drei Phasen ausgeführt werden, die im Bild 12-68 dargestellt sind.

Bild 12-68 Ideale Messwerte bei einem Pumpversuch

12

Aus den Messwerten der Wasserförderung und dem Absenkmaß kann die Restwasserrate ermittelt werden. Die benetzte Fläche ist dabei für die unterschiedlichen Trogbaugruben gemäß Bild 12-69 anzusetzen, um die Restwasserrate je 1.000 m² zu bestimmen. In der Phase 2, in der die Pumprate und damit auch der Wasserstand konstant gehalten werden, ist der Porenraum im Boden nicht von Bedeutung. Bei den hochliegenden Sohlen wird das Restwasser über eine Dränage auf der Sohle abgeleitet und auch hier ist kein Porenraum anzusetzen. Beim Ansatz des Porenraumes im Boden ist die Herstellung der Dichtsohle zu berücksichtigen. Bei einer natürlichen Dichtsohle ist der Porenraum nach den geotechnischen Untersuchungen unter Abzug des sog. Zwickelwassers (natürliche Bodenfeuchte) anzusetzen. Bei der Herstellung einer Injektion mit Zement oder Weichgel sind die mit verfestigter Stützsuspension gefüllten Bohrungen zu berücksichtigen, die nicht entwässert werden können. Wenn Injektionsschläuche eingerüttelt werden, sind diese aufgrund ihres geringen Volumens vernachlässigbar. Bei Düssohlen verringern die verfestigten Düskerzen hingegen den ansetzbaren Porenraum. Der Durchmesser dieser

12.7

Kontrollen

717

Düskerzen hängt vom Boden und vom Bohrvorgang ab. Bei ungünstigen Verhältnissen wurden Düskerzendurchmesser bis zu 1 m festgestellt. Weiter ist beim Düsen und Injizieren ein Eintrag des Abdichtungsstoffes (Zementsuspension oder Weichgel) auch oberhalb der planmäßigen Sohle zu erwarten. Je nach Durchlässigkeit des Bodens oberhalb der Sohle sollte diese Verringerung des Porenraumes berücksichtigt werden. Mit dem richtig angesetzten Porenraum lassen sich auch für die Phase 1 und 3 beim Pumpversuch die Restwasserraten ermitteln.

12

Bild 12-69 Benetzte Fläche bei Trogbaugruben

718

12

Baugruben

Tabelle 12.33 Ermittlung der Restwasserrate beim Pumpversuch Phase 1

Absenkung

r1 = (w1 - pred  a  A1) / (A1 + A2)

2

Konstanter Wasserstand

r2 = w2 / (A2 + A2)

3

Wiederanstieg

r3 = (Pred  a  A1) / (A1 + A2)

mit A1[m²] A2 [m²] p [-] Pred [m³] qi [m³/h] a [m/h] ri [m³/h]

12.7.3

- Grundrissfläche der Baugrube - Benetzte Baugrubenfläche gem. Bild 12.69 - Porenanteil des Bodens oberhalb der Dichtsohle - Reduzierter Porenanteil (pred  0,8 bis 0,6  p), bei Unterwasserbetonsohlen ist Pred = 1 - Geförderte Wassermenge q1 beim Absenken und q2 bei konstanter Förderung - Absenkung oder Anstieg des Grundwassers im Trog je Stunde - Restwasserrate

Bodenverfestigungen

Bodenverfestigungen werden für Wände (siehe 12.3.2.4) und Unterfangungen (siehe 12.3.3) eingesetzt. Die Überwachung und Prüfung ist in den Kapiteln 9.5.4, 9.8.4 und 9.9.4 beschrieben. In diesem Abschnitt wird noch auf die Besonderheiten auf Baustellen eingegangen. Bei Bodenverfestigungswänden mit dem MiP- oder DS-Verfahren ist neben der Kontrolle der Festigkeit gem. DIN 4093 auch der Überschnitt der Säulen von Bedeutung. Dieser sollte im Zuge der Herstellung durch die Kontrolle der Vertikalität und der Lageabweichung am Ansatzpunkt geprüft werden. Beim Aushub kann durch die erkannte tatsächliche Neigung der Säulen auch für noch nicht sichtbare Wandflächen die Lage ermittelt werden, um bei Neigungsabweichungen frühzeitig Sicherungen vornehmen zu können. Die Kontrolle der ausreichenden Tiefe ist über die Herstellungsprotokolle gut möglich, soweit sie wie bei modernen Geräten üblich - kontinuierlich aufgezeichnet werden. Mit Messung des Anpressdruckes und der Vortriebsgeschwindigkeit bei Vollkernbohrungen oder Kernbohrungen können die Tiefen der Verfestigungskörper auch nachträglich kontrolliert werden. Bei Unterfangungen muss vor dem vollflächigen Freilegen auch der Anschluss der Verfestigungskörpers an das zu unterfangende Fundament kontrolliert werden. In Bild 12.70 sind die erforderlichen Kontrollen an einem Unterfangungskörper dargestellt.

12

Bild 12-70 Kontrollen an einem verfestigten Unterfangungskörper

12.8

Literatur

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12.8 Literatur [1] [2]

[3] [4]

[5]

[6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24]

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12

13

Böschungen, konstruktive Hangsicherungen und Stützkonstruktionen Dietmar Adam, Paul Waibel, Johannes Giere und Edelbert Vees

13.1 Einführung Böschungen, konstru ktive Hangs icherungen

Böschungen sind schräg abfallende Geländeflächen, wie sie z. B. bei Einschnitten und Dämmen im Straßen- und Bahnbau hergestellt werden. Natürlich anstehendes geneigtes Gelände wird im Allgemeinen als „Hang“ bezeichnet. Ohne zusätzliche Maßnahmen sind Böschungen und Hänge nur bis zu einer bestimmten Höhe und Neigung standsicher. Solche Maßnahmen können von ingenieurbiologischen Bauweisen über konstruktive Böschungssicherungen bis hin zu massiven Stützkonstruktionen reichen. Dieser Beitrag gibt einen praxisbezogenen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten zur Ausführung und Berechnung von Böschungen und Stützkonstruktionen. Zunächst werden die allgemein gültigen Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen unter Berücksichtigung des Eurocodes EC7 vorgestellt. In der weiteren Folge werden die wesentlichen Merkmale der verschiedenen Bauweisen, ihre Tragwirkung, die Besonderheiten des Entwurfs sowie die jeweiligen speziellen Berechnungsgrundlagen und Berechnungsverfahren beschrieben und durch Berechnungsbeispiele verdeutlicht. Stützkonstruktionen können heute auch als Erdwärmeabsorber zur Nutzbarmachung der im Untergrund gespeicherten thermischen Energie ausgebildet werden. In einem abschließenden Abschnitt werden hierzu Hinweise gegeben und Fallbeispiele vorgestellt. Ob und mit welchen Maßnahmen Böschungen und Hänge gesichert werden müssen, wird in erster Linie durch die topographischen Gegebenheiten und die Bodenverhältnisse bestimmt. Die verschiedenen Möglichkeiten der Böschungs- und Hangsicherung sind in Bild 13-1 zusammengefasst. Bei entsprechender Beschaffenheit des Baugrunds und ausreichenden Platzverhältnissen können Böschungen frei, d. h. ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen ausgeführt werden (vgl. hierzu Abschnitt 13.3). Bei den ingenieurbiologischen Bauweisen werden Pflanzen („lebende Baustoffe“) als Sicherungselemente verwendet. Unterschieden wird hier zwischen flächenhaften, linearen und punktuellen Maßnahmen. Sie dienen vor allem der oberflächigen bzw. oberflächennahen Sicherung von Hängen und Böschungen. Für tiefer reichende Sicherungen empfiehlt sich eine Kombination mit konstruktiven Elementen („Kombinierte Bauweisen“). Konstruktive Böschungssicherungen können als eine Art der Bodenverbesserung gesehen werden. Über den Einbau von Sicherungselementen, wie z. B. Anker, Bodennägel oder Geotextilien, wird ein „Verbundkörper aus Boden und Bewehrung“ [18] hergestellt, über den die auftretenden Lasten abgetragen werden können. Zu den konstruktiven Böschungssicherungen gehören die klassische bewehrte Erde, die geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen und die Bodenvernagelung.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_13

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13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Systematik der Böschungen, Sicherungsmaßnahmen und Stützkonstruktionen Freie Böschungen Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberfläche Konstruktive Böschungssicherungen Bewehrte Erde Konstruktionen Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen Bodenvernagelung Stützbauwerke Flach gegründete Stützbauwerke Gewichtsstützmauern Winkelstützmauern Nagelwände Raumgitter-Stützkonstruktionen Rippenwände Ankerwände (Elementwände) Tief gegründete Stützbauwerke Pfähle und Pfahlwände Dübel und Stützscheiben Brunnen und Brunnenwände Spundwände Injektionsvernagelung, Injektionsverdübelung Stabwände Düsenstrahlwände und MIP-Wände

13

Schlitzwände Trägerbohlwände Sonstige Stützkonstruktionen Fangedämme Aufgelöste Stützkonstruktionen Galerien Schalentragwerke

Bild 13-1 Systematik der Böschungen, Sicherungsmaßnahmen und Stützkonstruktionen

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

723

Stützbauwerke dienen zur Aufnahme bzw. Ableitung von horizontalen und vertikalen Einwirkungen aus dem angrenzenden Erdreich. Entsprechend dem Tragverhalten und der konstruktiven Ausbildung wird zwischen flach gegründeten Stützbauwerken („Stützmauern“) und tief gegründeten Stützbauwerken („Stützwände“) unterschieden [3]. Bei flach gegründeten Stützbauwerken werden die Einwirkungen in der Regel ohne zusätzliche Verankerung über die Bauwerkssohle in den Boden eingeleitet 1. Tief gegründete Stützbauwerke werden auf Biegung, Schub oder Biegung und Schub beansprucht. Oft werden auch zusätzlich Anker, Nägel oder Steifen zur Lastabtragung herangezogen [74]. Die tief gegründeten Stützbauwerke werden häufig auch zur Baugrubensicherung verwendet, daher wird für diese Bauwerke häufig auf Abschnitt 12 Bezug genommen. Konstruktionen, die keiner der obigen Kategorien eindeutig zugeordnet werden können, werden in diesem Beitrag zu den „Sonstigen Stützkonstruktionen“ zusammengefasst (vgl. Abschnitt 13.6). Im Abschnitt 13.7 wird auf Möglichkeiten der Böschungs- und Hangstabilisierung durch Entwässerungsmaßnahmen eingegangen.

13.2

13.2.1

Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

Einwirkungen und Widerstände

13.2.1.1 Allgemeines Welche Einwirkungen und Widerstände bei der Bemessung von Böschungen und Stützkonstruktionen zu berücksichtigen sind, wird in EC7 / DIN 1054 [61] erläutert. Auf der Einwirkungsseite ist zu unterscheiden zwischen: – Statischen Einwirkungen (Eigengewicht des Bodens und des Stützbauwerks, statische Lasten aus auf- und umliegenden Bauwerken, Erddruck, Wasserdruck des ruhenden und strömenden Wassers, Nutzlasten, Verformungen auf Grund von Hangkriechen, sonstige geotechnische Einwirkungen (vgl. [61])), – veränderlichen Einwirkungen (Verkehrslasten, Wind, Schnee, Eis, veränderliche Lasten aus auf- und umliegender Bebauung) und – dynamischen und zyklischen Einwirkungen (z.B. Stoß- und Anpralllasten, Erdbeben, Lawinen und Muren, Maschinenlasten). Sofern die statischen und veränderlichen Einwirkungen nicht schon in den Lasten aus aufliegenden Bauwerken berücksichtigt sind (Gründungslasten), können sie nach den entsprechenden Normen des Eurocodes ermittelt werden. Die Berechnung des Erddrucks aus Bodeneigenlast und aus zusätzlichen äußeren Lasten erfolgt nach DIN 4085 [28] und ist im Abschnitt 12 (Baugruben) näher erläutert. Dynamische Lasten dürfen, falls ihre dynamische Wirkung keine erheblichen Auswirkungen hat, bei der Nachweisführung als statische Ersatzlasten berücksichtigt werden; das gilt z. B. 1

In diesem Sinn können auch konstruktive Böschungssicherungen als flach gegründete Stützbauwerke gesehen werden; bei ihnen wird allerdings der Boden selbst mit zur Lastabtragung herangezogen. Nagelwände (siehe Abschnitt 13.5.6) werden in diesem Beitrag den flach gegründeten Stützbauwerken zugeordnet.

13

724

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

für Verkehrsregellasten. In anderen Fällen sind dynamische Lasten gesondert zu betrachten. Erdbebenlasten werden detailliert in DIN 4149 [33] und im EC8 behandelt. Auf der Widerstandsseite ist zwischen den Materialwiderständen der jeweiligen Konstruktion und den Widerständen von Boden bzw. Fels zu unterscheiden. Zu letzteren gehören nach [61]: – – – – – –

die Scherfestigkeit (Reibung und Kohäsion) die Steifigkeit Sohlwiderstände (Grundbruch- und Gleitwiderstand) der Erdwiderstand (bzw. die Bettung des Bauwerks im Boden) Eindring- und Herausziehwiderstände von Pfählen, Zuggliedern, Ankern etc. sowie Seitenwiderstände von Pfählen.

Die Ermittlung der Materialwiderstände und die Führung der entsprechenden Nachweise sind in den jeweiligen Bauartnormen geregelt. Für die Berechnung der Widerstände von Boden bzw. Fels sind der EC7 / DIN 1054 bzw. jene Normen und Richtlinien, auf die dort verwiesen wird, heranzuziehen. 13.2.1.2 Erddruck und Erdwiderstand Der Erddruck ist jener Druck, den der an ein Bauwerk angrenzende Boden auf die Konstruktion ausübt. Je nach Bodenart setzt er sich aus einem Reibungsanteil und/oder einem Kohäsionsanteil zusammen. Wirken auf der Geländeoberfläche Flächenlasten oder örtliche Lasten, so enthält der Erddruck zusätzlich Anteile aus der jeweiligen Belastung. Die Größe und Verteilung des wirkenden Erddrucks hängt von der Richtung, der Art und dem Ausmaß der Bewegung der Stützkonstruktion ab. Dabei wird zwischen drei Grundfällen unterschieden (siehe Bild 13-2) [106]:

13

1.

Die Stützkonstruktion (in diesem Fall eine Stützmauer) bewegt sich vom Erdreich weg. Der nachrutschende Erdkeil belastet die Mauer „aktiv“. Dieser aktive Erddruck ist der kleinste Erddruck, der auf ein Bauwerk wirken kann.

2.

Die Stützkonstruktion bewegt sich zum Erdreich hin und drückt dabei im Bruchzustand einen Erdkeil ab. Der Erddruck wirkt passiv auf das Bauwerk. In diesem Fall spricht man vom passiven Erddruck oder Erdwiderstand; er entspricht dem größtmöglichen Erddruck.

3.

Die Stützkonstruktion bewegt sich nicht. Es wirkt der Erdruhedruck, der größenmäßig zwischen dem aktiven und dem passiven Erddruck liegt.

Zur Aktivierung der Grenzwerte des aktiven und passiven Erddrucks sind entsprechende Wandbewegungen notwendig, wobei für den passiven Erddruck weit größere Bewegungen erforderlich sind als für den aktiven Erddruck. Bei kleineren Bewegungen treten Zwischenwerte des Erddrucks auf (erhöhter aktiver Erddruck, Erdruhedruck, verminderter passiver Erddruck (siehe oben)). Die Berechnung des Erddrucks ist in Deutschland in der DIN 4085 [28] geregelt. Dort werden in der Tabelle B1 in Abhängigkeit von der Nachgiebigkeit der Stützkonstruktion verschiedene Erddruckansätze angegeben (sieh hierzu Tabelle 13.1). Als Grundwerte gehen in die Erddruckberechnung die Bodenkennwerte (Wichte γ, Reibungswinkel φ, Kohäsion c) und der Wandreibungswinkel δ ein. Darüber hinaus ist der Erddruck vom Wandneigungswinkel α und vom Geländeneigungswinkel β abhängig [106].

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

725

Bild 13-2 Grenzfälle des Erddrucks (aktiver Erddruck (a), passiver Erddruck (b)) und Erdruhedruck (c) sowie Zusammenhang zwischen Erddruck und Wandbewegung [106]

Beim Ansatz der Bodenkennwerte ist zu beachten, dass eine Erhöhung der Wichte eine Vergrößerung sowohl des aktiven als auch des passiven Erddrucks bewirkt. Eine Erhöhung des Reibungswinkels und/oder der Kohäsion führt zu einer Verringerung des aktiven und einer Vergrößerung des passiven Erddrucks. Bei den Scherparametern wird zwischen jenen des drainierten Zustands (φ, c) und jenen des undrainierten Zustands (φu, cu) unterschieden. Die Kohäsion darf nach [48] nur dann angesetzt werden, wenn der Boden dauerhaft vor Austrocknung und Frost geschützt ist, d. h. wenn sich seine Zustandsform durch äußere Einflüsse nicht ungünstig verändern kann. Außerdem darf der Boden beim Durchkneten nicht breiig werden. Über den Wandreibungswinkel wird in der Berechnung die Reibung zwischen Mauerrückwand und Erdreich berücksichtigt. Er hängt von der Scherfestigkeit des Bodens, von der Rauhigkeit der Wandoberfläche, von der Relativbewegung zwischen Wand und Boden und von der Gleitflächenform ab [96]. Beim aktiven Erddruck ist sein Vorzeichen positiv (δa ≥ 0), beim passiven negativ (δp ≤ 0). Betragsmäßig liegt er zwischen 0 und φ (optimale Verzahnung zwischen Erdreich und Konstruktion). Die bei den verschiedenen Stützkonstruktionen angesetzten Werte werden in den zugehörigen Abschnitten erläutert. Eine Erhöhung des Wandreibungswinkels bewirkt eine Verringerung des aktiven und eine Vergrößerung des passiven Erddrucks. Auf die Berechnung des Erddrucks wird detailliert in Abschnitt 12 (Baugruben) eingegangen. Bei der Berechnung von Stützkonstruktionen können folgende Sonderformen des Erddrucks relevant sein: – – – – – – –

Der Erdruhedruck, der erhöhte aktive Erddruck oder verminderte passive Erddruck, der Verdichtungserddruck, der Kriechdruck, der Silodruck, der räumliche Erddruck sowie Erddruckumlagerungen.

Auf diese Sonderformen wird nachfolgend eingegangen. 13.2.1.2.1 Erdruhedruck Der Erdruhedruck entspricht dem im ungestörten Boden wirkenden Erddruck und wird bei Stützkonstruktionen angesetzt, die sich überhaupt nicht bewegen. Für den Sonderfall α = β = δ = 0 kann der Erdruhedruckbeiwert nach folgender Formel berechnet werden [28]:

13

726

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

K0 gh = 1 − sin 

(13.1)

In der DIN 4085 sind auch für den allgemeinen Fall Formeln zur Berechnung des Erdruhedruckbeiwerts angegeben. Die Kohäsion geht dabei nicht in die Berechnung ein. 13.2.1.2.2 Erhöhter aktiver und verminderter passiver Erddruck Zwischenwerte des Erddrucks stellen sich dann ein, wenn die Bewegungen der Stützkonstruktion nicht zur Aktivierung des jeweiligen Grenzfalles ausreichen. Der Wert des erhöhten aktiven Erddrucks liegt zwischen dem aktiven Erddruck und dem Erdruhedruck, jener des verminderten passiven Erddrucks zwischen dem Erdruhedruck und dem passiven Erddruck. Näherungsweise können Zwischenwerte des Erddrucks über Interpolation zwischen den Grenzwerten bestimmt werden. Dazu müssen die zu erwartenden Bewegungen bzw. die Nachgiebigkeit der Konstruktion abgeschätzt werden. In der DIN 4085 sind sowohl für den aktiven als auch passiven Fall Anhaltswerte für die zu erwartenden Bewegungen und Angaben zum Erddruckansatz enthalten (vgl. Tabelle 13.1). Tabelle 13.1 Zeile

1

2

13

3

Erddruckansatz in Abhängigkeit von der Nachgiebigkeit der Stützkonstruktion [28]

Nachgiebigkeit der Stützkonstruktion

Konstruktion (Beispiele)

nachgiebig

Stützwände, die während ihrer gesamten Nutzungszeit geringe Verformungen in Richtung der Erddruckbelastung ausführen können und dürfen. Zum Beispiel Uferwände, auf Lockergestein gegründete Stützwände.

wenig nachgiebig

Stützwände nach Zeile 1, bei denen während ihrer Nutzungszeit Verformungen in Richtung der Erddruckbelastung unerwünscht sind und die gegen den ungestörten Boden hergestellt worden sind.

annähernd unnachgiebig

Stützwände, die auf Grund ihrer Konstruktion unter der Erddruckbelastung anfänglich geringfügig nachgeben, sich dann aber nicht mehr verformen können oder dürfen. Zum Beispiel:

unnachgiebig

aktiver Erddruck

erhöhter aktiver Erddruck Eah = 0,75  Eah + 0,25  E0h

erhöhter aktiver Erddruck im Normalfall:

Eah = 0,50  Eah + 0,50  E0h Kellerwände und Stützwände, die in Bauwerke einbezogen sind und von diesen zusätzlich in Ausnahmefällen: gestützt werden, Eah = 0,25  Eah + 0,75  E0h Bemessung der stehenden Schenkel von Winkelstützwänden. Stützwände, die auf Grund ihrer Konstruktion weitgehend unnachgiebig sind:

4

Erddruckansatz

Zum Beispiel auf Festgestein gegründete Stützmauern als ebene Systeme und auf Lockergestein gegründete Stützwände als räumliche Systeme, z. B. Brückenwiderlager mit biegesteif angeschlossenen ParallelFlügelmauern.

erhöhter aktiver Erddruck Eah = 0,25  Eah + 0,75  E0h in Ausnahmefällen bis Erdruhedruck

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

727

13.2.1.2.3 Verdichtungserddruck Durch intensive Verdichtung der Hinterfüllung von Stützkonstruktionen kann sich ein Erddruck einstellen, der größer als der aktive Erddruck ist. Angaben zur Berechnung sind DIN 4085 [28] zu entnehmen. 13.2.1.2.4 Kriechdruck Bei Stützkonstruktionen in kriechenden Hängen kann sich ein Erddruck einstellen, dessen Wert den Erdruhedruck deutlich überschreitet. Brandl [18] gibt für diesen Kriechdruck für den Sonderfall, dass die Böschungsneigung β dem Reibungswinkel φ entspricht, den folgenden Berechnungsansatz an:

EKr = m( )   

h2  cos2  2

(13.2)

In der obigen Formel bezeichnet h die Mauerhöhe, m(φ) ist der sogenannte Vervielfältigungsfaktor. Der Vervielfältigungsfaktor ist vom Reibungswinkel und von der Bauwerkssteifigkeit abhängig. Er kann nach Bild 13-3 bestimmt werden. Der schraffierte Bereich wurde auf der Grundlage zahlreicher Bauwerksmessungen festgelegt und hat sich als Dimensionierungsgrundlage gut bewährt [18].

13 Bild 13-3 Vervielfältigungsfaktor m(φ) für die Ermittlung des Kriechdruckes auf Stützbauwerke in Hanglage. Gestrichelte Grenzkurven: theoretische Extremwerte [18]

Der obige Ansatz liefert auch für Böden mit Kohäsion hinreichend genaue Ergebnisse. Man geht dabei von der Annahme aus, dass der Böschungswinkel gleich einem fiktiven Scherwinkel ist, der auch Kohäsionsanteile berücksichtigt. 13.2.1.2.5 Silodruck Der Silodruck tritt dann auf, „wenn der Bodenkörper hinter einer Wand geometrisch so begrenzt ist, dass der Erddruck auf die Wand kleiner ist als wenn der Erdkörper nicht begrenzt

728

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

wäre“ [28]. Detaillierte Angaben zur Berechnung können DIN 4085 [28] und Abschnitt 12 entnommen werden. 13.2.1.2.6 Räumlicher Erddruck Im aktiven Fall ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen jenem räumlichen Erddruck, der auf einzelne schmale Baukörper (z. B. Pfeiler in einer Böschung) wirkt, und jenem, der bei kurzen Wänden wirkt, die sich mehr bewegen als ihre seitliche Umgebung (z. B. Wand eines suspensionsgestützten Schlitzes) [28]. Im ersten Fall ergibt sich aus der räumlichen Wirkung ein im Vergleich zum ebenen Fall vergrößerter aktiver Erddruck. Nach DIN 4085 [28] kann dieser Einfluss näherungsweise über den Ansatz einer entsprechenden Einflussbreite berücksichtigt werden. Im zweiten Fall ist der auf die Wand wirkende Erddruck durch die Gewölbewirkung im Boden geringer als im vergleichbaren ebenen Fall. Verschiedene Berechnungsansätze zur Berücksichtigung dieser räumlichen Wirkung werden in Abschnitt 12 erläutert. Der räumliche passive Erddruck ist bei schmalen Wänden bzw. Druckflächen von Bedeutung. Auf Grund der Seitenreibung ist der Erddruck im räumlichen Fall höher als im vergleichbaren ebenen Fall. In dem in DIN 4085 angegebenen Berechnungsverfahren wird dieser Einfluss über eine vergrößerte rechnerische Breite des Bauteils bzw. der Wand berücksichtigt. Weitere Berechnungsansätze wurden von Krey und Weissenbach entwickelt, vgl. Abschnitt 12 und [106]. 13.2.1.3 Wasserdruck Der Wasserdruck kann als Einwirkung in Form von Grund- oder Schichtwasserdruck, Staudruck, Sohlwasserdruck (Auftrieb), Fugenwasserdruck, Strömungsdruck und Porenwasserdruck auftreten [106]. In diesem Abschnitt wird speziell auf die Wirkung des Strömungsdrucks und dessen Berücksichtigung bei Standsicherheitsuntersuchungen eingegangen. Durch eine Wasserströmung wird auf die Bodenteilchen ein zusätzlicher Druck ausgeübt. Dieser Strömungsdruck wird durch die spezifische Strömungskraft fs beschrieben, die vom hydraulischen Gefälle i abhängig ist: fs = i   w

13

(13.3)

Ihre Richtung ist durch die Tangente an die Strömungslinie vorgegeben. Im Folgenden wird als Beispiel eine umströmte Stützwand betrachtet. Die genaueste Methode zur Ermittlung der Strömungsdruckverteilung ist die Konstruktion eines Strömungsnetzes. Näherungsweise kann die horizontale Wirkung der Strömung aber auch über den Ansatz einer hydrostatischen Wasserdruckverteilung berücksichtigt werden, wobei der Wasserdruck auf der aktiven Seite mit i ∙ ta abnimmt und auf der passiven Seite mit i ∙ tp zunimmt (ta ist die Tiefe ab GOK auf der aktiven Seite, tp jene auf der passiven Seite). Die vertikale Wirkung der Strömung geht über die effektive Wichte in die Berechnung ein ([48], [106]): Aktive Seite (abwärtsgerichtete Strömung):

 =   + fs =   + i   w

(13.4)

Passive Seite (aufwärtsgerichtete Strömung):

 =   − fs =   − i   w

(13.5)

Dadurch ergibt sich auf der Einwirkungsseite ein vergrößerter aktiver Erddruck und auf der Widerstandseite ein verminderter passiver Erddruck. Die Lastfiguren sind in Bild 13-4

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

729

ersichtlich. Erkennbar sind darin auch jene Wasser- und Erddruckverteilungen, die sich im nicht umströmten Fall einstellen würden.

Bild 13-4 Lastbilder bei einer umströmten Baugrubenwand (nach [74])

Da das hydraulische Gefälle nicht konstant ist, muss man von Näherungen ausgehen. Erfolgt keine genauere Berechnung mit Hilfe eines Strömungsnetzes, kann nach [106] das mittlere hydraulische Gefälle bei ausschließlich vertikaler Umströmung und homogenem Baugrund wie folgt bestimmt werden: Aktive Seite (Strömung nach unten): ia = Passive Seite (Strömung nach oben): i p =

0,7  hw (t + d ) + (t + d )  t 0, 7  hw t + (t + d )  t

(13.6)

(13.7)

Dabei ist hw die Wasserspiegeldifferenz, t+d der durchströmte Weg auf der aktiven Seite und t der durchströmte Weg auf der passiven Seite (Einbindetiefe der Wand, siehe auch Bild 13-4). Zu beachten ist, dass die Annahme eines linearen Druckabbaus beim Nachweis gegen hydraulischen Grundbruch auf der unsicheren Seite liegen kann, insbesondere bei geschichteten Böden mit unterschiedlichen Durchlässigkeiten in den einzelnen Schichten. Gerade in kritischen Fällen empfiehlt sich deshalb die Konstruktion von Strömungsnetzen [118]. Auf die Berücksichtigung von Wasserströmungen bzw. Porenwasserdrücken bei Standsicherheitsuntersuchungen von freien Böschungen wird in Abschnitt 13.3.3 eingegangen.

13.2.2

Nachweisverfahren

13.2.2.1 Allgemeines Bei Stützbauwerken müssen neben den Nachweisen der Standsicherheit (ULS = Ultimate limit state) auch die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS = Serviceability limit state) erbracht werden.

13

730

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bei der Berechnung der Standsicherheit ist grundsätzlich zwischen der Untersuchung der inneren und der äußeren Standsicherheit zu unterscheiden. Die innere Standsicherheit bezieht sich auf die Festigkeit eines Bauwerks bzw. der einzelnen Bauteile an sich – man überprüft, ob die einwirkenden Lasten von der Konstruktion aufgenommen werden können. Bei der äußeren Standsicherheit geht es um Interaktion zwischen Bauwerk und Boden, d. h. darum, ob die Lasten einwandfrei in den Baugrund übertragen werden [45]. Welche Nachweise der äußeren und inneren Standsicherheit geführt werden müssen, hängt von der jeweiligen Konstruktion ab. In Bild 13-5 sind schematisch die Bruchmechanismen zur Ermittlung der äußeren und inneren Standsicherheit am Beispiel einer modularen Stützmauer aus bewehrtem Boden (z. B. Kombination Gabionen – Bewehrung aus Geokunststoffen) veranschaulicht.

13

Bild 13-5 Bruchmechanismen zur Ermittlung der äußeren und inneren Standsicherheit bei einer modularen Stützmauer aus bewehrtem Boden und einer konstruktiv integrierten Außenhaut aus Fertigteilelementen [18]

Die nach EC7 / DIN 1054 zu führenden Nachweise der äußeren Standsicherheit werden nachfolgend detaillierter beschrieben; auf die Nachweise der inneren Standsicherheit wird bei jeder Konstruktion gesondert eingegangen.

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

731

13.2.2.2 Nachweise der Tragfähigkeit 13.2.2.2.1 Nachweis der Kippsicherheit (EQU) Für flach gegründete Bauwerke wurde mit Einführung des EC7 der Nachweis der Sicherheit gegen Gleichgewichtsverlust durch Kippen (Grenzzustand EQU) neu aufgenommen. Er ergänzt den Nachweis der zulässigen Exzentrizität (klaffende Fuge), der im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit erbracht wird (vgl. Abschnitt 13.2.2.3). Der Nachweis der Kippsicherheit ist für Stützbauwerke, die in der Regel stark exzentrisch belastet werden, von besonderer Bedeutung. Für tief gegründete Stützkonstruktionen, die im wesentlichen auf Biegung beansprucht werden, entfällt der Nachweis. Für den Nachweis der Kippsicherheit nach EC7 / DIN 1054 sind die jeweiligen Bemessungswerte der destabilisierenden und stabilisierenden Momente um die angenommene Kippachse gegenüberzustellen. Die Kippachse wird vereinfachend am Rand des Fundamentes angenommen, obwohl die Lage der Kippachse mit zunehmender einseitiger Belastung infolge der lokalen Plastifizierungen durch Spannungsüberschreitungen am Fundamentrand in Richtung der Fundamentmitte wandert. Die Kippsicherheit ist nachgewiesen, wenn folgende Bedingung erfüllt wird:

M G,k ,dst   G,dst + MQ,k ,dst   Q  MG,k ,stb   G,stb

(13.8)

Dabei sind die Teilsicherheiten des Grenzzustandes EQU aus Tabelle A 2.1 des EC7 / DIN 1054 zugrunde zu legen. 13.2.2.2.2 Nachweis der Gleitsicherheit (GEO-2) Beim Nachweis der Gleitsicherheit (Nachweis des Gleitwiderstands) wird die parallel zur Sohlfläche der Stützkonstruktion wirkende Komponente der Beanspruchung dem Gleitwiderstand gegenübergestellt. Auf der Widerstandsseite kann zusätzlich der passive Erddruck angesetzt werden. Beim Ansatz des passiven Erddrucks und des Sohlwiderstands ist jedoch die mit der Aktivierung dieser Kräfte verbundene Bewegung zu berücksichtigen und mit den vorhersehbaren Verschiebungen im betrachteten Grenzzustand abzustimmen. Häufig wird daher zur Begrenzung der Verformungen nur ein Teil des Erdwiderstands angesetzt, der auch bei geringeren Verformungen aktiviert werden kann 2. Für den Nachweis sind die Teilsicherheiten des Grenzzustands GEO-2 nach Tabellen A 2.1 und A 2.3 des EC 7 / DIN 1054 zugrunde zu legen. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

H d  Rd + Rp,d mit

2

Hd Rd

(13.9)

Resultierende aller tangentialen Bemessungsbeanspruchungen in der Sohlfläche Bemessungswert des Gleitwiderstands

Der Ansatz des Erdwiderstandes beim Nachweis der Gleitsicherheit war in der Ausgabe der DIN 1054 von 1976 noch einheitlich auf 0,5 Ep begrenzt. Diese Einschränkung wurde in den folgenden Ausgaben nicht mehr aufgenommen.

13

732

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Rp,d Bemessungswert des Erdwiderstands parallel zur Sohlfläche an der Stirnseite der Stützkonstruktion (Berechnet mit einem Wandreibungswinkel  = 0) Der Bemessungswert des Gleitwiderstand Rd wird gemäß EC7 / DIN 1054 nach folgender Formel ermittelt (bei vollständig konsolidiertem Boden):

Rd = Vk  tan  k  R,h mit

(13.10)

Vk‘ charakteristischer Wert der Sohlnormalkraft δk charakteristischer Wert des Sohlreibungswinkels bei Ortbetonfundamenten: δk = φk (max. 35°) bei Fertigteilen δk = 2/3∙φk R,h Teilsicherheitsbeiwert des Gleitwiderstands nach Tabelle A 2.3 EC7 / DIN 1054

Unter Umständen kann es erforderlich sein, zusätzliche Gleitflächen bzw. Bruchflächen im Boden zu untersuchen (siehe Bild 13-6). Für im Boden verlaufende Bruchflächen ist

(

Rd = Vk  tan  k + A  ck mit

13

A ck

)

R,h

.

(13.11)

für die Kraftübertragung maßgebende Sohlfläche charakteristischer Wert der Kohäsion des Bodens in der Bruchfläche

Bild 13-6 Mögliche Gleitfugen am Beispiel einer Stützmauer [74]

Für Bauwerke auf unkonsolidierten Tonböden ist der Gleitwiderstand mit der undrainierten Kohäsion des Bodens zu ermitteln:

(

Rd = A  cu ,k

)  R ,h

(13.12)

Dabei ist der Bemessungswert des Gleitwiderstands auf 40% des Bemessungswertes der Sohlnormalkraft Vd begrenzt:

Rd  0, 4 Vd

(13.13)

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

733

13.2.2.2.3 Nachweis der Grundbruchsicherheit (GEO-2) Unter „Grundbruch“ versteht man das Versagen des Baugrunds unter der Belastung eines Grüdungskörpers durch Ausschöpfen der Scherfestigkeit des Bodens [24]. Typische Gleitflächen beim Grundbruch für Stützmauern sind in Bild 13-7 dargestellt. Der Nachweis der ausreichenden Sicherheit gegen Grundbruch wird nach dem Verfahren 2 (GEO-2) nach EC7 / DIN 1054 geführt und ist erbracht, wenn

Vd  Rd mit

Vd Rd

(13.14)

Bemessungswert der Beanspruchungen senkrecht auf die Fundamentsohle Bemessungswert des Grundbruchwiderstands

Der Bemessungswert des Grundbruchwiderstandes wird aus dem charakteristischen Grundbruchwiderstand Rn,k ermittelt. Die Sohlneigung der Resultierenden und die Exzentrizität der Last in der Sohlfläche, die jeweils großen Einfluss auf den Grundbruchwiderstand haben, werden also in der Regel durch die charakteristischen Beanspruchungen definiert. Der charakteristische Wert des Grundbruchwiderstands berechnet sich nach DIN 4017 [24] wie folgt: Rn,k = a  b  ( 2  b  Nb +  1  d  Nd + c  Nc )

mit

(13.15)

a, b rechnerische Abmessungen der Grundfläche d Gründungstiefe γ1 Wichte des Bodens oberhalb der Gründungssohle γ2 Wichte des Bodens unterhalb der Gründungssohle c Kohäsion Nb, Nc, Nd Tragfähigkeitsbeiwerte für den Einfluss der Gründungsbreite, der Kohäsion und der Gründungstiefe (Ermittlung nach DIN 4017)

Für die Ermittlung der Bemessungswerte der Einwirkungen und des Grundbruchwiderstandes sind die Teilsicherheitsbeiwerte nach EC7 / DIN 1054 für GEO-2 heranzuziehen (Tabelle A 2.1).

a)

b)

13

Bild 13-7

Gleitflächenausbildung beim Grundbruch am Beispiel einer Gewichtsmauer (a) und einer Winkelstützmauer (b) (nach [57])

734

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bei der Ermittlung der resultierenden Beanspruchung in der Sohlfläche können auch Bodenreaktionskräfte Bk an der Stirnseite des Fundamentes als Einwirkungen berücksichtigt werden. Die Bodenreaktionskräfte Bk dürfen jedoch nicht größer sein als 50% des charakteristischen Erdwiderstands (berechnet mit =0°). Auch die parallel zur Sohlfläche angreifenden charakteristischen Beanspruchungen dürfen nicht überschritten werden. Für sogenannte Regelfälle sieht die Normung auch die Möglichkeit eines vereinfachten Nachweises der Grundbruchsicherheit vor. In diesem Fall wird der Bemessungswert der Sohldruckbeanspruchungen E,d dem Bemessungswert des Sohlwiderstands R,d gegenübergestellt. Dieses vereinfachte Verfahren kann wegen der häufig großen Lastneigung und Exzentrizität bei Stützbauwerken jedoch in der Regel nicht angewendet werden. 13.2.2.2.4 Nachweis der Sicherheit gegen Geländebruch (GEO-3) Unter einem Geländebruch versteht man laut DIN 4084 [27] das „Abrutschen eines Erdkörpers an einer Böschung, einem Hang oder an einem Geländesprung, gegebenenfalls einschließlich des Stützbauwerks und eines Teils des umgebenden Bodens infolge Ausschöpfens des Scherwiderstands des Bodens und eventuell vorhandener Bauteile. […] Der rutschende Erdkörper kann sich dabei selbst verformen oder annähernd als starrer Körper abrutschen.“ Geländebruch, Böschungsbruch und Hangrutschung beschreiben den gleichen bodenmechanischen Sachverhalt. Der Begriff Hangrutschung schließt auch langsame Kriechvorgänge mit ein [111]. Auch Grundbruch kann als Form des Geländebruchs gesehen werden, bezieht sich allerdings auf ebenes und flach geneigtes Gelände. Bei Geländebruchuntersuchungen wird die Kinematik der versagenden Böschung oder des versagenden Hanges betrachtet. Erdkörper, die möglicherweise rutschen könnten, werden daraufhin untersucht, ob sie sich im stabilen Gleichgewicht befinden. Dazu idealisiert man die Erdkörper als starre Scheiben und stellt die Einwirkungen den widerstehenden Kräften gegenüber. Maßgebend ist jener Körper oder jener Bruchmechanismus, der die geringste Sicherheit gegen Versagen aufweist. Da die wirkliche Bruchfläche in den meisten Fällen nur sehr aufwändig festgestellt werden kann, geht man von einfachen geometrischen Formen wie Geraden oder Kreisen aus. Durch die Geologie vorgegebene Gleitlinien müssen berücksichtigt werden (siehe Bild 13-8).

13

Ist eine Böschung bzw. eine Stützkonstruktion verankert, müssen sowohl Bruchmechanismen, deren Gleitlinien die Zugglieder schneiden, als auch solche, die die Zugglieder voll einschließen, untersucht werden [96]. Da normalerweise eine große Anzahl von Gleitkörpern und Bruchmechanismen überprüft werden müssen, werden die Berechnungen bevorzugt EDV-unterstützt durchgeführt. Mögliche Berechnungsverfahren werden in der DIN 4084 erläutert; sie sind in Tabelle 13.2 zusammengefasst. Eine detaillierte Behandlung der einzelnen Verfahren erfolgt in Abschnitt 13.3.3. Geländebruchuntersuchungen können auch mit der Methode der Finiten Elemente (FEM) durchgeführt werden (vgl. Abschnitt 13.2.3.3).

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

Bild 13-8

735

Bruchmechanismen bei der Böschungsbruchuntersuchung [96]

Tabelle 13.2 Berechnungsverfahren gemäß DIN 4084 Berechnungsverfahren

Anwendungsgebiete

Verfahren mit geraden und einsinnig gekrümmten Gleitlinien Lamellenfreie Verfahren

Lamellenverfahren

mit allgemein geraden Gleitlinien

Gleitflächen „geologisch bestimmt“ (Schichtung, Trennflächengefüge), Geländesprünge mit Stützbauwerken und konstruktiven Böschungssicherungen, Abschätzung der Standsicherheit von Böschungen in einfachen Fällen

mit böschungsparalleler Gleitlinie

kohäsionslose, homogene Böden; geringmächtige Deckschichten (z. B. Oberflächenabdichtungen), entsprechendes Trennflächengefüge

mit kreisförmiger Gleitlinie

homogene Böschungen

mit kreisförmiger Gleitlinie

allgemeiner Nachweisfälle, speziell bei geschichteten Böden, Geländesprünge mit Stützbauwerken und konstruktiven Hangsicherungen

mit nicht kreisförmigen Gleitlinien

allgemeine Nachweisfälle, Gleitflächen „geologisch bestimmt“, besonders gut geeignet für annähernd böschungsparallele Gleitebenen

Verfahren mit mehreren geraden Gleitlinien (zusammengesetzte Bruchmechanismen) Blockgleitverfahren, Verfahren mit inneren Gleitlinien

Geländesprünge mit Stützbauwerken und konstruktiven Böschungssicherungen, Gleitflächen „geologisch bestimmt“ (Schichtung, Trennflächengefüge)

13

736

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.2.2.2.5 Nachweis der Sicherheit gegen Versagen des Erdwiderlagers (GEO-2) Dieser Nachweis ist bei Stützbauwerken, bei denen die Lastabtragung teilweise oder ganz über deren Einbindung im Baugrund erfolgt, zu erbringen. Es ist sicherzustellen, dass der Bemessungwert der Horizontalkomponente der resultierenden Auflagerkraft B h,d höchstens so groß ist wie der Bemessungswert der Horizontalkomponente des Erdwiderstandes Eph,d:

Bh,d  E ph,d

(13.16)

Zusätzlich muss überprüft werden, ob der angenommene Erdwiderstand auch tatsächlich aktiviert werden kann [3]. Dazu muss die folgende Bedingung erfüllt sein (Überprüfung des vertikalen Gleichgewichts):

Vk = Vk ,i  Bv,k mit

Vk Bv,k

(13.17)

Summe der Vertikalkomponenten aller von oben nach unten gerichteten charakteristischen Einwirkungen nach oben gerichtete Komponente der charakteristischen Auflagerkraft

13.2.2.2.6 Nachweis der Sicherheit gegen Versinken von Bauteilen (GEO-2) Der Nachweis gegen Versinken infolge vertikaler Belastung ist nach [61] bei wandartigen Stützbauwerken (z. B. Spundwände oder Bohrpfahlwände) zu erbringen. Es gilt

Vd = Vd ,i  Rd mit

Vd Rd

(13.18)

Bemessungswert der lotrechten Beanspruchungen am Wand- bzw. Trägerfuß Bemessungswert des Widerstandes der Wand bzw. des Bohlträgers in axialer Richtung

Als Widerstände wirken die Wandreibung an der Vorderseite der Stützwand und ein eventuell vorhandener Spitzenwiderstand. 13.2.2.2.7 Nachweise bei verankerten Stützkonstruktionen

13

Bei verankerten Stützkonstruktionen sind zusätzlich die Nachweise der Sicherheit gegen Versagen in der tiefen Gleitfuge sowie gegen Aufbruch des Verankerungsbodens vor Ankerplatten und Ankerwänden zu erbringen. Darüber hinaus ist ein ausreichender Widerstand gegen Herausziehen der Anker samt Verpresskörper und gegen Materialversagen nachzuweisen (siehe dazu auch Abschnitt 13.5.11).

Nachweis der Sicherheit gegen Versagen in der tiefen Gleitfuge (GEO-2) Bei verankerten Stützbauwerken kann es bei unzureichender Ankerlänge zum Versagen in der tiefen Gleitfuge kommen. Dabei gleitet der Anker samt Wand und eingeschlossenem Erdreich auf einer nach oben gekrümmten Bruchfläche ab, bei gleichzeitiger Drehung um einen tief liegenden Punkt (siehe Bild 13-9) [48].

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

737

Bild 13-9 Bruch in der tiefen Gleitfuge [48]

In EC7 / DIN 1054 bzw. den EAB [48] wird zur Nachweisführung das Verfahren nach Kranz vorgeschlagen. Demnach wird die gekrümmte Gleitfuge durch eine gerade Gleitfuge ersetzt und ein trapezförmiger Bodenkörper modelliert (siehe Bild 13-10). An diesem setzt man die wirkenden Kräfte, das Eigengewicht des Bodenkörpers und die Scherfestigkeit in der Gleitfläche an. Berechnet wird jene Ankerkraft, die zum Abgleiten des Körpers führen würde [55]. Eine ausreichende Sicherheit gegen Versagen ist gegeben, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

Ah,vorh,d  Ah,mögl ,d mit

Ah,vorh,d Ah,mögl,d

(13.19)

Bemessungswert der Ankerbeanspruchung Bemessungswert des Widerstandes

Der charakteristische Wert der Ankerbeanspruchung ergibt sich aus der Schnittgrößenermittlung am Stützbauwerk. Für die Bemessungswerte sind die Teilsicherheitsbeiwerte für den Versagenszustand GEO-2 zu berücksichtigen. In EC7 / DIN 1054 wird darauf hingewiesen, dass sich bei Geländebruchuntersuchungen unter Umständen größere Ankerlängen ergeben können als beim Nachweis gegen Versagen in der tiefen Gleitfuge.

13

Bild 13-10 Nachweis in der tiefen Gleitfuge nach Kranz für eine einfach verankerte Baugrubenwand [48]

738

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Nachweis der Sicherheit gegen Aufbruch des Verankerungsbodens vor Ankerplatten und Ankerwänden (GEO-2) Dieser Nachweis ist nach Ziegler [118] analog zum Nachweis gegen Versagen des Erdwiderlagers zu führen. Für den in Bild 13-11 veranschaulichten Bruchmechanismus ist eine ausreichende Sicherheit gegen Versagen des Verankerungsbodens gegeben, wenn

E ph,d  Ah,d + Eah,d

(13.20)

Bild 13-11 Bruchmechanismus zum Nachweis der Sicherheit gegen Aufbruch des Verankerungsbodens [118]

13.2.2.2.8 Nachweise der Sicherheit gegen Aufschwimmen und gegen hydraulischen Grundbruch (HYD / UPL) Wird eine Stützkonstruktion im Grundwasser errichtet, muss die Sicherheit gegen Aufschwimmen (Auftriebssicherheit) bzw. gegen hydraulischen Grundbruch überprüft werden. Für die Nachweise werden die Bemessungswerte der stabilisierenden Einwirkungen (Gewicht der Konstruktion bzw. des durchströmten Bodenkörpers) und der destabilisierenden Einwirkungen (Auftriebskräfte, Strömungskräfte) einander gegenübergestellt.

13

13.2.2.3 Nachweise der Gebrauchstauglichkeit Die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit beziehen sich auf die Einhaltung der zulässigen Verschiebungen, Verdrehungen und Verformungen. Für den Entwurf für die Stützbauwerke sind die zulässigen Verformungen der Konstruktion und Verschiebungen im angrenzenden Gelände zu definieren. Die Art der Konstruktion ist auf dieser Grundlage zu wählen. Unter bestimmten Umständen müssen gesonderte Nachweise geführt werden. Das ist z. B. dann der Fall, wenn aufgrund benachbarter Bauwerke höhere Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit gestellt werden. Für Stützbauwerke in weichen Böden wird die Anwendung der Beobachtungsmethode empfohlen (siehe Abschnitt 13.2.4.2). Der nachfolgende Nachweis der Begrenzung der Exzentrizität (auch: Nachweis der klaffenden Fuge) muss für alle flach gegründeten Stützbauwerke erbracht werden. Für den Nachweis wird die Lage der Resultierenden der charakteristischen Beanspruchung in der Sohlfläche mit Bezug auf die Mitte bestimmt.

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

739

Die Exzentrizität e des Angriffspunktes der Resultierenden wird nach folgender Gleichung ermittelt: M (13.21) e= N Das resultierende Moment Mk um den Schwerpunkt der Sohlfläche und die Normalkraft N k wird mit den charakteristischen Werten der ständigen und veränderlichen Einwirkungen berechnet. Für die Bemesssungssituationen BS-P und BS-T ist der Nachweis erfüllt, wenn die Lage der Resultierenden aus ständigen Lasten noch innerhalb der 1. Kernweite liegt. Das bedeutet, dass in der Sohlfuge kein Klaffen auftreten darf und die Sohle daher vollständig überdrückt ist. Für die maßgebliche Kombination aus ständigen und veränderlichen Lasten, die zur größten Ausmitte führt, muss zusätzlich die Resultierende noch innerhalb der 2. Kernweite liegen. In diesem Fall liegt ein Klaffen der Sohlfuge bis maximal zum Schwerpunkt der Fläche vor. Für den Bereich der zweiten Kernweite gilt 2

2

  ey  1 (13.22)  +   = .   9   by  bx und by sind die Abmessungen der Sohlfläche in x- und y-Richtung, ex und ey die jeweiligen Exzentrizitäten (siehe Bild 13-12).  ex   bx

Bild 13-12 Graphische Darstellung der 1. und 2. Kernweite [118]

13.2.3

Berechnungsverfahren

Stützkonstruktionen können nach unterschiedlichsten Verfahren berechnet werden. Welche Verfahren für die Problemstellung sinnvolle Ergebnisse liefern, hängt von der jeweiligen Konstruktion und den vorgegebenen Randbedingungen ab. Jedes Verfahren geht zwangsläufig von Näherungen bzw. Vereinfachungen aus; außerdem ist der Ansatz von Bodenkennwerten oft mit großen Unsicherheiten behaftet. Brandl [18] empfiehlt daher besonders bei kritischen Projekten Parameterstudien und vergleichende Gegenüberstellungen der verschiedenen Berechnungsmethoden.

13

740

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Berechnungsmethoden sollen am Beispiel von Erddruck- und Bettungsmodulverfahren aufgezeigt werden. Der Vergleich dieser Verfahren ist speziell für tiefe Stützbauwerke von Bedeutung; für flache Stützbauwerke ist er nicht relevant, da in den meisten Fällen keine Bodenreaktion angesetzt wird. Zusätzlich soll kurz auf die Möglichkeit der numerischen Berechnung von Stützkonstruktionen eingegangen werden. 13.2.3.1 Erddruckverfahren Beim Erddruckverfahren werden die auf das Stützbauwerk einwirkenden Kräfte nach der Erddrucktheorie berechnet (siehe Kapitel 13.2.1.2). Auf der aktiven Seite setzt man dementsprechend den aktiven Erddruck, den Erdruhedruck oder Zwischenwerte des Erddrucks an. Auf der Widerstandseite wirkt der passive Erddruck, dessen Größe von der Verschiebung des Bauwerks bzw. von der Nachgiebigkeit des Bodens abhängt. Es wird eine lineare Spannungsverteilung angenommen (siehe Bild 13-13). Ein Nachteil beim Erddruckverfahren ist, dass Verformungen des Bauwerks im Gebrauchszustand nicht berücksichtigt werden. Allerdings sind diese laut Brandl [18] bei Stützbauwerken zur Hangsicherung im Allgemeinen nicht maßgebend. 13.2.3.2 Bettungsmodulverfahren Das Bettungsmodulverfahren berücksichtigt bei der Bemessung auch die Verformungen des Stützbauwerks. Die angreifenden Kräfte werden wie beim Erddruckverfahren nach der Erddrucktheorie berechnet; auf der Widerstandsseite nimmt man jedoch nicht eine lineare, dem Grenz- bzw. Bruchzustand entsprechende Spannungsverteilung, sondern eine verformungsabhängige Spannungsverteilung an. Dadurch wird die Interaktion zwischen Boden und Bauwerk berücksichtigt und das Tragverhalten besser erfasst. Speziell bei Stützbauwerken neben bestehender Bebauung, bei denen die Verformungen eine große Rolle spielen, können mit dem Bettungsmodulverfahren wirtschaftlichere Ergebnisse erzielt werden. Die grundlegende Annahme des Bettungsmodulverfahrens ist, dass die Spannungen σ auf der Widerstandsseite proportional zu den seitlichen Verschiebungen x sind. Der Proportionalitätsfaktor ist der Bettungsmodul ks. Es gilt somit:

13

ks =

 x

(13.23)

Der Bettungsmodul ist keine Bodenkonstante, sondern hängt von mehreren Faktoren ab, wie z. B. vom Bodenaufbau und den bodenphysikalischen Eigenschaften der Schichten, von der Geometrie und der Steifigkeit der Konstruktion sowie von Art, Größe und Dauer der Belastung [101]. Die Festlegung des Moduls erfolgt meist auf Basis von Erfahrungen oder über Probebelastungen. Eine Abschätzung kann über den Steifemodul des Bodens erfolgen (siehe Abschnitt 12). Zu beachten ist, dass die Verteilung der Bettungsreaktion einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Schnittgrößen der Konstruktion hat als der Absolutwert der Reaktion. Der Absolutwert bestimmt wiederum die Verformung der Wand – je geringer der Bettungsmodul ist, desto größer sind die Verformungen. Auf Erfahrungen beruhende Annahmen zum Bettungsmodulverlauf werden in Abschnitt 12 beschrieben.

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

741

Für das Bettungsmodulverfahren gilt, dass die Spannungen auf der Widerstandsseite nicht größer sein dürfen als der passive Erddruck, da dieser den Bruch- bzw. Grenzzustand des Bodens beschreibt und somit den Maximalwert darstellt (Spannungs-Cut off, siehe Bild 13-13). (a)

(b)

Bild 13-13 Spannungsverläufe nach dem Erddruckverfahren (a) und nach dem Bettungsmodulverfahren (b) [3]

13.2.3.3 Numerische Verfahren Numerische Verfahren haben den Vorteil, dass die im Gebrauchszustand auftretenden Schnittgrößen und Verschiebungen zutreffender berechnet werden können, was speziell für die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit von großer Bedeutung ist. Darüber hinaus können numerische Verfahren auch für Nachweise der Tragfähigkeit verwendet werden. Ein häufig angewandtes numerisches Verfahren ist die Methode der Finiten Elemente (FEM). Grundgedanke dieser Methode ist, dass man das betrachtete System in einzelne, einfacher berechenbare Teilbereiche (Elemente) zerlegt (diskretisiert). Die Diskretisierung richtet sich dabei nach der erwarteten Verschiebungs- und Spannungsverteilung. An den Kopplungsbzw. Knotenpunkten der Elemente werden entsprechende Stoffgesetze definiert und in weiterer Folge die Spannungen und Verformungen ermittelt. Grenzlastuntersuchungen erfolgen dabei über eine rechnergesteuerte „Reduktion der Scherparameter“. Dabei werden die Scherparameter über einen Abminderungsfaktor solange reduziert, bis das Versagen eintritt. Die vorhandene Sicherheit gegen Versagen entspricht jenem Faktor, „bei dem gerade noch das Gleichgewicht durch Spannungsumlagerung […] erreicht wird“ [59]. Die bei der FEM erhaltenen Ergebnisse sind unter anderem neben der gewählten Diskretisierung im besonderen Maß von der Art des Stoffgesetzes abhängig. Um die verschiedenen Einflüsse und Unsicherheiten bei den Eingabewerten zu berücksichtigen, ist deshalb die Durchführung von Parameterstudien besonders wichtig [59]. Numerische Verfahren können für Geländebruchuntersuchungen und zur Berechnung von konstruktiven Böschungssicherungen und Stützbauwerken herangezogen werden. Sie empfehlen sich besonders bei komplexen Problemen, bei denen hohe Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit gestellt werden. Nähere Angaben und detaillierte

13

742

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Regelungen für die Anwendung numerischer Verfahren bei der geotechnischen Bemessung sind in den Empfehlungen des Arbeitskreises „Numerik in der Geotechnik“ EANG [51] und in der ÖNORM B 1997-1-1 [80], dem österreichischen nationalen Anhang zum EC 7, enthalten.

13.2.4

Sicherheitskonzepte

13.2.4.1 Globales Sicherheitskonzept und Teilsicherheitskonzept Die neuen, europaweit harmonisierten Regelungen beruhen auf dem Teilsicherheitskonzept [96]. Da allerdings noch nicht alle normativen Bemessungs- und Berechnungsgrundlagen darauf abgestimmt sind, kommt derzeit teilweise auch noch das alte, globale Sicherheitskonzept zur Anwendung. Es sollen deshalb beide Konzepte kurz erläutert werden. Beim globalen Sicherheitskonzept wird das Verhältnis zwischen maximal möglichen Widerständen (charakteristische Widerstände) und den tatsächlichen Einwirkungen (charakteristische Einwirkungen) gebildet [3]. Es gilt somit:

Rk Ek mit

Rk Ek η

= 1

(13.24)

charakteristische Widerstände3 charakteristische Einwirkungen bzw. Beanspruchungen (Auswirkungen der Einwirkungen) globale Sicherheit

Die Werte für η lagen bei der DIN 1054:1976 zwischen 1,05 (Sicherheit gegen Auftrieb) und 2,00 (Grundbruchsicherheit). Im Gegensatz dazu werden beim Teilsicherheitskonzept Sicherheitsfaktoren eingeführt, die die Streuung der Einwirkungen bzw. Beanspruchungen und Widerstände berücksichtigen. Aus den charakteristischen Werten der Beanspruchungen und widerstehenden Materialkennwerte werden mit den Teilsicherheitsfaktoren „Bemessungswerte“ errechnet, mit denen man den entsprechenden Standsicherheitsnachweis führt:

13

 F  Fk = Fd  Rd =

Rk

M

(13.25)

bzw.

Ed Rd mit

3

γF γM

=  1

(13.26)

Teilsicherheitsbeiwert für die Einwirkungen bzw. Beanspruchungen Teilsicherheitsbeiwert für die Widerstände

Unter einem charakteristischen Wert versteht man den Wert einer Einwirkung oder eines Widerstands, der „mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit im Bezugszeitraum unter Berücksichtigung der Nutzungsdauer des Bauwerks und der Bemessungssituation nicht überschritten oder unterschritten wird“ [61].

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

Rd Ed μ

743

Bemessungswert der Widerstände Bemessungswert der Einwirkungen bzw. Beanspruchungen Ausnutzungsgrad

Die Teilsicherheitsbeiwerte ergeben sich nach EC 7 / DIN 1054 [61] aus dem entsprechenden Grenzzustand und aus dem verwendeten Nachweisverfahren. 13.2.4.2 Beobachtungsmethode – Semi-empirische Bemessung Wie Brandl [18] erläutert, ist es bei hohen, steilen Böschungen und Hängen in heterogenem Untergrund oft schwierig, Aussagen über eine „echte Standsicherheit“ zu treffen. Ursache dafür ist, dass die Festlegung der Bodenkennwerte und Bergwasserverhältnisse mit großen Unsicherheiten behaftet sein kann. Hier wäre es unwirtschaftlich, von vornherein die aufwändigsten Stützsysteme zu verwenden. In solchen Fällen ist die Anwendung der sogenannten Beobachtungsmethode möglich. Sie ist definiert als „Kombination der üblichen geotechnischen Untersuchungen und Berechnungen (Prognosen) mit der laufenden messtechnischen Kontrolle des Bauwerks und des Baugrunds während dessen Herstellung und gegebenenfalls auch während dessen Nutzung, wobei kritische Situationen durch die Anwendung geeigneter technischer Maßnahmen beherrscht werden müssen.“ [61] Die Effektivität der eingesetzten Konstruktionen wird laufend mit Hilfe eines entsprechenden Messprogramms überprüft, das zeitnah von geotechnischen Sachverständigen ausgewertet und interpretiert werden muss. Falls die zuvor festgelegten Grenzwerte überschritten werden, sind weitere Maßnahmen zu ergreifen. Wichtig ist, dass vor Baubeginn ein Rahmen für die zu erwartenden und vertretbaren kritischen Situationen bzw. Schäden sowie die jeweils zu treffenden Maßnahmen festgelegt werden. Anwendungsbeispiele der Beobachtungsmethode sind in [11], [18] und [92] beschrieben.

13.2.5

Normative Berechnungs- und Bemessungsgrundlagen

13.2.5.1 Allgemeines Zur Berechnung und Bemessung von Böschungen, konstruktiven Böschungssicherungen und Stützbauwerken steht eine Vielzahl von Regelwerken zur Verfügung. In Tabelle 13.3 sind jene Normen, die allgemein gültige Regelungen enthalten, zusammengefasst. Weitere, speziell für die einzelnen Konstruktionen geltende Regelwerke werden in den zugehörigen Abschnitten genauer behandelt. Ergänzend zu den oben genannten Normen kann außerdem auf diverse Richtlinien zurückgegriffen werden, zum Beispiel auf die Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“ (EAB) [48], die Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen“ (EAU) [47] oder die Empfehlungen für den Entwurf und die Berechnung von Erdkörpern mit Bewehrungen aus Geokunststoffen (EBGEO) [50]. Auf diese und andere Richtlinien wird in Abschnitt 13.5 jeweils genauer eingegangen. Für die Ausführung von Böschungen und Stützkonstruktionen sind auch folgende Richtlinien zu beachten:

13

744

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

– die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau (ZTV E-StB 17), herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen – das Merkblatt zum Einfluss der Hinterfüllung auf Bauwerke, herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. – die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Entwässerungseinrichtungen im Straßenbau (ZTV Ew-StB 91), herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. – die Richtlinien für die Anlage von Strassen (RAS), insbesondere Teil Entwässerung (RASEw), herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. und – die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS), herausgegeben von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr. Tabelle 13.3 Zum Zeitpunkt der Erstellung des Handbuchs gültige Normen für die Berechnung und Bemessung in der Geotechnik Deutschland DIN EN 1997-1

Eurocode 7 – Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln [61]

DIN EN 1997-1/NA

Eurocode 7 – Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; nationaler Anhang – national festgelegte Parameter [61]

DIN 1054

Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1 [61]

DIN 4017

Baugrund – Berechnung des Grundbruchwiderstands von Flachgründungen [24]

DIN 4017, Beiblatt 1

Baugrund – Berechnung des Grundbruchwiderstands von Flachgründungen – Berechnungsbeispiele [25]

DIN 4084

Baugrund – Geländebruchberechnungen [27]

DIN 4085

Baugrund – Berechnung des Erddrucks [28]

Österreich

13

ÖNORM EN 1997-1

Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln [42]

ÖNORM B 1997-1-1

Nationale Festlegungen zur ÖNORM EN 1997-1 und nationale Ergänzungen [81]

ÖNORM B 4435-1

Erd- und Grundbau – Flächengründungen – Teil 1: Berechnung der Tragfähigkeit bei einfachen Verhältnissen [84]

ÖNORM B 4435-2

Erd- und Grundbau – Eurocodenahe Berechnung der Tragfähigkeit [85]

ÖNORM B 4433

Erd- und Grundbau – Böschungsbruchberechnung [82]

ÖNORM B 4434

Erd- und Grundbau – Erddruckberechnung [83]

Schweiz SN EN 1997-1

Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln [107]

SIA 267

Geotechnik [103]

SIA 267/1

Geotechnik – Ergänzende Festlegungen [104]

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

745

13.2.5.2 Bemessung nach EC 7 / DIN 1054 Die grundsätzlichen Regelungen für die Tragfähigkeits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise bei Bauwerken im Erd- und Grundbau sind im Rahmen der europäischen Normung seit September 2009 im DIN EN 1997-1 (sog. EC 7) zusammengestellt. Dies Norm wird durch das nationale Anwendungsdokument DIN EN 1997-1/NA (Dezember 2012) sowie durch die DIN 1054 (Dezember 2010) „Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1“ ergänzt. Diese drei Normen bilden gemeinsam eine Einheit und ergänzen sich. Für sich alleine sind sie jeweils kaum lesbar. Sie wurden daher im Handbuch Eurocode 7 Band 1 in einer einheitlichen Form mit fortlaufend lesbarem Text zusammengestellt [61]. Mit Einführung dieser Normen ist die Umstellung vom Globalsicherheitskonzept auf das Teilsicherheitskonzept in der Geotechnik erfolgt. In den folgenden Abschnitten sollen jene Inhalte der Norm, die für die Berechnung von Böschungen und Stützkonstruktionen relevant sind, näher erläutert werden.

Geotechnische Kategorien Die geotechnische Kategorie, der ein Bauwerk zugeordnet ist, gibt die jeweiligen Mindestanforderungen an Umfang und Qualität geotechnischer Untersuchungen, Berechnungen und Überwachungsmaßnahmen an. In EC 7 / DIN 1054 werden drei geotechnische Kategorien unterschieden (siehe Tabelle 13.4). Tabelle 13.4 Geotechnische Kategorien nach EC 7 / DIN 1054 GK

Schwierigkeitsgrad der Baumaßnahme

Berechnung

1

gering

nein

(Beurteilung auf Erfahrung Grund von Erfahrung)

2

mittel

ja

Standsicherheit und geotechnische Kennt- geotechnischer UnGebrauchstauglichkeit nisse und Erfahrung tersuchungs- und Entwurfsbericht

3

hoch

ja

Tragfähigkeit und zusätzliche UntersuGebrauchstauglichkeit chungen sowie vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen

Nachweise

Grundlagen

Umfang



geotechnischer Untersuchungs- und Entwurfsbericht

Die Einteilung in die einzelnen Kategorien hängt nach DIN 4020 [26] von den Kriterien Bauwerk, Baugrund, Grundwasserverhältnisse und Umgebung ab. Stützbauwerke und nicht verbaute Böschungen oder Hänge werden im Allgemeinen der geotechnischen Kategorie GK 2 zugeordnet. Kriterien zur Einordnung in die anderen Kategorien finden sich im EC 7 / DIN 1054 (Abschnitt 2.1).

Grenzzustände EC 7 / DIN 1054 unterscheidet zwischen den folgenden Grenzzuständen (siehe auch Abschnitt 13.2.2): – Grenzzustände der Tragfähigkeit (ULS – Ultimate Limite State) – Grenzzustände des Versagens durch hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen (HYD und UPL)

13

746

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Diese beiden Grenzzustände beziehen sich auf den Verlust der Lagesicherheit eines Bauwerks infolge der Einwirkungen des ruhenden (UPL) und strömenden Wassers (HYD). HYD bezeichnet den hydraulischen Grundbruch und UPL das Aufschwimmen von Bauwerken. Im Zusammenhang mit tief gegründeten, umströmten Stützbauwerken kommt diesen Nachweisen eine große Bedeutung zu. In beiden Grenzzuständen werden die stabilisierenden und destabilisierenden Einwirkungen gegenübergestellt. Widerstände werden nicht betrachtet, da es sich um bruchlose Versagensformen handelt. – Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit (EQU) Dieser Grenzzustand enthält den mit der Novellierung im Jahr 2009/2010 neu aufgenommenen Nachweis des Kippens um die Außenkante des Fundaments. Auch hier werden nur stabilisierende und destabilisierende Einwirkungen betrachtet. Die Grenzzustände EQU, HYD und UPL entsprechen dem Grenzzustand GZ 1A der früheren Ausgabe der DIN 1054 (Jan. 2005). Der dort noch enthaltene Nachweis der Exzentrizität der Last (klaffende Fuge) wird in der aktuellen Normung dem Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zugeordnet.

13

– Grenzzustände des Versagens von Bauwerken, Bauteilen und Baugrund (STR und GEO-2) Diese Grenzzustände behandeln das Versagen von Bauwerken oder Bauteilen infolge Bruch im Bauwerk oder infolge Bruch des stützenden Bodens [118]. Bauteildominiertes Versagen (z.B. Bruch von Zuggliedern oder Abscheren eines Pfahldübels) ist dem Grenzzustand STR zugeordnet. Bei diesem Grenzzustand werden Schnittgrößen zunächst ohne Teilsicherheite bestimmt (charakteristisch). Die charakteristischen Beanspruchungen werden erst zum Schluss vor der Nachweisführung mit den Teilsicherheitsbeiwerten in Bemessungsbeanspruchungen und die charakteristischen Widerstände in Bemessungswiderstände umgewandelt. Wenn das Versagen von einem Bruchzustand im Boden dominiert wird, liegt der Grenzzustand GEO vor. In Deutschland ist nach EC 7 für das Versagen von Bauteilen und Baugrund das Nachweisverfahren 2 anzuwenden, daher wird dieser Grenzzustand als GEO-2 bezeichnet. Die Mehrzahl der geotechnischen Nachweise sind diesem Grenzzustand zuzuordnen (z.B. Grundbruchsicherheit, Gleitsicherheit, Nachweis des Erdwiderlagers). Wie beim Grenzzustand STR werden die Beanspruchungen und Widerstände zunächst charakteristisch bestimmt und erst unmittelbar vor der Nachweisführung mit den Teilsicherheiten in Bemessungswerte umgewandelt. Die Grenzzustände STR und GEO-2 entsprechen dem früheren Grenzzustand GZ-1C nach DIN 1054 (Jan. 2005). – Grenzzustand des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit (GEO-3) Der Grenzzustand GEO-3 behandelt das Versagen des Baugrunds und aller auf ihm befindlichen Bauwerke durch einen Bruch im Boden oder Fels, z.B. Böschungsbruch und Geländebruch. Die Nachweise werden nach dem Verfahren der faktorisierenden Scherparameter (VFS) nach Fellenius geführt, d. h. die Scherparameter des Bodens und die Einwirkungen werden schon vor der eigentlichen Berechnung in die Bemessungsgrößen umgerechnet.

13.2 Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen

747

– Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (SLS – Serviceability Limit State) Der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit bezieht sich auf die Einhaltung der zulässigen Verschiebungen, Verkantungen und Verformungen des Bauwerks und des Baugrunds. Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit werden mit den charakteristischen Werten der Einwirkungen geführt [61].

Teilsicherheitsbeiwerte Die Teilsicherheitsbeiwerte für die Einwirkungen bzw. Beanspruchungen und für die Widerstände hängen vom jeweiligen Grenzzustand und von der untersuchten Bemessungssituation ab (siehe unten). Sie sind in den Tabellen 13.5 und 13.6 wiedergegeben. Tabelle 13.5 Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen und Beanspruchungen [61] Einwirkung bzw. Beanspruchung

Formelzeichen

Bemessungssituation BS-P

BS-T

BS-A

HYD und UPL: Grenzzustand des Versagens durch hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen Destabilisierende ständige Einwirkungen

G,dst

1,05

1,05

1,00

Stabilisierende ständige Einwirkungen

G,stb

0,95

0,95

0,95

Destabilisierende veränderliche Einwirkungen

Q,dst

1,50

1,30

1,00

Stabilisierende veränderliche Einwirkungen

Q,stb

0

0

0

Strömungskraft bei günstigem Untergrund

H

1,45

1,45

1,25

Q,dst

1,90

1,90

1,45

Ungünstige ständige Einwirkungen

G,dst

1,10

1,05

1,00

Günstige ständige Einwirkungen

G,stb

0,90

0,90

0,95

Q

1,50

1,25

1,00

Strömungskraft bei ungünstigem Untergrund EQU: Grenzzustand des Verlusts der Lagesicherheit

Ungünstige veränderliche Einwirkungen

STR und GEO-2: Grenzzustand des Versagens von Bauwerken, Bauteilen und Baugrund Beanspruchung aus ständigen Einwirkungen allgemeina

G

1,35

1,20

1,10

Beanspruchungen aus günstigen ständigen Einwirkungen

G,inf

1,00

1,00

1,00

Beanspruchungen aus ständigen Einwirkungen aus Erdruhedruck

G,E0

1,20

1,10

1,00

Beanspruchungen aus ungünstigen veränderlichen Einwirkungen

Q

1,50

1,30

1,10

Beanspruchungen aus günstigen veränderlichen Einwirkungen

Q

0

0

0

GEO-3: Grenzzustand des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit Ständige Einwirkungena

G

1,00

1,00

1,00

Ungünstige veränderliche Einwirkungen

Q

1,30

1,20

1,00

SLS: Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit G = 1,00 für ständige Einwirkungen bzw. Beanspruchungen Q = 1,00 für veränderliche Einwirkungen bzw. Beanspruchungen a einschließlich ständigem und veränderlichem Wasserdruck

13

748

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Tabelle 13.6 Teilsicherheitsbeiwerte für Widerstände [61] Widerstand

Formelzeichen

Bemessungssituation BS-P

BS-T

BS-A

STR und GEO-2: Grenzzustand des Versagens von Bauwerken, Bauteilen und Baugrund Bodenwiderstände Erdwiderstand und Grundbruchwiderstand

R,e, R,v

1,40

1,30

1,20

R,h

1,10

1,10

1,10

Pfahlwiderstände aus statischen und dynamischen Pfahlprobebelastungen b Fußwiderstand 1,10

Gleitwiderstand

1,10

1,10

Mantelwiderstand (Druck)

s

1,10

1,10

1,10

Gesamtwiderstand (Druck)

P

1,10

1,10

1,10

Mantelwiderstand (Zug)

s,t

1,15

1,15

1,15

Pfahlwiderstände auf der Grundlage von Erfahrungswerten b, s, t Druckpfähle

1,40

1,40

1,40

s,t

1,50

1,50

1,50

Boden- bzw. Felsnägel

a

1,40

1,30

1,20

Verpresskörper von Verpressankern

a

1,10

1,10

1,10

Flexible Bewehrungselemente

a

1,40

1,30

1,20

Zugpfähle (nur in Ausnahmefällen) Herauszieh-Widerstände

GEO-3: Grenzzustand des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit Scherfestigkeit Reibungsbeiwert tan  des drainierten Bodens und Reibungsbeiwert tan u des undrainierten Bodens Kohäsion c des drainierten Bodens und Scherfestigkeit cu des undrainierten Bodens

, u

1,25

1,15

1,10

c, cu

1,25

1,15

1,10

Herauszieh-Widerstände (vgl. STR und GEO-2)

Bemessungssituationen

13

Mit der Einführung der Bemessungssituationen entsprechend den Regelungen des Eurocodes wurden die früher gebräuchlichen Lastfälle ersetzt. Wie bisher werden entsprechend der Häufigkeit des Eintretens der Bemessungssituation folgende Fälle unteschieden: -

Ständige Bemessungssituation BS-P (persistent situation, früher: LF1) Ständige und regelmäßig während der Funktionszeit des Bauwerks auftretende Einwirkungen Vorübergehende Bemessungssituation BS-T (transient situation, früher: LF2) Einwirkungen von begrenzter Dauer (Bauzustände), planmäßig einmalig auftretende Situationen Außergewöhnliche Bemessungssitutation BS-A (accidental situation, früher: LF3) außergewöhnliche Situationen (Feuer, Explosion); auch das gleichzeitige Auftreten von mehreren voneinander unabhängigen seltenen Einwirkungen

13.3 Freie Böschungen

749

Neu hinzugekommen ist die Bemessungssituation für Erdbebenlasten BS-E. In dieser Bemessungssituation werden auf der Widerstandsseite keine Teilsicherheitsbeiwerte angesetzt. Bei den Bemessungssituationen BS-A und insbesondere bei der Betrachtung von Erdbeben in der Situation BS-E kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks nach dem Eintritt des betrachteten Ereignisses nur noch eingeschränkt ist. Aus der jeweiligen Bemessungssituation ergeben sich die jeweiligen Teilsicherheitsbeiwerte (siehe Tabellen 13.5 und 13.6). Bei Baugrubensicherungen entspricht gemäß den EAB [48] der Regellastfall im Allgemeinen der Bemessungssitutation BS-T und der Ausnahmefall der Bemessungssituation BS-A. In besonderen Situtationen kann nach DIN 1054 und EAB [48] eine Bemessungssitutation BST/A mit abgeminderten Teilsicherheitsbeiwerten verwendet werden. Hierzu gehören z.B. Fliehkräfte, Bremskräfte und Seitenstoß (z. B. bei Baugruben unter Eisenbahnen), selten auftretende Lasten sowie Wasserdruck infolge Wasserständen über dem Bemessungswasserstand.

13.3 Freie Böschungen 13.3.1 Allgemeines Freie Böschungen sind Böschungen, bei denen keine zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Ihre Standsicherheit hängt im Wesentlichen von folgenden Einflussfaktoren ab: – Scherfestigkeit des Bodens (Reibungswinkel  und Kohäsion c), bei Fels auch Trennflächengefüge, – Böschungshöhe h, – Belastung der Böschung und – Durchströmung der Böschung. Der Nachweis der Standsicherheit erfolgt mittels Geländebruchuntersuchungen; mögliche Berechnungsverfahren sind in DIN 4084 beschrieben (vgl. hierzu Abschnitt 13.2.2.2.4). Die Gestaltung temporärer Böschungen von Baugruben wird in DIN 4124 [31] behandelt. Dort sind auch Regelneigungen für Baugrubenböschungen angegeben.

13.3.2

Neigungsempfehlungen für die Vordimensionierung von Böschungen

Bei Vorentwürfen im Straßenbau wird in der Regel eine einheitliche Böschungsneigung von 1:1,5 zugrunde gelegt. Dieses Richtmaß gilt sowohl für Einschnitte als auch für Dämme. Böschungen mit dieser Neigung können noch dauerhaft begrünt und gärtnerisch gepflegt werden.

13

750

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Differenziertere Angaben zur Vordimensionierung der Neigung permanenter Böschungen finden sich in [96]. Dabei wird vorausgesetzt, dass es sich um homogene, nicht durchströmte Böden ohne äußere Lasten handelt. Die in [96] angegebenen Neigungen sind in der Tabelle 13.7 zusammengestellt: Tabelle 13.7 Empfehlungen für Böschungsneigungen [96] Bodengruppe nach DIN 18196

Böschungshöhe

Einschnitte

Dämme

Nichtbindige Böden Feinsand

1:2

1:2

Kiessande

1:1,5

1:1,5

h 0 die Sicherheit gegen Geländebruch gegeben. Der Ausnutzungsgrad wird iterativ ermittelt: Man mindert die widerstehenden Kräfte mit einem angenommenen Wert für μ ab und bestimmt dann ΔT i. Dieser Vorgang wird theoretisch so lange wiederholt, bis ΔTi = 0 ist. Der Ausnutzungsgrad ist dann bestimmt, wenn gilt:

ΔTi Rdi

 0, 03.

(13.67)

Rdi ist der Bemessungswert des gesamten rechnerischen Widerstands des Bodens in der äußeren Gleitlinie des Gleitkörpers i bei μ = 1. Ein Beispiel ist in Bild 13-21 veranschaulicht. Hier wird mit Hilfe des Blockgleitverfahrens die erforderliche Ankerkraft bestimmt. Durch die vereinfachte Annahme, dass die inneren Gleitkörpergrenzen senkrecht sind, werden die Bewegungsmöglichkeiten der einzelnen Blöcke nicht korrekt berücksichtigt. Das Verfahren liefert somit nur eine Näherungslösung, bei der im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass sie ausreichend genau ist.

13 Bild 13-21 Beispiel Blockgleitverfahren [96]: 1, 2, 3 = Gleitkörper; 4 = äußere Gleitlinien; 5 senkrechte innere Lamellengrenze; 6 = Grundwasseroberfläche; 7 = Schicht 1: 1, 1r, 1, c1 = 0; 8 = Schicht 2: 2r, 2, c2; 9 = Krafteck

13.3.3.6 Das Verfahren mit inneren Gleitlinien Der Unterschied zwischen diesem Verfahren und der Blockgleitmethode liegt darin, dass die Gleitlinien zwischen den Gleitkörpern nicht senkrecht stehen müssen, sondern allgemein geneigt sein können. Beim Verfahren der zusammengesetzten Bruchmechanismen ist somit die kinematische Verträglichkeit sichergestellt. Den Bruchmechanismus mit der geringsten Sicherheit findet man über Variation der äußeren und inneren Gleitlinien. In der Regel werden nicht mehr als vier Gleitkörper untersucht [27].

766

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Für die Neigung der Gleitlinien gelten gemäß DIN 4084 folgende Bedingungen: – Der Winkel εij zwischen sich schneidenden äußeren Gleitlinien muss kleiner als 180° sein; – die Winkel Δi zwischen den äußeren und inneren Gleitlinien müssen die Ungleichung

-i ! arc(P ˜ tan Mi )  arc(P ˜ tan Mij )

(13.68)

erfüllen (φi ist der Reibungswinkel an der äußeren Gleitlinie des Teilkörpers i, φij der Reibungswinkel an der inneren Gleitlinie zwischen Körper i und j).7 Bezüglich der Ermittlung der Sicherheit gelten die Ausführungen in Kapitel 13.3.3.5. Ein Beispiel für einen zusammengesetzten Bruchmechanismus ist in Bild 13-22 dargestellt.

Bild 13-22

Beispiel für einen zusammengesetzten Bruchmechanismus mit drei Gleitkörpern [27]

13.3.3.7 Die direkte Gleitblockmethode (DGBM)

13

Die Anwendung des Blockgleitverfahrens und des Verfahrens mit inneren Gleitlinien ist mit der Erstellung aufwändiger Kraftecke verbunden. Von Nawari et al. [76] wurde auf der Basis des Blockgleitverfahrens die direkte Gleitblockmethode entwickelt, bei der die Berechnung mit Hilfe einfacher, analytischer Formeln erfolgt. Ein Berechnungsbeispiel ist im Abschnitt 13.3.3.10.3 wiedergegeben; der Formelapparat kann [46] oder [76] entnommen werden.

7

Diese Ungleichung dient gem. DIN 4084 dazu, Bruchmechanismen, „bei denen sich zwischen den Gleitkörpern senkrecht zu den Gleitlinien rechnerisch Zugkräfte oder unendlich große Druckkräfte im Boden ergeben“ auszuschließen, da diese „physikalisch nicht möglich und außerdem nicht am ungünstigsten und daher nicht maßgebend“ sind. In der DIN 4084 ist außerdem angegeben, dass bei kohäsiven Böden trotz Einhaltung der Ungleichung rechnerisch Zugkräfte auftreten können: „In solchen Fällen sind für den Zustand des rechnerischen Grenzgleichgewichtes die Normalkräfte in allen Gleitlinien zu berechnen, und es ist zu prüfen, ob sich trotz Einhaltung der Gleichung (…) in einem Teil der inneren Gleitlinien rechnerische Zugkräfte ergeben. Ist dies der Fall, so sind Bruchmechanismen zu untersuchen, deren Gleitlinien nicht in der betreffenden kohäsiven Schicht verlaufen“.

13.3 Freie Böschungen

767

13.3.3.8 Die Methode der kinematischen Elemente (KEM) Diese Methode kann als Verallgemeinerung des Verfahrens mit inneren Gleitlinien gesehen werden [96]. Die Böschung wird, wie oben, in kinematisch verschiebliche, starre Bruchkörper unterteilt. Die Elementgrenzen werden von Geraden bzw. Ebenen gebildet. Die Anzahl der Teilkörper ist beliebig und kann je nach Problemstellung gewählt werden. Das Berechnungsschema wird von Gussmann/Schad/Smith [59] wie folgt beschrieben: – Entwicklung bzw. Wahl eines geeigneten Bruchmechanismus. – Beschreibung der Geometrie einschließlich geometrischer und bodenmechanischer Zuordnung. – Ermittlung der Kinematik für vorgegebene virtuelle Randverschiebungen durch Lösen eines linearen Gleichungssystems. – Ermittlung der Statik durch Lösen eines weiteren, von den Verschiebungsrichtungen abhängigen, linearen Gleichungssystems. – Definition und Ermittlung einer geeigneten Zielfunktion: Aus der virtuellen Arbeit der äußeren Kräfte am unverschieblichen Rand kann die Sicherheit als Zielfunktion abgeleitet werden. – Optimierung der Ausgangsgeometrie im Hinblick auf die Zielfunktion unter Beachtung von Nebenbedingungen. Die KEM ist ein statisch und kinematisch korrektes Berechnungsverfahren. Für die Anwendung ist ein entsprechendes Rechenprogramm erforderlich. 13.3.3.9 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Für mindestens mitteldicht gelagerte nichtbindige und mindestens steife bindige Böden (IC > 0,75) ist in den Teilsicherheitsbeiwerten gemäß DIN 1054 für die Bemessungssituation BS-P schon eine ausreichende Sicherheit gegen unzulässige Verformungen berücksichtigt. Bei weichen bindigen Böden wird abhängig von den Ergebnissen im Triaxialversuch ein Ausnutzungsgrad < 1 für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit gefordert. Schmidt [96] gibt für Böden, bei denen die Scherdehnung im undrainierten Triaxialversuch mehr als 20 % beträgt, einen maximalen Ausnutzungsgrad von 0,67 an. Für Scherdehnungen zwischen 10 % und 20 % darf zwischen μ = 0,67 und μ = 1 linear interpoliert werden. Bei besonderen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit (z. Böschungen neben Gebäuden) empfiehlt die DIN 1054 die Erhöhung der Sicherheit durch entsprechende Anpassungsfaktoren oder die Anwendung der Beobachtungsmethode. 13.3.3.10 Berechnungsbeispiel Die Verfahren nach Krey/Bishop, Janbu und die direkte Gleitblockmethode werden anhand eines konkreten Beispiels miteinander verglichen. Untersucht wird eine freie Böschung in geschichtetem, grundwasserführenden Baugrund. Oberhalb der Böschung wirkt eine Streifenlast p von 10 kN/m2. Die Abmessungen und Bodenkennwerte sind Bild 13-23 zu entnehmen; ebenfalls veranschaulicht sind die untersuchten Gleitkörper bzw. Bruchmechanismen (je nach Verfahren).

13

768

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bild 13-23 Berechnungsbeispiel freie Böschung: Systemskizze

Berechnung der Bemessungswerte der Einwirkungen und Widerstände Teilsicherheitsbeiwerte nach EC 7 / DIN 1054 GEO-3, BS-P ([61], Tabellen A 2.1 und A 2.2): γG = 1,00, γφ = 1,25, γc = 1,25

13

Es gelten folgende Gleichungen:

 tan   c  , cd = ,  d =  G   .     c  

d = arctan 

Die Bemessungswerte sind in Tabelle 13.10 angegeben. Tabelle 13.10

Berechnungsbeispiel freie Böschung: Bemessungswerte SU

GW

GU 29,26

φd

[°]

20,46

29,26

cd

[kN/m²]

4,00

0,00

4,00

γd

[kN/m³]

20,00

21,00

22,50

γtot,d

[kN/m³]

20,50

21,50

23,00

13.3 Freie Böschungen

769

13.3.3.10.1 Lamellenverfahren nach Krey/Bishop In Bild 13-24 sind der gewählte Gleitkreis und die Lamelleneinteilung ersichtlich. Lamellengrenzen müssen dort angeordnet werden, wo der Gleitkreis eine Schichtgrenze schneidet. Zur leichteren Berechnung ist es sinnvoll, Lamellengrenzen am Schnittpunkt des Grundwasserspiegels und dem Gleitkreis, an Geländeknickpunkten sowie entsprechend den Angriffspunkten äußerer Lasten anzuordnen [111]. Die Berechnung der Lamellen-Gewichtskräfte und der Böschungssicherheit erfolgt tabellarisch (siehe Tabelle 13.11 und Tabelle 13.12).

13

Bild 13-24 Berechnungsbeispiel freie Böschung: Lamelleneinteilung für das Verfahren nach Krey/Bishop

770

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Tabelle 13.11

n

Berechnung der treibenden Kräfte für das Verfahren nach Krey/Bishop

Verkehrslast p

Sand-Schluff (SU)

Kies (GW)

Kies (GW) gesättigt

Kies-Schluff (GU) gesättigt

p = 10,00 kN/m² b Gw [m] [kN/m]

γ1 = 20,00 kN/m³ A1 G1 [m²] [kN/m]

γ2 = 21,00 kN/m³ A2 G2 [m²] [kN/m]

γ2,r = 21,50 kN/m³ A2 G2r [m²] [kN/m]

γ3,r = 23,00 kN/m³ A3 G3r [m²] [kN/m]

1

0,67

15,34

15,34

2

1,92

44,16

44,16

3

0,42

8,73

0,33

7,10

3,31

76,08

91,91

4

1,29

27,03

0,95

20,43

3,41

78,50

125,96

5

2,22

46,60

1,51

32,49

3,29

75,74

154,82

6

3,21

67,37

2,01

43,26

2,95

67,74

178,36

7

3,58

75,22

2,08

44,74

2,07

47,50

167,46

8

0,41

8,20

3,33

69,89

2,03

43,69

1,31

30,13

151,90

9

1,85

37,03

4,19

88,07

3,05

65,58

0,86

19,76

210,44

10

0,46

9,26

0,72

15,02

0,58

12,41

0,02

0,51

11

1,50

30,00

2,25

47,33

1,68

36,18

113,52

12

37,19

1,50

30,00

2,17

45,53

1,22

26,29

101,82

13

1,29

12,87

2,23

44,58

3,09

64,79

0,75

16,08

138,32

14

1,01

10,10

1,75

35,09

1,78

37,45

82,64

15

0,78

7,78

1,35

26,93

0,46

9,58

44,29

16

0,92

9,22

0,84

16,80

26,02



1684,16

Tabelle 13.12

Berechnungsbeispiel freie Böschung: Berechnung der Böschungssicherheit nach Krey/Bishop

Startwert μ =

0,78

Lamelle

13

Gtot [kN/m]

Gleitkreisradius r =

G+P

u

b

15,02



cd

[°]

φd

( Gi +Pi – bi  ui )  tanj'i +bi  c'i    cosJi +μ  sinJi  tanji

(G+P)·sin

[kN/m]

[kN/m²]

[m]

[kN/m²]

[°]

1

15,34

5,60

1,18

–15,3

4,0

29,3

11,3

–4,0

2

44,16

16,10

1,18

–10,7

4,0

29,3

20,9

–8,2

3

91,91

24,10

1,50

–5,6

4,0

29,3

39,1

–9,0

4

125,96

29,00

1,50

0,2

4,0

29,3

52,1

0,4

5

154,82

31,90

1,50

5,9

4,0

29,3

63,4

15,9

6

178,36

32,90

1,50

11,7

4,0

29,3

73,3

36,2

7

167,46

32,10

1,29

17,2

4,0

29,3

69,9

49,5

8

151,90

30,00

1,11

22,1

4,0

29,3

65,0

57,1

9

210,44

25,90

1,50

27,6

4,0

29,3

93,8

97,5

10

37,19

22,40

0,27

31,4

4,0

29,3

17,1

19,4

11

113,52

19,40

0,87

34,0

0,0

29,3

50,4

63,5

12

101,82

14,00

0,87

38,1

0,0

29,3

47,5

62,8

13

138,32

5,60

1,29

43,6

0,0

29,3

71,6

95,4

14

82,64

1,01

50,0

0,0

29,3

47,4

63,3

15

44,29

0,78

55,6

0,0

29,3

26,8

36,5

16

26,02

0,92

62,0

4,0

20,5

18,4

23,0

Summe

768,1

599,4

Ermittlung des Ausnutzungsgrades:

=

15,0  599,4 = 0,78 15,0  768,1

[kN/m]

13.3 Freie Böschungen

771

13.3.3.10.2 Lamellenverfahren nach Janbu Um die Ergebnisse der verschiedenen Verfahren besser vergleichen zu können, werden die geraden Gleitlinien ungefähr dem Gleitkreis angepasst (siehe Bild 13-23 und Bild 13-25). Die Berechnung der Lamellen-Gewichtskräfte und der Böschungssicherheit erfolgt wiederum tabellarisch (siehe Tabelle 13.13 und Tabelle 13.14).

Bild 13-25 Berechnungsbeispiel freie Böschung: Lamelleneinteilung für das Verfahren nach Janbu Tabelle 13.13

Berechnung der treibenden Kräfte für das Verfahren nach Janbu

Verkehrslast p

N

p = 10,00 kN/m² b Gw [m] [kN/m]

Sand-Schluff (SU) γ1 = 20,00 kN/m³ A1 G1 [m²] [kN/m]

Kies (GW)

Kies (GW) gesättigt

γ2 = 21,00 kN/m³ A2 G2 [m²] [kN/m]

γ2,r = 21,50 kN/m³ A2 G2r [m²] [kN/m]

Kies-Schluff (GU) gesättigt γ3,r = 23,00 kN/m³ A3 G3r Gtot [m²] [kN/m] [kN/m]

1

0,57

13,16

13,16

2

1,72

39,49

39,49 61,02

3

0,23

4,83

0,19

4,00

2,27

52,19

4

0,71

14,91

0,54

11,65

2,46

56,67

83,24

5

1,46

30,66

1,04

22,34

2,72

62,63

115,63

6

2,17

45,61

1,44

31,05

2,24

51,43

128,09

7

2,93

61,43

1,81

38,94

1,75

40,23

140,59

8

3,22

67,62

1,86

40,03

1,13

26,06

133,71

9

0,71

14,20

4,33

90,93

2,71

58,31

0,90

20,77

184,21

10

2,02

40,40

3,90

81,94

2,95

63,34

0,29

6,66

192,34

11

1,50

30,00

2,25

47,25

1,55

33,33

110,58

12

1,50

30,00

2,17

45,57

0,89

19,03

94,60

0,22

4,74

70,92

13

0,69

6,90

1,20

24,00

1,68

35,28

14

1,19

11,90

2,07

41,30

2,14

44,94

98,14

15

1,19

11,90

2,07

41,30

0,71

14,99

68,19

16

0,92

9,20

0,80

15,97



25,17 1559,05

13

772

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Tabelle 13.14

Berechnungsbeispiel freie Böschung: Berechnung der Böschungssicherheit nach Janbu

Startwert μ =

0,85

Lamelle

G

u

b



cd

φd

( Gi +Pi – bi  ui )  tanφ'i +bi  c'i    cos2 i  (1+μ  tani  tanφi )

(G+P)·sin

[kN/m]

[kN/m²]

[m]

[°]

[kN/m²]

[°]

1

13,16

4,84

1,18

–8,8

4,0

29,3

9,8

–2,0

2

39,49

14,50

1,18

–8,8

4,0

29,3

19,1

–6,1

3

61,02

21,88

1,12

–8,8

4,0

29,3

27,6

–9,4

4

83,24

26,79

1,12

–8,8

4,0

29,3

37,9

-12,9

5

115,63

28,95

1,30

16,1

4,0

29,3

46,6

33,4

6

128,09

28,32

1,30

16,1

4,0

29,3

53,7

37,0

7

140,59

27,28

1,30

16,1

4,0

29,3

61,0

40,6

8

133,71

26,27

1,14

16,1

4,0

29,3

59,7

38,6

9

184,21

24,79

1,46

16,1

4,0

29,3

84,5

53,2

10

192,34

22,83

1,42

16,1

4,0

29,3

90,7

55,5

11

110,58

17,93

0,87

45,1

0,0

29,3

72,3

111,0

12

94,60

10,22

0,87

45,1

0,0

29,3

65,2

94,9

13

70,92

3,16

0,69

45,1

0,0

29,3

52,3

71,2

14

98,14

1,19

45,1

0,0

29,3

74,7

98,5

15

68,19

1,19

45,1

0,0

29,3

51,9

68,4

16

25,17

0,92

62,0

4,0

20,5

37,1

47,3

Summe

844,1

719,0

Ermittlung des Ausnutzungsgrades:

=

[kN/m]

719,0 = 0,85 844,1

13.3.3.10.3 Direkte Gleitblockmethode Die Berechnung nach der direkten Gleitblockmethode erfolgt analytisch (nach [76]). Es ergibt sich ein Ausnutzungsgrad μ = 0,76. Zur Überprüfung des Ergebnisses werden die dem ermittelten Ausnutzungsgrad entsprechenden Kräfte berechnet und das Krafteck gezeichnet (siehe Bild 13-26). Das Krafteck ist geschlossen, was die Berechnung nach der DGBM bestätigt.

13

Berechnung der Kräfte und Kraftrichtungen: Gewichtskräfte und Porenwasserdrücke (G1, G2 inkl. p): G1,d = 25,20 kN/m G2,d = 237,34 kN/m G3,d = 205,28 kN/m G4,d = 894,27 kN/m G5,d = 197,07 kN/m

U1,d = 0 kN/m U2,d = 3,12 kN/m U3,d = 34,30 kN/m U4,d = 215,27 kN/m U5,d = 78,11 kN/m

U1,2,d = 0 kN/m U2,3,d = 1,98 kN/m U3,4,d = 23,54 kN/m U4,5,d = 42,63 kN/m

Mobilisierte Kohäsionskräfte (äußere Gleitflächen): Ci,mob,d = μ ∙ ci,d ∙ li

C1,mob,d = 0,76 ∙ 4,00 ∙ 1,96 = 5,98 kN/m C2,mob,d = 0 kN/m C3,mob,d = 0 kN/m C4,mob,d = 0,76 ∙ 4,00 ∙ 8,24 = 5,98 kN/m C5,mob,d = 0,76 ∙ 4,00 ∙ 4,67 = 5,98 kN/m

13.3 Freie Böschungen

773

13 Bild 13-26 Berechnungsbeispiel freie Böschung: Direkte Gleitblockmethode: Blockeinteilung, Ansatz der Kräfte und Krafteck

Mobilisierte Kohäsionskräfte (innere Gleitflächen): Ci,j,mob,d = μ ∙∑ ci,d ∙ li,j

C1,2,mob,d = 0,76 ∙ (4,00 ∙ 1,73 + 0 + 0) C2,3,mob,d = 0,76 ∙ (4,00 ∙ 1,73 + 0 + 0) C3,4,mob,d = 0,76 ∙ (4,00 ∙ 1,73 + 0 + 0) C1,2,mob,d = 0,76 ∙ (0 + 0 + 4,00 ∙ 2,28)

= 5,28 kN/m = 5,28 kN/m = 5,28 kN/m = 6,96 kN/m

774

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Neigungswinkel der Gleitflächenkräfte Qi (äußere Gleitflächen):  tan i ,d    1, 25 

i ,mob,d = arctan 

 0,76  tan 25  1,mob,d = arctan   = 15,89 1, 25    0,76  tan 35  2,mob,d = arctan   = 23,14 1, 25    0,76  tan 35   = 23,14 1, 25  

3,mob,d = arctan 

Neigungswinkel der Gleitflächenkräfte Qi,j (innere Gleitflächen):

1,2,mob,d = 15,89 1, 73 15,89 + 3, 09  23,14 = 20,54 1, 73 + 3, 09 1,73 15,89 + 4,83  23,14 = = 21, 23 1,73 + 4,83

2,3,mob,d = 2,3,mob,d

3,4,mob,d = 23,14 13.3.3.10.4 Zusammenfassung und Vergleich der Berechnungsergebnisse Der Ausnutzungsgrad ergibt sich für den gewählten Gleitkreis bzw. Bruchmechanismus nach Krey/Bishop zu 0,78, nach Janbu zu 0,85 und nach der direkten Gleitblockmethode zu 0,76. Die geringeren Ausnutzungsgrade bei den Lamellenverfahren hängen laut Gussmann/ Schad/Smith [59] damit zusammen, dass bei den Lamellenverfahren keine Aussagen zum Materialverhalten im Inneren des Bruchkörpers getroffen werden. Somit wird die tatsächlich vorhandene Sicherheit unterschätzt. Da bei der direkten Gleitblockmethode auch die Scherkräfte an den inneren Gleitfugen berücksichtigt werden, liefert sie die höchste Sicherheit.

13

Die Ergebnisse, die bei Krey/Bishop und bei der direkten Gleitblockmethode erhalten werden, weichen nur geringfügig voneinander ab. Das Verfahren nach Janbu liefert einen deutlich höheren Ausnutzungsgrad und scheint daher für das betrachtete Beispiel nicht optimal geeignet zu sein. Anzumerken ist allerdings, dass dieses Verfahren wie schon erwähnt auch eher dann angewandt wird, wenn im Boden ausgeprägte Gleitschichten vorhanden sind. 13.3.3.11 Begleitende Maßnahmen Zu den Begleitmaßnahmen sind Entwässerungsmaßnahmen (siehe Abschnitt 13.7) sowie die Anordnung von Bermen zu zählen. Freie Böschungen und Hänge sollten, wenn möglich, immer begrünt werden (vgl. Abschnitt 13.4). Bermen erfüllen mehrere Aufgaben. Laut Brandl [18] dienen sie einerseits als Auffangraum bzw. Bremszone bei Steinschlag oder oberflächennahen Rutschungen. Andererseits stellen sie Zugangswege für Erhaltungs- und Verstärkungsarbeiten dar, was speziell bei kritischen Hängen, die über die Beobachtungsmethode bemessen werden, sehr wichtig ist. Ob und in welchen Abständen Bermen anzuordnen sind, wird unter anderem von der Gesamthöhe der Böschung, der Böschungsneigung und der Stabilität der Oberfläche bestimmt. In der Regel liegt

13.4 Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberflächen

775

der optimale Höhenabstand zwischen 12 m und 15 m [18]. Bermen sollten mindestens 3 m breit sein und entsprechend entwässert werden (siehe Bild 13-27).

Bild 13-27 Beispiel für eine Bermensicherung in einer Einschnittsböschung aus zerklüftetem, witterungsempfindlichem Fels [18]

13.4 Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberflächen

13.4.1

Ingenieurbiologische Sicherungsmaßnahmen

Bei den ingenieurbiologischen Sicherungsmaßnahmen werden lebende Pflanzen als Baumaterialien verwendet. Ihre Wirkung auf die Standsicherheit von Böschungen oder Hängen kann folgendermaßen beschrieben werden (nach [95]): – Schutz der Bodenoberfläche vor Erosion; – oberflächige und/oder tiefer reichende Befestigung des Bodens durch Verwurzelung, langzeitige Erhöhung der Kohäsion in der Deckschichte, Verhinderung kleiner Rutschungen; – Entwässerung. Weitere Funktionen von ingenieurbiologischen Maßnahmen sind unter anderem die Verringerung von Steinschlag- und Lawinengefahr (nur bei Gehölzen) sowie Schutz vor Immissionen (Lärm, Abgase). Ingenieurbiologische Bauweisen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre anfängliche Wirkung eher gering ist (ausgenommen kombinierte Bauweisen, siehe Abschnitt 13.4.1.3). Ihr Wirkungsgrad nimmt allerdings im Laufe der Zeit kontinuierlich zu. 13.4.1.1 Deckbauweisen Deckbauweisen dienen überwiegend dem Schutz der Böschungs- oder Hangoberfläche vor Erosion. Beispiele dafür sind die Verlegung von Rasen und der sogenannte Spreitlagenbau (siehe Bild 13-28). Für Rasenverlegungen können Fertigrasen oder Rollrasen sowie verschiedene Saatarten verwendet werden. Für steile Böschungen sind speziell sogenannte Hydrosaaten geeignet. Bei diesen wird durch die Beimengung von organischen Klebemitteln und Wasser zur Saat eine

13

776

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

bessere Oberflächenhaftung erzielt. Bei sehr steilen Hängen werden als Begrünungsmaßnahme Jute- oder Kokosnetze, die über aufgebrachte Mulchstoffe genagelt werden, verwendet [3]. Beim Spreitlagenbau wird die Oberfläche vollständig mit einer Lage von lebenden Ästen abgedeckt. Damit sie anwachsen können, müssen die unteren Enden im Boden eingebettet werden. Als Schutz vor Freilegung sind meistens zusätzlich Stangen, Flechtzäune oder Steinwürfe notwendig [95]. 13.4.1.2 Stabilbauweisen Zur tiefgründigeren Bodenbefestigung verwendet man sogenannte Stabilbauweisen. Zu ihnen gehören beispielsweise lebende Flechtzäune, Hangfaschinen oder der Riefenbau (siehe Bild 13-30). Da sie punktuelle oder lineare Sicherungsmaßnahmen darstellen, werden sie meist mit den oben beschriebenen Deckbauweisen kombiniert [95]. Bei Flechtzäunen werden Holzpflöcke in einem bestimmten Raster in den Boden geschlagen. Diese werden in weiterer Folge mit mehreren Lagen ausschlagsfähiger Holzruten umflochten (siehe Bild 13-30). Die größte Wirksamkeit haben Flechtzäune dann, wenn man die Holzruten zur Gänze im Boden versenkt. a.) Spreitlagenbau

13

Bild 13-28 Deckbauweisen: Beispiele ([3], [95])

b.) Begrünung mit Jute- oder Kokosnetz

13.4 Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberflächen

777

Unter Hangfaschinen versteht man Bündel aus ausschlagsfähigen Ruten. Sie werden in seichten Gräben verlegt und mit Holzpflöcken befestigt. Die Gräben werden schräg zur Böschungsfalllinie hergestellt, damit anfallende Wässer einwandfrei abfließen können. Ähnlich dazu ist der sogenannte Riefenbau, bei dem ebenfalls schräge, seichte Gräben („Riefen“) in den Hang gezogen werden. In diese legt man dünne Faschinen und pflanzt zusätzliche Gehölze ein [95]. Auch mit Buschlagen lässt sich die oberflächennahe Zone einer Böschung ingenieurbiologisch stabilisieren. Bei dieser Bauweise werden ausschlagfähige Holzarten (meist Weiden) so in die Böschung eingebracht, dass die Büsche aufrecht stehen, die vom Boden bedeckten Wurzeln jedoch nur eine leichte Schräglage gegenüber der Horizontalen aufweisen [95]. Das Prinzip dieser Maßnahme ist in der Schemaskizze Bild 13-29 für eine Einschnittssituation dargestellt. In Dammschüttungen kann ein wesentlich längerer Wurzelstock hergestellt werden, wodurch sich die Dicke der stabilisierten Schicht vergrößert.

v

v

ca. 10°

Bild 13-29

Schemaskizze: Buschlagenbau in Anschnittsböschung (nach [95])

13

778

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

a.) lebender Flechtzaun

b.) Riefenbau

c.) Hangfaschinen

Anordnungsschema:

Anordnungsschema:

13

Bild 13-30 Stabilbauweisen: Beispiele ([3], [95])

13.4 Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberflächen

779

13.4.1.3 Kombinierte Bauweisen Unter kombinierten Bauweisen versteht man solche, bei denen lebende Baustoffe mit nicht lebenden, z. B. Beton, Geokunststoffen oder Holz, zusammenwirken. Durch die nicht lebenden Baustoffe sind die Sicherungsmaßnahmen sofort nach Herstellung wirksam; die Pflanzen sorgen für eine kontinuierliche Zunahme der Wirksamkeit im Laufe der Zeit [95]. Beispiele sind begrünte Raumgitterstützmauern, lebende Hangroste oder geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen in Kombination mit Bepflanzung (siehe Bild 13-31). Auf die Bemessung solcher Konstruktionen wird in den nachfolgenden Kapiteln genauer eingegangen. a.) lebender Hangrost

b.) begrünte Raumgitterstützmauer (Holzkrainerwand)

c.) begrünte geokunststoffbewehrte Stützkonstruktion

13

Bild 13-31 Kombinierte Bauweisen: Beispiele ([3], [95])

780

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.4.2

Auflastfilter

Wasser, das aus einer Böschung austritt, kann erheblichen Materialaustrag und Nachbruch verursachen. Durch eine geeignete Filterschicht, die auf die Böschung aufgebracht wird, kann der oberflächennahe Böschungsbereich stabilisiert werden. Hierauf wird in Abschnitt 13.7 näher eingegangen.

13.4.3

Futtermauern

Futtermauern schützen an sich standfeste Böschungen vor Erosion, Verwitterung und Steinschlag. Sie haben demnach keine Stützfunktion, sondern dienen rein als Verkleidung bzw. Versiegelung der Böschungsoberfläche [74]. Mögliche Bauarten von Futtermauern sind in Bild 13-32 veranschaulicht. Bei angehefteten Stützmauern in geklüftetem Fels (Bild 13-32 c) empfiehl Brandl [18], die Nägel vorzuspannen, um ein beginnendes Abgleiten von Felskeilen von Beginn an zu verhindern.

Bild 13-32 Bauarten von Futtermauern im Fels: (a) vorgesetzte, (b) anbetonierte, (c) angeheftete, (d) verankerte Futtermauer [74]

13

In obigem Bild sind massive Wände dargestellt; Futtermauern können jedoch auch aus Raumgitterelementen hergestellt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten Lisenen-Traversen-Systemen (siehe Bild 13-33). Dabei werden zunächst vertikale Stützen (Lisenen) aufgestellt, die entweder im Boden eingespannt oder rückwärtig verankert werden. Zwischen diesen Stützen werden dann Längselemente (Traversen) eingehängt, in die in weiterer Folge Pflanzboden eingebracht wird [69]. Diese Ausführungsart ist dann den Raumgitter-Stützkonstruktionen zuzuordnen, auf die in Abschnitt 13.5.7 näher eingegangen wird.

13.4 Maßnahmen zum Schutz der Böschungsoberflächen

781

Bild 13-33 Beispiel eines LisenenTraversen-Systems [117]

13.4.4

Sonstige Verfahren zur Oberflächensicherung

13.4.4.1 Erosionsschutzmatten Rasenmatten (z.B. System Viresco), die auf Böschungen verlegt werden, bieten nach Herstellerangaben sofortigen Schutz gegen Erosion. In den Matten sind Saatgut und Dünger enthalten; dies fördert eine rasche Begrünung der Böschungsoberfläche. 13.4.4.2 Oberflächensicherung mit Drahtgeflecht und Zugelementen Böschungen oder Hänge mit einer zu Rutschungen neigenden oberen Bodenzone lassen sich mithilfe von Drahtgeflechten, Erosionsschutzmatten und Bodennägeln stabilisieren. Das Prinzip einer solchen Maßnahme zeigt die Systemskizze in Bild 13-34. Für die Bemessung des Systems steht u.a. die Bemessungssoftware „Ruvolum“ zur Verfügung (vgl. hierzu [67]). Auch die Verwendung von Zugelementen, die mit Hilfe eines Rammstocks in den Boden eingetrieben werden, ist bei Böden mit begrenzten Eindringwiderstand möglich. Diese Zugglieder werden mithilfe eines selbst ausklappenden Ankerstücks im Baugrund verankert (z.B. System „Platipus“).

13

782

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Drahtgeflecht

Erosionsschutzmatte

instabile Bodenzone Boden- bzw. Felsnägel Festgestein

Bild 13-34

Systemskizze: Oberflächensicherung mit Drahtgeflecht und Nägeln

13.5

Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

13.5.1

Bewehrte-Erde-Konstruktionen

13.5.1.1 Allgemeines

13

Unter dem Begriff „Bewehrte Erde“ wird allgemein ein Verbundkörper aus Boden und Bewehrung verstanden. Als Bewehrungselemente können Mikropfähle, Injektionsrohre, Stahloder Kunststoffstäbe, Reibungsbänder, Matten, Gitter oder verschiedene Arten von Geokunststoffen verwendet werden [18]. Bei der klassischen Bewehrten Erde („Terre Armée“, entwickelt vom französischen Ingenieur Henri Vidal) besteht die Bewehrung aus streifenförmigen Stahlbändern, die schlaff im Boden verlegt werden (siehe Bild 13-35). Die Bänder nehmen Zugkräfte auf und übertragen sie durch Reibung in den Baugrund. An der Luftseite erhält die Böschung eine Außenhaut, an die die Bewehrungselemente angeschlossen werden. Sie soll ein Abböschen des Bodens zwischen den Bewehrungslagen verhindern. Zum Einsatz können unter anderem StahlbetonFertigteile, Stahlgitterelemente (begrünbar) oder Stahlbleche kommen. Die Außenhaut wird in der Regel auf ein unbewehrtes Streifenfundament gestellt [74]. Die Herstellung von Bewehrte-Erde-Konstruktionen erfolgt lagenweise von unten nach oben. Dementsprechend ist auf eine ordnungsgemäße Verdichtung der Füllung bzw. Hinterfüllung zu achten. Die bodenmechanischen und bodenchemischen Anforderungen an das Hinterfüllmaterial sind [72] zu entnehmen.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

783

Bild 13-35 Konstruktionsprinzip Bewehrte Erde [18]

13.5.1.2 Berechnung und Bemessung 13.5.1.2.1 Regelwerke Für die Berechnung und Bemessung von Bewehrte-Erde-Konstruktionen kann das Merkblatt über Stützkonstruktionen aus stahlbewehrten Erdkörpern – M SASE [72] herangezogen werden. Zu beachten sind EC 7 / DIN 1054 mit den mitgeltenden Normen DIN 4017, DIN 4084 und DIN 4085. Bezüglich der Bauwerksfüllung bzw. -hinterfüllung gelten zusätzlich die Regelungen in den ZTV E-StB 17 [119], im Merkblatt über den Einfluss der Hinterfüllung auf Bauwerke [70], in der DIN 18196 [22] und in der DIN 18915 [23]. 13.5.1.2.2 Äußere Standsicherheit Für die Nachweise der äußeren Standsicherheit idealisiert man den Verbundkörper als Monolith. Die Nachweisführung erfolgt somit wie für eine Gewichtsmauer. Brandl [18] empfiehlt, bei der Berechnung des Erddrucks auf den Verbundkörper den Wandreibungswinkel parallel zur Geländeoberfläche anzusetzen (δa = Böschungswinkel β). Für Bewehrte-Erde-Konstruktionen sind folgende Nachweise zu führen ([61], [72]): Nachweise der Tragfähigkeit (STR und GEO) – – – –

Sicherheit gegen Kippen nach EC 7 / DIN 1054 (STR) Grundbruchsicherheit nach DIN 4017 und DIN 1054 (GEO-2) Gleitsicherheit nach EC 7 / DIN 1054 (GEO-2) Geländebruchsicherheit nach DIN 4084 und EC 7 / DIN 1054 (GEO-3).

Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS) – Vermeidung schädlicher Verkantungen durch Einhaltung der zulässigen Lage der Sohlspannungsresultierenden (klaffende Fuge) – Verträglichkeit der Verformungen bzw. Verschiebungen der Stützkonstruktion. Grundsätze zur Festlegung der Abmessungen von Bewehrte-Erde Konstruktionen sind in [72] enthalten. Vorbehaltlich einer Detaildimensionierung kann bei Stützwänden von einer mittleren Aufstandsfläche von 0,7  Hm (Hm = maßgebende Höhe unter Berücksichtigung einer

13

784

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

allfälligen Überschüttung) ausgegangen werden. Angaben zu Mindestbewehrungslängen sind in Bild 13-36 ersichtlich.

Bild 13-36 Mindestbewehrungslängen bei Wänden mit einheitlicher und gestaffelter Bewehrungslänge [72], dort Bild 21

In Bild 13-36 ist Ld He

die mittlere Bewehrungsbandlänge und die Gesamthöhe der Konstruktion.

Die mittlere Bewehrungsbandlänge bei gestaffelten Konstruktionen ermittelt sich aus Division der schraffierten Fläche durch He. 13.5.1.2.3 Innere Standsicherheit

13

Gemäß [72] umfasst die Überprüfung der inneren Standsicherheit – den Nachweis der Sicherheit gegen Herausziehen der Bewehrungsbänder, – den Nachweis der Sicherheit gegen Materialversagen der Bewehrungsbänder und gegen Versagen des Außenhautanschlusses sowie – die Bemessung der Außenhaut. Darüber hinaus sind im Zusammenhang mit der Geländebruchsicherheit auch Bruchmechanismen zu untersuchen, bei denen mögliche Gleitflächen durch den Verbundkörper verlaufen (vgl. geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen, Abschnitt 13.5.2). Nach Brandl [18] kann man bei den Nachweisen der inneren Standsicherheit von der Erddrucktheorie nach Coulomb ausgehen. Hinter der Außenhaut bildet sich demnach eine Zone aktiven Erddrucks aus, in der vom Boden Schubspannungen auf die Bänder ausgeübt werden. In den Bändern werden dadurch Zugkräfte hervorgerufen, die im passiven Bereich über Reibung in den Boden eingeleitet werden.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

785

In Bild 13-37 ist der Verlauf der Bandkräfte und die Lage der Kraftmaxima veranschaulicht.

Bild 13-37 Zugkraftverlauf und Linie der maximalen Zugkräfte bei einer Bewehrten-ErdeKonstruktion [18]

Bild 13-38 Lage der maximalen Zugkraftlinie [72]

Die Tragfähigkeitsnachweise nach [72] basieren auf dem in Bild 13-38 dargestellten, anhand von Modell- und Ausziehversuchen entwickelten Ansatz zur Bestimmung der Linie der maximalen Zugkräfte. Die Formelzeichen gemäß Bild 13-38 lauten wie folgt: Tm,d(zi) La(zi) Lp(zi)

Bemessungswert der resultierenden Maximalkraft in Höhe des Bewehrungsbandes in der Tiefenlage zi Länge der Bewehrungsbandes in der Tiefenlage zi im aktiven Bereich Länge der Bewehrungsbandes in der Tiefenlage zi im passiven Bereich

Für jede Bewehrungslage sind die nachstehenden Grenzgleichgewichtsbedingungen zu erüllen.

Nachweis der Sicherheit gegen Herausziehen der Bewehrungsbänder Tm,d ( zi )  Tf,k(zi) Tf,d(zi)

T f ,k ( zi )

a

= T f ,d ( zi )

(13.69)

charakteristischer Wert des Herausziehwiderstandes des Bandes in der Tiefenlage z i Bemessungswert des Herausziehwiderstandes des Bandes in der Tiefenlage zi

13

786

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

γa

Teilsicherheitsbeiwert für den Herausziehwiderstand flexibler Bewehrungselemente (vgl. Tabelle 13.6)

Nachweis der Sicherheit gegen Materialversagen der Bewehrungsbänder Tm,d ( zi )  Tr,k Tr,d γM

Tr ,k

M

= Tr ,d

(13.70)

charakteristische Bandzugkraft Bemessungswert der Bandzugkraft Teilsicherheitsbeiwert für den Materialwiderstand der Bewehrungselemente = 1,15 (sämtliche Lastfälle)

Nachweis der Sicherheit gegen Materialversagen der Bewehrungsbänder am Anschluss T0,d ( zi )  T0,d(zi) Tr0,k Tr0,d γM

Tr 0,k

M

= Tr 0,d

(13.71)

Bemessungswert der verbleibenden Zugkraft an der Außenhaut in Höhe des Bewehrungsbandes in der Tiefenlage zi charakteristische Bandzugkraft am Anschluss Bemessungswert der Bandzugkraft am Anschluss Teilsicherheitsbeiwert für den Materialwiderstand der Bewehrungselemente = 1,15 (sämtliche Lastfälle)

Im Hinblick auf weiterführende Angaben und Formeln zur Ermittlung der maximalen Zugkräfte in der jeweiligen Bewehrungslage, der Herausziehwiderstände und der Bandzugkräfte sowie auf ein entsprechendes Berechnungsbeispiel wird auf [72] verwiesen. Die Bemessung der Außenhaut erfolgt nach den jeweils gültigen Bauartnormen.

13.5.2

13

Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen

13.5.2.1 Allgemeines Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen sind eine Form der bewehrten Erde, bei der die Bewehrungselemente aus Geokunststoffen bestehen. Zur Anwendung kommen Geogitter, Gewebe, Matten bzw. Maschen oder Geo-Verbundstoffe. Sie können sowohl über die gesamte Grundrissfläche verlegt als auch in Streifen eingebaut werden [18]. Für die Außenhaut können unter anderem Natursteinblöcke, Betonfertigteile, Gabionen (vgl. Abschnitt 13.5.4.3) oder ebenfalls Geokunststoffe verwendet werden (Umschlagen der Bewehrung ergibt ein polsterähnliches Aussehen, siehe Bild 13-39) [74]. Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen haben unter anderem den Vorteil, dass sie sehr unempfindlich gegenüber Setzungsdifferenzen sind. Darüber hinaus sind im Gegensatz zur klassischen Bewehrten Erde keine Streifenfundamente erforderlich, und es gibt keine Korrosions- oder Bandanschlussprobleme. Geokunststoffe können begrünt werden, siehe dazu auch Abschnitt 13.4.1.3.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

787

Bei Sichtflächen aus Geokunststoffen ist zu beachten, dass das Material eine ausreichende UV-Beständigkeit aufweisen muss. Andernfalls ist eine zusätzliche Verkleidung, z. B. in Form von bewehrtem Spritzbeton oder Fertigteilplatten, notwendig [18].

Bild 13-39 Typische Querschnitte von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen ohne zusätzliche Verkleidung [18]

13.5.2.2 Berechnung und Bemessung 13.5.2.2.1 Regelwerke Regelungen für die Bemessung und Berechnung von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen sind in den Empfehlungen für den Entwurf und die Berechnung von Erdkörpern mit Bewehrungen aus Geokunststoffen – EBGEO [50] enthalten, die in der 2. Auflage vorliegt. In dieser Auflage sind die Regeln des EC 7 noch nicht umgesetzt und es wird noch auf die „alte“ DIN 1054 (Januar 2005) Bezug genommen. Im Folgenden werden jedoch zur Vereinheitlichung die sinngemäßen Bezeichnungen gemäß EC 7 verwendet. Als weitere Regelwerke sind DIN 4017, DIN 4084 und DIN 4085 heranzuziehen. Regelwerke bezüglich Bauwerksverfüllung und -hinterfüllung sind in Abschnitt 13.5.1.2.1 zusammengefasst. 13.5.2.2.2 Äußere Standsicherheit Wie bei der klassischen Bewehrten Erde betrachtet man Verbundkörper mit Geokunststoffen vereinfacht als Monolith. Für den Wandreibungswinkel δa nimmt man üblicherweise einen Wert zwischen 2/3φ‘ und φ‘ an. Die zu führenden Nachweise der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit sind Abschnitt 13.5.1.2.2 zu entnehmen. In den EBGEO sind Richtwerte für die Abmessungen von geokunststoffbewehrten Stützkonstruktionen festgelegt. Demnach kann für die Vordimensionierung die Bewehrungslänge mit 70 % der Wandhöhe angenommen werden (entsprechend der klassischen Bewehrten Erde, siehe Bild 13-36). Der vertikale Abstand der Lagen- bzw. Bänder liegt üblicherweise zwischen 0,30 m und 0,60 m. 13.5.2.2.3 Innere Standsicherheit Die Überprüfung der inneren Standsicherheit beinhaltet – den Nachweis der Sicherheit gegen Herausziehen der Bewehrungslagenr – den Nachweis der Sicherheit gegen Materialversagen der Bewehrungslagen und

13

788

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

– die Bemessung der Außenhaut, der Bewehrungsanschlüsse und der Bewehrungsstöße Gemäß EBGEO sind folgende Bruchmechanismen zu untersuchen (GEO-3, siehe Bild 13-40): – Bruchmechanismen, bei denen die Gleitlinien den bewehrten Erdkörper und mindestens eine Bewehrungslage schneiden – Bruchmechanismen, bei denen die Gleitlinien nur den bewehrten Erdkörper und keine Bewehrungslage schneiden oder nur tangieren Bild 13-40 Mögliche Gleitlinien durch eine Stützkonstruktion [50]

Bei Gleitlinien, die die Bewehrungslagen schneiden, ist als widerstehende Kraft R d der Bemessungswert des Herausziehwiderstands jeder Bewehrungslage R Ai,d anzusetzen, höchstens jedoch der Bemessungswert der inneren Festigkeit der Bewehrungslage RBi,d. Es gilt Rd = min {RAi,d; RBi,d}. Möglich sind Bruchkörper mit kreisförmigen und polygonalen Gleitlinien. In den EBGEO wird hierbei auf DIN 4084 verwiesen. Für den Zugkraftverlauf in den Bewehrungselementen gelten sinngemäß die Überlegungen in Abschnitt 13.5.1.2.3. Bei der Untersuchung von Gleitlinien durch den bewehrten Erdkörper wird von dem in Bild 13-41 dargestellten Modellansatz ausgegangen.

13

Bild 13-41 Modellansatz zur Kräfteverteilung an einer bewehrten Stützkonstruktion [50]

Für den Tragfähigkeitsnachweis ist folgende Grenzgleichgewichtsbedingung für alle Bruchmechanismen zu erfüllen (nach [50]):

 Ei,d  min (  RAi,d ;  RBi,d )

(13.72)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

mit

Ei,d RAi,d RBi,d

789

Bemessungsbeanspruchung der Bewehrungslage i Bemessungswert der Herausziehwiderstandskraft der Bewehrungslage i Bemessungsfestigkeit der Bewehrungslage i

Der Bemessungswert der Herausziehwiderstandskraft wird wie folgt ermittelt:

RAi ,d = mit

γa σvi,k LAi fsg,k

1

a

  vi ,k  LAi  f sg ,k  n

(13.73)

Teilsicherheitsbeiwert für den Herausziehwiderstand flexibler Bewehrungselemente nach DIN 1054, GEO-2 charakteristischer Wert der Normalspannung in der Bewehrungsebene Verankerungslänge der Bewehrung hinter der betrachteten Bruchfuge charakteristischer Wert des Reibungsbeiwertes zwischen Geokunststoff und Füllboden. Für Vorbemessungen kann, soweit keine entsprechenden Ergebnisse aus Versuchen oder Messungen vorliegen, von folgendem minimalen Reibungsbeiwert ausgegangen werden: ( f sg ,k = 0,50  tan k )

n

Anzahl der ansetzbaren Reibungsflächen

Die Bemessungsfestigkeit errechnet sich wie folgt [50]:

RBi ,d = mit

RBi,k γM

RBi ,k

(13.74)

M

charakteristischer Wert der Langzeitfestigkeit der Geokunststoffbewehrung Teilsicherheitsbeiwert für den Materialwiderstand der Bewehrung (1,40 für BS-P, 1,30 für BS-T und 1,20 für BS-A)

Die Langzeitfestigkeit ergibt sich aus der Kurzzeitfestigkeit und geokunststoffspezifischen Abminderungsfaktoren:

RBi ,k = mit

RBi,k0 A1 A2 A3 A4 A5

RBi ,k 0 A1  A2  A3  A4  A5

(13.75)

Kurzzeitfestigkeit Abminderungsbeiwert für Kriechen A. für Beschädigung beim Transport, beim Einbau und bei der Verdichtung A. für Fugen oder Überlappungen, Nähte und Anschlüsse an andere Bauteile (Verarbeitung) A. für Umgebungseinflüsse (klimatische, chemische und biologische Einwirkungen) A. zur Berücksichtigung dynamischer Einwirkungen

Die Abminderungsfaktoren sind produktspezifisch und werden von den Herstellern angegeben. In Hinblick auf detaillierte Angaben zu den anderen oben erwähnten Nachweisen, insbesondere zur Bemessung der Außenhaut und zur Gebrauchstauglichkeit, wird auf [50] verwiesen.

13

790

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.3

Bodenvernagelung

13.5.3.1 Allgemeines Bei der Bodenvernagelung werden in den gewachsenen Boden Bewehrungselemente in Form von Stahl- oder Kunststoffstäben („Nägel“) eingebaut. Ziel ist die Erhöhung der Zug- und Scherfestigkeit des anstehenden Bodens. Die Vernagelung kann sowohl als bewehrte Erde als auch als Verdübelung aufgefasst werden, da die Nägel neben Zugkräften auch Scherkräfte und Biegemomente aufnehmen können [18]. Anwendungsgebiete sind die Sicherung von Baugrubenböschungen, Hanganschnitten und von rutschgefährdeten Hängen bzw. Böschungen (siehe Bild 13-42). Bei steil bis senkrecht geneigten Bodenvernagelungen (Neigungswinkel 70° bis 90°) spricht man auch von Nagelwänden. Hierauf wird im Abschnitt 13.5.6 näher eingegangen. Dort ist auch ein ausführliches Berechnungsbeispiel angegeben. In diesem Abschnitt wird speziell auf Vernagelungen mit Neigungen kleiner als 70° eingegangen. (a)

(b)

(c)

Bild 13-42 Beispiele für Bodenvernagelungen: Nagelwand (a), Sicherung eines Rutschhanges (b), Sicherung eines Hanganschnitts mit Bermen (c) [13] und [74]

13

Als Stahlnägel kommen meist GEWI-Nägel (Durchmesser zwischen 16 und 40 mm) oder Injektionsbohr(IBO)-Anker zur Anwendung. Zu den Kunststoffnägeln gehören z. B. solche aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK) oder Verbundanker aus Geokunststoffschlaufen. Meistens werden die Nägel mit einheitlicher Länge und Neigung gewählt. Eine besonderer Vorteil des Bauverfahrens ist jedoch die Möglichkeit, mit Veränderungen der Nagellänge und -anordnung auf örtliche Gegebenheiten, Boden- und Felseigenschaften oder den Verlauf von kritischen Gleitflächen zu reagieren. Kombinationen von Vernagelungen mit langen, vorgespannten Injektionsankern haben sich in zahlreichen Fällen bewährt. Bodenvernagelungen erhalten im Regelfall an der Luftseite eine Außenhaut, mit der die Nägel kraftschlüssig verbunden werden. Die Außenhaut wird oft starr bzw. wenig nachgiebig aus bewehrtem Spritzbeton, Ortbeton, Fertigteilen oder Gabionen hergestellt. Die Bemessung dieser massiven Ausführungsvarianten beruht auf dem Ansatz, dass auf die Rückseite der Außenhaut der 0,85-fache aktive Erddruck wirkt (siehe auch Abschnitt 13.5.6.2). Sanin [94] gibt an, dass dieser Ansatz für Bodenvernagelungen, die steiler als 70° sind, zutrifft; bei kleineren Neigungen entspricht er allerdings eher nicht der Realität, da hier weniger ein Erddruckproblem, sondern mehr ein Scherproblem vorliegt. Je nach Bodenverhältnissen und äußerer Belastung wird die Außenhaut deutlich geringer belastet und kann somit auch filigraner bzw. nachgiebiger ausgeführt werden. Dafür bieten sich z. B. begrünbare, dreidimensio-

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

791

nale Stahlgittermatten an. Als weiterführende Literatur wird an dieser Stelle auf [94] verwiesen. Bei entsprechenden Baugrundverhältnissen kann die Außenhaut unter Umständen auch ganz entfallen [117]. Wesentlich ist speziell in solchen Fällen ein ausreichender Schutz der Böschungs- bzw. Hangoberfläche vor Erosion. Diese kann nämlich zu einer Verringerung der Einbindetiefe der Nägel und in weiterer Folge zu einer deutlichen Verminderung der Standsicherheit führen. In Bezug auf den Erosionsschutz empfiehlt sich außerdem eine versetze Anordnung der Nägel zueinander, damit eine Gassenbildung zwischen den Nägeln vermieden werden kann [9]. Die Herstellung von Bodenvernagelungen erfolgt im Gegensatz zu den Bewehrte-ErdeKonstruktionen von oben nach unten. Der anstehende Boden wird abschnittsweise ausgehoben (ca. 1,0 m bis 1,5 m Höhe, je nach Untergrund). Dann sichert man den freistehenden Boden mit dem jeweiligen Außenhautsystem und stellt die Bohrungen für die Nägel her. In weiterer Folge werden die Nägel eingebaut und der Ringraum mit Mörtel verpresst (keine Vorspannung). Anschließend kann die nächste Lage ausgehoben werden [74]. 13.5.3.2 Berechnung und Bemessung Derzeit gibt es im deutschen Sprachraum noch kein spezielles Regelwerk zur Bemessung und Berechnung von Bodenvernagelungen. In den bauaufsichtlichen Zulassungen sind jedoch die erforderlichen Nachweise aufgeführt. Die Grundsätze zur Bemessung sind im EC 7 / DIN 1054, enthalten. Als Ausführungsnorm kann DIN EN 14490 [44] herangezogen werden, die auch einige Anmerkungen zum Entwurf von Vernagelungen beinhaltet. Die Regelungen und Annahmen, die in den bauaufsichtlichen Zulassungen der verschiedenen Hersteller (z. B. [7]) enthalten sind, gelten mehr für Nagelwände als für Vernagelungen von flacher geneigten Böschungen und Hängen ([117], [94]). Die Bemessung von vernagelten Böschungen kann über Geländebruchuntersuchungen erfolgen. Dabei sind sowohl Bruchmechanismen zu untersuchen, bei denen Gleitflächen die Nägel schneiden, als auch solche, die sämtliche Nägel umschließen. Durchstoßen die Nägel die Gleitfuge, so ist als haltende Kraft entweder deren Bruchwiderstand oder der Herausziehwiderstand anzusetzen; der kleinere Wert ist maßgebend 8. Der Herausziehwiderstand ergibt sich dabei aus Multiplikation der Länge des Nagels außerhalb des Gleitkörpers mit der möglichen Grenzschubkraft. Diese ist von der Mantelreibung des Nagels bzw. Verpresskörpers und den Bodenverhältnissen abhängig. Für eine erste Vorbemessung kann von folgenden Bemessungswerten ausgegangen werden: – – – –

Kies: Sand: Schluff: Ton:

Tm,d = 25 – 35 kN/m Tm,d = 20 – 30 kN/m Tm,d = 15 – 25 kN/m Tm,d = 10 – 20 kN/m

Die obigen Werte verstehen sich als Erfahrungswerte und sind unbedingt durch Nagelprüfungen nachzuweisen.

Berechnung von Bodenvernagelungen nach der Methode der Finiten Elemente Bodenvernagelungen werden schlaff eingebaut und benötigen gewisse Verformungen zur Aktivierung ihrer Tragwirkung. Nach DIN EN 14490 können die zu erwartenden Bewegungen der Böschungskante bei nichtbindigen Böden erfahrungsgemäß mit ca. 0,1 % bis 0,3 % der

8

Erfahrungsgemäß ist meist der Herausziehwiderstand maßgebend.

13

792

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Böschungshöhe abgeschätzt werden. Bei feinkörnigen Böden können jedoch deutlich größere Bewegungen auftreten. Speziell bei Böschungen, über denen sich Bauwerke wie z. B. Straßen befinden, sind solche Verformungen unerwünscht, da sie zu erheblichen Schäden führen können. In diesen Fällen sind numerische Untersuchungen mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode (FEM) zu empfehlen, da sich hierbei realistische Spannungs- und Verformungsbilder ergeben. Auch im Hinblick auf Tragfähigkeitsuntersuchungen empfiehlt sich die Anwendung numerischer Berechnungsmethoden; durch die Verformungen können sich nämlich Gleitlinien ausbilden, deren Verläufe von den ursprünglich angenommenen deutlich abweichen. 13.5.3.3 Berechnungsbeispiel Bei einer vernagelten Böschung (siehe Bild 13-43) soll überprüft werden, ob eine ausreichende Standsicherheit gewährleistet ist. Die Vernagelung soll dabei mit Hilfe von Geländebruchberechnungen untersucht werden. Auf die Sonderform „Nagelwände“ des Systems Bodenvernagelung wird in Abschnitt 13.5.6 näher eingegangen. Dort ist auch ein ausführliches Berechnungsbeispiel enthalten.

Geometrie, Bodenkennwerte, Einwirkungen, Widerstände Bodenkennwerte Bodengruppe: GW (sandiger Kies) Wirksame Wichte des Bodens: γk = 18 kN/m3 Reibungswinkel des Bodens: φk = 34° Kohäsion (aus Verkittung): ck = 3 kN/m2 Einwirkende Kräfte Charakteristische Verkehrslasten: q1,k = 16,7 kN/m2 q2,k = 3,0 kN/m2

13

Bild 13-43 Berechnungsbeispiel Bodenvernagelung: Systemskizze

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

793

Widerstehende Kräfte Bemessungswert der Grenzschubkraft eines Nagels pro m Nagellänge (bei einem horizontalen Nagelabstand a = 1 m)9: Tm,d = 45 kN/m (bzw. 30 kN/m bei a = 1,5 m) Bemessungswert des Materialwiderstandes eines Nagels (Annahme GEWI Ø 18 mm, charakteristische Last an der Streckgrenze Rm,k = 170 kN, Teilsicherheitsbeiwert γm = 1,15): Rm,d = 149 kN

Geländebruchuntersuchungen Die Geländebruchuntersuchungen wurden mit Hilfe des Berechnungsprogramms GGU Stability durchgeführt. Dabei wurden sowohl Bruchmechanismen, die alle Nägel umschließen, als auch solche, bei denen die Gleitlinien die Nägel schneiden, überprüft. Es wurden die Verfahren nach Krey/Bishop und nach Janbu angewandt. Der maximale Ausnutzungsgrad ergibt sich bei Verfahren nach Janbu zu μ = 0,95 und beim Verfahren nach Krey/Bishop zu μ = 0,87. Die aktivierten Mantelreibungskräfte liegen dabei deutlich unter dem Bemessungswert des Nagelwiderstandes; dieser ist somit in keiner Nagelreihe maßgebend.

13.5.4

Gewichtsmauern

13.5.4.1 Allgemeines Gewichtsmauern halten durch ihr Eigengewicht das Gleichgewicht zum einwirkenden Erddruck. Genauer kann die Stützwirkung nach [3] folgendermaßen beschrieben werden: „Das in der Sohlfuge wirkende Moment aus horizontalen Erddrucklasten wird über das rückdrehende Moment aus vertikalen Eigengewichtslasten aufgenommen.“ Gewichtsmauern werden meist aus unbewehrtem Beton hergestellt. Die Vorderseite wird ca. 4:1 bis 8:1 geneigt (siehe auch Bild 13-45). Die Rückseite kann senkrecht, geneigt, gebrochen oder in Stufen abgetreppt sein. Im unteren Teil kann die Mauer unterschnitten werden, was zu einer Verringerung des Erddrucks und der Querschnittsfläche führt; allerdings ist die Standsicherheit der Mauer im Bauzustand zu beachten. Die Sohlfläche kann horizontal oder geneigt sein [105]. Zur geneigten Sohlfläche ist anzumerken, dass sich die Gleitsicherheit im Vergleich zur horizontalen Ausführung nur geringfügig verbessert, es wird jedoch Material eingespart [3]. Mögliche Querschnitte von Gewichtsmauern sind in Bild 13-44 dargestellt. Eine Sonderform der Gewichtsmauern sind die sogenannten Trockenmauern, die aus Natur- oder Betonsteinen ohne Vermörtelung hergestellt werden (siehe Bild 13-44). Sie werden ca. 2:1 bis 5:1 geneigt.

9

Bei diesem Beispiel wird davon ausgegangen, dass die mögliche Grenzmantelreibung im anstehenden Boden schon genauer untersucht wurde.

13

794

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bild 13-44 Beispiel einer Trockenmauer (a) und Querschnitte von Gewichtsmauern (b) (nach [74])

Besonderes Augenmerk ist auf den Schub- und Reibungsverbund zwischen den Steinen zu legen (Passgenauigkeit und Größe der Kontaktflächen). Trockenmauern können nur bei geringen Höhen verwendet werden [3]. Zwischen Mauern aus unbewehrtem Beton und Trockenmauern sind verschiedene Übergänge, wie z. B. vermörteltes Mauerwerk, möglich [3]. 13.5.4.2 Bemessung und Berechnung 13.5.4.2.1 Regelwerke Für die zu führenden Nachweise der äußeren Standsicherheit kann auf EC 7 / DIN 1054 in Verbindung mit DIN 4017 und DIN 4084 zurückgegriffen werden. Die Erddruckberechnung erfolgt nach DIN 4085. Die innere Standsicherheit wird bei Stahlbeton-Gewichtsmauern nach DIN 1045-1 [20] bzw. DIN EN 1992-1-1 (EC 2) [39] überprüft. 13.5.4.2.2 Äußere Standsicherheit Bei Gewichtsmauern wird im Allgemeinen der aktive Erddruck angesetzt. Unter Umständen muss von einem erhöhten aktiven Erddruck (bei verformungsarmen Konstruktionen oder Gründungen auf Festgestein [3]) oder vom Verdichtungserddruck ausgegangen werden. Zur Überprüfung der äußeren Standsicherheit sind folgende Nachweise zu führen [3]:

13

Nachweise der Tragfähigkeit (ULS) – – – – –

Sicherheit gegen Kippen nach EC 7 / DIN 1054 (EQU) Grundbruchsicherheit nach EC 7 / DIN 1054 und DIN 4017 (GEO-2) Gleitsicherheit nach EC 7 / DIN 1054 (GEO-2) Geländebruchsicherheit nach DIN 4084 und DIN 1054 (GEO-3) Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen nach EC 7 / DIN 1054 (HYD / UPL), falls erforderlich.

Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS) – Vermeidung schädlicher Verkantungen durch Einhaltung der zulässigen Lage der Sohlspannungsresultierenden (klaffende Fuge) – Vermeidung unzulässiger Verschiebungen durch Begrenzung der Bodenreaktion auf der Mauervorderseite – Beschränkung der Setzungen durch die Einhaltung der zulässigen Sohlpressung.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

795

Die obigen Nachweise entsprechen dem Gebrauchstauglichkeitsnachweis auf Grundlage von Erfahrungen (siehe Abschnitt 13.2.2.3). Unter bestimmten Umständen (z. B. bei benachbarter Bebauung) müssen gesonderte Nachweise geführt werden. Zur Vordimensionierung von Gewichtsmauern kann von den in Bild 13-45 zusammengefassten Richtwerten für die Abmessungen ausgegangen werden. Nicht dargestellt sind allfällig notwendige Entwässerungseinrichtungen, vgl. Abschnitt 13.5.12.

Bild 13-45 Formgebung von Gewichtsmauern (nach [17])

13.5.4.2.3 Innere Standsicherheit Zu überprüfen ist die Sicherheit gegen Materialversagen sowie die Gebrauchstauglichkeit durch Beschränkung der Rissbreiten [3]. Für die entsprechenden Nachweise wird auf DIN 1045-1 bzw. DIN EN 1992-1-1 verwiesen. 13.5.4.3 Stützmauern aus Gabionen Unter Gabionen versteht man mit Steinen gefüllte Drahtkörbe. Mit ihnen können Stützkonstruktionen hergestellt werden, deren Stützwirkung mit der von Gewichtsmauern vergleichbar ist. Ein Beispiel ist in Bild 13-46 veranschaulicht. Im Merkblatt „M Gab“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen werden Hinweise zur Konstruktion und Berechnung von Gabionen-Stützmauern gegeben [71]. Weitere Ausführungshinweise finden sich in [18]. Die Größe der Körbe liegt zwischen 0,5 und 4 m3. Neben Drahtkörben werden auch Gabionen aus Geokunststoffen verwendet. Für den Stützverbau werden die Körbe mit einem Versatz von ca. 10 bis 15 cm auf- und hintereinandergeschlichtet und mit Draht miteinander verbunden. Die Verfüllung mit Steinen erfolgt lagenweise. Stützmauern aus Gabionen werden üblicherweise senkrecht oder mit einer Neigung von bis zu 10° hergestellt und luft- oder erdseitig abgetreppt [18]. Als Fundierung kommen Streifenfundamente oder größere Drahtsteinkörbe in Frage [3]. Stützmauern aus Gabionen werden wie konventionelle Gewichtsmauern bemessen. Der Zugwiderstand des Stahldrahtnetzes wird nicht berücksichtigt. Stützkonstruktionen aus Gabionen können auch in Kombination mit konstruktiven Böschungssicherungen ausgeführt werden. Bild 13-47 zeigt ein Beispiel einer mit Geokunststoffen rückverankerten Gabionen-Stützmauer.

13

796

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bild 13-46 Stützmauer aus Gabionen, Tübingen

Querschnitt

13

Bild 13-47 Ausführungsbeispiel einer mit Geokunststoffen rückverankerten Gabionen-Stützmauer [14]

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

797

13.5.4.4 Blocksatzmauern Blocksatzmaueren bestehen aus Steinquadern, die aufeinander geschichtet werden. Dazu müssen die Steine lagerhaft beschaffen sein, also näherungsweise ebene Flächen und eine Quaderform aufweisen. Auch bei diesen Stützmauern gibt das Merkblat „M Gab“ [71] Hinweise zur Konstruktion, Ausführung und Berechnung. Eine große Bedeutung kommt bei den Blocksatzmauern der ausreichenden Witterungsbeständigkeit der Steinquader zu, wie zahlreiche Schäden an Blocksatzmaueren mit ungenügender Witterungsbeständigkeit belegen. Ein weitere wichtiger Aspekt bei der Ausführung ist die passende Körnung der Hinterfüllung. Das Hinterfüllmaterial darf nicht durch die Fugen zwischen den Blocksatzsteinen hindurchrieseln.

13.5.5

Winkelstützmauern

13.5.5.1 Allgemeines Winkelstützmauern unterscheiden sich von Gewichtsmauern durch ihre schlankere Ausführung und einen verbreiterten Fuß. Sie werden vor allem auf Biegung beansprucht und müssen daher entsprechend bewehrt werden (Herstellung aus Stahlbeton). Die Konstruktion selbst weist ein verhältnismäßig geringes Eigengewicht auf; zusätzlich wirkt jedoch die Eigenlast der Hinterfüllung. Kennzeichnend für Winkelstützmauern ist laut Möller [74] die Tatsache, „dass die Resultierenden der Normalspannungen aus der Wandbelastung (einschließlich Wandeigenlast) auch außerhalb des Kerns der jeweiligen Mauerquerschnitte liegen. Die damit verbundenen Zugspannungen werden durch Bewehrung aufgenommen“ Gut geeignet sind Winkelstützmauern bei wenig tragfähigem Baugrund, da sie eine große Aufstandsfläche besitzen. Ein Nachteil ist, dass für die Herstellung speziell bei tiefen Einschnitten große Baugruben benötigt werden [105]. Formen von Winkelstützmauern sind in Bild 13-48 dargestellt. Die aufgehende Wand wird ca. 6:1 bis 12:1 geneigt (siehe auch Bild 13-50). Bei hohen Belastungen können zusätzliche Kragplatten10 oder Aussteifungsrippen angeordnet werden. Solche Ausführungen sind allerdings mit einem hohen Schalungs- und Bewehrungsaufwand verbunden ([74], [105]).

13

Bild 13-48 Beispiele für Winkelstützmauern [74]

10

Bei der Ausführung zusätzlicher Kragplatten ist zu beachten, dass es zu einer Vergrößerung der Sohlspannungen kommt. Der Baugrund muss daher eine entsprechend höhere Tragfähigkeit aufweisen [105].

798

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.5.2 Bemessung und Berechnung 13.5.5.2.1 Regelwerke Analog zu den Gewichtsmauern gelten zur Bemessung von Winkelstützmauern die Normen EC 7 / DIN 1054, DIN 4017, DIN 4084 sowie DIN 4085. Die Nachweise der inneren Standsicherheit sind nach DIN EN 1992-1-1 (EC 2) zu führen. 13.5.5.2.2 Äußere Standsicherheit Auch bei Winkelstützmauern muss abhängig von der Nachgiebigkeit der aktive Erddruck, ein erhöhter aktiver Erddruck bis hin zum Erdruhedruck und gegebenenfalls der Verdichtungserddruck berücksichtigt werden. Für den Ansatz des Erddrucks geht man nach [74] von folgender Vorstellung aus: Die Winkelstützmauer gibt dem Erddruck durch eine geringfügige Horizontalverschiebung nach. Der dadurch entstehende Gleitkeil gleitet nicht an der Mauerrückseite, sondern im Erdreich ab. Bei der Berechnung ist zwischen Mauern mit langem und kurzem Schenkel zu unterscheiden (siehe Bild 13-49).

Bild 13-49 Ansatz des Erddrucks bei einer Winkelstützmauer mit langem (a) und kurzem (b) Schenkel (nach [118])

13

 , unter denen die Gleitfläche und die Gegengleitfläche (AB bzw. Die Winkel ag und ag BC) gegen die Horizontale geneigt sind, errechnen sich wie folgt [74]: 

ag =  + 90 − arctan  tan  + 

1 sin( +  )    cos  sin( −  ) 

 = 90 − ag +  ag

(13.76) (13.77)

φ ist der Reibungswinkel, β die Geländeneigung. Die Neigung der Erddruckkraft δa ist im Bereich AB (langer Schenkel) bzw. BC (kurzer Schenkel) gleich φ. In den anderen Bereichen hängt die Neigung von der Rauhigkeit der Wandoberfläche ab. Meist wird δa = 2/3φ gesetzt. Bei langen Schenkeln kann die Gegengleitfläche unter bestimmten Voraussetzungen vereinfacht lotrecht angenommen werden (homogener Baugrund, keine begrenzten Oberflächenlasten, Gelände nicht geknickt). An dieser „fiktiven Wandoberfläche“ wird eine Ersatzerddruckkraft parallel zur Geländeoberfläche

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

799

angesetzt (δa = β). Bei kurzen Schenkeln liefert dieser Ansatz eine Näherungslösung [74], die nach DIN 4085 auf der sicheren Seite liegt. Für Winkelstützmauern sind dieselben Tragsicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise zu führen wie für Gewichtsmauern (siehe Abschnitt 13.5.4.2). Zur Vordimensionierung von Gewichtsmauern kann von den in Bild 13-50 zusammengefassten Richtwerten für die Abmessungen ausgegangen werden. Nicht dargestellt sind allfällig notwendige Entwässerungseinrichtungen, vgl. Abschnitt 13.5.12.

Bild 13-50 Formgebung von Winkelstützmauern (nach [17])

13.5.5.2.3 Innere Standsicherheit Die Nachweise der inneren Standsicherheit werden nach DIN 1045-1 bzw. DIN EN 1992-1 geführt. In DIN 4085 werden stehende Schenkel von Winkelstützmauern als annähernd unnachgiebige Konstruktionen eingestuft; somit ist für die Bemessung ein erhöhter aktiver Erddruck anzusetzen (vgl. Tabelle 13.1).

13.5.6

Nagelwände

13.5.6.1 Allgemeines Nagelwände stellen eine sehr häufig angewandte Form der Bodenvernagelung dar (vgl. Abschnitt 13.5.3). Unter einer Nagelwand versteht man einen Verbundkörper, der aus den folgenden Elementen besteht: dem anstehenden Boden oder Fels, der Bewehrung (Nägel) und einer Außenhaut an der Luftseite [18]. Die Ausführungsarten der Nägel und der Außenhaut wurden bereits detailliert in Abschnitt 13.5.3 erläutert. Zur Außenhaut ist anzumerken, dass bei Nagelwänden meist nur die massiven Varianten ((bewehrter) Spritzbeton, Ortbeton, Fertigteile, Gabionen) in Frage kommen. 13.5.6.2 Bemessung und Berechnung 13.5.6.2.1 Regelwerke Grundlagen für die Bemessung von Nagelwänden sind dem EC 7 / DIN 1054 zu entnehmen, daneben sind DIN 4017, DIN 4084 und DIN 4085 zu beachten. Die zu erbringenden Nachweise sind in den bauaufsichtlichen Zulassungen der Hersteller enthalten (z. B. [7]). Regelungen zur Ausführung sowie Anmerkungen zum Entwurf sind auch in der Ausführungsnorm DIN EN 14490 [44] enthalten.

13

800

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.6.2.2 Äußere Standsicherheit Bei Nagelwänden wird davon ausgegangen, dass sich der vernagelte Bodenkörper bei ausreichender Nageldichte unter äußerer Belastung wie ein Monolith verhält. Diese Annahme gilt als erfüllt, wenn der Nagelabstand horizontal und vertikal maximal 1,5 m beträgt. Die Rückwand dieses monolithischen Blocks geht durch das Ende der Nägel; der „ideelle“ Wandreibungswinkel entspricht dem Reibungswinkel φ des anstehenden Bodens [74]. Es sind folgende Nachweise zu führen: Nachweise der Tragfähigkeit (ULS): – Grundbruchsicherheit nach DIN 4017 und DIN 1054 (GEO-2) – Gleitsicherheit nach EC 7 / DIN 1054 (GEO-2) – Geländebruchsicherheit nach DIN 4084 und EC 7 / DIN 1054 (GEO-3). Der Nachweis der Kippsicherheit (EQU) kann für Bodenvernagelungen entfallen 11. Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS): – Vermeidung schädlicher Verkantungen durch Einhaltung der zulässigen Lage der Sohlspannungsresultierenden (Nachweis der klaffenden Fuge). Bei belegbaren Erfahrungen zur Standsicherheit des Stützbauwerks kann auf die Nachweisführung verzichtet werden (vgl. auch DIN 1054 Abschnitt A 11.5.4.3). Für die Dimensionierung von Nagelwänden können nach [3] folgende Richtwerte herangezogen werden: – – – –

Nagellänge: 0,5 bis 0,7 fache Wandhöhe Nagelneigung zur Horizontalen: 0 bis 30° Nageldichte: 0,5 bis 2 Nägel/m2 Nagelabstand: 0,7 bis 1,5 m.

Bezüglich der Anpassung der Nagelneigung und -länge an die Baugrundeigenschaften etc. gelten die in Abschnitt 13.5.3 getroffenen Aussagen. 13.5.6.2.3 Innere Standsicherheit Die Überprüfung der inneren Standsicherheit umfasst nach [74]

13

– den Nachweis der Sicherheit gegen Herausziehen, – den Nachweis der Sicherheit gegen Materialversagen und – die Bemessung der Außenhaut. Für die Nachweise der inneren Standsicherheit betrachtet man einen Zweikörper-Bruchmechanismus mit ebenen Gleitflächen (siehe Bild 13-51). Laut Wichter/Meiniger [117] kann man sich den Mechanismus so vorstellen, dass ein Erdkeil mit dem aktiven Erddruck auf den Verbundkörper wirkt. Dieser Keil versucht, den Körper auf einer unter dem Winkel  geneigten Gleitfläche nach außen zu schieben. Die Nägel, die die Gleitfläche durchdringen, verankern den Körper im rückwärtigen Boden bzw. Fels. Der maßgebende Mechanismus (bei dem sich die größten Nagelkräfte ergeben) wird durch Variation des Winkels  bestimmt. Einen Berechnungsansatz liefert Gäßler in [54]; nach diesem Ansatz beginnt man erfahrungsgemäß mit  = 35° und variiert dann den Winkel in 5°-Schritten oder legt die Gleitflächen durch verschiedene Nagelenden. 11

vgl. DIN 1054:2010-12, A 11.5.4.3 A (2)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

801

Bild 13-51 Bruchmechanismus eines vernagelten Geländesprungs [74]

Nachweis gegen Herausziehen der Bodennägel Nach Möller [74] (mit Bezug auf Gäßler [54]) ergibt sich der Bemessungswert der Herausziehwiderstände Ni,d der Nägel 5 bis 9 nach folgender Formel (bei festgelegten vertikalen und horizontalen Nagelabständen, siehe Bild 13-51): Ni ,d = Tm,d  li 

mit

Tm,d li bi

1 bi

i = 5, 6,...,9

(13.78)

Bemessungswert der Grenzschubkraft eines Nagels Nagellänge in der i-ten Nagelreihe Seitenabstand der Nägel in der i-ten Nagelreihe

Für die für das Kräftegleichgewicht erforderliche Zugkraft erf Zd gilt erf Z d =

i =9

i =9

1

 Ni,d = Tm,d   li  bi i =5

i =5

bzw.

Tm,d =

erf Z d

i =9

1 li  b i i =5



(13.79)

13

Die erforderliche Zugkraft ergibt sich aus der Berechnung des Bruchmechanismus nach GEO-3. Der charakteristische Wert der Grenzschubkraft T m,k wird durch Multiplikation des Bemessungswertes mit dem Teilsicherheitsbeiwert für Herausziehwiderstände von Bodennägeln a ermittelt:

erf Tm,k =  a  Tm,d

(13.80)

Bei gegebenem Vernagelungsgrad ist der Nachweis gegen Herausziehen erbracht, wenn

max erf Tm,k  Tm,k Wird die obige Bedingung nicht erfüllt, sind die Nagelabstände zu verringern.

(13.81)

802

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bemessungswerte für die Grenzschubkraft in Abhängigkeit von der Bodenart wurden bereits in Abschnitt 13.5.3 angeführt. An dieser Stelle wird nochmals darauf hingewiesen, dass die angegebenen Werte nur zur Vordimensionierung verwendet werden sollten und unbedingt durch Nagelprüfungen nachzuweisen sind. Bei gegebenem vertikalem Nagelabstand kann der maximal mögliche horizontale Abstand b wie folgt ermittelt werden (nach [3]): b=

Tm, k

(13.82)

max erf Tm, k

Nachweis gegen Materialversagen der Bodennägel Der Nachweis gegen Materialversagen der Nägel ist erbracht, wenn folgende Ungleichung erfüllt ist (nach [54]):

Em,d bzw. En,d  Rm,d mit

(13.83)

Em,d, En,d

Bemessungsbeanspruchung

Rm,d

Bemessungswert des Nagelwiderstands, Rm, d =

Rm,k γM

charakteristischer Wert des Nagelwiderstands Teilsicherheitsbeiwert für den Materialwiderstand des Stahlzuggliedes nach DIN EN 1992-1-1, M = 1,15

Rm,k

M

Die Bemessungsbeanspruchung ist nach auf zwei Arten zu ermitteln, wobei der größere Wert maßgebend ist: – Berechnung der maximalen Nagelbeanspruchung Ni,d = Em,d, die sich aus der Berechnung des ungünstigsten Bruchmechanismus nach GEO-3 ergibt (siehe Formel 13.80); – Berechnung jener Nagelbeanspruchung En,d, die aus dem Bemessungserddruck auf die zugeordnete Fläche der Oberflächensicherung folgt: En,d = 0,85  ea,d 

13

mit

0,85 ea,d ΔAn a b α

An = 0,85  ea,d 

a b cos 

(13.84)

Abminderungsfaktor nach den Zulassungsbescheiden des DIBt (vgl. z. B. [7]) Bemessungserddruck nach DIN 4085 und EC 7 / DIN 1054, GEO-2, rechteckförmig umgelagert zugeordnete Fläche der Oberflächensicherung vertikaler Nagelabstand horizontaler Nagelabstand Neigung der Oberfläche

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

803

13.5.6.3 Berechnungsbeispiel Für die untenstehende Nagelwand sollen die Nachweise der äußeren und inneren Standsicherheit geführt werden. Auf die Bemessung der Außenhaut wird in diesem Beispiel nicht eingegangen. Geometrien, Bodenkennwerte, Materialeigenschaften Bodenkennwerte Bodengruppe: GW (sandiger Kies) 12 Wirksame Wichte des Bodens: γk = 18 kN/m3 Reibungswinkel des Bodens: φk = 34° Einwirkende Kräfte Charakteristische Verkehrslasten:

q1,k = 16,7 kN/m2 q2,k = 3,0 kN/m2

13

Bild 13-52 Berechnungsbeispiel Nagelwand: Geometrie

12

Der Boden besitzt ausreichend Kapillarkohäsion, so dass abschnittsweises Abschachten möglich ist. In der Berechnung wird keine Kohäsion berücksichtigt.

804

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Widerstehende Kräfte Geschätzter Bemessungswert der Grenzschubkraft eines Nagels pro m Nagellänge: Tm,d = 30 kN/m Nachweise der äußeren Standsicherheit Für die Nachweise der äußeren Standsicherheit wird die Nagelwand als monolithischer Körper betrachtet (siehe Bild 13-53).

Bild 13-53 Berechnungsbeispiel Nagelwand: Monolithischer Körper für die Nachweise der äußeren Standsicherheit

Einwirkungen

13

Charakteristischer Wert des Erddrucks infolge Eigenlast des Bodens auf die Rückseite der Nagelwand: Kagh für φ = 34°, α = -11,31°, δ = 34°, β = 0:

Kagh = 0,267

1 1 Eagh,k =   k  h2  Kah = 18,00 12,962  0,167 = 252 kN / m 2 2

(13.85)

Eagv,k = Eagh  tan ( +  a ) = 252, 45  tan ( −11,31 + 34 ) = 106 kN / m

(13.86)

Der Erddruck infolge Verkehrslast q2 (Eavh,k = 1,63 kN/m, Berechnung nach DIN 4085) hat praktisch keinen Einfluss auf die äußere Standsicherheit und wird daher in der weiteren Berechnung vernachlässigt. Gewicht des Nagelkörpers: Wk = 1904 kN / m

(13.87)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

805

Charakteristische Werte der Resultierenden der Verkehrslasten auf dem Nagelkörper:

Q21,k = 3,00  3,00 = 9 kN / m

(13.88)

Q1,k = 3,00 16,70 = 50 kN / m

(13.89)

Q22,k = 0,94  3,00 = 2 kN / m

(13.90)

Nachweise der Tragsicherheit Sicherheit gegen Gleiten (GEO-2) Die Neigung der Sohle wird (auf der sicheren Seite liegend) vernachlässigt. Charakteristischer Wert des Sohlwiderstands:

Rt ,k = Vk  tan  s,k = 2071 tan 34 = 1396 kN / m

(13.91)

Charakteristischer Wert der Summe der Horizontalkräfte:

Tk = Eah,k = 252 kN / m

(13.92)

Resultierende der horizontalen Bemessungseinwirkungen in der Sohlfläche:

Hd = Tk   G = 252 kN / m 1,35 = 340 kN / m

(13.93)

Bemessungswert des Sohlwiderstands

Rt ,d =

Rt ,k

 R,h

=

1396 kN / m = 1269 kN / m 1,10

(13.94)

Gleitkriterium:

Hd = 340 kN / m  Rt ,d = 1269 kN / m → Nachweis erbracht

(13.95)

Sicherheit gegen Grundbruch (GEO-2) Grundwerte für die Berechnung des Grundbruchwiderstands (nur Anteil aus „Fundamentbreite“): – Tragfähigkeitsbeiwerte Nb0, Nd0:

  Nd 0 = tan ²  45 + k 2 

  tan  34   = tan ²  45 +   e tan34 = 29, 43 e 2  

Nb0 = ( Nd 0 − 1)  tan k = (29, 43 − 1)  tan 34 = 19,18

(13.96) (13.97)

– Lastneigungsbeiwert ib:

H Lastneigungswinkel  = arctan  k  Vk

  252   = arctan   = 6,95  2071  

Rechnerische Breite: b = b − 2  e = 8, 26 − 2 1,07 = 6,12 m

(13.98) (13.99)

13

806

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

 6,12  b   2+   2 + a  1, 00    sin ² =  m=  sin ²90 = 1,14  b   6,12  + 1 + 1      a   1, 00 

(13.100)

ib = (1 − tan  )m+1 = (1 − tan 6,95)1,14+1 = 0,76

(13.101)

– Sohlneigungsbeiwert ξb:

b = e−0,045 tan = e−0,0453,9tan34 = 0,90

(13.102)

– Formbeiwert νb: „Streifenfundament“

→ νb = 1

– Geländeneigungsbeiwert λb: Gelände in Nachweisebene horizontal

→ λb = 1

Charakteristischer Wert des Grundbruchwiderstands:

Rn,k = b   k  b  Nb0  b  ib  b  b = 1,00  6,12 18  6,12 19,18 1 0,76 1 0,90 = 8845 kN / m

(13.103)

Nachweis der Grundbruchsicherheit:

N d =  G VG +  Q  VQ  Rn.d =

Rn,k

(13.104)

 R ,v

1,35  (1904 + 105) + 1,5  (9 + 50 + 2) = 2804 kN / m 

8845 = 6318 kN / m 1, 4

(13.105)

→ Nachweis erbracht Sicherheit gegen Kippen (EQU)

13

Momente um den luftseitigen Fußpunkt: Destabilisierendes Moment M G,k ,dst = Eagh,k  3,74 = 252  3,74 = 942,5 kNm / m

(13.106)

Stabilisierendes Moment M k , stb = Eagv,k  9,11 + Wk  5, 42 + Q21,k  5,39 + Q1,k  8,39 + Q22,k 10,37 = 106  9,11 + 1904  5, 42 + 9  5,39 + 50  8,39 + 2 10,37 = 11774,1 kNm / m

(13.107)

M G ,k ,dst   dst = 942,5 1, 05 = 989, 6 kNm / m M G ,k , stb   stb = 11774,1 0,95 = 11185, 4 kNm / m M G ,k ,dst   dst  M G ,k , stb   stb

→ Nachweis erbracht

(13.108)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

807

Sicherheit gegen Geländebruch (GEO-3) Die Sicherheit gegen Geländebruch wurde mit dem Berechnungsprogramm GGU-Stability überprüft. Bei der Anwendung des Blockgleitverfahrens ergibt sich ein Ausnutzungsgrad μ = 0,73. Eine Vergleichsberechnung mit dem Verfahren nach Krey/Bishop liefert einen Ausnutzungsgrad μ = 0,70. Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS) Charakteristischer Wert der Moments um den Schwerpunkt der Sohlfläche (aus ständigen Lasten und Verkehrslasten, vgl. auch Bild 13-53): M k = Eagh,k  4, 04 − Eagv,k  4,99 − Wk  4, 04 − Q21,k 1, 27 − Q1,k  4, 27 − Q22,k  6, 25 = 252  4, 04 − 106  4,99 − 1904 1,30 − 9 1, 27 − 50  4, 27 − 2  6, 25 = 2219 kNm / m

(13.109)

Charakteristischer Wert der Summe der Vertikalkräfte im Schwerpunkt der Sohlfläche (Sohlneigung wird vernachlässigt):

Nk = Wk + Eav,k + Q21,k + Q1,k + Q22,k = 1904 + 106 + 9 + 50 + 2 = 2071 kN / m

(13.110)

Vorhandene Exzentrizität und Kriterium der klaffenden Fuge:

evorh =

Mk Nk

=

2219 b 8, 26 = 1,07 m  = = 2,76 m → Nachweis erbracht 2071 3 3

(13.111)

Nachweise der inneren Standsicherheit Nachweis der Sicherheit gegen Herausziehen der Bodennägel (GEO-3) Für den Bemessungswert des Reibungswinkels φd gilt:  tan    tan 34  k  = arctan   = 28,35    1, 25    

d = arctan 

(13.112)

Untersucht wird ein Zweikörper-Bruchmechanismus gemäß 13.5.6.2, wobei der Gleitflächenwinkel  beginnend bei 35° variiert wird. Die Berechnung des Bemessungserddrucks erfolgt nach der folgenden Formel:

1 Ea,d =  h2   d  K a (d ) (13.113) 2 Der aktive Erddruckbeiwert ergibt sich für φd = 28,35°, β = 0°, α = –11,31° und δ = 28,35° zu Ka = 0,237. Der Bemessungswert der Resultierenden der Verkehrslast ergibt sich zu:

(

)

Qd =  Q  Q21,k + Q1,k + Q22,k = 1,3  ( 9 + 50 + 2 ) = 79 kN / m

(13.114)

Der zusätzliche Erddruck aus der Verkehrslast q2 ist nicht maßgebend und wird daher in der Berechnung vernachlässigt. Die benötigten Berechnungsgrößen und die Berechnungsergebnisse für die verschiedenen Bruchmechanismen sind in Tabelle 13.15 zusammengestellt. Der maßgebende Mechanismus und das zugehörige Krafteck sind in Bild 13-54 ersichtlich.

13

808

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bild 13-54 Berechnungsbeispiel Nagelwand: Maßgebender Bruchmechanismus und zugehöriges Krafteck Tabelle 13.15

Berechnungsbeispiel Nagelwand: Zusammenstellung der Berechnungsgrößen und Berechnungsergebnisse



13

35°(l3)

40°(l2)

44°(l1)

45°

Wd

[kN/m]

1339,38

1226,52

1113,66

1074,60

Ea,d

[kN/m]

63,82

33,62

13,01

8,11

l1

[m]







0,35

l2

[m]





1,07

1,38

l3

[m]



1,23

2,14

2,40

l4

[m]

1,45

2,48

3,21

3,42

l5

[m]

2,89

3,69

4,28

4,45

l6

[m]

4,34

4,92

5,35

5,47

l7

[m]

5,79

6,15

6,42

6,49

l8

[m]

7,24

7,38

7,49

7,52

Σli

[m]

21,71

25,83

29,96

31,48

Zd

[kN/m]

250,15

312,23

370,84

383,08

Tm,d

[kN/m]

17,28

18,13

18,57

18,25

Die maximal erforderliche Bemessungsschubkraft der Nägel beträgt 18,57 kN/m. Somit gilt:

Tm,d ,erf = 18,57 kN / m  Tm,d ,vorh = 30,00 kN / m

(13.115)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

Ausnutzungsgrad  =

18,57 = 0, 62 30, 00

809

(13.116)

Nachweis der Sicherheit gegen Materialversagen (STR) Berechnung der Bemessungsbeanspruchung Em,d (Nagelabstand 1,5 m ist schon in Tm,d berücksichtigt):

Em,d = Ni,d ,max = Tm,d  li,max = 18,57  7, 49 = 139,09 kN

(13.117)

Bemessungswert des Erddrucks auf die Außenhaut (Kagh = 0,209 für φ = 34°, α = -11,31°, β = δ = 0):

1 1 Eagh,d =  G   h12  Kagh = 1,35  12,002  0, 209 = 366 kN / m 2 2

(13.118)

Bemessungswert der Erddruckspannung (rechteckförmige Umverteilung des Erddrucks):

eagh,d =

Eagh,d h1

=

366 = 30,50 kN / m2 12

(13.119)

Berechnung der Bemessungsbeanspruchung En,d:

En,d = 0,85  eagh,d  cos  

a b cos 

1,50 1,50 = 0,85  30,50  cos(−11,31)  = 58,33 kN cos(−11,31)

(13.120)

Da Em,d > En,d, ist Em,d maßgebend. Der Bemessungswert des Widerstandes hängt von der Bauart der verwendeten Nägel ab. Beispielhaft soll der Widerstand für einen GEWI-Nagel mit einem Durchmesser von 18 mm ermittelt werden. Gemäß Zulassung beträgt die Last an der Streckgrenze (charakteristischer Nagelwiderstand) 170 kN. Für den Bemessungswert und den Tragfähigkeitsnachweis gilt:

Rm,d =

Rm,k

m

=

170 = 147,83 kN  Em,d = 139, 09 kN → Nachweis erbracht 1,15

(13.121)

13 13.5.7

Raumgitter-Stützkonstruktionen

13.5.7.1 Allgemeines Raumgitter-Stützkonstruktionen bestehen aus Fertigteilen, die so aufeinander gestellt werden, dass sie ein räumliches Gitter bilden. Die „Zellen“ dieses Gitters werden mit Erde verfüllt, die in weiterer Folge verdichtet werden muss. So entsteht ein Verbundsystem aus Fertigteilelementen und verdichtetem Erdkörper [69]. Vorteile von Raumgitter-Stützkonstruktionen sind unter anderem die gute Anpassbarkeit an Geländeunregelmäßigkeiten, die einfache Erweiterbarkeit und die außerordentliche Unempfindlichkeit gegenüber Verformungen und Setzungen (bei gelenkigen Konstruktionen).

810

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Raumgitterstützwände können darüber hinaus leicht begrünt werden und passen sich somit gut in das Landschaftsbild ein [18].

Bild 13-55 Raumgitterstützwand an der A9 Pyhrnautobahn, St. Pankraz, Oberösterreich [91]

Die Fertigteilelemente können aus (Stahl-)Beton („Betonkrainerwände“), Stahl, Recyclingstoffen oder aus Holz („Holzkrainerwände“) bestehen, wobei jene aus Beton am häufigsten eingesetzt werden (siehe Bild 13-56) [69]. Als Verfüllmaterial kann neben Erde in Sonderfällen auch Beton oder Müllkompost zur Anwendung kommen [18].

13

Bild 13-56 Beispiele für Raumgitterwände: a) Einzelelemente, b) Rahmen-Balken-Elemente, c) Rahmen, d) Schlaufen-Balken-Elemente [74]

Grundsätzlich kann nach [18] zwischen zwei Hauptsystemen unterschieden werden: – Gelenkige Systeme: Längsriegel (Läufer) und Querriegel (Binder) werden gelenkig miteinander verbunden. – Rahmenartige Systeme: Längs- und Querriegel werden werkseitig zu Rahmen zusammengefügt (steife Verbindung). Zwischen diesen beiden Hauptsystemen gibt es je nach Konstruktionsdetails alle Arten von Übergängen. Je nach Beanspruchung können ein- oder doppelreihige, erdseits offene oder geschlossene Konstruktionen hergestellt werden.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

811

Raumgitter-Stützkonstruktionen werden in einer Neigung zwischen 5:1 und 10:1 ausgeführt. Höhen bis zu 25 m (abgetreppt bis zu 50 m) sind möglich. Bei entsprechend tragfähigem Untergrund und geringen Höhen sind keine besonderen Gründungsmaßnahmen notwendig. Ab einer Höhe von ca. 6 m und bei wenig tragfähigem Baugrund sollten die Konstruktionen auf Streifenfundamente gestellt werden. Falls erforderlich, können Raumgitter-Stützkonstruktionen auch verankert werden [18]. 13.5.7.2 Bemessung und Berechnung 13.5.7.2.1 Regelwerke Grundlagen zur Gestaltung, Berechnung und Bemessung von Raumgitter-Stützkonstruktionen können dem Merkblatt für Raumgitterkonstruktionen [69] entnommen werden. Darüber hinaus sind EC7 / DIN 1054, DIN 1055-6, DIN 4017, DIN 4084 und DIN 4085 zu beachten. Bezüglich der Bauwerksverfüllung bzw. -hinterfüllung gelten zusätzlich die Regelungen in den ZTV E-StB 17, im Merkblatt über den Einfluß der Hinterfüllung auf Bauwerke, in DIN 18196 und in DIN 18915. 13.5.7.2.2 Äußere Standsicherheit Für die äußere Standsicherheit werden Raumgitter-Stützkonstruktionen als monolithische Körper betrachtet. An der Rückseite soll nach DIN 1054 der aktive Erddruck angenommen werden (unter Umständen auch ein erhöhter aktiver Erddruck und ggf. Verdichtungserddruck, siehe auch Abschnitt 13.5.4.2). Brandl [18] empfiehlt speziell bei steilen Böschungen ( ≥ 35°) und Kriechhängen, die Erddruckresultierende in der halben Wandhöhe anzusetzen. Auch bei engem Hinterfüllbereich oder bei Verankerungen kann die Lage der Erddruckresultierenden über dem Drittelspunkt liegen. Der Wandreibungswinkel von Raumgitterwänden liegt je nach Konstruktion zwischen 0,75φ und φ. Die Ermittlung kann mit dem Diagramm in Bild 13-57 erfolgen, das auf der Basis von Modellversuchen und Messungen entwickelt wurde [18].

13

Bild 13-57 Wandreibungswinkel δ von Raumgitter-Stützmauern als Funktion des Verhältnisses Bodenfläche zur Gesamtfläche (Öffnungsverhältnis) und der Gliedrigkeit (Verzahnung) an der Wandrückseite. φ ist der Reibungswinkel des Ver- bzw. Hinterfüllmaterials [18]

812

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bei Raumgitter-Stützkonstruktionen sind nach [61] und [69] folgende Nachweise der äußeren Standsicherheit zu führen: Nachweise der Tragfähigkeit (ULS) – – – –

Kippsicherheit (EQU) Gleitsicherheit (GEO-2) Grundbruchsicherheit nach DIN 4017 (GEO-2) Geländebruchsicherheit nach DIN 4084 (GEO-3)

Für den Fall, dass das Bauwerk unterströmt wird, sind zusätzlich die Sicherheiten gegen hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen nach EC 7 / DIN 1054 nachzuweisen (HYD und UPL). Die Gleit- und Kippsicherheit ist nach [69] zusätzlich zur Sohlfuge in allen maßgebenden Schnittfugen durch die Konstruktion zu überprüfen. Bei der Berechnung des Gleitwiderstands sind dabei folgende Grenzwerte zu untersuchen: – Das Bodengewicht wird zur Gänze über das Raumgitter abgetragen (100 % Lastumlagerung). – Nur 20 % des Bodengewichtes werden über das Raumgitter abgetragen (20 % Lastumlagerung). Auch beim Nachweis gegen Geländebruch müssen Gleitlinien durch die Fugen der Raumgitterkonstruktion untersucht werden; durch die Fertigteile müssen in der Regel allerdings keine Gleitlinien gelegt werden. Die Raumgitterkonstruktion kann dabei nach einem Ansatz von Brandl [19] näherungsweise als Körper mit einer fiktiven Scherfestigkeit modelliert werden. Für den fiktiven Reibungswinkel φw gilt: w = kw  (B +  )

mit

kw φB φ

(13.122)

Systemfaktor, abhängig von der verwendeten Konstruktion (zwischen 0,3 und 0,5) Reibungswinkel zwischen Stahlbeton-Fertigteilen (unter Berücksichtigung von elastischen Knoten-Zwischenlagen wie Dachpappe, Filz etc.) Reibungswinkel des Füllbodens

Bei obigem Ansatz ist eine allfällige Verriegelung bzw. Verzahnung der Elementknoten noch nicht berücksichtigt.

13

Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS) – Vermeidung schädlicher Verkantungen durch Einhaltung der zulässigen Lage der Sohlspannungsresultierenden (klaffende Fuge). 13.5.7.2.3 Innere Standsicherheit Die Überprüfung der inneren Standsicherheit bezieht sich auf die Bemessung der Fertigteile. Um die Belastung der einzelnen Elemente zu ermitteln, müssen zunächst die Drücke in den Raumgitterzellen berechnet werden. Dies erfolgt mit Hilfe der Silotheorie. Demnach kann der Verlauf des vertikalen Zellendrucks pv(z) mit der Tiefe z durch folgende Exponentialfunktion beschrieben werden (siehe Bild 13-58) [74]:

(

pv ( z ) =   z0  1 − e− z / z0

)

(13.123)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

813

Bild 13-58 Ermittlung des Silodruckes in den Raumgitterzellen [69]

γ ist die Wichte des Verfüllmaterials, z0 ist die ideelle Wandtiefe, in welcher der geostatische Druck gleich groß wie der maximale Silodruck ist (Grenzwert p v,max = γ ∙ z0)13. Es gilt

mit

z0 =

A 1  U K0  tan  s

A U K0 δs

Zellenquerschnittsfläche innerer Umfang einer Zelle Erdruhedruckbeiwert, K0 = 1 – sinφ innerer Wandreibungswinkel, im Allgemeinen δs = 2/3φ

(13.124)

13

Der horizontale Zellendruck p h(z) und der Wandreibungsdruck pw(z) errechnen sich wie folgt: ph ( z ) = pv ( z )  K0 (13.125)

pw ( z ) = pv ( z )  K0  tan  s

(13.126)

Mit den obigen Formeln lässt sich die Belastung der einzelnen Raumgitterelemente berechnen, siehe dazu Bild 13-59 [74]:

13

Formel (13.125) und die Definition von z0 gelten für kohäsionsloses Verfüllmaterial, welches im Regelfall verwendet wird.

814

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bild 13-59 Belastung der Elemente einer Raumgitter-Stützkonstruktion: luftseitige Läufer (a), erdseitige Läufer (b), Binder (c) [74]

Luftseitige Läufer Horizontale Belastung: q1 ( z ) = ( d1 + d 2 )  ph ( z )

(13.127)

Vertikale Belastung: q2 ( z ) = ( d1 + d2 )  pw ( z )

(13.128)

Versatzmoment (ergibt sich aus der Verschiebung von q2 in die Symmetrieebene des Querschnitts): b m ( z ) = ( d1 + d 2 )  pw ( z )  L (13.129) 2 Bergseitige Läufer Horizontale Belastung: q3 ( z ) = ( d1 + d2 )  ( eah ( z ) − ph ( z ) )

13

(13.130)

Vertikale Belastung: q4 ( z ) = ( d1 + d2 )  ( eav ( z ) + pw ( z ) ) + g  bL

mit

(13.131)

g = γ ∙ d2 vertikale Druckspannung aus der Eigenlast des zwischen den Läufern liegenden Verfüllmaterials

Das aus der Differenz zwischen der Vertikalkomponente des Erddrucks e av und dem Wandreibungsdruck pw resultierende Versatzmoment ist in der Regel vernachlässigbar klein. Binder Vertikale Belastung:

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

q5 ( z ) = ( d1 + d2 )  pw ( z )

815

(13.132)

Normalkräfte in den Bindern:

N ( z ) = q1  a

(13.133)

Die horizontalen Silodrücke heben sich gegenseitig auf. Das Verfüllmaterial zwischen den Bindern wird nicht berücksichtigt. Brandl [18] empfiehlt, sämtliche Elemente generell auf den maximalen Silodruck zu bemessen. So können die Elemente an beliebiger Stelle eingebaut werden. Neben den Elementen selbst sind auch die Knotenpunkte entsprechend zu bemessen, vgl. dazu Thamm [113]. 13.5.7.3 Berechnungsbeispiel Für die untenstehende Raumgitter-Stützkonstruktion (Betonkrainerwand) sollen die Nachweise der inneren und äußeren Standsicherheit geführt werden. 13.5.7.3.1 Geometrien, Bodenkennwerte, Materialeigenschaften Bodenkennwerte Bodengruppe: G (Kies), kohäsionslos Wirksame Wichte des Bodens: γk = 18 kN/m3 Reibungswinkel des Bodens: φk = 35° Für Hang- und Hinterfüllmaterial werden die gleichen bodenmechanischen Kennwerte angenommen.

13

Bild 13-60 Berechnungsbeispiel zu den Raumgitter-Stützkonstruktionen: Geometrie (nach [89])

816

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Raumgittersystem Im gegenständlichen Beispiel soll das System Ebenseer Krainerwand KW10 [89] zur Anwendung kommen. Abmessungen Binder B180: l = 180 cm, b = 15 cm, h = 25–32 cm Abmessungen Läufer L125: l = 125 cm, b = 30 cm, h = 10 cm Öffnungsverhältnis (Flächen beziehen sich auf das Rastermaß der Rückseite einer Zelle):

Bodenfläche (125 − 15)  25 = 100 % = 63 % Gesamtfläche 125  (25 + 10)

(13.134)

13.5.7.3.2 Nachweise der äußeren Standsicherheit Für die Nachweise der äußeren Standsicherheit wird die Raumgitterkonstruktion als monolithischer Körper betrachtet (siehe Bild 13-61).

13

Bild 13-61 Berechnungsbeispiel zu den Raumgitter-Stützkonstruktionen: Monolithischer Körper für die Nachweise der äußeren Standsicherheit: 1) Sohlfuge, 2) Fundamentoberkante

Nach [53] ergibt sich die mittlere Wichte der Konstruktion, ausgehend von einem Füllungsanteil von ca. 71 %, einem Fertigteil- bzw. Betonanteil von ca. 20 % und einem Hohlraumanteil von ca. 9 % am Gesamtvolumen14, wie folgt:

 m = 0,7118 + 0, 20  25 + 0,09  0 = 17,80 kN / m³

(13.135)

Der Wandreibungswinkel lässt sich nach Bild 13-57 ermitteln. Bei einem Öffnungsverhältnis von 63 % ergibt sich für kleingliedrige Elemente ein Faktor  = 0,97 . Damit errechnet sich der Wandreibungswinkel δa zu

14

Die einzelnen Gewichtsanteile sind vom jeweils verwendeten System abhängig.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

817

 a =    = 0,97  35 = 33,9

(13.136)

Einwirkungen Charakteristischer Wert des Erddrucks infolge Eigenlast des Bodens auf die Rückseite der Konstruktion: Kagh für φ = 35,0°, α = -11,31°, δ = 33,9°, β = 20°:

Kagh = 0,206

1 1 Eagh,k =   k  h12  Kagh = 18,00  6,542  0, 206 = 79,3 kN / m 2 2

(13.137)

Eagv,k = Eagh,k  tan ( +  a ) = 79,3  tan ( −11,31 + 33,9 ) = 33, 0 kN / m

(13.138)

Gewicht der Konstruktion (ohne Fundament):

W1,k = 181,5 kN / m

(13.139)

Gewicht des Streifenfundamentes:

W2,k = 22,5 kN / m

(13.140)

Nachweise der Tragsicherheit (ULS) Sicherheit gegen Kippen (EQU) Bei Raumgitterstützmauern ist nach [69] der Nachweis gegen Kippen in der Sohlfuge und in allen maßgebenden Schnitten zu führen; in diesem Beispiel wird zusätzlich zur Sohlfuge auch die Fuge zwischen Raumgitterelementen und Fundamentoberkante untersucht. Die Erddruckresultierende wird, wie schon erwähnt, aus Sicherheitsgründen in der halben Wandhöhe angesetzt. Sohlfuge: Charakteristischer Wert des destabilisierenden Moments um die Fundamentaußenkante:

M G,k ,dst = Eagh,k  2,63 = 79,3 kN m  2,63 m = 208,6 kNm m

(13.141)

13

Charakteristischer Wert des stabilisierenden Moments um die Fundamentaußenkante: M G ,k , stb = Eagv,k  2, 41 + W1,k 1,57 + W2,k  0,97 = 33, 0 kN m  2, 41 m + 181,5 kN m 1,57 m + 22,5 kN m  0,97 m = 386,3 kNm m

(13.142)

Kippnachweis:

M G ,k ,dst   G ,dst

 M G ,k , stb   G , stb

208,6 kNm m 1,05  386,3 kNm m  0,95 219,0 kNm m  367,0 kNm m → Nachweis erbracht

(13.143)

818

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Fundamentoberkante: Erddruck in Höhe der Fundamentoberkante:

1 1 Eagh,k =   k  h22  Kagh = 18,00  6,032  0, 206 = 67, 4 kN / m 2 2

(13.144)

Eagv,k = Eagh,k  tan ( +  a ) = 67, 4  tan ( −11,31 + 33,9 ) = 28, 0 kN / m

(13.145)

Charakteristischer Wert des destabilisierenden Moments um die Außenkante:

M G,k ,dst = Eagh,k  2, 43 = 67, 4 kN m  2, 43 m = 163,8 kNm m

(13.146)

Charakteristischer Wert des stabilisierenden Moments um die Außenkante: M G ,k , stb = Eagv,k  2,37 + W1, k 1, 42 = 28, 0 kN m  2,33 m + 181,5 kN m 1, 47 m = 332, 0 kNm m

(13.147)

Kippnachweis:

M G ,k ,dst   G ,dst

 M G ,k , stb   G , stb

163,8 kNm m 1,05  332,0 kNm m  0,95 172,0 kNm m  315, 4 kNm m → Nachweis erbracht

(13.148)

Sicherheit gegen Gleiten (GEO-2) Die Sicherheit gegen Gleiten wird in der Sohlfuge unter dem Fundament, in einer horizontalen Bruchfläche im Boden unterhalb des Fundamentes sowie in der Schnittfuge zwischen Raumgitterkonstruktion und Fundament (Fundamentoberkante) überprüft. Sohlfuge: Charakteristischer Wert des Sohlwiderstands (Komponente des horizontalen Erddrucks wird vernachlässigt):

13

Rt ,k = Vk  cos   tan  s,k = 237,0  cos11,31 tan 35 = 162,7 kN / m

(13.149)

Charakteristischer Wert der Summe der fugenparallelen Kräfte (Komponente des vertikalen Erddrucks wird vernachlässigt):

Tk = Eagh,k  cos  − Nk  sin  = 79,3  cos11,31 − 237  sin11,31 = 31,3 kN / m (13.150) Gleitkriterium:

H d = Td =  G  Tk

 Rt .d =

Rt ,k

 R,h

(13.151)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

1,35  31,3 = 42,3 kN m 

162,7 = 147,9 kN m → Nachweis erbracht 1,1

819

(13.152)

Bruchfläche im Boden unter dem Fundament: Charakteristischer Wert des Sohlwiderstands:

Rt ,k = Vk  tan  s ,k + A  ck = 237,0  tan 35 + 0 = 166,0 kN m

(13.153)

Charakteristischer Wert der Summe der Horizontalkräfte:

Tk = Eagh,k = 79,3 kN m

(13.154)

Gleitkriterium:

H d = Td =  G  Tk

 Rt .d =

1,35  79,3 = 107,1 kN m 

Rt ,k

 R,h 166, 0 = 150,9 kN m → Nachweis erbracht 1,1

(13.155)

(13.156)

Fundamentoberkante: Der Gleitsicherheitsnachweis wird mit den in [69] angeführten Formeln geführt. Näherungsweise lassen sich die Gewichtsanteile der Raumgitterelemente VB,k und des Füllbodens Vb,k am Gesamtgewicht wie folgt ermitteln (Volumen der Konstruktion ca. 10,20 m3):

VB,k = 0, 20 10, 20  25,00 = 51 kN / m

(13.157)

Vb,k = 0,7110, 20 18,00 = 130,5 kN / m

(13.158)

Die Fuge an der Fundamentoberkante wird entsprechend den in Abschnitt 13.5.7.2 angeführten Grenzwertbetrachtungen untersucht. Der Reibungswinkel zwischen Fundament und den Raumgitterelementen wird dabei mit φB = 60° angenommen. Charakteristischer Wert des Sohlwiderstands bei 100% Lastumlagerung (Komponente des horizontalen Erddrucks wird vernachlässigt):

Rt ,k = (VB,k + Vb,k )  cos   tan B = (51,00 + 130,5)  cos (11,3)  tan 60 = 308,3 kN m

(13.159)

Charakteristischer Wert des Sohlwiderstands bei 20 % Lastumlagerung (Komponente des horizontalen Erddrucks wird vernachlässigt):

Rt ,k = (VB,k + 0, 2 Vb,k )  cos   tan  B + 0,8  Vb,k  cos   tan b = (51, 0 + 0, 2 130,5)  cos11,31 tan 60 + 0,8 130,5  cos11,31 tan 35 = 202, 6 kN / m

(13.160)

Charakteristischer Wert der Summe der fugenparallelen Kräfte im Schwerpunkt der Sohlfuge (Komponente des vertikalen Erddrucks wird vernachlässigt):

13

820

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Tk = Eagh,k  cos  − N k  sin  = 67, 4  cos (11,3) − 209,8  sin (11,3) = 25,0 kN m

(13.161)

Gleitkriterium (20% Lastumlagerung):

H d = Td =  G  Tk

 Rt ,d =

1,35  25,0 = 33,8 kN m 

Rt ,k

 R,h

202,6 = 184, 2 kN m → Nachweis erbracht 1,1

(13.162)

(13.163)

Sicherheit gegen Grundbruch (GEO-2) Grundwerte für die Berechnung des Grundbruchwiderstands (Anteile aus „Fundamentbreite“ und „Fundamenttiefe“): – Tragfähigkeitsbeiwerte Nb0, Nd0:

  Nd 0 = tan ²  45 + k 2 

  tan  35   = tan ²  45 +   e tan35 = 33,30 e 2  

Nb0 = ( Nd 0 − 1)  tan k = (33,30 − 1)  tan 35 = 22,62

(13.164) (13.165)

– Lastneigungsbeiwert ib: Lastneigungswinkel:  Eagh,k  cos  − N k  sin     Eagh, k  sin  + N k  cos    

 = arctan 

 79,3  cos (11,3) − 237  sin (11,3)  = arctan  = 7,19  79,3  sin (11,3) + 237  cos (11,3)   

13

(13.166)

Rechnerische Breite: b = b − 2  e = 1,90 − 2  0, 24 = 1, 42 m

(13.167)

 1, 42  b   2+   2 + a  1, 00    sin ² =  m=  sin ² ( 90 ) = 1, 41  b   1, 42  1 +  1 +   a   1, 00 

(13.168)

ib = (1 − tan  )m+1 = (1 − tan ( 7,19))1,41+1 = 0,72

(13.169)

id = (1 − tan  )m = (1 − tan ( 7,19 ))1,41 = 0,83

(13.170)

– Sohlneigungsbeiwert ξb:  tan35 = 0,70 b = d = e−0,045 tan = e−0,04511,31

– Formbeiwert νb: „Streifenfundament“ → νb = 1 – Geländeneigungsbeiwert λb:

(13.171)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

821

Gelände in Nachweisebene horizontal → λb = 1 Charakteristischer Wert des Grundbruchwiderstands:

Rn,k = a  b  ( d  b  Nb 0  b  ib  b  b +  k  d  N d 0  d  id  d  d ) = 1, 00 1, 42  (18, 00 1, 42  22, 62  0, 72  0, 70 + 18, 00  1, 00  33,30  0,83  0, 70) = 908,3 kN m

(13.172)

Nachweis der Grundbruchsicherheit:

N d =  G VG +  Q VQ

 Rn.d =

Rn,k

(13.173)

 R ,v

1,35  237  cos (11,3) = 313, 7 kN m 

908,3 = 648,8 kN m 1, 4

(13.174)

→ Nachweis erbracht Sicherheit gegen Geländebruch (GEO-3) Die Sicherheit gegen Geländebruch wurde mit dem Berechnungsprogramm GGU-Stability durchgeführt. Es wurden nur Bruchmechanismen untersucht, die die gesamte Konstruktion umschließen. Auf die Untersuchung von Bruchmechanismen, deren Gleitlinien durch die Fugen der Raumgitterkonstruktion verlaufen, wurde in diesem Beispiel verzichtet. Bei der Anwendung des Blockgleitverfahrens ergibt sich ein Ausnutzungsgrad μ = 0,77. Eine Vergleichsberechnung mit dem Verfahren nach Krey/Bishop liefert einen Ausnutzungsgrad μ = 0,69. Die Sicherheit gegen Geländebruch muss auch für Bruchmechanismen nachgewiesen werden, deren Gleitlinien durch die Fugen der Raumgitterkonstruktion gehen. Exemplarisch wurden drei Fugen untersucht (jeweils im oberen, mittleren und unteren Drittel der Konstruktion). Der fiktive Reibungswinkel ergibt sich nach Gleichung (13.122) mit k w = 0,5 und φB = 60° zu φW = 47,5°. Bei der Anwendung des Blockgleitverfahrens ergibt sich ein maximaler Ausnutzungsgrad μ = 0,60. Allerdings ist anzumerken, dass nicht alle möglichen Fugen untersucht wurden und höhere Ausnutzungsgrade nicht ausgeschlossen werden können. Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS) Auch der Nachweis der zulässigen Exzentrizität wird hier für die Sohlfläche und für die Fundamentoberkante erbracht. Da keine Verkehrslasten zu berücksichtigen sind, ist nur das Kriterium der Lage der Resultierenden in der 1. Kernweite (b/3) für ständige Lasten zu prüfen. Sohlfläche: Charakteristischer Wert des Moments um den Schwerpunkt der Sohlfuge: M k = Eagh,k  2,81 − Eagv,k 1, 48 − W1,k  0, 64 − W2,k  0, 04 = = 79,3  2,81 − 33, 0 1, 48 − 181,5  0, 64 − 22,5  0, 04 = 56,9 kNm / m

(13.175)

Charakteristischer Wert der Summe der Vertikalkräfte im Schwerpunkt der Sohlfuge:

Nk = W1,k + W2,k + Eagv,k = 181,5 + 22,5 + 33,0 = 237,0 kN / m Vorhandene Exzentrizität und Kippkriterium:

(13.176)

13

822

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

evorh =

Mk Nk

=

56,9 b 1,9 = 0, 24 m  = = 0,63 m → Nachweis erbracht (13.177) 237,0 3 3

Fundamentoberkante: Charakteristischer Wert des Moments um den Schwerpunkt der Fundamentoberkante: M k = Eagh,k  2, 60 − Eagv, k 1, 44 − W1, k  0,56 = = 68,1 2, 60 − 28,3 1, 44 − 181,5  0,56 = 34, 7 kNm / m

(13.178)

Charakteristischer Wert der Summe der Vertikalkräfte im Schwerpunkt der Fundamentoberkante:

Nk = W1,k + Eagv,k = 181,5 + 28,3 = 209,8 kN / m

(13.179)

Vorhandene Exzentrizität und Kippkriterium:

evorh =

Mk Nk

=

34,7 b 1,8 = 0,17 m  = = 0,6 m → Nachweis erbracht 209,8 3 3

(13.180)

Bei den obigen Berechnungen wurde keine Bodenreaktion an der Wandvorderseite berücksichtigt. Ein Nachweis der Verschiebungen des Fundaments in der Sohlfläche kann daher nach EC 7 / DIN 1054 entfallen (vgl. DIN 1054:2010-12 A 6.6.6 A(1)). Zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit gehört darüber hinaus die Einhaltung des aufnehmbaren Sohldrucks bzw. ein genauerer Setzungsnachweis, worauf im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter eingegangen werden soll. 13.5.7.3.3 Nachweise der inneren Standsicherheit Für die Ermittlung der inneren Standsicherheit der Konstruktion sind die Beanspruchungen in den Läufern und Bindern zu bestimmen. Dazu wird der Zellendruck nach der Silotheorie bestimmt (vgl. auch Abschnitt 13.5.7.2.3). Auf die genauere Nachweisführung wird hier verzichtet. Nähere Angaben dazu sind im Merkblatt für Raumgitterkonstruktionen [69], in den Technischen Dokumentationen der Hersteller bzw. in den bauaufsichtlichen Zulassungen vorhanden. Die Bemessung der Elemente erfolgt dann nach der jeweiligen Bauartnorm.

13

13.5.8

Rippenwände

Rippenwände bestehen aus verankerten Stahlbeton-Rippen, die in bestimmten Abständen aneinander gereiht werden. Diese Rippen bilden die Haupttragelemente; ob und in welchem Ausmaß die zwischen ihnen liegenden Felder gesichert werden müssen, hängt unter anderem von den jeweiligen Baugrundverhältnissen, von der Wandhöhe und -neigung und vom Rippenabstand ab [18]. Nach Brandl [18] können die freien Flächen der Zwischenfelder bei wenig verwitterungsanfälligem Fels unbehandelt bleiben. Bei entsprechend schlechteren Felseigenschaften und im Lockergestein sind Sicherungen notwendig. Mögliche Varianten sind: – Versiegelungen mit bewehrtem, evtl. auch unbewehrtem Spritzbeton (Bild 13-62, 1a und 1b)

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

823

– (vernagelte) Spritzbetongewölbe (Bild 13-62, 2a und 2b) – Nagelwände (Bild 13-62, 3a und 3b) – mit Boden oder Beton gefüllte Raumgitterelemente (Bild 13-62, 4a und 4b)

13

Bild 13-62 Varianten von Rippenwänden (Verankerung der Rippen mit vorgespannten Freispielankern) [18]

824

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Bei Spritzbetonversiegelungen und -gewölben wird der Erddruck rein von den Stahlbetonrippen aufgenommen. Vernagelungen und Raumgitterelemente wirken hingegen bei der Lastabtragung mit. Nach Brandl [18] beträgt die Dicke des Spritzbetons für die Ausfachung zwischen den Rippen - bei Versiegelungen (Fall 1 in Bild 13-62):

≥ 5cm für unbewehrten Spritzbeton 7,5 – 10 cm für bewehrten Spritzbeton - bei tragenden Gewölben (Fall 2a in Bild 13-62): 20 – 30 cm (2-lagig bewehrter Spritzbeton) Bei bewehrtem Spritzbeton ist in jedem Fall auf eine ausreichende Betondeckung nach EC2 zu achten. Die Varianten 1 bis 3 werden manchmal aus optischen Gründen noch verblendet. Dadurch ergibt sich auch ein gewisser Schutz des Spritzbetons.

13.5.9

Ankerwände (Elementwände)

13.5.9.1 Allgemeines Ankerwände sind Stützkonstruktionen, die aus mehreren Etagen verankerter Stahlbetonplatten bestehen. Werden diese „Ankerplatten“ Mann an Mann angeordnet, spricht man von geschlossenen Ankerwänden (siehe Bild 13-63). Bei aufgelösten Anker- oder Elementwänden werden die Ankerplatten abhängig von den Baugrundverhältnissen in einem bestimmten Raster angebracht.

13

Bild 13-63 Prinzipskizze einer geschlossenen Ankerwand [18]

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

825

Der Raster wird so gewählt, dass eine Ergänzung zu einer geschlossenen Wand, falls notwendig, möglich ist. Die zwischen den Platten liegenden Freiflächen können je nach Baugrund unbehandelt bleiben, biologisch verbaut oder mit Spritzbeton verkleidet werden [18]. Ein großer Vorteil von Elementwänden ist ihre hohe Flexibilität. Die Ankerkräfte können je nach Erfordernis erhöht oder reduziert werden; auch Verstärkungen in Form von Zusatzankern sind möglich. Dadurch sind Elementwände gut für die Anwendung der Beobachtungsmethode, und somit speziell bei steilen und rutschgefährdeten Hängen geeignet [18]. Elementwände werden wie bei Bodenvernagelungen abschnittsweise von oben nach unten hergestellt. In kritischen Fällen kann die Herstellung auch „schachbrettartig“ versetzt erfolgen. Elementwände sind normalerweise 10:1 oder flacher geneigt. Die Stahlbetonelemente können aus Ortbeton hergestellt oder als Fertigteile auf die Baustelle geliefert werden. Sie sind meist 2 bis 2,5 m hoch, 4 bis 6 m lang und mindestens 30 cm stark. Bei aufgelösten Wänden kommen auch kleinere Platten (z. B. 1  1 m) zur Anwendung. Pro Platte werden zwischen 1 und max. 4 Freispielanker versetzt. Wesentlich bei der Verankerung ist, dass die Anker in jeder Etage gestaffelt werden (mindestens die Hälfte der Krafteintragungslänge), und dass die Verpresskörper einen ausreichenden Abstand zueinander haben (mindestens 1,5 m); siehe dazu auch Abschnitt 13.5.11. 13.5.9.2 Bemessung und Berechnung Bei Ankerwänden sind im Prinzip die gleichen Tragfähigkeits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise zu führen wie bei anderen Stützwänden (siehe Abschnitt 13.2). Da Ankerwände unter der Aushubsohle in der Regel nicht in den Baugrund einbinden, entfällt der Nachweis gegen Versagen des Erdwiderlagers. Nach Brandl [18] ist speziell bei steilen, rutschgefährdeten Hängen meist der Nachweis gegen Geländebruch für die erforderliche Ankerlänge maßgebend. Beim Nachweis in der tiefen Gleitfuge ist zu beachten, dass bei engen Ankerrastern die aufnehmbare Ankerkraft wegen der Gruppenwirkung absinken kann. Bei der Erddruckermittlung geht man bei Ankerwänden von einer annähernd rechteckförmigen Verteilung aus. Bei aufgelösten Wänden muss zusätzlich zu den oben genannten Nachweisen auch die lokale Elementsicherheit überprüft werden. Sie umfasst – die Sicherheit der einzelnen Platte gegen Gleiten und gegen Grundbruch und – die Sicherheit gegen das Ausbrechen lokaler Bruchschollen. Zur Untersuchung der einzelnen Platte auf Gleiten und Grundbruch wird von ähnlichen Überlegungen wie beim Grundbruch von Flachfundierungen ausgegangen [18]. Als weiterführende Literatur wird auf [90] verwiesen. Für die Überprüfung der Sicherheit gegen das Ausbrechen lokaler Bruchschollen wurden von Noll/Heckötter Bemessungsdiagramme entwickelt, mit denen eine einfache Abschätzung des Ausnutzungsgrades möglich ist, vgl. [77]. Für die Wandelemente und Verankerungen sind außerdem die Materialnachweise nach den jeweiligen Bauartnormen zu führen.

13

826

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.10 Tief gegründete Stützbauwerke 13.5.10.1

Pfahlwände

Pfahlwände bestehen in der Regel aus Bohrpfählen mit Durchmessern zwischen 30 cm und 150 cm. Sie werden meist senkrecht hergestellt, können jedoch auch schräg bis zu einer Neigung von 1:10 ausgeführt werden. Sie werden in Verbindung mit einer dauerhaften Verankerung häufig für permanente Hangsicherungen eingesetzt und sind auch gut für Baugrubensicherungen bei angrenzender Bebauung geeignet (vgl. Abschnitt 12). Die maximale Tiefe von Bohrpfählwänden hängt stark von den anstehenden Baugrundverhältnissen und dem eingesetzten Bohrgerät ab. Bei größeren Tiefen als 25 m sind sie meist unwirtschaftlich und die Herstellungsgenauigkeit wird eingeschränkt. Entsprechend der Anordnung der Pfähle unterscheidet man grundsätzlich zwischen aufgelösten, tangierenden und überschnittenen Pfählwänden (vgl. Abschnitt 12). Aufgelöste Pfahlwände bestehen aus bewehrten Bohrpfählen, die in einem Abstand von ca. 1 m bis 3 m angeordnet werden. Die Pfahlanzahl hängt von der aufzunehmenden Belastung und von den jeweiligen Baugrundverhältnissen ab. Der Zwischenraum zwischen den Pfählen wird bei permanenten Sicherungen in der Regel mit Spritzbeton ausgefacht. Aufgelöste Pfahlwände werden in der Regel wasserdurchlässig ausgeführt. In den Spritzbetonausfachungen sind daher Durchflussöffnungen anzuordnen, die dauerhaft das Sickerwasser ableiten können. Bei tangierenden Pfahlwänden werden die Pfähle dicht aneinander gereiht. Der gegenseitige Abstand liegt herstellungstechnisch bedingt und je nach Bodenart zwischen 2 cm und 5 cm. Wegen der engen Anordnung und der Tatsache, dass alle Pfähle bewehrt werden, ist diese Wandart durch eine besonders hohe Steifigkeit und Tragfähigkeit gekennzeichnet. Zu beachten ist, dass auf Grund unvermeidlicher Bohrungenauigkeiten weder normal zur Wandebene noch in Wandebene von einer Verbundwirkung ausgegangen werden kann. Gegebenenfalls erforderliche Verankerungen werden in der Regel in den Pfahlzwickeln angeordnet. Zur Sicherung der Pfähle gegen Herausdrehen sind zusätzlich Kopfbalken notwendig [74]. Tangierende Pfahlwände sind wasserdurchlässig; die Zwickel zwischen den Pfählen können erforderlichenfalls mit Hilfe des Düsenstrahlverfahrens abgedichtet werden.

13

Überschnittene Pfahlwände bestehen aus unbewehrten Primärpfählen und bewehrten Sekundärpfählen. Die Herstellung erfolgt im Pilgerschrittverfahren. Die Überschneidung liegt meistens zwischen 10 % und 20 % des Pfahldurchmessers, sollte jedoch nicht geringer als 10 cm bis 15 cm sein [46]. Haupttragelemente sind die Sekundärpfähle, die Primärpfähle haben nur ausfachende Wirkung. Die Verbundwirkung bleibt bei der statischen Berechnung der Sekundärpfähle in der Regel unberücksichtigt [74]. Verankerungen werden in der Regel bei jedem zweiten, unbewehrten Pfahl angeordnet [3]. Überschnittene Pfahlwände zählen zu den annähernd wasserundurchlässigen Stützbauwerken. Um eine entsprechende Herstellungsgenauigkeit zu gewährleisten, werden Bohrschablonen verwendet [74]. Angaben zur Berechnung und Bemessung der Pfahlwände sind in der EAB [48] und Abschnitt 12 enthalten. Zu beachten ist, dass die Pfahlbohrgeräte ein erhebliches Einsatzgewicht haben und eine horizontale und standsichere Arbeitsebene benötigen. Aufgrund der topographischen Verhältnisse an Hängen ist der Einsatz von Pfahlbohrgeräten daher häufig mit erheblichen Aufwendungen für die Herstellung der Bohrebene verbunden.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

827

13.5.10.2 Dübel und Stützscheiben 13.5.10.2.1 Allgemeines Dübel und Stützscheiben werden zur Stabilisierung rutschgefährdeter und bereits in Bewegung geratener Hänge verwendet. Sie „verdübeln“ mögliche Rutschkörper mit dem festen Untergrund und stellen so den erforderlichen Schubwiderstand in der Gleitfuge sicher. 13.5.10.2.2 Dübel Als Dübel werden Klein- und Großbohrpfähle, Brunnen und Schlitzwandelemente verwendet. Eine Sonderform stellt die Injektionsvernagelung bzw. -verdübelung dar (siehe Abschnitt 13.5.10.5). Die Beanspruchungsart und der mögliche Versagensmechanismus von Dübeln hängen von deren Festigkeit, Steifigkeit und Geometrie ab. Meist werden sie auf Schub beansprucht, bei entsprechender Schlankheit kann auch Biegung maßgebend sein. Gudehus et al. [57] beschreiben den einzelnen Dübel als gebetteten Biegebalken; demnach kann ein Versagen durch Schubbruch, Biegebruch oder durch Überschreiten des Seitenwiderstands eintreten. Dübel werden raster- oder reihenförmig angeordnet, wobei die Reihen oft an den Verlauf von Höhenlinien und Wegen angepasst werden. Sie werden im festen Untergrund eingespannt und können, falls erforderlich, verankert werden. Mögliche Ausführungsarten von Hangverdübelungen werden von Brandl in [18] beschrieben. Bild 13-64 zeigt die Verdübelung einer Gleitscholle mit Pfählen in einem Kriechhang.

W

Qs

T

Gleitfläche

v,w

v = Kriechgeschwindigkeit

Qs

w = Verschiebung der Gleitscholle

Bild 13-64 Verdübelung einer Gleitscholle mit Pfählen unter Berücksichtigung der Kriechgeschwindigkeit nach [57], [58] und [18]

13.5.10.2.2.1

Berechnung und Bemessung von Dübeln

Die Berechnung und Bemessung von Dübeln bezieht sich auf die Ermittlung des erforderlichen Durchmessers, der erforderlichen Länge und der benötigten Dübelanzahl. Berechnungsverfahren für Verdübelungen werden von Gudehus [57], Gudehus/Schwarz [58] und Brandl [18] angegeben. Ein Berechnungsverfahren von Schwarz [99] zielt darauf ab, bei ausgesprochenen Rutschhängen die Kriechgeschwindigkeit des Hangs auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Beim Ansatz der Belastung ist zu berücksichtigen, dass sich bei kriechenden Hängen oberhalb der Dübel ein erhöhter aktiver Erddruck und ggf. Kriechdruck (vgl. Abschnitte 13.2.1.2

13

828

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

und 13.2.1.2.4) aufbauen kann. Die Bodenreaktion kann nach Erddruck- oder Bettungsmodultheorie angesetzt werden. Verschiedene Last- und Bettungsansätze für Dübel sind in Bild 13-65 wiedergegeben. a)

c)

a) b) c)

13

d) e)

b)

d)

e)

Ansatz nach Brinch Hansen/Lundgren: Starre Dübel, Ansatz des vollen Fließdrucks Hf auf der gesamten Länge, Verschiebungszustand wird nicht berücksichtigt Konventioneller Ansatz: Ansatz der Belastung nach Erddrucktheorie, Elastische Bettung unterhalb der Gleitzone Ansatz nach Schwarz: Elastische Bettung ober- und unterhalb der Gleitzone, Bodenverschiebung konstant über die Tiefe (Blockrutschung) Ansatz nach Ito/Matsui/Hong: Ansatz des vollen Fließdrucks oberhalb der Gleitzone, elastische Bettung unterhalb der Gleitzone, Länge des Dübels unterhalb der Gleitzone = ∞ Ansatz nach Sommer/Buczek: Starre Dübel, Hyperbel als Belastungsfunktion, Bodenverschiebung konstant über die Tiefe (Blockrutschung)

Bild 13-65 Last- und Bettungsansätze für Hangverdübelungen [18]

Da sämtliche Verfahren zwangsläufig von Idealisierungen ausgehen, empfiehlt Brandl [18] die Anwendung von mindestens zwei oder mehreren Verfahren sowie vergleichende Parameterstudien. In kritischen Fällen sollten stets Kontrollmessungen durchgeführt werden. Vergleichsrechnungen am Beispiel einer Hangverdübelung mit Brunnen wurden z. B. von Kohlböck [65] durchgeführt. Brandl [18] weist noch darauf hin, dass es bei „ausgesprochenen Kriechhängen“ oftmals auch mit umfangreichen Sicherungsmaßnahmen nicht möglich ist, Hangbewegungen vollständig

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

829

zu unterbinden; „in solchen Fällen muß man sich auf eine örtliche Abschirmung gefährdeter Bauwerke begrenzen oder „schwimmend“ in der Kriechmasse bauen“. Der wirtschaftlich optimale Dübeldurchmesser, mit dem ein Hang wirksam abgebremst werden kann, beträgt nach Gudehus [58] ca. 1/10 der Gleitflächentiefe ab Geländeoberkante15. Die Dübelabstände sollten bei Kriechhängen so gewählt werden, dass der kriechende Boden nicht dazwischen durchfließen kann. Bei geringen Pfahlabständen ist bei der Berechnung eine mögliche Gruppenwirkung zu berücksichtigen. Auf der Belastungsseite der bergseitigen Dübel kann sich ein erhöhter Kriechdruck einstellen; auf der Talseite überschneiden sich die Kraftausbreitungsbereiche vor den Dübeln, was zu einer Verschlechterung des Tragverhaltens führt [18]. 13.5.10.2.3 Stützscheiben Stützscheiben sind ein bewährtes Verdübelungsverfahren, um Rutschungen in Einschnittsund Dammböschungen zu vermeiden oder sich abzeichnende Rutschungen zu verhindern und eingetretene Rutschungen zu sanieren. Die Scheiben werden in der Falllinie der Böschung angeordnet und durch die rutschgefährdete Schicht hindurch bis in den festen Untergrund geführt. Sie binden dort so tief ein, wie dies für die entsprechende Dübelwirkung erforderlich ist. Ihr seitlicher Abstand muss so gewählt werden, dass sich zwischen den Scheiben eine Gewölbewirkung ausbilden kann. Zur Herstellung der Stützscheiben werden im einfachsten Fall lang gestreckte Schlitze mit einem Tieflöffelbagger ausgehoben und anschließend mit Beton verfüllt. Die Scheibenbreite entspricht dabei in der Regel der Breite des eingesetzten Baggerlöffels. Bild 13-66 zeigt das Prinzip dieser Maßnahme zur Böschungssicherung im Straßenbau. Für die Herstellung von Stützscheiben wird auch Einkornbeton verwendet. Solche Scheiben sind durchlässig und zählen daher zu den Sickerstützscheiben. Zwar ist ihre Festigkeit geringer als die normaler Betonscheiben, doch kann damit eine Hangentwässerung mit der Folge einer zusätzlichen Stabilisierungswirkung erzielt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine rückstaufreie Entwässerung der Scheiben, damit ein Aufstau in dem porösen Beton vermieden wird. Auf andere Formen von Sickerstützscheiben wird in Abschnitt 13.7 eingegangen. Außer Stützscheiben aus Beton werden häufig Erdbetonstützscheiben nach dem HydroZementationsverfahren ausgeführt. Für den Aushub der erforderlichen Schlitze werden bei niedrigen Böschungen Tieflöffelbagger und bei höheren Böschungen geländegängige Schreitbagger eingesetzt. Das ausgehobene Material wird seitlich gelagert. Über eine Schlauchleitung wird Zementsuspension in die ausgehobenen Schlitze eingebracht und mit gleichzeitig zugegebenem Aushubmaterial vermischt. Die Vermischung erfolgt mithilfe der Baggerschaufel [92]. Die Menge des Zementbedarfs ist von der Art des anstehenden Bodens abhängig; sie liegt meist in der Größenordnung von 5 % bis 15 % (in einzelnen Fällen bis 20 %, bezogen auf die Masse des einzubringenden Bodens [92]). Nach dem Abbinden des Erdbetons werden in der Regel einaxiale Druckfestigkeiten von 5 MN/m² bis 10 MN/m² erreicht. Die Scherfestigkeitsparameter des Erdbetons betragen   40° bis 50° und c  500 kN/m² ([92]).

15

Der tatsächlich erforderliche Durchmesser kann je nach Randbedingungen und Anforderungen von der obigen Angabe abweichen, weshalb sie nicht als generelle Empfehlung gesehen werden kann [18].

13

830

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Querschnitt:



potentielle Gleitfläche

Planum



Betonscheibe

② ① Schicht mit geringer Scherfestigkeit

② fester Untergrund

Draufsicht: a

a

Betonscheibe

Betonscheibe

Böschung

Planum

13

b

Anhaltswert für den Abstand der Stützscheiben: 3 b  a (ℓ + b) [18] Bild 13-66 Stützscheiben zur Stabilisierung einer Böschung im Straßenbau [114]

Die Erdbetonstützscheiben werden meist mit einer Breite von 2 m ausgeführt. Dies entspricht der geforderten Mindestbreite in der Zulassung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA). Die in der Praxis ausgeführten Achsabstände der Scheiben liegen nach Firmenangaben meist zwischen 5 m und 6 m [14]. In [92] sind Diagramme enthalten, mit denen für bestimmte Böschungen der optimale Scheibenabstand ermittelt werden kann.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

831

Das Hydro-Zementationsverfahren besitzt den Vorteil, dass kein Material für die Scheibenherstellung antransportiert werden muss. Zum Abtransport fallen nur die relativ geringen Überschussmengen an, die sich beim Wiedereinbau des Aushubmaterials zur Herstellung der Erdbetonstützscheiben ergeben. Tiefreichende Stützscheiben können nach dem Schlitzwandverfahren oder als überschnittene Bohrpfähle hergestellt werden (vgl. Bild 13-67).

χa

Erhöhungsfaktor auf der aktiven Seite (χa ≥ 1,0) z. B. bei Kriechhängen

χp

Abminderungsfaktor auf der passiven Seite (χp ≤ 1,0 – je nach Verformungsempfindlichkeit der Konstruktion): bei bloßen Hangsicherungen in der Regel χp = 1 vertretbar

Bild 13-67 Palisadentheorie am Beispiel einer Pfahlscheibe [18]

13.5.10.2.3.1

Berechnung von Stützscheiben

Scheiben können auf verschiedene Arten berechnet werden. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Palisadentheorie. Dabei wird eine Scheibe betrachtet, die in Längsrichtung durch Horizontalkräfte und Momente sowie durch Vertikalkräfte belastet wird (vgl. Bild 13-67). Die Belastung bewirkt eine Verschiebung und Verdrehung der Scheibe. Dadurch werden an den Seitenflächen Scherkräfte, an der talseitigen Stirnfläche der Erdwiderstand und an der Sohlfläche Druck- und Scherkräfte hervorgerufen. Beim Erddruckansatz kann der aktive Erddruck oder ein erhöhter aktiver Erddruck bis hin zum Kriechdruck maßgebend sein. Als weiterführende Literatur wird hierzu auf [18] hingewiesen. 13.5.10.3 Brunnen und Brunnenwände Brunnen sind Bauwerke, die von ihrer statisch-konstruktiven Wirkung her mit Pfählen verglichen werden können. Sie sind gekennzeichnet durch die spezielle Herstellungsweise, durch die besondere Art der Lastabtragung und die meist großen Tiefen und Durchmesser. Zur Herstellung von Brunnen werden Schächte abgeteuft; die Wandungen werden dabei mit (bewehrtem) Spritzbeton gesichert. Nach Erreichen der Endteufe können diese Schächte entweder von unten nach oben voll ausbetoniert werden, oder es werden nur aussteifende Stahlbetonringe eingebaut. Da Brunnen bei der Verwendung als Hangsicherungsmaßnahme hohe Seitendruckkräfte aufzunehmen haben, wird meist ein elliptischer Querschnitt gewählt [18].

13

832

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Einwirkende Vertikallasten werden bei Brunnen wie bei Bohrpfählen über Mantelreibung und Sohlpressung in den Baugrund abgeleitet. Horizontallasten werden im Gegensatz zu Pfählen zusätzlich zur seitlichen Bettung auch über Sohlreibung abgetragen. Im Bereich der Hangsicherung werden Brunnen als Hangverdübelungen (siehe Abschnitt 13.5.10.2) und in Form von Brunnenwänden verwendet. Letztere können nach Brandl [18] als Pfahlwände mit sehr großen Pfahldurchmessern gesehen werden. Ein schematischer Grundriss ist in Bild 13-68 veranschaulicht. Der Raum zwischen den Brunnen wird üblicherweise mit Spritzbeton gesichert. Erforderlichenfalls können Brunnenwände auch verankert werden.

Bild 13-68 Schematischer Grundriss einer Brunnenwand: unverkleidete Wand (a), Wand mit Verkleidung aus Fertigteilen etc. (b). Bei Verkleidung mit begrünbaren Raumgitterkonstruktionen ist eine Verfüllung des Zwischenraums erforderlich [18]

13.5.10.4 Spundwände Spundwände sind Flächentragwerke, die aus einzelnen biegesteifen Elementen, den Spundbohlen, bestehen. Die Bohlen sind über die angeformten sog. „Schlösser“ fest miteinander verbunden. Sie bestehen weit überwiegend aus Stahl und werden in den Baugrund eingerammt, eingerüttelt oder eingepresst. Eine ausführliche Erläuterung ist in Abschnitt 12 „Baugruben“ enthalten.

13

Für Hangsicherungen werden Spundwände seltener eingesetzt, da es mitunter schwierig ist, den stabilen, nicht rutschgefährdeten Untergrund durch das rammende oder rüttelnde Einbringen sicher und ausreichend tief zu erreichen. Häufig sind in diesen Fällen Lockerungsbohrungen oder Austauschbohrungen erforderlich, und es ist dann wirtschaftlicher Pfähle herzustellen. Zudem ist das Einbringen von Spundwänden mit einem erheblichen Energieintrag verbunden, der bei Hängen im Grenzgleichgewicht Rutschungen auslösen kann. Angaben zur Bemessung und Konstruktion der Spundwände sind in den Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“ EAB [48], den Empfehlungen des Arbeitskreises „Ufereinfassungen“ EAU [47] sowie in Abschnitt 12 enthalten. 13.5.10.5 Injektionsvernagelung (Injektionsverdübelung) 13.5.10.5.1 Allgemeines Die Injektionsvernagelung bzw. -verdübelung ist ein Bauverfahren, das vor allem zur Sanierung von Rutschungen verwendet wird. Nach [117] versteht man darunter eine Bodenverna-

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

833

gelung bei gleichzeitiger Bodenverfestigung durch Stabilisierungsinjektionen. Perforierte Stahlrohre werden in zuvor hergestellte Bohrlöcher eingebracht oder eingerammt; durch diese wird dann Zement injiziert. Laut Brandl [18] sind auch Injektionen auf Silikatbasis möglich. Die Stahlrohre verbleiben nach der Injektion im Boden. Die üblichen Rohrdurchmesser betragen 1,5 oder 2 Zoll. Meist werden sie in einem Raster von 1,5 m bis 2,0 m angeordnet. Die maximale Tiefe liegt bei ca. 30 m [117]. Zur zusätzlichen Verstärkung können in die Rohre nach der Injektion Stabstähle eingebaut sowie Nachverpresssysteme installiert werden. Alternativ zu den oben beschriebenen Injektionsrohren kommen auch GEWI-Pfähle mit Injektionsleitungen in Frage [18]. Auch das Düsenstrahlverfahren kann im Sinne einer Injektionsvernagelung zur Stabilisierung von Rutschhängen verwendet werden. Hier können ebenfalls zusätzlich Stahlstäbe oder Rohre als Bewehrungselemente eingebaut werden [18]. 13.5.10.5.2 Berechnung und Bemessung Zur Berechnung von Injektionsvernagelungen existieren verschiedene Ansätze. Eine oft angewandte Methode ist die Betrachtung des verdübelten und injizierten Bodenkörpers als monolithischen Block mit einer fiktiven Kohäsion, deren Wert in Großversuchen ermittelt wird, vgl. [18].

Bild 13-69 Richtige und falsche Anordnung der Injektionsnägel in einer Rutschung [117]

Grundsätzlich können die Injektionsnägel auch wie konventionelle Hangverdübelungen berechnet werden (siehe Abschnitt 13.5.10.2.2.1); es ist allerdings zu beachten, dass die Nägel auf Grund ihres geringen Querschnittes nicht für die Aufnahme großer Querkräfte geeignet sind. Sie sollten deshalb wenn möglich nicht vertikal, sondern geneigt eingebaut werden, damit sie primär auf Zug beansprucht werden (siehe Bild 13-69). In diesem Fall betrachtet man die Injektionsnägel als Zuganker. Die zulässige Mantelreibung wird über Zugversuche ermittelt [18].

13

834

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.10.6 Stabwände 13.5.10.6.1 Allgemeines Stabwände sind Stützbauwerke, die sich aus mehreren Reihen dünner Bohrpfähle (Wurzelpfähle) zusammensetzen (siehe Bild 13-70). Am häufigsten werden „Stäbe“ mit einem Durchmesser von 20 cm verwendet. Sie werden üblicherweise vertikal hergestellt, können aber auch geneigt sein. In der Regel werden Stabwände verankert [18].

Bild 13-70 Stabwände aus verankerten, vertikalen Wurzelpfählen [18]

13

Stabwände können als eine Art bewehrter Bodenkörper gesehen werden. Brandl [18] vergleicht ihre Tragwirkung mit der eines Stahlbetonbalkens: die Pfähle stellen die Bewehrung dar, der dazwischen eingeschlossene Boden entspricht dem Beton (keine Zugkraftaufnahme). Die Verbundwirkung beruht auf der Mantelreibung der Pfähle und kann durch Injektionen zusätzlich verstärkt werden. 13.5.10.6.2 Berechnung und Bemessung Im Bezug auf die äußere Standsicherheit werden Stabwände als monolithische Körper betrachtet. Die Rückseite dieses Körpers entspricht der Rückseite der erdseitigen Pfahlreihe. Als Wandreibungswinkel kann mindestens δ = 2/3φ angesetzt werden. Die entsprechenden Nachweise sind wie bei den anderen tief gegründeten Stützwandarten zu führen (siehe Abschnitt 12).

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

835

Für die Bemessung der Einzelpfähle (innere Standsicherheit) gibt Brandl in [18] einen Ansatz an, bei dem ein Teil der von den Pfählen aufzunehmenden äußeren Momente in gleich große Zug- und Druckkräfte aufgeteilt wird. Es gilt: M  =   M max

mit

(13.181)

M von den Pfählen direkt aufzunehmendes, „reduziertes“ Moment je lfm Wand Mmax maximales Biegemoment je lfm Wand  Verbundfaktor, 0    1

Der Verbundfaktor hängt von den Bodeneigenschaften, den Pfahleigenschaften, vorhandenen Verankerungen und Kopf- und Streichbalken sowie von allfälligen Bodeninjektionen ab. Er wird meist auf Basis von Modellversuchen angesetzt und mit Baustellenmessungen überprüft. Ein Verbundfaktor  = 1 bedeutet, dass keine Schubübertragung stattfindet, ein Faktor  = 0 bedeutet volle Schubübertragung. Das reduzierte Moment ist von den Pfählen direkt aufzunehmen; die restlichen Anteile werden in Axialkräfte zerlegt. Der charakteristische Wert der axialen Pfahlbelastung der Pfahlreihe i pro lfm Wand, Pei , ergibt sich wie folgt:

Pei =

V Di + n mi

V Z = − i n mi mit

V Di Zi n mi

( Druck ) (13.182)

( Zug )

Vertikalbelastung der Stabwand (z. B. bei Verwendung der Stabwand als Bauwerksunterfangung) aus den äußeren Momenten resultierende Druckkraft in der i-ten Pfahlreihe aus den äußeren Momenten resultierende Zugkraft in der i-ten Pfahlreihe Gesamtanzahl der Pfähle pro lfm Wand Anzahl der Pfähle der i-ten Pfahlreihe pro lfm Wand

Di und Zi ergeben sich aus folgender Formel:

M max − M  = (1 −  )  M max = mit

zi k

k

 i =1

Di  zi = −

k

 Zi  zi

(13.183)

i =1

13

Hebelarm der inneren Kräfte der i-ten Pfahlreihe Anzahl der Pfahlreihen in Stablängsrichtung

Für das vom Einzelpfahl aufzunehmende Moment gilt: M  =

  M max n

(13.184)

Beim obigen Ansatz wird näherungsweise von einer linearen Spannungsverteilung über den Wandquerschnitt ausgegangen. Brandl [18] empfiehlt, die Pfahlreihen überwiegend in den Randzonen der Wand anzuordnen (höheres Widerstandsmoment). Der Pfahlabstand sollte außerdem nicht kleiner als der Pfahldurchmesser sein.

836

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.10.7 Düsenstrahlwände, Mixed-in-Place-Wände 13.5.10.7.1 Allgemeines Düsenstrahlwände bestehen aus tangierend oder überschnitten angeordneten Tragelementen, die im Düsenstrahlverfahren (DSV) hergestellt werden. Dabei wird der Boden mit Hilfe von Hochdruckflüssigkeitsstrahlen mit bis zu 600 bar aufgeschnitten und gleichzeitig mit einer Zementsuspension (gegebenenfalls Zusätze) vermischt. Die so hergestellten Körper können je nach Düsenbewegung säulen-, halbsäulen- oder lamellenförmig sein [74]. Das Düsenstrahlverfahren kann praktisch in allen Lockergesteinen bis hin zu Ton angewandt werden. Die Tragfähigkeit der „vermörtelten“ Elemente liegt je nach Bodenart zwischen 3 MN/m2 (organische Böden) und max. 25 MN/m2 (Kies). Als zusätzliche Verstärkung kann in die DSV-Elemente eine Längsbewehrung, z. B. in Form von Stahlrohren oder I-Trägern, eingebaut werden (siehe Bild 13-71). Erforderlichenfalls können Düsenstrahlwände auch rückverankert werden [18].

Bild 13-71 Grundriss einer bewehrten, rückverankerten DSV-Wand [3]

13 Beim Mixed-In-Place (MIP) – Verfahren werden durch mechanische Vermischung von Boden und Zementsuspension vermörtelte Erdkörper hergestellt. Dazu wird eine Dreifachbohrschnecke mit Seelenrohren in den Boden eingebracht. Durch die Seelenrohre wird kontinuierlich Suspension injiziert. Die Schnecke wird mehrfach auf und ab bewegt, bei gleichzeitiger Auflockerung und Durchmischung des Bodens. Durch mehrfache Überschneidung der Bohrschnecken entstehen wandartige Elemente (Herstellung im Pilgerschrittverfahren) [96]. MIP-Wände kommen unter anderem als Dichtwände, Fundierungselemente und als Baugrubenumschließungen zum Einsatz. Die erreichbare Festigkeit liegt für Verbauwände in der Regel zwischen 5 MN/m2 und 8 MN/m2. Bei höheren statischen Anforderungen können als zusätzliche Verstärkung Träger eingestellt oder vorgesetzt werden. Auch eine Kombination mit Bohrpfählen ist möglich (die MIP-Elemente dienen als Ausfachung bei aufgelösten Pfahlwänden). Erforderlichenfalls können MIP-Wände auch rückverankert werden. Die der-

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

837

zeit verwendeten Bohrgeräte ermöglichen die Herstellung von Wänden mit Tiefen bis zu 25 m [73]. Das MIP-Verfahren ist am besten für kiesige und sandige Böden geeignet. Bei bindigen Böden werden geringere Festigkeiten erzielt; eine Herstellung in Fels oder Böden mit großen Steinen oder Blöcken ist nicht möglich. Eine weitere Variante im Bereich der Bodenmischverfahren stellt das Cutter Soil Mixing (CSM) – Verfahren dar. Dabei wird der Boden mit Hilfe von speziellen Fräsen (vergleichbar mit Schlitzwandfräsen) aufgemischt und unter kontinuierlicher Zugabe von Zementsuspension verflüssigt. So werden im Boden wandartige Elemente geschaffen (siehe Bild 13-72). Die Herstellung durchgehender Wände kann „frisch in frisch“ oder im Pilgerschrittverfahren erfolgen [110]. (a)

(b)

Bild 13-72 CSM-Fräse (a) und fertiggestelltes Wandelement (b) ([8], [10])

Das CSM-Verfahren dient zur Herstellung von Dichtwänden, Fundierungselementen und Verbauwänden. Die maximal mögliche Wandtiefe beträgt derzeit 50 m. Bei der Verwendung als Verbau wird eine entsprechende statische Wirksamkeit durch Einbringen von Trägern (IPB-Profile) in die frisch gemischten Elemente erzielt. Die Wände können erforderlichenfalls auch zusätzlich rückverankert werden [110]. 13.5.10.7.2 Berechnung und Bemessung Die Nachweise der äußeren Standsicherheit können sinngemäß nach EC 7 / DIN 1054 geführt werden (siehe auch Abschnitt 12). Darüber hinaus gelten die Regelungen der DIN 4093 [29]. Für die Ausführung der oben beschriebenen Verfahren können DIN EN 12715 [34] und DIN EN 12716 [35] herangezogen werden. Auch die bauaufsichtlichen Zulassungen der Hersteller sind zu beachten.

13

838

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.5.10.8 Schlitzwände und Trägerbohlwände Schlitzwände sind Wände im Untergrund aus Beton, Stahlbeton oder anderen zementgebunddenen Stoffen [109]. Die Herstellung erfolgt abschnittsweise in Bodenschlitzen, die im Bauzustand mit einer Stützflüssigkeit gegen Einbrechen gesichert sind. Stützwände werden überwiegend als Baugrubensicherung, Dichtwände und Gründungselemente eingesetzt. Sie sind in Abschnitt 12 näher erläutert. Für die Sicherung von Böschungen und Hängen ist die Schlitzwandherstellung in der Regel zu aufwändig. Trägerbohlwände bestehen aus Stahlträgern, die in den Boden rammend oder rüttelnd eingebracht werden. Wenn der Eindringwiderstand zu groß ist, werden die Stahlprofile in vorgebohrte Löcher gestellt. Der Zwischenraum zwischen den Trägern wird mit Holzdielen ausgefacht. Da die Holzausfachung verrottet, handelt es sich nur um temporäre Maßnahmen. Trägerbohlwände sind typische Baugrubensicherungen (vgl. auch Erläuterungen in Abschnitt 12) und werden nicht für dauerhafte Hangsicherungen verwendet.

13.5.11 Verankerungen Verankerungen stellen einen wichtigen Bestandteil vieler Stützkonstruktionen dar. Über sie können große Zugkräfte in den Baugrund eingeleitet werden. Bei Baugrubensicherungen hat die Anwendung von Ankern zusätzlich den Vorteil, dass keine Steifen oder Stützen, die den Arbeitsraum einschränken würden, benötigt werden. Grundsätzlich können bei Verankerungen die Ankerkräfte über Ankerelemente („Totmannkonstruktionen“) oder über die Bohrlochwand in den Boden eingeleitet werden [74]. Bei letzteren Konstruktionen sind für Böschungs- und Hangsicherungen vor allem Boden- bzw. Felsnägel und Verpressanker relevant (siehe Bild 13-73):

13

– Nägel16 (vgl. Abschnitt 13.5.3) bestehen aus nicht vorgespannten Zuggliedern, die auf der ganzen Bohrlochlänge mit Zementmörtel verpresst werden. Sie können sowohl auf Zug als auch auf Scherung beansprucht werden (der Scherwiderstand darf allerdings nur bei temporären Vernagelungen rechnerisch berücksichtigt werden). Zur Aktivierung der Tragwirkung benötigen sie eine gewisse Verformung des umliegenden Bodens [117]. – Bei Verpressankern erfolgt die Krafteinleitung konzentriert über einen Verpresskörper am Ankerende. Das Zugglied, meist in Form von Spannstahl, ist zwischen dem Ankerkopf und dem Verpresskörper in Längsrichtung frei beweglich. Der Verpresskörper wird üblicherweise aus Zementmörtel hergestellt, in Sonderfällen kann auch Kunstharz verwendet werden. Im Gegensatz zu Nägeln können Verpressanker nur auf Zug und nicht auf Scherung beansprucht werden. Da sie vorgespannt werden, benötigen sie keine Verformung zur Aktivierung der Tragwirkung.

16

Gemäß ÖNORM B 1997-1-1 wird unterschieden zwischen Nägeln und zugbeanspruchten Verpresspfählen. Nägel bilden mit dem umgebenden Baugrund einen Verbundkörper, wobei zur Gewährleistung der monolithischen Gesamttragwirkung der Elementabstand entsprechend zu begrenzen ist (bei Lockergestein i.d.R. maximal 1,5 m). Verpresspfähle wirken als Einzeltragglieder.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

839

Bild 13-73 Krafteinleitung bei Boden- bzw. Felsnägeln und Verpressankern [117]

Für die Berechnung von Vernagelungen wird auf die Abschnitte 13.5.3.2 und 13.5.6.2 verwiesen. Für die Bemessung und Berechnung von Verankerungen mit Verpressankern kann auf EC 7 / DIN 1054 sowie auf die EAB und die EAU zurückgegriffen werden. Regelungen zur Herstellung und Prüfung von Verpressankern sind in DIN EN 1537 [37] enthalten. Bei Stützkonstruktionen mit Verankerungen aus Verpressankern sind zusätzlich zu den in Abschnitt 13.2.2.2.7 erläuterten Standsicherheitsnachweisen die Nachweise gegen Herausziehen des Verpresskörpers und gegen Versagen des Zuggliedes zu führen. Der charakteristische Wert des Herausziehwiderstandes Ra,k ergibt sich aus Eignungsprüfungen (siehe unten) an mindestens drei Ankern. Er entspricht jener Zugkraft, für die sich im Zugversuch ein Kriechmaß von ks = 2 mm ergibt. Für den charakteristischen Wert des Widerstandes des Stahlzuggliedes Ri,k gilt:

Ri,k = As  ft ,0.1,k

(13.185)

As ist die Querschnittsfläche des Stahlzuggliedes, ft,0.1,k der charakteristische Wert der Spannung des Stahlzuggliedes bei 0,1 % bleibender Dehnung. Zur Ermittlung der Bemessungswerte der obigen Widerstände sind die Teilsicherheitsbeiwerte nach EC 7 / DIN 1054 (GEO-2) heranzuziehen (a = 1,10 für alle Bemessungssituationen). Nach DIN EN 1537 sind Verankerungen mit Zugversuchen zu prüfen, wobei zwischen – Untersuchungs- bzw. Grundsatzprüfungen, – Eignungsprüfungen und – Abnahmeprüfungen unterschieden wird. Untersuchungs- bzw. Grundsatzprüfungen werden bei der Einführung neuer Ankertypen durchgeführt. Sie sind auch dann notwendig, wenn der verwendete Ankertyp noch nie bei vergleichbaren Baugrundverhältnissen zur Anwendung gekommen ist oder wenn Lasten aufgenommen werden sollen, die höher sind als die bisher üblichen. Eignungsprüfungen sind grundsätzlich auf jeder Baustelle an mindestens drei Ankern vorzunehmen; sie dienen zur Untersuchung des Tragverhaltens der Anker unter den tatsächlich vorherrschenden Bedingungen. Abnahmeprüfungen werden an allen Ankern vorgenommen und erfolgen meist in Verbindung mit dem Spannen der Anker ([74], [117]).

13

840

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

a)

c1)

d1)

e1)

b)

c2)

d2)

e2)

Bild 13-74 Entwurfsregeln für Verpressankerlänge und -anordnung (nach [88])

Beim Entwurf von Verankerungen ist zu beachten, dass die Anordnung der Anker zueinander und deren Abstand zu Gebäuden bzw. zur Oberfläche einen großen Einfluss auf die Tragfähigkeit und auf die resultierenden Verschiebungen haben können. Ostermayer gibt in [88] verschiedene Entwurfsregeln für Verankerungen an:

13

– Die freie Ankerlänge soll mindestens 5 m betragen (Sicherstellung der planmäßigen Einleitung der Vorspannkräfte in den Baugrund), vgl. Bild 13-74 (a). – Aus herstellungstechnischen Gründen sind Anker in einer Neigung von mindestens 10° herzustellen; bei Böden mit wechselnden Schichten sollen die Anker 15° bis 20° geneigt sein. – Bei wechselnden Bodenschichten sollen die Anker entweder ganz in bindigem oder ganz in nichtbindigem Boden liegen (Übergangsbereiche sind zu vermeiden), vgl. Bild 13-74 (b). – Der Abstand der Verpresskörper von der Geländeoberfläche soll mindestens 4 m betragen, der Abstand von Bauwerken mindestens 3 m (bei empfindlichen Bauwerken sollen die Verpresskörper nicht direkt unter dem Bauwerk liegen), vgl. Bild 13-74 (b) und (e). – Zur Vermeidung der Überschneidung der Krafteinleitungsbereiche soll der Abstand der Verpresskörper zueinander mindestens 1,5 m betragen; außerdem sollen die Anker 3° bis 5° gespreizt werden. Sowohl im Grundriss als auch im Querschnitt empfiehlt sich eine Staffelung (Vermeidung großer Verschiebungen des gesamten verankerten Bodenblocks – Fangedammwirkung), vgl. Bild 13-74 (c), (d) und (e). Bei der Herstellung der Anker ist darauf zu achten, dass die Tragwirkung des Bodens oder Festgesteins infolge des Bohrvorgangs nicht negativ beeinflusst wird. Hier hat sich z.B. in wechselfestem Gestein (Tonstein, Mergelstein) häufig der negative Einfluss von Spülwasser auf die Tragwirkung gezeigt. In der Regel führt eine mehrmalige Verpressung des Verpresskörpers (mehrmaliges Nachverpressen) zu einer deutlich zuverlässigeren und höheren Tragkraft der Anker. Als weiterführende Literatur zu Verankerungen wird auf [88] und [117] hingewiesen.

13.5 Konstruktive Hangsicherungen und Stützbauwerke

841

13.5.12 Entwässerungseinrichtungen bei Stützkonstruktionen Um zu verhindern, dass sich hinter Stützbauwerken ein unzulässiger Wasserdruck aufbaut, ist für eine ordnungsgemäße Entwässerung des Hinterfüll- und Überschüttbereichs zu sorgen. Nach den ZTV E-StB 17 [119] ist bei der Hinterfüllung von Stützbauwerken mit gemischtkörnigen Böden jedenfalls eine mindestens 1 m dicke Filterschicht an der Rückwand der Konstruktion mit einzubauen. Graßhoff/Siedek/Floss [56] geben an, dass eine senkrecht angeordnete Filterschicht alleine nicht die ideale Lösung darstellt, da das zum Filter zuströmende Wasser eine Erhöhung des von der Hinterfüllung ausgeübten Erddrucks hervorruft. Besser ist die Anordnung von Schrägfiltern (siehe Bild 13-75). Die optimale Lösung ist nach [56] eine keilförmige Hinterfüllung des Bauwerks mit nichtbindigem Boden. Bei vertikalen Drainageschichten ist darauf zu achten, dass die Sickerrohrleitungen speziell in Bezug auf starke Niederschläge entsprechend dimensioniert werden. Bei unzureichendem Fassungsvermögen kann sich im Filter das Wasser anstauen und so einen hydrostatischen Druck auf die Stützkonstruktion ausüben [74]. Je nach Wasserandrang und Konstruktionstyp kann es notwendig sein, zusätzliche Mauerdurchlässe bzw. Entwässerungsbohrungen (z. B. bei Bodenvernagelungen, Ankerwänden, Pfahlwänden etc.) herzustellen (siehe Bild 13-75 i und j).

13

Bild 13-75

Filteranordnung hinter Stützmauern und -wänden: (1) gewachsener oder hinterfüllter bindiger Boden, (2) undurchlässiger Untergrund [56]

842

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Zusätzlich zu den oben genannten Maßnahmen sollen auch Oberflächenwässer ordnungsgemäß abgeleitet werden, damit diese nicht in großen Mengen in der Drainageschicht versickern [74]. Mögliche Ausführungsvarianten sind in Bild 13-76 zusammengestellt.

Bild 13-76

Abfangen und Ableiten von Oberflächenwasser hinter Stützwänden: (1) Kiesoder Schotterstrang, (2) Drainageschicht oder Filter, (3) Schlammsammler, (4) Sickerrohr [52]

13.6 Sonstige Stützkonstruktionen 13.6.1

Fangedämme

13.6.1.1 Allgemeines Unter einem Fangedamm versteht man ein rahmenartiges bzw. kreisförmiges Stützbauwerk, das mit meist nichtbindigem Boden verfüllt wird. Das Tragverhalten hängt dementsprechend in wesentlichem Maß vom Verfüllmaterial ab. Die Wände der Konstruktion bestehen üblicherweise aus Spundbohlen. Fangedämme werden überwiegend als Baugrubenumschließungen in offenen Gewässern und als permanente Uferbauwerke verwendet. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen geschütteten Fangedämmen, Spundwand-, Bock-, Kasten- und Zellenfangedämmen [3]. Im vorliegenden Beitrag soll nur auf die letzten beiden Bauarten eingegangen werden.

13

Ein Kastenfangedamm besteht aus zwei gegeneinander verankerten Wänden. Können die Wände in den Untergrund einbinden, ist unter Umständen eine Ankerlage ausreichend. Wird der Fangedamm auf Fels gestellt, sind mindestens zwei Lagen notwendig. Als Verfüllmaterial kann in Sonderfällen auch Beton anstelle von nichtbindigem Boden verwendet werden. Die Herstellung erfolgt durch abschnittsweises Aufstellen, Verfüllen und Verankern, wobei die seitliche Begrenzung der Abschnitte durch Festpunktblöcke bzw. Querwände gebildet werden (siehe Bild 13-77 (a)) [3]. Bei Zellenfangedämmen entfallen durch die kreisförmige Anordnung der Spundwände die gegenseitigen Verankerungen. Die Wände werden praktisch nur auf Zug beansprucht; verwendet werden hierfür Flachprofile (siehe Bild 13-77 (b) und (c)). Zellenfangedämme kommen speziell bei großen Wassertiefen und Bauwerksabmessungen sowie dann, wenn eine Aussteifung bzw. Verankerung nicht möglich ist, zur Anwendung [47]. Im Bezug auf die Tragwirkung wird zwischen echten und unechten Fangedämmen unterschieden. Beim echten Fangedamm werden die Lasten „allein über die Schubspannungen im

13.6 Sonstige Stützkonstruktionen

843

Füllboden und zwischen den Wänden und dem Füllboden aufgenommen und über die Sohle und gegebenenfalls die Einbindung der Wände in den Untergrund eingeleitet“ [111]. Ein unechter Fangedamm muss zusätzlich gegen andere Baukörper ausgesteift oder rückverankert werden. Bei der Herstellung von Fangedämmen ist besonderes Augenmerk auf die Entwässerung des Verfüllbodens zu legen. Der Verfüllboden sollte so durchlässig sein, dass er möglichst nicht unter Auftrieb steht. Zusätzlich sollte im untersten Bereich auf dem gewachsenen Boden eine Filterschicht eingebaut werden, die durch Schlitze in der luftseitigen Spundwand zur Baugrube hin entwässern kann [111]. a)

b)

c)

Bild 13-77 Grundrisse verschiedener Fangedammarten: Kastenfangedamm (a), Kreiszellenfangedamm (b), Flachzellenfangedamm (c) [47]

13.6.1.2 Bemessung und Berechnung Berechnungsgrundlagen für und Hinweise zur Ausführung von Kasten- und Zellenfangedämmen sind in den Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen“ – EAU [47] enthalten. Die rechnerische Breite entspricht bei Kastenfangedämmen dem Achsabstand der gegenüberliegenden Spundwände. Zellenfangedämme werden für die Berechnung als Kastenfangedämme betrachtet, deren rechnerische Breite sich aus der Umwandlung des kreisförmigen Grundrisses in ein flächengleiches Rechteck ergibt [3]. 13.6.1.2.1 Äußere Standsicherheit Ein Fangedamm kann als kompakter Bodenblock betrachtet werden, dessen Tragfähigkeit von der Wichte γ und dem Scherwinkel φ des Verfüllbodens sowie vom Verhältnis der Breite

13

844

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

B zur Höhe H abhängig ist. Für die Vordimensionierung kann vom Erfahrungswert B ≈ 0,8 H ausgegangen werden. Wird der Verfüllbereich wie schon erwähnt ordnungsgemäß entwässert, kann bei der Berechnung die Feuchtwichte angesetzt werden [3]. Das in den EAU angegebene Verfahren zur Berechnung der Standsicherheit von Fangedämmen beruht auf den Untersuchungen von Jelinek/Ostermayer [60]. Demnach führt ein Fangedamm beim Versagen eine gleitend-kippende Bewegung aus. Die Sohlbruchfuge ist nach oben gekrümmt17 und kann näherungsweise als logarithmische Spirale beschrieben werden. Zusätzlich treten im Erdkörper Gleitlinienfelder auf, die die Spirale unter dem Winkel 90-φ schneiden (siehe Bild 13-78).

Bild 13-78 Tragmodell für einen Fangedamm nach Jelinek/Ostermayer [111]

Der maßgebende bzw. ungünstigste Mechanismus entspricht jenem, bei dem der aufnehmbare Horizontalschub HW minimal wird. Er ergibt sich aus Variation der logarithmischen Spirale. Für diese Variation können die Winkel α und β in Abhängigkeit vom Verhältnis B/H und vom Reibungswinkel φ aus Diagrammen abgelesen werden; für den maßgebenden Mechanismus gilt näherungsweise α = 45°-φ/2. In weiterer Folge kann die Fläche AS unter der Sohlbruchfuge ermittelt, die Gewichtskraft G bestimmt und das Krafteck gezeichnet werden [111]. Nach den EAU sind für Fangedämme folgende Nachweise zu erbringen: Nachweise der Tragfähigkeit (ULS)

13

Nachweis gegen Versagen des Fangedammes (GEO-2) Der Nachweis gilt als erbracht, wenn die Summe der Bemessungswerte der Momente aus den Einwirkungen kleiner als der Bemessungswert des widerstehenden Momentes um den Pol der ungünstigsten Gleitlinie (siehe oben) ist:

M Ed = M k ,G   G + M wü   G + M k ,Q   Q



R M kG

 R,h

(13.186)

Gegebenfalls kann bei in den Untergrund einbindenden Wänden auf der Widerstandsseite ein zusätzlicher passiver Erddruck berücksichtigt werden, vgl. [47].

17

Werden die Spundwände tief eingerammt, darf auch mit einer nach unten gekrümmten Gleitfläche gerechnet werden, vgl. [47].

13.6 Sonstige Stützkonstruktionen

Mk,G

charakteristischer Wert des Einzelmomentes aus Erddruckbelastung (aktiver Erddruck, der sich bei in den Untergrund einbindenen Wänden ergibt)

Mwü

charakteristischer Wert des Einzelmomentes aus Wasserüberdruckbelastung (Differenz der Wasserdrücke auf die äußere und auf die innere Fangedammwand)

MkQ

charakteristischer Wert des Einzelmomentes aus veränderlicher, äußerlicher Belastung (z. B. Pollerzug)

M RkG

charakteristischer Wert des Einzelmomentes aus Eigenlast G der Fangedammfüllung (minimaler Widerstand entsprechend der ungünstigsten Gleitlinie, siehe oben)

γG, γQ, γR,h

Teilsicherheitsbeiwerte nach EC 7 / DIN 1054, GEO-2

845

Nachweis der Grundbruchsicherheit nach EC 7 / DIN 1054 und DIN 4017 (GEO-2) Die Grundbruchsicherheit muss für Fangedämme, die nicht auf Fels gegründet sind, nachgewiesen werden. Nachweis der Geländebruchsicherheit nach EC 7 / DIN 1054 und DIN 4084 (GEO-3) Dieser Nachweis muss z. B. für hinterfüllte Fangedämme erbracht werden, die Teil eines Uferbauwerks sind. Die Gleitfläche sollte dabei durch die „lastseitige, ideelle Begrenzung der Fangedammbreite“ (mittlere Breite) gelegt werden [47]. Wirkt auf den Fangedamm eine Wasserströmung ein, so muss in den obigen Nachweisen der Strömungsdruck berücksichtigt werden. Zusätzlich sind Nachweise gegen hydraulischen Grundbruch und Erosionsgrundbruch zu führen. Bei Kastenfangedämmen sind darüber hinaus die Nachweise – gegen Versagen in der tiefen Gleitfuge (GEO-2) und – gegen Aufbruch des Verankerungsbodens (GEO-2) zu erbringen. Angaben zum anzunehmenden Verlauf der tiefen Gleitfuge können [47] entnommen werden. Die Spundwände sind bei Kastenfangedämmen wie konventionelle (verankerte) Spundwände zu berechnen (siehe Abschnitt 12). Bei der luftseitigen Spundwand ist auf Grund der Auflastspannung aus der Momentenbeanspruchung mit einem erhöhten aktiven Erddruck zu rechnen. Die lastseitige Spundwand kann dementsprechend kürzer bzw. mit einem schwächeren Profil ausgeführt werden. Nachweise der Gebrauchstauglichkeit (SLS) Die Gebrauchstauglichkeitsnachweise beziehen sich auf die Begrenzung der Verformungen (Verdrehungen, Verschiebungen) des Fangedammes. 13.6.1.2.2 Innere Standsicherheit Für die Nachweise der inneren Standsicherheit der Spundwände gelten die Regelungen der DIN EN 1993-5 samt DIN EN 1993-5/NA. Bei Zellenfangedämmen ist nach den EAU zusätzlich der Nachweis gegen Versagen der Spundwandprofile infolge der Ringzugkraft zu erbringen (Berechnung der Ringzugkräfte nach der Kesselformel, vgl. [47]).

13

846

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Für die Nachweise gegen Materialversagen von Verankerungen wird auf Abschnitt 13.5.11 hingewiesen.

13.6.2

Aufgelöste Stützkonstruktionen

13.6.2.1 Steinstützkörper Für Steinstützkörper werden in der Regel großblockige Steine verwendet. Mögliche Ausführungsvarianten sind Steinvorsätze als zusätzliche Fußbelastung, Steinfüße zur Erhöhung der Reibung im Fußbereich sowie Steinstützrippen. Für letztere gilt, dass sie nicht in der Böschung enden sollten, sondern immer ein entsprechendes Auflager am Böschungsfuß benötigen [17].

13

Bild 13-79 Ausführungsbeispiel einer Böschungssicherung mit Steinstützkörpern

13.6 Sonstige Stützkonstruktionen

847

Ein Ausführungsbeispiel, bei dem alle angeführten Varianten kombiniert wurden, ist in Bild 13-79 ersichtlich. Steinstützkörper haben im Allgemeinen sowohl eine Stütz- als auch eine Drainagefunktion. Unter Umständen können sie zur weiteren Erhöhung der Tragfähigkeit vermörtelt werden. 13.6.2.2 Flächenhafte und örtliche Hangsicherungen Zu den flächenhaften Hangsicherungen gehören nach Brandl [18] unter anderem – bewehrte oder unbewehrte Spritzbetonsicherungen – Felsverkleidungen mit Raumgittern sowie – Böschungssprossen, Gitterroste, Trägerroste und Roste aus Fertigteilelementen. Örtliche Hangsicherungen spielen vor allem bei der Sicherung von Felsböschungen eine Rolle. Sie haben vorwiegend eine Stütz- und Haltefunktion und dienen weniger als Verkleidung. Bei entsprechend enger Anordnung der Elemente gehen die Sicherungsmaßnahmen wiederum in eine flächenhafte Hangsicherung über [18]. Einige der gebräuchlichsten örtlichen Sicherungsmaßnahmen sind in Bild 13-80 dargestellt.

13

Bild 13-80 Beispiele gebräuchlicher Felssicherungen (schematisch) [18]

13.6.3

Galerien

Galerien sind Bauwerke, die sowohl zur Stützung von Hängen und Böschungen als auch zum Schutz von Verkehrswegen vor Lawinen und Muren dienen. Bei der Dimensionierung ist dementsprechend auf einen plausiblen Ansatz des Muren- oder Lawinenschubs zu achten [18].

848

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Nach [18] bestehen Galerien meist aus Rahmen, fachwerkartige Gespärren, Druckriegeln, Einfeldträgern oder Platten- bzw. Durchlauftragwerken und Gewölben. Zur Ableitung der Horizontallasten können z. B. bergseitige Winkelstützmauern, Fundamentroste, Brunnengründungen bzw. Brunnenwände, Pfahlwände, Pfahl- und Schlitzwandscheiben oder Verankerungen verwendet werden. Übliche Formen von Galerien sowie gebräuchliche statische Systeme sind in Bild 13-81 veranschaulicht.

Bild 13-81 Formen von Schutzgalerien und statische Systeme [3]

13.6.4

Schalentragwerke

Schalentragwerke kommen bei der Errichtung von Brückenpfeilern oder Leitungsmasten in steilen, rutschgefährdeten Hängen zur Anwendung. Sie schützen die eigentlichen Fundierungselemente (z. B. Brunnen, Scheiben oder Pfähle) vor der Schubwirkung der Rutschmassen (siehe Bild 13-82) [18].

13 Bild 13-82 Schematische Darstellung einer Schutzschale um einen Brückenpfeiler zur Aufnahme des Hangschubes [18]

Die Stützmaßnahmen sollten wenn möglich vom eigentlichen Bauwerk bzw. von dessen Fundierung konstruktiv getrennt werden. Es kommen folgende Bauweisen zur Anwendung [18]: – Spritzbetonsicherung (bewehrt) mit und ohne Vernagelung, – Gewölbeschalen (bewehrter Spritzbeton mit Erd- oder Felsnägeln) mit massiven Kämpfern und Vorspannankern, – verankerte Stahlbetonrippen und/oder Balken (mit Spritzbeton in den Zwischenfeldern), – geschlossene Ankerwände, im Grundriss gerade oder gekrümmt, – Pfahlwände (mit und ohne Verankerung).

13.7 Hangstabilisierung durch Entwässerungsmaßnahmen

849

13.7 Hangstabilisierung durch Entwässerungsmaßnahmen 13.7.1

Oberflächennahe Entwässerung

Bei Böschungen und konstruktiven Hangsicherungen kommt der Entwässerung eine wesentliche Bedeutung zu. Eine böschungsparallele Wasserströmung führt zu einer signifikanten Verminderung der Standsicherheit, die der Reduktion des Reibungswinkels um die Hälfte gleichkommt [3]. An der Geländeoberfläche abfließende Wässer können zudem zu starker Erosion führen. Wasser, das an der Böschungsoberfläche austritt, kann Ausspülungen und schollenartige Nachbrüche verursachen (vgl. hierzu Abschnitt 13.4.2). Hinter Stützbauwerken kann sich bei entsprechendem Wasserandrang ein zusätzlicher hydrostatischer Wasserdruck oder Strömungsdruck aufbauen, der zu Wasserschäden und Bewegungen der Konstruktion führen kann und somit die Standsicherheit erheblich gefährdet [74]. In Bild 13-83 sind Beispiele für oberflächennahe Entwässerungsmaßnahmen dargestellt. a) Filterschicht auf der Böschung aus Sand oder Kies bei starkem Wasserandrang

b) Sickerschlitze bzw. Sickerstützscheiben Geometrische Anordnung:

13 Querschnitte mit und ohne Dränrohr, Filter aus Sand, Kies, Geotextil:

Bild 13-83 Beispiele für Oberflächenentwässerung bzw. oberflächennahe Entwässerung [52]

Die Menge des auf einer Einschnittsböschung anfallenden Oberflächenwassers lässt sich reduzieren, wenn oberhalb der Böschung Abfanggräben angelegt werden.

850

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

13.7.2

Tiefenentwässerung, Tiefdrainschlitze

Rutschgefährdete wasserführende Hänge und Böschungen können durch tiefreichende Entwässerungsmaßnahmen stabilisiert werden. Hierzu zählen z. B. großkalibrige Schächte aus kreisförmig angeordneten überschnittenen Bohrpfählen. Von diesen Schächten aus werden Entwässerungsbohrungen mit einem leichten Gefälle zum Schacht hin ausgeführt. Diese Bohrungen können galerieartig in mehreren Ebenen angeordnet werden, um möglichst viele wasserführende Schichten zu erfassen. Ein solches Verfahren wurde 1994 in Esslingen a. N. bei einer bis zu 25 m hohen, rutschgefährdeten Deponieschüttung angewandt. Über die gesamte Höhe des Deponiekörpers wurde ein Schacht mit einem lichten Durchmesser von 6,5 m hergestellt. Der Bohrdurchmesser für die überschnittenen Bohrpfähle der Schachtwand betrug 1,20 m. Die Pfähle waren ca. 30 m lang. Vom Innern des Schachts wurden in vier Ebenen 11 ausgefilterte Horizontalbohrungen in radialer Anordnung mit einer Länge von jeweils 50 m ausgeführt. Das anfallende Sickerwasser fließt von der Schachtsohle in freiem Gefälle über eine im Vortriebsverfahren eingebrachte Rohrleitung zur Vorflut. Spätere Verformungsmessungen zeigten, dass mit dieser Maßnahme eine dauerhafte Stabilisierung der Deponieschüttung erreicht werden konnte. Auch die Herstellung von Tiefdrainschlitzen ist eine wirkungsvolle Methode zur Verhinderung von potentiellen Hangrutschungen oder zur Sanierung bereits eingetretener Rutschungen. Dieses Verfahren wurde erstmals von Bley [11] beschrieben. Zur Herstellung der Schlitze werden senkrechte Bohrungen aneinandergereiht und mit durchlässigem körnigem Material verfüllt. [11] enthält mehrere Ausführungsbeispiele einer derartigen Hangstabilisierung aus der Zeit von 1966 bis 1974.

13

Im Jahr 2014 wurde das Verfahren zur Sanierung eines Bergrutschs angewandt, der sich im Juni 2013 nach vorausgegangenen anhaltenden Niederschlägen am Albtrauf in der Nähe der Stadt Mössingen (Landkreis Tübingen) ereignet hatte. Es handelte sich um eine der folgen-reichsten Rutschungen der letzten Jahrzehnte in Baden-Württemberg. Eine Fläche von etwa 200 m x 300 m geriet in Bewegung, wobei talseits der morphologisch sichtbaren Rutschzunge mehrere Häuser einer Siedlung um bis zu 80 cm verschoben und beschädigt wurden mit der Folge, dass sie evakuiert werden mussten. Zur Stabilisierung des Rutschgeländes wurden quer zur Hangfallrichtung in drei hintereinander gestaffelten Reihen Sickergalerien in Form von Tiefdrainschlitzen hergestellt [65]. Dabei wurden mit einem Pfahlbohrgerät vertikale Bohrungen (d = 90 cm) ausgeführt und mit durchlässigem Schotter-Splitt-Gemisch (Körnung 5/45 mm) verfüllt. Der Achsabstand der Bohrungen betrug 60 cm, so dass sich eine Überschneidung der einzelnen Bohrlöcher und somit ein kontinuierlich zusammenhängender Drainschlitz ergab. Die Bohrungen wurden jeweils so tief geführt, dass sie unter die Gleitfläche der Rutschung reichten. Die Bohrtiefen betrugen am Rand der Rutschscholle 5 m bis 10 m, im mittleren Teil ca. 10 m bis 16 m. Insgesamt wurden zur Herstellung der drei Galerien ca. 800 Bohrlöcher ausgeführt. Der unterste Tiefdrainschlitz liegt am Fuß der Rutschung zwischen dem Stauchwulst und der vorhandenen Siedlung. Die beiden höheren Galerien liegen im unteren Drittel der genannten Rutschmassen. Am Tiefpunkt der Drainschlitze befinden sich Sammelschächte, in die Wasser von beiden Seiten zuläuft. Die Schächte werden mit einer geschlossenen Leitung (d =180 mm) im freien Gefälle zu einem tiefer gelegenen Schacht entwässert. Die Leitung wurde in zwei Abschnitten im gesteuerten Horizontalspülverfahren (HDD-Verfahren) hergestellt. Am Auslauf fallen je nach Witterung ca. 1 l/s bis 10 l/s an. Am Auslauf fallen je nach Witterung ca. 1 l/s bis 10 l/s an. Am Auslauf fallen je nach Witterung ca. 1 l/s bis 10 l/s an. Am Auslauf fallen je nach Witterung ca. 1 l/s bis 10 l/s an. Das Prinzip der ausgeführten Maßnahmen ist in Bild 13-84 dargestellt.

13.7 Hangstabilisierung durch Entwässerungsmaßnahmen

851

Draufsicht auf Tiefdrainschlitz

Längsschnitt durch Tiefdrainschlitz Abdeckung an der Geländeoberfläche mit bindigem Bohrgut Füllung des Tiefdränschlitzes Schotter-Splitt-Material

Schacht

mit

(5/45 mm) Grenze Hangschutt Braunjura

Ableitung von Drainwasser

Geländeschnitt

(gesteuertes Horizontalbohrverfahren HDD)

Tiefdrainschlitz

Gleitfläche

Tiefdrainschlitz

Grundwasserspiegel

vor der Absenkung

Unterer Weißjura

Rutschmasse

Stauchwulst

Tiefdrainschlitz

Gleitfläche Ableitung von Drainwasser (gesteuertes Horizontalbohrverfahren HDD)

Oberer Braunjura

13 Hangschutt

Ableitung von Drainwasser (gesteuertes Horizontalbohrverfahren HDD)

Bild 13-84 Sanierung eines Bergrutsches am Albtrauf bei Mössingen (Kreis Tübingen) mit 3 Galerien von Tiefdrainschlitzen [65]

852

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Nachdem das gesamte Entwässerungssystem fertiggestellt war und Inklinometermessungen sowie geodätische Beobachtungen keine kritischen Bewegungen mehr zeigten, konnte die Evakuierung der Siedlung im Juli 2014, 13 Monate nach Eintritt der Rutschung, aufgehoben und mit der Sanierung der Häuser begonnen werden. Brandl [18] empfiehlt, bei vernässten Hängen schon vor Baubeginn eine Vorentwässerung durchzuführen, da dadurch möglichen Rutschungen vorgebeugt werden kann. Ist ein Hang oder eine Böschung bereits in Bewegung geraten, so sollten aufgetretene Anrisse möglichst rasch versiegelt bzw. verfüllt werden, um das Eindringen von Niederschlagswasser zu minimieren [17].

13.8 Erdwärmenutzung durch Stützkonstruktionen Die Erdwärmenutzung durch Stützkonstruktionen bzw. durch deren Konstruktionselemente stellt eine wirtschaftliche und zugleich umweltfreundliche Möglichkeit zur Beheizung und Kühlung von Bauwerken dar. Verwendet werden unter anderem Bohrpfähle („Energiepfähle“) bzw. Bohrpfahlwände und Schlitzwände („Energieschlitzwände“). Um sie für die Gewinnung von Erdwärme nutzbar zu machen, werden Wärmetauscherleitungen eingebaut (siehe Bild 13-85). Die Leitungen bestehen meist aus PE, HDPE oder Kupfer und werden bei der Pfahl- bzw. Wandherstellung an den Bewehrungskörben befestigt. In den Wärmetauscherleitungen zirkuliert eine Soleflüssigkeit; „der Wärmetransport erfolgt über den Temperaturunterschied zwischen der Soleflüssigkeit und dem Beton bzw. Erdreich“ [4].

13 Bild 13-85 Bohrpfahl-Bewehrungskorb mit Absorberleitungen [4]

Die gewonnene Wärmeenergie kann für niederthermale Zwecke direkt verwendet werden („Free Heating“, z. B. für Straßenheizungen). Für Gebäudeheizungen ist im Allgemeinen die Hebung des Temperaturniveaus mit Hilfe einer Wärmepumpe notwendig. Die Kühlung von Gebäuden kann je nach erforderlicher Kühlleistung unter Verwendung einer zusätzlichen Kältemaschine oder direkt („Free Cooling“) erfolgen [4].

13.8 Erdwärmenutzung durch Stützkonstruktionen

853

Eine der Neuentwicklungen im Bereich der Erdwärmenutzung stellt die Ausbildung von Felsund Bodenankern als Absorberelemente dar („Energieanker“). Grundsätzlich können alle Typen von Rohrankern verwendet werden, wobei Injektionsbohranker am besten geeignet sind [78]. Für die Erdwärmenutzung können entweder Absorberleitungen in die Ankerstäbe eingebaut werden, oder der Anker selbst wird als Erdwärmesonde verwendet. Zu beachten ist, dass die Erdwärmenutzung einen deutlichen Einfluss auf die Interaktion zwischen Bauwerk und Boden haben kann. Die thermischen Beanspruchungen können in den Konstruktionselementen Längen- und Querschnittsänderungen bewirken; dadurch sind wiederum Spannungsumlagerungen möglich, durch die zusätzliche Setzungen hervorgerufen werden. Eine Erhöhung der Temperatur im Boden kann zudem zu einer Abnahme des Wassergehalts des Bodens führen, wodurch möglicherweise die Mantelreibung herabgesetzt wird. Eine Abkühlung kann wiederum zu einer Wasseranreicherung und somit unter Umständen zur Verringerung der Scherparameter des Bodens führen [5]. Eine messtechnische Untersuchung des Tragverhaltens von Energiepfählen wurde erstmals vom Institut für Grundbau und Bodenmechanik der Technischen Universität Wien beim „Rehabilitationszentrum Bad Schallerbach“ (siehe unten) vorgenommen [16]. Die Anwendungsmöglichkeiten der Erdwärmenutzung durch Stützkonstruktionen sollen an drei Ausführungsbeispielen erläutert werden (nach [5]):

Rehabilitationszentrum Bad Schallerbach, Oberösterreich

13 Bild 13-86

Rehabilitationszentrum Bad Schallerbach: Schematischer Grundriss mit Bohrpfahlanordnung

Für die Gründung und Baugrubensicherung dieses siebenstöckigen Gebäudes, das in einem flach geneigten Kriechhang errichtet wurde, war die Herstellung von 175 Bohrpfählen mit einem Durchmesser von 1,20 m und Längen zwischen 9 m und 18 m erforderlich. 143 dieser Pfähle wurden mit HDPE-Absorberleitungen ausgestattet. Die gewonnene Energie wird in Kombination mit einer Wärmepumpe für die Heizung und Kühlung der Anlage verwendet.

854

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

Lainzer Tunnel, Bereich Hadersdorf-Weidlingau, Wien Beim gegenständlichen Projekt handelt es sich um einen Eisenbahntunnel, der zu einem großen Teil im verbauten Bereich der Stadt Wien verläuft. Im Bereich der Haltestelle Hadersdorf-Weidlingau wurde der Tunnel in offener Bauweise hergestellt, wobei die seitliche Tunnelwandung in Form von Energiepfahlwänden ausgeführt wurde. Die gewonnene Energie soll in Kombination mit einer Wärmepumpe zur Heizung eines nahegelegenen Schulgebäudes verwendet werden (siehe Bild 13-87). Dieses Beispiel zeigt die verschiedenartigen Vorteile der geothermalen Nutzung bei Stützkonstruktionen auf: Zum einen kann der Eigentümer der Anlage zusätzliche Einnahmen durch den Verkauf von „Tunnelwärme oder -kälte“ erwirtschaften; zum anderen steigt die Akzeptanz für das Bauwerk bei den Anrainern und Bürgervertretern, da das Bauwerk „als sinnvoll nutzbare und umweltfreundliche Energiequelle präsentiert werden kann“ [5].

Bild 13-87

Schema der Erdwärmenutzung beim Lainzer Tunnel, Bereich HadersdorfWeidlingau, Wien

13 U-Bahnlinie U2, Wien Im Zuge der Verlängerung der U-Bahnlinie U2 wurden vier neue unterirdische Stationsbauwerke mit geothermischen Energieanlagen ausgerüstet. Als Absorberelemente dienen hierbei die in das Bauwerk integrierten Schlitzwände. Die gewonnene Energie wird für die Heizung und Kühlung der Startionen genutzt.

13.9 Literatur

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13.9 Literatur [1] [2] [3] [4]

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13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

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857

13

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13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

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[71]

[72]

[73] [74] [75]

[76] [77] [78]

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859

13

860

13 Böschungen, konstruktive Hangsicherungen

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13

14

Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau Alfred Haack, Conrad Boley und Yashar Forouzandeh

14.1

Einführung

14.1.1 Geschichte und Bedeutung Der Verkehrstunnelbau in Deutschland begann 1837. Es ging damals um den Bau von drei Eisenbahntunneln auf der Strecke Köln-Aachen: der 1620 m lange Königsdorfer Tunnel bei Groß-Königsdorf, der Ichenberger Tunnel bei Eschweiler und der Nirmer Tunnel bei Eilendorf. Alle drei Tunnel wurden bereits im Jahr 1841 in Betrieb genommen. Sie sind heute aufgeschlitzt bzw. durch Neubauten ersetzt. Der älteste noch in Betrieb befindliche Bahntunnel in Deutschland ist der 1843 eröffnete Buschtunnel bei Aachen. In den folgenden Jahrzehnten setzte in Deutschland eine rege Tunnelbautätigkeit für die Eisenbahn ein. Zur Anwendung gelangten dabei die bekannten Bauweisen mit intensivem Holzeinsatz für den temporären Verbau (Bild 14-1).

Bild 14-1 Deutsche Kernbauweise

Im Jahr 1850 waren bereits 21 Tunnel in Betrieb. 1860 waren es 68 und bis zum Jahr 1870 stieg die Zahl der Eisenbahntunnel auf 138. In dem darauffolgenden Jahrzehnt bis 1880 wurden allein 157 weitere Tunnel mit zusammen fast 65 km Länge fertiggestellt. Damit war der © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_14

862

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Höhepunkt des damaligen Eisenbahntunnelbaus in Deutschland erreicht. Insgesamt waren im Jahr 1880 rund 300 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 114 km in Betrieb. Das ist sowohl der Zahl als auch der Länge nach etwa die Hälfte des Bestands an Eisenbahntunneln in Deutschland vor Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecken Hannover-Würzburg und Mannheim-Stuttgart im Jahr 1991. In den darauffolgenden drei Jahrzehnten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden insgesamt weitere 150 Tunnel dem Verkehr übergeben [43]. Bedingt durch die beiden Weltkriege kam der Verkehrstunnelbau in Deutschland über längere Zeit völlig zum Erliegen. Er wurde erst in den Jahren 1950 bis 1960 wieder aufgenommen und zwar zunächst im Zusammenhang mit der Elektrifizierung älterer Bahnstrecken unter anderem entlang des Mittelrheins. Der Neubau von Eisenbahntunneln für den Fernverkehr begann in großem Stil dann erst etwa 1980 mit den Bauarbeiten für die Schnellfahrstrecken Hannover-Würzburg und Mannheim-Stuttgart. Diese Maßnahmen wurden 1991 abgeschlossen und beide Strecken mit Aufnahme des ICE-Betriebs im gleichen Jahr in Betrieb genommen. Im Zuge dieser beiden Neubaustrecken beläuft sich der Tunnelanteil aus Gründen der Hochgeschwindigkeitstrassierung, nicht zuletzt aber auch aus ökologischen Gründen, auf etwa 30 bis 35 %. Es wurden insgesamt 76 zweigleisige Tunnel mit einer Gesamtlänge von rund 150 km errichtet. In den Folgejahren wurden seit 1995 weitere Schnellfahrstrecken für Höchstgeschwindigkeiten über 250 km/h errichtet. Hierzu zählen die in Tabelle 14.1 aufgeführten weiteren Strecken. Die Gesamttunnellänge der DB-Schnellfahrstrecken beläuft sich Ende 2017 auf 282 km. Tabelle 14.1 Tunnel im Zuge der Schnellfahrstrecken der DB AG mit einer Bauzeit seit 1980 (Quelle: DB Netz AG) Strecke

14

Tunnel

Inbetriebnahme

Anzahl

Gesamtlänge (km)

Hannover – Würzburg

61

121

1991

Mannheim – Stuttgart

15

31

1991

Siegburg – Frankfurt

30

47

2002

Nürnberg - Ingolstadt

9

27

2006

Erfurt – Leipzig/Halle

3

15

2015

Ebensfeld – Erfurt

22

41

2017

Summe

140

282

Der einzige Wasserstraßentunnel in Deutschland stammt ebenfalls wie die ersten Eisenbahntunnel aus der Zeit der frühen Industrialisierung. Adolph Herzog zu Nassau ließ zur Umfahrung der engen Lahnschleife in Weilburg mit ihren zwei Wehren zwischen 1844 und 1847 einen 195 m langen Tunnel bauen. Dieser Tunnel verlor seine wirtschaftliche Bedeutung vor allem für den Eisenerztransport aus dem Siegerland ins Ruhrgebiet bereits 15 Jahre später mit dem Bau der Lahntalbahn. Heute dient der Tunnel dem Wassersport (Bild 14-2). Der U-Bahnbau begann in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts. Berlin eröffnete das erste Teilstück vom Stralauer Tor im Osten der Stadt bis zum Potsdamer Platz im Zentrum im Jahr 1902. Heute weist das Netz einschließlich einiger Hochstrecken insgesamt 146 km mit 173 Haltestellen auf, davon 156 unterirdisch. Hamburg folgte im Jahr 1912 mit der Eröffnung

14.1 Einführung

863

der Ringstrecke Barmbeck – Rathaus. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden/werden in großem Umfang in 19 Städten Deutschlands U-, Stadt- und S-Bahnen jeweils mit größeren unterirdischen Abschnitten gebaut.

Bild 14-2 Schifffahrttunnel in Weilburg/Lahn

Einer der ältesten Straßentunnel in Deutschland befindet sich in Altenahr mit einer Länge von ca. 60 m. Er wurde in den Jahren 1832 bis 1834 erbaut. Lange Zeit, nämlich bis 1864 war er der einzige Straßentunnel in Preußen. Überhaupt spielte der Straßentunnelbau bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts keine große Rolle im deutschen Tunnelbau. Erst von da an wurden im Zuge von Beschleunigungs- und Umweltschutzmaßnahmen größere unterirdische Teilabschnitte von Ortsumfahrungen und Stadtautobahnen sowie Landschaftsschutztunnel gebaut.

14

864

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Die Gesamtsituation des Tunnelbaus in Deutschland spiegelt sich in den seit mehr als 35 Jahren erstellten jährlichen Tunnelbaustatistiken der STUVA [40] wider. Danach waren Ende 2016 in Deutschland etwa 1450 km Verkehrstunnel in Betrieb (Tabelle 14.2; [3]). Diese Strecke entspricht in etwa der Luftlinie zwischen Flensburg und München hin und zurück. Die Bedeutung des künftigen Verkehrstunnelbaus wird aus der allein für Deutschland prognostizierten Verkehrsentwicklung deutlich. Danach ist zu erwarten, dass bis zum Jahr 2030 aufgrund der Dynamik des internationalen Handels der grenzüberschreitende Güterverkehr gegenüber dem Basisjahr 2010 um 42 % und der Transitverkehr sogar um 52 % zunehmen wird. Der Binnenverkehr kann mit 31 % ebenfalls ein deutliches Wachstum verzeichnen. Das größte Wachstum wird mit 43 % bei der Bahn erwartet. Beim Lkw werden 39 % Zuwachs prognostiziert und bei der Binnenschifffahrt 23 %. Tabelle 14.2 In Betrieb befindliche Verkehrstunnel in Deutschland (Stand: 31.12.2016) [48] Art der Tunnelnutzung

Länge [km]

Älteste Bauausführung

U- und Stadtbahn

604

1902 in Berlin

Fern- und S-Bahn

535

1843 Strecke Köln-Aachen

Straße

305

1630 Tunnel „Schloss Rauenstein“, Erzgebirge bei Lengefeld

Insgesamt

1444



Noch ein anderer wichtiger Aspekt deutet auf einen zunehmenden Bedarf an unterirdischen Verkehrsanlagen vor allem in städtischen Bereichen hin. So erwartet die UNO in der Zukunft eine weitere Zunahme der weltweiten Verstädterung. Im Jahr 2007 lebten erstmals in der Geschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Der Anteil der Stadtbevölkerung wird bis zum Jahr 2050 rund 70 % erreichen. Im Jahr 1950 lag er noch bei 30 %, der Anteil der ländlichen Bevölkerung folglich bei 70 %. In absoluten Zahlen bedeutet dies eine Verdoppelung der Stadtbevölkerung zwischen 2005 und 2050 von gut drei auf gut sechs Milliarden Menschen. In derselben Prognose aus dem Jahre 2007 erwartet die UNO hingegen, dass die absolute Anzahl der auf dem Land lebenden Menschen zwischen 2010 und 2025 nahezu konstant sein und danach fallen wird [48].

14

Im Jahr 2016 lagen von den 14 weltweit größten städtischen Ballungszentren mit jeweils mehr als 15 Millionen Einwohnern allein 11 in Asien (Bild 14-3). Um solche Megastädte und generell ausgedehnte städtische Regionen (Tabelle 14.3) funktionsfähig und lebenswert zu gestalten, bedarf es in hohem Maße der Nutzung des unterirdischen Bauraums. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf Verkehrstunnel, sondern auch im Zusammenhang mit der Ver- und Entsorgung sowie mit der Lagerung von Gütern. Angesichts der vorstehend dargestellten Entwicklungen und der gesellschaftspolitisch zunehmend hoch bewerteten Mobilität müssen alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Infrastruktur genutzt werden. Eine hervorragende Lösung bietet in dieser Hinsicht unzweifelhaft der Tunnelbau und generell das unterirdische Bauen. Beides trägt maßgeblich zur Beschleunigung der Transportvorgänge und grundsätzlich auch zum Umwelt- und Landschaftsschutz bei. Folgerichtig lassen die jüngsten statistischen Angaben mittelfristig und weltweit eine zunehmende Bedeutung für den Tunnelbau erwarten (Bild 14-4).

14.1 Einführung

865

Tabelle 14.3 Die 14 weltweit größten städtischen Ballungszentren der Welt (Stand: April 2017) Quelle: Demographia World Urban Areas 13 th annual Edition April 2017 [9] Platz

Stadt

Land

Einwohner im April 2016

Kontinent

1

Tokio

Japan

37,900

Asien

2

Jakarta

Indonesien

31,760

Asien

3

Delhi

Indien

26,495

Asien

4

Manila

Philippinen

24,245

Asien

5

Seoul

Südkorea

24,105

Asien

6

Karatschi

Pakistan

23,545

Asien

7

Shanghai

China

23,390

Asien

8

Mumbai

Indien

22,885

Asien

9

New York

USA

21,445

Nordamerika

10

Sao Paulo

Brasilien

20,850

Südamerika

11

Peking

China

20,415

Asien

12

Mexico City

Mexiko

20,400

Nordamerika

13

Guangzhou

China

19,075

Asien

14

Osaka-Kobe-Kyoto

Japan

17,075

Asien

14

Bild 14-3 Megacity Shanghai, China

866

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-4 Nord-Süd Stadtbahn Köln – Erstellung eines Haltestellentunnels in offener Bauweise

Alles in allem kann der europäische Tunnelbaumarkt für die nächsten Jahre ein großes Gesamtbauvolumen erwarten, davon allein in Deutschland etwa 210 km neue Verkehrstunnel [40]. Auch in anderen Teilen der Welt sind immense Anstrengungen zur Verbesserung der Infrastruktur geplant, wobei für den asiatischen Markt der Hauptanteil auf China entfällt.

14

Ganz besondere Herausforderungen stellen zweifellos die weltweit laufenden und noch geplanten Tunnel-Großprojekte dar. In diesem Zusammenhang seien die Maßnahmen des Ende 2016 in Betrieb genommenen 57 km langen Gotthardbasistunnels (Bild 14-5), zum CeneriBasistunnel in der Schweiz, für den Tunnel Mont d’Ambin zwischen Lyon (Frankreich) und Turin (Italien), für den Brenner Basistunnel und für den Koralmtunnel, beide in Österreich, der Brenner Basistunnel grenzüberschreitend auch in Italien, genannt. Die letztgenannten Projekte befinden sich bereits in der Ausführung. Weitere Tunnel dieser Größenordnung sind in verschiedenen Regionen der Welt angedacht. Hierzu zählen beispielsweise die Unterquerung der Straße von Gibraltar zwischen Marokko und Spanien oder die Unterquerung der Tartarenstraße zwischen Russland und der russischen Insel Sachalin mit einer weiteren Verbindung nach Japan oder die Unterquerung der Beringstraße zwischen Russland und Alaska (USA). Alle diese Projekte weisen bis auf zwei Ausnahmen jeweils Auffahrlängen zwischen 30 und 60 km oder sogar noch darüber auf (Tabelle 14.4). Sie erfordern besondere Überlegungen nicht nur im Hinblick auf die Auffahrtechnik und die Logistik in der Vortriebsphase, sondern gerade auch im Hinblick auf den späteren Betrieb und insbesondere auf ein geeignetes Sicherheitskonzept.

14.1 Einführung

867

Bild 14-5 Vortrieb mittels Hängebühne im Gotthard-Basistunnel, Abschnitt Sedrun, Schweiz (Quelle: ATG)

Tabelle 14.4 Große und lange Tunnelprojekte im Bau bzw. in der Planung (Stand: 2017) Tunnel

Land

Länge in km

Ceneri Basis

Schweiz

15

Brenner Basis

Österreich

56

Koralm

Österreich

33

Mont d’ Ambin

Frankreich/Italien

52

Gibraltar

Spanien/Marokko

36

Sachalin Behringstraße

Russland Russland/Alaska (USA)

13 97

14.1.2 Statistik Seit 1990 ist die Gesamtlänge der in Betrieb befindlichen Verkehrstunnel in Deutschland von etwa 850 auf nahezu 1450 km angewachsen [3]. Diese Zunahme beruht einerseits auf dem fortlaufenden Stadtschnellbahnbau mit einer jährlichen Fertigungsrate von etwa 7 bis 8 km (Bild 14-6). Andererseits sind seit 1990 im Bereich der Eisenbahn ergänzend zum Altnetz nahezu 300 km hochmoderne Tunnel, vorrangig in Verbindung mit den in Tabelle 14.1 aufgeführten Schnellfahrstrecken in Betrieb genommen worden. Die jährliche Fertigungsrate lag im langjährigen Mittel bei den Eisenbahntunneln etwa bei 14 bis 15 km. Schließlich wurden seit 1990 im Bereich der Bundesfernstraßen jährlich im Durchschnitt ca. 9 bis 10 km Tunnel zusätzlich dem Verkehr übergeben.

14

868

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-6 Vergabeverlauf im Verkehrstunnelbau der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1996 bis 2017 [40]

Deutlich erkennbar ist aus Bild 14-6 der herausragende Einfluss des Fernbahntunnelbaus. Der Vergabeverlauf folgt in seiner Summenlinie im Wesentlichen den Aktivitäten der Deutschen Bahn AG. Nach einem steilen Anstieg in den Jahren 1982 bis 1984 im Zusammenhang mit den Neubaustrecken Hannover-Würzburg und Mannheim–Stuttgart war im Bereich der Fernbahntunnel für die anschließenden zwei bis drei Jahre ein ebenso steiler Rückgang zu verzeichnen. Die Kurve erreichte schließlich Ende der 1980er Jahre die 0-Marke, um dann nochmals 1991/92 sowie 1995/96 vor allem wegen der Neubaustrecke Köln-Rhein/Main und beginnend mit 1998 wegen der seinerzeitigen Neubaustrecken Nürnberg–Ingolstadt und später Erfurt–Leipzig/Halle sowie zuletzt Ebensfeld–Erfurt (vergleiche auch Tabelle 14.1) erneut Zwischenhochs zu durchlaufen. Die stark schwankenden Kurven in der Vergabe der innerstädtischen U-, Stadt- und S-BahnTunnel und noch mehr der Fernbahn- und Straßentunnel führten naturgemäß zu einer entsprechend verstärkten Schwankung im Verlauf der Summenkurve für die Tunnelvergabe, wie aus Bild 14-6 klar ersichtlich.

14

Zum Jahreswechsel 2016/2017 befanden sich etwa 175 km Verkehrstunnel im Bau. Dies geht im Einzelnen aus [40] hervor. Für den Verkehrstunnelbau ist ein Vergleich hinsichtlich der jeweils eingesetzten Verfahrenstechnik von besonderem Interesse. Danach wurden 2016/17 nahezu 90% der gesamten Auffahrlänge der Verkehrstunnel in geschlossener Bauweise erstellt und nur etwas mehr als 10 % in offener (Bild 14-7).

14.1 Einführung

a) U-, Stadt- und S-Bahnen

869

b) gesamter Verkehrstunnelbau

Bild 14-7 Bauweisen des laufenden Tunnelbauvolumens in Deutschland zum Jahreswechsel 2016/17 [40]

Für den im Wesentlichen innerstädtischen U-, Stadt- und S-Bahn-Bau ist bei genauerer Betrachtung auffallend, dass zum Jahreswechsel 2016/17 knapp 16 km, das sind nahezu 2/3 der gesamten Auffahrlänge, in geschlossener Bauweise erstellt wurden. Der Anteil der Spritzbetonbauweise belief sich dabei auf etwa 40 % des Gesamtbauvolumens. Wie sich dies über die Jahre entwickelt hat, lässt sich aus Bild 14-8a entnehmen. Für den U-, Stadt- und S-Bahnbau ergibt sich danach über den gesamten dargestellten Zeitraum, von leichten Schwankungen abgesehen, generell eine gleichbleibende Tendenz der offenen Bauweisen. Auffallend ist der stärker schwankende Anteil des Schildvortriebs. Eigentlich bietet der Schildvortrieb deutliche Vorteile. Er bedeutet für den bergmännischen Tunnelbau im städtischen Bereich eine zunehmende Mechanisierung und generell auch einen wachsenden Trend zu einem umweltschonenden städtischen Tunnelbau. Deutlich abweichend vom innerstädtischen Tunnelbau liegen die Verhältnisse für den Bau von Fernbahntunneln. Hier gelangen überwiegend geschlossene Bauweisen zum Einsatz. Ihr Anteil beläuft sich in den letzten zehn Jahren auf durchschnittlich etwa 90 % (Bild 14-8b). Der Schildvortrieb und überhaupt der Tunnelbau mit Vortriebsmaschinen spielt beim Bau von Fernbahntunneln in Deutschland eine zunehmend größere Rolle Beim Bau von Straßentunneln ergibt sich eine Situation, die generell gesehen vergleichbar ist mit derjenigen beim innerstädtischen Bahnbau. Hier wie dort bleibt der Anteil der offenen Bauweisen in der langjährigen Betrachtung relativ groß und stabil. Bei den Straßentunneln machen die offenen Bauweisen in den letzten Jahren rund 1/3 des Gesamtbauvolumens aus (Bild 14-8 c). Von besonderem Interesse – nicht zuletzt für die bauausführende Industrie – ist das in naher Zukunft (10 bis 15 Jahre) zu erwartende Tunnelbauvolumen. Das Ergebnis der Umfrage zum Jahreswechsel 2016/2017 ist in [40] zusammengestellt. Das dort ausgewiesene Bauvolumen von etwa 210 km an künftig zu erstellenden Verkehrstunneln wird nach dem derzeitigen Planungsstand im Wesentlichen bis zum Jahr 2030 realisiert. Neben fast 52 km U-, Stadt- und S-Bahn-Tunneln ist auch das Volumen von etwa 45 km Fernbahntunneln und nahezu 113 km Straßentunneln bemerkenswert. Die geplanten Straßentunnel haben mindestens das Stadium der Planfeststellung erreicht.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

a) U-, Stadt- und S-Bahntunnel

b) Fernbahntunnel

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c) Straßentunnel Bild 14-8 Anteil der geschlossenen bzw. offenen Bauweisen bei den jeweils zum Jahreswechsel im Bau befindlichen Tunneln (längenbezogen) [40]

14.2 Begriffe und Bezeichnungen

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Bezüglich der Fernbahntunnel ist festzustellen, dass es sich hier vor allem um die Strecken Stuttgart–Augsburg, die Ausbau-/Neubaustrecke Karlsruhe–Basel sowie um die geplanten Strecken im Zusammenhang mit dem Projekt Fernbahn Stuttgart 21 handelt. Die Verteilung des geplanten Tunnelbauvolumens auf die Bundesländer zeigt Bild 14-9.

Bild 14-9 Zuordnung der ab 2017 geplanten Verkehrstunnelprojekte auf die Bundesländer [40]

14.2

Begriffe und Bezeichnungen

Im Tunnel- und Stollenbau sowie im Bergbau sind spezielle Fachausdrücke gebräuchlich. Die wichtigsten Begriffe im Untertagebau werden nachfolgend textlich erläutert oder sind in den Bildern 14-10 und 14-11 dargestellt.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-10 Tunnellängsschnitt und Bezeichnungen [8]

Bild 14-11 Tunnelquerschnitt und Bezeichnungen [8]

Tunnel werden als langgestreckte, wenig geneigte, gesicherte unterirdische Hohlräume definiert, die stets zwei Öffnungen zur Tagesoberfläche aufweisen. Beispielhaft werden Tunnel für den Straßen- und Eisenbahnverkehr und/oder für Fußgänger gebaut.

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Stollen sind langgestreckte, unterirdische Hohlräume, die jedoch im Unterschied zu Tunneln kleinere Durchmesser aufweisen. Die Neigung zur Horizontalen beträgt bei Stollen maximal 25°. Stollen dienen der Aufnahme von Rohrleitungen, Kabeltrassen oder als temporäre Bauwerke. Schächte werden in der Regel zur Überwindung von Höhenunterschieden (auf möglichst kurzen Strecken) gebaut, weshalb die Neigung zur Horizontalen zwischen 25° und 90° (senkrechter Schacht) beträgt. Die Durchmesser liegen im Größenbereich von Stollen. Kavernen sind kurze unterirdische Bauwerke mit großen Ausbruchquerschnitten. Sie werden für Lagerungszwecke, als Maschinenhallen oder als Produktionsstätten verwendet und sind über Tunnel, Stollen und Schächte an die Erdoberfläche angeschlossen.

14.3 Offene Bauweisen

873

Gebirge ist die Bezeichnung für das natürlich anstehende Fest- oder Lockergestein, das wiederum aus unterschiedlichen Gesteinsarten gebildet wird. Die Gesteinsarten sind in sich nicht homogen, sondern mit Schichtungen und/oder Trennflächen (siehe unten) durchzogen. Trennflächen sind Unterbrechungen des intakten Gebirges. Sie werden in Kluft-, Störungs-, Schicht- und Schieferungsflächen unterteilt Kluft bezeichnet den mit Gasen, Flüssigkeiten oder festem Material gefüllten Spalt zwischen zwei Gesteinskörpern. Störungen sind Klüfte, in denen sich die Gesteinsflächen gegeneinander verschieben. Der Durchtrennungsgrad ist als das Verhältnis der Kluftflächen innerhalb einer betrachteten Querschnittsfläche zum gesamten Querschnitt definiert. Auffahren bezeichnet den gesamten Prozess zur Herstellung eines unterirdischen Hohlraums. Ortsbrust ist die vorderste Abbaufläche des Gebirges beim Auffahren. Abschlagstiefe/Angriffstiefe ist die Entfernung zwischen alter und neuer Ortsbrust, die innerhalb eines Vortriebabschnitts aufgefahren wird. Schuttern bezeichnet den Ladevorgang der gelösten Gesteinsmassen. Bewetterung ist die Frischluftversorgung eines Tunnels (Einblasen von Frischluft oder Absaugen von verunreinigter Luft) während der Bauphase. Der dazu verwendete Schlauch heißt Lutte. Ausbau wird sowohl für alle temporären Sicherungsmaßnahmen während des Vortriebs (vorläufiger Ausbau bzw. Verbau) verwendet, als auch für die dauerhafte Sicherung der Ausbruchleibung (endgültiger Ausbau bzw. Auskleidung). Tübbinge sind Fertigteile aus Stahlbeton, Stahl oder Stahlguss, die zu einem zylindrischen Ausbauring zusammengesetzt werden. Ringspalt bezeichnet den Hohlraum zwischen der Ausbruchsleibung und der Außenfläche des Ausbaus. Er entsteht auf Grund des herstellungsbedingten Überschnitts, der allen bergmännischen Bauweisen eigen ist.

14.3 14.3.1

Offene Bauweisen Einführung und geschichtlicher Hintergrund

Die Verfahren des modernen Tunnelbaus, wie sie heute zum Einsatz gelangen, sind nicht innerhalb weniger Jahre entwickelt worden. Es hat vielmehr zahlreicher kleiner Schritte, häufig verbunden mit empfindlichen Rückschlägen bedurft. Von vereinzelten Projekten im Altertum, wie dem Eupalinos-Tunnel auf der Insel Samos [38] abgesehen, nahm der neuzeitliche Tunnelbau seinen Anfang vom mittelalterlichen Stollenbau für bergbauliche Zwecke.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-12 Engelberg-Basistunnel in quellfähigem Gipskeuper als Straßentunnel in zwei parallelen Röhren

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Das Phänomen der vielstufigen Entwicklung über mehrere Jahrzehnte hinweg trifft sowohl für den konventionellen wie für den maschinellen Tunnelbau zu. Die ersten Schritte im frühen 19. Jahrhundert betrafen in der Regel relativ kleine Ausbruchquerschnitte. Erst im ausgehenden 20. Jahrhundert wagten sich die Tunnelbauer an Querschnitte, die deutlich über 100 m2 reichten. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Tunnelabschnitte im Zuge der DB-Schnellfahrstrecken, in denen drückendes Wasser anstand. Die konventionell aufgefahrenen zweigleisigen Streckentunnel waren im Querschnitt mit tiefem Sohlgewölbe zu gestalten mit Ausbruchquerschnitten bis ca. 150 m2. Typische Beispiele dieser Tunnelkategorie sind der Rauhebergtunnel auf der Strecke Hannover-Würzburg und der Freudensteintunnel auf der Strecke Mannheim-Stuttgart. Später wurde im Zuge der Autobahn BAB 81 westlich von Stuttgart der Engelberg-Basistunnel in quellfähigem Gipskeuper als Straßentunnel in zwei parallelen Röhren mit jeweils drei Fahrstreifen aufgefahren (Bild 14-12). Hier betrug der Ausbruchquerschnitt bis zu 250 m2. Ein ähnlich großer Querschnitt war wenige Jahre zuvor lediglich in den submarinen Kreuzungsbauwerken des 51 km langen Eurotunnels zwischen Frankreich und Großbritannien aufgefahren worden. Hier stand im Gegensatz zum quellgefährdeten Gipskeuper des Engelberg-Basistunnels aber ein standfester Kalk an.

14.3 Offene Bauweisen

875

14.3.2 Baugruben Charakteristisch für eine offene Tunnelbauweise ist das Herstellen des Tunnelkörpers von der Oberfläche her. Das setzt im Stadtbereich eine Trassenführung entlang vorhandener, genügend breiter Straßenzüge voraus [29]. Für die Erstellung des Tunnels wird nämlich bei der offenen Bauweise zunächst eine Baugrube ausgehoben, meist über die volle Länge eines Bauloses (Bild 14-13). Die Baugrubenwände können geböscht ausgeführt oder, wo dies auf Grund von Platzmangel nicht möglich ist (z. B. im innerstädtischen Bereich), durch senkrechte Baugrubenwände gestützt werden. Baugrubenwände mit stählerner Queraussteifung oder rückwärtiger Verankerung sind die Regel. Über der geplanten Tunnelsohle anstehendes Grundwasser wird entweder für die Dauer der Baumaßnahme abgesenkt. Wo dies nicht genehmigt wird oder auf Grund der damit verbundenen Setzungsproblematik voraussichtlich zu Schäden führen würde, kann der Zufluss von Wasser z. B. durch entsprechend dichte Baugrubenwände verhindert werden, sofern diese in undurchlässige Bodenschichten einbinden. Für derartige Verhältnisse wurde die folgende Methode entwickelt. Die Tunnelsohle wird dabei zwischen zuvor erstellten Schlitzwänden in einer gefluteten offenen Baugrube unter Wasser betoniert. Das Wasser wird anschließend aus der so entstandenen Wanne gepumpt. Im Regelfall werden jedoch die Strecken- und Haltestellentunnel in trockener Baugrube aus Ortbeton errichtet. Meist sind sie im Querschnitt rechteckig ausgebildet. In Längsrichtung sorgen quer angeordnete Fugen für eine Untergliederung der langgestreckten Bauwerke in sogenannte Blöcke von etwa 10 m bis 30 m Länge. Diese Aufteilung dient dazu, die Entstehung größerer Risse in der Konstruktion als Folge temperaturbedingter Längenänderungen oder unterschiedlicher Baugrundbewegungen zu vermeiden. Der Schutz gegen Wasser- und unzulässigen Feuchtigkeitszutritt während der späteren Nutzung wird durch den Einbau von Flächenabdichtungen auf Bitumen- oder Kunststoffbasis erzielt oder insbesondere bei den üblicherweise zweigleisigen Streckentunneln auch durch deren Herstellung aus wasserundurchlässigem Beton (vgl. Abschnitt 14.6). Die Entscheidung für die eine oder andere Art der Baugrubenwand wird durch zahlreiche Einflussgrößen (Baugrund, Nähe der Nachbarbebauung, Belastung, Tiefe der Baugrube, etc.) bestimmt. Die Trägerbohlwand ist in trockenen, ramm- und bohrfähigen Böden die billigste Lösung. Die Tragglieder stehen in etwa 1 m bis 3 m, meist in 2 m Abstand. Kleinere Abstände wählt man nur in besonderen Belastungsfällen oder aus Gründen der Anpassung an örtliche Zwangspunkte im Baugrubengrundriss. Von Feld zu Feld sollte der Bohlträgerabstand um höchstens 0,5 m verändert werden. Andernfalls besteht wegen der ungleichen Belastung der Trägerflansche die Gefahr einer Trägerverdrehung, insbesondere in weichen bindigen Böden. Gängig sind Rammträger aus HE-B-Profilen, ferner Kastenspundbohlen, gelegentlich auch HE-A-Profile. In schwer rammbaren Böden sind HE-M-Profile vorzuziehen. IPE-Profile sind für eine Rammung in Böden mit stark wechselnder Schichtenfolge und steinigen Einschlüssen nicht geeignet, da sie zu weich sind. Wegen des geringen Widerstandsmomentes quer zur Stegachse laufen derartige Träger leicht aus der vorgesehenen Richtung. Aus Lärmschutzgründen und zur Vermeidung von Erschütterungen werden die Tragglieder heutzutage nicht mehr gerammt, sondern in Bohrlöcher gesetzt. Das Bohren erweitert überdies die Anwendbarkeit der Trägerbohlwand auch auf Böden, die nicht rammfähig oder von nicht rammbaren Zwischenschichten durchsetzt sind. Die Bohrungen werden entweder verrohrt oder suspensionsgestützt hergestellt. Nach dem Einsetzen des Bohlträgers muss der verbleibende Hohlraum sorgfältig verfüllt werden, z. B.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

mit reinem Sand, bindigem Sand, Kalkmörtel oder Magerbeton. Stoff und Art der Bohrlochverfüllung sollten den anschließenden Baugrubenaushub, der etwa die Hälfte des Bohrlochs miterfasst, nicht unnötig erschweren. Andererseits ist dafür Sorge zu tragen, dass lose eingefülltes Material bei den Aushubarbeiten nicht ausfließt. Auch der bei Grundwasserabsenkung in geschichteten Böden oft unvermeidliche Restzufluss von Wasser („Schichtenwasser“) darf weder den anstehenden Boden noch den Verfüllstoff im Bereich des Bohrlochs ausspülen, sonst sind Setzungen an der Geländeoberfläche oder anliegender Gebäude und Leitungen zu befürchten. Geeignete Gegenmaßnahmen sind eine gute Verdichtung filterstabilen Sandbodens, ein ausreichender Zusatz hydraulischer Bindemittel oder ein Injektionsdichtungsschleier in Höhe der wasserleitenden Schichten. Verdichten lässt sich lose eingefüllter Stoff durch Einschlämmen, nötigenfalls durch Vibration des Mantelrohrs oder des eingesetzten Trägers, oder aber durch Tauchrüttler. Eine besonders gute Verdichtungswirkung ergibt sich, wenn der Träger in das bereits lose verfüllte Bohrloch mit einem Vibrationsbären eingebracht wird. Vorgaben hinsichtlich der maximal zulässigen, ungesicherten Aushubtiefe sowie der konstruktiven Ausbildung können DIN 4124 und der EAB entnommen werden. Zur Aufnahme des Erddrucks ist die Baugrubenwand durch Steifen oder rückwärtige Verankerung abzustützen. Als Steifen dienen im Regelfall Walzprofile HE-B, HE-A oder Kastenspundbohlen. Bei besonders großen Kräften oder Spannweiten verwendet man auch Stahlrohrsteifen (Beispiel: IJ-Tunnel in Amsterdam), stählerne Fachwerk-Gittersteifen oder Stahlbetonsteifen in Verbindung mit Stahlbetongurten. Im U-Bahnbau üblich ist die Aussteifung durch Stahlbeton in Höhe der Baugrubensohle; hierbei wird der Unterbeton als unterste Steifenlage herangezogen. Für die Bemessung der Steifen ist wegen ihrer Druckbeanspruchung außer dem allgemeinen Spannungsnachweis zusätzlich ein Stabilitätsnachweis (Knicken, Kippen, Biegedrillknicken) erforderlich. An Stelle von Aussteifungen, die sich über die gesamte Baugrubenbreite spannen, werden vor allem bei breiten Baugruben häufig rückwärtige Verankerungen der Baugrubenwand eingesetzt. Mit den Steifen entfallen zugleich viele Behinderungen für den Bauablauf und die Bodenbewegung oder den vertikalen Materialtransport durch Bagger und Krane. Der Einsatz von Spundwänden für den Baugrubenverbau kommt vor allem im Bereich offener Gewässer in Betracht, die eine zeitweise Trockenlegung oder Verlegung nicht zulassen (Beispiel: City-S-Bahn, Hamburg, im Bereich der Binnenalster und des Alsterfleets). Die Herstellungsverfahren sind in Kapitel 8.6 dargestellt. Die Bemessung von Spundwandbauwerken wird in Kapitel 12 erläutert. Binden die Spundwände nicht in einer dichten Bodenschicht ein, so kann die Abdichtung der Baugrube nach unten durch eine Injektionssohle oder nach der sogenannten Wand-Sohle-Bauweise mit einer Unterwasserbetonsohle erfolgen.

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Schlitz- oder Bohrpfahlwände gelangen vor allem dann zum Einsatz, wenn Baugruben bis unmittelbar an mehrgeschossige und dabei setzungsempfindliche Bebauungen reichen, deren Fundamente höher als die spätere Baugrubensohle liegen. Diese Art Baugrubensicherung erübrigt ein gesondertes Unterfangen solcher Fundamente und ist in der Lage, hohe Seitenkräfte aufzunehmen. Die Herstellung ist in den Kapiteln 8.2 (Bohrtechnik), 8.3 (Pfähle) und 8.5 (Schlitzwandtechnik) dargestellt. Die Bemessung von Ortbetonwänden wird in Kapitel 12 erläutert. Schlitzwände werden bei linienförmigen Baustellen oft ausgesteift mit Gurtung und horizontal eingezogenen Walzstahlprofilen oder Stahlrohren (Bild 14-13). Die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung und qualitätsbewussten Ausführung der Fugen wird nochmals unterstrichen (vgl. hierzu Kapitel 8.5).

14.3 Offene Bauweisen

877

Bild 14-13 Nord-Süd Stadtbahn Köln, 2. Baustufe mit Stahlrohraussteifung

In einigen Fällen werden Ortbetonverbauwände als bleibender Bestandteil der endgültigen Tunnelkonstruktion genutzt (Beispiel U-Bahnbau Köln). Dabei gibt es die Varianten, dass den Schlitz- und Pfahlwänden lediglich der Erddruck zugewiesen wird, während der Wasserdruck von einer Innenschale aufgenommen wird. Alternativ kann die Verbauwand auch für die gesamte Belastung aus Erd- und Wasserdruck ausgelegt werden. In jedem Fall ist ein Gebrauchstauglichkeitsnachweis nach DIN 1045-1 zu führen (Nachweis der Rissbreiten unter Last in Tunnelquerrichtung und für Zwang in Tunnellängsrichtung), wenn der Baugrubenverbau in das spätere Endbauwerk integriert wird. Zudem ist auf eine ordnungsgemäße und dichte Ausführung der Anschlüsse Verbauwand-Bodenplatte und Verbauwand-Tunneldecke zu achten. Die meist mehrere hundert Meter langen Tunnelbaugruben des U-, Stadt- und S-Bahnbaus können den Verkehr vor allem im Innenstadtbereich ganz erheblich beinträchtigen. Um zumindest die wichtigsten quer zur Tunneltrasse verlaufenden Verkehrswege aufrechtzuerhalten, wird der Bau von Hilfsbrücken erforderlich. Sie sind für Kfz-Verkehr (insbesondere für die Feuerwehr) und erforderlichenfalls auch für den Baustellenverkehr zu bemessen. Normalerweise genügt Brückenklasse 30, mit Ausnahme von Straßenzügen für Schwer- und Schwersttransporte sowie mit hohen Einstufungen nach militärischer Lastenklasse MLC. Für die Breite empfehlen sich folgende Maße:

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

– – – –

2 Fahrstreifen zu je 3,00 m: 1 Gehweg: 2 Schrammborde zu je 1,00 m Gesamtbreite mindestens

6,00 m 2,00 m 2,00 m 10,00 m

Im Vorfeld einer Baumaßnahme sollte stets untersucht werden, ob ein anmietbares Brückensystem verwendet werden kann, da so die Kosten und der Zeitaufwand für Planung und Herstellung bzw. Einbau erheblich reduziert werden.

Bild 14-14 Hilfsbrücke zum Anhängen von Rohrleitungen für mehrere unterschiedliche Medien am Beispiel des U-Bahnbaus in München

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Bei Hilfsbrücken für Bahnen sind die jeweils vom Betreiber festgelegten Lastenzüge zu Grunde zu legen. Hier sollten im Vorfeld der Planung sowohl die zu führenden Nachweise (ist z. B. ein Betriebsfestigkeitsnachweis erforderlich), Materialgüten und die Herstellerqualifikationen, zulässige Verformungen und die Auswirkungen auf die Bauhöhe sowie daraus folgend etwaige Beeinträchtigungen anderer Gewerke abgestimmt bzw. überprüft werden. Teilweise sind Zustimmungen im Einzelfall (ZIE) oder unternehmensinterne Genehmigungen (UIG) einzuholen, wenn Konstruktionen vom Regelwerk der Bahnbetreiber abweichen oder in diesem gar nicht geregelt sind, völlig unabhängig davon, ob eine genehmigte Entwurfsplanung vorliegt oder nicht. Standard-Hilfsbrücken nach Ril 804.9050 können mit ausreichendem Vorlauf bei der Deutschen Bahn gemietet werden, was wiederum den Charme entfallender Planungskosten und verkürzter Prüfphasen mit sich bringt. Wichtig ist auch die Lagerung. Hier bieten einige Hersteller fertige Baukastensysteme mit Bahnzulassung an. Hilfsbrücken für Bahnen sollten stets eine nachjustierbare Lagerung erhalten, da z. B. im Bereich von Weichen schon geringe Setzungen in Kombination mit der Brückendurchbiegung dazu führen können, dass die seitliche Führung des Zugs im Einfahrpunkt der Weiche nicht gegeben ist, was im schlimmsten Fall ein Entgleisen des Zuges zur Folge hätte.

14.3 Offene Bauweisen

879

Quer über die Baugrube müssen auch Ver- und Entsorgungsleitungen geführt werden, wenn eine Umleitung oder Betriebsunterbrechung ausscheidet. Sofern sie in der Trasse des ebenfalls zu überführenden Querverkehrs liegen, werden Sie an die Konstruktion der Hilfsbrücken angehängt. In vielen Fällen sind aber selbständige Konstruktionen erforderlich (Bild 14-14). Gelegentlich müssen besondere Hilfsbrücken erstellt werden, um beispielsweise offene Kanal-, Bach- oder Flussläufe über die Baugrube zu leiten.

Bild 14-15 Abdeckung für die Straßenfahrbahn über die gesamte Baugrubenfläche am Beispiel des U-Bahnbaus in Berlin (Blick vom Hochhaus „Steglitzer Kreisel“ auf Fahrbahnabdeckung im Bereich „Heinz-Ehlers-Platz“)

Tunnelbaustellen in engen Straßen erfordern außer den beschriebenen Querverbindungen auch in Längsrichtung der Baugrube Abdeckkonstruktionen. Sie können zu einer teilweisen oder auch vollständigen Überdeckung der Baugrube führen (Bild 14-15). Auch hier ist Brückenklasse 30 zu Grunde zu legen, da derartige Längsabdeckungen im Regelfall auch als Zufahrt für die Feuerwehr ausreichen müssen.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Für die Konstruktion und Bemessung der Hilfsbrücken und Baugrubenabdeckungen gelten die Regeln des Brückenbaus, d. h. die Normen DIN 1074 (Holzbrücken; Berechnung und Ausführung), DIN 18800 Stahlbauten – vor allem Teil 1: Bemessung und Konstruktion und Teil 7: Ausführung und Herstellerqualifikation als Ersatz für die zurückgezogenen Regelwerke DIN 1079 und DIN 4101 – sowie die DIN-Fachberichte 101 (Einwirkungen auf Brücken) und 103 (Stahlbrücken). Bei Hilfsbrücken der Bahn ist Ril 804 zu beachten.

14.3.3 Stahlbetonkonstruktionen Grundlage für Planung, Bau und Instandhaltung von Stahlbetonkonstruktionen für die Nutzung als Verkehrstunnel bilden die einschlägigen Regelwerke der Verkehrsträger. Für den Straßentunnelbau sind dies die zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten, Teil 5 Tunnelbau, Abschnitt 2 Offene Bauweise [53], für die Fernbahn- und S-Bahntunnel die Richtlinie 853, Modul 853.4202 [37]. In einigen Bundesländern und Kommunen sind für den Straßen-, U- und Stadtbahn-Tunnelbau außerdem noch ergänzende Festlegungen zu beachten. Die vorgenannten Regelwerke geben zunächst Hinweise bezüglich der erforderlichen geotechnischen und StandsicherheitsUntersuchungen. Sie enthalten auch Angaben über die zu beachtenden Einwirkungen wie Erddruck, Wasserdruck und Auftrieb, Verkehrslasten auf der Tunneldecke, Verkehrslasten auf der Tunnelsohle, Temperaturen (Bild 14-16) sowie Sogund Druckbelastungen aus dem Verkehr und schließlich auch Einwirkungen aus Fahrzeugbränden. Bezüglich der Tunnelaußentemperaturen wird in der Regel sowohl im Boden als auch im Grundwasser ein Wert von +10° Celsius angesetzt.

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Bild 14-16 Temperaturen an den inneren Bauteiloberflächen bzw. Straßenoberflächen [53]

Tunnel aus Stahlbeton können in offener Bauweise sowohl als Rechteck- als auch als Gewölbequerschnitt, ein- oder mehrzellig hergestellt werden. Sie sind in der Regel erdüberschüttet. Je nach eingesetztem Verkehrssystem ist das zugehörige Lichtraumprofil einzuhalten. Dabei sind Kurvenfahrt, Fahrbahnaufbau und speziell beim Bahnverkehr auch die Fahrstromversorgung zu beachten (Bild 14-17).

14.3 Offene Bauweisen

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Bild 14-17 Regelquerschnitt zweigleisiger S-Bahntunnel mit Schotteroberbau [37, Richtzeichnung T-S-O-R-2-04, 853.9001]

Die Bauteildicken von Sohlen, Decken und Wänden betragen in der Regel mindestens 45 cm. Die Decken sollen zur leichteren Abführung von Sickerwasser in ihrer Oberfläche einseitig geneigt oder mit Dachprofil ausgebildet sein bei einem Gefälle von mindestens 2 %. Dies gilt unabhängig davon, ob der Tunnel eine Flächenabdichtung aufweist oder in wasserundurchlässigem Beton erstellt ist. In Längsrichtung sind die Tunnel durch Blockfugen aufzugliedern. Der Blockfugenabstand beträgt bei Konstruktionen aus wasserundurchlässigem Beton 7,5 bis 12 m, in drückendem Wasser bis 10 m, bei Tunneln mit Flächenabdichtung maximal 30 bis 40 m. Die Zahl der längs laufenden Arbeitsfugen ist über den Tunnelquerschnitt auf ein Minimum zu reduzieren (z. B. Sohle/Wand und/oder Wand/Decke). Sie sind gesondert abzudichten, z. B. durch Einsatz von Fugenblechen. Der Einsatz sogenannter Rundumschalungen (Full-round-Schalungen) ist sehr aufwändig und sollte auf Sonderfälle, z. B. auf Tunnel aus wasserundurchlässigem Beton in drückendem Wasser beschränkt bleiben. Als Betongüte ist für die tragenden Bauteile in der Regel ein Beton C25/30 erforderlich. Die Mindestbewehrung ist nach DIN-Fb-102 zu ermitteln. Die Stababstände sollen 150 mm nicht überschreiten und der Stahldurchmesser mindestens 12 mm betragen [37]. Der Beton darf nicht höher als 1 m frei fallend eingebracht werden. Bei größeren Einbringhöhen sind Hosen-

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

rohre mit Einfülltrichtern zu verwenden [53]. Die Rissbreiten sind bei Konstruktionen aus wasserundurchlässigem Beton auf 0,15 mm zu begrenzen. Die Betondeckung muss innen und außen mindestens 50 mm betragen bei Nennmaß von 60 mm. Bei Straßentunneln kann hinsichtlich der Querschnittsform bei Einsatz der offenen Bauweise nach Bild 14-18 unterschieden werden. a)

b)

c)

d)

Bild 14-18 Verschiedene Querschnittstypen für Straßentunnel (Prinzip). a) Rechteckquerschnitt mit offener Sohle, b) Rechteckquerschnitt mit geschlossener Sohle, c) Gewölbequerschnitt mit offener Sohle, d) Gewölbequerschnitt mit geschlossener Sohle [53]

Ein typisches Beispiel für die offene Bauweise eines Straßentunnels mit Stahlbetonrechteckquerschnitt stellt der Kreuzstraßentunnel im Zuge der Bundesstraße B 311 in Tuttlingen dar [5]. Zur Entlastung der Kernstadt von Tuttlingen und zur gleichzeitigen Schaffung eines leistungsfähigen überregionalen Straßennetzes werden innerhalb des Stadtbezirkes die B 311 und die B 14 zusammengelegt und auf der bisherigen Trasse der B 14 gebündelt. Kernstück dieser gebündelten Trasse ist der Tunnel Kreuzstraße mit einer Länge von 948 m (Bild 14-19).

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Die Tunneltrasse folgt gezielt dem Verlauf der bestehenden Kreuzstraße. Planung und Bau sind dabei geprägt durch die sehr eng stehende Wohnbebauung und deren Zugänglichkeit während der Bauzeit. Der Tunnel wird in offener Bauweise in einer bis zu 12 m tiefen Baugrube errichtet. Vom Westportal beginnend, liegt der Tunnel in einer ca. 14 m mächtigen Schicht aus Donaulehm und Hangschotter. Unter diesen Sedimenten liegt der im Raum Tuttlingen allerorten anstehende Fels aus Kalk und Kalkmergel des Weißjura. Dieser Felshorizont steigt nach ca. 200 m bis ca. 1 m unter der Geländeoberfläche an. Der Tunnel liegt oberhalb des Grundwasserhorizontes. Hangwasser ist nur in geringem Maße zu erwarten.

14.3 Offene Bauweisen

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Bild 14-19 Kreuzstraßentunnel B 311 in Tuttlingen [5]

Im Donaulehm wurde eine Sicherung mit einer ausgesteiften, tangierenden Bohrpfahlwand und im Fels eine rückverankerte Spritzsicherung ausgeschrieben. Auf Grund technischer Neuerungen, die ein wirtschaftliches Bohren im Tuttlinger Fels erlauben, wird die Baugrube auch im Fels mit einer ausgesteiften, aufgelösten Bohrpfahlwand gesichert. Der Bau des Tunnels begann am 1. Oktober 2007. Auf Grund der innerstädtischen Lage und der Situation, dass ein südlich der Baustelle liegendes Wohnquartier nur über die Baustelle kreuzende Straßen angedient werden kann, wurde die gesamte Länge in vier Bauabschnitte unterteilt. Erst wenn der Tunnel in einem Abschnitt überfahrbar ist, kann die andere Kreuzung gesperrt und der nächste Abschnitt begonnen werden. Der einzellige Tunnel wird im Gegenverkehr befahren. Der Rechteckquerschnitt hat eine lichte Breite von 9,70 m und eine lichte Höhe von 5,00 m. Am Hochpunkt, in der Mitte des Tunnels, befinden sich zwei gegenüberliegende Pannenbuchten und ein unterirdisches Betriebsgebäude mit Löschwasserbecken. Der Rohbau des Tunnels wird 2010 fertig gestellt sein. Nach Einbau der betriebstechnischen Ausrüstung wird der Tunnel Mitte 2011 für den Verkehr freigegeben.

14.3.4 Rahmenkonstruktionen aus Spundwänden mit Stahlbetonwänden und -decken Mischkonstruktionen, bei denen die Tunnelwände aus Spundbohlen, die Tunneldecke und Tunnelsohle aus Stahlbeton bestehen, wurden in Deutschland schon des Öfteren ausgeführt. Beispielhaft seien hier genannt [22]: – 1968/69 der Rheinallee-Tunnel in Düsseldorf

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

– – – –

1970/71 ein Straßenbahn-Tunnel in Mülheim/Ruhr 1969/72 ein Straßentunnel in Kiel 1972/74 der Eisenbahntunnel „Roter Hahn“ in Lübeck 1977 ein Straßentunnel in Frankfurt.

Als wesentliche Vorteile der Verwendung von Stahl als endgültiger Auskleidung bei der offenen Bauweise sind zu nennen: – Eine verhältnismäßig kurze Bauzeit. – Die relative Witterungsunabhängigkeit durch weitgehende Vorfertigung. – Durch das geringe Gewicht des Stahls im Vergleich zur Tragfähigkeit können große Elemente vorgefertigt werden. Dadurch verringern sich die Arbeiten auf der Baustelle. – Die sofort nach dem Einbau verfügbare Tragfähigkeit der Konstruktion. – Dies wirkt sich maßgeblich und günstig auf den Baufortschritt aus. – Große Plastizierungsreserven und einfache Reparaturmöglichkeit (durch Schweißen). Stahl ist besonders gut geeignet für Tunnelauskleidungen im Bergsenkungsgebiet, bei denen zusätzliche Beanspruchungen aus Setzungen, Pressungen und Dehnungen des umgebenden Gebirges auftreten. Eine derartige Mischbauweise bietet den Vorteil, dass für die Erstellung des Bauwerks auf eine Baugrube mit einer Wandsicherung unabhängig von der späteren Tunnelkonstruktion verzichtet werden kann. Dazu empfiehlt sich die Anwendung der Wand-Deckel- bzw. der Wand-Sohle-Methode. Bei dieser Bauweise werden zunächst Stahlelemente als spätere Tunnelwände in den Boden eingerammt, eingerüttelt oder eingepresst. Dies geschieht zum Teil mit Spül- und Bohrhilfen. Es ist auch möglich, die Wandelemente in bentonitgefüllte Schlitze zu stellen und die Schlitze mit Kunstboden zu verfüllen. Wenn das Grundwasser bis unter die spätere Sohle abgesenkt werden darf, lassen sich nach dem Bodenaushub die Sohlen- und Deckenplatte im Trockenen einbauen (Fall (1) in Bild 14-20 b). Um Behinderungen und Belästigungen aus dem Baubetrieb an der Oberfläche zeitlich zu verkürzen, erfolgt nach dem Setzen der Spundwand der Aushub der Baugrube zunächst nur bis zur Unterfläche der Tunneldecke. Nach Herstellung der Decke aus Stahlbeton kann die Baugrube oberhalb sofort wieder verfüllt und die Oberfläche wieder genutzt werden (Bild 14-20 a, Bauzustände 1-4). Der Aushub des eigentlichen Tunnelraumes erfolgt unterhalb der fertigen Decke. Sofern eine Sohle erforderlich ist, wird sie nach Erreichen der entsprechenden Aushubtiefe abschnittsweise ebenfalls aus Stahlbeton eingebaut. Liegt das geplante Tunnelbauwerk voll oder teilweise im Grundwasser und darf das Grundwasser nicht abgesenkt werden, so bieten sich für den Bauablauf verschiedene Möglichkeiten an (Bild 14-20 b):

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– Die Wände werden bis in eine wasserundurchlässige Schicht geführt und der so entstandene Trog ausgepumpt (2). – Während der Wandherstellung wird zwischen den Wandelementen unterhalb der späteren Tunnelsohle eine Injektionsdichtungssohle erstellt und das Wasser aus der Baugrube gepumpt (3). Die Erdauflast zwischen Dichtungssohle und Tunnelsohle muss hierbei den vollen Auftrieb aufnehmen können. – Die Grundwasserhaltung erfolgt unter dem Deckel mit Druckluft (4). Um die Luftverluste gering zu halten, sollten die Spundwandschlösser mit einer Vordichtung versehen sein, z. B. Schlossdichtung aus eingeklebten speziellen Kunststoffstreifen. Liegt der Grundwasserspiegel mindestens 2,50 m unterhalb des Deckels, kann der Bodenaushub auch nach Fertigstellung der Decke von Pontons aus unter Wasser erfolgen (5). Nach

14.3 Offene Bauweisen

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Erreichen der endgültigen Aushubsohle wird eine Unterwasserbetonsohle hergestellt, die die Baugrube nach unten abdichtet. Sie muss außerdem die Auftriebskräfte entweder über Eigengewicht aufnehmen oder über Reibung bzw. über besondere, an die Wände geschweißte Konsolen in die Wände einleiten. Anschließend wird die Baugrube ausgepumpt und normalerweise noch eine endgültige Sohle eingebaut.

14 Bild 14-20 Wand-Deckel-Bauweise. a) Bauzustände, b) Möglichkeiten der Wasserhaltung [22]

Wird die Tunneldecke erst zum Schluss hergestellt, können bis auf die Druckluft alle oben und in Bild 14-20 b angeführten Maßnahmen zur Wasserhaltung uneingeschränkt angewendet werden. Man spricht dann von einer Wand-Sohle-Bauweise.

886

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

a)

b)

c)

d)

Bild 14-21 Beispiele für Deckenauflager aus Betonholm mit Gleitschichtzwischenlage, Stahllager bzw. Schneidenlagerung. a) Deckenanschluss beim Rheinalleetunnel in Düsseldorf; 1968/69, b) Deckenanschluss beim Straßentunnel Mülheim/Ruhr; 1970/71, c) Deckenanschluss beim Straßentunnel Adenauerallee in Bonn 1964, d) Deckenanschluss beim Eisenbahntunnel „Roter Hahn“ in Lübeck: Schneidenlagerung auf Stahlspundbohlen; 1972/74 [22]

14

Die konstruktive Ausbildung des Auflagerpunktes für die Tunneldecke kann auf verschiedene Arten gelöst werden: a) Auf einem Stahlbetonholm, der auf die Spundwand aufbetoniert ist, lagert die Tunneldecke mit einer nutartigen Aussparung auf einer Gleitschicht (z. B. geklebte nackte Bitumenbahn mit Kupferriffelblech verstärkt). Vertikal- und Querkräfte aus der Decke werden über die Nut in den Betonholm und von dort in die Wand geleitet. Im Tunnelquerschnitt wirkt die Auflagerung als Gelenk, in Tunnellängsrichtung als verschiebliches Lager für eine weitgehend zwängungsfreie Auflagerung der Deckenabschnitte. Das flächenhafte Auflager dichtet über die Bitumengleitschicht die Fuge gegen Sickerwasser ausreichend ab (Bild 14-21 a + b).

14.3 Offene Bauweisen

887

b) Erforderliche Dehnungsfugen in den Holmen werden in einer nach außen weisenden Welle der Spundwand angeordnet. Die Welle wird z. B. mit Bitumen dick beschichtet, so dass die Fugenbewegungen durch elastisches Nachgeben der Spundwandwelle möglich sind. c) Zwischen Stahlbetonholm und -tunneldecke ist ein Stahllager angeordnet (Bild 14-21 c), das eine weitgehend zwängungsfreie Auflagerung der Deckenplatte ermöglicht. Es wird gegen eindringendes Wasser durch ein Fugenband geschützt. d) Ohne Zwischenkonstruktion werden die statischen und dynamischen Vertikal- und Horizontallasten aus der Tunneldecke mit der Schneidenlagerung direkt in die Stahlspundwände eingeleitet (Bild 14-21 d). Der sich hierbei im Stahlbetonkörper der Decke einstellende dreiachsige Spannungszustand wird aufgenommen: – in Längsrichtung durch die Ausnutzung der geometrischen Form der Stahlspundbohlen bei nur 15 cm Einbindetiefe der Spundbohlen in den Stahlbeton, – in Querrichtung durch eine schlangenförmig gebogene Spaltzugbewehrung dicht über der Spundbohlenschneide und durch Bügelbewehrung.

14

Bild 14-22 Beispiele für biegesteife Sohlenanschlüsse [22]

Für die Gestaltung der Tunnelsohle ist Folgendes zu beachten: 1. Eine Tunnelsohle aus Stahlbeton kann entfallen, wenn:

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

– der höchste Grundwasserspiegel (Bemessungswasserstand) bis maximal 30 cm unter OK Sohle ansteigt, – die Spundwände in eine wasserundurchlässige Schicht einbinden. In solchen Fällen genügt im Sohlenbereich der Einbau der normalen Straßendecke bzw. des Bahnunterbaus. Allerdings ist meist die Anordnung von Längsdrainagen unter der Fahrbahn zweckmäßig, um evtl. anfallendes Wasser kontrolliert ableiten zu können. 2. Kann das Grundwasser dagegen bis über die Ebene der Tunnelsohle ansteigen, so ist eine massive Sohlplatte aus Beton oder Stahlbeton einzubauen. Die Sohle erhält dann normalerweise eine wasserdruckhaltende Hautabdichtung. Der wasserdichte Anschluss der Abdichtung an die Spundwand erfolgt durch eine Los- und Festflanschkonstruktion. Die ausreichende Sicherheit der Tunnelsohle gegen Auftrieb ist nachzuweisen. Wenn dazu das Eigengewicht der Sohlplatte nicht ausreicht, ist ein starrer Anschluss an die Spundwand erforderlich, etwa gemäß Bild 14-22. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine Stahlbetonkonsole starr gegen die Spundwand zu betonieren, gegen die sich die Sohlplatte mit ihren Auftriebskräften über eine Gleitschicht (z. B. Kunststoff-Folie) abstützen kann, etwa gemäß Bild 14-23. Letzteres stellt eine zwängungsfreie Bewegung von Sohle und Spundwand sicher.

Bild 14-23 Sohlenanschluss beim Rheinalleetunnel in Düsseldorf; 1968/69 [22]

14.3.5 Deckelbauweise

14

Eine besondere Art der offenen Bauweise stellt die sogenannte Deckelbauweise dar. Bei ihr wird von der Geländeoberfläche her zunächst eine Schlitzwand, Bohrpfahlwand oder Spundwand eingebracht, die später entweder als bleibender Bestandteil des endgültigen Tunnelbauwerks herangezogen wird oder als temporäre Bauhilfsmaßnahme, d. h. als Baugrubenwand dient. Bei großen Haltestellenbauwerken können ergänzend auch stahlummantelte Bohrpfähle als Mittelstützen hergestellt werden. Typische Beispiele dieser Bauart sind aus den 1960er Jahren der Stachus und der Marienplatz im Zuge des U- und S-Bahnbaus in München. In einem zweiten Schritt wird dann der Boden ca. 1,5 bis 2,0 m tief ausgehoben und die Aushubsohle als Planum für die Stahlbetondecke genutzt, die auf den vorab gefertigten Wänden und Stützen auflagert. In den nachfolgenden Arbeitsschritten wird der Boden im Schutze des Deckels ausgehoben, bei mehrgeschossigen Bauwerken werden die Zwischendecken

14.3 Offene Bauweisen

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(bzw. Decken) und schließlich die Sohlplatte eingezogen. Je nach Tunnelbreite und Zwangspunkten aus benötigten Flächen zur Aufrechterhaltung des Verkehrs kann es erforderlich werden, den Deckel in zwei Teilen herzustellen, wobei der Verkehr verlegt werden muss (Bild 14-24). Der Vorteil der Deckelbauweise liegt vor allem darin, dass die Geländeoberfläche rasch wieder für den Verkehr oder eine Oberflächenbebauung zur Verfügung steht. Der Deckel ersetzt zudem die obere Steifenlage bzw. obere Ankerlage. Eine Schalung für das Erstellen der Deckelplatte ist nicht erforderlich. Insgesamt wird die Bauzeit zwischen 30 und 40 % verkürzt. So wird die Belästigung für Anwohner und Oberflächenverkehr erheblich reduziert.

Bild 14-24 Deckelbauweise-Bauablauf bei Herstellung in zwei Bauabschnitten [8]

Wenn das zu erstellende Bauwerk bis unter den Grundwasserspiegel reicht, müssen der Bodenaushub und die Bauteilerstellung im Schutze einer Grundwasserabsenkung oder einer Wasserhaltung durch Druckluft erfolgen. Wenn die vorab hergestellten Baugruben- oder Bauwerksumfassungswände ausreichend tief in wenig wasserdurchlässige Schichten einbinden und die Wände hinreichend wasserdicht ausgebildet sind, können die Folgearbeiten auch ohne besondere Hilfsmaßnahmen im Trocknen vorgenommen werden. In jüngerer Zeit wurde die Deckelbauweise z. B. in Düsseldorf beim Tunnel Rheinuferstraße, in Ingolstadt im Zuge der DB-Neubaustrecke Nürnberg-Ingolstadt, beim Bau des CityTunnels in Leipzig und bei der Nord-Süd Stadtbahn in Köln eingesetzt. Beim Rheinufertunnel in Düsseldorf besteht die Geologie aus drei sich überlagernden Bodenschichten [4]: – 3 bis 5 m Aufschüttung – Quartärschicht mit Kies und Sanden von ca. 15 m Mächtigkeit, in der die Grundwasserströmung vom Stadtgebiet zum Rhein verläuft – Unter dem Quartär verläuft die weitgehend wasserundurchlässige Tertiärschicht aus Feinsanden.

14

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Der ca. 1930 m lange Tunnel befindet sich am Ufer des Rheins und in der Grundwasserströmung vom Stadtgebiet zum Rhein. Dadurch mussten während der Bauzeit und auch im Endzustand besondere Umweltbestimmungen eingehalten werden. Unter anderem durfte die Grundwasserströmung möglichst nicht beeinträchtigt werden. Die Tunnelbaustelle lag in dichter Bebauung und in dichtem Straßenverkehr (Bild 14-25). Dadurch mussten umfangreiche Maßnahmen zur Verkehrsumlegung und zur Reduzierung des Lärms und anderer Beeinträchtigungen für die Anwohner getroffen werden.

Bild 14-25 Tunnel Rheinuferstraße in Düsseldorf [4]

14

Der Tunnel wurde in offener Bauweise hergestellt. Als Baugrubensicherung wurden in erster Linie Schlitzwände ausgeführt. Um die Grundwasserströmung nicht zu beeinträchtigen, wurden die Baugrubensicherungen nur in Ausnahmefällen in die nahezu wasserundurchlässige Tertiärschicht eingebunden. Gründungen von Gebäuden, die sich unmittelbar in der Nähe der Schlitzwände befinden, wurden durch Hochdruckinjektionen gegen Setzungen gesichert. Für die Herstellung des Tunnels kamen mehrere Bauweisen zum Einsatz: – Deckelbauweise, bei der die Tunneldecke als Baugrubenaussteifung herangezogen wurde (Bild 14-26). – In Baugruben mit Grundwasser wurde nach dem Bau der oberen Tunnelröhre die untere unter Drucklufteinsatz hergestellt.

14.3 Offene Bauweisen

891

Bild 14-26 Bodenaushub in Druckluft unter dem Deckel beim Tunnel Rheinuferstraße in Düsseldorf [4]

In Ingolstadt bestand die Aufgabe darin, den Audi-Tunnel, einen zweigleisigen Eisenbahntunnel, in einer Länge von knapp 1247 m Länge unter weitgehender Schonung von Grundwasser und Umwelt aufzufahren [4]. Hier herrschten schwierige geologische und hydrologische Verhältnisse mit gespanntem Grundwasser bis 2 m über Geländeoberfläche vor. Die Tunneltrasse führt durch unbebautes sowie durch bebautes Gelände nahe vorbei an verschiedenen Hallen und größeren Gebäuden. Der geologische Aufbau ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Schichtenfolge von quartären Kiesen, tertiären Feinsanden, Tonen und Schluffen sowie durch halbverfestigte tertiäre Tone. Abweichend vom Ausschreibungsentwurf, der eine offene Baugrube mit verankerter Sohlplatte vorsah, gelangte letztendlich eine Deckelbauweise unter Druckluft mit Schlitzwänden zur Anwendung. Um die Höhe des Luftdrucks zu reduzieren, wurde eine Kombination mit Teilabsenkung des Grundwasserstandes eingesetzt. Im Audi-Tunnel wurden im Schutz der Schlitzwände und des Stahlbetondeckels die endgültigen Wände und die Sohlplatte eingebracht, so dass sich dem Vortrieb direkt nachlaufend unter Druckluft eine vollständige Tunnelinnenschale ergab. So ließen sich die Druckluftverluste vermindern, eine frühzeitige vollständige Auftriebssicherheit erzielen und eine kürzere Bauzeit erreichen (Bild 14-27) Voraussetzung für die Reduzierung des Luftverbrauchs waren die Minimierung von Dehnfugen und die sorgfältige Ausführung von Arbeitsfugen. Außerdem wurden die Rahmenecken als eingespannte Ecken ausgeführt und statisch nicht als Gelenke ausgelegt (Bild 14-28).

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-27

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Querschnitt und Bauphasen beim Audi-Tunnel: Deckelbauweise unter Druckluft [42]

Bild 14-28 Rahmenecke Deckel/Schlitzwand – Innenwand beim Audi-Tunnel [42]

Im Verlauf des City-Tunnels in Leipzig wurden drei unterirdische Haltestellen in Deckelbauweise erstellt. Es handelt sich um die Stationen Bayerischer Bahnhof, Bahnhof WilhelmLeuschner-Platz und Leipzig Hauptbahnhof. Zwischen den 20 bis 26 m tiefen und 1,00 bis 1,50 m dicken, in den wasserundurchlässigen Muschelschluff eingreifenden Schlitzwänden sind im Schutz des Deckels die Innenwände sowie die Sohlplatte hergestellt worden. In gleicher Weise wird bei den Sonderbauwerken und den meisten der unterirdischen Haltestellen im Zuge der Nord-Süd Stadtbahn in Köln vorgegangen.

14.3 Offene Bauweisen

893

14.3.6 Rahmenvorschub Bei der Erstellung neuer Verkehrswege kommt es häufig vor, dass bestehende Verkehrswege gekreuzt und unterfahren werden müssen. Soll der laufende Verkehr dabei möglichst wenig beeinträchtigt werden, bietet sich ein Rahmenvorschub an. Das Prinzip gleicht jenem des Schildvortriebs mit natürlicher Stützung der Ortsbrust (vgl. Kapitel 14.4.6.). Eine Anwendung ist nur oberhalb des Grundwassers möglich. Das Durchpressen eines Bauwerks unterhalb eines in Betrieb befindlichen Verkehrswegs ist von vielen Faktoren wie z. B. den Baugrundverhältnissen, den bestehenden Bauwerken, der Geometrie des durchzupressenden Bauwerks und der Überdeckung abhängig. Die neu zu erstellende Unterführung kann sowohl ein komplettes Bauwerk als auch ein abschnittsweise hergestelltes Bauwerk sein. Neben der einfachen Rechteckform sind auch schiefe oder gekrümmte Grundrisse möglich. Die Vorschubachse kann ebenfalls gerade oder gekrümmt sein. Um das Vorpressen vor allem bei großen Bauwerken zu erleichtern bzw. die erforderliche Pressenleistung möglichst klein zu halten, werden teilweise vorab Gleitbahnen hergestellt. Das Verfahren wird oft für das Durchpressen unter Bahnstrecken eingesetzt. Die Arbeiten beginnen mit der Erstellung und dem Aushub einer Startbaugrube. In dieser wird das durchzupressende Bauwerk errichtet. In Verlängerung der Seitenwände wird das Rahmenbauwerk mit Schneiden versehen. Diese nehmen den seitlichen Erddruck auf, da während des Vorschubs das Erdreich zwischen den Schneiden abgebaut wird.

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Bild 14-29 Prinzip des Rahmenvorschubs in Schnitt und Grundriss [41]

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs wird durch ein Gleissicherungssystem, z. B. analog den Kleinhilfsbrücken der Deutschen Bahn, gewährleistet. Dazu werden in Sperrpausen Schwellenersatzträger (bzw. Vorschubträger) zwischen die vorhandenen Schwellen geschoben. Während des Vorschubs leiten die Vorschubträger die vertikalen Gleislasten in schwere Abfangeträger, die auf den Schneiden gelagert sind. Um in horizontaler Richtung quer zum Gleis keine schädlichen Verformungen zu produzieren, sind die Vorschubträger alle gekoppelt und durch Verbände ausgesteift. Zudem laufen sie auf Gleitnocken, die auf den Abfangeträgern und der Bauwerksdecke angeordnet sind. Der Vorschub erfolgt mittels hydraulischer Pressen. Diese benötigen vor allem bei weichen Baugrubenverbauten ein massives Widerlager, das die Pressenkräfte möglichst gleichmäßig in die Baugrubenwand einleitet. Ist der maximale Pressenhub erreicht, werden die Pressen eingefahren. Zur Überbrückung werden Futterstücke eingesetzt. Dieses Wechselspiel wiederholt sich unter ständiger vermessungstechnischer Überwachung, bis die Endlage erreicht ist. Dann werden die Schneiden abgebrochen (Bild 14-29). Für die Dimensionierung der Pressen sind die Reibungskräfte an der Bauwerkssohle, den Seitenwänden und den Schneiden maßgebend, wobei der Einfluss der Seitenwände und Schneiden mit zunehmender Bauwerksbreite abnimmt. Maßgebend für die Größe der Reibungskräfte sind neben dem anstehenden Boden auch die Rauigkeit von Sohle und Außenwänden und die Parallelität der Außenwände. Die Vortriebswiderstände an den Stirnflächen der Schneiden sind nach [41] von untergeordneter Bedeutung.

14.4

Geschlossene Bauweisen

14.4.1 Einführung Erfolgt die Herstellung des Tunnels bzw. eines Ausbruchquerschnitts unterirdisch, so spricht man von geschlossener Bauweise bzw. einem bergmännisch aufgefahrenen Tunnel. Die letztlich gewählte Bauweise, d. h. die Vortriebsart, die Ausbruchart und die Sicherungsmittel werden in Abhängigkeit des anstehenden Gebirges, der Querschnittsgröße, der Länge und des späteren Tunnelzwecks festgelegt.

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Gemäß den Prinzipien der Spritzbetonbauweise (SBW) trägt das den Tunnel umgebende Gebirge (Gebirgstragring) den Hauptteil der Lasten. Die Aktivierung des Gebirgstragrings, d. h. die Spannungsumlagerung auf diesen, erfolgt während des Hohlraumausbruchs durch die in Richtung des Hohlraums auftretenden Verformungen. Die Kunst des Tunnelbauers besteht darin, durch die richtige Wahl der Abschlagslänge, der Ausbruchart (Voll- oder Teilausbruch), der „Stärke“ der Sicherungsmittel (Typ, Dimension und Anzahl) sowie der Zeitspanne zwischen Ausbruch und Einbau der Sicherungen diese Verformungen so zu steuern, dass sie zwar einerseits für die gewünschte Spannungsumlagerung ausreichend groß sind, andererseits jedoch nicht so groß, dass es zu Entfestigung und Tragfähigkeitsverlust des Gebirges kommt. In wenig tragfähigem Gebirge kann einer Entfestigung durch einen möglichst schnellen Ringschluss (Sicherung mittels Spritzbeton oder Tübbingen über den vollen Umfang des Tunnelquerschnitts) entgegengewirkt werden. Der maschinelle Tunnelvortrieb begann in Deutschland 1907 in Hamburg mit einer Straßenverbindung unter der Elbe hindurch. Zwei parallele Röhren mit einem Schildaußendurchmesser von 5,92 m wurden damals aufgefahren und 1911 in Betrieb genommen. Dieser Tunnel ist speziell gekennzeichnet durch die Aufzüge für den Vertikaltransport von Fahrzeugen und

14.4 Geschlossene Bauweisen

895

Fußgängern. Gut 60 Jahre später zeichnete sich die Hangstrecke des neuen Elbtunnels im Zuge der Autobahn BAB 7 in Hamburg mit einem Schilddurchmesser von 11,08 m als herausragend gegenüber den bis dato aufgefahrenen Schildtunneln zumindest in Deutschland aus. Die drei parallel laufenden Röhren wurden im Dezember 1969 beginnend bis zum Juni 1973 erstellt [52]. Wiederum 30 Jahre später wurde in den Jahren 1999 bis 2001 schließlich die vierte Röhre Elbtunnel unmittelbar neben dem Absenktunnel aus den 1970er Jahren im Schildvortrieb aufgefahren mit einem Schildaußendurchmesser von 14,2 m. Inzwischen wurde in Holland der Groene-Hart-Tunnel mit knapp 14,90 m und in Madrid der Stadtautobahntunnel M30 mit ca. 15,20 m Schildaußendurchmesser errichtet. Selbst dieser letztgenannte gigantische Durchmesser mit einem Ausbruchquerschnitt von etwa 185 m2 dürfte als Rekordmarke bald der Geschichte angehören, da jüngste und besonders ehrgeizige Überlegungen bereits in Größen von 16 m bis 17 m Schildaußendurchmesser und sogar darüber hinaus vorstoßen. Die Ausbruchquerschnitte in standfestem Fels z. B. für Kraftwerkskavernen sind noch wesentlich größer als die zuvor erwähnten Ausbruchquerschnitte für Verkehrstunnel in Lockerböden oder nur zeitweise standfestem Felsgestein. Beispielsweise weist die Maschinenkaverne für das Pumpspeicher-Kraftwerk Goldisthal in Thüringen einen Ausbruchquerschnitt von etwa 1250 m2 auf bei 137 m Länge. Das Kraftwerk wurde in den Jahren 1998 bis 2003 errichtet. Noch größer sind die Querschnitte der Krafthauskavernen für das Kavernenkraftwerk Ertan am Yalong-Fluss in China mit 1650 m2 Querschnitt bei 280 m Länge sowie des Wasserkraftwerks Xiaolangdi am Gelben Fluss in China mit einem Querschnitt von 1560 m2 bei 250 m Länge [50]. Derart riesige Querschnitte lassen sich in der Regel nur bei Einsatz einer ausgefeilten Ankertechnik bei Wandhöhen von 50 bis 60 m realisieren.

14.4.2 Einfluss des Gebirges 14.4.2.1 Projektablauf im Tunnelbau Anhand der in der geologischen Vorerkundung angetroffenen Situation wird ein Baugrundmodell erstellt. Dieses beeinflusst in der Phase der Vorplanung entscheidend das oder die Bauverfahren sowie die Wahl der Sicherungsmittel und Auskleidungen. Die anschließend durchgeführten Berechnungen und Sicherheitsbetrachtungen führen ggf. zu dem Schluss, dass zusätzliche Erkundungsmaßnahmen erforderlich sind, was wiederum eine Überprüfung und Anpassung der Rechenkennwerte sowie des geologischen und hydrologischen Modells nach sich zieht. Die Bauausführung ist bei Tunnelbauwerken durch ein umfassendes Messprogramm zu begleiten. Die für die Ausführungsplanung getroffenen Annahmen und Modelle werden dabei fortlaufend mit den Messwerten verglichen, was eine Anpassung der Sicherungsmaßnahmen, des Bauablaufs oder auch des kompletten Bauverfahrens an die örtlichen Gegebenheiten erlaubt bzw. erforderlich macht. Diesen iterativen Prozess der steten Überprüfung und Anpassung der Modelle zeigt Bild 14-30.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

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Bild 14-30 Projektablauf im Tunnelbau mit fortlaufender Anpassung der Modelle [17]

14.4 Geschlossene Bauweisen

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14.4.2.2 Geologische Vorerkundung und Beurteilung des Gebirges Der Tunnelbau wird generell von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die in den verschiedenen Regionen und von Land zu Land stark variieren. Von daher verstehen sich die in bestimmten Gebieten überwiegend anzutreffenden unterschiedlichen und doch typischen Tunnelbautechnologien. Als wichtigste Aspekte sind in diesem Zusammenhang zu nennen: – – – –

Baugrundverhältnisse Topografie gesellschaftspolitische Verhältnisse und generelle Wirtschaftsstruktur.

Zunächst ist festzustellen, dass die Baugrundverhältnisse in Deutschland stark variieren. Gerade beim oberflächennahen innerstädtischen Tunnelbau, d. h. beim Bau von Ver- und Entsorgungsleitungen, städtischen Straßentunneln sowie U-, Stadt- und S-Bahntunneln muss man von sehr unterschiedlichen Untergrundverhältnissen ausgehen. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies [23]. Der jeweils anzutreffende Boden oder Fels unterhalb der Auffüllungen ist stark vereinfacht beschrieben (Tabelle 14.5). Tabelle 14.5 Oberflächennahe, tunnelbaurelevante Geologie in Deutschland Stadt

Geologie

Berlin

Sande, organische Schichten, Geschiebelehm, Geschiebemergel in Verbindung mit hohem Grundwasserstand

Düsseldorf

Feinsande und Kiessande mit hohem Grundwasserstand

Hamburg

wassergesättigte Sande und Kiese, Geschiebemergel mit eingeschlossenen Findlingen und tertiäre Tone in Verbindung mit hohem Grundwasserstand

Hannover

Sande und Kiessande mit Einschlüssen von Schluff- und Tonlagen

Köln

wassergesättigte kiesige Sande mit Steineinschlüssen bei hohem Grundwasserstand

München

sandig-tonige Schichten mit verschiedenen Grundwasserhorizonten, überlagert von Mergel und Kiesen

Nürnberg

Sand und Sandsteine

Ruhrgebiet

Tonschiefer und Sandstein in einer Tiefe von mehr als 8 m, überlagert mit Sanden, Schluffen, Tonen und Kiesen

Stuttgart

Talablagerungen, Neckarkiese, Gesteine des Muschelkalks, Keuper und Schwarzjura

In den Lockergesteinen kommen die hierfür typischen Bauverfahren in Betracht. Dazu zählen die verschiedensten Varianten der offenen Bauweisen, die Spritzbetonbauweise in Verbindung mit ergänzenden Stützmaßnahmen zur Verbesserung der Trageigenschaften im umgebenden Gebirge sowie der maschinelle schildgestützte Vortrieb. Das Lösen des Gebirges erfolgt dabei mit Baggern, in Sonderfällen auch mit Teilschnittmaschinen, beim schildgestützten Vortrieb in der Regel mit Vollschnittmaschinen. In Stadtbereichen mit Felsuntergrund gelangen auch Bohr- und Sprengvortriebe und zuweilen auch Hartgesteinsvortriebsmaschinen zur Anwendung. Eine noch größere Bandbreite weisen die Gebirgsverhältnisse bei den Fernstraßen und Eisenbahnstrecken für überregionale Verkehrsverbindungen auf. Hier steht in den Mittelgebirgs-

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

lagen von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen die ganze Palette der Sediment- und Tiefengesteine sowie der metamorphen Gesteine und der Vulkanite an. In einigen Fällen ist der Fels stark geklüftet oder auch stark verkarstet, gestört, quellfähig oder tiefgründig verwittert. Insgesamt lässt sich aus den vorangehenden Erläuterungen erkennen, dass der Tunnelbau in Deutschland vor allem zwei Kategorien zuzuordnen ist: – Der innerstädtische Tunnelbau erfolgt überwiegend in Lockergesteinen bei einer Tiefenlage bis zu 20 m, in Ausnahmefällen auch bis zu 25, 30 oder sogar 40 m unter der Geländeoberfläche. Hiervon weichen lediglich einige Bereiche im Ruhrgebiet sowie in Nürnberg und Stuttgart ab, wo der Fels nahezu bis zur Geländeoberfläche ansteht. – Die Tunnel im Zuge der Fernverbindungen (Straße sowie Schiene) durchörtern in den Mittelgebirgslandschaften in erster Linie Sedimentgesteine, aber auch Tiefengesteine, wie beispielsweise in Sachsen und Thüringen, die zum Teil tiefgründig verwittert sind. Stark verkarstetes Gebirge wurde vor allem an der ICE-Strecke Nürnberg–Ingolstadt im Bereich des Irlahülltunnels angetroffen und ist entlang der geplanten Strecke Stuttgart-Ulm zu erwarten. Von entscheidender Bedeutung für die Wahl der geeigneten Gerätetechnik beim Bodenaushub bzw. beim mechanisierten Vortrieb ist die geotechnische Vorerkundung längs der geplanten Tunneltrasse. Zu diesem Zweck werden beim innerstädtischen Tunnelbau in der Regel im Abstand von ca. 25 bis 50 m in Tunnelachse Erkundungsbohrungen vorgenommen. Es handelt sich hierbei um Kernbohrungen mit in der Regel 100 mm Durchmesser, die normalerweise bis etwa 5 m unterhalb Tunnelprofil geführt werden. Die gewonnenen Kerne werden durch einschlägig erfahrene Baugrundexperten in tunnelbautechnischer Hinsicht beurteilt und labortechnisch analysiert. Bei der Durchörterung von Gebirgszügen oder der Unterfahrung größerer offener Gewässer für Tunnel im Rahmen von Fernverbindungen wird je nach Überdeckungshöhe und der topografischen Situation der Abstand zwischen den Erkundungsbohrungen zum Teil erheblich vergrößert. Er beläuft sich dann auf 50 bis 100 m und auch darüber. Anhand der Gesteinsproben erfolgen: – die Einteilung in Locker- oder Felsgestein – die Gesteinsbeschreibung – die Bestimmung der rechnerischen Kenngrößen.

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Des Weiteren wird die hydrologische Situation erkundet, d. h. es wird der Wasserandrang sowie die Wasserdurchlässigkeit des Gesteins bestimmt und eine Analyse hinsichtlich Wasseraggressivität durchgeführt. Letzteres ist für die Wahl der geeigneten Baustoffe und Abdichtungssysteme von entscheidender Bedeutung. Da Bohrungen und Rammsondierungen jedoch nur punktuelle Aufschlüsse liefern, wird in stark mit Trennflächen durchzogenem Gebirge teilweise auch ein Erkundungsstollen hergestellt. Dieser liegt in der Regel innerhalb des späteren Tunnelquerschnitts. Neben dem Test und dem Vergleich der in Frage kommenden Bauverfahren sowie einer möglichen Probenentnahme über die gesamte Tunnellänge können die Trennflächen exakt aufgenommen werden. Die Gebirgseigenschaften werden neben den Gesteinseigenschaften maßgeblich von der Lage und Orientierung der Trennflächen sowie dem Durchtrennungsgrad bestimmt (Bild 14-31), weshalb stets nur eine Bandbreite an Rechenkennwerten angegeben werden kann.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Bild 14-31 Orientierung der Trennflächen und Durchtrennungsgrad [8]

Gemäß [20] werden im Tunnelbau drei Klassifizierungssysteme angewendet: – Einteilung in Gefährdungsbilder bzw. nach dem Gebirgsverhalten (wie reagiert das Gebirge auf den Ausbruch?) – Klassifizierung nach der Stehzeit (wann muss die Sicherung installiert sein, um einen Nachbruch zu vermeiden?) – Klassifizierung nach den zur Stabilisierung des Hohlraums erforderlichen Sicherungsmaßnahmen (was ist an Sicherungsmitteln und Ausbau erforderlich?) Ziele der Klassifizierung sind nach [17]: – Vor der Ausführung: Ermöglichung einer leistungsgerechten Preisbildung – Während der Ausführung: Anpassung der Ausbruch- und Sicherungsmaßnahmen an den Baugrund – Nach der Ausführung: Abrechnungsgrundlage und Vergleichbarkeit mit anderen Projekten 14.4.2.3 Klassifizierung nach Gefährdungsbildern Die Klassifizierung nach Gefährdungsbildern ist zur Beschreibung der Phänomene und zur Ableitung der erforderlichen Gegenmaßnahmen am besten geeignet. Dabei muss zwischen Lockergestein und Felsgestein unterschieden werden.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Gefährdungsbilder in Lockergestein [20] Folgende Gefährdungsbilder müssen in Lockergestein beachtet werden:

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– Lockermaterialeinbruch: Teile der Firste lösen sich und brechen in den Tunnel, was die Gefahr des Verschüttens von Menschen und Maschinen bedeutet. Um diesem Gefährdungsbild vorzubeugen, müssen vorauseilende Sicherungsmittel vorgesehen werden bzw. Sicherungen mit Spritzbeton, Ausbaubögen und Netzen unmittelbar dem Ausbruch folgen. – Ortsbrustinstabilität: In einem trichterförmigen Bereich vor der Ortsbrust geht die Standsicherheit des Gebirges verloren und das Lockergestein fließt in den Tunnel. Wasserzufluss zur Ortsbrust erhöht auf Grund der Strömungskräfte die Gefahr einer Ortsbrustinstabilität. Durch entsprechend kleine Ausbruchquerschnitte (Ausbildung eines Gewölbes vor der Ortsbrust), vorauseilende Sicherungen sowie Aufbringung eines Stützdrucks können Ortsbrustinstabilitäten vermieden werden. – Tagbruch: Bei geringer Überdeckung kann sich die entfestigte Zone einer Ortsbrustinstabilität bis zur Geländeoberfläche ausbreiten. Man spricht dann vom Tagbruch. Die möglichen Gegenmaßnahmen sind die gleichen wie bei der Ortsbrustinstabilität. – Setzungen: Zur Aktivierung des Gebirgstragrings müssen gewisse Verformungen zugelassen werden. Diese führen in Abhängigkeit der Tiefenlage, des Ausbruchquerschnitts und der Zeit zwischen Ausbruch und Einbau der Sicherungsmittel zu mehr oder weniger großen Setzungen der Geländeoberfläche und anstehender Bebauung. Schäden an Bestandsgebäuden können durch vorauseilende Sicherungsmittel, kurze Abschlagslängen und einen schnellen Ringschluss vermieden werden. Gegebenenfalls sind unter den Fundamenten der Bestandsgebäude Kompensationsinjektionen vorzusehen. – Sandlinsen: Mit Wasser gesättigte Sandlinsen neigen beim Anschnitt zum Ausfließen, was eine Ortsbrustinstabilität nach sich ziehen kann. Sandlinsen mit gespanntem Wasser sind besonders kritisch. Entspannungsbohrungen zur Entwässerung schaffen hier Abhilfe, ggf. in Kombination mit vorauseilenden Sicherungsmaßnahmen. – Grundbruch am Kalottenfuß: Bei einem Kalottenvortrieb kann es passieren, dass die vertikalen Lasten am Kalottenfuß aus vorauseilender Sicherung oder Tunnelschale die Grundbruchlast überschreiten. Die Folgen reichen von Setzungen der bereits hergestellten Tunnelschale, d. h. einer Einschnürung des Lichtraumprofils, bis zum Versagen der gesamten Konstruktion. Vermieden wird dies durch eine ausreichend breite Ausbildung der Kalottenfüße, ggf. gepaart mit zusätzlichen Ankern. Wenn dies nicht ausreicht, muss eine Unterfangung der Kalottenfüße durch HDI-Säulen oder Mikropfähle hergestellt werden. – Strossenabbau: Beim Strossenabbau, d. h. in der zweiten Phase des Kalottenvortriebs, entsteht ein ungesicherter Teilbereich der Tunnelleibung. Durch vorauseilende Sicherungsmaßnahmen wie z. B. HDI-Schirme kann das Gebirge stabilisiert und ein Ausfließen verhindert werden. Gefährdungsbilder in Felsgestein [20] Die nachfolgend aufgeführten Gefährdungsbilder sind für Felsgestein charakteristisch: – Niederbrechen von Steinen: Analog zum Lockermaterialeinbruch ist die Ursache beim Niederbrechen eine Entfestigung des Gebirges im Firstbereich. Durch kurze Abschlagslängen, kleine Ausbruchquerschnitte und einen schnellen Einbau der Sicherungsmittel im Firstbereich (Netze, Spritzbeton) kann ein Niederbrechen vermieden werden.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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– Niederbrechen ganzer Kluftkörper: Reicht die Entfestigungszone im Firstbereich bis zu einer Kluft, können ganze Kluftkörper niederbrechen. Besonders kritisch sind hier horizontal verlaufende Klüfte. Neben den o. g. Gegenmaßnahmen beim Niederbrechen von Steinen müssen zusätzliche Anker eingebracht werden. Diese müssen eine ausreichende Länge aufweisen, damit die Verankerungszone hinter der Kluft liegt. – Bergschlag: Durch den Ausbruch wird dem Gebirge im Bereich des Tunnels teilweise die Stützung entzogen. Vor allem bei Tunneln mit hoher Überdeckung und in spröden Gesteinsarten kann ein explosionsartiges Ablösen von Gesteinsschalen (in allen Bereichen des Tunnelumfangs) auftreten. Durch Anwendung der gleichen Sicherungsmaßnahmen wie beim Niederbrechen von Steinen können Bergschläge weitgehend verhindert werden. – Quelldrücke: Unter Wasserzutritt kommt es in quellfähigem Gebirge (ton- und anhydrithaltiges Gestein) zu einer Volumenvergrößerung. Diese kann durch Wasseraufnahme oder chemische Veränderung hervorgerufen werden. Da Quelldrücke nur schwer vorhersagbar bzw. berechenbar sind und im Falle eines Auftretens auch nur schwer in den Griff zu kriegen sind, müssen Wasserzutritte bei quellfähigem Gebirge unbedingt vermieden werden. Quelldrücke klingen zwar mit der Zeit ab, sofern ein weiterer Wasserzufluss unterbunden wird. Bis zum Erreichen des maximalen Quelldrucks können jedoch Wochen und Monate vergehen. – Wassereinbruch: Neben baubetrieblichen Auswirkungen wie Verschlammung oder dem nahegelegenen Gefährdungsbild der Tunnelflutung, können Wassereinbrüche bei manchen Gesteinsarten zu einem Verlust der Tragfähigkeit führen. – Gasaustritt: Im Falle eines Gasaustritts reichen die Szenarien von Erstickung bis zu Explosionsgefahr. Das mögliche Auftreten gasführender Klüfte muss deshalb unbedingt im Zuge der geotechnischen Erkundung geklärt werden. Während des Vortriebs müssen gasdetektierende Geräte eingesetzt werden und eine ausreichend bemessene Lüftung erfolgen, um die Konzentration schädlicher Gase möglichst gering zu halten. 14.4.2.4 Klassifizierung des Gebirges nach der Stehzeit Die Stehzeit ist keine reale Kenngröße, sondern hängt neben den Gebirgseigenschaften und der hydrologischen Situation von vielen Faktoren wie z. B. der Größe des Ausbruchquerschnitts ab. Maßgeblich wird die Stehzeit jedoch von der Abschlagslänge beeinflusst. Die genaue Angabe der Stehzeit ist praktisch nicht möglich. Diese Klassifizierung bezieht sich lediglich auf den Verlust der Standsicherheit als letztliche Auswirkung, geht jedoch nicht auf die Ursachen ein. Den Zusammenhang zwischen Stehzeit und Abschlagslänge bzw. „freier Stützweite“ hat LAUFFER in einem Diagramm dargestellt. Das Gebirge hat er dazu in sieben Klassen eingeteilt. Die Sicherungsmaßnahmen in Abhängigkeit der Gebirgsklassen sind in Tabelle 14.6 dargestellt.

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902

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Tabelle 14.6 Mögliche Sicherungsverfahren in Abhängigkeit der Gebirgsklasse nach Lauffer [20] Gebirgsklassen und übliche Einbauten

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Standzeit für ungesicherte Spannweite

Spritzbeton

Ankerausbau

In der Auskleidung verbleibender Stahleinbau

A

Standfest

20 a 4m

Nicht erforderlich

Nicht erforderlich

Nicht erforderlich

B

Nachbrüchig Kopfschutz

0,5 a 4m

2–3 cm Nur Kalotte

1,5–2 m Ankerabstand Kalotte mit Drahtnetz

Unwirtschaftlich

C

Leicht gebräch Firstsicherung

7d 3m

3–5 cm Nur Kalotte

1,0–1,5 m Ankerabstand Unwirtschaftlich Kalotte mit Drahtnetz oder nachträglichem Spritzbetonauftrag

D

Gebräch Leichte Sicherung

5h 1,5 m

5–7 cm Hauptsächlich Kalotte, mit Baustahlgewebe

0,7–1,0 m Ankerabstand Hauptsächlich Kalotte mit Drahtnetz oder nachträglichem Spritzbetonauftrag

E

Sehr gebräch Mittelschwere Sicherung

20 min 0,8 m

7–15 cm mit Baustahlgewebe

Nur wenn die Ankerköpfe Stahlpfähle oder halten und nach provisori- Stahlbögen scher Abstützung der Kalotte! 0,5–1,2 m Ankerabstand mit sofortigem Spritzbetonauftrag

F

Druckhaft Schwere Sicherung ohne Brustverzug

2 min 0,4 m

15–20 cm mit Dilatationsschlitzen, Baustahlgewebe und Stahlbögen. Fallweise Brustsicherung mit Spritzbeton

Systemanker (prüfen!) in den Spritzbetonschalen zwischen den Dilatationsschlitzen

Ausgesteifte Stahlbögen mit nachträglichem Spritzbetonauftrag

G

Sehr druckhaft Schwere Sicherung mit Brustverzug

10 s 0,15 m

Nicht ausführbar

Nicht ausführbar

Vorauseilende Sicherung, ausgesteifte Stahlbögen und nachträglicher Spritzbetonauftrag

Teilweise analog E

14.4.2.5 Klassifizierung nach Ausbruch- bzw. Vortriebsklassen Bei den Vortriebsklassen wird nach [17] zwischen jenen für universellen Vortrieb, für Tunnelbohrmaschinen und für Schildmaschinen unterschieden. Der Begriff Ausbruchklasse bzw. Vortriebsklasse umfasst die Ausbruchart, d. h. die Querschnittsform und die Ausbruchreihenfolge des Querschnitts, sowie die Ausbruchsicherungsklasse. Letzteres legt den Umfang und den Einbauort der Sicherungsmittel fest. Welche Sicherungsmittel zum Einsatz kommen, wird durch die Ausbruchmethode bestimmt (vgl. hierzu auch Bild 14-32).

14.4 Geschlossene Bauweisen

903

Die Empfehlungen des Arbeitskreises „Tunnelbau“ [17] unterscheiden beim universellen Vortrieb 11 Vortriebsklassen von 1 bis 7A in Abhängigkeit des Baugrunds, der Form und Größe des Hohlraums, der Vortriebsart sowie des Klassifizierungsschemas nach DIN 18312. Girmscheid gibt in [20] unter Berufung auf SIA 198, Ausgabe 1993 fünf Ausbruchklassen an, denen Richtwerte der Abschlagslängen zugeordnet werden können (Tabelle 14.7). Tabelle 14.7 Ausbruchklassen nach SIA 198, Ausgabe 1993 für universellen Vortrieb [20] Ausbruchklasse

Beschreibung

Zugeordnete Abschlagslänge

AK I

Die Ausbruchsicherung verursacht eine unbedeuten- keine Beschränkung de Behinderung des Vortriebszyklus bzw. der Vortriebsleistung.

AK II

Die Ausbruchsicherung verursacht eine leichte Behinderung der Vortriebsleistung.

keine Beschränkung

AK III

Die Ausbruchsicherung verursacht eine erhebliche Behinderung der Vortriebsleistung.

max. 3–4 m

AK IV

Die Ausbruchsicherung verursacht eine erhebliche Verlängerung des Vortriebszyklus (sofortige Sicherung nach jeder Ausbruchetappe).

max. 2–3 m

AK V

Die Ausbruchsicherung erfolgt laufend mit dem Ausbruch und bedingt eine sofortige Stützung der Brust oder eine Voraussicherung.

Durch die Sicherung während des Vortriebs bestimmt (ca. 1 m).

Bei Vortrieben mittels Tunnelbohrmaschinen (TBM) werden in [17] die Klassen TBM 1 bis TBM 5 unterschieden. In Tabelle 14.8 sind die Bohrklassen nach [20] dargestellt. Für eine gesonderte Vergütung der Werkzeugkosten empfiehlt Girmscheid je nach Festigkeit, Zähigkeit und Abrasivität eine zusätzliche Einteilung des Felsgesteins in Verschleißklassen. Tabelle 14.8 Bohrklassen für TBM-Vortrieb [20] Bohrklasse

Penetration [mm/TBM-Umdrehung]

A

>8

B

5–8

C

3–5

D

2–3

E

1–2

Bei Schildmaschinenvortrieben werden nach [17] fünf Vortriebsklassen bei Vollschnittabbau (SM-V1 bis SM-V5) und vier Vortriebsklassen bei Teilflächenabbau unterschieden. Maßgebend für die entsprechende Zuordnung der Vortriebsklasse sind die Art der Ortsbruststützung, das nicht behinderte Lösen des Gebirges sowie das Einbringen eines geschlossenen Rings (endgültiger oder vorläufiger Ausbau).

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

14.4.3 Vortrieb 14.4.3.1 Übersicht Unter Vortrieb wird die Gesamtheit der Baumaßnahmen für ein profilgerechtes Lösen bzw. Ausbrechen und Sichern des Gebirges, die Stützmaßnahmen an der Ortsbrust und der Ausbau des Tunnels verstanden.

Bild 14-32 Vortrieb – Ausbrucharten, -methoden und Sicherung [8]

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14.4.3.2 Ausbrucharten Die Ausbruchart legt fest, ob ein Tunnelquerschnitt in einem Stück ausgebrochen wird (Vollausbruch), oder ob der Tunnelquerschnitt in mehrere Ausbruchquerschnitte unterteilt wird (Teilausbruch). Welche Ausbruchart ausführbar ist, wird durch folgende Faktoren bestimmt: – – – –

Gebirgsverhalten (standfest, nachbrüchig etc.) Hohlraumgröße und Hohlraumform Ausbruchmethode und Zeiterfordernis vom Ausbruch bis zum Einbau der Sicherung Sicherungsmaßnahmen.

14.4 Geschlossene Bauweisen

905

Auch wenn beim Vollausbruch eine Anpassung an unerwartet schlechte Gebirgsverhältnisse kaum möglich ist, sollte diese Ausbruchart doch immer das Ziel sein. Da nur einmal Spannungsumlagerungen im Gebirge erfolgen, sind die Auflockerungen beim Vollausbruch geringer als beim Teilausbruch. Dies gilt jedoch nur für die richtige Anwendung des Vollausbruchs, d. h. unter folgenden Voraussetzungen: – kurze Abschlagslängen – schneller Einbau der Sicherungen – schneller Ringschluss. Ein Teilausbruch wird dann erforderlich, wenn die Stehzeit des Gebirges geringer ist, als die benötigte Zeit für den Ausbruch und den Einbau der Sicherungsmittel. Bild 14-33 zeigt beispielhaft einige Ausbrucharten.

Bild 14-33 Ausbrucharten – Voll- und Teilausbruch [8]

14.4.4 Konventionelle Vortriebsmethoden Die konventionellen Vortriebsmethoden umfassen das Sprengen und den Vortrieb mittels, Baggern, Rippern oder Teilschnittmaschinen. Mit konventionellen Methoden können beliebige Querschnittsformen und Querschnittsgrößen aufgefahren werden. In Kombination mit Spritzbeton, Ankern und Ausbaubögen sind Querschnittswechsel entlang der Tunnelachse, z. B. eine Aufweitung im Einfahrbereich in eine U-Bahnstation, oder Anpassungen der Ausbruchart auf Grund unerwartet schlechter Baugrundverhältnisse beim konventionellen Vortrieb bedeutend besser ausführbar als mit Tunnelvortriebsmaschinen. Dem Nachteil einer hohen Staubentwicklung an der Ortsbrust muss durch Bedüsung mit Wasser oder Staubabsaugung begegnet werden. 14.4.4.1 Sprengvortrieb Die Methode des Sprengvortriebs wird in Felsgestein von mittlerer bis hoher Festigkeit angewendet. Es handelt sich um ein diskontinuierliches Verfahren, bestehend aus folgenden Arbeitszyklen:

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

– Bohren, einschließlich Freiblasen und Prüfen der Bohrlöcher – Laden der Bohrlöcher einschließlich Zündsystem – Verdämmen der Bohrlöcher (Überdecken der Zündladung für eine Erhöhung des Gasdrucks und eine Verminderung des Sprengstoffverbrauchs) – Sprengen und anschließendes Lüften (Ableiten der giftigen Explosionsgase und des Sprengstaubs) – Sichern – Schuttern des Ausbruchmaterials. Vor allem bei hohen Anteilen abrasiver Mineralien kann diese Methode wirtschaftlicher sein als der Einsatz von Tunnelvortriebsmaschinen. Folgende Punkte sind Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches und wirtschaftliches Sprengen: – Einsatz leistungsfähiger Bohrgeräte mit Ladekorb – hohe Bohrgenauigkeit, vor allem im Bereich der Kranzlöcher – Anpassung der Abschlagslänge, Bohrlochanzahl und Ladungsmenge auf die Querschnittsgröße und die Gebirgsbeschaffenheit – Optimierung des Bohr-, Spreng- und Zündschemas in Versuchssprengungen – Abstimmung zwischen Sprengzyklus und Querschnitt, Konstruktionsaufbau sowie Sicherungskonzept.

Ortsbrust

Bild 14-34 zeigt die Sprengwirkung in einem homogenen, isotropen Material und die Einteilung in vier Wirkungszonen. Damit ein Schuss wirksam wird (komplett abgetrennte Wurfzone), müssen sich die einzelnen Ladungen gegenseitig freie Flächen schaffen [36].

B

I II III IV

I II

Wirkungszonen Zermalmungszone Wurfzone Zerreissungszone Erschütterungszone

Das Gestein wird zermalmt zerbrochen & geschleudert zerbrochen, aber nicht bewegt lediglich erschüttert

W Vorgabe B Trichterdurchmesser

III IV

W

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Bild 14-34 Sprengwirkung in homogenem, isotropem Material [36]

Für eine optimale Nutzung des Sprengmittels bei gleichzeitig hohem Abschlagswirkungsgrad, guter Zerkleinerung, hoher Profilgenauigkeit und hoher Vortriebsgeschwindigkeit, muss das Sprengbild optimiert werden. Dies wird erreicht durch eine Aufteilung des Sprengbilds in Einbruchschüsse, Helferschüsse und Kranzschüsse (Bild 14-35) sowie eine darauf hinsichtlich Abstand, Richtung und Tiefe abgestimmte Anordnung der Bohrlöcher. Die Zündung muss stets zeitlich versetzt von innen nach außen erfolgen, damit für die nachfolgenden Ladungen genügend freie Oberfläche zur Verfügung steht. Die Verzögerung muss ausreichend groß sein, damit sich genügend Risse ausbilden können.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Bild 14-35 Sprengbild [20]

Neben den unvermeidbaren Erschütterungen zählen Entfestigungen außerhalb der Ausbruchkontur, herstellungsbedingte Ungenauigkeiten und Mehrausbruch (Sägezahnprofil, da die Kranzlöcher auf Grund der Ansatzbreite des Bohrgeräts nach außen gebohrt werden müssen) sowie ein dadurch bedingter Mehrverbrauch an Beton und Spritzbeton zu den Nachteilen des Sprengvortriebs. Durch Linien-Bohrungen, schonendes Sprengen und Pre-Splitting können oben genannte Nachteile teilweise ausgeschaltet werden. Bei der Linien-Bohrung werden entlang der Querschnittskontur zusätzliche, ungeladene Kranzlöcher gebohrt, die als Sollbruchstelle wirken. Pre-Splitting bedeutet, dass vor dem eigentlichen Abtrag eine Zertrümmerung des Gesteins erfolgt, indem diese nicht-werfenden Schüsse zeitgleich abgefeuert werden. Ein unangenehmer Nebeneffekt sind dabei jedoch sehr große Erschütterungen. Ziel des schonenden Sprengens (smooth blasting) ist es, eine möglichst glatte, profilgetreue Tunnelwand herzustellen. Die äußeren Kranzlöcher werden mit geringeren Ladungen versehen als die inneren Kranzlöcher, so dass die Reichweiten ungefähr gleich sind. Durch das gleichzeitige Zünden aller Kranzlöcher wird der Fels nicht zertrümmert, sondern gespalten. Für eine erfolgreiche Anwendung des smooth blasting müssen die äußeren Helferreihen ladungsmäßig auf die Kranzlöcher abgestimmt sein, damit die Auflockerungszone aus den Helferreihen die Ausbruchkontur der Kranzlöcher nicht überragt. Zudem ist auf einen möglichst parallelen Verlauf der Bohrlöcher und genaues Bohren zu achten. 14.4.4.2 Teilschnittmaschinen Teilschnittmaschinen (TSM) kommen bei mittleren Gesteinsfestigkeiten zum Einsatz. Ein hoher Durchtrennungsgrad wirkt sich günstig aus. Mit steigender Gebirgsfestigkeit müssen größere Antriebsleistungen zur Verfügung stehen. Bei kleinen Ausbruchquerschnitten ist dies der begrenzende Faktor, da die großen Maschinen nicht in das auszubrechende Lichtraumprofil passen. Folgende Arbeitsgänge werden mit TSM in einem kontinuierlichen Prozess gleichzeitig erledigt: – Lösen des Materials mittels Schrämkopf – Aufnehmen des gelösten Materials – Fördern mittels Stetigförderer und Beladen der Transportfahrzeuge bzw. Förderanlagen

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Je nach Anordnung und Rotationsachse des Schrämkopfs werden TSM mit Längsschneidkopf (Rotation um die Auslegerachse, Bild 14-36) und Querschneidkopf (Rotation quer zur Auslegerachse, Bild 14-37) unterschieden. Da beim Längsschneidkopf die Schnitt- und Rotationsrichtung meist zusammenfallen, kann eine einfachere Meißelanordnung als beim Querschneidkopf gewählt werden. Zudem kann der Längsschneidkopf genauer geführt werden, was zu kleinerem Überschnitt führt. Der Vorteil des Querschneidkopfs ist eine höhere Stabilität der Maschine, weshalb sie bei wechselnden Gesteinsfestigkeiten effizienter arbeitet als eine TSM mit Längsschneidkopf. Die Vor- und Nachteile von TSM im Allgemeinen sind in Tabelle 14.9 zusammengefasst.

Bild 14-36 Teilschnittmaschine mit Längsschneidkopf (mit freundlicher Genehmigung der Eickhoff Bergbautechnik GmbH [33])

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Bild 14-37 Teilschnittmaschine mit Querschneidkopf (mit freundlicher Genehmigung der Eickhoff Bergbautechnik GmbH [33])

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Tabelle 14.9: Vor- und Nachteile von TSM [20] Vorteile

Nachteile

erschütterungsarm, gebirgsschonend

nur bei geringen bis mittleren Gesteinsfestigkeiten anwendbar

anpassungsfähig hinsichtlich Querschnitt und Gebirgsverhältnissen

in kohäsiven Böden (Schluffe, Tone) überhaupt nicht anwendbar (Verkleben des Fräskopfes)

profilgenauer Ausbruch

aufwändige Entstaubungsmaßnahmen zum Schutz der Arbeiter erforderlich

kontinuierlicher Arbeitszyklus (Lösen, Schuttern, Sichern, Fördern)

oft langsamer als Sprengvortrieb

14.4.4.3 Bagger Bagger eignen sich für den Einsatz in Felsgestein von geringer Festigkeit und in Lockergestein. In der Regel werden die Bagger mit Tieflöffeln oder schmalen Reißzähnen ausgerüstet. Schnelle Werkzeugwechsel auf Hydraulikmeißel und Fräsaufsätze (ähnlich den Schrämköpfen von Teilschnittmaschinen, jedoch nicht mit deren Vortriebsleistung vergleichbar) beim Antreffen von eingelagerten Felsbänken und -bändern sind ein wesentlicher Vorteil der Bagger. Hinzu kommen eine hohe Vortriebsleistung (geeigneter Baugrund vorausgesetzt) und eine hohe Profilgenauigkeit (hierfür sollte das Werkzeug um die Längsachse des Auslegers drehbar sein). 14.4.4.4 Ripper Ripper sind Raupen mit angebauter Rippereinrichtung. Diese besteht aus einem bis drei schweren Reißzähnen, die mittels Hydraulikzylindern in den Fels gedrückt werden und beim Vorwärtsfahren der Raupe die Sohle aufreißen. Durch zusätzliche Vibrationseinrichtungen soll der Bruchvorgang im Fels unterstützt werden (Mikrorisse). Ripper kommen vor allem im Kavernenbau und bei Tunneln mit großen Querschnitten zum Einsatz. Da jedoch nicht bis zur Tunnelleibung aufgerissen werden kann, müssen für den Ausbruch der Randstreifen stets zusätzliche Ausbruchwerkzeuge, z. B. Bagger mit Hydraulikmeißeln, vorhanden sein. Von Seiten des Baugrunds sind geringe bis mittlere Felsfestigkeiten und ein schichtweiser Aufbau Voraussetzung, damit ein Herauslösen von Platten bzw. ein Bruch möglich ist. Geeignete Gesteine sind z. B. bankige Kalke mit 10 bis 40 cm Mächtigkeit oder Schiefer.

14.4.5 Tunnelvortriebsmaschinen Grundsätzlich werden Tunnelvortriebsmaschinen (TVM) in drei Klassen unterschieden (Bild 14-38): – Tunnelbohrmaschinen (TBM) zum Abbau von Felsgestein – Schildmaschinen (SM) zum Einsatz in Lockergestein – Sonderformen

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-38 Tunnelvortriebsmaschinen – Verfahrensübersicht [20]

Schildmaschinen werden in erster Linie nach der Ausbruchart (Vollschnitt oder teilflächiger Abbau) unterteilt. Erst in zweiter Linie wird nach dem Druckmedium zur Ortsbruststützung unterschieden (vgl. hierzu auch Kapitel 14.4.6). Schildmaschinen mit Vollschnittabbau und Tunnelbohrmaschinen weisen verfahrensbedingt stets kreisförmige Tunnelquerschnitte auf. Bei Schilden mit Teilflächenabbau sind auch andere Querschnittsformen möglich. Die Konstruktion der TVM (Stärke des Schildmantels, Schneidradausbildung, Werkzeugbesatz des Schneidrads sowie Fördertechnik) muss auf die Vor-Ort-Verhältnisse abgestimmt sein. Neben einer sorgfältigen Vorerkundung der geologischen und hydrogeologischen Situation sind Einflussgrößen wie die Überdeckung und gegebenenfalls anstehende Bebauung zu berücksichtigen. Vortriebe mittels TVM werden bei großen Auffahrlängen gepaart mit großen Vortriebsleistungen rentabel.

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14.4.6 Schildmaschinen 14.4.6.1 Allgemeines Der Schild – in der Regel eine zylindrische Stahlkonstruktion – wird entlang der Tunnelachse vorgepresst, während gleichzeitig der Abbau des Gebirges erfolgt. Der Schild stützt und schützt den entstandenen Hohlraum bis zum Einbau einer vorläufigen oder endgültigen Sicherung. Dabei muss der Schild den Druck des umgebenden Gebirges sowie den Wasserdruck aufnehmen. Zur Minimierung der Setzungen und um einen Einbruch von Lockergestein und ggf. Wasser an der Ortsbrust zu vermeiden, muss diese zusätzlich gestützt werden [35]. Das Vorpressen des Schildes erfolgt mittels hydraulischer Pressen, die sich an der bereits eingebauten, rückwärtigen Tunnelauskleidung abstützen.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Zur Minimierung der Reibung zwischen Schild und umgebendem Gestein erfolgt der Ausbruch stets mit einem gewissen Überschnitt. Im Schutz des Schildmantels werden die Sicherungen und der Ausbau eingebracht. Um Setzungen zu minimieren und einen vollflächigen Kontakt zwischen Ausbau und umgebendem Gebirge zu schaffen, muss die Differenzfläche zwischen Ausbruchquerschnitt und Ausbau – der Ringspalt – sorgfältig verpresst werden. Schildmaschinen mit teilflächigem Abbau bestehen aus einem Schild und einem Abbauarm als Werkzeugträger, der jeden Punkt innerhalb des Schildquerschnitts erreichen kann. Als Werkzeuge kommen je nach anstehendem Gestein Schrämausleger oder Bagger zum Einsatz. Der Abtransport des abgebauten Gesteins erfolgt bei SM-T-Maschinen in der Regel mittels Bandförderanlagen. Bei Vollschnittmaschinen erfolgt der Abbau mittels einem werkzeugbesetzten Schneidrad, das die gesamte Ortsbrust bestreicht. Neben einem exakten Tunnelprofil ohne Mehrausbruch bietet der Abbau im Vollschnittverfahren die Vorteile einer nahezu unveränderten Ortsbrustkontur sowie hoher Vortriebsleistungen. Die Wahl des Werkzeugbesatzes sowie Anzahl und Größe der Öffnungen sind stark von den angetroffenen Baugrundverhältnissen abhängig. Die Bandbreite der Werkzeuge reicht von Schneidkanten und Schälmessern bei homogenen, plastischen Böden und locker gelagerten Kiesen/Sanden über Rundschaftmeißel in harten Böden bis hin zu Rollenmeißeln (Disken) für Hartgestein. Prinzipiell wird zwischen offenen und geschlossenen Schilden unterschieden. Bei offenen Schilden kann kein Stützdrück über ein Stützmedium zur Sicherung der Ortsbrust aufgebracht werden, d. h. die Ortsbrust ist entweder ungestützt oder mechanisch gestützt. Geschlossene Schilde umfassen die Verfahren der flüssigkeitsgestützten oder erddruckgestützten Ortsbrust, d. h., wenn die Ortsbrust mittels eines flüssigen oder breiig-plastischen Stützmediums stabilisiert wird. 14.4.6.2 Ortsbrust ohne Stützung Grundvoraussetzung für eine ungestützte Ortsbrust sind standfeste Böden, z. B. steife Schluff- und Tonböden, sowie die Lage oberhalb des Grundwasserspiegels (natürlich oder abgesenkt). Bei teilflächigem Abbau kann die Ortsbrust senkrecht oder unter dem natürlichen Böschungswinkel ausgeführt werden. Um unkontrollierte Einbrüche und damit verbundene Sackungen an der Geländeoberfläche zu vermeiden, werden sogenannte Haubenschilde eingesetzt, bei denen die Schildschneide weitgehend gemäß dem Böschungswinkel abgeschrägt ist und der Firstbereich der Sohle vorauseilt (Bild 14-39). Für Vollschnittabbau gibt Girmscheid [20] folgende Mindestwerte an: – Druckfestigkeit: – Undrainierte Kohäsion:

D ≥ 1 MN/m2 cU ≥ 30 kN/m2

14.4.6.3 Mechanische Stützung der Ortsbrust Bei großen Durchmessern kann die Ortsbrust durch Bühnen in kleinere Abschnitte (mit ungestützter Ortsbrust) unterteilt werden, wobei sich oberhalb jeder Bühne eine Böschung unter dem natürlichen Böschungswinkel einstellt. Reicht dies für eine Stützung der Ortsbrust nicht aus, so kann bei teilflächigem Abbau der Stützdruck durch Brustplatten erzeugt werden. Diese können für den Abbau fensterweise zurückgefahren werden (Bild 14-40). Ein hinsichtlich der Setzungen kontrollierter Abbau des Gesteins ist bei diesem Verfahren nur eingeschränkt möglich. Voraussetzung ist auch hier, dass der Grundwasserspiegel unterhalb des Ausbruchquerschnitts liegt. Das Verfahren kommt in wenig bis nichtbindigen Kies-Sand Böden zum Einsatz.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-39 Haubenschild mit natürlicher Ortsbruststützung und teilflächigem Abbau. (1) Bagger, (2) Schildmantel, (3) Steuerzylinder, (4) Einlauftrichter, (5) Förderband, (6) Förderkübel (mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG, © Herrenknecht AG [34])

Der Abbau im Vollschnitt erfolgt mit einem nahezu geschlossenen Schneidrad. Dies setzt entwässerte bindige Böden voraus, da der Boden bei zu geringer Konsistenz abfließen würde. Findlinge und Gerölle mit Durchmessern größer als jene der Schneidradöffnungen (Räumer) führen zu erheblichen Problemen. Die Kohäsion sollte mindestens im Bereich von cU = 25– 30 kN/m2 liegen.

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Bild 14-40 Unterteilung der Ortbrust durch Bühnen & mechanische Stützung mittels Brustplatten (mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG, © Herrenknecht AG [34])

14.4 Geschlossene Bauweisen

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14.4.6.4 Druckluftschilde Die oben genannten Verfahren SM-T1 und SM-T2 bzw. SM-V1 und SM-V2 können auch unterhalb des Grundwasserspiegels eingesetzt werden, wenn ein Eindringen des Grundwassers an der Ortsbrust vermieden wird. Dazu wird der Bereich der Ortsbrust vom restlichen Tunnel durch eine Schleuse getrennt und mit Druckluft beaufschlagt. Aus baubetrieblichen Gründen wird in der Regel versucht, nur den Abbauraum unter Druck zu setzen. Die Standsicherheit der Ortsbrust wird über den Nachweis des erforderlichen Luftbedarfs zur Aufrechterhaltung des Stützdrucks geführt. Da der Luftdruck mindestens so groß sein muss, wie der maximale Wasserdruck an der Ausbruchsohle, wird ein Luftüberdruck erzeugt, der an der Firste seinen Maximalwert erreicht (Bild 14-41). Somit strömt vor allem dort ständig Luft aus der Ortsbrust in den Boden. Bei Durchlässigkeiten für Wasser von kw ≥ 10-4 m/s wird die Anwendung des Verfahrens schwierig zu handhaben, da die Luft zunehmend selbst entweicht [35]. Dies betrifft hauptsächlich Kiese und Sande. Ein Notfallplan und die Vorhaltung von Notstromaggregaten und Ersatzkompressoren sind zwingend vorgeschrieben. Aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht sind dem Verfahren Grenzen in Bezug auf den maximal zulässigen Luftüberdruck von 3,6 bar gesetzt. Größeren Überdrücken dürfen Arbeiter gemäß Druckluftverordnung in Deutschland [51] nicht ausgesetzt werden. Zudem sind die Ausschleusungs- und Wartezeiten geregelt, um Drucklufterkrankungen vorzubeugen. Da ein unkontrolliertes Absinken des Stützdrucks zum Versagen der Ortsbrust führen würde, sind Druckluftverluste über andere Stellen als die Ortsbrust zu vermeiden. Besonderes Augenmerk muss hier der Schildschwanzdichtung geschenkt werden.

Bild 14-41 Prinzip der Druckluftstützung [35]

Für den Nachweis der Sicherheit gegen Ausbläser, d. h. des unkontrollierten Ausströmens der Druckluft an die Geländeoberfläche, muss eine Mindestüberdeckung der Firste sichergestellt sein. Generell werden zwei Versagensmechanismen unterschieden [47]: – Gasometer-Ausbläser – Erosions-Ausbläser. Wird die Bodenschicht, in welcher der Tunnelvortrieb erfolgt, von einer sehr undurchlässigen Schicht überlagert, kann es zu einer Ansammlung der abströmenden Druckluft unterhalb der

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

undurchlässigen Schicht kommen (Verdrängung des Porenwassers durch Luft). Die undurchlässige Schicht steht auf Grund der aufwärts gerichteten Strömungskräfte der Luft unter Auftrieb. Wenn sich genügend Luft angesammelt hat, bricht die Überdeckung explosionsartig, die Druckluft strömt schlagartig ab, wobei die Stützkraft auf Null absinkt, und die Ortsbrust stürzt ein. Das Risiko eines Gasometer-Ausbläsers ist umso höher, je näher die undurchlässige Schicht unter Geländeoberkante liegt, je dünner sie ist und je geringer die Auflast aus darüber liegenden Schichten ist. Erosions-Ausbläser treten auf, wenn im Zuge des Vortriebes künstliche (z. B. nicht oder schlecht verfüllte Erkundungsbohrungen) oder natürliche Luftkanäle angeschnitten werden. Die bevorzugt innerhalb der Kanäle abströmende Luft trocknet die Wände der Kanäle aus. Gleichzeitig erfolgt ein stetiger Bodenaustrag über die Luftkanäle, wodurch der Querschnitt der Kanäle ständig erweitert wird. Dieser Effekt beginnt an der Geländeoberfläche (geringste Auflast) und setzt sich bis zur Ortsbrust fort (rückwärts schreitende Erosion). Der Ausbläser tritt ein, wenn Randzonen der Ortsbrust einstürzen und die Luftwegigkeit schlagartig erhöht wird. Durch Haubenschilde kann die Gefahr eines Ausbläsers reduziert werden. 14.4.6.5 Schildvortrieb mit flüssigkeitsgestützter Ortsbrust In locker gelagerten Sanden und Kiesen ist eine Druckluftstützung nicht zielführend, da einerseits die Druckluftverluste zu hoch wären und andererseits eine Entwässerung nicht die Standfestigkeit erhöht. In diesen Böden werden sowohl der Erddruck als auch der Wasserdruck auf die Ortsbrust durch eine Stützflüssigkeit kompensiert (Bild 14-42). In der Regel kommen Wasser-Bentonit-Suspensionen zum Einsatz, da diese in der Lage sind, einen Filterkuchen auszubilden. Das Lösen des Bodens erfolgt in der Abbaukammer. Da die darin befindliche Stützflüssigkeit unter Druck steht, ist die Abbaukammer vom Rest der Schildmaschine durch eine Druckwand getrennt. Der Einsatz ist jedoch nicht auf die o. g. Sand-KiesBöden beschränkt, sondern in nahezu allen Lockergesteinen möglich. In Tonen kann es jedoch zu einem Verkleben der Abbauwerkzeuge und der Fördereinrichtungen kommen. Die Stützflüssigkeit dient gleichzeitig als Transportmedium für den gelösten Boden. Somit müssen Findlinge und größere Steine erst von einem Steinbrecher auf transportfähige Größen zerkleinert werden. Die hydraulische Förderung beruht auf der dynamischen Schleppkraft turbulent strömender Flüssigkeiten, d. h. damit es zu keinem Absetzen der Feststoffe in den Förderleitungen und daraus resultierender Verstopfung kommt, muss eine Mindestfließgeschwindigkeit stets überschritten werden.

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In einer Separationsanlage wird die Suspension vom gelösten Erdreich getrennt und wieder dem Kreislauf zugeführt. Problematisch ist dabei die Trennung der Suspension von feinen Tonpartikeln, die zu einer Anreicherung des Feststoffgehalts in der Suspension führen können. Girmscheid empfiehlt eine maximale Wichte der Stützflüssigkeit von 1,4 t/m³. Eine ständige messtechnische Überwachung der folgenden Größen ist bei Flüssigkeitsförderung unerlässlich [20]: – – – –

Volumenbilanz des Zu- und Abflusses Feststoffgehalt der Stützflüssigkeit Druckmessung in der Druckkammer sowie in den Zu- und Abflussleitungen Fließgeschwindigkeit.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Bild 14-42 Prinzip der Flüssigkeitsstützung [35]

Voraussetzung für die Anwendung des Verfahrens ist eine ausreichende Überdeckung, um ein Abströmen der Stützflüssigkeit zur Geländeoberfläche – analog dem Ausbläser bei Druckluftstützung – zu vermeiden. Nach [36] werden vier unterschiedliche Varianten der Flüssigkeitsstützung unterschieden (Bild 14-43), wobei der Bodenabbau bei den beiden ersten mit Vollschnittmaschinen und bei den zwei letztgenannten mit Teilschnittmaschinen erfolgt: – – – –

Slurry-Shield Hydroschild Thixschild Hydrojetschild.

Slurry-Shield Slurry-Shields haben ein nahezu geschlossenes Schneidrad, wodurch neben der Flüssigkeitsstützung zusätzliche eine mechanische Stützung der Ortsbrust gegeben ist. Die Beseitigung von Hindernissen in der Vortriebsachse ist dabei lediglich über kleine Fenster möglich. Die Regulierung des Flüssigkeitsstützdrucks erfolgt bei Slurry-Shields über die Pumpensteuerung des Materialzu- und Materialabflusses. Die gemessenen Porenwasserdrücke in beiden Leitungen und in der Abbaukammer werden mit dem berechneten Stützdruck verglichen. Somit ist nur eine zeitlich verzögerte Reaktion auf Suspensionsverluste und lokale Ortsbrusteinbrüche möglich, was wiederum unerwünschte Sackungen und Setzungen nach sich ziehen kann. Slurry-Shields wurden für Sande und schluffige Böden entwickelt. In Tonen fester Konsistenz kann es zu Verstopfungen der Einflussöffnungen kommen. Bei dicht gelagerten Kiesen steigt das erforderliche Drehmoment der Maschine auf Grund erhöhter Reibung am Schneidrad stark an. Nachteilig ist die nicht einsehbare Ortsbrust, wodurch lokale Einbrüche lediglich über einen Massenvergleich des theoretischen und realen Abbauvolumens erkannt werden können. Das vorhandene Abbauvolumen wird aus der Dichte der Stützflüssigkeit ermittelt. Eine Abschätzung des theoretischen Abbauvolumens erfolgt auf Grundlage von Wichte, Lagerungsdichte und Porenanteil.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-43 Flüssigkeitsschildsysteme mit Vollschnittabbau (oben) und teilflächigem Abbau (unten) [35]

Hydroschild Im Vergleich zu Slurry-Shields können Hydroschilde in nahezu allen Lockergesteinen eingesetzt werden. Das Schneidrad ist in offene Speichen aufgelöst, wodurch das abgebaute Material sehr schnell abfließen kann. Die Abbaukammer ist durch eine Tauchwand zweigeteilt. Der Stützdruck der Suspension wird durch ein Luftpolster im hinteren Bereich (Druckkammer) der Abbaukammer gesteuert, d. h. die Stützdrucksteuerung ist im Gegensatz zu den Slurry-Shields von der Suspensionsumlaufmenge entkoppelt. Die hintere Kammer bildet ein Suspensionsreservoir, das beim Anfahren von Störzonen sofort zur Verfügung steht. Dadurch und auf Grund der schnellen Druckregulierung über das Luftpolster können Inhomogenitäten im Baugrund in der Regel ohne Stützdruckverlust an der Ortsbrust bewältigt werden.

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Auch die Bergung von Hindernissen und Reparaturarbeiten am Schneidrad sind im Vergleich zu Slurry-Shields bedeutend einfacher. Die Stützsuspension kann aus der Abbaukammer abgelassen und diese unter Druckluft gesetzt werden. Der Filterkuchen an der Ortsbrust verhindert ein Abfließen der Druckluft. Er muss jedoch in bestimmten Zeitintervallen aufgefrischt werden (Fluten der Abbaukammer). Thixschild Beim Thixschild wird die Ortsbrust durch einen teleskopierbaren Cutterbagger abgebaut. Die Steuerung kann sowohl programmgeführt oder von Hand erfolgen. Die Absaugleitung für den Rückfluss mündet dabei im Bohrkopf. Das Einsatzspektrum entspricht im Wesentlichen jenen des Hydroschilds.

14.4 Geschlossene Bauweisen

917

Hydrojetschild Die Abbaueinrichtung des Hydrojetschilds besteht nicht aus einem Schneidrad, sondern erfolgt mittels gerichteter Flüssigkeitsstrahlen. Analog zum Düsenstrahlverfahren wird das Bodengefüge unter hohem Druck aufgeschnitten und verflüssigt. Die Düsen sind parallel zur Ortsbrust schwenkbar. In bindigen Böden sinkt die Reichweite der Schneidstrahlen, in verfestigten Böden stößt das Verfahren an seine Grenzen. Die Ortsbruststützung wird durch die Stützsuspension gewährleistet. Das Hydrojetverfahren kommt hauptsächlich beim Rohrvortrieb kleiner Querschnitte zum Einsatz [35]. 14.4.6.6 Erddruckschilde Der mittels Schneidrad gelöste Boden vermischt sich mit dem bereits gelösten, plastischen Erdbrei in der Abbaukammer (wie bei den flüssigkeitsgestützten Schilden durch eine Druckwand vom Rest der Schildmaschine getrennt). Der Erdbrei wird mittels Förderschnecke aus der Abbaukammer transportiert. Der Weitertransport erfolgt dann durch eine Dickstoffpumpe, mittels Wagenförderung oder mit anderen mechanischen Verfahren. Bei dem Prinzip der erddruckgestützten Ortsbrust wird der gelöste Boden als Stützmedium genutzt. Ein unkontrolliertes Eindringen des Bodens in die Abbaukammer wird durch die Übertragung der Vortriebspressenkräfte von der Druckwand auf den Erdbrei verhindert. Der erforderliche Stützdruck für Gleichgewicht an der Ortsbrust ist erreicht, wenn der Erdbrei in der Abbaukammer durch den anstehenden Erd- und Wasserdruck nicht weiter verdichtet werden kann [36]. Der Druck in der Arbeitskammer wird mittels Druckmessdosen auf der Vorderseite der Druckwand kontrolliert. Zur genauen Regulierung des Stützdrucks kann neben den Vortriebspressenkräften auch die Fördergeschwindigkeit der Schnecke genutzt werden. Die Erddruckstützung ist besonders in Böden mit bindigen Anteilen geeignet, wobei der Feinstkornanteil mit Durchmessern < 0,06 mm über 30 % liegen sollte [20]. Als Voraussetzung für die Anwendung des Verfahrens muss der Erdbrei folgende Eigenschaften aufweisen [35]: – – – –

gute Verformbarkeit breiige bis weiche Konsistenz (0,4 < Ic < 0,75) geringe innere Reibung geringe Wasserdurchlässigkeit (kF < 10-5 m/s).

Natürliche Böden müssen in der Regel erst zu einem plastischen Erdbrei mit den obigen Eigenschaften aufbereitet (konditioniert) werden. Dazu sind in der Abbaukammer rechts und links der Schneckenförderung sogenannte Agitatoren angeordnet, die den Erdbrei durchkneten und homogenisieren. Je nach anstehendem Boden muss dazu noch ein zusätzliches Konditionierungsmittel zugefügt werden (Tabelle 14.10). Eine zu geringe Konsistenz kann neben einer erhöhten Reibung zwischen Erdbrei und Schneidrad zum Verstopfen der Förderanlage führen. Bei zu hoher Durchlässigkeit des Erdbreis kommt es zu einem Ausspülen aus der Förderschnecke, wodurch der Stützdruck an der Ortsbrust verloren geht. Das Verfahren ist auch unter Earth Presssure Balanced Shield (EPB-Schild), Earth-pressure Shield, Confined Soil Shield und weiteren Bezeichnungen bekannt.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-44 Schildmaschine mit Erddruckstützung. (1) Schneidrad, (2) Abbaukammer, (3) Druckwand, (4) Vortriebspressen, (5) Schneckenförderer, (6) Erektor, (7) Stahlbetonauskleidung (mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG, © Herrenknecht AG [34]) Tabelle 14.10 Erddruckstützung – Konditionierung in Abhängigkeit des anstehenden Bodens [20] Boden

Konditionierung

Weiche, tonig-schluffige Böden

Mechanische Agitatoren

Festere, tonig-schluffige Böden

Zugabe von Wasser und/oder Suspension, Vermischung durch mechanische Agitatoren

Schluffig-sandige Böden

Zugabe von Tonsuspension oder quellfähiger Bentonitsuspension, Vermischung durch Kneträder und mechanische Agitatoren

Schluffig-sandige Böden mit erhöhtem Sandanteil

Polymerschäume

14.4.6.7 Sonderformen

14

Von den Sonderformen der Schildmaschinen seien hier exemplarisch nur die kombinierten Schilde sowie Messerschilde kurz erwähnt. Kombinierte Schilde Kombinierte Schilde bzw. Universalschilde erlauben eine Anpassung der Verfahrenstechnik an wechselhafte geologische und hydrogeologische Bedingungen innerhalb der Vortriebsstrecke. So können z. B. Flüssigkeitsschilde auch als Druckluftschilde gefahren werden.

14.4 Geschlossene Bauweisen

919

Messerschilde Beim Messervortrieb besteht der Schildmantel nicht aus einem fugenlosen Zylinder, sondern aus einzelnen Stahlbohlen (Messer). Diese sind ca. 12 bis 18 cm breit und lagern auf zwei bis drei Stahlbögen. Ein Arbeitsgang besteht aus dem Vorpressen der Messer in das Gebirge mittels hydraulischer Pressen (in der Regel ungefähr 50 bis 100 cm), Ausbau des letzten Ausbaubogens und erneutem Einbau desselben an der Ortsbrust. Als Widerlager für die Pressenkräfte dient die Reibung zwischen dem umgebenden Gebirge und den restlichen Messern. Gleichzeitig mit dem Abbau der Ortsbrust wird im rückwärtigen Teil des Schildmantels die Sicherung eingebaut. Die Stützung der Ortsbrust erfolgt entweder auf natürlichem Wege oder mechanisch mittels Bühnen und Verbauplatten, weshalb Messervortriebe in der Regel mit größeren Setzungen verbunden sind. Messerschilde mit druckluftgestützter Ortsbrust sind mit Vorsicht zu genießen, da der Schildmantel nicht geschlossen ist, wodurch große Luftverluste auftreten können.

14.4.7 Tunnelbohrmaschinen Tunnelbohrmaschinen bieten neben einer günstigen Profilgestaltung und einem profilgenauen Ausbruch den Vorteil des gebirgsschonenden Lösens des Gebirges, wodurch die Standfestigkeit weitgehend erhalten bleibt. Nachteilig schlagen die sehr hohen Investitionskosten zu Buche, die sich erst ab einer projektabhängigen Mindestlänge amortisieren. Eine genaue Vorerkundung des anstehenden Gebirges und die entsprechende Auslegung der gesamten Konstruktion (Gripper- oder Schild-TBM), der Vortriebspressenkräfte, des Bohrkopf-Drehmoments und der Werkzeugbestückung sind unverzichtbare Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz. 14.4.7.1 Gripper-TBM Mit Gripper-TBM wird die Verspanntechnik der TBM und das Bohrsystem definiert. Die sogenannte Außenkelly wird über die Gripper (Pratzen) radial gegen die Tunnelwandung verspannt. In Gebirge, das zum Ausbrechen in der Firste neigt, sollten die Pratzen horizontal angeordnet werden, um Zugspannungen in der Firste möglichst gering zu halten. Eine diagonale Anordnung der Pratzen empfiehlt sich, wenn ein Absinken schwerer Maschinen verhindert werden soll. Die Außenkelly dient der Führung der Innenkelly und als Widerlager für die Vorschubzylinder. Die Innenkelly trägt den Bohrkopf und den Bohrantrieb. Zum Abbau wird der mit Rollenmeißeln (Disken) besetzte, rotierende Bohrkopf gegen die Ortsbrust gepresst. Das Bohrklein (Chips) wird von Räumern aufgenommen, auf ein Förderband weitergeleitet und abtransportiert. Tunnelbohrmaschinen (TBM) ohne Schild werden in standfestem bis nachbrüchigem Felsgestein von mittlerer bis hoher Festigkeit (50 bis 300 N/mm2) eingesetzt. Damit ein möglichst hoher Anpressdruck aufgebracht werden kann, sollte die Druckfestigkeit jedoch 100 N/mm2 nicht unterschreiten [20]. Zur Sicherung des Ausbruchquerschnitts kommen konventionelle Sicherungsmittel (Felsanker, Ausbaubögen, Netze und Spritzbeton, vgl. Abschnitt 14.4.8) zum Einsatz. Um Störungen zu vermeiden, sollte der Spritzbetoneinbau auf dem Nachläufer erfolgen. Ein Einbau der anderen Sicherungsmittel muss jedoch kurz hinter dem Bohrkopf im sogenannten L1*-Bereich möglich sein, um auf Störungen im Gebirge umgehend reagieren zu können (Bild 14-45).

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Bild 14-45 Aufbau einer Gripper-TBM − von links nach rechts: Bohrkopf, L1*-Bereich zum Einbau von Netzen und Sicherungsbögen, Gripper, hintere Abstützung, Nachläufer auf Sohltübbingen mit Spritzbetonroboter, Ausbruchförderung und Versorgung (mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG, © Herrenknecht AG [34])

Die Vortriebsleistung wird maßgeblich durch den Zeitbedarf für den Einbau der Sicherungen bestimmt. Der Vortrieb mittels Gripper-TBM ist ein diskontinuierlicher Prozess mit folgenden Einzelschritten (Bild 14-46): – – – –

Abbohren eines Hubs (Ausfahren der Vorschubzylinder) und Einbau der Sicherungen Ausfahren der Hilfsabstützung und Einfahren der Gripper Vorgleiten der Außenkelly, Ausrichten der Maschine und Verspannen Einfahren der Hilfsabstützung und erneuter Hub.

Das Abscheren der Chips mittels Disken führt zu einer großen Staubentwicklung an der Ortsbrust. Um die Staubausbreitung möglichst gering zu halten, sind Gegenmaßnahmen wie z. B. das Bedüsen der Ortsbrust mit Wasser oder die Staubabsaugung mit zugeschalteter Entstaubungsanlage auf dem Nachläufer vorzusehen. Neben der Entstaubung und dem Einbau des Spritzbetons befinden sich auch die Einrichtungen für den Einbau der Abdichtung und der Sohltübbinge auf dem Nachläufer.

14

Der große Nachteil der schildlosen Gripper-TBM tritt beim Anschneiden von Gebirgsstörungen zutage. Werden diese nicht rechtzeitig erkannt, kann es zu einem Verschütten der TBM kommen. Die TBM muss dann aufwändig in Handarbeit freigelegt und instandgesetzt werden, was in der Regel mehrmonatige Stillstandszeiten zur Folge hat.

14.4 Geschlossene Bauweisen

921

Bild 14-46 Vortriebszyklus einer Gripper-TBM [8]

14.4.7.2 Schild-TBM und Doppelschild-TBM In nachbrüchigem bis gebrächem Felsgestein (Druckfestigkeiten von 50±5 N/mm2) kommen Tunnelbohrmaschinen mit offenem Schild (TBM-S) zum Einsatz. Auf Grund der Reibung zwischen Schild und umgebendem Gebirge sind bedeutend größere Vortriebspressenkräfte erforderlich als bei einer Gripper-TBM. Einem Verkeilen der TBM-S (in quellfähigem Gebirge oder beim Einstellen des echten Gebirgsdrucks) muss durch einen entsprechenden Überschnitt vorgebeugt werden. Die Sicherung und der Ausbau erfolgen mittels Tübbingen. Während des Vorbohrens stützt sich die TBM-S auf den zuletzt eingebauten Tübbingring ab. Der prinzipielle Aufbau ist in Bild 14-47 dargestellt. Eine Sonderform der Tunnelbohrmaschinen mit Schild sind die Doppelschild-TBM bzw. Teleskopschild-TBM. Das Gripper-Prinzip und der Ausbau mit Tübbingen werden dabei verbunden. Als Widerlager für das Vorpressen des Frontschilds und des Bohrkopfs dient nicht der letzte Tübbingring, sondern die Gripper im mittleren Abschnitt der TBM. Dies erlaubt die Installation der Tübbinge während des Bohrens. Am Ende eines Bohr- und Tübbingversetzvorgangs werden die Gripper eingefahren und die Maschine durch Hilfsvortriebspressen vorwärts bewegt (Schreitvorgang des hinteren Schilds). Die Hilfsvortriebspressen leiten die Vortriebskräfte in die Tübbinge ein. Somit ist ein kontinuierlicher Vortriebsprozess gewährleistet, was sich in bis zu doppelt so großen Vortriebsleistungen, verglichen mit Einfachschild- TBM, zeigt. Dies setzt jedoch eine ausreichende Versorgung mit Tübbingen voraus. Bild 14-48 zeigt die einzelnen Phasen eines Vortriebszyklus mittels Doppelschild-TBM. Hinsichtlich des anstehenden Gebirges gelten die gleichen Einsatzbedingungen wie für eine TBM-S (nachbrüchiges bis gebräches Gebirge, ohne anstehendes Grundwasser).

14

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Bild 14-47 Einfachschild-TBM (mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG, © Herrenknecht AG [34])

1.)

2.)

· · · ·

Bohren des gesamten Querschnitts

3.)

14

Ende des Bohrhubs Lösen der Verspannung am Frontschild Nachlaufschild (hinterer Schild) ist verspannt Vorpressen des Frontschilds

4.)

· Verspannen des Frontschilds nach dem Vorpressen · Beginn eines neuen Bohrhubs · Nachziehen des Nachlaufschilds

· Nachziehen und Verspannen des Nachlaufschilds · Paralleles Bohren

Bild 14-48 Vortriebszyklus einer Doppelschild-TBM [20]

14.4 Geschlossene Bauweisen

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14.4.8 Sicherungsmittel Sicherungsmaßnahmen dienen der Ertüchtigung des Gebirges, wenn dieses nicht ausreichend standsicher ist oder wenn die erforderliche Zeit zur Herstellung des endgültigen Ausbaus die Stehzeit des Gebirges überschreitet. Auflockerungen, Entfestigungen und der damit verbundene Verlust der Gebirgseigentragfähigkeit sind weitestgehend zu vermeiden. Durch die Sicherungen wird der anstehende Baugrund innerhalb des Gebirgstragrings verstärkt. Neben der Sicherung von Firsten und Ulmen ist vor allem die Ringschlusszeit von entscheidender Bedeutung. Somit muss bei der Wahl der Sicherungsmittel auch die erforderliche Einbauzeit betrachtet werden, was eine Anpassung der Ausbruchart sowie der Abschlagslänge erforderlich macht. Generell werden universelle und vorauseilende Sicherungsmethoden unterschieden. 14.4.8.1 Universelle Sicherungsmethoden Universelle Sicherungen werden sowohl im maschinellen Vortrieb als auch bei konventionellen Vortriebsmethoden verwendet. Die nachfolgend aufgeführten Sicherungsmittel können dabei einzeln oder in Kombination eingesetzt werden: – – – – –

Spritzbeton Ausbaubögen aus Stahl und Gitterträger Verzugsbleche Anker Stahlnetze zur Überkopfsicherung etc.

Spritzbeton Versiegelungen aus Spritzbeton weisen Dicken von 3 bis 10 cm auf, während für tragfähige Schichten Dicken zwischen 10 und 35 cm als Richtwert dienen. Auf Grund der hohen Auftreffgeschwindigkeit des Spritzbetons wird dieser gleichzeitig verdichtet, d. h. Hohlräume werden geschlossen bzw. vermieden. Zudem wird ein guter Haftverbund mit dem umgebenden Gebirge hergestellt. Spritzbeton wird sowohl unbewehrt als auch mit eingespritzter Mattenbewehrung hergestellt. Stahlfaserspritzbeton kommt auf Grund der hohen Kosten nur dann zum Einsatz, wenn erhöhte Anforderungen hinsichtlich Frühfestigkeit, Zugfestigkeit, Arbeitsvermögen, Risseverteilung und anderer Eigenschaften gestellt werden, die normaler Spritzbeton nicht erfüllt. Für das Aufbringen von Spritzbeton stehen das Trockenspritzverfahren und das Nassspritzverfahren zur Verfügung. Bei Ersterem erfolgt die Förderung des trockenen Gemisches aus Bindemitteln und Zuschlägen per Druckluft. In der Düse wird Wasser und eventuell ein Abbindebeschleuniger zugeführt und mit den festen Bestandteilen vermischt. Somit bestimmt der Düsenführer den Wassergehalt und den W/Z-Wert. Das Trockenspritzverfahren hat neben den zwei Hauptnachteilen wie Staubentwicklung und hohem Rückprall den Vorteil einer uneingeschränkten Anwendbarkeit. Sind große Mengen an Spitzbeton zu verarbeiten, kommt das Nassspritzverfahren zum Einsatz, da hier Staubentwicklung und Rückprall bedeutend geringer anfallen. Dabei wird in der Regel Transportbeton verarbeitet, was zu einer gleichmäßigeren Betonqualität führt. An der Spritzdüse erfolgt lediglich die Zugabe eines Erstarrungsbeschleunigers.

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Für kleine Flächen wird die Spritzdüse in der Regel von Hand geführt. Sind große Flächen auszukleiden, kommen Spritzmanipulatoren zum Einsatz. Dies sind auf einem fahrbaren Trägergerät montierte, steuerbare Schwenkarme zur Führung der Düse. Ausbaubögen Ausbaubögen werden vor allem in nicht standfestem, druckhaftem Gebirge als sofortige Abstützung verwendet. Die möglichen Querschnittsformen reichen von Stahlbauprofilen über Rinnenprofile zu Gitterträgern (Bild 14-49). Die Anlieferung erfolgt in der Regel in Einzelteilen, die über biegesteife oder gelenkige Verbindungselemente zusammengefügt werden. Wichtig sind sowohl ein satter Verbund mit dem umgebenden Gebirge (Hinterspritzen mit Spritzbeton) als auch eine ausreichende Aussteifung in Tunnellängsrichtung bzw. Rückverankerung, um einem Knicken und Beulen der Ausbaubögen vorzubeugen. Für eine sofortige Tragfähigkeit der Bögen muss zudem das Fussauflager so ausgebildet werden, dass es die Lasten in den Baugrund abtragen kann. Dies bedeutet kein bloßes Aufstellen auf die Tunnelsohle, sondern ein kraftschlüssiges Verkeilen bzw. Unterfüttern mit Hartholz oder Stahlträgern.

Bild 14-49 Ausbaubögen und mögliche Querschnittsformen [8]

Anker

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Anker dienen der Sicherung der profilgerechten Ausbruchfläche (Verhindern von Aus- und Nachbrüchen sowie damit einhergehender Entfestigungen) und, so erforderlich, der Ortsbrust. In der Regel werden Stahlanker verwendet. In Bereichen, die maschinell abgebaut werden (Ortsbrust), empfiehlt sich der Einsatz von Ankern aus Glasfasern oder Kunststoff, da diese Materialien die Abbauwerkzeuge schonen. Folgende Unterscheidungskriterien sind gebräuchlich: – Tragwirkung (einzelne Anker, Systemankerung) – Krafteinleitung (mechanische Krafteinleitung mittels Spreizhülsen, Verbundanker, Reibungsanker) – Nutzungsdauer (temporäre Anker, Daueranker).

14.4 Geschlossene Bauweisen

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In großbankigem, geklüftetem Gebirge genügen für die lokale Sicherung von Gesteinsblöcken, -keilen oder -platten einzelne Anker (Bild 14-50). Bild 14-50 Sicherung durch einzelne Anker [20]

Systemanker sind in der Regel vorgespannt (ca. 100 bis 150 kN). Das Ziel von Systemankerungen ist die Erhöhung der (tangentialen) Gebirgstragfähigkeit im Bereich der Ausbruchleibung zur Aktivierung des Gebirgstragrings mit möglichst geringen Verformungen. Bild 14-51 veranschaulicht diese Ertüchtigung: ohne Anker sinkt die Radialspannung ro an der Ausbruchleibung auf Null ab, d. h. es stellt sich ein zweiaxialer Spannungszustand ein. Die zugehörigen Tangentialspannungen to stellen sich entsprechend der aufnehmbaren Druckfestigkeit ein. Sie erreichen ihr Maximum am Übergang zwischen entfestigter und standfester Zone. Anker erhöhen die Radialspannungen entlang der Ausbruchleibung (genaugenommen in der Schnittfläche der Lastausstrahlungsbereiche an den Ankerköpfen) um den Ausbauwiderstand pRA. Somit kann sich bereits an der Ausbruchleibung ein dreiaxialer Spannungszustand mit den zugehörigen Tangentialspannungen tA einstellen. Deren Maximum liegt bedeutend näher an der Ausbruchleibung als im Fall ohne Anker, was gleichbedeutend mit einer kleineren Entfestigungszone ist. Der Lasteinleitungsbereich von Ankern muss stets hinter der Auflockerungszone bzw. außerhalb des Gebirgstragrings liegen. Während Anker in Lockergestein möglichst radial angeordnet werden sollten, wird in klüftigem Felsgestein ein Winkel von 45° bis 90° zwischen Anker und Schichtfläche empfohlen, um möglichst eine axiale Beanspruchung des Ankers zu erzwingen (Bild 14-52). Winkel kleiner 30° sind unbedingt zu vermeiden.

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Bild 14-51 Einschnürung der Entfestigungszone mittels Systemankerung [36]

14 Bild 14-52 Systemankerung – Anordnung der Anker in Abhängigkeit des Schichteinfallwinkels [36]

Kombinationen der einzelnen Sicherungsmethoden Meistens werden mehrere Sicherungstypen kombiniert. Beispielhaft zeigt Bild 14-53 den Bauablauf für eine Sicherung bestehend aus einer Spritzbetonversiegelung, rückverankerten Ausbaubögen und nachträglich aufgebrachter, tragfähiger Spritzbetonschale.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Bild 14-53 Kombination aus Spritzbeton, Ausbaubögen und Ankern [8]

14.4.8.2 Vorauseilende Sicherungsmethoden In Baugrund mit einer kleineren Stehzeit als für den Einbau der Sicherungsmittel erforderlich ist (nicht standfestes Gebirge, Störzonen und Lockergestein), muss die Sicherung der Ortsbrust vorauseilen. Durch ein Schirmgewölbe werden Instabilitäten der Ortsbrust und des freistehenden Gewölbes vermieden. Falls erforderlich können zusätzliche universelle Sicherungsmittel eingebracht werden. Folgende vorauseilenden Sicherungsmethoden werden unterschieden: – – – – –

Vorpfändbleche und Kanaldielen Spieße Rohrschirme Injektionsschirme Gefrierschirme.

Spieße und Rohrschirme werden meist in Festgestein eingesetzt, während Vorpfändbleche, HDI-Schirme und Gefierschirme geeignete Verfahren für Lockergesteine sind. Vorpfänd-/Verzugsbleche Vorpfändbleche werden als sofortige, flächenhafte Abdichtung in nichtbindigen Lockerböden verwendet. Die Stützung der Bleche erfolgt dabei durch Ausbaubögen. Dazu werden die Bleche über dem vordersten Ausbaubogen angesetzt und mit einer leichten Spreizung nach außen in den Baugrund getrieben. Die Bleche benachbarter Bögen sind ”auf Lücke” geschlagen (Bild 14-54). Wichtig ist eine satte Hinterfütterung der Bleche am tunnelseitigen Ende mit Spritzbeton oder Verpressmörtel, um ein Ausfließen der Böden zu verhindern. Zudem ist auf eine kraftschlüssige Verkeilung zwischen Vorpfändblechen und Ausbaubögen zu achten. In der Regel entspricht die Blechlänge ungefähr dem zweieinhalbfachen Abstand der Ausbaubögen.

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Bild 14-54 Vorpfändbleche auf Lücke geschlagen mit Spritzbeton [36]

Spieße Spieße werden hauptsächlich in Festgestein verwendet. Analog den Vorpfändblechen lagern sie auf Ausbaubögen (in der Regel Spieße auf jedem zweiten Ausbaubogen, Bild 14-55). Die Tragwirkung beruht hauptsächlich auf einer Scherbeanspruchung durch das zu stützende Gebirge (Dübelwirkung). Die Neigung zur Tunnelachse liegt im Allgemeinen zwischen 10° und 15°. Die Spieße werden in gleichen Abständen von ca. 30 bis 60 cm entlang der Tunnelleibung angeordnet. Die Länge der Spieße sollte mindestens dem 3-fachen Bogenabstand entsprechen.

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Bild 14-55 Spieße in Kombination mit Spritzbeton und Ausbaubögen [8]

In bindigen Lockerböden erfolgt das Einbringen mittels Druckluft- oder Hydraulikhämmern. In Felsgestein werden die Spieße in vorgebohrte Löcher gesetzt und vermörtelt. Dabei kommen oft selbstbohrende Injektionsanker zum Einsatz. Rollige Lockerböden, die zum Auslaufen neigen, stellen die Anwendungsgrenze des Verfahrens dar.

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Rohrschirme Müssen Verkehrswege wie z. B. Gleisanlagen oder Gebäude mit relativ geringen Überdeckungen unterfahren werden, kann dies im Schutze eines Rohrschirms erfolgen, wenn Injektionen oder Vereisungen nicht zielführend sind. Im First- und Ulmenbereich des auszubrechenden Querschnitts werden in sehr engem Abstand Stahlrohre eingepresst. Diese lagern an den Enden auf Hilfskonstruktionen. Die Rohre müssen kraftschlüssig verbunden werden (z. B. durch Verschweißen). Um ein Beulversagen auszuschließen, sind die Rohre auszubetonieren. Je nach Länge des Tunnels werden mit fortschreitendem Vortrieb Zwischenunterstützungen erforderlich. Rohrinjektionsschirme und Schirminjektionen Die Anfahrbereiche von Tunnelbauwerken liegen oft in Lockergestein und Geröllfeldern. In diesen Fällen kann der Tunnel im Schutze eines Injektionsschirms aufgefahren werden. Dazu werden entlang der Tunnelleibung in gleichmäßigen Abständen verrohrte Bohrungen hergestellt. Als Verrohrung werden Manschettenrohre aus Stahl verwendet, die im Baugrund verbleiben. Über die Rohre wird bei niedrigen Drücken mittels Doppelpackern eine ZementBentonit-Suspension injiziert (Porenrauminjektion). Das tragende Gewölbe wird somit durch das Injektionsgut und nicht durch die Rohre gebildet. Dies setzt jedoch grobkörnige Böden voraus. Besonderes Augenmerk sollte den Kämpfern des Gewölbes gewidmet werden, um ein Versagen durch Grundbruch am Kalottenfuß bzw. seitliches Ausfließen des Bodens beim Strossenabbau auszuschließen. Geeignete Verfahren zur Gründungsverstärkung sind HDISäulen oder Mikropfähle (analog Bild 14-57). Als Anhaltspunkte für die Rohre können die von Girmscheid [20] angegebenen Kenngrößen dienen (Tabelle 14.11). Tabelle 14.11

Anhaltspunkte zur konstruktiven Ausbildung von Rohrinjektionsschirmen [20]

Geometrische Größe

Richtwert

Rohraußendurchmesser

140 – 170 mm

Rohrwandstärke

8 – 25 mm

Rohrlänge

12 – 15 m

Rohrübergreifung in Längsrichtung

2,5 – 4,0 m

Abstand der Bohransatzpunkte entlang der Tunnelleibung

40 – 60 cm

Anstelle eines Rohrinjektionsschirms können die Injektionsrohre auch fächerförmig von der Geländeoberfläche, aus einem Schacht oder einem separaten Injektionsstollen eingebracht werden (Bild 14-56).

14

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Bild 14-56 Herstellung eines fächerförmigen Injektionsschirms aus Schächten [8]

HDI-Schirme Hinsichtlich einer Verfahrensbeschreibung einschließlich der Anwendungsgrenzen von Seiten der anstehenden Böden wird auf das Kapitel „Baugrundverbesserung” verwiesen. Die HDI-Säulen im First- und Ulmenbereich werden nahezu horizontal hergestellt. Wie bei den Rohrinjektionsschirmen müssen auch hier die Kämpfer unterfangen werden (Bild 14-57). Auf Grund der herstellungsbedingten Setzungen sollten HDI-Schirme stets in Kombination mit anderen Injektionstechniken (zur Kompensation der Setzungen) ausgeführt werden.

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Bild 14-57 HDI-Schirm und HDI-Unterfangung des Schirmgewölbes (nach [27])

14.4 Geschlossene Bauweisen

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Bodenvereisung und Gefrierschirme Die Bodenvereisung ist eine temporäre Maßnahme zur vorauseilenden Sicherung und für Abdichtungszwecke. Das Verfahren ist sehr umweltfreundlich, da keine Fremdstoffe in den Boden und das Grundwasser eingetragen werden. Der Grundwasserstand stellt sich nach Beendigung der Baumaßnahme nahezu unverändert wieder ein (unter der Voraussetzung, dass die erstellten Bauwerke die natürliche Grundwasserströmung kaum behindern). Von einem Vereisungsstollen werden im Abstand von ca. 80–150 cm parallele Bohrungen abgeteuft. Diese sind mit der höchstmöglichen Genauigkeit herzustellen. Bohrabweichungen > 1 % sind inakzeptabel, da unplanmäßig große Abstände der Gefrierrohre zu erhöhten Schließzeiten der Frostkörper führen, was ggf. zusätzliche Bohrungen und Gefrierrohre notwendig macht. In die Bohrungen werden Gefrierrohre eingeführt, die aus einem äußeren Stahlrohr und einem konzentrisch angeordneten inneren Kunststoffrohr bestehen. In den Gefrierrohren zirkuliert ein Kälteträger, wodurch dem Boden und dem Grundwasser kontinuierlich Wärme entzogen wird. Der Zulauf des Kühlmittels erfolgt in der Regel über das innere Rohr, der Rücklauf im Ringraum. Um die Gefrierrohre bilden sich Frostkörper (Verkitten der Bodenkörner durch gefrorenes Wasser als Bindemittel), die zu einem wasserdichten, geschlossenen Frostkörper zusammenwachsen. Die Zeit, bis der Frostkörper seine geplante Ausdehnung und Temperatur erreicht hat, wird Aufgefrierphase genannt. Die erforderliche Kälteleistung ist während der Aufgefrierphase bedeutend größer als in der Frosterhaltungsphase, wo lediglich die abfließende Kälte kompensiert werden muss. Hinsichtlich der Kälteerzeugung und der Kälteträger werden zwei Verfahren unterschieden: – Kälteerzeugung mittels Kühlaggregaten, Laugen als Kälteträger (Sole-Vereisung) – Kälteerzeugung durch Verdampfen flüssiger Gase (Stickstoff-Vereisung). Bild 14-58 zeigt schematisch beide Verfahren. Bei der Sole-Vereisung wird ein gasförmiges Kältemittel (z. B. Ammoniak) mittels Kompressor verdichtet und verflüssigt. Anschließend wird es durch stationäre Kühlaggregate auf eine Vorlauftemperatur von ca. –25 bis –45 °C abgekühlt. Beim Abkühlen des Kälteträgers (Sole, z. B. Calciumchlorid-Lösung) auf ca. –40 °C in einem Wärmetauscher verdampft das Kältemittel wieder. Die Sole zirkuliert innerhalb des Kälteträger-Kreislaufs und strömt durch die Gefrierrohre. Für eine StickstoffVereisung wird flüssiger Stickstoff mit einer Temperatur von –196 °C in Tanks auf die Baustelle geliefert. Der Stickstoff fließt ohne zusätzliches Pumpen in die Gefrierrohre, wo er verdampft. Durch den Verdampfungsprozess wird dem umgebenden Boden und Wasser Wärme entzogen. Stickstoffvereisungen kommen vor allem bei kleinen Eiskubaturen und kurzen Aufgefrierzeiten zur Anwendung. Grundvoraussetzung für den Einsatz einer Bodenvereisung ist eine ausreichende Menge an Wasser in den Bodenporen. Maidl [36] gibt einen Mindestwassergehalt von 5–7 % an. Der zugehörige Parameter ist der Sättigungsgrad. Reicht dieser nicht aus, um die geforderten Richtwerte des gefrorenen Bodens zu erreichen, kann der Sättigungsgrad durch die folgenden Zusatzmaßnahmen erhöht werden: – Aufstau des Grundwassers mittels Dichtwänden oder Injektionen – Verrieselung (in feinkörnigen Böden problematisch, da zeitaufwändig) Einem schnellen Abfließen von Verrieselungswasser in sehr grobkörnigen Böden oder in Bereichen mit sehr hohen Fließgeschwindigkeiten kann durch eine Viskositätserhöhung (z. B. mittels Polymerlösungen) vorgebeugt werden.

14

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Kälteträgerkreislauf

Kältemittelkreislauf Rückkühlwerk

Regelventil Sole CaCl2 (-40°C)

-130°C (Gas)

Kondensator

-196°C (Flüssigkeit)

Kompressor

Verdampfer

(Flüssigkeit)

Ammoniak (Gas) Pumpe

Gefrierrohre

Gefrierrohre

Bild 14-58 Bodenvereisungsmethoden: links: Sole-Vereisung, rechts: Stickstoff-Vereisung [41]

Neben den üblichen bodenmechanischen Kennwerten sind für die Dimensionierung eines Frostkörpers und der Vereisungsanlage zusätzliche Parameter, auch thermophysikalische Werte, erforderlich. Die Festigkeit des gefrorenen Bodens wird durch die Parameter gemäß Tabelle 14.12 bestimmt. Mit zunehmendem Feinanteil sinkt die Festigkeit. Ein-axiale Druckfestigkeit, Scherfestigkeit und Kriechverhalten (Viskoelastizität) sind aus Laborversuchen zu ermitteln. Um die Verformungen zu begrenzen und Beschädigungen der Gefrierrohre auszuschließen, erfolgt die Dimensionierung der Frostkörper unterhalb des Spannungsniveaus, für das Kriechen einsetzt. Mit den o. g. Kennwerten und Eingangswerten für die Gefrierrohrabstände und die Kühlmitteltemperatur (Verfahrenswahl) können der Zeitpunkt, ab dem die Frostkörper um die Gefrierrohre einen zusammenhängenden Körper bilden (Schließzeitpunkt), und die Zeitspanne, ab der die volle Tragfähigkeit zur Verfügung steht, berechnet werden. Im Anschluss werden die Gesamtwärmemenge und die erforderliche Kältekapazität der Gefrieranlage ermittelt.

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Tabelle 14.12

Festigkeitsbeeinflussende Faktoren bei Bodenvereisungen [41]

Boden

Eis

Feinkorngehalt

Temperatur

Kornverteilung

Frosterhaltung

Lagerungsdichte

Belastungsgeschwindigkeit

Vorhandene Schichtung

Belastungsdauer

Porenvolumen

Ausnutzungsgrad

Sättigungsgrad

Anteil an ungefrorenem Wasser

Durchlässigkeit

14.4 Geschlossene Bauweisen

933

Für den Erfolg einer Bodenvereisung sollten im Vorfeld zwei Randbedingungen zwingend überprüft werden: – Lage und Temperatureinfluss möglicher Wärmeträger (z. B. Kanäle und Fernwärmeleitungen) – Fließgeschwindigkeit des Grundwassers. Maidl [36] gibt als Obergrenze für die Fließgeschwindigkeit 1 bis 3 m/d an. Nach [20] und [41] bilden sich bis zu einer Fließgeschwindigkeit < 0,5 m/d um die Gefrierrohre radialsymmetrische Frostkörper. Oberhalb von 1 m/d kann ein Zusammenwachsen der einzelnen Frostkörper nur durch Zusatzmaßnahmen (engere Rohrabstände, Abschirmungsinjektionen zur Reduzierung der Fließgeschwindigkeit, Schockvereisung mit flüssigem Stickstoff) gewährleistet werden. Vor Inbetriebnahme der Anlage ist diese zwingend auf absolute Dichtigkeit zu prüfen. Während der Vereisungsmaßnahme muss die Temperatur an allen wichtigen Stellen des Kühlkreislaufes ständig überprüft werden. Temperaturmessungen innerhalb des Vereisungskörpers geben zusätzliche Sicherheit. Ziel der beschriebenen Maßnahmen ist die Herstellung eines tragenden Gewölbes aus vereistem Boden, in dessen Schutz der Tunnel aufgefahren werden kann (Bild 14-59). Weitere Anwendungsmöglichkeiten bestehen in der Ausbildung von Unterfangungen, Stützwänden, Andichtungen und in der Stabilisierung der Ortsbrust bei Reparaturmaßnahmen.

14 Bild 14-59 Bodenvereisung als vorauseilende Sicherung [8]

14.4.9 Ausbau Generell gibt es die Optionen des einschaligen und des zweischaligen Ausbaus. Die Wahl des Systems hängt von den geologischen, geotechnischen und hydrologischen Verhältnissen (und dadurch ggf. auch vom gewählten Bauverfahren) sowie dem späteren Verwendungszweck des Tunnels ab. In der Regel erfolgt die Festlegung auf eines der beiden Systeme anhand einer

934

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, wobei Parameter wie die geplante Nutzungsdauer sowie die Kosten für den Bau, die Unterhaltung und für Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Bei der einschaligen Auskleidung werden die temporären Sicherungsmaßnahmen in die endgültige Auskleidung integriert. Als mögliche Ausführungsvarianten seien hier angeführt: – Spritzbetonschale (ggf. mit zusätzlichem Spritzbetonauftrag für die Auskleidung) – Verbundschale aus Spritzbetonsicherung und Ortbetoninnenschale – Tübbingauskleidung. Ab Wandstärken von 13 bis 20 cm werden Verbundschalen in der Regel günstiger als reine Spritzbetonschalen. Der Vorteil des Spritzbetons liegt jedoch in der hohen Anpassungsfähigkeit und in der variablen Querschnittsgestaltung. Bei der zweischaligen Ausbauvariante werden die Sicherungsschale und die Auskleidungsschale mittels einer dreischichtigen Abdichtung (Schutzvlies, Dichtungsbahn, Schutzfolie) voneinander getrennt. Prinzipiell kann die Sicherungsschale statisch berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch die Gewährleistung der dauerhaften Tragfähigkeit (z. B. keine mittragende Wirkung in betonaggressivem Grundwasser). Folgende Optionen stehen bei der zweischaligen Ausbauvariante zur Verfügung: – Spritzbetonsicherung, Abdichtung, Ortbetoninnenschale (bewehrt oder unbewehrt, vgl. Bild 14-60) – Tübbingsicherung, Abdichtung, Ortbetoninnenschale (bewehrt oder unbewehrt). Ortbetoninnenschalen werden mittels Schalwagen in Betonierabschnitten von 5 bis 20 m hergestellt. Vor dem Aufbringen der Abdichtung muss der Ausbruchquerschnitt gereinigt und aufgemessen werden. Girmscheid [20] empfiehlt nach Möglichkeit eine unbewehrte Ausführung. Im Grundwasser bedeutet dies wiederum eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zwischen den Varianten „Abdichtung + unbewehrte Ortbetonschale“ und einer bewehrten weißen Wanne. Zweischaliger Aufbau: Betoninnenschale Abdichtungsfolie Schutzvlies Ausgleichsschicht (Oberflächenglättung) Spritzbetonaußenschale

14 Bild 14-60 Beispiel für einen zweischaligen Aufbau der Tunnelschale [8]

Tübbinge kommen bei maschinellen Tunnelvortrieben zum Einsatz. In der Regel sind dies Fertigteile aus Stahlbeton mit sehr hohen Maßanforderungen. Stahl- und Stahlgusstübbinge werden nur in Sonderfällen (z. B. bei Querschlägen) verwendet. Der Ausbau erfolgt ringweise, wobei ein Ring aus mehreren gleichen Tübbingen, zwei Anschlusstübbingen zum Schlussstein und dem konischen (bzw. keilförmigen) Schlussstein besteht (Bild 14-61). Die

14.5 Bewetterung

935

Ringfuge zwischen benachbarten Ringen kann je nach statischen Gesichtspunkten und Dichtigkeitsanforderungen glatt oder mit Nut-und-Feder ausgebildet werden. Die einzelnen Steine werden mittels des Erektors – ein allseitig schwenkbarer Kranarm – innerhalb des Schildschwanzes versetzt. Da der Ausbruchquerschnitt größer als der Außendurchmesser der Tübbingringe ist (Überschnitt, konischer, sich nach hinten verjüngender Schildmantel, Einbau der Tübbinge innerhalb des Schildmantels), müssen die Tübbingringe für einen gesicherten Lastabtrag allseitig gebettet werden. Die Ringspaltverpressung dient gleichzeitig auch der Reduzierung von Verformungen, Setzungen und Gebirgsauflockerungen. Dieser Ringspalt wird in der Regel mit Zementmörtel verpresst, was ggf. bis zum Erhärten des Mörtels eine Lagesicherung der Tübbinge mit Ringformern erfordert (bei großen, weichen Tübbingen). In trockenem Baugrund kann anstelle der Mörtelinjektion auch eine Ringspaltverfüllung durch das Einblasen von Feinsand oder Perlkies zur Anwendung kommen. Auf die Notwendigkeit von genauen Voruntersuchungen und eine gründliche Ausführungsplanung sei hier nochmals hingewiesen, da eine Anpassung der maschinellen Vortriebsmethoden und der Tübbingbauweise an unerwartete Baugrundverhältnisse kaum möglich ist.

Bild 14-61 Blocktübbinge [8]

In trockenem Baugrund können die Verfahren der Tübbingauskleidung und der Ortbetonschale auch dahingehend kombiniert werden, dass für eine schnelle Befahrbarkeit Sohltübbinge verlegt werden. Die restliche Tunnelauskleidung erfolgt dann in Ortbeton.

14.5

Bewetterung

Belüftung bzw. Bewetterung ist einen sehr wichtigen Bestandteil des Tunnelvortriebs und muss bei der Planung berücksichtigt werden. Arbeiten in Tunnel ist unter extrem hohen Körperbelastungen möglich, wie hohe Feuchtigkeit, niedrige Temperaturen, Lärmbelastung, Staub, Abgase der Vortriebsmaschine usw. Nach §40 BGV C22 sind die unterirdischen Bauwerken so zu belüften, dass: -

ein Sauerstoffgehalt von mehr als 19 Vol.-% vorhanden seien muss die zulässige Konzentration von Gefahrstoffen nicht überschritten werden darf keine explosionsfähige Atmosphäre in gefahrdrohender Menge entstehen werden darf

14

936

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

-

die mittlere Luftgeschwindigkeit des Luftstromes nicht unter 0,2 m/s abfallen und nicht über 6,0 m/s ansteigen darf.

Der Sauerstoffgehalt der Luft muss durch ein Sauerstoff-Messgerät mit Alarmschwelleneinstellung überwacht werden. Falls mit einer natürlichen Belüftung die geforderten Bedingungen nicht erreichen werden könnten, dann ist eine künstliche Belüftung nötig. Eine Natürliche Lüftung ist normalerweise nur für Strecken unter 200m Länge bei genügender Belüftungsdauer ausreichend. Heutzutage wird am Meisten bei kürzeren Strecken auch eine künstliche Belüftung in Kombination mit einer natürlichen Lüftung verwendet, dadurch kann die Belüftungsdauer verkürzt werden. In folgende Tabelle werden die künstliche Belüftungssysteme und Auswahlkriterien zusammengefasst. Tabelle 14.13 Belüftungssysteme und Auswahlkriterien Belüftungssystem

Auswahlkriterien

Drückende Belüftung

Kein Quarzstaub

Saugende Belüftung

Quarzstaub Kein oder sehr weniger Dieselbetrieb

Umkehrbare Belüftung

Kurz bis mittellange Tunnel Staubablagerungsgefahr in Leitungen

Kombinierte Belüftung

Entstaubung von Vortriebsmaschinen Entstauber in Saugleitung

14.6

14

Abdichtung

Die Aufgabe einer Tunnelabdichtung besteht darin, das Bauwerk vor Schäden infolge unbeabsichtigten Wassereintritts und Durchfeuchtung bzw. Wasserverlusts, vor Gefährdung durch aggressive Wässer oder Böden sowie gegebenenfalls vor Chemikalienangriff zu schützen und seine Gebrauchsfähigkeit über die für Tunnel übliche Nutzungsdauer von 100 Jahren und mehr sicherzustellen. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen an Aufbau und Detailgestaltung der Abdichtung einerseits nach der Art der Beanspruchung durch das Wasser und andererseits durch die Art der geplanten Bauwerksnutzung. So kommt der zuverlässigen Funktion einer Abdichtung besondere Bedeutung bei Bauwerken zu, die nach ihrer Erstellung im Sickerwasser und insbesondere im Grundwasser für den dauernden Aufenthalt von Personen (unterirdische Betriebsräume) bestimmt sind oder nur noch schwer bzw. überhaupt nicht mehr für nachträgliche Reparaturen zugänglich sind. Dazu zählen z. B. Tunnel mit hoher Gebirgsüberdeckung oder im Innenstadtbereich mit einer Überbauung. Auch Tunnel oder Tunnelabschnitte zur Aufnahme hochwertiger Anlagen (Steuerungs- und Schaltanlagen) und/oder feuchteempfindlicher Lagergüter gehören zu dieser Kategorie. Hinsichtlich der Gesamtheit aller Anforderungen an eine Abdichtung ist Folgendes zu bedenken: Grundsätzlich ist ein Abdichtungssystem so zu wählen und zu planen, dass es entsprechend den von der geplanten Nutzung vorgegebenen Erfordernissen einerseits und den technischen und wirtschaftlich vertretbaren Möglichkeiten andererseits die optimale Lösung dar-

14.6 Abdichtung

937

stellt. Eine wesentliche Voraussetzung für die richtige Auswahl des Abdichtungssystems ist die verbindliche Angabe von Planungskriterien durch den Bauherrn bzw. die von ihm eingeschalteten Sonderfachleute (Statiker, Bodengutachter, Hydrologe, Betoningenieur, Bauphysiker). Diese Angaben müssen sich auf den höchsten Wasserstand, die Pressung aus anstehendem Gebirge oder Baukörpern im Bau- und Endzustand, das Schwinden, die Bewegungen aus Vortrieb oder infolge von Temperatureinfluss sowie die Setzungen des Bauwerks oder einzelner Bauwerksteile erstrecken. Erst wenn diese Angaben und ergänzenden Erläuterungen zum Bauverfahren und Bauablauf vorliegen, können die konstruktiven Details des Bauwerks im Zusammenhang mit der Wahl des Abdichtungssystems und der zu verarbeitenden Stoffe festgelegt werden. Von daher gesehen haben die einzelnen, nachfolgend abgehandelten, stofflich verschiedenen Systeme durchaus ihre Berechtigung und ihre unterschiedlichen Anwendungsbereiche. Hierzu zählen neben den mit Bitumen verklebten Abdichtungen unter anderem lose verlegte Kunststoff-Dichtungsbahnen und wasserundurchlässiger Beton. Bereits im frühen Stadium der Planung eines Tunnelbauvorhabens sollten alle Baumaßnahmen im Hinblick auf mögliche negative Auswirkungen für das jeweils ausgewählte Abdichtungssystem überprüft werden. Zur Beurteilung sollten Fachfirmen und auf diesem Gebiet erfahrene Ingenieure hinzugezogen werden, um Fehlentscheidungen von vornherein weitgehend auszuschließen. Wegen der besonderen Bedeutung der Abdichtung hinsichtlich der dauerhaften Funktion eines Tunnelbauwerks stellt sicherlich in vielen Fällen die billigste Lösung keineswegs zugleich auch die wirtschaftlichste dar. Vielmehr ist gerade in jüngster Zeit mehr und mehr die Erkenntnis gereift, dass sich eine wohl durchdachte Planung und ein nur geringer Mehraufwand beim Neubau auf längere Sicht positiv auswirken. Sie führen zu einer deutlich angehobenen Bauwerksqualität und damit zu einem verringerten Ausfallrisiko, gleichzeitig aber auch zu einem wesentlich kleineren Unterhaltungsaufwand. Das Versagen einer Tunnelabdichtung – sei es auf Grund von Planungsdefiziten, falsch eingesetzten Materialien oder Ausführungsmängeln – bewirkt immer bauliche und auch volkswirtschaftliche Schäden. Diese Schäden lassen sich weitgehend vermeiden, wenn bereits im frühen Planungsstadium eine fachtechnische Abstimmung zwischen allen Beteiligten erfolgt. Nur bei solch ganzheitlicher Betrachtungsweise lässt sich eine Optimierung in technischwirtschaftlicher Hinsicht erreichen. Vor dem aufgezeigten Hintergrund sind von dem jeweils gewählten Abdichtungssystem folgende Grundforderungen zu erfüllen [25]: – Die Abdichtung muss auf Dauer beständig sein gegen das anstehende Boden-WasserGemisch einschließlich aller darin enthaltenen Chemikalien. Sofern die Gefahr der Beimengung anderer chemischer Substanzen, zum Beispiel aus benachbarten Industrieanlagen besteht, muss sie gegen diese geschützt werden oder nachgewiesenermaßen ebenfalls resistent sein. – Die Abdichtung muss beständig sein gegen alle angrenzenden Baustoffe. Dazu zählen unter Umständen auch Chemikalien, die zur Bodenverfestigung bzw. zur Injektion von zerklüftetem Gebirge oder im Zusammenhang mit Injektionsankern verwendet werden. – Die Abdichtung muss widerstandsfähig sein gegen die zu erwartenden statischen und dynamischen Belastungen im Bau- und Endzustand und gegen die daraus resultierenden Verformungen. Dabei sind die Verhältnisse des Bauwerks, seiner Nutzung und des angrenzenden Gebirges zu berücksichtigen. – Die Abdichtung muss eine ausreichende mechanische Festigkeit bei allen während der Bauausführung und nach der Fertigstellung möglicherweise auftretenden Temperaturen

14

938

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau





– – – –

14

aufweisen. Besonderes Augenmerk ist hier auf Rampen- und Portalbereiche zu richten, wo praktisch von den Außentemperaturen mit Extremwerten im Sommer und Winter ausgegangen werden muss. Das Abdichtungssystem muss im Hinblick auf eine langfristige Funktion bei fachgerechter Handhabung fehlerfrei einzubauen sein. Das setzt nicht zuletzt auch eine möglichst einfache Ausführbarkeit voraus. Bei bahnenartig aufgebauten Systemen muss die Verbindung der einzelnen Bahnen untereinander an den Nähten (Längs- und Querränder) auch im Überkopfbereich zuverlässig und leicht zu erzielen sein. Die Abdichtung muss sich an das Bauwerk anpassen lassen, zum Beispiel im Bereich von Kanten, Kehlen und Ecken. Das bedeutet in der Regel die Notwendigkeit, einerseits das Bauwerk in der Formgebung bestimmter Detailpunkte auf das jeweilige Abdichtungssystem abzustimmen. Andererseits müssen bei der Wahl des Abdichtungssystems die vom Bauwerk her unabdingbaren Randbedingungen wie eine unebene Tunnelleibung beim Sprengvortrieb eines Gebirgstunnels beachtet werden. Die Abdichtung muss reparaturfähig sein, um während der Bauausführung eventuell auftretende Mängel einwandfrei beheben zu können. Die Abdichtung muss entweder mehrlagig aufgebaut oder bei Einlagigkeit hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit zuverlässig prüfbar sein (Hinweise hierzu sind in [19] enthalten). Die Abdichtung darf vom Einbauverfahren her keine besonderen Risiken für Gesundheit und Leben des Arbeitspersonals mit sich bringen. Das Abdichtungssystem muss sich in technischer und stofflicher Hinsicht vertraglich eindeutig beschreiben lassen und die Möglichkeit einer planmäßigen Abnahme durch den Bauherrn oder das von ihm dazu beauftragte Fachpersonal beinhalten.

Die Abdichtung untertägig erstellter Tunnelbauwerke bringt im Vergleich zu Abdichtungen von den in offener Bauweise gefertigten Tunnelbauten eine Reihe zusätzlicher und völlig andersartiger Gesichtspunkte bezüglich Planung und Ausführung mit sich [25]. Dazu zählt vor allem die unausweichliche Notwendigkeit, die Dichtungshaut von innen her einzubauen. Verbunden sind damit stets arbeitstechnisch schwierige Überkopfarbeiten. Abdichtungstechnisch liegen über die gesamte Abwicklung des Tunnelquerschnitts ähnliche Verhältnisse vor wie bei der sogenannten Berliner Bauweise. Hierbei wird das Bauwerk in einer Baugrube ohne seitlichen Arbeitsraum errichtet und somit die Abdichtung im Wandbereich nicht unmittelbar auf den abzudichtenden Baukörper, sondern vor dessen Fertigstellung auf eine besondere Wandrücklage aufgebracht. Dieses zeitliche Nacheinander im Bauablauf bedingt zwangsläufig einen Wechsel der Stützebene für die Abdichtung. Während des Bauzustandes sind Eigengewicht und eventuelle Montagelasten von der äußeren, gebirgsstützenden Tunnelauskleidung oder bei standfestem Gebirge unmittelbar von diesem aufzunehmen. Im Endzustand werden Eigengewicht und Beanspruchung aus Wasserdruck auf die innere Tunnelschale übertragen. Dieser Umlagerungsvorgang muss unbedingt bereits bei den ersten Planungen einer Abdichtung im Untertagebau berücksichtigt werden. Ein weiterer grundlegender Unterschied zum Tunnelbau in offener Baugrube ergibt sich für die Abdichtungsarbeiten im untertägigen Tunnelbau aus dem Baubetrieb. Während bei der offenen Bauweise die einzelnen Arbeitsbereiche für Bodenaushub, Rohbau und Abdichtung im Allgemeinen jeweils getrennt für sich von oben her zugänglich sind, müssen im Untertagebau die aufgezählten Teilarbeiten in vielen Fällen alle von einem einzigen Zugang her erfolgen. Für das Abdichtungsgewerk bedeutet dies insbesondere bei längeren Gebirgstunneln, dass der Transport des abgebauten Gesteins- und Bodenmaterials einerseits sowie der Sicherungs- und Ausbaumaterialien andererseits durch die jeweilige Einbauzone der Abdichtung vorgenommen werden muss. Diese Situation ist bei der Wahl der Abdichtungsstoffe und

14.6 Abdichtung

939

bei der Festlegung des Arbeitsablaufes zu beachten. Bei kürzeren Gebirgstunneln und im innerstädtischen Tunnelbau wird zur Ausschaltung der aufgezeigten Nachteile im Allgemeinen die Abdichtung erst nach Abschluss der Ausbruch- bzw. Vortriebsarbeiten aufgebracht. Schließlich sind im Vergleich zum Tunnelbau in offener Bauweise die meist ungünstigeren Arbeitsbedingungen des Untertagebaus zu erwähnen. Die Mannschaften sind beim Einbau der Abdichtung besonders im Gebirgstunnelbau häufig Feuchtigkeit oder Nässe ausgesetzt. Staub und vor allem Lärm vom Bohr- und Sprengvortrieb sowie von den ständig vorbeifahrenden Transportgeräten lassen sich trotz verstärkter Schutzmaßnahmen nicht immer in erwünschtem Maße von der Abdichtungszone fernhalten. Hinzu kommen Belästigungen durch Spreng- und Dieselabgase. Auch Kälte beeinträchtigt nicht selten die Abdichtungsarbeiten. Derartige Erschwernisse sind bei der Auswahl geeigneter Abdichtungssysteme zu bedenken.

Bild 14-62 Einbau einer wasserdruckhaltenden, über den gesamten Tunnelquerschnitt umlaufenden Abdichtung aus Kunststoff-Dichtungsbahnen mit Hilfe eines Verlegewagens beim Schlossberg Straßentunnel in Dillenburg [5]

Generell hat gerade im Untertagebau mehr noch als beim Tunnelbau in offener Baugrube die Bauweise Einfluss auf Art und Lage der Abdichtung. Dies lassen die folgenden Beispiele erkennen: Der Tunnelbau mit Bohr- und Sprengvortrieb ist im Hinblick auf die Abdichtung vor allem durch die je nach Gebirgsschichtung mehr oder weniger stark ausgeprägte Unebenheit der Tunnelleibung gekennzeichnet. Hier kommen in erster Linie Kunststoffdichtungsbahnen in Betracht. Die Spritzbetonweise (SBW) ist unter anderem gekennzeichnet durch die gebirgsstützende Spritzbetonschale. Auch hier wird in den Fällen, in denen aus Gründen der geplanten Nutzung und/oder der angetroffenen geologisch-hydrologischen Verhältnisse eine Hautabdichtung notwendig erscheint, meist auf eine Kunststoffbahnenabdichtung, zum Beispiel auf PVC weich- oder Polyolefin-Basis zurückgegriffen (Bild 14-62). Zur Stützung der Abdichtungs-

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940

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

haut gegen Wasserdruck wird eine in Blöcken aufgegliederte Ortbetoninnenschale angeordnet. Bei den Stollenbauweisen wirkt sich vor allem das abschnittsweise Einbringen der massiven Ortbetonauskleidung auf die Abdichtungsarbeiten aus. Die Abdichtung kann hier ebenfalls nur in Abschnitten eingebaut werden und besteht vorrangig aus Kunststoffdichtungsbahnen.

14

Bild 14-63 Fugenabdichtung bei Stahlbetontübbingen mit Hilfe von ElastomerFugenbändern. a) Bandprofil, b) Ringfuge, c) Längsfuge [25]

Beim Schildvortrieb werden in der Regel für den Tunnelausbau Tübbinge aus Stahlbeton verwendet. Ein solcher Ausbau weist zahlreiche Fugen auf. Die Abdichtung erfolgt mit Hilfe von Elastomerprofilen, die ringsumlaufend an den Tübbingseitenflächen in eine Nut eingelegt und aufgeklebt werden (Bild 14-63). Anders liegen die Verhältnisse beim Auffahren mit Messerschilden, die einen weitgehend fugenlosen Tunnelausbau aus geschaltem Ortbeton ermöglichen. Hier können – sofern erforderlich – Flächenabdichtungen auf Kunststoffbasis eingesetzt werden.

14.6 Abdichtung

941

Das Vorpressen von Stahlbetonfertigteilen erfordert eine Abdichtung ähnlich wie beim Schildtunnelbau. Zwischen den Elementen werden Elastomerprofile eingebaut. In Sonderfällen wird für die Flächenabdichtung auch eine mechanisch hoch widerstandsfähige Stahlblechhaut gewählt, wobei die Bauwerksfugen nach wie vor mit Elastomerprofilen abzudichten sind (Bild 14-64).

Bild 14-64 Fugenausbildung im Baulos 4/5 der City-S-Bahn in Hamburg. Normalfuge (oben); Fuge im Bereich einer Dehnerstation (unten) [25]

Die verfahrenstechnischen Unterschiede in den aufgezählten untertägigen Tunnelbauweisen sind insbesondere geologisch bedingt. Auch dieser Tatbestand ist bei der Planung einer Abdichtung zu berücksichtigen. So ist beim Felstunnelbau in der Regel nur mit Kluftwasser zu rechnen. Die Abdichtungshaut ist daher nicht umlaufend und wasserdruckhaltend auszubilden und kann dementsprechend in den meisten Fällen im Sohlenbereich entfallen. Das in den Gewölbezonen anfallende Wasser wird auf beiden Seiten des Tunnelquerschnitts am Strossenfuß in längslaufende Drainleitungen und von dort in die Hauptentwässerung geführt. Die anderen Bauweisen werden in Lockergestein bzw. in stark gebrächem Fels (SBW und Stollenbauweisen) angewandt. Dabei ist im Lockergestein häufig ein geschlossener Grundwasserspiegel, Schichten- oder Hangwasser, im Portal- und Rampenbereich auch Stauwasser anzutreffen (Bild 14-65). Diese Beanspruchungsarten durch Wasser erfordern eine den gesamten

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942

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Querschnitt umschließende Abdichtungshaut, die auf den jeweils zu erwartenden hydrostatischen Druck ausgelegt ist. Nur in wenigen Fällen reicht eine Abdichtung gegen nichtdrückendes Tag- oder Sickerwasser aus. Abdichtungen gegen Bodenfeuchtigkeit nach DIN 18195 [12], das heißt gegen im Boden vorhandenes, kapillar gebundenes und durch Kapillarkräfte auch entgegen der Schwerkraft fortleitbares Wasser (Bodenfeuchtigkeit, Saugwasser, Haftwasser, Kapillarwasser) sollten im Untertagebau im Allgemeinen nicht ausgeführt werden. Allenfalls für untergeordnete Bauteile wie Stützwände im Rampenbereich oder Kanalbauwerke außerhalb von Gebirgstunneln, die der Ableitung des im Tunnel gefassten Wassers zur Vorflut dienen, kann eine Abdichtung gegen Bodenfeuchtigkeit genügen.

Bild 14-65 Verschiedene Arten der Wasserbeanspruchung einer Abdichtung [25]

Weitere Hinweise zu Flächenabdichtungen bei Tunnelbauwerken der offenen sowie untertägigen Bauweise enthalten [16], [21], [24], [26], [31] und [32].

14

Bei Anordnung einer wasserundurchlässigen Betoninnenschale sind besondere Vorkehrungen zur Vermeidung von durchgehenden Schwindrissen zu treffen. Dazu zählt neben betontechnologischen Maßnahmen vor allem eine geeignete Fugenteilung in der Innenschale. Zu Beginn der Entwicklung Anfang der 1970er Jahre wurde außerdem eine weitgehende Trennung zwischen Außen- und Innenschale, zum Beispiel durch einen Kalkmilchanstrich als notwendig erachtet, damit keine nennenswerte Verzahnung mit der Innenschale vor allem in Tunnellängsrichtung auftrat. Dies hat sich aber inzwischen als nicht erforderlich herausgestellt. Allgemein sind bei der Herstellung von wasserundurchlässigem Beton die Regeln der DIN 1045 [11] zu beachten. Ergänzend hierzu werden nachfolgend einige Erfahrungen aus dem Münchener U-Bahnbau aufgeführt. Die Innenschale wird aus Beton mindestens der Festigkeitsklasse C25/30 hergestellt in einer Dicke von 30 bis 40 cm bei eingleisigen, und 40 bis 80 cm bei mehrgleisigen Tunneln oder Haltestellentunneln. Der Wasserzementfaktor soll zwischen 0,55 und 0,60 liegen, das Ausbreitmaß des Pumpbetons ≤ 42 cm betragen. Der Zementgehalt wird nach DIN 1045 festgelegt. Die Zuschlagstoffe müssen im Sinne von

14.6 Abdichtung

943

DIN 1045 eine Sieblinie im günstigen Bereich bei einem Größtkorn von 32 mm aufweisen. Die Wassereindringtiefe darf 3 cm nicht überschreiten. Dies setzt neben der Verwendung geeigneter Zemente auch eine gute Verdichtung mit Schalungs- und Innenrüttlern voraus. Die Zugabe bauaufsichtlich zugelassener Betondichtungsmittel trägt ebenfalls zur Erfüllung der genannten Anforderungen bei. Die nach Zustand II ermittelte Betondruckzone muss im Allgemeinen mindestens 15 cm dick sein. Die Betondeckung ist innen auf mindestens 3 cm und außen auf mindestens 4 cm festgelegt. Im Hinblick auf die Wasserundurchlässigkeit darf der Beton für die Innenschale nur bei oberflächentrockener Spritzbetonaußenschale eingebracht werden. Nassstellen sind daher abzuschlauchen oder flächenhaft abzudichten. Die Abschlauchungen werden bis nach Fertigstellung des Innengewölbes offengehalten, um die Innenschale erst nach ausreichender Erhärtung der Belastung durch Wasserdruck auszusetzen. Das Einbringen des Betons muss mechanisch, beispielsweise mit Hilfe von Pumpen oder kontinuierlichen Druckluftförderern, erfolgen. Durch verhältnismäßig dichte Anordnung von Betonieröffnungen in der stählernen Schalung wird ein Entmischen des Betons verhindert. Das Betonieren wird über Blocklängen von 10 m in zwei Abschnitten vorgenommen. Zuerst wird die Sohle hergestellt. Hierfür werden in der Regel nur Stirnschalungen benötigt, um die Dehnungsfuge zwischen den Blöcken abzustellen. Nachlaufend wird mit Hilfe eines auf der fertigen Sohle verfahrbaren Schalwagens das Ulmen- und Firstgewölbe eingebracht. Die Dehnungsfugen werden mittels Kautschuk-Fugenbändern mit seitlich fabrikmäßig anvulkanisierten Stahllaschen abgedichtet (Bild 14-66). An die Stahllaschen werden die längslaufenden Arbeitsfugenbleche mit 250 oder 300 mm Breite und 1 mm Dicke im Übergang von der Sohle zum Ulmengewölbe wasserdicht angeschweißt.

Bild 14-66 Fugenabdichtung im U-Bahnbaulos 03 der Olympialinie in München: Gesamtansicht (links), Fugendetail (rechts) [25]

Zusammenhängende Schalenabschnitte müssen unbedingt ohne Unterbrechung in einem Zug betoniert werden. Um dies in jedem Fall sicherstellen zu können, sind zuvor entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Dazu zählt unter anderem das Vorhalten von Ersatzgeräten und bei Betonherstellung auf der Baustelle die Möglichkeit für ein kurzfristiges Umstellen auf Lieferbeton.

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944

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Nach Erhärten des Gewölbebetons wird im Firstbereich injiziert, um jeglichen Hohlraum zwischen Spritzbetonschale und Innengewölbe kraftschlüssig auszufüllen. Eventuell auftretende stärkere Durchfeuchtungen und Wasserdurchtrittsstellen in der fertigen Tunnelauskleidung müssen abschließend durch Injizieren gedichtet werden. Größere Fehlstellen werden dabei mit Zementsuspension verpresst, kleinere mit chemischen Dichtmitteln. Für letztere müssen die dauerhafte Verträglichkeit mit Beton und Stahl sowie die Unbedenklichkeit ihres Einsatzes in Grundwasser nachgewiesen sein. Nach den langjährigen Münchner Erfahrungen aus einigen 10 km in Spritzbetonbauweise erstellten Streckentunneln muss man auf 100 m Tunnellänge mit etwa 8 bis 10 sanierungsbedürftigen Fehlstellen in der wasserundurchlässigen Betoninnenschale rechnen.

14.7

Belastungen

Allgemein werden unterirdische Bauwerke durch Gebirgsdruck, Wasserdruck, Lasten aus dem Bauverfahren und zusätzliche Lasten (z.B. Fahrzeugverkehr) belastet. Zwei Spannungszustände in Gebirge können unterschieden werden: 1.

Primärer Spannungszustand

2.

Sekundärer Spannungszustand

14

Bild 14-67 Primärer und sekundärer Spannungszustand (Nach [45])

14.7 Belastungen

945

Der primäre Spannungszustand ist die natürliche Spannungsverteilung im Gebirge vor Beginn einer Baumaßnahme im Untergrund. Er ist von der Entwicklungsgeschichte und Gebirgsart abhängig, z.B. Überlagerungsgewicht und tektonischer Druck. Der sekundäre Spannungszustand ist die Spannungsverteilung, die im Gebirge in der Folge einer Baumaßnahme (z.B. Tunnelbau oder Leitungsbau) hervorgerufen wird, hier können Auflockerungs- und Umlagerungsdruck als Beispiel genannt werden. Lastannahmen für die unterirdischen Bauwerke können anhand der analytischen und numerischen Verfahren berechnet werden. Das gewählte Berechnungsverfahren ist Gebirgsart abhängig. Im Festgestein erfolgt der Lastabtrag über Tunnelschale und Gebirge zusammen, dann ist ein analytisches Verfahren nicht mehr möglich und die Belastungen müssen unbedingt numerisch berechnet werden. Im Lockergestein erfolgt der Lastabtrag nur über die Tunnelschale. Für die Auswahl des Berechnungsverfahrens soll untersucht werden, ob ein oberflächennahes oder tiefliegendes Bauwerk vorhanden ist. Bei tiefliegenden Bauwerken wird sich ein Druckgewölbe in Gebirge ausbilden und die Tunnelschale muss einen niedrigeren Überlagerungsdruck tragen. Das Entscheidungskriterium ist die Überdeckungshöhe (H). −

Falls H ˂ 2 B wäre, B ist hier größte Ausbruchsbreite, dann ist das vorhandene unterirdische Bauwerk oberflächennah und die Belastung kann anhand folgender Gleichung berechnet werden [45]:

pv = (H − t) ∙ γs ∙ (1 − n) + t ∙ [γs ∙ (1 − n) + 1 ∙ n] + pv,G + pv,V ph = K 0 ∙ pv pv = Vertikale Belastung ph = Horizontale Belastung pv,G = Erddruck infolge Gebäudelasten pv,V = Erddruck infolge Verkehrslast t = Höhe der Wasserschicht γs = Wichte n = Porenvolumen des Bodens K 0 = Seitendruckbeiwert



Falls H ≥ 3 B wäre, dann wäre ein tiefliegender Tunnel vorhanden. Wie es erwähnt wurde, muss hier die Belastung in der Tunnelfirste wegen Druckgewölbe abgemindert werden. Mit Hilfe des Verfahrens nach Terzaghi und nach Houska können die Belastungen in der vertikalen und horizontalen Richtung berechnet werden. Verfahren nach Terzaghi Terzaghi hatte die Silotheorie auf den Tunnelbau übertragen. Nach der Silotheorie wird ein Druckgewölbe in einem Silo infolge des Wandreibungswinkels und des inneren Reibungswinkels gebildet, dadurch wird der Druck in vertikaler Richtung verringert. Vertikal- und Horizontalspannung nach Terzaghi kann anhand folgender Gleichungen berechnet werden:

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946

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

σ´v =

h h b1 ∙ γ − c´ −k ∙tan φ´∙ 1 −k ∙tan φ´∙ 1 b1 ) + (p + h ∙ γ) ∙ e silo b1 ∙ (1 − e silo 2 k silo ∙ tan φ´

σ´h = ((hü + r) ∙ γ + p) ∙ tan2 (45° −

φ´⁄ φ´ 2) − 2 ∙ c´ ∙ tan(45° − ⁄2)

b1 = r⁄tan(ϑ⁄2) ϑ = 45° + φ´⁄2 σ´v = Abgeminderte Vertikalspannung σ´h = Horizontalspannung b1 = Wirkende Grabenbreite (halbe Silobreite) h1 = Höhe, über die gem. Terzaghi eine Gewölbewirkung auftritt (Maximalwert ist 5 ∙ b1 ) h2 = Höhe, über die es zu keiner Gewölbebildung mehr kommt (Wenn hü ≤ 5 ∙ b1 , dann h1 = hü und h2 = 0) (Wenn hü > 5 ∙ b1 , dann h1 = 5 ∙ b1 und h2 = hü − h1 ) k silo = Seitendruckbeiwert im Silo φ´ = Reibungswinkel des dränierten Boden c´ = Kohäsion des dränierten Bodens γ = Wichte des Bodens (oberhalb Grundwasser γ, unterhalb γ´) p = Oberflächenlast

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Bild 14-68 Erddrucktheorie mit Silowirkung nach Terzaghi (Nach [18])

14.7 Belastungen

947

Verfahren nach Houska Die modernen Tunnelbauverfahren ermöglichen eine Durchführung mit sehr geringen Verformungen und infolge werden die Belastungen in der Firste verringert und auf der anderen Seite erhöhen sich die Belastungen in den Ulmenbereichen. Houska hat das Verfahren nach Terzaghi empirisch modifiziert, wodurch die Ergebnisse besser mit Messergebnissen übereinstimmen konnten.

14 Bild 14-69 Belastungsansatz im Lockergestein nach Houska (Nach [36])

Vertikal- und Horizontalspannung nach Houska kann anhand folgender Gleichungen berechnet werden:

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14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

σ´v =

h h b´1 ∙ γ − c´ −K∙tan φ´∙ ü −K∙tan φ´∙ ü b´1 ) + p ∙ e b´1 ∙ (1 − e K ∙ tan φ´

σ´h = ((γ ∙ hü + p) (1 +

r r φ´ ) − σ´v ∙ + γ. z) ∙ tan2 (45° − ) d´ d´ 2 φ´

−2 ∙ c´ ∙ tan(45° − ) 2

φ´ = 2⁄3 φ c´ = 2⁄3 c σ´v = Abgeminderte Vertikalspannung nach Houska σ´h = Horizontalspannung nach Houska b´1 und d´ = s. Bild 14.69 hü = Überdeckungshöhe K = Seitendruckbeiwert φ = Winkel der inneren Reibung c = Kohäsion γ = Wichte des Bodens (oberhalb Grundwasser γ, unterhalb γ´) p = Oberflächenlast



2 B ≤ H ˂ 3B ist Übergangsbereich und beide Theorien sind hier anwendbar.

14.8

Der Vortrieb kleiner Querschnitte

14.8.1 Allgemeines

14

Der Vortrieb kleiner Querschnitte wird auch als grabenloser Leitungsbau bezeichnet. Es handelt sich somit um Verfahren zum unterirdischen Einbau vorgefertigter Rohre in den Boden durch die Schaffung eines Hohlraums zwischen einem Startpunkt bzw. Startschacht und einem Zielpunkt (Zielgrube bzw. Bergeschacht). Das Auffahren des Hohlraums erfolgt durch Verfahren der Verdrängung, des Rammens, des Bohrens oder Pressens. Das Einbringen der Rohre kann durch Einziehen, Einschieben oder Einpressen bewerkstelligt werden. Die Rohre bilden einen durchgehenden Rohrstrang [1]. Dabei werden sowohl Produktrohre für Abwasser, Gas, Wasser, etc. eingebracht als auch Mantelrohre, die dem Schutz innenlaufender Produktrohre, Kabel, usw. dienen. Es wird zwischen einstufigen und mehrstufigen Verfahren unterschieden, wobei ersteres bedeutet, dass die Rohre während der Hohlraumerstellung eingebracht werden (ein Arbeitsgang). Übergeordnete Regelwerke sind DIN EN 12889 [13] und das nicht verbindliche Arbeitsblatt DWA-A 125 [1]. Die hinsichtlich Baugrunderkundung, Rohrwerkstoffen, Rohrbemessung und vertraglicher Abwicklung geltenden weiterführenden Regelwerke sind z. B. in [29] aufgelistet. Für die Klassifikation des zu durchfahrenden Gebirges gilt DIN 18319. Auf Bahngelände gelten zusätzlich die verschärften Regeln der Ril 836.4501 bis 4505 sowie anderer zusätzlicher, bahnspezifischer Regelwerke. Unbemannte Verfahren sind teilweise nicht zulässig oder bedürfen Sondergenehmigungen (UIG und ZIE).

14.8 Der Vortrieb kleiner Querschnitte

949

Bei der Querung von Bundeswasserstraßen sind ebenfalls besondere rechtliche und technische Grundlagen zu beachten.

14.8.2 Verfahrensübersicht Prinzipiell wird bei der grabenlosen Verlegung von Leitungen zwischen unbemannten und bemannten Verfahren unterschieden. Die unbemannten Verfahren sind wiederum in nichtsteuerbare und steuerbare Verfahren unterteilt. Diese Einteilung entspricht dem Arbeitsblatt DWA-A 125 [1] und DIN EN 12889 [13]. Auf die in Bild 14-70 grau hinterlegten Verfahren wird in den folgenden Unterkapiteln genauer eingegangen.

Bild 14-70 Grabenlose Verfahren [1, 13]

14.8.3 Verfahrenswahl und Vorerkundung Die Entscheidung, welches Verfahren zum Einsatz kommt, fällt bereits in der Entwurfsphase. Als Entscheidungskriterien seien genannt: – Baugrund- und Grundwasserverhältnisse, einschl. Angaben zu etwaigen Hindernissen (Findlinge, Holzreste, tiefreichende Auffüllungen mit Bauschutt, etc.), Wasseraggressivität, etwaigen Altlasten oder Kampfmitteln – Vortriebslänge und Trassenverlauf – Abmessungen und Werkstoffe der Rohre – Umweltaspekte – Bestandsbebauung einschl. genauer Angaben zu Kabeln, Schächten, anderen Rohrleitungen und ehemaligen Baubehelfen (Spundwände, Anker etc.). Die erforderlichen Bodenparameter sind in Tabelle 8 des DWA-Arbeitsblattes [1] aufgelistet. Folgende Empfehlungen werden für die Baugrundaufschlüsse gegeben: – Maximaler Abstand der Aufschlüsse ≤ 50 m – Mindestaufschlusstiefe ≥ 2 m unter Rohrsohle oberhalb des Grundwassers bzw. ≥ 3 m unter Rohrsohle unterhalb des Grundwasserspiegels – Mindestabstand zur Außenkante des Rohrstranges ≥ 5 m, wechselseitig. Hinsichtlich bestehender Anlagen wird ein Beweissicherungsverfahren empfohlen.

14

950

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

14.8.4 Rohrvortrieb 14.8.4.1 Definition und Verfahrensbeschreibung Beim Rohrvortrieb wird der Rohrstrang mit an der Spitze angeordneter, steuerbarer Vortriebsmaschine mittels hydraulischer Pressen aus einem Startschacht in den Zielschacht vorgetrieben [34]. Es handelt sich um ein einphasiges Verfahren (Herstellung des unterirdischen Hohlraums und Einbringen der Rohre in einem Arbeitsgang). Der Vortrieb erfolgt taktweise mit folgenden, sich wiederholenden Arbeitsschritten: – Ausfahren der Hydraulikzylinder, gleichzeitiger Abbau an der Ortsbrust mittels Vortriebsmaschine sowie gleichzeitiges Vorpressen des Rohrstranges samt Vortriebsmaschine – nach Erreichen des maximalen Hubs der Hydraulikzylinder: Einfahren der Hydraulikzylinder – Ablassen des nächsten Rohrstücks in den Startschacht und Ansetzen auf der Lagerkonstruktion. Je nach anstehendem Baugrund können alle Tunnelvortriebsmaschinen gemäß Kapitel 14.4.5 zum Einsatz kommen (vgl. Bild 14-38). In Abhängigkeit der Tunnellänge sind nach Stein [44] für unterschiedliche geometrische Randbedingungen die Verfahren gemäß Tabelle 14.14 gängig. Tabelle 14.14

Gängige Geometrien in Abhängigkeit des Vortriebsverfahrens [44]

Schildtyp

Gängige Geometrie

Mechanische Stützung

Tunnellänge < 1000 m

Flüssigkeitsstützung

L < 500 m für DN 1200 bis L < 2500 m für DN 3000, für Durchmesser < DN 1600 meist Slurryschilde, für Durchmesser ≥ DN 1600 meist Hydroschilde

Erddruckstützung

Bohrdurchmesser > 1400 mm, Vortriebslängen von 300 m bis 2500 m

Die Hauptvortriebspressen sind in der Startbaugrube angeordnet (Bild 14-71). Diese sind symmetrisch über den Rohrquerschnitt verteilt. Eine zentrische Lasteinleitung der Pressenkräfte in das jeweils letzte Rohr wird durch den sogenannten Stahldruckring gewährleistet.

14

Um Kurvenfahrten zu ermöglichen, erfolgt der Ausbruch mit einem gewissen Überschnitt. Dieser darf nach [1] maximal 20 mm betragen (bei der Querung von Bahnanlagen gelten schärfere Grenzwerte). Der Ringspalt wird mit einer Gleit- und Stützflüssigkeit (in der Regel Bentonitsuspension) ausgefüllt, wodurch die Mantelreibung zwischen den Rohren und dem umgebenden Boden verringert wird. Ein positiver Nebeneffekt sind geringere Setzungen. Die Injektionsdrücke müssen ständig überwacht werden. Ein Absacken des Injektionsdrucks kann sowohl durch Undichtigkeiten an den Koppelstellen der Rohre als auch durch ein Abfließen der Suspension auf Grund von Störstellen im Gebirge begründet sein. Um ein Abfließen der Schmiersuspension an der Anschlagwand zu verhindern, ist dort eine Ringspaltdichtung vorzusehen. Diese besteht aus einem Stahlring mit einer oder mehreren, umlaufenden Gummilippen, die allseitig an die Rohre anschließen (Bild 14-72). Dieselbe Konstruktion ist im Bergeschacht an der zu durchfahrenden Wand anzubringen.

14.8 Der Vortrieb kleiner Querschnitte

951

Bild 14-71 Rohrvortrieb [8]

Bild 14-72 Ringspaltabdichtung an der Anschlagwand mittels Dichtungsringen [39]

14.8.4.2 Zwischenpressstationen Mit zunehmender Länge des Rohrstrangs steigt die Mantelreibung zwischen dem Rohrstrang und dem umgebenden Gebirge. Übersteigt die Mantelreibung eine der folgenden Größen, muss eine (oder mehrere) Zwischenpressstation(en), auch Dehner genannt, innerhalb des Rohrstrangs angeordnet werden: – Kapazität der Hauptpressstation – Zulässige Vorpresskraft der Vortriebsrohre – Zulässige Vorpresskraft des Widerlagers im Startschacht.

14

952

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Die Zwischenpressstation ist eine „mitfahrende“ Pressenanlage [39], bestehend aus „mehreren gleichmäßig über den Rohrumfang angeordneten Vorschubzylindern im Schutz eines speziellen Führungsrings“ [1]. Vor und hinter den Vorschubzylindern sind speziell ausgebildete Rohre (Dehnervorlaufrohr und Dehnernachlaufrohr) angeordnet, die zur Aufnahme der konzentrierten Pressenkräfte eine verstärkte Bewehrung erhalten. Der gesamte Rohrvortrieb erfolgt taktweise, wobei zuerst jener Teil des Rohrstrangs vorgepresst wird, der vor der Dehnerstation liegt. Im Anschluss werden die Hauptpressen ausgefahren und gleichzeitig die Dehnerpressen eingefahren, wodurch der hintere Teil des Rohrstrangs vorgeschoben wird. Die Abstände der Dehnerstationen sind vom anstehenden Baugrund abhängig. Maidl [36] nennt Maße zwischen 80 m und 250 m. Zusätzliche Angaben können Tabelle 14.15 entnommen werden. Unterhalb des Grundwasserspiegels können die Dehnerabstände vergrößert werden. Tabelle 14.15

Richtwerte für die Festlegung der Dehnerabstände [39]

Baugrund

Dehnerabstand

Kiese und Sand

30 m bis 40 m

Wechselnde Schichten

40 m bis 80 m

Auf Grund der häufigen Längsbewegungen in zwei Richtungen sind Dehnerstationen hinsichtlich der Dichtung als Schwachpunkte zu sehen. Hier muss bei der Konstruktion besondere Sorgfalt aufgewendet werden. Trotzdem ist eine spätere Lage der Dehner im Bereich von Schächten zu empfehlen. 14.8.4.3 Steuerung und Steuerkorrekturen

14

Die Steuerung der Vortriebsmaschine erfolgt durch Schrägstellen des Schildes bzw. des Bohrkopfs gegenüber den Vortriebsrohren mittels hydraulischer Steuerpressen. Somit müssen die Umlenkkräfte durch horizontale Bettung des Rohrstrangs aufgenommen werden, was einen ausreichend tragfähigen Baugrund erfordert. Die minimal möglichen Kurvenradien sind vom Außendurchmesser der Rohre abhängig. Je kürzer die Rohre, desto kleinere Radien sind möglich. Je länger die Rohre sind, desto geringer ist deren Neigung zu Richtungsabweichungen. Nach Bräutigam [39] sind Kurvenradien zwischen dem 40-fachen bis 70-fachen Rohraußendurchmesser möglich. Zwischen Anschlagwand und Kurvenbeginn sowie zwischen allen Richtungsänderungen sollten gerade Zwischenabschnitte mit einer Mindestlänge des achtfachen Rohraußendurchmessers liegen [1]. Kurvenfahrten sollten bei der Auslegung der Hydraulikpressen berücksichtigt werden, da auf Grund der einseitigen Belastung bis zu 20 % höhere Pressenkräfte erforderlich werden können [36]. Je nach anstehendem Baugrund und der Länge der einzelnen Rohrschüsse neigt der Rohrstrang zu Abweichungen aus der Solllage. Durch eine möglichst engmaschige Vermessung kann dies frühzeitig erkannt werden. Ist eine Korrektur erforderlich, darf keine abrupte Richtungsänderung der Vortriebsmaschine eingeleitet werden, da dies zu einer erhöhten Bruchgefahr der Rohrkanten und damit einer Gefährdung der Dichtigkeit führt! Vielmehr muss die Vortriebsmaschine zwischen dem Punkt, an dem Gegensteuermaßnahmen eingeleitet wurden, bis zum Wirksamwerden dieser Gegenmaßnahmen einen gewissen Reaktionsweg zurücklegen. Dies ist unbedingt auch beim Wiedereinschwenken auf die planmäßige Trasse zu beachten.

14.8 Der Vortrieb kleiner Querschnitte

953

Ursache für Lageabweichungen ist z. B. das Anschneiden harter Gesteinsschichten unter relativ flachem Winkel, was zu einem Entlangschrammen der Maschine führt. Kritisch sind auch weiche Bodenschichten zu sehen, da hier die Maschine zum Absacken neigt. Dies kann jedoch durch vorab hergestellte Rüttelstopfsäulen oder Pfähle unterhalb der Rohrtrasse vermieden werden. Unplanmäßig große Abweichungen hinsichtlich der Rechtwinkligkeit der Rohrstirnflächen können ebenfalls zu Lageabweichungen führen. Da bei Freispiegelleitungen ein Mindestgefälle erforderlich ist, um ein Absetzen von Schwebstoffen und damit ein Zusetzen des Rohres zu vermeiden, sollte für etwaige Richtungskorrekturen eine Gefällereserve von 1 bis 2 % eingeplant werden. 14.8.4.4 Rohre Es werden Rohre mit Innendurchmessern von DN 800 bis DN 4400 vorgepresst. Je nach Durchmesser, anstehendem Baugrund und erforderlichen Kurvenradien betragen die Längen der einzelnen Rohrschüsse zwischen 2 und 5 m. In der Regel kommen Parallelspiegelrohre mit rechtwinkligen Stirnflächen zum Einsatz. Bei Kurvenradien < 150∙DA empfiehlt Bräutigam [39] die Verwendung sogenannter Schrägspiegelrohre. Es können Rohre mit kreisförmigem Querschnitt oder Profilrohre mit vom Kreisquerschnitt abweichenden Innenkanten (z. B. Eiprofile oder Rohre mit Kontrollgang) hergestellt werden. Letztere benötigen jedoch eine verrollungsfreie Zentrierung. Für die Herstellung und Prüfung von Beton-, Stahlbeton- und Stahlfaserbetonrohren gilt DIN EN 1916 [14]. Weitere Anforderungen sind in der Vornorm DIN V 1201 [15] geregelt. Diese fordert für Rohre des Typs 1 eine Mindestbetongüte C35/45 und bei erhöhten chemischen Anforderungen (Rohre des Typs 2) C40/50. In [39] wird jedoch darauf hingewiesen, dass trotz regelkonformer Konstruktion und Bewehrung Risse an den Rohrspiegeln auftreten können, was wiederum Dichtigkeitsprobleme nach sich zieht. Durch eine verstärkte Randbewehrung und ggf. Verbügelung der Spiegel kann diesen Nachteilen begegnet werden. 14.8.4.5 Gradiente Rohrvortriebe sollten nach Möglichkeit mit steigender Gradiente aufgefahren werden. Neben einem selbstständigen Wasserabfluss von der Ortsbrust, sind die Beanspruchungen der Dichtungen durch den hydrostatischen Druck der Schmiersuspension geringer. Bei Neigungen steiler als V:H = 1:2 muss jedoch der Rohrstrang beim Zurückfahren der Hydraulikpressen durch eine zusätzliche Rückhaltevorrichtung gesichert werden, da es sonst zu einem Zurückrutschen des gesamten Rohrstrangs kommen kann. Bei steigender Gradiente sollten unbedingt Haubenschilde verwendet werden [39]. 14.8.4.6 Schächte und Pressenwiderlager Die Start- und Bergeschächte sind nach den gängigen Regelwerken (DIN 1054, EAB, EAU, DIN 4124, etc.) zu bemessen. Oft werden kreisförmige Baugruben hergestellt, die als Kreiszylinderschale tragen. Für den Durchfahrvorgang muss die Schale geöffnet werden. Dieser Zustand sollte genauer untersucht werden, um ein Versagen durch Schalenbeulen (keine Resttragfähigkeit wie z. B. bei Platten) auszuschließen. Das Gleiche gilt für asymmetrisch angeordnete hohe Lasten, wie sie z. B. beim Einheben und Bergen der Vortriebsmaschine (in der Regel mittels schwerem Seilbagger) auftreten.

14

954

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

Um den Einfahrvorgang zu erleichtern, kann auf der Baugrubenseite ein Dichtblock angeordnet werden. Während die Schachtwand durchbrochen wird, kann sich die Vortriebsmaschine auf dem Dichtblock abstützen und „hin- und herpendeln“, wodurch ein Ansteifen der thixotropen Bentonitschmierung verhindert wird. Bei einer Ausführung des Dichtblocks im Düsenstrahlverfahren sind die widerstreitenden Forderungen einer Mindestfestigkeit (für den Abstützvorgang) und einer maximalen Festigkeit (damit der Dichtblock mit der vorhandenen Werkzeugbestückung durchfahren werden kann) einzuhalten. Das Pressenwiderlager muss ebenfalls bemessen werden. Zur Begrenzung der Widerlagerverformungen muss der Ausnutzungsgrad des Erdwiderstands begrenzt werden. Bei Rohrvortrieben im Grundwasser ist besondere Vorsicht geboten. So kann z. B. die Beanspruchung des Pressenwiderlagers zu einer Fuge zwischen Verbauwand und Unterwasserbetonsohle führen, wodurch im ungünstigsten Fall die Baugrube geflutet wird.

14.8.5 Mikrotunnelbau 14.8.5.1 Definition und Unterschied Mikrotunnelbau – Rohrvortrieb Der Begriff Mikrotunnelbau bezeichnet gemäß DIN EN 12889 [13] und Arbeitsblatt DWAA 125 [1] ein einstufiges, ferngesteuertes Verfahren mit vollflächigem Abbau der Ortsbrust durch die Vortriebsmaschine. Die ursprüngliche Begrenzung auf Durchmesser bis DN 1000 gehört der Vergangenheit an.

14

Bild 14-73 Mikrotunnelbau – Varianten der Materialförderung [8]

Grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Materialförderung. Dabei werden folgende Varianten unterschieden (Bild 14-73): – Mikrotunnelbau mit Schneckenförderung

14.8 Der Vortrieb kleiner Querschnitte

– – – –

955

Mikrotunnelbau mit Spülförderung Mikrotunnelbau mit Saugförderung Mikrotunnelbau mit mechanischer Förderung Mikrotunnelbau mit Dickstoffförderung und EPB-Schild.

Bei der Spülförderung gibt es die Optionen der pneumatischen Förderung mittels Luftunterdruck und der hydraulischen Förderung durch eine Stützsuspension. Eine Sonderstellung nimmt das Pipe-Eating-Verfahren ein. Hier wird eine bestehende Rohrleitung mitsamt dem umgebenden Boden abgebaut. Durch eine Verfüllung des ausgedienten Rohres können die Steuerung und die Förderung verbessert werden. 14.8.5.2 Unterschied Mikrotunnelbau – Rohrvortrieb Die bemannten Verfahren des Rohrvortriebs unterscheiden sich von jenen des Mikrotunnelbaus lediglich durch einen permanenten Personaleinsatz innerhalb des Rohrstrangs und/oder der Vortriebsmaschine, wohingegen die Vortriebsmaschine im Mikrotunnelbau ferngesteuert gefahren wird und ein Personaleinsatz zeitlich begrenzt ist (Reparatur etc.). Die Beurteilung, ob ein permanenter Aufenthalt innerhalb des Rohrstrangs zulässig ist (Abgrenzung zwischen bemannten und unbemannten Verfahren), erfolgt auf Grundlage der Mindestlichtmaße innerhalb des Rohrstranges und der Länge des Rohrstranges. In [1] sind unterschiedliche Mindestlichtmaße für permanenten Aufenthalt (bemannte Verfahren) und temporären Aufenthalt (unbemannte Verfahren) angegeben, wohingegen § 42 der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten [7] lediglich die Werte gemäß Tabelle 14.16 vorgibt. Für Druckluftvortriebe empfiehlt [1] nochmals gesonderte Abmessungen für die Schleusenhöhe (≥ 1,60 m), die Höhe der Arbeitskammer (≥ 1,80 m) und für die Bauwerksabschnitte unter atmosphärischem Druck (MLM ≥ 1,40 m). Tabelle 14.16

Mindestlichtmaße gemäß Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten [7]

Länge

Mindestlichtmaß Kreisquerschnitte

Rechteckquerschnitte



Höhe

Breite

L < 50 m

0,80 m

0,80 m

0,60 m

50 m ≤ L < 100 m

1,00 m

1,00 m

0,60 m

L ≥ 100 m

1,20 m

1,20 m

0,60 m

14.8.6 Das HDD-Verfahren HDD ist die Abkürzung für Horizontal Directional Drilling. Dabei wird in einem ersten Schritt eine Pilotbohrung hergestellt. In Lockergesteinen erfolgt der Bodenabbau sowohl hydromechanisch mit gesteinslösenden Wasserstrahlen bzw. Bohrsuspensionsstrahlen, die aus Hochdruckdüsen an der Bohrkopfspitze austreten, als auch mechanisch mittels Schneidelementen. In Fels kommen Bohrmeißel zum Einsatz. Der asymmetrische Bohrkopf beherbergt einen Sender, wodurch eine ständige Ortung möglich ist. Die maximale ortbare Tiefe liegt zwischen 8 und 12 m. Durch die schräge Steuerfläche des Bohrkopfs sind minimale Kurvenradien von 12 m möglich [6]. Alternativ zum Sen-

14

956

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

der-Empfänger-Prinzip kann die Navigation auch mit Hilfe von im Bohrstrang angebrachten Sensoren erfolgen. Die Bohrspülung dient neben dem Aufschneiden des Bodens und dem Austrag des Bohrkleins auch der permanenten Stützung des aufgefahrenen Hohlraums. Es kommen sowohl Bentonitsuspensionen als auch Polymerlösungen zum Einsatz. Nach Erreichen der Zielgrube, wird der Pilotbohrkopf durch einen Aufweitungsbohrkopf, einen sogenannten Reamer, getauscht. Dieser rotiert gegenläufig zum Pilotbohrkopf. Unter gleichzeitigem Spülen wird der Reamer durch die Pilotbohrstrecke zurückgezogen. Je nach Durchmesser der Leitung können mehrere Aufweitungsdurchgänge erforderlich sein. In einem letzten Schritt, wird die vorgefertigte und geprüfte Rohrleitung direkt hinter dem Reamer angehängt und in den Hohlraum eingezogen. Somit müssen die Rohrverbindungen ebenfalls zugfest ausgebildet werden. Nach [6] sollte der Durchmesser des Hohlraums mindestens 30 % größer als der Außendurchmesser der Rohrleitung sein, damit eine allseitige, gleichmäßige Bettung des Rohres durch die Stützsuspension und das Bohrklein gewährleistet ist. Bild 14-74 zeigt das Einziehen des Rohrstrangs und den Reamer. Der gesamte Herstellungsablauf ist in Bild 14-75 dargestellt.

14 Bild 14-74 Einziehen des Rohrstrangs (mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG, © Herrenknecht AG [34])

14.8 Der Vortrieb kleiner Querschnitte

1.)

Festlegen der Bohrachse

2.)

Pilotbohrung

957

Empfänger

Bohrgestänge

Herstellen des Bohrlochs Bohrkopf mit Spülung (mit Sender)

3.)

Aufweitungsbohrung Mehrmaliges Aufweiten mittels Räumer (Aufweitungsbohrkopf)

4.)

Bohrgestänge

Aufweitungskopf

Einziehen Einziehen des Produkt- oder Mantelrohrs mit Hilfe des Räumers

Bild 14-75 Arbeitsschritte beim HDD-Verfahren [8]

Prinzipiell kann das Verfahren in nahezu allen Bodenarten zur Anwendung kommen. Rollige Kiese mit geringem Feinkornanteil sind jedoch ausgenommen, da hier die Stützwirkung der Suspension begrenzt ist, wodurch der Hohlraum vor dem Einziehen der Rohre einstürzen kann. Je nach Größe des Bohrgeräts sind Außendurchmesser bis 2180 mm verlegbar.

14

958

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

14.9 [1] [2] [3]

[4]

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[6] [7] [8] [9] [10]

[11] [12]

14

[13] [14] [15]

[16] [17]

Literatur

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14

960

14 Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau

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[50]

[51] [52] [53]

853.1001 Entwurfsgrundlagen – Allgemeine Regelungen 853.1101 Geotechnische Grundlagen 853.1201 Anforderungen an den Beton 853.2001 Standsicherheitsuntersuchungen 853.4001 Allgemeine Grundsätze für Vortrieb, Sicherung und Ausbau 853.4002 Ausbaubögen als vorübergehende oder dauernde Sicherung 853.4003 Ausbau mit Spritzbeton 853.4004 Ausbau mit Ortbeton 853.4005 Tübbingausbau 853.4101 Abdichtung und Entwässerung 853.4201 Tunnel in offener Bauweise – Gewölbte Tunnel aus Stahlbeton 853.4202 Tunnel in offener Bauweise – Rechteckrahmen 853.5001 Ergänzende Bestimmungen für Bauprodukte und Tunneleinbauten 853.6001 Baudurchführung, bautechnische Bestimmungen und Dokumentation 853.8001 Inspektionen 853.8002 Wartung, Instandsetzung und sonstige Baumaßnahmen an bestehenden Tunneln" 853.9001 Richtzeichnungen Tunnel Saitz, H.-H.: Tunnel der Welt – Welt der Tunnel, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1988 Schad, H., Bräutigam, T., Bramm, S.: Rohrvortrieb – Durchpressung begehbarer Leitungen, Berlin, Ernst & Sohn, 2003 Schäfer, M.: Tunnelbau in Deutschland: Statistik (2016/2017), Analyse und Ausblick; Tunnel 36 (2017), S. 10–21 und Vorjahre seit 1979 Schmidt, H. G., Seitz, J.: Grundbau, Sonderdruck aus dem Beton-Kalender 1998. Berlin, Ernst & Sohn, 1998 Schwarz, J., Meyer, D.: Audi-Tunnel Ingolstadt: Deckelbauweise unter Druckluft in gespanntem Wasser; Forschung + Praxis, Bd. 39, Hrsg. STUVA, Köln; Bauverlag, Gütersloh, 2001 Siedentop, I.: Tunnel in Deutschland; Orell Füssli Verlag, Zürich 1980 Stein, D.: Grabenloser Leitungsbau, 1. Auflage, Berlin, Ernst & Sohn, 2003 Széchy, K.: Tunnelbau, Wien, Springer-Verlag, 1969 Tauber, H.: S-Bahn-Tunnel aus vorgefertigten Teilstücken im Vorpressverfahren; Beton- und Stahlbetonbau 70 (1975) 3, S. 68–70 Tunnelvortrieb mit flüssigkeitsgestützter Ortsbrust, Firmeninformation Babendererde Ingenieure GmbH, Lübeck-Travemünde UN World Urbanization Prospects; The 2007 Revision UNFPA-Weltbevölkerungsbericht 2007 „Urbanisierung als Chance: Das Potenzial wachsender Städte nutzen“, ISBN 978-3-936682-29-8 Unterirdisches Bauen in Deutschland 2000; Bauverlag, Gütersloh, November 1999; herausgegeben von STUVA und DAUB – Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V., Köln, zur STUVA-Tagung ’99 in Frankfurt; Autorenkollektiv; Schriftleitung A. Haack Verordnung über Arbeiten in Druckluft (Druckluftverordnung) vom 04.10.1972 mit Stand vom 18.12.2008, abrufbar unter „http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/drucklv/gesamt.pdf“ Zell, S., Bielecki, R.: The Elbe Road Tunnels in Hamburg – Three Generations of Tunnelling; Tribune-ITA-Newsletter No. 9, January 1999, pp. 11–13 ZTV-ING: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING), Teil 5: Tunnelbau

15

Geotechnik im Hochwasserschutz Helmut Ferrari

15.1

Geotechnische Fragestellungen

Der Hochwasserschutz an Binnengewässern ist von unterschiedlichen Randbedingungen geprägt, die vom Planer zu berücksichtigen sind. Oft sind diese Vorgaben widersprüchlich und müssen in einem Abwägungsprozess zueinander gewertet werden. Die Randbedingungen für einen Hochwasserschutz sind: – – – – – – – –

Hochwassersicherheit/Funktionalität Grundwasser Benutzungen Ökologie Landschaftsbild/Städtebau Planungen Dritter Wirtschaftlichkeit Freizeit und Erholung.

In der Praxis ist es zweckmäßig, für jede Hochwasserschutzmaßnahme eine Matrix mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Leitbilder zu erstellen. Der Hochwasserschutz an Binnengewässern findet in vom Menschen geprägten Raum statt. Selten sind Flächen ohne Einfluss und Nutzung durch die Gesellschaft zu finden. Neben dem Schutz der Menschen, deren Sachgütern, den Kulturgütern, des öffentlichen und privaten Lebens ist es ein Ziel des Hochwasserschutzes, den Eingriff zu minimieren und eine in allen Belangen zufriedenstellende und akzeptable Lösung zu finden. Dieses Ziel ist auch eine der Grundlagen für die Durchsetzbarkeit von Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz. Zur Umsetzung des Hochwasserschutzes werden mehrere Strategien verfolgt und Schutzsysteme entwickelt bzw. miteinander kombiniert (Tabelle 15.1). Aus technischer Sicht sind dies: – Bau von Schutzbauwerken (Deiche, Mauern, mobile Wände etc.) – Rückhalt in der Fläche (Deichrückverlegungen, Polder, Rückhaltebecken) – Ab- bzw. Umleitungen (Entlastungstollen, Flutmulden). Tabelle 15.1 Strategien und Schutzsysteme zum Hochwasserschutz an Binnengewässern Hochwasservorsorge

Hochwasserrückhalt

Technischer Hochwasserschutz

Flächenvorsorge

Rückhalt in der Fläche

Deiche und Mauern

Bauvorsorge

Deichrückverlegungen

Mobile Schutzsysteme

Hochwassernachrichtendienst Aktivierung von Überflutungsflächen

Hochwasserrückhaltebecken

Organisationsvorsorge

Wildbachverbauungen Flutmulden Entlastungstollen

Schaffung von Poldern

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_15

962

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Für den Bau bzw. die Ertüchtigung dieser Schutzsysteme und die Berücksichtigung der genannten Randbedingungen ergeben sich aus Sicht der Geotechnik unterschiedliche Aufgabenstellungen und Anforderungen. Hierbei werden nicht nur die Errichtung von neuen Systemen, sondern auch die Ertüchtigung, Sanierung und Einbeziehung von bestehenden Schutzbauwerken und Bebauungen angestrebt (Tabelle 15.2). Die erforderlichen Schutzbauwerke werden gemäß der vorgefundenen Randbedingungen gestaltet, dies sind der geologische Aufbau bestehender Deiche und des Untergrundes, die generellen geologischen Verhältnisse, Grundwasserverhältnisse, Gründungen, räumliche Verhältnisse (Platzbedarf), Einstauzeiten (Ablaufzeit der Hochwasserwelle) und die entsprechenden Bau- und Unterhaltungskosten. Tabelle 15.2 Geotechnische Fragestellungen Bauwerke

Geotechnische Fragestellungen

Deiche Sanierung/Neubau

– – – – – – – –

Mauern (fest/mobil)

– Gründung – Grundwasserbeeinflussung – Sicherheit gegen Unterströmung

Gebäudewände

– – – –

Rückhaltebecken

– Analog zu Deichbauwerken

Umleitungen/Flutmulden

– Erosion – Standsicherheiten global/lokal – Grundwasserbeeinflussung

Ermittlung der Bodenkennwerte Standsicherheiten global/lokal Gründung Durchströmung/Unterströmung/Sickerwasseranfall Sicherheit gegen Erosion/Suffosion Aufbau/Dammbaumaterialien Dichtungen (Innendichtung, Oberflächendichtung etc.) Grundwasserbeeinflussung

Gründung Unterfangung von Gebäuden Sicherheit gegen Unterströmung Auftriebssicherheit

Die Grundlage für die Bemessung der Schutzbauwerke ist das Bemessungshochwasser einschließlich eines Sicherheitszuschlags, des sogenannten Freibords.

15

Ein Großteil der heutigen Deichbaumaßnahmen sind keine Neubauten, sondern Erhöhungen und Ertüchtigungen vorhandener Deiche, die historisch über mehrere Bauphasen entstanden sind. Oft sind die Baumaterialen direkt aus dem Fluss und dem Vorland gewonnen und mit den damals eingeschränkten Möglichkeiten verdichtet worden. Nach abgelaufenen Überflutungen oder Hochwasserereignissen wurden die bestehenden Deiche dann durch weitere Anoder Aufschüttungen entsprechend erhöht. Die Sanierung dieser Altdeiche erfordert daher zuerst genaue Kenntnis über das vorhandene Bauwerk und dessen geotechnischen Aufbau. Ein Ziel im Rahmen der Sanierung von Deichbauwerken besteht in der Verbesserung der Standsicherheit und Zugänglichkeit, insbesondere bei Hochwasserereignissen zur Kontrolle und Verteidigung . Neben der Änderung der Geometrie (Verbreiterung, Erhöhung) werden oft nachträgliche Dichtungsmaßnahmen vorgenommen. Mögliche Maßnahmen und Verfahren sind in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben.

15.2 Grundlagen geotechnischer Planungen

963

Ferner werden Strategien verfolgt, dem Fluss wieder mehr Raum zu geben, was eine Rückverlegung der Deiche erfordert. Der Hochwasserschutz an der Küste und an Tidegewässern wird hier nicht explizit betrachtet. Es können jedoch viele der nachfolgend genannten Regeln und Nachweise auf die Situation an der Küste und an Tideflüssen übertragen werden. Darüber hinaus sei auf die EAK 2002, Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Küstenschutzbauwerke“ verwiesen.

15.2 15.2.1

Grundlagen geotechnischer Planungen Baugrund und Grundwasser

Bei Hochwasserschutzmaßnahmen im Binnenland zeigt sich oft ein gleicher Aufbau des Untergrunds. Unter der Vegetationsnarbe finden sich häufig Auelehme und Hochflutablagerungen mit höherer Dichtigkeit auf tertiären Sand- und Kiesgemischen unterschiedlicher Mächtigkeit. Regional können in eingeschnittenen Flusstälern auch in geringer Tiefe feste Flinzlagen oder andere dichte Felsformationen angetroffen werden. Der genaue Aufbau des Untergrundes ist durch ein geotechnisches Untersuchungsprogramm zu erkunden. Für das Untersuchungsprogramm eignet sich z. B. eine Kombination aus Bohrungen, Schürfen und Rammsondierungen. Die gewonnenen Bodenproben sind bodenmechanisch zu bestimmen. Der Abstand der direkten Aufschlüsse sollte dabei 100 m nicht unterschreiten. Zur Bestimmung des Untergrunds werden auch Kombinationen mit geophysikalischen Verfahren angewandt. Die Deichaufstandsfläche sollte tragfähig sein. Die Gefahr des Gleitens oder Spreizen des Deichkörpers muss ausgeschlossen sein. Die Tragfähigkeit des Untergrundes kann durch technische Maßnahmen erhöht werden. Dies ist besonders bei höheren Dämmen zu beachten. Zum Beispiel erfordert der Bau von großen Hochwasserrückhaltebecken solche Maßnahmen, da diese meist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen oder Auen entstehen und hier oft schlecht tragfähige Untergründe angetroffen werden. Möglichkeiten hierzu sind das Einbringen von Vertikaldrains, Vorbelastungen, Bodenaustausch, Geogitter, Bodenverbesserung oder das Einfräsen von KalkZementgemischen. Darüber hinaus können bei Bauwerken noch weitere Gründungsverfahren des Spezialtiefbaus zur Vermeidung von Setzungen erforderlich werden. Die Flüsse haben oft direkten Einfluss auf den Grundwasserstand, entweder infiltrieren sie in den Untergrund oder sie wirken als Drainage. Besonders im Hochwasserfall bewirken die erhöhten Wasserstände der Gewässer ein Anheben der Grundwasserstände. Hinzu kommt, dass an den Gewässern liegende Kommunen oft ihr Trinkwasser aus dem örtlichen Grundwasser beziehen. Der Einfluss durch in den Untergrund eindringende Dichtwände ist daher kritisch zu betrachten. Ein klassisches Abdichten des Untergrundes zur Vermeidung einer Unterströmung und dadurch resultierende Änderungen der Grundwasserstände ist in vielen Fällen nicht gestattet. Die Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel sind detailliert zu untersuchen. Durch die Abdichtung des Untergrundes kann ein schnelles Absenken der Grundwasserstände nach abgelaufener Hochwasserwelle verhindert bzw. verzögert werden, dies kann ein zusätzliches Schadenspotenzial darstellen.

15

964

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Durch das Befüllen von Hochwasserrückhalteräumen und Polderflächen kommt es in der Regel zu einem Anstieg der Grundwasserstände. An den großen Rheinpoldern z. B. sind daher Schöpfwerke vorgesehen, die den Grundwasseranstieg beschränken. Sie pumpen das Wasser aus luftseitigen Sickergräben oder Altarmen zurück in den Polder und halten somit den Grundwasserstand auf unschädlichem Niveau. Je nach Untergrund und Dauer des Hochwasserereignisses erfolgt entsprechend schnell der Anstieg des Grundwassers. Von besonderer Bedeutung ist dies bei der Rückverlegung von Deichen. Falls Deiche in Richtung zur vorhandenen Bebauung verlegt werden, sind die Auswirkungen der Grundwasserverhältnisse zu prüfen (Bild 15-1). Rückverlegter oder Polderdeich Schäden möglich GW-Drucklinie

Neue GW-Drucklinie

HQ

MQ Auelehm

Grundwasserleiter

Bild 15-1 Veränderung der Grundwasserverhältnisse bei Deichrückverlegung bzw. Polderflutung

15.2.2

Bestandsbauwerke

Bestehende Bauwerke müssen gerade beim Hochwasserschutz in der Planungs- und Ausführungsphase besonders berücksichtigt werden. Nicht selten handelt es sich dabei um ältere und schützenswerte Bauwerke, die vor einem Hochwasserereignis geschützt werden müssen (Bild 15-2). Dabei sind meistens spezielle geotechnische Lösungen erforderlich, die eine optimale und unscheinbare Einbindung der bestehenden Gebäude in den Hochwasserschutz erzielen sollen. Deichbauwerke sind hier auf Grund ihres großen Platzbedarfes meistens nicht mehr geeignet. Somit kommen oft spezielle Untergrundabdichtungen, Unterfangungen oder Mauern zum Einsatz. Diesbezüglich wird auf den nachfolgenden Abschnitt verwiesen, der die einzelnen Systeme zum Hochwasserschutz näher beschreibt.

15

Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen eine Bebauung bereits direkt an einen zu sanierenden Deich anschließt oder aus Gründen der Ästhetik oder mangelnder Platzverhältnisse verlangt wird, erforderliche Bauwerke (z. B. Pumpwerke oder Sielbauwerke) in das Deichbauwerk zu integrieren. Hierdurch wird das homogene Deichgefüge gestört und es sind besondere Maßnahmen zu treffen, die ein Versagen im Hochwasserfalle verhindern (z. B. erhöhte Verdichtung, Gebrauch von Bentonit, Einbau eines Lehmschlags, Anschluss von Spundwänden). Ein eigenes Sachgebiet bilden dabei Leitungsquerungen, Düker etc. an, in oder unter Deichen.

15.2 Grundlagen geotechnischer Planungen

965

Bild 15-2 Beispiele für Maßnahmen im Bereich von Bestandsgebäuden

15.2.3

Maßgebende Einwirkungen

15.2.3.1 Belastungen und Versagensmechanismen Die Hochwasserschutzbauwerke sind unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt, die bei den Standsicherheitsberechnungen berücksichtigt werden müssen (Tabelle 15.3). Die Belastungen eines Deiches sind auf verschiedene Einflüsse zurückzuführen. Abhängig von den Belastungen ergeben sich die möglichen Schadensursachen bzw. Versagensmechanismen. Tabelle 15.3 Belastungsmechanismen Äußere Einflüsse

Wasserstand, statischer Wasserdruck, Wellenhöhe, Eis, Sickerströmung, Schiffstoß, Verkehrslasten, Wühltiere, Durchwurzelung

Innere Einflüsse

Baugrund, Deichbaustoffe (Erosion, Suffosion), Filterstabilität, Verformungen, Setzungen,

Menschliche Einflüsse

Bemessung, Bauausführung, Deichunterhalt

Je nach Situation und Lage des Deiches können die Verkehrslasten variieren. Hier kann dahingehend unterschieden werden, ob der Deich z. B. nur im Hochwasserfall zur Deichverteidigung befahren wird oder ob die Deichkrone als größere Straße ständig genutzt wird. In den meisten Fällen ist es ausreichend, die sonst unbefahrene Deichkrone mit einer Verkehrslast von P = 16,0 KN/m2 zu belasten. Dies entspricht dem ehemaligen Lastbild der Fahrzeugklasse SLW 30 nach DIN 1072. Somit ist die Deichverteidigung im Hochwasserfall durch Befahrung von entsprechend schweren Fahrzeugen sichergestellt. Das DWA Merkblatt 507-1 gibt für Verkehrslasten folgende Empfehlungen für Wege an Deichen: – 33 kN/m2 für befestigte Deichverteidigungswege – 16 kN/m2 für sonstige Wege und Verkehrslasten – 5 kN/m2 für Kronen und Bermen ohne Fahrwege

15

966

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Außerdem müssen bei der Dimensionierung die Durchströmung, das Aufweichen sowie längere Einstaudauern einbezogen werden. Längere Einstaudauern können die Sickerlinie im Deichbauwerk ansteigen lassen, was sich negativ auf dessen Standsicherheit auswirkt. Die Unterströmung der Deichbauwerke spielt hinsichtlich des Auftriebes und des anstehenden Bodens eine besondere Rolle. Sind die Auftriebskräfte stellenweise größer als die Gewichtskraft des Bodens (unter Auftrieb), kann es zum hydraulischen Grundbruch kommen. Diesen Belastungen ist bei der Gestaltung von Deichen entsprechend Rechnung zu tragen, um ein Versagen auszuschließen. Es gibt unterschiedliche Versagensarten bei Deichen: – – – – – –

Böschungsbruch Überströmen Hydraulischer Grundbruch Gleitversagen Setzungen/Sackungen Erosionsgrundbruch/Rückschreitende Erosion.

Die einzelnen Versagensarten sind in den folgenden Abbildungen dargestellt.

Bild 15-3 Versagensszenarien an Deichen, nach Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft 2003, Hinweise zur Deichverteidigung und Deichsicherung

15

15.3

Systeme

15.3.1

Deiche

Die Deiche an Binnengewässern verlaufen meist parallel zur Flussachse. Sie sind entweder dauerhaft eingestaut wie Stauhaltungsdämme im Bereich von Flusskraftwerken oder als reine Flussdeiche und Schutzbauwerke nur bei einem Hochwasserereignis eingestaut. Für Stauhaltungsdämme gilt die DIN 19700, Teil 13, Flussdeiche werden nach DIN 19712 bemessen (Bild 15-4). Stauhaltungsdämme oder kurz Dämme sind im Gegensatz zu Deichen ständig eingestaut. Daneben gibt es noch Dämme an Bundeswasserstraßen. Hierfür hat die Bundeswasserstraßenverwaltung eigene Richtlinien (z. B. Merkblatt Standsicherheiten von Dämmen an Bundeswasserstraßen – MSD – der Bundesanstalt für Wasserbau) erlassen. Außerdem gibt es noch Dämme, die im Rahmen von Hochwasserrückhaltebecken errichtet werden, siehe hierzu Abschnitt 15.3.4.1.

15.3 Systeme

967

Es wird je nach Funktion in drei unterschiedliche Hauptdeicharten unterschieden. – Volldeiche – Rückstaudeiche – Polderdeiche. Einzelne Hochwasserschutzmaßnahmen können aus einer Kombination der verschiedenen Deiche bestehen. Zudem gibt es noch eine Vielzahl von Deichen mit unterschiedlicher Funktion, diese sind in DIN 19712 beschrieben (z. B. Notdeich, Ringdeich, Qualmdeich). wasserseitige Böschung HQB

Freibord

MW Vorland

Deichkrone

Luftseitige/landseitige Böschung ≥ 3,0 m

luftseitige Böschung Deichhöhe

DeichseitenDeichhinterweg auf Berme Deichfuß graben

Deckschicht (Auelehm etc.)

≥ 3,0 m

luftseitige Böschung

Kies/Sand Gemisch Deichlager

Bild 15-4 Deichquerschnitt nach DIN 19712

Die Gestaltung der Deiche richtet sich nach den vorgefundenen Randbedingungen: – – – – – – –

Topographie Fluss- und Talverlauf Hydraulische Bedingungen Untergrundverhältnisse Landschaftliche, ökologische und städtebauliche Anforderungen Kosten Vorhandene Nutzungsansprüche, Flächenverfügbarkeit.

Darüber hinaus spielen die Einstauzeit bzw. die Dauer der Hochwasserwelle eine Rolle bei der Wahl des Deichbaumaterials und der Entscheidung, eine Innendichtung einzubauen. Diese Entscheidung wirkt sich auf die Dimensionierung der Sickerwasserleitungen und mögliche Schöpfwerke aus. Bei idealen Platzverhältnissen sollten die Deichböschungen 1:3 oder flacher sein, um eine gute Einbindung in das Gelände zu garantieren. Wechselnde Querprofile und geschwungene Linienführung begünstigen ebenfalls die Einbindung in das Gelände bzw. das Landschaftsbild. An der Küste sind noch flachere Böschungsneigungen wie z. B. 1:6 vorteilhaft. Grundsätzlich verlaufen die Deiche parallel zum Gewässer, scharfe Krümmungen sind zu vermeiden. Leider sind gerade in bebauten Gebieten Flächen in nicht ausreichendem Umfang oder nur zu sehr hohen Preisen verfügbar. Selbst bei landwirtschaftlich genutzten Flächen sind Konflikte zur Flächenverfügbarkeit gegeben. Daher werden die Deichböschungen oft steiler gewählt, um den räumlichen Platzverhältnissen gerecht zu werden und die Durchsetzbarkeit zu gewährleisten (Bild 15-5). Die Standsicherheit der Böschungen muss in jedem Fall nachgewiesen werden. Grundsätzlich gilt jedoch: Je flacher die Deichböschung, desto standsicherer ist sie.

15

968

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Bild 15-5 Links: landseitig gekappter Böschungsfuß am Hochwasserschutzdeich an der Donau; rechts: mit Hilfe von Geogittereinlagen sehr steil ausgeführte Deichböschung wasserseitig zum Neckar

Allgemein gültige Regelquerschnitte sind daher kaum zu finden und müssen immer den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. So unterscheidet sich z. B. ein Aufbau eines Deiches an der Oder erheblich von einem Schutzdeich an der Mangfall bei Rosenheim in Oberbayern. Es werden jedoch von verschiedenen Bundesländern Regelprofile vorgegeben, z.B. Nordrhein-Westfalen für den Rhein. Dies Regelprofile werden dann an die Örtlichkeit angepasst.

15.3.2

HWS-Mauern und HWS-Wände

Hochwassermauern kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Platzverhältnisse sehr begrenzt oder aus städtebaulicher Sicht keine anderen Lösungen erwünscht sind. Sie sind im Regelfall aus Beton und können aus ästhetischen Gründen mit Naturstein verkleidet oder mit Matrizenschalungen gestaltet werden. Sie stehen entweder allein, werden auf bestehende Deiche aufgesetzt, um diese platzsparend zu erhöhen oder werden in Kombination als Stützmauer geplant (siehe Bild 15-6). Je nach statischen Anforderungen und Platzverhältnissen werden Hochwasserschutzmauern als Winkelstützmauern, Schwergewichtmauern oder einfache vertikale Mauern mit entsprechender Gründung konstruiert (Bild 15-7). Die Gründung erfolgt gegebenenfalls über einen Kopfbalken, der auf Spundwänden, Bohrpfählen (überschnitten oder aufgelöst) oder Verpresspfählen aufsitzt.

15 a)

b)

c)

Bild 15-6 Typen von Hochwasserschutzmauern a) freistehend; b) aufgesetzt; c) vorgesetzt

15.3 Systeme

969

Bild 15-7 Ausführungsbeispiele für eine Hochwasserschutzmauer

Hochwasserschutzmauern sind wasserdichte, standsichere Mauern, die in bestehende Bauten oder Neubauten integriert und in die Architektur eines Gebäudes eingegliedert werden. Bei bestehenden Gebäuden bilden sie oft Vorsatzschalen, die vor der eigentlichen Gebäudewand stehen und ein sich selbst tragendes System bilden. In Ausnahmefällen kann die Hochwasserschutzmauer innerhalb des Gebäudes errichtet werden, dies erfordert jedoch einen hohen technischen und finanziellen Aufwand. Besonders bei denkmalgeschützten Anlagen (Häusern, Stadtmauern etc.), bei denen die originale, historische Struktur der Wände erhalten bleiben soll, oder in städtebaulich sensiblen Bereichen kommen solche Lösungen zum Ansatz (Bild 15-8).

a)

Bild 15-8

b)

c)

Varianten von Hochwasserschutzmauern bei Gebäuden a) Vorsatzschale, b) innenliegend, c) ersetzend, Gründung bzw. Untergrundabdichtung nach Bedarf

Neben der Verstärkung der vorhandenen Bausubstanz muss auch die Gründung und Abdichtung des Untergrundes betrachtet werden. Es gibt hier keine generellen Lösungen. Jedes Gebäude muss hinsichtlich seiner vorhandenen Bausubstanz und Gründung eingehend untersucht werden, um eine individuell angepasste Lösung zu finden.

15

970

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Es ist zu prüfen, ob die Bodenplatte des Gebäudes dem Auftrieb standhält oder durch technische Maßnahmen (Verankerungen, Bohrpfähle etc.) abgefangen werden kann bzw. die Abdichtung vollkommen sein muss. Die Schutzmauern müssen gegebenenfalls in den Untergrund weitergeführt werden, um ein Unterspülen zu verhindern und den anstehenden Wasserdruck aufnehmen zu können. Bei Neubauten können notwendige Hochwasserschutzmauern bereits als Bestandteil der Konstruktion in das Gebäude integriert werden (Bilder 15-8c und 15-9). Die Durchbrüche in den Wänden für Fenster oder Türen sind entsprechend druckdicht auszuführen oder mittels Einbau geeigneter Rahmen für ein Verschließen im Hochwasserfall mittels Dammbalken oder Tafeln vorzusehen. Notwendige Fugen in den Hochwasserschutzmauern und Wänden sind durch den Einbau von Fugenbändern bzw. Fugenblechen druckwasserdicht auszuführen.

Bild 15-9 Hochwasserschutzmauer der Leopoldineninsel in Neuburg an der Donau, Abwicklung der Mauer von rechts nach links als Vorsatzschale, freistehend und im Gebäude integriert

15.3.3

15

Mobile Systeme

Auf dem Markt gibt es verschiedene Anbieter für unterschiedliche mobile Hochwasserschutzsysteme. Es werden Konstruktionen aus Aluminium, Stahl, Holz, Kunststoff oder Gummi angeboten. Sie werden temporär und wasserdicht für die Zeit der Hochwasserbedrohung aufgebaut. Neben den ortsungebundenen Systemen (Big Packs, Sandsäcke etc.) benötigen die planmäßigen und ortsgebundenen Systeme eine permanente Vorkehrung und Installationen am Einsatzort, um den kraftschlüssigen Verbund zu gewährleisten. Die derzeit verfügbaren Systeme lassen sich in die nachfolgenden Gruppen klassifizieren (Tabelle 15.4).

15.3 Systeme

971

Tabelle 15.4 Verfügbare mobile Hochwasserschutzsysteme Standardsysteme

Dammbalkensysteme und Torsysteme

Sondersysteme

– – – –

Klappbare Systeme Vertikal aufschwimmende Systeme Schlauchsysteme Glaswandsysteme

Am weitest verbreiteten sind Dammbalkensysteme aus Aluminium. Hierbei werden Alustützen auf einer Bodenplatte festgeschraubt, zwischen die Stützen werden dann die Dammbalken eingelegt und verspannt. Mobile Systeme kommen immer dann zum Einsatz, wenn man auf feste Systeme verzichten will, um keine Einschränkung von Sichtbeziehungen und Verkehrsflüssen oder negativen Eingriffe auf Architektur und den Tourismus, etc. zu haben. Das ist besonders bei historischen Städten der Fall. Um notwendige Aufbauzeiten zu minimieren oder einen festen Basisschutz zu gewährleisten, können auch Kombinationen von festen Mauern und mobilen Systemen zur Ausführung kommen. Entweder werden zwischen Deichbauwerken oder Mauern nur Lücken gelassen, die mobil zu verschließen sind, z. B. um einen Dorfplatz zu erhalten oder ein statisch fester Sockel/Mauer wird um einen Anteil mit mobilen Elementen erhöht, z. B. an Uferpromenaden. Da mobile Systeme gelagert, gereinigt und aufgebaut werden müssen, sind entsprechende Fragestellungen zur Logistik, Lagerung, Transport, Aufbau und Personal zu klären. Bei der Dimensionierung und Planung von mobilen Systemen ist daher deren Einsatz zu optimieren und die Möglichkeiten zur Reduzierung hinsichtlich Länge, Höhe, Aufbauzeiten etc. auszuschöpfen. Bei kurzen Vorwarnzeiten, z. B. in alpinen Einzugsgebieten, sind mobile Wände grundsätzlich in Frage zu stellen.

15

Bild 15-10 Probebetrieb des fahrbaren Hochwasserschutztors in Dresden (Quelle: HPI Dresden)

972

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Des Weiteren kommen diese Systeme zum Einsatz, wenn eine andere technische Lösung nicht möglich ist, z. B. bei Straßenquerungen oder Deichdurchfahrten. Alternativen können auch bewegliche Sperrtore aus Stahl sein (Bild 15-10). Aus geotechnischer Sicht sind bei Einsatz von mobilen Systemen nachfolgende Fragestellungen zu beantworten/beachten: Baugrund

– Dichtigkeit – Abdichtung im Untergrund erforderlich und möglich – Filterstabilität des Untergrundes

Gründung

– Tragfähigkeit des Untergrundes – Sind Tiefgründungen erforderlich und/oder notwendig? – Setzungen

Die mobilen Wände müssen dem statischen Wasserdruck, dem Eisdruck und einem möglichen Anprall (Treibgut, Bäume etc.) standhalten. Diese Kräfte werden über die Stützen in die Bodenplatte in den Untergrund abgetragen. Die Gründung erfolgt mittels eines Kopfbalkens, in dem die Bodenplatten der Stützen kraftschlüssig einbetoniert worden sind. Falls statisch erforderlich, erhält der Kopfbalken eine Tiefgründung (z. B. aus Bohrpfählen oder Spundwänden), die bei hohen Durchlässigkeiten des Untergrunds auch gleichzeitig zur Untergrundabdichtung herangezogen werden kann. Bei einem aufgesetzten mobilen System wird die Bodenplatte in die zu „erhöhende“ Hochwasserschutzmauer einbetoniert. Weitere Ansätze für die Planung und Bemessung mobiler Systeme finden sich im BWK Merkblatt „Mobile Hochwasserschutzsysteme“ [8].

15.3.4

Rückhaltebecken und Flutpolder

15.3.4.1 Hochwasserrückhaltebecken

15

Hochwasserrückhaltebecken dienen dazu, die Abflusskurve zu kappen und den Abfluss zeitlich zu verzögern. Die Abflussspitzen werden gekappt und somit wird die Höhe der Hochwasserwelle reduziert. Die gepufferten Wassermassen werden mit nachlassender Hochwasserwelle für die Unterlieger unschädlich abgegeben. Notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen am Gewässer unterhalb des Rückhaltebeckens können dadurch geringer ausfallen. Die Größe des Beckenvolumens und damit die Rückhaltekapazität des Beckens sind entscheidend für die Reduktion des Abflusses. Die benötige Kapazität kann durch ein großes Becken oder durch eine Reihe hintereinander geschalteter Becken erreicht werden. Es ist zu beachten, dass die Abflusshöhen im gedrosselten Gewässer reduziert werden, die Einstauzeit von Deichen unterhalb des Beckens wird jedoch durch die längere Ablaufwelle erhöht. Somit wird die vollständige Sättigung des Deichquerschnitts gefördert. Die Verlängerung der Einstauzeit kann folglich zum Aufweichen der Deiche und der daraus resultierenden Standsicherheitsproblematik führen. Rückhaltebecken werden im Hauptschluss (Aufstau im Gewässerverlauf) oder Nebenschluss (Aufstau seitlich des Gewässers) betrieben. Die Füllung bzw. Wirkungsweise der Becken erfolgt entweder gesteuert mit regulierbaren Einlauf- und Auslaufbauwerken oder ungesteuert, beim Erreichen eines zuvor definierten Wasserspiegels über eine Überlaufschwelle. Nur gesteuerte Rückhaltebecken erlauben eine optimale Regulierung des Abflusses (Bild 15-11).

15.3 Systeme

973

Gesteuert

Ungesteuert Q max. Basisabfluss

≥ 3, 0 m luf tse iti ge B ös ch un g

T

T

Bild 15-11 Wirkungsweise der Abflussreduzierung bei gesteuertem und ungesteuertem Becken

Neben den Trockenbecken, bei denen der Stauraum nur im Hochwasserfall gefüllt wird, gibt es auch Becken mit Dauerstau, die zusätzlich zum permanent gefüllten Grundsee ein Zusatzvolumen zur Hochwasserbewirtschaftung vorhalten. Bei diesen Becken gelten erhöhte Anforderungen an Bau und Betrieb. Die Grenze zu Talsperren ist hier fließend. Für die Bemessung, den Bau und Unterhalt von Rückhaltebecken gilt die DIN 19700. Verschiedene Bundesländer wie Baden-Württemberg haben darüber hinaus Regelwerke zur Anwendung der DIN 19700 für Hochwasserrückhaltebecken veröffentlicht. Rückhaltebecken bestehen in der Regel aus Erddämmen und aus einem Ein- bzw. Auslaufbauwerk, das auch aus einem Kombinationsbauwerk, das die Füllung und Entleerung regelt, bestehen kann. Bei ungesteuerten Becken kann die Füllung des Stauraumes über eine Überlaufschwelle oder eine Drossel erfolgen. Für die Dammbauwerke der Rückhaltebecken gelten zunächst die gleichen Planungsgrundsätze wie für Hochwasserschutzdeiche. Die Höhe der Dammbauwerke kann von wenigen Metern bis > 15 m reichen. Die Dämme der Rückhaltebecken sind in der Regel höher als bei Flussdeichen, daher ist beim Bau besonders auf die Qualität der Ausführung, des Einbaus und der Verdichtung des Bodenmaterials zu achten. Ferner sind hohe Anforderungen an den Untergrund der Deichaufstandsfläche zu stellen. Die Regulierungsbauwerke sind in das Dammbauwerk integriert, daher ist neben den klassischen Tragsicherheitsnachweisen (Setzungen, Kippen, Gleiten) und Gründungsfragen auch die Vermeidung von Sickerwegen an den Trennflächen zwischen Betonbauwerk und Erdbauwerk zu beachten. Zur Verlängerung bzw. Vermeidung von Sickerwegen bieten sich konstruktive und einbautechnische Maßnahmen an: – – – – – –

erhöhte Verdichtung Einstreuen/Einbau von Bentonit Anstriche aus Bentonit konstruktive Ausbildung von Dichtungsspornen Einbau von Spundwänden, die am Betonbauwerk angeschlossen werden Neigung der Bauwerkswände.

15

974

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

15.3.4.2 Flutpolder Flutpolder haben eine ähnliche Wirkungsweise wie Rückhaltebecken im Nebenschluss, auch sie sollen die Wassermassen der Abflussspitzen senken, puffern und verzögert und schadlos abgeben. Es gibt sie ebenfalls gesteuert oder ungesteuert. Bei Deichbauwerken, die das Gewässer zum Flutpolder abgrenzen (Trenndeich), ist bei der Konstruktion zu beachten, dass ein beidseitiger Einstau stattfindet und sich die Ausbildung der Sickerlinie je nach Betriebszustand in beide Richtungen ausbildet. Daher wird im Regelfall eine Innendichtung angeordnet. Neben dem Trenndeich kann ggf. noch ein Absperrdeich notwendig werden, der den Flutpolder, sofern nicht durch einen natürlichen Geländeanstieg realisierbar, begrenzt.

15.3.5

Flutmulden und Entlastungstollen

Eine weitere Möglichkeit die Hochwassergefahr für bebaute Gebiete zu verringern, ist die Vorbeileitung der Hochwasserwelle am besiedelten Gebiet mittels Flutmulden oder Stollen. Dabei werden die Wassermassen vor der zu schützenden Bebauung aufgeteilt. Die Wassermengen, die das bestehende Gewässer nicht mehr schadlos fassen kann, werden mit Hilfe eines Regulierungsbauwerks in die Flutmulde bzw. den Entlastungstollen abgeschlagen. Im Gegensatz zu den Stollen stellen Flutmulden relativ kostengünstige Varianten dar. Zum Bau von Flutmulden sind hauptsächlich nur einfache Erdbewegungen notwendig. Im Gegensatz dazu ist der Bau von Stollen sehr teuer. Geologische Risiken sind schwieriger abzuschätzen, daher kommt diese Lösung nur in begründeten Ausnahmefällen zur Anwendung. Flutmulden können sehr einfach hergestellt werden, es sind lediglich die Standsicherheiten der Böschungen und die Erosionsstabilität nachzuweisen. Sie werden entweder ungesteuert, durch feste Überflutungsschwellen, betrieben oder mittels Wehrbauwerken gezielt geflutet. Da Flutmulden sehr viel Platz benötigen, kommt es in der Praxis auch vor, dass der Flächenverbrauch durch den Einsatz von senkrechten oder leicht geneigten Wänden minimiert wird.

15.4 15.4.1

15

Hydrologische und hydraulische Bemessungsgrundlagen Bemessungswasserstand

Die Höhe der Schutzsysteme richtet sich nach dem Bemessungswasserstand bzw. Bemessungshochwasser HQB, denen eine statistische Jährlichkeit (Wiederkehrintervall T n) zu Grunde liegt. Die Wahl der Jährlichkeit hängt vom Schutzgrad bzw. von der Schadensfunktion ab (Tabelle 15.5). Normalerweise wird beim Hochwasserschutz und dem Schutz von bebauten Flächen und Industrieanlagen von einem 100-jährlichen Hochwasserereignis ausgegangen. Bei unbebauten Flächen mit geringem Schadenspotenzial kann davon abgewichen werden. Die hydrologischen Grundlagen zu den einzelnen Gewässern und Abflüssen bzw. Wasserhöhen der entsprechenden Jährlichkeit werden in Deutschland von den zuständigen Behörden der Länder verwaltet und können dort erfragt werden. Grundsätzlich darf der vorhandene Schutzgrad nicht verschlechtert werden. Die Festlegung des Wiederkehrintervalls beinhaltet somit, dass kein absoluter Hochwasserschutz gegeben ist, sondern nur ein Schutzgrad definiert wird. Es kann durchaus vorkommen, dass höhere Wasserstände als das gewählte Bemessungshochwasser erreicht werden. Um den

15.4 Hydrologische und hydraulische Bemessungsgrundlagen

975

Deich bei entsprechend höheren Wasserständen vor der Überströmung zu schützen (Deichverteidigung), sind entsprechende Vorkehrungen bei der Gestaltung der Deiche zu treffen. Eine unkontrollierte Überströmung kann zu Erosion auf der Landseite und schließlich zum Deichbruch führen. Tabelle 15.5 Objektkategorien und mögliche Zuordnungen von Schadenspotenzialen sowie Anhaltswerte für das Wiederkehrintervall nach DWA-507-1 bzw. DIN 19712 Objektkategorie

Schadenspotenzial

Anhaltswert für das maßgebende Wiederkehrintervall Tn in Jahren1)

Sonderobjekte mit außergewöhnlichen Konsequenzen im Hochwasserfall

hoch

in Einzelfall zu bestimmen

Geschlossene Siedlungen

hoch

etwa 1002)

Industrieanlagen

hoch

etwa 1002)

Überregionale Infrastruktur

hoch

etwa 50 bis 100

Einzelgebäude nicht dauerhaft bewohnte Siedlungen

mittel

etwa 25

Regionale Infrastruktur

mittel

etwa 25

Landwirtschaftlich genutzte Flächen3)

gering

etwa 5

Naturlandschaften

gering



1) Die jährliche Wahrscheinlichkeit entspricht dem reziproken Wert des Wiederkehrintervalls. 2) In der Praxis sind auch Wiederkehrintervalle bis zu 500 a begründbar und bereits umgesetzt worden. 3) In der Regel ist eine der Situation angepasste Landwirtschaft zu betreiben.

Es können auch Maßnahmen vorgesehen werden, die eine gezielte Überströmung ermöglichen, bei denen das Wasser in Polderräume mit geringem Schadenspotenzial kontrolliert einfließen kann (Flutpolder). Beim Fehlen solcher Möglichkeiten kann im Katastrophenfall ein geplanter Deichbruch notwendig werden, wie beim Elbehochwasser im Jahr 2002 mit einer gezielten Sprengung von Deichen geschehen. Auf der Basis numerischer Simulation (z. B. Finite-Elemente-Methode) können mit Hilfe einoder zwei-dimensionaler hydraulischer Berechnungsmodelle Abflussberechnungen für die Wasserstände und die Fließgeschwindigkeiten an jedem Querschnitt berechnet werden. Zusätzlich wird zur NN Höhe des Bemessungswasserstandes ein Sicherheitszuschlag (Freibord) addiert. Durch die Klimaveränderung und die daraus zu erwartende Erhöhung der Starkniederschlagsereignisse wurde bei vereinzelten Hochwasserschutzmaßnahmen bereits ein Klimazuschlag in Höhe von 10 bis 15 % berücksichtigt. Eine allgemeingültige Festlegung für einen Klimazuschlag ist derzeit nicht bekannt.

15.4.2

Freibord

Der Freibord beschreibt den senkrechten Abstand zwischen der Deichkrone und dem Bemessungshochwasserstand. Der Freibord ist eine Funktion des Wellenauflaufs, des Windstaus und eines Sicherheitszuschlags. Windstau und Wellenauflauf sind unter anderem abhängig von der Böschungsneigung und der Windrichtung. Der Sicherheitszuschlag berücksichtigt Ungenauigkeiten bei der Ermittlung des Bemessungshochwassers.

15

976

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Die Freibordberechnung kann anhand des DVWK-Merkblattes 246/1997 erfolgen. Der Freibord setzt sich dabei aus den Komponenten Wellenauflauf hAu, Windstau hWi, Eisstau hEi und einem Sicherheitszuschlag hSi zusammen: f = hAu + hWi + hSi ( +hEi )

Bild 15-12, entnommen dem DVWK-Merkblatt 246/1997, stellt die Zusammensetzung des Freibords graphisch dar. hSi: hAu: hWi:

Sicherheitszuschlag Wellenauflauf Windstau

f

hWe

½ hWe

Bild 15-12 Zusammensetzung des Freibords (gemäß DVWK-Merkblatt 246/1997)

Weitere Möglichkeiten zur Ermittlung des Freibords mit Windstau und Wellenauflauf werden im DVWK-Merkblatt 209 sowie bei Poweleit (1985) genannt (Tabelle 15.6). Grundsätzlich kann in Deutschland mit einem Freibord von 1 m gerechnet werden. Bei festen oder mobilen Hochwasserwänden kann das Freibordmaß auch reduziert werden, es sollte 0,50 m jedoch nicht unterschreiten. Tabelle 15.6 Internationaler Vergleich von Freibordmaßen nach Poweleit (1985)

15

Land

Freibord an Flussdeichen [m]

Deutschland

0,5 – 1,0

Kanada

0,6 – 1,5

Österreich

1,0 – 3,0

Schweiz

0,3 – 1,3

Ungarn

1,0 – 1,5

Alternativ können Mindestfreibordhöhen in Abhängigkeit von der Deichklasse (DK) auch nach Tabelle 1 DWA-Merkblatt 507-1 bestimmt werden (Tabelle 15.7). Tabelle 15.7 Mindestfreibordhöhen nach DWA-Merkblatt 507-1 Flussdeiche der Klasse DK-II und DK-III

0,50 m

Flussdeiche der Klasse DK-I (bis 3,00 m Deichhöhe)

0,50 m

Flussdeiche der Klasse DK-I (über 5,00 m Deichhöhe)

1,00 m

15.5 Deiche

15.5

977

Deiche

15.5.1

Aufbau und Baustoffe

Der Aufbau und die Wahl der Baustoffe werden von den örtlichen Gegebenheiten und weiteren Randbedingungen bestimmt. Speziell bei Deichsanierungen sind oft Einschränkungen durch den vorhandenen Deich, z. B. dessen Materialien, die jeweilige Bauart und die Querschnittgestaltung gegeben, auf die der Ingenieur zu reagieren hat (Tabelle 15.8). Die Querschnittgestaltung von Hochwasserschutzdeichen resultiert oft aus einem Kompromiss zwischen Platzverhältnissen, Baustoffen und erforderlichen Standsicherheiten. Tabelle 15.8 Maßgebende Elemente bei der Deichgestaltung Deichelemente

Konstruktionsmerkmale

Kronenweg

Breite ≥ 3,00 m, besser 3,50 m Querneigung ≥ 2 % oder gewölbt befahrbar frostsicher

Böschungen

falls möglich 1:3 oder flacher bzw. nach Standsicherheitsnachweis (üblich 1:2 bis 1:3) bei engen Platzverhältnissen Kappung der landseitigen Böschung möglich. Sicherung durch: Mauern, Gabionen, Steinsatz Vegetationsschicht: 10–25 cm wasserseitig

Deichhinterweg

Breite ≥ 3,00 m falls kein Richtungsverkehr möglich: – Ausweichstellen alle 400 m, mind. 25 m lang – Wendeplätze

Deichschutzstreifen

land- und wasserseitig bei Deichen mit geringer Bedeutung 3-4 m, ansonsten ≥ 5,00 m

Rampen

maximal 1:10, besser 1:15

Viehdriften

in der Regel 1:5 oder flacher

Bermen

wasser- und landseitig möglich Mindestbreite: – befahrbar ≥ 3,00 m – ansonsten ≥ 1,00 m Neigung ≥ 2 %

Bei der Schüttung von Deichen ist darauf zu achten, dass eine gleichmäßige Verdichtung über das gesamte Planum der einzelnen Schüttlagen erfolgt, dazu werden im Regelfall Überprofile geschüttet, die bei der Profilierung der Deichböschungen wieder zurückgebaut werden. Das Deichmaterial wird in Lagen von 20 bis 30 cm eingebaut. Die Kontrollen der Verdichtung bzw. der vorgegebenen Proctordichte wird anhand der gängigen Verfahren vorgenommen. Lastplattenversuche ermöglichen eine schnelle und zuverlässige Beurteilung der Verdichtung vor Ort. Die Deichkrone soll im Normalfall befahrbar sein, daher erhält sie einen Deichkronenweg mit entsprechend frostsicherer Schottertragschicht.

15

978

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Nach der Profilierung des Deiches erfolgt die notwendige Begrünung. Diese dient auf der Wasserseite als Erosionsschutz und muss eine dichte Grasnarbe vorweisen. Der Humusauftrag darf daher 10 cm nicht unterschreiten. An südlichen Luftseiten werden oft vom Naturschutz Magerrasenflächen gefordert, für die der Humusauftrag auf wenige Zentimeter (ca. 5 cm) begrenzt bleibt. Diese Gestaltung birgt jedoch eine erhöhte Erosionsgefahr beim Überströmen in sich. Bei der Wahl des Saatgutes ist neben den Vorgaben der Ökologie, die Ausrichtungen der Böschungsflächen (z. B. Süd- und Nordseite) zu beachten. Hochwasserschutzdeiche werden entweder aus einem einzigen Bodenmaterial (homogen) oder aus verschiedenen Materialien mit verschiedenen Bodeneigenschaften (zoniert) geschüttet. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit wird das Schüttmaterial meist aus der näheren Umgebung gewonnen. Darüber hinaus können durch die Verwendung von künstlichen Baustoffen, wie Geotextilien etc., die Verhaltensweise des Bauwerks positiv gestaltet werden bzw. mangelnde Eigenschaften des vorhandenen Schüttmaterials kompensiert werden. Die Deichböschungen werden in den meisten Fällen mit Neigungen zwischen 1:1,5 und 1:3 ausgebildet. Hinsichtlich der Standsicherheit und Funktion gilt: je flacher, desto besser. Eine Möglichkeit, besonders steile Deichböschungen zu erzielen, ist der Einsatz von Geogittern. Durch ihren Einsatz kann die natürliche Scherfestigkeit des Schüttmaterials erhöht und gleichzeitig die Erosionsgefahr günstig beeinflusst werden. Die Breite der Deichkrone sollte 3 m nicht unterschreiten, ratsam sind mindestens 3,50 m, um die Befahrbarkeit der Deichkrone zu ermöglichen. Die Deichkrone ist mit einem Gefälle von 2 % zur Wasserseite zu versehen. Gleichzeitig sollte ein landseitiger Dammweg (= Deichhinterweg) für Unterhalt und Verteidigung im Hochwasserfall vorgesehen werden. Die Breite sollte analog zur Kronenbreite mindestens 3,00 m, besser 3,50 m, betragen. Der Deichhinterweg muss auch im Einstaufall von schweren Fahrzeugen befahrbar sein. Es ist zweckmäßig, den Deichhinterweg auf einer luftseitigen Berme anzuordnen, dann übernimmt die Berme, bei entsprechender Wahl des Schüttmaterials, gleichzeitig die Funktion als Fuß- bzw. Auflastfilter. Bermen erhöhen grundsätzlich die Standsicherheit und erleichtern den Unterhalt. Falls kein Ringverkehr möglich ist, sind Ausweichstellen und Wendemöglichkeiten (Wendehammer) vorzusehen. Die Höhe der Deiche richtet sich nach dem Bemessungswasserstand und dem dazugehörigen Freibord (vgl. Kap. 15.4.2). Mögliche Setzungen sind durch entsprechende Überhöhung des Deiches zu kompensieren. Zur Querung von Deichen sind Deichrampen erforderlich, ihre Neigung sollte nicht steiler als 1:10 sein. Bei Viehtriften können die Neigungen in der Regel mit 1:5 ausgeführt werden. Um das trotz der vorhandenen Dichtungsweise des Dammbauwerks anfallende Sickerwasser (sogenanntes Qualmwasser) geordnet zu sammeln, ist am luftseitigen Böschungsfuß eine Drainage anzuordnen. Sie ist nach DIN 19712 auf das Doppelte der errechneten Wassermenge auszulegen.

15

15.5.1.1 Homogener Deich Bei einem homogenen Deich besteht der Deichkörper aus einem einzigen Bodenmaterial, das zugleich die Trag- und Dichtungsfunktion übernimmt. Neben dem landseitigen Böschungsfuß ist der Deichhinterweg (DHW) vorzusehen. Homogene Deiche sind in der Praxis zu vermeiden. Es sollte für den Querschnitt mindestens ein 2-Zonen-Deich angestrebt werden.

15.5 Deiche

979

DHW

Auelehm

Kies-Sand-Gemisch

15.5.1.2 2-Zonen-Deich Der Querschnitt des 2-Zonen-Deichs besteht aus dem dichtenden Stützkörper und dem landseitigen, stark durchlässigen Dränkörper. Dieser kann im Deichfuß eingebaut werden oder gleichzeitig die Basis für den Deichhinterweg bilden. Zone II Dränkörper Zone I Stützkörper

DHW

Auelehm

Kies-Sand-Gemisch

15.5.1.3 3-Zonen-Deich Der 3-Zonen Deich besteht aus einer wasserseitigen Dichtungsebene, einem Stützkörper, der die Standsicherheit gewährleistet und dem luftseitigen Dränkörper. Zusätzlich kann die Abdichtung im Untergrund unvollkommen oder vollkommen, d. h. bis zur Einbindung in die nächste undurchlässige Bodenschicht erfolgen. Zone I Dichtkörper Zone II Stützkörper

Zone III Dränkörper DHW

Auelehm

ggf. Untergrundabdichtung

Kies-Sand-Gemisch

15 Der Durchlässigkeitsbeiwert k des Dichtungselements sollte mindestens zwei Zehnerpotenzen kleiner als die des Stützkörpers sein. Die wasserseitige Dichtung kann aus geeignetem bindigem Material oder geosyntethischen Tondichtungsbahnen hergestellt werden. Die Überdeckung der Dichtung sollte mindestens 80 cm (Frostsicherheit) betragen, um ein Austrocknen und die hieraus mögliche Rissbildung zu vermeiden.

980

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

15.5.1.4 Untergrundabdichtung Je nach den Randbedingungen bzw. der Durchlässigkeit des Baugrunds kann bei allen gezeigten Deichquerschnitten der Einbau einer Abdichtung des Untergrunds notwendig werden. Diese Abdichtung unterschiedlich ausgeführt und vollkommen oder nur teilweise erfolgen. Die Untergrundabdichtung kann mittig des Deiches oder als Verlängerung der Dichtung am wasserseitigen Fußpunkt ausgeführt werden, wie es exemplarisch in Bild des 3-Zonen Deichs gezeigt wird.

15.5.2

Dichtungssysteme

Das Dichtungssystem soll die Durchlässigkeit des Deiches vermindern, gleichzeitig muss es dauerhaft, erosions- und witterungsbeständig sein. Im Normalfall werden Dichtungssysteme auf der Basis wirtschaftlicher und technischer Randbedingungen gewählt. In Tabelle 15.9 sind die wichtigsten Gesichtspunkte für die Auswahl von Dichtungssystemen zusammengetragen. Tabelle 15.9 Kriterien für die Wahl des Dichtungssystems Aspekte

Randbedingungen

Technisch

– Aufbau und Beschaffenheit des Deichkörpers – Aufbau und Beschaffenheit des Untergrundes – Statische Anforderungen an die Dichtung – Zugänglichkeit – Herstellbarkeit: Befahrbarkeit des Untergrundes bzw. Deichkörpers, Lärmschutz, Emissionen und Erschütterungen (z. B. innerhalb von Bebauungen) – Unwägbarkeiten und Hindernisse im Untergrund – Anforderungen an den Anschluss an bestehende Dichtungselemente oder Bauwerke

Wirtschaftlich

– Bauzeit – Einheitskosten pro m2 – Gesamtvolumen/-fläche (m2) der Dichtungsmaßnahme – zeitliche und technische Flexibilität bei der Herstellung

15.5.3

Oberflächendichtungen

15.5.3.1 Mineralische Dichtungen

15

Mineralische Dichtungen bestehen aus natürlichen Bodenmaterialien, deren Durchlässigkeitsbeiwert k höchstens 10–7 m/s betragen sollte. Am wasserseitigen Deichfuß sollte die Dichtung als Sporn ausgebildet und in den anstehenden Untergrund eingebunden werden (Einbindetiefe ≥ 1,0 m). Bei entsprechenden Randbedingungen sollten parallel mit der Einbindung der Dichtung in den Untergrund eine Wurzelschutzfolie und/oder eine Wühltiersperre (Bibergitter etc.) eingebracht werden. Beim Bau der mineralischen Dichtung ist auf eine gute Verzahnung mit dem Stützkörper zu achten.

15.5 Deiche

981

Mineralische Dichtung

Dränkörper

Verzahnung

Sporn

DHW

Stützkörper Auelehm

ggf. Untergrundabdichtung

Kies-Sand-Gemisch

Wesentliche Kennwerte für die Planung und Ausführung der mineralischen Dichtung sind in Tabelle 15.10 angegeben. Tabelle 15.10 Kennwerte für die Planung und Ausführung mineralischer Dichtungen Systemdurchlässigkeit k [m/s]

≤ 10–7

Hydraulischer Gradient imax [–]

≤5

Setzungsunterschiede Δ s/l [–]

≤ 0,05

Dicke [m]

≥1

Schüttlage hSL [m]

0,20 – 0,40

Verdichtungsgrad DPr

≥ 95 %

15.5.3.2 Geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD)/Bentonitmatten Bei geosynthetischen Tondichtungsbahnen (GTD) oder umgangssprachlich Betonitmatten handelt es sich um zwei Geotextilbahnen mit zwischenliegender Bentonitschicht (Na- oder Ca-Bentonit). Es gibt inzwischen eine Reihe von Herstellern, die diese Produkte mit unterschiedlichen Eigenschaften (z. B. Betonitgehalt, Gewicht etc.) herstellen und vertreiben.

Aufbau

Oberboden/Vegetationsschicht 10–25 cm Schutzschicht ca. 60 cm GTD Unterlage ca. 20 cm oder Geotextil

Wühltiersperre Wurzelschutz Stützkörper

DHW

Auelehm

Kies-Sand-Gemisch

Bei der Produktauswahl ist auf die Prüfnachweise zu den angegebenen Eigenschaften des Produkts zu achten (Tabelle 15.11). Ein großer Vorteil der Dichtungsbahnen ist der schnelle und unkomplizierte Einbau, der hohe Tagesleistungen zulässt.

15

982

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Bild 15-13 Verlegung einer geosynthetischen Tondichtungsbahn (GTD) mit Einbindung in den Untergrund und Anschluss an eine Betonmauer bei der Deichsanierung im Englischen Garten in Neuburg an der Donau

Die Tondichtungsbahnen werden gemäß den Herstellervorgaben unter Einstreu von Bentonit überlappend verlegt (Bild 15-13). Wie bei der mineralischen Dichtung sollte die Dichtungsbahn am wasserseitigen Deichfuß in den Untergrund einbinden. Ferner sollten wie bei der mineralischen Dichtung die Schutzmaßnahmen gegen Durchwurzelung und Wühltierbefall getroffen werden. Tabelle 15.11 Anhaltswerte für die anzustrebenden Kennwerte einer Geosynthetischen Tondichtungsbahn (GTD) Systemdurchlässigkeit k [m/s]

~ 10–9

Dicke [cm]

~1

Deckschicht [m]

≥ 0,80

Überlappung [m]

≥ 0,30

Bentonitmenge [g/m2]

≥ 4.500 (Na) ≥ 8.000 (Ca)

Böschungsneigungen bis

~ 1:2,0

15.5.4

Innendichtungen

15.5.4.1 Verfahrensübersicht

15

Eine weit verbreitete Praxis beim Neubau und besonders bei der Sanierung bestehender Deiche ist der Einbau einer Innendichtung, bzw. die nachträgliche Verbesserung des anstehenden Bodenmaterials (Bild 15-14). Die Innendichtung wird dabei nachträglich in den neu errichteten oder vorhandenen Deich eingebaut. Die gängigsten und wirtschaftlichsten Verfahren sind: – Erdbetonwände bzw. Bodenvermörtelung – Schmalwände – Spundwände. Darüber hinaus können folgende Verfahren zur Anwendung kommen: – Einphasendichtwand – Zweiphasendichtwand – Bohrpfahlwand.

15.5 Deiche

983

Stützkörper

DHW

Auelehm

Kies-Sand-Gemisch

Bild 15-14 Deich mit Innendichtung

Diese stellen jedoch im üblichen Deichbau eher die Ausnahme dar und werden aus wirtschaftlichen Gründen nur in Ausnahmefällen (z. B. große Tiefen, gleichzeitige Gründung von Schutzeinrichtungen, erhöhte Sicherheitsanforderungen) eingesetzt. Die vorgenannten Verfahren sind auch dazu geeignet, mit entsprechenden Zusatzmaßnahmen Lasten in den Untergrund abzutragen, und dienen somit als Gründungsmaßnahmen für mobile oder feste Wände. Die Unterkante der Innendichtung kann bei entsprechenden Grundwasserverhältnissen auch gestaffelt ausgeführt werden („Grundwasserfenster“), um einen Aufstau oder eine Behinderung der Grundwasserströme zu verhindern. Außerdem wird die Innendichtung nicht bis zur Deichkrone geführt. Will man einen dichten Deich bis zur Kronenhöhe erreichen, muss man auf der Wasserseite zusätzlich dichtes Material einbauen. Eine ähnliche Problemstellung ergibt sich bei beim Kronenweg, der auf Grund seiner Frostbeständigkeit mit durchlässigem Material aufgebaut wird. Es ist zu beachten, dass für die meist schweren Arbeitsgeräte zur Einbringung einer Innendichtung eine entsprechend ausreichende Arbeitsebene vorhanden ist. Die Breite der Deichkrone zum Einbau sollte 4 m nicht unterschreiten. Nachfolgend werden die unterschiedlichen Methoden und Verfahren kurz beschrieben, weitere Hinweise zu den unterschiedlichen Verfahren finden sich in Kapitel 8 und 9. 15.5.4.2 Erdbetonwände/Bodenvermörtelung Neuere Verfahren für die Ausführung einer Innendichtung bzw. die Sanierung bestehender Deiche ist das Einbringen einer Erdbetonwand. Hierbei wird das Bindemittel gezielt in den Untergrund eingebracht und mit dem anstehenden Bodenmaterial, das als Zuschlagstoff dient, homogen vermischt. Unterschiedliche Spezialtiefbaufirmen haben hierzu technische Möglichkeiten zur Vermischung zwischen Bindemittel und Boden entwickelt. Die Voraussetzung zum Einbau einer derartigen Wand ist neben dem geeigneten Bodenmaterial des Deiches bzw. Untergrunds die Belastbarkeit bzw. die Befahrbarkeit der Deiche, da der Einbau in Deichachse von der Deichkrone aus erfolgt. Die dabei entstehende Erdbetonwand kann neben der Funktion als Innendichtung auch in begrenztem Umfang statische Wirkung haben. Durch das zusätzliche Einbringen von Stahlträgern in die noch feuchte Suspension und den dadurch erreichten Effekt der Gewölbewirkung in der Erdbetonwand wird das statische Verhalten verbessert. Dadurch wird der Lastfall des Überströmens und der Kolkbildung bzw. Erosion an der Luftseite beherrschbar.

15

984

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Bei der Ausführung einer solchen Wand ist an die teilweise aufwändige Qualitätssicherung anhand von Prüfungen der Suspension und Probekörpern, eventuell an der fertiggestellten Wand, zu denken.

Bild 15-15 Erosion des luftseitigen Deichstützkörpers mit ungebrochener MIP-Wand (Quelle: Fa. Bauer Spezialtiefbau GmbH)

Weltweit gibt es eine Vielzahl von Verfahren zur In-Situ Verbesserung des anstehenden Bodens. Sie unterscheiden sich prinzipiell in der Art des Verfahrens (Trocken- oder Nassmischverfahren) und dem Mischwerkzeug. Derzeit gibt es drei gängige Verfahren von unterschiedlichen Firmen, die zur Herstellung einer Dichtwand in Hochwasserschutzdämmen herangezogen werden: – DSM (Deep-Soil-Mixing) – FMI-Verfahren (Fräs-Misch-Injektion) – MIP-Verfahren (Mixed-in-Place). DSM-Verfahren

15

Beim Deep-Soil-Mixing (DSM-Verfahren) werden säulenartige Dichtungskörper erzeugt (Tabelle 15.12). Es ist eine spezielle Art des Düsenstrahlverfahrens, bei dem die Mischung mit dem anstehenden Bodenmaterial jedoch mechanisch und nicht hydraulisch erfolgt. Beim DSM-Verfahren „verrührt“ das mäklergeführte Mischwerkzeug, das mit mehreren Mischbalken ausgestattet ist, die durch die hohle Seele sowie die am untersten Mischbalken angeordneten Düsen eingebrachte Suspension mit dem anstehenden Bodenmaterial. Es kommen einfache bis vierfache Schnecken zur Anwendung.

15.5 Deiche

985

Bild 15-16 Herstellung einer DSM-Wand bzw. zweifaches Mischwerkzeug mit Mischbalken (Quelle: Fa. Keller Grundbau GmbH) Tabelle 15.12

Eigenschaften DSM-Verfahren

DSM-Verfahren Breite: 0,3 bis 1,0 m / Tiefe: bis 20 m Vorteile – anpassungsfähig im Grundriss – erschütterungsarm – minimale Aushubentsorgung – geringer Lärmpegel – erosionsbeständig – geringe Verformungsempfindlichkeit der Wand hohe Durchwurzelungsbeständigkeit

Einschränkungen und Grenzen – kein hydraulisches Gefälle/Strömung bei der Herstellung erlaubt – je nach Dichtungstiefe große Geräte notwendig = Befahrbarkeit bzw. Standsicherheit des bestehenden Deiches muss gewährleistet sein – querende Leitungen/Einbauten erfordern ggf. Zusatzmaßnahmen – Hebungen durch Suspensionsdruck möglich – bei Einsatz direkt an Gebäuden Verformungsverträglichkeit beachten

FMI-Verfahren Bein FMI-Verfahren (Fräs-Misch-Injektions-Verfahren) wird eine auf einem Raupenfahrwerk montierte Bodenfräse bis zur geplanten Tiefe der Wand eingebracht und das Bindemittel eingefräst (Bild 15-17). Dabei bewegt sich das Kettenfahrzeug kontinuierlich in Längsrichtung des Schlitzes. Der Austritt der Suspension erfolgt am Fußpunkt des Frässchwertes und wird durch die rotierenden „Messer“ mit dem anstehenden Boden vermischt. Das Verfahren erzeugt eine fugenlose, dichte Wand.

15

986

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Bild 15-17 Links: Schematische Darstellung des FMI-Verfahrens; rechts: FMI-Fräse im Einsatz mit bereitliegenden Stahlträgern zur Verbesserung der statischen Belastbarkeit (Quelle: Fa. Sidla & Schönberger GmbH)

Bei einer Tiefe von bis zu 9,50 m kann eine Breite der entstehenden Wand zwischen 0,35 m und 1,00 m erzielt werden. Im Deichbau sind Wände von 0,35 m bis maximal 0,50 m üblich (Tabelle 15.13). Bei Böden der Klassen 6 und 7 und mit Steinen größer 0,35 m erreicht das Verfahren seine Grenzen. Je nach örtlicher Gegebenheit sind Tagesleitungen von 700 bis 800 m2 möglich. Tabelle 15.13

Eigenschaften FMI-Verfahren

FMI-Verfahren Breite: 0,35 – 1,0 m / Tiefe: 9,5 m Vorteile

Einschränkungen und Grenzen

– schnelles Bauverfahren – erosionsbeständig – geringe Verformungsempfindlichkeit der Wand – hohe Durchwurzelungsbeständigkeit

– kein hydraulisches Gefälle/Strömung bei der Herstellung erlaubt – querende Leitungen/Einbauten erfordern ggf. Zusatzmaßnahmen – geringe Flexibilität hinsichtlich der Geometrie (Trassenführung) der Wand

MIP-Verfahren Beim MIP-Verfahren (Mixed-in-Place) kommen nebeneinanderstehende Bohrschnecken zum Einsatz, die in den Boden eingedreht werden. Beim Ziehen werden die Schnecken unabhängig voneinander gegenläufig gedreht. Dabei wird das Suspensionsgemisch (Zement-BentonitSuspension) durch die hohle Seele der Schneckenbohrer an deren Fußpunkt vertikal in den Boden eingebracht und so mit dem anstehenden Boden vermischt. In der Regel wird eine Lamelle mit zwei oder drei Bohrern hergestellt.

15

Die Herstellung erfolgt im doppelten Pilgerschrittverfahren. Es können dichte Wände mit Tiefen bis zu 25 m erstellt werden (Tabelle 15.14).

15.5 Deiche

987

Bild 15-18 MIP-Gerät im Einsatz (Quelle Fa. Bauer Spezialtiefbau GmbH) Tabelle 15.14

Eigenschaften MIP-Verfahren

MIP-Verfahren Breite: 0,4 – 0,8 m / Tiefe: bis 25 m Vorteile

Einschränkungen und Grenzen

– – – – –

– kein hydraulisches Gefälle/Strömung bei der Herstellung erlaubt – je nach Dichtungstiefe große Geräte notwendig => Befahrbarkeit bzw. Standsicherheit des bestehenden Deichs muss gewährleistet sein – querende Leitungen/Einbauten erfordern ggf. Zusatzmaßnahmen

anpassungsfähig im Grundriss minimale Aushubentsorgung erschütterungsarm erosionsbeständig geringe Verformungsempfindlichkeit der Wand – hohe Durchwurzelungsbeständigkeit

15.5.4.3 Schmalwände Bei der Herstellung einer Innendichtung als Schmalwand wird ein Doppel-T Stahlprofil in den Deich bzw. Untergrund eingerüttelt. Anschließend wird parallel zum Ziehen des Trägers in den entstandenen Spalt mit Hilfe von Injektionsrohren eine Suspension aus Zement, Bentonit und Steinmehl verpresst (Bild 15-19). Durch die Überschneidung der Flansche entsteht eine durchgehende Wand. Das Verfahren ist sehr preisgünstig und erlaubt eine hohe Tagesleistung. Allerdings hängt die Qualität sehr vom angetroffenen Boden ab. Die Ausbreitung der Suspension und somit die Qualität der Wand können je nach Boden stark variieren. Bei sandigen und bindigen Böden können Fehlstellen durch Schließen des Hohlraumes auftreten.

15

988

15 Geotechnik im Hochwasserschutz 60 -100 cm

Sand

Kies

Bild 15-19 Schematische Darstellung der Herstellung einer Schmalwand ~ 8 cm

Tabelle 15.15

~ 20 cm

Eigenschaften Schmalwand

Schmalwand Breite: 0,05 – 0,20 m / Tiefe: bis 20 m Vorteile

Einschränkungen und Grenzen

– – – – –

– mit zunehmender Tiefe Gefahr des Klaffens einzelner Stiche – empfindlich gegen Verformungen – kein hydraulisches Gefälle/Strömung bei der Herstellung erlaubt – geringe Durchwurzelungsbeständigkeit – Erschütterungen bei der Herstellung – begrenzte Einsetzbarkeit bei wechselnden Bodenarten – mäßig erosionsbeständig

schneller Arbeitsfortschritt anpassungsfähig im Grundriss preiswert in fast allen Lockerböden einsetzbar keine Aushubentsorgung

15.5.4.4 Spundwände Die Ausführung der Innendichtung erfolgt durch das Einbringen von Spundwandbohlen. Das Einbringen erfolgt durch Einpressen, Einrütteln oder Rammen. Bei hohen Anforderungen der Dichtigkeit erhalten die Spundwandschlösser zusätzliche Dichtungen. Spundwände können in nahezu alle Böden eingebracht werden. In dicht gelagerten Böden muss entsprechend vorgebohrt oder gespült werden. Tabelle 15.16

Eigenschaften Spundwand

Spundwand Breite: 0, 01– 0,03 m / Tiefe: bis 30 m

15

Vorteile

Einschränkungen und Grenzen

– industriell gefertigtes Produkt mit umfangreichen Erfahrungswerten und Qualitätsstandards – korrosionsbeständig – schneller Arbeitsfortschritt – auskragend herstellbar – in fast allen Lockerböden herstellbar – rückbaubar – erosionsbeständig – verformungsunempfindlich – durchwurzelungsbeständig

– – – – – –

Rammhindernisse ggf. nicht erkennbar Schlosssprünge beim Einbau möglich teuer Baustoff Erschütterungen je nach Einbringverfahren Restdurchlässigkeit durch Schlösser querende Leitungen/Einbauten erfordern Zusatzmaßnahmen – Korrosionsschutz möglich

15.6 Sanierung bestehender Deiche

989

Die Spundwände können rammend oder rüttelnd vor dem Deich oder neben dem Deich eingebracht werden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit bei sehr beengten Verhältnissen, direkt vom Spundwandprofil mittels freischreitenden Spundwandpressen die Bohlen einzubringen (vergl. Kapitel 8, freischreitende Pressen). Mit Spundwänden lassen sich auch einfach, wirtschaftlich und dauerhaft Deicherhöhungen auch ohne weitere Baumaßnahmen herstellen, indem man das Spundwandprofil entsprechend aus dem Deich ragen lässt. Zusätzlich kann mit entsprechenden farblichen Anstrichen/Beschichtungen oder einer Durchfärbung (nur bei Kunststoffspundwänden) und angebrachten Rankhilfen die Einbindung in die Umgebung verbessert werden.

15.6

Sanierung bestehender Deiche

Da an vielen Fließgewässern bereits über die vergangenen Jahrzehnte Deiche zum Schutz gegen Hochwasser entstanden sind, ist es eine Hauptaufgabe des Ingenieurs, bestehende Deiche so zu ertüchtigen, dass sie den Anforderungen eines aktuellen und zukünftigen Hochwasserschutzes gerecht werden. Die großen Hochwasserereignisse der vergangenen Jahrzehnte haben deutlich die Schwächen der bestehenden Einrichtungen aufgezeigt. Diese sind vor allem: – – – – –

zu geringe Höhe zu geringe Verdichtung zu hohe Durchlässigkeiten zu geringe Standsicherheiten schlechte Zugänglichkeit.

Nachfolgend werden die gängigen Möglichkeiten zur Sanierung von Bestandsdeichen aufgezeigt (Bilder 15-20 bis 15-23). Bei allen Varianten ist der Einbau einer zusätzlichen Dichtung denkbar. Die Erhöhung eines Altdeiches sollte, sofern möglich, grundsätzlich auf der Landseite erfolgen, um das Gewässer nicht weiter einzuengen und somit Retentionsraumverlust und höhere Wasserstände zu vermeiden. Bei der Verwendung eines Teils des Schüttmaterials des Altdeiches ist darauf zu achten, dass sich diese Böden hinsichtlich ihrer Eigenschaften auch für den neuen Deich eignen. Ist eine Dichtung bereits vorhanden, so ist zu erwägen, diese zu verlängern oder ein komplett neues Dichtungselement einzubauen. Besonders ist auf die Verzahnung des bestehenden Deiches mit dem neuen Schüttmaterial zu achten.

15

990

15 Geotechnik im Hochwasserschutz ≥ 3,0 m ΔH Deichinterweg mit Fußfilter Altdeich

Altes Deichlager Neues Deichlager

Bild 15-20 Erhöhung eines Altdeiches mit Schaffung eines Fußfilters und Zugänglichkeit bei optimalen Platzverhältnissen ≥ 3,0 m Filter mit Drainage

ΔH

Stützmauer frostfrei gegründet Altdeich

Altes/neues Deichlager

Bild 15-21 Erhöhung eines Altdeiches bei beschränkter Grundstücksverfügbarkeit aufgesetzte Betonwand

ggf. Deichinterweg Altdeich

Statisch wirksame Dichtung als Gründung (z.B. Spundwand)

15

Bild 15-22 Erhöhung eines Altdeiches bei gleicher Deichgeometrie mit aufgesetzter HWSMauer, alternativ kann die Erhöhung auch allein durch eine auskragende Spundwand (verkleidet oder unverkleidet) erfolgen

15.7 Überströmbare Deiche

991 ≥ 3,0 m

ggf. Filtervlies Altdeich

Altes Deichlager Neues Deichlager

Bild 15-23 Sanierung eines Deiches durch Teil- oder Komplettabtrag und Neuaufbau

15.7

Überströmbare Deiche

Grundsätzlich sind Deiche dafür ausgelegt, das Wasser in der Flussaue zu halten und nicht überströmt zu werden. Es kann jedoch bei extremen Hochwasserereignissen sinnvoll sein, Deiche gezielt zu überströmen und unbebaute Bereiche mit geringem Schadenspotenzial (Wiesen etc.) kontrolliert zu fluten. Dazu wird die Kronenhöhe des Deiches bereichsweise abgesenkt. Somit wird der Deich planmäßig überlastet und das Hinterland geflutet. Bei überströmbaren Deichen muss daher besonders auf die Erosionsstabilität und damit das Deckwerk an der landseitigen Böschung geachtet werden, zudem dürfen landseitig keine Kolke auftreten, welche die Standsicherheit des Deiches weiter gefährden würden. Aus technischen, hydraulischen und ökologischen Gründen lassen sich folgende Anforderungen für Deckwerke zusammenfassen: – – – – – – –

ausreichende Dauerhaftigkeit/Langzeitstabilität zuverlässige hohe Wasserdurchlässigkeit (kein Rückstau im Dammkörper) Erosionsstabilität ausreichende Verformbarkeit (wegen möglichen Setzungen) Fugenlosigkeit mäßige Rauheit (Hydraulik) Begrünbarkeit.

Für den Schutz der Böschungen bzw. des Deichkörpers kommen unterschiedliche Deckwerke zur Anwendung: – Deckwerke in Lockerbauweise: – Steinschüttsatz – Steinsatz – Kohärente Deckwerke: – Mastix-Schotter-Deckwerke – Verbundene Rasengittersteine – Geogittermatratzen – Verbundbauweisen – Bodenverfestigung mittels Bindemittelzugabe. Für den Überströmungsquerschnitt ist grundsätzlich ein eigener Standsicherheitsnachweis zu führen. Landseitig sind flachere Deichböschungen notwendig, diese bewegen sich in der Regel mit Neigungen zwischen 1:5 und 1:10.

15

992

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Kronensicherung z. B. Asphaltweg Überlaufschwelle

Deckwerk

Kolkschutz Tosmulde

ggf. statisch wirksame Dichtung

Filterstabiler Unterbau mit Geotextil

Sicherung (z.B. Spundwand)

Bild 15-24 Regelquerschnitt eines überströmbaren Deichs

Auf Grund der hohen Belastung beim Anspringen der Überflutungsstrecke ist während der Bauzeit auf die entsprechende Qualität der Ausführung und Anbindung an die Übergangsbereiche im Deich, an den Betonbauwerken bzw. an der Deichkrone und im Hinterland zu achten.

15.8 15.8.1

Standsicherheitsnachweise Geotechnische Untersuchungen

Voraussetzung für die Planung und die Durchführung von Standsicherheitsuntersuchungen im Hochwasserschutz sind ausreichende Kenntnisse über die Beschaffenheit des Untergrundes bzw. bei Altdeichen auch des Deichkörpers. Erste Erkenntnisse können dabei aus der Entstehungsgeschichte des Projektgebietes gewonnen werden, die z. B. in historischen Karten oder Überlieferungen eingetragen sind. Außerdem können Informationen über eventuell bereits durchgeführte Untersuchungen bei diversen Ämtern oder aus geotechnischen Datenbanken, beispielsweise der geologischen Landesarchive, eingeholt werden. Für die Planungsphase müssen die bestehenden geotechnischen Kenntnisse durch zusätzliche Untersuchungen erweitert werden. Dabei wird zwischen direkten und indirekten Baugrundaufschlüssen unterschieden. Bohrungen und Schürfe sind direkte Bodenaufschlüsse, bei denen der Bodenaufbau sichtbar dargestellt wird und somit die Bodenschichten im Labor hinsichtlich ihrer geotechnischen Eigenschaften untersucht werden können. Indirekte Methoden dagegen sind überwiegend Sondierungen in unterschiedlichster Ausführung und geophysikalische Messungen.

15

Das Anlegen von Baggerschürfen in standfesten Böden stellt wohl die preiswerteste Lösung der Baugrunderkundung dar. Allerdings ist die Schürftiefe auf wenige Meter begrenzt, wobei hier der Grundwasserzutritt und die Untergrundverhältnisse ausschlaggebend sind. Bei Schürfen können die Bodenschichten sichtbar dargestellt und analysiert werden. Sicherheitsvorkehrungen beim Anlegen der Schürfe sind dabei stets zu beachten (Sichern, Sicker- bzw. Grundwassereintritt etc.), wobei im EC 7-2 entsprechende Hinweise zu finden sind. Schürfe sind insbesondere dann sinnvoll, wenn oberflächennah der Baugrund flächig aufgeschlossen werden soll.

15.8 Standsicherheitsnachweise

993

Im Gegensatz zu den Schürfen stellen Bohrungen zwar eine teurere, aber zugleich eine aufschlussreichere Baugrunderkundung dar und sind daher im Sinne des EC 7-2 und der DIN 4020 in der Regel unverzichtbar. Dabei wird nach Möglichkeit eine durchgehende Kerngewinnung angestrebt, so dass die gewonnene Bodenprobe entsprechend analysiert, fotografiert, schematisch dargestellt und im Labor untersucht werden kann. Das Bohrverfahren ist entsprechend der angestrebten Qualität der Bodenprobe und den Anforderungen an die Kennwerte zu wählen, wobei die teureren Rammkernbohrverfahren oder Rotationskernbohrverfahren sowie kostengünstigere Kleinbohrungen zur Verfügung stehen. Kleinbohrungen sind in der Regel nur als Ergänzung zu Bohrungen zulässig. Kernbohrungen und die Sicherung eines kontinuierlichen Kerns erfolgen nach DIN EN ISO 22475-1. Die Ergebnisse der Kernbohrungen werden vom qualifiziert ausgebildeten Bohrmeister der auszuführenden Bohrfirma und einem Baugrundsachverständigen letztendlich in einem Bohrprofil schematisch dargestellt, das auf einem Schichtenverzeichnis nach DIN 4022 basiert. Das Bohrprofil beinhaltet neben der Darstellung der Schichten mit Höhenangaben auch Angaben zu den angetroffenen Grundverhältnissen (Höhe und zeitliche Veränderung). Die Darstellung der einzelnen Angaben im EC 7-2 bzw. in der DIN 4020 geregelt. Beispiele von Bohr- und Sondierungsprofilen im Sinne der DIN 4020 zeigen die folgenden Bilder 15-25 und 15-26.

Bild 15-25 Beispiel eines Bohrprofils mit Angabe der Schichten und des Grundwasserstandes

Bild 15-26 Beispiel einer Rammsondierung (Dynamic Probing Heavy)

Über Sondierungen unterschiedlichster Ausführung können weitere Kenntnisse über die Bodenverhältnisse gewonnen werden. Ein Beispiel einer Sondierung ist die Rammsondierung (Dynamic Probing), die bei der Baugrunderkundung neben der Kernbohrung oft zum Einsatz kommt. Mit Hilfe von Kernbohrungen und der Auswertung von Schlagzahlen kann auf die unterschiedlichen Bodenschichten geschlossen werden. Ohne Kernbohrung ist eine Rammsondierung somit wertlos. Der Vergleich zwischen Bild 15-25 (Bohrung BK 4) und Bild 15-26 (Rammsondierung DPH 3) macht deutlich, dass die ca. 2 m mächtigen Schluffschichten mit wenigen Schlägen durchschlagen werden. Sobald die Sand- oder Kiesschichten erreicht werden, erhöht sich die erforderliche Schlagzahl der Sonde entsprechend.

15

994

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Der Abstand der Bodenaufschlüsse sollte bei Deichen in vielen Fällen im Mittel nicht größer als 100 m betragen, Einzelheiten regeln EC 7-2 bzw. DIN 4020. Neben der Deichachse sollten auch die Bodenverhältnisse des Vor- und Hinterlandes untersucht werden, damit später Aussagen zur möglichen Unterströmung des Deiches gemacht werden können. Die hydraulischen Verhältnisse spielen bei der Festlegung der Deichgeometrie und der Deichart eine entscheidende Rolle. Durch die punktuellen Aufschlüsse muss jedoch beachtet werden, dass z. B. Schwachstellen im Untergrund, wie Altarme oder Schluff- und Tonlinsen, unter Umständen unentdeckt bleiben. Im Vorfeld der Untersuchungen ist somit auf Grund von Vorkenntnissen des Projektgebietes zu entscheiden, ob ein entsprechend enges Untersuchungsraster gewählt werden muss oder ob z. B. flächendeckende geophysikalische Erkundungen durchgeführt werden sollen. Sind keine Vorkenntnisse vorhanden oder ist eine Abschätzung unmöglich, kann auch ein mehrstufiges geotechnisches Untersuchungsprogramm sinnvoll bzw. erforderlich sein. Dabei werden Baugrundaufschlüsse zunächst in einem groben Raster durchgeführt. Je nach Ergebnis dieser ersten Stufen wird entschieden, ein engeres Untersuchungsraster von punktuellen Aufschlüssen oder umfangreichere und teurere geophysikalische Untersuchungen folgen zu lassen. Beispiele für geophysikalische Verfahren sind die Widerstandsgeoelektrik, das Georadar oder seismische Verfahren. Ausführliche Informationen zu den Verfahren der Baugrunderkundung und geotechnischen Labor- und Feldversuche finden sich im Kapitel 3.

15.8.2

Maßgebende Bemessungssituationen (Lastfälle)

Die Standsicherheitsberechnungen für Flussdeiche müssen für bestimmte maßgebende Lastfälle bzw. Bemessungssituationen durchgeführt werden. Die Bemessungssituationen ergeben sich aus sogenannten Einwirkkombinationen und Sicherheitsklassen bei den Widerständen, die nach dem Teilsicherheitskonzept nach EC-7-1 bzw. DIN 1054 definiert sind. Bei der Definition der Beanspruchungen bzw. Einwirkungen (ständig, veränderlich und außergewöhnlich) ist allgemein zwischen Flussdeichen und Stauhaltungsdämmen zu unterscheiden. Flussdeiche werden temporär während Hochwasserereignissen eingestaut. Dagegen sind Stauhaltungsdämme im Oberwasser von Stauanlagen angeordnet und haben neben der Funktion des Hochwasserschutzes die Aufgabe, das Stauziel eines Laufwasserkraftwerkes zu halten. Somit ergeben sich die unterschiedliche Bemessungssituationen. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Bemessungssituationen: – ständige Bemessungssituation (BS-P) = Hochwasserzustand – vorübergehende Bemessungssituation (BS-T) = Bau- und Revisionszustand – außergewöhnliche Bemessungssituation (BS-A) = Besondere Belastungen und Situationen

15

Flussdeiche sind im Regelfall auf die Bemessungssituationen BS-T (vorübergehende) und BS-A (außergewöhnliche Lastfälle) zu bemessen. Der Lastfall BS-P (ständige Bemessungssituation) ist nur nachzuweisen, wenn gleichzeitig permanente Nutzungen, z. B. durch Verkehrswege auf der Deichkrone, vorliegen. Die maßgebenden Wasserstände zum Nachweis der Tragfähigkeit nach DIN 1054 sind: – Lastfall BS-P = Bemessungshochwasser (BHW) – Lastfall BS-T = Bauzeitliches Hochwasser – Lastfall BS-A = „Kronenstau“ Einstau bis zur Deichschulter

15.8 Standsicherheitsnachweise

995

Nicht zu verwechseln mit Flussdeichen sind Stauhaltungsdämme. Im Gegensatz zu den Flussdeichen werden Stauhaltungsdämme nach DIN 19700-13 dimensioniert. Tabelle 15.17

Einwirkungen und Bemessungssituationen für HWS Deiche nach DIN 19712 Bemessungssituationen

Einwirkungen

Ständige

Veränderliche

BS-P ständig

BS-A außergewöhnlich

P.1

P.2

T.1

A.1

A.2

A.3

Eigenlasten und Auflasten

X

X

X

X

X

X

Verkehrslast (auf Krone und Berme)

X

X

X

X

X

X

Beanspruchung durch BHW 1

X

Beanspruchung durch aus BHW fallendem Wasserspiegel Beanspruchungen aus BauHW 2

Außergewöhnliche

BS-T vorübergehend

X X X

Beanspruchungen durch Wasserstand „Bordvoll“ (Kronenstau) Beanspruchungen infolge Versagens der Dichtungen bzw. Dräns3 und Sonstiges4

X X X

X

Anmerkungen: 1. Bei Flussdeichen gilt als Stauziel der jeweilige Bemessungshochwasserstand BHW. 2. BauHW= bauzeitlicher Hochwasserstand wird in Abhängigkeit von der Dauer der Baumaßnahme festgelegt. Entsprechende Sicherungsmaßnahmen sind einzuplanen. 3. Die Systemsicherheit von Dichtungs- und Dränelementen ist zu berücksichtigen. 4. Sonstiges sind bei Flussdeichen sind z. B. Windwurf, Kolkbildung, bergbauliche Einwirkungen (Bergsenkungsgebiete) Tabelle 15.17 zeigt die anzusetzenden Einwirkungen und die Widerstandsbedingungen auf. Deiche können auf unterschiedliche Art und Weise versagen. Dabei wird zwischen den folgenden Versagensarten unterschieden: – – – – – – –

Böschungsbruch Überströmen hydraulischer Grundbruch Gleitversagen Spreizsicherheit Lokale Standsicherheiten der land- und wasserseitigen Böschung Erosionsgrundbruch/Rückstreitende Erosion.

15

996

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Um diese Versagensarten ausschließen zu können, wird in DIN 19712 eine Reihe von Nachweisen gefordert, die nachfolgend näher erläutert werden.

15.8.3

Nachweise

15.8.3.1 Überblick Die Nachweise zur Standsicherheit von Deichen unterteilen sich in hydraulische Nachweise und geotechnische Nachweise. Die Nachweise der Geotechnik gliedern sich in drei Gruppen: 1. Tragfähigkeit (globale und lokale Standsicherheit) 2. Sicherheit gegen Materialtransport (Erosionssicherheit) 3. Gebrauchstauglichkeit. Zu den hydraulischen Nachweisen gehören: – Ermittlung des Freibords – Bestimmung von stationären und instationären Sickerlinien (→ Durchströmungswirkungen) – Bestimmung der Wasserdruckverhältnisse und Potenzialverteilungen im Untergrund. – Dimensionierung von Drainagen. Zu den geotechnischen Nachweisen zählen: – – – –

allgemeine (globale) Standsicherheit des Deiches (Böschungsbruch) lokale Standsicherheit im Bereich der luft- und wasserseitigen Böschungen lokale Standsicherheit am Böschungsfuß (Spreizsicherheit) Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserdruck aus Richtung des Deichkörpers (Sunk-Lastfall) – Auftriebssicherheit bzw. Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch. Für Sicherheit gegen Materialtransport sind zu untersuchen: – – – –

Kontakterosion Suffosionsstabilität (inneren Erosionssicherheit) Erosionsgrundbruch sowie Fugenerosion.

Die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit enthalten eine Abschätzung von Setzungen sowie des Zeitsetzungsverhaltens des Deiches und des Baugrunds. 15.8.3.2 Hydraulische Berechnungen und Nachweise

15

Die hydraulischen Berechnungen liefern in erster Linie Eingabewerte und Randbedingungen für die geotechnischen Nachweise. Mit Hilfe von hydraulischen Berechnungen wird der erforderliche Freibord ermittelt, stationäre oder instationäre Sickerlinien berechnet, Wasserdruckverhältnisse im Untergrund dargestellt sowie Wassermengen bestimmt. Eine wichtige Eingangsgröße für die geotechnischen Standsicherheitsnachweise stellen die Sickerlinien (stationär oder instationär) sowie die Wasserdruckverhältnisse und die Potenzialverteilung im Deich und im Untergrund dar. Die Nachweise der inneren Erosionssicherheit erfolgen unter dem Ansatz der zuvor für den Deichkörper und den Untergrund ermittelten vorhandenen hydraulischen Gradienten. Mit Hilfe von entsprechender Software kann ein 2dimensionales Berechnungsmodell aus Finiten Elementen erstellt werden, mit dem die Sickerlinien und Wasserdruckverhältnisse ermittelt werden.

15.8 Standsicherheitsnachweise

997

Ein Beispiel einer Durchsickerungsberechnung zeigen die Bilder 15-27 und 15-28. In Bild 15-27 ist das FE-Netz des Flussdeiches dargestellt, wobei die verschiedenen Bodenschichten und Baumstoffe mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet sind. Dem gelb dargestellten Flussdeich ist ein k-Wert von 1,0  10–5 m/s zugewiesen, dem landseitigen Auflastfilter in hellgelber Farbe ein deutlich höherer k-Wert von 1,0  10–3 m/s, was einem durchlässigeren Kies entspricht. Die bräunliche Schicht unterhalb des Deichbauwerkes kennzeichnet Hochflutsedimente mit einem Durchlässigkeitswert von 1,0  10–6 m/s. In Bild 15-28 ist das Ergebnis der stationären Durchsickerungsberechnung dargestellt. Die Drainage am landseitigen Böschungsfuß (hellgelbe Zone) mit dem stark durchlässigen Kiesmaterial sorgt dabei für einen Abfall der Sickerlinie.

Bild 15-27 Beispiel einer Durchsickerungsberechnung – FE-Netz

Bei Flüssen, an denen schnell fallende Wasserspiegel zu erwarten sind, sollte über eine instationäre Berechnung der Zusammenhang zwischen Sickerlinie im Deich und Wasserstand im Fluss untersucht werden. Durch die noch hoch liegende Sickerlinie im Deich könnten gerade an der wasserseitigen Deichböschung die Standsicherheitsbedingungen nicht erfüllt sein, da an der Wasserseite meistens keine Kiesdrainage angeordnet wird. Die folgende schematische Skizze verdeutlicht diese Problematik (Bild 15-29).

15

Bild 15-28 Beispiel einer Durchsickerungsberechnung – ermittelten Sickerlinie und Potenziallinien

998

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Rasch fallender Wasserspiegel im Fluss

Bild 15-29 Möglicher Sickerlinienverlauf bei rasch fallendem Wasserspiegel

Neben dem Sickerlinienverlauf und den Wasserdruckverhältnissen können auch die hydraulischen Gradienten im Deich und im Untergrund mit Hilfe der Durchsickerungsberechnung bestimmt werden. Diese Gradienten sind zur Führung der Nachweise zur Erosionssicherheit notwendig, z. B. an Stellen, an denen sich die Deichbaumaterialien oder die Bodenverhältnisse ändern. Außerdem kann mit Hilfe der Durchsickerungsberechnung die luftseitige Drainage bemessen werden. Dabei kann die Wassermenge bestimmt werden, die am luftseitigen Böschungsfuß anfällt. Durch die Festlegung bestimmter Potenziale im Modell wird die erforderliche Wassermenge berechnet, die notwendig ist, um die vorgegebenen Potenziale zu erreichen. Durch mehrere Durchsickerungsberechnungen entlang des Deiches kann anschließend die Drainageleitung entlang des luftseitigen Böschungsfußes bemessen werden. Dabei sind nach DIN 19712 die Drainageleitungen auf den zweifachen Wert des anfallenden Sickerwassers zu dimensionieren. Konstruktiv ist die Zugänglichkeit der Drainageleitungen dauerhaft über die gesamte Länge für Unterhaltungs- und Inspektionszwecke zu gewährleisten. Gegebenenfalls sind Schachtbauwerke anzuordnen, was sich vor allem bei Neigungs- und Richtungsänderungen oder Sohlsprüngen anbietet. Die Oberflächenerosion an der wasserseitigen Böschung sollte konstruktiv ausgeschlossen werden können. Der Nachweis kann z. B durch den Vergleich der vorhandenen Schleppspannung oder Fließgeschwindigkeit mit dem kritischen Wert erfolgen. Die vorhandenen Schleppspannungen können z. B. aus einer 2-dimensionalen hydraulischen Wasserspiegellagenberechnung stammen. Anhaltswerte für die kritischen Schleppspannungen oder Fließgeschwindigkeiten können der Literatur (z. B. Bollrich, 1996, oder Rössert, 1999) entnommen werden.

15.8.4

Geotechnische Nachweise

15.8.4.1 Überblick

15

Grundsätzlich gilt nach EC 7-1 und DIN 1054, dass auf der Grundlage entsprechender Nachweise die Grenzzustände der Tragfähigkeit (GZ) und der Gebrauchstauglichkeit (SLS) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Zudem muss bei Flussdeichen der Nachweis gegen innere Suffosion (Erosionssicherheit) nachgewiesen werden. Die zu führenden geotechnischen Nachweise sind in Tabelle 15.18 aufgelistet. Für die unterschiedlichen Grenzzustände und die zu berücksichtigenden Lastfälle ergeben sich unterschiedliche Teilsicherheitsbeiwerte, die der DIN 1054 jeweils für Einwirkungen und Widerstände entnommen werden können. Die Grenzzustände zwischen alter und neuer Normung sind in Tabelle 15.18 dargestellt. Die wichtigsten Nachweise werden in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert.

15.8 Standsicherheitsnachweise

Tabelle 15.18

999

Geotechnische Nachweise gemäß DIN 1054 bzw. DWA Merkblatt 507-1

EC 7-1 und DIN 1054 (2010)

DIN 1054 (2005)

Einzelnachweise

Nachweise ausreichender globaler und lokaler Standsicherheit (GEO-2 bzw. GEO-3)

Grenzzustand des Verlustes der Gesamtstandsicherheit (GZ 1C)

Böschungsbruch

Nachweise gegen inneres Versagen oder sehr große Verformungen des Tragwerks oder seiner Teile (STR) Verlust der Lagesicherheit (EQU) Hydraulischer Grundbruch (HYD) Aufschwimmen (UPL)

Böschungsgrundbruch Abschieben/Gleiten des Deichkörpers

Versagen von Bauwerken und Versagen der Dichtung Bauteilen oder des stützenVersagen der Dränung den Baugrundes (GZ 1B) Versagen von sicherheitsrelevanten Bauwerken (z. B. von Spundwänden oder mobilen Hochwasserschutzeinrichtungen) Verlust der Lagesicherheit (GZ 1A)

lokale Standsicherheit der wasser- und luftseitigen Böschungen lokale Standsicherheit am Böschungsfuß (Spreizsicherheit) Standsicherheit der Böschungsdichtungen bei Wasserdruck vom Deichkörper ausgehend Auftriebssicherheit bzw. hydraulischer Grundbruch

Gebrauchstauglichkeit (SLS)

Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZ 2)

Nachweis Verträglichkeit von Setzungen und Verformungen Nachweis der Sicherheit gegen Rissbildungen

Sicherheit gegen Materialtransport (HYD)

Grenzzustand der inneren Erosionssicherheit

Nachweise zur Sicherheit gegen Kontakterosion (mechanische Filterwirksamkeit) Nachweise zur Suffosionsstabilität Nachweis zum Erosionsgrundbruch im Untergrund Nachweis zur Fugenerosion

15.8.4.2 Nachweis ausreichender Standsicherheiten (GEO) Der Nachweis ausreichender globaler und lokaler Standsicherheiten (GEO-2 bzw. 3) beinhaltet Böschungsbruch- und Böschungsgrundbruchberechungen sowie den Nachweis gegen Abschieben des Deichkörpers. Böschungsbrüche treten innerhalb der Böschung auf. Gehen die Gleitlinien über den Böschungsfuß hinaus, spricht man von Böschungsgrundbrüchen. Die Berechnung von Böschungsgleitlinien erfolgt nach DIN 4084. Je nach Aufbau und Untergrundverhältnisse müssen unterschiedliche, mögliche Gleitflächen angesetzt werden. Für die Berechnung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung (z. B. Verfahren nach Krey, Bishop oder Janbu), die sich hinsichtlich der Gleitflächen unterscheiden. Die Verfahren nach KREY und BISHOP verwenden für den Nachweis Kreisgleitflächen, die bei einem homogenen Deichaufbau angenommen werden können. Das Verfahren nach JANBU, das die Gleitsicherheit für polygonale Gleitflächen berechnet, sollte bei einem mehrschichtigen Untergrund verwendet werden. In der Praxis gibt es zahlreiche Programme, die diese Böschungsbruchberechnungen ausführen. Dabei stellen die zuvor ermittelten hydraulischen Randbedingungen eine wichtige Eingangsgröße dar, die sich aus den Untergrundverhältnissen und den Deichbaumaterialien ergibt.

15

1000

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Ein Beispiel einer Gleitkreisberechnung zeigt Bild 15-30, dass die im vorangegangenen Kapitel ermittelten Sickerlinien und Wasserdruckverhältnisse als Grundlage verwendet.

Bild 15-30 Beispiel einer Gleitkreisberechnung

Für einen vorgegebenen Bereich werden für sämtliche möglichen Gleitkreise die rückhaltenden und abtreibenden Kräfte und daraus die Sicherheit bzw. der Ausnutzungsgrad ermittelt. Bild 15-31 zeigt die Kräfte, die bei der Ermittlung der Böschungsstandsicherheit berücksichtigt werden müssen. Stehen die abtreibenden Kräfte, bestehend aus der Gewichtskraft G, sonstige angreifende Lasten P (z. B. Verkehrslast) und Wasserdruckkraft W, nicht mehr im Gleichgewicht zu den rückhaltenden Reaktionskräften N (Normalkraft) und T (Tangentialkraft), kommt es zum Abgleiten der Böschungskörpers entlang der rot eingezeichneten Gleitlinie.

15

Einen entscheidenden Einfluss auf die Gleitkreisberechnung hat die Sickerlinie. Bei einer hoch liegenden Sickerlinie im Deichkörper sind die rückhaltenden Kräfte durch Auftrieb entsprechend stark reduziert. Aus diesem Grund sind bei den Nachweisen auch instationäre hydraulische Durchsickerungsberechnungen mit einzubeziehen, da z. B. bei einem rasch fallenden Wasserspiegel die Böschungsstabilität durch die hoch liegende Sickerlinie bei gleichzeitig auf der Wasserseite meist fehlendem Auflastfilter stark gefährdet ist. Im bindigem Untergrund können sich zudem in Folge der anstehenden Wasserspiegel Porenwasserüberdrücke einstellen, welche temporär die Scherfestigkeit des Bodens herabsetzen.

15.8 Standsicherheitsnachweise

1001

P

G W T N

Bild 15-31 Nachweisprinzip Böschungsbruch bzw. Böschungsgrundbruch

Zum Grenzzustand des Verlustes der Gesamtstandsicherheit gehört neben der Böschungsbruchanalyse auch der Nachweis gegen Abschieben des Deichkörpers. Die Wasserstände wirken mit Horizontalkräften auf den Deichkörper ein. Beim Nachweis gegen Abschieben ist nachzuweisen, dass diese Horizontalkräfte die Reaktionskräfte, die durch das Eigengewicht des Deiches und den daraus resultierende Sohlreibungskräfte gebildet werden, nicht übersteigen. Analog zum Nachweis gegen Böschungsbruch ist auch bei diesem Nachweis das Teilsicherheitskonzept anzuwenden. Die lokale Standsicherheit der Böschungen ist in Abhängigkeit der Strömungsrichtung nachzuweisen. Gerade bei kohäsionslosen Böden kann dieser Nachweis ausschlaggebend sein. Bei bindigen Böden mit höherer Kohäsion kann dieser Nachweis eine geringere Rolle spielen, zumal dann in der Regel die Gesamtstandsicherheit maßgebend wird. Durch die geneigte Böschung entstehen an der Aufstandsfläche des Deiches Schubspannungen, welche als Spreizspannungen bezeichnet werden und ein Ausweichen des Böschungsfußes verursachen könnten. Vor allem in Bereichen mit geringerer Scherfestigkeit oder an Schichtübergängen besteht die Gefahr des Spreizens. Durch geneigte Schichtgrenzen bzw. durch Strömungskräfte in Richtung der Böschungen kann dieser Effekt erhöht werden. Der Nachweis der Spreizsicherheit kann nach den Verfahren nach BRAUNS oder BRENDLIN geführt werden. Bei Oberflächendichtungen auf der Wasserseite werden Dichtungselemente aus mineralischen Baustoffen oder die schneller einzubauende geosynthetischen Tondichtungsbahn (GTD bzw. Bentonitmatte) verwendet, die in einem Abstand von ca. 0,8 bis 1 m zur wasserseitigen Böschung verlegt werden. Bei herabgesetzter Funktionstüchtigkeit (Material- oder Einbaufehler) kann sich im Hochwasserfall unterhalb der Dichtung im Stützkörper ein hoher Wasserstand ausbilden. In Kombination mit einem schnell fallenden Wasserspiegel im Fluss wird die Dichtung vom Deichkörper aus belastet. Bei der Planung ist dieser Lastfall entsprechend zu berücksichtigen bzw. zu überprüfen, ob ein solcher Lastfall eintreten kann.

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1002

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

15.8.4.3 Nachweis gegen hydraulischen Grundbruch und Aufschwimmen (HYD bzw. UPL) An vielen Flüssen wird unter der Geländeoberfläche eine bindige Schicht z. B. Auelehm angetroffen, unter der eine stärker durchlässige Kies- oder auch Sandschicht ansteht. Stehen diese Kies- und Sandschichten mit dem Fluss in Verbindung, baut sich unterhalb der bindigen Deckschicht ein Wasserdruck auf, der bis oberhalb der Geländeoberfläche reichen kann (artesischer Druck). Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Auftriebssicherheit bzw. die Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch am luftseitigen Böschungsfuß gegeben sind. Bild 15-32 verdeutlicht die Situation.

Bild 15-32 Schematische Skizze Drucklinie bei bindiger Deckschicht über starke durchlässiger Schicht

Als Maßnahmen eignen sich vor allem eine zusätzliche Auflast am landseitigen Böschungsfuß (z. B. erhöhter Deichhinterweg) oder eine Unterbrechung der gering durchlässigen Schicht, z. B. in Form eines Grabens. Die Auflast muss dabei so dimensioniert werden, dass die zusätzliche Gewichtskraft des Auflastkörpers größer als der an dieser Stelle wirkende Wasserdruck ist. 15.8.4.4 Nachweise zur inneren Erosionssicherheit Für den Deich und dessen Untergrund müssen die Nachweise zur inneren Erosionssicherheit geführt werden. Dabei wird zwischen folgenden Erscheinungsformen unterschieden: Tabelle 15.19 Innere Erosionstypen nach DWA 507-1 Mögliche innere Erosionsformen Kontakterosion an Schichtgrenzen (Typ A)

15

Suffosion innerhalb einer Bodenschicht (Typ B) Erosionsgrundbruch am landseitigen Böschungsfuß (Typ C)

senkrecht zur Schichtgrenze (Typ A1) parallel zur Schichtgrenze (Typ A2)

15.8 Standsicherheitsnachweise

1003

Die verschiedenen Typen der Erosionsformen sind in Bild 15-33 beispielhaft dargestellt.

Bild 15-33 Formen der inneren Erosion

Die Kontakterosion tritt vor allem im Übergangsbereich zwischen zwei Bodenschichten unterschiedlicher Körnung auf. Es wird zwischen einem Materialtransport parallel und senkrecht zur Grenzschicht unterschieden. Die Kornteile des feinkörnigen Bodens werden durch den anstehenden Wasserdruck herausgelöst und in den Bereich des grobkörnigen Bodens transportiert. Durch die Kontakterosion kann es zu Setzungen kommen, wodurch die Stützung von Bauwerken verschlechtert werden kann. Bei der Suffosion werden einzelne feine Partikel innerhalb einer Bodenschicht durch die Sickerströmung herausgelöst und durch das Korngerüst aus größeren Partikeln hindurch transportiert. Suffosion tritt meist bei ungleichförmiger und intermittierend gestufter Korngrößenverteilung (auch als Ausfallkörnung auftretend) auf. Dadurch, dass sich durch die Suffosion die hydraulischen Bedingungen verschlechtern können und die Stabilität des Bodens reduziert werden kann, sind Suffosionserscheinungen durch eine geeignete Abstufung der Korngrößenverteilung unbedingt zu unterbinden. Der Erosionsgrundbruch am luftseitigen Böschungsfuß infolge rückschreitender Erosion (piping) ist eine spezielle Form der Suffosion. Hier treten in der obersten Bodenschicht unterhalb der Geländeoberkante Suffosionserscheinungen auf, die feinere Bodenpartikel auf Grund von Sickerströmungen aus dem Boden herauslösen und an die Oberfläche transportieren. Der Erosionsgrundbruch wird begünstigt durch Wühltiergänge, Wurzeln oder auch Bauwerke, die zu sogenannten Erosionskanälen (pipes) führen können. Als Nachweise der Sicherheit gegen Kontakterosion und Suffosion sind das geometrische bzw. das hydraulische Kriterium zu erfüllen. Beim Erosionsgrundbruch ist ein ausreichendes hydraulisches Gefälle zwischen Wasserseite und möglichen Austrittspunkten (also luftseitiger Böschungsfuß) nachzuweisen. Der Nachweis der Erosionssicherheit kann nach dem in Bild 15-34 dargestellten Ablaufdiagramm erfolgen, das dem DWA-Merkblatt 507-1 entnommen wurde. Der Nachweis untergliedert sich in die Nachweise eines geometrischen Kriteriums und der Sicherheit gegen Fugenerosion.

15

1004

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Abhängig von den Bodeneigenschaften und der Korngrößenverteilung kann die geometrische Erosionssicherheit anhand unterschiedlicher Verfahren nachgewiesen werden (z. B. TERZAGHI, CISTIN/ZIEMS, WITT, SCHMITZ), eine Übersicht gibt [29]. Dabei wird im Regelfall die Partikelgröße des feineren Materials mit den Porenöffnungsweiten des gröberen Materials verglichen. Ist das geometrische Kriterium nicht erfüllt, kann der Nachweis über das hydraulische Kriterium erreicht werden. Das hydraulische Kriterium ist erfüllt, wenn das anstehende hydraulische Gefälle, was über die Durchsickerungsberechnung ermittelt werden kann, kleiner ist als der kritische Gradient, bei dem der Erosionsvorgang eintritt. Der kritische Gradient hängt dabei von der Bodenart und den Bodeneigenschaften ab und kann nach ZIEMS bestimmt werden.

Bild 15-34 Ablaufdiagramm für den Nachweis der Sicherheit gegen innere Suffosion gemäß DWA 507-1

15

Zur Vermeidung von Kontakterosion zwischen zwei Bodenschichten (z. B. Deichbaumaterial und Kiesfilter am luftseitigen Böschungsfuß) werden in der Praxis auch Geotextilien verwendet, deren mechanische Filterwirksamkeit ebenfalls nachzuweisen ist. Bei Geotextilien besteht bei falscher Bemessung die Gefahr, dass die Kornpartikel der feinkörnigen Böden die Poren des Vlieses verstopfen und dadurch die hydraulische Wirksamkeit der Geotextilien einschränken können. Dies sollte vor allem an der luftseitigen Drainage unbedingt vermieden werden, um den Zulauf der Sickerströmung in die Drainage sicherzustellen und die Standsicherheit des Deiches nicht zu gefährden. Zum Führen der Nachweise zur inneren Erosion wird auf das DWA-Merkblatt 507-1 verwiesen.

15.9 Leitungen und Bauwerke in Deichen

1005

15.8.4.5 Nachweise der Gebrauchstauglichkeit Im Rahmen der Nachweisführung zur Gebrauchstauglichkeit sind die Setzungen des Deiches rechnerisch abzuschätzen. Die Ergebnisse sollten in die Planung dahingehend einfließen, dass der Freibord nachhaltig sichergestellt ist und die Dichtungsfunktion des Deiches durch die Setzungen nicht negativ beeinträchtigt wird. In der Praxis wird auch eine Überhöhung des Deiches entsprechend der erwartenden Setzungen durchgeführt. Ebenfalls kann der Einbau von Geogittern das Verhalten des Deichkörpers begünstigen.

15.9

Leitungen und Bauwerke in Deichen

15.9.1

Leitungen

Leitungen und Bauwerke in oder an Deichen sind grundsätzlich zu vermeiden. Da dies in der Praxis nicht immer möglich ist, sind besondere Vorkehrungen und Regeln zu beachten, damit diese Einbauten sich nicht nachteilig auf die Standsicherheit der Deiche auswirken. Durch Leitungen und Bauwerke werden das natürliche Gefüge im Deich gestört und Fugen klar definiert. Diese Fugen bilden die größte Gefahr für die Standsicherheit des Deiches, aufgrund des Piping-Effekts, der zur Fugenerosion entlang der Bauwerksfugen bzw. der Leitungstrassen führt. Leitungen können den Deich unterhalb, innerhalb oder oberhalb kreuzen. Am günstigsten ist es, die Leitungsführung entsprechend dem Deichprofil über den Deich zu legen. Bei Leitungen in oder an Hochwasserschutzdeichen sind grundsätzlich folgende Punkte zu beachten: – Vorhandene Deckschichten dürfen nicht geschwächt werden bzw. müssen wieder hergestellt werden, um das Risiko eines hydraulischen Grundbruchs zu vermeiden. – Die Erosionssicherheit des Deichkörpers und seines Untergrundes darf durch die Leitung bzw. das Bauwerk nicht erhöht werden. – Die Einbettung und Grabenverfüllung muss dem restlichen Deichaufbau entsprechen. – Die Lage und Funktionssicherheit aller Dichtungselemente muss sichergestellt und nachgewiesen werden. – Der Sickerlinienverlauf im Deich darf nicht nachteilig verändert werden. – Die Auftriebssicherheit der Leitungen und Bauwerke muss gewährleistet sein – Drainleitungen dürfen in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt werden. – Leitungen sollen grundsätzlich im rechten Winkel den Deichkörper kreuzen (in Ausnahmefällen ist eine Abweichung von bis zu 15° möglich). – Leitungen sollen nicht parallel zur Deichachse verlaufen. – Zwischen Bauwerken im Deich und Leitungen ist ein Abstand von mindestens 15 m erforderlich. – In setzungsgefährdeten Bereichen sind die Leitungen über den Deich zu führen. – Kreuzende Leitungen im Deich sind zu vermeiden. Eine Verlegung von Leitungen oder Kabeln erfolgt grundsätzlich in offener Baugrube im Sandbett ist nicht erlaubt. Rohrauflager sind daher in fließfähigem Magerbeton zu verlegen. Kleinere Querschnitte oder Kabelschutzrohre werden direkt im anstehenden Boden oder Deichbaumaterial bzw. in bindigem Material verlegt. Alternativ hierzu hat man in jüngster Zeit auch mit dem Einsatz von Flüssigboden (RSS Flüssigboden) gute Erfahrungen bei der Leitungsverlegung gemacht.

15

1006

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Zusätzlich können bei größeren Rohrquerschnitten Injektionsrohre oder Verpressschläuche montiert werden, mit denen ein nachträgliches Verpressen der Kontaktfuge Rohr zu Boden möglich ist. Auf die Verdichtung ist besonderer Wert zu legen. Gerade bei großen Rohrleitungen ist ein ausreichender Arbeitsraum vorzusehen, damit die Verdichtung ungehindert erfolgen kann.

15.9.2

Bauwerke

Ähnlich verhält es sich bei Bauwerken in Deichen (Schöpfwerke, Siele etc.). Durch das unterschiedliche Verhalten der Bauwerke und des Erdkörpers bei Auftrieb und Setzungen können entlang der Bauwerksfugen Umläufigkeiten entstehen. Daher sind Setzungen bzw. Hebungen auf ein Mindestmaß zu beschränken und über eine geeignete Gründung und Konstruktionen zu verhindern. Zusätzlich sollten weitere konstruktive Maßnahmen zur Sickerwegsverlängerung bzw. -unterbrechung eingeplant und die Ausführung der Anschlüsse an das Erdreich sorgfältig überwacht werden. Durch geneigte Wände kann z. B. die Anbindung an das Erdreich verbessert werden.

15.10 Gehölze an Deichen Analog zu Leitungen in Deichen werden die Wurzeln von Bäumen und Sträuchern ähnlich kritisch gesehen. Es wird befürchtet, dass abgestorbene Bäume bzw. deren Wurzeln die Bildung von Hohlräumen im Deichkörper begünstigen oder die Durchwurzelung das homogene Gefüge des Deiches stört und auflockert. Zusätzlich können bei Windbruch Schäden durch die aufbrechenden Wurzelteller entstehen, die den Deichquerschnitt zusätzlich schwächen. Darüber hinaus können auf bewachsenen Deichen Sickerstellen schwer oder gar nicht erkannt werden. Ferner wird die Ansiedlung von Wühltieren durch den Schutz der Vegetation begünstigt. Ein weiterer Grund, der gegen einen Bewuchs durch Bäume und Sträucher spricht, ist die mangelhafte Ausbildung einer geschlossenen Grasnarbe als Erosionsschutz durch die Beschattung. Beispiele für Schäden an bewachsenen Deichen zeigen die Bilder 15-35 und 15-36.

15

. Bild 15-35 Deichbruch eines durchwurzelten Querschnitts bei einem Hochwasserereignis

15.10 Gehölze an Deichen

1007

Bild 15-36 Durch Sturmschäden geschwächter Querschnitt eines bewachsenen Hochwasserschutzdeiches

Die Argumentation, dass durch einen dichten Bewuchs bzw. eine Bewaldung die „Vernadelung“ der Böschungen durch ein dichtes Wurzelwerk und die Herabsetzung der Strömungsgeschwindigkeit die Standsicherheit von Deichen erhöht würde oder zumindest nicht benachteiligt würde, wird in den einschlägigen Regelwerken nicht weiterverfolgt und ist nicht Stand der Technik.

≥ 3,0 m

15 Bild 15-37 Schema einer nachträglich eingebrachten Dichtung zur Deichsicherung bei zu bewahrendem Baumbestand

1008

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Es gibt jedoch von Seiten des Naturschutzes oder hinsichtlich des Landschafts- bzw. Städtebildes immer wieder Forderungen, den gewachsenen und ökologisch wertvollen Baumbestand zu erhalten. In solchen Fällen müssen aufwändige Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, um den Baumbestand zu bewahren und gleichzeitig die Funktionstüchtigkeit des Deiches durch Windwurf, Setzungen oder Böschungserosion zu sichern. Daher werden in solchen Deichabschnitten statisch tragende Innendichtungen erforderlich, die ein Versagen des Deiches selbst bei Wegfall der Stützkörper verhindern (Bild 15-37). Nachfolgend sind in Tabelle 15.20 Regelungen nach DIN 19712 aufgeführt, die eine Anpflanzung von Gehölzen in Ausnahmen erlauben. Tabelle 15.20

Ausnahmeregelung für Gehölze nach DIN 19712

Gehölze müssen so angeordnet sein, dass die Wurzeln nicht in den erdstatisch relevanten Bereich eindringen können. Das untere Drittel der landseitigen Böschung muss für Sickerwasserbeobachtungen und für die Deichverteidigung dauerhaft gehölz- und wurzelfrei bleiben. Bepflanzungen sollen in Gruppen vorgenommen werden. Normalwüchsige Bäume sollen im Hinterland einen Mindestabstand von 10 m (bei Pappeln 30 m) vom Deichfuß aufweisen. Der Mindestabstand gilt auch für Bäume im Vorland. Gehölze im Vorland dürfen nicht eine Einschränkung des Hochwasserabflusses oder Überströmung des Deiches bewirken.

15.11

Qualitätskontrollen im Deichbau

15.11.1 Während der Baumaßnahme Während der Baumaßnahme müssen Kontrollen zu Sicherstellung der Qualität durchgeführt werden (Bild 15-38). Die notwendigen Kontrollen sind in der Tabelle 15.21 dargestellt. Für die Erdarbeiten im Deichbau gelten die Anforderungen nach DIN 18300 (VOB, Teil C Erdarbeiten) bzw. den ZTV-W 205.

15

Bild 15-38 Qualitätskontrollen vor Ort beim Deichbau

15.11 Qualitätskontrollen im Deichbau

Tabelle 15.21

1009

Qualitätskontrollen bei Deichen

Qualitätskontrollen

Art der Kontrollen

Anforderungen

Deichaufstandsfläche

Eignungskontrolle (visuell & Labor)

Baustoffe

Eignungskontrolle (Labor) eventuell Herkunftsnachweis

Verdichtung

Einbauschichtdicke Verdichtungsprüfungen

Tragfähigkeit, Scherfestigkeit (frei von nicht tragfähigen und organischen Schichten) Erreichen der erforderlichen Parameter (Kornverteilung, Filterstabilität, Glühverlust, Durchlässigkeit, Scherfestigkeit, Plastizität, Wassergehalt, …) Erreichen der erforderlichen Parameter (Proctordichte, Wassergehalt, …) Verdichtungsgerät Verdichtungsdauer

Setzungen

Kontrollvermessungen

Neben den Anforderungen für den Einbau sind auch die Bauverfahren und der Baustellenbetrieb von Bedeutung. So sind z. B. vor Einbaupausen die verdichteten Oberflächen zu glätten und mit einem Gefälle auszubilden, damit Regenwasser ungehindert abfließen kann. Eine Verzahnung der Schüttlagen und unterschiedlicher Zonen ist zu gewährleisten. Nach Frostperioden ist die oberste Schicht vor dem Einbau der nächsten Lage entsprechend aufzuarbeiten (Tabelle 15.22). Tabelle 15.22

Ausgewählte Methoden der Verdichtungsprüfung

Methoden

Anwendungsbereich bindige Erdstoffe

Zylinder

Sand

Zeitaufwand

Genauigkeit

Fehlerempfindlichkeit

Kiessand Kies

Schotter Steine



sehr gering

gut

sehr wenig

Aufwand an Hilfsgeräten

X

X



Sandersatz

X

X

X



groß

ausreichend

hoch

Gipsersatz

X

X

X

X

groß

ausreichend

hoch

Ballonmethode

X

X

X



gering

gut

sehr wenig

Plattendruckversuch

X

X

X

X

sehr groß

ausreichend

wenig

Flächendeckende Prüfverfahren mit Vibrationswalzen

X

X

X

X

gering

ausreichend

wenig

Bei der Anwendung von Plattendruckversuchen nach DIN 18134 kann die Korrelation der Ergebnisse des Plattendruckversuches mit dem Verdichtungsgrad nach Tabelle 15.23 vorgenommen werden.

15

1010

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

Tabelle 15.23

Richtwerte für die Zuordnung von Verdichtungsgrad D Pr und Verformungsmodul EV2 bei grobkörnigen Bodengruppen nach ZTVE-STB Erdarbeiten

Bodengruppen

Verdichtungsgrad DPr in %

Verformungsmodul EV2 in MN/m2

GW, GI

≥ 100 ≥ 98 ≥ 97

≥ 100 ≥ 80 ≥ 70

GE, SE, SW, SI

≥ 100 ≥ 98 ≥ 97

≥ 80 ≥ 70 ≥ 60

Zur Beurteilung des Verdichtungsgrades ist zusätzlich der Verhältniswert des Verformungsmoduls EV2/EV1 zu beachten, Näherungswerte sind in Tabelle 15.24 genannt. Falls der E V1Wert bereits 60 % des oben genannten EV2-Wertes erreicht, sind auch höhere Verhältniswerte EV2/EV1 zulässig. Tabelle 15.24

Richtwerte für den Verhältniswert EV2/EV1 in Abhängigkeit vom Verdichtungsgrad nach ZTVE-STB Erdarbeiten Verdichtungsgrad DPr in %

Verhältniswert EV2/EV1

≥ 100

≤ 2,3

≥ 98

≤ 2,5

≥ 97

≤ 2,6

Nach DWA Merkblatt 507-1 soll bei Deichen, die zeitweise von schwerem Gerät befahren werden, der Verdichtungsgrad bis 1 m unter dem Oberbau bei bindigen Böden mindestens 97 % und bei nichtbindigen Böden 100 % der einfachen Proctordichte betragen. Die DIN 19712 gibt für die zu erreichende einfache Proctordichte bzw. Lagerungsdichte in Abhängigkeit von der Bodenart folgende Bandbreiten vor: Tabelle 15.25

Verdichtungsanforderungen nach DIN 19712

Bodengruppe nach DIN 18196

15

Mindestverdichtung

Empfohlene Verdichtung

GU, GT, SU, ST

DPr ≥ 97 %

DPr = 100 %

GU´, GT, SU´, ST, U, T

DPr ≥ 95 %

DPr = 97 %

GW, GI

D ≥ 1,0

D = 1,3

GE, SE, SW, SI

D ≥ 1,0

D = 1,0

DPr D

Verdichtungsgrad (einfache Proctordichte) Lagerungsdichte

Die höheren Werte der rechten Spalte der Tabelle 15.25 sind besonders bei Bauwerksanschlüssen und Hinterfüllungen einzuhalten.

15.12 Deichverteidigung

1011

Für die Innendichtungen mit Bodenvermörtelungsverfahren (FMI, MIP etc.) gelten besondere Verfahren für die Prüfung der verwendeten Suspension und der Festigkeit des entstehenden Erdbetonkörpers nach 7, 14 und 28 Tagen. Weitere Informationen hierzu sind im Kapitel 9 zu finden.

15.11.2 Nach der Fertigstellung Nach Fertigstellung eines Deiches sollte mindestens einmal im Jahr eine Nachschau erfolgen, zusätzlich auch nach jedem Hochwasserereignis. Das Ergebnis der Deichschau ist schriftlich festzuhalten. Es ist besonders zu achten auf: – – – – –

Setzungen, Risse Wühltierbefall Qualmwasseraustritte (Sickerwässer) Verformungen des Deiches Beschädigungen der Grasnarbe.

Besonders hilfreich erweist sich für den Unterhalt des Deiches und zur Beurteilung von Grenzzuständen im Hochwasserfall ein Deichbuch. Im Deichbuch sind alle Planungsansätze mit den entsprechenden Kennwerten, die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen und der Bauausführung dokumentiert und nachvollziehbar dargestellt.

15.12 Deichverteidigung Im Hochwasserfall zeigt sich, ob der Deich den Belastungen widersteht. Um rechtzeitig ein Versagen des Deiches erkennen zu können, müssen die Deiche entsprechend begangen bzw. beobachtet werden. Mit dem Wissen der geotechnischen und hydraulischen Zusammenhänge im Deich lassen sich die Beobachtungen einordnen und deren Gefährlichkeit abschätzen. Es sind somit grundsätzlich drei Arten von Beobachtungen festzustellen: – Überströmen – Sickerwasseraustritte – Verformungen. Das Überströmen von Deichen und die mögliche Erosion der landseitigen Böschung werden durch eine Erhöhung, meist mit Sandsäcken, an der Deichkrone verhindert. Es ist dabei aber zu beachten, dass der Deichquerschnitt nicht für diesen hohen Wasserstand und die Auflast aus den Sandsäcken ausgelegt wurde. Die Standsicherheit kann daher ohne weitere Maßnahme, z. B. eine Verbreiterung des Stützkörpers auf der Landseite, gefährdet sein. Beim Austritt von Sickerwasser ist neben der Menge zu unterscheiden, ob es sich um klares oder getrübtes Wasser handelt. Der Austritt von klarem Sickerwasser ist zunächst als ungefährlich zu bewerten, da im Einstaufall immer mit Sickerwasser zu rechnen ist. Die Höhe der Austrittstelle an der Dammböschung lässt Rückschlüsse auf die Lage der Sickerlinie zu und kann zur Beurteilung der Standsicherheit herangezogen werden. Der Austritt von trübem Sickerwasser zeigt an, dass Bodenmaterial aus dem Deichkörper oder Untergrund ausgetragen wird. Diese Austritte bzw. eine in diesem Fall zu vermutende

15

1012

15 Geotechnik im Hochwasserschutz

innere Erosion sind für die Standsicherheit des Deiches gefährlich. Die Austritte können sowohl im Deich als auch im Hinterland auftreten. Zu Verformungen am Deich zählen Sackungen, Böschungsrutschungen, Hebungen (z. B. als Hinweis auf einen drohenden hydraulischer Grundbruch) und Versetzungen. Sie sind als sehr gefährlich einzustufen. Sie zeigen an, dass der Deich überbelastet ist. Es sind sofort Gegenmaßnahmen zu treffen. Hierzu zählen die Stützung des Deiches mit Auflastschüttungen aus Kies oder Splitt oder Lagen und Stützpfeilern aus Sandsäcken. Inzwischen haben viele Bundesländer (z. B. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen, …) eigene Leitfäden und Broschüren zur Deichverteidigung herausgegeben, die anschaulich die Szenarien der Deichverteidigung beschreiben.

15.13 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]

[9] [10] [11] [12]

15

[13] [14] [15]

[16] [17]

Literatur

BAW – Bundesanstalt für Wasserbau (2005): Merkblatt zur Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD), Karlsruhe BAW – Bundesanstalt für Wasserbau (2011): Merkblatt zur Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD), Karlsruhe BAW – Bundesanstalt für Wasserbau (2013): Merkblatt Anwendung von Kornfiltern an Bundeswasserstraßen (MAK), Karlsruhe BAW – Bundesanstalt für Wasserbau (2013): Merkblatt Materialtransport im Boden, Bundeswasserstraßen (MMB), Karlsruhe Bayerisches Landesamt für Umwelt, Merkblatt Nr. 5.2/5 Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (2003): Hinweise zur Deichverteidigung und Deichsicherung Bollrich, G. (1996): Technische Hydromechanik, Band 1, Verlag für Bauwesen BWK Merkblatt 6 (2004): Mobile Hochwasserschutzsysteme – Grundlagen der Planung und Einsatz, Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) e. V. Pfullingen DIN 1054 (2010): Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EC1997-1 Beuth Verlag, Berlin DIN 1054/A1 (2012): Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau –Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-2, Beuth Verlag, Berlin DIN 18196 Erd- und Grundbau (2006): Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke – Beuth Verlag, Berlin DIN 18300 (2016): VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Erdarbeiten (VOB, Teil C Erdarbeiten), Beuth Verlag, Berlin DIN 19700 (2004): Stauanlagen, Teil 10 bis 13, Beuth Verlag Berlin DIN 19712 (2013): Hochwasserschutzanlagen an Fließgewässern – Beuth Verlag, Berlin DIN 22475-1 Geotechnische Erkundung und Untersuchung - Aufschluss- und Probenahmeverfahren und Grundwassermessungen – Teil 1: Technische Grundlagen der Ausführung, Beuth Verlag, Berlin DIN 4020 (2010): Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke – Beuth Verlag, Berlin DIN EN 1997-1, Eurocode 7-1: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln (EC 7-1), Beuth Verlag, Berlin

15.13 Literatur

1013

[18] DIN EN 1997-2, Eurocode 7-2: Entwurf Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 2: Erkundung und Untersuchungen des Baugrunds (EC 7-2), Beuth Verlag Berlin [19] DVWK Merkblatt 209 – Wahl des Bemessungshochwassers – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau, Verlag Paul Parey [20] DVWK Merkblatt 210 – Flussdeiche – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau, Verlag Paul Parey [21] DWA-M 507-1 (2011): Deiche an Fließgewässern, Teil 1: Planung, Bau und Betrieb – Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), 53773 Hennef [22] DWA–M 512-1 (2012): Dichtungssysteme im Wasserbau, Teil 1 Erdbauwerke – Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), 53773 Hennef [23] DWA Themen WW 7.3 – Dichtungssysteme in Deichen – (April 2005) Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), 53773 Hennef [24] EAG-GTD (2002): Empfehlungen für die Anwendung von geosynthetischen Tondichtungsbahnen. Deutsche Gesellschaft für Geotechnik (DGGT), Ernst & Sohn Verlag, Berlin [25] Haselsteiner, R. (2007): Hochwasserschutzdeiche an Fleißgewässern und ihre Durchsickerung, Band 111, Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München [26] Patt, H. (2001): Hochwasser-Handbuch: Auswirkungen und Schutz, Springer, Berlin [27] Poweleit, A. (1985): Freibordberechnung, Wasserwirtschaft, Heft Nr. 75 [28] Rössert, R. (1999): Hydraulik im Wasserbau, R. Oldenburg Verlag [29] Schmitz, S. (2007): Zur hydrauischen Kontakterosion bei bindigen Basiserdstoffen, in: Mitteilungsheft Insitut für Bodenmechanik und Grundbau, Heft 19, Neubiberg 2007 [30] Schuppener, B. (2011): Das Normen-Handbuch zu Eurocode 7 und DIN 1054/2010 – Grundlagen für geotechnische Nachweise in Verkehrswasserbau, BAW Mitteilungen Nr. 94/2011 (Karlsruhe) [31] Staugeregelte Flüsse – Anlagensicherheit und Hochwasserschutz, Nachweise und Lastfälle nach DIN 19700 und DIN19712 [32] Stiegler, W. (1998): Dammbau in Theorie und Praxis Verlag für Bauwesen, Berlin [33] ZTVE-STB (2009): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau [34] ZTV-W 205 (1992): Erdarbeiten, Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen Wasserbau

15

16

Geotechnische Messverfahren Roman Marte, Florian Scharinger, Monika Paulus-Grill und Werner Lienhart

16.1

Einleitung

In der Geotechnik kommt den verschiedenen Messverfahren bereits seit Jahrzehnten eine besondere Bedeutung zu. Der Baugrund, sei es Fest- oder Lockergestein, lässt auf Grund seiner Heterogenität im Allgemeinen nur eine begrenzte Schärfe bei der Festlegung von Kennwerten bzw. Materialeigenschaften zu. Dadurch wird es oft bereits im Zuge der Projektierungs- bzw. Planungsphase erforderlich, die Boden-/Felskennwerte oder allgemeiner formuliert das „Verhalten“ des Untergrundes messtechnisch zu erfassen. Im Zuge der Bauausführung gilt es sodann mittels geotechnischer Messverfahren das prognostizierte Verhalten der Baugrund-Bauwerk-Interaktion oder von z. B. temporären Bauhilfsmaßnahmen wie Baugrubensicherungen zu verifizieren und zu überwachen. Eine besondere Bedeutung kommt den Messverfahren in dieser Phase z. B. auch im städtischen Bereich zu, in dem es gilt, an das Bauobjekt angrenzende Bestandsgebäude zu sichern und zu überwachen. Hierbei kommen zunehmend Messverfahren zum Einsatz, die eine kontinuierliche Erfassung und Aufzeichnung bestimmter Messgrößen (z. B. die Erfassung von Setzungen) erlauben. Bei gewissen Bauobjekten ist im Weiteren über die gesamte Nutzungsdauer des Bauwerkes eine messtechnische Überwachung erforderlich. Dabei dienen die geotechnischen Messverfahren unter anderem dazu, sich allenfalls entwickelnde, als kritisch einzustufende „Zustände“ frühzeitig zu erkennen, um geeignete Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Im Zuge der Umsetzung des Eurocode 7 kommt den Messverfahren insofern noch einmal eine größere Bedeutung zu, als dass die sogenannte Beobachtungsmethode als Verfahren zur Erfassung von Grenzzuständen im Untergrund auf eine Ebene mit z. B. rechnerischen Nachweisverfahren gestellt wurde. Die Beobachtungsmethode erlaubt die Untersuchung und Erfassung von möglichen Versagenszuständen im Untergrund auf Basis eben solcher messtechnischer Mittel. Auch bei den heutzutage üblichen Spezialtiefbaumaßnahmen bzw. -verfahren lassen sich messtechnische Steuerungs- bzw. Dokumentationsmethoden nicht mehr wegdenken. Sei dies z. B. der Einsatz von Schlauchwagensystemen bei der Durchführung von Hebungsinjektionen von Bauwerken oder im einfachsten Fall der Einsatz von geodätisch überwachten Setzungspegeln bei der Ausführung von Vor- bzw. Überlastschüttungen zur Vorwegnahme von Setzungen. Auf Grund der mittlerweile sehr zahl- und umfangreichen messtechnischen Verfahren und ihrer sehr breiten Anwendungspalette in der Geotechnik, kann in diesem Kapitel nur ein Überblick und eine beispielhafte Demonstration von möglichen Anwendungen gegeben werden. Es wird jedoch besonderer Wert auf die Angabe von weiterführenden Informationsquellen zu den einzelnen Themen und Verfahren gelegt. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die hier vorgestellten Messverfahren hinsichtlich ihres Einsatzes vor Ort (Baustelle, Bauwerk etc.) behandelt werden. Den zweiten Schwerpunkt in diesem Kapitel bilden die sogenannten Geografischen Informationssysteme (GIS) die den Zugriff zu Datenbanken erlauben, die Informationen zu den verschiedensten „geografischen“ Kenngrößen beinhalten. Solche geografische Kenngrößen kön© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_16

1016

16 Geotechnische Messverfahren

nen z. B. Grundwasserstände, allgemeine Informationen über Grundstücksrechte etc. beinhalten. Diese Informationssysteme sind im Allgemeinen gegen Entgelt oder unentgeltlich über das Internet nutz- und abrufbar.

16.2

Geotechnische Messungen

16.2.1

Ziel geotechnischer Messungen

Das Ziel von „messtechnischen Verfahren“ im gesamten Ingenieurwesen ist, das „Verhalten“ eines Materials unter äußeren Einflüssen wie Kräften, aufgezwungenen Verformungen, Temperaturänderungen etc. zu erfassen und zu beschreiben. Einerseits kann dadurch das Material im Hinblick auf das Stoffverhalten selbst („Stoffgesetze“) z. B. im Labor untersucht werden. Weiters werden Messverfahren verwendet, um das auf Basis von rechnerischen Untersuchungen prognostizierte Materialverhalten zu verifizieren. Das heißt ein Vergleich von Prognose und tatsächlichem Verhalten wird vorgenommen. Messverfahren werden sodann zum frühzeitigen Erkennen von Bruch- oder Versagenszuständen wie auch zur Beurteilung und manchmal auch Steuerung von Sanierungsmaßnahmen eingesetzt. Und als viertes werden Messverfahren z. B. zur Beobachtung und Kontrolle des Langzeitverhaltens eines Bauwerkes oder einer Konstruktion herangezogen. In der Geotechnik sind genau dies die typischen und am häufigsten vorkommenden Anwendungsgebiete von messtechnischen Verfahren, wobei im Vergleich zu anderen Sparten des Ingenieurwesens der verwendete „Stoff“, nämlich der Baugrund i.A. durch seine Heterogenität und oftmals auch Anisotropie gekennzeichnet ist. Dies macht einerseits die Formulierung von allgemein gültigen Stoffgesetzen als Basis für numerische oder analytische Prognosen schwierig und würde andererseits oftmals eine sehr intensive und kostenaufwändige Untersuchungskampagne zur genauen Erfassung und Beschreibung der vorhandenen Untergrundverhältnisse erfordern. Messtechnische Verfahren in der Geotechnik dienen somit in Ergänzung bzw. teilweise auch als Bestandteil der Baugrunderkundung, bei rechnerischen Nachweisverfahren oder von Spezialtiefbauverfahren. Zur wirtschaftlichen und ausreichend sicheren Ausführung und Errichtung von Bauobjekten können die verschiedenen Verfahren vor, während und/oder nach der Bauausführung zur Anwendung kommen. Umgekehrt formuliert würde der Verzicht auf derartige Messverfahren oftmals eine wesentlich kostenaufwändigere oder aber risikoreichere Verwirklichung von Bauvorhaben bedingen. Geotechnische Messungen können nach den in den folgenden Unterkapiteln dargstellten Gesichtspunkten untergliedert werden. 16.2.1.1 Zeitliche Anordnung von Messverfahren

16

Vor Beginn der eigentlichen Baumaßnahme: – Zur Erfassung und Beweissicherung des Ist-Zustandes vor Baubeginn (z. B. die Beweissicherung von bestehenden Gebäuden mittels Rissaufnahmen, Setzen und Einmessen von geodätischen Messmarken etc.) – Zur Erfassung der Grundwasserverhältnisse

16.2 Geotechnische Messungen

1017

– Zur Vorabuntersuchung des Verhaltens des Untergrundes vor Baubeginn (z. B. die Untersuchung eines Rutsch- oder Kriechhanges durch den Einbau und das Vermessen von Inklinometerrohren zur Erfassung der Tiefe einer oder mehreren Gleithorizonte oder zur Erfassung der Verschiebungsraten. Oder z. B. die Durchführung von sogenannten “bore hole tests“ z. B. zur Untersuchung der Wasserdurchlässigkeit, des Verformungsverhaltens etc. der vorliegenden Bodenschichten). Während der Bauausführung: – Zur begleitenden Überwachung von z. B. an das Bauvorhaben angrenzenden Bestandsobjekten (z. B. Geodätische Vermessungen, Schwingungsmessungen etc.) – Begleitende messtechnische Überwachung von z. B. Baugrubenwänden (Verschiebungsbzw. Verformungsmessungen durch Inklinometer, durch geodätische Messungen, durch Gleitmikrometermessungen, Extensometermessungen etc.), von Ankerungen oder Aussteifungen (Kraftmessung durch z. B. Ankerkraftmessdosen oder z. B. Dehnungsmessungen durch DMS-Streifen auf Aussteifungen). – „Steuerung“ des eigentlichen Bauverfahrens durch messtechnische Maßnahmen (z. B. die Steuerung eines Injektionsprozesses zur Hebung eines Bauwerkes durch zeitgleich stattfindende Hebungsmessungen z. B. mittels eines Schlauchwaagensystems. Oder z. B. die zeitliche Auslegung einer Vorlastschüttung zur Vorwegnahme von Setzungen durch begleitende geodätische Vermessungen von Setzungspegeln). Im Tunnelbau kommt der messtechnischen Begleitung sowohl als Überwachungs- aber auch Prognose- und Steuerungsmittel - beispielsweise bei der NATM – eine ganz besondere Rolle zu. – Qualitätssicherung der ausgeführten Spezialtiefbaumaßnahmen (z. B. Dokumentation und Aufzeichnung von Tiefenschreiberprotokollen für die Errichtung einer Baugrundverbesserung mittels Rütteldruck- oder Rüttelstopfsäulen; Aufzeichnung von Rammprotokollen für eine Tiefgründung mittels Rammpfählen etc.). Nach Abschluss der Bauausführung: – Zur Langzeitbeobachtung des Verhaltens übergeordneter Bauobjekte (Staumauern, Kraftwerke, Deponien etc.) – Allgemein für Bauwerke, für die die langfristige messtechnische Beobachtung und Überwachung Bestandteil der Planung ist. Beispielsweise die stufenweise Sicherung einer Straße in einem Rutschhang. In einer ersten Baustufe wurde aus wirtschaftlichen Gründen nur ein reduziertes Maß an Stützmitteln eingebaut und erst auf Basis längerer messtechnischer Beobachtung soll über eine allenfalls erforderliche zweite Baustufe entschieden werden. Diese Bauweisen sind nach dem Eurocode 7 unter dem Begriff Beobachtungsmethode einzuordnen. 16.2.1.2 Örtliche Positionierung von Messungen Messgrößen im Baugrund – Spannungen – Verschiebungen bzw. allgemein Verformungen – Porenwasserdrücke. Messgrößen zur Überwachung der Bauausführung – Messungen zur Überwachung der Einhaltung von Herstelltoleranzen (Vertikalität von Pfählen, Herstellgenauigkeit von Ankerbohrungen etc.) – Messungen zur Dokumentation bzw. zur Qualitätssicherung von Bau- bzw. Konstruktionsteilen im Spezialtiefbau (z. B. Tiefenschreiberprotokolle für Schottersäulen, Ramm-

16

1018

16 Geotechnische Messverfahren

protokolle für die Herstellung von Rammpfählen, Ultraschallmessungen in Bohrpfählen etc.). Messgrößen an Bau- und Konstruktionsteilen im Bau- und Endzustand – Für die Kontrolle bzw. den Nachweis von Bau- bzw. Konstruktionsteilen (wie z. B. Anker, Steifen, Schlitz- oder Pfahlwänden etc. im Bauzustand oder dauerhaften Konstruktionsteilen für den Endzustand) werden Dehnungen, Krümmungen, Neigungen, Verschiebungen, Kraftänderungen, Temperaturänderungen etc. gemessen oder ermittelt. Daraus lassen sich direkt oder als abgeleitete Größen die Beanspruchung von einzelnen Bau- bzw. Konstruktionsteilen für die verschiedenen Bauzustände oder allenfalls auftretende Veränderungen des Objektes im Endzustand ermitteln. Messgrößen an angrenzenden Objekten – Überwachung und Beweissicherung vor, während und gegebenenfalls auch nach der Bauausführung von angrenzenden, im Einflussbereich des Bauvorhabens liegenden Objekten. Gemessen werden vorwiegend Größen mittels denen eine Formänderung des Bestandsobjektes erfasst werden kann. Dies sind z. B.: – Setzungen und insbesondere differentielle Setzungen (Schiefstellung) – Lageverschiebungen und Längenänderungen – Aus Verformungen und Lastumlagerungen resultierende Risse am Bestandsobjekt – Grundwasserstände. 16.2.1.3 Bedeutung von Messungen im Zuge der geotechnischen Bemessung Nach dem Eurocode 7 [4] sind Grenzzustände durch rechnerische Nachweise, durch konstruktive Maßnahmen, durch Modellversuche oder Probebelastungen, durch die sogenannte Beobachtungsmethode oder eine Kombination dieser Verfahren zu untersuchen. Die Beobachtungsmethode wird im Eurocode 7 für Fälle empfohlen, in denen sich die Sicherheit gegen Grenzzustände der Tragfähigkeit oder Gebrauchstauglichkeit mit Baugrunduntersuchungen und rechnerischen Nachweisen allein nicht ausreichend nachweisen lässt. Die Beobachtungsmethode basiert auf begleitenden messtechnischen Beobachtungen von Verschiebungen, Verformungen, Kraft- oder Spannungsänderungen etc. und deren Gegenüberstellung zu vorab definierten Grenzgrößen bzw. Alarmwerten. Die Anwendung der Beobachtungsmethode erfordert eine gezielte Planung und setzt neben den eigentlichen Messdurchführungen, geeignete und zeitgerechte Auswertungen, Interpretationen und auch Alarm- und Maßnahmenkataloge voraus, die beim Eintreten von Grenzwerten zum Einsatz kommen. Eine weitere Grundvoraussetzung für die Anwendung der Beobachtungsmethode ist ein duktiles Systemverhalten. Das heißt, dass sich Versagenszustände aus dem messbaren Systemverhalten ableiten lassen.

16

Wird für ein bestimmtes Projekt oder einen Teil eines Projektes beispielsweise die Beobachtungsmethode als wesentlicher Bestandteil des Nachweisverfahrens angewendet, kommt den geotechnischen Messverfahren eine ganz andere Bedeutung und Priorität im Zuge der Ausführung zu, als wenn die Nachweise vorwiegend durch rechnerische Verfahren durchgeführt wurden. Für den Fall einer vorwiegend rechnerischen Nachweisführung reicht oft eine reduzierte, wenn für einfache Objekt- und Baugrundverhältnisse überhaupt erforderliche messtechnische Begleitung, die vorwiegend auf eine Überprüfung der rechnerischen Prognose abzielt. Im Falle der Beobachtungsmethode stützt sich ein Großteil des Sicherheitskonzeptes im Bau- und/oder Endzustand auf die geotechnischen Messeinrichtungen.

16.2 Geotechnische Messungen

1019

Das heißt neben dem eigentlichen Risikopotenzial das mit möglichen Schadens- oder Versagensbildern [13] eines Bauvorhabens verbunden ist, wird der erforderliche Aufwand an messtechnischen Einrichtungen auch durch deren Bedeutung im Zuge der Untersuchung und Beurteilung von Grenzzuständen bestimmt. 16.2.1.4 Bedeutung der geotechnischen Messungen für die an einem Bauverfahren Beteiligten Verursacht durch im Detail unterschiedliche Interessen von den Beteiligten an Bauvorhaben entsteht öfters ein entsprechend unterschiedlicher Umgang bzw. eine unterschiedliche Umgehensweise mit geotechnischen Messungen. Bauherr, Behörden, Planer und ausführende Firmen, sie alle arbeiten letztlich gemeinsam an der Umsetzung eines Bauvorhabens. Dennoch verfolgen sie im Ablauf eines Baugeschehens durchaus unterschiedliche Detailziele. Da messtechnische Verfahren immer auf die Beobachtung bzw. das Erfassen einer konkreten Größe und im Weitern zur Umsetzung und Kontrolle eines bestimmten Zieles dienen, diese Ziele für die Beteiligten jedoch nicht immer gleich lauten, ergibt sich in der Praxis oft eine unterschiedliche Bewertung („Wertschätzung“) und in Folge ein unterschiedlicher Umgang mit den Messeinrichtungen. Was z. B. für Behörden im Sinne der erforderlichen Überwachung der Grundwasserqualität unbedingt erforderlich ist, kann für die Baufirma zu unerwünschten und zeitraubenden Bauunterbrechungen führen. Was vom Planer als unbedingt erforderliche begleitende Messtechnik bewertet wird, kostet dem Bauherrn oftmals viel Geld und wird von der Baufirma während der Bauausführung öfters als Hindernis in der Baudurchführung gesehen und auch so behandelt. Obwohl diese Tatsache trivial ist, führt sie in der Praxis sehr oft zu einer Situation, in der die zweckmäßig geplante und eingesetzte Messtechnik nicht mehr diese Ergebnisse liefern kann, für die sie vorgesehen wurde (z. B. Beschädigung oder Zerstörung von Messeinrichtungen während der Bauausführung, nicht zeitgerechte Weitergabe oder nicht entsprechende Auswertung von Messergebnissen, zu frühzeitige Einstellung von geotechnischen Messungen etc.). Die Praxis lehrt, dass die Bedeutung der eigentlichen Messeinrichtungen bei einem Bauvorhaben zwischen den Beteiligten oftmals zu wenig kommuniziert wird und damit letztlich unzufrieden stellende Ergebnisse erzielt, unnötige Risiken eingegangen und letztlich eingesetzte Gelder nicht optimal genutzt werden. Diese Aspekte sollten bei der Planung, Auslegung und Durchführung von geotechnischen Messkampagnen jedenfalls Berücksichtigung finden.

16.2.2

Gemessene bzw. abgeleitete Größen

In Bild 16-1 ist skizzenhaft eine ausgesteifte bzw. im oberen Bereich rückverankerte Baugrube, deren Sohle bis unter den natürlichen Grundwasserspiegel reicht dargestellt. Unmittelbar an die Baugrube angrenzend ist ein bestehendes und messtechnisch zu überwachendes Bauwerk eingezeichnet. Die Baugrubenwände sollen durch eine Schlitzwand gesichert werden. Anhand dieses skizzenhaften Beispiels sollen auszugsweise einige grundsätzliche Größen die im Zuge von geotechnischen Messungen ermittelt werden, erläutert werden. Für die folgenden Erläuterungen wird noch nicht zwischen „eigentlichen bzw. direkten Messgrößen“ (tatsächlich gemessene Größe) und daraus „abgeleiteten Größen“ [7] unterschieden.

16

1020

16 Geotechnische Messverfahren

Bild 16-1 Baugrube mit Darstellung der verschiedenen Messgrößen bzw. abgeleiteten Größen

16.2.2.1 Verschiebungen Verschiebungen sind in der Geotechnik häufig von großem Interesse und stellen im Allgemeinen die wichtigste Messgröße dar. Im oben angeführten Beispiel interessieren z. B. Verschiebungen des angrenzenden Bestandsgebäudes in horizontaler und vertikaler Richtung die im Zuge der Errichtung der Baugrube bzw. des aufgehenden Bauwerkes entstehen. Weiters wird die Horizontalverschiebung der Schlitzwand wie möglicherweise auch Hebungen der Baugrubensohle während des Aushubes zu beobachten sein. Verschiebungen können direkt z. B. mittels geodätischer Messungen oder aber indirekt z. B. aus Ergebnissen von Inklinometermessungen (z. B. eines in der Schlitzwand eingebauten Inklinometers) abgeleitet werden. Bereits im Zuge der Auslegung des Messsystems (Kapitel 16.2.5) ist zu definieren, ob absolute Verschiebungsgrößen gefordert sind oder auch mit relativen Verschiebungswerten eine ausreichende Aussage möglich ist. Beispielsweise sind für die Beurteilung von möglichen Schäden am angrenzenden Bestandsgebäude in erster Linie die differentiellen Setzungen bzw. Verschiebungen des Bauwerkes erforderlich, was auch mittels Relativmessungen erfasst werden kann. Absolutmessungen sind einerseits im Hinblick auf die geforderte Genauigkeit und besonders z. B. in großflächigen Massenbewegungen (Alpenraum) oft nur mit sehr viel Aufwand und sehr kostenintensiv realisierbar, wenn unbewegte „Fix- oder Bezugspunkte“ nur in großen Entfernungen gegeben sind. 16.2.2.2 Verdrehungen

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Beim oben dargestellten Beispiel können unter Anderem Verdrehungen des angrenzenden Bauwerkes alternativ oder ergänzend zu Verschiebungsmessungen, wie auch Verdrehungen entlang der Achse der Schlitzwand (Inklinometermessungen) interessieren. Für die Schlitzwand kann mittels Inklinometermessungen (= direkte Messungen der Neigungs- bzw. Verdrehungsänderung) oder aus zwei Gleitmikrometermessungen die Biegelinie der Schlitzwand

16.2 Geotechnische Messungen

1021

ermittelt werden. Die Biegelinie kann einerseits den rechnerischen Prognosen direkt gegenübergestellt, oder andererseits zur Ableitung der Beanspruchung der Schlitzwand (Momenten- und ggf. Querkraftverlauf) zur Beurteilung hinsichtlich der vorhandenen Tragreserven herangezogen werden. Weiters können aus der Biegelinie indirekt auch Rückschlüsse auf die außerhalb der Baugrube zu erwartenden Verformungen (z. B. Setzungen von angrenzenden Bauwerken) ermöglicht werden. 16.2.2.3 Verformungen Als Verformung oder Deformation eines Körpers bezeichnet man Verzerrungen und/oder Volumenänderungen die durch Verschiebung bzw. Verdrehung von unterschiedlichen Punkten innerhalb eines Körpers in Erscheinung treten. Es ist somit die Kombination aus den beiden zuvor behandelten Begriffen. 16.2.2.4 Dehnungen Dehnungen (Zerrung oder. Stauchung) treten in Baustoffen bzw. in Locker- oder Festgestein unter dem Einfluss von Spannungs- bzw. Temperaturänderungen auf. Dehnungen als direkte oder abgeleitete Messgrößen können zum Beispiel zur Ermittlung von Spannungsänderungen bzw. allgemein Beanspruchungen in konstruktiven Bauteilen herangezogen werden. Beispielsweise kann für die Schlitzwand in obigem Beispiel mittels Gleitmikrometermessungen auf die Biegebeanspruchung der Wand rückgerechnet werden. Oder es können mittels Dehnmessstreifen die Längenänderungen in den Aussteifungshorizonten ermittelt und daraus auf die Steifenkräfte rückgerechnet werden. Dehnungsmessungen im Untergrund (Gleitmikrometer, Extensometer, …) werden oft herangezogen um die Zusammendrückung einzelner Bodenschichten zu ermitteln und daraus gegebenenfalls auf die Steifigkeiten dieser Schichten schließen zu können. 16.2.2.5 Spannungen bzw. Kräfte Zufolge von Baumaßnahmen kommt es zu Veränderungen im Kraftfluss bzw. der Spannungsverteilung im Untergrund. Ausgehend vom Primärspannungszustand sind somit Spannungserhöhungen zufolge von Belastungen (Dammschüttung, Hochbau etc.) oder entsprechende Reduktionen bei Entlastung des Baugrunds (Baugrubenaushub, Tunnelausbruch etc.) zu erwarten. Nachdem die vorherrschenden Spannungen im Boden eine direkte Beeinflussung von allen im Wirkungsbereich liegenden Bauteilen und Einbauten darstellen, ist die Kenntnis bzw. Überwachung von Veränderungen von besonderem Interesse. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine direkte Überwachung von beliebigen Punkten im anstehenden Baugrund sehr schwierig sein kann. Besonders der planmäßige Einbau von Sensoren, ohne den umgebenden Bodenbereich nachhaltig zu stören, stellt sich in der Praxis oftmals als problematisch dar. Deutlich einfacher und damit auch mit einem vertretbaren Aufwand durchführbar ist die Messung von Reaktionskräften in Strukturteilen (z. B. Anker- oder Steifenkräfte) oder die Kontrolle des Erddrucks in Trennflächen zwischen dem Bauwerk und dem Baugrund. Da damit der Ausnutzungsgrad von Strukturelementen direkt und teilweise automatisiert überwacht werden kann, sind derartige Messungen bei geotechnischen Problemstellungen recht häufig. In Bild 16-1 sind die möglichen Einsatzbereiche entsprechend angedeutet.

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1022

16 Geotechnische Messverfahren

16.2.2.6 Porenwasserdrücke Wasserdrücke im Untergrund stellen in vielen geotechnischen Problemstellungen aber auch Schadens-fällen eine oder die wesentliche Einflussgröße dar. Porenwasserdrücke haben einen großen Einfluss auf das mechanische Verhalten von Erdstoffen und stellen im Untergrund oftmals die wesentliche auf Bauteile, Erd- oder Felskörper wirkende Kraftgröße dar. Aus diesem Grund kommt ihrer Erfassung und richtigen Beurteilung bei fast allen geotechnischen Fragestellungen eine besondere Bedeutung zu. Weiters können Porenwasserdrücke durch viele Bauverfahren (z. B. Ramm-, Bohr- oder Jetarbeiten) beeinflusst werden, wodurch wiederum eine Veränderung des mechanischen Verhaltens des Erdstoffes bedingt werden kann. Die Erfassung von Porenwasserdrücken ist beispielsweise bei der Beobachtung von Konsolidierungsprozessen von weichen, bindigen Bodenschichten unter Auflastschüttungen (Voroder Überlastschüttungen) von besonderem Interesse. Damit wird der Konsolidierungsgrad dieser Schichten beurteilt und der zeitliche Ablauf der weiteren Bauarbeiten (z. B. der Zeitpunkt für das Entfernen der Vorlastschüttung) festgelegt. Die richtige Erfassung der Wasserbzw. Porenwasserdrücke im Untergrund ist im Zusammenhang mit „gespannten Wässern“ im Untergrund von besonderer Bedeutung. Beim Anfahren oder Durchörtern von Bodenschichten mit gespannten Wässern (z. B. artesische Wässer) können bei vielen Bauverfahren im Spezialtiefbau (große) Probleme auftreten (z. B. Herstellung von Schlitzwänden oder Großbohrpfählen). Deshalb ist die richtige Erfassung Grundwasser- bzw. der Porenwasserdruckverhältnisse im Untergrund bereits in der Erkundungsphase von besonderer Bedeutung (z. B. durch den Einbau von Grundwasserpegeln oder Porenwasserdruckaufnehmern in den entsprechenden Bodenschichten). 16.2.2.7 Temperatur Bei geotechnischen Messungen sind Temperaturmessungen oft erforderlich, da Temperaturänderungen einen direkten Einfluss auf die zu messende Größe (z. B. Dehnungen oder Spannungen) oder aber auf die verwendeten Messgeräte bzw. Messeinrichtungen (z. B. Beeinflussung von Ankerkraftmessdosen, geodätischen Messungen, Schlauchwaagensystemen etc.) haben. In vielen Fällen gelingt es, den Einfluss der Temperatur durch Korrekturgrößen bei der Auswertung der Messungen oder aber durch eine entsprechende Berücksichtigung bei der Interpretation der Messergebnisse zu berücksichtigen. In manchen Fällen sind jedoch temperaturbedingte Einflüsse bei Messungen derart bedeutsam, dass das gesamte Messsystem auf diese Einflussgröße abzustimmen ist. Andererseits können Temperaturmessungen auch Informationen über den Zustand eines Bauwerkes liefern. Lokal unterschiedliche Temperaturen in einem Schüttdamm können z.B. ein Anzeichen für eine Leckage sein. 16.2.2.8 Beschleunigungen bzw. Schwinggeschwindigkeiten

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Die Schwingungsmessung wird grundsätzlich dann erforderlich, wenn zeitlich veränderliche Kräfte auf ein Bauwerk einwirken und das Bauwerk gleichzeitig auf Grund seiner Konstruktion die Möglichkeit bietet, auf diese Einwirkungen zu reagieren (zu schwingen). Erregende Kräfte können direkt auf ein Bauwerk wirken (z. B. Wind auf schlanke Strukturen, Kraftwirkung in Auflagerpunkten von Maschinen etc.) oder auch über den Untergrund in ein Bauwerk eingetragen werden (z. B. Ramm-, Rüttel- oder Bohrarbeiten, Verkehr, Industrie etc.). Um einerseits die Auswirkungen von Erschütterungen auf Strukturelemente oder empfindliche Geräte beurteilen zu können und andrerseits eine Beeinträchtigung des benachbarten Lebens-

16.2 Geotechnische Messungen

1023

raumes (fühlbare Erschütterungen, Schallabstrahlung schwingender Strukturen) zu vermeiden, ist gegebenenfalls eine baudynamische Untersuchung zweckmäßig. Die Messung von Beschleunigungen bzw. Schwinggeschwindigkeiten stellt hier eine wesentliche Grundlage für numerische Simulationen dar. 16.2.2.9 Direkte Messgrößen, abgeleitete und rückgerechnete Größen In der Messtechnik wird zwischen direkten Messgrößen, abgeleiteten Größen und in weiterer Folge rückgerechneten Größen unterschieden [7]. Im einführenden Fallbeispiel (Bild 16-1) wurde z. B. angeführt, dass mittels Gleitmikrometermessungen in der Schlitzwand auf die Krümmung und im Weiteren auf die Momentenbeanspruchung in der Wand rückgeschlossen werden kann. Dazu wird beispielsweise auf der Zug- und der Druckseite der Schlitzwand je ein Messrohr eingebaut, in dem die Dehnungen über die Wandlänge mittels einer Gleitmikrometersonde gemessen werden. In diesem Beispiel sind die gemessenen Dehnungen (1 und 2) die direkten Messgrößen. Aus der Kenntnis des Achsabstandes (d) der beiden Messrohre zueinander kann aus der einfachen Beziehung  = (1 – 2)/d die Krümmung () der Wand über die Tiefe abgeleitet werden. Soll im weiteren noch der Verlauf der Biegemomente ermittelt werden, ist eine sogenannte Rückrechnung erforderlich. Neben rein mathematischen Zusammenhängen sind für Rückrechnungen auch noch Modellannahmen bzw. Stoffgesetze, wie z. B. der Zusammenhang zwischen Krümmung, Biegemoment und der Stabsteifigkeit EI eines Biegestabes zu berücksichtigen.

Bild 16-2

Ergebnis einer Inklinometermessung (n-ten Folgemessung bezogen auf die Nullmessung), a) Biegelinie, b) Neigungswerte, c) Momentenlinie

Aus diesen Überlegungen ergibt sich weiters, dass abgeleitete Größen vom mathematischen Standpunkt aus integrierte oder differentielle Größen darstellen. In [7] erfolgt eine eingehende Diskussion dieser Fragestellung. Zusammenfassend kann diese Problematik anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden. In Bild 16-2b ist das Ergebnis einer Inklinometermessung, eines in einem Bohrpfahl eingebauten Inklinometers, als Differenz der n-ten Folgemessung zur Nullmessung aufgetragen [11]. Dargestellt sind die direkten Messwerte = Neigungswerte sin α. In der Darstellung ist erkennbar, dass es sich um keine „glatte“ Messkurve,

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16 Geotechnische Messverfahren

sondern eine durch charakteristische Messungenauigkeiten charakterisierte Kurve handelt. Durch einfache Integration über die Pfahllänge wird die Verschiebungslinie (Biegelinie) des Pfahles ermittelt (Bild 16-2a). Es zeigt sich, dass durch die Integration eine „Glättung“ der Kurve stattfindet. Die Integration wirkt als Tiefpassfilter, welcher höherfrequente Signalanteile unterdrückt. In Bild 16-2c wird hingegen durch eine einfache Differentiation der Messwerte sin α und unter Berücksichtigung einer vereinfacht als konstant angenommenen Pfahlsteifigkeit EI, das Biegemoment rückgerechnet. Deutlich ist erkennbar, dass der rückgerechnete Verlauf der Biegemomente keine brauchbare und interpretierbare Aussage über die tatsächlichen Biegemomente im Pfahl zulässt. Mittels dieser beispielhaften Darstellung soll der allgemeingültige Verhalt erläutert werden, dass sowohl vom mathematischen und auch vom geotechnischen Standpunkt aus „differentielle Größen“ möglichst direkt gemessen werden sollen. Die Differentiation wirkt als Hochpassfilter und höherfrequente, insbesondere Rauschanteile werden verstärkt. Andererseits werden bei der Differentiation systematische Fehler des Sensors reduziert. Nullpunktsfehler werden eliminiert und lineare Driften werden zu konstanten Offsets. Im Gegensatz dazu werden systematische Fehler bei der Integration verstärkt. Aus Nullpunktsfehlern werden lineare Trends und aus linearen Driften werden quadratische Fehler. 16.2.2.10 Der Begriff der Genauigkeit und des Fehlers in der Messtechnik Als wesentliche Grundlage zum Erreichen zufriedenstellender Messergebnisse könnte vereinfacht ausgedrückt das Vermeiden von Fehlern sowie das Erreichen einer größtmöglichen Messgenauigkeit genannt werden. Im Sprachgebrauch zwischen Bauherr, Planer, Geotechniker, Messtechniker etc. herrscht oftmals keine einheitliche Vorstellung über den Begriff der Genauigkeit und Fehler, was einerseits leicht zu Missverständnissen und oftmals erst recht zu „Fehlern“ in der Planung von Messsystemen und im Umgang mit Messdaten und Messergebnissen führt. Bekannte Abweichungen sind jedenfalls bei der Auswertung der Messdaten zu berücksichtigen [1]. Im Folgenden wird eine kurze Definition der wichtigsten Begriffe zu diesem Thema gegeben und es werden entsprechende häufig auftretende Fehler beispielhaft angeführt. Wirksame Maßnahmen zur Fehlervermeidung bzw. -verringerung werden unter Kapitel 16.2.5 besprochen. Der Begriff Fehler wird in der Messtechnik in grobe Fehler, in systematische Fehler und in zufällige Fehler untergliedert: Grobe Fehler resultieren z. B. aus – Unachtsamkeit bzw. Müdigkeit bei der Ausführung der Messungen – Mangelhaften Einbau von Messeinrichtungen – Auch die Zerstörung von Messeinrichtungen während der Bauausführung kann letztlich als grober Fehler eingestuft werden – Nicht zeitgerechte Durchführung von Messungen oder aber auch die ungeeignete oder zu späte Auswertung und Weitergabe von Messergebnissen – Nichteinbindung der geeigneten Fachleute für eine richtige Interpretation der Messergebnisse.

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Grobe Fehler können zur Unbrauchbarkeit von Messergebnissen oder aber auch von ganzen Messeinrichtungen führen. Häufig führen sie auch dazu, dass das mittels der Messeinrichtungen zu überprüfende Versagensszenario nicht erkannt werden kann, wodurch konkrete Schäden folgen können. Werden grobe Fehler im Zuge der Ausführung oder im Zuge eines Qualitätssicherungssystems rechtzeitig erkannt, so können größere Schäden durch geeignete Maß-

16.2 Geotechnische Messungen

1025

nahmen abgewendet werden. Der Schaden reduziert sich dann zumeist auf das Ersetzen einer unbrauchbar gewordenen Messeinrichtung oder im einfachen Fall auf die Wiederholung einer Messdurchführung. Bleiben grobe Fehler aber unerkannt können sie im Extremfall zu großen Sachschäden und einer ernsten Gefahr für Leib und Leben führen. Systematische Fehler können z. B. aus einer falschen Kalibrierung eines Messgerätes, der Veränderung der Kalibrierung mit der Zeit, einer Hysteresis, Nichtlinearitäten oder z. B. der Nichtberücksichtigung einer ev. vorhandenen Rohrtorsion bei Inklinometermessungen etc. resultieren. Systematische Fehler zeichnen sich dadurch aus, dass die Messgröße in Bezug zur Istgröße in der Natur eine einseitige Abweichung (= systematischer Fehler) aufweist. Auch durch mehrmaliges Messen kann dieser Fehler nicht ausgeglichen werden. Sehr wohl jedoch lassen sich systematische Fehler oftmals durch „Umschlagmessungen“ (z. B. bei Inklinometer: Widerholungsmessung mit gedrehter Sonde) ausschalten. Zufällige Fehler sind Fehler die bei wiederholtem Messen der selben Größe zufällig um einen mittleren Wert streuen. Daraus ergibt sich, dass durch eine Mehrfachmessung und der darauf aufbauenden Mittelwertbildung die Messgenauigkeit entsprechend dem Gauß´schen Fehlerfortpflanzungsgesetz [12] erhöht werden kann. In der Messtechnik weiters von Bedeutung ist die richtige Verwendung der Begriffe „Genauigkeit“ und „Präzision“. In Bild 16-3 ist der Unterschied schematisch dargestellt [6]. Messdaten mit hoher Präzision bedeuten, dass bei oftmaligem Wiederholen der Messung die Streuung der Daten sehr gering ist (geringe Standardabweichung), wobei die hohe Präzision alleine jedoch noch nicht garantiert, dass die Messdaten auch tatsächlich den Erwartungswert (= Istgröße in der Natur) wiedergeben. Diese Eigenschaft, dass Messdaten den Erwartungswert möglichst treffend wiedergeben wird Genauigkeit genannt. Wie in Bild 16-3 dargestellt ist es durchaus möglich, dass Messdaten mit einer geringeren Präzision letztlich dennoch zu einer höheren Messgenauigkeit führen.

Bild 16-3

16.2.3

Die Begriffe Genauigkeit und Präzision [6]

Messmethoden

16.2.3.1 Geodätische Messverfahren Geodätische Messverfahren [10] werden in der Geotechnik hauptsächlich zur Festlegung und Aufnahme bzw. Überwachung von einzelnen, gezielt angeordneten Punkten eingesetzt. Die dafür verwendeten Messinstrumente sind das Nivellier, elektronische Distanzmessgeräte und der Theodolit bzw. der Tachymeter. Immer häufiger werden auch GNSS-Empfänger (Global Navigation Satellite System) für Messzwecke eingesetzt. Da in diesem Kapitel die geotechni-

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16 Geotechnische Messverfahren

schen Messverfahren im Vordergrund stehen, wird auf die einzelnen Geräte im Folgenden nur zusammenfassend eingegangen. Das Nivellier dient in der Geotechnik hauptsächlich zur Überwachung von Setzungen bzw. zur Bauwerksüberwachung im Nahbereich von Tiefbaumaßnahmen und bei Unterfangungsarbeiten. Trotz teilweise langer Messstrecken lassen sich hohe Genauigkeiten erreichen, die erforderlichenfalls weniger als 0,3 mm/km betragen. Zur vollautomatischen Messung stehen digitale Nivelliergeräte zur Verfügung, die selbsthorizontierend, -ablesend und -registrierend ausgeführt werden können. Bei diesen Geräten wird die Nivellierlatte, die auf dem Messpunkt lotrecht aufgestellt bzw. angebracht wird, mit einem Barcode versehen. Das optische Lot ist im Wesentlichen gleich, zeichnet sich aber durch die vertikale Ausrichtung des Zielfernrohrs gegenüber der horizontalen Ausrichtung beim Nivellier aus. Es wird unter anderem zum Abteufen von Schächten benutzt. Die elektronische Distanzmessung (kurz EDM) kann z. B. mit dem Nivellier in einem Gerät kombiniert werden oder auch separat zur Überwachung von einzelnen Punkten eingesetzt werden. Da hier die Ermittlung von Entfernungen mittels Laufzeitmessung von elektromagnetischen oder akustischen Wellen geschieht, kommt dieses System ohne Reflektor am Zielpunkt aus. Der Messbereich liegt bei ca. 50 bis 100 m wobei mit distanzabhängigen Genauigkeiten im Millimeterbereich zu rechnen ist. Um Punkte im Raum koordinativ festzuhalten bzw. den Verschiebungsvektor aufzuzeichnen, können Theodolite bzw. Tachymeter zur Anwendung kommen. Erstere bieten nur die Möglichkeit Horizontalrichtungen und Vertikalwinkel zu messen, während letztere mit der zusätzlichen Messung der Schrägstrecke zum Zielpunkt zur rascheren Auf- und Einmessung von Punkten eingesetzt werden können. Die neuste Generation von Tachymetern verfügt über Seiten- und Höhenantriebe mittels Elektromotoren. Diese ermöglichen unter Anderem die automatische Zielerkennung, wobei die Messprismen nur noch grob angezielt werden müssen. Vordefinierte Serien mehrerer Punkte können mit einem Tachymeter vollautomatisch vermessen werden. Dabei lassen sich in einem Messbereich bis ca. 100 m im optimalen Fall Genauigkeiten unter 1 mm erreichen. Der Einsatz von GNSS-Empfängern (GPS – Global Positioning System, GLONASS – Globales Navigations-Satelliten-System, Galileo – europäisches Satellitennavigationssystems) erlaubt eine rasche Bestimmung der aktuellen Position mit Hilfe von Satellitensignalen. Gemessen wird dabei die Entfernung des Satelliten zum Beobachtungspunkt über die Laufzeit der Positionssignale. Aus der Messung zu mindestens vier Satelliten können die vier Unbekannten (3 Koordinaten + Zeitversatz zwischen Empfängeruhr und Satellitenuhren) ermittelt werden. Durch die Verwendung von Trägerphasenmessungen und Korrekturdaten von lokalen Referenzstationen können Positionen in Echtzeit mit 1-3 cm Genauigkeit bestimmt werden. Durch eine Postprocessingauswertung von längeren statischen Datenreihen sind Genauigkeiten besser als 1 cm möglich. 16.2.3.2 Geotechnische Messverfahren

16

Neben den zuvor beschriebenen geodätischen Messverfahren wird in der Geotechnik je nach der Messgröße und der erforderlichen Genauigkeit eine Vielzahl von anderen Messverfahren eingesetzt. Die besprochenen Messungen konzentrieren sich auf die Feststellung der Position eines Punkts im Raum bzw. des Relativabstands zwischen zwei Punkten. Das Spektrum der möglichen Messgrößen geht bei den geotechnischen Messverfahren [16] deutlich über die Verschiebungen hinaus, wobei aber gerade in diesem Bereich der Messung von Lageänderungen eine sehr gute Ergänzung von geodätischen und geotechnischen Messverfahren mög-

16.2 Geotechnische Messungen

1027

lich ist. Unter anderem umfassen die geotechnischen Messverfahren auch die direkte Feststellung von Verdrehungen, Verformungen, Dehnungen, Kräften, Spannungen, Wasserdrücken, Temperatur, Beschleunigungen, Schwingungen etc.. Die Planung von geotechnischen Messungen und die Wahl der entsprechenden Verfahren und Geräte hängt im Regelfall stark von den individuellen Bedürfnissen ab (je nach Aufgabe bzw. Projekt). Die im Folgenden näher beschriebenen Messinstrumente können für die verschiedensten Zwecke eingesetzt werden und auch untereinander kombiniert werden.

16.2.4

Messinstrumente

Im Folgenden werden einige der wichtigsten Messinstrumente für den Einsatz bei geotechnischen Messverfahren vorgestellt. Da gerade auf dem Sektor der Messinstrumente eine ständige Neu- und Weiterentwicklung stattfindet, stellt dieses Kapitel nur einen Überblick über die gängigsten Systeme dar. Um die Auswahl bzw. die Suche nach einem passenden Messinstrument für ein konkretes Projekt zu erleichtern, wird in den nachstehenden Unterkapiteln immer wieder auf Hersteller bzw. Anbieter von Messgeräten bzw. -systemen hingewiesen. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass zufolge der laufenden Erweiterung bzw. Veränderung des Angebots auch dies nur eine beschränkte Auswahl darstellt. Für weiterführende Informationen zu Herstellern und neuen Entwicklungen wird die Suche mittels verfügbarer Suchmaschinen im Internet empfohlen. Mit den folgenden Unterüberschriften als Suchbegriffe kann von einem umfangreichen Informationsangebot ausgegangen werden. 16.2.4.1 Konvergenzband Mit dem Konvergenzband [2] kann der Abstand von zwei definierten Punkten gemessen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass zumindest zum Zeitpunkt der Messung der Bereich zwischen den Messpunkten unbehindert sein muss. Damit lassen sich Längenänderungen zufolge Verschiebungen und Deformationen feststellen bzw. errechnen. Da das Messgerät für die einzelnen Messungen an den verschiedenen Messbolzen angekoppelt werden muss, ist eine automatische Messung nicht möglich. Bei diesem Verfahren werden Messbolzen, die eine entsprechende Aufnahme für das Ansetzen des Messgeräts aufweisen (Gewinde, Kugelkopf etc.), an der Oberfläche des Bauwerks gesetzt und ihre Abstände in definierten Intervallen gemessen. Je nach Beschaffenheit des Messobjektes können Messbolzen zum Einmörteln oder Einkleben in Beton, Mauerwerk usw. oder zum Anschweißen an Stahlteilen verwenden werden. Bild 16-4 zeigt drei verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bei der Überwachung von Bauwerken.

16 Bild 16-4

Anwendungsbeispiele für die Konvergenzmessung bei a) Tunnelbauwerken, b) Gebäuden und c) Baugruben [D]

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16 Geotechnische Messverfahren

Je nach Hersteller der Systeme erfolgt die Messung des Abstands mit unterschiedlichen Mitteln. Beim System Behensky/Glötzl (BGKM) wird der Abstand über ein gelochtes Stahl- oder Invarmessband und eine Messuhr, modellabhängig analog oder digital, festgestellt. Die Messbänder sind mit einer Länge von 20 oder 30 m verfügbar, wobei im optimalen Fall mit einer längenabhängigen Messgenauigkeit von ± 0,05 mm (bis 5 m) und ± 0,1 mm (über 5 m) zu rechnen ist. Der Messbereich der verfügbaren Messuhren beträgt 0 bis 25 mm.

Bild 16-5

Distometer [H]

Das an der ETH Zürich entwickelte Distometer (Solexperts AG) arbeitet mit einem gespannten Invardraht, welcher eine individuell angepasste Verlängerung des eigentlichen Messgeräts darstellt. Für jede zu messende Strecke wird ein Invardraht auf die erforderliche Länge zugeschnitten und an beiden Enden mit Drahtkupplungen versehen. Während des Messvorganges wird der Invardraht, welcher bei einer konstanten Vorspannung eine gleichbleibende und weitgehend temperaturunabhängige Länge aufweist, mit einer hochpräzisen Kraft-Messfeder unter der geforderten Zugspannung gehalten. Die Längenveränderung der Messstrecke wird mit einer Messuhr gemessen. Die Gesamtlänge kann im Bereich von 1 bis 50 m liegen, wobei mit einer längenabhängigen Messgenauigkeit (optimale Randbedingungen vorausgesetzt) von ± 0,02 mm (bis 20 m) zu rechnen ist. Der Messbereich beträgt maximal 100 mm. 16.2.4.2 Fissurometer Mit einem Fissurometer (Riss- bzw. Fugenmessgerät) kann die Verschiebung von zwei Starrkörpern (Bauwerksteile, Felsblöcke etc.) gegeneinander erfasst werden. Es stehen Geräte zur Beobachtung von ein, zwei oder drei aufeinander senkrecht stehenden Bewegungsrichtungen zur Verfügung wobei die Verschiebungen mit Messuhren manuell oder mit induktiven bzw. potenziometrischen Wegaufnehmern digital erfasst werden können.

16

Bild 16-6

Fissurometer, a) dreidimensionale Ausführung, Messbereich ± 15 mm [D], b) eindimensionales Messgerät, Spannweite bis 1080 mm [A]

16.2 Geotechnische Messungen

1029

Die beiden Teile des Messgerätes werden auf den zu überwachenden, getrennten Bauteilen mittels Bolzen fixiert oder auf rauen Untergründen einzementiert. Der mögliche Messbereich ist stark von der Ausführung bzw. dem Hersteller abhängig wobei eine Messgenauigkeit im Bereich von wenigen Hundertstelmillimetern erreicht werden kann. 16.2.4.3 Schlauchwaage Das Verfahren der hydrostatischen Höhenbestimmung mittels einer Schlauchwaage beruht auf dem Prinzip der kommunizierenden Gefäße. Das heißt, dass bei einer Höhenänderung von einem Messpunkt relativ zu einem anderen eine Änderung des Flüssigkeitsstandes im betrachteten Messgefäß erfolgt. Zur Feststellung dieser Höhenänderung werden in der Praxis verschiedene Systeme verwendet. Einerseits sind dies Füllstandsschlauchwaagen, bei denen die Höhenunterschiede direkt mittels schwimmergesteuerter Wegaufnehmer gemessen werden. Andererseits können auch Druckaufnehmer an den einzelnen Messstellen eingesetzt werden (Druckschlauchwaage). Mit der festgestellten Änderung des Schweredrucks gegenüber einer Referenzmessstelle kann in Folge auf die Höhendifferenz geschlossen werden. In beiden Fällen wird ein Referenzpunkt in einem Bereich installiert, der nicht von den Setzungen beeinflusst ist oder dieser wird mittels Nivellement an das geodätische Höhennetz angeschlossen. Die einzelnen Messpunkte sowie der Referenzpunkt werden über ein mit Flüssigkeit gefülltes Schlauchsystem verbunden. Das Referenzluftsystem bildet ein weiteres Schlauchsystem, wodurch einheitliche Randbedingungen an den einzelnen Sensorstandpunkten geschaffen werden. Eine automatische Messzentrale ist über Kabel mit den Messpunkten verbunden und verarbeitet die kontinuierlich festgestellten Änderungen bzw. erlaubt eine weitere Verarbeitung über ein Onlinesystem. Schlauchwaagen werden vorwiegend für Setzungsmessungen in Bauwerken oder Strukturen verwendet, die eine nivellitische Messung nur schwer oder gar nicht zulassen (z. B. bestehende Gebäude und Bauwerke, Schüttungen etc.).

16 Bild 16-7

Schlauchwaage: a)schematisch [C], b) Füllstandsschlauchwaage [B], c) Sensoren: Füllstandsschlauchwaage [F], Druckschlauchwaage [C]

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16 Geotechnische Messverfahren

Der Hauptvorteil der Druckschlauchwaage gegenüber der Füllstandsschlauchwaage ist die wesentlich kleinere Baugröße bei einem deutlich höheren möglichen Messbereich (mehrere Meter). Damit ist auch eine Installation unter räumlich beengten Umständen möglich. Die erzielbare Systemgenauigkeit ist abhängig vom gewählten Messbereich und liegt zwischen 0,3 mm und wenigen Zentimetern. 16.2.4.4 Inklinometer Inklinometer [3] sind Messgeräte zur Feststellung der Neigung, wobei verschiedenste Bauarten im Handel erhältlich sind. Derartige Sensoren können für die Überwachung von einzelnen Punkten oder linienhaft (z.B. in Bohrlöchern) eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit der Untergliederung bietet die Einsatzart hinsichtlich der Messzeitpunkte. Kontinuierliche und automatisierbare Messungen können mit fest installierten Geräten durchgeführt werden, während mobile Sensoren bei deutlich höherer Flexibilität nur diskrete Messergebnisse liefern.

Bild 16-8

Punktuelle Neigungsmessung (z.B. portables Inklinometer [H]) a) in der vertikalen Ebene normal zu einer Wand, b) in der vertikalen Ebene parallel zu einer Wand, c) einer horizontalen Ebene

Punktuelle Messungen dienen hauptsächlich der Überwachung von Bauwerken in Bezug auf Schiefstellungen oder der Feststellung von Rotationsbewegungen bei Strukturen oder Felsmassen. Hierbei können mit Präzisionsmessgeräten Genauigkeiten kleiner ± 0,2 % erreicht werden, wobei alle verfügbaren Sensoren mehr oder weniger temperaturabhängig sind. Durch Umschlagmessungen bei mobilen Geräten (Drehung um 180°) kann dieser Einfluss kompensiert werden.

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Für Messungen entlang einer Linie werden grundsätzlich Geräte für vertikale und horizontale Achsen unterschieden. Die beiden Gerätetypen sind sich zwar äußerlich sehr ähnlich, weisen aber eine unterschiedliche Bauart auf. Das Messprinzip ist in Bild 2-9 dargestellt. Die Führung der Inklinometer wird durch Rillenrohre gewährleistet (siehe Bild 2-9 b), wobei die Rillen zur Führung der Sonde dienen. Am Markt existiert eine Vielzahl verschiedener Messrohre aus PVC, ABS und Aluminium mit Durchmessern im Bereich von ca. 40 mm bis 100 mm. Größere Durchmesser ermöglichen auch bei stärker verformten Rohren die Durch-

16.2 Geotechnische Messungen

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gängigkeit der Sonde, erfordern gegebenenfalls aber einen höheren Aufwand beim Einbau. Die Rohrschüsse haben im Allgemeinen Lieferlängen von 3 m und können in Bohrlöchern oder direkt in neue Strukturen eingebaut werden. Bei der Messung wird die Sonde durch das Messrohr geführt und die Neigung in jedem Abschnitt (Messbasis bzw. Sondenlänge) aufgezeichnet. Über die Änderung der Neigung von Messabschnitt zu Messabschnitt kann in Folge auf die aktuelle Biegelinie des Messrohrs geschlossen werden. In Bezug auf eine Nullmessung ergibt sich der Verformungszustand der instrumentierten Struktur. Für eine eindeutige Beurteilung der Messergebnisse ist eine geodätische Vermessung des Rohrendes bzw. der Rohrenden erforderlich. Durch eine ausreichende Einbindung des Messrohrs in Bereiche des Untergrunds oder der instrumentierten Struktur, die von Verformungen nicht betroffen sind, kann auch ohne geodätische Vermessung eine näherungsweise Beurteilung der Messdaten erfolgen. Mit üblicherweise eingesetzten Geräten sind Messlängen bis 100 m möglich und Messgenauigkeiten von 1 bis 2 mm pro 10 m erzielbar.

Bild 16-9

a) Messprinzip Bohrlochinklinometer b) Rillenrohr [D], c) Einbauprinzip Horizontalinklinometer [D]

Bei Vertikalmessungen wird im Allgemeinen zwischen der Richtung A (Hauptbewegungsrichtung) und der Richtung B (im rechten Winkel dazu) unterschieden. Mit Horizontalsonden wird nur in der vertikalen Ebene gemessen. Beim Einbau der Rohre ist die Ausrichtung der Rillen zu beachten und jedenfalls eine Verdrehung der Rohre durch Torsionskräfte zu vermeiden. Durch den Einsatz von fest installierten Inklinometerketten ist eine kontinuierliche bzw. automatisierte Messung in Bohrlöchern möglich. Hierfür stehen mittlerweile verschiedene Sonden-Systeme zur Verfügung, welche mit unterschiedlichen Abschnittslängen und Durchmes-

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16 Geotechnische Messverfahren

sern konfiguriert werden können. Die Abschnittslängen der instrumentierten Segmente bewegen sich zwischen ca. 0,3 m und 1,0 m, wobei nicht alle Sondenabschnitte mit Messsensoren ausgerüstet werden müssen. Das heißt, dass sich die Messabschnitte auf gezielte Bereiche der Messstrecke konzentrieren und dazwischen „Blindelemente“ eingesetzt werden können. Im Regelfall werden die Messsonden (gesamte Gliederkette) in Abhängigkeit der Anwendung konfiguriert und gefertigt. Häufig werden die Messsonden in klassischen Inklinometerrohren mit Rillen eingebaut. Die entsprechenden Geräte sind bei diesen Systemen ähnlich einer klassischen Messsonde mit Führungsrädern aufgebaut. Alternativ sind auch Systeme ohne Führungsräder erhältlich, wobei hier auf genau passende Leerverrohrungen zu achten ist. Der Vorteil dieser Systeme liegt im oftmals kleineren Gesamtdurchmesser der Messeinrichtung. Zum Betrieb von Inklinometerketten sind ortsfest installierte Datenlogger und eine passende Stromversorgung (Netzanschluss, Batteriebetrieb oder Solar) erforderlich. Diese können für einen vollautomatischen Betrieb mit zentraler Steuerung auch mit entsprechenden Modems gekoppelt werden. Für die Messgeräte vor Ort sind zusätzlich zu den Messrohren auch geeignete Kästen bzw. Container erforderlich.

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Bild 16-10 a) Messprinzip Ketteninklinometer b) Messsonde mit Führungsrädern [A], c) Messsonde ohne Führung auf Haspel aufgerollt [G], d) Messeinrichtung am Einbauort

16.2 Geotechnische Messungen

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16.2.4.5 Inclinodeformeter Eine weitere Nutzung von Inklinometerrohren kann durch die sogenannte InclinodeformeterMethode erfolgen. Die Inclinodeformeter-Methode erlaubt durch die messtechnische Erfassung der Querschnittsänderung eines herkömmlichen Inklinometerrohres die Veränderung des Erddruckes, welcher auf das Rohr wirkt, rückzurechnen. Hierfür werden die Durchmesser des Inklinometerrohres in A- und B-Richtung (bzw. bei einem 8-Nut-Rohr in 4 Richtungen) entlang der Rohrachse gemessen. Aus der tiefenabhängigen Veränderung der Rohrdurchmesser über die Zeit, wird die Rohrverformung ermittelt und daraus auf die Erddruckänderung im Untergrund rückgeschlossen. Damit kann das Inklinometerrohr nicht nur für klassische Verschiebungsmessungen im Untergrund, sondern auch für die Beurteilung von Erddruckänderungen herangezogen werden. Dieses relativ neuartige Verfahren wurden an der ETH-Zürich von Dr. Schwager und Prof. Puzrin entwickelt [14], [15].

Bild 16-11 Inclinodeformeter: a) Winde mit Positionierungssystem, b) Messsonde

Das Messprinzip beruht auf einer mit drei Rädern und mehreren Sensoren (3 Neigungssensoren, ein Temperatur- sowie Porenwasserdrucksensor) ausgestatteten Messsonde. Während zwei der Räder starr auf der Sonde montiert sind, ist das mittlere Rad auf einer beweglichen, mit einer Feder vorgespannten Schwinge, welche mit einem Neigungssensor ausgestattet ist, montiert. Die Räder werden in den Nuten der Inklinometerrohre geführt und über die bewegliche, mittlere Schwinge mit Rad, wird der Durchmesser ermittelt. Die erzielbare Messsonden-Genauigkeit (ermittelter Durchmesser) liegt bei ca. ± 0,005 mm, die Genauigkeit der daraus rückgerechneten Erddruckänderung hängt u. a. von geometrischen Randbedingungen,

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16 Geotechnische Messverfahren

insbesondere aber von den Steifigkeitsverhältnissen des umgebenden Untergrundes und dem verpressten Messrohr ab. Anwendung findet diese Methode beispielsweise bei der Erfassung der Erddruckentwicklung von Kriechhängen auf Stützbauwerke, bei der Erfassung der Erddruckveränderung auf Baugrubenumschließungen im Zuge des Aushubes oder bei der jahreszeitlich bedingten Erddruckänderung im Widerlagerbereich von integralen Brücken. Für derartige Fälle ist die messtechnische Erfassung von Erddruckänderungen zur Bauwerksüberwachung, aber auch um vorhandene Bemessungsansätze prüfen zu können, von besonderer Bedeutung. 16.2.4.6 Pendel Das Pendel oder Gewichtslot (Bild 16-12) kann grundsätzlich nach seiner Bauart in zwei Arten unterschieden werden, das Drahtpendel bzw. Lotdrahtmesssystem und das Gestängependel. Bei ersterem wird ein Draht von einer am Bauwerk fix montierten Konsole aus vertikal gespannt. Dieser wird bei letzterem durch ein Gestänge ersetzt. Durch die freie Bewegungsmöglichkeit eines Gewichts in einem Behälter mit Dämpfungsflüssigkeit ist die exakt vertikale Ausrichtung sichergestellt. Misst man nun die Lotauslenkung in verschiedenen Höhen des Bauwerks, wobei das Pendel als Bezugsachse dient, kann auf die Biegelinie geschlossen werden. Dies kann bei der Beurteilung des Verhaltens und der Standsicherheit von Bauwerken (z. B. bei Unterfangungsarbeiten oder nahe von Baugrubensicherungen) von entscheidender Bedeutung sein. Die Messung kann manuell mit einem Koordiskop oder mit entsprechender Ausrüstung auch automatisch, kontinuierlich und berührungslos erfolgen. Dabei erzeugen Lichtquellen ein Schattenbild vom Lotdraht, welches von Hell-Dunkel-Sensoren detektiert wird. Aus der Position der Lichtquellen und den Schattenschwerpunkten wird die genaue Lage des Lotdrahtes bestimmt.

Bild 16-12 Pendel bzw. Gewichtslot (schematisch)

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Die maximale Länge richtet sich nach dem Gewicht und dem Querschnitt des Lotdrahts bzw. Gestänges und kann über 150 m betragen. Der Messbereich von gängigen Instrumenten liegt bei 100 bis 150 mm, wobei eine geräteabhängige Genauigkeit von ± 0,05 mm bis ± 0,1 mm erzielt werden kann.

16.2 Geotechnische Messungen

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16.2.4.7 Gleitmikrometer Mit Hilfe eines Gleitmikrometers kann die Dehnungsverteilung in Achsrichtung eines Messrohrs in Meterschritten ermittelt werden. Die Messrohre bestehen aus Kunststoff oder Stahl und haben in Abständen von je einem Meter ringförmige Messmarken mit Anschlägen in Form eines Kegels. Diese Messmarken fixieren die Köpfe der Sonde während der Messung, erlauben jedoch bei Verdrehung der Sonde um 45° das Verschieben der Messsonde entlang der Rohrachse. Bild 16-13 zeigt das Prinzip eines Gleitmikrometers in einem Messrohr. Bei der Messdurchführung wird die Sonde mit einem Bedienungsgestänge in das Messrohr eingeschoben, zwischen zwei Messmarken auf Zug verspannt und der Abstand der Messmarken über die Dehnung der Sonde mit einem hochpräzisen Wegaufnehmer gemessen. Durch schrittweises Setzen der Sonde zwischen den Messmarken kann die Dehnungsverteilung entlang der Rohrachse ermittelt werden. Die erzielbare Messsonden-Genauigkeit liegt bei ± 0,001 mm/m die realistische Systemmessgenauigkeit bei ca. ± 0,003 mm/m. Unter dem Namen TRIVEC wird eine Sonde angeboten, die eine Kombination aus GleitMikrometer und zwei Inklinometersensoren zur Ermittlung aller drei Verschiebungskomponenten entlang vertikaler Bohrlöcher darstellt.

Bild 16-13 Gleitmikrometer: a) schematische Darstellung, b) Gleitposition, c) Messposition, d) Messausrüstung [H]

16.2.4.8 Extensometer Mit dem Stangenextensometer können Relativverschiebungen zwischen dem Kopfpunkt der Messeinrichtung (z. B. an der Geländeoberfläche) und einem Verankerungspunkt im Baugrund gemessen werden [2]. Zur Erfassung von Verschiebungen mehrerer Punkte können auch sogenannte Mehrfachextensometer in einem Bohrloch eingebaut werden. Über die Relativverschiebungen der einzelnen Verankerungspunkte zum Messkopf lassen sich dann die

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16 Geotechnische Messverfahren

Verschiebungsdifferenzen der Punkte im Untergrund berechnen. Je nach verwendetem System können in Abhängigkeit vom Bohrdurchmesser bis zu 13 Punkte (in Sonderfällen auch mehr) in einem Bohrloch erfasst werden. Die Verschiebungsmessung erfolgt immer in Achsrichtung des Messinstruments, wobei Verformungen quer zur Messrichtung (z. B. Scherverformungen des umgebenden Materials) ab einer gewissen Größenordnung zu Problemen führen können. Bild 16-14 zeigt den schematischen Aufbau eines Mehrfach-Stangenextesometers.

Bild 16-14 Mehrfach-Stangenextensometer: a) schematische Darstellung, Draufsicht, b) Verankerungspunkte, c) Kopfausbildung [H]

Die Verankerung im Baugrund kann mit unterschiedlichen Konstruktionen erfolgen (Bild 16-15), welche je nach den vorherrschenden Untergrundverhältnissen zu wählen sind. Einzementierte Ankerstäbe werden aus Bewehrungsstahl mit entsprechenden Verbindungsstücken zum Messgestänge hergestellt und bevorzugt dort eingesetzt, wo eine Vermörtelung des Bohrlochs einfach herstellbar ist. Bei stark geneigten oder aufwärts gerichteten Bohrlöchern (Vermörtelung eventuell problematisch) können hydraulische Packeranker oder Federringanker verwendet werden. Bei diesen Systemen ist jedoch darauf zu achten, dass eine ausreichende Bohrlochstabilität vorhanden ist. Für den Einsatz in weichen Böden wurde der Verankerungstyp „Borros“ entwickelt, bei dem mehrere Stahlzinken nach der Positionierung des Ankers hydraulisch in die Bohrlochwandung gedrückt werden. Abhängig von der Tiefe und den Untergrundverhältnissen kann dieses System auch eingedrückt werden (keine Bohrung erforderlich). Die Messgestänge sind üblicherweise aus Stahl oder Glasfaser und werden in Kunststoffhüllrohren geführt. Um Temperatureffekte auf ein Minimum zu reduzieren, können auch KarbonVerbundwerkstoffe eingesetzt werden. Gestängelängen bis zu 100 m und mehr können erreicht werden, wobei die Messgenauigkeit stark system- und untergrundabhängig ist.

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Magnetische Extensometer (Magnetsetzungslot) kommen hingegen ohne Messgestänge aus (Bild 16-16). Bei diesem System werden Magnete mit Plattenverankerung (z. B. in Anschüttungen) oder Krallen (z. B. im Bohrloch) eingebaut. Über ein zentrisch geführtes Rohr (eventuell auch ein Rillenrohr für Inklinometermessungen oder ein Pegelrohr) kann mittels einer Sonde die Lage der Magnete festgestellt werden, woraus sich die Verschiebungsdifferenz

16.2 Geotechnische Messungen

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ergibt. Dieses System erfordert zwar einen deutlich geringeren Materialaufwand und kann mit anderen Messverfahren kombiniert werden, läst sich im Gegensatz zum Stangenextensometer jedoch nicht automatisieren. Weiters ist auch keine fortlaufende Erfassung von Messdaten möglich. Die Messgenauigkeit ist längenabhängig und liegt im Bereich von mehreren Millimetern.

Bild 16-15 Verankerungstypen für Extensometer: a) Ankerstab, b) Federringanker, c) hydraulischer Packeranker, d) Borros-Anker [B]

16 Bild 16-16 Magnetextensometer bzw. Magnetsetzungslot [B]

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16 Geotechnische Messverfahren

16.2.4.9 Wasserdruckaufnehmer bzw. Piezometer Wasserdruckaufnehmer (Piezometer) sind Sensoren verschiedenster Bauart, mit denen punktuell das Potenzial z. B. des Grundwassers festgestellt werden kann. Grundsätzlich werden offene und geschlossene Systeme unterschieden. Bei offenen Systemen wird anstelle des Wasserdrucks der Pegelstand (Freie Oberfläche im System) festgestellt und daraus der vorherrschende Druck ermittelt. Da das Aufspiegeln der freien Oberfläche nur über einen entsprechenden Wassertransport möglich ist, kann ein sinnvoller Einsatz derartiger Systeme nur bei einer relativ hohen Durchlässigkeit des anstehenden Bodens (Kies, Sand) erfolgen. Böden mit geringerer Durchlässigkeit würden eine sehr lange Reaktionszeit bedingen und erfordern somit den Einsatz von geschlossenen Systemen. Diese erfordern nur sehr geringe Volumenänderungen und weisen somit eine deutlich geringere Reaktionszeit auf. Derartige Systeme können mit analogen (Manometer) oder digitalen Einrichtungen (schwingende Saite, piezoresistive Sensoren etc.) zur Wasserdruckmessung ausgestattet sein. Letztere repräsentieren den Stand der Technik und werden in verschiedensten Bauarten, abgestimmt auf den Einsatzzweck, angeboten. Die klaren Vorteile sind die einfache Automatisierbarkeit, die rasche Weiterverarbeitbarkeit der Daten sowie die kleinen Baugrößen (Einbau von mehreren Sensoren in einem Bohrloch – etagenweise). Nachteile gegenüber den analogen Messsystemen sind eventuell die notwendige Stromversorgung und die Robustheit der Sensoren selbst. Eine ausführliche Zusammenfassung zur Messung von Porenwasserdrücken erfolgte in [9]. Beim Einbau von Wasserdruckaufnehmern, ob z. B. etagenweise in einem Bohrloch oder z. B. direkt in einer Schüttung, ist stets auf die saubere Herstellung eines Filterkörpers rund um den Sensor zu achten. In Bohrlöchern sind diese Filterstrecken – bei etagenweisem Einbau beidseitig – abzudichten (z. B. mittels einer Ton-Zement-Suspension, Tonpellets, Bentonitkugeln etc.).

Bild 16-17 Verschiedene Bauarten von digitalen Wasserdruckaufnehmern [B]

16.2.4.10 Offene Grundwassermessstellen bzw. Pegel

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Pegel sind der Gruppe der offenen Systeme entsprechend der zuvor erfolgten Beschreibung zuzuordnen. Sie können einerseits zur Feststellung des Wasserstands bzw. des Wasserdrucks herangezogen werden, anderseits aber auch auf Grund ihrer Bauart für langfristige Beobachtungen des Grundwassers mit der Möglichkeit zur Entnahme von Wasserproben oder zur Durchführung von Pumpversuchen zum Einsatz kommen. Pegelrohre sind mit unterschiedli-

16.2 Geotechnische Messungen

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chen Durchmessern erhältlich und werden in dafür vorgesehenen Bohrungen mit entsprechender Ringraumverfüllung (Filterkies, Abdichtung, Ringraumverfüllung) eingebaut oder direkt in den Untergrund eingerammt. Zur Feststellung des Grundwasserspiegels bzw. zur Beobachtung von Spiegelschwankungen (Jahreszeiten, Niederschlagsereignisse etc.) wird die Lage der freien Oberfläche im Pegelrohr gemessen. Ein dafür geeignetes Messgerät ist das Lichtlot, welches im Pegelrohr über ein Maßband abgesenkt wird. Beim Aufsetzen auf den Wasserspiegel wird ein elektrischer Kontakt zwischen einer im Lichtlot befindlichen Batterie und einer Lampe geschlossen und bringt diese zum Aufleuchten. Zur einfacheren Handhabung bzw. bei Sichtbehinderung eignet sich besser das Kabellichtlot. Das Lämpchen oder ein akustischer Signalgeber sowie die Stromquelle befinden sich hier an der Oberfläche und das Maßband wird durch ein Messkabel ergänzt. 16.2.4.11 Elektrische Dehnungsaufnehmer Zur Beobachtung von Einflüssen (Verformungen) auf Strukturteile – Beton- oder Stahltragglieder – können Dehnungsaufnehmer direkt eingesetzt werden. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Messung von Dehnungen für die Rückrechnung von Kräften oder Spannungen über ein bekanntes Materialverhalten (Stoffgesetz) von diversen Bauteilen. Im Bauwesen kommen hierfür verschiedene elektrische Messsysteme zur Anwendung. Dies sind Messwertaufnehmer mit schwingenden Saiten oder Dehnungsmessstreifen in verschiedensten Formen. Systeme mit schwingenden Saiten basieren auf der Tatsache, dass sich durch eine erzwungene Verformung des Aufnehmers zufolge einer Krafteinwirkung die Eigenfrequenz der im Messaufnehmer befindlichen Saite verändert und von der gemessenen Eigenfrequenz (Messgröße) auf die Dehnung des Bauteils (abgeleitete Größe) geschlossen wird. Die Messung erfolgt hier mit einer kombinierten Erreger- und Messspule, die im Gehäuse eingebaut ist. Bei Dehnungsmessstreifen (DMS) ist es hingegen der elektrische Widerstand der sich schon bei geringsten Verformungen ändert. Man montiert sie daher an Bauteilen, welche sich unter Belastung verformen und misst die Veränderung des Widerstands. Vor allem werden Dehnungsmessungen mit DMS durch Verwendung von Brückenschaltungen realisiert. Hierzu zählen die Viertel-, Halb- und Vollbrücke. Beide Arten von Sensoren bilden das Kernstück von diversen Messwertaufnehmern und sind bei handelsüblichen Dehnungsaufnehmern in entsprechenden Gehäusen verbaut. Entsprechend dem Einsatzzweck sind verschiedenste Bauformen erhältlich. Die Messgenauigkeit ist produktspezifisch und entsprechend der geplanten Anwendung zu bewerten. Grundsätzlich kann jedoch von einer Messwertabweichung geringer als ca. ± 1 % des Messbereichs ausgegangen werden. Der Messbereich liegt bei ca. 1 bis 2 % der Messlänge, welche im Normalfall nicht größer als 10 cm ist. Größere Messbereiche werden im Allgemeinen mit Wegaufnehmern abgedeckt. 16.2.4.12 Faseroptische Sensoren Faseroptische Messsysteme koppeln Licht in Glas- oder Polymerfasern ein und werten das rückgestrahlte Licht aus. Bei Temperatur- und Dehnungsänderungen entlang der Glasfaser kommt es zu Änderungen des rückgestrahlten Signals. Je nach Messsystem werden Intensitätsänderungen, Änderungen der Phasenlage oder Frequenzänderungen erfasst. Für die Umrechnung dieser primären Messgrößen in Temperatur oder Dehnung ist eine Kalibrierung der Messsysteme auf geeigneten Kalibriereinrichtungen erforderlich. Hinsichtlich der Topologie

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16 Geotechnische Messverfahren

kann man zwischen punktweisen, quasi-verteilten und verteilten Messverfahren [5] unterscheiden (Bild 16-18).

Bild 16-18 Topologie von faseroptischen Messsystemen

Punktweise Messverfahren erlauben nur die Messung einer einzigen Messstelle entlang der optischen Faser. Aufgrund dieser Limitation werden diese Messverfahren heutzutage kaum mehr eingesetzt. Quasi-verteilte Messverfahren ermöglichen hingegen die Verkettung von mehreren diskreten Messstellen. Je nach Bauform können mehr als 100 Messstellen an einer einzigen Faser angeordnet sein. Faser-Bragg Gitter (FBG) Sensoren zählen zu den wichtigsten Vertretern dieser Kategorie. Mit FBG Sensoren können Dehnungen mit einer Präzision von wenigen µm/m statisch und dynamisch bis in den kHz Bereich gemessen werden. Solche Sensoren werden z.B. zur Überwachung von Übergangsfugen von Brücken oder Blockfugen von Staumauern eingesetzt (Bild 16-19). Da die Wellenlängenverschiebung eines FBGs von Dehnung und Temperatur abhängig ist, wird pro Messposition meist ein zweites FBG zur Temperaturkompensation eingesetzt. Während das erste FBG zwischen den Messstellen eingespannt ist und Dehnungs- und Temperaturänderungen erfährt, ist das zweite FBG vom Messobjekt entkoppelt und rein auf Temperaturänderungen sensitiv. Durch eine Differenzbildung kann der Temperatureinfluss auf das erste FBG eliminiert werden.

Bild 16-19 FBG Sensor zur Messung der Blockfuge einer Staumauer

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Bei verteilten faseroptischen Messverfahren ist die gesamte Messfaser das sensitive Element, und Änderungen können mit einer bestimmten räumlichen Auflösung lückenlos entlang der gesamten Messstrecke bestimmt werden. Dehnungsmesssysteme für lange Distanzen verwenden meist eine Schleifenkonfiguration und erfassen die Brillouinrückstreuung von Lichtpulsen (Brillouin Optical Time Domain Analysis – BOTDA) und ermöglichen Messlängen von

16.2 Geotechnische Messungen

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bis zu 50 km mit einer Ortsauflösung von 0.5 m. Dies bedeutet, dass mit einem einzigen faseroptischen Kabel bis zu 100 000 Messstellen realisiert werden können. Eine so große Messstellenanzahl ist mit konventionellen elektrischen Sensoren aufgrund des hohen Verkabelungsaufwands unmöglich. Verteilte faseroptische Messsysteme eignen sich sehr gut für die lückenlose Überwachung von linearen Strukturen, wie z. B. Gasleitungen, Pfählen oder Tunnel. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Brillouinrückstreuung aufgrund von Temperaturund Dehnungsänderungen ändern kann. Zur reinen Dehnungsbestimmung ist daher eine geeignete Temperaturkompensation erforderlich. Ein üblicher Ansatz ist, dass im Hinweg der Messschleife die Faser mit dem Überwachungsobjekt mechanisch gekoppelt ist und im Rückweg vom Objekt, z. B. durch Führung in einem Rohr, entkoppelt ist. Das Messsignal der ersten Halbschleife ist somit sensitiv auf Dehnung und Temperatur und das Signal der zweiten Halbschleife nur auf Temperatur. Durch eine Differenzbildung der Signale beider Halbschleifen kann - ähnlich wie bei FBG Sensoren - eine Temperaturkompensation erreicht werden. Für die verteilte faseroptische Temperaturmessung zur Leckageortung in Dämmen haben sich Raman-Messsysteme etabliert, da die Ramanrückstreuung nur auf Temperaturänderungen reagiert. Da verteilte faseroptische Messsysteme mit der natürlichen Rückstreuung einer Faser arbeiten und nicht mit den höheren Reflexionen von eingeschriebenen FBGs, ist die Messdauer von verteilten Messsystemen wesentlich länger als die von quasi-verteilten Messsystemen. Für lange Messschleifen über mehrere Kilometer kann die Messung je nach Orts- und Frequenzauflösung mehrere Minuten bis zu einer Stunde oder mehr dauern. Allgemein besitzen faseroptische Sensoren mehrere Vorteile gegenüber elektrischen Sensoren. Faseroptische Sensoren haben ein geringes Gewicht und daher nahezu keine Rückwirkung auf das Messobjekt. Da faseroptische Sensoren Licht zur Messung und Datenübertragung verwenden, sind sie immun gegenüber elektromagnetischer Strahlung und aufgrund der geringen Dämpfung bei der Übertragung des optischen Signals kann sich das Messgerät mehrere hundert Meter oder Kilometer von der eigentlichen Messstelle entfernt befinden. 16.2.4.13 Kraftmesszellen Kraftmesszellen werden in verschiedensten Bauarten und Baugrößen, abgestimmt auf die unterschiedlichen Einsatzbereiche, angeboten. Üblicherweise haben die verschiedenen Produkte eine zylindrische Form, wobei die Messung in Achsrichtung erfolgt. Für die Überwachung von auf Zug beanspruchten Bauteilen stehen Bauformen mit einem Loch zur Durchführung der Zugglieder zur Verfügung. Die Baugröße von handelsüblichen Produkten ist sehr unterschiedlich, steigt aber grundsätzlich mit der Nennkraft der Messzelle an. Für die Messung der wirkenden Kraft werden zwei verschiedene Systeme unterschieden. Einerseits sind dies hydraulische Kraftmessdosen, bei denen der Druckraum mit einer Hydraulikflüssigkeit gefüllt ist. Über die genau definierte Grundfläche der Messdose kann auf die Kraft rückgerechnet werden bzw. diese Umrechnung wird bereits systemimmanent berücksichtigt. Zur Ablesung kommen geeichte Manometer direkt an der Kraftmessdose oder Fernanzeigen mit elektrischen Druckaufnehmern bzw. hydraulisch über ein Kompensationsventil zur Anwendung. Die zweite Gruppe bilden die mit DMS bestückten Kraftmesszellen. Hier wird die durch die wirkende Kraft verursachte Verformung der Messzelle mittels systematisch angeordneter Dehnungsmessstreifen im Inneren festgestellt und über das bekannte Verformungsverhalten des Messzellenmaterials auf die Kraft rückgerechnet. Das elektrische Signal von der Messzelle muss bei diesem System über einen Messverstärker dem Ablesegerät zugeführt werden.

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16 Geotechnische Messverfahren

Bild 16-20 a) hydraulische Kraftmessdose [D], b) Kraftmesszellen mit DMS [G]

Die Vorteile erster Geräte liegen in der Robustheit und der geringen Bauhöhe sowie der Einfachheit des Systems. DMS-bestückte Geräte weisen eine erhebliche Stoßempfindlichkeit auf, erlauben aber eine digitale Verarbeitung der Messsignale und sind im Normalfall temperaturkompensiert. D. h. der Temperatureinfluss auf das Messergebnis ist deutlich geringer. Die Bandbreite der messbaren Kräfte erstreckt sich je nach Gerät von wenigen Newton bis hin zu mehreren Meganewton, wobei die Messgenauigkeit im Bereich von ca. 0,5 bis 2 % der Nennkraft liegt. 16.2.4.14 Erddruckaufnehmer Erddruckaufnehmer sind im Wesentlichen den hydraulischen Kraftmessdosen sehr ähnlich und werden zur Messung der Totalspannungen im Boden verwendet. Die Bauart ist jedoch flach gehalten, die Druckflächen werden in kreisrunder Ausführung oder auch rechteckig ausgeführt. Die Messung erfolgt über elektrische Druckaufnehmer bzw. hydraulisch über ein Kompensationsventil. Eine besondere Bauform stellen die einpressbaren bzw. eindrückbaren Erddruckspaten dar. Einige Ausführungen weisen integrierte Sensoren zur Messung des Porenwasserdrucks auf und erlauben somit die Rückrechnung auf die Effektivspannungen im Boden. Im Tunnelbau finden Betonspannungsaufnehmer zur Messung und Überwachung der radialen oder tangentialen Spannungen in der Tunnelschale Anwendung.

16 Bild 16-21 Erddruckaufnehmer a) rund, b) rechteckig, c) Erddruckspaten [D]

16.2 Geotechnische Messungen

16.2.5

1043

Auslegung und Planung von Mess- und Überwachungsprogrammen

Im Folgenden werden Hinweise und Grundsätze für die Auslegung und Planung von Messund Überwachungsprogrammen gegeben. Den Ausgangspunkt eines jeden Messvorhabens bildet die klare Formulierung des geotechnischen Problems, zu dessen Lösung Messungen einen Beitrag leisten sollen [8]. Die zugehörige Leitfrage kann lauten: Was will ich messen und wozu will ich etwas messen? Hierzu hilft es, mögliche Schadens- oder Versagensbilder zu konstruieren [13]. Grundsätzlich beschreiben Versagensbilder jede Art von denkbarem Schaden und nicht nur, wie der Name vielleicht suggeriert, ein Totalversagen eines Systems. Bei der Konstruktion von Versagensbildern gilt es, eine Bewertung und eine Prioritätensetzung entsprechend den möglichen Schadensgrößen vorzunehmen. Weiters ist zu unterscheiden, welche Versagensbilder tatsächlich mittels messtechnischen Überwachungssystemen und welche beispielsweise durch rechnerische Nachweise, konstruktive Maßnahmen etc. überwacht werden. Im Beispiel in Bild 16-1 wäre z. B. eines dieser möglichen Versagensbilder, dass die Steife zur Abstützung der Schlitzwand zufolge einer Überbeanspruchung versagt und es in weiterer Folge zu einem Verbruch der Baugrube kommen kann. Daraus würde sich z. B. die Messung und Kontrolle der Steifenkräfte als zielführende Beobachtungsgröße ableiten. Ein anderes Schadensbild wären unzulässig große Setzungen des angrenzenden Bauwerkes, wobei geodätische Höhenmessungen als messtechnisches Überwachungssystem zielführend eingesetzt werden könnten. Das heißt, bereits im Zuge der Planung des Überwachungsprogramms sind die Zielgrößen, die gemessen werden sollen, festzulegen und die erwünschten Erkenntnisse aus den Messergebnissen zu definieren. Das Aufstellen von Hypothesen über mögliche Versagensbilder und über die in diesem Zusammenhang zu erwartenden Messergebnisse schärft den Blick für die Festlegung der Details des Messprogrammes und für die Auswertung und Interpretation der Messergebnisse [13]. Der Umfang der Messeinrichtungen wie auch der Aufwand im Zuge der eigentlichen Messungen richtet sich einerseits nach der geotechnischen Kategorie und andererseits nach der Funktion der messtechnischen Einrichtungen im Zuge der Bauausführung (z. B. Beobachtungsmethode) [4]. Der Qualitätssicherung bei der Planung von Messsystemen und der eigentlichen Durchführung, Auswertung und Interpretation der Messungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Qualitätssicherung kann auch gleichzeitig als Checkliste für die Planung eines messtechnischen Überwachungssystems verwendet werden. Gleichzeitig kann die Qualitätssicherung aber auch als Summe der erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minimierung von Fehlern gesehen werden. Die erste Priorität bei der Qualitätssicherung hat dabei der Vermeidung von groben Fehlern zu gelten. Im Vergleich zu den systematischen und zufälligen Fehlern ist das mit groben Fehlern verbundene Risikopotenzial am größten. Grobe Fehler lassen sich z. B. durch folgende Maßnahmen vermeiden bzw. verringern: – Information und Einbindung aller an einem Projekt Beteiligten in die Funktion und Bedeutung des geplanten Messsystems und der einzelnen Messeinrichtungen. – Klare Aufgaben- und Verantwortungszuteilung bei der Auswertung, Kontrolle, Interpretation und Weitergabe der Messergebnisse; hierbei sind auch die Zeitabläufe und Fristen, wer, was, wann zu erhalten und zu tun hat zu regeln.

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16 Geotechnische Messverfahren

– Grenzwerte und Alarmwerte von Messgrößen sind bereits im Zuge der Planungsphase festzulegen; ebenfalls auch die bei Erreichen von Grenzwerten einzuleitenden Maßnahmen. – Planung von redundanten Messsystemen. Redundante Messsysteme erlauben die Überprüfung der Messergebnisse einzelner Messeinrichtungen durch andere, parallel geführte Messeinrichtungen. Dadurch lassen sich grobe Fehler im Zuge der Auswertung und Interpretation oftmals schnell erkennen. Im Zuge der Planung eines Messsystems ist weiters festzulegen: – Messintervalle – Festlegung der erforderlichen Messgenauigkeiten. Die Messgenauigkeit der einzelnen Messsysteme muss einerseits ausreichend genau sein um die möglichen Gefahrenbilder rechtzeitig erkennen zu können und muss andererseits auch verwirklich- und finanzierbar sein. – Auswertung und Interpretation (Wer wertet aus? Wer interpretiert und wer prüft Messergebnisse? Wer erhält die ausgewerteten und interpretierten Informationen?) – Gegebenenfalls sind Alarmpläne und Informationsketten festzulegen. – Qualitätssicherungsprogramm

16.2.6

Aufzeichnung von Messergebnissen

Grundsätzlich bildet die Erfassung der Rohmessdaten (direkte Messgrößen) einen der wichtigsten Schritte im Ablauf von messtechnischen Aufgaben. Es ist also bereits vor der Durchführung von Messungen auch die entsprechende Datenerfassung für eine rasche und fehlerfreie Weiterverarbeitung zu planen. Im Zuge von manuellen Messungen betrifft dies die Vorbereitung entsprechender Messprotokolle, während bei einer automatisierten Messwerterfassung die Festlegung von Daten-Formaten und Umfang (Aufzeichnungsintervall) berücksichtigt werden müssen. Letztere Methode erfordert auch in Abhängigkeit vom Messzeitraum und Aufzeichnungsintervall entsprechende Kapazität von Speichermedien. Im Folgenden werden die Möglichkeiten der Datenerfassung kurz zusammengefasst:

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– Manuelle Messungen mit manueller Datenerfassung: Sowohl die Durchführung der Messung als auch die Aufzeichnung der Messwerte erfolgt manuell. Auch wenn Messgeräte über eine digitale Ausgabe der Daten verfügen, diese aber nicht elektronisch weiterverarbeitet werden, fallen die durchgeführten Messungen in diese Kategorie. Beispielsweise wäre hier die geodätische Vermessung von Messpunkten (teilweise stehen auch automatisierte Systeme zur Verfügung), die Grundwasserbeobachtung in Pegeln, die Konvergenzmessung oder teilweise auch die Kraftmessung zu nennen. – Manuelle Messungen mit automatischer Datenerfassung: Die Messung erfordert zwar einen manuellen Einsatz, die Messdaten hingegen werden automatisch von einem mobilen Gerät erfasst und für die spätere Auswertung am PC zwischengespeichert. Dieser Kategorie sind beispielsweise das Inklinometer, Gleitmikrometer und Magnetsetzungslot zuzuweisen. – Automatische Messungen: Sobald die Messwertaufnahme über fix installierte, elektronische Sensoren erfolgt und kein manueller Eingriff zur Auslösung einer Messung erforderlich ist, spricht man von automatischen Messungen. Die so gewonnenen Messdaten können entweder in Datenloggern vor Ort zwischengespeichert oder direkt über Computersysteme weiterverarbeitet werden. Erstere Variante bietet sich für die Langzeitüberwachung von Bauwerken bzw. Strukturen an, bei denen keine ständige Überwachung von Mess-

16.2 Geotechnische Messungen

1045

werten erforderlich ist (z. B. Konsolidierung nach Baumaßnahmen). Sollte jedoch ein ständiger Vergleich mit zuvor festgelegten Alarmwerten und gegebenenfalls die Entscheidung über unmittelbare Reaktionen durch Baumaßnahmen erforderlich sein (Beobachtungsmethode), ist eine vollautomatische Verarbeitung der Daten bis hin zur Übermittlung via Internet an die verantwortlichen Projektbeteiligten vorzusehen. Im Allgemeinen werden bei komplexeren Aufgabenstellungen, wo mit deutlichen Beeinflussungen des Baugrunds sowie in der Nähe befindlicher Einbauten, Strukturen und Bauwerken gerechnet werden muss, manuelle Messungen durch automatisierte Verfahren ergänzt. Ausschließlich manuelle Messungen kommen nur dort zur Anwendung, wo technische oder finanzielle Gründe eine Automatisierung nicht zulassen oder die Messdaten nur zum Aufbau von Datenbanken eingesetzt werden.

16.2.7

Auswertung von Messergebnissen

Nach der zuvor beschriebenen Erfassung von Rohdaten ist hinsichtlich des Zwecks der Messung (Koordination von Baumaßnahmen bzw. Auslegung von Bauteilen – Beobachtungsmethode, Bauüberwachung, Qualitätssicherung etc.) eine entsprechend rasche und umfangreiche Auswertung und Interpretation der Messergebnisse durchzuführen. Die Datenaufbereitung mittels verschiedener Softwareprodukte zählt heutzutage zum Stand der Technik, erleichtert die Interpretation bzw. übernimmt in einigen Fällen auch Kontrollfunktionen. Produktspezifische Softwarelösungen werden mittlerweile von den meisten Herstellern angeboten. Größere und komplexere Messaufgaben erfordern jedoch oftmals projektspezifische Anpassungen bzw. die Erstellung eigener Oberflächen, die mit professioneller Visualisierungssoftware realisiert werden können. Die endgültige Auswertung und Beurteilung der Ergebnisse hat jedenfalls durch den verantwortlichen Messingenieur zu erfolgen, und zur Qualitätssicherung im Rahmen von Messaufgaben sind die Daten an die entsprechenden Projektbeteiligten weiterzuleiten. Um auf das Erreichen bzw. Überschreiten von Grenz- und Alarmwerten rasch reagieren zu können, sind vor der Bau- bzw. Messdurchführung entsprechende Szenarien und Maßnahmen zu erarbeiten und festzulegen.

16.2.8

Anwendung geotechnischer Messverfahren

16.2.8.1 Einleitung Um die Planung und Anwendung von geotechnischen Messverfahren zu unterstützen, werden im Folgenden die verschiedenen Einsatzbereiche der zuvor beschriebenen Messinstrumente anhand von realitätsnahen Aufgabenstellungen erläutert. Zu den gewählten Problemstellungen zählen die messtechnische Überwachung einer Baugrube, einer Dammschüttung, einer Flachgründung, einer Tiefgründung mittels Pfählen und eines Tunnelausbruchs. Um die gewinnbare Information möglichst einfach zusammenzufassen, sind zusätzlich zu den möglichen Anordnungen von Messeinrichtungen auch skizzenhafte Darstellungen einzelner Messergebnisse angeführt. Grundsätzlich sollen die nachfolgenden Unterkapitel einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten von messtechnischen Einrichtungen ermöglichen, wobei produktspezifische Details nicht behandelt werden. Auf die Nennung von Einrichtungen zur Datenspeicherung bzw. Aufbereitung für weitere computergestützte Anwendungen wird hinsichtlich der Einfachheit der Abbildungen ebenfalls verzichtet. Derartige Geräte sind bei der Planung von geotechnischen Messungen gegebenenfalls zu berücksichtigen.

16

1046

16 Geotechnische Messverfahren

16.2.8.2 Baugrube Bild 16-22 zeigt mehrere Möglichkeiten eines Baugrubenverbaus. Die linke Hälfte zeigt eine einfach ausgesteifte Baugrube mit einer Schlitzwand, während auf der rechten Seite eine Spundwand mit zwei Horizonten vorgespannter Anker dargestellt ist. Hinsichtlich der Messtechnik sind hier praktisch alle angesprochenen Systeme eingesetzt. Zufolge wirtschaftlicher und baupraktischer Gesichtspunkte wird bei einer realen Problemstellung nur eine begrenzte Auswahl möglich sein, Bild 16-22 verdeutlicht aber die verschiedenen, möglichen Einsatzbereiche.

Bild 16-22 Baugrube mit verschiedenen Messeinrichtungen

16

Neben geodätischen Messpunkten an den Baugrubenwänden und angrenzenden Gebäuden ist die Feststellung von Verschiebungen mittels Konvergenzmessungen in der Baugrube dargestellt und weiters die Überwachung von Gebäudesetzungen (Schiefstellung) mittels einer Schlauchwaage und punktuellen Neigungsmessungen vorgesehen. Weiters wird zur Überwachung von einem bestehenden Riss ein Fissurometer oder ein FBG Sensor an der Gebäudefassade eingesetzt. Messungen im Baugrund können über den Einsatz eines vertikalen Inklinometers hinter der Spundwand, mehrerer Piezometer in verschiedenen Tiefen (Schichtung des Baugrunds) bzw. einem Mehrfachextensometer, beispielsweise von der Baugrube aus, realisiert werden. Die Belastung bzw. der Ausnutzungsgrad von Strukturelementen wird teilweise über direkte Kraftmessungen an den Steifen bzw. Ankerköpfen überwacht. Die Schlitzwand ist hingegen mit einem verteilten faseroptischen Dehnungsmesssystem oder Gleitmikrometern in der Zug- und in der Druckzone instrumentiert, um so das Verformungsverhalten zum Beispiel mit Prognosen von Berechnungen laufend vergleichen zu können. Messergebnisse von Erddruckaufnehmern an den Außenseiten der Wände (Schlitzwand) können ebenfalls zur Bestätigung von Berechnungsergebnissen und somit zur Untermauerung von Prognosen herangezogen werden.

16.2 Geotechnische Messungen

1047

16.2.8.3 Dammschüttung Die in Bild 16-23 skizzierte Dammschüttung auf geschichtetem Untergrund wurde hinsichtlich der Überwachung von Setzungen im anstehenden Baugrund (Mehrfach-Stangenextensometer), in der Dammsohle (Horizontalinklinometer, geodätisch eingemessene Setzungspegel) und im Dammkörper (hydrostatische Setzungsmessung analog zur Schlauchwaage) und zur Erkennung von Leckagen (verteiltes faseroptisches Temperaturmesssystem) messtechnisch instrumentiert. Zusätzlich ist die Feststellung der Entwicklung von Porenwasserüberdrücken mittels Piezometern in verschiedenen Tiefen eingeplant. Daraus lässt sich unter anderem der Fortschritt der Konsolidierung in bindigen Bodenschichten gut ableiten und somit eine Aussage über die zu erwartende Konsolidierungszeit (Zeitraum bis zum Erreichen der Endsetzung) erarbeiten.

Bild 16-23 Instrumentierte Dammschüttung mit Darstellung der Messergebnisse des Mehrfachextensometers

Um den Informationsgehalt von Extensometermessungen zu verdeutlichen, sind in Bild 16-23 neben dem Messinstrument selbst die gewonnenen Messwerte, getrennt für jeden Verankerungspunkt, über die Zeit aufgetragen. Eine weitere Auswertungsmöglichkeit, die Darstellung eines Setzungsprofils über die Tiefe (Endzustand), ist ebenfalls skizziert.

Bild 16-24 Setzung der Dammsohle – Horizontalinklinometer

16

1048

16 Geotechnische Messverfahren

Ergebnisse der Horizontalinklinometermessungen sind in Bild 16-24 zusammengefasst. Die dargestellten Setzungen sind bereits die Differenzwerte zwischen der Nullmessung (unmittelbar nach dem Einbau) und der n-ten Folgemessung. Durch die geodätische Vermessung der Höhenlage des Inklinometerrohrs (Rohrende) lässt sich die absolute Setzung in der Dammsohle ermitteln. Eine Alternative zur geodätischen Feststellung der Rohrhöhe ist die Verknüpfung der Messdaten vom Extensometer und vom Horizontalinklinometer. Dies setzt aber voraus, dass zumindest der tiefste Verankerungspunkt des Mehrfachextensometers in eine unbeinflusste Bodenschicht einbindet und somit als unverschieblich angesehen werden kann. 16.2.8.4 Flachgründung Die messtechnische Überwachung von flach gegründeten Hochbauten ist im Allgemeinen durch die punktuelle, geodätische Vermessung an Gebäudeteilen geprägt. Daneben kommen die zuvor beschriebenen Systeme zur Feststellung von Setzungen, gegebenenfalls Schiefstellungen, Verformungen und Kräften, zur Anwendung (siehe 16.2.8.2 Baugrube). Besonders bei der Notwendigkeit von kontinuierlichen Messdaten im Zuge von Baumaßnahmen (z. B. Hebungsinjektionen, Tunnelausbruch unter bestehenden Bauwerken, Aushubarbeiten unmittelbar neben oder unter bestehenden Bauwerken etc.) sind z. B. Schlauchwaagensysteme, Pendel oder Mehrfachextensometer mit automatischer Datenerfassung zu bevorzugen bzw. in Kombination mit geodätischen Messungen zu empfehlen. Auf eine eigene Darstellung wird hier verzichtet und auf die Bilder 16-22 (Baugrube) und sinngemäß 16-23 (Dammschüttung) verwiesen. 16.2.8.5 Pfahlgründung Bei tief gegründeten Bauwerken kann im Bereich der Messtechnik am aufgehenden Hochbau sowie im umliegenden Baugrund von den bereits zuvor beschriebenen Verfahren ausgegangen werden. Die Instrumentierung der Pfähle selbst kann jedoch zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden. Einerseits sind dies Messungen an Versuchs- bzw. Probepfählen, während andererseits Pfahlprobebelastungen und Langzeituntersuchungen an Bauwerkspfählen als Teil des Fundierungssystems fungieren. Hinsichtlich der möglichen Funktionsdauer und Wartung (Zugänglichkeit, Ausbaubarkeit) von einzelnen Messgeräten können daher unterschiedliche Systeme sinnvoll sein. Bild 16-25 stellt einen instrumentierten Pfahl mit den Einrichtungen für eine Pfahlprobebelastung dar, wobei die im Pfahl situierten Messgeräte sowie die Sensoren zur Kraftmessung in vergleichbarer Form auch bei Bauwerkspfählen Anwendung finden.

16

Die Wegmessung am Pfahlkopf erfolgt bei Pfahlversuchen im Allgemeinen über Wegaufnehmer, die an einer Messbrücke installiert sind. Bei Bauwerkspfählen sind hierfür geodätische Messverfahren im Bauwerk oder Extensometermessungen, wobei zumindest der tiefste Verankerungspunkt unverschieblich sein muss, erforderlich. Mit dem Einsatz von Mehrfachextensometern sind auch Aussagen über die Verformungseigenschaften des Pfahls in axialer Richtung möglich, auf Grund der begrenzten Anzahl an Messpunkten kann jedoch nur eine integrative Aussage über längere Pfahlabschnitte erfolgen. Diesbezüglich detailliertere Ergebnisse liefert das Gleitmikrometer, welches eine Beurteilung der Dehnungsänderungen in 1m-Abständen ermöglicht. Kraftmesszellen am Pfahlkopf erlauben die direkte Messung der Gesamtpfahllast, während eine unter dem Pfahlfuß eingebaute Zelle auch die direkte Aufnahme des Spitzendrucks zulässt und über Differenzbildung auf die Mantelreibung über die Pfahllänge geschlossen werden kann.

16.2 Geotechnische Messungen

1049

Bild 16-25 Messtechnische Instrumentierung eines Bohrpfahls

Für die Einschätzung der Verteilung der Mantelreibung ist hingegen eine ausreichend genaue Aufnahme des Dehnungsprofils erforderlich. Hierfür können Gleitmikrometermessungen in eigens installierten Messrohren durchgeführt werden oder elektrische Dehnungsaufnehmer oder faseroptische Sensoren direkt im Pfahl situiert werden. Um Dehnungsmessungen auch für eine Aussage über Durchbiegungen bzw. horizontale Pfahlauslenkungen heranziehen zu können, ist die Anordnung von mehreren Messstellen pro Pfahlquerschnitt (Zug- und Druckzone) erforderlich. Eine weitere Möglichkeit für die Feststellung von Pfahlkrümmungen ist die Anordnung eines Inklinometers (mobile Sonde oder Ketteninklinometer) in Achsrichtung. Beim Einsatz eines Gleitmikrometers, einer mobilen Inklinometersonde bzw. einer Kombination der beiden (TRIVEC-Sonde) ist stets auf die entsprechende Zugänglichkeit am Pfahlkopf zu achten. 16.2.8.6 Tunnel

16 Bild 16-26 Messtechnische Überwachung eines oberflächennahen Tunnelausbruchs

1050

16 Geotechnische Messverfahren

Die in Bild 16-26 gezeigten Messeinrichtungen beziehen sich auf ein oberflächennahes Tunnelbauwerk (z. B. im innerstädtischen Bereich). Befinden sich im Einflussbereich des Tunnels setzungsempfindliche Bauwerke, bieten sich zu deren Überwachung gegebenenfalls auch die unter Punkt 16.2.8.2 angeführten Systeme (z. B. Schlauchwaage etc.) an. Die in Bohrungen von der Geländeoberfläche aus eingesetzten Sensoren (Piezometer, Extensometer, Inklinometer) verlieren jedoch mit zunehmender Tiefe rasch an Sinnhaftigkeit (Herstellung, maximale Länge, Genauigkeit etc.) und finden bei tiefer liegenden Tunneln daher keine Anwendung. Hier stehen die vom Tunnel aus (Extensometer, Piezometer) bzw. im Tunnelquerschnitt selbst installierten Messsysteme (Konvergenz, Kräfte, Dehnungen) zur Verfügung. 16.2.8.7 Rutschhang Bild 16-27 verdeutlicht die Problemstellungen bei der Sanierung von Rutschhängen. Zunächst kommen hier unterschiedliche Messsysteme zur Feststellung der Ursachen von Rutschungen zur Anwendung. Geodätische Messpunkte erlauben die Beurteilung der Verschiebungen an der Oberfläche, während die Lage einer möglicherweise dominanten Gleitfuge mittels Inklinometermessungen nachgewiesen werden kann. Zugehörige Messergebnisse sind in Bild 1627 beispielhaft dargestellt. Auch der Einsatz von Mehrfachextensometern ermöglicht Rückschlüsse auf das Verformungsverhalten von betroffenen Massen. Porenwasserdrücke bzw. deren Veränderungen, die durchaus einen erheblichen Einfluss auf das Verschiebungsverhalten von Rutschungen haben können, lassen sich mit Piezometern erfassen. Zur Überwachung von Sanierungsmaßnahmen (z. B. vorgespannte Anker) können beispielsweise Kraftmessdosen eingesetzt werden. Um den Erfolg von baulichen Maßnahmen zur Reduktion von Verschiebungsraten quantifizieren zu können, sind Langzeitmessungen mit den zuvor beschriebenen Messeinrichtungen, die auch zur Ursachenfindung eingesetzt werden können, gut geeignet. Die Zeit-Verschiebungskurve eines geodätischen Messpunkts ist in Bild 16-27 skizziert. Das deutliche Abflachen der Kurve nach der Herstellung der Verankerung bestätigt die positive Wirkung der Maßnahme.

16

Bild 16-27 Messtechnische Überwachung eines Rutschhangs

16.3 Geographische Informationssysteme (GIS)

16.3

1051

Geographische Informationssysteme (GIS)

Die Vielzahl an Daten, welche im Rahmen von geotechnischen Messprogrammen bzw. geotechnischen Erkundungsprogrammen gesammelt werden, erfordern ein angepasstes Datenmanagement. Die meisten Daten sind, um eine optimale Auswertung zu erhalten, auf einen räumlichen Bezug angewiesen. Der Einsatz EDV-gestützter Datenverarbeitung ermöglichte die Entwicklung geographischer Informationssysteme, welche die Verknüpfung von unterschiedlichsten Daten (z. B. Bodenschichten, Grundwassermessungen, topographische Karten) miteinander erlaubte. Je nach gewünschtem Einsatzbereich werden in einem GIS fachübergreifende Daten einer ausgewählten bzw. unbegrenzten Zahl von Nutzern zur Verfügung gestellt. Nutzungseinschränkungen werden vor allem auf Basis des Datenschutzes und des Urheberrechtes vorgegeben.

16.3.1

Welche Informationen können abgefragt werden?

16.3.1.1 GIS in der öffentlichen Verwaltung Im EU-Raum wird die öffentliche Verwaltung zunehmend bürgerfreundlich organisiert, wobei das E-Government und der damit verbundene Internet-Auftritt z. B. von Landesbehörden einerseits Behörden-Angelegenheiten durch elektronische Kommunikation mit den zuständigen Stellen zeitsparend erleichtert und andererseits den Bürgern eine Vielzahl von Daten zur Verfügung stellt. Die Daten, die für Planungsarbeiten geotechnischer Fragestellungen erforderlich sind, werden in Form von geographischen Diensten (z. B. Umweltinformationssystem, Wasserinformationssystem, Verkehrsinformationssystem) im Internet angeboten. Informationssysteme mit unterschiedlichen Informationsschwerpunkten werden z. B. in kommunalen Bereichen in der Schweiz, in Italien und in Deutschland der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zahlreiche kantonale Stellen in der Schweiz wie beispielsweise Aargau, Bern, Basel-Stadt, Fribourg, St. Gallen, Zürich bieten Geographische Informationssysteme, deren Anwendungen Themen wie Raumplanung, Natur und Landschaft, Umwelt, Forstwirtschaft, Vermessung, Umweltschutz, Statistik, u. a. umfassen, an. Als Beispiel (vgl. Bild 16-28) wird das GIS des Kantons Aargau der AGIS Koordination Aarau angeführt. Hier können lokal gewählte Bereiche nach unterschiedlichen Themen abgefragt werden. Der Einsatz von Geoinformationssystemen in Deutschland umfasst sowohl länderspezifische als auch kommunale Anwendungen. Um öffentlichen Stellen die Entscheidung zur Einführung von GIS zu erleichtern, wurde z. B. vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen ein „Leitfaden für kommunale GIS Einsteiger (2003)“ herausgegeben. Darin werden sowohl die anschauliche Darstellung der Daten als auch die Vorteile zur verbesserten Entscheidungsfindung und stärkeren Bürgernähe angeführt, die eine GIS-Einführung in der Verwaltung rechtfertigen.

16

1052

16 Geotechnische Messverfahren

Bild 16-28 zeigt den Ausschnitt einer historischen Karte des Bereiches Buchs (Quelle: AGIS Kanton Aargau/Schweiz)

Die Zugänglichkeit der Daten aus den Geoinformationssystemen kann je nach Verwaltungsbehörde unterschiedlich gestaltet sein. Grundsätzlich sind die urheberrechtlichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Fallweise sind Registrierungen erforderlich, oder es werden Daten kostenpflichtig zur Verfügung gestellt. 16.3.1.2 GIS in privaten Firmen und Organisationen Privat oder halbprivat geführte Unternehmen (z. B. Energieversorger, Telekommunikation) haben durch ihre langjährigen Bautätigkeiten große Datenmengen aus Untergrunderkundungen wie z. B. Bohraufschlüsse, Grundwassermessungen, Leitungstrassen bereits seit längerer Zeit in Archiven verwahrt. Die Zugänglichkeiten zu den Informationen waren nicht oder fallweise nur einem begrenzten Publikum möglich. Die interne Datenerhebung gestaltete sich häufig als sehr mühsam. Zumal die Wartung der unterschiedlichen Archive sowie die Erstellung von Plänen und themenbezogenen Karten einen hohen Zeit- und Personalaufwand erforderten, ermöglichte der Einsatz von Geoinformationssystemen eine anwenderfreundliche und effizientere Datenverwaltung.

16

Der Einsatz des GIS z. B. im Energieversorgungsunternehmen, ermöglichte einen schnellen Zugriff auf die Lage unterirdischer Einbauten (z. B. Fernwärme-, Gas- und Stromleitungen), welche besonders im Rahmen von geplanten Baumassnahmen im innerstädtischen Bereich unbedingt bekannt sein müssen.

16.3 Geographische Informationssysteme (GIS)

16.3.2

1053

Einsatz der GIS-Informationen in der Praxis

16.3.2.1 Umweltrelevante Daten Im Rahmen der Bearbeitung geotechnischer Fragestellungen sind auch umweltrelevante Daten zu erheben.

Bild 16-29 Darstellung aus GIS-Steiermark

Dazu zählen unter anderem Informationen über Vorkommen und Schutzzonen des Grundwassers, Ausweisung von Naturbiotopen, Gefahrenzonenpläne oder Verdachtsflächen und Altstandorte Diese Daten sind beispielsweise in Österreich in den GIS der einzelnen Bundesländer zugänglich. Die Form und Art der Datenangebote variiert je nach verwendetem System. Beispielsweise stellt das Land Steiermark (vgl. Bild 16-29) ein sehr gut aufbereitetes GIS zur Verfügung. Der Kartenausschnitt in Bild 16-29 zeigt beispielhaft die Anwendungsmöglichkeiten im GIS mit unterschiedlichen Darstellungsschwerpunkten. Der linke obere Quadrant stellt die topographische Karte mit Höhenschichtlinien dar, während im rechten oberen Quadranten die topographische Kartengrundlage von geologischen Daten überlagert wird. Der linke untere Quadrant gibt Hinweise auf die vorhandene Infrastruktur (z. B. Verkehrsleitsystem, ErsteHilfe-Stationen), und im rechten unteren Quadranten wird die topographische Grundkarte mit Informationen aus der Katasterdatenbank ergänzt. Eine andere Darstellung und Eingabemaske zeigen z. B. GIS des Landes Tirol und des Landes Oberösterreich. Eine Datenabfrage erfordert teilweise Registrierungen der Benutzerdaten. Insgesamt sind die angebotenen Dateninformationen sehr umfassend, jedoch werden ergänzende lokale Recherchen (z. B. Brunnendaten) empfohlen.

16

1054

16 Geotechnische Messverfahren

Bild 16-30 Darstellung des TIRIS (GIS des Landes Tirol)

16

16.3.2.2 Infrastrukturelle Informationen Für geotechnische Fragestellungen (z. B. logistische Fragen, Einrichtung von Baustellen) sind auch infrastrukturelle Daten heranzuziehen.

16.3 Geographische Informationssysteme (GIS)

1055

Hier sind besonders fachübergreifende Informationen wie Straßenverläufe (z. B. mit Unterführungen), Leitungstrassen ober- und unterirdischer Einbauten (z. B. Strom, Gas, Wasser, Abwasser), die Lage öffentlicher und privater Einrichtungen (z. B. Schulen, Krankenhäuser) von Bedeutung. 16.3.2.3 Sonstige Daten Zahlreiche GIS-Anwendungen verarbeiten und stellen thematisch ausgewählte Daten zu Verfügung. Beispielsweise stehen geologische Informationen des Untergrundes, Informationen der Bodenbeschaffenheit (z. B. Bodenkarten in Bayern) oder Informationen über die Bodennutzung (z. B. Weinbaubereiche im Burgenland) zur Verfügung. Die Nutzung der umfassenden wasserwirtschaftlichen Daten (z. B. Hochwasserstände, Abflussdaten der Fliessgewässer) wird durch die Verwendung des GIS erleichtert. Hinsichtlich Zivilschutz sind z. B. Feuerwehr- Notfall und Sicherheitspläne in Geographischen Informationssystemen eingebunden, da ein räumlicher Bezug in Verbindung mit unterschiedlichen Datenbanken (z. B. Lagerung gefährlicher Stoffe) unumgänglich ist. 16.3.2.4 Zusammenfassung der wichtigsten Erhebungsschritte für eine Baugrunderkundung Fragestellung: Erkundung des Untergrundes für die Bebauung mit einem Gebäude Erhebung der Informationen vor Beginn der Aufschlusskampagne: – Ermittlung der Lage des gegenständlichen Grundstücks – auf Basis der Adresse oder Grundstücksnummer – Erhebung der umweltrelevanten Daten – Nutzung von Brunnen, Quellen, Wärmepumpen – Ausweisung von Schutz-, Schongebieten nach dem Wasserrecht – Ausweisung von Naturbiotopen unterschiedlicher gesetzlicher Grundlagen – Ausweisung von Gefahrenzonenbereiche – Darstellung der vorliegenden Geologie – Darstellung der mittleren Niederschlagssummen für einen bestimmten Zeitraum – Ausweisung von Altstandorten, Verdachtsflächen und ausgewiesenen Altlasten – Erhebung infrastruktureller Daten – Baustelleninformationen, Zufahrtsbereiche zum Grundstück – Erhebung von unterirdischen Einbauten (z. B. Energieversorger, Telekom) – Bebauung der Nachbarschaft (z. B. Schule – besondere Sicherheitsmassnahmen) – Einsicht in Bombenkataster

16.3.3

Informationsquellen – Beispiele

– Nationales GIS Österreich – z. B. Geoland – Nationales GIS Deutschland – z. B. GeoPortal.Bund – Bundesländer GIS Österreich – z. B. SAGIS, TIRIS, DORIS, GIS-Steiermark

16

1056

16 Geotechnische Messverfahren

– Bundesländer GIS Deutschland – z. B. bayernGIS, Geoportal Saarland, Umwelt Sachsen, Geodateninfrastruktur Schleswig-Holstein, Geoportal.rlp, Geobasisdatenportal Nordrhein-Westfalen – Kantone GIS Schweiz – z. B. GIS-ZH Zürich – Kommunale GIS Österreich – z. B. Magistrat Salzburg, Stadt Graz – Kommunale GIS Italien – z. B. Gemeinde Meran – Umweltbundesamt GIS Wien – Geologische Bundesanstalt GIS Wien – Energieversorger Österreich – z. B. Salzburg AG, Energie AG Oberösterreich

16.4 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]

[11]

[12] [13]

16

[14] [15]

Literatur

DIN 4107-1 Geotechnische Messungen – Teil 1: Grundlagen, Entwurf Juli 2008 DIN 4107-2 Geotechnische Messungen – Teil 2: Extensometer- und Konvergenzmessungen, Entwurf Mai 2008 DIN 4107-3 Geotechnische Messungen – Teil 3: Inklinometer- und Deflektometermessungen, Vorlage Oktober 2008 DIN EN 1997-1, Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln, November 2004 Döring, H., Habel, W., Lienhart, W., Schwarz, W.: Faseroptische Messverfahren, in Handbuch der Geodäsie. Springer Heidelberg, Vol. Ingenieurgeodäsie, p. 1-48, 2016 Dunnicliff, J.: Geotechnical Instrumentation for Monitoring Field Performance, Wiley-VCH, 1994 Kovari, K., Amstad, Ch.: Feldmessungen in der Geotechnik. Mitteilungen des Institutes für Grundbau und Bodenmechanik Braunschweig: Messen in der Geotechnik ’98, Heft 55, 1–15 Kuntsche, K.: Empfehlungen zum Einsatz von Mess- und Überwachungssystemen für Hänge, Böschungen und Stützbauwerke, Geotechnik 19, 1996/2 Lang, H. J., Huder, J., Amann, P.: Bodenmechanik und Grundbau, Das Verhalten von Boden und Fels und die wichtigsten grundbaulichen Konzepte, 7. Auflage: Springer, 2003 Linkwitz, K., Schwarz, W.: Grundbau-Taschenbuch. Sechste Auflage, Teil 1: Geotechnische Grundlagen – Geodätisch-photogrammetrische Überwachung von Hängen, Böschungen und Stützmauern, Ernst und Sohn, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften, Berlin, 2001 Marte, R.: Rückrechnung der Schnittgrößen und Belastung von horizontal beanspruchten Stahlbetonpfählen zur Sicherung von Hangrutschungen aus Verformungsmessungen. Dissertation, Institut für Bodenmechanik und Grundbau, Technische Universität Graz, GGG – Heft 2, 1998 Marte, R., Semprich, S.: Untersuchung zur Meßgenauigkeit von Inklinometermessungen. Bautechnik, 1998, Heft 3, 155–167 Schneider J., Schlatter H. P.: Sicherheit und Zuverlässigkeit im Bauwesen: Grundwissen für Ingenieure, Zürich: Verlag der Fachvereine; Stuttgart: Teubner, 1994 Schwager, M. V.: Development, analysis and applications of an 'inclinodeformeter' device for earth pressure measurements. ETH-Zürich, 2013. Schwager, M. V., Puzrin, A. M.: Inclinodeformeter pressure measurements in creeping landslides: analytical solutions and field applications. Géotechnique 64 (2014), No. 6, S. 447-462.

16.4 Literatur

1057

[16] Thut, A.: Grundbau-Taschenbuch. Sechste Auflage, Teil 1: Geotechnische Grundlagen – Geotechnische Messverfahren, Ernst und Sohn, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften, Berlin, 2001

[A] [B] [C] [D] [E] [F] [G] [H]

GeoData Messtechnik Gesellschaft mbH, www.geodata.com Geokon, Incorporated (SCANROCK GmbH), www.scanrock.de GeTec Ingenieurgesellschaft für Informations- und Planungstechnologie, www.getec-ac.de GLÖTZL Gesellschaft für Baumeßtechnik mbH, www.gloetzl.com Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH, www.hbm.com Interfels GmbH, www.interfels.de Measurand Inc. (GTC Kappelmeyer GmbH), www.gtc-info.de Solexperts AG, www.solexperts.com

16

17

Baugrund- und Tiefbaurecht Klaus Englert und Bastian Fuchs

Ausgewählte Probleme bei der Verwendung des Baustoffs „Baugrund“: Die „richtige“ Ausschreibung, Fragen zur Beweisführung bei Tunnel- und (Spezial-) Tiefbauarbeiten aller Art Das Baugrund- und Tiefbaurecht, eine der zentralen und höchst spezialisierten Materien des deutschen Baurechts, beschäftigt seit vielen Jahren, in unterschiedlichen Ausprägungen, Rechtsprechung und Wissenschaft. Nichts desto trotz hat es bis zur zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts bedurft, als dieses Gebiet nachhaltiger bearbeitet und zu Beginn der 1980er Jahre dann wissenschaftlich detailliert betrachtet wurde. Dieses Rechtsgebiet kann im Rahmen dieses Beitrags1 nicht in allen Einzelheiten und Facetten dargestellt werden. Um dennoch einige wichtige Aspekte näher zu bringen, musste eine Auswahl getroffen werden. In der Folge sollen zentrale Bereiche aus diesem Rechtsgebiet behandelt werden, so insbesondere die Frage „der richtigen Ausschreibung zum Baugrund“ sowie Fragen der Beweisführung in Tiefbaurechtsfällen.

17.1

17.1.1

Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund und die richtige Baugrundausschreibung „Ohne Grund und Boden geht das Bauen nicht.“

Ausschreibungsv orgaben zum Baugrun d

Dieser Satz stammt aus der Feder von Prof. Hermann Korbion, dem im Jahr 1999 viel zu früh verstorbenen Vordenker und Lenker des deutschen privaten Baurechts in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.2 Der einleitenden, eigentlich schlichten Feststellung liegt eine bedeutende Aussage zugrunde: Jede Bauleistung steht in Wechselwirkung mit dem Baugrund, wie anhand dieses einfachen, wenn auch theoretischen Beispiels deutlich wird: Die Anbringung des Wetterhahnes als Schlusspunkt einer Gebäudeerrichtung kann das berühmte Fass zum Überlaufen bzw. die Setzung des gesamten Bauwerks mit sich bringen, wenn die Tragfähigkeit des Bodens zur Aufnahme der Lasten aus dem Gebäude nicht mehr ausreichend ist. Trotz der nachvollziehbaren Erkenntnis, dass der Baugrund – dessen Wortinhalt sich im „Baugrundstück“ und damit wiederum „in Grund und Boden“, also insoweit inhaltlich übereinstimmend mit § 94 Abs. 1, Satz 1 BGB findet – im doppelten Sinne des Wortes das „Fundament“ eines jeden Bauwerks bildet, wird seine (technische) Bedeutung im Baurecht unter den Aspekten der „Erfolgshaftung“ oft verkannt.

1

2

Die Autoren danken den Rechtsanwältinnen Dr. Stephanie Englert-Dougherty, LL.M., Christine Englert und Regine Winterling sowie den Rechtsanwälten Dr. Florian Englert und Dr. Manfred Mayer sowie Frau Alina Fischer für deren Mitarbeit und Unterstützung, insbesondere bei der Zusammenstellung der verwendeten Literatur- und Rechtsprechungszitate sowie für die Korrekturlesung. Vorwort zur 1. Auflage 1993 von Englert/Grauvogl/Maurer, „Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts“, nun 5. Auflage, 2016.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1_17

1060

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Dies beginnt bereits bei der Ausschreibung: Die (notwendigen, im Regelfall unverzichtbaren) Vorgaben für eine richtige Ausschreibung und damit Kalkulation werden häufig sogar bewusst verkannt, wenn sie dem Bauherrn oder dessen Architekturbüro überhaupt bekannt sind. Nicht wenige Gerichte folgen dem Credo des „Risikoübergangs“ für den Baugrund mit Vertragsunterzeichnung, ohne die für den Baugrund tatsächlich vorliegenden Ausschreibungsregeln einerseits sowie die rechtlichen Grundsätze andererseits zu berücksichtigen. Deshalb müssen alle Baubeteiligten diese Grundlagen in doppeltem Sinne des Wortes beherrschen, wenn sie weder auf Sand bauen bzw. ein Bauwerk in den Sand setzen wollen.

17.1.2

Was ist „Baugrund“?

Der Begriff „Baugrund“ ist mehrdeutig. Einmal wird damit – umgangssprachlich – ein Grundstück bezeichnet, auf dem ein Bauwerk errichtet wurde oder werden kann, kurz als„Baugrundstück“ bezeichnet. Zum anderen handelt es sich um einen Definitionsbegriff, der in maßgeblicher Weise im Abschnitt 3.1 der früheren DIN 40203 (Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke) aufgeführt ist 4: „3.1 Baugrund Boden bzw. Fels einschließlich aller Inhaltsstoffe (z. B. Grundwasser und Kontaminationen), in und auf dem Bauwerke gegründet bzw. eingebettet werden sollen bzw. sind, oder der durch Baumaßnahmen beeinflusst wird.“5 Vereinfacht ausgedrückt: Alles, was sich unterhalb der Grasnarbe bzw. der sichtbaren Fläche befindet, gleichgültig in welcher Tiefe und welcher Ausdehnung, ist „Baugrund“ oder „Gebirge“ – also das Medium, dem die Rolle des „Bauwerk-Trägers“ oder der „Bauwerks- Einbettung“ zukommt. „Baugrund“ ist damit letztlich etwas, das am Ende niemals alle Facetten seiner Konsistenz und Reaktionsmöglichkeiten preisgibt. Und so tappen Auftragnehmer und Auftraggeber, Architekten und Ingenieure, Tragwerksplaner und Baugrundgutachter (besser: Sachverständige für Geotechnik) oftmals nicht nur beim Planungsbeginn und bei der Bauausführung, sondern ebenso lange nach Abschluss und Abnahme einer Baumaßnahme6 hinsichtlich dieses Mediums im Dunkeln und oftmals auch in die Falle: Das Stadtarchiv Köln mit Einsturz am 3. März 2009, der „Schiefe Turm von Pisa“ oder die „Innbrücke bei Kufstein“ stellen dafür prominente Beispiele dar, denen eine Vielzahl setzungsgeschädigter oder durch die Auswir-

3 4 5

17

6

Ausgabe 2003-09 mit Beiblatt 1, Ausgabe 2003-10, ersetzt durch DIN 4020 Ausgabe 2010-12. Ausführlich zur Thematik Baugrund: Englert/Grauvogl/Maurer, Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts, 5. Auflage 2016. Dazu ergänzt das Beiblatt 1 zur DIN 4020 im Abschnitt „Zu 3.1“.: „Im Hohlraumbau wird für die Benennung „Baugrund“ synonym die Benennung „Gebirge“ verwendet. Boden und Fels können gewachsen oder geschüttet sein.“. Vgl. dazu etwa das wegweisende Urteil des OLG München IBR 2004, 7 (Problematik Baugrundund Systemrisiko; zur Problematik Baugrund- und Systemrisiko z.B. auch: OLG Naumburg, Urteil vom 30.07.2014, Az.: 1 U 15/14; OLG München, Urteil vom 11.02.2014, Az.: 9 U 5582/10 Bau).

17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund

1061

kung von Kontaminationen – etwa das Ausgasen von Altdeponien7 – unbrauchbar gewordener Bauwerke hinzugefügt werden können. 8 Weil diese „Uneinsichtigkeit“ des Baugrunds, aber auch die nicht wegdenkbare Notwendigkeit dieses Mediums als „Grundlage“ – wiederum in doppeltem Sinne – eines jeden Bauwerks seit Menschengedenken bekannt ist, lassen sich auch schon frühe Zeugnisse für den Umgang mit diesem Wissen finden.9 Von der Einschränkung des Tiefbaus „bis Spatenbreite“ über den „Tod des Baumeisters“ bis hin zur „Richter-Erlaubnis“ finden sich alle Variationen letztlich der Hilflosigkeit in der Bewältigung der naturgeschichtlich vorgegebenen Bestandteile der Erdkruste (Boden, Fels, Wasser) mit allen ihren physikalischen, chemischen und mechanischen Besonderheiten, die durch Menschenhand (Bergbau; Auffüllungen; Abtrag etc.) oft noch verstärkt wurden. In Kenntnis dieser Unmöglichkeit exakter Untersuchung und Beschreibung des Baugrunds entwickelte die Technik gerade im ausgehenden 20. Jahrhundert, als die Inanspruchnahme von Baugrund auch in große Tiefen im Hinblick auf die immer wertvoller, da auch knapper werdende Ressource „Bau-Land“, aber auch eine ständig aufwändigere Infrastruktur mit U-Bahnen, Tunnel oder Schifffahrtsstraßen unverzichtbar wurde, ein umfassendes Regelwerk10 zur Erkundung und Beschreibung von Baugrund. Die Hauptnorm dafür stellt die überarbeitete und im Oktober und Dezember 2010 veröffentlichte DIN EN 1997-2, ergänzt durch DIN 4020 dar.

17.1.3

DIN EN 1997-2, ergänzt durch DIN 4020 als „Baugrund-Bibel“

Im Abschnitt 2.2 der DIN EN 1997-2 (Abfolge der Baugrunduntersuchungen) wird etwas Selbstverständliches, für viele Bauherren, Architekten, Ingenieure und Bauunternehmer dennoch nicht immer Geläufiges vorgegeben: „(1) Die Auswahl der Verfahren für die Baugrunduntersuchungen und deren Umfang müssen auf die vorgesehene Art und den Entwurf des Bauwerkes abgestimmt sein, z. B. Art der Gründung, Art der Untergrundverbesserung oder Stützkonstruktionen, Lage und Einbindetiefe des Bauwerkes.“ Die Formulierung ist eindeutig: „Müssen“ heißt nicht „Sollen“. Denn nur so kann das Baugrundrisiko verringert werden. Die Definition des Begriffes „Baugrundrisiko“ findet sich dazu im Abschnitt A 1.5.3.17 der DIN 4020: „Baugrundrisiko ein in der Natur der Sache liegendes, unvermeidbares Restrisiko, das bei Inanspruchnahme des Baugrunds zu unvorhersehbaren Wirkungen bzw. Erschwernissen, z. B. Bauschäden oder Bauverzögerungen, führen kann, obwohl derjenige, der den Baugrund zur Verfügung stellt, 7 8

9 10

zum Turm von Pisa: Veder, Sanierungsvorschlag für den Schiefen Turm von Pisa, in: Der Bauingenieur 1975, 204 ff. Zur Tiefbau-Geschichte näher: Englert/Grauvogl/Maurer, Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts, 5. Auflage 2016; Katzenbach/Leppla, Handbuch des Spezialtiefbaus, 3. Auflage, Bundesanzeiger Verlag 2015. Vgl. nur die Übersicht bei Englert/Katzenbach/Motzke, in: Beck’scher VOB-Kommentar, Teil C, 3. Auflage, DIN 18299, Rdn. 38–39; Vorläufer-Fassung: 2003-09.

17

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

seiner Verpflichtung zur Untersuchung und Beschreibung der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse nach den Regeln der Technik zuvor vollständig nachgekommen ist und obwohl der Bauausführende seiner eigenen Prüfungs- und Hinweispflicht Genüge getan hat.“ Vereinfacht ausgedrückt: Wenn alle Baubeteiligten alles richtig machen, aber dennoch z. B. ein Findling, eine Torfschicht oder ein unvorhersehbar dicht gelagerter Sand zu Mehraufwendungen, Mängeln oder Schäden führen, dann verwirklicht sich das Baugrundrisiko. An dieser Stelle kommt es noch nicht darauf an, wer dieses Risiko zu tragen hat. Dass die Baugrunderkundung vergleichbar mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist, wird mit Blick in den „Kommentar“ zur DIN 4020 (Beiblatt 1) deutlich. Hier findet sich folgende weiterhin gültige Erläuterung zur Baugrund-Problematik: „Zu 3.5 Der Begriff Baugrundrisiko ist hier im Sinne eines unvermeidbaren Restrisikos eng gefasst. Die Ursache für das Baugrundrisiko ( = unvermeidbares Restrisiko) liegt in der beschränkten Aussagefähigkeit der geotechnischen Untersuchungen und daran, dass der Baugrund einschließlich seiner Inhaltsstoffe ein inhomogener, von der Natur vorgegebener Werkstoff ist, der in seiner Gesamtheit nur näherungsweise erkundet und mit technischen Modellbildungen (z. B. geometrische Annahmen und mechanische Eigenschaften für Standsicherheitsnachweise und Setzungsberechnungen) beschrieben werden kann.“ Weiter führt das lesenswerte – in der Praxis aber meist unbeachtet bleibende – Beiblatt 1 zur DIN 4020 unter den Abschnitten „Zu 4.1“ und „Zu 4.2“ auf: „Zu 4.1 Aufgabe der geotechnischen Untersuchung von Boden und Fels als Baugrund ist es, die Unsicherheiten der Kenntnis des Baugrunds im Hinblick auf ein Projekt einzugrenzen. Bereits die Kenntnis der geologischen Zusammenhänge gibt Hinweise auf wichtige zu erwartende Probleme und Wege zu deren Aufklärung.“ „Zu 4.2 Ein Baugrundrisiko kann auch durch eingehende geotechnische Untersuchungen nicht völlig ausgeschaltet werden, da die Werte der Baugrundkenngrößen streuen, eng begrenzte Inhomogenitäten des Baugrunds nicht restlos zu erfassen sind und manche Eigenschaften des Baugrunds mit angemessenem Aufwand nicht festgestellt werden können. Die Wahrscheinlichkeit einer Aussage über den Aufbau oder bestimmte für die geotechnische Beurteilung maßgebliche Eigenschaften von Boden und Fels wächst mit dem Untersuchungsumfang, d. h. mit der Anzahl der Aufschlüsse und nimmt ab mit der Wechselhaftigkeit des Baugrunds. Sie wird durch die Wahl und Kombination zweckmäßiger Untersuchungsverfahren erhöht und kann durch mangelnde Kenntnis geologischer Zusammenhänge und mangelnde örtliche Erfahrung eingeschränkt sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch geotechnische Untersuchungen statistisch „seltene Ereignisse“, wie die Einlagerung von Blöcken, Hohlräumen oder kurzfristige Veränderungen von Wasserverhältnissen, erfasst werden, ist sowohl vom Untersuchungsumfang als auch vom Untersuchungsverfahren abhängig.“ Deshalb muss der Entwurfsverfasser – also der Architekt oder Ingenieur – den Bauherrn rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer geotechnischen Untersuchung hinweisen.

17

Dieser – aus Beweisgründen möglichst schriftliche – Hinweis muss der späteste Auslöser für die Aktivität des Auftraggebers als Bauherr sein, die geotechnischen Untersuchungen für den Entwurf rechtzeitig zu beauftragen und hierfür einen Sachverständigen für Geotechnik einzuschalten.

17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund

1063

Diese – technische – Verantwortungszuweisung zur Einschaltung eines Sachverständigen, der „fachkundig und erfahren auf dem Gebiet der Geotechnik sein“ muss, nicht aber der Bestellung durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bedarf, findet ihren Grund insbesondere darin, dass es letztlich immer (auch) der Bauherr ist, dem nicht nur das Haftungsrisiko11, sondern auch die strafrechtlichen Baugefährdung nach § 319 StGB, etwa durch Unterlassung der Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Standsicherheitsuntersuchung, droht. Dies wird von vielen Auftraggebern und deren (technischen und oft auch juristischen) Beratern oft übersehen, so dass leider buchstäblich „am falschen Fleck gespart“ wird. Dies kann fatale Folgen in Form von finanziellen Schwierigkeiten, der Notwendigkeit eines kompletten Bodenaustausches oder sogar Todesfälle mit sich bringen, wenn der als standfest angenommene und deshalb zum Verzicht auf eine Schalung verführende Kanalgraben einbricht. Die Vorgabe der DIN EN 1997-2 mit DIN 402012 hinsichtlich der Untersuchung des Baugrundes ist damit nicht nur konsequent, sondern letztlich sogar in einer volkswirtschaftlichen Dimension zu sehen. Der bautechnischen und damit insgesamt für den gesamten Baubereich zukommenden Bedeutung dieser Normen entgegengesetzt scheint die Kenntnis der Baubeteiligten von dieser Norm zu sein. Dies wirkt sich bis in die Rechtsprechung aus. So etwa in einer Entscheidung des OLG Celle13. Eine Ausschreibung enthielt – immerhin – zum Baugrund die Vorgabe: „Im allgemeinen kann bei den Erdarbeiten mit Boden der Bodenklassen 3 bis 5 gerechnet werden“ (Also eine technisch eindeutige Vorgabe). Weiter lautet die LV-Vorgabe dann: „Über die Untergrundverhältnisse im Bereich […] liegen […] Sondierergebnisse vor. Vom Auftraggeber wird jedoch keine Gewähr dafür übernommen, dass die dargestellten Verhältnisse an allen Stellen so anzutreffen sind, wie sie aus den beigefügten Bohrprofilen ersichtlich sind.“ Als das beauftragte Tiefbauunternehmen von der Ausschreibung abweichenden Baugrund antrifft und deshalb erhebliche Mehrkosten hat, verweigert der Auftraggeber die Zahlung. Das Gericht gibt ihm mit der folgenden Argumentation – im Querlauf zur technischen Erkenntnis, dass Baugrund immer nur mit Wahrscheinlichkeitsangaben beschrieben werden kann – recht: Die Bauherrschaft habe mit ihrem Hinweis, dass sie keine Gewähr dafür übernehme, dass die dargestellten Verhältnisse an allen Stellen so, wie aus den Bohrprofilen ersichtlich, auch anzutreffen seien, „für alle Bieter erkennbar und hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie keine endgültige Bewertung der Bodenverhältnisse vornehmen, sondern diese Bewertung den fachkundigen Anbietern überlassen wollte.“ Das Urteil ist allerdings in zweifacher Hinsicht unrichtig: Die Vorgabe, dass „keine Gewähr“ dafür übernommen werden könne, dass der Baugrund in situ auch der Beschreibung 11

12

13

Dies gilt nicht nur über die Verschuldenshaftung nach z. B. §§ 823 Abs.1; 823 Abs. 2 i. V. m. 909 (Vertiefungsverbot) BGB, sondern insbesondere über das Rechtsinstitut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses gem. § 906 BGB analog (dazu ausführlich und eindrücklich: Fuchs, Die Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Nachbargrundstücken bei der Ausführung von Tiefbauarbeiten, Baurechtliche Schriften Band 59, hrsg. von Korbion/Locher, Werner-Verlag, Düsseldorf, 2004. Die Verfasser sind seit vielen Jahren Leiter von einschlägigen Seminaren sowie Mitarbeiter zur Neufassung der DIN EN 1997-2 und der DIN 4020 im Normungsausschuss: Die Kenntnis der Vorgaben zur Untersuchung und Beschreibung des Baugrundes gerade in Fachkreisen, insb. der für Ausschreibungen zuständigen Architektur- und Ingenieurbüros, scheint oftmals nur rudimentär vorhanden oder – im vermeintlichen Auftraggeberinteresse – einfach beiseite geschoben worden zu sein. Urteil vom 14.11.1996 – Az.: 14 U 81/94 = IBR 1997, 280 = OLGR 97, 65.

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1064

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

entspricht, ist nichts, was besonders „erkennbar und hinreichend zum Ausdruck gebracht“ wurde. Ungewöhnliches hätte bedeutet: Es war genau die Wiederholung der in der DIN 4020 schon damals enthaltenen technischen Erkenntnis, dass Baugrundaufschlüsse und Beschreibungen immer nur „Stichproben“ mit Wahrscheinlichkeitscharakter, also Vorläufigkeitsangaben sind, die im Verlaufe der Bauausführung nach dem Motto, dass, wer aus dem Rathaus kommt, klüger ist, verifiziert werden müssen. Ein zweiter Fehler lässt sich darin erkennen, dass auch der noch so fachkundige Anbieter nicht mehr oder anderes erkennen kann, als der Baugrundgutachter, dessen alleinige Aufgabe gerade die Untersuchung der Baugrundverhältnisse – in den von der Erdgeschichte sowie den naturwissenschaftlichen Grenzen bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrenzen – ist. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl von obergerichtlichen Urteilen, die entsprechend dieser technischen Erkenntnis der letztlich nicht möglichen genauen Kenntnis des Aufbaus und der Eigenschaften des Baugrunds dem Auftragnehmer das Recht auf Vertrauen in die Baugrundangaben zusprechen. So hat das OLG Stuttgart die sogenannten „Angstklauseln“ in Baugrundgutachten (z. B. „Es ist nicht völlig auszuschließen, dass bei der Durchführung der Baumaßnahmen gewisse Abweichungen vom dargestellten Schichtenaufbau auftreten können.“) deutlich abgelehnt: Ein Baugrundgutachter darf unzureichende Untersuchungen nicht mit Hinweis auf die ohnehin in Fachkreisen bekannte Möglichkeit des Auftretens von Abweichungen der Untersuchungsergebnisse der anzutreffenden Baugrundverhältnisse „gesundbeten“. Außerdem stellt das OLG Hamm klar14, dass ein Bauunternehmer Erschwernisse nicht einzukalkulieren hat, wenn in der Ausschreibung eindeutige Bodenklassen vorgegeben werden. Wiederum befand das OLG Stuttgart15 im Hinblick auf das Antreffen von Kontaminationen, dass die insoweit zusätzlich aufzuwendenden Kosten vom Auftraggeber zu tragen sind, wenn im LV oder Baugrundgutachten entgegen den Vorgaben der VOB Teil C, DIN 18299, Abschnitt 3.3, keine Beschreibung dieser Schadstoffe erfolgt ist. Dass jeder Bieter und auch jeder spätere Auftragnehmer aus einer vorvertraglichen Fürsorgepflicht nach §§ 241 Abs. 2; 311 Abs. 2, Nr. 1 BGB bzw. gem. §§ 3 Abs. 3; 4 Abs. 3 VOB/B bei der Unterlassung gebotener Bedenkenanmeldung nach § 280 Abs.1 BGB zum Schadensersatz16 verpflichtet werden kann, wenn „ins Auge springende Fehler und Lücken“ im Rahmen der Ausschreibung – etwa beim Fehlen jeglichen Hinweises auf hydrologische Gegebenheiten (vgl. DIN 18299, Abschnitt 0.1.10 der VOB/C) – einen Hinweis zu geben oder „gehörige Nachfrage“ aufdrängen, oder der Auftragnehmer sogenannte „Boden-Alarmsignale“

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16

17

OLG Hamm, Urteil vom 17.02.1993, Az.: 26 U 40/92 = NJW–RR 1994, 406 = IBR 1994,95 (zitiert in: OLG Naumburg, IBR 2012, 318). Urteil vom 30.01.2003, Az.: 2 U 49/00; (BGH Beschluss vom 28.08.2003 – VII ZR 59/03: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) (zitiert in: OLG Dresden, Schlussurteil vom 04.05.2011, Az.: 6 U 131/09; LG Görlitz, Urteil vom 16.01.2009, Az.: 1 O 110/07; ähnlich: BGH, Urteil vom 22.12.2011, Az.: VII ZR 67/11; LG Köln, Urteil vom 01.02.2011, Az.: 27 O 202/10). Die Paragraphen lauten: „§ 241 Abs. 2 BGB: Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten“; „§ 311 Abs. 2, Nr. 1 BGB: Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen [...]“; „§ 280 Abs. 1 BGB: Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.“; Palandt, BGB, Verlag C. H. Beck, 75. Auflage 2016, § 241; § 280; § 311. Wirth/Sienz/Englert, Verträge am Bau nach der Schuldrechtsreform, Werner-Verlag, 2002.

17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund

1065

während der Bauausführung nicht nur beachten, sondern auch über eine Bedenkenanmeldung dem Bauherrn zur Kenntnis bringen muss17, unterstreicht nur den Grundsatz: Der Auftraggeber trägt das Risiko, dass die Bodenverhältnisse korrekt beschrieben werden18 – der Auftragnehmer hingegen hat die Verpflichtung, die Beschreibung im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Plausibilität zu überprüfen 19 und die Übereinstimmung von „Baugrund-SOLL“ und „Baugrund-IST“ ständig zu überwachen. Genau das ist auch die Schnittstelle, die vom Gesetz – in § 645 BGB – und von der VOB – in §§ 4 Abs. 3 i. V. m. 4 Abs. 7 bzw. 13 Abs. 3 VOB/B vorgegeben wird: Verantwortungszuweisung nennt man diese nachlesbaren Prinzipien des Rechts, die jedoch deshalb häufig nicht oder missverstanden werden, weil eine wesentliche Grunderkenntnis fehlt: Baugrund ist Baustoff!

17.1.4

Der Baugrund ist Baustoff

In Abwandlung der einleitend angeführten Feststellung von Korbion kann man auch konstatieren: Ohne Baustoff gibt es kein Bauwerk. Der Baustoff ist damit Voraussetzung und zugleich Bestandteil eines jeden Bauwerks. Dementsprechend muss der Begriff des Baustoffes weit ausgelegt werden. Er umfasst alle Gegenstände, aus denen, an denen oder mit deren Hilfe die (Bau-)Leistung herzustellen ist.20 Somit ist auch der Baugrund als Baustoff – vergleichbar Beton oder Ziegelsteinen – einzuordnen, da er als Teil eines oder mehrerer Grundstücke zu den unbeweglichen Sachen und damit zu dem Oberbegriff der Gegenstände zählt. Dementsprechend spricht die DIN 4020 im Beiblatt 1 „Zu 3.5“ deutlich vom „inhomogenen, von der Natur vorgegebenen Werkstoff“, also letztlich „Überraschungsbaustoff“, „der in seiner Gesamtheit nur näherungsweise erkundet […] werden kann.“ Baugrund ist demnach „Grund – Lage“ und damit auch Teil eines auf, mit oder in ihm zu schaffenden Bauwerks. Mithin ist die oftmals mit Erstaunen aufgenommene Gleichung „Baugrund = Baustoff“, der vom Auftraggeber geliefert bzw. vorgeschrieben oder beigestellt wird, nicht nur richtig, sondern auch zum Verständnis des Baurechts äußerst wichtig. Dies entspricht in Übereinstimmung mit der technischen Vorgabe der absolut herrschenden Meinung 17

18

19

20

OLG München, Urteil vom 28.10.1997, Az.: 28 U 1581/94; (BGH Beschluss vom 26.08.1999 – VII ZR 167/98, Revision nicht angenommen) = IBR 1999, 522; vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 05.04.1990, Az.: 16 U 202/88 = IBR 1994, 141. OLG Koblenz, Urteil vom 27.01.1999, Az.: 1 U 420/96; (BGH, Beschluss vom 26.04.2001 – VII ZR 59/99 Revision nicht angenommen) = NZBau 2001, 633 = BauR 2001, 1442 = NJW-RR 2001, 1671 = IBR 2001, 658 (zitiert in: LG Leipzig, Urteil vom 30.01.2015, Az.: 7 O 4530/09). Zur Prüfungs- und Hinweispflicht des Bieters bzw. Auftragnehmers ausführlich: Englert/Grauvogl/Maurer, Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts (7. Kapitel), 5. Auflage, 2016; Fuchs/ Haugwitz, Die Prüf- und Bedenkenhinweispflicht des Werkunternehmers – Erfahrungen aus der geotechnischen Praxis, in: Tagungsband zum 16. Darmstädter Geotechnik-Kolloquium 2009, S. 189 ff.; Fuchs, Die Prüf- und Bedenkenhinweispflicht des Werkunternehmers und die richtige Reaktion des Auftraggebers, in: Jahrbuch Baurecht 2009, S. 46 ff; (aktuelle Entscheidungen, u.a. BGH, Urteil vom 25.02.2016, Az.: VII ZR 210/13 = IBR 2016, 274; OLG Köln, Urteil vom 22.02.2016, Az.: 11 U 106/15 = IBR 2016, 270; OLG Dresden, Urteil vom 06.10.2015, Az.: 9 U 272/15). Vgl. BGHZ 61, 144: Hier stellt der BGH ausdrücklich die weite Auslegung des Begriffes „Stoff“ fest.

17

1066

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

in Rechtsprechung und Schrifttum21. Seit der Entscheidung des BGH vom 28. Januar 2016 gibt es auch eine höchstrichterliche Orientierung zur rechtlichen Behandlung von Baugrundproblemen: Der BGH hat mit diesem Urteil (Az: I ZR 60/14) (NZBau 2016, 283) erstmals höchstrichterlich folgende Begründung für die Verantwortlichkeit eines Bauherrn für seinen Baugrund festgeschrieben: „[40]aa) Allerdings ist es grundsätzlich nicht unangemessen, dem Auftraggeber die Verantwortlichkeit für die Bodenbeschaffenheit im Verhältnis zu einem von ihm beauftragten, auf einer Baustelle tätigen Unternehmer aufzuerlegen. [41](1) In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass der Besteller einer Werkleistung alles ihm Zumutbare und Mögliche zu unternehmen hat, um den Werkunternehmer bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten vor Schaden zu bewahren, und zwar auch vor Schäden an seinem Arbeitsgerät (BGH, VersR 1959, 948; VersR 1975, 41 = BeckRS 1974, 30374599). Dieser Grundsatz gilt auch im Frachtrecht (vgl. Koller, § 407 HGB Rn. 111). [42](2) Im Regelfall wird der Auftraggeber einer Leistung, die an einem Bauwerk zu erbringen ist, Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks sein. Er wird aus diesem Grund die örtlichen Gegebenheiten besser kennen als der Auftragnehmer. Dazu zählen nicht erkennbare unterirdische Risiken. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, ihm das Risiko der Eignung der Bodenbeschaffenheit für die Ausführung des Auftrags zuzuweisen. Ist der Auftraggeber nicht der Grundstückseigentümer oder der Besitzer, sondern – wie im Streitfall – der für die Baustelle verantwortliche Bauunternehmer oder Abbruchunternehmer, ist diese Risikozuweisung ebenfalls angemessen. Der Unternehmer, der auf Grund eines Auftrags des Eigentümers oder Besitzers tätig wird, kann sich erforderliche Informationen über die Bodenverhältnisse vom Eigentümer oder Besitzer auf Grund des bestehenden Vertragsverhältnisses beschaffen. Deshalb ist es gerechtfertigt, ihm als Besteller einer mit Gefahr verbundenen Arbeit im Verhältnis zu einem Subunternehmer die Verantwortlichkeit für die auf der Baustelle vorhandenen Bodenverhältnisse zuzuweisen (vgl. BGH, VersR 1975, 41).

17

21

MünchKomm. § 645 Rdn. 6; Ingenstau/Korbion, VOB/B, § 7 Rdn. 5ff.; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/B, § 2 Rdn. 25; ausführlich: Englert/Grauvogl/Maurer, Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurech (3. Kapitel), 5. Auflage 2016 mit zahlreichen Hinweisen zur Baugrund-Rechtsprechung.

17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund

1067

[43](3) Für eine Verantwortlichkeit des Bestellers von auf einer Baustelle auszuführenden Werkleistungen für den Baugrund spricht die Regelung des § 645 BGB. Wenn es Sache des Bestellers ist, den Stoff für die Herstellung des Werks zu liefern, muss er auch die Verantwortung dafür tragen, dass der Stoff zur Herstellung des Werks tauglich ist und zwar ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden. Der sich aus der Beschaffenheit des Stoffs ergebenden Gefahr für das Gelingen des Werks steht der Besteller, wenn er den Stoff zur Verfügung stellen soll, näher als der Unternehmer. Der BGH hat dem Werkunternehmer deshalb unter Heranziehung des in § 645 I BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens einen Anspruch auf Vergütung für von ihm erbrachte Werkleistungen zuerkannt, wenn seine Werkleistung infolge von Umständen untergeht, die in der Person des Bestellers liegen (BGHZ 136, 303 [308] = NJW 1997, 3018 = NJW-RR 1997, 1450 Ls.; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 645 Rn. 8 f.), auch wenn es an einem Verschulden des Bestellers fehlt. Dabei ist der Begriff des Stoffs iSv § 645 I BGB weit auszulegen. Er umfasst alle Gegenstände, an denen oder mit denen das Werk herzustellen ist. Die für beide Vertragsteile nicht erkennbare Schwierigkeit des Baugrundes wird deshalb nach verbreiteter Ansicht gem. § 645 BGB dem Besteller zugewiesen (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 645 Rn. 12 mwN). [44](4) Diese Wertung findet sich auch in § 7 I Nr. 6 VOB/A (Lausen in Heiermann/Zeiss, jurisPK-VergabeR, 4. Aufl., § 7 VOB/A Rn. 69). Danach hat der Auftraggeber die für die Ausführung der Bauleistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, zu der insbesondere die Bodenverhältnisse gehören, so zu beschreiben, dass der sich um einen Bauauftrag bewerbende Unternehmer ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann.“

17.1.5

Rechtsfolgen aus der Gleichsetzung von Baugrund und Baustoff

Das Verständnis von Technik und Recht, wonach der Baugrund als vom Auftraggeber bereitgestellter, einmaliger und niemals vollständig beschreib- oder prüfbarer „Baustoff“22 zu behandeln ist, hat große praktische Konsequenzen, sowohl bei der Regelung der Gefahrtragung bis zur Abnahme gemäß § 644 Abs. 1 Satz 3 BGB („Für den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten Stoffes ist der Unternehmer 22

Ein vom Bauherrn gelieferter oder vorgeschriebener Baustein etwa kann hinsichtlich aller notwendigen Eigenschaften überprüft werden: Abmessungen, Druckfestigkeit, Farbe, Wärme- und Schallleitfähigkeit, Form und Grundmaterial (z. B. Lehm, Sandstein). Dies ist beim Baustoff Baugrund nur sehr beschränkt und im Regelfall erst nach dem Grundsatz „learning by doing“ möglich.

17

1068

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

nicht verantwortlich“), als auch für die Vergütung bei Störung der Ausführung gemäß § 645 Abs. 1 BGB, der im hier maßgeblichen Sinne lautet: „Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes …..untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer ….. Vergütung ….verlangen.“ Ein einfaches Beispiel verdeutlicht diese gesetzliche Regelung – die man insoweit nur dann verstehen kann, wenn der im Gesetzestext enthaltene Begriff „Stoff“ auch mit „Baugrund“ gelesen wird: Findet sich unerkennbar tief unter der Sauberkeitsschicht der Bodenplatte eine Torfeinlagerung und kommt es dadurch zur Schiefstellung eines Gebäudes, so hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Vergütung der (unverschuldet mangelhaft) erbrachten Bauleistung. Denn der vom Bauherrn „gelieferte Stoff“ wies den Mangel einer zur Schrumpfung und damit Setzung neigenden Schicht auf, die mangels Beschreibung im Baugrund nicht vorherzusehen – also Bedenken auslösend – und auch nicht einzukalkulieren war. Schließlich ist die Baustoffeigenschaft auch bei der Mängelhaftung gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B von Bedeutung; denn der Auftragnehmer kann davon unter anderem frei werden, wenn ein Mangel auf die vom Auftraggeber „gelieferten“ oder „vorgeschriebenen“ Stoffe zurückzuführen ist. Diese Geltung wird oft verkannt, weil vom „gelieferten“ bzw. „vorgeschriebenen“ Stoff die Rede ist. Zwar ist die redaktionelle Fassung der §§ 13 Abs. 3; 4 Abs. 3 VOB/B insoweit nicht vollständig, weil der Auftraggeber den „Baugrund“ nicht im Sinne des Wortes „liefert“. Aber: Der Baugrund, auf, in und mit dem das konkrete Bauwerk zu errichten ist – und der damit „Hauptbaustoff“ ist – ist „einmalig“ und niemals, selbst beim sogenannten Bodenaustausch, vollständig auswechselbar: Es bleibt nämlich immer noch „Baugrund“ unter und neben (und manchmal auch über) dem Baugrund zurück, ganz theoretisch bis mindestens zum Erdmittelpunkt und zum Nord- oder Südpol bzw. rund um den Äquator. Der Baugrund wird demnach immer vom Auftraggeber „vorgeschrieben“ und damit – im Wege der Auslegung nach §§ 133; 157 BGB – auch „geliefert“. Dementsprechend kann auch auf den Baustoff „Baugrund“ niemals die sogenannte„Ausreißer-Rechtsprechung“ des BGH23 angewendet werden. Denn beim Baugrund gibt es keine „generelle Bestimmung“ bzw. „grundsätzliche Geeignetheit“, sondern immer nur den ganz konkret und einmalig anstehenden Baugrund aus Boden, Fels, Grundwasser und sonstigen natürlichen oder künstlich eingefügten Inhaltsstoffen. Schließlich wird denknotwendig auch immer der konkrete Baugrund in der Örtlichkeit vom Bauherrn vorgegeben und dessen Nutzung zur Errichtung eines Bauwerks mit Hilfe einer öffentlich-rechtlichen Baugenehmigung erlaubt. Motzke hat die Gleichschaltung von „Liefern“ und „Vorgeben“ ausführlich beschrieben (Das Baugrundrisiko – es gibt es doch! In: Geheimnisse des Baugrunds – Festschrift für Klaus Englert, 2014, S. 311 ff.). Dabei korrespondiert § 4 Abs. 3 VOB/B, der die Pflicht zur Mitteilung von Bedenken vorgibt (wenn sich nach den Umständen des Einzelfalles überhaupt Bedenken ergeben können), mit § 13 Abs. 3 VOB/B: Auch soweit der Auftragnehmer Bedenken gegen die vom Auftraggeber gelieferten „Stoffe“ – hier: den Baugrund – hat, muss er diese unverzüglich schriftlich direkt dem Auftraggeber oder einem ausdrücklich zur Entgegennahme von Bedenken bevollmächtigten Architekten oder Ingenieur mitteilen. Dabei gilt sowohl der Rechtsgedanke einerseits des § 13 Abs. 3 als auch des § 4 Abs. 3 VOB/B ebenso im Rahmen von BGB-Verträgen24. Weiterhin gilt die in § 13 Abs. 3 VOB/B enthaltene Mangelfreizeichnungsmöglichkeit bereits vor der Abnahme im Rahmen des § 4 Abs. 7 VOB/B. Die für diese entsprechende Anwen-

17

23 24

Vgl. nur: IBR 1996, 317 mit weiteren Hinweisen. BGH BauR 1996, 703.

17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund

1069

dung gültige Argumentation, entsprechend der herrschenden Meinung25, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wenn schon der Auftragnehmer nach der Abnahme gemäß den Regeln des § 13 Abs. 3 VOB/B von der Haftung für Mängel frei wird, die auf den vorgegebenen Baugrund zurückzuführen sind, dann muss dies auch schon im Stadium der Bauleistung gelten, wenn entweder hinsichtlich des Baugrundes keine Bedenken bestehen mussten oder solche nach Mitteilung vom Auftraggeber unbeachtet blieben. Der insoweit irreführende Text des § 4 Abs. 7 VOB/B, wonach scheinbar immer der Auftragnehmer Mängel, die vor der Abnahme auftreten, „auf seine Kosten“ zu beseitigen hat, bedarf deshalb einer klarstellenden Korrektur.

17.1.6

Zwischenergebnis

Der Baustoff „Baugrund“ ist niemals hinsichtlich seines Aufbaus und seiner Eigenschaften im Voraus vollständig untersuch- und beschreibbar. Es handelt sich immer nur um eine Wahrscheinlichkeitsangabe mit Stichprobencharakter, so dass stets ein Baugrundrisiko verbleibt. Da der Baugrund als Baustoff vom Auftraggeber bereit gestellt bzw. unverzichtbar vorgegeben werden muss, um überhaupt eine Bauleistung erbringen zu können, wird der Auftragnehmer dann von der Mängelhaftung – unter Beachtung des § 4 Abs. 3 VOB/B, der ausdrücklich auch die Bedenkenprüfungspflicht hinsichtlich der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe beinhaltet – befreit, wenn ein Mangel auf den Baugrund zurückzuführen ist. Deshalb liegt die bestmögliche – und nicht die billigste – Untersuchung und Beschreibung des Baugrunds in erster Linie im eigenen Interesse des Auftraggebers. Dementsprechend gibt die VOB für den öffentlichen Auftraggeber (vgl. §§ 97 ff. GWB) eine spezielle Check-Liste zur Ausschreibung hinsichtlich des Baugrundes vor – die in der Praxis jedoch zu wenig genutzt wird.

17.1.7

Ausschreibungsvorgaben des § 7 VOB/A

Vorab: Ob § 7 VOB/A eine Norm des Bauvertragsrechts oder nur eine des Vergaberechts darstellt, wie Quack26 dies mehrfach zur früheren Fassung des § 9 VOB/A untersucht hat, kann hier dahinstehen. Entscheidend ist alleine, dass mit Blick auf das „neue“ Schuldrecht (immerhin auch bereits seit 2002 kodifiziert) für jeden – auch nur möglichen – Vertragspartner das Rücksichtnahmegebot nach §§ 241 Abs. 2; 311 Abs. 2 BGB gilt. Genau dieses aber wird hinsichtlich der Vorgaben zum Baugrund präzisiert durch die nachvollziehbare Regelung, die sich in § 7 der VOB Teil A findet.

25

26

Vgl. dazu u. a. Ingenstau/Korbion/Leupertz/Wietersheim, VOB-Kommentar, seit der 14. Auflage hrsg. von Locher/Vygen, 19. Auflage 2015, § 4 Abs. 7; Kapellmann/Messerschmidt, VOB, § 13 Abs. 3; § 4 Abs. 7; Fuchs, Beck’scher VOB-Kommentar 2013, Teil B, § 4 Abs. 7. Das ungewöhnliche Wagnis im Bauvertrag, BauR 2003, 26 ff.; siehe auch Quack, Warum § 9 VOB/A keine Anspruchsgrundlage für vertragliche Kompensationsansprüche des erfolgreichen Bieters sein kann, in: Festgabe für Steffen Kraus, Werner-Verlag, 2003, S. 211 ff.; zur Problematik des § 9 siehe auch: Lederer/Niebuhr, Ist ein Verstoß gegen § 9 VOB/A nach Auftragserteilung sanktionslos?, in: Festschrift für Walter Jagenburg, Werner-Verlag 2002, S. 461 ff.

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

17.1.7.1 Unmittelbare Ausschreibungsvorgaben nach § 7 Absatz 1 Ziffer 6 VOB/A Eine unmissverständliche Vorgabe zur Ausschreibung bezüglich des vom Auftraggeber beizustellenden Baugrundes findet sich zunächst in § 7 Abs. 1 Ziffer 6 VOB/A: „Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z. B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann.“ Wenn sich in dieser allgemein – also auch für die sogenannte Funktionalausschreibung nach § 7 Abs. 13 ff. VOB/A – gültigen Regelung zur Beschreibung der Leistung explizit und nicht nur beispielhaft die Begriffe „Boden- und Wasserverhältnisse“ finden, dann bedeutet dies: Der Pflichtenkreis des Auftraggebers wird auch durch die vollständige Ausschreibung hinsichtlich der – zusammengefasst – „Baugrundverhältnisse“ gebildet. Diese „sind“ – „sind“ bedeutet „müssen“ – so zu beschreiben, dass ihre Auswirkungen, soweit dies bei dem Überraschungsbaustoff Baugrund überhaupt möglich ist, im Zuge der Bauausführung „hinreichend“ beurteilt werden können. Die Beurteilungsgrenze wird dabei durch die DIN EN 1997-2 iVm DIN 4020 gebildet: Was trotz aller Untersuchungs-, Erkenntnis- und Beschreibungsmöglichkeiten nicht aufgezeigt werden kann – etwa ein „Findling“, der konkret und nicht nur „ins Blaue hinein“ angegeben werden müsste, dann aber kein „Findling“, sondern ein „Bekanntling“ wäre –, darf auch nicht dem einzukalkulierenden Bau-Soll zugerechnet werden. Insoweit hat Kapellmann eine verständliche Bau-Soll/Bau-Ist-Abgrenzung auch für die Baugrundproblematik entwickelt. 27 § 7 Abs. 1 Ziffer 6 VOB/A beinhaltet damit eine Ausschreibungsvorgabe, die in jedem Falle für den öffentlichen Auftraggeber mit Blick auf § 241 Abs. 2 BGB zu einem Schuldverhältnis i. S. d. § 311 Abs. 2 BGB und somit auch zum Schadensersatz nach § 280 BGB führen kann. Insoweit hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eine klare Gesetzeslage geschaffen. Ob dies auch für den privaten Auftraggeber gilt, ist im Rahmen einer Untersuchung des § 7 VOB/A im Hinblick auf die Ausschreibungspflichten des öffentlichen Auftraggebers im vorgegebenen Rahmen außer Betracht zu lassen. 17.1.7.2 Mittelbare Ausschreibungsvorgaben nach § 7 Abs. 1 Ziffer 3 VOB/A Letztlich in Ausfüllung der Generalnorm § 242 BGB, wonach der Schuldner verpflichtet ist, „die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“, ist die Wagnisüberbürdungsregelung des § 7 Abs. 1 Ziffer 3 VOB/A geschaffen worden. Sie findet sich dementsprechend bereits in der Ur-Ausgabe der VOB von 1926, dort unter § 9 Nr. 1, Satz 2 VOB/A, und lautet in der Ausgabe 2019: „Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.“ Diese Bestimmung lässt sich hinsichtlich des Baugrundes als Volltreffer verwerten: Was intern beim öffentlichen Auftraggeber nicht zulässig ist – verstärkt etwa durch das Vergabe-

17

27

Baugrundrisiko und Systemrisiko, in: Jahrbuch Baurecht 1999, S. 1 ff., hrsg. von Kapellmann/ Vygen, Werner-Verlag.

17.1 Ausschreibungsvorgaben zum Baugrund

1071

handbuch und die dazu erlassene Richtlinie28 – darf auch nicht im Außenverhältnis vorausgesetzt werden! Danach darf die Leistungsbeschreibung keine ungewöhnlichen Risiken enthalten, insbesondere dem Auftragnehmer keine Aufgaben der Planung (dazu zählt grundlegend auch die Feststellung der Baugrundverhältnisse) und der Bauvorbereitung übertragen. Im Klartext: Wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine Ausschreibung durchführt, muss er eine nach den Regeln der Technik gefertigte – also insbesondere DIN EN 1997-2 und DIN 4020 samt aller Komplementärnormen beachtende – Baugrundbeschreibung in Ausfüllung des § 7 Abs. 1 Ziffer 3 und 6 VOB/A sowie der Vergabehandbücher vorlegen. Andernfalls verstößt er nicht nur gegen diese Normen, sondern auch gegen die selbst auferlegten Pflichten, die durch die Veröffentlichung der VOB nach außen bekannt gemacht werden und deshalb durchaus einen Vertrauenstatbestand schaffen können. Mehr noch: Der Ausschreibende muss dazu insbesondere die Hinweise in der VOB/C beachten. Die Pflicht dazu findet sich ausführlich und zum ständigen Studium empfohlen in der: 17.1.7.3 Verweisungsregelung des § 7 Abs. 1 Ziffer 7 VOB/A und VOB Teil C Diese weithin unbeachtete Bestimmung des § 7 Abs. 1 Ziffer 7 VOB/A unterstreicht die Bedeutung der Notwendigkeit, möglichst umfassende Angaben zum Baugrund zu machen: „Die „Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“ in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen, DIN 18299 ff., sind zu beachten.“ In Verbindung mit dem korrespondierenden Text jeweils zu Beginn einer jeden VOB/CNorm29, immer unter der Überschrift Abschnitt „0 Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“, findet sich in dieser Regelung der Wegweiser zu den, die Baugrundproblematik berücksichtigenden Hinweisen. Und diese stellen sich als reine Fundgrube für den Ausschreibenden dar, die man auch als Denk-Hilfe bezeichnen könnte. Hinweise nach DIN 18299, Abschnitt 0 Der Abschnitt 0 der DIN 18299 enthält eine Vielzahl an Baugrundfragen, die „nach den Erfordernissen im Einzelfall“ vom Ausschreibenden festzustellen und sodann in der Leistungsbeschreibung anzugeben sind. Denn die Generalnorm DIN 18299 gilt für „Bauarbeiten jeder Art“ und zieht so einen Großteil von Ausschreibungsfragen vor die Klammer. So sind im Hinblick auf den Baugrund u.a. anzugeben: – Bodenverhältnisse, Baugrund und seine Tragfähigkeit, Ergebnisse von Bodenuntersuchungen (Abschnitt 0.1.9) – Hydrologische Werte von Grundwasser und Gewässern (…) Ergebnisse von Wasseranalysen ( Abschnitt 0.1.10) – Schutzgebiete (…) im Bereich der Baustelle, z. B. wegen Forderungen des Gewässer-, Boden- (…) schutzes (Abschnitt 0.1.13) – Im Bereich der Baustelle vorhandene Anlagen, insbesondere Abwasser- und Versorgungsleitungen (Abschnitt 0.1.15)

28 29

Vgl. Lampe-Helbig, Handbuch der Bauvergabe, Anhang, S. 313. „Die Beachtung dieser Hinweise ist Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung gem. § 7 VOB/A.“

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

– Bekannte oder vermutete Hindernisse im Bereich der Baustelle, z. B. Leitungen, Kabel, Draine, Kanäle, Bauwerksreste und, soweit bekannt, deren Eigentümer (Abschnitt 0.1.16) – Bestätigung, dass die im jeweiligen Bundesland geltenden Anforderungen zu Erkundungsund gegebenenfalls Räumungsmaßnahmen hinsichtlich Kampfmittel erfüllt wurden (Abschnitt 0.1.17) – Art und Umfang von Schadstoffbelastungen, z. B. des Bodens, der Gewässer (…) (Abschnitt 0.1.20). Hinweise nach DIN 18300, Abschnitt 0 Mit dem Grad der Spezialisierung einer Norm steigt auch die Detaillierung hinsichtlich der notwendigen Hinweise zur Leistungsbeschreibung. So sieht die Tiefbau-Grundnorm DIN 18300 (Erdarbeiten)30 unter anderem folgende Hinweise, soweit im Einzelfall erforderlich, vor: – Art und Beschaffenheit der zu bearbeitenden Flächen (Abschnitt 0.1.1) – Gründungstiefen, Gründungsarten, Lasten und Konstruktion benachbarter Bauwerke (Abschnitt 0.1.2) – Wesentliche Änderungen der Eigenschaften und Zustände von Boden und Fels nach dem Lösen (Abschnitt 0.2.10). Diese Liste lässt sich bis hin zur DIN 18321 (Düsenstrahlarbeiten) und DIN 18324 (Horizontalspülbohrarbeiten) fortsetzen, wonach ebenso spezielle Baugrundfragen geklärt werden müssen. Allen diesen Katalog-Hinweisen gemeinsam ist, dass sie, soweit „nach den Erfordernissen des Einzelfalls“ notwendig, auch anzugeben sind. Denn der Umkehrschluss liegt nicht nur nahe, sondern ist auch richtig: Wenn und soweit ein öffentlicher Auftraggeber keine Hinweise gibt, kann sich der Bieter darauf verlassen, dass die einschlägigen Abschnitte der maßgebenden DIN-Normen nicht relevant sind. Solange in solchen Fällen die immer geschuldete Überprüfung der Ausschreibung auf erkennbare Fehler und Lücken nicht zu einer Hinweispflicht führt3132, bestimmt sich das Bau-Soll ohne Berücksichtigung der im anderen Falle notwendigen Angabe besonderer Umstände. Beispiel: Findet sich in einer Ausschreibung kein konkreter Hinweis auf eine Kontamination, so braucht der Bieter eine solche auch nicht in seine Preise einrechnen. Die Bewältigung dieses Baugrund-Problems ist damit nicht schon gem. § 2 Abs. 1 VOB/B in den „vertraglichen Preisen“ enthalten.

17.2

Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

Tiefbauleistungen sind wegen des „Hauptbaustoffes“ Baugrund nicht nur schwierig, sondern durch die so im Regelfall vorliegende „Gemeinschaftsleistung“ von Auftraggeber (er liefert den Baustoff Baugrund bzw. gibt ihn vor, vgl. §§ 13 Abs. 3; 4 Abs. 3 VOB/B sowie § 645 BGB) und Auftragnehmer (er „baut“ auf, mit und im Baustoff Baugrund) auch in Fragen der Beweisführung problematisch: Oft stellt sich die Frage der Ursächlichkeit eines Mangels oder Schadens – und die Antwort dazu bedarf der Kenntnis der Beweisgrundsätze im Tiefbau. 30

17

31

Vgl. zur DIN 18300 insbesondere Beck’scher VOB-Kommentar, Teil C, hrsg. von Englert/Katzenbach/Motzke, Verlag C.H. Beck 2014 (3. Auflage) und Wittmann/Englert in Franz/Englert, VOB/C Rohbauarbeiten, Verlag Rudolf Müller, 2004, S. 57 ff. Ausführlich dazu: Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts (3. Kapitel), 5. Auflage, 2016

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1073

Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass sich der Baustoff Baugrund schon während der Bearbeitung „in der Tiefe“ verändern kann: Kornumlagerungen durch Erschütterung beim Rammen oder Bohren, Schichtänderungen, Auflockerungen oder Wasserwegigkeiten können es unmöglich machen, den „Urzustand“, der letztlich „ursächlich“ für ein Versagen des Gesamtsystems ist, feststellen zu können. Es hilft dann nur noch die Rekonstruktion, die jedoch zwangsläufig mit Fragezeichen zu versehen ist. So etwa ist für Abrechnungs-, Fristverlängerungs- oder Mängelhaftungsfragen der Nachweis bestimmter Bodenverhältnisse oder konkreter Erschwernisse von großer, oft ausschlaggebender Bedeutung. Dies um so mehr, als in der Vielzahl der Fälle eine nachträgliche Feststellung überhaupt nicht mehr (z. B. ist das Grundstück voll überbaut oder der Baugrubenaushub nicht mehr identifizierbar auf einer Deponie eingebaut) oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Gleiches gilt auch für die Abwehr von Schadensersatzansprüchen von durch Tiefbauarbeiten geschädigten Nachbarn oder Versorgungsunternehmen. Der Auftragnehmer muss daher an einer fortlaufenden Sicherung von Beweismitteln für seine Leistung und insbesondere den jeweils konkret angetroffenen Baugrund ebenso ein Interesse haben wie der Auftraggeber, der sich z. B. gegen Ansprüche von Nachbarn zur Wehr setzen will. Deshalb ist – von den oben beschriebenen ausführlichen Dokumentationen abgesehen – während der Durchführung der Bauarbeiten auch mit der Sicherung und Aufbewahrung anderer Beweismittel nicht zu sparen: Fotografien oder Videoaufnahmen angetroffener Bodenschichten, Entnahme von Bodenproben (z. B. beim Antreffen von Erschwernissen beim Bohren) mit exakter Beschriftung und jederzeit identifizierbarer Lagerung (Ort der Gewinnung z. B. im Bauplan einzeichnen, Tiefenlage, Datum, Uhrzeit, Zeugen der Bodenentnahme [Bohrkerngewinnung]) stellen solche Hilfsmittel dar. Zeichnen sich größere Probleme ab, muss unbedingt zeitnah ein Baugrundsachverständiger eingeschaltet und eventuell sogar ein gerichtliches Beweisverfahren nach § 485 ff. ZPO bzw. – mehr zu empfehlen – ein vereinbartes außergerichtliches Beweissicherungsverfahren – durchgeführt werden. Letzteres hat den Vorteil der sofortigen Durchführbarkeit für sich.

17.2.1

Beweislastregeln für die Vergütung

Der Auftragnehmer hat sämtliche Voraussetzungen für den Anspruchsgrund und die Anspruchshöhe der von ihm geforderten Vergütung – insbesondere auch von Nachtragsansprüchen – substantiiert darzulegen und zu beweisen. Dazu muss er vor allem jede Einzelheit der erbrachten Leistung nachweisen.32 Insoweit ergeben sich hinsichtlich der Beweislast keine Besonderheiten. Solche sind jedoch bei den

17.2.2

Beweislastregeln für Schadensersatzansprüche

zu beachten: Grundsätzlich gilt, dass den Geschädigten die Beweislast für das schädigende Verhalten trifft. Er muss den Nachweis für den Schaden, für den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Baugrundmaßnahme und dem schädigenden Erfolg und für das Verschulden des Schädigers führen.

32

Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, § 20 Rdn. 112.

17

1074

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Etwas anderes gilt jedoch, wenn Erfahrungssätze eine so hohe Wahrscheinlichkeit begründen, dass es deshalb Sache des Anspruchsgegners ist, die dadurch geschaffene tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der genannten Tatsachen zu erschüttern, andernfalls der Richter in freier Beweiswürdigung gemäß § 287 ZPO die Tatsachen als bewiesen ansehen kann. Dieser Beweis des ersten Anscheins kommt aber nur bei typischen Geschehensabläufen in Betracht, d. h. bei Tatbeständen, die nach der Regel des Lebens auf eine bestimmte Ursache hinweisen und in einer bestimmten Richtung zu verlaufen pflegen. Bei nicht typischen Geschehensabläufen kann das Gericht aber im Wege des Indizienbeweises die Überzeugung von einer zu beweisenden Tatsache erhalten. So hat die Rechtsprechung den Ursachennachweis regelmäßig als nach menschlicher Erfahrung für ausreichend geführt erachtet, wenn Schäden an einem (Nachbar-)Gebäude oder an Versorgungsleitungen in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit Ausschachtungs-33 oder Gründungsarbeiten34 aufgetreten sind.35 Will also in einem solchen Fall der in Anspruch genommene Baugrundbeteiligte seine Haftung ausschließen oder wenigstens auf einen Teil der Schäden begrenzen, so muss er den Nachweis führen, dass Vorschäden vorlagen. Dies kann z. B. durch einen Vergleich von Gutachten, die vor und nach der Durchführung einer Tiefbaumaßnahme hinsichtlich des Zustandes von den benachbarten Grundstücken erstellt wurden, erfolgen. (Vgl. dazu auch § 3 Abs. 4 VOB/B sowie Ziffer 4 der AGB Spezialtiefbau.) Das rechtliche Interesse an der Feststellung des Grundstückszustandes ist dabei grundsätzlich zu bejahen.36 Verweigert der Nachbar eine Besichtigung und Begutachtung, so kann das Gericht zu seinem Nachteil hieraus Schlüsse ziehen. Gleiches gilt für den Fall, dass die Anbringung von Messmarken an bereits vorhandenen Rissen – zur Feststellung einer Rissevergrößerung – nicht zugelassen wird. Versäumt der Tiefbauunternehmer bzw. Auftraggeber eine vorherige Zustandsfeststellung von möglicherweise betroffenen Grundstücken, dann sind die Nachweisprobleme groß: Außer Staubablagerungen oder Farbüberdeckungen bei Rissen, die in etwa eine zeitliche Eingrenzung des Schadensbildes zulassen, bestehen kaum Gegenbeweismöglichkeiten, wenn ein Nachbar den Eintritt von Schäden im Zusammenhang mit Bauarbeiten behauptet. Die Praxis zeigt hier eine besondere Sensibilität von Nachbarn, wenn nur einmal der erste, selbst noch so kleine Schaden entdeckt und in Beziehung zu den Vorgängen auf dem Baugrundstück gebracht ist. Dies wird durch eine Grundsatzentscheidung des BGH 37 noch verstärkt:

33 34 35

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36 37

RG WarnRspr. 1915, Nr. 50; RGZ 145, 107 (115). BGH BauR 1983, 177 (zitiert in: OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.2016, Az.: 22 U 92/15); OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 146. Ausführlich dazu Korbion/Scherer, a. a. O., K. 201. Korbion/Scherer, a. a. O., K 202; siehe auch Englert/Bauer, Rechtsfragen zum Baugrund, Rdn. 249 Urteil vom 19. April 1991, BB 1991, 1149 (zitiert in: OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.2016, Az.: 22 U 92/15; OLG München, Urteil vom 09.07.2013, Az.: 28 U 4652/12 Bau).

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1075

Werden bei der Aushebung und Sicherung einer Baugrube DIN-Normen nicht beachtet, so spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Aushebung auf einem Nachbargrundstück entstandene Schäden auf die Verletzung der DIN-Normen zurückzuführen sind. Ein wegen der Schäden in Anspruch genommener Beklagter hat darzulegen und zu beweisen, dass die Schäden nicht auf die Verletzung der DIN-Normen zurückzuführen sind. Dass dieser Beweis in der Praxis kaum zu führen ist, war dem BGH offenbar bewusst. Er stellt jedoch das Interesse des Geschädigten in den Vordergrund, wohl auch wegen der grundsätzlichen Möglichkeiten von Bauherren und Bauunternehmern, sich ausreichend gegen die Inanspruchnahme durch geschädigte Nachbarn zu versichern.38

17.2.3

Beweisgrundsätze für §§ 906 und 909 BGB

Werden Ansprüche aus den Nachbarvorschriften der §§ 906, 909 BGB geltend gemacht, die zu den Schutzgesetzen i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB zählen 39, dann hat der beeinträchtigte Nachbar zu beweisen, – dass überhaupt eine Einwirkung i. S. d. Vorschriften stattgefunden hat, – dass sie vom Bauherrn bzw. Tiefbauunternehmer ausgegangen ist und – dass ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen der Einwirkung und einer benachbarten Baumaßnahme besteht.40 Der wegen der Einwirkung (Erschütterung, Vertiefung) in Anspruch Genommene hat umgekehrt zu beweisen, dass eine Vertiefung oder Erschütterung nicht vorlag, im letzteren Fall auch, dass sie nicht wesentlich oder zwar wesentlich, aber ortsüblich war und nicht durch Maßnahmen,41 die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind, verhindert werden konnte.42 Weiter muss sich der in Anspruch Genommene hinsichtlich eines Verschuldens entlasten; denn: Wer objektiv ein Schutzgesetz übertreten hat, muss sich entlasten, wenn er dartun will, dass ihn aus besonderen Gründen kein Verschulden treffe!43

17.2.4

Beweisgrundsätze für die Mangelfreiheit

Der Tiefbauunternehmer trägt bis zur Abnahme der Leistung die Beweislast dafür, dass er eine von Mängeln freie Leistung erbracht hat.44

38 39 40 41 42 43 44

Zur Versicherbarkeit siehe Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts, Rdn. 803 ff. Siehe dazu oben Rdn. 672 ff.; siehe auch Englert/Bauer, Rechtsfragen zum Baugrund, Rdn. 250 m. w. N. Vgl. z. B. BGH LM § 823 Nr. 9 und 11 BGB. gl. BGH Urteil vom 12.7.1996, Az.: V ZR 280/94, S. 9. BGH LM § 906 Nr. 36; BGHZ 72, 289 (zitiert in: OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.12.2013, Az.: 4 U 232/12). RGZ 91, 72; 145 107. BGHZ 42, 16; 48, 310; 61, 42 (zitiert in: BGH, Urteil vom 01.08.2013, Az.: VII ZR 75/11); BGH BauR 1981, 575.

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Im Streitfall hat er auch darzulegen und zu beweisen, dass ursprünglich vorhandene Mängel beseitigt wurden.45 Dies gilt auch für das Nichtvertretenmüssen eines Mangels, wenn dieser in seinem Verantwortungsbereich aufgetreten ist.46 Hier ist auf die Bestimmung des § 13 Abs. 3 VOB/B zu verweisen, der eine Freizeichnung von der Mängelhaftung statuiert, wenn ein Mangel auf Vorgaben des Auftraggebers zurückgeht – was z. B. beim Baugrund immer der Fall ist, da er vom Auftraggeber „vorgeschriebener bzw. gelieferter Stoff“ ist – und die Pflichten aus § 4 Abs. 3 VOB/B, soweit überhaupt Anhaltspunkte für Bedenken bestehen, vom Auftragnehmer erfüllt wurden. Nach erfolgter Abnahme47 trifft die Beweislast für Mängel den Auftraggeber, dem jedoch die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Seite stehen. So ist bei einem Verstoß gegen die Regeln der Technik grundsätzlich davon auszugehen, dass ein später auftretender Mangel ursprünglich auf dieser Nichtbeachtung des § 4 Abs. 2 Ziffer 1 VOB/B beruht. 48

17.2.5

Besonderheiten der Beweisführung bei Tiefbauleistungen

Die Besonderheiten der Beweisführung bei Tiefbauleistungen lassen sich am besten anhand von Beispielen darstellen. 17.2.5.1 Beispiele aus der Praxis49 „Gemeinschaftsleistung“ von Auftraggeber und Auftragnehmer Häufig werden Tiefbauleistungen als „zusammengesetzte Gemeinschaftsleistung“ erbracht. So etwa, wenn zur Herstellung einer dichten Baugrube die Wände von der Firma A und die Sohle von der Firma B erstellt werden oder, wie im nachstehenden Beispielsfall, die „dichte Sohle“ vom Bauherrn vorgegeben wird: Mitten in Frankfurt/Main war eine riesige Baugrube herzustellen, in der ein Hochhaus errichtet werden sollte. Dazu war ein sogenannter „dichter Trog“ mit einer Restwassermenge von 2 l/sec/1000 m² erforderlich. Dieser sollte durch eine umlaufende Spundwand mit Schlossdichtung, die bis in den sogenannten Stauer – also eine wasserundurchlässige Baugrundschicht – einzubringen war, erreicht werden. Da dieser Stauer sich in etwa 20 m Tiefe befand, die Baugrube jedoch an der tiefsten Stelle nur 12 m in den Boden gehen sollte, bestand von Anfang an nie eine Möglichkeit zur Feststellung „wie es dort unten aussieht“.

45 46 47

17

48 49

BGH BauR 1981, 575 (577) (zitiert in: OLG Dresden, Urteil vom 16.07.2014, Az.: 1 U 600/12). BGH BauR 1974, 63 (zitiert in: OLG Koblenz, Urteil vom 30.09.2014, Az.: 3 U 413/14). Zu den verschiedenen Formen s. Handbuch Baugrund-und Tiefbaurecht, 7. Kapitel, Rdn. 44 ff. Näher dazu Kaiser, Das Mängelhaftungsrecht der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B, Rdn. 47; Ganten, Kriterien der Beweislast im Bauprozess, BauR 1977, 162. Beispiele aus der Schiedsgerichtspraxis der Verfasser.

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1077

Schematisch dargestellt: Abgedichtete Spundwände

Wasser H2 O

Geplante Baugrubensohle 12 m

20 m

Sogenannte Stauer-Schicht z. B. aus Lehm oder Fels etc. Deren Dichtheit kann nur bejaht werden, wenn der gesamte Trog bepumpt wird.

Nachdem die Spundwände eingebracht und mit dem Aushub begonnen werden sollte – theoretisch hätte kein Wasserzufluss über 2 l/sec/1000m² mehr aus den Grundwasserschichten oberhalb des Stauers erfolgen können – erbrachte ein Pumpversuch, dass immer noch eine Restwassermenge in der Größenordnung von 20 l in den Bereich der herzustellenden Baugrube eindrang. Der Bauherr behauptete sogleich, dass die Spundwand nicht genügend dicht, die Leistung deshalb nicht abnehmbar und überhaupt auf Kosten des Auftragnehmers nachzuverpressen sei. Der Bauunternehmer hingegen behauptete: Der Stauer weise nicht erkennbare Wasserwegigkeiten auf – etwa durch alte Brunnen, eingelagerte Findlinge oder dergleichen – und deshalb seien die Mehrkosten für die Wasserhaltung einschließlich der Zeitverzögerung (umgerechnet 500.000 €) vom Auftraggeber zu tragen. Eine Nachverpressung der Spundwände nütze demgegenüber, weil die Durchlässigkeit ja im Stauer liege, überhaupt nichts. Nachweise „in der Tiefe“ Häufig ergeben sich Streitfälle im Zusammenhang mit Leistungen, die ihre Funktion „in der Tiefe“ entwickeln sollen. So etwa: Pfähle zur Gründung von Bauwerken – insb. Hochhäuser, Brücken, Türme, aber auch Einfamilienhäuser in setzungsempfindlichen Bereichen– sind erprobt und in der Baupraxis heute selbstverständlich. Doch: Wenn die vom Pfahl abzutragende Last vom Baugrund nicht aufgenommen wird, mithin der Pfahl unter Belastung „versinkt“, was ist dann die Ursache – nicht fachgerechte Ausführung des Pfahles nebst Pfahlfuß oder eine Zusammensetzung des Baugrundes, die weder eine ausreichende Aktivierung der Mantelreibung noch der Pfahlaufstandsfläche im Fußbereich ermöglicht?

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Schematisch dargestellt:

Pfahlfüße

Mantelreibung

Pfahlfußaufstand

Der Bauherr rügt sofort einen Mangel bei der Herstellung der Pfähle – zu wenig tief einbindend, falscher Beton, unrichtige Bewehrung, unsachgemäßes Bohren mit Auflockerung der Pfahlumgebung – und der Bauunternehmer hält entgegen: Unvorhersehbar kohäsionsloser Baugrund, vielleicht auch eine unerkannte und unerkennbare Torflinse unterhalb der Pfahlfüße, jedenfalls habe er alles richtig gemacht. Diese beiden nicht seltenen Beispielsfälle aus der Tiefbaupraxis stehen stellvertretend für eine Vielzahl an Fallkonstellationen, die im Zusammenhang mit Tiefbauarbeiten anzutreffen sind: Findlinge, Grundwasserschichten, Quellen, Aggressivität von Boden und Wasser, Kontaminationen, anders als erwartete Baugrundbeschaffenheit – der Katalog an Überraschungsmöglichkeiten im Baugrund könnte noch um viele Nuancen erweitert werden. Wer also muss – was – beweisen, um z. B. Behinderungen aus dem Baugrund (oder einer mangelhaften Ausführung?), Risikoverwirklichung (aus dem Boden oder aus der Herstellung?) oder Abrechnungsfragen (z. B. Homogenbereichsangaben zutreffend?) bzw. Mangelabklärungsfragen rechtlich richtig behandeln zu können? Die Antwort ist einfach, der Weg dazu schwierig: Denn es bedarf einer grundsätzlich anderen Denk- und Betrachtungsweise als beim Hoch- und Anlagenbau, wenn man sich dem niemals vollständig einseh- und beschreibbaren Baustoff „Baugrund“ in all seinen Facetten nähern will. Erforderlich ist schließlich auch die Bereitschaft, sich mit den grundlegenden technischen, aber auch vertragsrechtlich relevanten Vorgaben wie etwa der DIN EN 1997-2 mit DIN 4020 oder den VOB/C-Regelungen auseinanderzusetzen. 17.2.5.2 Der Misstrauensgrundsatz Viele Bauherren oder deren Vertreter – seien es Architekten, Projektleiter oder Ingenieure – sind, wenn es um die Abnahme von Tiefbauleistungen aller Art, um die Akzeptanz von Behinderungen oder die Abrechnung von Erschwernissen oder Mehr- bzw. Mindermassen geht, ungläubig: Sind die Gründungspfähle wirklich tief genug in den tragenden Schichten, wurde die Wasserwegigkeit tatsächlich in erforderlicher Weise unterbunden, kann die Rüttelstopfverdichtung sicher das gesamte Bodenvolumen verbessert haben, werden die Schlitzwandlamellen bis unten frei von Kiesnestern sein oder darf darauf vertraut werden, dass in der tief

17

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1079

liegenden HDI-Sohle50 keinerlei Düsschatten etwa durch Holzkohleteilchen oder Findlinge entstanden sind? Der Grund für diese Ungläubigkeit erscheint plausibel: Während beim Hochbau jedes noch so kleine oder später versteckte Bauteil bzw. Baumaterial jedenfalls vor und während, meist auch nach dem Einbau überprüft und zudem die zur Bauausführung erforderliche Arbeit nebst den Maschinen und Geräten unmittelbar nachvollzogen und damit ebenso kontrolliert werden kann, spielt sich beim Tiefbau im Regelfall vieles „uneinsehbar“ im nur selten sich lichtenden Nebel des Baugrunds oder – beim Tunnel- und Stollenbau – Gebirges ab. Insoweit ist der oft zitierte Satz „Vor der Hacke ist es dunkel!“51 mehr als treffend. Denn Baugrund und Gebirge können trotz bestmöglicher Erkundungsmethoden niemals vollständig und umfassend hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Eigenschaften beschrieben werden. Das ist Fakt und so auch deutlich festgeschrieben in einer der technischen Grundaussagen zur Erkundung und Beschreibung von Baugrund, nämlich der DIN 402052, Abschnitt zu 2.1.1. Im Klartext also: Baugrund bzw. Gebirge ist und bleibt nicht nur der wichtigste – da für jedes Bauwerk unverzichtbare –, sondern auch der überraschendste Baustoff53. Während etwa ein Ziegelstein auf Größe, Farbe, Druckfestigkeit, Gestalt und Materialverträglichkeit mit bestimmten Verputzen exakt überprüft oder die Feuchte und statische Belastbarkeit eines Dachbalkens gemessen werden kann, gilt hinsichtlich der Untersuchung des Baugrunds etwas anderes: Baugrunduntersuchungen können immer nur als Stichprobe gesehen werde, die nur den eng begrenzten Untersuchungsbereich – etwa in der Schürfe oder der Kernbohrung – sowohl horizontal wie vertikal genau beschreiben lassen, während für die große restliche Kubatur des Baugrunds nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind.54 Diese technische Vorgabe der Unmöglichkeit exakten Wissens über die Beschaffenheit und Reaktion des Baugrunds, die nichts anderes als eine Verbalisierung der Naturgesetze darstellt, muss vom Baurecht nicht nur akzeptiert, sondern auch gelebt im Sinne von „In Recht und Gerechtigkeit umgesetzt“ werden. So etwa, wenn der Auftraggeber vor der Akzeptanz einer Behinderung oder gar vor der „Abnahme“ als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung den „Nachweis“ verlangt, dass eine Behinderung „im Baugrund“ vorlag oder die Schmalwand zur Abdichtung eines Flussbettes auch tatsächlich keine größere Wasserdurchlässigkeit als z. B. 1,5 l/s je 1000 m² benetzte Fläche tief unter der Dammstraße aufweist. Doch: Wie soll der

50 51 52 53

54

Hochdruckinjektion durch Düsenstrahlverfahren, vgl. dazu: Kutzner, in: Englert/Stocker (Hrsg.), 40 Jahre Spezialtiefbau, Werner-Verlag 1993, S. 205 ff. Heiermann, Rechtsfragen beim Tunnelbau, Festschrift für Arnold Eber, München, 1990, S. 160. Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-2. Vgl. Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Werner-Verlag, 6. Auflage 2011, Rdn. 708 ff.; Heiermann, „Anordnungen des Auftraggebers und vorgeschriebene Stoffe oder Bauteile i. S. v. § 13 Nr. 3 VOB/B“, FS Horst Locher, Werner-Verlag, S. 65 ff. Vgl. Wegerl, Baugrunderkundung im Spannungsfeld von Kostenersparnis und Schadensrisiken, Diplomarbeit Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Lehrstuhl für Geotechnik, 2002; siehe auch: Ziegler, Risikosimulationsrechnungen – eine Möglichkeit zur Quantifizierung von Sicherheit und Risiko in der Geotechnik, Baugrundtagung 2002, Mainz, Tagungsband (der Autor verweist hier auf die nur „nadelstichartige“ Erkundungsmöglichkeit des Baugrunds). Siehe auch: Witt, Das Baugrundrisiko aus geotechnischer und vertragsrechtlicher Sicht, Vortrag VSVI-Seminar 7.11.2002, Emmelshausen.

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Auftragnehmer dies beweisen? Am Beispiel: Wird der Greifer eines Schlitzwandgeräts mit einem riesigen Findling in der Lamellentrasse konfrontiert, so besteht zunächst kein Zweifel daran, dass damit eine Behinderung, die „aus dem Risikobereich des Auftraggebers“ gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer 1 Buchstabe a) VOB/B stammt, einhergeht. Doch was geschieht, wenn sich der Greifer in 20 m Tiefe verkeilt und nicht mehr gezogen werden kann? Der Auftragnehmer wird auch insoweit Behinderung anmelden und die sehr aufwändige Bergung durch Umspundung nur nach gesondertem Auftrag vornehmen. Denn, so die Argumentation des Auftragnehmers, das Festsitzen des mächtigen Greifers sei alleine auf eine Verwirklichung des Baugrund- oder Systemrisikos zurückzuführen55, wahrscheinlich auf eine seitlich ausgebrochene Felsplatte, die im Zuge der Lamellenherstellung zwischen das Werkzeug und den seitlichen Boden gerutscht war und dort als Keil wirkte. Nichts Genaues kann der Auftragnehmer dazu ebenso wenig sagen wie der Auftraggeber unsachgemäßes Arbeiten anführen kann, wenn dafür keine Anhaltspunkte bestehen. Es bleibt also auf den ersten Blick eine letztlich nicht lösbare Gutachtensfrage: Ist der Baugrund oder die Ausführung oder das Gesamtsystem Ursache des Verkeilens des Schlitzwandgreifers? Je nach Antwort ergibt sich ein anderes Ergebnis: Da der Baugrund Bauherren-Risiko darstellt, kann im ersten Fall eine Behinderung bejaht werden, im zweiten Fall wendet sich das Blatt und im letztgenannten Beispiel könnte auch eine „Misch-Verantwortung“ bestehen. Da das Recht keine mehrdeutigen Urteile kennt, hilft hier zur Herbeiführung vernünftiger Lösungen letztlich nur die Zuhilfenahme von Beweisregeln: Wer einen ihm obliegenden Beweis nicht führen kann, bleibt beweisfällig und verliert den Prozess! Dieser Grundsatz bedarf hier keiner weiteren Vertiefung56 17.2.5.3 Wesentliche Beweisregeln im Tiefbau Die Ausgangssituation in nahezu allen Tiefbau-Streitfällen stellt sich wie folgt dar: Der Bauherr verlangt nach den Grundsätzen der Erfolgshaftung und des allgemeinen Beweisrechts, wonach bis zur Abnahme die Beweispflicht für den Eintritt des geschuldeten Erfolges beim Auftragnehmer liegt, den Nachweis der vollständigen Vertragsleistung von diesem. Gleiches gilt bei Behinderungen oder in Abrechnungsfragen. Demgegenüber verweist der Auftragnehmer auf die Grundsätze des Baugrund- und Systemrisikos, auf unzureichende Ausschreibungen und insbesondere auf die Sonderregelungen der VOB/C zu Problemen im Zusammenhang mit dem Baugrund. Diese diametralen Ansichten in die richtige, weil rechtlich Bestand habende Reihe zu bringen ist Aufgabe des Baujuristen. Dazu muss zunächst das „Regel – Ausnahme – Verhältnis“ von Erfolgshaftung und Tiefbauproblematik dogmatisch dargestellt werden. Denn andernfalls fehlt das erforderliche Verständnis für die Grundlagen der Beweisregeln im Tiefbau. Der Grundsatz der „Erfolgshaftung“ Dass der Tiefbauer den Erfolg schuldet und dafür grundsätzlich auch das Herstellungsrisiko zu tragen hat, zählt zum kleinen Einmaleins des Baurechts und ergibt sich zweifelsfrei aus der Bestimmung des § 631 Abs. 1; 633 Abs. 1 BGB. Dies gilt selbstverständlich auch im Rahmen

17

55 56

Vgl. den ähnlichen Fall OLG Stuttgart BauR 1994, 631. Näher zu Beweisfragen im Baurecht: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015; Siegburg, Handbuch der Gewährleistung, 4. Auflage 2000.

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1081

eines VOB-Tiefbauvertrages. Dort ist in § 4 Abs. 7 VOB/B für die Zeit vor der Abnahme eindeutig geregelt, dass „Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden“ vom „Auftragnehmer auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen“ sind. Und § 13 Abs. 1 VOB/B postuliert: „Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen.“ Da ein sich setzender Gründungspfahl, eine nicht trockene Baugrube mit mehr als vereinbartem Restwasser oder ein Greifer in einer Schlitzwandlamelle einen offensichtlichen Mangel darstellt, ist die Antwort vermeintlich sehr einfach: Der Auftragnehmer hat, ohne dass es auf die Frage eines Verschuldens ankommt – wie der 2. Satz des § 4 Abs. 7 VOB/B insoweit irreführend zeigt –, die Maßnahmen zur Mangelbeseitigung „auf eigene Kosten“ durchzuführen. Einschränkung der Erfolgshaftung Allerdings wäre eine solche Meinung vorschnell und damit falsch. Vielmehr untersucht der Baujurist in Übereinstimmung mit Gesetz und Recht Schritt für Schritt die Rechtslage. Und dabei ergibt sich: Die VOB kennt in Form des § 13 Abs. 3 VOB/B ebenso wie der § 645 BGB eine Risikoverlagerung auf den Auftraggeber, soweit und solange sich ein Mangel an dem herzustellenden Bauwerk deshalb zeigt, weil „Vorgaben des Bauherrn“ für den Mangel ursächlich waren, ein Verschulden des Auftragnehmers bei der Leistungserbringung nicht feststellbar ist und Anlass zur Mitteilung von Bedenken (vgl. § 4 Abs. 3 VOB/B) nicht bestand bzw. trotz Anmeldung von Bedenken der Auftraggeber auf die Ausführung „wie beauftragt“ besteht. Dies bedeutet: Wenn ein Mangel deshalb eintritt, weil eine „Vorgabe des Bauherrn“ – etwa in Form einer Anweisung zur Ausführung oder aber – und im Tiefbau der Regelfall – durch die Überlassung des „Baustoffes Baugrund“ zum Versagensfall führt, dann kann nach herrschender Rechtsprechung und Lehre auch im Rahmen des § 4 Abs. 7 VOB/B keine Mangelbeseitigung „auf Kosten“ des Auftragnehmers verlangt werden, wie z. B. Ingenstau/Korbion, § 4 Nr. 7, Rdn. 341; § 13 Nr. 3, Rdn. 189 zu entnehmen ist. Auch unter Berücksichtigung der „Ausreißer-Rechtsprechung“ des BGH Schäfer/Finnern/Hochstein, § 13 Nr. 3 VOB/B, Nr. 13, wonach nicht jede Anordnung des Auftraggebers zu Baustoffen, aus denen ein Mangel der Leistung resultiert, automatisch zur Freistellung von der MangelVerantwortung führt, ergibt sich im vorliegenden Beispielsfall: Da es zur Vorgabe des Baugrundes bzw. – im Tunnelbau: des Gebirges – denknotwendig keine Alternative gibt, da gerade und nur in dem vom Auftraggeber bereitzustellenden Grundstück und mit den dort vorherrschenden Baugrund- und Wasserverhältnissen das Tiefbauwerk zu errichten ist, handelt es sich um eine spezielle Baustoffbereitstellung durch den Auftraggeber, mithin seine „Vorgabe“. Damit aber gibt alleine der Auftraggeber die konkretisierte Komponente des herzustellenden Bauwerks vor, so dass der Auftragnehmer gem. § 645 BGB bzw. §§13 Abs. 3; 4 Abs. 3 i. V. m. 4 Abs. 7 VOB/B von der Verpflichtung zur Mangelbeseitigung auf eigene Kosten frei ist, wenn der Mangel (oder die Behinderung) auf die Baugrund- bzw. Gebirgsbeschaffenheit zurückzuführen sein sollte und kein Anlass zu Bedenken bestand bzw. solche trotz Anmeldung nicht beachtet wurden. Dies ist dann der Fall, wenn ein technisch nachvollziehbares Baugrundgutachten vorliegt (vgl. DIN 18 299, Abschnitt 0.1.9 sowie DIN 4020) und sich auch sonst keine Anhaltspunkte für ein Fehlschlagen, etwa auf Grund einer außergewöhnlichen Witterung, ergeben.

17

1082

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Feststellungen zu den Ursachen des Tiefbau-Mangels Mit diesem Zwischenergebnis ist man gerade am Anfang der tatsächlichen Untersuchung der rechtlichen Auswirkungen des Tiefbau-Mangels angelangt. Denn in nahezu jedem Falle behauptet die Auftraggeberseite einen Ausführungsfehler, der sich „dem ersten Anschein nach“ auch aufdrängt. Umgekehrt wenden Auftragnehmer stets ein, ihre Mitarbeiter und die angewandte Tiefbaumethode hätten ebenso wie die zum Einsatz kommenden Materialien und Maschinen den aus dem Vertrag zu entnehmenden Voraussetzungen hinsichtlich der Durchführbarkeit entsprochen; nur der Baugrund selbst sei anders als erkundet bzw. beschrieben und danach erwartet angetroffen worden – und dies sei die eigentliche Ursache des Mangels bzw. der Behinderung. Da sich gerade bei Tiefbauwerken der Baugrund als „Baustoff“ im Ganzen auch dem Sachverständigen gegenüber – trotz bestmöglicher Erkundung – als letztlich nicht 100%ig aufklärbar erweist, weil gem. DIN 4020 Baugrundaufschlüsse immer nur Stichprobencharakter haben können, bleibt nur die Selektionsmethode, um die Ursache eines Mangels bzw. einer Behinderung feststellen zu können. Danach wird zunächst anhand aller verfügbaren Unterlagen – wie z. B. Tagesberichte, Prüfprotokolle, Auswertung von Kernbohrungen – überprüft, ob dem Tiefbauunternehmer irgendwelche Herstellungsfehler unterlaufen sind. Dabei gilt der widerlegliche Grundsatz, dass eine den Regeln der Technik entsprechende Dokumentation des Herstellvorganges Beweis dafür ist, dass auch die Ausführung entsprechend dem Stand und den Regeln der Technik erfolgte. Deshalb ist die perfekte Dokumentation, deren Anforderungen auch in den einschlägigen DIN-Normen näher beschrieben sind, ein unbedingtes Muss für jeden Tiefbauer. Enthält die Dokumentation keine Auffälligkeiten, so geht der Sachverständige den zweiten Schritt: Soweit möglich, werden neue Baugrunduntersuchungen vorgenommen, die etwa Aussagen über die tatsächlich anstehenden Boden- bzw. Ausbruchsklassen oder zu bisher unbekannten Überraschungen – wie etwa bislang nicht entdeckte Torf- oder Sandlinsen – ermöglichen und dadurch etwaige Abweichungen des Ist-”Baustoffes“ vom Soll-”Baustoff”, wie er sich aus den Ausschreibungsvorgaben ergab, aufzeigen. Ergeben sich hier keine neuen Erkenntnisse gegenüber den bisherigen Vorgaben, so sind die Rechtsregeln gefordert. Baurechtliche Risikozuweisungen Das Baurecht weist gerade im Tiefbau mit all seinen Bereichen – beginnend vom Straßen-, Kanal- und Schienenbau über den Tunnel-57, Deponie-58 und Erdbau bis hin zum Spezialtiefbau das Risiko nicht aufklärbarer oder abweichender Baugrund – bzw. Gebirgsverhältnisse grundsätzlich dem Auftraggeber zu. Deshalb gilt auch der Grundsatz, wonach der Auftraggeber das Baugrund- bzw. Gebirgs- und Systemrisiko trägt.59

57

17

58 59

Zum Tunnelbau: Schottke, die VOB-gerechte Leistungsbeschreibung für den allgemeinen Tunnelvortrieb unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung, Diss. Hannover 1992. Vgl. dazu auch: Schwartmann/Pabst, Bauvorhaben auf Altlasten, C.H.Beck 2001. Katzenbach, Baugrundrisiko – Wer ist in welchen Fällen verantwortlich? In: Mitteilungen des Institutes und der Versuchsanstalt für Geotechnik der Technischen Universität Darmstadt, Heft 34, 1995, S. 147 ff; OLG München, Urteil vom 11.02.2014, Az.: 9 U 5582/10 Bau = IBR 2015, 114.

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1083

Dies gilt insbesondere auch für die einschlägigen DIN-Normen der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) der VOB/C, wie nur einige von vielen Regelungen aufzeigen sollen60: DIN 18301 Bohrarbeiten gibt in Abschnitten 3.3 und 5.4 vor: „3.3 Rückbau der Bohrrohre, Bohrgestänge und Bohrwerkzeuge Bohrrohre, Bohrgestänge und Bohrwerkzeuge sind nach Erreichen des Bohrzwecks zu ziehen. Lassen sie sich nicht ziehen, so hat der Auftragnehmer dies dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Die erforderlichen Leistungen und der Ersatz der im Bohrloch ganz oder teilweise verbleibenden Teile sind Besondere Leistungen, es sei denn, dass der Auftragnehmer die Ursache zu vertreten hat (siehe Abschnitt 4.2.1). Der Ersatz im Bohrloch verbleibender Teile erfolgt nach dem Zeitwert. […] 5.4 Bohrungen, die aufgegeben werden müssen, werden bis zur erreichten Tiefe abgerechnet, es sei denn, dass der Auftragnehmer die Ursache zu vertreten hat.“ DIN 18303 Verbauarbeiten besagt in Abschnitt 3.3.2: „3.4.3 Kann der Verbau nicht entsprechend den Vorgaben rückgebaut werden, ist dies dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Die erbrachten sowie die weiteren Leistungen sind, soweit nicht vom Auftragnehmer zu vertreten, Besondere Leistungen (siehe Abschnitt 4.2.1)“. Allen diesen – und weiteren nachzulesenden – Regelungen der VOB Teil C ist gemeinsam, dass bei einem Fehlschlagen der beauftragten Tiefbauleistung aus Gründen, die nicht vom Auftragnehmer zu vertreten sind, der Auftraggeber zum einen entscheiden muss, ob und ggf. wie weiter vorgegangen werden soll – und zum anderen eine gesonderte Vergütungspflicht auf dem Umweg der Besonderen Leistungen ausgelöst wird! Deshalb kommt es maßgeblich darauf an, ob eine „Unvermeidbarkeit“ oder ein „nicht vertreten müssen“ seitens des Tiefbauers zu bejahen ist. Und dies wiederum sind letztlich beweisrechtliche Fragen. Wer aber muss „was“ beweisen: der Auftragnehmer die Unvermeidbarkeit oder seine „Unschuld“ an dem Mangel, der Behinderung oder dem nicht beherrschbaren Ereignis oder der Auftraggeber die Vermeidbarkeit und das Versagen des Tiefbauers? Dies führt zu der Frage der

17.2.6

Beweismöglichkeiten im Tiefbau

Da bei einem abgesackten Gebäude oder einem sprudelnden Wasserlauf aus beabsichtigt dichter Schmalwand augenscheinlich ein Mangel des Tiefbauwerks vorliegt, stellt sich eigentlich die Frage nach einem Beweis für das Vorliegen eines Mangels oder einer Behinderung „aus dem Risikobereich des Auftraggebers“ überhaupt nicht mehr. Alleine entscheidend ist nur noch die Antwort auf die Frage, ob das Fehlschlagen der Tiefbauleistung auf einen Herstellungs-Fehler oder auf Unerwartetes, sozusagen Schicksalhaftes aus dem Baugrund oder Gebirge zurückzuführen ist.

60

Ausführlich zu allen aufgeführten DIN-Normen: Beck’scher Kommentar, VOB Teil C, herausgegeben von Englert/Katzenbach/Motzke, vorgesehen für 2020.

17

1084

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

17.2.6.1 Die Beweispflicht hinsichtlich des Baugrunds bzw. Gebirges Während jedoch eine Überprüfung der Leistung des Auftragnehmers jedenfalls anhand der Bau-Dokumentation und begleitender Feststellungen noch möglich und damit einem Beweis durch Protokolle, Gutachten und Gutachter, Mitarbeiter und – manchmal nur – Augenschein zugänglich ist, entzieht sich der Baugrund bzw. das Gebirge selbst meistens einer unmittelbaren Überprüfung. Denn die Erdgeschichte hat in ihrer viele Millionen Jahre andauernden Entwicklung so viele Einschlüsse, Umlagerungen und Veränderungen herbeigeführt, dass der gesamte Tiefbau nur von vorausschauenden Einschätzungen sprechen kann. Zudem haben über die Jahrhunderte auch zahlreiche künstliche Veränderungen des Baugrundes durch Eingriffe aus Menschenhand stattgefunden, so dass der ursprünglich gewachsene oder vorhandene Zustand nicht mehr angetroffen werden kann. Konkret also: Hat der Tiefbauer zu beweisen, dass der „Erfolg“ baugrundbedingt beeinträchtigt bzw. nicht erreicht werden konnte? Der Grundsatz, wonach bis zur Abnahme einer Bauleistung der Auftragnehmer die Herbeiführung des versprochenen Erfolges zu beweisen hat, hilft hier nicht weiter. Wenn durch entsprechende Überprüfung aller Herstellungsparameter ein Fehler im Bereich „Mensch, Maschine, Material und Methode“ durch einen Sachverständigen ausgeschlossen werden kann, verbleibt alleine die Möglichkeit einer Ursächlichkeit des Fehlschlagens der Tiefbauleistung aus der wichtigsten Systemkomponente eines jeden Tiefbauwerks, nämlich dem Medium Baugrund heraus. Da der Tiefbauer grundsätzlich bis zur Abnahme in der Beweispflicht hinsichtlich seiner Leistung steht (BGH VersR 1973, 939), könnte man verlangen, dass er auch den Beweis dahin zu führen habe, der Baugrund – und damit der vom Auftraggeber vorgegebene Baustoff – sei ursächlich für den Mangel. Denn nur so käme – bei oberflächlichem Verständnis – dem Auftragnehmer die „Freizeichnung“ nach §§ 13 Abs. 3; 4 Abs. 3; 4 Abs. 7 VOB/B bzw. §§ 645; 242 BGB zugute. Da jedoch, wie ausgeführt, der Baugrund zwangsläufig während der Ausführung verändert und zudem praktisch nicht oder nur in Ausnahmefällen „eingesehen“ werden kann, könnte ein solcher Beweis der Ursächlichkeit nur in seltenen Fällen geführt werden. Immer wäre der Tiefbauer mit dem Einwand des Auftraggebers konfrontiert, dass – unbewiesen – „sein Baugrund“ schon geeignet gewesen sei, mithin die Ursache oder das Verschulden für das Fehlschlagen der Leistung beim Auftragnehmer zu suchen sein müsse. 17.2.6.2 Beweislast nach der VOB Teil C

17

Die einzelnen Tiefbau-Normen der VOB Teil C (DIN 18300 – 18327) beinhalten grundsätzlich Vergütungsregelungen in Form der Bestimmung von Besonderen Leistungen nach Abschnitt 4.2 der DIN 18299 ff. für die Fälle, in denen naturgegebene, insbesondere geologische Umstände bzw. eine nicht vom Auftragnehmer zu vertretende Inhomogenität des Baugrunds zu einem Fehlschlagen bzw. Mehraufwand durch geänderte Leistungen oder Massen führen und dem Auftragnehmer kein Verschulden angelastet werden kann. Aus der Fassung dieser Einzelbestimmungen – insbesondere dem Hinweis auf ein notwendiges Verschulden bzw. eine Unvermeidbarkeit – hat die Rechtsprechung zutreffend gefolgert, dass der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlschlagen aus einem Verschulden des Auftragnehmers hat. Dies hat das OLG Frankfurt bereits vor langer Zeit zutreffend und bis heute gültig festgestellt (BauR 1986,352).

17.2 Die Beweisführung bei Tiefbauarbeiten

1085

Aus diesem Urteil lässt sich auch die ebenso handhab- wie nachvollziehbare „5 – M – Methode“ der Beweisführung in Tiefbaufällen ableiten, die in Übereinstimmung mit allen „Risikoregelungen“ des Baurechts steht, einer Art Ausschlussbeweis, mittels dessen anhand der einschlägigen Parameter die Ursachen für einen Mangel bzw. Schaden geprüft und nach entsprechender Verifizierung der Nicht-Ursächlichkeit ausgeschieden werden. Denn nur so kann man der „Gemeinschaftsleistung“ von Auftraggeber und Auftragnehmer gerecht werden: Ersterer stellt den Grund-Baustoff, also den wesentlichen Systemparameter „Baugrund“ – und dieser Baustoff verbleibt auch hinsichtlich seiner Eigenschaften und Reaktionen grundsätzlich immer im Risikobereich des Auftraggebers, soweit nicht – nur begrenzt – abweichende Regelungen dazu getroffen werden. Der Auftragnehmer hingegen hat grundsätzlich mit fachlich versierten Ingenieuren und Polieren bzw. Gerätefahrern auf der Basis einer funktionierenden Tiefbaumethode und mit dem richtigen Baumaterial sowie mit Hilfe seiner Maschinen und Geräte den zu erwartenden Baustoff „Baugrund“ zu behandeln. Also trifft den Auftragnehmer insoweit die Beweislast für die ersten vier „M“: Mensch, Methode, Material und Maschine. Und diesen Beweis kann man grundsätzlich auch führen!61 Also: Hat der Auftragnehmer „alles richtig gemacht“, tritt aber dennoch ein Mangel, ein Schaden, eine Behinderung oder eine sonstige Baustörung oder Abweichung auf, die (dann denknotwendig) mit dem Baugrund zusammenhängen muss, bleibt die Beweisführung Sache des Bauherrn – der schließlich diesen Universalbaustoff nicht wegdiskutierbar „auf“ bzw. „in“ der Baustelle „vorgibt“. Dieses ist auch das 5. M: Das Medium Baugrund. Es gibt aber noch weitere spezielle Beweisregeln für den Tiefbau: 17.2.6.3 Die Grundsätze des „Anscheinsbeweises” Dass der Baugrund in seiner Komplexität und seinen Reaktionen niemals vollständig aufgeschlossen und beschrieben werden kann ist eine Erfahrung, die sowohl in praktischer als auch wissenschaftlich-theoretischer Weise gefestigtes Fachwissen darstellt. Wenn also „alle Baubeteiligten alles richtig gemacht haben”, dennoch aber der erwartete Erfolg ausbleibt, dann kann es nach allem Anschein nur daran liegen, dass die vom Auftraggeber bereit gestellte Systemkomponente „Baugrund“ ursächlich für das Fehlschlagen ist. Dieser so zu führende Anscheinsbeweis könnte vom Bauherrn nur durch substantiiertes Vorbringen entkräftet werden – jedoch setzt auch hier wieder die Natur jedenfalls in der Praxis kaum überwindbare Hürden. Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung ebenso unterstrichen: Im „Baugrubenfall”(BGH BauR 1991,514) konstatiert das oberste Zivilgericht, dass eine widerlegliche Vermutung dafür spricht, dass durch die Nichtbeachtung von DIN-Normen beim Aushub einer Baugrube Schäden an einem Nachbargrundstück, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit den Bauarbeiten stehen, verursacht wurden. Weiter führt der BGH zur Darlegungs- und Beweislast aus, dass der wegen solcher Schäden in Anspruch genommene Bauunternehmer darzulegen und zu beweisen hat, dass die Schäden nicht auf die Verletzung von DIN-Normen zurückzuführen sind.

61

Zur 4- bzw. 5-M-Methode siehe auch: Schottke/Wirth/Fischer, ATV DIN 18312, in: Beck’scher Kommentar, VOB Teil C, 3. Auflage, hrsg. von Englert/Katzenbach/Motzke, 2014.

17

1086

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Wendet man die Kernaussagen dieser Entscheidung auf den Tiefbau an, so ergibt sich im Umkehrschluss: Werden bei der Herstellung eines Tiefbauwerks sämtliche einschlägigen DIN-Normen als anerkannte Regeln der Technik eingehalten, so spricht eine – widerlegliche – Vermutung dafür, dass die Ursache für das Fehlschlagen des Erfolges – z. B. Wasserzutritt in den Trog, Absacken des Pfahlfußes – im Baugrund liegen muss. Auch hier wäre dann wieder der Auftraggeber gefordert, andere Gründe darzulegen und zu beweisen, wenn trotz dieser Erfahrungssätze, die auch in die oben genannten DIN-Normen der VOB/C Eingang gefunden haben, der Auftragnehmer mit den Folgen eines Mangels oder einer Behinderung belastet werden soll.

17.2.7

Anwendung der „5-M-Methode“ bei Tiefbauleistungen

Ist bei der Herstellung eines Tiefbauwerkes die Frage strittig, aus welchen Gründen es zu einem Mangel oder einer Behinderung oder Mehrmassen etc. kam, dann hat der Tiefbauunternehmer die Durchführung der Arbeiten zur Herstellung seiner Bauleistungen (z. B. Wahl des Spundwand-Einbring-Verfahrens) nach den Regeln und dem Stand der Technik darzulegen und zu beweisen. Dazu hilft ihm die „5-M-Methode“: Der Auftragnehmer hat das „funktioniert Haben“ seiner eingesetzten Baufachleute (Mensch), seiner Maschinen, seiner Methoden und des von ihm verwendeten Materials zu beweisen. Gelingt ihm diese Beweisführung z. B. durch Sachverständigengutachten, das insb. auf der vorliegenden Ausführungs-Dokumentation aufbaut, so spricht eine widerlegliche Vermutung (= Anscheinsbeweis) dafür, dass die Ursache für das Fehlschlagen der Leistung in dem vom Auftraggeber gestellten „Medium“ Baugrund bzw. Gebirge liegt, das unverzichtbarer und nicht wegdenkbarer Bestandteil jeder Tiefbauleistung ist und auch bleibt. Es ist dann Sache des Auftraggebers, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften, indem er substantiiert darlegt, aus welchen Gründen das „5.M“, nämlich das Medium Baugrund (oder Gebirge) mit all seinen Überraschungen aus der Natur- und Menschheitsgeschichte doch nicht ursächlich für das Fehlschlagen der Tiefbauleistung gewesen sein sollte. Die „5-M-Methode“, also die Aufgliederung der für jedes Bauwerk unverzichtbaren Parameter „Mensch, Maschine, Methode, Material und Medium Baugrund“ und deren Untersuchung hinsichtlich der Risikosphäre einerseits und der Richtigkeit andererseits ist eine Hilfe für die Praxis der Sachverständigen, aber auch der Baujuristen. So konnten damit die einleitenden Beispielsfälle gelöst werden: Im „Trogfall“ konnte der Bauunternehmer durch Gutachten nachweisen, dass erfahrene Bauleiter und Bohrmeister sowie geschulte Gerätefahrer ordnungsgemäße Spunddielen mit technisch richtiger Abdichtung nach den Regeln der Technik eingebracht hatten. Damit waren die ersten 4-M bewiesen. Der Bauherr hingegen konnte den Beweis, dass „sein Stauer“ absolut dicht war, nicht führen. Dementsprechend stand dem Bauunternehmer der Mehraufwand für das Abpumpen des Wassers zu. Ebenso konnte der „Pfahlfußfall“ gelöst werden.

17

17.3 Checkliste für Tiefbauarbeiten

1087

Schematisch dargestellt ist also wie folgt vorzugehen:

Mangel? Schaden? Behinderung?

Ja .

Nein

Normale Bauvertragsabwicklung Anwendung 5 – M - Methode

Mensch Direkt prüf bar

Überprüfung

Maschine Direkt prüf bar

Ergebnis

Material Direkt prüf bar

Medium Baugrund Indirekt und nur stichprobenartig prüf bar

Mögliche Alleinverantwortung Auftragnehmer

Methode Direkt prüf bar

Vorgaben des AG zu den 5 M

Mögliche Alleinverantwortung Auftraggeber Mögliche gemeinsame Verantwortung, § 254 BGB

17.3

Checkliste für Tiefbauarbeiten

Die nachstehende Checkliste, erarbeitet von Dozenten der Universität Kaiserslautern, Fachbereich Grundbau und Bodenmechanik, abgedruckt in der Zeitschrift Tiefbau-BG 7/1991, S. 443, und weiterentwickelt, hilft nicht nur Tiefbauingenieuren, Bauleitern und Bohrmeistern bei der Erfüllung ihrer schwierigen Tätigkeit vor Ort. 62 Sie ist vielmehr auch ein Gradmesser bei der Prüfung der Beachtung von Sorgfaltspflichten. 63

62 63

Hinzuweisen sind die Baupraktiker auf die Ausführungen von Meißner/Becker: Belastungsgrenzen des Bodens – Was kann der Bauleiter erkennen? in: Tiefbau-BG 7/1991, S. 440. Für die Abdruckgenehmigung geht der Dank an die BG Bau in München.

17

1088

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Geotechnische Kontrollen der Bauleitung vor Ort

17

1.

Wird für Nachbarbauwerke die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens für erforderlich gehalten?

2.

Sind die Gründungsebenen derjenigen Bauwerke bekannt, die an die Baugrube angrenzen?

3.

Wird eine Baugrube tiefer als bis zur Oberkante der Kellersohle eines Nachbargebäudes ausgehoben?

4.

Entspricht der Untergrundaufbau in Anschnitten, wie z. B. an Baugrubenwänden oder der Aushub aus Pfahllöchern, den Bohrprofilen im geotechnischen Gutachten?

5.

Stimmen die angetroffenen Wasserstände mit denen im geotechnischen Gutachten überein?

6.

Steht der Grundwasserspiegel tiefer als 0,5 m unterhalb der Baugrubensohle an?

7.

Im Falle einer Grundwasserhaltung: Sind Sedimentationsbecken vorhanden?

8.

Bestehen Anzeichen für eine Kontamination des Bodens oder des Grundwassers? Falls ja, kurze Beschreibung

9.

Der geotechnische Gutachter ist vom Freilegen der Baugrubensohle verständigt.

10.

Es ist sichergestellt, dass Baugrubensohlen, in denen steifer oder weicher bindiger Boden ansteht, nicht mit schwerem Gerät befahren werden

11.

Erzeugen Baugeräte größere Erschütterungen?

12.

Es ist überprüft, dass die nach DIN 4124 zulässigen Ausschachttiefen unverbauter Gräben sowie die zulässigen Böschungsneigungen nicht überschritten sind

13

Die Geländeoberfläche hinter Verbauten wird nur durch planmäßige Aufschüttungen oder Stapellasten belastet

14

Oberflächenwasser ist gefasst und versickert z. B. nicht hinter Verbauwände.

15

Die Baugrubensohle vor Verbauwänden ist nicht gestört.

16

Bei Abgrabungen ist sichergestellt, dass dadurch keine Widerlager gefährdet sind.

17

Verschiebungsmessungen von Verbauwänden, z. B. an Ankerköpfen oder dem Wandkopf, werden durchgeführt.

18

Steht der Flüssigkeitsspiegel im Bohrloch höher als der anstehende Grundwasserspiegel?

19

Sedimentablagerungen im Bohrloch wurden vor dem Betonieren entfernt.

20

Es ist überprüft, dass während des Bohrens der Wasserspiegel im Bohrloch oberhalb GW liegt und ein Vorauseilen des Bohrrohres besteht.

Ja

Nein

Entfällt

Ja

Nein

Entfällt

17.4 Sonderprobleme beim Tiefbau

1089

Geotechnische Kontrollen der Bauleitung vor Ort 21

Es ist überprüft, dass beim Betonieren unter Anwendung des Contractor-Verfahrens eine ausreichende Eintauchtiefe des Schüttrohres vorhanden ist.

22

Die Kohäsion bindiger Böden wurde z. B. mit dem Taschenpenetrometer überprüft und mit entsprechenden Angaben im geotechnischen Bericht verglichen.

23

Die Zustandsbeschreibung (Konsistenz) bindiger Böden stimmt etwa mit den entsprechenden Angaben im geotechnischen Bericht überein.

24

Das Baugrundgutachten ist augenscheinlich den Regeln der DIN 4020 entsprechend erstellt worden?

25

Der Baugrund wird ständig während der Bauarbeiten von einem Sachverständigen begutachtet und in Abstimmung mit dem Architekten/Tragwerksplaner hinsichtlich der Kompatibilität mit dem zu errichtenden Bauwerk überprüft.

17.4

17.4.1

Sonderprobleme beim Tiefbau Die eingeführten Homogenbereiche Definition „Homogenbereich“ entsprechend der VOB Teil C

Grundlage jeder Leistungsbeschreibung sollte es sein, dass der Auftragnehmer genau das versteht, was der Auftraggeber von ihm verlangt. Da der Auftragnehmer mit oder in dem vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Baugrund arbeiten soll, ist der Auftraggeber gehalten, eine entsprechende Beschreibung vorzunehmen. § 7 VOB/A bildet hierzu die Grundlage. Bei der Fortschreibung der VOB/C im Jahr 2009, auch durch weitere ATV, wären neue spezielle, ATV spezifische Bodenklassen entstanden. Ein großes und unüberschaubares Spektrum von neuen Klassifizierungen und Begrifflichkeiten wäre die Folge gewesen. Der Hauptausschuss Tiefbau im Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss (HAT) hat daraufhin im Jahr 2011 dem Vorstand des deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA) einen Vorschlag zur Vereinheitlichung der Baugrundbeschreibung in den ATV der VOB Teil C unterbreitet. Ziel war es unter anderem, Boden und Fels gewerkspezifisch mit gleichen Eigenschaften zusammenzufassen mit allgemein standardisierten Beschreibungen, die hinlänglich den am Bau Beteiligten bekannt sind. Dies legte nahe, den Baugrund mit boden- bzw. felsmechanischen normierten Kennwerten, auch für die in der VOB Teil C zur Ausführung erforderlichen Angaben, zu beschreiben. Dies führte dazu, den Baugrund in Form von sogenannten „Homogenbereichen“ für die Ausführungsnormen der VOB Teil C einzuführen. Der Begriff „Homogenbereich“ stammt aus der DIN 4020:2003-09 „Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke“.

17

1090

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

Die Definition hierzu lautet: „3.2 Homogenbereich: begrenzter Bereich von Boden oder Fels, dessen Eigenschaften eine definierte Streuung aufweisen und sich von den Eigenschaften der abgegrenzten Bereiche abheben.“ Hiermit werden Baugrundbereiche, die annähernd die gleichen geotechnischen Kennwerte mit einer gewissen Streuung für eine statische oder andere geotechnische Berechnung aufweisen, zu einem Homogenbereich zusammengefasst. Homogenbereiche sind demnach in der Geotechnik nichts Neues. Jeder geotechnischen statischen Berechnung liegen diese zugrunde. Dies wurde nun für die gewerkspezifische Beschreibung eines Boden- oder Felsbereiches übernommen, aber mit dem Unterschied, dass es hierbei nicht um erdstatische Berechnungen geht, sondern um die Beschreibung von Bereichen, die gewerkspezifisch die annähernd gleichen Eigenschaften zum Bearbeiten des jeweiligen Baugrundes haben. Aktuell wird generell folgende Formulierung in den ATV der VOB Teil C verwendet: „Einteilung von Boden und Fels in Homogenbereiche: Boden und Fels sind entsprechend ihrem Zustand vor dem [Lösen] in Homogenbereiche einzuteilen. Der Homogenbereich ist ein begrenzter Bereich, bestehend aus einzelnen oder mehreren Boden- oder Felsschichten, der für [das jeweilige Bauverfahren] vergleichbare Eigenschaften aufweist. Sind umweltrelevante Inhaltsstoffe zu beachten, so sind diese bei der Einteilung in Homogenbereiche zu berücksichtigen.“ Für die Definition eines Homogenbereiches im Sinne der VOB/C gelten dem Grunde nach dieselben Voraussetzungen wie die, die für eine geotechnische statische Berechnung angesetzt werden, mit dem großen Unterschied, dass bei der VOB/C die Abgrenzung einer „Homogenität“ nicht zwingend die Schichtgrenzen mit unterschiedlichen geotechnischen Parametern sind, sondern vielmehr die für das jeweilige Bauverfahren vergleichbaren Eigenschaften. Der Kernsatz, „Der Homogenbereich ist ein begrenzter Bereich, bestehend aus einzelnen oder mehreren Boden- oder Felsschichten, der für [das jeweilige Bauverfahren] vergleichbare Eigenschaften aufweist“, ist dem Grunde nach wie folgt zu verstehen: Ein Homogenbereich ist so zu definieren, dass dieser Boden- oder Felsbereiche bzw. Boden- oder Felsschichten zusammenfasst, die gewerkspezifisch gleiche Leistungswerte für das Bearbeiten, wie z.B. Lösen, Laden und Transportieren, Bohren, Rammen etc., erwarten lassen. Dies ist die Grundlage für eine ordnungsgemäße und seriöse Kalkulation und Preisbildung, allerdings auch für eine nachvollziehbare Abrechnung.

17

Es setzt aber voraus, dass der Ausschreibende bzw. dessen Erfüllungsgehilfe (meist der geotechnische Sachverständige) über ausreichende Kenntnisse der gewerkspezifischen leistungsbeeinflussenden Eigenschaften eines Baugrundes verfügt. Nur auf dieser Basis können und müssen unterschiedliche Homogenbereiche in einem Gewerk abgebildet werden.

17.4 Sonderprobleme beim Tiefbau

1091

Dies bedeutet, dass Homogenbereiche im Sinne der VOB/C mit geotechnischen Schichtgrenzen zusammenfallen können, aber nicht unbedingt müssen. Es kommt also hierbei nur darauf an, dass Bereiche mit voraussichtlich gleichen gewerkspezifischen Leistungsparametern zusammengefasst werden. Erst das stellt einen Homogenbereich nach den ATV der VOB Teil C dar. Bauleistungen und Bauwerke, insbesondere wenn es „in die Tiefe geht“, bedürfen im Regelfall des Einsatzes von Baubehelfen, Bauhilfsgewerken und Hilfsbauwerken. Letztere sind grundsätzlich eigenständige Bauwerke, während die erstgenannten „Bauhilfen“ im Regelfall temporärer Art sind. Die richtige Zuordnung hat insbesondere Auswirkung auf Abnahme, Mängelhaftung und Sicherheitsleistungen. Deshalb muss jeder Baubeteiligte, aber auch Baujurist über die Bedeutung der Begriffe und deren richtige Anwendung in der Praxis informiert sein.

17.4.2

Juristische Beurteilung64

Unzweifelhaft ist, dass die Auftraggeber, insbesondere diejenigen, welche nach dem Regime der VOB/A Bauleistungen auszuschreiben haben, die Vorgaben der ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung im Rahmen des § 7 VOB/A zu beachten haben. Auch bekannt ist, dass die Verweisung des § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/B auf die Ausschreibungskataloge in den Abschnitten 0 der DIN 18299 ff. zwingend einzuhalten ist und damit eben diese Kataloge essenziell zu beachten sind, soweit dies, wie die Einleitungssätze dieser Abschnitte 0 es klar aufzeigen, im Einzelfall insbesondere geboten ist, Angaben zu machen. Bezüglich der Boden- und Wasserverhältnisse ergibt sich dies gleich in doppelter Hinsicht, einmal direkt aus § 7 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A, sowie auch aus § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A in Verbindung mit DIN 18299 Abschnitte 0.1.9 und 0.1.10, die postulieren, dass Angaben zu machen sind zu: – 0.1.9 Bodenverhältnisse, Baugrund und seine Tragfähigkeit. Ergebnisse von Bodenuntersuchungen. – 0.1.10 Hydrologische Werte von Grundwasser und Gewässern. Art, Lage, Abfluss, Abflussvermögen und Hochwasserverhältnisse von Vorflutern. Ergebnisse von Wasseranalysen. Konkretisiert werden diese zwingend zu machenden Angaben durch die weitergehenden Vorgaben in den einzelnen Fachnormen DIN 18300 ff., die in den gewerkspezifischen Bedürfnissen der einzelnen Bereiche aufgehen. Beachtlich war, insbesondere für den Nichttechniker, dass dabei für das Medium Baugrund, mit dem alle bodenspezifischen Leistungen stets auszuführen sind, bis zur einschlägigen Reform der (VOB/C-) Normung unterschiedliche Beschreibungsbegrifflichkeiten Anwendung fanden (z. B. sprach die DIN 18300 von Bodenklassen, in der DIN 18301 gab es wiederum Bohrbarkeitsklassen, etc.). Durch die im Herbst 2015 erfolgte Neufassung und Neuausrich64

Die juristische Bewertung ist angelehnt an eine Bewertung, die auf einem Beitrag anlässlich des Ruhr-Geo-Tages an der Bergischen Universität zu Wuppertal von Haugwitz/Fuchs veröffentlicht wurde: Haugwitz, Gerd/Fuchs, Bastian, Erste Erfahrungen im Umgang mit Baugrund-Homogenbereichen im Spezialtiefbau, Tagungsband zum Ruhr-Geo-Tag 2019 in Wuppertal; s. auch: Englert, Homogenbereiche, Baugrund und VOB Teil C: Der lange Weg zum Verständnis in der Baupraxis, in: Festschrift für Dieter Kainz, Werner Verlag 2019, S. 183 ff.

17

1092

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

tung der Beschreibung von Boden und Grundwasser, wie dies durch die neue VOB/C 2015 vorgenommen wurde, ändert sich an der grundlegenden Beschreibungspflicht des (öffentlichen) Auftraggeber zunächst einmal nichts. Auch in Zukunft wird es die maßgebliche Aufgabe des Auftraggebers bleiben, jedenfalls im Regelfall, im Rahmen der einschlägigen Vorschriften, eine ordnungsgemäße Baugrunduntersuchung und -beschreibung zu veranlassen. Gleichermaßen gilt für die Bieter in öffentlichen Ausschreibungen, dass unzureichende oder fehler- oder lückenhafte Vorgaben hinterfragt werden müssen, um nicht Gefahr zu laufen, als »frivoler Bieter« bestimmte Risiken (ungewollt) zu übernehmen und die damit verbundenen Kosten tragen zu müssen. Es stellen sich hier in rechtlicher Hinsicht zunächst zwei Fragen: 1. 2.

Es stellt sich für den Anwender der Norm die Frage, was unter dem Homogenbereich verstanden werden kann. Es stellt sich des Weiteren im Gegenzug für denjenigen, der den Baugrund zu beschreiben hat, die Frage, welche Bereiche er sinnvollerweise in einen solchen als homogen zu bezeichnenden Bereich zusammenfassen darf.

Wichtig erscheint zunächst, dass es sich bei dem Homogenbereich um einen räumlich klar begrenzten Bereich handelt, wenngleich zunächst noch nicht klar ist, welche Ausmaße dieser Raum einnimmt. Klargestellt wird nach dem Wortlaut des Weiteren, dass dieser Homogenbereich einzelne oder auch mehrere Boden- oder Felsschichten umfassen kann. Es wird hier also zunächst definiert, dass Boden- oder Felsschichten zusammengefasst werden können (nicht aber müssen!), nicht aber Boden- und Felsschichten. Als zweite, wesentliche Voraussetzung wird hervorgehoben, dass einzelne oder mehrere Boden- oder Felsschichten nur dann zu einem Homogenbereich zusammengefasst werden dürfen, wenn sie vergleichbare Eigenschaften im Hinblick auf die Bearbeitbarkeit innerhalb des jeweiligen Gewerks innehaben. Dies ist auf den ersten Blick logisch, muss aber genau betrachtet werden: Es ist augenfällig, dass gewerkspezifisch die Homogenbereiche zu bestimmen sind. Das ist naheliegend, kommt es doch bei den Erdarbeiten nach DIN 18300 auf andere (Boden-) Eigenschaften an als bei den Düsenstrahlarbeiten nach DIN 18321 oder bei den Bohrarbeiten nach DIN 18301. Wichtig ist weiter, dass die einzelnen DIN-Normen nach der vorstehenden allgemeinen Definition des Homogenbereichs exakt die maßgeblichen Eigenschaften, anhand derer eine mögliche Zusammenfassung von Boden- oder Felsschichten zu einem Homogenbereich beurteilt werden muss, auflistet. Diese Auflistung ist als eine Liste der Mindestangaben für eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung zu betrachten. Stets handelt es sich um geotechnische Parameter, anhand derer die Boden- und Grundwasserverhältnisse näher beschrieben werden können.

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Unterschiedlich ist (dies ist jeweils gewerkspezifisch zu sehen) hingegen, welche der denkbaren (Boden-)Eigenschaften bei der einzelnen Norm maßgebend sein werden. Die Zusammenfassung einzelner Bodenschichten zu Homogenbereichen muss also anhand der Erkenntnisse der Bodenuntersuchungen nach den einschlägigen Normen, insbesondere der DIN EN 1997-2 und DIN 4020, in der Weise berücksichtigen, dass eine einheitliche Bearbeitbarkeit des Bodens innerhalb des jeweiligen Gewerks sichergestellt ist und damit die Bieter (wiederum dem

17.4 Sonderprobleme beim Tiefbau

1093

Gebot des oben bereits zitierten § 7 VOB/A gehorchend) ohne ungewöhnliches Wagnis und ohne aufwändige eigene Vorarbeiten die Preise ordentlich und seriös ermitteln können. Dies bedeutet, dass der geotechnische Sachverständige sich auch mit bautechnischen Aspekten befassen muss, um die vorbeschriebene Zusammenfassung sachgerecht vornehmen. Dies war bislang nach der hier vertretenen Auffassung auch bereits der Fall. Eine geotechnische Beratung erforderte auch nach alter Normung bereits eine sachgerechte Analyse der angetroffenen Boden- und Wasserverhältnisse, eine Berücksichtigung der vorgestellten Bauaufgabe und darauf aufbauend eine Betrachtung der möglichen Wege, die vorgestellten Ziele unter besonderer Würdigung der zusätzlichen Rahmenparameter (zeitlicher Ablauf, Budgetfragen, technischer Sicherheit, etc.) erreichen zu können. Dahingehend wird auch heute bereits eine Beratung auszurichten sein. Seit der Einführung der Homogenbereiche ist aufgrund der klaren Strukturierung der relevanten Eigenschaften innerhalb der jeweiligen VOB/C-Norm eine checklistenartige Aufzählung vorgegeben65. Diese Checkliste müssen sich Auftraggeber- wie Auftragnehmervertreter genau ansehen. Fehlen aufgelistete Angaben, so wird der Ausschreibende dazu zusätzlich etwas zu sagen haben. Gleichfalls wird der Bieter eine Nachfrage zu formulieren haben. Keiner kann sich „hinterher“ hinstellen und mit dem Finger auf die andere Partei weisen, denn beide Seiten hätten dann gewusst, dass Informationen fehlen. Beachtlich erscheint in diesem Zusammenhang aber auch das Bestreben verschiedener öffentlicher Auftraggeber bzw. deren geotechnischer Berater, von der sehr umfassenden Liste von 19 bzw. 12 Kennwerten eine Art von „Leitkennwerten“ herauszuarbeiten, um den Untersuchungs- und Beschreibungsaufwand wieder in (überschaubareren) Grenzen zu halten. Dies ist im Grundsatz zu begrüßen, solange und soweit sichergestellt werden kann, dass die „Vergleichbarkeit“ letztlich im Leistungsansatz und damit angestrebte Vereinfachung für die Kalkulation erreicht wird. Die kommenden Monate werden hier fruchtbare Diskussionen ergeben, die der HAT dann aufgreifen kann. In der praktischen Nutzung fällt des Weiteren auf, dass die Ausschreibungssystematik mit „Homogenbereichen“ den Markt in weiten Bereichen erreicht hat und angewendet wird, wenngleich mit sehr stark streuender Normtreue und Anwendungstiefe. Gelegentlich finden sich auch heute noch (vgl. die Beispiele weiter oben) Verweise auf die alte Normung, Systematik und Klassifizierung („…alte Bodenklasse 3-5“). Dies ist natürlich nicht normkonform, rein praktisch aber dennoch mit einem gewissen Aussagewert verbunden, weswegen in der Praxis relativ wenig Vergaberügen bzw. Vergabenachprüfungsverfahren alleine auf unzureichende, da nicht normkonforme Aussagen zur Bodenbeschreibung mit Homogenbereichen zu beobachten sind. Bandbreiten stellen keine vergleichbaren Eigenschaften dar Wenn nun konkret bestimmte Bandbreite anzugeben sind, die streng genommen keine vergleichbaren Eigenschaften aufweisen, so stellt sich für die Beteiligten die Frage, wie damit vernünftig umzugehen ist: Klar ist, jedenfalls bei öffentlichen Auftraggebern, dass der Ausschreibende seinen o.g. Ausschreibungspflichten (schuldhaft?) nicht nachgekommen ist. In einem ersten Schritt wird das Verschulden aus der Nichtvornahme der gebotenen Ausschreibung indiziert. Auch der Ein-

65

Fuchs, B.: Erste Erfahrungen mit Homogenbereichen, Bundesanstalt für Wasserbau, 30.01.2018, Hannover

17

1094

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

satz eines Fachplaners wird den AG insoweit nicht entlasten, muss er sich doch das Verhalten des Planers zurechnen lassen. Insofern wird die AG-Seite sich zu entlasten haben, warum im Ausnahmefall keine normgerechte Ausschreibung stattgefunden hat. Die Situation ist aber auch für den Bieter/Auftragnehmer nicht einfach, weil letztlich auch von ihm erwartet werden kann, die einschlägigen Regelungen der ATV DIN-Normen zu kennen und im Zweifelsfall, auch im Rahmen einer Ausschreibung, einschlägige Nachfragen zu stellen, wenn die erforderlichen Parameter nicht oder nicht hinreichend angegeben sein sollten. Es hat hierzu in der Vergangenheit durchaus auch Entscheidungen der Gerichte dahin gegeben, dass ein Bieter, der ein solch „offensichtliches“ Fehlen von Informationen nicht angesprochen hat, damit auch Risiken aus Bodenbedingungen übernommen haben könnte. Ob natürlich im konkreten Einzelfall das Fehlen einer bestimmten Angabe nach der ATV-DINCheckliste „automatisch“ eine Nachfragepflicht des Bieters auslöst, ist im Streitfall kritisch zu prüfen. Denn insbesondere bei öffentlichen Auftraggebern kann der Bieter bei Nichtangabe eines ggf. wesentlichen Parameters von einer Nichteinschlägigkeit ausgehen oder aber ein üblicher Wert angenommen werden. Dementsprechend kann er bei Kalkulation und Ausführung nach hier vertretener Ansicht auch von entsprechend plausiblen Annahmen ausgehen: Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen eine Ausschreibung nach den Grundsätzen der VOB/A erfolgt. Weil der Bieter grundsätzlich eine VOB/A-konforme Ausschreibung erwarten darf, sind deren Vorgaben, insbesondere aus § 7 VOB/A, bei der Auslegung zu berücksichtigen. Etwaige Unklarheiten einer VOB/A-Ausschreibung sind deshalb im Zweifel so zu interpretieren, dass ein den Anforderungen der VOB/A entsprechendes Ergebnis (plausibles Ergebnis) erreicht wird. Die Frage der Plausibilität wird in der Praxis, ebenso wie die sinnvolle Annahme einer gemischten Kalkulation, streitig zu klären sein. Die vergaberechtliche Zulässigkeit einer Mischkalkulation stellt daneben ein gesondertes Problem dar, wobei nach diesseitiger Meinung im Falle einer nicht hinreichenden Ausschreibungsqualität sich der Auftraggeber dann ebenfalls nicht auf eine „unzulässige Mischkalkulation“ berufen kann, wenn er erst einmal im Vorfeld eine solche veranlasst (und ggf. auf Nachfrage der Bieter hin nicht hinreichend aufgeklärt) hat. Abgabe von Angeboten auf Grundlage von nicht kalkulierbaren Bandbreiten von Homogenbereichen Klar dürfte weiter sein, dass bei nicht hinreichend vorgegebenen oder zwar vorgegebenen, aber nicht ordentlich kalkulierbaren Bandbreiten von Kennwerten im Rahmen der Angabe von Homogenbereichen, ein Konflikt auftritt: Soll der Bieter sich enthalten und nicht mitbieten? Soll er eine Frage stellen, um den Konflikt nach Möglichkeit aufzuklären? Richtig dürfte sein, dass zunächst überhaupt die Frage geklärt werden muss, ob eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche wird nach hier vertretener Auffassung nur dann bestehen, wenn die Lücke nicht sinnvoll anderweitig geschlossen werden kann, etwas dadurch, dass die Ausschreibung als „sinnvolles Ganzes“ betrachtet werden kann oder aber „übliche Erfahrungswerte“ herangezogen werden können.

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Sollte diese vorbeschriebene Methode der „Lückenfüllung“ nicht weiterhelfen, wird im Regelfall, sofern eine Angabe wesentlich für die Preisbildung ist, eine Nachfrage im Rahmen der Angebotslegung unumgänglich sein. Erhält der Bieter daraufhin eine belastbare Angabe, so kann er damit auch sein Angebot errechnen. Erhält der Bieter keine oder keine belastbare Angabe, wird er – damit er nicht aus dem Wettbewerb ausscheidet – eine sinnvolle und seriöse und zu dokumentierende Annahme zu treffen haben, die er ggf. auch dem AG im Rahmen des Angebotsprozesses zur Verfügung stellt (dabei muss darauf geachtet werden, dass die

17.5 Der Bundesgerichtshof und die Baugrundprobleme

1095

Vergabeunterlagen nicht verändert werden). Beachtlich ist hier, dass der Unternehmer, jedenfalls im Rahmen der öffentlichen Ausschreibungen, VOB/A-konforme Annahmen unterstellen darf (vgl. oben), so dass sich ein öffentlicher AG gegen eine solche Auslegung, die einen Widerspruch auflöst, nicht mit dem Argument wehren kann, er habe eine andere (nicht VOB/A-konforme) Interpretation annehmen wollen. Auch bei Verträgen mit privaten AGs muss selbstverständlich eine Annahme nach der Rechtsprechung belastbar dargestellt und begründet werden, eine Anlehnung an die Gedanken aus dem Wesen der öffentlichen Aufträge ist nach der Rechtsprechung anzunehmen. Beachtlich ist aber in jedem Fall, dass sorgfältig geprüft werden muss, ob sich vertretbare Annahmen begründet darstellen lassen.

17.4.3

Hinweise auf Sonderregelungen zum Oberboden

In der Praxis nicht einfach nachzuvollziehen ist, dass der Oberboden (Mutterboden) im Regelungskonstrukt der VOB Teil C völlig aus den Tiefbaunormen herausgenommen wurde und – stets – als eigenständiger Homogenbereich auszuweisen ist, unabhängig davon, welche Art von (Spezial-)Tiefbau vorliegt. Dies gibt die ATV DIN 18320 (Landschaftsbauarbeiten) im Abschnitt 2.1.4 wie folgt vor: „Oberboden ist unabhängig von seinem Zustand vor dem Lösen ein eigener Homogenbereich“. Nachdem Oberboden immer „oben“ ist, beginnt damit grundsätzlich die Beschreibung der Homogenbereiche mit dem Oberboden.

17.5

Der Bundesgerichtshof und die Baugrundprobleme

Nach vielen Jahrzehnten erhielt der sogenannte Bausenat (VII. Senat) beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe im Jahr 2009 erstmals die Gelegenheit, nähere Ausführungen zum rechtlichen Umgang mit dem Baugrund zu machen. Diese „Gebrauchsanweisung“ kann in der Baupraxis sowohl Planern, Ausschreibenden, Auftraggebern und Auftragnehmern eine große Hilfe sein – denn die Rechtsprechung der kommenden Jahre wird die nachstehenden Ausführungen zur Grundlage vieler Entscheidungen im Zusammenhang mit Baugrundproblemen machen. Dabei ging es um die Herstellung einer HDI-Sohle für eine große Schleuse, bei der extrem dicht gelagerte (= kaum düsbar) statt sehr dicht gelagerte (= sehr gut düsbar) untere Sande im Düsbereich angetroffen wurden, wodurch ein sehr großer Mehraufwand an Zeit und Suspensionsmaterial zu verzeichnen war. In seinem Urteil vom 20.8.2009 (Az: VII ZR 205/07 = IBR 2009, 1252) befand das oberste deutsche Zivilgericht dazu unter anderem: „Liegen einer Ausschreibung Baugrundgutachten bei, so ist es möglich, dass die darin dargestellten Bodenverhältnisse zur vertraglich geschuldeten Leistungsverpflichtung erhoben werden. Ob und inwieweit dies gegeben ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände durch eine am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der Vereinbarung zur Bauleistung zu beurteilen. Ein gewichtiger Gesichtspunkt ist dabei, inwieweit die Bodenverhältnisse für die Leistung des Auftragnehmers und damit auch für die Kalkulation seines Preises erheblich sind. Ist dies der Fall, wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die beschriebenen Bodenverhältnisse zum Leistungsinhalt erhoben werden sollen.“ „Stellen sich die zur Leistungspflicht erhobenen Bodenverhältnisse anders dar, so ist die Anordnung des Auftraggebers, die Leistung trotz der veränderten Umstände zu erbringen,

17

1096

17 Baugrund- und Tiefbaurecht

eine Änderung des Bauentwurfs im Sinne des § 1 Nr. 3 VOB/B mit der Folge, dass ein neuer Preis nach Maßgabe des § 2 Nr. 5 VOB/B zu bilden ist. Waren bestimmte, für das Herstellverfahren relevante Bodenverhältnisse Inhalt des Vertrages, so liegt es fern, dass die Klägerin mit ihren Erklärungen das Risiko abweichender Bodenverhältnisse hat mit übernehmen wollen. Ein Unternehmer ist zwar nicht gehindert, mit dem Bauvertrag ihm unbekannte Risiken zu übernehmen ... Jedoch sind an eine Risikoübernahme, die unbekannte Bodenverhältnisse betrifft, jedenfalls dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn sie die Baukosten erheblich beeinflussen können (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06, a. a. O.). Wurden Angaben in Bodengutachten zum Inhalt des Vertrages erhoben, liegt es nahe, dass die sonstigen Erklärungen der Klägerin auf diesen Bodengutachten aufbauen. Es liegt dann auch ein Verständnis der von der Klägerin abgegebenen Erklärungen nahe, dass lediglich diejenigen Veränderungen der Herstellparameter gemeint sind, die sich aus der Erprobung bei unveränderten Bodenverhältnissen ergeben.“ Mit diesen Klarstellungen des obersten deutschen Zivilgerichts wurde den Bauvertragsparteien, aber auch deren Sonderfachleuten und Planern sehr geholfen. Erwähnenswert sind weiterhin zwei Entscheidungen aus den Jahren 2011 und 2013, die sich mit Kontaminationen im Untergrund befassten: Entscheidung des BGH vom 22.12.2011, AZ VII ZR 67/11 In dem vorliegenden Fall ging es darum, dass ein Auftragnehmer von einem öffentlichen Auftraggeber damit beauftragt war, einen teerhaltigen Asphaltschicht einer Ortsdurchfahrt und die darunter liegenden Boden zu entfernen. Die Ausschreibung beinhaltete keine Angabe zur Bodenbeschaffenheit, der gelöste Boden wies eine geringfügige Belastung mit Schadstoffen auf. Der klagende Unternehmer führte aus, er sei berechtigterweise von schadstofffreiem Boden ausgegangen und wollte für die notwendigen Deponierungskosten einen sechsstelligen Betrag geltend machen. Im Hauptsacheprozess führte in zweiter Instanz ein Sachverständiger aus, dass unterhalb der Asphaltdecke einer Ortsdurchfahrt regelmäßig mit Schadstoffen im Boden zu rechnen sei. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin der Revision des Auftraggebers stattgegeben mit der Begründung: 1.

2.

„Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, ihn mögliche und unzumutbare Angaben zur Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Ein Unterlassen solcher Angaben kann die Auslegung des Vertrags dahin rechtfertigen, eine Bodenkontamination liege nicht vor. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontaminierung des zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens ist nicht notwendig, wenn diese sich aus den Umständen klar und eindeutig ergibt, weil der im Leistungsverzeichnis beschriebene Boden regelmäßig kontaminiert ist (hier: Boden unterhalb einer teerhaltigen Asphaltschicht).“

Diese vorstehende Entscheidung ist massiv kritisiert worden, weil sie dem Ausschreibungsgebot des § 7 Abs. 1 VOB/A widerspricht. Eine besondere Erwähnung im Vertrag sei zwar nach Ansicht des BGH hier im vorliegenden Falle nicht notwendig, wenn aus den Umständen sich ergeben würde, dass eine Belastung gegeben sein müsse. Eine Erwähnung von Bodenkontaminationen sei nicht notwendig, insbesondere wenn im Einzelfall hiervon auszugehen sei. Das ist allerdings nach diesseitiger Einschätzung so nicht akzeptabel. Es handelt sich hier

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17.5 Der Bundesgerichtshof und die Baugrundprobleme

1097

um eine unzulässige Verkürzung der Rahmenparameter der Rechtsprechung, mit der Konsequenz, dass der Bundesgerichthof diese Entscheidung dann auch im Jahre 2013 modifiziert hat. Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2013, AZ VII ZR 122/11 In einem vergleichbaren Sachverhalt wurde ebenfalls ein Auftragnehmer von einem öffentlichen Auftraggeber mit Tiefbauarbeiten für den Ausbau einer Kreisstraße beauftragt. In der Baubeschreibung hieß es, dass die durchgeführten Baugrunduntersuchungen nach DIN 4020/ DIN EN 1997-2 eine lediglich 4 cm dicke Asphaltschicht aufgeschlossen hätte, deren Teergehalt noch unterhalb der Grenze für den Wiedereinbau des Aufbruchgutes liege, sodass eine Wiederverwertung vollständig möglich sei. Nach dem Leistungsverzeichnis war der Boden zu lösen und nach Übernahme in das Eigentum des AN zu entsorgen. Nachdem erhebliche Arsen- und Chloridbelastungen des Bodens festgestellt wurden, machte der Unternehmer Mehrvergütungsanspruch geltend. Der BGH hat die frühere Entscheidung wie folgt modifiziert: 1.

„Der öffentliche Auftraggeber hat in der Leistungsbeschreibung eine Schadstoffbelastung auszuhebenden und zu entfernenden Bodens nach den Erfordernissen des Einzelfalls anzugeben. Sind erforderliche Angaben zur Bodenkontaminationen nicht vorhanden, so kann der Bieter daraus den Schluss ziehen, dass ein schadstofffreier Boden auszuheben und zu entfernen ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 67/11, IBR 2012, 65).“

Mit dieser zweitgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass der Bieter grundsätzlich, insbesondere bei einer Ausschreibung nach VOB/A, den Leistungstext dahingehend verstehen darf, dass der öffentliche Auftraggeber VOB/A-konform ausschreiben wolle und dementsprechend die wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, insbesondere auch Schadstoffbelastungen (vgl. DIN 18299 Abschnitt 0.1.20, DIN 18300 für Erdarbeiten, Abschnitt 0.2.3) angeben würde. Damit sei klar, ob eine Kontamination vorliege und ob dementsprechend mit einer solchen Kontamination zu kalkulieren sei oder nicht. Auch aus der DIN 18299 (gültig für alle Bauarbeiten) ergibt sich gem. Abschnitt 3.3: „Werden Schadstoffe angetroffen, z. B. in Böden, Gewässern, Stoffen oder Bauteilen, ist dies dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Bei Gefahr im Verzug hat der Auftragnehmer die notwendigen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Die weiteren Maßnahmen sind gemeinsam festzulegen. Die erbrachten und die weiteren Leistungen sind besondere Leistungen (sh. Abschnitt 4.2.1).“ Es wird hier klargestellt, dass insbesondere bei Antreffen von Kontaminationen nach einem festgelegten System vorgegangen werden muss, weil der Unternehmer mit Schadstoffen eben nicht rechnen konnte bzw. musste, weil er im Rahmen einer VOB/A-konformen Ausschreibung nur mit jenen Parametern bzw. Einflussfaktoren rechnen muss, welche ihm der Auftraggeber im Rahmen der Leistungsbeschreibung ganz konkret vorgibt. Offensichtliche Parameter muss ein Bieter/Auftragnehmer konkret ansprechen bzw. im Rahmen seiner Kalkulation berücksichtigen, anderenfalls läuft der Unternehmer Gefahr, dass er diese Parameter in seinen Risikobereich übernimmt bzw. ihm ein Gericht diese Parameter als Risiko zuweist. Nicht offensichtliche Parameter, die auch der Auftraggeber offenbar nicht eingehend erkundet/untersucht hat, muss der Unternehmer nach der vorstehenden Rechtsprechung nicht einkalkulieren, denn er muss nicht „gescheiter“ sein, als der Auftraggeber bzw. dessen fachkun-

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17 Baugrund- und Tiefbaurecht

dige Berater waren, die sich oft Monate, zum Teil, v.a. bei Großprojekten sogar über Jahre, mit der Ausschreibung und deren Grundlagen befasst haben. Wenn nun im Einzelfall eine Abweichung von der Ausschreibung, hier zu Fragen der Kontaminationen, dennoch in situ festzustellen ist, ist nach den einschlägigen Regelungssystematiken der VOB/C, wie der genannte Abschnitt 3.3 der DIN 18299 (Ausgabe 2016) die Systematik für eine entsprechende Vorgehensweise und Abrechnung vorgegeben: Zunächst ist der Auftraggeber unverzüglich in Kenntnis zu setzen, sodass er sich mit dem Sachverhalt entsprechend auseinandersetzen kann. Alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen sind unverzüglich durch den Unternehmer durchzuführen, alle weitergehenden Maßnahmen sind gemeinsam festzulegen. Diese weiteren Maßnahmen werden nach der vertraglichen Vereinbarung als sogenannte Besondere Leistungen charakterisiert, was zur Folge hat, dass sie vom Auftraggeber auch gesondert vergütet werden müssen. Sie sind als Besondere Leistungen im Sinne des Abschnitts 4.2.1 einzustufen. Hiervon abweichende Regelung wäre vertraglich nur insoweit möglich, als eben solche „Besonderen Leistungen“ mit einer eigenen Position im Leistungsverzeichnis ausgeschrieben werden, sodass sie entsprechend im Wettbewerb bepreist und dann vertraglich vereinbart werden können. Da aber in der Baupraxis immer, gerade auch im Zusammenhang mit Baugrund-Sachverhalt und damit einhergehenden Kontaminationen, unerwartete Ereignisse auftreten können, ist eine solche Regelungssystematik absolut sinnvoll. In der Praxis werden immer Sachverhaltskonstellationen angetroffen, in denen eben auf „Unerwartetes“ im Sinne von Baugrundbedingungen, die von den ausgeschriebenen abweichen, reagiert werden muss. Übertragen wir dies nun auf die Frage der Kontaminationen: Relevant ist häufig die Frage, von welchen Kontaminationen der Unternehmer vernünftigerweise auszugehen hatte. Für den Bereich der Deponierung ist beispielsweise in den einzelnen Bundesländern sehr individuell und spezifisch eine Regelungsgrundlage geschaffen worden, welche für Fragen der Deponierung anwendbar ist. In Bayern ist für diese Fälle das sogenannte „Eckpunktepapier“ (Merkblatt Boden- und Bauschutthaufwerke – Beprobung, Untersuchung und Bewertung) als verbindlich an den Markt gegeben. Die LAGA M20 weicht in einigen wesentlichen Parametern von dem Eckpunktepapier ab, hat aber auch eine andere Stoßrichtung, nämlich die Untersuchung von Materialien, die nicht deponiert werden sollen, sondern in technischen Bauwerken wiederum verbaut werden sollen (so z.B. in Dammschüttungen, Geländemodellierungen im Straßen- und Autobahnbau, etc.). Für den Bieter ist die Angabe der einen wie der anderen Quelle grundsätzlich akzeptabel, auch im Rahmen einer Ausschreibung. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass insbesondere für die Frage der Annahme in einer Verwertungsstelle nach Eckpunktepapier, z.B. einer Grube, eben die richtige Untersuchungsvorgabe herangezogen wird, weil anderenfalls eine Annahme des Materials nicht stattfinden kann. So ist beispielsweise für eine Verwertung von Material in einer Grube die Untersuchung nach dem Eckpunktepapier heranzuziehen, welches eine Siebung des Materials und damit nur eine Untersuchung der Feinfraktion fordert. Anders die Systematik der LAGA M 20: Hier ist ein Zermahlen einer Probe in der Gesamtfraktion vorgesehen, so dass auch die Grobfraktion mitvermahlen wird und damit diese auch einen Massenanteil in die Gesamtanalyse beisteuert. Dass dies unter Umständen zu einer erheblichen Veränderung der Analyseergebnisse führen kann, ist nachvollziehbar.

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Insofern wird man auch bei Ausschreibung des einen wie des anderen Untersuchungs- und Analyseregimes darüber nachdenken müssen, ob für die ausgeschriebene Bauaufgabe die „richtige“ Analytik gewählt wurde. Dies gilt naturgemäß auch für die ausschreibenden Ingenieurbüros, die die Analysemethodik zu wählen und zu beschreiben haben. In diesem

17.6 Schlussbemerkung

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Zusammenhang hat eben die LAGA M20, wie genannt, einen entsprechenden signifikanten Stellenwert, den der AN zu beachten hat. Eine abweichende Vereinbarung eines anderen Regimes ist den Parteien im freien Bauvertrag selbstverständlich möglich. Entscheidend ist, dass Klarheit ob des gewählten Regimes herrscht66.

17.6

Schlussbemerkung

Vorstehende Ausführungen sind, wie in der Vorbemerkung bereits angesprochen, lediglich eine Auswahl von aktuellen, aber praktisch immer wiederkehrenden Problemen, insbesondere im Zusammenhang mit Fallgestaltungen aus dem weiten Bereich des Baugrund- und Tiefbaurechts. Auf Grund der räumlichen Zwänge war hier eine Auswahl vorzunehmen. Dieser Beitrag soll die ausgewählten Themen erläutern und dem „Benutzer“ des Mediums und Baustoffs „Baugrund“ in seinen vielfältigsten, nie vollständig aufklärbaren Facetten helfen, mit den zu Grunde liegenden Gestaltungen nicht nur technisch, sondern auch rechtlich richtig, dabei letztlich aber auch immer pragmatisch umzugehen. Wenn es dabei gelungen ist, dem Leser die rechtlichen Rahmenbedingungen näher zu bringen, ist das Ziel dieses Beitrages erreicht. Für weitergehende Lektüre sei die zitierte Fachliteratur, insbesondere zum Baugrund- und Tiefbaurecht67, dem geneigten Leser empfohlen.

66 67

Vgl. Fuchs/Schneeweiß/Wächter, Die Bedeutung der LAGA M 20, in: Bauportal 2018, Heft 5, S. 42ff. So insbesondere das Handbuch für Baugrund- und Tiefbaurecht, herausgegeben von Englert/Grauvogl/Maurer, 5. Aufl. 2016 sowie Boley/Englert/Fuchs/Schalk (Hrsg.): Baurecht-Taschenbuch; Sonderbauverfahren Tiefbau: Technische Erläuterungen – Rechtliche Lösungen: Rohrvortrieb, HDD, Pipelinebau, Tunnel-, Kanal- und Deponiebau, Wasserhaltung, Düsenstrahlarbeiten, Spundwände, Bodenstabilisierung, Abbruch- und Rückbauarbeiten, Kampfmittelproblematik, 2011, Verlag Ernst & Sohn, Berlin. Vgl überdies die Festschrift für Englert, „Geheimnisse des Baugrunds“, herausgegeben von Kapellmann/Franke/Grauvogl, Verlag C.H.Beck, 2014.

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Sachwortverzeichnis A Abdichtungssystem, Grundforderung 937 Abflusskurve 972 Ablagerung, äolische 9 abrasiv 906 Abrasivität 903 Abschalrohr 421 Abschlagslänge 894, 901, 905 Abschlagstiefe 873 Absenktiefe 274 – Nachweis 287 Absetzbecken 73 Abstandshalter 94 Abstellkonstruktion 421 Adsorptionswasser 20 Aktivitätszahl 28 Alarmwert 1044 Altablagerung 329, 331, 355 Altdeich 989 – Erhöhung 989 ALTLAS-Pfahl 401 Altlastenerkundung 59 Altstandort 329, 331, 334, 346, 349, 352 Andruck 74 f. Angriffstiefe 873 Anhydrit 6 Anker 924 Ankerbohrung 672 Ankerkräfte 672 Ankerwand 824 Anscheinsbeweis 1085 Anschlagstiefe 872 Anwendungsregel 226 Aquifermächtigkeit 271, 285 Aräometer 100 Arkose 3 Auelehm 10 Aufbau 977 Aufbruch des Verankerungsbodens, Nachweis 738 Auffahren 873 Aufgefrierphase 931

Aufsatzrohr 94 Aufschluss 61, 87 – Tiefe und Lage 630 Aufschwimmen 252 – Nachweis 696, 738 Auftriebssicherheit 738, 1002 Aufzeichnungsintervall 1044 Ausbau 93, 95, 873, 933 – einschaliger 933 f. – zweischaliger 933 f. Ausbaubogen 900, 923 f., 926 f. Ausbaudurchmesser 94 Ausbläser 913 Ausbruchart 894, 902, 904 f., 910 Ausbruchsleibung 873 Ausfachung 652 Ausführungsqualität 624 Ausnutzungsgrad 743 Ausrollgrenze 27, 106 f. Ausschreibungsvorgaben 1059, 1069 Ausstechzylinder 128 Austauschbohrung 439 B Baggerschurf 80 Bankung 12 Basalt 1 Baugrube 629, 1046 – Kontrolle 711 Baugrubensysteme 650 Baugrubenwände 629 Baugrund – Definition 1060 Baugrundausschreibung 1059 Baugrundbohrung 72 Baugrunderkundung 59, 62, 88, 574, 992 f. Baugrunduntersuchung 585, 630 Baugrundverformung 610 Baustoff 977

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Boley (Hrsg.), Handbuch Geotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03055-1

1102

Sachwortverzeichnis

Bauweise – bergmännische siehe geschlossene – geschlossene 894 – ingenieurbiologische 721 – kombinierte 779 BDP 133 Beckenton 8 f. Belastungsmechanismus 965 Bemessungsfestigkeit 789 Bemessungshochwasser 974 Bemessungssituation 233 Bemessungswasserstand 974 Bentonitsuspension 73 Benzol 336, 339 f., 353 Beobachtungsmethode 240, 580, 743, 1015, 1018 Bergeschacht 948 Bergschlag 901 Berliner Bauweise 938 Bermen 774 Beschleunigung 1022 Bestandsdeich, Sanierung 989 Bestimmung – der Dichte 96 – der Korndichte 98 – der Korngrößenverteilung 99 – der Lagerungsdichte 103 – der Zustandsgrenzen 106 – des Wassergehalts 95 Beton, wasserundurchlässiger 942 Betonitmatte 981 Betonkrainerwand 810 Betonsäule 458, 465 Betonspannungsaufnehmer 1042 Bettungsmodul 130, 552, 612, 620, 740 Bettungsmodulverfahren 550, 555, 599, 740 – iterative Verbesserung 551 bewehrte Erde 721 f. Bewehrungsband – Sicherheit gegen Herausziehen 785 – Sicherheit gegen Materialversagen 786 Beweisführung bei Tiefbauarbeiten 1072 Beweislast nach VOB 1084 Beweislastregeln 1073 Beweismöglichkeiten 1083 Beweissicherung 1016 Beweissicherungsverfahren 949

Bewetterung 873 Blockfuge 881 Blockgleitverfahren 764 Boden – bindiger 63 f. – glazigener 7 – normalkonsolidierter 42 – organischer 10 – Boden rolliger 63 f. – Boden überkonsolidierter 42 – unterkonsolidierter 42 Boden- und Gewässerverunreinigung 329, 333, 338 Boden- und Grundwasserverunreinigung 332, 349, 359 Boden-Bauwerk-Interaktion 545, 547, 558 Bodendichte, Bestimmung 96 Bodenfließ 9 Bodengefüge 17 Bodenklassifikation 51, 53 Bodenluftbeprobung 342 Bodenprobe 90 – ungestörte 64 Bodenprofil 72 Bodenvereisung 931 Bodenverfestigung 718 Bodenverfestigungswände 655 Bodenvermörtelung 521, 983 Bodenvernagelung 721, 790 Bodenwäsche 363 Bohrabweichung 931 Bohrfortschritt 74 Bohrgerät 486 Bohrgeräteführer 79 Bohrhammer 70 Bohrkern 67 Bohrkernansprache 79 Bohrklein 73 f. Bohrkrone 74 Bohrlochdurchmesser 78 Bohrlochgeophysik 74, 94 Bohrlochmessung 127 Bohrlochrammsondierung 133 Bohrlochversuch 127 Bohrmeißel 67, 73 Bohrpfahl 390, 592 Bohrpfahlwand 656 – aufgelöste 396

Sachwortverzeichnis

– tangierende 397 – überschnittene 398 Bohrpressverfahren 439 Bohrrohr 64, 66 Bohrschappe 66 Bohrschnecke 66 Bohrüberwachung 90, 92 Bohrung 61, 93, 439 – tangierende 439 – überschnittene 439 – verrohrte 439 Bohrverfahren 375 Bohrwerkzeug 63 Borros-Anker 1037 Böschung 651 – freie 721, 749 – Neigungsempfehlung 749 Böschungsbruch 734, 1001 Böschungsbruchuntersuchung, Bruchmechanismus 735 Böschungsgleitlinie 999 Böschungsgrundbruch 1001 Böschungsgrundbruchberechnung 999 Böschungssicherung – konstruktive 721, 782 Böschungssprosse 847 Breccie 3 Bruchfläche 206 Bruchspannung 206 Bruchverhältnis 221 Bruchwiderstand 791 Brunnen 94, 263 – Vakuum 264 – Brunnendurchmesser 273 – unvollkommener 281 – vollkommener 281 Brunnenabschluss 94 Brunnenanordnung 283 Brunnenausbau 94, 319 Brunnenbohrung 318 Brunnenwand 831 Brustplatte 911 f. Bühne 911 f. C Calcit 6 CASE 623 CEN (Comité Européen de Normalisation) 225

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constitutive equations 198 Contractor-Verfahren 679 Coulomb’sches Schergesetz 44 CPT 82 CPTU 83 Cross-Hole 625 Culmann-Erddrucklinie 178 Cutter Soil Mixing (CSM) – Verfahren 837 CU-Versuch 121 D Dalben 601 Damm an Bundeswasserstraßen 966 Dammbalkensystem 971 Dammschüttung, messtechnische Überwachung 1047 Darcy – Filtergesetz 265 – Gesetz von 29 Datenerfassung – automatische 1044 – manuelle 1044 Deckbauweise 775 Deckelbauweise 888 Deckwerk 991 Deep-Soil-Mixing 984 Dehner 952, siehe auch Zwischenpressstation Dehnung 138, 1018, 1021 Dehnungsaufnehmer 1039 Dehnungsmessstreifen 1039 Dehnungsmessstreifen (DMS) 1039 Deich 966 – 2-Zonen 979 – 3-Zonen 979 – Bauwerk 1005 f. – Gehölz 1006 – Gestaltung 967 – Höhe 978 – homogener 978 – Leitungen 1005 – mit Innendichtung 983 – Qualitätskontrolle 1008 f. – Sanierung 989 – Schüttung 977 – Standsicherheit 996 – überströmbarer 991 – Versagensart 966

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Deichaufstandsfläche 963 Deichböschung 967, 978 Deichbruch 1006 Deichgestaltung, Element 977 Deichkrone 978 Deichkronenweg 977 Deichmaterial 977 Deichquerschnitt 967 Deichrampe 978 Deichsanierung 977 Deichschau 1011 Deichverteidigung 1011 Dekontamination 361 Deltasediment 9 Deviatorebene 200, 202 Deviatorspannung 202 Diagenese 2 Dichtblock 954 Dichte – Bestimmung im Feld 128 – des Bodens 22 – von Böden 96 Dichtsohlen 673, 675, 694 – Arten 630 – natürlich 683 – Überwachung 713 – Verankerung 682 Dichtung, mineralische 980 Dichtungsinjektion 439 Dichtungssystem 980 Dieselhammer 430 ff. Dilatanzwinkel 212, 214, 216, 218, 222 Disken siehe Rollenmeißel Distometer 1028 Dobber-Verfahren 679 Dokumentation 1017 Doline 5 Dolomitstein 5 Doppelkernrohr 77 Doppelkopfbohrverfahren 381, 395 Doppelschild-TBM 921 Down-Hole 625 DPH 86 DPL 86 Drahtpendel 1034 Drainage 264 Drainagegraben 365 Drainageleitung 998 Drainschlitz 263 f.

Drainschuh 449 Drainstränge 304 Drehbohrung 72, 89 Drehbohrverfahren 382 Drehgeschwindigkeit 75 Drehkernbohrverfahren 68 Drehschlagbohrung 62 Dreiphasensystem 21 Drucker-Prager’sches Stoffmodell 214 Druckfestigkeit – einaxiale 50, 113 Druckkissen 134 Druckluft 890 Drucklufterkrankung 913 Druckluftschild 913 Druckmodul, einaxialer 113 Druckschlauchwaage 1029 Druck-Setzungslinie 130 Drucksondierung 61, 82, 89, 127, 133 Druck-Stauchungs-Diagramm 38 Druckversuch, einaxialer 112 DSM (DSM Deep-Soil-Mixing) 984 – Eigenschaften 985 Dübel 827 Dupuit-Thiemschen Brunnenformel 266 Durchlässigkeit 110 f., 261, 275, 277 Durchlässigkeitsbeiwert 29 f., 112, 979, 980 Durchlässigkeitsgerät 110 f. Durchlässigkeitswert 997 Durchsickerungsberechnung 997 Durchtrennungsgrad 873, 899 Durchwurzelung 1006 Düsenstrahlsohlen 680 Düsenstrahlverfahren 473 f. Düsenstrahlwand 629, 836 Düssäule 680 Düsschatten 680 D-Versuch 121 E Effusivgestein 1 Eigenfrequenz 435 Einbauklasse 362 Einbindetiefe 686 Einbringhilfe 437 Einbringwiderstand 85, 437 Einkapselung 362 Einphasen-Verfahren 416

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Einseilgreifer 384 Einstellen 429 Einsturzdoline 5 Einwirkung – charakteristische 742 – dynamische 723 – statische 723 – veränderliche 723 Einzelbrunnen 268, 280 – Leistungsfähigkeit ungespannt 280 Einzelfundament 545 Einzelkorngefüge 17 f. Einzellast, vertikale 145 Einzelpfahl 574, 614 Eisstau 976 Elastizitätsgleichung 139 Elastizitätsmodul 214, 554 Elastizitätstheorie 137 Elementwand 824 Empfindlichkeit 29 Endsetzung 38 Energieanker 853 Energiepfahl 852 Energieschlitzwand 852 Entfestigung 894, 900, 907 Entfestigungszone 926 Entlastungstollen 974 Entsandungspumpe 320 Entsorgung 361 Entspannungsbohrung 900 Entwässerung 900 Entwässerungsbohrung 841 Entwässerungsmaßnahme 774, 849 Erdbetonwand 983 Erdbrei 917 Erddruck 167, 724 – aktiver 170, 180, 183, 724 – erhöhter aktiver 725 – passiver 179, 182, 194, 724 – räumlicher 725 – verminderter, passiver 725 Erddruckaufnehmer 134, 1042 Erddruckbeiwert 171 – aktiver 184 – passiver 179, 182, 194 Erddruckkraft 167 – aktive 167 – passive 168 Erddrucklasten 641

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Erddruckmessung 134 Erddruckneigungswinkel 645 Erddruckspaten 1042 Erddruckstützung 950 Erddrucktheorie – nach Coulomb 169 – nach Rankine 180 Erddruckumlagerung 725 Erddruckverfahren 740 Erdruhedruck 192, 724 f. Erdruhedruckbeiwert 193 f. Erdruhedruckkraft 168 Erdschüttung 130 Erdwiderstand 724, 736 Erektor 935 Erfahrungswert 585 Erkundungsbohrung 61, 898 Erkundungsprogramm 60 Erkundungsstollen 898 Erkundungsverfahren 60 f., 92 Erosion 1, 253 – hydraulische 31 Erosions-Ausbläser 913 f. Erosionsgrundbruch 1003 Erosionssicherheit – innere 996, 1002 Erosionsstabilität 991 Erregerfrequenz 435 Ersatzmethode 128 Ersatzradius 270 Erschütterung 1023 Ethylbenzol 339 f., 353 Eurocode-Programm 225 Evaporit 6 Explosivchemikalie 329, 350 Ex-situ-Verfahren 361 Extensiometer 714 Extensometer 1035 – magnetischer 1036 F Fallhammer 432 Fallplattenverdichtung 467 Fangedamm 842 Faseroptische Sensoren 1039 Faulschlamm 11 Federring 71 Federringanker 1037 Federtopfmodell 158

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Fehler 1024 – grober 1024 – systematischer 1024 – zufälliger 1024 Fehlerquelle Wasserhaltung 323 – bei der Ausführung 325 – bei der Dimensionierung 324 Felduntersuchungen 633 Feldversuch 61, 127, 576 Felsgestein 899 f. – druckhaftes 924 – gebräches 921 – nachbrüchiges 919, 921 – standfestes 919, 924 Felsprobe 90 f. Felsverkleidung 847 Fernbahntunnel 869 Fertigrammpfahl 399, 586 ff. Festes Wasser 20 Festgestein 60 f., 72 f., 76, 79 Feuchtdichte 22 Filtergeschwindigkeit 29 Filtergewebe 320 Filterkiesschüttung 319 Filterkuchen 914, 916 Filterregel von Terzaghi und Peck 32 Filterrohr 94 Filterschicht 841 Findling 8 Finite-Elemente-Methode (FEM) 211, 256, 555, 707, 734, 741 Firste 872 Fissurometer 1028 Flächenlast, kreisförmige 154 Flachfuge, verlorene 422 Flachfugenelement 422 Flachgründung 545 – messtechnische Überwachung 1048 Flachprofil 429 Flachzellenfangedamm 843 Flechtzaun 776 Fließbedingung 207 Fließdruck 606 f. Fließfläche 206 Fließfunktion 207, 212 f., 216 Fließgeschwindigkeit – kritische 305 Fließgrenze 27, 106 Fließgrenzengerät 106

Fließregel 208 – assoziierte 209 – nichtassoziierte 210, 215 Fließspannung 206 Flinz 8 Flinzlehm 8 Flockengefüge 18 Flügelmeißel 75 Flügelscherversuch siehe Flügelsondierung Flügelsondierung 132 Flussdeich 966, 994 Flüssigkeitsspiegel 689 Flüssigkeitsstützung 914 f., 950 Flutmulde 974 Flutpolder 974 FMI (Fräs-Misch-Injektion)-Verfahren 984 f. – Eigenschaften 986 Forchheimer 268 Formänderungsverhalten 198 Fragmentenverfahren 311 Franki 588 Frankipfahl 589, 592 Freibord 975 f. Freibordberechnung 976 Freies Porenwasser 19 Freifallhammer 430 Freisetzungsmechanismus 361 Frequenz 431, 434 Frostempfindlichkeit 10 Frosterhaltungsphase 931 Frostkörper 931 Frostsicherheit 321 Fugenelement 421 Fugenerosion 1005 Fugenmessgerät 1028 Fundamentplatte 545 Fundamentrost 545 FUNDEX-Pfahl 401 Funnel and Gate 364 Fußaufweitung 589 Fußverpressung 439, 598 Futtermauer 780 G Gabionen für Stützmauer 795 Galerie 847 Gasaustritt 901

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Gasometer-Ausbläser 913 f. Gebirge 873, 895 Gebirgsklasse 902 Gebirgstragring 894, 900, 925 Gebrauchstauglichkeit 254, 581 f., 598, 602, 614, 998, 1005 – Grenzzustand 747 – Nachweis 738 Gebundenes Wasser 19 Gefährdungsabschätzung 337, 339, 344, 355 f., 358 f. Gefährdungsbild 899 f. Gefälle, hydraulisches 729 Gefrierschirm 931 Gefüge 60 Gefügekompass 12 Gegengleitfläche 183 Gehölz, Ausnahmeregelung 1008 Geländebruch 734 – Nachweis 734 Geländeneigungswinkel 169 Genauigkeit 1024 f. Genehmigung Genehmigung unternehmensinterne (UIG) 878 Geografisches Informationssystem (GIS) 1015, 1051 Geoinformationssystem 1052 Geologie 1 Geophysik 89, siehe auch Bohrlochgeophysik und Oberflächengeophysik Geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD) – Bentonitmatten 981 Geotechnische Kategorien 631 Geotechnischer Bericht 637 Gesamtscherfestigkeit 48 f. Gesamtstandsicherheit 999 – Grenzzustand 746 Gesamtsysteme 650 Geschiebelehm 8 Geschiebemergel 8 Gestängependel 1034 Gewässer 283 Gewässer, offene 283 Gewichtslot 1034 Gewichtsmauer 793 Gips 6 Gitterrost 847

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Gitterträger 923 Gleissicherungssystem 894 Gleitbahn 893 Gleitblockmethode, direkte 766 Gleitfläche, böschungsparallele 756 Gleitkreisberechnung 1000 Gleitlinie – gerade 754 – kreisförmige 758 – nicht kreisförmige 763 Gleitmikrometer 1035 Gleitsicherheit 563 – Nachweis 731 Gleitsicherung 893 Gleitwiderstand 731 Gneis 2, 7, 12 Gradient – geothermischer 2 – hydraulischer 996 Granit 1, 6 Granitgrus 6 Granulatdrain 451, 454 Greiferbohrverfahren 384 Grenzschubkraft 791 Grenzwert 1044 Grenzzustand 602, 998 – der Gebrauchstauglichkeit 226 – der Tragfähigkeit 226 Gripper 919, 921 Größe – abgeleitete 1023 – direkte 1023 – gemessene 1019 – rückgerechnete 1023 Grundbruch 900 – hydraulischer 253, 738, 1002 Grundbruchsicherheit 564 – Nachweis 733 Grundbruchwiderstand 733 Grundmoräne 8 Grundwasser 941 f., 963 – gespanntes 262 – halbgespannt 266 Grundwasserabsenkung 261, 283 f, Grundwasserboden 10 Grundwasserentspannung – durch Überlaufbrunnen 295 – erforderliche 291 – Nachweis 296

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Grundwasserhaltung 716 Grundwassermessstelle 93, 95, 1038 Grundwassersanierung 364 Grundwasserspiegel 911, 913 Grundwasserstand 963, 1018 Grundwasserverhältnis 60, 983 Grundwasserverunreinigung 342 Gruppenwirkung 574, 614 Gurtung 668 Güteklasse 91 H Halbfestgestein 60 Hammerbohrung 62 Hangfaschine 776 Hangrutschung 734 Hangsicherung – flächenhafte 847 – örtliche 847 Hangverdübelung 828 Hangwasser 941, 942 Hardening Soil Model 220 Haubenschild 911 f., 914, 953 Hauptdeichart 967 Hauptspannung 137 – deviatorische 200 Hauptspannungsdifferenz 126 Hauptspannungsebene 137 Hauptspannungsraum 201 HDI-Schirm 930 Hebungsinjektion 491 Herausziehwiderstand 791, 839 Herausziehwiderstandskraft 789 Herstelltoleranz 1017 High-Strain 621, 624 Hilfsbrücke 877 historisch-genetische Recherche 356 f., 360 Hochdruckspüle 438 Hochmoor 10 Hochwassermauer 968 Hochwasserrückhaltebecken 972 Hochwasserschutzdeich 978 Hochwasserschutzmauer 968, 969 – Typ 968 Hochwasserschutzsystem, mobiles 970 f. Hochwasserwelle 972 Hohlbohrschneckenbohrung 62 Holzkrainerwand 810

Holzpfahl 399 Holzspundwand 424 Hookesches Gesetz 203 Horizontal Directional Drilling 955 Hydraulikhammer 431 f. Hydrojetschild 916 f. Hydroschild 916 I ideal plastisch 206 Imlochhammer 68 Imlochhammerbohren 379 Immobilisierung 362 Impedanz 622 Inclinodeformeter 1033 Injektion 500 Injektionssohlen 682 Injektionsverdübelung 832 Injektionsverfahren 501 Injektionsvernagelung 827, 832 Inklinometer 714, 1030 Inklinometermessung 1023 Innendichtung 982 f., 987 f. Innenrohr 77 In-situ-Verfahren 361 Integrität 624 Integritätsprüfung 624 Intrusivgestein 1 Isolinie 290 J Janbu, Verfahren nach 763 K Kabellichtlot 1039 Kalkstein 5 Kalktuff 11 Kalotte 872 Kalottenfuß 900 Kalottenvortrieb 900 Kampfmittel 334 Kampfstoff chemischer 334, 350, 358, 360 Kanaldiele 425 f. Kany-Tafel 152 Kaolinit 7 Kapillardruck 34 Kapillarität 33 Kapillarkohäsion 34

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Kapillarpyknometer 98 Kapillarsteighöhe 33 f. Kapillarwasser 20 Kapillarwirkung 33 Kapillarzone 33 Karre 5 Karsthöhle 5 Kartierung ingenieurgeologische 61, 88 f. Kastenfangedamm 842 f. Kategorie, geotechnische 233, 575, 745 Kaverne 872, 895, 909 Kegelfallgerät 107 f. Kern 872 Kernbohrkrone 80 Kernbohrung 61, 76, 88, 989, 993 – in Überspültechnik 68 Kerndurchmesser 77 Kernentnahmegerät 68, 76 Kernentnahmevorrichtung 67 Kernfänger 68, 79 Kernfanghülse 79 Kernmarsch 77 – Längen 78 Kernrohr 71 f., 76 Kiespumpe 385 Kippen, Nachweis gegen 562 Kippsicherheit, Nachweis 731 Klassifizierung 899 Klei 10 Kleinbohrung 61 f., 70, 89 Kleinbrunnen 264, 322 Kleinstbohrung 70 Klimazuschlag 975 Kluft 60, 873 Kluftfläche 873 Kluftgefüge 60 Klüftigkeit 77 Klüftung 12, 81 Kluftwasser 942 Knickversagen 613 Kohäsion 44, 218, 725 – effektive 44 – scheinbare 34 – undrainierte 46, 49 Kohle 11 Kolben 320 Kombinationsbeiwerte 648 Kombinationsbohrverfahren 377 Kombinationsregel 250

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Kompaktion 2 Kompensationsinjektion 900 Kompression 216 – isotrope 217 – primäre 41 – sekundäre 41 Kompressionsapparat 116 f. Kompressionsbeiwert 39 f., 118, 167, 217, 219 Kompressions-Durchlässigkeitsgerät 109 Kompressionsfähigkeit 37 Kompressionskurve 38, 118 Kompressionsmodul 139 Kompressionsparameter 39 Kompressionsversuch, eindimensionaler 116 Konglomerat 3 Konsistenz 27 Konsistenzzahl 27 f. Konsolidation, eindimensionale 38 Konsolidationsbeiwert 158, 165, 166 Konsolidationsgrad 160, 162 – nach Barron 164 Konsolidationskurve 166 Konsolidationssetzung 37 f., 41, 157, 159, 166 – eindimensionale 157 – infolge zeitabhängiger Belastung 162 Konsolidationstheorie, eindimensionale 157 Konsolidierungsverhältnis 42, 160 Kontakterosion 32, 1003 Kontamination 361 Kontaminationsprofil, branchentypischer 352 kontaminierter Standort 334, 339, 344 Kontinuitätsgesetz 265 Konvergenzband 1027 Korndichte 15, 21 f., 24 f., 99 – Bestimmung 98 Kornform 16 Korngrößengruppe 13 f. Korngrößenverteilung 13 f., 32, 55 – Bestimmung 99 Kornoberfläche spezifische 17, 27 Kornrauhigkeit 16 Kornumlagerung 438 Körnungslinie 14 Kornverteilung 275, 277

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Korrosion 442 f. Korrosionsschutzmaßnahme 408 Kraft 1021 Kraftänderung 1018 Kraftdrehkopf 65, 73 Kraftfluss 1021 Kraftmessdose, hydraulische 1042 Kraftmesszelle 1041 Kraftspülkopf 69 Kreislauf der Gesteine 1 Kreiszellenfangedamm 843 Krey/Bishop-Verfahren 762 Kriechbeiwert 41, 165 Kriechdruck 725 Krümmungszahl 15, 55 Kubatur 700 Kugeltensor 199 Kunststoffbahnenabdichtung 939 Künzelstab 86 Kurvenradius 952, 955 Kussagin 271 L Laboruntersuchung 633 Lagenkugeldiagramm 12 Lagerungsdichte 25, 48, 82, 85, 133 – Bestimmung 103 Lagesicherheit, Grenzzustand 746 Lageverschiebung 1018 Lamé’sche Konstante 139 Lamellenverfahren 759 Längenänderung 1018 Last, kreisförmige 148 Lastfall 994 Lastfiguren 642 Leichtprofil 425 f. Leitungsbau, grabenloser 948 Leitwand 418 LHKW (Leichtflüchtige halogenierter Kohlenwasserstoff) 341 f., 353 f. Lichtlot 1039 Linienlast – horizontale 146 – vertikale 145 Lisenen-Traversen-System 780 Lockergestein 7, 60 ff., 76, 899 f. Lockermaterialeinbruch 900 Lockerungsbohrung 438 Lockerungssprenge 439

Löss 9 Lösslehm 9 Lotdrahtmesssystem 1034 Low-Strain 624 Lufthebebohranlage 387 Lufthebebohrverfahren 386 Lüftung 901 Lutte 873 M Magmatit 1 Magnetsetzungslot 1036 Manschettenrohr 507 Mantelreibung 83, 578, 580, 583, 585 f., 589, 591 f., 594 ff., 605, 618 – negative 603 ff. Mantelverpressung 598 Marsch 10 Materialgesetz 198 Materialmodell 198 Materialnachweis, Unterfangungen 701 Materialtensor 211 Materialverhalten – elastisches 202 – elastoplastisches 205 Mehrfachextensometer 1035 Meißel 386 Mergel 4 Messerschild 919 Messervortrieb 919 Messgenauigkeit 1044 Messingenieur 1045 Messinstrument 1027 Messintervall 1044 Messprogramm 895 Messsystem, redundantes 1044 Messung – automatische 1044 – manuelle 1044 Messverfahren 1015 – geodätisches 1025 – geotechnisches 1026 Messzeitraum 1044 Metamorphit 1 Methode der Finiten Elemente siehe Finite-Elemente-Methode (FEM) Methode der kinematischen Elemente siehe Kinematische-ElementeMethode (KEM) 767

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mikrobiologische Reinigung 364 Mikropfahl 402, 594 – verpresster 595 Mikrotunnelbau 954 Mindesteinbindung 586, 592 Mindestfreibordhöhe 976 Mineralien – primäre 15 – sekundäre 15 f. – Zusammensetzung 15 Mineralöl-Kohlenwasserstoff 339, 353 f. MIP(Mixed-in-place)-Verfahren 655, 984, 986 – Eigenschaften 987 MIP-Wand 836, 984 Mischer 485, 510 Mischtechnik 510 Mises, R. von 207 Misstrauensgrundsatz 1078 Mitnehmerdrehtisch 72 Modellbetrachtung 283 f. Mohr’scher Spannungskreis 140 Mohr-Coulomb’scher Grenzzustand 49 Mohr-Coulomb’sches Materialmodell 212 Molassegestein 8 Monitored Natural Attenuation 364 Moor 10 Moräne 8 Mudde 11 Multi-Level Test 619 Mylonit 13 N Nachbarbauwerke 648 Nacheilen 439 f. Nachweis – geotechnischer 999 – innere Suffosion 1004 Nachweisverfahren 231, 243 Nagel 838 Nagelfluh 3 Nagelwand 799 Nassmischverfahren 524, 531 national zu bestimmender Parameter (Nationally Determined Parameter, NDP) 229 nationaler Anhang 228 Neigung 1018

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Neigungswinkel des Erddrucks 169 Netz 900 Newmark, Einflusskarte nach 156 Niederdruckspüle 438 Niedermoor 10 Nitroaromate 329, 350 f., 354 Notstromversorgung 321 Nutsondierung 70 O Oberflächendichtung 980 Oberflächenerosion 32, 998 Oberflächengeophysik 61, 88 Oberflächenkartierung 86 Oberflächenspannung 34 Off-site-Verfahren 361 Oktaederebene 200 Oktaeder-Normalspannung 200 Oktaeder-Schubspannung 200 On-site-Verfahren 361 Ortbetonrammpfahl 400, 588 Ortsbrust 873 Ortsbrustinstabilität 900 Ortsbruststützung 903, 910 – mechanische 911, 915 Osterberg-Verfahren 619 P Packeranker 1037 PAK (Polycyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff 343 ff., 353 f., 363 Palisadentheorie 831 PCB (Polychlorierte Biphenyle) 347 f., 353 f. – technische 347 – thermische 348 Pegel 1038 Pegelrohr 1038 Pegelschreiber 94 Pendel 1034 Permafrost 9 Pfahlfußwiderstand 578, 589 Pfahlgründung, messtechnische Überwachung 1048 Pfahlgruppe 574, 614 Pfahlkopfsetzung 592, 598 Pfahlmantelwiderstand 578 Pfahl-Plattengründung – kombinierte 574

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Pfahlprobebelastung 595, 612 – dynamische 621 – statische 583 – statische axiale 618 Pfahlrost 574 Pfahlsetzung 578 Pfahltragfähigkeit – äußere 577 – innere 577 – Korrelation 575 Pfählwand – aufgelöste tangierende 826 – überschnittene 826 PFT (Perfluorierte Tenside) 349, 351 f. Piezometer 132, 1038 Piping 253 Piping-Effekt 1005 Plastizitätskarte 52, 54 Plastizitätszahl 27, 49 Plattendruckversuch 130 – dynamischer 132 – statischer 130 Plutonit 1 Poissonzahl 214, 218 Polderdeich 967 Porenanteil 23 ff. – wassergefüllter 23 ff. Porenanzahl 24 Porenluft 21 Porenwasser 19 Porenwasserdruck 1017, 1022 Porenwasserdruckaufnehmer 83 Porenwasserdruckgeber 132 Porenwasserdruckmessung 132 Porenwasserüberdruck 37, 162, 583 Porenzahl 22 f., 25 – wassergefüllte 23 ff. Potentialfunktion 209, 215 – plastische 212 Potenzial, plastisches 209 Potenzialfläche plastische 209 Präzision 1025 Presse 435 – freireitende 436, 441 – freischreitende 436 – hydraulische 894, 919, 950 Pressen 429 Pressenwiderlager 893, 951, 954 Primärsetzung 157

Prinzip – der totalen Spannungen 37 – in den Eurocodes 226 Probe 60 Probebelastung 618 – dynamische 580, 583 – statische 580, 585 – statische, Pfahlachse 620 Probeentnahme siehe Probenahme Probenahme 90 Proctordichte 36, 1010 Proctorgerät 115 Proctorkurve 34 f., 114 f. Proctorversuch 114 Prozess – endogener 1 – exogener 1 Pumpe 487, 510 Pumpensumpf 264 Pumpversuch 277 f. – raum-zeitlich 278 Punkt – neutraler 603 f. – ungünstigster 287 PVC-Liner 67, 77 Q Qualitätskontrolle im Deichbau 1008 Qualitätssicherung 1017 Qualmwasser 978 Quartär 7 Quelldruck 901 Quellkalk 11 Quelltuff 11 Querdehnzahl 554 Querwände 666 Quickton 11 R Rahmenschergerät 119 Rahmenscherversuch 119 Rahmenvorschub 893 Rammbär 432 Rammbohren 378 Rammbohrkern 68 Rammhaube 429 Rammkernbohrung 61, 67, 89 Rammsondierung 61, 85, 89, 127, 993 Rankine-Fall 185

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Rapid-Load-Test 621, 623 Rauhwacke 6 Raumgitter-Stützkonstruktion 809 Raupencarrier 72 Reibungswinkel Reibungswinkel 44, 47 f., 218, 725 – effektiver 44 Reichweite der Absenkung 270 Restreibungswinkel 47 f. Restscherfestigkeit 44, 46 Restwasserentnahme 312 Restwasserhaltung 261, 310 Restwassermenge, Verbau 310 Riefenbau 776 Ringschluss 894, 900, 905 Ringspalt 69, 76, 873, 911, 950 Ringspaltdichtung 950 Ringspaltverpressung 935 RI-Pfähle 678 Rippenwand 822 Ripper 909 Risikozuweisungen 1082 Rohrdrehmaschine 62 Rohrdrehtisch 64 f. Rohrinjektionsschirm 929 Rohrschirm 929 Rohrvortrieb 917 Rollenmeißel 75, 911 – Disken 919 Rollkies 9 Rotarybohrung 72, 89 Rückhaltebecken 973 – Hauptschluss 972 – Nebenschluss 972 Rückstaudeich 967 Ruhedruckkraft 168 Ruschelzone 13 Rutschhang, messtechnische Überwachung 1050 Rütteldruckverdichtung 456 Rütteldruckverfahren 459 Rüttelinjektionspfahl 402, 594 f. Rütteln 429, 433 Rüttelstopfsäule 953 Rüttelstopfverdichtung 457 Rüttelstopfverfahren 461 Rütteltischverfahren 104

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S Saite, schwingende 1039 Salzdiapir 6 Salzstock 6 Sandlinse 900 Sandstein 3 – lithischer 3 Sanierung 360 Sanierungsplanung 361 Sanierungsverfahren 329, 342, 348, 359 f. Sättigungsgrad 23 Sättigungslinie 35 Sättigungszahl 25 Saugspannung 34 S-Bahn 863, 868 Schacht 872 Schachtbrunnen 264, 317, 320 Schadensersatzansprüche 1073 Schadensfunktion 974 Schalentragwerk 848 Schallabstrahlung 1023 Scheibe 831 Scherfestigkeit 43 f. – effektive 44 – konsolidierte, undrainierte 46 – undrainierte 46 Schichtenwasser 941 f. Schichtfläche 873 Schichtmächtigkeit 81 Schichtung 12 Schieferung 2, 7, 12 Schieferungsfläche 873 Schiefstellung 1018 Schifffahrttunnel 863 Schildmantel 910, 919 Schildmaschine 902, 910 Schildschwanzdichtung 913 Schild-TBM 921 Schildvortrieb 940 Schirminjektion 929 Schlagbär 430, 441 Schlaggabelverfahren 104 Schlagrammen 429 Schlagzahl 86, 431 Schlagzerstäubung 430 f. Schlauchwaage 1029 Schlick 10 Schlitzwand 412, 660, 876

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Schlitzwandfräse 415 Schlitzwandgreifer 414 – hydraulischer 415 Schlitzwandmeißel 416 Schlossdichtung 441 Schlosssprengung 441 Schlossverfüllung 441 Schluff 18 Schmalwand 987 – Eigenschaften 988 Schmelzwasserkies 9 Schneckenbohrung 382 Schneckenortbetonpfahl 393 Schneiden 893 f. Schneidrad 910, 915 f. Schnellschlaghammer 431 f., 441 Schnittkräfte 687 Schöpfwerk 964 Schotterterrasse 10 Schrämkopf 907 f. Schraubbohrpfahl 593 Schrumpfgrenze 27 Schurf 61, 80 f., 89 Schuttern 873 Schutzgrad 974 Schutzsystem 961 Schwellbeiwert 39 f., 217, 219 Schwerkraftbrunnen 318 Schwermetall 339, 345 f., 362 f. Schwinggeschwindigkeit 1022 Sedimentation 1, 100 Sedimentationsbecken 75 Sedimentgestein 1, 11 Sedimentprobe 68 Seekreide 10 Seilkernrohr 79 Seilkernverfahren 77 Seitendruck 606 f. Seitendruckbeiwert 144, 219 Seitendrucksondierung 133 Sekantenmodul 214 Sekundärsetzung 41, 157, 165 Separationsanlage 914 Setzung 582, 615, 900, 910 f., 915, 919, 950 – differentielle 1018 – kollapsartige 9 – zeitabhängige 622 Setzungsbiegung 610

Setzungsverhalten 130 Sichardt 280 Sicherheit – gegen Herausziehen der Bodennägel, Nachweis 800 – gegen Materialversagen der Bodennägel, Nachweis 800 – globale 742 Sicherheitsdefinition nach Fellenius 751 Sicherheitskonzept, globales 742 Sicherheitszuschlag 976 Sicherung 361 – vorauseilende 902, 904, 927 Sicherungsablaufplan, Messergebnisse 712 Sicherungsmaßnahme ingenieurbiologische 775 Sicherungsmittel 894 f., 919, 923 – vorauseilende 900 Sickerlinie 996 Sickerlinienverlauf 998 Sickerschlitz 305 ff. Sickerstränge 305 Sickerwasser 978 – Austritt von 1011 – klares 1011 – trübes 1011 Sickerweg, Vermeidung 973 Siebung 99 Signalgeber 441 Silodruck 725 Silotheorie 812 Simplex 588 Single-Level Test 619 Sinterkalk 11 Slurry-Shield 915 f, Sofortsetzung 157 soft soil model 216 Sohle 872 Sohlen aus Zementsuspension 714 Sohlplatte 559 Sole-Vereisung 931 f. Solifluktion 9 Sonderprobe 64 f. Sondierspitze 83 Spaltbarkeit 12 Spannbetonfertigpfahl 400 Spannbetonspundwand 425

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Spannung 1017, 1021 – effektive 37 – in geschichtetem Baugrund 144 – infolge Eigengewicht 142 – infolge von Lasten 145 – totale 37 – wirksame 37 Spannungs-Cut off 741 Spannungsdeviator 200 Spannungsermittlung 142 Spannungstensor, deviatorischer 200 Spannungstrapezverfahren 549 Spannungsumlagerung 894 Spannungsverteilung 1021 Spannungsverteilung Messsgerät 1028 Spannungszustand, ebener 140 Spannverfahren 411 Spieß 928 Spitzendruck 578 f., 580, 592, 597, 618 Spitzenwiderstand 83, 586, 588, 593 f. Spreizspannung 1001 Sprengbild 906 f. Sprengen 905 f. sprengstofftypische Verbindung 329, 350 Sprengvortrieb 905 Spritzbeton 900, 923, 927, 934 Spritzbetonbauweise (SBW) 894, 939 Spritzbetonsicherung 847 SPT-Test 133 SPT-Wert 133 Spülbohrung 62 Spülbohrverfahren 376 Spülfilter 301 Spüllanze 438 Spülung 68, 74 Spülungsverlust 74 Spülungszusatz 73 Spundbohle 832 – kaltgeformte 425 – warmgewalzte 425 Spundwand 659, 876, 883, 886, 988 f. – Eigenschaften 988 – kombinierte 428 – wellenförmige 426 Spundwandpresse – freireitende 435 – freischreitende 435 – mäklergeführte 435

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Spundwandtafel 437 Spundwandumströmung 284 Stabilbauweise 776 Stabwand 834 Stadt-Bahn 863, 868 Stagnationsgradient 29 Stahlbetonfertigpfahl 399 Stahlbetonfertigteil 422 Stahlbetonwand 425 Stahlfaserspritzbeton 923 Stahlpfahl 399 Standort – kontaminationsverdächtiger 356 – kontaminierter 355 Standsicherheit – äußere 730 – innere 730 – lokale 1001 Standsicherheitsberechnung 994 Standsicherheitsnachweis 992 Standsicherheitsuntersuchung 992 Stangenextensometer 1035 Startbaugrube 893 Startpunkt 948 statischer Moment 433 Statnamic-Verfahren 621 Stauchung 1021 Stauhaltungsdamm 966, 994 f. Stauwasser 941 f. Stehzeit 899, 901, 905, 927 Steifemodul 38 ff., 553 Steifemodulverfahren 552 Steifen 669, 876 Steifigkeitsmatrix 204, 211 Steiggeschwindigkeit 73 Steinfuß 846 Steinsalz 6 Steinschüttung 130 Steinstützkörper 846 Steinstützrippe 846 Steinvorsatz 846 Steuerung, elektrische 322 Stickstoff-Vereisung 931 f. Stoffgesetz 198 Stollen 872 Störung 12, 60, 873 Störungsfläche 873 Störungsgefüge 60, 81 Störungszone 12

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Straßentunnel 863, 869, 882 Streifendrains 450 Streifenfundament 545 Streifenlast, vertikale 147 Streuungsfaktor 581, 583 f. Strömungsdruck 728 Strömungskraft 31 – spezifische 31 Strosse 872 Strossenabbau 900 Stützbauwerk 723 Stützdruck 900, 917 Stützdruckverlust 916 Stützflüssigkeit 914 f., 419 Stützmauer 723 Stützscheibe 827 Stützsohlen 672, 694 Stützung – mechanische 912, 950 Stützwand 723 Stützbauwerk – flach gegründetes 723 – tief gegründetes 723, 826 Stützkonstruktion – aufgelöste 846 – Entwässerungseinrichtung 841 – Erdwärmenutzung 852 – geokunststoffbewehrte 721, 786 – Nachgiebigkeit 726 – sonstige 723 Subrosion 5 Suffosion 32 f., 1003 Suspension 914, 916 Suspensionsverlust siehe Stützbruchverlust Systemankerung 925 f. T Tagbruch 900 Tauchkörperpumpe 321 f. Tauchwägung 97 TBM siehe Tunnelbohrmaschine Teilausbruch 904 f. Teilflächenabbau 903, siehe auch Teilausbruch Teilschnitt 915 Teilschnittmaschine (TSM) 905, 907 Teilsicherheitsbeiwert 246, 747 Teilsicherheitsfaktor 742

Teilsicherheitskonzept 742, 994 Teilverdrängerbohrschnecke 394 Teilverdrängungsbohrpfahl 593 Teilverrohrung 392 Teleskopieren 62, 64 Teleskopschild 921 Temperatur 1022 Temperaturänderung 1018 Tensor, konstruktiver 211 Tertiär 7 Thixschild 916 tiefe Gleitfuge, Nachweis 736 Tiefenprofil 84, 88 Tiefenrüttelverfahren 456 Tiefenrüttler 458, 465 Tieflöffel 414 Toluol 339 f., 353 Tonböden 18 Tondichtungsbahn Kennwert 982 Tonschiefer 12 Tonstein 4 Torf 11 Totmannkonstruktion 838 Tragbohle 428 Trägerbohlwand 651, 875 Trägerrost 847 Tragfähigkeit 130, 581, 602, 611, 998 – Grenzzustand 745 – Nachweis 731 Transportmechanismus 361 Travertin 11 Trennfläche 12, 76, 873, 898 f. – Abstände 12 – Durchtrennungsgrad 12 – Orientierung 12, 898 – Rauhigkeit 12 Triaxialgerät 122 Triaxialversuch 121 – dränierter 121 – konsolidierter, undränierter 121, 124, 126 – unkonsolidierter, undränierter 121, 127 TRIVEC 1035 Trockenbohrung 61 f., 89 Trockenbohrverfahren 375 Trockendichte 22, 24 f., 98, 105 – maximale 35 Trockenmauer 793

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Trockenmischverfahren 522, 529 Trockenwichte 24 Trogbaugruben 629 Trogwassermenge 313 – thermische Behandlung 363 Tübbing 873, 904, 934, 940 Tuff 11 Tunnel, messtechnische Überwachung 1049 Tunnelabdichtung 936 Tunnelbau – offene Bauweise 939 – untertägiger 938, 941 Tunnelbohrmaschine (TBM) 902 f., 909 f. Tunnel-Großprojekt 866 Tunnelvortriebsmaschine 909 f. U U-Bahn 863, 868 Überdeckung 872, 900, 915, 929 Überkonsolidation 8 Überkonsolidationsdruck 42 Überlagerung 872 Überlagerungsbohren 380 Überschnitt 873, 908, 911, 935, 950 Überspültechnik 68 Überströmen 1011 Überströmungsquerschnitt 991 U-Bohle 426 Ulme 872 Ultraschall-Integritätsprüfung 625 Ultraschallprüfung 624 Umlagerung 642 Umweltinformationssystem 1051 Umweltrelevanz 346 Ungleichförmigkeitszahl 14, 32, 55 Universalschild 918 Unterdruckraum 297 Unterfangung 663, 698, 900 Unterschungsstollen siehe Erkundungsstollen Unterströmung 966 Untersuchungsprogramm, geotechnisches 963, 994 Untersuchungsumfang 630 Unterwasserbeton 885 Unterwasserbetonsohlen 677

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Unterwasserpumpe 263, 321 Unvollkommenheit, Brunnen 272 UU-Versuch 121 V Vakuumbeaufschlagung 263, 297, 321 – Luftbedarf 300 Vakuumpumpe 263 Vakuumwasserhaltung 300 – durch Kleinbrunnen 300 VDW-Verfahren 395 Ventilbohrer 67 Ventilrohr 494 verankerte Stützkonstruktion, Nachweis 736 Verankerung 838, 876 Verbauträger 652 Verbauumströmung 311 Verbundwand 427 Verdichtung 34 Verdichtungseigenschaften 34 Verdichtungserddruck 725 Verdichtungsfähigkeit 34 Verdichtungsgrad 37, 116, 1010 Verdichtungsinjektion 483 Verdichtungskurve 34 f. Verdichtungsparameter 36 Verdichtungsprüfung 1009 Verdrängungspfahl 399 Verdrehung 1020 Verfahren – der faktorisierten Scherparameter 242 – graphisches, nach Culmann 177 – lamellenfreies 754 – mit faktorisierten Einwirkungen und Widerständen 242 – mit inneren Gleitlinien 765 – nach Janbu 763 – nach Kranz 737 – numerisches 741 Verfestigung 206 Verfestigungsgrad 160 Verfestigungsparameter 207, 221 Verfestigungsregel 210 Verformbarkeit 130 Verformung 1010, 1012, 1017, 1021 Verformungsmodul 130, 132 Verformungszustand, ebener 140 Vergleichsspannung 207

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Vergütung 1073 Verhältniswert EV2/EV1 1010 Verkarstung 5 Verkehrsinformationssystem 1051 Verkehrslast 965 Verkehrstunnel 866 f. Verlust der Lagesicherheit 251 Verpressanker 405, 670, 838 Verpresslanze 438 Verpressmörtelpfahl 402, 594 f. Verpresspfahl 594 Verpresstechnik 495 Verrohrung 68 Versagen des Erdwiderlagers, Nachweis 736 Versagen von Bauwerken und Bauteilen, Grenzzustand 746 Versagensart 995 Versagensmechanismus 965 Verschiebung 1017 f., 1020 Versickerung 314 – Bohrbrunnen 315 – Erdbecken 318 – Schachtbrunnen 317 Versinken von Bauteilen, Nachweis 736 Vertikaldrain 447 f., 452 Verwerfung 12 Verwitterung 1 – chemische 7 – physikalische 7 Verwitterungszone 60, 76 Verzugsblech 923, 927 Vibrationsbär siehe Vibrator Vibrator 433, 441 – resonanzfreier 435 Vibrieren 429, 433 Vollausbruch 904 f. Vollbohrkrone 75 Volldeich 967 Vollschnitt 915 Vollschnittabbau 903, siehe auch Vollausbruch Vollverdrängungsbohrpfahl 593 Volumenelement, Spannungen 137 Vorbohrung 84, 132 Voreilen 439 f. Vorerkundung – geologische 896 f. – geotechnische 898

Vorkonsolidationsdruck 42 Vorpfändblech 927 Vorratssilo 510 Vortrieb 904 – universeller 902 f. Vortriebsart 894 Vortriebsklasse 902 Vulkanit 1 W Wabengefüge 18 Wandreibungswinkel 169, 725 Wandstützungen 668 Wandsysteme 650 Warventon 8 Wasser, gespanntes 900 Wasseraggressivität 898, 949 Wasserandrang 898 Wasserdruck 728 Wasserdruckaufnehmer 1038 Wasserdruckverhältnis 996 Wasserdurchlässigkeit 29, 898 Wasserdurchlässigkeitsversuch 108 Wassereinbruch 901 Wassergehalt 22 f., 96 – Bestimmung 95 – optimaler 35 f. Wasserhaltung – geschlossene 263 – offene 263, 299, 301, 314 Wasserinformationssystem 1051 Wasserstand 94 Weber, Reichweitenkorrektur 271 Weiterverwertung 361 Wellenauflauf 976 Wellentheorie, eindimensionale 622 Werkstoff, ideal elastoplastischer 206 Werkzeugbesatz 911 Wert charakteristischer 235, 742 Wesentliche Beweisregeln 1080 Weyrauch, Wassermengenermittlung 271 Wichte 725 Wichte des Bodens 24 Widerlager 894 Widerstand 723 – Boden 724 – charakteristischer 742 – Fels 724

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Widerstands-Setzungs-Linie 578, 581 f., 586, 614 Wiederbelastung 130 Wiederbelastungsbeiwert 39 Wiederkehrintervall 975 Windstau 976 Winkel 48 f. Winkelstützmauer 797 Wirtschaftlichkeit der Wasserhaltung 327 Wurzelschutzfolie 980 X Xenobiotika 349, 351 Xylol 339 f., 353 Y Young’s Modulus 214

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Z Z-Bohle 426 Zeitsetzung 40 f., 157 Zeitvariable 159 f. Zellendolomit 6 Zellenfangedamm 842 Zellenkalk 6 Zerrung 1021 Ziehgerät 72 Zielgrube 948 Zugfestigkeit 43 – des Bodens 213 Zugpfahl 595, 612 Zugpfahlgruppe 616 Zusammendrückbarkeit 37 Zustandskenngrößen 25 Zustimmung im Einzelfall (ZIE) 878 Zweiphasen-Verfahren 416 Zweiseilgreifer 384 Zwischenbohle 428 Zwischenpressstation 951