Handbuch Maschinenbau: Grundlagen und Anwendungen der Maschinenbau-Technik [24., überarbeitete und erweiterte Auflage] 3658302720, 9783658302726, 9783658302733

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Handbuch Maschinenbau: Grundlagen und Anwendungen der Maschinenbau-Technik [24., überarbeitete und erweiterte Auflage]
 3658302720, 9783658302726, 9783658302733

Table of contents :
Vorwort zur 24. Auflage
Inhaltsverzeichnis
I Mathematik
1 Grundlagen
1.1 Mengen
1.2 Aussageformen und logische Zeichen
1.3 Indizes, Summenzeichen, Produktzeichen
1.4 Einteilung der Zahlen
1.5 Komplexe Zahlen
1.6 Matrizen und Determinanten
2 Funktionen
2.1 Definition und Darstellungen von Funktionen
2.2 Verhalten von Funktionen
2.3 Einteilung der elementaren Funktionen
2.4 Ganze rationale Funktionen
2.5 Gebrochene rationale Funktionen
2.6 Irrationale Funktionen
2.7 Transzendente Funktionen
3 Trigonometrie
3.1 Definition der trigonometrischen Funktionen
3.2 Trigonometrische Funktionen für beliebige Winkel
3.3 Beziehungen für den gleichen Winkel
3.4 Graphen der trigonometrischen Funktionen
3.5 Sinussatz und Kosinussatz
3.6 Arkusfunktionen
4 Analytische Geometrie
4.1 Koordinatensysteme
4.2 Geraden
4.3 Kreise
4.4 Kugeln
4.5 Kegelschnitte
4.6 Vektoren
5 Differential- und Integralrechnung
5.1 Folgen
5.2 Reihen
5.3 Grenzwerte von Funktionen
5.4 Ableitung einer Funktion
5.5 Integralrechnung
6 Gewöhnliche Differentialgleichungen
6.1 Gewöhnliche Differentialgleichungen n-ter Ordnung
6.2 Lösungen einer gewöhnlichen Differentialgleichung
6.3 Anfangswert- und Randwertprobleme
6.4 Explizite gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung
6.5 Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung
6.6 Variation der Konstanten
6.7 Bestimmung einer partikulären Lösung
Anhang
II Naturwissenschaftliche Grundlagen
7 Physik
7.1 Physikalische Größen und Einheiten
7.2 Gleichgewicht
7.3 Mechanische Schwingungen
7.4 Mechanische Wellen
7.5 Akustik
7.6 Optik
Literatur
8 Chemie
8.1 Stoffe
8.2 Aufbau der Materie
8.3 Periodensystem der Elemente (PSE)
8.4 Chemische Bindung
8.5 Chemische Reaktionen
8.6 Säuren und Basen
8.7 Fällungen und Wasserhärte
8.8 Elektrochemie
8.9 Organische Chemie
III Technische Mechanik
9 Statik starrer Körper in der Ebene
9.1 Grundlagen
9.2 Zusammensetzen, Zerlegen und Gleichgewicht von Kräften in der Ebene
9.3 Schwerpunkt (Massenmittelpunkt)
9.4 Guldin'sche Regeln
9.5 Standsicherheit, Gleichgewichtslagen
9.6 Statik der ebenen Fachwerke
9.7 Reibung
10 Dynamik
10.1 Bewegungslehre (Kinematik)
10.2 Mechanische Arbeit und Leistung, Wirkungsgrad, Übersetzung
10.3 Dynamik der Verschiebebewegung (Translation) des starren Körpers
10.4 Dynamik der Drehung (Rotation) des starren Körpers
10.5 Gegenüberstellung der Gesetze für Drehung und Verschiebung
10.6 Gerader zentrischer Stoß
Literatur zur Dynamik
11 Festigkeitslehre
11.1 Allgemeines
11.2 Beanspruchungsarten
11.3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
11.4 Beanspruchung bei Berührung zweier Körper
12 Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik
12.1 Hydrostatik
12.2 Hydrodynamik
12.3 Gasdynamik
Literatur zur Dynamik
Anhang
IV Werkstofftechnik
13 Werkstoffliche Grundlagen
13.1 Allgemeines
14 Metalle
14.1 Struktur der Metalle und Legierungen
14.2 Eigenschaften und Verhalten der Metallgitter
14.3 Verhalten bei höheren Temperaturen
14.4 Zweistofflegierungen (binäre Legierungen)
14.5 Kristall- und Gefügeveränderungen
15 Eisenwerkstoffe
15.1 Stahlerzeugung
15.2 Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm
15.3 Stahlsorten
15.4 Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoffe
15.5 Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern
16 Nichteisenmetalle
16.1 Bezeichnung der NE-Metalle
16.2 Aluminium und Al-Legierungen
16.3 Kupfer
16.4 Titan
16.5 Magnesium
16.6 Nickel
16.7 Blei
16.8 Zink
16.9 Zinn
17 Kunststoffe (Polymere)
17.1 Herstellungsweg und wichtige Begriffe
17.2 Struktur der Polymere
17.3 Duroplastische Kunststoffe
17.4 Thermoplastische Kunststoffe
17.5 Elastomere
18 Werkstoffe besonderer Herstellungsart
18.1 Pulvermetallurgie
18.2 Keramische Werkstoffe
18.3 Verbundwerkstoffe
18.4 Druckgusswerkstoffe
19 Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen
19.1 Korrosion
19.2 Tribologie
19.3 Verschleiß
19.4 Lager- und Gleitwerkstoffe
19.5 Beschichtungen und Schichtwerkstoffe
20 Werkstoffprüfung
20.1 Prüfung der Härte
20.2 Zugversuch (DIN EN ISO 6892-1/14 Prüfverfahren für Raumtemperatur)
20.3 Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN ISO 148/11)
20.4 Prüfung der Festigkeit bei höheren Temperaturen
20.5 Untersuchung von Verarbeitungseigenschaften
20.6 Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung
Normen (Auswahl) und Richtlinien
Literaturhinweise, Informationsquellen
Anhang
V Thermodynamik
21 Grundbegriffe
21.1 Temperatur
21.2 Druck
21.3 Volumen
21.4 Spezifische Wärmekapazität
21.5 Wärmeausdehnung
21.6 Aggregatzustände
Literaturhinweise, Informationsquellen
22 Energien und Prozesse
22.1 Thermodynamisches System
22.2 Innere Energie
22.3 Wärme
22.4 Arbeit
22.5 Dissipationsenergie
22.6 Erster Hauptsatz
22.7 Kreisprozesse
22.8 Thermischer Wirkungsgrad
22.9 Zweiter Hauptsatz
22.10 Entropie
22.11 Exergie und Anergie
23 Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten
23.1 Thermische Zustandsgleichung
23.2 Zustandsänderungen
23.3 Isochore Zustandsänderung
23.4 Isobare Zustandsänderung
23.5 Isotherme Zustandsänderung
23.6 Isentrope Zustandsänderung
23.7 Polytrope Zustandsänderung
23.8 Carnot-Prozess; Diesel-Prozess
23.9 Beispiele für Zustandsdiagramme von Gasen und Flüssigkeiten: Das T,s-Diagramm und das lgp,h-Diagramm
23.10 Drosselung
23.11 Mischungen idealer Gase
24 Wärmeübertragung
24.1 Allgemeines
24.2 Wärmeleitung
24.3 Wärmeübergang (Wärmekonvektion)
24.4 Wärmedurchgang
24.5 Wärmestrahlung
DIN-Normen
Literaturhinweise, Informationsquellen
25 Verbrennung
25.1 Brennstoffe
25.2 Technische Gesichtspunkte der Verbrennung
25.3 Brennwert und Heizwert
Literaturhinweise, Informationsquellen
Anhang
VI Elektrotechnik
26 Einführung und Grundlagen
26.1 Einführung
26.2 Elektrische Grundphänomene
26.3 Elektromagnetische Kräfte
26.4 Weitere Stromarten
26.5 Energie und Arbeit
26.6 Leistung und Wirkungsgrad
26.7 Grundschaltungen
27 Anwendungen
27.1 Übersicht über Bauelemente
27.2 Motor/Generator
27.3 Übersicht über gebräuchliche Aktoren
27.4 Leistungselektronik
27.5 Elektrische Antriebstechnik
27.6 Verteilung elektrischer Energie
28 Sicherheit
28.1 Netzformen
28.2 Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen
28.3 Überstrom-Schutzeinrichtungen
28.4 Weitere Schutzeinrichtungen
28.5 Gefährliche Körperströme
Anhang
Literaturhinweise, Informationsquellen
VII Grundlagen der Mechatronik
29 Einleitung
29.1 Begriffsbildung
29.2 Mechatroniker
29.3 Mechatronische Systeme
29.4 Wann ist der Einsatz von Mechatronik sinnvoll?
29.5 Unterschiede zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik
30 Modellbildung und Simulation
30.1 Verfahren der Modellbildung
30.2 Modelle mechanischer Systeme
30.3 Modelle elektrischer Systeme
30.4 Simulation
31 Sensoren und Aktoren
31.1 Sensoren
31.2 Aktoren
32 Entwicklung eines mechatronischen Systems
Literaturhinweise, Informationsquellen
VIII Maschinenelemente
33 Einführung in die Konstruktionsmethodik
33.1 Einordnung des konstruktiven Entwicklungsprozesses in den Produktlebenszyklus
33.2 Grundlagen
33.3 Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses
33.4 Gestaltungshinweise zu bestimmten Forderungen
Literaturhinweise, Informationsquellen
34 Normzahlen, Toleranzen, Passungen
34.1 Normzahlen
34.2 ISO-Passungen
34.3 Maßtoleranzen
34.4 Eintragen von Toleranzen in Zeichnungen
34.5 Verwendungsbeispiele für Passungen
Normen (Auswahl) und Richtlinien
35 Stoffschlüssige Verbindungen
35.1 Klebverbindungen
35.2 Schweißverbindungen
Normen (Auswahl) und Richtlinien
Literaturhinweise, Informationsquellen
36 Nietverbindungen
36.1 Allgemeines
36.2 Nietformen
36.3 Nietwerkstoffe
36.4 Herstellen der Nietverbindungen
36.5 Verbindungsarten, Schnittigkeit
36.6 Nietverbindungen im Stahlbau
Normen (Auswahl) und Richtlinien
37 Schraubenverbindungen
37.1 Allgemeines
37.2 Gewinde
37.3 Schrauben und Muttern
37.4 Schraubensicherungen
37.5 Scheiben
37.6 Berechnung von Befestigungsschrauben
37.7 Berechnung der Bewegungsschrauben
Normen (Auswahl) und Richtlinien
Literaturhinweise, Informationsquellen
38 Bolzen, Stiftverbindungen, Sicherungselemente
38.1 Allgemeines
38.2 Bolzen
38.3 Stifte
38.4 Bolzensicherungen
38.5 Gestaltung der Bolzen- und Stiftverbindungen
Normen (Auswahl) und Richtlinien
39 Federn
39.1 Allgemeines
39.2 Kenngrößen an Federn
39.3 Federwerkstoffe
39.4 Zug- und druckbeanspruchte Metallfedern
39.5 Biegebeanspruchte Metallfedern
39.6 Drehbeanspruchte Metallfedern
Normen (Auswahl) und Richtlinien
40 Achsen, Wellen, Zapfen
40.1 Allgemeines
40.2 Werkstoffe, Normen
40.3 Berechnung der Achsen
40.4 Berechnung der Wellen
40.5 Auszuführende Achsen- und Wellendurchmesser
40.6 Berechnung der Zapfen
40.7 Gestaltung
40.8 Tragfähigkeit für Wellen und Achsen
Normen (Auswahl) und Richtlinien
41 Nabenverbindungen
41.1 Übersicht
41.2 Zylindrische Pressverbände
41.3 Keglige Pressverbände (Kegelsitzverbindungen)
41.4 Klemmsitzverbindungen
41.5 Keilsitzverbindungen
41.6 Ringfederspannverbindungen
41.7 Längsstiftverbindung
41.8 Querstiftverbindung
41.9 Passfederverbindungen (Nachrechnung)
41.10 Keilwellenverbindung
Normen (Auswahl) und Richtlinien
42 Kupplungen
42.1 Allgemeines
42.2 Feste Kupplungen
42.3 Bewegliche, unelastische Kupplungen
42.4 Elastische Kupplungen
42.5 Schaltkupplungen
Normen (Auswahl) und Richtlinien
43 Lager
43.1 Allgemeines
43.2 Wälzlager
43.3 Gleitlager
Normen (Auswahl) und Richtlinien
44 Zahnräder
44.1 Allgemeines
44.2 Verzahnungsgesetz
44.3 Begriffe, allgemeine Verzahnungsmaße
44.4 Verzahnungsarten
44.5 Geradstirnräder
44.6 Schrägstirnräder
44.7 Kegelräder
44.8 Schneckengetriebe
44.9 Gestaltung der Zahnräder aus Metall
44.10 Schmierung der Zahnradgetriebe
44.11 Zahnräder aus Kunststoff
Normen (Auswahl) und Richtlinien
IX Fördertechnik und Intralogistik
45 Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik
45.1 Begriffe und Methoden der Intralogistik
45.2 Begriffe und Methoden der Fördertechnik
45.3 Bauelemente der Fördertechnik
Literaturhinweise, Informationsquellen
46 Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik
46.1 Antriebe
46.2 Steuerungen
46.3 Bremsen und Rücklaufsperren
Literaturhinweise, Informationsquellen
47 Hebe- und Fördertechnik
47.1 Hebezeuge
47.2 Krane und Hängebahnen
Literaturhinweise, Informationsquellen
48 Stückgutförderung in der Intralogistik
48.1 Flurförderzeuge
48.2 Stetigförderer für Stückgut
Literaturhinweise, Informationsquellen
49 Stationäre Schüttgutförderer
49.1 Gurtförderer und deren Berechnung
49.2 Gliederbandförderer
49.3 Kratzförderer und Schwingrinnen
49.4 Becherwerke
49.5 Pneumatische Förderanlagen
49.6 Schaufelradlader
49.7 Verladeanlagen und Hafenkrane
Literaturhinweise, Informationsquellen
50 Mobile Schüttgutförderer
50.1 Wichtige Materialeigenschaften des Schüttgutes
50.2 Bodentragfähigkeit, Fahrwiderstand
50.3 Der Antriebsstrang
50.4 Radlader, Load & Carry
50.5 Schwer-Lkw
50.6 Dumper
Literaturhinweise, Informationsquellen
Anhang
X Kraft- und Arbeitsmaschinen
51 Dampfturbinen
51.1 Erzeugung der kinetischen Energie
51.2 Nutzung der kinetischen Energie
51.3 Geschwindigkeitsstufung (Curtisrad)
51.4 Druckstufung (Zoellyturbine)
51.5 Überdruckstufung
51.6 Labyrinthdichtung
51.7 Regelung
51.8 Radialturbinen
51.9 Turbinenanlagen
52 Wasserturbinen
52.1 Stauanlagen
52.2 Durchfluss, Höhenwerte
52.3 Freistrahlturbinen
52.4 Francisturbinen
52.5 Kaplanturbinen
52.6 Spezifische Drehzahl
52.7 Kavitation
53 Windkraftanlagen
53.1 Berechnung von Windturbinen
53.2 Leistungsbeiwert und Schnelllaufzahl
53.3 Getriebe für Windturbinen
53.4 Windturbinen im Offshore-Bereich
53.5 Dynamische Belastung von Windturbinen
53.6 Betriebsführung und Regelung von Windturbinen
Literaturhinweise, Informationsquellen
54 Pumpen
54.1 Hauptparameter von Pumpen
54.2 Nutzleistung und Wirkungsgrad der Pumpe
54.3 Anlagenkennlinien
54.4 Hubkolbenpumpen und Verdrängerpumpen
54.5 Membranpumpen
54.6 Rotierende Verdrängerpumpen
54.7 Zahnradpumpen
54.8 Flügelzellenpumpen
54.9 Schlauchpumpen
54.10 Strahlpumpe, Injektor, Ejektor, Treibmittelpumpe oder Jetpumpe
54.11 Axial- und Radialkolbenpumpen
54.12 Sonderbauarten
54.13 Kreiselpumpe
Literaturhinweise, Informationsquellen
55 Verdichter
55.1 Arbeitsdiagramm im Kolbenkompressor (Indikatordiagramm)
55.2 Steuerung des Gasstroms im Zylinder
55.3 Regelung der Hubkolbenverdichter
55.4 Membranverdichter
55.5 Rotierende Verdrängerverdichter
55.6 Turboverdichter, Kreiselverdichter
Literaturhinweise, Informationsquellen
56 Verbrennungsmotoren
56.1 Überblick über Verbrennungsmotoren
56.2 Verbrennungsmotorische Berechnungen
56.3 Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren
56.4 Variable Motorsteuerung
56.5 Gemischbildung und Verbrennung bei Otto- und bei Dieselmotoren
56.6 Aufladung von Verbrennungsmotoren
56.7 Schadstoffemissionen
56.8 Alternative Kraftstoffe
56.9 Motorelektronik
Literaturhinweise, Informationsquellen
Anhang
XI Fertigungsverfahren
57 Spanlose Fertigung
57.1 Urformen
57.2 Trennen
57.3 Umformen
57.4 Fügen
Normen
Literaturhinweise, Informationsquellen
58 Zerspantechnik
58.1 Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide
58.2 Zerspanen mit geometrisch unbestimmter Schneide
Normen
Literaturhinweise
XII Werkzeugmaschinen
59 Grundlagen
59.1 Bedeutung und Definition
59.2 Anforderungen und Beurteilungskriterien
59.3 Kenngrößen und Gebrauchswertparameter
59.4 Klassifizierung und Bezeichnung
60 Werkstückaufnahme in Werkzeugmaschinen (Vorrichtungen)
60.1 Aufnahmen für rotationssymmetrische Werkstücke
60.2 Aufnahmen für prismatische Werkstücke
60.3 Vorrichtungen
Bildquellenverzeichnis
61 Baugruppen von Werkzeugmaschinen
61.1 Gestelle von Werkzeugmaschinen
61.2 Geradführungen in Werkzeugmaschinen
61.3 Antriebe in Werkzeugmaschinen
61.4 Hauptspindelbaugruppe
61.5 Steuerung von Werkzeugmaschinen
62 Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)
62.1 Weichbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen
62.2 Hartbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen
62.3 Bearbeitung von Teilen mit prismatischer Gestalt
62.4 Herstellung von Verzahnungen
63 Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)
63.1 Maschineneinteilung
63.2 Werkzeugmaschinen zum Massivumformen
63.3 Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung
64 Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl)
64.1 Erodiermaschinen
64.2 Laserbearbeitungsmaschinen
64.3 Wasserstrahlschneidanlagen
65 Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung
65.1 Definition der Feinstbearbeitung
65.2 Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch bestimmter Schneide
65.3 Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch unbestimmter Schneide
65.4 Umformende Feinstbearbeitungswerkzeuge
XIII Programmierung von Werkzeugmaschinen
66 Grundlagen für die Programmierung
66.1 Einleitung
66.2 Grundlagen für die Programmierung
67 Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten
67.1 Punktsteuerungsverhalten
67.2 Streckensteuerung
67.3 Bahnsteuerung
67.4 Interpolationsarten
67.5 Ebenenauswahl
68 Manuelles Programmieren
68.1 Kurzbeschreibung
68.2 Aufbau eines CNC-Programms
68.3 Gliederung eines CNC-Programms
68.4 Satzaufbau
68.5 Kreisprogrammierung beim Drehen und Fräsen
68.6 Werkzeugkorrekturen beim Drehen und Fräsen
68.7 Programmierbeispiel
68.8 Besondere Programmierfunktionen für das Bohren, Fräsen und Drehen
Normen
Literaturhinweise
69 CAD in der Praxis
69.1 Arbeitsgeräte – Hardware
69.2 Softwaresysteme
69.3 Datenformate – Schnittstellen
69.4 Rechnerunterstützte Konstruktion
Literaturhinweise
Anhang
XIV Steuerungstechnik
70 Grundlagen der Steuerungstechnik
70.1 Automatisierungstechnik – Steuerungstechnik
70.2 Grundbegriffe der Steuerungstechnik
70.3 Steuerungsmittel
70.4 Darstellungsmittel für Steuerungen
70.5 Steuerungsarten
70.6 Daten, Information und Signal
70.7 Zahlensysteme und Codierungen
70.8 Schaltalgebra
70.9 Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik
71 Verbindungsprogrammierte Steuerung
71.1 Verknüpfungssteuerungen für Linearbewegungen
71.2 Ablaufsteuerung für Linearbewegungen
72 Speicherprogrammierbare Steuerungen
72.1 Aufbau und Funktionen einer SPS
72.2 Analoge Signale in der SPS
72.3 Busankopplung der SPS
72.4 Vorgehen bei der Auswahl einer SPS
72.5 Einrichten einer SPS – Erstellen eines Projektes
73 Maschinensicherheit
Normen
Literaturhinweise
XV Regelungstechnik
74 Grundlagen
74.1 Grundbegriffe
74.2 Grafische Darstellung von Regelkreisen mithilfe des Wirkungsplans
74.3 Beschreibung des Verhaltens von Regelkreisgliedern
75 Regelstrecken
75.1 Einteilung der Strecken
75.2 Regelstrecken mit Ausgleich (P-Strecken)
75.3 Regelstrecken ohne Ausgleich (I-Strecken)
75.4 Regelstrecken mit Verzögerung (PT_n-Strecken)
75.5 Regelstrecken mit Totzeit (T_t-Strecken)
75.6 Regelbarkeit und Diagnose
76 Regler
76.1 Einteilung der Regler
76.2 Unstetige Regler am Beispiel des Zweipunktreglers
76.3 Stetige Regler
76.4 Quasistetige Regler
77 Zusammenwirken zwischen Regler und Strecke
77.1 Beurteilungskriterien
77.2 Regelung mit stetigen Reglern
77.3 Regelung mit Zweipunktreglern
77.4 Regelung mit einer SPS
78 Fuzzy-Regelung
78.1 Fuzzy-Mengen
78.2 Fuzzifizierung
78.3 Regelwerk und Inferenz
78.4 Defuzzifizierung
Literaturhinweise
Anhang
XVI Betriebswirtschaftliche Grundlagen
79 Aufgaben und Zielsetzungen
79.1 Anwendungsgebiete der Betriebswirtschaft im technischen Umfeld
79.2 Hauptaufgaben
79.3 Betriebswirtschaftliche Ziele und Erfolgsfaktoren
79.4 Kennzahlen
79.5 Wertschöpfungskette des Unternehmens
80 Unternehmensplanung und Unternehmensorganisation
80.1 Unternehmensstrategie
80.2 Die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Markt
80.3 Die Aufbauorganisation des Unternehmens
80.4 Prozessorganisation
80.5 Führungsorganisation
80.6 Projektmanagement
81 Finanzierung
81.1 Aufgaben der Finanzierung
81.2 Finanzierungsarten
81.3 Finanzkennzahlen
82 Industrielle Kosten- und Wirtschaftlichkeitsrechnung
82.1 Aufgaben
82.2 Kostenplanung
82.3 Produktkalkulation
82.4 Kostenstellenrechnung
82.5 Deckungsbeitragsrechnung
82.6 Break-Even-Analyse
82.7 Betriebsergebnis und Absatzsegmentrechnung
82.8 Wirtschaftlichkeits- und Investitionsrechnung
83 Produktmarketing und marktorientierte Produktgestaltung
83.1 Aufgaben
83.2 Marketing-Instrumente
83.3 Marktforschung
83.4 Marketingstrategien
83.5 Target Costing
83.6 Wertanalyse
Literaturhinweise
Anhang
XVII Arbeitswissenschaft
84 Arbeitswissenschaft im technischen Umfeld
84.1 Aufgaben und Zweck der Arbeitswissenschaft
84.2 Ziele der Arbeitswissenschaft
84.3 Rechtliche Vorschriften
85 Grundlagen des Arbeitsstudiums
85.1 Das Arbeitssystem
85.2 Der Mensch im Arbeitssystem
85.3 Kennzahlen
85.4 Arbeitsteilung
85.5 Einzel-, Gruppen- und Mehrstellenarbeit
85.6 Fertigungsarten
86 Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung
86.1 Arbeitsplanerstellung
86.2 Arbeitsdatenmanagement
86.3 Vorgabezeitermittlung (Synthese)
86.4 Methoden der Zeitermittlung
86.5 Leistungsgrad
86.6 Prozesszeiten
86.7 Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ)
Literaturhinweise
Anhang
XVIII Qualitätsmanagement
87 Qualitätsmanagement
87.1 Entwicklung des Qualitätsmanagements
87.2 Begriffe des Qualitätsmanagements
87.3 Normen für Qualitätsmanagementsysteme
87.4 Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000 ff.
87.5 Forderungen an QM-Systeme der DIN EN ISO 9000
87.6 European Foundation for Quality Management (EFQM)
87.7 Statistische Prozessregelung (SPC)
87.8 Grundlagen der Statistik
87.9 Qualitätsregelkarten (QRK)
87.10 Prozessfähigkeitsuntersuchung PFU
Literaturhinweise
Anhang
XIX Produktionslogistik
88 Grundlagen der Produktionslogistik
88.1 Strategische Bedeutung
88.2 Hauptaufgaben und Ziele der Produktionslogistik
88.3 Organisationstypen der Produktionslogistik
88.4 ERP-Systeme
88.5 Prozesse in der Produktionslogistik
89 Produktionslogistik mit ERP-Systemen
89.1 Programmplanung
89.2 Materialplanung
89.3 Terminplanung
89.4 Kapazitätsplanung
89.5 Rückmeldung und Betriebsdatenerfassung
89.6 Materialfluss im Fertigungsprozess
89.7 Supply Chain Management
89.8 Spezielle Steuerungsmethoden in der Produktionslogistik
89.9 Kostenüberwachung und Wirtschaftlichkeitsrechnung
89.10 Logistikcontrolling
Literaturhinweise
Anhang
Serviceteil
Stichwortverzeichnis

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Alfred Böge Wolfgang Böge Hrsg.

Handbuch Maschinenbau Grundlagen und Anwendungen der Maschinenbau-Technik 24. Auflage

Handbuch Maschinenbau

Alfred Böge  Wolfgang Böge Hrsg.

Handbuch Maschinenbau Grundlagen und Anwendungen der Maschinenbau-Technik 24., überarbeitete und erweiterte Auflage

Hrsg. Alfred Böge Braunschweig, Deutschland

ISBN 978-3-658-30272-6 https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3

Wolfgang Böge Wolfenbüttel, Deutschland

ISBN 978-3-658-30273-3 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 1964, 1969, 1977, 1979, 1981, 1982, 1983, 1985, 1986, 1987, 1989, 1990, 1992, 1995, 1999, 2000, 2004, 2007, 2009, 2011, 2013, 2015, 2017, 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Thomas Zipsner Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

V

Vorwort zur 24. Auflage Das Handbuch Maschinenbau beschreibt in verständlicher und praxisnaher Form die Inhalte für den Studienbedarf und die Berufspraxis von Ingenieuren und Technikern. Es hat sich dadurch einen festen Platz in der Techniker- und Ingenieurausbildung erworben. Anwendungsorientierte Fragestellungen führen in das jeweilige Fachgebiet ein. Berechnungs- und Dimensionierungsgleichungen werden mit vielen Abbildungen hergeleitet und anhand praktischer Beispiele verdeutlicht. Insbesondere an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW), in den Bachelor- und Masterstudiengängen sowie an Technik- und Berufsakademien ist das Handbuch Maschinenbau damit als Arbeitsbuch für das technische Studium unverzichtbar. In der Berufspraxis ist es als Fachkompendium im ständigen Zugriff von bleibendem Wert. Auch in der nun vorliegenden vierundzwanzigsten Auflage haben Autorinnen und Autoren, Herausgeber und Verlag in gründlicher, abgestimmter Arbeit alle Inhalte, Normen sowie alle weiteren Quellen auf Aktualität geprüft und auf den neuesten Stand gebracht. Die Aktualisierungen und Erweiterungen im Einzelnen: Der Abschnitt Thermodynamik ist um das Kapitel „Verbrennung“ erweitert worden. Damit können Verbrennungsvorgänge bei der Bereitstellung von Wärme aus festen, flüssigen und gasförmigen Energieträgern wie Steinkohle, Braunkohle, Feststoff-Biomasse, Mineralölprodukten, biogenen flüssigen Energieträgern sowie Erdgas und biogenen Gasen berechnet und optimiert werden. Das Verständnis von Verbrennungsvorgängen ist für eine energieeffiziente und schadstoffarme Wärmebereitstellung von wesentlicher Bedeutung. Bei der Neufassung des Abschnitts Elektrotechnik stand die Frage im Vordergrund, was ein Maschinenbauer an elektrotechnischem Wissen braucht. Deshalb wurde die Gliederung in die Kapitel „Grundlagen“, „Anwendungen“ und „Sicherheit“ geändert, um eine klarere Zuordnung der Inhalte zu erreichen. An einem Einstiegsbeispiel werden exemplarisch die eingesetzten Motoren vorgestellt. Diese werden dann in den Anwendungen detaillierter in ihren elektrischen und mechanischen Eigenschaften beschrieben, damit nachvollziehbar ist, warum ein spezieller Elektromotor genau für ein gegebenes System ausgewählt wurde. Einige für Maschinenbauer eher fremde Fachbegriffe werden ebenso wie komplexere Sachverhalte durch Beispiele erläutert. Das Kapitel „Halbleitung“ wurde ebenso aufgenommen wie einige neuere elektrotechnische Bauteile und die wichtigsten elektrischen Schaltzeichen. Der Abschnitt Fördertechnik wurde um das Thema Intralogistik erweitert. Damit wird Maschinenbauern eine Einführung in die Begriffe der Intralogistik an die Hand gegeben, in deren Rahmen die meisten fördertechnischen Anlagen arbeiten. Aber auch Digitalisierungsexperten finden hier einen fundierten Überblick über die maschinenbaulichen Grundlagen der Maschinen und Anlagen, die ein wichtiger Teil jeder Logistiklösung sind. Die Gliederung des Abschnitts Fördertechnik und Intralogistik ist ebenfalls neu und wurde nach Anwendungsgebieten in sechs kompakte Kapitel neu gegliedert. Die Aktualisierungen betreffen den maschinenbaulichen Stand der Technik aller als Beispiele genannten Maschinen und Anlagen, alle zitierten Normen und Literaturangaben und ferner die Erweiterung der Automatisierungsbeispiele in Richtung Digitalisierung und Einbindung in Logistiksysteme. Studierende der Logistik finden hier das notwendige fördertechnische Fachwissen kompakt und klar dargestellt. Der Abschnitt Werkzeugmaschinen wurde neu systematisiert, ergänzt und dem aktuellen Entwicklungsstand angepasst. Letzteres betraf insbesondere die Ausführungen zur Antriebstechnik in Werkzeugmaschinen. Neu aufgenommen wurden ein Kapitel zur Aufnahme von Werkstücken in Werkzeugmaschinen mit dem Schwerpunkt „Vorrichtungen“ und ein Kapitel zu abtragenden Werkzeugmaschinen. In sämtlichen Teilen wurden zudem die zahlreichen Anregungen, Verbesserungsvorschläge und kritischen Hinweise von Lehrern, Fachleuten aus Industrie und Handwerk und Studierenden dankbar berücksichtigt und verarbeitet. Ein herzlicher Dank der Autorinnen

VI

Vorwort zur 24. Auflage

und Autoren und des Herausgebers gilt zu guter Letzt dem Lektorat Maschinenbau des Springer Vieweg Verlags, namentlich Herrn Dipl.-Ing. Thomas Zipsner und Frau Ellen Klabunde. Ihr Engagement und Fachwissen haben – einmal mehr – in besonderem Maße zum Gelingen dieser vierundzwanzigsten Auflage des Handbuchs Maschinenbau beigetragen. Die E-Mail-Adresse des Herausgebers: [email protected] Wolfgang Böge

Wolfenbüttel Mai 2021

I

Mathematik

1

II

Naturwissenschaftliche Grundlagen

III

Technische Mechanik

165

IV

Werkstofftechnik

391

V

Thermodynamik

499

VI

Elektrotechnik

567

VII

Grundlagen der Mechatronik

607

VIII

Maschinenelemente

675

IX

Fördertechnik und Intralogistik

899

X

Kraft- und Arbeitsmaschinen

1003

XI

Fertigungsverfahren

1133

XII

Werkzeugmaschinen

1229

XIII

Programmierung von Werkzeugmaschinen

1365

XIV

Steuerungstechnik

1429

XV

Regelungstechnik

1523

XVI

Betriebswirtschaftliche Grundlagen

1579

XVII

Arbeitswissenschaft

1611

XVIII

Qualitätsmanagement

1675

XIX

Produktionslogistik

1699

87

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Alfred Böge, Wolfgang Böge (Hrsg.)

Handbuch Maschinenbau Beiträge und Beitragsautoren/-autorinnen I

Mathematik

Prof. Dr. Arnfried Kemnitz

II

Naturwissenschaftliche Grundlagen

Gert Böge Wolfgang Böge Prof. Dr. rer. nat. Peter Kurzweil

III

Technische Mechanik

Gert Böge Wolfgang Böge Prof. Dr.-Ing. Dominik Surek

IV

Werkstofftechnik

Wolfgang Weißbach

V

Thermodynamik

Prof. Dr.-Ing. Martin Dehli

VI

Elektrotechnik

Berthold Heinrich

VII

Grundlagen der Mechatronik

Prof. Dr.-Ing. Werner Roddeck

VIII

Maschinenelemente

Gert Böge Wolfgang Böge Prof. Dr.-Ing. Marcus Kampf Prof. Dr.-Ing. Petra Linke Prof. Dr.-Ing. Frank Weidermann

IX

Fördertechnik und Intralogistik

Dr.-Ing. Johannes Sebulke

X

Kraft- und Arbeitsmaschinen

Wolfgang Böge Prof. Dr.-Ing. Klaus Schreiner Prof. Dr.-Ing. Dominik Surek

XI

Fertigungsverfahren

Lutz Barfels Wolfgang Böge Prof. Dr.-Ing. Marcus Kampf

XII

Werkzeugmaschinen

Prof. Dr.-Ing. Werner Bahmann Prof. Dr. Andreas Hirsch

XIII

Programmierung von Werkzeugmaschinen Lutz Barfels Prof. Dr.-Ing. Susanna Labisch

XIV

Steuerungstechnik

Prof. Dr.-Ing. Petra Linke

XV

Regelungstechnik

Berthold Heinrich

XVI

Betriebswirtschaftliche Grundlagen

Prof. Jürgen Bauer

XVII Arbeitswissenschaft

Prof. Klaus-Dieter Arndt

XVIII Qualitätsmanagement

Prof. Klaus-Dieter Arndt

XIX

Prof. Jürgen Bauer

Produktionslogistik

Garantie

Monate Garantie

Garantie

Monate Garantie

Garantie

Monate Garantie

XI

Inhaltsverzeichnis I

Mathematik

1

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Arnfried Kemnitz 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussageformen und logische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indizes, Summenzeichen, Produktzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matrizen und Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 3 4 4 6 11

2

Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Arnfried Kemnitz 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Definition und Darstellungen von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhalten von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der elementaren Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ganze rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebrochene rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irrationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transzendente Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 18 21 22 26 29 31

3

Trigonometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Arnfried Kemnitz 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Definition der trigonometrischen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trigonometrische Funktionen für beliebige Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beziehungen für den gleichen Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphen der trigonometrischen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinussatz und Kosinussatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 34 35 36 36

4

Analytische Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

Arnfried Kemnitz 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kugeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kegelschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 41 43 44 45 50

5

Differential- und Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Arnfried Kemnitz 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzwerte von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ableitung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 57 60 63 71

6

Gewöhnliche Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Arnfried Kemnitz 6.1 6.2 6.3

Gewöhnliche Differentialgleichungen n-ter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen einer gewöhnlichen Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfangswert- und Randwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 79 80

XII

Inhaltsverzeichnis

6.4 6.5 6.6 6.7

Explizite gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variation der Konstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung einer partikulären Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81 82 83 84

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

II

Naturwissenschaftliche Grundlagen

7

Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

Gert Böge und Wolfgang Böge 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

Physikalische Größen und Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanische Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 97 100 111 117 119 133

8

Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9

Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodensystem der Elemente (PSE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Säuren und Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fällungen und Wasserhärte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organische Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III

Technische Mechanik

9

Statik starrer Körper in der Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzen, Zerlegen und Gleichgewicht von Kräften in der Ebene . . . . . . . . . . . . . Schwerpunkt (Massenmittelpunkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Guldin’sche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standsicherheit, Gleichgewichtslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statik der ebenen Fachwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6

Bewegungslehre (Kinematik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanische Arbeit und Leistung, Wirkungsgrad, Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamik der Verschiebebewegung (Translation) des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamik der Drehung (Rotation) des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenüberstellung der Gesetze für Drehung und Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerader zentrischer Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur zur Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Peter Kurzweil 135 135 137 142 148 151 155 157 162

Gert Böge und Wolfgang Böge 167 172 177 182 184 185 190

Gert Böge und Wolfgang Böge 203 215 219 226 234 235 241

XIII Inhaltsverzeichnis

11

Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

11.1 11.2 11.3 11.4

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beanspruchungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammengesetzte Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beanspruchung bei Berührung zweier Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

12.1 12.2 12.3

Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gasdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur zur Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Gert Böge, Wolfgang Böge und Dominik Surek 243 254 316 324

Gert Böge, Wolfgang Böge und Dominik Surek 327 334 361 386

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

IV

Werkstofftechnik

13

Werkstoffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

13.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

14

Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

14.1 14.2 14.3 14.4 14.5

Struktur der Metalle und Legierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften und Verhalten der Metallgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhalten bei höheren Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweistofflegierungen (binäre Legierungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristall- und Gefügeveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Eisenwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

15.1 15.2 15.3 15.4 15.5

Stahlerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stahlsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

Nichteisenmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6 16.7 16.8 16.9

Bezeichnung der NE-Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aluminium und Al-Legierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnesium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nickel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Kunststoffe (Polymere) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

17.1 17.2 17.3 17.4 17.5

Herstellungsweg und wichtige Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur der Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duroplastische Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermoplastische Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wolfgang Weißbach

Wolfgang Weißbach 397 400 402 404 408

Wolfgang Weißbach 409 411 415 429 433

Wolfgang Weißbach 443 444 447 451 452 453 453 453 454

Wolfgang Weißbach 455 456 458 460 468

XIV

Inhaltsverzeichnis

18

Werkstoffe besonderer Herstellungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469

18.1 18.2 18.3 18.4

Pulvermetallurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keramische Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbundwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druckgusswerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

19.1 19.2 19.3 19.4 19.5

Korrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tribologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschleiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lager- und Gleitwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschichtungen und Schichtwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Werkstoffprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6

Prüfung der Härte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugversuch (DIN EN ISO 6892-1/14 Prüfverfahren für Raumtemperatur) . . . . . . . . . . . . . . . Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN ISO 148/11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Festigkeit bei höheren Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchung von Verarbeitungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wolfgang Weißbach 469 470 473 475

Wolfgang Weißbach 477 479 481 481 483

Wolfgang Weißbach 485 488 489 490 491 491 495

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

V

Thermodynamik

21

Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

21.1 21.2 21.3 21.4 21.5 21.6

Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Wärmekapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeausdehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aggregatzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

Energien und Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

22.1 22.2 22.3 22.4 22.5 22.6 22.7 22.8 22.9 22.10 22.11

Thermodynamisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innere Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dissipationsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermischer Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exergie und Anergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Martin Dehli 501 502 503 504 509 511 514

Martin Dehli 515 515 516 516 518 518 518 519 519 520 521

XV Inhaltsverzeichnis

23

Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . 523

23.1 23.2 23.3 23.4 23.5 23.6 23.7 23.8 23.9 23.10 23.11

Thermische Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isochore Zustandsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isobare Zustandsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isotherme Zustandsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isentrope Zustandsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polytrope Zustandsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carnot-Prozess; Diesel-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für Zustandsdiagramme von Gasen und Flüssigkeiten: Das T; s-Diagramm und das lg p; h-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drosselung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischungen idealer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Wärmeübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

24.1 24.2 24.3 24.4 24.5

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeübergang (Wärmekonvektion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmedurchgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

25.1 25.2 25.3

Brennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Gesichtspunkte der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brennwert und Heizwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Martin Dehli 523 524 525 526 527 528 530 532 534 539 540

Martin Dehli 543 543 544 545 548 550

Martin Dehli 551 560 562 563

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565

VI

Elektrotechnik

26

Einführung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

26.1 26.2 26.3 26.4 26.5 26.6 26.7

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Grundphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektromagnetische Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Stromarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energie und Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung und Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585

27.1 27.2 27.3 27.4 27.5 27.6

Übersicht über Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motor/Generator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über gebräuchliche Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungselektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Antriebstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung elektrischer Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Berthold Heinrich 569 569 576 577 580 580 582

Berthold Heinrich 585 587 595 595 595 596

XVI

Inhaltsverzeichnis

28

Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599

28.1 28.2 28.3 28.4 28.5

Netzformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überstrom-Schutzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Schutzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefährliche Körperströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Berthold Heinrich 599 599 599 600 600

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606

VII

Grundlagen der Mechatronik

29

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609

29.1 29.2 29.3 29.4 29.5

Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechatroniker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechatronische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wann ist der Einsatz von Mechatronik sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiede zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik . . . . . . . . . . . . . .

30

Modellbildung und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621

30.1 30.2 30.3 30.4

Verfahren der Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle mechanischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle elektrischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Sensoren und Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641

31.1 31.2

Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657

32

Entwicklung eines mechatronischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

Werner Roddeck 609 609 612 613 616

Werner Roddeck 621 628 632 633

Werner Roddeck

Werner Roddeck Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673

VIII Maschinenelemente 33

Einführung in die Konstruktionsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677

33.1 33.2 33.3 33.4

Einordnung des konstruktiven Entwicklungsprozesses in den Produktlebenszyklus . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungshinweise zu bestimmten Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

Normzahlen, Toleranzen, Passungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697

34.1 34.2 34.3 34.4 34.5

Normzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ISO-Passungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßtoleranzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintragen von Toleranzen in Zeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendungsbeispiele für Passungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Petra Linke und Frank Weidermann 677 681 688 692 696

Gert Böge und Wolfgang Böge 697 698 700 706 706

XVII Inhaltsverzeichnis

35

Stoffschlüssige Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709

35.1 35.2

Klebverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 Schweißverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726

36

Nietverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727

36.1 36.2 36.3 36.4 36.5 36.6

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nietformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nietwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herstellen der Nietverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindungsarten, Schnittigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nietverbindungen im Stahlbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

Schraubenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735

37.1 37.2 37.3 37.4 37.5 37.6 37.7

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schrauben und Muttern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schraubensicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scheiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung von Befestigungsschrauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Bewegungsschrauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Bolzen, Stiftverbindungen, Sicherungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763

38.1 38.2 38.3 38.4 38.5

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bolzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bolzensicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung der Bolzen- und Stiftverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

Federn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767

39.1 39.2 39.3 39.4 39.5 39.6

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kenngrößen an Federn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Federwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zug- und druckbeanspruchte Metallfedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biegebeanspruchte Metallfedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drehbeanspruchte Metallfedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

Achsen, Wellen, Zapfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789

40.1 40.2 40.3 40.4 40.5 40.6 40.7 40.8

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkstoffe, Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Achsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auszuführende Achsen- und Wellendurchmesser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Zapfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tragfähigkeit für Wellen und Achsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Gert Böge, Wolfgang Böge und Marcus Kampf

Gert Böge und Wolfgang Böge 727 727 728 728 728 728

Gert Böge und Wolfgang Böge 735 735 736 739 740 740 755 761

Gert Böge und Wolfgang Böge 763 763 764 765 765

Gert Böge und Wolfgang Böge 767 767 770 771 771 782

Gert Böge und Wolfgang Böge 789 789 789 789 791 791 791 795

XVIII

Inhaltsverzeichnis

41

Nabenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801

41.1 41.2 41.3 41.4 41.5 41.6 41.7 41.8 41.9 41.10

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zylindrische Pressverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keglige Pressverbände (Kegelsitzverbindungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klemmsitzverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilsitzverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ringfederspannverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längsstiftverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Querstiftverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Passfederverbindungen (Nachrechnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilwellenverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

Kupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821

42.1 42.2 42.3 42.4 42.5

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feste Kupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegliche, unelastische Kupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elastische Kupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaltkupplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829

43.1 43.2 43.3

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 Wälzlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 Gleitlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 849

44

Zahnräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867

44.1 44.2 44.3 44.4 44.5 44.6 44.7 44.8 44.9 44.10 44.11

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzahnungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe, allgemeine Verzahnungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzahnungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geradstirnräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schrägstirnräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kegelräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schneckengetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung der Zahnräder aus Metall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmierung der Zahnradgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahnräder aus Kunststoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Fördertechnik und Intralogistik

45

Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 901

45.1 45.2 45.3

Begriffe und Methoden der Intralogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe und Methoden der Fördertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauelemente der Fördertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927

46.1 46.2 46.3

Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bremsen und Rücklaufsperren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Gert Böge und Wolfgang Böge 801 803 809 813 813 813 816 816 817 818

Gert Böge und Wolfgang Böge 821 821 823 823 824

Gert Böge und Wolfgang Böge

Gert Böge und Wolfgang Böge 867 867 868 871 879 883 888 891 895 896 896

Johannes Sebulke 901 906 909 926

Johannes Sebulke 927 929 932 936

XIX Inhaltsverzeichnis

47

Hebe- und Fördertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937

47.1 47.2

Hebezeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937 Krane und Hängebahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942 Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956

48

Stückgutförderung in der Intralogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957

48.1 48.2

Flurförderzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957 Stetigförderer für Stückgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964 Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 971

49

Stationäre Schüttgutförderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973

49.1 49.2 49.3 49.4 49.5 49.6 49.7

Gurtförderer und deren Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederbandförderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kratzförderer und Schwingrinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Becherwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pneumatische Förderanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaufelradlader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verladeanlagen und Hafenkrane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Mobile Schüttgutförderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989

50.1 50.2 50.3 50.4 50.5 50.6

Wichtige Materialeigenschaften des Schüttgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bodentragfähigkeit, Fahrwiderstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Antriebsstrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radlader, Load & Carry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwer-Lkw . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dumper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Johannes Sebulke

Johannes Sebulke

Johannes Sebulke 973 977 978 979 980 985 986 987

Johannes Sebulke 989 991 991 993 995 998 999

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1001

X

Kraft- und Arbeitsmaschinen

51

Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005

51.1 51.2 51.3 51.4 51.5 51.6 51.7 51.8 51.9

Erzeugung der kinetischen Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung der kinetischen Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschwindigkeitsstufung (Curtisrad) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druckstufung (Zoellyturbine) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überdruckstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Labyrinthdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radialturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Turbinenanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

Wasserturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019

52.1 52.2 52.3 52.4 52.5

Stauanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchfluss, Höhenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freistrahlturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Francisturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaplanturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wolfgang Böge 1005 1007 1010 1013 1015 1016 1016 1017 1017

Wolfgang Böge 1019 1020 1020 1024 1027

XX

Inhaltsverzeichnis

52.6 52.7

Spezifische Drehzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029 Kavitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1030

53

Windkraftanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031

53.1 53.2 53.3 53.4 53.5 53.6

Berechnung von Windturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsbeiwert und Schnelllaufzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Getriebe für Windturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Windturbinen im Offshore-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamische Belastung von Windturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsführung und Regelung von Windturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

Pumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1039

54.1 54.2 54.3 54.4 54.5 54.6 54.7 54.8 54.9 54.10 54.11 54.12 54.13

Hauptparameter von Pumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzleistung und Wirkungsgrad der Pumpe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagenkennlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubkolbenpumpen und Verdrängerpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Membranpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotierende Verdrängerpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahnradpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flügelzellenpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlauchpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strahlpumpe, Injektor, Ejektor, Treibmittelpumpe oder Jetpumpe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axial- und Radialkolbenpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderbauarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreiselpumpe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Verdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055

55.1 55.2 55.3 55.4 55.5 55.6

Arbeitsdiagramm im Kolbenkompressor (Indikatordiagramm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerung des Gasstroms im Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung der Hubkolbenverdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Membranverdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotierende Verdrängerverdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Turboverdichter, Kreiselverdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067

56.1 56.2 56.3 56.4 56.5 56.6 56.7 56.8 56.9

Überblick über Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbrennungsmotorische Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variable Motorsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemischbildung und Verbrennung bei Otto- und bei Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufladung von Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadstoffemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motorelektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dominik Surek 1032 1033 1034 1034 1035 1036 1037

Dominik Surek 1040 1040 1041 1042 1043 1043 1044 1044 1045 1045 1046 1047 1047 1053

Dominik Surek 1055 1057 1058 1058 1058 1060 1065

Klaus Schreiner 1067 1090 1094 1113 1115 1119 1121 1124 1126 1130

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1131

XXI Inhaltsverzeichnis

XI

Fertigungsverfahren

57

Spanlose Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1135

57.1 57.2 57.3 57.4

Urformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise, Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

Zerspantechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189

58.1 58.2

Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189 Zerspanen mit geometrisch unbestimmter Schneide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1227

XII

Werkzeugmaschinen

59

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1231

59.1 59.2 59.3 59.4

Bedeutung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen und Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kenngrößen und Gebrauchswertparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung und Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

Werkstückaufnahme in Werkzeugmaschinen (Vorrichtungen) . . . . . . . . . . . . . . . 1239

60.1 60.2 60.3

Aufnahmen für rotationssymmetrische Werkstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1239 Aufnahmen für prismatische Werkstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1241 Vorrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1242

61

Baugruppen von Werkzeugmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1255

61.1 61.2 61.3 61.4 61.5

Gestelle von Werkzeugmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geradführungen in Werkzeugmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antriebe in Werkzeugmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptspindelbaugruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerung von Werkzeugmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1307

62.1 62.2 62.3 62.4

Weichbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitung von Teilen mit prismatischer Gestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herstellung von Verzahnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . 1329

63.1 63.2 63.3

Maschineneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1329 Werkzeugmaschinen zum Massivumformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1329 Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1336

64

Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1345

64.1 64.2 64.3

Erodiermaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1345 Laserbearbeitungsmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1348 Wasserstrahlschneidanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1350

Wolfgang Böge und Marcus Kampf 1135 1145 1153 1169 1188

Wolfgang Böge und Lutz Barfels

Andreas Hirsch und Werner Bahmann 1231 1232 1233 1236

Andreas Hirsch und Werner Bahmann

Andreas Hirsch und Werner Bahmann 1255 1262 1274 1288 1296

Andreas Hirsch und Werner Bahmann 1308 1311 1315 1318

Andreas Hirsch und Werner Bahmann

Andreas Hirsch und Werner Bahmann

XXII

Inhaltsverzeichnis

65

Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355

65.1 65.2

Definition der Feinstbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch bestimmter Schneide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch unbestimmter Schneide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umformende Feinstbearbeitungswerkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Andreas Hirsch und Werner Bahmann

65.3 65.4

1355 1356 1356 1363

XIII Programmierung von Werkzeugmaschinen 66

Grundlagen für die Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1367

66.1 66.2

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1367 Grundlagen für die Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1375

67

Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1381

67.1 67.2 67.3 67.4 67.5

Punktsteuerungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streckensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bahnsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interpolationsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebenenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Manuelles Programmieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1389

68.1 68.2 68.3 68.4 68.5 68.6 68.7 68.8

Kurzbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau eines CNC-Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederung eines CNC-Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Satzaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreisprogrammierung beim Drehen und Fräsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkzeugkorrekturen beim Drehen und Fräsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Programmierbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Programmierfunktionen für das Bohren, Fräsen und Drehen . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

CAD in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1415

69.1 69.2 69.3 69.4

Arbeitsgeräte – Hardware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Softwaresysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenformate – Schnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechnerunterstützte Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Lutz Barfels

Lutz Barfels 1381 1381 1381 1383 1387

Lutz Barfels 1389 1389 1389 1390 1396 1398 1403 1408 1414

Susanna Labisch 1415 1418 1423 1425 1426

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1427

XIV Steuerungstechnik 70

Grundlagen der Steuerungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1431

70.1 70.2 70.3 70.4 70.5 70.6

Automatisierungstechnik – Steuerungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbegriffe der Steuerungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellungsmittel für Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daten, Information und Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Petra Linke 1431 1433 1434 1446 1452 1458

XXIII Inhaltsverzeichnis

70.7 70.8 70.9

Zahlensysteme und Codierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1460 Schaltalgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1463 Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1473

71

Verbindungsprogrammierte Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1489

71.1 71.2

Verknüpfungssteuerungen für Linearbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1489 Ablaufsteuerung für Linearbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1493

72

Speicherprogrammierbare Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1497

72.1 72.2 72.3 72.4 72.5

Aufbau und Funktionen einer SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analoge Signale in der SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Busankopplung der SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei der Auswahl einer SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einrichten einer SPS – Erstellen eines Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Maschinensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1517

Petra Linke

Petra Linke 1497 1503 1510 1511 1515

Petra Linke Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1522

XV

Regelungstechnik

74

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1525

74.1 74.2 74.3

Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1525 Grafische Darstellung von Regelkreisen mithilfe des Wirkungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1528 Beschreibung des Verhaltens von Regelkreisgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1530

75

Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1535

75.1 75.2 75.3 75.4 75.5 75.6

Einteilung der Strecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelstrecken mit Ausgleich (P-Strecken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelstrecken ohne Ausgleich (I-Strecken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelstrecken mit Verzögerung (PTn -Strecken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelstrecken mit Totzeit (Tt -Strecken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelbarkeit und Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1547

76.1 76.2 76.3 76.4

Einteilung der Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unstetige Regler am Beispiel des Zweipunktreglers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stetige Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quasistetige Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Zusammenwirken zwischen Regler und Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1559

77.1 77.2 77.3 77.4

Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung mit stetigen Reglern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung mit Zweipunktreglern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung mit einer SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Berthold Heinrich

Berthold Heinrich 1535 1536 1538 1539 1542 1543

Berthold Heinrich 1547 1547 1548 1556

Berthold Heinrich 1559 1560 1565 1566

XXIV

Inhaltsverzeichnis

78

Fuzzy-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1569

78.1 78.2 78.3 78.4

Fuzzy-Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fuzzifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelwerk und Inferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defuzzifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Berthold Heinrich 1569 1571 1571 1574 1575

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1577

XVI Betriebswirtschaftliche Grundlagen 79

Aufgaben und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1581

79.1 79.2 79.3 79.4 79.5

Anwendungsgebiete der Betriebswirtschaft im technischen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebswirtschaftliche Ziele und Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertschöpfungskette des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Unternehmensplanung und Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585

80.1 80.2 80.3 80.4 80.5 80.6

Unternehmensstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aufbauorganisation des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Führungsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1593

81.1 81.2 81.3

Aufgaben der Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1593 Finanzierungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1593 Finanzkennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1594

82

Industrielle Kosten- und Wirtschaftlichkeitsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1595

82.1 82.2 82.3 82.4 82.5 82.6 82.7 82.8

Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktkalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenstellenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deckungsbeitragsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Break-Even-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsergebnis und Absatzsegmentrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftlichkeits- und Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Produktmarketing und marktorientierte Produktgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1605

83.1 83.2 83.3 83.4 83.5 83.6

Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marketing-Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marketingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Target Costing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Jürgen Bauer 1581 1581 1581 1582 1582

Jürgen Bauer 1585 1586 1587 1589 1589 1590

Jürgen Bauer

Jürgen Bauer 1595 1595 1597 1598 1598 1600 1601 1602

Jürgen Bauer 1605 1605 1606 1606 1607 1608 1608

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1609

XXV Inhaltsverzeichnis

XVII Arbeitswissenschaft 84

Arbeitswissenschaft im technischen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1613

84.1 84.2 84.3

Aufgaben und Zweck der Arbeitswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1613 Ziele der Arbeitswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1613 Rechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1614

85

Grundlagen des Arbeitsstudiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1619

85.1 85.2 85.3 85.4 85.5 85.6

Das Arbeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Mensch im Arbeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzel-, Gruppen- und Mehrstellenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fertigungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1635

86.1 86.2 86.3 86.4 86.5 86.6 86.7

Arbeitsplanerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsdatenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgabezeitermittlung (Synthese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der Zeitermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Klaus-Dieter Arndt

Klaus-Dieter Arndt 1620 1625 1625 1625 1626 1627

Klaus-Dieter Arndt 1636 1637 1649 1657 1659 1660 1667 1671

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1673

XVIII Qualitätsmanagement 87

Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1677

87.1 87.2 87.3 87.4 87.5 87.6 87.7 87.8 87.9 87.10

Entwicklung des Qualitätsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe des Qualitätsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normen für Qualitätsmanagementsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forderungen an QM-Systeme der DIN EN ISO 9000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . European Foundation for Quality Management (EFQM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistische Prozessregelung (SPC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätsregelkarten (QRK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessfähigkeitsuntersuchung PFU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Klaus-Dieter Arndt 1677 1677 1679 1679 1680 1682 1683 1683 1684 1690 1695

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1697

XIX Produktionslogistik 88

Grundlagen der Produktionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1701

88.1 88.2 88.3 88.4 88.5

Strategische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptaufgaben und Ziele der Produktionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationstypen der Produktionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ERP-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesse in der Produktionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Jürgen Bauer 1701 1701 1702 1704 1707

XXVI

Inhaltsverzeichnis

89

Produktionslogistik mit ERP-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1709

89.1 89.2 89.3 89.4 89.5 89.6 89.7 89.8 89.9 89.10

Programmplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Terminplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapazitätsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückmeldung und Betriebsdatenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialfluss im Fertigungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Supply Chain Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Steuerungsmethoden in der Produktionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenüberwachung und Wirtschaftlichkeitsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Logistikcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Jürgen Bauer 1709 1709 1715 1717 1719 1720 1720 1721 1722 1724 1726

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1727

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1729 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1730

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1

Mathematik Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Grundlagen – 3 Arnfried Kemnitz

Kapitel 2

Funktionen – 17 Arnfried Kemnitz

Kapitel 3

Trigonometrie – 33 Arnfried Kemnitz

Kapitel 4

Analytische Geometrie – 39 Arnfried Kemnitz

Kapitel 5

Differential- und Integralrechnung – 55 Arnfried Kemnitz

Kapitel 6

Gewöhnliche Differentialgleichungen – 79 Arnfried Kemnitz

I

3

Grundlagen Arnfried Kemnitz

1.1

Mengen

Die in der Mathematik betrachteten Gegenstände werden oftmals durch Symbole, meistens Buchstaben, bezeichnet. Dabei kennzeichnen manche Symbole feste Dinge, zum Beispiel   das Verhältnis zwischen Umfang und Durchmesser eines beliebigen Kreises. Andere Symbole sind Veränderliche (auch Variable oder Platzhalter genannt), das heißt, sie können jeden Gegenstand einer Klasse von Gegenständen bezeichnen. In der Mathematik wird jede Zusammenfassung von bestimmten wohlunterscheidbaren Objekten zu einer Gesamtheit eine Menge genannt. Eine Menge ist definiert, wenn feststeht, welche Objekte zu dieser Menge gehören und welche nicht. Die zur Menge gehörenden Objekte heißen ihre Elemente. Mengen werden meistens mit großen lateinischen Buchstaben bezeichnet und die Elemente mit kleinen Buchstaben. Es gibt zwei Möglichkeiten, Mengen zu definieren: 4 Durch Aufzählen ihrer Elemente, die in beliebiger Reihenfolge zwischen geschweiften Klammern (Mengenklammern) gesetzt sind und durch Kommata getrennt werden (Schreibweise: fElement 1, Element 2, . . . g). 4 Durch Angabe einer die Elemente charakterisierenden Eigenschaft (Schreibweise: fxjx erfüllt Eigenschaftg). Eine Menge von Punkten heißt Punktmenge.

Wenn jedes Element einer Menge M auch Element einer Menge N ist, so nennt man M Teilmenge von N und schreibt M  N. Nach dieser Definition ist offenbar jede Menge Teilmenge von sich selbst. Die leere Menge ¿ D fg enthält kein Element. 7 Beispiele 2 2 A; 2 2 C; 4 2 C; 4 … A; A  C; ¿ D fxjx ¤ xg 9

Die Vereinigung A [ B zweier Mengen A und B besteht aus denjenigen Elementen, die in A oder in B, also in mindestens einer der beiden Mengen A, B enthalten sind: A [ B D fxjx 2 A oder x 2 Bg Der Durchschnitt A\B zweier Mengen A und B besteht aus denjenigen Elementen, die sowohl in A als auch in B, also gleichzeitig in beiden Mengen A, B enthalten sind: A \ B D fxjx 2 A und x 2 Bg 7 Beispiel A D f1; 2; 3g;

A [ B D f1; 1; 2; 3g;

Gehört ein Objekt a einer Menge M an, so schreibt man a 2 M (gelesen: a ist Element von M). Gehört a nicht zu M, so schreibt man a … M.

A \ B D f1g 9

Eine Menge heißt endlich, wenn sie nur endlich viele Elemente besitzt. Die Anzahl der Elemente einer endlichen Menge M heißt Mächtigkeit der Menge, bezeichnet mit jMj. 7 Beispiele

7 Beispiele 1. A D f1; 2; 3g (die Menge A besteht aus den Elementen 1, 2 und 3) 2. B D fxjx2  1 D 0g (die Menge B besteht aus den Elementen x, für die x2  1 D 0 gilt) 3. B D f1; 1g (da x2  1 D 0 die Lösungen x D 1 und x D 1 besitzt, kann man die Menge B auch in dieser Form schreiben) 4. C D f1; 0; 1; 2; 3; 4; 5g (die Menge C besteht aus den Elementen 1; 0; 1; 2; 3; 4; 5) 9

B D f1; 1gI

1. M D f2; 4; 6; 8; 10g ) jMj D 5 2. M D f1; 2; 3; : : :; 99; 100g ) jMj D 100 9

1.2 1.2.1

Aussageformen und logische Zeichen Aussageformen

Eine Aussageform ist ein mathematischer Ausdruck, in dem Variable vorkommen. Aussageformen erhalten einen Wahrheitswert, wenn allen in ihnen vorkommenden Variablen ein Wert zugeordnet wird.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_1

1

Kapitel 1  Grundlagen

4

7 Beispiele

1

1. Die Aussageform „x  3 D 5“ wird zu einer wahren Aussage, wenn man für x die Zahl 8 einsetzt (x D 8 ist die Lösung der Gleichung). 2. Die Aussageform „x2 D 1“ wird zu einer wahren Aussage, wenn man für x die Zahl 1 oder 1 einsetzt (x1;2 D ˙1 sind die Lösungen der quadratischen Gleichung). 3. Die Aussageform „x C 1 D 3“ wird zu einer falschen Aussage, wenn man für x die Zahl 1 einsetzt (denn die Lösung der Gleichung ist x D 2). 9

1.2.2

lung von Summen (gesprochen: Summe über ak von k D 1 bis k D n). n X

Man erhält alle Summanden der Summe, wenn man in ak für den Index k zunächst 1, dann 2 usw. und schließlich n setzt. Dieser Buchstabe k heißt Summationsindex und kann durch einen beliebigen anderen Buchstaben ersetzt werden. Es gilt also zum Beispiel

Logische Zeichen

n X

dass A und B gelten, dass A oder B gilt, dass das Gegenteil von A gilt, dass B aus A folgt, dass sowohl A ) B als auch B ) A gelten.

Die logischen Zeichen bezeichnet man auch als Junktoren. Das Symbol _ ist das nicht ausschließende Oder (also nicht entweder . . . oder). Eine Aussage A ) B heißt eine Implikation, man sagt: A impliziert B. Man nennt A die Prämisse, B die Konklusion. Die Prämisse enthält die Voraussetzungen, unter denen die Aussage B gilt. Gilt A , B, so sagt man, die beiden Aussagen A und B sind äquivalent oder gleichwertig.

2.

Ein Index (Plural Indizes) ist ein Zeichen, das an Symbole für Variable, Funktionen oder Operationen angebracht wird. Bezeichnet man zum Beispiel eine Variable mit x, dann kennzeichnet man verschiedene Variable dadurch, dass man an das x verschiedene tiefgestellte Indizes anhängt: x1 , x2 , x3 , . . . . Ein Index ist meistens eine Zahl. P Das Summenzeichen (entstanden aus dem griechischen Buchstaben für S) dient zur vereinfachten Darstel-

i D1

ai D

n X

aj :

j D1

kD1 3 P

log .2i/ D log 2 C log 4 C log 6 9

iD1

Q Das Produktzeichen dient zur vereinfachten Darstellung von Produkten (gesprochen: Produkt über ak von k D 1 bis k D n). n Y

ak D a1  a2  a3  : : :  an

kD1

Man erhält alle Faktoren des Produkts, wenn man in ak für den Index k zunächst 1, dann 2 usw. und schließlich n setzt. Der Index k kann durch einen beliebigen anderen Buchstaben ersetzt werden. n n n Q Q Q Zum Beispiel gilt ak D ai D aj . kD1

i D1

j D1

7 Beispiele 7 Q 3. k 2 D 12  22  32  42  52  62  72

1. Für eine natürliche Zahl n ist die Implikation „6 teilt n ) 2 teilt n“ wahr. Die umgekehrte Implikation gilt nicht. 2. „6 teilt n“ und „2 teilt n und 3 teilt n“ sind zwei äquivalente Aussagen. 9

Indizes, Summenzeichen, Produktzeichen

n X

7 Beispiele 6 P 1. k 2 D 12 C 22 C 32 C 42 C 52 C 62

7 Beispiele

1.3

ak D

kD1

In der Mathematik ist es häufig sinnvoll, kompliziertere Aussagen mit Hilfe logischer Zeichen zu formalisieren. Sind A und B Aussagen, dann bedeutet A ^ B, A _ B, : A (nicht A), A ) B, A , B,

ak D a1 C a2 C a3 C : : : C an

kD1

4.

kD1 4 Q

3i D 32  33  34 D 32C3C4 D 39 9

iD2

1.4

Einteilung der Zahlen

Einige der Zahlenbereiche werden häufig in Mengenschreibweise dargestellt: N D f1; 2; 3; : : :g: Menge der natürlichen Zahlen Z D f: : : ; 3; 2; 1; 0; 1; 2; 3; : : :g: Menge der ganzen Zahlen Q D f mn jm; n 2 Z, n ¤ 0g: Menge der rationalen Zahlen R: Menge der reellen Zahlen p C D fz D a C bija; b 2 R, i D 1g: Menge der komplexen Zahlen

5 1.4  Einteilung der Zahlen

komplexe Zahlen

reelle Zahlen

{a + bi | a, b ≠ 0}

rationale Zahlen

ganze Zahlen

natürliche Zahlen

0

gebrochene Zahlen

imaginäre Zahlen

irrationale Zahlen

algebraische irrationale Zahlen

transzendente Zahlen

negative ganze Zahlen

Die natürlichen Zahlen sind die positiven ganzen Zahlen. Eine Teilmenge der natürlichen Zahlen sind die Primzahlen. Eine Primzahl ist eine natürliche Zahl größer als 1, die nur durch 1 und durch sich selbst ohne Rest teilbar ist. Die Primzahlen sind die Zahlen 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29, . . . , die Zahl 1 ist keine Primzahl. Es gibt unendlich viele Primzahlen, das heißt, es gibt keine größte Primzahl, zu jeder Primzahl gibt es noch größere. 2 ist die einzige gerade Primzahl. Alle Primzahlen zusammen bilden die Menge P der Primzahlen, die eine Teilmenge der Menge N der natürlichen Zahlen ist. Jede natürliche Zahl n  2 lässt sich in ein Produkt von Primzahlen zerlegen, die Zerlegung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren (so genannte Primfaktorzerlegung). 7 Beispiele zur Primfaktorzerlegung 100 D 2  2  5  5 D 22  52 ; 546 D 2  3  7  13 9

Die ganzen Zahlen setzen sich zusammen aus den natürlichen Zahlen, der Null und den negativen ganzen Zahlen.

7 Beispiele für rationale Zahlen 4 3 1 2I D 1;5I D 1;333: : : D 1;3I  D 0;125I 2 3 8 16  D 1;454545: : : D 1;45 11 (der periodische Teil wird überstrichen) 9

Die reellen Zahlen sind alle Zahlen, die auf der reellen Achse der Zahlenebene (Gauß’sche Zahlenebene, vgl. 7 Abschn. 1.5.1), der so genannten Zahlengeraden, darstellbar sind. 7 Beispiele für reelle Zahlen p 3 4; ; 4   ; e3 ; 3; sin 5ı 9 4

Die reellen Zahlen setzen sich zusammen aus den rationalen Zahlen und den irrationalen Zahlen. Der Dezimalbruch einer irrationalen Zahl hat unendlich viele Stellen und keine Periode. 7 Beispiele für irrationale Zahlen p p 3 3 D 1;732050808: : :I 4 D 1;587401052: : :I p 5  2 3 D 1;535898385: : :I   D 3;141592654: : :I e D 2;718281828: : : 9

Man unterteilt die irrationalen Zahlen in algebraische irrationale Zahlen und transzendente Zahlen. Eine algebraische irrationale Zahl ist eine irrationale Zahl, die Lösung (Wurzel) einer algebraischen Gleichung (Bestimmungsgleichung) xn C an1 xn1 C an2 xn2 C : : :C a1 x C a0 D 0 mit rationalen Zahlen als Koeffizienten an1 , an2 , . . . , a1 , a0 ist, wobei n für eine natürliche Zahl steht. Irrationale Zahlen, die nicht algebraisch irrational sind, heißen transzendent. 7 Beispiele für algebraische irrationale Zahlen p p 3 (denn 3 ist Lösung der Gleichung x 2  3 D 0); p p 3 3 4 (denn 4 ist Lösung der Gleichung x 3  4 D 0); p p 5  2 3 (denn 5  2 3 ist Lösung der Gleichung x 2  10x C 13 D 0) 9

7 Beispiele für ganze Zahlen

7 Beispiele für transzendente Zahlen

38; 700:632; 0; 105 9

 ; e 9

Die rationalen Zahlen sind alle ganzen und gebrochenen Zahlen. Rationale Zahlen lassen sich als Brüche aus ganzen Zahlen darstellen. Jede rationale Zahl kann als endlicher oder unendlicher periodischer Dezimalbruch dargestellt werden.

Es gibt keine reelle Zahl, die Lösung der Gleichung x2 C 1 D 0 ist. Deshalb werden die reellen Zahlen zu den komplexen Zahlen erweitert. Komplexe Zahlen sind Zahlen der Form z D aCbi, wobei a und b reelle Zahlen sind und i die imaginäre Einheit,

1

Kapitel 1  Grundlagen

6

1

i2 D 1 (i ist eine Lösung der algebraischen Gleichung x2 C 1 D 0). Eine komplexe Zahl z besteht also aus einem reellen Teil a (Realteil) und einem imaginären Teil b (Imaginärteil). Komplexe Zahlen z mit Realteil gleich 0 (also a D 0) heißen imaginäre Zahlen, die komplexen Zahlen z mit Imaginärteil gleich 0 (also b D 0) sind die reellen Zahlen. Komplexe Zahlen lassen sich in der Zahlenebene darstellen. 7 Beispiele für komplexe Zahlen p 3 C 2iI 1 C 5iI e C  2 iI 4i (imaginäre Zahl)I p 3 2 (reelle Zahl) 9

Ein hochgestelltes Plus bedeutet die Menge der entsprechenden positiven Zahlen: ZC D N D f1; 2; 3; : : :g D fxjx 2 Z; x > 0g W Menge der positiven ganzen Zahlen o nmˇ ˇ QC D ˇm; n 2 N D fxjx 2 Q; x > 0g W n Menge der positiven rationalen Zahlen RC D fxjx 2 R; x > 0g W

. Abb. 1.1 Konjugiert komplexe Zahlen z und z in algebraischer Form

Die Zahlen i und i sind Lösungen der quadratischen Gleichung x2 C 1 D 0. Mit dieser imaginären Einheit i und zwei reellen Zahlen a und b stellt z D a C bi eine komplexe Zahl dar. z D a C bi;

a; b 2 R;

i2 D 1

Eine komplexe Zahl z besteht also aus einem reellen Teil a (Realteil) und einem imaginären Teil b (Imaginärteil). Wenn a und b alle möglichen reellen Werte durchlaufen, dann werden alle möglichen komplexen Zahlen z erzeugt. Alle komplexen Zahlen bilden zusammen die Menge C der komplexen Zahlen.

Menge der positiven reellen Zahlen C D fz D a C bija; b 2 Rg

Komplexe Zahlen

1.5 1.5.1

Algebraische Form

Im Bereich der reellen Zahlen besitzt x2 C p die Gleichung p 4 1 D 0 keine Lösung. Ebenso stellen 3 oder 6 keine reellen Zahlen dar. Falls eine quadratische Gleichung keine reelle Lösung besitzt, ist es trotzdem möglich, Lösungen anzugeben und zwar komplexe Zahlen als Lösungen. Zur Darstellung dieser komplexen Zahlen wird eine Erweiterung des Bereichs der reellen Zahlen vorgenommen. Ausgangspunkt ist die imaginäre Einheit i, deren Quadrat gleich 1 ist: i2 D 1. Imaginäre Einheit i i2 D 1 Für die imaginäre Einheit gilt i2 D 1; i3 D i; i4 D 1 i4n3 D i; i4n2 D 1; i4n1 D i; i 4n D 1 .n 2 N/

Komplexe Zahlen z mit Realteil gleich 0 (also a D 0) heißen imaginäre Zahlen, die komplexen Zahlen z mit Imaginärteil gleich 0 (also b D 0) sind die reellen Zahlen. Die komplexen Zahlen umfassen also die imaginären Zahlen und die reellen Zahlen. z D a C bi komplexe Zahlen z D bi .a D 0/ imaginäre Zahlen z D a .b D 0/ reelle Zahlen Komplexe Zahlen z D a C bi und z D a  bi, also mit gleichem Realteil und entgegengesetzt gleichem Imaginärteil, heißen konjugiert komplex (siehe . Abb. 1.1). Komplexe Zahlen sind nicht mehr auf einer Zahlengeraden, sondern nur noch in einer Zahlenebene, der so genannten Gauß’schen Zahlenebene, darstellbar (Name nach dem deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauß, 1777–1855) (siehe . Abb. 1.2). Dabei wird in einem kartesischen Koordinatensystem der Ebene (siehe 7 Abschn. 4.1.1) der Realteil a von z auf der Abszissenachse und der Imaginärteil b von z auf der Ordinatenachse abgetragen. Jeder komplexen Zahl entspricht ein Punkt der Ebene und umgekehrt. Die Zuordnung von Zahl und Punkt ist eineindeutig. Die reellen Zahlen liegen auf der Abszissenachse, die imaginären Zahlen liegen

7 1.5  Komplexe Zahlen

Für die Darstellung der komplexen Zahlen in der Ebene werden für die trigonometrische Form Polarkoordinaten (siehe 7 Abschn. 4.1.2) verwendet, wohingegen für die algebraische Form kartesische Koordinaten (siehe 7 Abschn. 4.1.1) benutzt werden. Für den Zusammenhang zwischen algebraischer und trigonometrischer Form gilt p r D a2 C b 2 ; tan ' D ab a D r cos '; b D r sin ' . Abb. 1.2 Darstellung komplexer Zahlen in der Gauß’schen Zahlenebene

auf der Ordinatenachse. Deshalb nennt man die Abszissenachse auch reelle Achse und die Ordinatenachse imaginäre Achse. Die Darstellung einer komplexen Zahl in der Form z D a C bi, bei der kartesische Koordinaten verwendet werden, heißt algebraische Form. Daneben gibt es für die Darstellung der komplexen Zahlen die trigonometrische Form und die Exponentialform.

1.5.2

Trigonometrische Form

Neben der Darstellung der komplexen Zahlen in algebraischer Form gibt es die Darstellung in trigonometrischer Form (vgl. 7 Kap. 3): z D r.cos ' C i sin '/. Dabei heißt r Modul oder Absolutbetrag (also r D jzj) und ' Argument der komplexen Zahl z. Der (orientierte) Winkel ' wird im Bogenmaß gemessen und ist nur bis auf Vielfache von 2  bestimmt. Deshalb wählt man meist für ' das halboffene Intervall [0; 2 ), also 0  ' < 2 .

Derselbe Zusammenhang gilt für die kartesischen Koordinaten und die Polarkoordinaten eines Punktes in der Ebene. Multiplizieren, Dividieren, Potenzieren und Radizieren komplexer Zahlen lassen sich in der trigonometrischen Form einfacher durchführen. 1.5.3

Addieren und Subtrahieren komplexer Zahlen

Komplexe Zahlen z1 D a1 C b1 i und z2 D a2 C b2 i werden addiert, indem man die Realteile addiert und die Imaginärteile addiert. z1 C z2 D .a1 C b1 i) C .a2 C b2 i) D .a1 C a2 / C .b1 C b2 /i Komplexe Zahlen z1 D a1 C b1 i und z2 D a2 C b2 i werden voneinander subtrahiert, indem man die Realteile subtrahiert und die Imaginärteile subtrahiert (. Abb. 1.4). z1  z2 D .a1 C b1 i/  .a2 C b2 i/ D .a1  a2 / C .b1  b2 /i

z D r.cos ' C i sin '/; r 2 R; r  0; 0  ' < 2  Für ' D 0 ergeben sich die positiven reellen Zahlen, für ' D   die negativen reellen Zahlen, für ' D  2 die positiven imaginären Zahlen und für ' D 32   die negativen imaginären Zahlen (. Abb. 1.3). Statt trigonometrischer Form sagt man mitunter auch goniometrische Form der komplexen Zahlen.

. Abb. 1.3 Algebraische und trigonometrische Form einer komplexen Zahl z

Die Summe konjugiert komplexer Zahlen z D a C bi und z D a  bi ist reell, die Differenz konjugiert komplexer Zahlen ist imaginär. z C z D .a C bi/ C .a  bi/ D 2a z  z D .a C bi/  .a  bi/ D 2bi

. Abb. 1.4 Addition und Subtraktion komplexer Zahlen z1 und z2 (die mit # gekennzeichneten Strecken sind parallel und gleich lang)

1

Kapitel 1  Grundlagen

8

1

7 Beispiele

oder

1. z1 Cz2 D .2;66C0;89i/C.0;81C1;49i/ D 1;85C2;38i 2. z1  z2 D .2;66 C 0;89i/  .0;81 C 1;49i/ D 3;47  0;60i 3. z C z D .2;4 C 0;9i/ C .2;4  0;9i/ D 4;8 4. z  z D .2;4 C 0;9i/  .2;4  0;9i/ D 1;8i 9

1.5.4

D 65i 9

Multiplizieren komplexer Zahlen

1.5.5

Komplexe Zahlen z1 D a1 C b1 i und z2 D a2 C b2 i in algebraischer Form werden wie algebraische Summen multipliziert (denn z1  z2 D .a1 C b1 i/.a2 C b2 i/ D a1 a2 C a1 b2 i C b1 a2 i C b1 b2 i2 D .a1 a2  b1 b2 / C .a1 b2 C a2 b1 /i wegen i2 D 1). z1  z2 D .a1 C b1 i).a2 C b2 i/ D .a1 a2  b1 b2 / C .a1 b2  a2 b1 /i Das Produkt konjugiert komplexer Zahlen ist reell.

7 Beispiele

2. z  z D .2;4 C 0;9i/.2;4  0;9i/ D .2;4/2 C .0;9/2 D 5;76 C 0;81 D 6;57 9

Komplexe Zahlen z1 D r1 .cos '1 C i sin '1 / und z2 D r2 .cos '2 Ci sin '2 / in trigonometrischer Form werden multipliziert, indem man die Moduln (r1 und r2 ) multipliziert und die Argumente ('1 und '2 ) addiert.

3. z1 D 3.cos 20ı C i sin 20ı /, z2 D 7.cos 65ı C i sin 65ı / ı

ı

ı

) z1  z2 D 3.cos 20 C i sin 20 /  7.cos 65 C i sin 65 / D 21.cos 85ı C i sin 85ı / p i, 4. z1 D 5.cos 30ı C i sin 30ı / D 52 3 C 52p 13 C 3i z2 D 13.cos 60ı C i sin 60ı / D 13 2 2 1 (denn sin 30ı D cos 60ı D p 2 1 ı ı und sin 60 D cos 30 D 2 3). Es folgt

1 1  .i/ D D i 9 i i  .i/

z1 r1 .cos '1 C i sin '1 / D z2 r2 .cos '2 C i sin '2 / r1 D Œcos.'1  '2 / C i sin.'1  '2 / r2 7 Beispiele z1 D 3 .cos 20ı C i sin 20ı / ; z2 D 7 .cos 65ı C i sin 65ı /

ı

z1  z2 D 5.cos 30 C i sin 30 /  13.cos 60 C i sin 60 /

.z2 ¤ 0/

7 Beispiele 3  5 C 4  .2/ z1 3 C 4i 4  5  3  .2/ D 1. D C i z2 5  2i 52 C .2/2 52 C .2/2 20 C 6 7 26 15  8 C iD C i D 25 C 4 25 C 4 29 29 2 2 z 2;4 C 0;9i .2;4/  .0;9/ 2  2;4  0;9 2. D D C i z 2;4  0;9i .2;4/2 C .0;9/2 .2;4/2 C .0;9/2 4;32 4;95 4;32 5;76  0;81 C iD C i D 5;76 C 0;81 5;76 C 0;81 6;57 6;57

4.

ı

.z2 ¤ 0/

Komplexe Zahlen z1 D r1 .cos '1 C i sin '1 / und z2 D r2 .cos '2 C i sin '2 / in trigonometrischer Form werden dividiert, indem man die Moduln (r1 und r2 ) dividiert und die Argumente ('1 und '2 ) subtrahiert.

7 Beispiele

D 65.cos 90ı C i sin 90ı / D 65i

z1 a 1 C b1 i D z2 a 2 C b2 i a 1 a 2 C b1 b2 b1 a 2  a 1 b2 D C i a22 C b22 a22 C b22

3.

z1  z2 D r1 .cos '1 C i sin '1 /  r2 .cos '2 C i sin '2 / D r1 r2 Œcos.'1 C '2 / C i sin.'1 C '2 /

ı

Komplexe Zahlen z1 D a1 C b1 i und z2 D a2 C b2 i in algebraischer Form werden dividiert, indem man mit der konjugiert komplexen Zahl des Nenners (Divisors) erweitert.

z 2ab a C bi a2  b 2 C 2 i D D 2 2 z a  bi a Cb a C b2

1. z1  z2 D .3 C 4i/.5  2i/ D .3  5  4  .2// C .3  .2/ C 5  4/i D 23 C 14i

ı

Dividieren komplexer Zahlen

Der Quotient konjugiert komplexer Zahlen ist wieder eine komplexe Zahl.

z  z D .a C bi).a  bi/ D a2 C b2

ı

  13 13 p 5p 5 C 3C i 3i 2 2 2 2   65 65 p 65 p 65  3 C D 3 3C i 4 4 4 4 

z1  z2 D

)

7 .cos 65ı C i sin 65ı / z2 D z1 3 .cos 20ı C i sin 20ı / 7 D .cos 45ı C i sin 45ı / 3

9 1.5  Komplexe Zahlen

5p 5 3 C i; 2 2 13 p 13 ı ı C 3i z2 D 13 .cos 60 C i sin 60 / D 2 2

5. z1 D 5 .cos 30ı C i sin 30ı / D

7 Beispiele z D 5 .cos 30ı C i sin 30ı / D

3.

 p  5 5 4 3C i 2 2  p 4  p 2  2  4 5 5 5 5 D 3 6 3 C 2 2 2 2 "  3  3 # p p 5 5 5 5 C 4 3  4 3 i 2 2 2 2

z4 D

Es folgt z1 5 .cos 30ı C i sin 30ı / D z2 13 .cos 60ı C i sin 60ı / 5 .cos .30ı / C i sin .30ı // D 13 5 .cos 30ı  i sin 30ı / D 13   5 1p 1 D 3 i 13 2 2 5 5p 3 i D 26 26

625 625  9 6  25  3  25  C 16 4  4 16 " # p p 4  125  3  3  5 4  5  3  125  C i 82 28 p 625  3 625 C i D 2 2

D

oder z1 D z2 D

D D

1.5.6

p

3 C 52 i p C 13 3i 2   p p  5 3 C 52 i 13  13 3i 2 2 2    p p 13 C 13 3i 13  13 3i 2 2 2 2 p p 65 3  65  3i C 65 i C 65 3 4 4 4 4 169 5 5p 3 i 9 26 26 5 2 13 2

5p 5 3C i 2 2

z 4 D Œ5 .cos 30ı C i sin 30ı /4

4.

D 54 .cos 120ı C i sin 120ı / D 54 . sin 30ı C i cos 30ı /   1p 1 Œ:5mm D 54  C 3i 2 2 p 625  3 625 C i 9 D 2 2

Die Moivre’sche Formel lässt sich durch vollständige Induktion beweisen. Ihre Gültigkeit lässt sich schrittweise bis auf reelle Exponenten ausdehnen.

Potenzieren komplexer Zahlen

Ist n eine nichtnegative ganze Zahl, so wird die n-te Potenz zn von z wie üblich durch z0 D 1, zn D zn1  z definiert. 7 Beispiele 1. z3 D .a C bi/2 .a C bi/ D a3  3ab2 C .3a2 b  b3 /i 2. z4 D .a C bi/3 .a C bi/ D Œa3  3ab2 C .3a2 b  b3 /i.a + bi/ D a4  6a2 b2 C b4 C .4a3 b  4ab3 /i 9

Einfacher lässt sich das Potenzieren komplexer Zahlen in der trigonometrischen Form durchführen. Mit Hilfe von Additionstheoremen für die trigonometrischen Funktionen erhält man die Formel von Moivre (nach dem französischen Mathematiker Abraham de Moivre, 1667–1754). zn D Œr.cos ' C i sin '/n D rn .cos n' C i sin n'/ .n 2 N/ Eine komplexe Zahl in trigonometrischer Form wird also in die n-te Potenz erhoben, indem man den Modul (r) in die entsprechende Potenz rn erhebt und das Argument (') mit dem Exponenten n multipliziert.

Radizieren komplexer Zahlen

1.5.7

p Die n-te Wurzel n z einer komplexen Zahl z ist definiert als eine komplexe Zahl w, deren n-te Potenz gleich z ist, also eine Lösung der Gleichung wn D z. Setzt man z D r.cos ' C i sin '/ und w D .cos C i sin /, dann folgt mit der Formel von Moivre w n D n .cos n C i sin n / und wegen wn D z D r.cos ' C i sin '/ weiter n D r, cos np D cos ', sin n D sin '. Aus n D r ergibt sich  D n r, während es für cos n D cos ', sin n D sin ' wegen cos ' D cos.' C 2k /, sin ' D sin.' C 2k / genau n verschiedene Lösungen ' C 2.k  1/  , k D 1; 2; 3; : : :; n, gibt.  D n Somit gilt: Für n 2 N besitzt die Gleichung wn D z D r.cos ' C i sin '/ genau n verschiedene Lösungen w1 ; w2 ; : : :; wn (die n-ten Wurzeln aus z). wk D

  p ' C 2.k  1/  ' C 2.k  1/  n r cos C i sin n 2

k D 1; 2; : : :; n

1

10

Kapitel 1  Grundlagen

1

. Abb. 1.5 Die sechsten Wurzeln w1 ; w2 ; : : : ; w6 aus z D .1;2/6 .cos 60ı C i sin 60ı /

Die n-te Wurzel aus z ist also nicht eindeutig. Für k D 1 ergibt sich der so genannte Hauptwert w1 der n-ten Wurzel. Hauptwert p  ' ' w1 D n r cos C i sin n n Stellt man die n-ten Wurzeln wk , k D 1; 2; 3; : : :; n in der Gauß’schen Zahlenebene dar, so ergeben sich die Eckpunkte eines regelmäßigen n-Ecks mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung.pDie Punkte liegen auf einem Kreis mit dem Radius  D n r. Der Hauptwert w1 besitzt das Argument 'n . Durch wiederholte Drehung um den Winkel 2  n erhält man die weiteren Lösungen. 7 Beispiele z D 2;985984.cos 60ı C i sin 60ı / D .1;2/6 .cos 60ı C i sin 60ı /; n D 6 (. Abb. 1.5) p p ı Wegen n r D 6 .1;2/6 D 1;2 und 'n D 606 D 10ı lauten die sechsten Wurzeln aus z: w1 D 1;2.cos 10ı C i sin 10ı /, w2 D 1;2.cos 70ı C i sin 70ı /, w3 D 1;2.cos 130ı C i sin 130ı /, w4 D 1;2.cos 190ı C i sin 190ı /, w5 D 1;2.cos 250ı C i sin 250ı /, w6 D 1;2.cos 310ı C i sin 310ı /. 9

Die n-ten Wurzeln aus z D 1 sind die so genannten n-ten Einheitswurzeln (. Abb. 1.6). n-te Einheitswurzeln: Lösungen von wn D z D 1 7 Beispiele 1. n D 2: z D w2 D 1 w1 D 1.cos 0ı C i sin 0ı / D 1; w2 D 1.cos 180ı C i sin 180ı / D 1 2. n D 3: z D w3 D 1 w1 D 1.cos 0ı C i sin 0ı / D 1

. Abb. 1.6 Die n-ten Einheitswurzeln für n D 2, n D 3 und n D 4

w2 D 1.cos 120ı C i sin 120ı / p D 1. cos 60ı C i sin 60ı / D  12 C 12 3i w3 D 1.cos 240ı C i sin 240ı / p D 1. cos 60ı  isin 60ı / D  12  12 3i 3. n D 4: z D w4 D 1 w1 D 1.cos 0ı C i sin 0ı / D 1 w2 D 1.cos 90ı C i sin 90ı / D i w3 D 1.cos 180ı C i sin 180ı / D 1 w4 D 1.cos 270ı C i sin 270ı / D i 9

1.5.8

Euler’sche Formel

Die Euler’sche Formel für komplexe Zahlen z verknüpft die Exponentialfunktion (vgl. 7 Abschn. 2.7.1) und die trigonometrischen Funktionen (siehe 7 Kap. 3) miteinander (nach dem Schweizer Mathematiker Leonhard Euler, 1707–1783). Dabei ist e D 2;7182818284: : : die Euler’sche Zahl. eiz D cos z C i sin z; z 2 C Für reelle Zahlen x (die reellen Zahlen sind eine Teilmenge der komplexen Zahlen) gilt eix D cos x C i sin x. Setzt man x D ', dann erhält man die so genannte Exponentialform der komplexen Zahlen. z D r.cos ' C i sin '/ D rei' Dabei ist r der Modul und ' das Argument der komplexen Zahl z. Für das Produkt und den Quotienten zweier komplexer Zahlen z1 D r1  e i'1 und z2 D r2  e i'2 ergibt sich z1  z2 D r1  e i'1  r2  e i'2 D r1  r2  e i.'1 C'2 / z1 r1 e i'1 r1 D D e i.'1 '2 / .z2 ¤ 0/ i' 2 z2 r2 e r2

11 1.6  Matrizen und Determinanten

1 Quadratische Matrizen

7 Beispiel Komplexe Zahl in verschiedenen Formen p ! p 3 1 C i D 1 C 3i .algebraische Form/ zD2 2 2      .trigonometrische Form/ D 2 cos C i sin 3 3   D 2e i 3 .Exponentialform/ 9

Gilt m D n, also Zeilenanzahl gleich Spaltenanzahl, dann heißt A eine n-reihige quadratische Matrix oder eine quadratische Matrix der Ordnung n. Die Elemente einer quadratischen Matrix, für die i D j gilt, bilden die so genannte Hauptdiagonale der Matrix. 7 Beispiel 2 4 5

Matrizen und Determinanten

1.6 1.6.1

6 AD4 1 1

0 1 10

3  52 1 7 5  43

A ist eine quadratische 3-reihige Matrix. Die Hauptdiagonalelemente sind

Matrizen

4

4

a11 D ; a22 D 1; a33 D  : Eine Matrix (Plural Matrizen) ist ein System von m  n 5 3 Größen, die in einem rechteckigen Schema von m (waaAlle Elemente der zweiten Zeile sind gleich 1: gerechten) Zeilen und n (senkrechten) Spalten angeordnet sind. Die m  n Größen nennt man die Elemente der Maa21 D a22 D a23 D 1: 9 trix, es sind beliebige reelle (oder komplexe) Zahlen. Die Stellung eines Elementes, etwa aij , im Schema wird durch1 Nullmatrix 0 einen Doppelindex gekennzeichnet. Dabei gibt der erste In- Eine Matrix, deren Elemente alle gleich Null sind, also dex i die Zeile und der zweite Index j die Spalte an, in der aij D 0 für i D 1; : : :; m und j D 1; : : :; n, heißt eine Nulldas Element steht. Die Nummerierungen der Zeilen verlau- matrix. fen von oben nach unten, die der Spalten von links nach rechts. Das Element aij befindet sich also im Kreuzungs-1 Einheitsmatrix E punkt der i-ten Zeile und der j-ten Spalte. Eine quadratische Matrix heißt Einheitsmatrix, falls Eine Matrix mit m Zeilen und n Spalten nennt man  1 für i D j ; (m; n)-Matrix. Meist kürzt man Matrizen durch große lateiaij D 0 für i ¤ j : nische Buchstaben A, B, . . . ab. Man schreibt eine Matrix, indem man das Schema in eckige Klammern (oder auch in 1 Diagonalmatrix runde Klammern) setzt: Eine quadratische Matrix, bei der für alle i ¤ j die ElemenMatrix te aij gleich Null sind, heißt Diagonalmatrix. 2 3 a11 a12    a1n 6 a21 a22    a2n 7 7 Beispiel 7 3 2 AD6 4    5 2 0 0 6 7 am1 am2    amn A D 40 3 05 9 0 1 0 0 7 a11 a12    a1n B a21 a22    a2n C C ADB 1 Obere Dreiecksmatrix @    A Eine quadratische Matrix, bei der für alle i > j die Elemenam1 am2    amn te aij gleich Null sind, heißt obere Dreiecksmatrix.

Abkürzend schreibt man dafür auch A D .aij /. 7 Beispiel 2 5 2 6 0 A D 4 14 1 0

0 6 2

3 5 17 5 5

Dies ist eine (3; 4)-Matrix, also eine Matrix mit 3 Zeilen und 4 Spalten. Zum Beispiel ist a12 D 2 das Element, das in der ersten Zeile und zweiten Spalte steht. 9

! Die Doppelindizes sind einzeln zu lesen, zum Beispiel wird a12 gesprochen: „a eins zwei“.

7 Beispiel 2 1 6 6 AD4 0 4 0 0

3 0 17 5 9 7

1 Untere Dreiecksmatrix

Eine quadratische Matrix, bei der für alle i < j die Elemente aij gleich Null sind, heißt untere Dreiecksmatrix. 1 Matrizen vom gleichen Typ

Zwei Matrizen heißen vom gleichen Typ, wenn sie die gleiche Anzahl von Zeilen und die gleiche Anzahl von Spalten

1

12

1

Kapitel 1  Grundlagen

haben, wenn also beide (m; n)-Matrizen sind mit dem gleichen m und dem gleichen n. 7 Beispiele " 1 2 AD 1 24

# 3 I 0

BD

" 2 0

2 6

# 0 I 1

" C D

1 0

6 4

#

A und B sind vom gleichen Typ, C ist jedoch nicht vom gleichen Typ wie A und B. 9

1 Gleichheit von Matrizen

Zwei Matrizen A und B heißen gleich, wenn beide vom gleichen Typ sind und wenn die entsprechenden Elemente übereinstimmen, wenn also aij D bij für alle i D 1; : : : ; m und j D 1; : : : ; n gilt. 7 Beispiel " 1 2 AD 1 24

# 3 I 0

"

1 BD 1

2 24

# 3 W 0

ADB 9

1 Transponierte Matrix

Zwei Matrizen vom gleichen Typ werden addiert bzw. subtrahiert, indem man ihre korrespondierenden Elemente addiert bzw. subtrahiert: A C B D .aij / C .bij / D .aij C bij / A  B D .aij /  .bij / D .aij  bij / Eigenschaften der Addition: 1. A C B D B C A (Kommutativgesetz) 2. .A C B/ C C D A C .B C C/ D A C B C C (Assoziativgesetz) 3. .A C B/T D AT C BT 7 Beispiele "

# 2 2 0 I 1 3 2 " # 6 1 3 ACB D 0 3 0 " # 2 3 3 AB D I 2 3 4 AD

BD

" 4 1

1 0

"

2 B AD 2

3 2

#

3 3

3 4

# 9

Die transponierte oder gespiegelte Matrix AT der Matrix A ist die Matrix, die durch Vertauschung von Zeilen und1 Multiplikation einer Matrix mit einer reellen Zahl Man multipliziert eine Matrix A mit einer reellen Zahl k, Spalten von A gebildet wird: indem man jedes Element der Matrix mit k multipliziert: 2 3 a11 a12    a1n kA D k.aij / D .k aij / 6 a21 a22    a2n 7 6 7 AD4 I     5 Eigenschaften: Sind k und l zwei reelle Zahlen und A und B zwei Maam1 am2    amn 2 3 trizen, so gilt: a11 a21    am1 1. k.lA/ D l.kA/ D .kl/A 6a12 a22    am2 7 7 2. .k C l/A D kA C lA AT D 6 4    5 3. k.A C B/ D kA C kB a1n a2n    amn 4. .kA/T D kAT 7 Beispiel " 2 3 AD 5 0

#

1 I 4

2

2 6 AT D 4 3 1

7 Beispiel "

3 5 07 5 9 4

1 Symmetrische Matrix

3A D 3

2 3

0 2

#

" D

6 3

6 9

0 6

# 9

1 Multiplikation von Matrizen

Eine quadratische Matrix A heißt symmetrisch, wenn A D AT ist, wenn also aij D aj i für alle i und j gilt. 7 Beispiel 2 1 2 6 A D 4 2 6 3 0

2 1

3 3 T 07 5DA 9 5

1 Antisymmetrische Matrix

Eine quadratische Matrix A heißt antisymmetrisch oder schiefsymmetrisch, wenn AT D A ist. 1 Addition und Subtraktion von Matrizen

Matrizen können nur dann addiert oder subtrahiert werden, wenn sie vom gleichen Typ sind.

Das Produkt AB zweier Matrizen A und B kann nur dann gebildet werden, wenn die Spaltenanzahl von A gleich der Zeilenanzahl von B ist. Ist A D .aij / eine (m; n)-Matrix und B D .bj k / eine (n; r)-Matrix (Anzahl der Spalten von A D Anzahl der Zeilen von B), so ist die Produktmatrix P C D AB eine (m; r)-Matrix mit den Elementen ci k D jnD1 aij  bj k . Das Element ci k von C D AB für ein festes i und ein festes k erhält man also, indem man das j-te Element der i-ten Zeile von A mit dem j-ten Element der k-ten Spalte von B multipliziert für j D 1, . . . , n und alle diese Produkte addiert. A D .aij /; B D .bj k / ) C D AB D .ci k / n P mit ci k D aij  bj k j D1

1

13 1.6  Matrizen und Determinanten

Schematische Darstellung: 2 b11 6b21 6 4   bn1 2 32 a11 a12    a1n    6             76   6 76 76 A D6 6 ai1 ai 2    ai n 76   4             54   am1 am2    amn    7 Beispiel " 2 3 AD 1 4

# 4 I 0 2

"

2 3 1 4 " 6 5 AB D 1 5 AD

1 60 4 1 #" 4 6 0 1 10 6

2 1 6 B D 40 1 1 1 1 5 5 # 3 5

Es ergibt sich das lineare Gleichungssystem

   

b1k b2k  bnk

   

    

  ci k  

    

1 1 1

2 2 0

3

b1r b2r 7 7DB   5 bnr 3    7 7   7 7 D AB   5 

3 1 17 5 1

3 1 17 5DB 1 # 10 3 D AB 6 5

Eine quadratische Matrix A heißt orthogonal, wenn A AT D AT A D E (E Einheitsmatrix) ist. 1 Inverse Matrix

Eine Matrix B heißt Inverse der quadratischen Matrix A, wenn AB D E (E Einheitsmatrix) gilt. Man schreibt dann B D A1 . Existiert die Inverse einer Matrix, dann ist sie eindeutig. Eine Matrix A, für die die Inverse A1 existiert, heißt regulär, andernfalls heißt sie singulär.

" AD

2 1

b  2d D 1:

b D 3;

c D 1;

d D 2:

Es folgt: 1

Inverse A

" 2 D 1

3 2

# 9

Determinanten

a12 a22  an2

ˇ    a1n ˇ ˇ    a21 ˇˇ       ˇˇ    ann ˇ

Definition für zweireihige Determinanten (n D 2):

1 Orthogonale Matrix

" # a b D A1 c d #" # 3 1 0 DE 2 0 1

a D 2;

ˇ ˇa11 ˇ ˇa21 D D det.A/ D jAj D ˇˇ ˇ   ˇan1

Eigenschaften der Matrizenmultiplikation: 1. A.BC/ D .AB/C (Assoziativgesetz) 2. A.B C C/ D AB C AC (Distributivgesetz) 3. AB ¤ BA (Kommutativgesetz gilt nicht) 4. AE D EA D A (E Einheitsmatrix) 5. A0 D 0A D 0 (0 Nullmatrix) 6. .AB/T D BT AT (Reihenfolge ändert sich)

2 Man berechne die Inverse der Matrix A D 1

a  2c D 0;

Eine Determinante D ist ein algebraischer Ausdruck, der jeder n-reihigen quadratischen Matrix A mit reellen (oder komplexen) Elementen aij eindeutig zugeordnet wird. Dieser algebraische Ausdruck ist eine reelle (oder komplexe) Zahl. Die Determinante einer n-reihigen quadratischen Matrix nennt man n-reihige Determinante. Man schreibt eine Determinante, indem man das quadratische Schema der Matrix zwischen senkrechte Striche setzt, oder in Kurzform D D det.A/ D jAj. Determinante:

BA existiert nicht. 9

"

2b C 3d D 0;

Die Lösung des Gleichungssystems ist

1.6.2

2 2 0

7 Beispiel

2a C 3c D 1;

# 3 . 2

ˇ ˇa11 D D ˇˇ a21

ˇ a12 ˇˇ D a11 a22  a12 a21 a22 ˇ

Die Elemente a11 , a22 bilden die Hauptdiagonale, die Elemente a12 , a21 die so genannte Nebendiagonale.

Merkregel zur Berechnung Produkt der Hauptdiagonalelemente minus Produkt der Nebendiagonalelemente.

7 Beispiel ˇ ˇ ˇ1 1ˇ ˇ ˇ DDˇ ˇ D .1/  1  1  2 D 3 9 ˇ 2 1ˇ

Die allgemeine Lösungsformel xD

b2 c1  b1 c2 ; a 1 b2  a 2 b1

yD

a1 c2  a2 c1 a 1 b2  a 2 b1

14

1

Kapitel 1  Grundlagen

für ein lineares Gleichungssystem a1 x C b1 y D c1 , a2 x C b2 y D c2 lässt sich auch mit Hilfe von zweireihigen Determinanten schreiben: ˇ ˇ ˇc1 b1 ˇ ˇ ˇ ˇc2 b2 ˇ ˇ; xDˇ ˇ a 1 b1 ˇ ˇ ˇ ˇ a 2 b2 ˇ

ˇ ˇa1 ˇ ˇa2 yDˇ ˇa1 ˇ ˇa2

ˇ c1 ˇˇ c2 ˇ ˇ b1 ˇˇ b2 ˇ

7 Beispiel ˇ ˇ ˇ3 7 2ˇˇ ˇ ˇ 0 6 ˇˇ DDˇ4 ˇ ˇ ˇ2 4 1 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ 0 6ˇ ˇ7 ˇ ˇ ˇ D 3ˇ ˇ  4ˇ ˇ4 1ˇ ˇ4

ˇ ˇ ˇ7 2ˇˇ ˇ ˇ C .2/ ˇ 1ˇ ˇ0

ˇ 2ˇˇ ˇ 6ˇ

D 3.0  1  6.4//  4.7  1  .2/.4//  2.7  6  .2/0/

Die gemeinsame Nennerdeterminante wird aus den Koeffizienten von x und y der beiden Gleichungen in der gegebenen Anordnung gebildet. Die Nennerdeterminante heißt deshalb auch Koeffizientendeterminante. Man erhält die Zählerdeterminante von x, indem man die Koeffizienten von x durch die Absolutglieder ersetzt, und die Zählerdeterminante von y entsprechend durch Ersetzung der Koeffizienten von y durch die Absolutglieder (immer in der gleichen Reihenfolge, also Ersetzung von b1 durch c1 usw.). Man nennt diese Methode Cramer’sche Regel zur Berechnung der Lösung eines linearen Gleichungssystems (nach dem schweizerischen Mathematiker Gabriel Cramer, 1704–1752). 7 Beispiel

Man nennt dies „Entwickeln“ der dreireihigen Determinante nach der ersten Spalte. Dabei wird nacheinander jedes Element der ersten Spalte mit derjenigen zweireihigen Determinante multipliziert, die man erhält, wenn man in der dreireihigen Determinante die Zeile und die Spalte streicht, in der das Element steht. Die so gebildeten Produkte werden mit alternierenden (wechselnden) Vorzeichen versehen, angefangen mit einem C, und anschließend addiert. Bezeichnet man die Determinante, die man durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte der Determinante D erhält, mit Dij , so kann man das obige Entwickeln auch darstellen als D D a11  D11  a21  D21 C a31  D31

Lineares Gleichungssystem: x  2y D 4 2x C 5y D 35 Einsetzen von a1 D 1, a2 D 2, b1 D 2, b2 D 5, c1 D 4, c2 D 35 in die Determinantengleichungen für x und y ergibt: ˇ ˇ ˇ 4 2ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ35 5 ˇ 4  5  .2/  35 20 C 70 90 ˇ D xD ˇ D D D 10; ˇ1 2ˇ 1  5  .2/  2 5C4 9 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ2 5 ˇ ˇ ˇ ˇ1 4 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ2 35ˇ 1  35  4  2 35  8 27 ˇ D D D D3 9 yD ˇ ˇ1 2ˇ 1  5  .2/  2 5 C 4 9 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ2 5 ˇ

Definition für dreireihige Determinanten (n D 3): ˇ ˇ ˇa11 a12 a13 ˇ ˇ ˇ D D ˇˇa21 a22 a23 ˇˇ ˇa31 a32 a33 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇa22 a23 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ  a21 ˇa12 a13 ˇ C a31 ˇa12 D a11 ˇˇ ˇ ˇ ˇ ˇa22 a32 a33 a32 a33

D 3  24  4.1/  2  42 D 8 9

Die mit dem Faktor .1/i Cj (dieser Faktor ist C1 oder 1) multiplizierte Determinante Dij heißt Adjunkte oder algebraisches Komplement Aij des Elements aij . Somit kann man für das obige Entwickeln auch schreiben D D a11  A11 C a21  A21 C a31  A31 Zur Berechnung kann man die Determinante nach einer beliebigen Zeile oder Spalte entwickeln. Entwicklung nach einer beliebigen Zeile: D D ai1  Ai1 C ai 2  Ai 2 C ai 3  Ai 3 D

3 X

aij Aij ;

1i 3

j D1

Bei Entwicklung nach der ersten Zeile ist i D 1, bei Entwicklung nach der zweiten Zeile ist i D 2, und bei Entwicklung nach der dritten Zeile ist i D 3. Entwicklung nach einer beliebigen Spalte: ˇ a13 ˇˇ a23 ˇ

D a11 .a22 a33  a23 a32 /  a21 .a12 a33  a13 a32 / C a31 .a12 a23  a13 a22 / D a11 a22 a33  a11 a23 a32 C a13 a21 a32  a12 a21 a33 C a12 a23 a31  a13 a22 a31

D D a1j  A1j C a2j  A2j C a3j  A3j D

3 X

aij Aij ;

1j 3

i D1

Bei Entwicklung nach der ersten Spalte ist j D 1, bei Entwicklung nach der zweiten Spalte ist j D 2, und bei Entwicklung nach der dritten Spalte ist j D 3.

1

15 1.6  Matrizen und Determinanten

7 Beispiel ˇ ˇ3 7 ˇ ˇ 0 DDˇ4 ˇ ˇ2 4

Entwicklung nach einer beliebigen Zeile:

ˇ 2ˇˇ 6 ˇˇ ˇ 1ˇ

D D ai1  Ai1 C ai 2  Ai 2 C : : : C ai n  Ai n n X D aij Aij .1  i  n/

Entwicklung nach der zweiten Zeile:

j D1

D D a21  A21 C a22  A22 C a23  A23 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ 7 2ˇ ˇ3 7 ˇˇ ˇ 2C1 ˇ 2C3 ˇ D 4  .1/ ˇ ˇ ˇ C 0  A22 C 6  .1/ ˇ ˇ4 1 ˇ ˇ2 4ˇ D 4Œ7  1  .2/.4/ C 0  6Œ3  .4/  7  .2/ D 4  .1/  6  2 D 4  12 D 8 9

Dreireihige Determinanten können auch mit der Regel von Sarrus berechnet werden (nach dem französischen Mathematiker Pierre F. Sarrus, 1798–1861). Man fügt bei der Regel von Sarrus die ersten beiden Spalten der Determinante nochmals als 4. und 5. Spalte hinzu. Dann multipliziert man je drei diagonal aufeinander folgende Elemente und addiert (Hauptdiagonalen) bzw. subtrahiert (Nebendiagonalen) die so entstehenden sechs Produkte. –



a11

a12

a13

a11

a12

a21

a22

a23

a21

a22

a31

a32

a33

a31

a32

+

+



+

Die Regel ausgeführt ergibt ˇ ˇ a11 ˇ det.A/ D ˇˇ a21 ˇ a31

a12 a22 a32

a13 a23 a33

ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ

D a11 a22 a33 C a12 a23 a31 C a13 a21 a32  a13 a22 a31  a11 a23 a32  a12 a21 a33 7 Beispiel ˇ ˇ ˇ3 7 2ˇˇ ˇ ˇ4 0 6 ˇˇ D 3  0  1 C 7  6  .2/ C .2/  4  .4/ ˇ ˇ ˇ ˇ2 4 1 ˇ  .2/  0  .2/  3  6  .4/  7  4  1 D 0  84 C 32  0 C 72  28 D 8 9

! Die Regel von Sarrus gilt nur für dreireihige Determinanten!

Definition für n-reihige Determinanten (n  4): Auch für beliebige n-reihige Determinanten lässt sich der Wert mit Hilfe des Entwicklungssatzes definieren.

Bei Entwicklung nach der ersten Zeile ist i D 1, bei Entwicklung nach der zweiten Zeile ist i D 2, usw., und bei Entwicklung nach der n-ten Zeile ist i D n. Entwicklung nach einer beliebigen Spalte: D D a1j  A1j C a2j  A2j C : : : C anj  Anj n X D aij Aij .1  j  n/ i D1

Bei Entwicklung nach der ersten Spalte ist j D 1, bei Entwicklung nach der zweiten Spalte ist j D 2, usw., und bei Entwicklung nach der n-ten Spalte ist j D n. Die Cramer’sche Regel zur Berechnung der Lösung eines linearen Gleichungssystems ist immer dann anwendbar, wenn bei dem betrachteten linearen Gleichungssystem die Anzahl der Gleichungen und die Anzahl der Variablen übereinstimmen (und die Koeffizientendeterminante von Null verschieden ist). Die allgemeine Form eines linearen Gleichungssystems mit drei Gleichungen und drei Variablen x, y, z lautet: a1 x C b1 y C c1 z D d1 a2 x C b2 y C c2 z D d2 a3 x C b3 y C c3 z D d3 Die Koeffizientendeterminante eines solchen linearen Gleichungssystems ist also ˇ ˇa1 ˇ D D ˇˇa2 ˇa3

b1 b2 b3

ˇ c1 ˇ ˇ c2 ˇˇ c3 ˇ

Ersetzt man die erste Spalte von D, also die Koeffizienten von x, durch die Absolutglieder des linearen Gleichungssystems, so ergibt sich die Determinante ˇ ˇ d1 ˇ Dx D ˇˇd2 ˇ d3

b1 b2 b3

ˇ c1 ˇ ˇ c2 ˇˇ c3 ˇ

Durch Ersetzen der Koeffizienten von y und z erhält man analog die Matrizen ˇ ˇa1 ˇ Dy D ˇˇa2 ˇa3

d1 d2 d3

ˇ c1 ˇˇ c2 ˇˇ ; c3 ˇ

ˇ ˇa1 ˇ Dz D ˇˇa2 ˇa3

b1 b2 b3

ˇ d1 ˇˇ d2 ˇˇ d3 ˇ

16

1

Kapitel 1  Grundlagen

Für D ¤ 0 ergibt sich dann als eindeutige Lösung des linearen Gleichungssystems ˇ ˇ ˇd1 b1 c1 ˇ ˇ ˇ ˇd2 b2 c2 ˇ ˇ ˇ ˇd3 b3 c3 ˇ Dx xD D ˇ ˇ ˇa1 b1 c1 ˇ D ˇ ˇ ˇa2 b2 c2 ˇ ˇ ˇ ˇa3 b3 c3 ˇ ˇ ˇ ˇa1 d1 c1 ˇ ˇ ˇ ˇa2 d2 c2 ˇ ˇ ˇ ˇa3 d3 c3 ˇ Dy ˇ D ˇ yD ˇa1 b1 c1 ˇ D ˇ ˇ ˇa2 b2 c2 ˇ ˇ ˇ ˇa3 b3 c3 ˇ ˇ ˇ ˇa1 b1 d1 ˇ ˇ ˇ ˇa2 b2 d2 ˇ ˇ ˇ ˇa3 b3 d3 ˇ Dz D ˇ zD ˇ ˇa1 b1 c1 ˇ D ˇ ˇ ˇa2 b2 c2 ˇ ˇ ˇ ˇa3 b3 c3 ˇ Ist jedoch D D 0, dann gibt es entweder keine oder unendlich viele Lösungen des linearen Gleichungssystems. In diesem Fall ist die Cramer’sche Regel nicht anwendbar. 7 Beispiel Lineares Gleichungssystem: 3x C 15y C 8z D 10 5x C 10y C 12z D 1 2x C 7y C z D 1

Nennerdeterminante (Determinante der Koeffizientenmatrix): ˇ ˇ3 ˇ ˇ D D ˇ5 ˇ ˇ2

15 10 7

ˇ 8 ˇˇ 12ˇˇ ˇ 1ˇ

D 30 C 360  280  160  252 C 75 D 227 Zählerdeterminanten: ˇ ˇ ˇ 10 15 8 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ Dx D ˇ1 10 12ˇ ˇ ˇ ˇ1 7 1ˇ D 100 C 180  56  80  840 C 15 D 681 ˇ ˇ ˇ3 10 8 ˇˇ ˇ ˇ ˇ Dy D ˇ5 1 12ˇ ˇ ˇ ˇ2 1 1ˇ D 3 C 240  40 C 16  36 C 50 D 227 ˇ ˇ ˇ 3 15 10 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ Dz D ˇ5 10 1ˇ ˇ ˇ ˇ2 7 1ˇ D 30  30  350  200 C 21 C 75 D 454 Somit ergibt sich als Lösung des linearen Gleichungssystems: 681 Dx D D 3; D 227 Dy 227 yD D D 1; D 227 Dz 454 zD D D2 D 227 xD

Die Lösung des Gleichungssystems ist also das (geordnete) Zahlentripel .x; y; z/ D .3; 1; 2/ (oder Lösungsmenge: L D f.3; 1; 2/g). 9

17

Funktionen Arnfried Kemnitz

Definition und Darstellungen von Funktionen

2.1

2.1.1

Definitionen

Sowohl der Definitionsbereich als auch der Wertebereich sind die natürlichen Zahlen. Für die Bildmenge ergibt sich f .D/ D f5; 10; 15; 20; : : :g. 2. y D f .x/ D x C 2, D D R, W D R 9

2.1.2 Funktionsgleichung Eine Abbildung oder Funktion f ist eine Zuordnung, die jeder Zahl x einer gegebenen Zahlenmenge D eine Zahl y einer Zahlenmenge W zuordnet. Die Zuordnung ist ein-1 Explizite Darstellung der Funktionsgleichung deutig, das heißt, jeder Zahl x wird genau eine Zahl y Die Zuordnungsvorschrift für eine Funktion ist im Regelzugeordnet. Man schreibt dafür y D f .x/ oder manchmal fall eine Gleichung, die Funktionsgleichung y D f .x/ auch x 7! f .x/. Man nennt f .x/ das Bild von x und umge- (gesprochen: y gleich f von x). Dabei heißt x unabhängige Variable und y abhängige Variable. Man nennt x auch kehrt x das Urbild von f .x/. Die Menge D heißt Urbildmenge, Definitionsmenge das Argument der Funktion. Die Form y D f .x/ heißt explizite Darstellung der oder Definitionsbereich. Die Menge W, aus der die Bilder stammen, heißt Wertemenge oder Wertebereich. Die Funktionsgleichung. Darüber hinaus gibt es die implizite Menge der Bilder (also alle y-Werte zusammen) heißt Bild- Darstellung und die Parameterdarstellung der Funktionsgleichung. menge, bezeichnet mit f .D/. Funktionen können aber zum Beispiel auch durch Tabellen, Schaubilder (Graphen), Pfeildiagramme oder geordnete Wertepaare (Wertetabelle) dargestellt werden. D Definitionsbereich Fehlt bei einer Funktion die Angabe des DefinitionsbeW Wertebereich reichs, so gilt D D R. Fehlt bei einer Funktion die Angabe f .D/ Bildmenge des Wertebereichs, so gilt ebenfalls W D R. Die Schreibweise y D f .x/, f W D ! W für eine Funktion bedeutet, dass y D f .x/ die Funktionsgleichung Die Elemente der Bildmenge nennt man Funktionswerte. ist, dass die Funktion den Definitionsbereich D und den Die Bildmenge f .D/ ist eine Teilmenge des Wertebe- Wertebereich W hat. reichs W, und W ist eine Teilmenge der Menge R der reellen Zahlen. y D f .x/; f W D ! W

f .D/  W  R Eine Funktion besteht aus drei Teilen: der Zuordnungsvorschrift f, dem Definitionsbereich D und dem Wertebereich W. Zwei Funktionen sind genau dann gleich, wenn sowohl die Zuordnungsvorschriften als auch die Definitionsbereiche als auch die Wertebereiche übereinstimmen. 7 Beispiele

7 Beispiele 1. y D f .x/ D x3  4x2  x C 4, f W R ! R x3 , f W Œ1; 1 ! R 2. y D f .x/ D 2 x 2 (also D D Œ1; 1, W D R) 9

Eine Funktion mit der Funktionsgleichung y D f .x/, deren Definitions- und Wertemenge nur reelle Zahlen enthalten, nennt man eine reelle Funktion einer reellen Variablen.

1. y D f .x/ D 5x, D D N, W D N Die Zuordnungsvorschrift ist hier „5 mal“, das heißt, man1 Implizite Darstellung der Funktionsgleichung muss jeden x-Wert mit 5 multiplizieren, um den zugehö- Die Darstellung einer Funktion in der Form F.x; y/ D 0 rigen Funktionswert y zu erhalten. Für x D 3 erhält man heißt implizit, falls sich diese Gleichung eindeutig nach y auflösen lässt. zum Beispiel y D f .3/ D 5  3 D 15. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_2

2

Kapitel 2  Funktionen

18

Statt impliziter Darstellung der Funktion sagt man auch einfach nur implizite Funktion.

2

7 Beispiel 3. F.x; y/ D x2 C y2  1 D 0, D D Œ1; 1, y  0 Es handelt sich hierbei um die obere Hälfte des Einheitskreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung (vgl. 7 Abschn. 4.3). Man beachte, dass mit x2 Cy2 1 D 0 keine reelle Funktion definiert wird, denn die Zuordnung ist nicht eindeutig, da jedem Element des Definitionsbereichs zwei Werte zugeordnet werden (einer auf dem oberen Halbkreis und einer auf dem unteren Halbkreis). 9

1 Parameterdarstellung der Funktionsgleichung

Die Darstellung einer Funktion in der Form x D '.t/, y D .t/ heißt Parameterdarstellung. Die Werte von x und y werden dabei jeweils als Funktion einer Hilfsvariablen t angegeben, die Parameter genannt wird. Die Funktionen '.t/ und .t/ müssen denselben Definitionsbereich haben. 7 Beispiel 4. x D 2t C 5, y D 8t C 4, t 2 R Durch Elimination von t erhält man 4x  20 D y  4 ) y D 4x  16, also eine Geradengleichung (in expliziter Form) (vgl. 7 Abschn. 4.2.1). 9

2.1.3

Graph einer Funktion

Eine Möglichkeit der Funktionsdarstellung ist, den Graph der Funktion zu zeichnen. Der Graph einer Funktion f mit dem Definitionsbereich D ist das Bild, das man erhält, wenn man die geordneten Zahlenpaare .x; y/ D .x; f.x// mit x 2 D in ein Koordinatenkreuz einträgt. Geordnet bedeutet, dass in (x; y) die Reihenfolge von x und y wichtig ist: (x; y) ist verschieden von (y; x) (außer möglicherweise in Sonderfällen).

. Abb. 2.1 Graph der Funktion mit der Gleichung y D f.x/ D 2x C 1

(x; y) oder (xI y). Bei der Darstellung eines Punktes setzt man einen senkrechten Strich zwischen die beiden Koordinaten: (x|y).

2.1.4

Wertetabelle einer Funktion

Auch mittels einer Wertetabelle kann eine Funktion dargestellt werden. In einer Wertetabelle werden für einige ausgewählte Argumente x die geordneten Zahlenpaare .x; y/ D .x; f .x// für eine Funktion y D f .x/ eingetragen. Dabei müssen die ausgewählten Werte für x Elemente des Definitionsbereichs D der Funktion sein. Man stellt oftmals eine Wertetabelle auf, um den Graph einer Funktion zeichnen zu können. 7 Beispiel Wertetabelle für die Funktion y D x2  4x C 3, D D R: x

5

4

3

2

1

0

1

2

y

2

3

6

7

6

3

2

9

9

7 Beispiel Graph der Funktion mit der Funktionsgleichung y D f .x/ D 2x C 1 und dem Definitionsbereich D D R (. Abb. 2.1). 9

In einem kartesischen Koordinatensystem (siehe 7 Abschn. 4.1) ist die waagerechte Achse die x-Achse oder Abszissenachse, die senkrechte Achse ist die y-Achse oder Ordinatenachse. Die Zahl x ist die Abszisse und y die Ordinate eines Punktes (xjy) mit den Koordinaten x und y. Statt Graph einer Funktion sagt man auch Schaubild oder Kurve der Funktion. Bemerkung: Bei einem Zahlenpaar setzt man ein Komma oder ein Semikolon zwischen die beiden Komponenten:

2.2 2.2.1

Verhalten von Funktionen Monotone Funktionen

Eine Funktion mit der Gleichung y D f.x/ heißt in einem bestimmten Bereich B (B ist eine Teilmenge des Definitionsbereichs D) 4 monoton wachsend, wenn aus x1 < x2 stets f .x1 /  f .x2 / folgt, 4 streng monoton wachsend, wenn aus x1 < x2 stets f .x1 / < f .x2 / folgt,

19 2.2  Verhalten von Funktionen

4 monoton fallend, wenn aus x1 < x2 stets f .x1 /  f .x2 / folgt, 4 streng monoton fallend, wenn aus x1 < x2 stets f .x1 / > f .x2 / folgt. Dabei sind x1 ; x2 beliebige Punkte aus diesem Bereich B. 7 Beispiele 1. f.x/ D 3x, D D R ist streng monoton wachsend in D. 2. f .x/ D 3, D D R ist in D monoton wachsend (und monoton fallend). 3. f .x/ D x2 , D D R ist in B1 D fxjx 2 D und x  0g streng monoton fallend und in B2 D fxjx 2 D und x  0g streng monoton wachsend. 9

7 Beispiele 1. y D 1  x2 ist nach oben beschränkt, denn y  1. 2. y D ex ist nach unten beschränkt, denn y > 0. 4 ist beschränkt, denn 0 < y  4. 9 3. y D 1 C x2

2.2.4

Injektive Funktionen

Eine Funktion heißt injektiv, wenn jedes Bild genau ein Urbild besitzt. Bei einer injektiven Funktion gehören zu verschiedenen Argumenten also stets verschiedene Bilder. x1 ¤ x2 ) f .x1 / ¤ f .x2 /

2.2.2

Symmetrische Funktionen 7 Beispiele

Der Graph einer Funktion mit der Gleichung y D f.x/ ist symmetrisch zur y-Achse, wenn f.x/ D f.x/ für alle x 2 D gilt. Eine solche Funktion heißt eine gerade Funktion. Der Graph einer Funktion y D f .x/ ist symmetrisch zum Koordinatenursprung, wenn f .x/ D f .x/ für alle x 2 D gilt. Eine solche Funktion heißt eine ungerade Funktion. 7 Beispiele 1. f .x/ D 2x4 C 1 Wegen f .x/ D 2.x/4 C 1 D 2x4 C 1 D f .x/ ist y D f .x/ symmetrisch zur y-Achse, also eine gerade Funktion. 2. f .x/ D 2x3  3x Wegen f .x/ D 2.x/3  3.x/ D 2x3 C 3x D f .x/ ist y D f .x/ symmetrisch zum Koordinatenursprung, also eine ungerade Funktion. 3. f .x/ D x2  x Wegen f .x/ D .x/2  .x/ D x2 C x, also f .x/ ¤ f .x/ und f .x/ ¤ f .x/, ist y D f .x/ weder eine gerade noch eine ungerade Funktion. 9

2.2.3

Beschränkte Funktionen

Eine Funktion heißt nach oben beschränkt, wenn ihre Funktionswerte eine bestimmte Zahl nicht übertreffen, und nach unten beschränkt, wenn ihre Funktionswerte nicht kleiner als eine bestimmte Zahl sind. Eine Funktion, die sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist, heißt beschränkt. Bei einer beschränkten Funktion y D f .x/ existieren also reelle Zahlen a und b mit a < b, so dass gilt: a  f .x/  b für alle x 2 D

Folgende Funktionen sind injektiv: 1. y D f .x/ D x C 2, f W R ! R (also D D W D R) p 2. y D f .x/ D x, f W N ! R Folgende Funktionen sind nicht injektiv: 1. y D f .x/ D x3  4x2  x C 4, f W R ! R 2. y D f .x/ D x2  1, f W R ! R 9

2.2.5

Surjektive Funktionen

Eine Funktion heißt surjektiv, wenn ihre Bildmenge gleich dem Wertebereich ist. f .D/ D W 7 Beispiele Folgende Funktionen sind surjektiv: 1. y D f .x/ D x C 2, f W R ! R 2. y D f .x/ D x3  4x2  x C 4, f W R ! R Folgende Funktionen sind nicht surjektiv: 1. y D f .x/ D x2  1, f W R ! R p 2. y D f .x/ D x, f W N ! R 9

2.2.6

Bijektive Funktionen

Eine Funktion heißt bijektiv, wenn sie sowohl injektiv als auch surjektiv ist. Bei einer bijektiven Funktion ist also die Bildmenge gleich dem Wertebereich, und jedes Bild besitzt genau ein Urbild. Ist y D f.x/, f W D ! W eine bijektive Funktion, so sind die Mengen D und W gleich mächtig, das heißt, sie besitzen gleich viele Elemente. Die bijektiven Funktionen besitzen eine Umkehrfunktion.

2

Kapitel 2  Funktionen

20

7 Beispiele Folgende Funktion ist bijektiv:

2

y D f .x/ D x C 2; f W R ! R Folgende Funktionen sind nicht bijektiv: 1. y D f .x/ D x3  4x2  x C 4, f W R ! R 2. y D f .x/ D x2  1, f W R ! R p 3. y D f .x/ D x, f W N ! R 9

2.2.7

Periodische Funktionen

Eine Funktion, deren Funktionsgleichung die Bedingung f.x C T/ D f.x/ erfüllt, wobei T eine Konstante (feste reelle Zahl) ist, heißt periodische Funktion. Die Gleichung f.x C T/ D f.x/ gilt für alle x aus dem Definitionsbereich.

. Abb. 2.2 Graphen der Funktionen von Beispiel 1

f .x C T/ D f.x/ Die kleinste positive Zahl T mit dieser Eigenschaft heißt die Periode der Funktion. Den absolut größten Funktionswert nennt man Amplitude der periodischen Funktion. Beispiele für periodische Funktionen sind die trigonometrischen Funktionen (vgl. 7 Kap. 3). 2.2.8

Umkehrfunktionen

Die Funktion, die durch Vertauschen von x und y aus einer bijektiven Funktion y D f.x/ entsteht, heißt Umkehrfunktion oder inverse Funktion von y D f.x/. Bei einer bijektiven Funktion y D f .x/, f W D ! W ist jedes Element y 2 W Bild von genau einem Element x 2 D. Man kann eine neue Funktion definieren, die jedem y 2 W als Bild gerade das x 2 D zuordnet, das Urbild von y ist. Diese Funktion leistet das Umgekehrte wie f, ihr Definitionsbereich ist W, und ihr Wertebereich ist D. Man nennt diese Funktion daher die Umkehrfunktion von f und bezeichnet sie mit f 1 . y D f 1 .x/;

f 1 W W ! D

Versteht man unter der Schreibweise g.f.x//, dass man auf x die Zuordnungsvorschrift f und dann auf f .x/ die Vorschrift g anwendet, so gilt f 1 .f.x// D x und f .f1 .x// D x. Zu einer streng monoton wachsenden oder streng monoton fallenden Funktion existiert die Umkehrfunktion. Bestimmung der Umkehrfunktion: 1. Auflösen von y D f .x/ nach x W x D f 1 .y/ 2. Vertauschen von x und y: y D f 1 .x/ Diesen Operationen entspricht die Spiegelung des Graphen der Funktion an der Winkelhalbierenden y D x.

. Abb. 2.3 Funktion y D 2x und Umkehrfunktion y D log2 x sowie Funktion y D ex und Umkehrfunktion y D ln x

7 Beispiele 1. y D f .x/ D 4x  1, D D W D R (. Abb. 2.2). 1 1 Umkehrfunktion: y D f 1 .x/ D x C , D D W D R 4 4 2. y D f .x/ D 2x , D D R, W D RC (. Abb. 2.3). Umkehrfunktion: y D f1 .x/ D log2 x, D D RC , WDR 9

2.2.9

Reelle und komplexe Funktionen

Eine Funktion mit der Funktionsgleichung y D f.x/, deren Definitions- und Wertebereich nur reelle Zahlen enthalten, nennt man eine reelle Funktion einer reellen Variablen. 7 Beispiele 1. y D x2 , D D .1; 1/, W D Œ0; 1/ p 2. y D x, D D Œ0; 1/, W D Œ0; 1/ 9

21 2.3  Einteilung der elementaren Funktionen

Ist dagegen die unabhängige Variable einer Funktionsgleichung eine komplexe Zahl z, dann wird durch w D f .z/ eine komplexe Funktion einer komplexen Variablen beschrieben. Komplexe Funktionen werden in dem mathematischen Gebiet Funktionentheorie behandelt. 2.3

Einteilung der elementaren Funktionen

Eine elementare Funktion ist eine Funktion, deren Funktionsgleichung durch einen geschlossenen analytischen Ausdruck dargestellt werden kann. Elementare Funktionen sind durch Formeln definiert, die nur endlich viele mathematische Operationen mit der unabhängigen Variablen x und den Koeffizienten enthalten. Man teilt die elementaren Funktionen in algebraische Funktionen und transzendente Funktionen ein. Bei algebraischen Funktionen lassen sich die Verknüpfung der unabhängigen Variablen x und der abhängigen Variablen y in einer algebraischen Gleichung folgender Form darstellen, wobei p0 ; p1 ; : : :; pn Polynome in x beliebigen Grades sind. p0 .x/ C p1 .x/y C p2 .x/y 2 C : : : C pn .x/y n D 0 Ein Polynom n-ten Grades ist ein Ausdruck der Form an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 D

n X

ge Variable x nur endlich viele rationale Rechenoperationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) angewandt werden. Eine algebraische Funktion, die nicht rational ist, heißt irrational. 7 Beispiele für rationale Funktionen 1 1. y D 3x 3  4 2x 2  3x C 5 9 2. y D 3 x C 3x 2  2

Bei irrationalen Funktionen tritt die unabhängige Variable auch unter einem Wurzelzeichen auf. 7 Beispiele für irrationale Funktionen p 3x 2 C 4 p p 3 2. y D .x 2 C 1/ x 9 1. y D

Für rationale Funktionen ist f .x/ ein Polynom (dann ist y D f .x/ eine ganze rationale Funktion) oder ein Quotient aus Polynomen (dann heißt y D f .x/ eine gebrochene rationale Funktion). Ganze rationale Funktionen lassen sich also darstellen in folgender Form mit a0 ; a1 ; a2 : : :; an1 ; an 2 R, an ¤ 0, n 2 Z, n  0. y D an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0

ak x k

kD0

D

n X

ak x k

kD0

mit a0 ; a1 ; a2 ; : : :; an1 ; an 2 R, an ¤ 0, n 2 N. Elementare Funktionen, die nicht algebraisch sind, heißen transzendent. 7 Beispiele für algebraische Funktionen 1. y D 3x2 C 4 2x 2. y D 3 x C 2x  1 3. 3xy3  4xy C x 3  1 D 0 (hier also p0 .x/ D x 3  1, p1 .x/ D 4x; p2 .x/ D 0, p3 .x/ D 3x) 9

Zu den transzendenten Funktionen gehören zum Beispiel die Exponentialfunktionen, die Logarithmusfunktionen und die trigonometrischen Funktionen. 7 Beispiele für transzendente Funktionen 1. y D ex 2. y D sin x 3. y D ln x 9

Die algebraischen Funktionen untergliedern sich in die rationalen Funktionen und in die irrationalen Funktionen. Eine rationale Funktion ist eine algebraische Funktion, für die die Funktionsgleichung y D f .x/ als eine explizite Formel angegeben werden kann, in der auf die unabhängi-

Ist n der Grad des Polynoms, so nennt man die Funktion ganze rationale Funktion n-ten Grades. Bei ganzen rationalen Funktionen werden auf die unabhängige Variable x nur die Operationen Addition, Subtraktion und Multiplikation angewandt. Ganze rationale Funktionen vom Grad 0 (y D a0 ) nennt man konstante Funktionen, vom Grad 1 (y D a1 x C a0 ) lineare Funktionen, vom Grad 2 (y D a2 x2 C a1 x C a0 ) quadratische Funktionen und vom Grad 3 (y D a3 x3 C a2 x2 C a1 x C a0 ) kubische Funktionen.

Konstante Fun ktionen: y D a0 Lineare Funktionen: y D a1 x C a0 Quadratische Funktionen: y D a2 x2 C a1 x C a0 Kubische Funktionen: y D a3 x3 C a2 x2 C a1 x C a0

2

22

Kapitel 2  Funktionen

7 Beispiele für ganze rationale Funktionen 1. y D 23x4  12x C 4

2

1 Zusammenfassende Übersicht über die elementaren Funktionen

2. y D 1  3x C x6  2x2 3. y D 3x  4  (lineare Funktion) 4. y D 4x3  2x C 5 (kubische Funktion) 9

Gebrochene rationale Funktionen sind Funktionen mit einer Funktionsgleichung y D f .x/, bei der f .x/ als Quotient zweier Polynome darstellbar ist. Sie besitzen also eine Darstellung folgender Form mit a0 ; a1 ; : : :; an , b0 ; b1 ; : : :; bm 2 R, an ; bm ¤ 0, n 2 Z, n  0, m 2 N.

yD

an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 bm x m C bm1 x m1 C : : : C b2 x 2 C b1 x C b0 n P

D

i D0 m P

ai x i bk x k

kD0

Eine gebrochene rationale Funktion kann also immer als Quotient zweier ganzer rationaler Funktionen dargestellt werden. Bei gebrochenen rationalen Funktionen werden auf die unabhängige Variable x nur die Grundrechenarten (also die Operationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) angewandt. Die Definitionsmenge einer gebrochenen rationalen Funktion besteht aus denjenigen reellen Zahlen, für die der Nenner nicht Null wird. Für n < m heißt die Funktion echt gebrochene rationale Funktion, für n  m heißt sie unecht gebrochene rationale Funktion. Gebrochene rationale Funktionen mit n D 1 und a1 x C a0 m D 1, also y D heißen gebrochene lineare b1 x C b0 Funktionen.

Ganze rationale Funktionen

2.4 2.4.1

Konstante Funktionen

Funktionen mit einer Funktionsgleichung y D f .x/ D n .n 2 R/ Der Graph einer konstanten Funktion ist eine Parallele zur x-Achse, und zwar im Abstand n. Im Fall n D 0 ist die Gerade die x-Achse selbst. Die Geradengleichung der x-Achse ist also y D 0.

7 Beispiele für gebrochene rationale Funktionen 1. y D

2 x

2x x 3  5x 2  2x C 1 2x C 4 (gebrochene lineare Funktion) 3. y D x 3   1 x3 C x2 C 1 4. y D x 2 C x C D x x 2. y D

Bei den ersten beiden Beispielen handelt es sich um echt gebrochene rationale Funktionen, bei den letzten beiden Beispielen um unecht gebrochene rationale Funktionen. 9

2.4.2

Lineare Funktionen

Funktionen mit einer Funktionsgleichung y D f .x/ D mx C n .m; n 2 R; m ¤ 0/ Eine lineare Funktion ist eine ganze rationale Funktion 1. Grades. Der Graph einer linearen Funktion ist eine Gerade (daher der Name lineare Funktion), und zwar die Gerade mit der Steigung m und dem Achsenabschnitt n auf der y-Achse

23 2.4  Ganze rationale Funktionen

(vgl. 7 Abschn. 4.2.1). Die Steigung m einer Geraden ist der „Höhenzuwachs“ (die Differenz der y-Werte) bei einem Schritt um 1 nach rechts. Der Achsenabschnitt n ist der y-Wert, bei dem die Gerade die y-Achse schneidet. Für m > 0 ist die Funktion streng monoton wachsend, für m < 0 ist sie streng monoton fallend. Der Schnittpunkt des Graphen der Funktion mit der  n ˇ  ˇ x-Achse ist Sx ˇ0 , der Schnittpunkt mit der y-Achse m Sy .0jn/. Ist n D 0, so nennt man die lineare Funktion y D mx (m 2 R, m ¤ 0) auch Proportionalfunktion. Der Graph einer Proportionalfunktion ist eine Gerade durch den Koordinatenursprung, und zwar mit der Steigung m. Man nennt m auch den Proportionalitätsfaktor der Gleiy chung, denn es gilt m D . x 2.4.3

Quadratische Funktionen

Funktionen mit einer Funktionsgleichung y D f .x/ D a2 x 2 C a1 x C a0 .a2 ; a1 ; a0 2 R; a2 ¤ 0/ Eine quadratische Funktion ist eine ganze rationale Funktion 2. Grades. Der Graph jeder quadratischen Funktion ist eine Parabel (vgl. auch 7 Abschn. 4.5.3). Für spezielle Koeffizienten a2 ; a1 ; a0 in der Funktionsgleichung erhält man spezielle Parabeln. 1 Normalparabel

Mit den Koeffizienten a2 D 1, a1 D 0, a0 D 0 in der Gleichung y D a2 x 2 Ca1 xCa0 der quadratischen Funktion erhält man die Gleichung y D x2 der Normalparabel. y D x2 Der Punkt (0j0), also der Koordinatenursprung, ist der Scheitelpunkt der Normalparabel. Die Normalparabel ist symmetrisch zur y-Achse und nach oben geöffnet. Der Definitionsbereich ist D D R, der Wertebereich ist W D R, und die Bildmenge f .D/ ist die Menge der C nichtnegativen reellen Zahlen: f .D/ D RC 0 D R [ f0g (. Abb. 2.4). 1 Allgemeiner Fall

y D a2 x 2 C a1 x C a0 Für a2 > 0 ist die Parabel nach oben, für a2 < 0 nach unten geöffnet. Für ja2 j > 1 ist die Parabel im Vergleich zur Normalparabel gestreckt und für ja2 j < 1 gestaucht. Man nennt ja2 j deshalb den Streckungsfaktor der Parabel.

. Abb. 2.4 Normalparabel

Eine Änderung des Koeffizienten a1 bewirkt eine Verschiebung der Parabel in x-Richtung, eine Änderung von a0 bewirkt eine Verschiebung in y-Richtung. Scheitelpunkt S der Parabel: ˇ   a12 a1 ˇˇ S.xs jys / D S  a0  2a2 ˇ 4a2 Man nennt die Gleichung yys D a2 .xxs /2 Scheitelform der quadratischen Funktion, wohingegen die Gleichung y D a2 x 2 Ca1 x Ca0 Normalform der quadratischen Funktion heißt. y  ys D a2 .x  xs /2 Schnittpunkt Sy mit der y-Achse: Sy D Sy .0ja0 /. Der Wert D D a12  4a2 a0 heißt Diskriminante der quadratischen Funktion y D a2 x 2 C a1 x C a0 . Gilt D > 0, so hat die zugehörige Parabel zwei Schnittpunkte mit der x-Achse. Für D D 0 gibt es einen Schnittpunkt (der Schnittpunkt ist dann ein Berührpunkt). Für D < 0 gibt es keinen Schnittpunkt mit der x-Achse. Schnittpunkte mit der x-Achse:   ˇ  q ˇ 1 2 S x1 a1 C a1  4a2 a0 ˇˇ0 ; 2a2   ˇ  q ˇ 1 2 a1  a1  4a2 a0 ˇˇ0 S x2 2a2 2.4.4

Kubische Funktionen

Funktionen mit einer Funktionsgleichung y D f .x/ D a3 x 3 C a2 x 2 C a1 x C a0 .a3 ; a2 ; a1 ; a0 2 R; a3 ¤ 0/ Eine kubische Funktion ist eine ganze rationale Funktion 3. Grades.

2

24

Kapitel 2  Funktionen

Der Graph einer kubischen Funktion ist eine kubische Parabel.

2

7 Beispiele (. Abb. 2.5) 1. y D x 3 (kubische Normalparabel) 1 2. y D  x 3 2 1 3 3. y D x  x 9 4

Das Verhalten der Funktion hängt wesentlich von dem Koeffizienten a3 und der Diskriminante D D 3a3 a1  a22 ab. Wenn D  0 ist, dann ist die Funktion für a3 > 0 monoton wachsend und für a3 < 0 monoton fallend (vgl. 7 Abschn. 2.2.1). Für D < 0 besitzt die Funktion ein Maximum und ein Minimum (siehe 7 Abschn. 5.4.7). Für a3 > 0 ist die Funktion dann von 1 bis zum Maximum monoton wachsend, monoton fallend vom Maximum bis zum Minimum und danach bis C1 wieder monoton wachsend. Für a3 < 0 (und D < 0) ist die Funktion von 1 bis zum Minimum monoton fallend, vom Minimum bis zum Maximum monoton wachsend und danach bis C1 wieder monoton fallend. Es gibt einen, zwei (dann ist ein Schnittpunkt ein Berührpunkt) oder drei Schnittpunkte mit der x-Achse (abhängig von den Koeffizienten a3 ; a2 ; a1 ; a0 . Der Schnittpunkt mit der y-Achse ist Sy .0ja0 /).

2.4.5

Ganze rationale Funktionen n-ten Grades

Funktionen mit einer Funktionsgleichung folgender Art, wobei a0 , a1 , a2 , . . . , an1 , an 2 R, an ¤ 0, n 2 N, heißen ganze rationale Funktionen n-ten Grades. y D an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 n X D ak x k kD0

Die rechte Seite der Gleichung heißt auch Polynom n-ten Grades. Der Graph einer ganzen rationalen Funktion n-ten Grades ist eine zusammenhängende Kurve, die von links aus dem Unendlichen kommt und nach rechts im Unendlichen verschwindet. Dabei hängt der Kurvenverlauf ganz wesentlich vom Grad n der Funktion und vom Vorzeichen von an ab. Es gilt: n gerade

.n D 2; 4; 6; : : :/ und an > 0 W x ! 1 ) y ! C1 x ! C1 ) y ! C1

n gerade

.n D 2; 4; 6; : : :/ und an < 0 W x ! 1 ) y ! 1 x ! C1 ) y ! 1

n ungerade .n D 1; 3; 5; : : :/ und an > 0 W x ! 1 ) y ! 1 x ! C1 ) y ! C1 n ungerade .n D 1; 3; 5; : : :/ und an < 0 W x ! 1 ) y ! C1 x ! C1 ) y ! 1 Dabei bedeutet zum Beispiel x ! 1, dass x sich 1 nähert. Ist von den Koeffizienten in der Funktionsgleichung nur an ¤ 0, gilt also a0 D a1 D a2 D : : : D an2 D an1 D 0, dann nennt man die Funktion Potenzfunktion. y D an xn .n 2 N; an 2 R; an ¤ 0/

. Abb. 2.5 Graphen der kubischen Funktionen y D x 3 , y D  12 x 3 und y D 14 x 3  x

Die Graphen der Potenzfunktionen heißen für n  2 Parabeln n-ter Ordnung. Der Definitionsbereich der Potenzfunktionen ist D D R. Für die Bildmenge gilt f .D/ D fzjz 2 R, z  0g für gerade n  2 und an > 0, f .D/ D fzjz 2 R, z  0g für gerade n  2 und an < 0 und f .D/ D R für ungerade n. Die Kurve der Funktion y D axn ist im Vergleich zur Kurve der Funktion y D xn für jaj < 1 gestaucht, für jaj > 1 gestreckt und für a < 0 an der x-Achse gespiegelt.

25 2.4  Ganze rationale Funktionen

. Abb. 2.8 Graph der Funktion zu der Gleichung aus Beispiel 3 . Abb. 2.6 Parabeln 2. und 4. Ordnung

der gegebenen Funktion die Lösungen der drei quadratischen Gleichungen x2  1 D 0, x2  4 D 0 und x2 C x  12 D 0: x1 D 1; x2 D 1; x3 D 2; x4 D 2; x5 D 3; x6 D 4 Die Nullstellen sind die Abszissen der Schnittpunkte des Graphen der Funktion mit der x-Achse. Weil eine algebraische Gleichung n-ten Grades höchstens n reelle Wurzeln besitzt, hat die Kurve für den gegebenen Grad die Höchstzahl an Schnittpunkten mit der x-Achse, nämlich n D 6. 1 > 0 und n D 6 geradzahlig ist, kommt die Da an D 100 Kurve von links aus dem Positiv-Unendlichen und geht nach rechts ins Positiv-Unendliche. Zur Berechnung des Schnittpunkts Sy mit der y-Achse setzt man in der Funktionsgleichung x D 0 ein und er12 als Ordinate des Schnittpunkts und damit hält y D  25 als Schnittpunkt mit der y-Achse:

. Abb. 2.7 Parabeln 3. und 5. Ordnung

 ˇ  ˇ 12 Sy D Sy 0 ˇˇ  9 25

7 Beispiele 1. y D x2 und y D x4 Die Graphen dieser Funktionen sind Parabeln 2. bzw. 4. Ordnung (. Abb. 2.6). 2. y D x3 und y D x5 Die Graphen dieser Funktionen sind Parabeln 3. bzw. 5. Ordnung (. Abb. 2.7). 1 6 1 5 17 4 1 16 x C x  x  x3 C x2 3. y D 100 100 100 20 25 12 1 (Abb. 2.8) C x 25 25 Das Polynom der rechten Seite lässt sich umformen: 1 6 12 1 5 17 4 1 16 1 x C x  x  x3 C x2 C x  100 100 100 20 25 25 25

2

2

1 2 D x  1 x  4 x C x  12 100 Da ein Produkt genau dann gleich 0 ist, wenn mindestens einer der Faktoren gleich 0 ist, erhält man als Nullstellen

2.4.6

Horner-Schema

Das Horner-Schema ist ein Verfahren zur Berechnung von Funktionswerten ganzer rationaler Funktionen. n n1 Ist eine Funktion C ::: C Pnf .x/ Dk an x C an1 x 2 a2 x Ca1 x Ca0 D kD0 ak x gegeben und der Funktionswert an der Stelle x0 gesucht, so dividiert man das Polynom P n k kD0 ak x durch (x  x0 ):



an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 W x  x0 cn D an x n1 C c1 x n2 C : : : C cn2 x C cn1 C : x  x0 Für die Koeffizienten ci gilt c1 D an x0 C an1 und ci D ci 1 x0 C ani für i D 2; 3; : : :; n. Damit kann die Funktion f .x/ auch durch die Gleichung f .x/ D .an x n1 Cc1 x n2 C : : : C cn2 x C cn1 /.x  x0 / C cn beschrieben werden. Für

2

Kapitel 2  Funktionen

26

2

x D x0 ergibt sich dann f .x0 / D cn . Die Berechnung des Funktionswertes f .x0 / ist somit auf die Berechnung der Konstante cn zurückgeführt worden, die man in n Schritten durch einander folgende Berechnung von c1 ; c2 ; : : :; cn ermittelt. Man berechnet zuerst c1 aus c1 D an x0 C an1 , dann c2 aus c2 D c1 x0 Can2 , und so weiter und schließlich cn aus cn D cn1 x0 C a0 . Dieses Verfahren nennt man Horner-Schema (nach dem englischen Mathematiker William George Horner, 1786–1837). Es lässt sich folgendermaßen schematisch darstellen: C

an

an1 an x0

an2 c1 x0

... ...

a1 cn2 x0

a0 cn1 x0

an

c1

c2

...

cn1

cn

7 Beispiel f .x/ D 2x 4  8x 3 C 2x 2 C 28x  48 Gesucht ist f .3/, also der Funktionswert an der Stelle x0 D 3. Horner-Schema: 2 C 2

8 2 28  48 48 6 42 132 312 .D 2.3// .D .14/.3// .D 44.3// .D .104/.3// 14

44

104

264

Es gilt also f .3/ D 264. 9

Gebrochene rationale Funktionen

2.5 2.5.1

Nullstellen, Pole, Asymptoten

Funktionen mit einer Funktionsgleichung folgender Art, wobei a0 ; a1 ; : : : ; an ; b0 ; b1 ; : : : ; bm 2 R, an ; bm ¤ 0, n 2 Z, n  0, m 2 N heißen gebrochene rationale Funktionen. yD

D

an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 bm x m C bm1 x m1 C : : : C b2 x 2 C b1 x C b0 n P ai x i i Do

m P

bk x k

kD0

Eine gebrochene rationale Funktion y D f .x/ kann immer als Quotient zweier ganzer rationaler Funktionen dargestellt werden (sowohl Zähler als auch Nenner sind Polynome in x). yD

Pn .x/ Pm .x/

Eine gebrochene rationale Funktion ist nicht für alle x definiert. Die Nullstellen des Nenners gehören nicht zum Definitionsbereich der Funktion.

Ist der Grad des Nennerpolynoms größer als der Grad des Zählerpolynoms (n < m), dann heißt die Funktion echt gebrochene rationale Funktion, andernfalls (also für n  m) heißt sie unecht gebrochene rationale Funktion. Gebrochene rationale Funktionen, bei denen sowohl das Zählerpolynom als auch das Nennerpolynom den Grad 1 haben (also n D 1 und m D 1), heißen gebrochene lineare Funktionen. yD

a1 x C a0 b1 x C b0

Die Graphen der gebrochenen rationalen Funktionen yD

a ; xn

n 2 N; a 2 R; a ¤ 0

heißen Hyperbeln n-ter Ordnung (zu Hyperbeln vgl. auch 7 Abschn. 4.5.2). Durch Polynomdivision lässt sich jede unecht gebrochene rationale Funktion y D f .x/ darstellen als Summe einer ganzen rationalen Funktion g.x/ und einer echt gebrochenen rationalen Funktion h.x/ W y D f .x/ D g.x/ C h.x/. 7 Beispiel 2x 4 C 3x 3 C 5x 2  4x C 1 1. x 2  3x C 1 77x  29 9 D 2x 2 C 9x C 30 C 2 x  3x C 1

Pn .x/ Eine Zahl x0 ist eine Nullstelle von y D f .x/ D D Pm .x/ P .x/ , wenn an der Stelle x D x0 der Zähler Null ist und der Q.x/ Nenner von Null verschieden, also P.x0 / D 0, Q.x0 / ¤ 0. P .x/ , Eine Stelle x D xp heißt ein Pol der Funktion y D Q.x/ wenn xp eine Nullstelle des Nenners Q.x/ ist und der Zähler P.x/ an der Stelle xp von Null verschieden ist, also Q.xp / D 0, P.xp / ¤ 0. Ist x D xp eine k-fache Nullstelle des Nenners Q.x/ und gilt P.xp / ¤ 0, dann heißt xp ein P .x/ . Pol k-ter Ordnung von y D Q.x/ Zwei Polynome P.x/ und Q.x/ heißen teilerfremd, wenn alle ihre Nullstellen verschieden sind. Gilt also für eine Stelle x D x1 , dass P.x1 / D 0, so folgt Q.x1 / ¤ 0, und gilt umgekehrt für eine Stelle x D x2 , dass Q.x2 / D 0, so folgt P.x2 / ¤ 0. Jede gebrochene rationale Funktion lässt sich als Quotient zweier teilerfremder Polynome darstellen. yD

P .x/ ; Q.x/

P .x/ und Q.x/ teilerfremd

Eine solche Darstellung heißt Normalform der gebrochenen rationalen Funktion. Die Nullstellen einer gebrochenen rationalen Funktion in Normalform sind die Nullstellen des Zählerpolynoms P.x/.

2

27 2.5  Gebrochene rationale Funktionen

P .x/ Q.x/ mit teilerfremden P.x/ und Q.x/, dann lässt sich die Funktion in der Nähe des Pols darstellen durch Ist x D xp ein Pol k-ter Ordnung der Funktion y D

yD

P .x/ P .x/ 1  D : Q.x/ .x  xp /k Q1 .x/

Dabei haben weder P.x/ noch Q1 .x/ in der Nähe von x D xp eine Nullstelle, sie ändern also ihr Vorzeichen nicht. Ihr Quotient hat deshalb einen von Null verschiedenen, beschränkten positiven oder negativen Wert. Die Funktion 1 wächst aber, wenn sich x dem Pol xp nähert, über .x  xp /k alle Grenzen. Nähert man sich dem Pol mit wachsenden x-Werten (also x < xp ), so ist x  xp negativ. Für ungerade k 1 gegen 1, für ge(k D 1; 3; 5; : : :) geht dann .x  xp /k rade k (k D 2; 4; 6; : : :) dagegen gegen C1 (. Abb. 2.9 und 2.10).

Nähert man sich dem Pol mit abnehmenden x-Werten 1 geht dann also (also x > xp ), so ist x  xp positiv, .x  xp /k stets gegen C1. P .x/ dreht sich das Q1 .x/ Vorzeichen der Funktion y D f.x/ um. Die Gerade x D xp heißt Asymptote der gebrochenen rationalen Funktion y D f .x/. Asymptoten einer Funktion sind Geraden, denen sich der Graph der Funktion unbeschränkt nähert, ohne sie je zu erreichen (Asymptote D Nichtzusammenlaufende). Das Verhalten einer gebrochenen rationalen Funktion Pn .x/ y D f .x/ D im Unendlichen: Pm .x/ 4 Ist y D f .x/ eine echt gebrochene rationale Funktion, gilt also n < m, dann ist die x-Achse (Gerade mit der Gleichung y D 0) eine Asymptote. 4 Im Falle n D m ist die zur x-Achse parallele Gerade mit an der Gleichung y D eine Asymptote. bm 4 Ist n > m, so gilt y D f .x/ D g.x/ C h.x/, wobei g.x/ eine ganze rationale Funktion und h.x/ eine echt gebrochene rationale Funktion sind. Die Funktion y D f .x/ verhält sich dann im Unendlichen wie die rationale Funktion y D g.x/. Für negative Werte des Faktors

7 Beispiele 1 (. Abb. 2.11) x Zum Definitionsbereich gehören alle x außer x D 0. 1 1 D  D f .x/ ist die Funktion Wegen f .x/ D x x ungerade, der Graph der Funktion ist also symmetrisch zum Nullpunkt (Koordinatenursprung). Die Funktion hat keine Nullstelle, denn der Zähler ist stets von Null verschieden (P.x/ D 1/.

2. y D

. Abb. 2.9 Funktionsverlauf bei Polen ungerader Ordnung

. Abb. 2.10 Funktionsverlauf bei Polen gerader Ordnung

. Abb. 2.11 Graph der Funktion mit der Gleichung y D

1 x

28

2

Kapitel 2  Funktionen

Die Stelle x D 0 ist ein Pol erster Ordnung der Funktion. Nähert man sich diesem Pol mit wachsenden x-Werten (also x < 0), dann geht y gegen 1. Nähert man sich dem Pol dagegen mit abnehmenden x-Werten (also x > 0), so geht y gegen C1. Die Geraden x D 0 (y-Achse) und y D 0 (x-Achse) sind Asymptoten der Funktion. Der Graph der Funktion ist eine Hyperbel. 1 (. Abb. 2.12) 3. y D 2 x 1 Die Funktion ist für alle die x definiert, für die der Nenner ungleich 0 ist. Die Nullstellen des Nenners berechnet man, indem man den Nenner (das Nennerpolynom) gleich Null setzt: x2  1 D 0. Diese quadratische Gleichung hat die Lösungen x1 D 1 und x2 D 1. 1 1 D 2 D f .x/ ist die Wegen f .x/ D .x/2  1 x 1 Funktion gerade, der Graph der Funktion ist also symmetrisch zur y-Achse. Die Funktion hat keine Nullstellen (Schnittpunkte mit der x-Achse), denn der Zähler ist für alle x des Definitionsbereiches von Null verschieden. Die Stellen x1 D 1 und x2 D 1 sind Pole erster Ordnung der Funktion. Nähert man sich dem Pol x2 mit wachsenden x-Werten 1 P .x/ D in der (also x < 1), dann ist der Faktor Q1 .x/ x1 Zerlegung der Funktion 1 1 1 P .x/ P .x/ D D  yD  Q.x/ x  x2 Q1 .x/ x  .1/ x  1 negativ, das heißt, y geht gegen C1. Nähert man sich entsprechend dem Pol x2 mit abnehmenden x-Werten (also x > 1) oder dem Pol x1 mit wachsenden x-Werten (also x < 1), so geht y gegen 1. Nähert man sich dagegen x1 mit abnehmenden x-Werten (also x > 1), so geht y gegen C1. Die Geraden x1 D 1 und x2 D 1 sowie y D 0 (x-Achse) sind Asymptoten der Funktion.

Funktionswerte für 1 < y  0 gibt es nicht, da der Nenner nicht kleiner als 1 werden kann. Wertetabelle (y-Werte auf drei Stellen nach dem Komma gerundet):

2.5.2

x ˙3

˙2

˙1,5

˙1,1

˙0,9

˙0,5

y 0,125

0,333

0,800

4,762

5,263 1,333 1

0

9

Partialbruchzerlegung

Eine Partialbruchzerlegung ist die Zerlegung einer gebrochenen rationalen Funktion y D f.x/ mit f.x/ D

an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 bm x m C bm1 x m1 C : : : C b2 x 2 C b1 x C b0

in eine Summe von Brüchen. Durch eine Partialbruchzerlegung von f .x/ wird oftmals die Integration der Funktion einfacher oder überhaupt erst möglich (vgl. 7 Abschn. 5.5.2). Jede echt gebrochene rationale Funktion (also n < m) kann eindeutig in eine Summe von Partialbrüchen zerlegt werden. Praktische Durchführung der Partialbruchzerlegung: 1. Im Falle n  m Abspalten des ganzen rationalen Anteils mit Polynomdivision. 2. Kürzen des Bruches (also Division des Zählers und des Nenners) durch bm , den Koeffizienten der höchsten Potenz des Nenners: f .x/ D

cn x n C cn1 x n1 C : : : C c2 x 2 C c1 x C c0 x m C dm1 x m1 C : : : C d2 x 2 C d1 x C d0

Es gilt also

bj ai D ci (1  i  n) und D dj bm bm

(1  j < m). 3. Bestimmung der Nullstellen x1 ; x2 ; : : :; xr (r  m) des Nennerpolynoms. 4. Zerlegung des Nennerpolynoms in die Form x m C dm1 x m1 C : : : C d2 x 2 C d1 x C d0 D .x  x1 /k1  : : :  .x  xr /kr  .x 2 C p1 x C q1 /l1  : : :  .x 2 C ps x C qs /ls

. Abb. 2.12 Graph der Funktion mit der Gleichung y D

1 x2  1

Eine solche Zerlegung ist immer möglich. Dabei sind x1 ; x2 ; : : :; xr alle reellen Nullstellen mit den Vielfachheiten k1 ; k2 ; : : :; kr . Die restlichen quadratischen Faktoren ergeben die konjugierten Paare komplexer Nullstellen (also pi2  4qi < 0).

29 2.6  Irrationale Funktionen

5. Zerlegung von f.x/ in eine Summe von Brüchen: f .x/ D

A12 A1k1 A11 C C:::C x  x1 .x  x1 /2 .x  x1 /k1 A21 A22 A2k2 C C C:::C 2 x  x2 .x  x2 / .x  x2 /k2 C ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: Ar2 Arkr Ar1 C C :::C C 2 x  xr .x  xr / .x  xr /kr B11 C C11 x B12 C C12 x C 2 C 2 C ::: x C p1 x C q1 .x C p1 x C q1 /2 B1l C C1l1 x C 2 1 .x C p1 x C q1 /l1 B21 C C21 x B22 C C22 x C 2 C 2 C ::: x C p2 x C q2 .x C p2 x C q2 /2 B2l C C2l2 x C 2 2 .x C p2 x C q2 /l2 C ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: Bs2 C Cs2 x Bs1 C Cs1 x C 2 C ::: C 2 x C ps x C qs .x C ps x C qs /2 Bsl C Csls x C 2 s .x C ps x C qs /ls

Dabei sind die Koeffizienten Aij , Bij , Cij reelle Zahlen. 6. Bestimmung der Koeffizienten der Partialbrüche zum Beispiel mit der Methode des Koeffizientenvergleichs. Die Brüche im Schritt 5 nennt man die Partialbrüche der gebrochenen rationalen Funktion f.x/. Spezialfälle: 4 Wenn das Nennerpolynom nur reelle Nullstellen besitzt, dann fallen die Partialbrüche mit den nicht zerlegbaren quadratischen Funktionen im Nenner weg. 4 Besitzt das Nennerpolynom nur die einfachen reellen Nullstellen x1 ; x2 ; : : :; xm , dann lautet die Partialbruchzerlegung f .x/ D

A2 Am A1 C C :::C : x  x1 x  x2 x  xm

7 Beispiel f .x/ D

2x 3

6x 2  4 C 4x 2 C 4x C 2

Division durch b3 D 2: f .x/ D

Zerlegung von f.x/ in eine Summe von Partialbrüchen:

x3

3x 2  2 C 2x 2 C 2x C 1

Nullstelle des Nennerpolynoms: x1 D 1 Zerlegung des Nennerpolynoms: x3 C 2x2 C 2x C 1 D .x C 1/.x2 C x C 1/

f .x/ D

x3

3x 2  2 A Bx C C D C 2 2 C 2x C 2x C 1 xC1 x CxC1

Bestimmung der Koeffizienten A, B, C durch Koffizientenvergleich: 3x 2  2 .x C 1/ .x 2 C x C 1/

A x 2 C x C 1 C .Bx C C /.x C 1/ D .x C 1/ .x 2 C x C 1/ 2

2 ) 3x  2 D A x C x C 1 C .Bx C C /.x C 1/ f .x/ D

D .A C B/x 2 C .A C B C C /x C .A C C / Vergleich der Koeffizienten von x2 , von x und der Absolutglieder links und rechts vom Gleichheitszeichen ergibt: A C B D 3; A C B C C D 0; A C C D 2 )

A D 1; B D 2; C D 3

Lösung somit: f .x/ D

2.6

2x 3

1 2x  3 6x 2  4 D C 2 9 2 C 4x C 4x C 2 xC1 x CxC1

Irrationale Funktionen

Irrationale Funktionen sind algebraische Funktionen, die nicht rational sind. In der Funktionsgleichung y D f .x/ einer rationalen Funktion werden auf die unabhängige Variable x nur endlich viele rationale Rechenoperationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) angewandt. Bei irrationalen Funktionen tritt die unabhängige Variable x auch unter einem Wurzelzeichen auf. 7 Beispiele p 1. y D p x2 C x C x 2. y D q5x 3  2 p 3. y D 7 .x 2  1/ 3 5x C 1 9

Eine besonders wichtige Klasse von irrationalen Funktionen sind die so genannten Wurzelfunktionen. yD

p n x

.n 2 N; n  2/

Der Definitionsbereich der Wurzelfunktionen ist D D fxjx 2 R, x  0g für gerade n und D D R für ungerade n, die Bildmenge ist gleich dem Definitionsbereich, also f.D/ D D. Die Wurzelfunktionen sind im ganzen Definitionsbereich streng monoton wachsend. p Für ungerade n ist y D n x eine ungerade Funktion, der Graph der Funktion ist also punktsymmetrisch zum Koordinatenursprung.

2

30

Kapitel 2  Funktionen

2

. Abb. 2.13 Graph der Wurzelfunktionen y D

p

x und y D

p 4 x

. Abb. 2.15 Graphen von Funktionen und ihren Umkehrfunktionen

p 4 Für gerade n ist die Wurzelfunktion y D f .x/ D n x, f : Œ0; 1/ ! Œ0; 1/ die Umkehrfunktion der Potenzfunktion y D f .x/ D x n , f : Œ0; 1/ ! Œ0; 1/.

. Abb. 2.14 Graph der Wurzelfunktionen y D

p 3

x und y D

p 5

x

Die Graphen der Wurzelfunktionen gehen durch den Koordinatenursprung und durch den Punkt P.1j1/. Für das Verhalten der Wurzelfunktionen im Unendlichen gilt (. Abb. 2.13 und 2.14): n 2 N; n  2W x ! C1 ) y ! C1 n ungerade .n D 3; 5; 7; : : :/W x ! 1 ) y ! 1 Die quadratische Funktion y D x2 ist in den zwei getrennten Intervallen 0  x < C1 und 1 < x  0 jeweils monoton. Sie phat deshalb zweipUmkehrfunktionen, und zwar y D C x und y D  x. Für beide Umkehrfunktionen ist der Definitionsbereich 0  x < C1 (entspricht 0  y < C1 der Funktion y D x2 ), die Bildmenge ist 0  y < C1 bzw. 1 < y  0. Die Graphen der Umkehrfunktionen ergeben sich aus der Normalparabel durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden y D x. p Die (positive) Quadratwurzelfunktion y D x zum Beispiel ist also die Umkehrfunktion der Funktion des rechten Normalparabelastes (. Abb. 2.15). Die kubische Funktion y D x3 ist in ihrem ganzen Definitionsbereich D D .1; p1/ monoton steigend. Ihre Umkehrfunktion ist y D 3 x. Der Definitionsbereich der Umkehrfunktion ist 1 < x < 1, die Bildmenge 1 < y < 1. Der Graph der Umkehrfunktion ergibt sich aus der kubischen Normalparabel durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden y D x. Allgemein gilt: p 4 Für ungerade n ist die Wurzelfunktion y D f .x/ D n x, f: R ! R die Umkehrfunktion der Potenzfunktion y D f .x/ D x n , f W R ! R.

p Man bezeichnet allgemeiner auch Funktionen y D a n x, a 2 R, a ¤ p 0 als Wurzelfunktionen. Die Kurve der Funktion ypD a n x ist im Vergleich zur Kurve der Funktion y D n x für jaj < 1 gestaucht, für jaj > 1 gestreckt und für a < 0 an der x-Achse gespiegelt. 7 Beispiel

p 4. y D b C r 2  .x  a/2 , D D fxjjx  aj  rg, W D R Der Graph dieser Funktion ist der obere Halbkreis des Kreises mit dem Mittelpunkt M.ajb/ und dem Radius r (. Abb. 2.16). Fehlerwarnung: Die Gleichung .x  a/2 C .y  b/2 D r2 des Kreises mit dem Mittelpunkt M.ajb/ und dem Radius r (vgl. 7 Abschn. 4.3) ist keine (implizite) Funktion, denn die Zuordnung einer Zahl y zu einer Zahl x ist nicht eindeutig, wie in der Definition einer Funktion gefordert (zu jedem x mit jx  aj < r gibt es zwei y)! Analog zu oben ist der Graph der Funktion yDb

p

r 2  .x  a/2 ; D D fxjjx  aj  rg; W D R

die untere Hälfte des Kreises mit dem Mittelpunkt M.ajb/ und dem Radius r. 9

. Abb. 2.16 Graphen der Funktionen von Beispiel 4

31 2.7  Transzendente Funktionen

Transzendente Funktionen

2.7

Elementare Funktionen, die nicht algebraisch sind, heißen transzendent. Wichtige Klassen von transzendenten Funktionen sind die Exponentialfunktionen, die Logarithmusfunktionen sowie die trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen, die Arkusfunktionen. Die trigonometrischen Funktionen und die Arkusfunktionen werden in 7 Kap. 3 behandelt.

2.7.1

Exponentialfunktionen

Bei einer Exponentialfunktion steht die unabhängige Variable x im Exponenten. y D a x ; a 2 RC Dabei ist die Basis a eine beliebige positive reelle Zahl. Alle Exponentialfunktionen y D ax , a 2 RC haben als Definitionsbereich D D R und, falls a ¤ 1, als Bildmenge W D f .D/ D RC . Alle Funktionswerte sind also positiv. Wegen a0 D 1 gehen die Graphen aller Funktionen durch den Punkt P.0j1/. Für a > 1 ist die Funktion y D ax streng monoton wachsend mit y ! 0 für x ! 1 und y ! 1 für x ! 1. Die (negative) x-Achse ist also Asymptote. Für 0 < a < 1 ist die Funktion y D ax streng monoton fallend mit y ! 1 für x ! 1 und y ! 0 für x ! 1. Die (positive) x-Achse ist somit Asymptote. Der Graph der Funktion nähert sich um so schneller der x-Achse, je größer j ln aj ist, für a > 1 also je größer a ist und für a < 1 je kleiner a ist. Für a D 1 gilt y D 1, der Graph der Funktion ist also eine Parallele zur x-Achse (. Abb. 2.17).

. Abb. 2.17 Graphen von Exponentialfunktionen

Die Exponentialfunktionen y D ax , a > 0 können wegen der Regeln der Logarithmen- und der Potenzrechnung auch in der Form x

y D ax D e ln.a / D e xln a dargestellt werden. Dabei ist e D 2;718 281 828 4: : : die Euler’sche Zahl (vgl. 7 Abschn. 5.4.5). Die Funktion y D e x , D D R, W D f .D/ D RC , also die Exponentialfunktion mit der Basis a D e, heißt natürliche Exponentialfunktion oder e-Funktion. y D e x ; D D R; W D f.D/ D RC Es handelt sich um eine spezielle Exponentialfunktion, die häufig als die Exponentialfunktion bezeichnet wird. Diese Funktion spielt bei vielen Wachstumsprozessen eine wichtige Rolle. Noch allgemeiner bezeichnet man manchmal auch solche Funktionen, die eine algebraische Funktion des Arguments x im Exponenten haben, als Exponentialfunktionen, 2 zum Beispiel y D 23x 7x . Die Umkehrfunktionen der Exponentialfunktionen y D ax sind für a ¤ 1 die Logarithmusfunktionen y D loga x. Die Umkehrfunktion der e-Funktion ist die natürliche Logarithmusfunktion y D ln x.

2.7.2

Logarithmusfunktionen

Logarithmusfunktionen sind Funktionen der Form y D loga x; a 2 RC ; a ¤ 1 Alle Logarithmusfunktionen y D loga x, a 2 RC , a ¤ 1 haben als Definitionsbereich D D RC und als Bildmenge W D f.D/ D R. Wegen loga 1 D 0 gehen die Graphen aller Funktionen durch den Punkt P.1j0/. Für a > 1 ist die Funktion y D loga x streng monoton wachsend mit y ! 1 für x ! 1 und y ! 1 für x ! 0, x > 0. Die (negative) y-Achse ist also Asymptote. Für x > 1 gilt loga x > 0, für x D 1 gilt loga 1 D 0 und für x mit 0 < x < 1 gilt loga x < 0. Für 0 < a < 1 ist die Funktion y D loga x streng monoton fallend mit y ! 1 für x ! 1 und y ! 1 für x ! 0, x > 0. Die (positive) y-Achse ist somit Asymptote. Für x > 1 gilt loga x < 0, für x D 1 gilt loga 1 D 0 und für x mit 0 < x < 1 gilt loga x > 0. Der Graph der Funktion nähert sich für alle a um so schneller der y-Achse, je größer j ln aj ist, für a > 1 also je größer a ist und für a < 1 je kleiner a ist (. Abb. 2.18).

2

32

Kapitel 2  Funktionen

2

. Abb. 2.18 Graphen der logarithmischen Funktionen y D lg x und y D log 1 x 10

Die Logarithmusfunktionen y D loga x, a > 0, a ¤ 1 können wegen der Regeln der Logarithmenrechnung auch in folgender Form dargestellt werden. y D loga x D

1  ln x; ln a

a¤1

Dabei heißt die Logarithmusfunktion mit der Basis a D e D 2;7182: : : natürliche Logarithmusfunktion. y D ln x;

D D RC ;

W D f .D/ D R

. Abb. 2.19 Graphen von y D ln x und y D log2 x und ihrer Umkehrfunktionen

Allgemeiner noch bezeichnet man auch solche Funktionen, die eine algebraische Funktion des Arguments x als Numerus haben, als Logarithmusfunktion, zum Beispiel y D log2 .5x 2  4x/. Die Logarithmusfunktion y D loga x ist für a ¤ 1 die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion y D ax und umgekehrt. Die natürliche Logarithmusfunktion y D ln x ist die Umkehrfunktion der e-Funktion y D ex und umgekehrt (. Abb. 2.19).

3

33

Trigonometrie Arnfried Kemnitz

Das Wort Trigonometrie kommt aus dem Griechischen und bedeutet Dreiecksmessung. Die Trigonometrie ist die Lehre von der Dreiecksberechnung mit Hilfe von Winkelfunktionen (trigonometrischen Funktionen).

3.1

Definition der trigonometrischen Funktionen

In einem rechtwinkligen Dreieck ist die Hypotenuse die dem rechten Winkel gegenüberliegende Dreiecksseite, die beiden anderen Seiten (also die Schenkel des rechten Winkels) sind die Katheten. In einem rechtwinkligen Dreieck mit den Winkeln ˛, ˇ und  D 90ı gilt ˛ C ˇ D 90ı . Die Ankathete eines Winkels ˛ in einem rechtwinkligen Dreieck ist die Kathete, die auf einem Schenkel von ˛ liegt. Die andere Kathete heißt Gegenkathete von ˛. Das Verhältnis zweier beliebiger Seiten im rechtwinkligen Dreieck ist abhängig von dem Winkel ˛ (und wegen ˇ D 90ı  ˛ natürlich auch vom Winkel ˇ), das heißt, das Verhältnis zweier Seiten ist eine Funktion des Winkels ˛ (bzw. des Winkels ˇ). Die trigonometrischen Funktionen sind definiert als das Verhältnis zweier Seiten im rechtwinkligen Dreieck. In einem rechtwinkligen Dreieck ist 4 sin ˛, der Sinus des Winkels ˛, das Verhältnis von Gegenkathete zu Hypotenuse, 4 cos ˛, der Kosinus des Winkels ˛, das Verhältnis von Ankathete zu Hypotenuse, 4 tan ˛, der Tangens des Winkels ˛, das Verhältnis von Gegenkathete zu Ankathete, 4 cot ˛, der Kotangens des Winkels ˛, das Verhältnis von Ankathete zu Gegenkathete (. Abb. 3.1). a c b Kosinus: cos ˛ D c a Tangens: tan ˛ D b b Kotangens: cot ˛ D a Sinus:

sin ˛ D

Gegenkathete Hypotenuse Ankathete D Hypotenuse Gegenkathete D Ankathete Ankathete D Gegenkathete D

. Abb. 3.1 sin ˛ D ac , cos ˛ D bc , tan ˛ D ab , cot ˛ D

b a

Andere, weniger gebräuchliche Namen für die trigonometrischen Funktionen sind Winkelfunktionen oder Kreisfunktionen oder goniometrische Funktionen.

3.2

Trigonometrische Funktionen für beliebige Winkel

Die Definition der trigonometrischen Funktionen eines Winkels ˛ im rechtwinkligen Dreieck ist nur für spitze Winkel möglich (also 0ı < ˛ < 90ı ). Am Einheitskreis (Kreis mit dem Radius r D 1) lassen sich die trigonometrischen Funktionen für beliebige Winkel definieren. Der Mittelpunkt des Einheitskreises sei der Koordinatenursprung O eines kartesischen Koordinatensystems (vgl. 7 Abschn. 4.1.1). Ein beliebiger Punkt P D P.xjy/ auf dem Einheitskreis legt einen Winkel ˛ fest, nämlich den Winkel zwischen der x-Achse und der Geraden durch O und P. Dabei wird ˛ in mathematisch positiver Richtung, also gegen den Uhrzeigersinn, gemessen. Mit den vorzeichenbehafteten Koordinaten x und y des Punktes P werden die trigonometrischen Funktionen dann definiert durch (. Abb. 3.2) sin ˛ D y cos ˛ D x y Tangens: tan ˛ D x x Kotangens: cot ˛ D y Sinus: Kosinus:

Der Abschnitt des Einheitskreises zwischen der x-Achse und dem Punkt P ist das Bogenmaß b des Winkels ˛. Durchläuft P den Einheitskreis im mathematisch positiven Drehsinn, dann sind ˛ und b positiv. Durchläuft P den

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_3

Kapitel 3  Trigonometrie

34

3.3

Beziehungen für den gleichen Winkel

Für beliebige Winkel ˛ gelten folgende Umrechnungsformeln1 :

3

sin ˛ 1 D cos ˛ cot ˛

tan ˛ D

cot ˛ D

sin2 ˛ C cos2 ˛ D 1 1 1 C tan2 ˛ D cos2 ˛

cos ˛ 1 D sin ˛ tan ˛

tan ˛  cot ˛ D 1 1 C cot2 ˛ D

1 sin2 ˛

Diese Beziehungen lassen sich im rechtwinkligen Dreieck leicht nachrechnen. 7 Beispiel

. Abb. 3.2 Definition der trigonometrischen Funktionen für beliebige Winkel

Einheitskreis jedoch im mathematisch negativen Drehsinn, dann sind ˛ und b negativ. Im Einheitskreis sind damit die trigonometrischen Funktionen für beliebige Winkel ˛ im Gradmaß oder für beliebige reelle Zahlen b (Bogenmaß von ˛) definiert, für die die entsprechenden Nenner nicht verschwinden. Bei der Berechnung von Funktionswerten muss beachtet werden, ob das Argument im Gradmaß oder im Bogenmaß angegeben ist. Durch die beiden orientierten Achsen eines kartesischen Koordinatensystems wird die Ebene in vier Teile eingeteilt, die Quadranten. Die Punkte des ersten Quadranten haben sowohl positive x- als auch positive y-Koordinaten, die Punkte des zweiten Quadranten haben negative x- und positive y-Koordinaten, die Punkte des dritten Quadranten haben negative x- und negative y-Koordinaten und die Punkte des vierten Quadranten haben positive x- und negative y-Koordinaten. Für die Vorzeichen der trigonometrischen Funktionen in den einzelnen Quadranten gilt: Quadrant

sin

cos

tan

cot

I

C

C

C

C

II

C







III





C

C

IV



C





sin2 ˛ C cos2 ˛ D

 a 2 c

C

 2 b a2 C b 2 D D 1; c c2

denn nach dem Satz des Pythagoras gilt im rechtwinkligen Dreieck a2 C b2 D c2 . 9

Alle Beziehungen gelten auch allgemein, das heißt, für beliebige Winkel ˛. Nach diesen Beziehungen lässt sich jede trigonometrische Funktion durch jede andere desselben Winkels ausdrücken. Will man zum p Beispiel sin ˛ durch cos ˛ ausdrücken, so folgt sin ˛ D ˙ 1  cos2 ˛ aus sin2 ˛ C cos2 a D 1. Für Winkel im ersten Quadranten, also für Winkel ˛ mit 0ı < ˛ < 90ı gilt:

sin ˛ D cos ˛ D tan ˛ D

sin ˛

cos ˛

sin ˛

p 1  cos2 ˛

p

1  sin2 ˛

p p

cot ˛ D

cos ˛

tan ˛ tan ˛

p 1 C tan2 ˛ 1 p 1 C tan2 ˛

1  sin2 ˛

p 1  cos2 ˛ tan ˛ cos ˛

1  sin2 ˛ sin ˛

cos ˛ p 1  cos2 ˛

sin ˛

1 tan ˛

cot ˛ p p

1 1 C cot2 ˛ cot ˛ 1 C cot2 ˛

1 cot ˛ cot ˛

In den übrigen Quadranten sind die Vorzeichen der Wurzeln nach der Vorzeichentabelle (vgl. 7 Abschn. 3.2) oder am Einheitskreis zu bestimmen. 7 Beispiel Im dritten Quadranten sind sowohl sin ˛ als auch cos ˛ negativ. ı < 270ı zum BeiDeswegen gilt für p Winkel ˛ mit 180 < ˛ p spiel sin ˛ D  1  cos2 ˛ und cos ˛ D  1  sin2 ˛. 9 1

Für Potenzen .f .x//k von Funktionswerten ist die Schreibweise fk .x/ üblich, etwa sin2 ˛ (gesprochen: Sinus Quadrat Alpha) für .sin ˛/2

35 3.4  Graphen der trigonometrischen Funktionen

3.4

Graphen der trigonometrischen Funktionen

Die Kosinusfunktion ist wegen cos.x/ D cos x für alle x eine gerade Funktion. Die Kosinuskurve ist also symmetrisch zur y-Achse (. Abb. 3.5).

Ein anschauliches Bild von Eigenschaften der trigono-1 3. Tangensfunktion metrischen Funktionen erhält man, wenn in einem kar- Die Funktion y D tan x mit dem Definitionsbereich D D R, tesischen Koordinatensystem (vgl. 7 Abschn. 4.1.1) als x ¤   C k , k 2 Z und dem Wertebereich W D R. 2 Abszissen (x-Werte) die Winkel (im Gradmaß oder im Bo  genmaß) und als Ordinaten (y-Werte) die Werte der betrefDie Stellen x D C k , k 2 Z sind Pole der Funk2 fenden trigonometrischen Funktionen eingetragen werden. tion. Nähert man sich einem Pol x D xp mit wachsenden Die Funktionswerte ergeben sich als vorzeichenbehaftex-Werten (also x < xp ), dann geht tan x gegen C1. Näte Längen der entsprechenden Strecken am Einheitskreis hert man sich dagegen einem Pol x D xp mit abnehmenden (. Abb. 3.3 und 3.4). x-Werten (also x > xp ), so geht tan x gegen 1. Die GeraDie Graphen der trigonometrischen Funktionen nennt   man auch Kurven. So ist zum Beispiel die Sinuskurve der den x D 2 C k  sind Asymptoten der Funktion. Graph der Sinusfunktion. Die Tangensfunktion hat die Periode  , es gilt also In der folgenden Aufzählung sind alle Winkel im Bo- tan.xCk / D tan x für k D 0, ˙1, ˙2, . . . Eine Amplitude genmaß angegeben. besitzt die Funktion nicht (Pole!). Die Tangensfunktion ist wegen tan.x/ D  tan x für 1 1. Sinusfunktion alle x eine ungerade Funktion. Die Tangenskurve ist also Die Funktion y D sin x mit dem Definitionsbereich D D R symmetrisch zum Koordinatenursprung (. Abb. 3.5). und dem Wertebereich W D Œ1; 1. Die Sinusfunktion hat die Periode 2 , es gilt also1 4. Kotangensfunktion sin.xC2k / D sin x für k D 0, ˙1, ˙2, . . . . Die Amplitude Die Funktion y D cot x mit dem Definitionsbereich D D R,   x ¤   C k , k 2 Z und dem Wertebereich W D R. der Funktion ist 1, denn es gilt j sin xj  1 und sin D 1. Die Stellen x D k , k 2 Z sind Pole der Funktion. Nä2 Die Sinusfunktion ist wegen sin.x/ D  sin x für alle hert man sich einem Pol x D xp mit wachsenden x-Werten x eine ungerade Funktion. Die Sinuskurve ist also symme- (also x < xp ), dann geht cot x gegen 1. Nähert man sich trisch zum Koordinatenursprung (. Abb. 3.5). dagegen einem Pol x D xp mit abnehmenden x-Werten (also x > xp ), so geht cot x gegen C1. Die Geraden x D k  1 2. Kosinusfunktion sind Asymptoten der Funktion. Die Kotangensfunktion hat die Periode  , es gilt also Die Funktion y D cos x mit dem Definitionsbereich D D R cot.xCk / D cot x für k D 0, ˙1, ˙2, . . . Eine Amplitude und dem Wertebereich W D Œ1; 1. Die Kosinusfunktion hat ebenfalls die Periode 2 , es besitzt die Funktion nicht (Pole!). Die Kotangensfunktion ist ungerade, denn es gilt gilt cos.x C 2k / D cos x für k D 0, ˙1, ˙2, . . . Die Amplitude der Funktion ist 1, denn es gilt j cos xj  1 und cot.x/ D  cot x. Die Kotangenskurve ist also symmetrisch zum Koordinatenursprung (. Abb. 3.5). cos 0 D 1. . Abb. 3.3 Sinuskurve und Kosinuskurve

. Abb. 3.4 Tangenskurve und Kotangenskurve

3

Kapitel 3  Trigonometrie

36

3.6

3

. Abb. 3.5 y D sin x, y D cos x, y D tan x, y D cot x (von oben nach unten)

Sinussatz und Kosinussatz

3.5

1 Sinussatz

In einem beliebigen Dreieck verhalten sich die Längen der Seiten wie die Sinuswerte der gegenüberliegenden Winkel. sin ˛ sin ˇ sin  D D a b c oder sin ˛ W sin ˇ W sin  D a W b W c 1 Kosinussatz

In einem beliebigen Dreieck ist das Quadrat einer Seitenlänge gleich der Summe der Quadrate der beiden anderen Seitenlängen minus dem doppelten Produkt der Längen dieser beiden anderen Seiten und dem Kosinus des von ihnen eingeschlossenen Winkels. a2 D b 2 C c 2  2bc cos ˛ b 2 D a2 C c 2  2ac cos ˇ c 2 D a2 C b 2  2ab cos  oder b 2 C c 2  a2 2bc a2 C c 2  b 2 cos ˇ D 2ac a2 C b 2  c 2 cos  D 2ab cos ˛ D

Arkusfunktionen

Kennt man den Funktionswert einer trigonometrischen Funktion, etwa y D sin x, und will man daraus den zugehörigen Winkel bestimmen, so muss man die Gleichung nach dem Winkel x auflösen, was mit Hilfe der Arkusfunktionen möglich ist: x D arcsin y. Die Arkusfunktionen sind also die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen. Die Arkusfunktionen werden auch zyklometrische Funktionen oder inverse trigonometrische Funktionen genannt. Zu ihrer eindeutigen Definition wird der Definitionsbereich der trigonometrischen Funktionen in Monotonieintervalle zerlegt, so dass für jedes Monotonieintervall eine Umkehrfunktion erhalten wird (vgl. 7 Abschn. 2.2.8: Streng monotone Funktionen besitzen Umkehrfunktionen). Diese wird entsprechend dem zugehörigen Monotonieintervall mit dem Index k gekennzeichnet. Die Vorgehensweise wird am Beispiel des Arkussinus gezeigt. Der Definitionsbereich von y D sin x wird in die     Monotonieintervalle k    x  k  C mit k D 0, 2 2 ˙1, ˙2, . . . zerlegt. Durch Spiegelung von y D sin x an der Winkelhalbierenden y D x erhält man die Umkehrfunktionen y D arcsink x mit den Definitionsbereichen h   Dk D Œ1; 1 und den Wertebereichen Wk D k   ; 2  i , wobei k D 0; ˙1; ˙2, . . . Die Schreibweise k  C 2 y D arcsink x ist gleichbedeutend mit x D sin y. y D arcsink x , x D sin y Die übrigen Arkusfunktionen ergeben sich analog. In . Tab. 3.1 sind die Definitions- und Wertebereiche aller Arkusfunktionen zusammengestellt, die . Abb. 3.6 bis 3.9 zeigen die Graphen der Arkusfunktionen. Setzt man k D 0, dann erhält man jeweils den so genannten Hauptwert der Arkusfunktion. Den Hauptwert schreibt man ohne den Index k, also zum Beispiel arcsin x D arcsin0 x. Für andere Werte von k erhält man Nebenwerte der entsprechenden Arkusfunktion. Den Hauptwert der Arkusfunktionen zeigt . Abb. 3.10. Die Zurückführung von Nebenwerten auf die Hauptwerte der Arkusfunktionen erfolgt mit Hilfe der folgenden Formeln: arcsink x D k  C .1/k arcsin x  .k C 1/   arccos x arccosk x D k  C arccos x

falls k ungerade falls k gerade

arctank x D k  C arctan x arccotk x D k  C arccot x Rechenprogramme geben immer die Hauptwerte der Arkusfunktionen an.

37 3.6  Arkusfunktionen

. Tabelle 3.1 Arkusfunktionen Name

Schreibweise

Definitionsbereich

Wertebereich

Gleichbedeutende trigonometrische Funktion x D sin y

Arkussinus

y D arcsink x

1  x  1

    k    y  k  C 2 2

Arkuskosinus

y D arccosk x

1  x  1

k   y  .k C 1/ 

x D cos y x D tan y x D cot y

Arkustangens

y D arctank x

1 < x < 1

    k   < y < k  C 2 2

Arkuskotangens

y D arccotk x

1 < x < 1

k  < y < .k C 1/ 

. Abb. 3.6 Arkussinuskurve

. Abb. 3.8 Arkustangenskurve

. Abb. 3.7 Arkuskosinuskurve

. Abb. 3.9 Arkuskotangenskurve

. Abb. 3.10 Hauptwerte der Arkusfunktionen

3

38

Kapitel 3  Trigonometrie

Beziehungen zwischen den Hauptwerten:   2   arccos x D 2   arctan x D 2   arccot x D 2 arcsin x D

3

x  arccos x D arctan p 1  x2 x  arcsin x D arccot p 1  x2 x  arccot x D arcsin p 1 C x2 x  arctan x D arccos p 1 C x2

Formeln für negative Argumente: arcsin.x/ D  arcsin x arccos.x/ D    arccos x arctan.x/ D  arctan x arccot.x/ D    arccot x 7 Beispiele 1. arcsin 0 D 0; arcsink 0 D k    1 2. arccos D I 2 3 8   ˆ 0 als Bedingung dafür, dass es sich bei einer Gleichung der allgemeinen Form wirklich um eine Kreisgleichung handelt (für c > a2 C b2 liefert die Gleichung keine reelle Kurve, für c D a2 C b2 ergibt sich ein einziger Punkt M.xm jym /). 4. Werden die beiden Koordinaten x und y jeweils als Funktion einer Hilfsvariablen t angegeben, so erhält man die Parameterdarstellung des Kreises mit dem Radius r und dem Mittelpunkt M.xm jym / (vgl. 7 Abschn. 2.1.2). 2

x D xm C r cos t;

4.4

2

y D ym C r sin t;

2

2. Hat der Mittelpunkt allgemeiner die Koordinaten xm , ym und zm , also M D M.xm jym jzm / dann ergibt sich die Mittelpunktsform oder Hauptform der Kugelgleichung. .x  xm /2 C .y  ym /2 C .z  zm /2 D r 2 Eine Kugel ist festgelegt durch den Mittelpunkt und einen weiteren Punkt oder durch vier Punkte (die nicht alle in einer Ebene liegen).

0  t < 2 

7 Beispiel Welches geometrische Objekt beschreibt die Gleichung 1;5x2 C 1;5y2 C 3x  6y C 4;5 D 0? Lösung: Division durch 1,5 ergibt x2 C y2 C 2x  4y C 3 D 0, eine Kreisgleichung in allgemeiner Form. Dabei ist a D xm D 1, b D ym D 2, c D 3. Die Bedingung a2 C b2  c > 0 ist erfüllt, denn 1 C 4  3 D 2 > 0.

. Abb. 4.12 Kugel mit der Gleichung x 2 C y 2 C z 2 D r 2

45 4.5  Kegelschnitte

7 Beispiele 1. Gegeben: Mittelpunkt im Koordinatenursprung, also M D M.0j0j0/, Punkt P1 .4j3j1/. Gesucht: Kugel mit dem Mittelpunkt M durch den Punkt P1 . p p Berechnung des Radius: r D 42 C 32 C 12 D 26 Die gesuchte Kugel hat die Gleichung x 2 C y 2 C z 2 D 26. 2. Gegeben: Mittelpunkt M.2j  1j1/, Punkt P1 .0j4j  3/. Gesucht: Kugel mit dem Mittelpunkt M durch den Punkt P1 . Berechnung des Radius: rD

p

.0  2/2 C .4  .1//2 C .3  1/2 D

p

45

. Abb. 4.13 Kegelschnitt Ellipse

Die gesuchte Kugel hat die Gleichung .x  2/2 C .y C 1/2 C .z  1/2 D 45: 9

4.5

Kegelschnitte

Ein Kegelschnitt ist die Schnittfigur einer Ebene und des Mantels eines geraden Doppelkreiskegels. Ein gerader Kreiskegel entsteht durch Rotation einer Geraden (die Erzeugende oder Mantellinie) in einem festen Punkt (der Spitze) um eine vertikale Achse, wobei sich die rotierende Gerade entlang eines Kreises bewegt (also mit einem Kreis als Leitkurve), der in einer Ebene senkrecht zur Rotationsachse liegt. Ein gerader Doppelkreiskegel besteht aus zwei gleichen geraden Kreiskegeln, deren Rotationsachsen parallel sind und deren Spitzen sich berühren. Schneidet man einen geraden Doppelkreiskegel mit einer nicht durch die (gemeinsame) Spitze S gehenden Ebene E, dann entsteht als Kurve ein Kegelschnitt. Abhängig von der Lage der Ebene E zum Doppelkegel erhält man verschiedene Kurven. 4 Kreis Liegt die Ebene senkrecht zur Kegelachse (Rotationsachse), so schneidet sie aus der Mantelfläche des Kegels einen Kreis heraus. 4 Ellipse Ist die Neigung der Ebene so, dass sie nur eine Hälfte des Doppelkegels schneidet und dass sie nicht parallel zu einer Mantellinie verläuft, so wird eine Ellipse ausgeschnitten (. Abb. 4.13). 4 Parabel Verläuft die Ebene parallel zu einer Mantellinie, so schneidet sie aus der Mantelfläche eine Parabel heraus (. Abb. 4.14). 4 Hyperbel Trifft die Ebene beide Hälften des Doppelkegels (zum Beispiel wenn sie parallel zur Kegelachse steht), dann ist die Schnittfigur eine Hyperbel (es werden zwei Kurven ausgeschnitten, die beiden Äste einer Hyperbel) (. Abb. 4.15).

. Abb. 4.14 Kegelschnitt Parabel

. Abb. 4.15 Kegelschnitt Hyperbel

Die Kegelschnitte lassen sich bezüglich der Lage der Ebene E zu den Mantellinien des Doppelkegels charakterisieren: Beim Kreis und bei der Ellipse ist die Ebene zu keiner der Mantellinien parallel, bei der Parabel ist die Ebene zu einer Mantellinie parallel, und bei der Hyperbel ist die Ebene zu zwei Mantellinien des Doppelkegels parallel. Die Kegelschnitte lassen sich auch durch die Beziehung des Öffnungswinkels ˛ des Kegels zum Neigungswin-

4

Kapitel 4  Analytische Geometrie

46

1 1 , B D 0, C D 2 , D D E D 0, F D 1 a2 b y2 x2 ) 2 C 2 D1 a b Mittelpunktsform der Gleichung einer Ellipse mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung 1 1 4. A D 2 , B D 0, C D  2 , D D E D 0, F D 1 a b x2 y2 ) 2  2 D1 a b Mittelpunktsform der Gleichung einer Hyperbel mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung 3. A D

4 . Abb. 4.16 Beschreibung der Kegelschnitte

kel ˇ der Schnittebene E zur Rotationsachse beschreiben (. Abb. 4.16): ˇ D 90ı ˛ Ellipse: < ˇ < 90ı 2 ˛ Parabel: ˇ D 2 ˛ Hyperbel: 0  ˇ < 2

5. A D B D C D 0, D D 1, E D 1, F D 0 )yDx Gleichung der Winkelhalbierenden (Gerade) 9

Kreis:

Der Kreis ist bezüglich der verschiedenen Lagen von Ebene und Doppelkegel ein Spezialfall der Ellipse. Kreis und Ellipse sind beschränkt, nicht jedoch Parabel und Hyperbel. Die Parabel besteht aus einem einzigen Ast (sie ist also zusammenhängend), während die Hyperbel zwei getrennte symmetrische Äste besitzt. Falls die Ebene E durch die Kegelspitze S geht, dann besteht die Schnittmenge entweder nur aus einem Punkt (dem Punkt S) oder aus einer Gerade durch S oder aus einem durch S gehenden Geradenpaar. Solche Schnittmengen heißen entartete Kegelschnitte. Die nahe Verwandtschaft der Kegelschnitte zeigt sich auch in ihren Gleichungen. Jeder Kegelschnitt ist der Graph einer Funktion, die als Funktionsgleichung eine Gleichung zweiten Grades in x und y hat. In einer solchen Gleichung kommen x und y nur linear und quadratisch vor. Die allgemeine Gleichung eines Kegelschnitts lautet:

4.5.1

Ellipsen

Eine Ellipse ist der geometrische Ort aller Punkte einer Ebene, für die die Summe der Abstände von zwei festen Punkten F1 und F2 konstant ist. Die Punkte F1 und F2 heißen Brennpunkte der Ellipse. Bezeichnet man den Abstand eines beliebigen Punktes P1 der Ellipse zu F1 mit r1 und den Abstand von P1 zu F2 mit r2 , also jP1 F1 j D r1 , jP1 F2 j D r2 , dann gilt r1 C r2 D 2a mit einer Konstanten a (. Abb. 4.17). 4 Bezeichnungen M.0j0/

Mittelpunkt

F1 .ej0/; F2 .ej0/

Brennpunkte

S1 .aj0/; S2 .aj0/

Hauptscheitelpunkte

S10 .0jb/; S20 .0j

Nebenscheitelpunkte

 b/

S1 S2

Hauptachse

S10 S20

Nebenachse

jS1 S2 j D 2a

Länge der Hauptachse

jS10 S20 j D 2b

Länge der Nebenachse (b < a)

Ax C 2Bxy C Cy C Dx C Ey C F D 0 2

2

Diese Gleichung enthält als Sonderfälle auch Gleichungen von Punkten, Geraden, Geradenpaaren und imaginären Kurven. 7 Beispiele 1. A D 1, B D C D D D 0, E D 1, F D 0 ) y D x2 Gleichung der Normalparabel 2. A D 1, B D 0, C D 1, D D E D 0, F D r2 ) x2 C y2 D r2 Mittelpunktsform der Gleichung eines Kreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung

. Abb. 4.17 Bezeichnungen für die Ellipse

47 4.5  Kegelschnitte

jMF 1 j D jMF 2 j D e Abstand der Brennpunkte vom Mittelpunkt b2 pD a

P1 .x1 jy1 /

Halbparameter (die halbe Länge einer parallel zur Nebenachse gezogenen Sehne durch einen Brennpunkt) beliebiger Punkt der Ellipse

jP1 F1 j D r1 , jP1 F2 j D r2

Abstand von P1 zu den Brennpunkten

4 Eigenschaften r1 C r2 D 2a

Summe der Abstände ist konstant

gilt nach dem Satz des Pythagoras e Cb Da p 2 2 e D a  b > 0 heißt lineare Exzentrizität der Ellipse e "D 1 der Hyperbel a 4 Bemerkung Eine der drei Größen a, b, e kann wegen a2 C b2 D e2 aus den beiden anderen berechnet werden. Hyperbelgleichungen

1. Scheitelpunkte auf der x-Achse, Mittelpunkt im Koordinatenursprung: x2 y2  D1 a2 b 2 Beide Koordinatenachsen sind Symmetrieachsen der Hyperbel. Die Hyperbel ist nach rechts und nach links geöffnet. Diese Gleichung nennt man auch die Normalform der Hyperbelgleichung.

b Gleichungen der Asymptoten: y D ˙ x a Nur im Falle a D b stehen die Asymptoten senkrecht aufeinander. Solche Hyperbeln heißen gleichseitige Hyperbeln. 2. Hauptachse parallel zur x-Achse, Mittelpunkt M.xm jym /: .x  xm /2 .y  ym /2  D1 a2 b2 Die Hyperbel ist nach rechts und nach links geöffnet. Diese Gleichung heißt auch Mittelpunktsform der Hyperbelgleichung. Gleichungen der Asymptoten: b y D ˙ .x  xm / C ym a 3. Koordinatenachsen als Asymptoten, Mittelpunkt im Koordinatenursprung: xy Dc

oder y D

c x

.c ¤ 0/

Für c > 0 ist die Winkelhalbierende y D x die Hauptachse, die Hyperbeläste liegen im ersten und im dritten Quadranten. Im Falle c < 0 ist die Winkelhalbierende y D x die Hauptachse, die Hyperbeläste liegen im zweiten und im vierten Quadranten. Gleichungen der Asymptoten: x D 0, y D 0 7 Beispiel Gegeben: Hyperbelgleichung

x2 y2  D 1. 16 20

Gesucht: Brennpunkte, numerische Exzentrizität. Berechnung der Brennpunkte: e 2 D a2 C b 2 D 16 C 20 D 36 D 62 ) F1 .6j0/; F2 .6j0/ Numerische Exzentrizität: "D

4.5.3

6 e D D 1;5 9 a 4

Parabeln

Eine Parabel ist der geometrische Ort aller Punkte einer Ebene, die von einem festen Punkt F (Brennpunkt) und einer festen Geraden l (Leitlinie) den gleichen Abstand besitzen. Der Punkt, der in der Mitte zwischen dem Brennpunkt F und der Leitlinie l liegt, ist der Scheitelpunkt S. Die Gerade durch die Punkte F und S heißt Parabelachse. Sie ist Symmetrieachse für die Parabel und steht senkrecht auf der

49 4.5  Kegelschnitte

 ˇp  ˇ Der Brennpunkt ist F 0ˇ , die Gleichung der Leitli2 p nie ist y D  . 2 Eine Parabel in dieser Lage ist der Graph einer quadratischen Funktion (vgl. 7 Abschn. 2.4.3). 7 Beispiel Gegeben: Parabelgleichung y 2 D 6x. Gesucht: Brennpunkt, Gleichung der Leitlinie.

. Abb. 4.19 Parabel mit Brennpunkt F und Scheitelpunkt S

Leitlinie l. Der Abstand p des Brennpunkts F von der Leitlinie l heißt Parameter der Parabel. Der Brennpunkt hat die Eigenschaft, alle innen an der Parabel reflektierten achsenparallelen Strahlen in sich zu vereinigen (Anwendung: Parabolspiegel) (. Abb. 4.19). Parabelgleichungen

1. x-Achse ist Parabelachse, Scheitelpunkt im Koordinatenursprung, Parabel nach rechts geöffnet: y 2 D 2px;

p>0

p ˇ  ˇ Der Brennpunkt ist F ˇ0 , die Gleichung der Leitli2 p nie ist x D  . Diese Gleichung nennt man auch die 2 Normalform der Parabelgleichung. 2. Parabelachse parallel zur x-Achse, Scheitelpunkt S.xS jyS /, Parabel nach rechts geöffnet: .y  yS /2 D 2p.x  xS /; Der Brennpunkt ist F

p

p>0

ˇ  ˇ C xS ˇyS , die Gleichung der

2 p Leitlinie ist x D xS  . Diese Gleichung heißt auch 2 Scheitelpunktsform der Parabelgleichung. 3. Parabelachse parallel zur x-Achse, Scheitelpunkt S.xS jyS /, Parabel nach links geöffnet: .y  yS /2 D 2p.x  xS /;

Parameter: p D 3  ˇ  pˇ  3 ˇˇ ˇ Brennpunkt: F 0 ˇ0 D F 2 2ˇ 3 p Gleichung der Leitlinie: x D  D  9 2 2

4.5.4

Anwendungsbeispiel

Ein parabelförmiger Brückenbogen (Achse vertikal und Parabel nach unten geöffnet) hat zwischen den in gleicher Höhe liegenden Lagern (Enden) des Bogens L und L0 die Spannweite 2a D jLL0 j D 32 m. Die Scheitelhöhe (Höhe des Scheitelpunktes S über LL0 ) beträgt b D 10 m. Die horizontal verlaufende Straße liegt h D 4 m über LL0 und schneidet den Brückenbogen in P1 und P10 , den Befestigungspunkten des Straßenkörpers. Der Straßenkörper wird außer von einem Vertikalstab im Scheitelpunkt S (Länge b  h D 6 m) noch von zwei weiteren Vertikalstäben gehalten, die in der Mitte des horizontalen Abstandes von S und P1 sowie von S und P10 in den Punkten P2 und P20 am Brückenbogen angebracht sind (. Abb. 4.20). Wie groß ist die Länge l dieser Vertikalstäbe? Wie groß sind jP1 P10 j und jP2 P20 j? Die Skizze veranschaulicht nur eine Hälfte der symmetrischen Straßenbrücke. Zur Lösung der Aufgabe denkt man sich ein Koordinatenkreuz gelegt, so dass die Parabel des Brückenbogens die Gleichung y D px 2 hat. Setzt man die Koordinaten des Lagerpunktes L ein, so ergibt sich b b D pa2 ) p D 2 a

p>0

ˇ   p ˇ Der Brennpunkt ist F  C xS ˇyS , die Gleichung 2 p der Leitlinie ist x D xS C . 2 4. y-Achse ist Parabelachse, Scheitelpunkt im Koordinatenursprung, Parabel nach oben geöffnet: x 2 D 2py

oder y D

1 2 x 2p

.p > 0/ . Abb. 4.20 Zum Anwendungsbeispiel

4

50

Kapitel 4  Analytische Geometrie

Der Befestigungspunkt P1 hat nach Aufgabenstellung die Ordinate y1 D .b  h/. Mit Hilfe der Parabelgleichung y D px12 erhält man seine Abszisse x1 durch Auflösen nach x1 und Einsetzen von y1 und p: s r r y1 .b  h/ bh Da D x1 D p b  b2 a

4

Der Befestigungspunkt P2 soll die Abszisse r 1 a bh x2 D x1 D 2 2 b haben, also ist seine Ordinate !2 r b a bh bh 2 D : y2 D px2 D  2 a 2 b 4 3 Die gesuchte Vertikalstablänge l ist l D y2 y1 D .b  h/. 4 Die Strecken jP1 P10 j und jP2 P20 j haben die Längen r r bh b h und 2x2 D a : 2x1 D 2a b b

Vektoren dagegen sind Größen, zu deren vollständiger Beschreibung neben einem Zahlenwert, ihrem Betrag (Länge des Vektors), noch die Angabe ihrer Richtung und Orientierung erforderlich sind. Beispiele für Vektoren sind Kraft, Geschwindigkeit, Beschleunigung, magnetische Feldstärke. Vektoren werden meist mit kleinen lateinischen Buchstaben, die mit einem Pfeil versehen sind, bezeichnet: # » aE D PQ (gesprochen: Vektor a, Vektor PQ). Der Punkt P ist der Anfangspunkt und der Punkt Q der Endpunkt des # » Vektors. Der Betrag jE aj D jPQj eines Vektors ist die Länge des Vektors, also die Länge der Verbindungsstrecke PQ. Der Betrag ist eine nichtnegative reelle Zahl. E Zwei Vektoren aE und bE sind gleich, in Zeichen aE D b, wenn sie den gleichen Betrag und gleiche Richtung und gleiche Orientierung haben. Vektoren dürfen daher parallel verschoben werden. Gleiche Vektoren gehen durch Parallelverschiebung ineinander über. Im Unterschied zu diesen so genannten freien Vektoren # » haben Ortsvektoren OP einen festen Anfangspunkt O. Ortsvektoren können also nicht verschoben werden.

1 Spezielle Vektoren Mit den gegebenen Abmessungen ergibt sich für die ge4 Der Nullvektor 0E hat den Betrag 0 und unbestimmte suchten Längen Richtung. 3 4 Ein Vektor eE mit dem Betrag jE e j D 1 heißt Einl D .10  4/ D 4;50 m; heitsvektor. Man bezeichnet Einheitsvektoren auch als 4 r normierte Vektoren. 10  4 2x1 D 2  16 D 24;78: : : m; 10 r 10  4 D 12;39: : : m: 2x2 D 16 4.6.2 Multiplikation eines Vektors 10

mit einem Skalar

4.6 4.6.1

Vektoren Definitionen

Eine gerichtete und orientierte Strecke bezeichnet man als Vektor. Ein Vektor ist durch drei Größen bestimmt: Richtung, Orientierung und Länge. Vektoren, die in diesen drei Größen übereinstimmen, sind gleich, unabhängig von ihrer Lage in der Ebene oder im Raum (vgl. . Abb. 4.21). Eine Größe, die durch einen einzigen reellen Zahlenwert charakterisiert wird, heißt Skalar. Beispiele für Skalare sind Temperatur, Arbeit, Masse, Energie.

. Abb. 4.21 Gleiche Vektoren

Multipliziert man einen Vektor aE mit einem Skalar (also einer reellen Zahl)  2 R, dann erhält man einen Vektor E a mit dem Betrag jE aj D jj  jE aj (jj-facher Betrag des Vektors aE ) (vgl. . Abb. 4.22). Für  > 0 haben E a und aE gleiche Richtung und Orientierung, für  < 0 haben E a und aE gleiche Richtung und entgegengesetzte Orientierung. Multiplikation mit  D 1 ergibt den Vektor E a. Dieser Vektor hat den gleichen Betrag und die gleiche Richtung wie der Vektor aE, jedoch die entgegengesetzte Orientierung.

. Abb. 4.22 Vektoren aE und 2E a

51 4.6  Vektoren

4.6.3

Addition und Subtraktion zweier Vektoren

Sollen zwei Vektoren aE und bE addiert werden, so bringt man durch Parallelverschiebung den Anfangspunkt des Vektors bE in den Endpunkt des Vektors aE : Die Summe aE C bE ist dann derjenige Vektor, der vom Anfangspunkt von aE zum Endpunkt von bE führt (siehe . Abb. 4.23). Die Subtraktion zweier Vektoren aE undbE ist definiert als E Addition von aE und b.

Auch das Assoziativgesetz und das Distributivgesetz sind erfüllt. Assoziativgesetz   aE C .bE C cE/ D aE C bE C cE D aE C bE C cE Distributivgesetz E D   aE C   bE   .E a C b/

. 2 R/

E aE  bE D aE C .b/ Legt man die Anfangspunkte von aE und bE übereinander, dann ist der Vektor aE  bE der Vektor vom Endpunkt von bE zum Endpunkt von aE (siehe . Abb. 4.24). Zeichnet man ein Parallelogramm mit den Seiten aE und E b, so kann man die Diagonale als aE C bE oder als bE C aE auffassen. Die Addition von Vektoren ist also kommutativ. Kommutativgesetz aE C bE D bE C aE

4.6.4

Komponentendarstellung von Vektoren in der Ebene

Wählt man in einem kartesischen Koordinatensystem der Ebene einen Einheitsvektor eE1 mit Richtung und Orientierung wie die positive x-Achse und einen Einheitsvektor eE2 mit Richtung und Orientierung wie die positive y-Achse, dann lässt sich jeder Vektor aE in der Ebene in eindeutiger Weise als Linearkombination der beiden so genannten Basisvektoren eE1 und eE2 darstellen (siehe . Abb. 4.25). aE D a1 eE1 C a2 eE2 ;

a1 ; a2 2 R

Die beiden Vektoren a1 eE1 und a2 eE2 werden durch Parallelen zu den Basisvektoren eE1 und eE2 konstruiert. Der Vektor aE D a1 eE1 C a2 eE2 wird identifiziert mit dem so genannten Spaltenvektor

aE D

. Abb. 4.23 Vektoraddition

. Abb. 4.24 Vektorsubtraktion

  a1 a2

Dabei heißen a1 und a2 die beiden Komponenten oder die kartesischen Koordinaten des Vektors aE. Mit Hilfe der Komponenten lassen sich Addition und Subtraktion von Vektoren sowie die Multiplikation eines Vektors mit einem

. Abb. 4.25 Komponentendarstellung eines Vektors in der Ebene

4

Kapitel 4  Analytische Geometrie

52

Skalar folgendermaßen darstellen:       b1 a 1 C b1 a1 E C D aE C b D a2 b2 a 2 C b2       a1 b1 a 1  b1 aE  bE D  D a2 b2 a 2  b2

4

    a1 a1 D   aE D   a2 a2 # » Der Betrag jE aj D jPQj, also die Länge des Vektors aE D # » PQ, ist die Entfernung zwischen den Punkten P und Q. Nach dem Satz des Pythagoras gilt:

jE aj D

4.6.5

q a12 C a22

0 1 a1 aE D @a2 A a3 Dabei heißen a1 ; a2 ; a3 die Komponenten oder die kartesischen Koordinaten des Vektors aE . Mit Hilfe der Komponenten lassen sich auch im Raum Addition und Subtraktion von Vektoren sowie die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar darstellen: 1 0 1 0 1 0 a1 b1 a 1 C b1 aE C bE D @a2 A C @b2 A D @a2 C b2 A a3 b3 a 3 C b3 1 0 1 0 1 0 b1 a 1  b1 a1 aE  bE D @a2 A  @b2 A D @a2  b2 A a3 b3 a 3  b3

Komponentendarstellung von Vektoren im Raum

Ganz analog wählt man in einem kartesischen Koordinatensystem des Raums drei Einheitsvektoren eE1 , eE2 , eE3 mit Richtung und Orientierung wie die positive x-Achse, die positive y-Achse und die positive z-Achse. Dann lässt sich jeder Vektor aE im Raum in eindeutiger Weise als Linearkombination der drei Basisvektoren eE1 , eE2 und eE3 darstellen (siehe . Abb. 4.26). aE D a1 eE1 C a2 eE2 C a3 eE3 ;

Der Vektor aE D a1 eE1 C a2 eE2 C a3 eE3 wird identifiziert mit dem Spaltenvektor

0 1 0 1 a1 a1   aE D   @a2 A D @a2 A a3 a3 # » Der Betrag jE aj D jPQj, also die Länge des Vektors aE D # » PQ, ist die Entfernung zwischen den Punkten P und Q. Durch zweimalige Anwendung des Satzes von Pythagoras errechnet man: q jE aj D a12 C a22 C a32

a1 ; a2 ; a3 2 R

Die drei Vektoren a1 eE1 , a2 eE2 und a3 eE3 werden durch Parallelen zu den Basisvektoren eE1 , eE2 und eE3 konstruiert.

4.6.6

Skalarprodukt

0 1 0 1 a1 b1 E @ A @ a Für die beiden Vektoren aE D und b D b2 A heißt 2 a3 b3 0 1 0 1 a1 b1 aE  bE D @a2 A  @b2 A D a1 b1 C a2 b2 C a3 b3 a3 b3 Skalarprodukt oder inneres Produkt. Das Skalarprodukt zweier Vektoren ist kein Vektor, sondern eine reelle Zahl, also ein Skalar. Geometrisch ist das Skalarprodukt das Produkt der Länge des Vektors aE und der Länge der senkrechten Projektion des Vektors bE auf aE (vgl. . Abb. 4.27), E den Winkel zwischen aE und bE bealso, falls ' D ^.E a; b/ zeichnet,

. Abb. 4.26 Komponentendarstellung eines Vektors im Raum

E  cos ' aE  bE D jE aj  jbj

53 4.6  Vektoren

4.6.7

E  cos ' . Abb. 4.27 Skalarprodukt: aE  bE D jE a j  jbj

E gilt somit: Für den Winkel ' D ^.E a; b/ aE  bE cos ' D E jE aj  jbj a 1 b1 C a 2 b2 C a 3 b3 q Dq a12 C a22 C a32  b12 C b22 C b32 Die folgenden Rechenregeln lassen sich aus der Definition ableiten: 1. aE  bE D bE  aE E D   .E E 2. .  aE /  bE D aE  .  b/ a  b/ E  cE D aE  cE C bE  cE 3. .E a C b/ 4. aE  bE D 0 , aE?bE (E a und bE stehen senkrecht aufeinander) p 5. jE aj D aE  aE So folgt zum Beispiel aus 4., nämlich dass aE  bE D 0 genau für zwei senkrecht aufeinander stehende (man sagt auch orthogonale) Vektoren aE und bE gilt, dass genau dann der Winkel ' gleich 90ı ist () cos ' D 0).

0 1 0 1 a1 b1 Sind aE D @a2 A und bE D @b2 A zwei Vektoren im Raum, a3 b3 so heißt der Vektor 0 1 0 1 a1 b1 E @ A @ a b aE  b D 2 2A a3 b3 1 0 a 2 b3  a 3 b2 D @a3 b1  a1 b3 A a 1 b2  a 2 b1 Vektorprodukt oder Kreuzprodukt oder äußeres Produkt E Das Vektorprodukt ist im Unterder Vektoren aE und b. schied zum Skalarprodukt nur im Raum definiert. Das Vektorprodukt besitzt folgende Eigenschaften: 1. bE aE D E a bE E falls aE D 0 oder bE D 0 oder aE parallel zu bE 2. aE bE D 0, E D .E E 3. .E a/ bE D aEg .b/ a b/ E cE D aE cE C bE cE 4. .E a C b/ 5. aE bE steht senkrecht auf den Vektoren aE und bE E  sin ' D jE E  sin ^.E E E D jE aj  jbj aj  jbj a; b/ 6. jE a bj E aE bE bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssys7. aE, b, tem E Der Vektor aE bE steht also senkrecht auf aE und auf b. Sein Betrag (seine Länge) ist gleich dem Flächeninhalt des von den beiden Vektoren aE und bE aufgespannten Parallelogramms. Falls aE auf dem kürzesten Weg nach bE gedreht wird, zeigt aE bE in Richtung der Bewegung einer Schraube mit Rechtsgewinde (siehe . Abb. 4.28). 7 Beispiel

7 Beispiel Das Skalarprodukt der Vektoren 0

1 0 1 2 4 B3C B5C E aE D @ A und b D @ A 1 2 0 1 0 1 2 4 B C B C aE  bE D @ 3 A  @5A 1 2

Vektorprodukt

ist

D 2  4 C 3  .5/ C .1/  2 D 8  15  2 D 9 9

Das Skalarprodukt lässt sich entsprechend auch in der Ebene, also für Vektoren mit zwei Komponenten, definieren.

0

1 0 1 1 2 B C B C Für die Vektoren aE D @ 2 A und bE D @ 1 A ergibt sich für 3 2 0 1 1 B C das Vektorprodukt aE bE D @8A. 5 Zur Probe kann man etwa Eigenschaft 5. benutzen: Es muss E  aE D 0 (und auch .E E  bE D 0) gelten: .E a b/ a b/ 0 1 0 1 1 1 C B C E  aE D B .E a b/ @8A  @ 2 A D 1  16 C 15 D 0: 9 3 5

4

Kapitel 4  Analytische Geometrie

54

4 . Abb. 4.29 Geometrische Veranschaulichung des Spatprodukts

. Abb. 4.28 Vektorprodukt aE bE der Vektoren aE und bE

2. Eine zyklische (kreisförmige) Vertauschung der Vektoren ändert das Spatprodukt nicht:

4.6.8

Spatprodukt

Sind aE , bE und cE drei Vektoren im Raum, so heißt der Skalar

3. Das Spatprodukt ändert das Vorzeichen (bei gleichem Betrag), falls zwei Vektoren miteinander vertauscht werden:

E  cE .E a b/ Spatprodukt. Aus der geometrischen Interpretation des E  cE gleich dem Produkt Skalarprodukts folgt, dass .E a b/ E aus der Länge von aE b und der Länge der Projektion von E gleich dem Flächeninhalt des von cE auf aE bE ist. Da jE a bj E  cE aE und bE aufgespannten Parallelogramms ist, stellt .E a b/ E das Volumen des von den Vektoren aE, b, cE aufgespannten Spates dar, falls die Vektoren eine Lage wie in . Abb. 4.29 haben. Spat ist ein anderer Name für Parallelepiped oder Parallelflach. Zeigt cE nach unten, so ist das Spatprodukt negativ, und es ist dem Betrage nach das Volumen des Spates. Mit der abkürzenden Schreibweise

E cE D .E E  cE aE; b; a b/

für das Spatprodukt können einige Eigenschaften des Spatprodukts formuliert werden: 0 1 0 1 c1 a 2 b3  a 3 b2 E E A @ @ a b  a b c 1. aE ; b; cE D .E a b/  cE D 3 1 1 3  2A a 1 b2  b1 a 2 c3 D c1 .a2 b3  a3 b2 /  c2 .a3 b1  a1 b3 / C c3 .a1 b2  b1 a2 /

E cE D b; E cE; aE D cE; aE ; bE aE; b;



E aE ; cE D cE; b; E aE D aE ; cE; bE D  aE; b; E cE b;

E cE D 0 , aE ; b; E cE liegen in einer Ebene (man sagt aE; b; E dann: aE; b; cE sind linear abhängig) E cE bilden ein Rechtssystem E cE > 0 , aE ; b; 5. aE; b; 4.



E cE gebildeten 6. Das Volumen V des von den Vektoren aE; b; 1 E Tetraeders ist V D aE; b; cE . 6 7 Beispiel Das Volumen V des von den Vektoren 0

1 1 B C aE D @ 0 A ; 1

0

1 2 B C bE D @1A ; 1

0 1 1 B C cE D @1A 2

aufgespannten Tetraeders beträgt ˇ0 1 0 1ˇ ˇ 1 1 ˇˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ 1 1 1ˇ ˇ B C B ˇ ˇ ˇ ˇ E cE ˇ D ˇ.E E  cEˇ D ˇ@3A  @1C a b/ V D ˇ aE; b; Aˇ ˇ 6 6 6ˇ ˇ 1 2 ˇ D

1 1 j6j D  6 D 1: 9 6 6

55

Differential- und Integralrechnung Arnfried Kemnitz

Folgen

5.1 5.1.1

1 Monotone Folgen

Grundbegriffe

Eine Folge besteht aus Zahlen einer Menge, die in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet sind: a1 ; a2 ; a3 ; : : : ; an ; : : :

Eine Folge (an ) heißt 4 monoton wachsend, wenn a1  a2  a3  : : :  an  : : : gilt, 4 streng monoton wachsend, wenn a1 < a2 < a3 < : : : < an < : : : gilt, 4 monoton fallend, wenn a1  a2  a3  : : :  an  : : : gilt, 4 streng monoton fallend, wenn a1 > a2 > a3 > : : : > an > : : : gilt.

Sind alle diese Zahlen reelle Zahlen, dann nennt man die Folge auch reelle Zahlenfolge. Die Zahlen der Folge heißen 7 Beispiele Glieder der Folge. Die Folgen der Beispiele 1 bis 3 sind streng monoton wachHandelt es sich um endlich viele Zahlen, so heißt die send, die Folge aus Beispiel 5 ist streng monoton fallend. 9 Folge endlich, andernfalls unendliche Folge. Eine unendliche Folge lässt sich auch als Funktion (Ab1 Alternierende Folgen bildung) definieren: Eine alternierende Folge ist eine Folge, deren Glieder abwechselnd unterschiedliche Vorzeichen haben. f W N ! R; n 7! f .n/ D an Von zwei aufeinander folgenden Gliedern ak und akC1 Unter den Gliedern einer Folge können auch gleiche Zahlen einer solchen Folge (a ) ist also genau ein Glied positiv und n auftreten. eins negativ. Eine Folge kann durch direkte Angabe ihrer Glieder oder auch durch einen arithmetischen Ausdruck gegeben 7 Beispiel sein. Ein solcher arithmetischer Ausdruck kann entweder Die Folge aus Beispiel 4 ist alternierend. 9 eine explizite Formel für das Folgenglied an oder eine rekursive Definition sein. Bei einer Rekursion wird an durch1 Beschränkte Folgen Folgenglieder mit kleineren Indizes definiert. Eine Folge (an ) heißt Schreibweise von Folgen: 4 nach oben beschränkt, wenn es eine konstante Zahl Ko gibt, so dass für alle Glieder an  Ko gilt, .an / D .a1 ; a2 ; a3 ; : : :/ 4 nach unten beschränkt, wenn es eine konstante Zahl Ku Eine konstante Folge an ist eine Folge mit an D gibt, so dass für alle Glieder an  Ku gilt, .a; a; a; : : :/. 4 beschränkt, wenn die Folge sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist, wenn es also zwei Zahlen Ku , 7 Beispiele Ko gibt mit Ku  an  Ko für alle n 2 N. Gleichwertig damit ist, dass es eine Konstante K > 0 1. .an / D .1; 3; 5; 7; 9/ mit jan j  K für alle n gibt. 2. .an / D .n/ D .1; 2; 3; 4; : : :/ 3. .an / D .4 C 3.n  1// D .4; 7; 10; 13; : : :/ 4. .an / D ..1/nC1 / D .1; 1; 1; 1; 1; : : :/     1 1 1 1 5. .an / D D 1; ; ; ; : : : 9 n 2 3 4

Die erste Folge ist endlich, alle anderen sind unendlich. Die erste Folge ist durch Angabe ihrer Glieder definiert und alle anderen durch eine explizite Formel.

Monoton wachsende und streng monoton wachsende Folgen sind nach unten beschränkt, monoton fallende und streng monoton fallende Folgen sind nach oben beschränkt. 7 Beispiele Die Folgen der Beispiele 4 und 5 sind beschränkt, die Folgen der Beispiele 1 bis 3 sind nach unten beschränkt. 9

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_5

5

56

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

5.1.2

Arithmetische Folgen

Bei einer arithmetischen Folge ist die Differenz je zweier aufeinander folgender Glieder konstant. Durch das Anfangsglied a1 D a und diese Differenz d ist die Folge dann eindeutig bestimmt. .an / D .a; a C d; a C 2d; : : : ; a C .n  1/d; : : : /

5

Das n-te Glied einer arithmetischen Folge lautet

5.1.4

Grenzwert einer Folge

Man sagt, die Folge (an ) besitzt den Grenzwert (oder auch Limes genannt) limn!1 an D a oder .an / ! a (gesprochen: Limes an gleich a), wenn die Abweichung ja  an j der Folgenglieder an von diesem Wert a für genügend große n beliebig klein wird. Grenzwert (Limes) lim an D a

oder .an / ! a

n!1

an D a C .n  1/d;

n 2 N:

Das Glied a1 D a nennt man Anfangsglied der Folge und d D anC1  an (für n D 1; 2; 3; : : :) die (konstante) Differenz der Folge. In einer arithmetischen Folge ist jedes Folgenglied an (n  2) das arithmetische Mittel seiner Nachbarglieder. 7 Beispiele 1. .an / D .n/ D .1; 2; 3; 4; : : :/ (arithmetische Folge mit a D 1 und d D 1) 2. .an / D .4 C 3.n  1// D .4; 7; 10; 13; : : :/ (arithmetische Folge mit a D 4 und d D 3) 9

5.1.3

Geometrische Folgen

Bei einer geometrischen Folge ist der Quotient je zweier aufeinander folgender Glieder konstant. Durch das Anfangsglied a1 D a und diesen Quotienten q ist die Folge dann eindeutig bestimmt. .an / D .a; aq; aq 2 ; : : : ; aq n1 ; : : : / Das n-te Glied einer geometrischen Folge lautet an D aqn1 ;

n 2 N:

Das Glied a1 D a nennt man Anfangsglied der Folge und anC1 (für n D 1; 2; 3; : : :) den (konstanten) Quoq D an tienten der Folge. In einer geometrischen Folge ist jedes Folgenglied an (n  2) das geometrische Mittel seiner Nachbarglieder (bis eventuell auf das Vorzeichen). 7 Beispiele 1. .an / D .3  2n1 / D .3; 6; 12; 24; : : :/ (geometrische Folge mit a D 3 und q D 2)   1 1 1 1 ; ; ; ;::: 2. .an / D .2n / D 2 4 8 16 1 1 (geometrische Folge mit a D und q D ) 9 2 2

Exakte Definition: Die Folge (an ) besitzt den Grenzwert limn!1 an D a, wenn sich nach Vorgabe einer beliebig kleinen positiven Zahl " ein n0 2 N so finden lässt, dass für alle n  n0 gilt ja  an j < " Das n0 hängt offensichtlich von der Wahl von " ab, also n0 D n0 ."/. Besitzt (an ) den Grenzwert a, so sagt man, dass (an ) gegen a konvergiert. Eine Folge, die einen Grenzwert besitzt, heißt konvergent. Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt dagegen divergent. Eine Folge besitzt höchstens einen Grenzwert. Eine Nullfolge ist eine Folge, die den Grenzwert 0 besitzt. 7 Beispiel 1 hat den Grenzwert a D 0, 10n 1 1 denn die Differenz ja  an j D j0  n j D wird 10 10n 1 für große n beliebig klein. Wählt man etwa " D 10 , so 10 gilt ja  an j < " für n  11. Es gilt also limn!1 an D 1 limn!1 n D 0. 10 Die Folge (an ) ist somit eine Nullfolge. 9

1. Die Folge (an ) mit an D

Konvergente Folgen sind beschränkt. Eine beliebige Folge kann also nur konvergent sein, wenn sie beschränkt ist. Es gilt folgendes Konvergenzkriterium: Eine monotone und beschränkte Folge ist stets konvergent. Für konvergente Folgen gelten verschiedene Rechenregeln: lim .an C bn / D lim an C lim bn

n!1

n!1

n!1

lim .an  bn / D lim an  lim bn

n!1

n!1

n!1

lim .an  bn / D lim an  lim bn

n!1

n!1

lim an

lim

n!1

an n!1 D ; bn lim bn n!1

n!1

falls bn ¤ 0 und lim bn ¤ 0 n!1

57 5.2  Reihen

7 Beispiele 1 D0 n n 3. lim an D lim D1 n!1 n!1 n C 1  n 1 D0 9 4. lim an D lim n!1 n!1 2 2.

lim an D lim

n!1

n!1

Eine Folge (an ) heißt dagegen bestimmt divergent gegen 1, wenn zu jeder noch so kleinen vorgegebenen Zahl K (K > 0) ein Index n0 existiert, so dass an < K für alle Indizes n  n0 gilt. Eine solche bestimmt divergente Folge fällt für n ! 1 unter alle Grenzen. Man schreibt dann lim an D 1

n!1

Die Folge aus Beispiel 4 ist eine geometrische Folge. Es gilt: Jede geometrische Folge mit an D aqn1 konvergiert gegen Null, wenn jqj, der Betrag von q, kleiner als 1 ist.

5.1.5

Tabelle einiger Grenzwerte

Für einige wichtige konvergente Zahlenfolgen sind in der folgenden Tabelle ihre Grenzwerte angegeben. p lim n q D 1 n!1 p lim n n D 1

Eine Folge, die nicht konvergent und nicht bestimmt divergent ist, heißt unbestimmt divergent. Monoton (streng monoton) wachsende und nicht beschränkte Folgen (an ) sind bestimmt divergent mit lim an D 1. Monoton (streng monoton) fallende und nicht beschränkte Folgen (an ) sind bestimmt divergent mit lim an D 1. 7 Beispiele 1.

.q > 0/

lim n D 1

n!1

(denn .an / D .n/ ist streng monoton wachsend und nicht beschränkt)

n!1

cr nr C cr1 nr1 C : : : C c1 n C co n!1 ds ns C ds1 ns1 C : : : C d1 n C d0 8 < cr für r D s D dr : 0 für r < s

2.

lim

lim .n/3 D 1

n!1

(denn .an / D .n3 / ist streng monoton fallend und nicht beschränkt) 3. .an / D ..3/n / D ..1/n  3n / ist unbestimmt divergent 9

.c0 ; c1 ; : : :; cr ; d0 ; d1 ; : : :; ds 2 R; cr ¤ 0; ds ¤ 0/ loga n D 0 .a > 0; a ¤ 0/ n!1 n lim q n D 0 .jqj < 1/ lim

n!1

lim nq n D 0

n!1

.jqj < 1/

an D 0 .a 2 R/ n!1 nŠ   1 n D e D 2;7182818284 : : : lim 1 C n!1 n lim

5.1.6

Divergente Folgen

Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent. Bei divergenten Folgen unterscheidet man zwischen bestimmter und unbestimmter Divergenz. Eine Folge (an ) heißt bestimmt divergent gegen C1, wenn zu jeder beliebig großen vorgegebenen Zahl K ein Index n0 existiert, so dass an > K für alle Indizes n  n0 gilt. Eine solche bestimmt divergente Folge wächst für n ! 1 über alle Grenzen. Man schreibt dann lim an D 1

n!1

Die Folge aus Beispiel 1 ist eine arithmetische Folge. Es gilt: Jede arithmetische Folge ist divergent, denn die Differenz zweier aufeinander folgender Glieder ist stets d. Für positive Werte von d werden die Glieder an der Folge ab einer Stelle größer als jede beliebig große Zahl. Für negative Werte von d werden die Glieder an dagegen ab einer Stelle kleiner als jede vorgegebene beliebig kleine Zahl. Jede arithmetische Folge ist also bestimmt divergent. Die Folge aus Beispiel 3 ist eine geometrische Folge. Es gilt: Jede geometrische Folge mit an D aqn1 ist divergent, wenn der Betrag jqj größer als 1 ist, und zwar für q > 1 bestimmt divergent und für q < 1 unbestimmt divergent.

Reihen

5.2 5.2.1

Definitionen

Eine Reihe ist die Summe der Glieder einer Folge (Zahlenfolge) (an ). a1 C a2 C : : : C an C : : :

5

58

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

Ist die Folge endlich, so nennt man auch die Reihe endlich. Für unendliche Folgen ergeben sich unendliche Reihen. a1 C a2 C : : : C an C : : : D

1 X

ak

Für konvergente Reihen gelten verschiedene Rechenregeln: P1 P1 Konvergieren die Reihen k und kD1 kD1 bk , Pa 1 so konvergieren auch die Reihen .a C b / und k k kD1 P1 c  a , c 2 R, und es gilt k kD1

kD1

5

Das Zeichen 1 bedeutet dabei, dass die Reihe nicht abbricht. Sie besteht aus unendlich vielen Summanden. Die Zahlen an , also die Summanden, heißen auch Glieder der Reihe.

1 X

.ak C bk / D

kD1 1 X

kD1

c  ak D c

D 2 C 4 C 8 C : : : C 1024

kD1

Folgende Summen heißen Teilsummen oder Partialsummen der Reihe:

n X

ak ; : : :

kD1

Man spricht von einer konvergenten unendlichen Reihe, wenn die Folge (sn ) der Partialsummen konvergiert, also einen Grenzwert s besitzt. s D lim sn D n!1

ak

kD1

4.

1 X

k D 1 C 2 C 3 C ::: C n C :::

kD1

Diese unendliche Reihe ist bestimmt divergent, denn die Folge .an / D .n/ ist bestimmt divergent (vgl. 7 Abschn. 5.1.6). 1 X .1/k D 1 C 1  1 C 1  1 C 1  : : : 5. kD1

s2 D a1 C a2 ; : : : ;

1 X

bk

kD1

D 2 C 8 C 24 C 64 C 160 C 384 D 642

kD1

(unendliche Reihe) 9

sn D a1 C a2 C a3 C : : : C an D

1 X

7 Beispiele 6 X 3. k  2k D 2 C 2  22 C 3  23 C 4  24 C 5  25 C 6  26

(endliche Reihe) 1 X 32 33 3n 3k D3C C C ::: C C ::: 2. k 2 3 n

s1 D a1 ;

ak C

kD1 1 X

kD1

7 Beispiele 10 X 1. 2k D 21 C 22 C 23 C : : : C 210

1 X

Für die Partialsummen gilt ( 0 falls n gerade ist sn D 1 falls n ungerade ist Die unendliche Reihe ist unbestimmt divergent. 1 X 1 1 1 1 1 D C C C C::: 6. k.k C 1/ 12 23 34 45 kD1

1 1 1 D  folgt k.k C 1/ k kC1     n X 1 1 1 sn D  ak D 1  C 2 2 3 kD1     1 1 1 1   C ::: C C 3 4 n nC1 1 D1 nC1 Wegen   1 1 lim sn D lim 1  D 1  lim D1 n!1 n!1 n!1 n C 1 nC1 ist die gegebene Reihe konvergent mit dem Grenzwert 1: 1 X 1 D 1. k.k C 1/ Aus ak D

ak

kD1

Dieser Grenzwert s heißt die Summe der Reihe. Eine unendliche Reihe ist also genau dann konvergent, wenn die Folge der Partialsummen konvergiert. Besitzt die Folge der Partialsummen keinen Grenzwert, dann heißt die unendliche Reihe divergent. In diesem Fall können die Partialsummen unbegrenzt wachsen oder oszillieren (die Folge der Partialsummen ist alternierend). Die unendliche Reihe heißt bestimmt divergent, wenn die Folge (sn ) der Partialsummen bestimmt divergent ist. Ist die Folge der Partialsummen unbestimmt divergent, so heißt auch die unendliche Reihe unbestimmt divergent. Die Frage nach der Konvergenz einer unendlichen Reihe wird somit auf die Frage nach der Existenz eines Grenzwertes der Folge (sn ) der Partialsummen zurückgeführt. Die Folge der Glieder (an ) einer konvergenten Reihe muss gegen Null konvergieren, also eine Nullfolge sein. Diese Bedingung ist notwendig, sie reicht jedoch für die Konvergenz einer unendlichen Reihe nicht aus (vgl. 7 Abschn. 5.2.4).

kD1

1 X kC1 7. 3k C 2 kD1

ist nicht konvergent, denn die Glieder kC1 ak D 3k C 2 bilden wegen 1 nC1 D lim an D lim n!1 n!1 3n C 2 3 keine Nullfolge. 9

5

59 5.2  Reihen

5.2.2

Arithmetische Reihen

Eine arithmetische Reihe entsteht aus den Gliedern einer arithmetischen Folge. Da schon jede unendliche arithmetische Folge divergiert, ist auch jede unendliche arithmetische Reihe divergent. Da unendliche arithmetische Folgen bestimmt divergent sind (vgl. 7 Abschn. 5.1.6), sind auch unendliche arithmetische Reihen bestimmt divergent. PnDie Summe sn einer endlichen arithmetischen Reihe kD1 .a C .k  1/d / lässt sich jedoch allgemein berechnen. Wegen a1 D a folgt sn D a1 C .a1 C d/ C .a1 C 2d/ C : : : C .a1 C .n  1/d/. Dreht man die Reihenfolge der Summanden um und beachtet, dass die Differenz zweier aufeinander folgender Glieder gleich d ist, so folgt andererseits sn D an C .an  d/ C .an  2d/ C : : : C .an  .n  1/d/. Schreibt man diese beiden Ausdrücke für sn untereinander sn D a1 C .a1 C d/ C .a1 C 2d/ C : : : C .a1 C .n  1/d/ sn D an C .an  d/ C .an  2d/ C : : : C .an  .n  1/d/ und addiert jeweils die beiden übereinander stehenden Terme, so folgt 2sn D n.a1 C an /, denn jede dieser Summen ist a1 C an und es gibt insgesamt n solcher Summen. sn D

n X kD1

.a C .k  1/d / D

n .a1 C an / 2

Die Summe einer endlichen arithmetischen Reihe mit n Summanden ist also die Summe des ersten und des letzten Glieds multipliziert mit der halben Anzahl der Summanden.

endlichen geometrischen Reihe mit q ¤ 1: sn D

n X

aq k1 D a

kD1

1  qn 1q

.q ¤ 1/

Für q D 1 gilt sn D n  a. 7 Beispiele 5 X 1  25 D 31 1. 2k1 D 12 kD1

2.

10 X

3  5k1 D 3 

kD1

D3

1  510 15 9:765:624 D 7:324:218 9 4

1  qn ist für q ¤ 1 das n-te Glied der 1q Folge der Partialsummen. Die Größen a und q sind Konstanten, die Konvergenz der Folge hängt nur von der Größe 1  qn ab. Für q > 1 und q  1 divergiert die Folge (qn ), die geometrische Reihe ist dann also ebenfalls divergent. Für q  1 ist die unendliche geometrische Reihe bestimmt divergent, für q  1 ist sie unbestimmt divergent. Für jqj < 1 wird jqjn D jqn j beliebig klein, wenn n nur groß genug gewählt wird, das heißt, es gilt limn!1 q n D 0. Für jqj < 1 konvergiert deshalb die Folge (qn ), es gilt dann limn!1 .1  q n / D 1  limn!1 q n D 1. In diesem Fall konvergiert die unendliche geometrische Reihe und hat den Grenzwert Die Summe sn D a

s D lim sn D lim n!1

7 Beispiele 100 X 1. k D 50.1 C 100/ D 5050

n!1

n X

kD1 n

D lim a n!1

aq k1

q 1 a D q1 1q

.jqj < 1/

kD1 100 X 100 .7 C 403/ D 50  410 D 20:500 9 .3 C 4k/ D 2. 2 kD1

5.2.3

Geometrische Reihen

Eine geometrische Reihe entsteht aus den Gliedern einer geometrischen Folge. P Die Summe sn einer endlichen geometrischen Reihe nkD1 aq k1 ergibt sich für q ¤ 1 aus folgender Rechnung: sn D a C aq C aq2 C : : : C aqn1 qsn D aq C aq2 C : : : C aqn1 C aqn Zieht man die zweite Gleichung von der ersten ab, so folgt sn  qsn D a  aqn und somit für die Summe sn einer

7 Beispiele     1 X 11 k1 5 60 11 5  D D a D 5; q D  3. 12 23 12 1 C 11 12 kD1     1 1 X 1 1 k D 2 1 D1 aDqD 9 4. 2 2 1  2 kD1

5.2.4

Harmonische Reihen

  Pn 1 Pn 1 Ist .an / D , so nennt man kD1 ak D kD1 2 P1 P1 1 k endliche harmonische Reihe und kD1 ak D kD1 unk endliche harmonische Reihe.   1 , dann heißt die Reihe alternieIst .an / D .1/nC1 n rende harmonische Reihe.

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

60

Die unendliche harmonische Reihe ist bestimmt divergent, wie folgende Rechnung zeigt:

5

1 X 1 1 1 1 1 1 1 1 1 D 1C C C C C C C C k 2 3 4 5 6 7 8 9 kD1 1 1 1 1 1 1 1 C C C C C C C 10 11 12 13 14 15 16 1 C C: : : 17       1 1 1 1 1 1 1 D 1C C C C C C C 2 3 4 5 6 7 8   1 1 1 1 1 1 1 1 C C C C C C C C 9 10 11 12 13 14 15 16 1 C C: : :       17 1 1 1 1 1 1 1 C C C C C C > 2 4 4 8 8 8 8   1 1 1 1 1 1 1 1 C C C C C C C C 16 16 16 16 16 16 16 16 1 C C: : : 32 1 1 1 1 1 D C C C C C: : : 2 2 2 2 2 P 1 Die unendliche Reihe 1 kD1 2 ist eine arithmetische Reihe (mit d D 0) und deshalb bestimmt divergent. Somit folgt 1 X 1 D C1 k

7 Beispiele 10 X 1. .1/k k D 1 C 2  3 C 4  5 C 6  7 C 8  9 C 10 kD1

2.

1 X .1/kC1 kD1

k

9

Für alternierende Reihen gibt es ein einfaches Kriterium, mit dem sich die Konvergenz P der Reihe untersuchen lässt: Eine alternierende Reihe 1 kD1 ak , bei der (jan j), also die Folge der Beträge der Glieder, eine monoton fallende Nullfolge bildet, ist stets konvergent (Leibniz’sches Konvergenzkriterium). 7 Beispiel 1 X 1 1 1 1 1 3. .1/kC1 D 1  C  C : : : C .1/nC1 C : : : k 2 3 4 n kD1

Die alternierende harmonische Reihe ist konvergent nach dem Leibniz’schen Konvergenzkriterium, denn die Folge der Beträge der Glieder, also ˇ   ˇ ˇ ˇ ˇ.1/nC1 1 ˇ D 1 ; ˇ nˇ n ist monoton fallend und eine Nullfolge. 9

Grenzwerte von Funktionen

5.3 5.3.1

Grenzwert an einer endlichen Stelle

kD1

Die harmonische Reihe ist bestimmt divergent, obwohl die Glieder der Reihe eine Nullfolge bilden. Die unendliche alternierende harmonische Reihe ist dagegen konvergent. 7 Beispiele 6 X 1 1 1 1 1 1 D1C C C C C 1. k 2 3 4 5 6 kD1

(endliche harmonische Reihe) 1 X 1 1 1 1 .1/kC1 D 1  C  2. k 2 3 4 kD1

1 C : : : D ln 2 n (unendliche alternierende harmonische Reihe) 9 C : : : C .1/nC1

5.2.5

Alternierende Reihen

Ist (an ) eine alternierende Folge, also eine Folge, deren Glieder abwechselnd P unterschiedliches Vorzeichen haben, dannP nennt man nkD1 ak eine endliche alternierende Reihe und 1 kD1 ak eine unendliche alternierende Reihe.

Die Funktion y D f .x/ besitzt an der Stelle x D a den Grenzwert limx!a f .x/ D A oder f .x/ ! A für x ! a (gesprochen: Limes f .x/ gleich A für x gegen a), wenn sich die Funktion f .x/ bei unbegrenzter Annäherung von x an a unbegrenzt an A nähert. Die Variable x nähert sich a unbegrenzt an, es gilt jedoch stets x ¤ a. Die Funktion f .x/ muss an der Stelle x D a den Wert A nicht annehmen und braucht an dieser Stelle auch nicht definiert zu sein. lim f .x/ D A oder f .x/ ! A für x ! a

x!a

Exakte Definition: Die Funktion y D f .x/ besitzt an der Stelle x D a den Grenzwert limx!a f .x/ D A, wenn sich nach Vorgabe einer beliebig kleinen positiven Zahl " eine zweite positive Zahl ı D ı."/ so finden lässt, dass für alle x mit jxaj < ı."/ gilt jf.x/Aj < " eventuell mit Ausnahme der Stelle a. Der Unterschied jf .x/  Aj zwischen den Funktionswerten und dem Grenzwert wird kleiner als jede beliebig vorgegebene positive Zahl ", wenn die x-Werte sich um weniger als eine passend gewählte, von " abhängige Zahl ı D ı."/ vom Wert a unterscheiden, wenn also 0 < jx  aj < ı."/ gilt (. Abb. 5.1).

61 5.3  Grenzwerte von Funktionen

Rechtsseitiger Grenzwert lim f .x/ D lim f .x/ D A

x!a x>a

. Abb. 5.1 Veranschaulichung des Grenzwertbegriffes

Besitzt die Funktion y D f .x/ an der Stelle x D a den Grenzwert limx!a f .x/ D A, so sagt man auch, der Grenzwert limx!a f .x/ existiert und ist gleich A.

1. Die Funktion y D f .x/ D x hat für x ! 0 den Grenzwert A D 0: limx!0 x 3 D 0. Soll etwa jx3  0j, der Unterschied zwischen y D x3 und A D 0, kleiner als " D 0;000001 sein, so ist dies erfüllt, wenn man für ı D ı."/ < 0;01 wählt, denn .102 /3 D 106 . p Für ein beliebiges positives " erfüllt ı."/ < 3 " die geforderte Bedingung. 2 2. Die Funktion y D f .x/ D 2x 3xC5x ist an der Stelle x D 0 nicht definiert, da für x D 0 der Nenner Null ist. Es gilt 3

2x 2 C 5x 2x C 5 D lim x!0 x!0 3x 3

lim f .x/ D lim

x!0

(Kürzen durch x ¤ 0), und Anwendung der Rechenregeln für Grenzwerte (siehe 7 Abschn. 5.3.4) ergibt weiter lim f .x/ D

5.3.2

Die Variable x nähert sich a unbegrenzt an, es gilt jedoch stets x ¤ a. Die Funktion f .x/ muss an der Stelle x D a den Wert A nicht annehmen und braucht an dieser Stelle auch nicht definiert zu sein. Die Funktion y D f .x/ besitzt an der Stelle x D a den Grenzwert A, wenn an dieser Stelle sowohl der linksseitige als auch der rechtsseitige Grenzwert existieren und gleich sind (D A). Grenzwert lim f .x/ D lim f .x/ D A ) lim f .x/ D A

7 Beispiele

x!0

x!aC0

5 2 5 lim x C D : 3 x!0 3 3

x!a xa

x!a

7 Beispiel ( 1 für x > 0 f .x/ D 0 für x < 0 Linksseitiger Grenzwert: lim f .x/ D lim f .x/ D 0

x!0 x0

x!0C0

Die Funktion y D f.x/ besitzt an der Stelle x D 0 sowohl den linksseitigen als auch den rechtsseitigen Grenzwert. Da diese jedoch verschieden sind, existiert der Grenzwert an der Stelle x D 0 nicht. 9

Die Funktion y D f .x/ besitzt an der Stelle x D 0 den 5 Grenzwert . 9 3

5.3.3

Einseitige Grenzwerte

Die Funktion y D f .x/ besitzt für x ! 1 den Grenzwert A, wenn es zu jedem beliebigen " > 0 ein hinreichend großes ! D !."/ gibt, so dass jf.x/  Aj < " für alle x > !."/ gilt. Man schreibt dafür

Die Funktiony D f .x/ besitzt an der Stelle x D a den linksseitigen Grenzwert A, wenn sich die Funktion f .x/ bei unbegrenzter Annäherung von x von links an a unbegrenzt an A nähert. Linksseitiger Grenzwert lim f .x/ D lim f .x/ D A

x!a x 0 ein ı D ı."/ > 0 gibt, so dass jf.x/f .a/j < " für alle x mit jx  aj < ı gilt. Ist eine Funktion y D f .x/ stetig, dann ändert sich bei kleinen Änderungen der Variablen x auch der Funktionswert f .x/ nur geringfügig. Die meisten Funktionen, die in den Anwendungen vorkommen, sind stetig. Der Graph einer stetigen Funktion ist eine zusammenhängende Kurve. Ist dagegen die Kurve an verschiedenen Stellen (mindestens an einer) unterbrochen, dann heißt die zugehörige Funktion unstetig, und die Werte der unabhängigen Variablen x, an denen die Unterbrechung auftritt, heißen Unstetigkeitsstellen. Eine an jeder Stelle ihres Definitionsbereichs stetige Funktion y D f .x/ heißt stetig. Sind f .x/ und g.x/ zwei Funktionen mit dem Definitionsbereich D und dem Wertebereich W D R, und ist c eine reelle Zahl, so gilt: Sind f .x/ und g.x/ stetig an der Stelle x D a des Definitionsbereichs D, so sind auch f .x/ C g.x/, c  f .x/, f .x/ (falls g.x/ ¤ 0 für x 2 D) und jf.x/j f .x/  g.x/, g.x/ stetig an der Stelle x D a. Da die Sinusfunktion y D sin x eine stetige Funktion ist, folgt hieraus zum Beispiel, dass eine so kompliziert Funktion wie etwa f W R ! R, gebaute

x  sin x 2 C 1 f .x/ D ebenfalls stetig ist. 1 C j sin xj 7 Beispiele 1. Die Funktion f .x/ D 5x C 2 ist an jeder Stelle x D a des Definitionsbereichs stetig, denn es gilt

lim Œf .x/ C g.x/ D lim f .x/ C lim g.x/ D F C G

x!a

x!a

x!a

x!a

lim Œc  f .x/ D c  lim f .x/ D c  F

x!a

x!a

.c 2 R/

lim Œf .x/  g.x/ D lim f .x/  lim g.x/ D F  G

x!a

x!a

lim f .x/

f .x/ F x!a D D x!a g.x/ lim g.x/ G lim

lim .5x C 2/ D 5a C 2 D f .a/:

x!a

x!a

lim Œf .x/  g.x/ D lim f .x/  lim g.x/ D F  G

x!a

x!a

.g.x/ ¤ 0; G ¤ 0/

x!a

Diese Regeln sagen aus, dass man die Operation der Grenzwertbildung mit der Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division (falls G ¤ 0) vertauschen darf. Die Regeln wurden schon bei den Beispielen der vorangegangenen Abschnitte angewandt.

Stetigkeit einer Funktion

Die Funktion ist also eine stetige Funktion. 2. Die Funktion f .x/ D 3x2 ist für jedes reelle x stetig, die Funktion ist eine stetige(Funktion. 1 für x  0 3. Die Funktion f .x/ D besitzt für x D 0 0 für x < 0 eine Unstetigkeitsstelle, also ist y D f .x/ eine unstetige Funktion. 9

5.3.6

Unstetigkeitsstellen

Eine Unstetigkeitsstelle ist eine Stelle x D a einer Funktion y D f.x/, an der die Funktion nicht stetig ist.

63 5.4  Ableitung einer Funktion

Die Kurve einer Funktion ist an einer Unstetigkeitsstelle unterbrochen. Eine Funktion, die mindestens eine Unstetigkeitsstelle besitzt, heißt unstetig. Die häufigsten Unstetigkeitsstellen sind Sprungstellen und Pole. An einer Sprungstelle x D a sind der rechtsseitige Grenzwert limx!aC0 f .x/ und der linksseitige Grenzwert limx!a0 f .x/ voneinander verschieden. Die Funktion f .x/ springt beim Durchlaufen des Punktes x D a von einem auf einen anderen endlichen Wert. Die Funktion f .x/ braucht für x D a nicht definiert zu sein. Ein Pol oder eine Unendlichkeitsstelle x D a einer g.x/ ist eine Stelle, für die Funktion y D f .x/ D h.x/ der Nenner von f .x/ den Wert 0 hat und der Zähler von 0 verschieden ist, also h.a/ D 0 und g.a/ ¤ 0 (vgl. 7 Abschn. 2.5). An einer solchen Stelle ist die Funktion also nicht definiert. Die Funktion strebt bei Annäherung an einen Pol nach (plus oder minus) Unendlich. Die Kurve der Funktion läuft an einer solchen Stelle ins Unendliche. 7 Beispiele (

1 1. f .x/ D 0

. Abb. 5.3 Graph der Funktion von Beispiel 2

Ableitung einer Funktion

5.4 5.4.1

für x > 0 für x < 0

Linksseitiger Grenzwert:

Definitionen

Existiert für eine Funktion y D f .x/ mit dem Definitionsbereich D der Grenzwert

lim f .x/ D lim D 0

x!0 x0

x!0C0

Der linksseitige und der rechtsseitige Grenzwert der Funktion y D f .x/ sind verschieden, also besitzt die Funktion bei x D 0 eine Sprungstelle. Die Funktion springt beim Durchlaufen des Punktes x D 0 von 0 auf 1 (. Abb. 5.2). 1 2. f .x/ D ; D D R; x ¤ 0 x Einseitige Grenzwerte: 1 1 lim D 1; lim D C1 x!0 x x!0 x x0

1 besitzt bei x D 0 einen Pol. Bei x Annäherung von links an den Pol strebt die Funktion nach minus Unendlich, bei Annäherung von rechts nach plus Unendlich (. Abb. 5.3). 9

Die Funktion y D

f 0 .x0 / D lim

x!x0

f .x/  f .x0 / x  x0

.x0 2 D/

dann nennt man f 0 .x0 / die Ableitung der Funktion f .x/ an der Stelle x D x0 (gesprochen: f Strich von x0 /. Die Funktion f .x/ heißt dann differenzierbar in x0 . dy .x0 / oder Statt f 0 .x0 / schreibt man auch y 0 .x0 / oder dx df .x0 / (gesprochen: y Strich von x0 bzw. dy nach dx an dx der Stelle x0 bzw. df nach dx an der Stelle x0 ). f .x/  f .x0 / Der Bruch heißt auch Differenzenquox  x0 tient, da im Zähler die Differenz zweier Funktionswerte und im Nenner die Differenz zweier x-Werte steht. Deshalb nennt man den Grenzwert f 0 .x0 / D lim

x!x0

f .x/  f .x0 / x  x0

statt Ableitung auch Differentialquotient.

. Abb. 5.2 Graph der Funktion von Beispiel 1

Geometrische Deutung: Ist die Funktion y D f .x/ als Kurve in einem kartesischen Koordinatensystem dargestellt, dann ist der Differenzenquotient gleich der Steigung (also dem Tangens des Steigungswinkels ˇ) der Sekante durch die Punkte P0 .x0 jf.x0 // und P.xjf.x//. Der Grenzwert f 0 .x0 / ist die Steigung der Tangente in x0 an den Graphen von f .x/, also f 0 .x0 / D tan ˛. Dabei ist ˛ der Winkel zwischen der x-Achse und der Tangente an den Graphen in x0 , wobei der Winkel von der positiven x-Achse zur Tangente

5

64

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

5.4.2

Differentiationsregeln

Die folgenden Regeln gelten sowohl für die Ableitungen einer Funktion y D f.x/ an einer bestimmten Stelle x D x0 als auch für die Ableitungsfunktionen y 0 D f 0 .x/. 1. Konstante Funktion Die Ableitung einer konstanten Funktion ist Null (vgl. Beispiel 1 im 7 Abschn. 5.4.1). y D f .x/ D c

5

.c 2 R; konstant/

)

y0 D 0

7 Beispiel y D 3 ) y0 D 0 9 . Abb. 5.4 Geometrische Deutung des Differenzen- und des Differentialquotienten

im entgegengesetzten Drehsinn des Uhrzeigers gemessen wird (. Abb. 5.4). Anschaulich bedeutet die Existenz der Ableitung an der Stelle x D x0 , dass der Kurvenverlauf in x0 glatt ist (keine „Knickstelle“ hat). Eine Funktion y D f .x/ heißt (generell) differenzierbar, wenn sie an jeder Stelle ihres Definitionsbereichs differenzierbar ist. Dann heißt die durch g.x/ D f 0 .x/ definierte Funktion y 0 D f 0 .x/ die Ableitung oder die Ableitungsfunktion von f.x/. Eine an der Stelle x0 differenzierbare Funktion y D f .x/ ist dort auch stetig. Falls f .x/ an der Stelle x0 nicht stetig ist, kann f .x/ dort auch nicht differenzierbar sein. Aus der Stetigkeit an der Stelle x0 folgt jedoch noch nicht die Differenzierbarkeit an dieser Stelle. Eine Funktion y D f .x/ heißt stetig differenzierbar, wenn f .x/ differenzierbar ist und die Ableitung f 0 .x/ eine stetige Funktion ist. 7 Beispiele 1. Für die konstante Funktion f .x/ D c (c 2 R) gilt f .x/  f .x0 / x  x0 cc D lim D lim 0 D 0 x!x0 x  x0 x!x0

f 0 .x0 / D lim

x!x0

Die Ableitungsfunktion einer konstanten Funktion ist somit f 0 .x/ D 0. 2. Die Funktion f .x/ D x 2 mit D D R ist in jedem Punkt x0 2 D differenzierbar. Es ist x 2  x02 .x C x0 /.x  x0 / f .x/  f .x0 / D D D x C x0 x  x0 x  x0 x  x0 und somit f 0 .x0 / D lim

x!x0

f .x/  f .x0 / D lim .x C x0 / D 2x0 x!x0 x  x0

Die Funktion f .x/ D x 2 ist eine (überall) differenzierbare Funktion, und es gilt f 0 .x/ D 2x. 9

2. Faktorregel Die Ableitung einer Funktion mal konstantem Faktor ist gleich konstanter Faktor mal abgeleitete Funktion. y D c  f .x/

.c 2 R; konstant/ ) y 0 D c  f 0 .x/

7 Beispiel y D 3x 2 ) y 0 D 3  2x D 6x,

denn

d 2 x D 2x dx

(vgl. Beispiel 2 in 7 Abschn. 5.4.1) 9

3. Summenregel Die Ableitung der Summe (Differenz) zweier Funktionen ist gleich der Summe (Differenz) der Ableitungen der Funktionen. y D f .x/ C g.x/ y D f .x/  g.x/

) )

y 0 D f 0 .x/ C g 0 .x/ y 0 D f 0 .x/  g 0 .x/

7 Beispiel y D x 2 C 3x ) y 0 D 2x C 3; denn

d d 2 x D 2x und 3x D 3 9 dx dx

4. Produktregel Die Ableitung des Produkts zweier Funktionen ist gleich der Summe aus der ersten Funktion multipliziert mit der Ableitung der zweiten Funktion und der zweiten Funktion multipliziert mit der Ableitung der ersten Funktion. y D f .x/  g.x/ ) y 0 D f .x/  g 0 .x/ C f 0 .x/  g.x/ Für die Ableitung des Produkts von drei Funktionen gilt y D f .x/  g.x/  h.x/ ) y 0 D f .x/  g.x/  h0 .x/ C f .x/  g 0 .x/  h.x/ C f 0 .x/  g.x/  h.x/

65 5.4  Ableitung einer Funktion

Mehrfache Anwendung der Produktregel ergibt die Ableitung der Potenzfunktion (Potenzregel). y D xn

.n 2 N/

)

y 0 D nx n1

Mit Hilfe von Polynomdivision lässt sich dieses Ergebnis auch direkt herleiten: x n  x0n d n x .x0 / D lim x!x0 x  x0 dx n1

D lim x C x0 x n2 C x02 x n3 C : : : C x0n1 x!x0

D nx0n1 Durch Anwendung von Quotienten- und Kettenregel (siehe unten) kann man dieses Ergebnis auf reelle Exponenten ausweiten. y D xr

.r 2 R/

)

y 0 D rx r1

Summen- und Potenzregel zusammen ergeben die Ableitung eines Polynoms. yD

n X

ck x k D c0 C c1 x C : : : C cn x n

y0 D

n X

yD

1 g.x/

y0 D 

)

g 0 .x/ g 2 .x/

7 Beispiele 5x  1 1. y D 2x C 3 .2x C 3/  5  .5x  1/  2 17 D ) y0 D .2x C 3/2 .2x C 3/2 x3 2. y D 2 x 1 3x 2 .x 2  1/  2x  x 3 x 2 .x 2  3/ D ) y0 D 2 2 .x  1/ .x 2  1/2 1 2x C 3 ) y0 D  2 3. y D 2 9 x C 3x .x C 3x/2

6. Kettenregel Die Kettenregel ist eine Regel zur Differentiation zusammengesetzter Funktionen. Ist y D F.x/ eine zusammengesetzte Funktion, also F.x/ D f .h.x//, und setzt man z D h.x/, dann ist y D F.x/ differenzierbar, wenn die Funktionen y D f .z/ und z D h.x/ differenzierbar sind, und es gilt df dh  dz dx D f 0 .z/  h0 .x/ D f 0 .h.x//  h0 .x/

y 0 D F 0 .x/ D

kD0

)

Im Spezialfall, dass f .x/ eine konstante Funktion mit f .x/ D 1 ist, gilt

k  ck x k1

kD0

D c1 C 2c2 x C : : : C ncn x n1 7 Beispiele 1. y D 3x 2  sin x ) y 0 D 3x 2  cos x C 6x  sin x 2. y D x 7 ) y 0 D 7x 6 7 4 7 3. y D x 3 ) y 0 D x 3 3 4. y D 3x 7  5x 4 C x 2 C 3 ) y 0 D 21x 6  20x 3 C 2x 9

Man nennt f 0 .h.x// die äußere Ableitung und h0 .x/ die innere Ableitung der Funktion y D f .h.x//. 7 Beispiele 1. y D F .x/ D .x 3  2x C 1/3 , also z D h.x/ D x 3  2x C 1 und y D f .z/ D z 3

5. Quotientenregel Die Ableitung des Quotienten zweier Funktionen ist gleich der Differenz der Ableitung der Zählerfunktion multipliziert mit der Nennerfunktion und der Zählerfunktion multipliziert mit der Ableitung der Nennerfunktion dividiert durch das Quadrat der Nennerfunktion. f .x/ yD g.x/ )

y0 D

.g.x/ ¤ 0/ f 0 .x/  g.x/  f .x/  g 0 .x/ g 2 .x/

Der Zähler von y 0 beginnt also mit der Ableitung der Zählerfunktion f (x).

) y 0 D F 0 .x/ D f 0 .z/  h0 .x/ D 3z 2  .3x 2  2/ D 3.x 3  2x C 1/2  .3x 2  2/ p 2. y D F .x/ D 5x 2  7x C 8, also z D h.x/ D 5x 2  7x C 8 und y D f .z/ D 0

p

z

0

) y D F .x/ D f 0 .z/  h0 .x/ D

10x  7 1 1 z 2  .10x  7/ D p 9 2 2 5x 2  7x C 8

7. Ableitung der Umkehrfunktion Ist y D f .x/ eine differenzierbare Funktion mit f 0 .x/ ¤ 0, die eine Umkehrfunktion y D f 1 .x/

5

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

66

besitzt, so ist auch die Umkehrfunktion differenzierbar, und es gilt 1 0 f .x/ D

5.4.3

5

1 0

f .f 1 .x//

Höhere Ableitungen

Ist die Funktion y D f .x/ differenzierbar oder zumindest in einem ganzen Intervall ihres Definitionsbereichs differenzierbar, so kann dort also an jeder Stelle die Ableitung f 0 .x/ gebildet werden. Dann ist y D f 0 .x/ wieder eine Funktion von x. Ist diese Funktion wieder differenzierbar, so nennt man diese Ableitung der (ersten) Ableitung die zweite Ableitung der Ausgangsfunktion y D f .x/, ged 2y d 2f .x/ oder .x/ schrieben f 00 .x/ oder y 00 .x/ oder dx 2 dx 2 (gesprochen: f zwei Strich von x bzw. y zwei Strich von x bzw. d zwei y nach dx Quadrat an der Stelle x bzw. d zwei f nach dx Quadrat an der Stelle x). Entsprechend kann es auch eine dritte, vierte, . . . Ableitung von f .x/ geben. Die n-te Ableitung von f .x/ schreibt man f .n/ .x/ D y .n/ .x/ D

d ny d nf .x/ D .x/ n dx dx n

7 Beispiele 1. f .x/ D 4x 4  12x 3 C 5x  2 )

f 0 .x/ D 16x 3  36x 2 C 5; 00

f .x/ D 48x  72x; 2

f .4/ .x/ D 96; 2. f .x/ D

000

f .x/ D 96x  72;

f .5/ .x/ D f .6/ .x/ D : : : D 0

x2 .x  1/2

2x 2.2x C 1/ ; f 00 .x/ D ; .x  1/3 .x  1/4 12.x C 1/ ; ::: 9 f 000 .x/ D  .x  1/5

) f 0 .x/ D 

5.4.4

Ableitungen einiger algebraischer Funktionen

Mit den Differentiationsregeln aus 7 Abschn. 5.4.2 lassen sich die Ableitungen von algebraischen Funktionen berechnen. Rationale Funktionen

y D c .c konstant/ ) y 0 D 0 y D x ) y0 D 1 y D x n ) y 0 D nx n1

y D cn x n C cn1 x n1 C : : : C c2 x 2 C c1 x C c0 ) y 0 D ncn x n1 C .n  1/cn1 x n2 C : : : C 2c2 x C c1 1 1 yD ) y0 D  2 x x 1 n 0 y D n ) y D  nC1 x x xm .m  n/x m 0 yD n ) y D x x nC1 Irrationale Funktionen

p

1 x ) y0 D p 2 x p 1 y D n x ) y0 D p n n x n1 p p m x nm m x 0 yD p p ) y D n mn n x nC1 x yD

5.4.5

Ableitungen einiger transzendenter Funktionen

Trigonometrische Funktionen

y D sin x ) y 0 D cos x y D cos x ) y 0 D  sin x     1 x ¤ .2k C 1/ ; k 2 Z y D tan x ) y 0 D cos2 x 2 1 .x ¤ k ; k 2 Z/ y D cot x ) y 0 D  2 sin x Exponentialfunktionen

y D ex ) y 0 D ex D y y D ax ) y 0 D ax ln a .a 2 R; a > 0 konstant/ Logarithmusfunktionen

y D ln x ) y 0 D

1 x

.x > 0/

1 1 1 loga e D  x ln a x .a … R; a > 0; a ¤ 1 konstant; x > 0/

y D loga x ) y 0 D

5.4.6

Sekanten und Tangenten

Eine Sekante ist eine Gerade, die eine Kurve, also den Graph einer Funktion y D f .x/, in (mindestens) zwei Punkten schneidet (Sekante = Schneidende). Der Teil zwischen den Schnittpunkten heißt Sehne. Die Gleichung der Sekante durch die Punkte P1 .x1 jf .x1 // und P2 .x2 jf .x2 // lautet yD

f .x2 /  f .x1 / .x  x1 / C f .x1 / x2  x1

67 5.4  Ableitung einer Funktion

7 Beispiele 1. f .x/ D x , P1 .0j0/, P2 .1j1/ Die Gleichung der Sekante durch die Punkte P1 und P2 lautet 2

yD

10 .x  0/ C 0; 10

also y D x:

2. f .x/ D x 3  2x C 1, P1 .1j2/, P2 .2j5/ Die Gleichung der Sekante durch die Punkte P1 und P2 lautet yD

52 .x  .1// C 2 D x C 3: 9 2  .1/

Eine Tangente ist eine Gerade, die den Graph einer Funktion y D f.x/ in einem Punkt berührt, aber nicht schneidet (Tangente D Berührende). Die Funktion f.x/ hat in dem Punkt P.ajf.a// genau dann eine Tangente, wenn die Funktion in a differenzierbar ist. Die Ableitung der Funktion an der Stelle, also f 0 .a/, ist die Steigung der Tangente. Die Gleichung der Tangente an die Kurve im Punkt P.ajf.a// lautet y D f 0 .a/.x  a/ C f .a/ 7 Beispiele 1. f .x/ D x 2 , P .1j1/ f 0 .x/ D 2x ) f 0 .1/ D 2 Die Gleichung der Tangente an die Kurve im Punkt P.1j1/ lautet somit y D 2.x  1/ C 1 D 2x  1: 2. f .x/ D x 3  2x C 1, P .1j0/ f 0 .x/ D 3x 2  2 ) f 0 .1/ D 1 Die Gleichung der Tangente an die Kurve im Punkt P.1j0/ lautet somit y D 1  .x  1/ C 0 D x  1: 9

5.4.7

Extremwerte von Funktionen

Eine Funktion y D f.x/ besitzt an der Stelle x D a ein relatives Maximum, wenn es eine Umgebung von a gibt, in der alle Funktionswerte kleiner als an der Stelle x D a sind. Dieser Funktionswert f.a/ heißt relatives Maximum. Es gilt dann f.x/ < f.a/ für alle x ¤ a aus einer passenden Umgebung von a. Alle benachbarten Funktionswerte sind also kleiner als f.a/. Relatives Maximum f .a/: f .x/ < f .a/ für x ¤ a Entsprechend besitzt eine Funktion y D f .x/ an der Stelle x D a ein relatives Minimum, wenn es eine Umgebung

von a gibt, in der alle Funktionswerte größer als an der Stelle x D a sind. Der Funktionswert f .a/ heißt dann relatives Minimum. Für ein relatives Minimum gilt analog f .x/ > f .a/ für alle x ¤ a aus einer geeigneten Umgebung von a. Alle benachbarten Funktionswerte sind also größer als f .a/. Relatives Minimum f .a/: f .x/ > f .a/ für x ¤ a Es handelt sich bei einem relativen Maximum oder einem relativen Minimum um eine lokale Eigenschaft, denn es wird nur eine Umgebung von x D a betrachtet. Das absolute oder globale Maximum einer Funktion y D f .x/, die in einem abgeschlossenen Intervall [c; d] differenzierbar ist, ist entweder ein relatives Maximum, oder es wird am Rand, also für x D c oder x D d, angenommen. Entsprechend ist das absolute oder globale Minimum ein relatives Minimum, oder es wird an einem der Intervallränder x D c oder x D d angenommen. Ein Extremwert einer Funktion ist ein Funktionswert f .a/, der ein relatives Minimum oder ein relatives Maximum ist. Statt Extremwert sagt man auch Extremum oder relatives Extremum. Eine notwendige Bedingung dafür, dass die Funktion y D f .x/ an der Stelle x D a ein relatives Extremum besitzt, ist das Verschwinden der Ableitung an dieser Stelle, also f 0 .a/ D 0 (falls sie existiert). Zur Bestimmung der relativen Extrema müssen alle x berechnet werden, die die Gleichung f 0 .x/ D 0 erfüllen. Eine hinreichende Bedingung für ein relatives Extremum (das heißt, ist die Bedingung erfüllt, dann liegt ein relatives Extremum vor) ist, dass die zweite Ableitung von Null verschieden ist, also f 00 .a/ ¤ 0. Gilt jedoch auch f 00 .a/ D 0, so ist f .a/ ein relatives Extremum, wenn es ein gerades n gibt, so dass f 0 .a/ D f 00 .a/ D : : : D f .n1/ .a/ D 0, f .n/ .a/ ¤ 0 (n gerade). Ein Extremum liegt vor, wenn die erste an der Stelle a nicht verschwindende Ableitung von gerader Ordnung ist. Dieses relative Extremum ist ein relatives Minimum, wenn im ersten Fall f 00 .a/ > 0 und im zweiten Fall f .n/ .a/ > 0 gilt. Das relative Extremum ist ein relatives Maximum, wenn im ersten Fall f 00 .a/ < 0 und im zweiten Fall f .n/ .a/ < 0 gilt. Geometrisch bedeutet f 0 .a/ D 0, dass die Tangente an die Kurve der Funktion im Punkt P.ajf .a// waagerecht, also parallel zur x-Achse, verläuft. 7 Beispiele 1.

f .x/ D x 2 f 0 .x/ D 2x; f 00 .x/ D 2 f 0 .x/ D 0 ) x D 0 f 00 .0/ D 2 > 0 ) f .0/ D 0 ist ein relatives Minimum von y D f.x/

5

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

68

2.

f .x/ D x 4 C 1 f 0 .x/ D 4x 3 ; f 00 .x/ D 12x 2 ; f 000 .x/ D 24x; f .4/ .x/ D 24 f 0 .x/ D 0 ) x D 0 f 00 .0/ D f 000 .0/ D 0; f .4/ D 24 < 0 ) f .0/ D 1 ist ein relatives Maximum von y D f.x/

5

3.

f .x/ D x 3  4x 2 C 4x D x.x  2/2 f 0 .x/ D 3x 2  8x C 4; f 00 .x/ D 6x  8

. Abb. 5.5 Konkave und konvexe Bereiche der Funktion y D f .x/

2 f 0 .x/ D 0 ) 3x 2  8x C 4 D 0 ) x1 D 2; x2 D 3   00 00 2 f .2/ D 4 > 0; f D 4 < 0 3 ) f .x1 / D f .2/ D 0 ist ein relatives Minimum und   2 32 f .x2 / D f D 3 27 ist ein relatives Maximum von y D f.x/ 9

5.4.8

Krümmungsverhalten von Funktionen

Das Krümmungsverhalten einer Funktion ist die Verteilung von konvexen und konkaven Bereichen der Kurve der Funktion. Eine Funktion y D f .x/ heißt an der Stelle x D a von unten konvex, wenn alle Punkte der Kurve der Funktion in einer Umgebung von a oberhalb der Tangente im Punkt P.ajf.a// liegen. In einem von unten konvexen Bereich ist die Ableitungsfunktion y 0 D f 0 .x/ monoton wachsend. Die Funktion y D f .x/ hat dort eine Linkskrümmung (der Graph macht in x-Richtung eine Linkskurve). Existiert in dem Bereich auch die zweite Ableitung f 00 .x/, so ist die Kurve konvex, wenn f 00 .x/ > 0 gilt. Entsprechend heißt die Funktion an der Stelle x D a von unten konkav (oder von oben konvex), wenn alle Punkte der Kurve der Funktion in einer Umgebung von a unterhalb der Tangente im Punkt P.ajf.a// liegen. In einem von unten konkaven Bereich ist die Ableitungsfunktion y 0 D f 0 .x/ monoton fallend. Die Funktion y D f .x/ hat dort eine Rechtskrümmung (der Graph macht in x-Richtung eine Rechtskurve). Existiert in dem Bereich auch die zweite Ableitung f 00 .x/, so ist die Kurve konkav, wenn f 00 .x/ < 0 gilt (. Abb. 5.5). Die Krümmung einer Funktion ist die Abweichung der Kurve der Funktion von der Geraden. Die Krümmung der Kurve der Funktion y D f .x/ im Punkt P.xjy/ ist definiert als der Grenzwert  des Quotienten aus der Differenz der Steigungswinkel ˛1 und ˛ der Tangenten durch einen Punkt P1 und durch P an die Kurve und der Länge s des Kurvenbogens zwischen den Punk-

. Abb. 5.6 Zur Definition der Krümmung einer Kurve

ten (falls der Grenzwert existiert) (. Abb. 5.6):  D lim

P1 !P

˛1  ˛ ˛ d˛ D lim D P1 !P s s ds

Die Krümmung einer Funktion ist in einem konvexen Bereich (Linkskurve) positiv, in einem konkaven Bereich (Rechtskurve) negativ. Für eine Gerade gilt  D 0. Mit Hilfe der Kettenregel berechnet man für die Krümmung in einem Punkt P.xjy/ der Funktion y D f.x/: D

f 00 .x/

f 00 .x/ D h i3 3 p Œ1 C f 02 .x/ 2 1 C f 02 .x/

1 Krümmungsradius und der Kreis jj mit diesem Radius Krümmungskreis der Kurve im Punkt P.xjy/. Für  ¤ 0 heißt  D

7 Beispiel f .x/ D 3x 2  1 ) f 0 .x/ D 9x 2 ; f 00 .x/ D 18x Es folgt: D

18x

: 3 .1 C 81x 4 / 2 Krümmung im Punkt P.1j2/ zum Beispiel: 18  0;0242: 9 D 3 82 2

69 5.4  Ableitung einer Funktion

5.4.9

Wendepunkte von Funktionen

Ein Wendepunkt einer Funktion y D f.x/ ist ein Punkt P.ajf.a//, in dem sich das Krümmungsverhalten der Kurve ändert. In einem Wendepunkt findet der Übergang von einem konvexen zu einem konkaven Bereich oder umgekehrt statt. Die Kurve liegt in der unmittelbaren Nähe eines Wendepunktes nicht auf einer Seite der Tangente, sondern wird von dieser durchsetzt. Eine notwendige Bedingung für die Existenz eines Wendepunkts P.ajf.a// einer Funktion y D f.x/ ist das Verschwinden der zweiten Ableitung im Wendepunkt, also f 00 .x/ D 0 (falls sie existiert). Zur Bestimmung der Wendepunkte müssen alle x berechnet werden, die die Gleichung f 00 .x/ D 0 erfüllen. Eine hinreichende Bedingung für einen Wendepunkt ist, dass die dritte Ableitung von Null verschieden ist, also f 000 .x/ ¤ 0. Gilt jedoch auch f 000 .x/ D 0, so hat f.x/ an der Stelle a einen Wendepunkt, wenn es ein ungerades n gibt, so dass f 00 .a/ D f 000 .a/ D : : : D f .n1/ .a/ D 0, f .n/ .a/ ¤ 0 (n ungerade). Ein Wendepunkt liegt vor, wenn die erste an der Stelle a nicht verschwindende Ableitung von ungerader Ordnung ist. Falls in einem Wendepunkt P.ajf.a// auch noch die erste Ableitung verschwindet, wenn also zusätzlich f 0 .a/ D 0 gilt, dann ist dort die Tangente waagerecht. Ein solcher Wendepunkt heißt Sattelpunkt. 7 Beispiele 1.

f .x/ D x 3  4x 2 C 4x D x.x  2/2 f 0 .x/ D 3x 2  8x C 4; f 00 .x/ D 6x  8; f 000 .x/ D 6 4 f 00 .x/ D 0 ) 6x  8 D 0 ) x D 3   4 f 000 D6¤0 3 4 ) bei x D liegt der Wendepunkt  ˇ 3   ˇ  4 4ˇ 4 ˇ 16 P D D ˇf ˇ 3 3 3 27

2.

f .x/ D x 3  3x 2 C 3x f 0 .x/ D 3x 2  6x C 3 D 3.x  1/2 f 00 .x/ D 6x  6; f 000 .x/ D 6

Eigenschaften. Dazu gehören die Untersuchung auf Symmetrie und Monotonie sowie die Bestimmung von Definitionsbereich, Nullstellen, relativen Extrema, Wendepunkten, Unstetigkeitsstellen und Asymptoten. 7 Beispiel 1 f .x/ D x.x  2/3 2

(. Abb. 5.7)

Ableitungen: 1 3 .x  2/3 C x.x  2/2 2 2 1 D .x  2/2 .x  2 C 3x/ D .x  2/2 .2x  1/ 2 f 00 .x/ D 2.x  2/.2x  1/ C 2.x  2/2 f 0 .x/ D

D .x  2/.4x  2 C 2x  4/ D 6.x  1/.x  2/ f 000 .x/ D 6.x  1/ C 6.x  2/ D 6.2x  3/ Definitionsbereich: DDR Nullstellen: f .x/ D

1 x.x  2/3 D 0 ) x1 D 0; x2 D 2 2

Relative Extremwerte: 1 2 f 00 .x3 / D f 00 .2/ D 0; f 000 .2/ D 6 > 0 .n ungerade/ f 0 .x/ D .x  2/2 .2x  1/ D 0 ) x3 D 2; x4 D

) bei x3 D 2 Wendepunkt; wegen f 0 .2/ D 0 ist P.2j0/ ein Sattelpunkt   1 1 3 f 00 .x4 / D f 00 D6  >0 2 2 2 ) Minimum bei x4 D

1 2

Wendepunkte: f 00 .x/ D 6.x  1/.x  2/ D 0 ) x5 D 1; x6 D x3 D 2 f 000 .x5 / D f 000 .1/ ¤ 0 ) Wendepunkt bei x5 D 1 Sattelpunkt bei x6 D x3 D 2 (siehe oben)

f 00 .x/ D 0 ) x D 1 f 000 .1/ D 6 ¤ 0 ) f .x/ besitzt bei x D 1 einen Wendepunkt. Da auch f 0 .1/ D 0 gilt, ist dort die Tangente waagerecht, und somit ist P D .1j1/ ein Sattelpunkt. 9

5.4.10

Kurvendiskussion

Eine Kurvendiskussion ist die Untersuchung einer Funktion y D f.x/ bzw. des Graphen der Funktion auf typische

. Abb. 5.7 Graph der Funktion f .x/ D 12 x.x  2/3

5

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

70

5

Zusammenfassung:

Berechnung der Ableitung:

1 Die Funktion f .x/ D x.x  2/3 hat die Nullstellen   2 1 x1 D 0 und x2 D 2, das relative Minimum f D 2  3   3 27 1 1 1    D  , den Wendepunkt P 1j  (denn 2 2 2 32 2 1 1 f .1/ D  1  .1/3 D  ) und den Sattelpunkt P.2j0/. 2 2 Die Funktion besitzt keine Unstetigkeitsstellen und Asymptoten, sie ist weder zur y-Achse noch zum Koordinatenursprung symmetrisch. Die Funktion ist streng monoton   1 fallend im Intervall 1; und streng monoton wachsend 2   1 ;1 . 9 im Intervall 2

2 2 r  3h2 3

2 2 0 W .h/ D 0 ) r  3h2 D 0 3

5.4.11

Anwendungsbeispiele

1. Ein halbrunder Balken soll so besäumt werden, dass ein rechtwinkliger Balken mit maximalem Widerstandsmoment W entsteht (. Abb. 5.8). Die Gleichung für das Widerstandsmoment lautet: W D

hb 2 6

(5.1)

Nach dem Satz des Pythagoras gilt für die Beziehung zwischen b und h:  2 b C h2 D r 2 2

(5.2)

Auflösen von (5.2) nach b2 :

b 2 D 4 r 2  h2 Einsetzen in (5.1): W D

W 0 .h/ D

1 p r 3 3 (Da die Höhe h nicht negativ sein kann, kommt für das Maximum nur das positive Vorzeichen in Frage.) We1 p gen W 00 .h/ D 4h ist für h D r 3 die zweite 3 Ableitung negativ, es liegt also ein Maximum vor. ) r 2  3h2 D 0 ) h D

Ergebnis: 2 p 1 p h D r 3 und b D r 6 sind die Abmessungen für 3 3 das maximale Widerstandsmoment, es beträgt   1 2 p 4 3p r 3: W D r 3 r2  r2 D 9 3 27 2. Aus einem kreiskegelförmigen Stück Holz soll ein Zylinder größtmöglichen Rauminhalts (Gewichts) gedreht werden. Welchen Radius x und welche Höhe y hat dieser Zylinder, wenn r der Radius und h die Höhe des Kegels sind (. Abb. 5.9)? V D  x 2 y hy h D x r

Zylindervolumen

(5.3)

Beziehung zwischen x und y

(5.4)

Die Beziehung zwischen x und y folgt aus der Ähnlichkeit der schraffierten Dreiecke. Auflösen von (5.4) nach y:  x y Dh 1 r Einsetzen in (5.3):    x 1 D  h x 2  x 3 V D  x 2 h 1  r r



h 2 2 2  4 r  h2 D r h  h3 6 3

Da r eine feste Größe ist, hängt W nur von h ab, das heißt, W ist eine Funktion von h: W D W .h/. Notwendige Voraussetzung für ein Maximum von W ist das Verschwinden der Ableitung: W 0 D 0.

. Abb. 5.8 Zu Anwendungsbeispiel 1

. Abb. 5.9 Zu Anwendungsbeispiel 2

71 5.5  Integralrechnung

h ist eine feste Größe, V ist also eine Funktion der Variablen x: V D V.x/. Berechnung der Ableitung:   3 V 0 .x/ D  h 2x  x 2 r     3 3 V 0 .x/ D 0 )  h 2x  x 2 D  hx 2  x D 0 r r 2 ) x1 D 0 und x2 D r 3   6 Wegen V 00 .x/ D  h 2  x gilt V 00 .x1 / > 0 und r V 00 .x2 / < 0, das heißt, bei x1 liegt ein Minimum und bei x2 ein Maximum vor. Ergebnis: 2 1 x D r und y D h sind Radius und Höhe des gesuch3 3 ten Zylinders, das maximale Zylindervolumen beträgt 4 V D  r 2 h. 27

Integralrechnung

5.5 5.5.1

Unbestimmtes Integral

Ist y D f.x/ eine Funktion mit einem Intervall I als Definitionsbereich, dann heißt eine differenzierbare Funktion F.x/ mit demselben Intervall I als Definitionsbereich eine Stammfunktion von f.x/, wenn für alle x 2 I gilt F 0 .x/ D f .x/ Die Funktion f .x/ heißt dann integrierbar. Ist F.x/ eine Stammfunktion von f .x/, so ist auch F.x/Cc für eine beliebige Konstante c eine Stammfunktion, denn eine additive Konstante verschwindet bei der Differentiation. Somit ist fF.x/ C CjC 2 Rg die Menge aller Stammfunktionen von f(x). Stammfunktionen sind also bis auf eine additive Konstante eindeutig bestimmt. 7 Beispiele 1. Funktion: f .x/ D x 2  2x  3 1 Stammfunktion: F .x/ D x 3  x 2  3x, 3 1 aber zum Beispiel auch F1 .x/ D x 3  x 2  3x C 5 3 2. Funktion: f .x/ D sin x Stammfunktion: F .x/ D  cos x oder etwa F1 .x/ D  cos x C 3 3. Funktionen: f .x/ D x k

(k 2 R, k ¤ 1)

Stammfunktionen: F .x/ D

kC1

x CC kC1

(C 2 R)

1 x Stammfunktionen: F .x/ D ln jxj C C

4. Funktion: f .x/ D x 1 D

5. Funktion: f .x/ D e Stammfunktionen: F .x/ D e x C C

(C 2 R)

x

(C 2 R) 9

Die Gesamtheit aller Stammfunktionen F.x/ C C heißt unbestimmtes Integral der Funktion y D f .x/, gesprochen: Integral über f .x/ dx und geschrieben Z f .x/ dx D F .x/ C C R Das Zeichen heißt Integralzeichen, und f .x/ heißt Integrand. Die Variable x nennt man Integrationsvariable und C Integrationskonstante. Die Konstante C soll andeuten, dass F.x/ durch die Funktion f .x/ bis auf eine additive Konstante bestimmt ist. 7 Beispiele Z 1 1. x 3 dx D x 4 C C 4 Z 2. cos x dx D sin x C C Z 4

1 1 x  3x 2 C 1 dx D x 5  3  x 3 C x C C 3. 5 3 1 D x5  x3 C x C C 9 5

5.5.2

Integrationsregeln

Die folgenden Integrationsregeln zur Berechnung der unbestimmten Integrale von Funktionen lassen sich durch Differentiation der entsprechenden Gleichung beweisen. 1. Faktorregel Ein konstanter Faktor im Integranden kann vor das Integralzeichen gezogen werden. Z

Z cf .x/ dx D c

f .x/ dx

.c 2 R/

7 Beispiel Z Z 3 1 3x dx D 3 x dx D 3  x 2 C C D x 2 C c 9 2 2

2. Potenzregel Z x n dx D

1 x nC1 C C nC1

7 Beispiel Z 1 x 5 dx D x 6 C C 9 6

5

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

72

3. Summenregel Das unbestimmte Integral einer Summe ist gleich der Summe der unbestimmten Integrale (falls Stammfunktionen existieren). Z

Z .f .x/ C g.x// dx D

Z

Setzt man u.x/ D x und v 0 .x/ D e x , dann ist u0 .x/ D 1 und v.x/ D e x , und es folgt

Z f .x/ dx C

xe x dx

2.

Z

Z

g.x/ dx

xe x dx D xe x 

1  e x dx

D xe x  e x C C D .x  1/e x C C

5

7 Beispiel Z Z Z Z 3

4x  3x 2 C 5 dx D 4x 3 dx  3x 2 dx C 5 dx Z Z Z D 4 x 3 dx  3 x 2 dx C 5 dx

Z

Setzt man u.x/ D x und v 0 .x/ D cos x, dann ist u0 .x/ D 1 und v.x/ D sin x, und es ergibt sich

1 1 D 4  x 4  3  x 3 C 5x C C 4 3 D x 4  x 3 C 5x C C 9

Z

f 0 .x/ dx D ln jf .x/j C C f .x/

u.x/v 0 .x/ dx D u.x/v.x/ 

6. Substitutionsmethode Durch Substitution x D '.t/ der unabhängigen Variablen einer Funktion y D f .x/, also Einführung einer neuen Variablen t, ergibt sich für das unbestimmte Integral

Z

7 Beispiele Z dx 1. .2 C 3x/2

u0 .x/v.x/ dx

Substituiert man 2C3x D t, also x D '.t/ D ist ' 0 D Z

7 Beispiele Z 1. ln x dx Setzt man u.x/ D ln x und v 0 .x/ D 1, dann ist u0 .x/ D und v.x/ D x, und es ergibt sich Z

Z 1 1  ln x dx D x  ln x  x  dx x Z D x  ln x  dx D x  ln x  x C C

ln x dx D

f .'.t//' 0 .t/dt

Durch geeignete Substitution kann das Integral auf der rechten Seite der GleichungR einfacher zu berechnen sein als das Ausgangsintegral f .x/ dx. Die Substitution muss so gewählt sein, dass x D '.t/ nach t differenzierbar ist.

Mit dieser Methode wird ein Integral der Form R 0 u.x/v R 0 .x/ dx auf das oft leichter berechenbare Integral u .x/v.x/ dx zurückgeführt.

Z

Z f .x/ dx D

5. Partielle Integration Lässt sich die Funktion f .x/ als Produkt zweier Funktionen g.x/ D u.x/ und h.x/ D v 0 .x/ darstellen, also f .x/ D g.x/  h.x/ D u.x/  v 0 .x/, dann gilt

1  sin x dx

D x  sin x C cos x C C 9

Z

7 Beispiel Z 2x C 3 dx D ln jx 2 C 3x  5j C C 9 x 2 C 3x  5

Z

Z x  cos x dx D x  sin x 

4. Ist der Integrand ein Bruch, in dem der Zähler die Ableitung des Nenners ist, dann ist das unbestimmte Integral gleich dem natürlichen Logarithmus des Absolutbetrages der Nennerfunktion. Z

x  cos x dx

3.

1 x

Z 2.

t 2 , dann 3

1 dt dx D oder dx D , und es ergibt sich dt 3 3 Z

1 dt  t2 3 1 1 1 CC D CC D   3t 3 2 C 3x

dx D .2 C 3x/2

8 2 x C 7  x dx

p Die Substitution x2 C 7 D t, also x D '.t/ D t  7, 1 1 dx D p ergibt mit der Kettenregel ' 0 .t/ D 1 dt 2 t 7

73 5.5  Integralrechnung

oder dx D Z

1 dt p , und es folgt 2 t 7 Z

p 1 dt p t8  t  7  2 t 7 Z 1 1 9 1 8 D t dt D   t C C 2 2 9

9 1 2 D x C7 CC 9 18

2

8 x C 7  x dx D

Das letzte Integral lässt sich noch einfacher berechnen, wenn man die obige Substitutionsgleichung von rechts nach links liest (mit der Substitution u D '.t/). Z

f .'.x//' 0 .x/ dx D

Z f .u/ du

7 Beispiel Z Z 2

8 1 x C 7  x dx D u8 du 2 1 9 1 2 u CC D .x C 7/9 C C D 18 18 mit der Substitution u D x2 C 7, woraus du D 2x dx folgt. 9 Spezialfall

Z

Œf .x/nC1 CC Œf .x/n  f 0 .x/ dx D nC1

D ln jxj C 3 ln jx  1j C 4 ln jx C 1j C C 9

5.5.3

.n ¤ 1/

1 D  cos6 x C C 9 6

7. Partialbruchzerlegung Die Integration gebrochener rationaler Funktionen y D f.x/ mit an x n C an1 x n1 C : : : C a2 x 2 C a1 x C a0 bm x m C bm1 x m1 C : : : C b2 x 2 C b1 x C b0

Mit den Integrationsregeln aus 7 Abschn. 5.5.2 lassen sich die unbestimmten Integrale von algebraischen Funktionen berechnen. Rationale Funktionen

Z

a dx D ax C C Z

1 2 x CC 2 Z x nC1 x n dx D CC nC1 Z

an x n C an1 x n1 C : : : C a1 x C a0 dx x dx D

Z

Irrationale Funktionen

Z

p 2 3 x dx D x 2 C C 3 p Z p m m x x mC1 mn p p dx D CC n n  m C mn n x x

5.5.4

Partialbruchzerlegung der Funktion liefert: 1 3 4 6x 2  x C 1 D C C x3  x x x1 xC1

a1 an nC1 an1 n C x x C : : : C x 2 C a0 x C C nC1 n 2

1 dx D ln jxj C C x Z 1 1 1 dx D  C C .n ¤ 1/ xn n  1 x n1 Z m x x mC1 1 dx D C C .n ¤ m C 1/ n x m  n C 1 xn

wird oftmals durch eine Partialbruchzerlegung von f .x/ (siehe 7 Abschn. 2.5.2) einfacher oder überhaupt erst möglich. 7 Beispiel Z 6x 2  x C 1 dx x3  x

Unbestimmte Integrale einiger algebraischer Funktionen

D

7 Beispiel Z Z cos5 x  sin x dx D  cos5 x  . sin x/ dx

f .x/ D

Mit der Summenregel folgt: Z 6x 2  x C 1 dx x3  x Z Z Z 3 4 1 dx C dx C dx D x x1 xC1

Unbestimmte Integrale einiger transzendenter Funktionen

Auch für einige transzendente Funktionen lassen sich die unbestimmten Integrale mit den Integrationsregeln aus 7 Abschn. 5.5.2 berechnen. Trigonometrische Funktionen

Z

sin x dx D  cos x C C Z cos x dx D sin x C C

5

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

74

Z tan x dx D  ln j cos xj C C Z cot x dx D ln j sin xj C C Z

    1 dx D tan x C C x ¤ .2k C 1/ ; k 2 Z cos2 x 2 Z 1 dx D  cot x C C .x ¤ k ; k 2 Z/ sin2 x Exponentialfunktionen

5

Z

e x dx D e x C C Z ax dx D

1  ax C C ln a

.a 2 R; a > 0 konstant/ . Abb. 5.11 Bestimmtes Integral

Logarithmusfunktionen

Z

ln x dx D x  .ln x  1/ C C Z

.x > 0/

1  x  .ln x  1/ C C ln a .a 2 R; a > 0 konstant; x > 0/

loga x dx D

Bestimmtes Integral

5.5.5

Ist y D f.x/ eine beschränkte Funktion mit einem abgeschlossenen Intervall als Definitionsbereich, also D D Œa; b, dann ist das bestimmte Integral von f.x/ definiert durch Zb f .x/ dx D lim

n!1

a

n X

f . k /xk ;

kD1

falls dieser Grenzwert existiert und unabhängig von der Wahl der Zahlen xk und k ist (gesprochen: Integral von a bis b über f .x/dx). Dabei ist a D x0 < x1 < : : : < xn D b eine Einteilung (Zerlegung) des Intervalls [a; b] mit xk D xk  xk1 und k , k D 1, 2, . . . , n, ein beliebiger Zwischenpunkt mit xk1  k  xk (. Abb. 5.10). Zb f .x/ dx D lim

n!1

a

n X

Die Funktion f .x/ R heißt dann im Intervall [a; b] integrierbar. Das Zeichen heißt Integralzeichen. Man nennt a die untere Integrationsgrenze, b die obere Integrationsgrenze, f .x/ den Integranden und x die Integrationsvariable. Diese Integraldefinition geht auf Bernhard Riemann zurück (deutscher Mathematiker, 1826–1866). Rb Gilt f .x/  0 für alle x 2 Œa; b, dann ist a f .x/ dx gleich dem Inhalt des von der Kurve (Graph der Funktion y D f .x// und der x-Achse zwischen x D a und x D b berandeten Fläche. Für f .x/  0 für alle x 2 Œa; b ist Rb Besitzt y D f .x/ a f .x/ dx der negative Flächeninhalt. Rb in [a; b] Nullstellen, so ist a f .x/ dx die Differenz der Flächeninhalte oberhalb („C“) und unterhalb („“) der x-Achse (. Abb. 5.11). Existenz des bestimmten Integrals: Jede in einem Intervall [a; b] stetige Funktion ist dort auch integrierbar. Auch jede im Intervall [a; b] beschränkte Funktion, die in [a; b] nur endlich viele Unstetigkeitsstellen besitzt, ist in diesem Intervall integrierbar. 7 Beispiel Für die Funktion f .x/ D c; c 2 R, D D Œa; b und eine beliebige Einteilung a D x0 < x1 < : : : < xn D b des Intervalls [a; b] gilt

f . k /xk

kD1

lim

n!1

n X kD1

f . k /xk D lim

n!1

n X

c  xk

kD1 n X

D lim c n!1

.xk  xk1 /

kD1

D lim c  .b  a/ n!1

D c  .b  a/ Also ist die Funktion f .x/ im Intervall [a; b] integrierbar, und es gilt Zb . Abb. 5.10 Zur Definition des bestimmten Integrals

c dx D c  .b  a/ 9 a

75 5.5  Integralrechnung

5.5.6

Hauptsatz der Differentialund Integralrechnung

Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung liefert den Zusammenhang zwischen bestimmtem und unbestimmtem Integral einer Funktion y D f.x/. Ist die Funktion y D f .x/ mit D D Œa; b im Intervall [a; b] integrierbar, und besitzt f .x/ eine Stammfunktion F.x/, so gilt Zb f .x/ dx D F .b/  F .a/ a

. Abb. 5.12 Zusammenfassen der Integrationsintervalle

7 Beispiel Z2 1 ˇ2 1 1 x dx D x 2 ˇ6 D 22  62 D 2  18 D 16 2 2 2 6

Das bestimmte Integral ist also Funktionswert von F an der oberen Intervallgrenze minus Funktionswert von F an der unteren Intervallgrenze. Dabei ist F.x/ eine beliebige Stammfunktion von f .x/. Statt F.b/  F.a/ schreibt man auch ˇxDb ˇb F .x/ˇxDa D F .x/ˇa Mit diesem Satz wird die Berechnung des bestimmten Integrals einer Funktion auf die Berechnung einer Stammfunktion der Funktion zurückgeführt. Der Satz stellt somit den Zusammenhang zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Integral einer Funktion y D f .x/ her. Er wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz (deutscher Mathematiker, 1646–1716) und Isaac Newton (englischer Mathematiker, 1642–1727) entdeckt.

Z6 

  1 ˇ6 1 2 1 2 6  2 x dx D  x 2 ˇ2 D  2 2 2

2

D .18  2/ D 16 9

2. Zusammenfassen der Integrationsintervalle (. Abb. 5.12) Zb

Zc f .x/ dx C

a

Z5 x 3 dx D

1 4 ˇˇ5 1 1 54  1 x 1 D 54  14 D D 156 4 4 4 4

0

3. 0

ˇ

sin x dx D  cos x ˇ0 D  cos    . cos 0/



ˇ

cos x dx D sin x ˇ0 D sin    sin 0 D 0  0 D 0

0  

Z2

ˇ    cos x dx D sin x ˇ02 D sin  sin 0 D 1  0 D 1 2

0

Z

D 1C1 D2 9   2

5.5.7

ˇ 

cos x dx D sin x ˇ D sin    sin D 0  1 D 1 9 2 2

Eigenschaften des bestimmten Integrals

Die folgenden Eigenschaften zur Berechnung des bestimmten Integrals einer Funktion lassen sich mit Hilfe der Definition beweisen. 1. Vertauschung der Integrationsgrenzen Za

Zb f .x/ dx D 

b

f .x/ dx a

(. Abb. 5.13)

2

Einzelberechnung der Integrale:

1

Z

f .x/ dx a

7 Beispiel

Z

Z2 Z

cos x dx D cos x dx C cos x dx

a

2.

f .x/ dx D b

0

7 Beispiele Zb

1 ˇb 1 2 b  a2 1. x dx D x 2 ˇa D 2 2

Zc

Z  . Abb. 5.13

cos x dx D 0 0

5

Kapitel 5  Differential- und Integralrechnung

76

3. Gleiche untere und obere Integrationsgrenze

1 Bogenlänge

Die Länge eines Kurvenstücks bezeichnet man als Bogenlänge. Lässt sich der Bogen durch eine stetig differenzierbare Funktion y D f .x/, f: Œa; b ! W beschreiben, dann gilt für die Bogenlänge s

Za f .x/ dx D 0 a

7 Beispiel Z3 1 ˇ3 1 1 x 3 dx D x 4 ˇ3 D 34  34 D 0 9 4 4 4

Zb q sD 1 C Œf 0 .x/2 dx

3

a

5

Zb 4. Existieren die bestimmten Integrale f .x/ dx und Zb a g.x/ dx, so gilt für beliebige c1 ; c2 2 R

7 Beispiel Bogen: y D

p

1  x 2 , D D Œa; b D Œ1; 1

(Halbkreis)

Bogenlänge:

a

Z1

Zb

1

a

Zb

Z1

Zb f .x/ dx C c2

D c1 a

g.x/ dx

1

1

1

D 240  0 D 240     1 2 ˇˇ4 1 2 1 2 x ˇ D2 4  1 x dx D 22 2 1 2 2   1 1 D2 8 D 15 2     Z4 1 4 ˇˇ4 1 4 1 4 x ˇ D 4 4  1 4 x 3 dx D 4 4 1 4 4   1 1 D 4 64  D 255 9 4 Z4

5.5.8

1 1

x2

2 dx

ˇ1 dx D arcsin x ˇ1 D   9

1 Volumen und Mantelfläche von Rotationskörpern





ˇ4



2x  4x 3 dx D x 2  x 4 ˇ1 D 42  44  12  14

1

x p 1  x2

a

Einzelberechnung der Integrale Z4

p

D

7 Beispiel Z4 Z4 Z4

3 2x  4x dx D 2 x dx  4 x 3 dx 1



1C

sD

.c1  f .x/ C c2  g.x// dx

s

Ein Rotationskörper ist ein Körper, der entsteht, wenn die Kurve einer Funktion y D f .x/ mit f .x/  0 um die x-Achse (Rotationsachse) zwischen x D a und x D b rotiert (oder die inverse Funktion um die y-Achse). Rotationskörper sind aus dem Alltag bekannt: Vasen, Gläser oder gedrechselte Figuren zum Beispiel (. Abb. 5.14). Ein Rotationskörper ist durch zwei Schnitte senkrecht zur Rotationsachse begrenzt. Die von der Kurve, der x-Achse und den Geraden x D a und x D b begrenzte Fläche heißt die erzeugende Fläche des Rotationskörpers. Die Kugel ist zum Beispiel ein Rotationskörper. Sie entsteht durch Rotation eines Kreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung um eine der beiden Achsen. Auch gerade Kreiskegel und gerade Kreiszylinder sind Rotationskörper.

Einige Anwendungen der Integralrechnung

Es gibt sehr viele Anwendungen der Integralrechnung in der Technik und in den Ingenieurwissenschaften. Im Folgenden sind exemplarisch zwei davon genannt.

. Abb. 5.14 Rotationskörper

77 5.5  Integralrechnung

Für das Volumen V und für den Inhalt AM der Mantelfläche eines Rotationskörpers gilt Zb V D 

Volumen

f 2 .x/ dx a

Zb Mantelfläche AM D 2 

q f .x/ 1 C Œf 0 .x/2 dx

a

7 Beispiel Die Gleichung des oberen Halbkreises mit dem Radius r lautet (explizite Form in kartesischen Koordinaten) yD

p

r 2  x2;

D D Œr; r:

Die Ableitung dieser Funktion ist 1 1 x .2x/ p D p : 2 r 2  x2 r 2  x2

y 0 .x/ D

Somit berechnet man nach den obigen Formeln für das Volumen V und die Oberfläche AO (hier: Mantelfläche D Oberfläche) einer Kugel mit dem Radius r ZbDr V D 

2

r  x 2 dx D 2 

aDr

Zr

2

r  x 2 dx

0

  1 3 ˇˇr 2 4 2 D 2   r 3 D  r 3 D 2  r x  x 0 3 3 3 r ZbDrp x2 2 2 AO D 2  r x 1C 2 dx r  x2 aDr Zr

D 4

p

r r2



x2

r2 dx r 2  x2

0

Zr D 4  0

ˇr r dx D 4   rx ˇ0 D 4 r 2 9

5

6

79

Gewöhnliche Differentialgleichungen Arnfried Kemnitz

6.1

Gewöhnliche Differential-gleichungen n-ter Ordnung

Eine Differentialgleichung ist eine Gleichung, in der unabhängige Variablen, Funktionen und Ableitungen von Funktionen vorkommen.

y .n/ auflösen, dann heißt die aufgelöste Form

y .n/ D f x; y; y 0 ; y 00 ; : : : ; y .n1/ explizite Form der gewöhnlichen Differentialgleichung n-ter Ordnung. 7 Beispiele 1. 2yy 0  x D 0 (implizite Differentialgleichung 1. Ordnung) 2. y 0 D x 2 (explizite Differentialgleichung 1. Ordnung) 3. yy 0 C y 00 D 0 (implizite Differentialgleichung 2. Ordnung) 4. y 00 D y C y 0 (explizite Differentialgleichung 2. Ordnung) 5. y .5/ C y .3/ C y D sin x (implizite Differentialgleichung 5. Ordnung) 9

7 Beispiele 1. y 0 C 3x 2 y D 0 2. y 00  y 0 C xy D 4 Hierin ist x jeweils die unabhängige Variable und y D y.x/ die gesuchte Funktion. 9

Die Beispielgleichungen beschreiben jeweils eine gewöhnliche Differentialgleichung, da nur eine unabhängige Variable (nämlich x) auftritt. Treten in einer Differentialgleichung mehrere unabhängige Variablen und damit so genannte partielle Ableitungen auf, dann nennt man die Gleichung partielle Differentialgleichung. 7 Beispiel ux C uy D x C y Hierin sind x und y unabhängige Variablen und u.x; y/ die gesuchte Funktion. 9

Im Folgenden werden ausschließlich gewöhnliche Differentialgleichungen betrachtet. Eine Gleichung mit einer unabhängigen Variablen x, in der Ableitungen einer gesuchten Funktion y D y.x/ bis zur n-ten Ordnung auftreten, heißt gewöhnliche Differentialgleichung n-ter Ordnung. Eine solche Gleichung kann auch Ableitungen niedrigerer Ordnung und die Funktion y D y.x/ sowie die unabhängige Variable x und eine additive Konstante enthalten. Eine gewöhnliche Differentialgleichung n-ter Ordnung ist also eine Gleichung der Form

F x; y; y 0 ; y 00 ; : : : ; y .n1/ ; y .n/ D 0 Man nennt dies implizite Form der Differentialgleichung. Lässt sich diese Gleichung nach der höchsten Ableitung

6.2

Lösungen einer gewöhnlichen Differentialgleichung

Eine Funktion y D y.x/ heißt eine Lösung oder ein Integral der gewöhnlichen Differentialgleichung F .x; y; y 0 ; y 00 ; : : : ; y .n1/ ; y .n/ / D 0 oder y .n/ D f .x; y; y 0 ; y 00 ; : : : ; y .n1/ / in einem Intervall I der unabhängigen Variablen x, wenn y.x/ n-mal in dem Intervall I differenzierbar ist und die Funktion mit ihren Ableitungen die Differentialgleichung identisch erfüllt, also für alle x aus dem Intervall I richtig ist. 7 Beispiele 1. y 0 C 2xy D 0 hat auf R eine Lösung y D e x , denn 2 2 2 2 .e x /0 C 2xe x D 2xe x C 2xe x D 0 für alle reellen Zahlen x. 2. y 00 C y D 0 hat auf R eine Lösung y D sin x, denn .sin x/00 Csin x D  sin x Csin x D 0 für alle reellen Zahlen x. Weitere Lösungen der Differentialgleichung sind zum Beispiel y D cos x und y D 2 sin x  3 cos x. 9

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_6

2

80

6

Kapitel 6  Gewöhnliche Differentialgleichungen

Man nennt eine Lösung auch Integral einer gewöhnlichen Differentialgleichung, weil die Lösung mitunter durch (mehrmalige) unbestimmte Integration der Differentialgleichung bestimmt werden kann. Als Integration einer gewöhnlichen Differentialgleichung bezeichnet man deshalb die Bestimmung aller ihrer Lösungen. Bei den Lösungen einer gewöhnlichen Differentialgleichung wird zwischen allgemeiner und spezieller oder partikulärer Lösung unterschieden. Die allgemeine Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung n-ter Ordnung enthält n voneinander unabhängige Parameter (Integrationskonstanten). Eine spezielle oder partikuläre Lösung ergibt sich aus der allgemeinen Lösung dadurch, dass durch zusätzliche Bedingungen die n Parameter feste Werte annehmen. Diese zusätzlichen Bedingungen können etwa Anfangsbedingungen oder Randbedingungen sein. Die allgemeine Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung n-ter Ordnung ist also eine Kurvenschar mit n Parametern. Jede spezielle Wahl der Parameter ergibt eine spezielle oder partikuläre Lösung, also eine einzelne Lösungskurve aus der Kurvenschar. 7 Beispiel y 0 D 2x Die allgemeine Lösung dieser gewöhnlichen Differentialgleichung 1. Ordnung ergibt sich durch unbestimmte Integration zu Z Z y D y 0 dx D 2x dx D x 2 C C .C 2 R/ Die Lösungsfunktionen x 2 C C sind eine Schar von nach oben geöffneten Normalparabeln, deren Scheitelpunkte auf der x-Achse liegen (. Abb. 6.1). Durch jeden Punkt der Ebene verläuft genau eine Lösungskurve. So verläuft etwa durch den Nullpunkt des Koordinatensystems die Parabel mit der Gleichung y D x 2 (also C D 0). Alle anderen Parabeln der Lösungsschar y D x 2 C C gehen aus der Normalparabel durch Parallelverschiebung längs der y-Achse hervor. Der Parameter C legt also die Lage des Scheitelpunkts der Parabel auf der y-Achse fest. 9

6.3

Anfangswert- und Randwertprobleme

Um die Parameter (Integrationskonstanten) der allgemeinen Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung festlegen zu können, werden zusätzliche Informationen über die gesuchte Lösung benötigt. Zur Bestimmung der n Parameter der allgemeinen Lösung einer Gleichung n-ter Ordnung benötigt man n Bedingungen, die abhängig von ihrer Art Anfangsbedingungen oder Randbedingungen genannt werden.

y

7

5

3

1

0

−3

1

3

x

−3

. Abb. 6.1 Lösungsschar y D x 2 C C der gewöhnlichen Differentialgleichung y 0 D 2x

Anfangsbedingungen für eine gewöhnliche Differentialgleichung n-ter Ordnung sind n vorgeschriebene Werte für die Lösungsfunktion, nämlich der Funktionswert sowie die Werte der ersten n  1 Ableitungen an einer festen Stelle x0 , also y.x0 /, y 0 .x0 /, y 00 .x0 /, : : :, y .n1/ .x0 /. Solche Anfangsbedingungen (auch Anfangswerte genannt) führen zu n Bestimmungsgleichungen für die n Parameter C1 ; C2 ; : : : ; Cn der allgemeinen Lösung. Die Bestimmung dieser Parameter wird hierbei Anfangswertproblem oder Anfangswertaufgabe genannt. Randbedingungen für eine gewöhnliche Differentialgleichung n-ter Ordnung sind hingegen n vorgeschriebene Funktionswerte y.x1 /, y.x2 /, : : :, y.xn / für die Lösungsfunktion y.x/. Solche Randbedingungen (auch Randwerte genannt) führen ebenfalls zu n Bestimmungsgleichungen für die n Parameter C1 ; C2 ; : : : ; Cn der allgemeinen Lösung. Die Bestimmung dieser Parameter wird hierbei Randwertproblem oder Randwertaufgabe genannt. Es ist zu beachten, dass nicht jedes Randwertproblem lösbar ist oder dass im Falle der Existenz einer Lösung diese nicht eindeutig sein muss. Bei gewöhnlichen Differentialgleichungen 1. Ordnung ist sowohl bei Anfangswertproblemen als auch bei Randwertproblemen die spezielle Lösungskurve gesucht, die durch einen vorgegebenen Punkt P .xjy.x// verläuft. Bei gewöhnlichen Differentialgleichungen 2. Ordnung ist bei einem Anfangswertproblem die spezielle Lösungskurve gesucht, die durch einen vorgegebenen Punkt P .x0 jy.x0 // verläuft und dort die vorgegebene Steigung y 0 .x0 / D m besitzt. Bei einem Randwertproblem ist dagegen die spezielle Lösungskurve gesucht, die durch zwei vorgegebene Punkte P1 .x1 jy.x1 // und P2 .x2 jy.x2 // verläuft.

81 6.4  Explizite gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung

7 Beispiele

6.4

0

1. y D 2x, y.0/ D 2 Berechnung der allgemeinen Lösung: Z Z y D y 0 dx D 2x dx D x 2 C C .C 2 R/ Bestimmung des Parameters C :

Gesuchte spezielle Lösung: y D x2 C 2 2. Freier Fall: Wird ein Körper in einer gewissen Höhe losgelassen, dann bewegt er sich unter dem Einfluss der Schwerkraft senkrecht nach unten. Dieser Vorgang wird mathematisch durch eine Funktion s D s.t/ beschrieben, die angibt, welchen Weg s der Schwerpunkt des Körpers zur Zeit t zurückgelegt hat. Dabei interessieren außerdem die d s.t/ D sP und Beaktuelle Geschwindigkeit v.t/ D dt d schleunigung b.t/ D v.t/ D sR zu der Zeit t. dt Achtung: Bei der Beschreibung von Vorgängen, bei denen die unabhängige Variable die Zeit darstellt, nimmt man üblicherweise t und nicht x zur Bezeichnung dieser Variablen. Ableitungen werden dann nicht durch Striche, sondern durch Punkte beschrieben. Da in diesem Beispiel die Beschleunigung konstant ist, und zwar gleich der Erdbeschleunigung g, ergibt sich für die Weg-Zeit-Funktion s.t/ die gewöhnliche Differentialgleichung sR D g Hieraus folgt Z Z sP D sR dt D g dt D gt C C1 und damit die allgemeine Lösung Z Z s.t/ D sP dt D .gt C C1 / dt t2 C C1 t C C2 2

Lassen sich dabei die unabhängige Variable x und die abhängige Variable y trennen, so ergibt sich eine Gleichung der Form y 0 D g.x/h.y/ Eine solche Differentialgleichung heißt separabel, und sie lässt sich durch die Methode der Trennung der Variablen lösen. Dabei formt man die Gleichung so um, dass auf einer Seite des Gleichheitszeichens nur noch die Variable x und ihr Differential dx vorkommt und auf der anderen Seite des Gleichheitszeichens ausschließlich y und dy. Anschließend werden beide Seiten unbestimmt integriert. dy D g.x/h.y/ dx dy D g.x/ dx .h.y/ ¤ 0/ ) h.y/ Z Z dy ) D g.x/ dx h.y/

y0 D

7 Beispiel y 0 D 2y Trennung der Variablen und unbestimmte Integration beider Gleichungsseiten ergibt (für y 6D 0) y0 D

dy dy D 2y ) D 2 dx dx y Z Z dy D 2 dx ) y ) ln jyj D 2x C C

.C 2 R/

Exponenzieren ergibt .C 2 R/:

Nimmt man an, dass der Körper zu der Zeit t D 0 losgelassen wird, dann lauten die entsprechenden Anfangsbedingungen s.0/ D 0 und sP .0/ D v.0/ D 0. Aus der ersten Bedingung ergibt sich C2 D 0 und aus der zweiten C1 D 0. Somit erhält man die Lösung s.t/ D

Eine gewöhnliche Differentialgleichung 1. Ordnung in expliziter Form oder explizite gewöhnliche Differentialgleichung 1. Ordnung hat die Form y 0 D f .x; y/

y.0/ D 2 ) C D 2

Dg

Explizite gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung

1 2 gt : 2

Andere Anfangsbedingungen führen offenbar zu anderen Lösungen. 9

jyj D e 2xCC D e C e 2x ) y D ˙e C e 2x Da ˙e C mit C 2 R alle von Null verschiedenen reellen Zahlen durchläuft und da y D 0 eine weitere Lösung der Differentialgleichung ist, kann man die Gesamtheit der Lösungen darstellen in der Form y D De 2x

.D 2 R/ 9

In bestimmten Fällen ist es möglich, eine explizite gewöhnliche Differentialgleichung 1. Ordnung y 0 D f .x; y/

6

Kapitel 6  Gewöhnliche Differentialgleichungen

82

mit Hilfe einer geeigneten Substitution in eine separable Differentialgleichung zu überführen. Dieses ist zum Beispiel möglich, wenn die Ausgangsdifferentialgleichung die Form y 0 D f .ax C by C c/ hat. Wählt man in diesem Fall u D ax C by C c mit u D u.x/, so erhält man y 0 D f .u/ und durch Differentiation 0

0

u D a C by D a C bf .u/;

6

woraus sich durch Trennung der Variablen du D dx a C bf .u/ ergibt. Integration beider Seiten und anschließende Rücksubstitution sowie Auflösung nach y ergibt die Lösung der Ausgangsdifferentialgleichung.

Es treten dabei also zwei Funktionen f .x/ und g.x/ auf, wobei die Funktion g.x/ Störfunktion oder Störglied genannt wird. Ist g.x/ identisch gleich Null, so spricht man von einer homogenen linearen Differentialgleichung, andernfalls von einer inhomogenen. Linear bedeutet hierbei, dass in der Differentialgleichung y und y 0 nur in der 1. Potenz und auch nicht als Produkt auftreten. 7 Beispiele 1. y 0  3x 2 y C 2xy D 0 (homogene lineare Differentialgleichung 1. Ordnung) 2. xy 0  y D x 2 (inhomogene lineare Differentialgleichung 1. Ordnung) 3. y 0 C y cot x D cos x (inhomogene lineare Differentialgleichung 1. Ordnung) 9

Eine homogene lineare Differentialgleichung 1. Ordnung y 0 C f .x/y D 0

7 Beispiel y0 D x C y Die Substitution u D x C y ergibt u0 D 1 C y 0 D 1 C u, also Z Z du du D dx ) D dx 1Cu 1Cu ) ln j1 C uj D x C C Exponenzieren ergibt

lässt sich durch Trennung der Variablen lösen: y 0 C f .x/y D

dy C f .x/y D 0 dx

dy D f .x/ dx y Z Z dy ) D  f .x/ dx y

)

j1 C uj D e xCC D e C e x ) 1 C u D ˙e C e x

Hieraus ergibt sich Hieraus folgt wie im letzten Beispiel für die substituierte Gleichung die allgemeine Lösung

Z ln jyj D 

f .x/ dx C C;

1 C u D De ) u D De  1 .D 2 R/ x

x

Durch Rücksubstitution ergibt sich u D x C y D De x  1;

y D De 

woraus schließlich y D De x  x  1

woraus man durch Exponenzieren die allgemeine Lösung der homogenen linearen Differentialgleichung 1. Ordnung erhält:

.D 2 R/

als allgemeine Lösung der Ausgangsdifferentialgleichung y 0 D x C y folgt. 9

R

f .x/ dx

.D 2 R/

(D D ˙e C gesetzt und berücksichtigt, dass y D 0 eine weitere Lösung ist, was D D 0 entspricht; vergleiche die Beispiele im vorhergehenden Abschnitt). 7 Beispiel

6.5

Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung

Man nennt eine gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung linear, wenn sie darstellbar ist in der Form y 0 C f .x/y D g.x/

y 0  3x 2 y C 2xy D 0 Ausklammern von y und anschließende Trennung der Variablen ergibt y 0  3x 2 y C 2xy D y 0  .3x 2  2x/y D 0 )

dy D .3x 2  2x/ dx y

83 6.6  Variation der Konstanten

7 Beispiel

Durch Integration beider Seiten erhält man Z

Z

dy D y

.3x 2  2x/ dx ) ln jyj D x 3  x 2 C C;

Hieraus ergibt sich

woraus sich durch Exponenzieren die allgemeine Lösung dieser homogenen linearen Differentialgleichung 1. Ordnung ergibt: y D De x

xy 0  y D x 2

3 x 2

y0 

Die zugehörige homogene Differentialgleichung

.D 2 R/ 9

y0 

6.6

y D x: x

Variation der Konstanten

y D0 x

wird durch Trennung der Variablen gelöst:

Um die allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen Differentialgleichung 1. Ordnung y 0 C f .x/y D g.x/ zu bestimmen, gibt es verschiedene Ansätze. Eine Methode ist die so genannte Variation der Konstanten. Dabei wird zunächst die zugehörige homogene Differentialgleichung y 0 C f .x/y D 0 durch R Trennung der Variablen gelöst (siehe oben): y D De  f .x/ dx . Die Integrationskonstante D wird nun durch eine Funktion D.x/ ersetzt: y D D.x/e 

R

R

f .x/ dx

 D.x/f .x/e 

R

f .x/ dx

:

Einsetzen der Ausdrücke für y und y 0 in die Ausgangsgleichung y 0 C f .x/y D g.x/ ergibt D 0 .x/e 

R

f .x/ dx

 D.x/f .x/e 

C f .x/D.x/e 

R

f .x/ dx

R

R

f .x/ dx

D g.x/ ) D 0 .x/ D g.x/e

R

f .x/ dx

Setzt man diesen Ausdruck in den obigen Ansatz ein, so ergibt sich schließlich yD

R

g.x/e

Z

dy D y

f .x/ dx

Z

dx ) ln jyj D ln jxj C C x

.C 2 R/

und daraus schließlich durch Exponenzieren .D 2 R/

als allgemeine Lösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung. Zur Bestimmung der Lösung der inhomogenen Differentialgleichung wird die Methode der Variation der Konstanten angewandt. Es wird y D D.x/x gesetzt, woraus sich durch Differentiation mit Hilfe der Produktregel y 0 D D 0 .x/x C D.x/

D g.x/;

Durch Integration erhält man Z R D.x/ D g.x/e f .x/ dx dx C C:

Z

woraus sich durch Integration ergibt

f .x/ dx

und somit, da sich der zweite und der dritte Term auf der linken Seite vom Gleichheitszeichen gegenseitig aufheben, D 0 .x/e 

dy y dy dx y D  D0) D ; x dx x y x

y D Dx

f .x/ dx

Man versucht, durch passende Wahl von D.x/ eine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung zu finden. Dazu differenziert man diese Gleichung und erhält unter Verwendung von Produktregel und Kettenregel y 0 D D 0 .x/e 

y0 

 R dx C C e  f .x/ dx

als allgemeine Lösung der inhomogenen linearen Differentialgleichung 1. Ordnung.

ergibt. Setzt man sowohl y als auch y 0 in die inhomogene Differentialgleichung ein, so erhält man y0 

y D.x/x D D 0 .x/x C D.x/  D D 0 .x/x D x; x x

also D 0 .x/ D 1; woraus sich durch unbestimmte Integration D.x/ D x C C

.C 2 R/

ergibt. Somit lautet die allgemeine Lösung dieser inhomogenen linearen Differentialgleichung y D .x C C /x D x 2 C C x

.C 2 R/: 9

6

84

6.7

Kapitel 6  Gewöhnliche Differentialgleichungen

Bestimmung einer partikulären Lösung

Unbestimmte Integration ergibt Z

Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der allgemeinen Lösung einer inhomogenen linearen Differentialgleichung 1. Ordnung y 0 C f .x/y D g.x/ ergibt sich wie folgt. Zunächst berechnet man die allgemeine Lösung y D yh der zugehörigen homogenen Differentialgleichung y 0 C f .x/y D 0 und dann eine beliebige spezielle (partikuläre) Lösung yp der inhomogenen Differentialgleichung y 0 C f .x/y D g.x/. Dann ergibt sich die allgemeine Lösung der inhomogenen linearen Differentialgleichung als Summe von yh und yp :

6

y D yh C yp

R

Z cot x dx

) ln jyj D  ln j sin xj C C

.C 2 R/;

woraus man durch Exponenzieren die allgemeine Lösung yh der homogenen Differentialgleichung erhält: yh D

D sin x

.D 2 R/:

Zur Bestimmung einer partikulären Lösung yp wird der Ansatz yp D K sin x

Diese Methode lässt sich nicht nur auf lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung anwenden, sondern generell auf lineare Differentialgleichungen (beliebiger Ordnung). Die allgemeine Lösung y D yh der zugehörigen homogenen Differentialgleichung y 0 C f .x/y D 0 lässt sich durch Trennung der Variablen berechnen (siehe oben): yh D De 

dy D y

f .x/ dx

.D 2 R/

Der Ansatz zur Bestimmung einer partikulären Lösung hängt ganz wesentlich von der Funktion f .x/ und der Störfunktion g.x/ ab.

mit dem Parameter K gewählt. Durch Einsetzen von yp und yp0 D K cos x in die inhomogene Differentialgleichung erhält man yp0 C yp cot x D K cos x C K sin x cot x cos x D K cos x C K sin x sin x D K cos x C K cos x D 2K cos x D cos x Daraus ergibt sich K D yp D

7 Beispiel y 0 C y cot x D cos x

1 , und somit ist 2

1 sin x 2

y 0 C y cot x D 0

eine partikuläre Lösung der inhomogenen Differentialgleichung. Die allgemeine Lösung der inhomogenen linearen Differentialgleichung y 0 C y cot x D cos x lautet damit

wird wieder durch Trennung der Variablen gelöst:

y D yh C yp D

Die zugehörige homogene Differentialgleichung

y 0 C y cot x D

dy dy C y cot x D 0 ) D  cot x dx dx y

1 D C sin x sin x 2 E C sin2 x 2D C sin2 x D D 2 sin x 2 sin x

.E 2 R/: 9

85

Anhang Symbole und Bezeichnungsweisen

D ¤  <  > 

˙  n P

gleich ungleich ungefähr gleich kleiner als kleiner oder gleich größer als größer oder gleich sehr viel kleiner als sehr viel größer als proportional plus oder minus minus oder plus

N Z Q R C Z Q R

D a1 C a2 C a3 C . . . C an ; Summe über ak von k D 1 bis k D n kD1 ZC n Q D a1  a2  a3  . . .  an ; Produkt über ak von k D 1 ak bis kDn QC kD1 fa; b; cg Menge aus den Elementen a; b; c RC fxjE.x/g Menge aller x, die die Eigenschaft E.x/ haben 2 Element von P … nicht Element von  Teilmenge i ¿ leere Menge 1 [ Vereinigung von Mengen 1 \ Durchschnitt von Mengen jaj jM j Mächtigkeit der Menge M an A^B A und B p a A_B A oder B p n a :A nicht A (Negation von A) log ab A ) B aus A folgt B lg b A , B A und B sind äquivalent (gleichwertig) .a; b/ geordnetes Paar ln b .a; b; c/ geordnetes Tripel ak

k AB

parallel Gerade durch die Punkte A und B

ld b

AB

Strecke AB

Œa; b

jABj

Länge (Betrag) der Strecke AB

aE # » PQ

Vektor a

Vektor PQ # » jE aj; jPQj Länge des Vektors ähnlich Š kongruent

.a; b/ Œa; b/ .a; b

D f1; 2; 3; : : :g; Menge der natürlichen Zahlen D f: : :; 3; 2; 1; 0; 1; 2; 3; : : :g; Menge der ganzen Zahlen D f mn jm; n 2 Z; n ¤ 0g; Menge der rationalen Zahlen Menge der reellen Zahlen p D fz D a C bija, b 2 R, i D 1g; Menge der komplexen Zahlen D f: : :; 3; 2; 1; 1; 2; 3; : : :g D fxjx 2 Z; x ¤ 0g; Menge der ganzen Zahlen ohne die Null D f mn jm; n 2 Z g D fxjx 2 Q; x ¤ 0g; Menge der rationalen Zahlen ohne die Null D fxjx 2 R; x ¤ 0g; Menge der reellen Zahlen ohne die Null D N D f1; 2; 3; : : :g D fxjx 2 Z; x > 0g; Menge der positiven ganzen Zahlen D f mn jm; n 2 Ng D fxjx 2 Q; x > 0g; Menge der positiven rationalen Zahlen D fxjx 2 R; x > 0g; Menge der positiven reellen Zahlen D f2; 3; 5; 7; 11; 13; 17; 19; 23; 29; : : :g; Menge der Primzahlen p D 1; imaginäre Einheit unendlich (größer als jede reelle Zahl) minus unendlich (kleiner als jede reelle Zahl) Betrag oder Absolutbetrag einer Zahl a a hoch n, n-te Potenz von a Wurzel aus a n-te Wurzel aus a Logarithmus b zur Basis a dekadischer Logarithmus (Zehnerlogarithmus), Logarithmus zur Basis a D 10 natürlicher Logarithmus, Logarithmus zur Basis a D e D 2;71828182: : : binärer Logarithmus (Zweierlogarithmus), Logarithmus zur Basis a D 2 D fxjx 2 R und a  x  bg; abgeschlossenes beschränktes Intervall D fxjx 2 R und a < x < bg; offenes beschränktes Intervall D fxjx 2 R und a  x < bg; halboffenes beschränktes Intervall D fxjx 2 R und a < x  bg; halboffenes beschränktes Intervall

86

Anhang

Œa; 1/ .a; 1/ .1; a .1; a/ .1; 1/ .an / n P ak

D fxjx 2 R und x  ag; halboffenes Intervall, nach rechts unbeschränkt D fxjx 2 R und x > ag; offenes Intervall, nach rechts unbeschränkt D fxjx 2 R und x  ag; halboffenes Intervall, nach links unbeschränkt D fxjx 2 R und x < ag; offenes Intervall, nach links unbeschränkt D fxjx 2 Rg; offenes Intervall, nach links und nach rechts unbeschränkt D .a1 ; a2 ; a3 ; : : :/; Folge, Zahlenfolge endliche Reihe

kD1 1 P

ak

unendliche Reihe

kD1

lim an

n!1

Limes, Grenzwert der Folge (an )

lim f .x/

Grenzwert (Limes) der Funktion f .x/ für x gegen a lim f .x/ linksseitiger Grenzwert der Funktion x!a0 y D f .x/ an der Stelle x D a lim f .x/ rechtsseitiger Grenzwert der Funktion x!aC0 y D f .x/ an der Stelle x D a 0 f .x0 / Ableitung von f .x/ an der Stelle x D x0 df Ableitung von f .x/ an der Stelle x D x0 .x0 / dx f 0 .x/ Ableitung der Funktion f .x/ 00 f .x/ zweite Ableitung der Funktion f .x/ 000 f .x/ dritte Ableitung der Funktion f .x/ x!a

n-te Ableitung der Funktion f .x/ f .n/ .x/ R f .x/ dx unbestimmtes Integral der Funktion y D f .x/ Rb a f .x/ dx bestimmtes Integral der Funktion y D f .x/ von x D a bis x D b

Das griechische Alphabet Alpha

A

˛

Jota

I



Rho

P



Beta

B

ˇ

Kappa

K



Sigma

˙



Gamma



Lambda





Tau

T



Delta



ı

My

M



Ypsilon





Epsilon

E



Ny

N



Phi

˚

'

Zeta

Z



Xi





Chi

X



Eta

H



Omikron

O

o

Psi



Theta



#

Pi

˘



Omega

˝

!

87

Naturwissenschaftliche Grundlagen Inhaltsverzeichnis Kapitel 7

Physik – 89 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 8

Chemie – 135 Peter Kurzweil

II

89

Physik Gert Böge und Wolfgang Böge

Aufgabe der Physik ist es, die in ihrem Bereich auftretenden Naturvorgänge durch Beobachtungen und Versuche auf eindeutige Weise zu beschreiben, vorhandene Gesetzmäßigkeiten zu erfassen und – darauf aufbauend – neue Gesetze zu finden. Die naturwissenschaftlichen Gesetze werden mathematisch formuliert. Die Physik wird gegliedert in die Bereiche 4 Mechanik (siehe Teil III), 4 Thermodynamik (siehe Teil V), 4 Elektrizitätslehre (siehe Teil VI), 4 Akustik, 4 Optik, 4 Wellen, 4 Schwingungen, 4 Atomphysik.

Physikalische Größen und Einheiten

7.1 7.1.1

Physikalische Größen

Eine physikalische Größe macht quantitative und qualitative Aussagen über eine messbare Äußerung eines physikalischen Zustands oder Vorgangs. Sie ist formal das Produkt aus einer Maßzahl und einer Einheit.

2Begriffserklärung quantitativ – auf eine Menge bezogen qualitativ – auf die Art der Größe bezogen. Größenarten sind z. B. Länge, Masse oder Zeit messbare Äußerung – z. B. die Form eines Körpers (Ausdehnung), die Masse eines Körpers, die Trägheit (das Beharrungsvermögen), der Wärmeinhalt, die Geschwindigkeit, die Beschleunigung eines bewegten Körpers.

Eine physikalische Größe ist das Produkt aus einem Zahlenwert und einer Einheit. physikalische Größe D Zahlenwert  Einheit Weg s D 5 m

7.1.2

Dimension einer Größe

Die Dimension einer Größe kennzeichnet ihre Beziehung zu den Basisgrößen. Sie wird aus der Definitionsgleichung gewonnen und danach als Potenzprodukt der Basisgröße geschrieben.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Dimension die Abmessung oder Ausdehnung eines Gegenstands verstanden. So spricht man in der Festigkeitslehre vom „Dimensionieren“ eines Bauteils d. h. vom Festlegen seiner Abmessungen. In der Geometrie kennzeichnet die Dimension die Richtungsangabe eines Gebildes (Länge, Breite, Höhe). Danach ist eine Länge eindimensional (l1 ), sie hat eine Dimension; eine Fläche ist zweidimensional (l2 ), sie hat zwei Dimensionen; ein Raum ist dreidimensional (l3 ), er hat drei Dimensionen. Ein Punkt ist demnach nulldimensional, er hat keine Ausdehnung, er ist dimensionslos. Gegenüber den drei Dimensionen der euklidischen Geometrie behandelt die nichteuklidische Geometrie auch Ausdrücke mit vier, fünf usw., allgemein n-Dimensionen. In der Physik und Technik wird der Begriff Dimension allgemein gedeutet. Die Dimension einer Größe wird aus ihrer Definitionsgleichung (als Größengleichung geschrieben) entwickelt, wobei man etwaige Zahlenfaktoren (z. B.  ) weglässt und auf der rechten Gleichungsseite für jede Größe deren Basisgröße einsetzt. Diese schreibt man als Potenzprodukt. 7 Beispiel Die Dimension der physikalischen Größe Geschwindigkeit v ergibt sich aus der Definitionsgleichung v D s=t. Da in der Mechanik mit den Basisgrößen Masse m, Länge l und Zeit t gearbeitet wird, ergibt sich die Dimension von v aus: Definitionsgleichung für vW s vD t

Dimensionsgleichung für vW dim v D

dim s Länge l D D lt 1 dim t Zeit t

Die Dimension der physikalischen Größe Geschwindigkeit ist demnach „Länge mal Zeit hoch minus eins“.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_7

7

90

Kapitel 7  Physik

Die Dimension der Geschwindigkeit v kann aber auch aus jeder anderen Größengleichung gewonnen werden, in der v enthalten ist, z. B.: Definitionsgleichung für vW p v D 2gh

Dimensionsgleichung für vW p dim v D dim g  dim h p dim v D lt 2  l D lt 1 .wie oben/

Bereits bekannte Dimensionen werden entsprechend eingesetzt, wie hier die Dimension der Fallbeschleunigung g: dim g D Länge l  Zeit t2 D l t2 :

7

7.1.3

Die Größenart kennzeichnet physikalische Größen, die in Einheiten gleicher Art gemessen werden. Zum Beispiel gehören zur Größenart Länge die Größen Weg s, Kantenlänge l, Verlängerung l. Die Bezeichnung Größenart erfasst den qualitativen Wesensinhalt eines bestimmten physikalischen Begriffs. In der Bezeichnung Größe ist darüber hinaus noch eine quantitative Ausdehnung enthalten. Größen gleicher Größenart werden in Einheiten gleicher Art gemessen. 7 Beispiele

Diese ergibt sich ebenfalls aus der Definitionsgleichung für g: Geschwindigkeitsänderung v Fallbeschleunigung g D zugehöriger Zeitabschnitt t l 1 dim g D  D l t 1  t 1 D l t 2 9 t t

Einheiten sind physikalische Größen und haben daher wie alle anderen Größen ebenfalls eine Dimension. Meter, Millimeter, Zentimeter bezeichnen „Längen“, sie haben also die Dimension l einer Länge. Dagegen ist es falsch, die Einheiten selbst als Dimensionen zu bezeichnen. Ein Meter ist etwas anderes als ein Kilometer, beide haben jedoch die Dimension l (Länge). Die „Dimension“ der Geschwindigkeit ist also nicht „Meter durch Sekunde“ (das ist eine Einheit), sondern l t1 . Dimensionslose Größen gibt es in der Physik nicht. Kürzen sich die Exponenten der Basis in einer Dimensionsbetrachtung zu null, hat die Größe die Dimension eins, wie im folgenden Beispiel gezeigt wird:

Die Größen der Größenart Länge haben Längeneinheiten (Meter, Zentimeter, Millimeter), Größen der Größenart Zeit haben Zeiteinheiten (Stunde h, Minute min, Sekunde s). 9

7.1.4

Skalare und Vektoren

Skalare Größen (nicht gerichtete Größen) – kurz Skalare1 – werden allein durch die Angabe ihres Betrags vollständig bestimmt (Teil I, 7 Abschn. 4.6.1). 7 Beispiele Masse m in kg, Temperatur T in ı C, Arbeit W in N m, Leistung P in W, Dichte  in kg=dm3 9

Vektorielle Größen (gerichtete Größen) – kurz Vektoren2 – erfordern neben der Angabe des Betrags die Festlegung einer Richtung (Teil I, 7 Abschn. 4.6.1). 7 Beispiele

7 Beispiel

Kraft F in N, Weg s in m, Geschwindigkeit v in m=s, Beschleunigung a in m=s2 , Drehmoment M in N m, Gewichtskraft F G , elektrische Feldstärke E in V=m 9

In der Festigkeitslehre gibt es die Größe Dehnung " (Teil III, 7 Abschn. 11.1.4). Sie ist definiert als Dehnung " D

Größenarten

Längenänderung l Ursprungslänge l0

Damit ergeben sich die Definitions- und Dimensionsgleichungen: Definitionsgleichung für "W l "D l0

Dimensionsgleichung für "W dim l dim " D dim l0 l dim " D D t 1 t 1 D 1 l

Die Dehnung besitzt also die Dimension „eins“. Größen der Dimension eins werden als Verhältnisgrößen bezeichnet. Auch die Einheiten solcher Verhältnisgrößen ergeben gekürzt den Wert eins. 9

Soll die Vektoreigenschaft, d. h. der Richtungssinn der physikalischen Größe, hervorgehoben werden, schreibt man ihr Formelzeichen in Frakturbuchstaben oder bringt einen Pfeil über dem Formelzeichen an. 7.1.5

Einheiten

Einheitsgrößen – kurz Einheiten – dienen der Messung physikalischer Größen. Sie sind Vergleichsgrößen mit einem ganz bestimmten Betrag und haben die gleiche Art

1 2

von lat. scala ! Leiter von lat. vehere, vectus ! bewegen, bewegt

91 7.1  Physikalische Größen und Einheiten

wie die zu messende Größe. Der Betrag der Einheit ist so festgelegt, dass er jederzeit wieder reproduziert werden kann.

Zur Verständigung über die Grenzen des persönlichen Bereichs hinaus ist es notwendig, alle in der Physik und Technik verwendeten Einheiten auf internationaler Ebene gesetzlich festzulegen, und zwar so, dass ihre genaue Reproduktion an beliebigen Orten möglich ist. In Deutschland beschäftigt sich der „Ausschuss für Einheiten und Formelzeichen (AEF) im Deutschen Normenausschuss“ mit der Festlegung der Einheiten und ihrer Kennzeichnung. Die gesetzliche Grundlage gibt das 1970 in Kraft getretene und 1985 neu gefasste „Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (Einheiten- und Zeitgesetz – EinhZeitG)“. Als Kurzzeichen für die Einheiten sind bestimmte Buchstaben eingeführt (DIN 1301), meistens die Anfangsbuchstaben der Einheitennamen. Werden die Namen der Einheiten von Eigennamen hergeleitet, sollen die Kurzzeichen groß geschrieben werden, z. B. für die Krafteinheit Newton „N“ oder für die Leistungseinheit Watt „W“. Wichtig ist die Erkenntnis, dass es viele Längeneinheiten, viele Zeiteinheiten, viele Masseeinheiten usw. gibt, z. B. Meter, Zentimeter, Millimeter als Längeneinheiten oder Sekunde, Minute, Stunde als Zeiteinheiten. Es ist deshalb nicht korrekt, von der Längeneinheit, der Zeiteinheit, der Masseeinheit zu sprechen, vielmehr ist zu sagen: eine Zeiteinheit ist die Sekunde, eine andere z. B. die Minute. Richtig ist dagegen die Bezeichnung gesetzlich festgelegte Einheit für z. B. Meter, Sekunde, Kilogramm. Welche der Einheiten verwendet wird, ist eine Frage der Gewohnheit oder Zweckmäßigkeit. Die Entfernung zweier Städte wird man nicht in Millimeter, sondern in Kilometer angeben. Die Geschwindigkeit eines Autos gibt man nicht in Zentimeter je Minute, sondern gewohnheitsmäßig in Kilometer je Stunde an. Alle Einheiten gleicher Art lassen sich exakt ineinander umrechnen, also z. B. mm in km oder cm=min in km=h usw.

7.1.6

Basisgrößen und Basiseinheiten

Basisgrößen wurden willkürlich festgelegt. Einschränkung: Keine der gewählten Basisgrößen darf die übrigen Größen definierbar sein. Es gibt 7 Basisgrößen mit 7 Basiseinheiten (. Tab. 7.1). 2Definitionen der Basisgrößen

Basiseinheiten sind die Einheiten der Basisgrößen. Wie diese lassen sie sich nicht durch andere Einheiten definieren, sondern werden selbst zur Festlegung von Einheiten benutzt. Diese Einheiten heißen auch SI – Einheiten, weil

. Tabelle 7.1 Basisgrößen und zugehörige Basiseinheiten Basisgröße

Basiseinheit

Länge l

Meter m

Masse m

Kilogramm kg

Zeit t

Sekunde s

thermodynamische Temperatur T

Kelvin K

elektrische Stromstärke I

Ampere A

Lichtstärke I v

Candela cd

Stoffmenge n

Mol

sie Einheiten des sogenannten Internationalen Einheitensystems sind (Système international d’Unités).

Definition Meter m 1 Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Dauer von 1=299:792:458 Sekunden durchläuft (2005). Das Meter – Kurzzeichen m – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße Länge.

Gebräuchliche Teile und Vielfache des Meters: 1 Dezimeter (dm) D 101 m 1 Millimeter (mm) D 102 m 1 Mikrometer (µm) D 106 m 1 Nanometer (nm) D 109 m 1 Dekameter (dam) D 101 m 1 Hektometer (hm) D 102 m 1 Kilometer (km) D 103 m 1 Megameter (Mm) D 106 m Weitere dekadische Teile und Vielfache des Meters siehe . Tab. 7.9.

Definition Masse kg 1 Kilogramm ist die Masse des internationalen Kilogrammprototyps und entspricht etwa der Masse eines Kubikdezimeters Wasser (1 dm3 D 103 cm3 ) bei einer Temperatur von 4 ı Celsius.

Das Kilogramm – Kurzzeichen kg – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße Masse. Dekadische Teile und Vielfache werden nicht vom Kilogramm, sondern vom aus Gramm gebildet.

7

92

Kapitel 7  Physik

Gebräuchliche Teile und Vielfache des Kilogramms: von 1 Meter voneinander angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem kreisförmigem Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern je 1 Meter Leiterlänge die Kraft 2  107 Newton hervorruft. 1 Ampere entspricht einem Fluss von 1 Coulomb pro Sekunde durch den Leiterquerschnitt.

1 Gramm (g) D 103 kg 1 Milligramm (mg) D 106 kg D 103 g 1 Mikrogramm (µg) D 109 kg D 106 g 1 Megagramm (Mg) D 103 kg D 106 g D 1 Tonne .t/ Weitere dekadische Teile und Vielfache siehe . Tab. 7.9.

Definition Sekunde s

7

1 Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133 Cs entsprechenden Strahlung. Die Sekunde – Kurzzeichen s – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße Zeit.

Das Ampere – Kurzzeichen A – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße Stromstärke.

Definition Candela3 cd 1 Candela ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle, die monochromatische Strahlung der Frequenz 540  1012 Hertz aussendet und deren 1 W (Watt=Steradiant) Strahlstärke in dieser Richtung 683 sr beträgt.

Gebräuchliche Vielfache der Sekunde: 1 Minute (min) D 60 Sekunden 1 Stunde (h) D 60 Minuten D 3600 Sekunden 1 Tag (d) D 24 Stunden D 1440 Minuten D 86.400 Sekunden

Die Candela – Kurzzeichen cd – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße Lichtstärke.

Dekadische Teile der Sekunde siehe . Tab. 7.9. Definition des Mol n 1 Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso vielen Einzelteilchen besteht, wie Atome in 12 Gramm des Kohlenstoffnuklids 12 C enthalten sind. Bei Benutzung des Mol müssen die Einzelteilchen spezifiziert sein und können Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen sowie andere Teilchen oder Gruppen solcher Teilchen genau angegebener Zusammensetzung sein.

Definition Kelvin K 1 Kelvin ist der 273,16-te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunkts des Wassers. Am Tripelpunkt hat Wasser immer dieselbe Temperatur und denselben Druck. Diese Definition bezieht sich auf Wasser, deren Isotopenzusammensetzung durch folgende Stoffmengenverhältnisse definiert ist: 0,00015576 Mol 2 H pro Mol 1 H, 0,0003799 Mol 17 O pro Mol 16 O und 0,0020052 Mol 18 O pro Mol 6 O.

Das Kelvin – Kurzzeichen K – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße thermodynamische Temperatur. Neben Deutschland gilt auch in Österreich, der Schweiz sowie in anderen europäischen Ländern das Grad Celsius (ı C) als gesetzliche Einheit für die Angabe von Celsius-Temperaturen und deren Differenzen. Dabei entsprechen 0 °C umgerechnet 273,15 K.

Definition Ampere A 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderten Stroms, der, durch zwei im Vakuum parallel im Abstand

Das Mol – Kurzzeichen n – ist die gesetzliche deutsche und internationale Basiseinheit zum Messen der Basisgröße Stoffmenge.

7.1.7

Abgeleitete Größen und abgeleitete Einheiten

Die meisten physikalischen Größen sind über wenige Basisgrößen definierbar. Sie werden deshalb abgeleitete Größen genannt. Abgeleitete Größen entstehen durch 4 beliebige Definitionen 4 Naturgesetze 3

von lat. Candela ! Kerze

93 7.1  Physikalische Größen und Einheiten

Beliebige Definitionen wie die Geschwindigkeit v, das Drehmoment M, die Leistung P sind Rechengrößen, deren Zweckmäßigkeit anerkannt wurde. Naturgesetze erfährt man durch Versuche. Beispielsweise findet man die Proportion Spannung Dehnung ". Um daraus eine Rechenvorschrift (Formel, Gleichung) zu erhalten, wird ein Proportionalitätsfaktor entwickelt. In diesem Fall ist das der Elastizitätsmodul E. Damit ergibt sich die Formel D " E. 7 Beispiele Willkürliche Definitionen

Naturgesetze

s Geschwindigkeit v D t

Kraft F D ma

Leistung F v

Fallhöhe h D

Beschleunigung a D

v t

Drehmoment M D F l

7.1.7.1

1 2 gt 2

Spannung D "E Gaskonstante R D

pv T

Geschwindigkeit

Definition der Geschwindigkeit Die Geschwindigkeit v eines Körpers ist der Quotient aus dem Wegabschnitt s und dem zugehörigen Zeitabschnitt t. Die Geschwindigkeit ist ein Vektor.

Definitionsgleichung Wegabschnitt s Zeitabschnitt t v s s vD m t m s

Geschwindigkeit v D

t s

Dimensionsgleichung Die Dimension der Geschwindigkeit v ist die Basisgrößenart Länge l, dividiert durch die Basisgrößenart Zeit t: dim v D

l dim s D D l t 1 dim t t

9

Gebräuchliche Einheiten für v:

m km m cm , , , s h min s

für s: m, km, cm für t: s, h, min Ist die Bewegung des Körpers gleichförmig, seine Geschwindigkeit v also gleich bleibend (konstant), kann der Zeitabschnitt t beliebig groß gewählt werden (Minuten, Stunden, Tage). Wird vom Wegabschnitt s oder vom Zeitabschnitt t gesprochen, kennzeichnet der griechische Buchstabe Delta () die Differenz zweier Wege oder Zeiten: s D s2  s1 oder t D t2  t1 . Dabei können s und t beliebig klein werden. In der Technik und der Physik ist mit dieser Schreibweise die Vorstellung sehr kleiner Beträge der Wege, Zeiten usw. verbunden. Ist die Bewegung eines Körpers ungleichförmig, ändert sich seine Geschwindigkeit auch während eines kleinen Zeitabschnitts t unter Umständen erheblich. Ein anfahrendes Fahrzeug z. B. ändert seine Geschwindigkeit fortwährend. Nach der obigen Definitionsgleichung ist v dann die Durchschnittsgeschwindigkeit des Körpers (auch mittlere Geschwindigkeit genannt). Ein (gedachter) zweiter Körper würde mit dieser Durchschnittsgeschwindigkeit in der gleichen Zeit denselben Weg zurückgelegt haben wie der ungleichförmig bewegte Körper. Zur genaueren Begriffsbestimmung der Momentangeschwindigkeit muss dann der Zeitabschnitt sehr klein gewählt werden. Als Kennzeichen für etwas sehr Kleines wird der Buchstabe „d“ benutzt. Im Zeitabschnitt dt legt der Körper das sehr kleine Wegstück ds zurück, sodass sich seine Geschwindigkeit während dt kaum ändert. Die Geschwindigkeit kann damit in jedem Augenblick genau bestimmt werden, wenn nur der Zeitabschnitt dt klein genug wird. Die unbeschränkt gültige Definitionsgleichung für die Geschwindigkeit v lautet demnach: v D ds=dt. In der Mathematik werden ds und dt als „Differenziale“ bezeichnet und Ausdrücke der Form ds=dt (sprich: de es nach de te) als Differenzialquotient oder Ableitung. Bei s=t spricht man vom Differenzenquotienten. 7.1.7.2

Beschleunigung

Definition der Beschleunigung

Formelzeichen v Abkürzung von velocitas (lat. Schnelligkeit) s Abkürzung von spatium (lat. Entfernung, Weg) t Abkürzung von tempus (lat. Zeit)

Die Beschleunigung a eines Körpers ist der Quotient aus der Geschwindigkeitsänderung v und dem zugehörigen Zeitabschnitt t. Die Beschleunigung ist ein Vektor.

7

94

Kapitel 7  Physik

Definitionsgleichung Geschwindigkeitsänderung v Zeitabschnitt t a v t v aD m m t s s2 s

Beschleunigung a D

Dimensionsgleichung Die Dimension der Beschleunigung a ergibt sich aus den Dimensionen von Geschwindigkeit und Zeit:

7

dim a D

l t 1 dim v D D l t 2 dim t t

Jeder Wechsel vom Zustand der Ruhe in den Bewegungszustand ist ein Beschleunigungsvorgang und setzt als Ursache einen äußeren Zwang – eine äußere Kraftwirkung – auf den Körper voraus. Wird ein beschleunigter Körper z. B. durch die Reibung abgebremst, kann er wieder in den Ruhezustand zurückkehren: Der Körper wird verzögert. Die Verzögerung ist vorstellbar als Umkehrung der Beschleunigung. Man spricht deshalb von „negativer Beschleunigung“ oder von einer „Beschleunigung mit umgekehrtem Vorzeichen (a). Alles, was für die Beschleunigung gültig ist, gilt sinngemäß (d. h. mit umgekehrtem Vorzeichen oder mit entgegengesetztem Richtungssinn) auch für die Verzögerung eines Körpers. Alle Bewegungsvorgänge, bei denen ein Körper auf geradliniger Bahn beschleunigt oder verzögert wird, heißen ungleichförmig. Ist dabei die Beschleunigung konstant, spricht man von gleichmäßig beschleunigter (oder verzögerter) Bewegung, sonst von ungleichmäßiger Bewegung. Kennzeichen der ungleichförmigen Bewegung ist die Änderung des im Betrachtungsaugenblick vorliegenden Bewegungszustands; bei geradliniger Bahn also die Änderung der Geschwindigkeit, genauer des Betrags der Geschwindigkeit: Der Betrag wird in jedem Augenblick größer oder kleiner. Bewegt sich ein Körperpunkt auf beliebiger Bahn in der Ebene, entsteht die Beschleunigung entweder durch eine Änderung des Betrags der Geschwindigkeit (z. B. von v1 D 10 m=s auf v2 D 18 m=s), durch eine Änderung der Richtung der Geschwindigkeit oder auch durch beides. Die Geschwindigkeit v ist ein Vektor und durch Betrag und Richtung bestimmt. (Anfahren oder Bremsen eines Fahrzeugs und Kurvenfahrt.). Die allgemeinste Bewegung eines Körpers soll in die technisch wichtigen zwei Sonderfälle aufgeschlüsselt werden: Bewegung auf gerader Bahn und Kreisbewegung mit konstanter Umfangsgeschwindigkeit

1. Bei Bewegungen auf geradliniger Bahn, z. B. beim Arbeits- oder Rückhub von Stoßmaschinen, ist die Richtung des Geschwindigkeitsvektors unverändert, sie liegt immer parallel zur Bahn. Die Beschleunigung (Verzögerung) kommt dann allein durch die Änderung des Betrags (der Größe) der Geschwindigkeit zustande. Der Beschleunigungsvektor ist zum Geschwindigkeitsvektor parallel oder antiparallel gerichtet.

Bei geradliniger Bahn ist die Beschleunigung a ein Maß für die zeitliche Änderung des Geschwindigkeitsbetrags.

Während einer kurzen Zeitspanne dt erhält die Geschwindigkeit v einen kleinen Zuwachs dv. Damit kann die Beschleunigung unbeschränkt gültig definiert werden als Differenzialquotient dv=dt. aD

dv dt

.gilt immer/

Ändert sich bei einem Beschleunigungsvorgang die Geschwindigkeit v gleichmäßig, d. h. es ist die Beschleunigung a D konstant, dann ist es gleichgültig, wie groß der Zeitabschnitt t gewählt wird: aD

v t

.gilt nur bei a D konstant/

Ein solcher Fall liegt beim freien Fall der Körper im luftleeren Raum vor. Hierbei werden alle Körper mit der Fallbeschleunigung g D 9;81 m=s2 von der Erde angezogen. Damit wird die erreichte Endgeschwindigkeit ve eines frei fallenden Körpers: ve D g t. 2. Bei gleichförmiger Bewegung eines Körperpunkts auf der Kreisbahn bleibt der Betrag der Geschwindigkeit derselbe, im Gegensatz zur ungleichförmigen Bewegung auf geradliniger Bahn. Die Beschleunigung kommt allein durch die Änderung der Richtung der Geschwindigkeit zustande. Da der Körperpunkt K in jedem Moment mit der Umfangsgeschwindigkeit v in tangentialer Richtung die Kreisbahn verlassen will, muss er durch einen äußeren Zwang in jedem Augenblick zum Mittelpunkt der Kreisbahn hin beschleunigt werden (Hammerwerfer). Die Geschwindigkeit v ändert demnach bei der gleichförmigen Bewegung auf der Kreisbahn ständig ihre Richtung, genauso wie die Tangente T an der Kreisbahn (. Abb. 7.1). Damit diese fortwährende Richtungsänderung möglich ist, muss die Beschleunigung immer rechtwinklig zur momentanen Bewegungsrichtung des Körpers erfolgen. Man spricht dann von einer Normalbeschleunigung an oder – weil sie zum Zentrum des Kreises hin gerichtet ist – von der Zentripetalbeschleunigung az :

95 7.1  Physikalische Größen und Einheiten

. Abb. 7.1 Beschleunigung bei gleichförmigem Umlauf auf einer Kreisbahn und bei beliebiger krummliniger Bewegung

Die Zentripetalbeschleunigung az ist ein Maß für die zeitliche Änderung der Geschwindigkeitsrichtung.

Der Betrag dieser Beschleunigung ergibt sich aus der Zentripetalbeschleunigung

einheiten eingesetzt werden, sodass sich z. B. als Einheit der Dichte g=cm3 ergibt. Wie die Masse m ist auch die Dichte  unabhängig von der Zeit und dem Ort der Messung. Werte für die Dichte  (Stoffauswahl) Feste Stoffe

Dichte  in kg=dm3

Aluminium

2,7

Beton

1,8 . . . 2,2

Blei

11,3

Eisen

7,87

Gold

19,3

Gusseisen

7,25

Kupfer

8,96

Magnesium

1,8

Molybdän

10,22

Nickel

8,91

Platin

21,5

Stahl

7,9

Flüssige Stoffe

Dichte  in kg=dm3

Definition der Dichte

Benzin

0,72 . . . 0,75

Die Dichte  eines Körpers ist der Quotient aus seiner Masse m und seinem Volumen V.

Dieselkraftstoff

0,81 . . . 0,85

Maschinenöl

0,92

Petroleum

0,76 . . . 0,86

Wasser, destilliert

1,00

Gasförmige Stoffe

Dichte  in kg=dm3

v2 r mit ! als Winkelgeschwindigkeit und r als Radius der Kreisbahn. az D r! 2 D

Bei beliebig ablaufender Bewegung des Körperpunkts K tritt sowohl eine Normalbeschleunigung an als auch eine Tangentialbeschleunigung at auf. Geschwindigkeit v und resultierende Beschleunigung a schließen dann den Winkel ˛ ein (. Abb. 7.1). Die gebräuchlichste Einheit der Beschleunigung ist „Meter pro Sekunde-Quadrat“ oder „Meter pro Quadratsekunde“. Das ist erkennbar aus der Definitionsgleichung für die Beschleunigung a D v=t, wenn die Geschwindigkeit in m=s und die Zeit in s eingesetzt werden. 7.1.7.3

Dichte

Definitionsgleichung Masse m Volumen V  m D kg V m3

Dichte  D

m

V

Acetylen

1,17

kg

m3

Kohlenoxid

1,25

Luft

1,294

Sauerstoff

1,43

Wasserstoff

0,09

Außer der Masseeinheit kg und der Volumeneinheit m3 können auch alle anderen zulässigen Masse- und Volumen-

7

96

Kapitel 7  Physik

7.1.7.4

Gewichtskraft

Definition der Gewichtskraft Die Gewichtskraft F G eines Körpers ist diejenige Kraft, mit der ein Körper von der Erde angezogen wird. Oder: Die Gewichtskraft F G eines Körpers ist eine physikalische Größe von der Art einer Kraft. F G muss also in Krafteinheiten angegeben werden. F G ist diejenige Kraft, die sich als Produkt aus der Körpermasse m und der an seinem Ort herrschenden Fallbeschleunigung g ergibt: F G D m g.

7

Definitionsgleichung für die Gewichtskraft Gewichtskraft F G des Körpers D Masse m des Körpers  Fallbeschleunigung g

FG D m  g

FG kg m s2

m

g m s2

kg

1

kg m D 1N s2

Die Gewichtskraft F G ist eine der wichtigsten Größenarten in der Technik. Eine klare Vorstellung vom Wesen der Gewichtskraft eines Körpers vermitteln das dynamische Grundgesetz F D m a und die Erkenntnis, dass alle Massen sich gegenseitig anziehen (siehe Gravitation). Also zieht auch die Masse der Erde jede andere Masse an. Diese Anziehungskraft (Schwerkraft) heißt Gewichtskraft F G des Körpers. Ein frei beweglicher Körper im „Schwerefeld“ der Erde wird demnach durch die Gewichtskraft F G beschleunigt mit der Fallbeschleunigung g. Da diese nicht an jedem Ort der Erde gleich groß ist, kann auch die Gewichtskraft ein und desselben Körpers nicht überall die gleiche sein. Die Abweichungen sind zwar für die meisten Fälle in der Praxis bedeutungslos, für die wissenschaftliche Erkenntnis jedoch zu beachten. Der Betrag der Fallbeschleunigung g hat z. B. auf einer geographischen Breite von 45ı auf Meeresniveau einen Wert von 9;80629 m=s2 und nimmt mit zunehmender Höhe und, wegen der Abplattung der Erde von den Polen, zum Äquator hin ab. Der Betrag der Gewichtskraft F G eines Körpers ändert sich deshalb in gleicher Weise. Normgewichtskraft F Gn ist diejenige Gewichtskraft, die der Körper unter dem Einfluss einer ganz bestimmten Fallbeschleunigung – der sogenannten Normfallbeschleunigung gn – besitzt: NormgewichtsMasse NormfallD  kraft des Körpers des Körpers beschleunigung FGn

D

m



gn

Als Normfallbeschleunigung gn wurde festgelegt: gn D 9;80665 m=s2 . Da die Fallbeschleunigung g auf anderen Planeten größer (Planet Jupiter) oder kleiner (Mond) sein kann als auf der Erde, ist die Gewichtskraft F G eines Körpers dort auch größer oder kleiner. Sie beträgt auf dem Mond infolge der dort viel geringeren Fallbeschleunigung (ca. 1;7 m=s2 ) ca. 1=6 der „Erdgewichtskraft“. Hier wird der Unterschied zwischen den beiden physikalischen Größen „Masse“ und „Gewichtskraft“ eines Körpers besonders deutlich: Während die Masse m eines Körpers unabhängig vom Ort überall die gleiche bleibt, ändert sich seine Gewichtskraft F G je nach dem Ort und der dort herrschenden Fallbeschleunigung. Die Anziehungskraft der Erde (und anderer Planeten) wirkt immer, gleichgültig ob der Körper ruht oder sich in irgendeiner Weise bewegt. Also kann man die Gewichtskraft F G als diejenige Kraft bezeichnen, mit der der Körper auf seine Unterlage gedrückt wird oder die er auf seine Unterlage ausübt. Flüssigkeiten und Gase (z. B. Wasser und Luft) verringern die Gewichtskraft. Diese Kraftwirkung des umgebenden Mittels heißt Auftrieb. Er ist jedoch in Luft so gering (im Gegensatz zum Auftrieb in Wasser), dass er in allen praktischen Fällen vernachlässigt werden kann. Es ist nur nötig zu erkennen, dass er vernachlässigt wird. Da die Gewichtskraft F G zur Größenart Kraft gehört, muss sie auch in definierten Krafteinheiten gemessen werden. Aus dem dynamischen Grundgesetz wurde das Newton (N) D kg m=s2 als Krafteinheit hergeleitet. Beträgt z. B. die Masse m eines Körpers 12 Kilogramm (m D 12 kg), wird seine Normgewichtskraft F Gn (mit gn D 9;80665 m=s2 gerechnet): FGn D 12 kg  9;80665 FGn D 117;7

m s2

kg m D 117;7 N s2

Der Körper mit der Masse m D 12 kg wird also an einem Ort mit der Fallbeschleunigung gn D 9;80665 m=s2 mit einer Normgewichtskraft F Gn von rund 118 N auf seine Unterlage gedrückt.

7.1.8

Größengleichungen

Physikalische Gesetzmäßigkeiten werden in Formeln ausgedrückt und enthalten neben den Formelzeichen für die Größen nur solche Zahlenfaktoren (z. B.  ), die durch mathematische Operationen (z. B. differenzieren oder integrieren) entstanden sind. Daher sind Größengleichungen von der Wahl der Einheiten unabhängig. Dadurch ergeben sich wesentliche Vorteile beim Rechnen mit Größenglei-

97 7.2  Gleichgewicht

chungen, weil es gleichgültig ist, in welchen Einheiten die Größen erscheinen, wenn nur die bekannten Größen nach der Regel

Gleichgewicht

7.2 7.2.1

Statisches Gleichgewicht

physikalische Größe D Zahlenwert  Einheit eingesetzt werden. Satz vom statischen Gleichgewicht 7 Beispiele 1. Ein Körper bewegt sich gleichförmig. Gemessen wird der zurückgelegte Wegabschnitt s D 300 m und die dazu gebrauchte Zeit t D 6 s. Die Größengleichung v D s=t verbindet die physikalischen Größenarten Geschwindigkeit v, Weg s und Zeit t miteinander. Die gesuchte Geschwindigkeit v ergibt sich, wenn die bekannten Größen nach der oben stehenden Regel eingesetzt werden: Geschwindigkeit v D

300 m m s D D 50 t 6s s

Das Ergebnis hat dann die Form „Zahlenwert“ (50) mal „Einheit“ (m=s). Wird s D 0;3 km und t D 1=600 h in die Größengleichung eingesetzt, ergibt sich: s t km 0;3 km D 0;3  600 vD 1 h h 600 km v D 180 h m 180  1000 m D 50 vD 3600 s s

Geschwindigkeit v D

1 2. Für den freien Fall gilt die Größengleichung h D gt 2 . 2 Sie beschreibt die Beziehungen zwischen der Fallhöhe h, der Fallbeschleunigung g und der Fallzeit t. Für eine Fallzeit t D 10 s soll die Fallhöhe h berechnet werden (Fallbeschleunigung g D 9;81 m=s2 ): m 1 1 2 gt D  9;81 2  .10 s/2 2 2 s ms2 h D 490;5 2 D 490;5 m s

hD

Wird die Fallzeit t nicht in Sekunden, sondern in Minuten 1 eingesetzt (t D min), dann ergibt sich die Fallhöhe h: 6 2  m 1 1 1 min h D gt 2 D  9;81 2  2 2 s 6 h D 0;13625

m  min2 s2

Das Ergebnis sieht allerdings etwas ungewöhnlich aus mit der Einheit m  min2 =s2 . Wird jedoch für min2 D 60 s  60 s D 3600 s2 eingesetzt, ergibt sich wieder wie oben: h D 0;13625  3600

m s2 D 490;5 m 9 s2

Aus der Tatsache, dass sich ein ruhender oder geradlinig gleichförmig bewegter Körper im Gleichgewicht befindet, wird gefolgert, dass die Summe seiner geometrisch addierten äußeren Kräfte und Momente den Wert null ergibt. Dieser Satz wird zur Bestimmung der noch unbekannten Kräfte benutzt.

Greifen an einen „starren“ Körper äußere Kräfte nur in einer Ebene an, spricht man vom „ebenen Kräftesystem“ im Gegensatz zum „räumlichen Kräftesystem“, bei dem die Wirklinien der Kräfte in verschiedenen Ebenen angreifen. Sowohl beim ebenen als auch beim räumlichen Kräftesystem gibt es den Fall, dass die Kräfte einen gemeinsamen Angriffspunkt haben (zentrales Kräftesystem) oder dass mehrere Angriffspunkte zu finden sind (allgemeines Kräftesystem). Als Ergebnis der Kräftereduktion beliebiger Kräftesysteme ergeben sich folgende Möglichkeiten: 1. Das Ergebnis der Kräftereduktion ist eine Einzelkraft F r und P ein Kräftepaar: 4 P F ¤ 0 (Summe aller Kräfte ungleich null), 4 M ¤ 0 (Summe aller Momente ungleich null). Ein solches Kräftesystem ist statisch gleichwertig (äquivalent) einer Einzelkraft im Wirkabstand l vom Bezugspunkt D. Die Summe der geometrisch addierten Kräfte F1 ; F2 ; F3 . . . ist ungleich null, d. h. es bleibt eine resultierende Einzelkraft F r übrig, die den Körper auf der Wirklinie von F r verschiebt oder verschieben könnte. Außerdem ergibt die Kräftereduktion, dass ein resultierendes Moment M r (Kraft F r  Wirkabstand l) übrig bleibt, d. h. die Summe der geometrisch addierten Momente M 1 , M 2 , M 3 . . . ist ungleich null. Dieses statische Moment würde den Körper um eine beliebige Drehachse drehen. Unter dem Einfluss des vorliegenden Kräftesystems kann sich der frei bewegliche Körper sowohl verschieben als auch drehen (Translation und Rotation). Aus der Überlegung, dass offenbar das vorliegende Kräftesystem gleichwertig ist einer im Abstand l wirkenden Resultierenden F r (. Abb. 7.2) wird der so genannte Momentensatz hergeleitet: Summe der Momente Moment aller Kräfte in Bezug der Resultierenden Fr auf einen beliebigen D in Bezug auf den Drehpunkt gleichen Drehpunkt X M D Fr l

7

98

Kapitel 7  Physik

. Abb. 7.2 Ungleichgewicht durch ein resultierendes Moment . Abb. 7.4 Kräftegleichgewicht, Momentenungleichgewicht

. Abb. 7.3 Ungleichgewicht durch eine resultierende Kraft

7

Daraus lässt sich der Wirkabstand l der Resultierenden F r berechnen: P M1 C M2 C M3 : : : Mn M D lD P F F1 C F2 C F3 : : : Fn

4. Ergibt die Kräftereduktion, dass die Summe der geometrisch addierten Kräfte und Momente gleich null ist, sagtP man, die Kräfte stehen im Gleichgewicht. 4 P F D 0 (Summe aller Kräfte gleich null), 4 M D 0 (Summe aller Momente gleich null). So ein Körper muss nach dem Trägheitsgesetz entweder ruhen oder sich mit konstanter Geschwindigkeit auf geradliniger Bahn fortbewegen. Deshalb befindet sich der Körper im Gleichgewicht, weil er sich weder beschleunigt P P verschiebt ( F D 0) noch beschleunigt dreht ( M D 0).

2. Das Ergebnis der Kräftereduktion ist eine Einzel-1 Erkenntnis kraftPF r : Wenn ein Körper ruhen oder sich geradlinig gleichförmig 4 P F ¤ 0 (Summe aller Kräfte ungleich null), bewegen soll, muss die Summe seiner geometrisch addier4 M D 0 (Summe aller Momente gleich null). ten Kräfte und MomenteP gleich nullP sein. Man nennt deshalb F D 0, M D 0 die GleichEin solches Kräftesystem ist statisch gleichwertig einer gewichtsbedingungen am starren Körper. Da sich ein frei beweglicher Körper im Raum in Richtung der drei Achsen durch den Drehpunkt laufenden Einzelkraft. Die Summe der geometrisch addierten Kräfte F 1 , F 2 , (x; y; z) eines rechtwinkligen Achsenkreuzes sowohl verF 3 . . . ist auch hier ungleich null und es bleibt wieder eine schieben als auch um diese Achsen drehen kann, spricht resultierende Einzelkraft F r übrig, die den Körper auf ihrer man von den sechs Freiheitsgraden des Körpers im Raum. Analytisch aufgespaltet gelten dann die sechs rechneriWirklinie verschiebt oder verschieben könnte. Die Summe der geometrisch addierten Momente ist hier jedoch gleich schen Gleichgewichtsbedingungen: null, weil kein Kräftepaar übrig bleibt; der Körper kann P 9 sich jetzt nicht drehen. Fx D 0 > = keine beschleunigte oder P Ein solches Kräftesystem kann nur existieren, wenn die Fy D 0 > Wirklinie der resultierenden Einzelkraft F r genau durch P ; verzögerte Verschiebung möglich F D 0 z den gewählten Drehpunkt hindurchläuft (. Abb. 7.3), denn P 9 nur in diesem Fall ist der Wirkabstand von F r gleich null Mx D 0 > = keine beschleunigte oder P und damit auch die Summe der Momente. My D 0 3. DasP Ergebnis der Kräftereduktion ist ein Kräftepaar: > P ; verzögerte Verschiebung möglich Mz D 0 4 P F D 0 (Summe aller Kräfte gleich null), 4 M ¤ 0 (Summe aller Momente ungleich null). Ein Körper in der Ebene kann sich in zwei rechtwinklig aufeinander stehenden Richtungen in der Ebene (x; y) So ein Kräftesystem (. Abb. 7.4) ist statisch äquivalent eiverschieben und sich um eine zur Ebene stehende Achse nem Kräftepaar, d. h. es bleibt bei der Kräftereduktion ein drehen. Ein solcher Körper besitzt demnach drei FreiKräftesystem übrig, das aus zwei gleich großen, gegensinheitsgrade. Analytisch aufgespaltet gelten dann die drei nigen Kräften besteht, deren Wirklinien außerdem parallel rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen: liegen, sodass es sich nicht weiter vereinfachen lässt. Man bezeichnet deshalb eine resultierende Einzelkraft P

F D 0 keine beschleunigte oder F r und ein Kräftepaar als statisch äquivalent (gleichwertig); P x Fy D 0 verzögerte Verschiebung möglich beide lassen sich nicht weiter reduzieren.

Der Körper bleibt dann am Ort stehen und dreht sich um P keine beschleunigte oder jede beliebige Achse mit der Drehkraftwirkung des KräfteMz D 0 verzögerte Verschiebung möglich paars, d. h. mit seinem Moment M D F l.

99 7.2  Gleichgewicht

. Abb. 7.5 Gleichgewicht im zentralen Kräftesystem

Mit Hilfe der rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen können noch unbekannte Kräfte berechnet werden. Für jede unbekannte Größe muss dann eine Gleichung existieren, sonst ist das Kräftesystem „statisch unbestimmt“ und nach den Gesetzen der Statik allein nicht zu lösen. Es müssen dann noch Gesetze der Elastizitätslehre bekannt sein, z. B. das Hooke’sche Gesetz. Da beim zentralen Kräftesystem in der Ebene eine Momentwirkung nicht auftreten kann, weil die Wirklinien aller Kräfte durch den gemeinsamen Angriffspunkt gehen (. Abb. 7.5), also keine Kraft einen Wirkabstand besitzt, genügen diePbeiden Kraft – Gleichgewichtsbedingungen P Fx D 0, Fy P D 0. AnalogPgilt für dasPzentrale räumliche Kräftesystem Fx D 0, Fy D 0, Fz D 0. Bei der zeichnerischen Behandlung solcher Kräftesysteme muss sich das Krafteck aller Kräfte schließen, weil nur dann die Resultierende F r D 0 ist. 7.2.2

Dynamisches Gleichgewicht

Satz vom dynamischen Gleichgewicht Für jeden ungleichförmig bewegten Körper ist die Summe der geometrisch addierten äußeren Kräfte einschließlich der Trägheitskräfte gleich null.

Dieser Satz wird zur Bestimmung unbekannter Kräfte benutzt. Nach dem Trägheitsgesetz ist am ruhenden oder geradlinig gleichförmig bewegten Körper die Summe aller geometrisch addierten Kräfte und Momente gleich null. Auch ohne besondere Angabe ist bekannt, dass es sich nur um äußere Kräfte und Momente handeln kann, also solche, die von irgendeinem anderen Körper auf den betrachteten Körper übertragen werden. Bleibt bei der Kräftereduktion, der Vereinfachung des vorliegenden Kräftesystems, eine Kraft als „Resultierende“ übrig, wird der Körper entweder beschleunigt oder verzögert. Den Zusammenhang zwischen der sich einstellenden Beschleunigung a und der resultierenden Kraft F r liefert über die Masse m des Körpers das dynamische Grundgesetz F r D m a.

Nach dem Wechselwirkungsgesetz ist diese resultierende Kraft F r gleich groß und gegensinnig der Trägheitskraft T, die der beschleunigte oder verzögerte Körper aus sich heraus entwickelt und die auf den beschleunigenden Körper zurückwirkt. Mit Hilfe dieser Trägheitskraft T ist es nun möglich, die statischen Gleichgewichtsbetrachtungen auch auf solche Körper zu beziehen, die beschleunigte oder verzögerte Bewegungen ausführen, also auf Körper, für die die Kräftesumme nicht gleich null ist. Auf den gleichen Körper bezogen heben sich die angreifende Beschleunigungskraft F r und die dadurch hervorgerufene Trägheitskraft T auf: Sie stehen also im Gleichgewicht wie zwei äußere Kräfte, die gleich groß und gegensinnig sind. Damit gilt: Fr  T D 0 und mit T D m a Fr  m a D 0 !Hinweis Die Trägheitskraft T ist immer der Beschleunigung a entgegengerichtet. Mathematisch formuliert, ergibt sich der Satz vom dynamischen Gleichgewicht:  X X v .F C T / D F m D0 9 t

Ein bekanntes Beispiel für die Benutzung des Begriffs der Trägheitskraft ist die Zentrifugalkraft F z . Bewegt sich ein Körper der Masse m auf einem Kreis mit dem Radius r, ist dazu eine zum Mittelpunkt des Kreises gerichtete Kraft nötig (Hammerwerfer). Diese Kraft heißt Zentrifugalkraft F c . Sie hält den Körper auf der Kreisbahn. Wäre sie nicht da, würde sich der Körper in tangentialer Richtung fortbewegen. Sie wird berechnet aus: m v r Fc m kg m ND 2 kg m s s m Körpermasse, v Umfangsgeschwindigkeit, r Kreisbahnradius Von der Schwerkraft abgesehen ist die Zentripetalkraft die einzige am Körper angreifende äußere Kraft. Ihr muss nach dem Wechselwirkungsgesetz eine gleich große Kraft entgegenwirken. Das kann hier nur eine Trägheitskraft sein. Man nennt sie Zentripetalkraft F z und schreibt: Fc D m

v2 r

v2 r F z hat demnach den gleichen Betrag wie F c , nur mit entgegengesetztem Richtungssinn. Es muss beachtet werden, dass Trägheitskräfte nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn eine Dynamikaufgabe Fc D m

7

Kapitel 7  Physik

100

nach den statischen Gleichgewichtsbedingungen (also „statisch“) behandelt werden soll. Wird eine solche Aufgabe nicht statisch gelöst, also etwa mit Hilfe des dynamischen Grundgesetzes oder eines daraus entwickelten Satzes, dann sind die Trägheitskräfte – eben weil sie keine „äußeren“ Kräfte sind – als nicht vorhanden anzusehen.

Mechanische Schwingungen

7.3

7

. Abb. 7.7 Abhängigkeit Auslenkung–Zeit

Gesetzmäßigkeiten zur Berechnung der Auslenkung y, der Geschwindigkeit vy und der Beschleunigung ay des schwingenden Punktes P:

Wenn sich Körper oder Masseteilchen am Ort um eine Ruhe- oder Nulllage herum bewegen (pendeln, schwingen),1 Auslenkung-Zeit-Gesetz entsteht eine Schwingung. Ein Punkt P bewegt sich mit konstanter WinkelgeschwinSchwingungen treten auf in der digkeit von 0 bis 1. Der Radius r hat dabei den Drehwinkel 4 Optik ' überstrichen (. Abb. 7.7). Die zugehörige momentane 4 Akustik Auslenkung y von der Mittellage (Nulllage) ist die Sinus4 Elektrotechnik / Elektronik komponente des Radius r (y D r sin '). 4 Mechanik Nach . Tab. 7.2 ergibt sich mit ! D '=t das Auslenkung-Zeit-Gesetz: In diesem Abschnitt werden nur mechanische Schwingungen behandelt; unterteilt in den y D r sin.!t/ (7.1) 4 kinematischen Bereich mit der Frage nach den Veränderungen der Bewegungsgrößen Weg, Geschwindigkeit,1 Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz Punkt P läuft mit der tangential gerichteten konstanten UmBeschleunigung und 4 den kinetischen Bereich mit der Frage nach den auftre- fangsgeschwindigkeit vu um (. Abb. 7.8). Die momentane Geschwindigkeit vy des Punktes P ist tenden Kräften und Kraftmomenten. die Kosinuskomponente der Umfangsgeschwindigkeit vu : 7.3.1 7.3.1.1

vy D vu  cos '

Harmonische Schwingung Bewegungsgesetze

Bewegt sich der Punkt P auf dem Radius r gleichförmig mit der Winkelgeschwindigkeit ! auf der Kreisbahn, dann entspricht ein Umlauf einer Auf- und Abwärtsbewegung des projizierten Punktes auf der Projektionswand. Die so entstandene Bewegung heißt harmonische Schwingung (. Abb. 7.6).

Mit vu D ! r ergibt sich das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz: I. vy D r!  cos.!t/ (7.2) II. vy D r! sin

  2

˙ !t

 (7.3)

!Hinweis zu II. cos ' D sin .90ı ˙ '/ ; also    cos .!t/ D sin ˙ !t 9 2

1 Beschleunigung-Zeit-Gesetz

Jeder auf einer Kreisbahn umlaufende Punkt wird in jedem Augenblick zum Kreisbahnmittelpunkt M hin mit der Zentripetalbeschleunigung az beschleunigt (. Abb. 7.9). . Abb. 7.8 Abhängigkeit Geschwindigkeit–Zeit

. Abb. 7.6 Entstehung der harmonischen Schwingung

101 7.3  Mechanische Schwingungen

. Abb. 7.9 Abhängigkeit Beschleunigung–Zeit

7.3.1.2

Graphen der harmonischen Schwingung

Werden mit den Bewegungsgesetzen für gleiche Zeitabschnitte t die Auslenkung y, die Geschwindigkeit vy und die Beschleunigung ay über der Zeitachse t aufgetragen, erhält man die Kurven in . Abb. 7.10. 7.3.1.3

Größen und Gleichungen der harmonischen Schwingung

Die momentane Beschleunigung des Punktes P in der Projektionsebene ist die Sinuskomponente ay D az sin '. 1 Periode (Schwingung) Kleinstes zeitliches Intervall, nachdem sich der Vorgang Damit ergibt sich das Beschleunigung-Zeit-Gesetz: wiederholt. Eine Schwingung entspricht einem Umlauf auf I. der Kreisbahn. (7.4) ay D r! 2 sin .!t/ 1 Auslenkung y (Elongation) II. Momentane Entfernung des schwingenden Punktes von der (7.5) Nulllage (Mittellage, Gleichgewichtslage). ay D y! 2

. Abb. 7.10 a Auslenkung-Zeit-Kurve. Sinuskurve mit positivem Richtungssinn für die Auslenkung y im Drehwinkelbereich '  0  180ı und negativem Richtungssinn im Drehwinkelbereich '  180ı  360ı . b Geschwindigkeit-Zeit-Kurve. Kosinuskurve mit positivem Richtungssinn für die Geschwindigkeit vy im Drehwinkelbereich zwischen 0ı und 90ı sowie zwischen 270ı und 360ı und negativem Richtungssinn im

Drehwinkelbereich zwischen '  90ı  270ı . c Beschleunigung-ZeitKurve. Sinuskurve mit negativem Richtungssinn für die Beschleunigung az im Drehwinkelbereich zwischen 0ı und 180ı sowie zwischen 270ı und 360ı und positivem Richtungssinn im Drehwinkelbereich zwischen 180ı und 360ı

7

102

Kapitel 7  Physik

1 Amplitude A (Schwingungsweite)

7 Beispiel

Maximale Auslenkung aus der Nulllage. Die Amplitude ist konstant bei ungedämpfter Schwingung. 1 Periodendauer T (Schwingungsdauer)

Zeit für eine volle Schwingung. T D

Zeitabschnitt t t 1 D D Anzahl der Perioden z z f

(7.6)

1 Frequenz f

7

Quotient aus der Anzahl z der Perioden und dem zugehörigen Zeitabschnitt t, also die Anzahl der Perioden je Sekunde. Die Frequenz f hat die Einheit 1=s und die Bezeichnung Hertz (Hz). f 1 f D D t T

(7.7)

1 Kreisfrequenz !

Ein harmonisch und ungedämpft schwingender Punkt hat 40 mm Schwingungsweite bei einer Frequenz von 50 Hz. Wie groß sind 0,035 s nach dem Beginn der Schwingung die Auslenkung, die Momentangeschwindigkeit und die Momentanbeschleunigung des Punktes? Lösung: Die Auslenkung y kann mit der gegebenen Schwingungsweite A D 40 mm, der Frequenz f D 50 Hz und der Zeitdifferenz t nach der Gleichung y D A sin .2 f t/ bestimmt werden:   1 y D 40 mm  sin 2   50  3;5  102 s s y D 40 mm  sin .3;5 / D 40 mm  sin 200;54ı y D 14;03 mm Die Momentangeschwindigkeit vy wird nach der Gleichung vy D A ! cos .2 f t/ berechnet. Dazu fehlt noch die Kreisfrequenz !:

Entspricht der Winkelgeschwindigkeit ! (nach DIN 1304). 1 1 D 100  s s   1 1 vy D 40mm  100   cos 2   50  3;5  102 s s 1 m vy D 40mm  100   cos 3;5  D 11;767 s s ! D 2  f D 2   50

2  ! D 2 f D T

(7.8)

1 Phase '

Winkel im Bogenmaß, den der umlaufende Punkt im Zeitabschnitt t durchläuft. ' D ! t D 2 f t D 2 z Mit den festgesetzten Größen können die hergeleiteten Bewegungsgesetze für die harmonische Schwingung neu geschrieben werden. Dazu setzt man für den Radius r die 2 z Amplitude A und für die Kreisfrequenz ! D 2 f D T ein. Auslenkung y (A Amplitude D ymax ) y D A sin .! t/ D A sin .2 f t/   2 t y D A sin T

(7.9)

Die Momentanbeschleunigung ay kann über die schon bestimmte Auslenkung y und die Kreisfrequenz berechnet werden:   1 2 ay D y! 2 D  .14;03mm/  100  s m ay D 1384;705 2 9 s

7.3.1.4

Rückstellkraft und Richtgröße bei der harmonischen Schwingung

Die Zentripetalkraft F z hält den Körper mit der Masse m auf der Kreisbahn und ist immer zum Mittelpunkt hin gerichtet (. Abb. 7.11).

Momentangeschwindigkeit vy vy D A ! cos .! t/ D A ! cos .2 f t/   y; A t; T !; f 2 t vy D A ! cos 1 T m s s

(7.10) vy m s

ay m s2

Momentanbeschleunigung ay ay D A ! 2 sin .! t/ D A ! 2 sin .2 f t/   2 t 2 D y! 2 ay D A ! sin T

(7.11)

. Abb. 7.11 Rückstellkraft F R D Fy D Fz sin '

7

103 7.3  Mechanische Schwingungen

. Abb. 7.12 Rückstellkraft am Schraubenfederpendel . Abb. 7.13 Federrate R

Die Komponente Fy der Zentripetalkraft ist die in Schwingungsrichtung wirkende Rückstellkraft F R D Fy D Fz sin '. Sie ist immer der Auslenkung y entgegen zur Nulllage hin gerichtet. Der Sinus des Drehwinkels ' lässt sich durch die Auslenkung y und die Amplitude A ausdrücken (sin ' D y=A). Damit wird die Rückstellkraft y FR D Fz A

(7.12)

!Hinweis Für die Schraubenfeder gilt F R D R y, folglich ist die Federrate R gleich der Richtgröße D. FR FR D D y D R y

N

D; R N m

y (7.17) m

Der Quotient F z =A wird als Richtgröße D bezeichnet: Fz D konstant D Richtgröße D A

(7.13)

Damit ist die Rückstellkraft F R der momentanen Auslenkung y proportional (F R y): FR D D y 7.3.2

(7.14)

Schraubenfederpendel

In der Maschinenbautechnik (z. B. im Pressen- und Vorrichtungsbau) reicht zur federnden Kraftübertragung eine Einzelfeder häufig nicht aus. In solchen Fällen werden je nach Verwendungszweck zwei oder mehr Federn in Parallel- oder Reihenschaltung (Hintereinanderschaltung) angeordnet. Für die konstruktiven Berechnungen braucht man dann die Federrate des ganzen Federsystems, die so genannte resultierende Federrate R0 , deren Betrag von der Art der Federschaltung abhängt.

1 Parallelschaltung Definition Rückstellkraft Die Rückstellkraft F R beim Schraubenfederpendel ist die Resultierende aus der Federspannkraft F S und der Gewichtskraft F G des Pendelkörpers (Summe oder Differenz (. Abb. 7.12)). FR D FS ˙ FG

(7.15)

Gewichtskraft F G , Federspannkraft F S

Das Diagramm zeigt die Federkennlinien zweier parallel geschalteter Einzelfedern mit bekannten Federraten R1 und R2 (. Abb. 7.14). Wird das Federsystem von s D 0 auf den Federweg s0 gedehnt, gilt für die resultierende Federkraft F 0 D F1 C F2 , für den resultierenden Federweg dagegen s0 D s1 D s2 . Aus diesen Bedingungen kann eine Gleichung zur Berechnung der resultierenden Federrate R0 bei Parallelschaltung abgeleitet werden: R0 D

Definition Federrate Die Federrate R ist der Quotient aus der Federkraft F S und dem zugehörigen Federweg s (. Abb. 7.13). RD

FS s

(7.16)

F0 F1 C F2 F1 F2 D D C D R1 C R2 (7.18) s0 s0 s1 s2

1 Reihenschaltung

Das Diagramm zeigt die Federkennlinien zweier in Reihe (hintereinander) geschalteter Einzelfedern mit den Federraten R1 und R2 (. Abb. 7.15). Wird das Federsystem von F D 0 auf die Federkraft F D F0 D F1 D F2 belastet, gilt für den resultierenden Federweg s0 D s1 C s2 .

104

Kapitel 7  Physik

Die Periodendauer T ist unabhängig von der Amplitude A. Sie ist umso größer, je größer die Masse m des Pendelkörpers und je kleiner die Federrate R ist, d. h. je „weicher“ die Feder ist. Periodendauer beim Schraubenfederpendel: r m T D 2  (7.22) R Aus der Gleichung für die Schwingungsdauer kann auch eine neue Beziehung für die Berechnung der Federrate der Schraubenfeder entwickelt werden. Federrate der Schraubenfeder: RDm

7

. Abb. 7.14 Parallelschaltung zweier Einzelfedern

4 2 DD T2

R; D N m

m

T

kg

s

(7.23)

7 Beispiel Eine Stahlplatte mit der Masse m D 430 kg drückt ein Federsystem um s D 32 mm zusammen.

Die resultierende Federrate und die Frequenz der auf den Federn schwingenden Stahlplatte sollen ermittelt werden.

. Abb. 7.15 Reihenschaltung zweier Einzelfedern

Aus diesen Bedingungen kann eine Gleichung zur Berechnung der resultierenden Federrate R0 bei Reihenschaltung abgeleitet werden: F0 F0 D s0 s1 C s2 1 s1 C s2 s1 s2 1 1 D D C D C R0 F0 F1 F2 R1 R2 R0 D

(7.19) (7.20)

1 Periodendauer

Die Rückstellkraft F R ist immer die resultierende Kraft Fres und es gilt das dynamische Grundgesetz F res D m a. Bei der harmonischen Schwingung ist für die momentane Beschleunigung a D ay und ay D y! 2 einzusetzen. Da nur der absolute Betrag interessiert, entfällt das negative Vorzeichen. Rückstellkraft beim Schraubenfederpendel: 4 2 FR D m 2 y D R y T

FR

m

T

N

kg

s

R N m

y m (7.21)

Lösung: Mit der Masse m ist auch ist auch die Gewichtskraft F G der Stahlplatte bekannt; sie drückt die parallel geschalteten Federn um den Weg s zusammen. Damit kann die resultierende Federrate R0 berechnet werden: 430 kg  9;81 sm2 mg FG D D s s 32  103 m N R0 D 13;182  104 m

R0 D

Die Frequenz der Stahlplatte wird mit f 0 D 1=T ermittelt. Für T wird die Periodendauer des Schraubenfederpendels eingesetzt: r r R0 mg 1 1 1 1 D  D  D q m T 2  m 2  m s 2  R0 s r 9;81 sm2 g 1 1 1  D  D 2;787 f0 D 2  s 2  32  103 m s f0 D 2;787 Hz 9

7.3.3

Torsionsfederpendel

Zur Überleitung von der geradlinigen in die kreisförmige Bewegung wird das Analogieverfahren benutzt. Die Bezie-

105 7.3  Mechanische Schwingungen

größer das Trägheitsmoment J und je kleiner die Federrate R ist. 7 Beispiel Mit Hilfe eines Torsionsfederpendels soll das Trägheitsmoment J RS einer Riemenscheibe ermittelt werden. Die Torsionslänge des Stahlstabs beträgt l D 1 m, sein Durchmesser d D 4 mm. Die Zeitmessung ergibt eine Periodendauer von T D 0;2 s. . Abb. 7.16 Torsionsfederpendel

Lösung: Die Federrate R des Torsionsstabs ist der Quotient aus dem Rückstellmoment M R und dem Drehwinkel ':

hungen für die Kreisbewegung bekommt man, indem in die bekannten Beziehungen der geradlinigen Bewegung die entsprechenden Größen der Kreisbewegung eingesetzt werden (. Abb. 7.16).

RD

Analogiebetrachtungen: Schraubenfederpendel (geradlinige Bewegung) Rückstellkraft FR Auslenkung y Masse m

Die Federrate R ist der Quotient aus dem Rückstellmoment M R und dem zugehörigen Drehwinkel ': RD

MR '

MR

'

Nm

rad

Mit den in der Festigkeitslehre hergeleiteten Beziehungen kann eine Gleichung für die Federrate R des Torsionsstabs entwickelt werden: ' Ip G MT  d 4 MR D MT D Ip D ' ' l 32 4  d G Gleitmodul G D 80:000 N=mm2 RD 32  l    .4 mm/4  8  104 N RD D 2010;62 N mm 32  1  103 mm  mm2 2 kg m R D 2;011 2 s RD

Torsionsfederpendel (kreisförmige Bewegung) Rückstellmoment MR Drehwinkel ' Trägheitsmoment I

1 Federrate

R Nm rad

MR '

(7.24)

Mit der Gleichung für die Periodendauer T des Torsionsfederpendels kann nun das Trägheitsmoment J RS nach berechnet werden: JRS D

1 Rückstellmoment

Das Rückstellmoment M R ändert seinen Betrag proportional mit dem Drehwinkel ' (MR '). Rückstellmoment M R : MR D R '

(7.25)

JRS D

7.3.4

RT2 4 2 2;011

kg m2 s2

4 2

 0;22 s2

D 2;038  103 kg m2 9

Schwerependel (Fadenpendel)

1 Periodendauer

1 Auslenkung Eine Gleichung für die Periodendauer T beim Torsionsfeder- Die Auslenkung s lässt sich aus der Pendellänge l und dem pendel erhält man mit der Analogiebetrachtung zum Schrau- Winkel ˛ bestimmen (. Abb. 7.17). Da für kleine Winbenfederpendel in. Das Trägheitsmoment J beim Torsions- kel (˛ < 14ı ) der Arcus gleich dem Sinus gesetzt werden federpendel entspricht der Masse m des Pendelkörpers. kann (arc ˛ D sin ˛), ist s D l arc ˛ D l sin ˛ und daraus Periodendauer beim Torsionsfederpendel: sin ˛ D s D l.

r

T

J

s

kg m2

R N m

1 Rückstellkraft (7.26) Die Rückstellkraft F R ändert sich laufend mit dem Winkel ˛. Masse m, Fallbeschleunigung g und Pendellänge l sind für ein bestimmtes Pendel gleich bleibende Größen, d. h. es ! Hinweis ist auch der Quotient mg=l eine Konstante. Sie ist die schon Das Trägheitsmoment J bezieht sich immer auf die Drehbekannte Richtgröße D. achse eines Körpers. Entwicklung der Gleichung für die Rückstellkraft F R : Auch beim Torsionsfederpendel ist die Periodendauer T FR D FG sin ˛ D m g sin ˛; unabhängig von der Amplitude A. Sie ist umso größer, je

T D 2 

J R

7

106

Kapitel 7  Physik

7 Beispiel Stahlbauträger mit der Masse m D 2;9 t hängen an einem 9,5 m langen, masselos gedachten Zugseil eines Baukrans. Die Träger geraten in ungedämpfte Schwingungen mit der Amplitude 1,8 m. Wie groß sind die 4 Periodendauer 4 Frequenz 4 Maximalgeschwindigkeit 4 Maximalbeschleunigung 4 Auslenkung nach 2,5 s

. Abb. 7.17 Schwerependel

s eingesetzt: l

für sin ˛ D

FR D m g sin ˛ D

FR

mgs l

N

D N m

FR D D s

s; l

m

m

kg

g m s2

αmax l

7

Lösung: Periodendauer T s s l 9;5 m D 2  D 6;183 s T D 2  g 9;81 sm2

(7.27)

Einschränkung Die Auslenkung muss klein sein (˛ < 14ı ).

A

Allerdings beträgt die Abweichung bei ˛ D 14ı nur ca. 1 %. Frequenz f

1 Periodendauer

Die Periodendauer T für das Schwerependel erhält man, wenn in die Gleichung für das Schraubenfederpendel für die Federrate D D m g= l eingesetzt wird: s r r m m ml T D 2  D 2  D 2  R D mg s T D 2 

l g

T

l

s

m

g m s2

(7.28)

Auswertung Beim Schwerependel ist die Periodendauer T

unabhängig von der Auslenkung s und der Masse m des Pendelkörpers. 1 Maximale Geschwindigkeit

Entwicklung der Gleichung für die maximale Geschwindigkeit v0 :

1 1 D D 0;162 Hz T 6;183 s

Maximalgeschwindigkeit v0 arcsin ˛max D arcsin

1;8 m A D arcsin D 10;92ı l 9;5 m

cos ˛max D 0;9819 p m v0 D 2gl .1  cos ˛max / D 1;84 s Maximalbeschleunigung amax Bedingungen: 1. y D ymax D A 2  2. ! D T !D

1 2  D 1;016 6;183 s s

amax D A ! 2 D 1;8 m  1;0162

Epot D Ekin FG h D

f D

mv20 ! h D l  l  cos ˛max 2 h D l .1  cos ˛max /

nach Abb. 7.17

mv20

m  g  l .1  cos ˛max / D 2 p v0 D 2gl .1  cos ˛max /

(7.29)

m 1 D 1;858 2 s2 s

Auslenkung y1 nach t1 D 2;5 s   2   t1  180ı y1 D A sin T     2  2;5 s  180ı y1 D 1;8 m  sin 6;183 s y1 D 1;018 m 9

7

107 7.3  Mechanische Schwingungen

7.3.5

Schwingung einer Flüssigkeitssäule

In Ruhe steht die Flüssigkeit in Höhe der Nulllinie 0–0. Hebt man z. B. durch Ansaugen die Flüssigkeitssäule auf der einen Seite um die Höhe h, muss sie auf der anderen Seite um den gleichen Betrag sinken (. Abb. 7.18).

Auswertung Die Periodendauer T ist unabhängig von der

Amplitude h und von der Masse m (Dichte ) der Flüssigkeit. 7.3.6

1 Rückstellkraft

Die Rückstellkraft F R ist die resultierende Gewichtskraft F G der überstehenden Flüssigkeitssäule mit dem Volumen V D A  2h: FR D FG D Vg D 2  A h  g FR ; FG N

D N m

A m2

 kg m3

g m s2

(7.30)

m

Fläche A, Dichte  und Fallbeschleunigung g sind konstante Größen, die man wieder zu einer Richtgröße D D 2  A  g zusammenfassen kann. Damit ist auch bei der schwingenden Flüssigkeitssäule im U-Rohr die Rückstellkraft F R der Auslenkung h proportional: (7.31)

1 Periodendauer

Die Periodendauer T leitet sich aus der Gleichung für das Schraubenfederpendel ab, wenn für die Federrate R die Richtgröße D D 2  A  g und für die Masse m D V  D A l eingesetzt wird: s r m A l T D 2  D 2  R 2Ag s T l g l (7.32) T D 2  m 2g s m s2

. Abb. 7.18 Flüssigkeitssäule

Physikalische Größe

Schraubenpendel

Torsionsfederpendel

Schwerependel

Federrate r (Richtgröße D)

RD

d4G 3i 8Dm f

RD

lp G l  d 4 G RD 32  l

DD

Rückstellkraft FR und Rückstellmoment MR

FR D Ry

MR D R  '

FR D Ds

r m T D 2  R

T D 2 

h

1 Richtgröße

FR D D h

Analogiebetrachtung zum Schrauben-, Torsions-, Schwerependel und zur Flüssigkeitssäule

Periodendauer T

r

Schwingende Flüssigkeitssäule

mg l

D D 2Ag

FR D Dh

s J R

T D 2 

s l g

T D 2 

l 2g

G Schubmodul d Draht- oder Stabdurchmesser Dm mittlerer Windungsdurchmesser if Anzahl der Windungen l Pendellänge s Auslenkung des Pendelkörpers h Auslenkung der Flüssigkeitssäule Ip polares Flächenmoment 2. Grades J Trägheitsmoment

7.3.7

Schwingungsdämpfung

Durch die Gleitreibung in den Gelenken und Führungen, durch Luft- oder Flüssigkeitsreibung wird die Bewegung eines schwingenden Körpers gebremst. Neben dieser „äußeren“ Reibung steht die „innere“, die Reibung der Teilchen im Körper selbst. Ergebnis: Die Schwingung wird gedämpft (. Abb. 7.19). Durch die Reibung wird dem schwingenden Körper Energie in Form von Reibungsarbeit entzogen. Beispiel Schwerependel (. Abb. 7.20):

. Abb. 7.19 Auslenkung-Zeit-Diagramm für ungedämpfte (a) und gedämpfte Schwingung (b)

Kapitel 7  Physik

108

. Abb. 7.20 Energieminderung am Schwerependel

7

Der Pendelkörper schwingt nicht bis zur Ausgangshöhe zurück, die Amplitude verringert sich von A auf A1 , der Winkel von ˛ auf ˛1 und die abgeführte Reibungsarbeit W R entspricht der Höhendifferenz h. Energiebetrachtung: WE Wab Wab Wab

7.3.8

D WA  Wab D WA  WE D mgh  mg .h  h/ D mgh .Reibungsarbeit/

Erzwungene Schwingung und Resonanz

Der Oszillator (Erreger), z. B. ein Motor mit Exzenter, zwingt der Schraubenfeder mit dem anhängenden Körper der Masse m, dem Resonator (Mitschwinger), Schwingungen mit der Erregerfrequenz f auf (. Abb. 7.21). Dabei soll die Masse des Resonators klein sein gegenüber der Masse des Erregers, damit die Schwingungen des Resonators nicht auf den Erreger zurückwirken. Ist die Frequenz f der erzwungenen Schwingung sehr klein gegenüber der Frequenz f 0 der Eigenschwingung (f f0 ), macht der Resonator genau die Bewegung der Führungsstange mit. Mit wachsender Erregerfrequenz f werden die Amplituden des Resonators immer größer. Bei Resonanz (f D f0 ) wird die Amplitude des Resonators am größten (kritischer Bereich). Wächst die Erregerfrequenz f weiter (f f0 ), werden die Amplituden des Resonators kleiner, die Bewegung wird ungeordnet, bis schließlich ein kaum merkliches Zittern die kleinsten Amplituden anzeigt. 1 Amplituden-Frequenz-Diagramm

Über der Erregerfrequenz f (als Vielfaches der Eigenfrequenz f 0 ) ist die Vergrößerungszahl VZ als Verhältnis der

. Abb. 7.21 Oszillator und Resonator

Amplitude der erzwungenen Schwingung zur Amplitude des Erregers aufgetragen (. Abb. 7.22). Die bei f D f0 auftretende Resonanz ist im Maschinenbau von größer Bedeutung. Vor allem bei Kraft- und Arbeitsmaschinen und Getrieben mit schnell laufenden Wellen ergeben sich durch kleine Ungleichförmigkeiten Schwingungen. Stimmt z. B. die Frequenz f eines Antriebsmotors mit der Eigenfrequenz f 0 der umlaufenden Teile eines Getriebes überein, kann es zu Resonanzschwingungen mit einer sehr großen Amplitude kommen, die zerstörende Wirkung haben. Die Resonanzdrehzahl einer Maschine heißt kritische Drehzahl, die möglichst schnell durchfahren werden muss, d. h. man muss möglichst im über- oder im unterkritischen Drehzahlbereich arbeiten, um Bruch oder Verminderung der Lebensdauer zu vermeiden.

. Abb. 7.22 Amplituden-Frequenz-Diagramm. a ! dämpfungsfreie Schwingung, b ! schwache Dämpfung, c ! stärkere Dämpfung, d ! sehr starke Dämpfung des Resonators. Das Maximum rückt mit zunehmender Dämpfung nach links, also zu Frequenzen f < f0

109 7.3  Mechanische Schwingungen

7 Beispiel

Für hintereinander geschaltete Federn gilt:

Auf einer abgesetzten Welle aus Stahl E360 DIN EN 10025 befindet sich eine Schwungscheibe. Die Welle wird im Schnitt x–x als eingespannt betrachtet.

  1 1 1 1 D C C R0 R1 R2 R3   1 1 1 1 1 C C D  107 R0 2;454 10;179 3;351 N cm R0 D 0;804  107 N cm D 0;804  105 N m

d3 = Ø 40 mm

d2 = Ø 60 mm

x

Damit wird die Eigenperiodendauer T 0 : s

s T0 D 2  

d = Ø 500 mm

d1 = Ø 50 mm

Schwungscheibe

J D 2   R0

2;89 kg m2 D 0;0377 s 0;804  105 N m

b) Periodenzahl z in einer Minute nach (7.6): zD x l1 = 200 mm

l2

l3

= 100 mm = 60 mm

60 s t D 1592 Perioden D T0 0;0377 s

c) Eigenfrequenz f 0 nach (7.7): f0 D

1 1 1 D 26;53 D 26;53 Hz D T0 0;0377 s s

b

d) kritische Drehzahl nkr Die kritische Drehzahl nkr entspricht der Anzahl z der Eigenperioden pro Minute:

= 60 mm

Gesucht: a) Eigenperiodendauer T 0 , b) Periodenzahl z in einer Minute, c) Eigenfrequenz f 0 , d) kritische Drehzahl nkr Lösung: a) Eigenperiodendauer T 0 Für Torsionsschwingungen gilt die Gleichung: r T D 2 

J R

nkr D 60 f0 D .60  26;53/ min1 D 1592 min1 9

1 Phasenverschiebung und Erregerfrequenz

Die Phasenverschiebung zwischen erzwungener Schwingung und Erregerschwingung zeigt das '-f-Diagramm (. Abb. 7.23), in dem der Phasenwinkel ' über der als Vielfaches der Eigenfrequenz f 0 angegebenen Erregerfrequenz f aufgetragen ist. Bei ungedämpfter Schwingung schwingen Erreger und Resonator in Phase bei allen Frequenzen f, die kleiner sind als die Eigenfrequenz f 0 . Für alle Frequenzen f, die größer

T J

Periodendauer in s Trägheitsmoment der Schwungscheibe in kg m2 nach . Tab. 7.1 R D R0 resultierende Federrate in N cm

Δϕ

b

Trägheitsmoment der Schwungscheibe:

3 4π

1 kg J D  r 4 b D 0;5  7850 3     0;254 m4  0;06 m 2 m J D 2;89 kg m2

1 π 2

Federraten R1 ; R2 ; R3 : N    54 cm4  8  106 cm    d14  G 2 D 32  l 32  20 cm R1 D 2;454  107 N cm

R1 D

R2 D 10;179  107 N cm R3 D 3;351  10 N cm 7

a

π

c d

1 π 4

0

f = f0 (Resonanzstelle)

f = 2f0

Erregerfrequenz f

. Abb. 7.23 Drehwinkel-Frequenz-Diagramm. a ohne Dämpfung, b mit schwacher Dämpfung, c mit stärkerer Dämpfung, d mit sehr starker Dämpfung

7

110

Kapitel 7  Physik

sind als f 0 , ist die Phase um   verschoben, d. h. der Resonator schwingt genau entgegengesetzt zum Erreger. Bei gedämpfter Schwingung wächst die Phasenverschiebung bei f < f0 bis zur Resonanzfrequenz f D f0 . Dort beträgt die Phasenverschiebung – unabhängig von der Dämpfung – stets  =2 D 90ı , d. h. der Resonator hat seinen größten Ausschlag, wenn der Erreger durch die Ruhelage geht.

7.3.9

yres D A1 sin '1 C A2

1 Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen

7

(7.33)

1 Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen

Im y-t-Schaubild (. Abb. 7.24) sind zwei phasenverschobene harmonische Schwingungen (1 und 2) gleicher Frequenz und unterschiedlicher Amplitude dargestellt. 1 Grafische Lösung

Die Entwicklung des Additionstheorems sin .'1 C '0 / ergibt abschließend

y2 D A2 sin2 '1 C cos2 '1 D A2  1 Gleichung der zu jedem Zeitpunkt um die Amplitude A2 vergrößerten harmonischen Schwingung 1:

Überlagerung von Schwingungen

I. gleiche Frequenzen (f 1 D f2 ) ungleiche Amplituden (A1 > A2 )

Zur Addition werden 2  f t1 D '1 und 2  f t1 D '1 gesetzt. Dann ergibt sich für I. und II.: I. y1 D A1 sin .'1 / II. y2 D A1 sin .'1 C '0 /

II. ungleiche Frequenzen (f 1 > f2 ) ungleiche Amplituden (A1 < A2 ) Die Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen ungleicher Frequenz und Amplitude ergibt keine harmonische Schwingung, sondern eine allgemeine periodische Bewegung (. Abb. 7.25). Weder das punktweise Addieren noch die mathematische Zusammensetzung führen wegen sin '1 ¤ sin '2 zur Gleichung einer harmonischen Schwingung:

y1 D A1 sin '1 C y2 D A2 sin '2

Die resultierende Schwingung erhält man, wenn zu verschiedenen Zeitpunkten t die dort vorliegenden Auslenkungen y1 und y2 beider Schwingungen richtungsgemäß zur resultierenden Auslenkung yres addiert werden. Erkenntnis: Die Zusammensetzung (Überlagerung) zweier harmonischer Schwingungen mit gleicher Frequenz ergibt stets wieder eine harmonische Schwingung gleicher (7.34) yres D A1 sin '1 C A2 sin '2 Frequenz, gleichgültig ob die Amplituden gleich oder unterschiedlich sind. 1 Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen III. gleiche Frequenzen (f 1 D f2 ) 1 Mathematische Lösung gleiche Amplituden (A1 D A2 ) Da Phasenverschiebung zwischen beiden Schwingungen Phasenverschiebung '0 D   D 180ı vorausgesetzt wird, erhält man die Gleichungen I. y1 D A1 sin.2  f t1 / und Zwei harmonische Schwingungen mit gleicher Frequenz II. y2 = A1 sin.2  f t1 C 2  f t0 ) und addiert sie zu yres . und gleicher Amplitude löschen einander aus, wenn sie um

. Abb. 7.24 y-t-Diagramm, f 1 D f2 und A1 > A2

. Abb. 7.25 y-t-Diagramm, f 1 > f2 und A1 < A2

7

111 7.4  Mechanische Wellen

. Abb. 7.26 y-t-Diagramm, f 1 D f2 und A1 D A2

den Phasenwinkel '0 D   D 180ı gegeneinander verschoben sind (. Abb. 7.26).

. Abb. 7.29 Querwelle (Transversalwelle). c Ausbreitungsgeschwindigkeit

1 Mathematische Untersuchung

y1 y2 y1 y1 C y2 7.4

D A sin ' D A sin .' C 180ı / D A . sin '/ D A sin ' C y2 D A sin ' D 0 (Auslöschung)

Mechanische Wellen

Die mechanische Welle entsteht durch die Eingabe einer Störung des momentanen Spannungszustands eines elastischen Körpers, zum Beispiel der Schraubenfeder (. Abb. 7.27). Die Teilchen werden gegeneinander elastisch verschoben, entweder durch eine Querkraft F q oder durch eine Längskraft F l längs des Spannwegs s. Dem elastischen Körper wird damit Federarbeit und Beschleunigungsarbeit zugeführt, die seine Energie erhöhen. Eine Längs- oder Longitudinalwelle entsteht, wenn man in die stärker gespannte Schraubenfeder durch Zusammenziehen einiger Windungen eine Längsstörung einleitet (. Abb. 7.28). Ein Teilchen, hier eine Federwindung,

schwingt dabei längs (longitudinal) zur Ausbreitungsrichtung der Welle. Eine Quer- oder Transversalwelle entsteht, wenn in eine leicht gespannte Schraubenfeder eine Querstörung eingeleitet wird, etwa durch eine plötzlich aufgebrachte Querkraft (. Abb. 7.29). Ein Teilchen, hier eine Federwindung, schwingt dabei quer (transversal) zur Ausbreitungsrichtung der Welle. 7.4.1

Gleichung der harmonischen Welle

Eine harmonische Welle entsteht, wenn die einzelnen Schwinger (Oszillatoren) harmonische Schwingungen ausführen. Die Wellenlänge  ist der Abstand zweier benachbarter Oszillatoren 1 und 2, die in gleicher Phase schwingen (. Abb. 7.30). Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c der harmonischen Welle ist der Quotient aus der Wellenlänge  und der Schwingungsdauer T D 1=f (Frequenz f): cD

 D f T

c m s

 m

f T 1 D Hz s s

(7.35)

Da jeder Wellenpunkt der harmonischen Welle eine harmonische Schwingung ausführt, wird von der schon bekannten Gleichung der harmonischen Schwingung ausgegangen. Die Schwingungsgleichung in der Form y D A sin.2 t=T/ enthält jedoch noch keine Größe, die von der Ausbreitungsgeschwindigkeit c der Welle abhängig ist. . Abb. 7.27 Störungseingaben durch Längs- oder Querkräfte

. Abb. 7.28 Längswelle (Longitudinalwelle). c Ausbreitungsgeschwindigkeit

. Abb. 7.30 In Phase schwingende Oszillatoren 1 und 2 mit der Wellenlänge 

112

Kapitel 7  Physik

Im Zeitabschnitt t legt die Welle aber den Weg x 7.4.2.1 Interferenzmaximum, mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c zurück. Folglich ist Interferenzminimum, Auslöschung c D x=t. Es ist aber auch c D =T: 1 Allgemeiner Fall ˇ x  ˇˇ t x Die Wellen 1 und 2 gleicher Frequenz sind in AusbreicD D D t T ˇ T  tungsrichtung x um den so genannten Gangunterschied x    t x y A t; T x  gegeneinander verschoben.  y D A sin 2  Die Zusammensetzung zeigt eine resultierende Welle m m s m m T  (1 C 2) mit der Frequenz der Einzelwellen, jedoch phasenGleichung der harmonischen Welle (7.36) verschoben (. Abb. 7.32). Harmonische Wellen in gleicher Schwingungsebene Wird mit t D t0 ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt, wird und mit gleicher Frequenz überlagern sich zu einer neuen der Quotient t0 =T eine Konstante. Dann kann für jeden beharmonischen Welle mit gleicher Frequenz. Sie kann phaliebigen Abstand x1 ; x2 ; x3 usw. und damit für jeden senverschoben, verstärkt oder geschwächt sein. Wellenpunkt (Oszillator) seine augenblickliche Auslen-

7

kung y berechnet werden und man erhält die räumliche Anordnung aller Oszillatoren, d. h. das Momentanbild der1 Interferenzmaximum Die resultierende Welle (1 C 2) (. Abb. 7.33) ergibt nur harmonischen Welle: dann ein Maximum der Auslenkung, wenn die beiden Teil   t0 x  (7.37) wellen „aufeinander“ liegen. Dabei ist der Gangunterschied y D A sin 2  x gleich null oder gleich einem ganzzahligen Vielfachen T  der Wellenlänge : Wird mit x D x0 ein bestimmter Weg festgelegt, wird der Quotient x0 = eine Konstante. Nun kann für beliebige Zeix D 0; ˙; ˙2; ˙3; : : : ten t1 , t2 , t3 usw. die Auslenkung y des einzelnen Oszillators  bestimmt werden. n natürliche Zahl (7.39) x D ˙2n 2    t x0  (7.38)1 Interferenzminimum y D A sin 2  T  Ein Minimum der Auslenkung der resultierenden Welle (1 C 2) kann sich nur dann einstellen, wenn sich der Wellenberg der einen Welle mit dem Tal der anderen deckt 7.4.2 Interferenzen (. Abb. 7.34). Der Gangunterschied x muss die Hälfte der Wellenlänge  betragen oder ein nicht geradzahliges Unter Interferenz versteht man die Überlagerung von Wel- Vielfaches der halben Wellenlänge  sein: 2 len gleicher Frequenz. In . Abb. 7.31 ist die geometrische Addition zweier 3 5 1 x D ˙ ; ˙ ; ˙ ; : : : rechtwinklig aufeinander stehender Querstörungen darge2 2 2 stellt.  n natürliche Zahl (7.40) x D ˙ .2n  1/ 2 1 Erkenntnis Wellen überlagern sich auf dem gleichen Wellenträger1 Auslöschung ungestört. Treffen sie zusammen, addieren sich ihre Aus- Die beiden Wellen können nur dann ausgelöscht werden, lenkungen vektoriell (geometrisch). d. h. die Auslenkung der resultierenden Welle gleich null . Abb. 7.31 Überlagerung zweier rechtwinklig aufeinander stehender Querstörungen a Störung 1 in x; y-Ebene, b resultierende Störung unter dem Winkel ˛ zur x; z-Ebene, c Störung 2 in x; z-Ebene

7

113 7.4  Mechanische Wellen

. Abb. 7.32 Allgemeiner Fall einer Überlagerung

. Abb. 7.36 Doppler-Effekt, Erreger (E) in Ruhe, Beobachter (B) in Bewegung (vB )

. Abb. 7.33 Interferenzmaximum bei einem Gangunterschied x D geradzahliges Vielfaches von =2

. Abb. 7.34 Interferenzminimum bei einem Gangunterschied x D nicht geradzahliges Vielfaches von =2

Dazu lassen sich unterschiedliche Bewegungsvorgänge konstruieren: 4 ein Beobachter (B) bewegt sich auf einen ruhenden Wellenerreger (E) zu- oder von ihm fort, 4 ein Beobachter steht still und der Erreger bewegt sich auf ihn zu oder von ihm fort, 4 beide, Erreger (E) und Beobachter (B), bewegen sich. In allen Fällen muss noch festgestellt werden, wie sich dabei der Wellenträger, das Medium der Wellenübertragung, verhält, ob es ruht oder sich ebenfalls bewegt. !Hinweis Abstandsverringerung ergibt eine Frequenzerhöhung (f 1 > f0 ), Abstandsvergrößerung ergibt eine Frequenzverringerung (f 1 < f0 ).

Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle (Wellengeschwindigkeit): . Abb. 7.35 Auslöschung bei einem Gangunterschied x D nicht geradzahliges Vielfaches von =2 und A1 D A2

cD

 D f T

(7.43)

Formelzeichen in den folgenden Gleichungen: werden, wenn die Bedingung für das Interferenzminimum gilt und dabei die Amplituden beider Wellen gleich groß sind (. Abb. 7.35): x D ˙ .2n  1/

 2

n natürliche Zahl

(7.41)

f0 0 vB vE

Frequenz der erregten Welle Wellenlänge der erregten Welle konstante Geschwindigkeit des Beobachters (B) konstante Geschwindigkeit des Wellenerregers (E)

(7.42)1 Erreger (E) in Ruhe, Beobachter (B) in Bewegung Der ruhende Erreger (E) sendet eine Welle mit der Wellenlänge 0 aus, die das Ohr des ebenfalls ruhenden Beobachters (B) mit der Wellengeschwindigkeit c trifft. Der 7.4.3 Doppler4 -Effekt Beobachter (B) nimmt dann die Frequenz f 0 D c=0 auf. Bewegt sich nun der Beobachter (B) mit der GeDer akustische Doppler-Effekt, tritt immer dann auf, wenn schwindigkeit vB auf den Erreger (E) zu, trifft die Welle sich ein Wellenerreger und ein Beobachter relativ zueinan- sein Ohr dann mit der (größeren) Relativgeschwindigkeit v1 D c C vB bei unveränderter Wellenlänge 0 . Sein Ohr der bewegen (. Abb. 7.36). nimmt jetzt also eine höhere Frequenz f 1 auf, die sich aus der Relativgeschwindigkeit v1 und der Wellenlänge 0 er4 Christian Doppler, österreichischer Mathematiker und Physiker, 1803–1853 gibt: A1 D A2

Kapitel 7  Physik

114

. Abb. 7.38 Kopfwelle bei M D 1 . Abb. 7.37 Doppler-Effekt, Erreger (E) in Bewegung, Beobachter (B) in Ruhe

7

1 Mach’sche5 Zahl

Beobachter in Ruhe: f0 D

c c ! 0 D j v1 D c C vB 0 f0

Beobachter in Bewegung: c C vB v1 c C vB c C vB D D D f0 0 0 c=f0 0   vB Beobachter bewegt sich D f0 1 C auf den Erreger zu c   vB Beobachter entfernt sich D f0 1  vom Erreger c   0 Beobachter und Erreger D f0 1 ˙ D f0 sind in Ruhe c   Beobachter nähert sich c dem Erreger mit D f0 1 C D 2f0 Wellengeschindigkeit c   Beobachter entfernt sich c vom Erreger mit D f0 1  D0 c Wellengeschindigkeit

f1 D f1 f1 f1 f1 f1

(7.44) (7.45) (7.46) (7.47) (7.48)

1 Erreger (E) in Bewegung, Beobachter (B) in Ruhe

Der Erreger (E) bewegt sich geradlinig auf den Beobachter (B) mit der Geschwindigkeit vE zu. Er legt während einer Schwingungsdauer den Weg s D vE T D vE =f0 zurück. Die ursprüngliche Wellenlänge 0 wird um den Betrag des Weges s „verkürzt“ (. Abb. 7.37). Die Länge der Wellen, die den Beobachter mit der Geschwindigkeit c erreichen, ist also 1 D 0  s, und die Frequenz, die er wahrnimmt, ist f 1 D c=1 . 1 D 0  s c c vE D  f1 f0 f0 c f1 D f0 c  vE 1 f1 D f0 1  vcE 1 f1 D f0 1 C vcE

.f1 > f0 /

Erreger bewegt sich auf den Beobacher zu

(7.49)

.f1 < f0 /

Erreger entfernt sich vom Beobacher

(7.50)

Unter der Bedingung, dass sich Wellenerreger und Beobachter relativ zueinander bewegen, wobei einer von beiden in Ruhe ist, gelten folgende Aussagen: Sendet ein Wellenerreger die Frequenz f 0 aus, nimmt der Beobachter eine höhere Frequenz f 1 > f0 wahr, wenn sich beide aufeinander zubewegen und eine niedrigere Frequenz f 1 < f0 , wenn sich beide voneinander wegbewegen. Die beobachtete (wahrgenommene) Frequenz f 1 unterscheidet sich von der Erregerfrequenz f 0 durch einen Faktor, der ein Geschwindigkeitsverhältnis enthält. Es heißt Mach’sche Zahl M: vB vE ˇˇ M D (7.51) ˇ M D c c M vE vB c

Mach’sche Zahl Geschwindigkeit des Erregers Geschwindigkeit des Beobachters Geschwindigkeit der Welle

Bewegt sich ein Wellenerreger auf den ruhenden Beobachter mit vE D c zu, sagt man, er bewegt sich mit „Mach eins“ (M D 1). In der Wellenwanne bildet sich eine „Kopfwelle“ (. Abb. 7.38). Da keine Welle dem Erreger davonlaufen kann, ist die Amplitude der Kopfwelle groß. Als Druckwelle entsteht sie, wenn z. B. ein Flugzeug „die Schallmauer durchbricht“, d. h. wenn seine Geschwindigkeit gerade gleich der Geschwindigkeit des Schalls in der Luft wird. Der Beobachter hört einen Knall. Bei vE > c Luft (M > 1) sind Druckwelle und Knall nicht so stark (Überschallknall). 7.4.4

Stehende Wellen

Bei der Überlagerung zweier gegenläufiger Wellen gleicher Frequenz und Amplitude erscheint das Bild einer „stehenden“ Welle (. Abb. 7.39). Sie wird am einfachsten als Querwelle mit Reflexion sichtbar gemacht. Läuft Welle 1 nach rechts, Welle 2 mit gleicher Geschwindigkeit nach links, addieren sich im Überlagerungsbereich die Auslenkungen. Die zeichnerische Überlage5

Ernst Walfried 1838–1916

Mach,

österreichischer

Physiker,

Philosoph,

7

115 7.4  Mechanische Wellen

Schwingungs- oder Schnellebäuche a, b, c, d. Dort sind die Auslenkungen beider Einzelwellen gleich groß und haben gleiches Vorzeichen; sie verdoppeln sich. Das räumliche Bild dieser Welle wandert im Gegensatz zur fortschreitenden Welle nicht weiter. Experimentell lässt sich die stehende Welle durch Reflexion sichtbar machen, indem am losen Ende einer langen Schraubenfeder durch richtiges periodisches Erregen Querwellen eingeleitet werden, die sich dann mit den am festen Ende reflektierten Wellen zur stehenden Welle überlagern. Die eingeleitete Frequenz muss umso größer sein, je größer die Federspannung ist. !Hinweis Am festen Ende eines mit stehender Welle schwingenden Gebildes entsteht immer ein Knoten, am losen Ende dagegen ein Bauch. Stehende Wellen sind ein Spezialfall der „Interferenz“.

7.4.5

Eigenschwingungen (stehende Wellen auf begrenztem Wellenträger)

Nach 7 Abschn. 7.4.4 kann eine stehende Welle leicht mit einer langen Schraubenfeder erzeugt werden kann. Dieser „Federwurm“ ist dann ein begrenzter Wellenträger, der Eigenschwingungen ausführt. Sie sind wegen des Zwangs zum „Leichtbau“ in der Technik von großer Bedeutung (Achsen, Träger, Spindeln, Gestelle usw. „schwingen“). Stehende Wellen auf begrenztem Träger, also Eigenschwingungen des Trägers, bauen sich nur bei ganz bestimmten Frequenzen f (oder Wellenlängen ) und dann in verschiedenen Formen auf. Man unterscheidet die Grundschwingung und die Oberschwingungen als Formen der Eigenschwingung. Bei einer ganz bestimmten Erregerfrequenz schwingt der Träger mit einem Bauch in der Mitte. Diese Frequenz ist die Grundfrequenz f 0 : l f0 c 1 m m s s gilt für fest eingespannte Träger f0 D

. Abb. 7.39 Momentbilder einer stehenden Querwelle: auf den Knoten KI , KII , KIII , KIV liegen die Bewegungsknoten, auf den Loten BI , BII , BIII , BIV die Schwingungsbäuche

rung der beiden gestrichelt gezeichneten Einzelwellen zu nacheinander folgenden Zeitpunkten ergibt als Resultierende die stark ausgezogene stehende Querwelle. Die so genannten Bewegungsknoten (Schnelleknoten) KI:::IV bleiben stets in Ruhe; sie liegen im Abstand  =2 voneinander. Dort treffen die Einzelwellen mit entgegengesetzt gleich großen Auslenkungen zusammen. Die Punkte zwischen zwei Knoten schwingen in Phase, jedoch mit von Punkt zu Punkt unterschiedlicher Amplitude; es entstehen

c 2l

(7.52)

Die Frequenzen f der Oberschwingungen sind ganzzahlige (n) Vielfache der Grundfrequenz f 0 . Das gilt auch für Träger mit zwei losen Enden (. Abb. 7.40): f D n f0

n D 1; 2; 3; 4; : : :

(7.53)

Ist ein Ende eines Trägers fest eingespannt und am anderen losen Ende des Trägers wird erregt, ist die Grundfrequenz nur halb so groß wie beim Träger mit zwei festen Enden. l f0 c (7.54) 1 m m s s gilt für Träger mit einem festen und einem losen Ende

f0 D

c 4l

116

Kapitel 7  Physik

7.4.6

Zusammenfassung der Formeln zu den mechanischen Wellen

Einheiten c; vB ; vE m s

7

. Abb. 7.40 Eigenschwingungen des Wellenträgers mit zwei Enden (z. B. beim Federwurm). a Grundschwingung, b, c, d erste, zweite und dritte Oberschwingung

Die Frequenzen f der Oberschwingungen sind dann das 3-, 5-, 7-, . . . -fache der Grundfrequenz f 0 : f D .2n C 1/ f0

n D 1; 2; 3: : : :

(7.55)

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c der Querwellen kann man mit stehenden Wellen bestimmen, weil die Wellenlänge  leicht messbar ist: Die Bewegungsknoten der stehenden Welle liegen um =2 voneinander entfernt: cD

c m s

 D f T



f T 1 D Hz s s

m

cD

Fl D m

r

F m

c m s

F N

m kg m kg m l

T; t; t0

m

s

f; f0 ; f1 1 s

Ausbreitungsgeschwindigkeit c  cD D f der Welle T  Wellenlänge Gleichung der harmonischen Welle Momentanbild der Welle zur Zeit t0 Auslenkung eines Oszillators der Welle zur beliebigen Zeit t Bedingung für die größtmögliche Verstärkung der Welle

  t y D A sin 2   T   t0 y D A sin 2   T   t  y D A sin 2  T x D ˙2n

Bedingung für die größtmögliche Schwächung der Welle

 2 Auslöschung, wenn zugleich A1 D A2

x D ˙.2n  1/

m

(7.57)

Brechungsgesetz

sin ˛ c1 D sin ˇ c2

˛ Einfallswinkel, ˇ Brechungswinkel Doppler-Effekt bei still stehendem Erreger und bewegtem Beobachter (vB )

 vB  f1 D f0 1 ˙ c

C Beobachter bewegt sich auf den Erreger zu  Beobachter entfernt sich vom Erreger Doppler-Effekt 1 f1 D f0 bei bewegtem Erreger und 1  vcB still stehendem Beobachter (vB )

Lösung:

Grundfrequenz f0 (stehende Welle auf einem Träger der Länge l)

s F D m

F A

V Al m D D D  A j A D 0;785  106 m2 l l l v u u 20 kgs2m m 9 cDt D 56;97 kg 3 6 2 s 7;85  10 m3  0;785  10 m

m D

 x   x0 

 2

Ein Stahldraht mit d D 1 mm Durchmesser wird an seinen Enden mit einer Zugkraft F D 20 N belastet. Wie groß ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit c einer Querstörung im Draht ( D 7;85  103 kg=m3 )?

r



n natürliche Zahl

7 Beispiel

cD

x 

n natürliche Zahl

(7.56)

Für gespannte Schnüre und Saiten geringer Biegesteifigkeit bestimmt man die Ausbreitungsgeschwindigkeit c aus der Zugkraft F und der Masse m je Meter Länge (kg=m): r

; A; y; t; x; x0

C Beobachter bewegt sich auf den Erreger zu  Beobachter entfernt sich vom Erreger c 2l Träger mit zwei festen Enden f0 D

c 4l Träger mit einem festen und einem losen Ende     Überlagerung stehender Wellen t x yres D 2A sin 2  cos 2  (f1 D f2 ; A1 D A2 ) T  f0 D

7

117 7.5  Akustik

Akustik

7.5 7.5.1

und der Frequenz f proportional. vD

Schall

Alle über das Ohr des Menschen vermittelten Erscheinungen werden als Schall bezeichnet. Den kann das Ohr nur empfinden, wenn ein Medium die Störung heranträgt, wenn also Stoffteilchen (hier: Luftmoleküle) schwingen. Auch hier gelten die Gesetze der Schwingungs- und Wellenlehre. Alle Schallwellen sind Longitudinalwellen. Die Schallempfindungen werden in Knall, Geräusch, Klang und Ton unterteilt (. Abb. 7.41). Beim Ton verlaufen die Druckschwankungen der Luft rein sinusförmig (harmonische Welle). Die Klangschwingung ist periodisch. Sie kann aber, wie jede periodische Schwingung, in eine Summe von Sinusschwingungen zerlegt werden. Der Klang lässt sich demnach aus mehreren Tönen zusammensetzen. (Grundton und überlagerte Sinusschwingungen als Obertöne).

7.5.4

Tonhöhe

Wird eine Saite angerissen, empfindet man den Ton höher bei stärker gespannter Saite und niedriger bei geringerer Saitenspannung. Demnach wächst bei gleich bleibender Saitenläge die Grundfrequenz f0 mit der Zugspannung , d. h. die Tonhöhe ist der Frequenz f der Schwingungsbewegung proportional. 1 f0 D 2l

7.5.3

r



f0

l

1 D Hz m s

N m2

 kg m3

Schallschnelle

Die Geschwindigkeit, mit der Teilchen in einem Medium schwingen, heißt Schallschnelle v. Sie ist der Amplitude A

f 1 m s

T s

Schalldruck

p D %cv

p N m2

% kg m3

c; v m s

Schallstärke

Die Schallstärke J ist diejenige Energie, die in der Zeiteinheit durch eine rechtwinklig zur Ausbreitungsrichtung der Schallwelle stehende Flächeneinheit hindurchtritt. Sie ist also eine auf die Flächeneinheit bezogene Leistung. J D

 2 p2 v cD 2 2c

J W J D 2 2 m m s

 kg m3

c; v m s

p N m2

Wände nehmen Schallenergie auf (Schallschluckung), so dass die Schallstärke J1 hinter der ersten Wand auf J2 hinter der zweiten Wand usw. absinkt (. Abb. 7.42). Dabei wird die Luft in den Poren der Wand erwärmt. Ein Teil der auf eine Wand auftreffenden Schallenergie wird reflektiert. Die Dämpfungsfähigkeit der Wände hängt von ihrer Dicke und vom Material ab. Bei akustischen Vorgängen nimmt das menschliche Ohr die Differenzen von Schallstärken in logarithmischen Stufen war. Deshalb wurde als Vergleichsgröße D (Dämpfung) der zehnfache Zehnerlogarithmus des Verhältnisses zweier Schallstärken eingeführt. D D 10 lg

. Abb. 7.41 Oszillogramme verschiedener a Knall, b Geräusch, c Klang, d Ton

A

Durch Dichteänderungen eines Gases beim Ausbreiten der Schallwelle entstehen Druckschwankungen. Die maximale Druckabweichung vom Druck der ruhenden Luft (Druckamplitude) ist der Schalldruck p, auch Schallwechseldruck genannt. Er ist proportional der Dichte %, der Schallgeschwindigkeit c und der Schallschnelle v.

7.5.5 7.5.2

v m s

2 A D 2  A f T

p2 p1 J1 D 10 lg 12 D 20 lg J2 p2 p2

Schwingungsformen. . Abb. 7.42 Schallstärke I an Wänden

118

Kapitel 7  Physik

7.5.6

Schallgeschwindigkeit

Die Gleichungen für die Schallgeschwindigkeit ck in festen Körpern (z. B. Stahl), cf in Flüssigkeiten (z. B. Wasser) und cg in Gasen (z. B. Luft) haben den gleichen Aufbau. Unter der Wurzel steht ein Bruch, dessen Nenner die Dichte des betreffenden Stoffes ist, also eine Stoffkonstante. s

s ck D

E 

cf D

s 1=k 

cg D

.p  / 

. Abb. 7.43 Kundt’sche6 Staubfiguren zeigen stehende Schallwellen

An den Einheiten dB und phon erkennt man, um welche physikalische Größenart es sich handelt: ) Schallstärkenvergleich (objektive Vergleichsbasis) phon ) Lautstärkenvergleich (subjektive Vergleichsbasis)

dB

7

2

E k p 

Elastizitätsmodul in N=mm Kompressibilitätsfaktor in m2 =N Druck des Gases in N=mm2 D cp =cV Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten  Dichte des Stoffes in kg=m3 Wenn der Zähler des Bruches unter der Wurzel als eine „Elastizitätsgröße“ oder „Spannungsgröße“ bezeichnet wird, hat man die alle drei Fälle erfassende Struktur der Gleichung für die Schallgeschwindigkeit c zur Verfügung: s ck;f;g D

.Spannungsgröße E; 1=k; p y/ Dichte 

Die Schallgeschwindigkeit hängt für alle Körper von einer Spannungsgröße und der Dichte ab. Sie sind also von der jeweiligen Frequenz unabhängig.

7.5.7

7.5.8

Da Schall ein Wellenvorgang ist, kann man auch stehende Schallwellen erzeugen, die Wellenlänge  messen und die Schallgeschwindigkeit mit c D f berechnen. Eine waagerecht gelagerte Glasröhre wird im Inneren über der gesamten Länge mit Korkpulver bestreut (. Abb. 7.43). Zwei vom gleichen Tonfrequenzgenerator gespeiste Schallköpfe dienen als Schallerreger. Die sich einstellenden Staubfiguren zeigen Knoten und Bäuche, die Kennzeichen der stehenden Welle. Schallwellen breiten sich in Gasen als Longitudinalwelle (Längswelle) aus. (Verdichtung und Verdünnung des Gases). Ist die Schallgeschwindigkeit cl in Luft bekannt, kann auch die Schallgeschwindigkeit in einem anderen Gas bestimmt werden.

Lautstärke

cg D cl

Die Lautstärke L ist ein Maß für die subjektive Lautheitsempfindung durch einen Hörvergleich mit einem so genannten Normalschall von 1000 Hz. Der Normalschalldruck pn wird für den Vergleich so eingestellt, dass der erzeugte Normalschall und der zu messende Schall gleich laut empfunden werden. pn L D 20 lg p0 1 phon D

Stehende Schallwellen

L

pn ; p0 N phon m2

pn D 1;122 p0

Der Bezugsschalldruck p0 entspricht etwa der unteren Hörschwelle 1000 Hz Ton. Dabei ist p0 D 2  105 N=m2 . Die Phon-Kurven sind Kurven gleicher Lautstärke (Empfindung) in Abhängigkeit von der Frequenz. Sie sind aus den Mittelwerten vieler Messungen am Menschen entstanden.

7.5.9

g l

Ultraschall

Wellen im Frequenzbereich 16.000 Hz bis 1013 Hz bezeichnet man als Ultraschall. Die Wellenlängen bei 1012 bis 1013 Hz entsprechen etwa den Molekülabständen in festen und flüssigen Körpern. Wegen der erreichbaren kleinen Wellenlänge lassen sich Ultraschallwellen scharf bündeln und richten, so dass für Reflexion und Brechung von Ultraschallwellen die Gesetze der geometrischen Optik gelten. Ultraschall mit f D 16 kHz bis 200 kHz wird als niederfrequenter Ultraschall bezeichnet. Erzeugt wird Ultraschall mit mechanischen und elektromagnetischen Schallwellen. Die Sirene (eine mechanische Schallquelle) liefert niederfrequente Schallwellen (bis 200 kHz). Elektromechanisch lässt sich Ultraschall bis 6

August Kundt, deutscher Physiker, 1839–1894

119 7.6  Optik

pn etwa 50 MHz, z. B. mit Quarzkristallscheiben erzeugen, die Lautstärke L L D 20 lg p0 zwischen zwei Elektroden durch ein elektrisches Wechselpn feld zu Eigenschwingungen angeregt werden. 1 phon ¶ D 1;122 p 0 In der Technik gibt es vielfältige Anwendungsbereiche, pn Normschalldruck, p0 Bezugsschalldruck z. B. für die zerstörungsfreie Metallprüfung mit der ImpulsEchomethode (Reflexionsschallverfahren). Dabei wird ein Schallgeschwindigkeit cg (Gas) g cg D cLuft kurzer Schallimpuls von einigen Millionen Schwingunbei bekannter cLuft Luft gen pro Sekunde in das Werkstück eingestrahlt. Auf dem g Wellenlänge der stehenden Schallwelle Monitor zeigt sich außer dem Rückwandecho noch das Fehlerecho vom Riss als vorzeitiger Impuls. Die elektronische Auswertung gibt Aufschluss über Lage, Größe und 7.6 Optik Art des Fehlers. Die hohen Amplituden des Schalldrucks führen in Flüssigkeiten zu örtlichen sehr hohen Druckwechseln (Dich- 7.6.1 Licht tewechseln). Ultraschallwellen können daher feste Körper oder Organismen in Flüssigkeiten zerstören. Diese Wirkung lässt sich nutzen, z. B. zur Reinigung komplizierter1 Das elektromagnetische Spektrum und kleinster Werkstücke von Ölen, oder zur Sterilisierung Ein Spektrum ist die allgemeine Bezeichnung für alle Welvon Flüssigkeiten, aber auch zur Bildung von Emulsionen. lenbänder (elektromagnetisches Spektrum, Röntgen-Spektrum usw.) Licht gehört zu den elektromagnetischen Wellen und ist damit ein Teil des elektromagnetischen Spektrums. Für das 7.5.10 Zusammenfassung der Formeln menschliche Auge sichtbares Licht macht nur einen kleinen zur Akustik Teil des Wellenlängenbereichs aus. Im physikalischen Sinn zählen aber auch die nicht sichtbaren kürzeren und längeren Wellen zum Licht. Sichtbar ist Licht mit Wellenlängen von   390 nm bis Einheiten   790 nm. f0 l; A z ; E  v; z p Farbe und Wellenlänge 1 N kg m N sichtbar:

s k m2 N

m  1

mm2 R J kg K

m3

s

m2

D Pa

Violett Blau Grün Gelb Orange Rot

L phon

Grundfrequenz f0 einer Saite

f0 D

1 2l

r

z 

z Zugspannung an der Saite,  Dichte, l Länge Schallschnelle v

v D 2  A f

  390 nm . . .   420 nm . . .   480 nm . . .   560 nm . . .   580 nm . . .   630 nm . . .

420 nm 480 nm 560 nm 580 nm 630 nm 790 nm

nicht sichtbar: Ultraviolett   100 nm . . . 380 nm Infrarot   780 nm . . . 1400 nm

A Amplitude Schalldruck p Schallgeschwindigkeit ck (feste Körper)

p D cv s E ck D 

E Elastizitätsmodul s Schallgeschwindigkeit cf (Flüssigkeiten)

cf D

1 k

k Kompressibilitätsfaktor r Schallgeschwindigkeit cg (Gase)

cg D

 Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten, R spezifische Gaskonstante

p p D RT  

Werden alle Lichtfarben auf einen Fleck projiziert (additiv gemischt), erscheint der Fleck weiß. Auch die Mischung zweier Farben, z. B. rot und grün, kann weißes Licht ergeben (Komplementär Farben). Eine Anwendung ist die Rot-Grün-Brille zur Betrachtung entsprechend gefärbter Stereobilder. 7.6.1.1 Lichtspektren 1 Kontinuierliches Spektrum und Linienspektrum

Im Licht glühender Körper sind alle Wellenlängen enthalten. Ein mit Glühlicht erzeugtes Spektrum ist deshalb ein kontinuierliches Farbband. Je nach Glühtemperatur ist der Anteil an kurz- oder langwelligem Licht im Verhältnis zur gesamten Lichtmenge größer oder kleiner.

7

Kapitel 7  Physik

120

Dagegen senden zum Leuchten gebrachte Gase nur Wellenlägen aus, die ihrem atomaren Aufbau entsprechen. Das erzeugte Spektrum besteht daher nur aus einzelnen hellen Linien: Linienspektrum. 1 Fraunhofer’sche Linien, Spektralanalyse

7

Ein Gas absorbiert nur das Licht, das es aussenden würde, wenn es selbst leuchten würde. Durchdringt Licht eines glühenden Körpers eine Gasschicht, fehlt danach das Licht einiger Wellenlängen. Im Spektrum dieses Lichts erkennt man dann einige dunkle Linien. Solche Linien werden auch im Spektrum des Sonnenlichts gefunden, weil das Licht der glühenden Sonne erst ihre Gashülle durchdringen muss, bevor es auf die Erde trifft. Diese schwarzen Absorptionslinien im Sonnenlicht heißen Fraunhofer’sche Linien. Sie werden wie eine Skala zur Einteilung der Spektren benutzt. Bereich

Linienzeichen

Wellenlänge  in mm

rot

A

761

B

687

C

656

gelb

D

589

grün

E

527

blau

F

486

G

431

H

397

violett

Die Linien oder Linienfolgen sind jeweils für bestimmte Stoffe charakteristisch, sodass eine Gasanalyse möglich ist, die Spektralanalyse. Dabei werden feste Körper verdampft und ihr Linienspektrum untersucht. Die Absorptionslinien zeigen an, aus welchem Stoff der Körper besteht. 7.6.1.2

Schattenbildung

Licht breitet sich in homogenen Mitteln geradlinig aus. Bei einer punktförmigen Lichtquelle L wird der Schatten des Körpers K durch die Lichtstrahlen 1 und 2 begrenzt (. Abb. 7.44). Bei einer flächenmäßig ausgedehnten Lichtquelle L begrenzen die Strahlen 1 und 2 den Kernschatten, die Strahlen 10 und 20 den Halbschatten des Körpers K. 7.6.1.3

Größen der Photometrie

In der Photometrie (Lichtmessung) wurden die physikalischen Gesetze zusammengefasst, mit denen man die Wirkung des sichtbaren Lichts auf das menschliche Auge beschreiben kann. Basisgröße dieses physikalischen Bereichs ist die Lichtstärke I . Die zugehörige SI-Basiseinheit ist die Candela mit dem Kurzzeichen cd.

. Abb. 7.44 Schattenbildung a bei angenommener punktförmiger Lichtquelle, b bei tatsächlicher Lichtquelle; K Körper, P Projektionswand, L Lichtquelle

Definition Die Candela (cd) ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle, die monochromatische (einfarbige) Strahlung der Frequenz 540 THz aussendet und deren Strahlstärke in dieser Richtung 1=683 Watt durch Steradiant (sr) beträgt. Diese Definition ist nach DIN für Tag-Dämmerungs-und Nachtsehen gültig. 1 Candela D 1 Lumen=Steradiant.

Der Lichtstrom ˚ wurde über die Lichtstärke I einer punktförmigen Lichtquelle und dem Raumwinkel ˝, den das Licht durchflutet, definiert. ˚ DI ˝

I ˝ ˚ lm D cd sr cd sr

lm Lumen, cd Candela, sr Steradiant Die Einheit des Lichtstroms ˚ ist das Lumen lm. 1 Lumen ist gleich dem Lichtstrom, den eine punktförmige Lichtquelle mit der Lichtstärke 1 cd gleichmäßig nach allen Richtungen in den Raumwinkel 1 Steradiant sr aussendet. Die Beleuchtungsstärke E ist der Quotient aus Lichtstromteilchen ˚ und Flächenteilchen A. ED

( I  ˝ D A A

In der Skizze (. Abb. 7.45) trifft ein Lichtstrahl der Lichtquelle P im Abstand l auf das Flächenteilchen A. Mit den Bezeichnungen in der Skizze ergibt sich die Gleichung ˝ D An = l 2 für das Raumwinkelteilchen.

121 7.6  Optik

7 Beispiel In Kronglas (auch als Spiegelglas oder Kristallglas bezeichnet) beträgt die Lichtgeschwindigkeit ck D 200:000

km : 9 s

In der Optik rechnet man nicht mit der Lichtgeschwindigkeit c, sondern mit einer Bezugsgröße, der Brechzahl n. Sie ist das Verhältnis zwischen der Lichtgeschwindigkeit c0 im Vakuum und der Lichtgeschwindigkeit ck im durchsichtigen Stoff. . Abb. 7.45 Beleuchtungsstärke

nD Dabei ist zu beachten, dass das Flächenteilchen An als Teil einer Kalottenfläche rechtwinklig zum Abstand l stehen muss. Mit dem Einfallswinkel ' wird die Beziehung zwischen den Flächenteilchen An und A definiert: A D An = cos '. Dieser Ausdruck in die Ausgangsbeziehung E D ˚=A eingesetzt, ergibt eine für praktische Rechnungen verwendbare Gleichung für die Beleuchtungsstärke E einer punktförmigen Lichtquelle. An I 2 I cos ' I ˚ l D ED D An A l2 cos ' I cos ( ED l2

E lx

I l ' cd m ı

Die Einheit der Beleuchtungsstärke E ist das Lux (lx). 1 Lux ist gleich der Beleuchtungsstärke, die auf einer Fläche herrscht, wenn auf 1 m2 dieser Fläche gleichmäßig verteilt der Lichtstrom 1 Lumen (lm) fällt. 1 lx D 1

cd sr lm D1 2 m2 m

1 lm D 1 cd sr

.Candela-Steradiant/

Die Beleuchtungsstärken sind z. B. in Büroräumen durch Normen vorgegeben. 7.6.1.4

Lichtgeschwindigkeit und Brechzahl

c0 >1 ck

Wie für mechanische Wellen gilt auch für Licht: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ck ist das Produkt aus der Wellenlänge  und der Frequenz f . ck D f

ck m s

 m

f 1 D Hz s

Für Lichtquellen sind nur die Frequenzen absolut gültig. Weil direkt messbar, gibt man für technische Zwecke die Wellenlänge  an, wobei die Wellenläge in Luft gemeint ist. Das optisch dichtere (dünnere) Mittel ist das mit der größeren (kleineren) Brechzahl. Kronglas ist Glas mit geringer, Flintglas mit hoher Farbzerstreuung (Dispersion).

7.6.2

Wellenoptik

Die Vorgänge bei der Lichtausbreitung werden mit den Gesetzen der Wellenlehre behandelt. Ausreichende Begründung für die Wellennatur des Lichts liefert die LichtInterferenz. Man kann, wie bei den mechanischen Wellen, auch zwei Lichtwellen gleicher Frequenz überlagern (. Abb. 7.46). Auch hier erhält man

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts hängt von der 1 maximale Verstärkung Dichte % des Stoffes und seiner Temperatur ab. Im Vakuum  beträgt die Lichtgeschwindigkeit bei Gangunterschied x D geradliniges Vielfaches von 2 km 8 m D 300:000 c0 D 3  10 1 Auslöschung s s bei Gangunterschied x D ungeradliniges Vielfaches Der bisher größte erreichte Messwert beträgt  von 2 km c D 299:792 s 7.6.2.1 Interferenz des Lichts In durchsichtigen Stoffen wie in Glas, Flüssigkeiten, Interferenzen (Überlagerungen) können nur bei absolut Kunststoffen usw. läuft das Licht langsamer als im Vaku- schwingungsgleichem Licht entstehen (kohärentes Licht). um. Diese Verminderung der Lichtgeschwindigkeit verur- Für die meisten optischen Untersuchungen verwendet man monochromatisches Licht (Licht einer Wellenlänge). sacht die Lichtbrechung und beeinflusst die Spiegelung.

7

122

Kapitel 7  Physik

Auslöschung bei x D =2, 3=2, 5=2 usw., also für

. Abb. 7.46 Licht am dünnen Blättchen durch Spiegelung getrennt und um x versetzt wieder zusammengeführt

7

Das Licht darf nur von einer Lichtquelle kommen. Um zwei Wellenzüge von einem einzigen Lichtbündel szu erhalten, wird das Licht durch Spiegelung an einer Glasoberfläche getrennt und durch eine zweite Spiegelung phasenverschoben wieder zusammengeführt. Die Strecke ABC D x ist der Lichtweg im Blättchen mit der Dicke d (Phasenverschiebung) Man lässt kohärentes Licht nahezu senkrecht auf ein sehr dünnes Blättchen fallen und beobachtet nur einen Strahl aus dem auftreffenden Lichtbündel (. Abb. 7.47). Der Strahl 1 spaltet sich in zwei Teile auf: Teil 10 wird in A reflektiert, Teil 2 dringt in das Blättchen ein und wird erst in B in Richtung 20 reflektiert. Nun unterscheidet man in der Optik optisch dichtere und dünnere Stoffe: Das optisch dichtere Medium (größere Brechzahl n/ reflektiert die Welle wie ein festes Ende. Das optisch dünnere Medium (kleinere Brechzahl n/ wirkt wie ein loses Ende. Punkt A bedeutet für die ankommende Welle ein festes Ende (Eintritt in das optisch dichtere Medium), die Welle wird mit =2 reflektiert. Punkt B bedeutet dagegen ein loses Ende (Eintritt in ein optisch dünneres Medium). Die Welle kommt ohne Phasensprung zurück. Da Teil 2 außerdem den zusätzlichen Weg 2d (bei nahezu rechtwinkligem Auftreffen des Strahls ist Strecke AB D d ) zurücklegt, beträgt der gesamte Gangunterschied x D 2d  =2. Ist die Blättchendicke d D =2, wird auch der Gang    unterschied x D 2d  D 2  D , das heißt 2 2 2 2 Welle 10 und 20 löschen sich aus. Aus der Gleichung für den Gangunterschied werden in Abhängigkeit von der Blättchendicke d alle diejenigen Wellenlängen  bestimmt, die ausgelöscht oder verstärkt werden.

  D 2d  2 2 3  D 2d  2 2 5  D 2d  2 2

 D 2d Dd D

2 d 3

Verstärkung bei x D 0, 1, 2, 3 usw., also für  2   D 2d  2  2 D 2d  2 0 D 2d 

7.6.2.2

 D 4d 4 d 3 4 D d 5 D

usw.

Beugung des Lichts

Mit der Interferenz des Lichts ist seine Wellennatur nachgewiesen. Das Huygens’sche Prinzip gilt deshalb auch für Lichtwellen. Jeder Raumpunkt, der von einer Welle getroffen wird, ist Erregerzentrum einer neuen Welle. Auch die Blendenkante ist ein solcher Raumpunkt (. Abb. 7.48). Das an der Kante gebeugte Licht gelangt daher zum Teil in den geometrischen Schattenraum der Blende. Zum gleichen Ergebnis gelangt man mit sehr kleinen Öffnungen (Spalt (. Abb. 7.49)). Sie wirken wie selbstständige punktförmige Lichtquellen. Bei größerer Blendenöffnung (groß gegenüber der Wellenlänge des Lichts) überwiegt das durchgelassene Licht so stark, dass die Beugung am Rand nicht bemerkt wird. Beim Doppelspalt mit sehr kleinem Abstand zueinander entstehen zwei Wellenfronten, deren Licht kohärent ist, weil sie von einer gemeinsamen Lichtquelle angeregt wurde (. Abb. 7.50). Die Lichtwirkung (hell oder dunkel) in einem beliebigen Punkt P hängt vom Gangunterschied x der Lichtwellen ab, die sich dort treffen. Der seitliche Ablenkungswinkel ˛, unter dem sich Interferenzmaxima und -minima (Auslöschung) bilden, lässt sich aus den geometrischen Bedingungen am Spalt in Bezug auf die Wellenlänge  bestimmen (. Abb. 7.51). Der Sinus des Winkels a ist abhängig von der Breite b am Dop. Abb. 7.48 Lichtbeugung an einer Blende

. Abb. 7.47 Interferenz durch Reflexion. A festes Ende, B loses Ende

. Abb. 7.49 Lichtbeugung am Spalt

123 7.6  Optik

. Abb. 7.50 Lichtbeugung am Doppelspalt

. Abb. 7.52 Nicol’sches Polarisationsprisma. o ordentlicher Strahl, ao außerordentlicher Strahl

7.6.2.3

pelspalt und von der Wellenlänge. Das k-fache von =2b ergibt die Sinusfunktion der Winkel ˛, unter denen Minima oder Maxima zu erwarten sind. heller Streifen bei k D 0; 2; 4; : : : dunkler Streifen bei k D 1; 3; 5; : : : sin ˛ D k

 2b

ˇ ˇ ˇ

˛ D arc sin k

 2b

7 Beispiel Ein Doppelspalt mit dem Spaltabstand b D 0;1 mm wird mit Licht der Wellenlänge  D 600 nm beleuchtet. Es soll der Winkel ˛ bestimmt werden, unter dem das erste Helligkeitsmaximum entsteht. ˛ D arcsin k

600  106 mm  D arcsin 2 D 0;344ı 9 2b 2  101 mm

Aus der Gleichung sin ˛ D k=b geht hervor, dass die Maxima mit steigender Wellenlänge (Farbe) stärker abgelenkt werden. Ein mit weißem Licht beleuchteter Spalt, der über ein Beugungsgitter abgebildet wird, löst sich dadurch zu einem Beugungsspektrum auf. Da das Licht proportional mit der Wellenlänge abgelenkt wird, sind Beugungsspektren für die Spektrenanalyse wichtig. In optischen Geräten (Fernrohre, Mikroskope) ist wegen der Beugung die Vergrößerung begrenzt. Je nach Linsenabmessung beenden die Geräte weitere Einzelheiten der betrachteten Objekte aufzulösen.

Polarisation des Lichts

Polarisierbarkeit ist eine charakteristische Eigenschaft der Querwellen (Transversalwellen). Versuche zeigen, dass nicht nur mechanische Wellen, sondern auch Lichtwellen polarisierbar sind. Linear polarisiertes Licht wird aus natürlichem Licht durch Polarisatoren ausgefiltert. Das ist z. B. möglich mit dem Nicol’schen Polarisationsprisma (. Abb. 7.52). Es besteht aus einem diagonal zerschnittenen Kalkspatkristall, dessen beide Stücke mit Kanadabalsam (klar eintrocknendes Harz) wieder zusammengekittet wurde. Endflächen und Seitenflächen werden auf einen Winkel von 68ı geschliffen. Kalkspat ist für Licht doppelt brechend und teilt einen Lichtstrahl in zwei rechtwinklig zueinander schwingende Strahlen. Das natürliche Licht wird in ordentlichen Strahl (o) und einen weniger stark gebrochenen außerordentlichen Strahl (ao) zerlegt. Beide treffen auf die Balsamschicht. Brechzahl und Eintrittswinkel bewirken, dass der ordentliche Strahl (o) aus dem Strahlengang austritt. Der außerordentliche Strahl (ao) dagegen tritt als linear polarisiertes Licht auf der anderen Seite des Prismas aus. Durch Hintereinanderschalten zweier Nicol’schen Prismen erhält man gekreuzte Polarisatoren, die kein Licht durchlassen. Zwischen beide können Prüflinge eingeführt werden, wobei das erste Prisma als Polarisator, das zweite als Analysator dient. 7.6.2.4

Optischer Dopplereffekt

Nähert sich eine Lichtquelle, verkürzt sich die Wellenlänge von  auf 1 . Das Spektrum des ausgesandten Lichts verschiebt sich dadurch in Richtung violett. Die Frequenz wird größer und ändert sich von f auf f1 D fc=.c  v/ mit v als Geschwindigkeit der Lichtquelle. Entfernt sich die Lichtquelle mit der Geschwindigkeit v, werden die Wellen länger und die Spektrallinien verschieben sich in Richtung rot. Die Frequenz wird kleiner und ändert sich von f auf f1 D fc=.c C v/. 7.6.3 7.6.3.1

Geometrische Optik (Strahlenoptik) Reflexion des Lichts

Die Strahlungsenergie Ws , die auf eine Fläche trifft, wird teilweise reflektiert, absorbiert und transmittiert. Bezeichnet man die entsprechenden Energieanteile mit

. Abb. 7.51 Ablenkungswinkel ˛

Wr D reflektierte Energie Wa D absorbierte Energie Wt D transmittierte Energie

7

124

Kapitel 7  Physik

. Abb. 7.53 Diffuse Reflexion bei rauer Oberfläche

und bezieht sie auf die Strahlungsenergie Ws , erhält man die Bezugsgrößen Reflexionsgrad R, Absorptionsgrad A und Transmissionsgrad T .

7

Wr Wa Wt DR DA DT Ws Ws Ws Wr Wa Wt C C D1 Ws Ws Ws RCACT D1 Der Reflexionsgrad R entspricht dem Emissionsverhältnis ". An matten (rauen) Flächen wird das Licht diffus reflektiert (. Abb. 7.53). Der Reflexionsgrad solcher Flächen wird in der Optik als die Albedo bezeichnet. Der Reflexionsgrad ist vom Material und der Oberflächenbeschaffenheit abhängig. Die Oberfläche blanker durchsichtiger Stoffe wie Glasflächen, reflektieren in Abhängigkeit von ihrer Brechzahl n. Die Fresnel’sche Reflexionsgleichung für den Reflexionsgrad R solcher Stoffe gilt in der untenstehenden Form nur für rechtwinklig einfallendes Licht.  RD

n1 nC1

2 .Brechzahl n nach . Tab. 7.16/

Da durch nicht erwünschte Reflexion in optischen Geräten Lichtverlust und Streulicht auftritt, werden zur Vermeidung auf Linsenflächen dünne Vergütungsschichten aus einem Material mit geringer Brechzahl aufgedampft, z. B. Magnesiumfluorid. Die Schichtdicke wählt man mit d D =4 so, dass die Reflexion an der Grenze Schicht/Glas durch Interferenz wegfällt.

. Abb. 7.55 Planspiegel, e einfallender Strahl, a gespiegelter Strahl . Abb. 7.56 Reguläre (gerichtete) Reflexion. Abbildung eines Punkts durch einen Planspiegel. L0 ist das virtuelle Bild von L

An der oberen Fläche wird R Ws , an der unteren R.Ws RWs / reflektiert, weil nur die um R  Ws verminderte Lichtmenge an der unteren Fläche ankommt. Damit wird Wt D Ws .1  2R C R2 / D 0;89  Ws , d. h. es sind 11 % des auftreffenden Lichts „verloren“ gegangen. 9

7.6.3.2

Planspiegel

Bei gerichteter Reflexion wird ein Lichtstrahl unter dem gleichen Winkel gespiegelt, unter dem er auf die spiegelnde Fläche trifft (. Abb. 7.55). Die Winkel misst man gegen das Lot im Einfallspunkt und bezeichnet sie mit ". Einfallender und ausfallender (gespiegelter) Strahl und Lot müssen in einer Ebene liegen. Ein Punkt L wird von einem Planspiegel abgebildet (. Abb. 7.56). Von den Lichtstrahlen, die von L ausgehen, sind nur drei ausgewählt, um den Vorgang deutlicher zu machen. Die Strahlen treffen den Spiegel und werden nach dem Reflexionsgesetz gespiegelt. Verlängert man die reflektierten Strahlen in entgegen gesetzter Richtung, treffen sie sich in L0 . Ein Beobachter im reflektierten Strahlengang sieht daher in L0 das virtuelle Bild des Punktes L. Das Spiegelbild L0 liegt ebenso weit hinter dem Spiegel wie der der Punkt L davor liegt (l1 D l2 ). 7.6.4

Lichtbrechung an ebenen Flächen

7 Beispiel Auf eine Glasscheibe mit der Brechzahl n D 1;62 trifft die Strahlungsmenge Ws auf (. Abb. 7.54). Das Licht wird zum großen Teil durchgelassen. Zum geringeren Teil wird es an der oberen und unteren Fläche mit dem Reflexionsgrad R reflektiert.  RD

n1 nC1

2 D 0;056

. Abb. 7.54 Reflexionsgrad R Die Absorption sei vernachlässigbar gering. Die durchgelassene Lichtmenge Wt wird bestimmt

7.6.4.1

Planfläche

Nach dem allgemeinen Brechungsgesetz verhalten sich die Sinusfunktionen von Einfalls- und Brechungswinkel an der Grenzfläche zweier Medien wie die Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Wellen in diesen Medien (. Abb. 7.57). sin "1 c1 D sin "2 c2 . Abb. 7.57 Lichtbrechung der Planfläche

125 7.6  Optik

Mit der Brechzahl n ist das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit c0 im Vakuum zur Lichtgeschwindigkeit ck im durchsichtigen Stoff definiert. c0 c0 c0 c0 n1 D D n2 D D ck1 c1 ck2 c2 c0 c0 c1 D c2 D n1 n2 Mit der Einführung der Brechzahl n kann das Brechungsgesetz für Lichtwellen auch in anderer Form geschrieben werden: sin "1 n2 D oder n1 sin "1 D n2 sin "2 sin "2 n1 Daraus lässt sich der Sinus des Winkels "2 bestimmen, den der gebrochene Strahl mit dem Lot im Einfallspunkt E einschließt. n1 Brechungsgesetz für Lichtwellen sin "2 D sin "1 n2 Für kleinere Einfalls- und Brechungswinkel (etwa bis 100 / ist der Sinus gleich dem Arcus, sodass man sin " D " (in rad) setzen kann. n1 "1 D n2 "2 7.6.4.2

.nur für kleine Winkel/

Prisma

Trifft ein Lichtstrahl rechtwinklig auf die erste Fläche, wird er nicht gebrochen (. Abb. 7.58). Der Einfallswinkel an der zweiten Fläche des Prismas ist "3 D ˛, weil die Schenkel beider Flächen rechtwinklig aufeinander stehen. Der Ablenkungswinkel des Strahls ist dann ı D "4  ˛. Daraus ergibt sich eine Gleichung für den Winkel ı. ı D "4  ˛ D "4  "3 "4 n4 D "3 n3 .Brechungsgesetz/ n3 "4 D "3 .n4 D 1 Luft/ n3 D n n Da die Ablenkung durch Prismen auch vom ersten Einfallswinkel abhängig ist, gilt ı D ˛.n  1/ nur für den speziellen Fall mit rechtwinkligem Eintritt und mit kleinem Brechungswinkel ˛. "4 D "3 n ı D "3 n  "3 D ˛ n  ˛ Brechzahl des Prismas ı D ˛.n  1/ gilt nur für rechtwinkligen Eintritt

. Abb. 7.59 Abbildung durch ebene Flächen

7.6.5

Abbildung durch ebene Flächen

Ebene Trennflächen zwischen zwei optischen Mitteln wirken durch ihre Brechung abbildend. So wird z. B. beim Austritt eines Lichtstrahls aus Wasser in Luft der Punkt O1 nach O2 abgebildet (. Abb. 7.59). Der Punkt O1 , der wirklich in der Tiefe a liegt, scheint jetzt nur noch in der Tiefe b unter dem Wasserspiegel zu liegen. Ein schräg ins Wasser gesteckter Stab erscheint deshalb an der Wasseroberfläche geknickt, weil seine unter Wasser liegenden Teile näher herangerückt wirken. Mit dem Brechungsgesetz für kleine Winkel " n1 "1 D n2 "2 und den geometrischen Beziehungen aus der . Abb. 7.59. h h D tan "1 D "1 und D tan "2 D "2 a b kann eine Gleichung zur Bestimmung der Strecke b entwickelt werden: n2 bDa n1 7.6.6

Totalreflexion

Tritt Licht von einem optisch dichteren Mittel (größere Brechzahl n) in ein optisch dünneres Mittel über, wird "2 > "1 (. Abb. 7.60). Im Grenzfall kann "2 D 90ı und damit sin "2 D sin 90ı D 1 werden. Das Licht tritt dann entlang der Trennfläche streifend aus (Strahl 1). Ist der Einfallswinkel "1 nur wenig größer, kann das Licht nicht mehr austreten (Strahl 2). Es wird dann in das Mittel aus dem es austreten wollte zurückgespiegelt (total reflektiert) und unterliegt dabei dem Brechungsgesetz. n1 sin "1 D n2 sin "2 . Abb. 7.60 Totalreflexion

. Abb. 7.58 Ablenkung des Lichts durch ein Prisma. ˛ Brechungswinkel, ı Ablenkungswinkel

7

126

Kapitel 7  Physik

Mit sin "2 D 1 erhält man nun aus dem Brechungsgesetz den Grenzwinkel "r der Totalreflexion. n2 sin "r D n1 Das gesamte Licht, das auf die Trennfläche unter dem Winkel "r oder unter einem größeren Winkel auftrifft, wird total reflektiert. Für den häufigen Fall, dass Licht aus einem Mittel mit der Brechzahl nL D 1 übertritt, vereinfacht sich die Gleichung zur Bestimmung des Grenzwinkels der Totalreflexion. 7.6.7

7

Linsen

Optische Linsen sind Körper aus Glas oder anderen durchsichtigen Stoffen wie Kristall oder Kunststoffen. Sammellinsen (. Abb. 7.61) sind in der Mitte dicker als am Rand, Zerstreuungslinsen (. Abb. 7.62.) sind in der Mitte dünner. Der Punkt in dem sich achsparallel einfallendes Licht sammelt, ist der Brennpunkt F (Fokus). Zerstreuungslinsen (. Abb. 7.62) haben nur einen virtuellen Brennpunkt. Er liegt im Schnittpunkt der gebrochenen Strahlen mit der Achse. Die Strecke zwischen Linse und Brennpunkt ist die Brennweite f der Linse (exakt nur für dünne Linsen gültig). 7.6.7.1

Abbildung durch Linsen

Bei Sammellinsen (. Abb. 7.63) ist der Konvergenzpunkt (Sammelpunkt), der sich von parallel einfallendem Licht bildet, das Bild eines fernen Gegenstandspunktes. Viele solcher Bildpunkte ergeben das Bild, wie es die KameraObjektivlinse abbildet. Es werden aber auch nahe Gegenstände abgebildet. Dabei ändert sich mit der Gegenstandsweite a auch die Bildweite b. Zwischen beiden Abständen und der Brennweite f ergeben Versuche die Beziehung für 1=f . . Abb. 7.61 Sammellinse (bikonvex). F Brennpunkt, f Brennweite

. Abb. 7.63 Abbildung durch eine Linse. F gegenstandsseitiger Brennpunkt, F 0 bildseitiger Brennpunkt, O1 , O2 , O3 Gegenstand in verschiedener Lage zum Brennpunkt, O01 , O02 reelle Bilder, O03 virtuelles Bild

Reelle Bilder sind mit dem Bildschirm auffangbar. Sie entstehen, wenn die Gegenstandsweite a größer ist, als die Brennweite f . Virtuelle Bilder sind nur sichtbar nicht auffangbar. Sie entstehen, wenn die Gegenstandsweite a kleiner ist als die Brennweite f . Bei der Rechnung wird die Bildweite b für den Bildort virtueller Bilder negativ. 1 1 1 D C f a b f Brennweite, a Gegenstandsweite, b Bildweite Der Quotient aus Bild- und Gegenstandsgröße ist der Abbildungsmaßstab ˇ. Bild und Gegenstandsgröße verhalten sich wie die dazugehörigen Abstände b und a. 7.6.7.2

Bestimmung der Brennweite

Die Brennweite f ist abhängig von den Flächenradien r1 und r2 , von der Dicke d der Linse und von der Brechzahl n des Glases (. Abb. 7.64). Brechkraft:   1 1 1 .n  1/2 d C D .n  1/   f r1 r2 n r1 r2 r1 und r2 sind positiv bei konvexen Flächen, negativ bei konkaven Flächen. Für dünne Linsen ist der Einfluss der Mittendicke d auf die Brennweite f gering. Das zweite Glied in der Brechkraft-Gleichung wird dann vernachlässigbar klein und die Gleichung für 1=f wird einfacher. 1 1 1 D .n  1/ C f r1 r2

. Abb. 7.62 Zerstreuungslinse (bikonkav). Brennpunkt F ist virtuell, Brennweite f ist negativ

. Abb. 7.64 Technische Maße einer Linse

127 7.6  Optik

7.6.8

Zusammenfassung der Formeln zur Optik

Einheiten ˚

l

˝

E

l; x; d; ; b; f; a; b; r

lm D cd sr

cd

sr

lx

m

c0 ; ck m s

n

R

1

1

Lichtstrom ˚

 Auslenkungswinkel ˛ bei sin ˛ D k 2b Lichtbeugung am Doppelspalt b Abstand im Doppelspalt, heller Streifen bei k D 0; 2; 4; : : : , dunkler Streifen bei k D 1; 3; 5; : : :   n1 2 Reflexionsgrad R RD nC1 n Brechzahl Brechungsgesetz für Lichtwellen

s D d

Totalreflexionsgesetz

sin "f D

˚ DI˝

ED

I˝ I cos ' ˚ D D A A l2

nD

c0 >1 ck

x D 2d n 

Linsengleichungen

 2

d Dicke des Blättchens Verstärkung und Auslöschung des Lichts (k natürliche Zahl)

  D 2d n  2 2 Verstärkung 2k

  D 2d n  2 2 Auslöschung

.2k  1/

n1 n2 1 sin "f D (für Übertritt in Luft) n

n Brechzahl

c0 D 3  108 m=s Lichtgeschwindigkeit, ck Lichtgeschwindigkeit im durchsichtigen Stoff Gangunterschied x in dünnen Blättchen

sin."1  "2 / cos "2   cos "2 s D d sin "1 1  p n2  sin2 "1

Parallelverschiebung s in planparallelen Platten

l Abstand, ' Einfallswinkel Brechzahl n

n1 n2

"1 Einfallswinkel, "2 Brechungswinkel

I Lichtstärke in Candela (cd), ˝ Raumwinkel in Steradiant (sr) Beleuchtungsstärke E

sin "2 D sin "1

1 1 1 D C f a b   1 1 1 D .n  1/  C f r1 r2 

d .n  1/2  n r1 r2

f Brennweite, a Gegenstandsweite, b Bildweite, r1 ; r2 Radien, n Brechzahl, d Linsendicke

7

Kapitel 7  Physik

128

. Tabelle 7.2 Physikalische Größen, Definitionsgleichungen, Einheiten und Dimensionen (Mechanik)

7

Größe

Formelzeichen

Definitionsgleichung

SI-Einheita

Bemerkung, Beispiel andere zulässige Einheiten

Länge

l, s, r

Basisgröße

m (Meter)

1 Seemeile (sm) D 1852 m

Fläche

A

ADl

Volumen

V

V D l3

ebener Winkel

˛; ˇ; ; : : :

˛D

Raumwinkel

˝

˝D

Zeit

t

Basisgröße

Frequenz

f

f D

Drehfrequenz (Drehzahl)

n

n D 2 f

Geschwindigkeit

v

vD

Beschleunigung

a

Fallbeschleunigung

g

Winkelgeschwindigkeit

!

Umfangsgeschwindigkeit vu

2

m

Hektar (ha), 1 ha D 104 m2 Ar (a), 1 a D 102 m2

2

m3

Liter (l), 1 l D 103 m3 D 1 dm3

Kreisbogen Kreisradius

rad  1 (Radiant)

˛ D 1;7

m D 1;7 rad m

Kugelfläche Radiusquadrat

sr  1 (Steradiant)

˝ D 0;4

m2 D 0;4 sr m2

s (Sekunde)

1 min D 60 s; 1 h D 60 min 1 d D 24 h D 86.400 s

1 T

ds s D dt t v dv D aD dt t

( vu D t r

!D

vu D   d n D !r d! ! a D D dt t r

1 D s1 D Hz (Hertz) s

bei Umlauf frequenz wird U=s statt 1=s benutzt T Periodendauer

1 D s1 s m s m s2 m s2 rad 1 D s s m s rad 1 D 2 s2 s

1 U 1 D D min1 D min min 60 s km 1 m 1 D h 3;6 s cm km ; ;::: h2 s2 Normfallbeschleunigung gn D 9;80665 m=s 2 ( Drehwinkel in rad d Durchmesser, n Drehzahl

Winkelbeschleunigung

˛

˛D

Masse

m

Basisgröße

kg

1 g D 103 kg; 1 t D 103 kg

Dichte

%

%D

m V

kg m3

g t ; cm3 m3

Kraft

F

F D ma

1 dyn D 105 N

Gewichtskraft

FG

FG D mg

Druck

p

pD

dynamische Viskosität



kg m (Newton) s2 kg m ND 2 s kg m N D 2 2 m2 m s kg ms Ns D 2 2 m2 m s

kinematische Viskosität

v

vD

Arbeit

W

W DFs

JD

kg m2 s2

Energie

W

W D

m 2 v 2 W D mgh

JD

kg m2 s2

Leistung

P

P D

Drehmoment

M

M DFl

Trägheitsmoment

J

J D

F A

N s=m2 m2 D s kg=m3

 %

W t

R

ND

dm r 2

W D

Nm s

Nm D kg m2

kg m2 s2

! Winkelgeschwindigkeit

Normgewichtskraft FGn D mgn 1 bar D 105

N N D 105 Pa 2 D Pa (Pascal) m2 m

Ns D Pa s; 1 P D 0,1 Pa s (P Poise) m2 1 St D 104

m2 (St Stokes) s

1J D 1Nm D 1Ws J Joule, N m Newtonmeter, W s Wattsekunde, kW h Kilowattstunde 1 kW h D 3;6  106 J D 3;6 MJ

1

J Nm D 1 D 1W s s

Biegemoment Mb , Torsionsmoment T Massenmoment 2. Grades (früher: Massenträgheitsmoment)

129 7.6  Optik

. Tabelle 7.2 (Fortsetzung) Größe

Formelzeichen

Definitionsgleichung

SI-Einheita

Bemerkung, Beispiel andere zulässige Einheiten

Elastizitätsmodul

E

ED

Schubmodul

G

l0 l E GD 2.1 C /

kg N D 2 m2 s m N kg D 2 m2 s m

N mm2 N ( Poisson-Zahl) mm2

a

Einheit des „Système International d’Unités“ (Internationales Einheitensystem)

. Tabelle 7.3 Physikalische Größen, Definitionsgleichungen, Einheiten und Dimensionen (Thermodynamik) Größe

Formelzeichen

Definitionsgleichung

SI-Einheit

Bemerkung, Beispiel andere zulässige Einheiten

Temperatur (thermodynamische Temperatur)

T,

Basisgröße

K (Kelvin)

1 K D 1 °C (Grad Celsius) t, # Celsius-Temperatur

spezifische innere Energie

u

u D q C wv

kg m2 J D 2 kg s kg

Wärme (Wärmemenge)

Q

spezifische Wärme

q

q D u  wv

spezifische Wärmekapazität

c

cD

Enthalpie

H

Wärmeleitfähigkeit



Wärmeübergangskoeffizient

˛

Wärmedurchgangskoeffizient

k

spezifische Gaskonstante

Ri D

universelle Gaskonstante

R

Strahlungskonstante

C

Q D m c # Q D U  Wv

Q q D m # T

H D U C pV h D u C pv

R M

Ri D

kg m2 s2

J kmol K

kg m2 D 1 Nm D 1 J s2

1

kg m2 D 1Nm D 1J s2

kg m2 J D 2 kg s kg kg m2 J D 2 kg K s kg K JD

kg m2 s2

hD

kg m W D 3 mK s K kg W D 3 m2 K s K kg W D 3 m2 K s K m2 J D 2 kg K s K

p T%

R D 8315

JD

1

J kmol K kg W D 3 4 m2 K4 s K

H spezifische Enthalpie m

J , 1 K D 1 °C mhK J , 1 K D 1 °C m2 h K J , 1 K D 1 °C m2 h K M molare Masse 1 kmol D 1 Kilomol W m2 K4 Cs Strahlungskonstante des schwarzen Körpers Cs D 5;67

. Tabelle 7.4 Physikalische Größen, Definitionsgleichungen, Einheiten und Dimensionen (Elektrotechnik) Größe

Formelzeichen

Definitionsgleichung

SI-Einheit

elektrische Stromstärke

I

Basisgröße

A (Ampere)

elektrische Spannung

U

U D

elektrischer Widerstand elektrischer Leitwert

P

Bemerkung, Beispiel andere zulässige Einheiten

W kg m2 D1 3 A s A W (Watt)

V (Volt)

1V D 1

R

) (Ohm)

1

G

1 )

Es

kg m2 V D 1) D 1 3 2 A s A A2 s3 A 1 D 1S D 1 V kg m2 S (Siemens)

7

130

Kapitel 7  Physik

. Tabelle 7.4 (Fortsetzung) Größe

Formelzeichen

elektrische Ladung (Elektrizitätsmengen)

Q

elektrische Kapazität

C

C D

elektrische Flussdichte

D

D D 0 r E

elektrische Feldstärke

E

ED

Permittivität (früher Dielektrizitätskonstante)



 D 0 r 0 elektrische Feldkonstante r Permittivitätszahl

elektrische Energie

We

We D

magnetische Feldstärke

H

magnetische Flussdichte, Induktion

B

B D H

magnetischer Fluss

˚

˚D

Induktivität

L

Permeabilität



7

Definitionsgleichung

Q U

Bemerkung, Beispiel andere zulässige Einheiten

C D A s (Coulomb)

1As D 1C 1 A h D 3600 A s

FD

F Q

QU 2 I H D 2 r

P

SI-Einheit

1F D 1

C As A2 s4 D1 D1 V V kg m2

C As D1 2 m2 m V kg m 1 D1 3 m s A

C m2 V m

1

F A2 s4 D m kg m3

1

Ws

1Nm D 1J D 1Ws D 1

s2 C2 s D V kg m3

kg m2 s2

A m TD

BA

As (Farad) V

kg (Tesla) s2 A

Wb D

Wb Vs kg D1 2 D1 2 m2 m s A Vs 1T D 1 2 m Wb (Weber) 1

kg m2 s2 A

1 Wb D 1 V s D 1

kg m2 (Henry) s2 A2

LD

N˚ I N (Windungszahl)

HD

 D 0 r 0 magnetische Feldkonstante r Permeabilitätszahl

kg m H D 2 2 m s A

1H D 1

1

kg m2 s2 A

Vs Wb kg m2 D1 D1 2 2 A A s A

kg m Vs D1 2 2 Am s A

. Tabelle 7.5 Physikalische Größen, Definitionsgleichungen, Einheiten und Dimensionen (Optik) Größe

Formelzeichen

Name der Einheit

SI-Einheit

Bemerkung

Lichtstärke

Iv

Candela

cd

Basisgröße

Beleuchtungsstärke

Ev

Lux

lx

Lichtstrom

˚v

Lumen

lm

Lichtmenge

Qv

Lumen  Sekunde

lm  s

Lumen Watt Candela Quadratmeter

lm W cd m2

Lichtausbeute



Leuchtdichte

Lv

1 lm D 1 cd sr (sr Steradiant)

. Tabelle 7.6 Umrechnungsfaktoren von Candela in Hefnerkerzen (HK) und umgekehrt Farbtemperatur

HK/cd

cd/HK

2043 K (Platinpunkt)

0,903

1,107

2360 K (Wolfram-Vakuum-Lampe)

0,877

1,140

2750 K (gasgefüllte Wolframlampe)

0,861

1,162

7

131 7.6  Optik

. Tabelle 7.7 Allgemeine und atomare Konstanten Bezeichnung

Beziehung

Avogadro-Konstante

NA D 6;02214129  1023 mol1

Boltzmann-Konstante

k D 1;380648  1023 J=K

elektrische Elementarladung

e D 1;602176565  1019 C

elektrische Feldkonstante

0 D 1=.  c 2 / D 8;854187817: : :  1012 F=m (exakt)

Faraday-Konstante

F D 96:485;309 C=mol

Feinstrukturkonstante, inverse

˛ 1 D 137;035999074.44/

Flussquant, magnetisches

˚0 D 2;067833758.46/  1012 Wb

Gravitationskonstante

G D 6;67384.80/  1011 m3  kg1  s2

Josephson-Konstante

KJ D 483:597;870  109 Hz  V1

Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum

c0 D 2;99792458  108 m=s (exakt)

magnetische Feldkonstante

0 D 4   107 N  A2 D 1;2566370614  N  A2

molares Normvolumen idealer Gase

Vmn D 2;24208  104 cm3 =mol

Planck’sches Wirkungsquantum

h D 6;62606957  1034 J  s

Ruhemasse des Elektrons

me D 9;10938291  1031 kg

Ruhemasse des Protons

mp D 1;672621777  1027 kg

Rydberg-Konstante

R1 D 10:973:731;568539 m 1

Stefan-Boltzmann-Konstante

D 5;670373  108 W=.m2  K4 /

(universelle) Gaskonstante

R D 8;3144621 J=.mol  K/

von Klitzing-Konstante

RK D 25:812;8074434 )

. Tabelle 7.8 Umrechnungstafel für metrische Längeneinheiten Einheit

Picometer

Angströma

Nanometer 3

Mikrometer Millimeter 6

9

Zentimeter 10

Dezimeter 11

Meter 12

Kilometer

1 pm D

1

10

10

10

10

10

10

10

1015

1 Åa D

102

1

101

104

107

108

109

1010

1013

1 nm D

103

10

1

103

106

107

108

109

1012

1 µm D

106

104

103

1

103

104

105

106

109

1 mm D

109

107

106

103

1

101

102

103

106

1 cm D

1010

108

107

104

10

1

101

102

105

1 dm D

1011

109

108

105

102

10

1

101

104

1m D

1012

1010

109

106

103

102

10

1

103

1 km D

1015

1013

1012

109

106

105

104

103

1

a

2

Das Ångström ist nicht als Teil des Meters definiert, gehört also nicht zum metrischen System. Es ist benannt nach dem schwedischen Physiker A. J. Angström (1814–1874). Hinweis: Der negative Exponent gibt die Anzahl der Nullen (vor der 1) einschließlich der Null vor dem Komma an, z. B. 104 D 0;0001; 101 D 0;1; 106 D 0;000001. Der positive Exponent gibt die Anzahl der Nullen (nach der 1) an, z. B. 104 D 10:000; 101 D 10; 106 D 1:000:000.

Kapitel 7  Physik

132

. Tabelle 7.9 Vorsatzzeichen zur Bildung von dezimalen Vielfachen und Teilen von Grundeinheiten oder hergeleiteten Einheiten mit selbstständigem Namen Vorsatz Kurzzeichen Bedeutung Tera Giga Mega

7

T

1.000.000.000.000 (D 1012 )

Einheiten

9

1.000.000.000 (D 10 )

G

Einheiten

6

Einheiten

3

1.000.000 (D 10 )

M

Kilo

k

1000 (D 10 )

Einheiten

Hekto

h

100 (D 102 )

Einheiten

Deka

da

10 (D 101 )

Einheiten

Dezi

d

0,1 (D 101 )

Einheiten

Zenti

c

0,01 (D 102 )

Einheiten

Milli Mikro Nano Pico

3

0,001 (D 10 )

m

Einheiten

6

Einheiten

9

0,000001 (D 10 )

µ n

0,000000001 (D 10 )

Einheiten

p

12

) Einheiten

0,000000000001 (D 10

. Tabelle 7.11 Schallgeschwindigkeit c, Dichte  und Elastizitätsmodul E einiger fester Stoffe m s

 in

kg m3

E in

N m2

Stoff

c in

Aluminium in Stabform

5080

2700

7;1  1010

Blei

1170

11.400

1;6  1010

Stahl in Stabform

5172

7850

21  1010

Kupfer

3700

8900

12;5  1010

Messing

3500

8100

10  1010

Nickel

4780

8800

20  1010

Zink

3800

7100

10;5  1010

Zinn

2720

7300

5;5  1010

Quarzglas

5360

2600

7;6  1010

Plexiglas

2090

1200

0;5  1010

. Tabelle 7.12 Schallgeschwindigkeit c und Dichte  einiger Flüssigkeiten Flüssigkeit

# in ı C

c in

. Tabelle 7.10 Lautstärke, Schalldruck und Schallstärke (absoluter Schallpegel)

Benzol

20

1330

878

Lautstärke L in phon

m s

 in

kg m3

Petroleum

34

1300

825

Schalldruck p in mN2 bei 1000 Hz

Schallstärke J in mW2

Quecksilber

20

1450

13.595

0,0

2; 0  105

1; 0  1012

Transformatorenöl

32,5

1425

895

0,5

2; 118  105

1; 122  1012

Wasser

20

1464

997

1,0

2; 244  105

1; 259  1012

2,0

2; 518  105

1; 585  1012

3,0

2; 824  105

1; 995  1012

4,0

3; 170  105

2; 512  1012

5,0

3; 556  105

3; 162  1012

6,0

3; 990  105

3; 981  1012

7,0

4; 478  105

5; 012  1012

8,0

5; 024  105

6; 310  1012

9,0

5; 636  105

7; 943  1012

10,0

6; 324  105

1; 000  1012

15,0

1; 125  104

3; 162  1011

20,0

2; 000  104

1; 000  1010

30,0

6; 324  104

1; 000  109

40,0

2; 000  103

1; 000  108

50,0

6; 324  103

1; 000  107

2,000

1; 000  102

100,0

. Tabelle 7.13 Schallgeschwindigkeit c, Verhältnis  D einiger Gase bei # D 0 ı C Gas

c in

m s



Helium

965

1,66

Kohlenoxid

338

1,4

Leuchtgas

453



Luft

331 (344 bei 20 °C)

1,402

Sauerstoff

316

1,396

Wasserstoff

1284 (1306 bei 20 °C) 1,408

cp cV

133 Literatur

. Tabelle 7.16 Brechzahlen n für den Übergang des Lichts aus dem Vakuum in optische Mittel (durchsichtige Stoffe)

. Tabelle 7.14 Lautstärke von Geräuschen in phon Art des Geräusches

phon

untere Hörschwelle

0

leises Flüstern, Blättersäuseln

10

sehr ruhiger Garten, ruhige Wohnung

20

Vorortanlagen, Rauschen von Bäumen

30

Zerreißen von Schreibpapier

40

Umgangssprache, Schreibmaschine

50

Straßenbahn

60

Großstadtstraßen

70

starker Straßenverkehr

80

Maschinenräume, Untergrundbahn

90

sehr laute Autohupe

100

Blechschmiede

110

Flugzeugpropeller, Niethämmer

120

Schmerzgrenze

130

1,000293  1

Wasser

1,33

Acrylglas (Plexiglas)

1,49

Kronglas

1,48 . . . 1,57

Flintglas

1,56 . . . 1,9

Kanadabalsam

1,54

Kalkspat (ao Strahl)

1,49

Kalkspat (o Strahl)

1,66

Steinsalz

1,54

Saphir

1,76

Diamant

2,4

Schwefelkohlenstoff

1,63

Literatur

. Tabelle 7.15 Schalldämmung von Wänden Material

Luft

Dicke Masse mittlere 2 (cm) je  kgm Dämpfung D (dB) m2

Dachpappe



1

13

Sperrholz, lackiert

0,5

2

19

Heraklithwand, verputzt



50

39

Vollziegelwand 1/4 Stein, verputzt

9

153

42

Vollziegelwand 1/2 Stein, verputzt 15

228

44

Vollziegelwand 1/1 Stein, verputzt 27

457

50

1. Böge, A., Eichler, J.: Physik für technische Berufe, 11. Aufl. Vieweg C Teubner, Wiesbaden (2008) 2. Magnus, K., Popp, K.: Schwingungen, 9. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2013) 3. Berber, J., Kacher, H., Langer, R.: Physik in Formeln und Tabellen, 9. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2003) 4. Dobrinski, P., Krakau, G., Vogel, A.: Physik für Ingenieure, 12. Aufl. Vieweg+Teubner, Wiesbaden (2009)

7

135

Chemie Peter Kurzweil

8.1

Stoffe

Chemie ist die Lehre von den Stoffen und Stoffänderungen. Durch chemische Reaktionen (Synthese) entstehen aus Ausgangsstoffen (Edukte) andere Stoffe (Produkte) mit neuen Eigenschaften. Chemische Elemente (Grundstoffe) bestehen aus gleichartigen Atomen und sind durch chemische Reaktionen nicht weiter zerlegbar; z. B. Wasserstoff, Sauerstoff, Eisen. Chemische Verbindungen (Reinstoffe) setzen sich aus Elementen in bestimmten Massenverhältnissen zusammen; z. B. Wasser, Methan, Eisenoxid. Man kann sie nur durch chemische Reaktionen in stoffliche Bestandteile zerlegen (Analyse). Gemische bestehen aus zwei oder mehr Stoffen, z. B. Erdgas, Benzin, Schwarzpulver. Man kann sie durch physikalische Verfahren (Sedimentation, Destillation, Extraktion usw.) trennen. Lösungen sind homogene (einphasige) Gemische aus einem meist flüssigen Lösemittel und mindestens einem darin gelösten, ursprünglich festen, flüssigen oder gasförmigen Stoff; z. B. Zuckerwasser, Kupfer-Nickel-Legierungen („Feste Lösung“).

8.2

Aufbau der Materie

Das Neutron bildet den Anregungszustand des Nucleons, das Proton den Grundzustand. Freie Neutronen zerfallen in Protonen und Elektronen.

8.2.2

Elementsymbole und Atommassen

Chemische Elemente unterscheiden sich eindeutig durch die Zahl der Protonen, die Ordnungszahl Z; danach sind die Elemente im Periodensystem sortiert. Atome sind aus Z Elektronen, Z Protonen und A  Z Neutronen aufgebaut. Sie tragen keine elektrische Ladung, weil die Zahl der Elektronen und Protonen gleich ist. Durch Elektronenabgabe oder -aufnahme entstehen aus Atomen elektrisch geladene Ionen (. Abb. 8.1). Die atomare Masseneinheit ist als 1 =12 der Masse eines „Kohlenstoff-12“-Atoms festgelegt. Ein 12 C-Atom wiegt etwa soviel wie zwölf Wasserstoffatome. 1u D

1 12

m C D 1;66054  1027 kg 12

Die gemessene Atommasse ist um den Massendefekt kleiner als die berechnete Summe aus Elektronen-, Protonenund Neutronenmasse. Wenn die Elementarteilchen zum Atomkern zusammentreten, wird nämlich die Kernbindungsenergie frei. m D ŒZ  .mp C me / C .A  Z/  mn   matom

8.2.1

Atombau und atomare Konstanten

Atome bilden die kleinsten Teilchen der chemischen Elemente. Der Atomkern misst nur 1=10:000 des Atomdurchmessers (1010 bis 109 m); doch konzentriert sich dort die Masse des Atoms. Die Masse der voluminösen Elektronenhülle ist winzig. Das Elektron gilt als stabiles Elementarteilchen und Träger der negativen Elementarladung. Proton und Neutron sind 1836-mal schwerer als das Elektron und bestehen nach neuerer Erkenntnis aus Quarks. Die Kernbausteine aus Protonen und Neutronen bezeichnet man als Nucleonen. Ihr Zusammenhalt wird durch Gluonen („Kittteilchen“) erklärt (. Tab. 8.1).

EB D m  c 2

.in J für m in kg/

1 u ¶ 931;494 MeV

. Abb. 8.1 Bedeutung der Ziffern am Elementsymbol

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_8

8

Kapitel 8  Chemie

136

. Tabelle 8.1 Elementarteilchen Teilchen

Symbol

Masse in kg

Masse in u

Ladung in C D A s

Elektron

e

9;109  1031

0,000549

1;602  1019

Proton Neutron

p n

27

1,00728

27

1,00867

1;673  10 1;675  10

Bei stabilen Kernen ist m > 0. Die Kernbindungsenergie je Nucleon EB =A ist ein Maß für die Stabilität eines Atomkernes. Kerne mit 40 bis 100 Nucleonen sind am stabilsten. Die Spaltung schwerer Kerne und die Verschmelzung (Kernfusion) leichter Kerne führt zu stabilen Endprodukten mit höherer Kernbindungsenergie, wobei Energie freigesetzt wird.

8

19

C1;602  10 0

m D Œ47  .mp C me / C .109  47/  mn   108;90 u D 1;0 u EB D m  931;49 MeV D 931;49 MeV 9

Isotope sind Atomarten (Nuklide) desselben Elementes, die sich nur in der Massenzahl unterscheiden. Die Kohlenstoffisotope 12 C, 13 C und 14 C verhalten sich in chemischen Reaktionen völlig gleich, aber sie haben 6, 7 bzw. 8 Neutronen, sind somit unterschiedlich schwer. Viele Isotope sind radioaktiv, z. B. Kohlenstoff-14 (14 C), Cobalt-60 (60 Co) und Tritium (3 H). Reinelemente kommen in der Natur nur mit jeweils einer Neutronenzahl (einem Isotop) vor, z. B. Aluminium, Arsen, Gold, Natrium und Phosphor. Die meisten Elemente sind Mischelemente, also Gemische mehrerer Isotope. Isotopentrennung. Das natürliche Gemisch aus 238 U, 235 U und 234 U ist chemisch nicht trennbar. In Gaszentrifugen jedoch flieht 238 UF6 zum Rand des Drehzylinders, leichteres 235 UF6 sammelt sich im Inneren. Bei der Wasserelektrolyse reichert sich „schweres Wasser“ D2 O an, weil H2 O schneller zersetzt wird. Die im Periodensystem tabellierte Atommasse berücksichtigt das natürliche Isotopengemisch der Elemente; daher weicht sie von der ganzzahligen Nucleonenzahl ab (. Tab. 8.2 und 8.3).

Häufigkeit

35

Cl

75,77 % 

37

Cl

C 24,23 % 

Ar .Cl/

Isotopenmasse in u 34,968853 36,965903 D 35,4527

uud

. Tabelle 8.3 Bedeutung der Massenzahl im PSE Beispiel: Eisen Massenzahl

A

1 Atom Eisen enthält 56 Nucleonen

Relative Atommasse

Ar

1 Atom ist 55,845-mal schwerer als ein zwölftel 12 C-Atom

Absolute Atommasse

m

1 Atom wiegt 55,845 u D 9;273  1026 kg

Molare Masse

M

1 mol Eisen wiegt 55,845 g und enthält 6;02  1023 Atome

8.2.3

Radioaktivität und Kernchemie

Der radioaktive Zerfall ist kein chemischer Vorgang; durch Vorgänge im Atomkern entstehen jedoch neue Elemente und große Energiebeträge werden frei. In den natürlichen Zerfallsreihen treten ˛-Strahlung (Heliumkerne), ˇ-Strahlung (Elektronen) und -Strahlung (elektromagnetische Wellen) auf, bei künstlichen Kernumwandlungen auch Positronenstrahlung. Der Zerfall in uranhaltigen Erzen endet bei Pb-206, in thoriumhaltigen Erzen bei Pb-208. Bei der künstlichen Kernumwandlung wird ein Zielkern (Target) mit einem Teilchen (Projektil) beschossen. Neue Elemente entstehen (. Tab. 8.4). 14 4 18 17 1 7 N C 2 He ! F ! 8 O C 1 H 19 1 20 20 0  9 F C 0 n ! F ! 10 Ne C 1 e

oder 4 N.˛; p/17 O oder 19 F.n; e/20 Ne

. Tabelle 8.4 Beispiele für den radioaktiven Zerfall 4 ! 222 86 Rn C 2 He Das Tochternuklid steht im PSE 2 Stellen links vom Ausgangsnuklid (typisch Z > 83)

˛-Zerfall

226 88 Ra

ˇ-Zerfall

12 5N

ˇ C -Zerfall

14 8O

. Tabelle 8.2 Tabellierte Atommasse von Chlor Isotop

unteilbar

udd

7 Beispiel Für Silber (Z D 47) mit der tabellierten Atommasse Ar D 108;90 berechnet sich mit . Tab. 8.1 der Massendefekt:

Quarks

! 126 C C 10 e C N e Das Tochternuklid steht im PSE eine Stelle rechts vom Ausgangsnuklid. Häufig bei Nukliden mit Neutronenüberschuss. 1 1 0 N e (N e Antineutrino) 0 n ! 1 p C 1 e C  ! 147 N C 01 eC C e Das Tochternuklid steht im PSE eine Stelle links vom Ausgangsnuklid. Häufig bei „künstlichen“ Nukliden mit Protonenüberschuss. 1 1 0 C 1 p ! 0 n C 1 e C e (e Neutrino)

137 8.3  Periodensystem der Elemente (PSE)

Die natürlichen Isotope 14 C und 40 K eignen sich für die radioaktive Altersbestimmung. Jede Sekunde zerfallen gleiche Bruchteile  der vorhandenen Radionuklide. In frischem Holz finden 15,3 Zerfälle pro Minute und Gramm Kohlenstoff statt. ! 147 N C 10 e mit

14 6C

 D 5730 a

Aktivität: Zerfälle pro Sekunde AD

dN D  N dt

.s1 /

Zerfallsgesetz: Restmenge zur Zeit t N D N0  e t D N0  2t= Zerfallskonstante: Kehrwert der mittleren Lebensdauer D

ln 2 1 D  T

.s1 /

Halbwertszeit, Zeit, in der 50 % der Kerne zerfallen: D

0;693 ln 2   

Altersbestimmung t D

. Abb. 8.2 Heliumatom im Atommodell nach Bohr, als s-Orbital (Kugelwolke) und in Kästchenschreibweise

N 1 ln  N0

das Elektron (als Teilchen) bzw. seine Ladung (Elektron als Welle) überwiegend auf. Nach der Unschärferelation von Heisenberg ist es grundsätzlich unmöglich, Ort und Impuls gleichzeitig exakt zu bestimmen. Folglich können exakte Umlaufbahnen für Elektronen nicht ermittelt werden. Die Z Elektronen der Atomhülle verteilen sich auf maximal sieben Elektronenschalen (K bis Q), die sich in Unterniveaus (s, p, d , f ) gliedern. Jedes Elektron im Atom hat eine andere Energie und ist durch vier Quantenzahlen charakterisiert. 1. Hauptquantenzahl n D 1. . . 7: Periode im Periodensystem bzw. äußerste Elektronenschale (K bis Q). 2. Nebenquantenzahl l D 0, 1, 2, 3: Zahl der Knotenebenen durch den Atomkern, in denen sich kein Elektron aufhalten darf. Geometrische Form der Orbitale: s (Kugel), p (Hantel), d und f (Rosette). Sie nehmen 2, 6, 10 bzw. 14 Elektronen auf (. Abb. 8.3 und 8.4).

Periodensystem der Elemente (PSE)

8.3 8.3.1

Atommodelle und Quantenzahlen

Wasserstoff und andere verdünnte Gase kann man in einer Gasentladungsröhre durch Elektronenstoß zum Leuchten anregen; angeregte Natriumatome in Kochsalz färben eine Bunsenflamme gelb. Die emittierte Strahlung lässt sich durch ein optisches Gitter in ein charakteristisches Linienspektrum zerlegen. Das Atommodell von Bohr beschreibt die „diskrete“ Linienstrahlung durch Sprünge von Elektronen zwischen Elektronenschalen unterschiedlicher Energie (. Abb. 8.2). Angeregte Elektronen kehren innerhalb von 108 s von angeregten Energieniveau E2 in den Grundzustand E1 zurück und emittieren Licht der Frequenz f bzw. Wellenlänge .

. Abb. 8.3 Die p-Orbitale fassen 3  2 D 6 Elektronen

E D E2  E1 D hf D hc= h D 6;626  1034 Js

.Planck-Wirkungsquantum/

Das wellenmechanische Atommodell geht von Wahrscheinlichkeitsräumen, den Orbitalen, aus. Dort hält sich

. Abb. 8.4 Die d -Orbitale fassen 5  2 D 10 Elektronen

8

138

Kapitel 8  Chemie

3. Magnetquantenzahl m D l, . . . , 0, . . . l: Räumliche Ausrichtung der drei p-, fünf d - und sieben f -Orbitale (mit je zwei Elektronen) in einem äußeren magnetischen oder elektrischen Feld (Zeeman-Effekt bzw. Stark-Effekt). 4. Spinquantenzahl s D C 21 oder  12 : Der Eigendrehimpuls des Elektrons kann sich gleichsinnig (parallel) oder gegensinnig (antiparallel) zur Umlaufbahn ausrichten. 2Pauli-Prinzip

In einem Atom stimmen niemals zwei Elektronen in allen vier Quantenzahlen überein. Zwei Elektronen im gleichen Orbital müssen sich durch den „Spin nach oben“ oder „unten“ unterscheiden.

8

8.3.2

Aufbau des Periodensystems

Das Periodensystem ordnet die Elemente nach steigender Kernladungszahl (Ordnungszahl, Protonenzahl) und fasst Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften in Gruppen (senkrechte Spalten) zusammen. Nach steigender Atommasse geordnet, würden Argon und Kalium, Cobalt und Nickel, Tellur und Iod wegen ihrer häufigsten Isotope in vertauschte Gruppen fallen (. Abb. 8.5). Das chemische Symbol bezeichnet zugleich ein Element und ein Atom eines Elementes. Elemente, die schon im Altertum bekannt waren, tragen lateinische Kürzel. Seit 1985 sind internationale Schreibweisen üblich: Bismut statt Wismut, Iod statt Jod. Die künstlich erzeugten Transfermiumelemente wurden bis zur endgültigen Festlegung mit Zahlworten benannt, z. B. Element 112 als Ununbium (Uub) oder „EkaQuecksilber“, jetzt Copernicium.

Die häufigsten Elemente, Sauerstoff und Silicium, bilden 74 % der Erdrinde; Aluminium, Eisen, Calcium, Natrium, Kalium, Magnesium, Titan und Wasserstoff 25 %, die übrigen Elemente zusammen 1 %. Wasserstoff H2 , Sauerstoff O2 und die Halogene (F2 , Cl2 , Br2 , I2 ) kommen als zweiatomige Moleküle vor. Nur bei chemischen Reaktionen treten sie für Sekundenbruchteile „aktiv“ (atomar) auf. Die übrigen Elemente kommen atomar vor, etliche sind radioaktiv oder entstehen durch Kernumwandlung. Die Periode (waagrechte Zeile im PSE) bezeichnet die Nummer der äußersten Bohr-Schale. Innerhalb einer Gruppe wächst der Atomdurchmesser an. Das Bariumatom ist z. B. größer als das Calciumatom. Die Gruppen werden von 1 bis 18 durchnummeriert. Auch römische Gruppennummern sind üblich: Die Hauptgruppenelemente (Ia bis VIIIa) sind Metalle; Halbmetalle oder Nichtmetalle, die Nebengruppenelemente (Ib bis VIIIb) heißen Übergangsmetalle. Die Elemente in einer Gruppe besitzen in ihrer Außenschale die gleiche Zahl von Valenzelektronen. Sie gehen daher mit anderen Elementen Bindungen gleicher Oxidationsstufe („Wertigkeit“) ein (. Tab. 8.5).

8.3.3

Elektronenkonfiguration

Die Elektronenkonfiguration beschreibt die Anordnung der Elektronen im Atom. Das Energieniveauschema zeigt die Orbitale nach steigender Energie. s-Orbitale nehmen maximal zwei, p-Orbitale sechs, d -Orbitale zehn, f -Orbitale 14 Elektronen auf (. Abb. 8.6). Wasserstoff und Helium füllen das 1s-Niveau auf, Alkali- und Erdalkalimetalle die höheren s-Niveaus. Die

. Abb. 8.5 Periodensystem der Elemente (PSE) mit Gruppenbezeichnungen, Valenzorbitalen (s, p, d , f ) und der höchsten Oxidationsstufe gegenüber Sauerstoff (positiv: in Oxiden und Sauerstoffsäuren) bzw. Wasserstoff (negativ: in Hydriden und Metallsalzen)

8

139 8.3  Periodensystem der Elemente (PSE)

. Tabelle 8.5 Gruppen im Periodensystem der Elemente Gruppe

Hauptgruppen

Valenzelektronen

1

Ia

Alkalimetalle

s1 (sehr reaktiv)

2

IIa

Erdalkalimetalle

s2 (reaktiv)

13

IIIa

Erdmetalle, Borgruppe

s2 p1

14

IVa

Kohlenstoffgruppe

s2 p2

15

Va

Stickstoffgruppe, Pnicogene

s2 p3

16

VIa

Sauerstoffgruppe, Chalkogene

s2 p4 (reaktiv)

17

VIIa

Halogene

s2 p5 (sehr reaktiv)

18

VIIIa

Edelgase

s2 p6 (inert)

Gruppe

Nebengruppen (Übergangsmetalle)

Valenzelektronen

3

Scandiumgruppe

d1 s2

Lanthanoide: Ce . . . Lu Actinoide: Th . . . Lr

f1 s2 bis f14 s2

IIIb

. Abb. 8.7 Energieniveauschema von Eisen (26 e ). Elektronenkonfiguration: 1s 2 2s 2 2p 6 3s 2 3p 6 3d 6 4s 2 , kurz: [Ar] 3d 6 4s 2 . Dabei wird 4s vor 3d gefüllt. Die Zahl der Elektronen im gleichen Energieniveau steht als Exponent im Termsymbol. Weil für chemische Reaktionen nur die Valenzelektronen wichtig sind, beginnt die Aufstellung zweckmäßig bei der abgeschlossenen Schale des vorangehenden Edelgases

In den Nebengruppen Ib und Vb, bei einigen Platinmetallen und den Actinoiden gibt es Ausnahmen. Halb- und vollbesetzte d-Schalen sind energetisch bevorzugt. An Stelle d 4 s 2 tritt d 5 s 1 (bei Cr, Mo). An Stelle d 9 s 2 tritt d 10 s 1 (bei Cu, Ag, Au).

4

IVb

Titangruppe

d2 s2

5

Vb

Vanadiumgruppe

d3 s2

6

VIb

Chromgruppe

d5 s1 (d4 s2 /

7 Beispiel

7

VIIb

Mangangruppe

d5 s2

8–10

VIIIb

Eisenmetalle (Fe, Co, Ni) Platinmetalle (Ru. . . Pt)

d6 s2 bis d8 s2

Kupfer hat theoretisch die Besetzung [Ar] 3d 9 4s 2 , experimentell ermittelt wurde [Ar] 3d 10 4s 1 . 9

11

Ib

Kupfergruppe

d10 s1

12

IIb

Zinkgruppe

d10 s2 (reaktiv)

Energie

1s

6s

5p 6p

4d 5d 6d

4f 5f

Lanthanoide und Actinoide

5s

4p

3d

Übergangsmetalle

4s

3p

Hauptgruppen IIIa bis VIIIa

3s

2p

Alkali und Edalkalimetalle

2s

8.3.4

Periodische Eigenschaften der Elemente

Nach der elektrischen Leitfähigkeit werden Metalle (Leiter), Halbmetalle (Halbleiter) und Nichtmetalle (Nichtleiter) unterschieden. Im PSE links stehen Metalle, rechts Nichtmetalle. Chemisch ähnliche Elemente fallen in den Gruppen zusammen (. Abb. 8.8). 70

Cs

60

Rb K

50

7s

7p 40

. Abb. 8.6 Reihenfolge der Orbitalauffüllung

Nicht- und Halbmetalle besetzen die p-Niveaus. Die Nebengruppenelemente füllen die d-Niveaus, der vorletzten Schale (n  1 D 3; : : : ; 6). Lanthanoide und Actinoide füllen die 4f - bzw. 5f -Niveaus (. Abb. 8.7). Jedes hinzu kommende Elektron besetzt ein möglichst niedriges Energieniveau – was nicht immer der numerischen Reihenfolge entspricht.

Xe

30 He

Sr

Po

Ba

Rn

Eu

Yb Kr Ca I Ar Y 20 Te Ce Br Lu Bi P Pb Gd N Cl Sc Ge Se Zr Sn Hg S Hf Li Ga Ti Cd 10 H Au Zn Mo Ag W Ir Pt Al Cr F Ru Fe Ni Be C 0

Na

10

20

30

40

50

60

70

Ordnungszahl . Abb. 8.8 Periodizität der Atomvolumina (in cm3 =mol)

80

Th U 90

140

8

Kapitel 8  Chemie

Metalle sind elektropositiv. Wegen ihrer niedrigen Ionisierungsenergie – der Energieaufwand zur Abtrennung eines Valenzelektrons – bilden sie leicht positiv geladene Ionen (Kationen), die kleiner als das Metallatom sind. Weil die inneren Elektronenschalen die Kernladung abschirmen, werden die äußeren Elektronen weniger stark gebunden als die inneren. In einer Periode wächst jedoch mit jedem weiteren Proton im Kern die Ionisierungsenergie an. Die Alkalimetalle sind daher leicht ionisierbar, die Edelgase nur unter extremen Bedingungen. In der Schräge durch die 3. bis 6. Hauptgruppe finden sich Halbmetalle (z. B. Graphit, Silicium und schwarzer Phosphor), die den Nichtmetallen nahe stehen. Metametalle (Be, Zn, Cd, Hg, Ga, In, Tl, Sn, Pb, Bi) zeigen teilweise halbleitende Eigenschaften. Arsen hat metallische und nichtmetallische Modifikationen (Erscheinungsformen). Nichtmetalle sind elektronegativ. Wegen ihrer großen Elektronenaffinität – die freigesetzte Energie bei Aufnahme eines Elektrons in die äußerste Schale – bilden sie elektrisch negativ geladene Ionen (Anionen), die größer als das Nichtmetallatom sind. Die Elektronegativität (EN) charakterisiert die Neigung der Elemente, Elektronen an sich zu ziehen; sie steigt in den Perioden von links nach rechts, in den Hauptgruppen von unten nach oben. Am stärksten elektronegativ ist Fluor (4,0) am stärksten elektropositiv ist Francium bzw. Cäsium (0,7). Im PSE stehen die Basenbildner (Metalle) tendenziell links, die Säurebildner (Nichtmetalle) rechts. Nichtmetalloxide – CO2 , NO2 , SO2 und SO3 – bilden in Wasser Säuren; Metalloxide – Na2 O, CaO – bilden Basen (Laugen). Mit steigender Oxidationsstufe nimmt die Basizität ab. Amphotere Oxide – wie Al2 O3 , MnO2 – bilden je nach Reaktionspartner Säuren oder Basen. Die reaktionsträgen Edelgase haben eine abgeschlossene p-Schale. Sie sind nullwertig; es sind jedoch Verbindungen bekannt. Metalle geben Valenzelektronen ab, Nichtmetalle nehmen Elektronen auf, um ebenfalls die stabile Edelgasschale zu erreichen. Alkalimetalle, Erdalkalimetalle und Halogene sind besonders reaktionsfreudig. Nach der Regel von Hund werden p-, d - und f -Orbitale zunächst einfach besetzt, ehe sich die Elektronen paaren (Prinzip der größten Multiplizität). Die Oxidationsstufe oder „stöchiometrische Wertigkeit“ beschreibt die maximale Bindigkeit eines Elementes und hängt von der Zahl der Valenzelektronen ab – die an der Gruppennummer im PSE ablesbar ist. Sie entspricht der Zahl der Wasserstoffatome, die ein Element binden oder in der Bindung ersetzen kann (. Abb. 8.9). Sauerstoff ist immer zweiwertig, nur in den Peroxiden einwertig. Fluor ist immer einwertig. Die Eisen- und Platinmetalle sind typisch zweiwertig (nicht 8-wertig). Kupfer gibt es ein- und zweiwertig, Gold ist dreiwertig. Blei und Zinn sind zwei- und vierwertig. Die Lanthanoiden (Seltenerdmetalle) sind dreiwertig (. Tab. 8.6).

. Tabelle 8.6 Die chemischen Elemente Element

Z

A

z

Actinium*

Ac

89

[227]

CIII

Aluminium

Al

13

26,98154

CIII

Americium*

Am

95

[243]

CIII

Antimon, antimony

Sb

51

121,760

CIII, V

Argon

Ar

18

39,948

0

Arsen, arsenic

As

33

74,92160

CIII, V

Astat*, astatine

At

85

[210]

I

Barium

Ba

56

137,327

CII

Berkelium*

Bk

97

[247]

CIII

Beryllium

Be

4

9,01218

CII

Bismut, bismuth

Bi

83

208,9804

CIII

Blei, lead

Pb

82

207,2

CII, IV

Bohrium*

Bh

107

[264]

Bor, boron

B

5

10,811

CIII

Brom, bromine

Br

35

79,904

I

Cadmium

Cd

48

112,411

CII

Caesium

Cs

55

132,90545 CI

Calcium

Ca

20

40,078

CII

Californium*

Cf

98

[251]

CIII

Cer, cerium

Ce

58

140,116

CIII

Chlor, chlorine

Cl

17

35,4527

I

Chrom, chromium

Cr

24

51,9961

CIII, VI

Cobalt

Co

27

58.93320

CII

Copernicum*

Cn

112

[285]

Curium*

Cm

96

[247]

Darmstadtium*

Ds

110

[281]

Dubnium*

Db

105

[262]

Dysprosium

Dy

66

162,500

CIII

Einsteinium*

Es

99

[252]

CIII

Eisen, iron

Fe

26

55,845

CII, III

Erbium

Er

68

167,26

CIII

Europium

Eu

63

151,964

CIII

Fermium*

Fm

100

[253]

CIII

Fluor, fluorine

F

9

18,99840

I

Francium*

Fr

87

[223]

CI

Gadolinium

Gd

64

157,25

CIII

Gallium

Ga

31

69,723

CIII

Germanium

Ge

32

72,61

CIV

CIII

8

141 8.3  Periodensystem der Elemente (PSE)

. Tabelle 8.6 (Fortsetzung)

. Tabelle 8.6 (Fortsetzung)

Element

Z

A

z

Element

Z

A

z

Gold

Au

79

196,96655 CIII

Radium

Ra

88

226,0254

CII

Hafnium

Hf

72

178,49

CIV

Radon*

Rn

86

222,0176

0

Hassium*

Ha

108

[265]

Rhenium

Re

75

186,207

CVII

Helium

He

2

4,00260

Rhodium

Rh

45

102,90550 CI, III

Holmium

Ho

67

164,93032 CIII

Röntgenium*

Rg

111

[272]

Indium

In

49

114,818

Rubidium

Rb

37

85,4678

CI

Iod, iodine

I

53

126,90447 I

Ruthenium

Ru

44

101,07

CIII

Iridium

Ir

77

192,217

CIII

Rutherfordium*

Rf

104

[261]

Kalium, potassium

K

19

39,0983

CI

Samarium

Sm

62

150,36

CIII

Kohlenstoff, carbon

C

6

12,0107

IV

Sauerstoff, oxygen

O

8

15,9994

II

Krypton

Kr

36

83,798

0

Scandium

Sc

21

44,95591

CIII

Kupfer, copper

Cu

29

63,546

CII

Schwefel, sulfur

S

16

32,066

II, CVI

Lanthan, lanthanum

La

57

138.9055

CIII

Seaborgium*

Sg

106

[266]

Lawrencium*

Lr

103

[262]

CIII

Selen, selenium

Se

34

78,96

CIV

Lithium

Li

3

6,941

CI

Silber, silver

Ag

47

107,8682

CI

Lutetium

Lu

71

174,967

CIII

Silicium, silicon

Si

14

28,0855

IV

Magnesium

Mg

12

24,3050

CII

Stickstoff, nitrogen

N

7

14,00674

CV, III

Mangan, manganese

Mn

25

54,93805

CII,IV,VII

Strontium

Sr

38

87,62

CII

Meitnerium*

Mt

109

[266]

Tantal, tantalum

Ta

73

180,9479

CV

Mendelevium*

Md

101

[260]

CIII

Technetium*

Tc

43

98,90625

CVII

Molybdän, molybdenum

Mo

42

95,94

CVI

Tellur, tellurium

Te

52

127,60

CIV

Natrium, sodium

Na

11

22,98977

CI

Terbium

Tb

65

158,92534 CIII

Neodym, neodymium

Nd

60

144,24

CIII

Thallium

Tl

81

204,3833

CI

Neon

Ne

10

20,1797

0

Thorium

Th

90

232,0381

CIV

Neptunium*

Np

93

237,0482

CIV

Thulium

Tm

69

168,93421 CIII

Nickel

Ni

28

58,6934

CII

Titan, titanium

Ti

22

47,867

CIV

Niob, niobium

Nb

41

92,90638

CV

Uran*, uranium

U

92

238,0289

CVI

Nobelium*

No

102

[259]

CII

Vanadium

V

23

50,9415

CV

Osmium

Os

76

190,23

CIV

Wasserstoff, hydrogen

H

1

1,00794

I

Palladium

Pd

46

104,42

CII

Wolfram, tungsten

W

74

183,84

CVI

Phosphor, phosphorus

P

15

30,973761 CV, III

Xenon

Xe

54

131,293

0

Platin, platinum

Pt

78

195,078

CII, IV

Ytterbium

Yb

70

173,04

CIII

Plutonium*

Pu

94

[244]

CIV

Yttrium

Y

39

88,90585

CIII

Polonium*

Po

84

[209]

CII, IV

Zink, zinc

Zn

30

65,409

CII

Praseodym, -ium

Pr

59

140,90765 CIII, IV

Zinn, tin

Sn

50

118,710

CII, IV

Promethium*

Pm

61

[145]

Zirconium

Zr

40

91,224

CIV

Protactinium

Pa

91

231,05388 CIV, V

Quecksilber, mercury

Hg

80

200,59

0

CIII

CIII

CII

* radioaktiv, Z Ordnungszahl, Ar relative Atommasse, [. . . ] Massenzahl des stabilsten Isotops. z Wichtigste Oxidationsstufe. Kursiv: englische Bezeichnungen

142

Kapitel 8  Chemie

1s ↑

+I

He ↑↓

0

Li [He] ↑

+I

Li2O, LiH

Be [He] ↑↓

+II

BeO, BeH2

+III

Al2O3, AlH3

+IV

CO2, CH4 N2O5, NH3

H

B [He] ↑↓



C [He] ↑↓





N [He] ↑↓







+V, –III

O [He] ↑↓ ↑↓





–II

H2O

F [He] ↑↓ ↑↓ ↑↓



–I

HF

Ne [He] ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓

0

Edelgase

3s 3p S [Ne] ↑↓ ↑↓

8

H2





+VI, –II

SO3, H2S

Cl [Ne] ↑↓ ↑↓ ↑↓



+VII, –I

Cl2O7, HCl

. Abb. 8.9 Bindigkeit von Hauptgruppenelementen. C Elektronenabgabe,  Elektronenaufnahme

8.4

Chemische Bindung

Die chemische Bindung erklärt den Zusammenhalt der Atome in Molekülen und Kristallgittern, ihre räumliche Gestalt (Struktur) und unterschiedlichen Stoffeigenschaften (. Tab. 8.7).

Die meisten chemischen Elemente kommen in der Natur in Verbindungen vor. Nur wenige – wie Gold, Silber, Schwefel, Kohlenstoff – treten elementar (gediegen) auf. Triebkraft der chemischen Bindung ist die Gitterenergie, die bei Bildung von Kristallen frei wird. In amorphen Stoffen, Flüssigkeiten, Gläsern und Kunststoffen liegt ein ungeordneter Teilchenverband vor. Isolierte Atome gibt es nur bei den Edelgasen und hocherhitzten Dämpfen. 2Oktettregel

An der chemischen Bindung nehmen nur die Elektronen der äußersten Schalen (Valenzelektronen) teil, nicht aber die Atomkerne. Jedes Atom strebt die stabile Edelgasschale an, indem es Elektronen aufnimmt (elektronegatives Element) oder abgibt (elektropositives Element).

8.4.1

Ionenbindung (Salze)

Ein Metallatom gibt ein oder mehrere Elektronen an ein Nichtmetallatom ab. Die entstehenden Metallkationen (positiv geladen) und Nichtmetallanionen (negativ geladen) ziehen sich gegenseitig an und bilden ein Ionengitter. Valenzstrichformeln nach Lewis verdeutlichen die Bildung von Salzen. Die Zahl der Valenzelektronen – die wir der Gruppennummer des PSE entnehmen – schreiben wir als Punkte um die chemischen Symbole herum. Zwei Punkte, ein freies Elektronenpaar, wird durch einen Strich symbolisiert (vgl. . Tab. 8.7).

. Tabelle 8.7 Grundtypen der chemischen Bindung Ionenbindung (heteropolare Bindung, elektrovalente Bindung)

Atombindung (Elektronenpaarbindung, kovalente Bindung, homöopolare Bindung)

Metallbindung

Metall (elektropositiv) und Nichtmetall (elektronegativ)

Nichtmetallatome (elektroneutral)

Metallatome (elektropositiv)

Beispiel:

Beispiel: unpolare Atombindung H  C  H ! H–H Beispiel: polare Atombindung

Beispiel: M ! MzC C z e

Na  C  Clj ! NaC C jClj

H  C  Clj ! H G Clj

Bildung von Ionen. Durch Elektronenabgabe erreicht das Metall, durch Elektronenaufnahme das Nichtmetall die stabile Edelgasschale (Oktettregel). Elektrostatische C OULOMBKräfte zwischen Anionen und Kationen

Gemeinsame Elektronenpaare (D bindende Molekülorbitale), die bei der polaren Atombindung zum elektronegativeren Atom hin verschoben sind. Gerichtete quantenmechanische Austauschkräfte (Valenzkräfte)

Elektronengas (freie Valenzelektronen) und positiv geladene Atomrümpfe (ionisierte Metallatome). Zusammenhalt durch ungerichtete C OULOMB -Kräfte

Ionenkristalle (Salze)

Moleküle

Atomgitter

Metallgitter

salzartig, spröde, Ionenleiter (Elektrolyte); z. B. LiF, CaO, NaOH, Oxid- und Silicatkeramik

flüchtig (CO2 , Cl2 , CH4 , Benzol) oder makromolekular (Stärke, Polymere)

diamantartig oder glasmetallisch, duktil, Elektronenleiter, artig-spröde: SiC, BN, z. B. Natrium; Eisen, Wolfram, Si, Ge, Quarz, Hartstoffe Halbmetalle, Legierungen

143 8.4  Chemische Bindung

. Tabelle 8.8 Ionen in anorganischen Verbindungen Kationen (Metalle)

Anionen (Nichtmetalle)

CI

Alkaliionen: Li , Na , K Ammonium: NHC 4 Silber: AgC

Hydrid Fluorid Chlorid Bromid Iodid Hydroxid Nitrat Chlorat

H F Cl Br I OH NO 3 ClO 4

I

CII

Erdalkaliionen: Mg2C , Ca2C , Sr2C , Ba2C Weitere: Fe2C , Co2C , Ni2C ; Mn2C ; Cu2C , Zn2C , Pb2C

Oxid Sulfid Selenid Sulfat

O2 S2 Se2 SO2 4

II

CIII

Erd- und Seltenerdmetalle: B3C , Al3C , Ga3C , In3C , Sc3C , Y3C , La3C , Ce3C , Nd3C Weitere: Cr3C , Au3C

Nitrid Phosphid Arsenid Phosphat

N3 P3 As3 PO3 4

III

Sn4C , Pb4C , Ti4C

Carbid Silicid Germanid

C4 Si4 Ge4

IV

CIV

C

C

C

. Abb. 8.10 Lösen von Kochsalz in Wasser

Eine Ionenbindung tritt ein, wenn die Elektronegativitätsdifferenz der Bindungspartner EN  1;7 beträgt. In Gläsern und Keramiken liegen Ionenbindungen mit kovalenten Anteilen vor. Die starken elektrostatischen C OULOMB-Kräfte verhindern eine Verschiebung der Kristallgitterebenen. Salze sind daher hochschmelzend, spröde und Ionenleiter (Elektrolyte) in wässriger Lösung oder im geschmolzenen Zustand. Die Zahl der Gegenionen, die einem zentralen Ion direkt benachbart sind, wird als Koordinationszahl (KZ) bezeichnet. Weicht das Verhältnis der Radien von 1 W 1 ab, treten kompliziertere Gitter auf. Kochsalz ŒNaCl6W6 Quarz ŒSiO2 4W2

.oktaedrisch/ .tetraedrisch/

Mit der Ionenwertigkeit (. Tab. 8.8) kann man chemische Verbindungen benennen. In Oxiden erreichen Metallionen ihre höchsten Wertigkeiten. Bei Elementen mit mehreren Wertigkeiten gibt man diese als Oxidationsstufe in römischen Ziffern hinter dem Elementnamen an. Elementverbindungen lauten auf -id, Salze der Sauerstoffsäuren auf -at, Salze der „igen“-Säuren auf -it.

und Chlorgas einen Kochsalzkristall formen, muss festes Natrium in die Gasphase überführt (sublimiert) und ionisiert werden; das Cl2 -Molekül muss gespalten (dissoziiert) und die Chloratome in Chloridionen überführt werden. Insgesamt wird die molare Bildungsenthalpie frei. 2 Na C Cl2 ! 2 NaCl Hf0 D 403 kJ=mol Der Index f bedeutet „Bildung“ (engl. formation), die hochgestellte Null Standardbedingungen (25 °C D 298;15 K und 1013,25 mbar). Bei der Hydratation, der Umhüllung von Ionen durch Wassermoleküle beim Lösen von Salzen, wird die Hydratationsenthalpie frei. Getrieben durch die Wärmebewegung, fliehen an den Außenzonen des Salzkristalls Ionen aus dem Gitterverband; das Salz dissoziiert (zerfällt (. Abb. 8.10)). Im freien Wasser werden Anionen und Kationen dann vollständig „aquotisiert“ (aq), d. h. von Wasserdipolen umhüllt.  NaCl ! NaC .aq/ C Cl.aq/

Übersteigt die Hydratationsenthalpie die Gitterenergie, erwärmt sich die Lösung. Andernfalls kühlt die Lösung ab und ein Energieeintrag durch Rühren wirkt förderlich (. Tab. 8.9). In anderen Lösungsmitteln als Wasser spricht man von Solvatation und Solvatationsenthalpie. Hydratisierte Wassermoleküle, die ins Ionengitter eingebaut werden, nennt man Kristallwasser (Hydratwasser).

7 Beispiel

Lithiumnitrid (aus 3 LiC und N3 Titantetrachlorid, Titan(IV)-chlorid Chromtrioxid, Chrom(VI)-oxid Natriumsulfid Eisen(II)-sulfat

Li3 N TiCl4 CrO3 Na2 S FeSO4 9

Beim Zusammentritt der Ionen zum Ionengitter wird die Gitterenergie (Gitterenthalpie) frei. Bevor Natriummetall

. Tabelle 8.9 Wärme beim Lösen von Salzen Lösungsenthalpie

Temperaturänderung

Beispiele

>0

Erwärmung

NaOH in H2 O

D0

keine

NaCl in H2 O

1;7 Ionenbindung (NaCl, K2 O) Bei der polaren Atombindung ist das Bindungspaar zum elektronegativeren Partner verschoben. Polare Moleküle zeigen ein permanentes Dipolmoment. Moleküle sind flüchtig, niedrig schmelzend und leiten den elektrischen Strom nicht (Isolatoren). In Polymeren und Gläsern liegen Atombindungen mit ionischen Anteilen vor, z. B. NaC im Quarzglas. Gemischte Atom- und Ionenbindungen gibt es in Komplexverbindungen wie K4 [Fe(CN)6 ]. Strukturformeln nach Lewis verknüpfen die Atome im Molekül durch Bindungsstriche (bindende Elektronenpaare). Freie Elektronenpaare nehmen nicht an der Atombindung teil. Nach der Oktettregel zählen wir einfach von jedem Atom vier Bindungsstriche (einschließlich der freien Elektronenpaare) ab. Die Bindigkeit bezeichnet die Zahl der von einem Atom hergestellten Atombindungen (. Abb. 8.11).

-Bindungen (in Mehrfachbindungen) entstehen aus p-Orbitalen, die nicht in Bindungsrichtung stehen, z. B. in Ethen, Acetylen, Benzol. Die Bindungsordnung beschreibt den Grad der Atombindung als Einfach-, Doppel- oder Dreifachbindung.  BO D

   bindende antibindende  Elektronen Elektronen 2

7 Beispiele Einfachbindung H  C  H ! H2 jCl  C  Clj ! jCl–Clj 3 H  C  N ! NH3 Doppelbindung O C O ! O D O Tatsächlich liegt ein Biradikal OO vor. Dreifachbindung N C N ! N  N 9

Wasserstoff und die Halogene (F2 , Cl2 , Br2 , I2 / kommen in der Natur molekular vor, weil die -Bindung mit einem Energievorteil verbunden ist. 7 Beispiel MO-Schema der p-p- -Einfachbindung im Chlormolekül (. Abb. 8.12) 9

MO(Cl2)

AO(Cl)

antibindend

3p5

1 Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie)

Atombindungen entstehen durch Überlappung der Valenzelektronenorbitale zweier Atome. -Bindungen (Einfachbindungen) bestehen aus s- oder p-Atomorbitalen in Bindungsrichtung, z. B. in Kohlenwasserstoffen.

N

−O−

3p5

π* π

bindend

σ

3s2 C

AO(Cl)

σ*

σ*

3s2

− Cl

σ 40

321 2 freie Elektronenpaare

. Abb. 8.11 Bindigkeit nach der Oktettregel

1-bindig 3

. Abb. 8.12 Jedes Cl-Atom mit der Elektronenkonfiguration 1s 2 2s 2 2p 5 erreicht die Argonschale. Die unteren Elektronenschalen bis zum Edelgas Neon sind nicht eingezeichnet. Bindungsordnung in Cl2 : BO D .6  4/=2 D 1

145 8.4  Chemische Bindung

. Abb. 8.13 Hybridisierung und Mehrfachbindungen beim Kohlenstoffatom

Sauerstoff (O2 / ist ein Biradikal, weil in den *-Orbitalen zwei ungepaarte Elektronen sitzen; die Bindungsordnung ist 2, d. h. es liegt eine Doppelbindung aus einer - und einer -Bindung vor. Stickstoff (N2 ) hat eine Dreifachbindung aus einer - und zwei -Bindungen; die Bindungsordnung beträgt 3. 1 Hybridisierungsmodell

Hybridorbitale erklären die räumliche Struktur von Molekülen. Die Liganden (gebundene Atomgruppen) ordnen sich in größtmöglichem Abstand um ein Zentralatom. Die großen freien Elektronenpaare am Zentralatom stoßen sich maximal ab. Die Bindungspaare nehmen die restlichen Positionen ein. Die Vierbindigkeit des Kohlenstoffatoms widerspricht der 2s 2 2p 2 -Konfiguration des Grundzustandes. Vier gleichwertige Bindungen (Hybridorbitale) entstehen, wenn ein 2s-Elektron in den 2pz -Zustand angehoben wird. Bei CDC-Doppel- und CC-Dreifachbindungen formen die nichtbindenden pz - und py -Elektronen -Wolken oberund unterhalb der Bindungsebene (. Abb. 8.13). Hybridorbitale mit d-Elektronen bilden die Elemente ab der 3. Periode. Jeder Ligand am Zentralatom liefert ein Bindungselektron, das wir in die Orbitale des Zentralatoms mit einzeichnen. Die Zahl der Hybridorbitale nennt man Hybridisierung (. Abb. 8.14). 7 Beispiel SF6 hat sp3 d 2 -Hybridorbitale und ist oktaedrisch gebaut.

. Abb. 8.14 Hybridisierung und Molekülstruktur

1 Atomgitter

9

Diamant, Silicium, Germanium, Bornitrid BN und Siliciumcarbid SiC kristallisieren in Atomgittern mit höchster Härte und Schmelztemperatur.

8

146

Kapitel 8  Chemie

. Abb. 8.15 Struktur von Diamant und Graphit

8

Das Diamantgitter besteht aus sp3 -hybridisierten Kohlenstoffatomen, die tetraedrisch mit vier Nachbaratomen durch bindende Elektronenpaare eng verbunden sind. Die Dichte beträgt 3;5 g=cm3 ! Diamant ist der beste bekannte Wärmeleiter, ohne jedoch den elektrischen Strom zu leiten. Im Graphit sind die Kohlenstoffatome sp2 -hybridisiert und bauen benzolähnliche Sechsringe auf, die eben aneinander geknüpft sind (. Abb. 8.15). Die nichtbindenden pz -Elektronen „verschmieren“ zu Elektronenwolken zwischen den Schichtebenen. Zwischen den Grafitschichten wirken schwache van-der-Waals-Anziehungskräfte. In den Schichten leitet Grafit den elektrischen Strom und Wärme nahezu so gut wie ein Metall, zwischen den Schichten sperrt Grafit die Strom- und Wärmeleitung. Deshalb eignet sich Grafit sowohl als Elektrodenmaterial wie auch als wärmeisolierende Ofenauskleidung. Unter Schubeinfluss gleiten die Schichten leicht aufeinander ab, so dass Grafit als Schmiermittel und Belag für Trommelbremsen verwendet wird. 8.4.3

Metallbindung (Metalle und Legierungen)

Das Elektronengasmodell erklärt die elektrische und thermische Leitfähigkeit der Metalle, ihre Duktilität (Verformbarkeit) und ihren Glanz. Die Metallatome geben ihre Valenzelektronen ab und bilden positiv geladene Atomrümpfe, die durch das freie Elektronengas zusammengehalten werden. Legierungen sind aus Metallen oder aus Metallen und Nichtmetallen aufgebaut. Sie können stöchiometrisch zusammengesetzt sein oder „Phasen“ bilden. 2Kristallstruktur der Elemente

Metalle bilden hochsymmetrische, dichte Packungen gleich großer Atome. Ein Metallgitter verhält sich typischerweise zäh, d. h. es dehnt sich vor dem Gewaltbruch; ein Ionengitter hingegen ist spröde. Bei der plastischen Verformung gleiten die Kristallebenen aneinander ab. Härte und Schmelzpunkte nehmen in den Hauptgruppen von oben nach unten ab – z. B. von „Hartdiamant“ bis „Weichblei“ – und in den Perioden zu (. Abb. 8.16).

. Abb. 8.16 Kristallstruktur der Elemente

Die stabilsten Metallgitter – mit der höchsten Gitterenergie und Härte – bilden Wolfram, Molybdän und Chrom (6-wertig), gefolgt von Tantal, Niob und Vanadium (5-wertig). Die Alkalimetalle sind weich, ebenso Quecksilber (flüssig), Cadmium und Zink. Eisen kommt in mehreren Modifikationen vor (sog. Polymorphie oder Allotropie): in der Kälte im Wolframgitter, bei Rotglut im weichen Goldgitter. Halbleiter sind Stoffe, deren elektrische Leitfähigkeit zwischen denen der metallischen Leiter und der nichtmetallischen Isolatoren liegt. Diamant, Silicium, Germanium und Zinn zeigen eine geringe Eigenleitung durch frei bewegliche, thermisch angeregte Elektronen. Verbindungshalbleiter – wie GaAs, InP, ZnTe, CsSe – zeigen eine Störstellenleitung, die durch gezielte „Verunreinigung“ (Dotierung) mit Fremdatomen herbeigeführt wird. n-Halbleiter sind Elektronenleiter; sie enthalten im Siliciumgitter (4 Valenzelektronen) Elektronendonatoren wie N, P, As, Sb (5 Valenzelektronen). p-Halbleiter sind „Löcherleiter“; sie enthalten im Siliciumgitter Elektronenakzeptoren wie B, Al, Ga, In (3 Valenzelektronen).

8.4.4

Koordinationsverbindungen („Komplexe“)

Koordinationsverbindungen bestehen aus einem Zentralatom und Liganden, die mit ihren freien Elektronenpaaren Atombindungen zum Zentralatom knüpfen. Die Benennung von Komplexverbindungen (Nomenklatur) gelingt nach folgendem Schema. 1. Liganden mit griechischen Zahlworten (mono, di, tri, tetra, penta, hexa) alphabetisch aufzählen. Hinter anionischen Liganden steht -o. 2. Komplexanionen tragen die Endung -at am lateinischen Namen des Zentralatoms. Bei Komplexkationen steht nur der deutsche Elementname.

147 8.4  Chemische Bindung

. Tabelle 8.10 Benennung wichtiger Reste Gruppe

ungeladener Rest in Molekülen

Kation XzC in Salzen

Anion Xz in Salzen

Ligand Ma ŒXb  in Komplexen

H

Wasserstoff

Proton

Hydrid

Hydrido

F

Fluor

Fluor

Fluorid

Fluorido

Fluor

Cl

Chlor

Chlor

Chlorid

Chlorido

Chlor

Chlorosyl

Hypochlorit

Hypochlorito

Chlorosyl

Chloryl

Chlorit

Chlorito

Chloryl

Perchloryl

Chlorat

Chlorato

Perchloryl

Perchlorat

Perchlorato

Oxid

Oxido

Oxo, Oxy

Peroxido

Peroxy

ClO ClO2

Chlordioxid

ClO3 ClO4 O

Sauerstoff Disauerstoff

H2 O

Wasser

OH

Hydroxyl

Hydroxid

Hydroxido

S

Schwefel

Sulfid

Sulfido

S2 O3

Thiosulfat

Thiosulfato

SO4

Sulfat

Sulfato

Amid

Amido

Amino

Ammin

Ammonio H3 NC –

Nitrosyl

Nitroso

Nitrit

Nitrito

Nitro –NO2

Nitrat

Nitrato

Phosphid

Phosphido

Phosphintriyl

Phosphin

Phosphonio H3 PC –

NH3

Aqua

Aminyl Ammoniak

NH4

Hydroxy

Ammonium

NO

Stickstoffoxid

Nitrosyl

NO2

Stickstoffdioxid

Nitryl

NO3 P

Phosphor

PH3

Phosphin

PO4 CO

Peroxid

O2 2

O2

NH2

Disauerstoff

OC 2

Substituent X in organischen Stoffen

Phosphat Kohlenstoffmonoxid

Carbonyl

Carbonyl

Carboxyl

Carboxy

Methoxid, Methanolat

Methoxo, Methanolato

Methoxy

COOH CH3 O

Phosphato

CN

Cyan

Cyanid

Cyanido

Cyan –CN

SCN

Thiocyan

Thiocyanat

Thiocyanato

Thiocyanato –SCN

CO3

Carbonat

Carbonato

Carbonyldioxy-

HCO3

Hydrogencarbonat

Hydrogencarbonato

Acetat

Acetato

Acetoxy

Acetyl

Acetyl

CH3 CO2

Acetoxyl

CH3 CO

Acetyl

C2 O4

Oxalat

Oxalato

8

148

8

Kapitel 8  Chemie

Zwischenmolekulare Kräfte

3. Die Oxidationsstufe („Wertigkeit“) des Zentralatoms steht als römische Zahl in runden Klammern hintan.

8.4.5

Komplexanionen und -kationen bilden mit einfachen oder komplexen Gegenionen Salze. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome in der Verbindung ist Null (. Tab. 8.10). Chelate sind ringförmige Komplexe mit mehrzähnigen Liganden, also solchen, die zwei und mehr Bindungsstellen am Zentralatom besetzen, z. B. Oxalat, Carbonat und Ethylendiamin. Das Hybridisierungsmodell (Valence Bond Theory) erklärt Struktur, Stabilität, Farbe und Magnetismus der Koordinationsverbindungen. Es liegen Atombindungen vor, in denen jeder Ligand ein Bindungselektronenpaar in die freien s-, p- oder d -Orbitale des Zentralatoms schiebt. Dadurch erreicht das Zentralatom die stabile Edelgasschale (18-Elektronen-Regel). Man beachte: Bei der gewöhnlichen Atombindung liefert jedes Atom nur ein Elektron zum gemeinsamen Bindungselektronenpaar!

van-der-Waals-Kräfte erklären die schwachen Kohäsionskräfte zwischen unpolaren Molekülen, z. B. von Kohlenwasserstoffketten und den Schichten im Grafit. Auf Grund von Ladungsschwankungen entstehen vorübergehend induzierte Dipole, die sich anziehen. Dipolmoleküle haben eine polare Atombindung. Die elektrisch entgegengesetzt geladenen Atome erzeugen ein permanentes Dipolmoment. Wasserstoffbrückenbindung erklären die außergewöhnlichen Schmelz- und Siedepunkte polarer Stoffe, z. B. Wasser, Methanol und Essigsäure im Gegensatz zu Schwefelwasserstoff, Methan bzw. Ethan. Sie sind verantwortlich für die Raumstruktur von lebenswichtigen Proteinen, Kohlenhydraten und den Nucleinsäuren im genetischen Code.

7 Beispiel

Chemische Reaktionen

8.5 8.5.1

Stöchiometrie

Salze mit Komplexanionen

K4 ŒFe.CN/6  Kaliumhexacyanidoferrat(II) Natriumhexafluoridoaluminat(III) Na3 ŒAlF6  Na2 ŒPtCl6  Natriumhexachloridoplatinat(IV) Neutrale Koordinationsverbindungen

Ni(CO)4 Tetracarbonylnickel(0) Salze mit Komplexkationen

ŒCu.NH3 /4 2C Tetraamminkupfer(II)-ion ŒCr.H2 O/6 Cl3 Hexaaquachrom(III)-trichlorid 9 Ein High Spin-Komplex („Anlagerungskomplex“) ist paramagnetisch, weil ungepaarte Elektronen am Zentralatom vorliegen. Ein Low Spin-Komplex („ Durchdringungskomplex“) ist diamagnetisch („unmagnetisch“), weil in den Orbitalen des Zentralatoms nur gepaarte Elektronen auftreten. 7 Beispiel Das Hexaaquachrom(III)-Ion [Cr(H2 O)6 ] disiert und oktaedrisch gebaut.

3C

2

3

ist d sp -hybri-

Stöchiometrie ist die Lehre von der Zusammensetzung chemischer Verbindungen und den Massenverhältnissen bei chemischen Reaktionen. In chemischen Gleichungen beschreiben Koeffizienten die Anzahl der gleichartigen Reaktionsteilnehmer. 1 Molekül N2 reagiert mit 3 Molekülen H2 zu 2 Molekülen NH3 # # # ! 2 NH3 N2 C 3 H2 Summenformeln geben die Zusammensetzung von Stoffen als Atomzahlenverhältnis der Elemente an. Die tief gestellten Atommultiplikatoren (Indices) bezeichnen die Anzahl gleichartiger Atome oder Atomgruppen. Statt NHHH schreibt man NH3 . 2Gesetz der konstanten Proportionen (Proust)

Die Zusammensetzung chemischer Verbindungen ist konstant. Die Elemente verbinden sich in festen Massenverhältnissen. 2Gesetz der multiplen Proportionen (Dalton)

In chemischen Verbindungen stehen die molaren Massen der Elemente im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen. Cr(III) hat die Elektronenkonfiguration [Ar] 4d 3 , also drei 2Gesetz der Äquivalentmassen Zwei Elemente verbinden sich im Verhältnis ihrer ÄquivaElektronen weniger als das ungeladene Chromatom. Jeder Aqualigand schiebt ein Elektronenpaar in die lentmassen oder ganzzahliger Vielfacher davon. Die stöchiometrische Wertigkeit besagt, mit wie vied 2 sp3 -Hybridorbitale; Chrom erreicht die Edelgasschale und len einwertigen Atomen (z. B. Wasserstoff) sich ein Atom ist paramagnetisch. 9

149 8.5  Chemische Reaktionen

eines Elementes verbindet. Stoffe gleicher Wertigkeit reagieren miteinander in gleichen Stoffmengen, d. h. im Verhältnis ihrer molaren Massen M (in g=mol). 7 Beispiel Wasser enthält Wasserstoff und Sauerstoff immer im Verhältnis m.H/ W m.O/ D 2;02 W 16;00 D 1 W 7;94 (Proust) Wasser H2 O enthält Wasserstoff und Sauerstoff im Atomzahlverhältnis H W O D 2 W 1. 14 g Stickstoff binden 8, 16, 24, 32 oder 40 g Sauerstoff in N2 O, NO, N2 O3 , NO2 bzw. N2 O5 (Dalton). 9

2Gesetz von der Erhaltung der Masse

R D 8;3144 J mol1 K1 ist die molare Gaskonstante. Stöchiometrische Berechnungen basieren auf dem Produkt aus Stoffmenge mal molarer Masse – wobei man vereinfacht davon ausgeht, dass die chemische Reaktion vollständig verläuft. unbekannte Komponente bekannte Komponente 7 Beispiel Wieviel Aluminiumpulver und Magnetit Fe3 O4 braucht man, um 250 kg Eisen herzustellen? 3 Fe3 O4 C 8 Al ! 9 Fe C 4 Al2 O3

Bei chemischen Reaktionen entstehen aus Ausgangsstoffen (Edukte) neue Stoffe (Reaktionsprodukte). Die Gesamtmasse bleibt konstant, d. h. links und rechts des Reaktionspfeils steht dieselbe Masse m (in kg) – nicht aber unbedingt das gleiche Volumen!

Bei chemischen Reaktionen stehen Gasvolumina in ganzzahligen Verhältnissen zueinander. 1 mol eines idealen Gases nimmt bei 0 °C und 101.325 Pa das molare Normvolumen Vmn D 22;414 `=mol ein. 7 Beispiel

nM D 8  26;98 g Al ¶ 9  55;85 g Fe 8  26;98 kg Al ¶ 9  55;85 kg Fe 8  26;98 kg D 107;4 kg Al 9  55;85 kg sind notwendig. 250 kg 

n V M m

80 g

80 g

9

Die Stoffmenge n D 1 mol eines beliebigen Stoffes oder 22,4 Liter eines idealen Gases enthalten NA D 6;022  1023 Teilchen; das sind ebenso viele Atome wie in 12 g des Kohlenstoffisotops 12 C. nD

2. nM D 3  231;55 kg Fe3 O4 ¶ 9  55;85 kg Fe 250 kg 

8.5.2

Massenerhaltung bei der Verbrennung von Erdgas: Die Reaktionspartner stehen im Verhältnis der molaren Massen M , die Summe der Atommassen, die im PSE tabelliert sind, z. B. M.CH4 / D 12 C 4  1 D 16 g=mol.

8 mol Al ¶ 9 mol Fe

1.

2Chemisches Volumengesetz (Gay-Lussac)

! CO2 C 2 H2 O CH4 C 2 O2 1 mol 2 mol 1 mol 2 mol 22;4 ` 2  22;4 ` 22;4 ` 2  22;4 ` 44 2  18 16 2  32 44 g 2  18 g 16 g 2  32 g ƒ‚ … ƒ‚ … „ „

mA n A MA D  mB n B MB

3  231;55 kg D 345;5 kg Fe3 O4 9 9  55;85 kg

Thermochemie

Bei einer exothermen Reaktion (H < 0) wird Wärme frei; die Reaktionsprodukte sind energieärmer als die Ausgangsstoffe (. Abb. 8.17). Bei einer endothermen Reaktion (H > 0) wird Wärme zugeführt; die Reaktionsprodukte sind energiereicher als die Edukte. Chemische Energie kann in Wärme, Lichtenergie oder elektrische Energie gewandelt werden. Die Gibbs’sche Freie Enthalpie erfasst die Gesamtheit der Energieäußerungen und berücksichtigt die Entropieänderung (Unordnung) des Systems. GR D HR  T  SR T thermodynamische Temperatur (K), H Enthalpie, S Entropie

N m D NA M

Die molare Masse („Molmasse“) ist als stoffmengenbezogene Masse M D m=n (in g=mol) definiert, das molare Volumen als stoffmengenbezogenes Volumen Vm D V =n (in m3 =mol). Das ideale Gasgesetz erlaubt die Umrechnung von Gasvolumina bei unterschiedlichen Drücken und Temperaturen. p0 V0 T D nRT pV D T0 Die Normbedingungen sind T0 D 0 ı C D 273;15 K und p0 D 101:325 Pa D 1;01325 bar.

. Abb. 8.17 Exotherme Reaktion

8

Kapitel 8  Chemie

150

Die Änderung der Reaktionswärme bei konstantem Druck nennt man Reaktionsenthalpie HR . Sie wird als Differenz der in Tabellenwerken gesammelten Bildungsenthalpien berechnet. X X HB.Produkte/  HB.Edukte/ HR D

8

Die Reaktionsgeschwindigkeit beschreibt die pro Zeiteinheit umgesetzte Stoffmenge. Für eine Reaktion 1. Ordnung (d. h. A ! Produkte): rD

dcA D k  cA dt

Die Bildungsenthalpie HB ist die Reaktionswärme, die 2Arrhenius-Gleichung bei der Bildung einer Verbindung oder eines Ions aus den Die Geschwindigkeitskonstante k hängt von der AktivieElementen freigesetzt wird und zur Zersetzung des Stoffes rungsenergie EA ab. wieder aufzuwenden ist (1. Thermochemisches Gesetz nach k D A  e EA =RT L AVOISIER). HB ist für Elemente definitionsgemäß Null. Nach der Halbwertszeit  D .ln 2/=k ist die Hälfte der 2Hess-Satz (2. thermochemisches Gesetz, Gesetz der Ausgangskonzentration cA;0 umgesetzt. konstanten Wärmesummen) Man darf die Reaktionsenthalpien von Teilreaktionen auf- 2van’t-Hoff -Regel summieren; der Reaktionsweg spielt keine Rolle. Eine Temperaturerhöhung um 10 K verdoppelt bis verdreiVerbrennungsenthalpie HV oder Brennwert Ho facht die Reaktionsgeschwindigkeit. heißt die Reaktionsenthalpie bei vollständiger Umsetzung eines Stoffes mit Sauerstoff (bei konstantem Atmosphären- 2Massenwirkungsgesetz (MWG) druck, alle Stoffe bei 25 °C). Das Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen c – Der Heizwert Hu umfasst die nutzbare Verbrennungs- nicht der Ausgangskonzentrationen! – aller Produkte und wärme eines Brennstoffes bei der Verbrennung zu gas- Edukte ist konstant. Die Gleichgewichtskonstante Kc ist förmigen Endprodukten und Wasserdampf. Die Verdamp- das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten von Hinfungswärme des Wassers wird korrigiert. und Rückreaktion (k1 und k1 ). Reaktionsgleichung: Hu D HV  44;016 kJ=mol .2442 kJ=kg/ aA C bB • cC C d D 7 Beispiel Edukte Produkte Verbrennungsenthalpie von Acetylen

Im Gleichgewicht:

2 C2 H2 .g/ C 5 O2 .g/ ! 4 CO2 .g/ C 2 H2 O.fl/

r1 D r1 ) k1 cAa cBb D k1 cCc cDd

HR D Œ4 HB .CO2 / C 2 HB .H2 O/

Gleichgewichtskonstante (MWG)

 Œ2 HB .C2 H2 / C 5 HB .O2 / D Œ4  .393/ C 2  .285/

Kc D

 Œ2  .C227/ C 5  0 kJ=mol D 2596 kJ .Reaktionsenthalpie für 2 mol Acetylen/ HV .C2 H2 / D

cc  cd k1 D Ca Db k1 cA  cB

Produkte Edukte

Für Gase werden statt Konzentrationen auf den Normdruck bezogene Partialdrücke pi =p0 eingesetzt. Für K > 1 liegt das Gleichgewicht liegt rechts (produktseitig), für K < 1 liegt das Gleichgewicht links (eduktseitig).

HR D 1298 kJ=mol 2

Brennwert: Ho D C1298 kJ=mol 9

1 Prinzip des kleinsten Zwangs (Le Chatelier) 8.5.3

Chemisches Gleichgewicht

Chemische Reaktionen laufen selten freiwillig ab, selbst wenn sie exotherm sind. Unter Aktivierungsenergie versteht man die Energie zur Überwindung einer Reaktionshemmung. Chemische Reaktionen sind meist Gleichgewichtsreaktionen. Die Ausgangsstoffe werden unvollständig umgesetzt und die Produkte sind mit den Ausgangsstoffen verunreinigt! Wird pro Zeiteinheit genauso viel Produkt gebildet, wie durch Rückreaktion wieder zerfällt, ist das Gleichgewicht erreicht.

Das chemische Gleichgewicht weicht einem äußeren Zwang aus, so dass eine Wärme- oder Stoffzufuhr verbraucht wird oder der Gasdruck abnimmt. a) Temperaturerhöhung begünstigt die endotherme Reaktion, Temperatursenkung die exotherme. b) Eine Druckerhöhung (Kompression) verschiebt das Gleichgewicht auf die Seite mit dem kleineren Volumen, z. B. N2 C 3 H2 ! 2 NH3 nach rechts. Druckerniedrigung (Expansion) begünstigt die Seite mit dem größeren Volumen. Kein Einfluss besteht bei einer Gasreaktion ohne Molzahländerung. c) Konzentrationserhöhung oder Entfernen des Produkts begünstigen die stoffverbrauchende Reaktion.

151 8.6  Säuren und Basen

8.5.4

Katalyse

8.5.5

Katalysatoren beschleunigen die Einstellung des chemischen Gleichgewichts, indem sie die Aktivierungsenergie senken, ohne die Gleichgewichtslage zu verändern. Sie gehen unverbraucht aus den Reaktionen wieder hervor. Viele Katalysatoren beeinflussen allerdings den Reaktionsmechanismus, so dass mehrere Übergangszustände durchlaufen werden. Inhibitoren bremsen die Reaktionsgeschwindigkeit, z. B. bei Korrosionsvorgängen. 2Katalytische Abgasreinigung im Auto (. Abb. 8.18)

Der Dreiwegekatalysator für Viertakt-Benzinmotoren wandelt bei 300 bis 850 °C die Schadstoffe Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe („Cn Hm “) und Stickstoffoxide (NO und NO2 / in ungefährliches Kohlendioxid (CO2 /, Wasser und Stickstoff (N2 / um. Platin (für Oxidationsprozesse) und Rhodium (für Reduktionsprozesse) befinden sich feinverteilt auf einem Zeolith-Wabenkörper (Aluminium-Silicium-Oxid). Gleichzeitig werden Kohlenwasserstoffe oxidiert und Stickstoffoxide reduziert. .1/ CO .2/ NO .3/ Cn Hm

C 12 O2 C CO C nC

m 4



O2

a) Bei Ionenreaktionen bilden sich Salze. Die beteiligten Metallionen tauschen z. B. ihre Gegenionen aus. Starke Säuren verdrängen schwächere Säuren aus deren Salzen. Unedle Metalle befreien Wasserstoff aus Säuren. AgNO3 C NaCl ! AgCl# C NaNO3 CaCO3 C H2 SO4 ! CaSO4 C CO2 " C H2 O 2 Na C 2 H2 O ! 2 NaOH C H2 " b) Bei Säure-Base-Reaktionen bildet sich H2 O aus HC und OH . H2 SO4 C 2 NaOH ! Na2 SO4 C H2 O 2 H3 PO4 C 3 Ca.OH/2 ! Ca3 .PO4 /2 C 6 H2 O c) Oxidationen sind Reaktionen von Stoffen mit Sauerstoff. Reduktion bedeutet den Entzug von Sauerstoff, zum Beispiel durch Umsetzung mit Wasserstoff, Kohlenstoff oder unedlen Metallen. 3 Fe C 2 O2 ! Fe3 O4 3 C C Fe2 O3 ! 3 CO C 2 Fe 3 H2 C WO3 ! 3 H2 O C W

! CO2 ! 12 N2 C CO2 ! nCO2 C m2 H2 O

Bei Redoxreaktionen ändert sich der Oxidationszustand der Reaktionspartner. Häufig werden Sauerstoff oder Wasserstoff ausgetauscht. Bei elektrochemischen Reaktionen werden Ionen gebildet.

Entscheidend ist die richtige Menge CO, die sich nur bei stöchiometrisch zugemischtem Sauerstoffangebot einstellt. Das Kraftstoff-Luft-Verhältnis   1 wird durch die „Lambda-Sonde“ (ein Sauerstoffsensor aus Zirconiumdioxid-Keramik) gemessen und geregelt. zugeführte Luftmenge D stöchiometrische Luftmenge 8 > 1 Mageres Gemisch, LuftüberschussW ˆ ˆ ˆ ˆ Mangel an CO, Abgas enthält NOx <  D 1 Stöchiometrisch ˆ ˆ < 1 Fettes Gemisch, LuftmangelW ˆ ˆ : Kohlenwasserstoffe im Abgas Kontaktgifte (CO, H2 S, Metalle) schädigen die Wirksamkeit der heterogenen Katalyse. Das Antiklopfmittel Tetraethylblei Pb(C2 H5 /4 wurde daher im „bleifreien“ Benzin durch t-Butylmethylether (MTBE) ersetzt.

. Abb. 8.18 Kfz-Abgaskatalysator

Chemische Reaktionen

Zn C CuSO4 ! ZnSO4 C Cu

8.6 8.6.1

Säuren und Basen Definitionen und Eigenschaften

Säuren – z. B. Mineralsäuren, Carbonsäuren, viele Nichtmetalloxide und Nichtmetalle – sind Protonendonatoren; sie bilden durch Dissoziation in wässriger Lösung HC -Ionen (bzw. H3 OC /. Lewis-Säuren sind Elektronenakzeptoren (Elektrophile). Basen – z. B. Alkalilaugen, Ammoniakwasser, Metalloxide, unedle Metalle – sind Protonenakzeptoren; sie bilden OH -Ionen. Lewis-Basen sind Elektronenpaardonatoren (Nucleophile). Der Begriff Protolyse bezeichnet eine Säure-BaseReaktion und die Eigenschaft eines Lösungsmittels, durch Protonenübergang mit Säuren oder Basen zu reagieren. Wasser als Ampholyt wirkt je nach Reaktionspartner als Säure oder Base. Säuren und Basen neutralisieren einander und es entstehen Salze (. Tab. 8.11).

8

Kapitel 8  Chemie

152

. Tabelle 8.11 Beispiele für Säure-Base-Reaktionen Säure A

C Base B



Säure B C

C Base A

H2 SO4

C 2 H2 O



2 H3 O

C SO2 4

H2 O

C NH3



NHC 4

C OH

HCl

C NH3



NHC 4

C Cl

Säure

C Base

!

Salz

HCl

C NaOH

!

NaCl

C H2 O

H2 SO4

C CuO

!

CuSO4

C H2 O

2 HCl

C Zn

!

ZnCl2

C H2 "

CO2

C 2 NaOH

!

Na2 CO3

C H2 O

SiO2

C CaO

!

CaSiO3

Cl2

C 2 Na

!

2 NaCl

. Abb. 8.19 Benennung der Sauerstoffsäuren

8 7 Beispiele Die stärkere Säure verdrängt die schwächere aus ihren Salzen; z. B. Salzsäure zersetzt Carbonate zu Kohlensäure (bzw. CO2 C H2 O). Verdünnte Mineralsäuren reagieren mit unedlen Metallen (Zink, Aluminium) unter Freisetzung von Wasserstoff. Aus konzentrierten Mineralsäuren werden beim Erhitzen mit edlen Metallen (Kupfer, Silber) die gasförmigen Säureanhydride freigesetzt: „nitrose Gase“ aus HNO3 bzw. SO2 aus H2 SO4 . 9

8.6.2

Benennung von Säuren und Salzen

Salze der wichtigsten Sauerstoffsäure enden auf -at. „ige-Säuren“ und ihre Salze (auf -it) haben ein O-Atom weniger; Persäuren ein O-Atom mehr. Disäuren entstehen durch Verdoppeln der Summenformeln und Subtraktion von H2 O. In Thiosäuren ist ein Odurch ein S-Atom ersetzt. Salze einer Elementwasserstoffsäure enden auf -id. Bei mehrprotonigen („mehrwertige“) Säuren tragen die Zwischenstufen die Vorsilbe Hydrogen- (. Abb. 8.19).

8.6.3

Beispiele für Säuren und Basen

Salzsäure HCl wird durch Einleiten von Chlorwasserstoffgas in Wasser hergestellt; durch Umsetzung mit Basen oder Metallen entstehen Chloride. Flusssäure HF ist eine mittelstarke Säure, die Glas ätzt. Fluorwasserstoffgas wird aus Calciumfluorid CaF2 mit

konzentrierter Schwefelsäure ausgetrieben und in Wasser eingeleitet. Chlorsäure HClO3 und Perchlorsäure HClO4 – und ihre Salze, die Chlorate bzw. Perchlorate – sind starke Oxidationsmittel, u. a. in Explosivstoffen. Hypochlorige Säure HOCl entsteht durch chemische Reaktion von Chlorgas mit Wasser und dient zur Desinfektion von Schwimmbadwasser und als Bleichmittel. Schwefelsäure H2 SO4 entsteht durch chemische Reaktion von Schwefeltrioxid SO3 mit Wasser. Durch Rösten (Oxidation) von Sulfiden wird zunächst SO2 hergestellt und dieses katalytisch zu SO3 oxidiert. Salpetersäure HNO3 entsteht durch chemische Reaktion von Stickstoffdioxid NO2 in sauerstoffreichem Wasser. Bei der „katalytischen Ammoniakverbrennung“ nach Ostwald wird NH3 mit Luft katalytisch zu NO und weiter zu NO2 oxidiert. Königswasser ist eine Mischung aus konz. Salzsäure und konz. Salpetersäure (3 : 1) und löst sogar Gold. Schweflige Säure H2 SO3 , Salpetrige Säure HNO2 und Kohlensäure H2 CO3 sind in freier Form nicht stabil; beim Erwärmen entweichen die Säureanhydride SO2 , NO2 bzw. CO2 . Schwefeldioxid und Sulfite dienen zur „Schwefelung“ von Weinfässern und Trockenobst. Natriumnitrit dient als „Pökelsalz“ zum Färben von Fleischwaren. Kohlensäure verursacht die Korrosion von Rohrleitungen. Phosphorsäure H3 PO4 wird aus Calciumphosphat und Schwefelsäure hergestellt. Das Anhydrid Phosphorpentaoxid P2 O5 dient als scharfes Trocknungsmittel. Phosphorsäure wirkt als Säuerungsmittel in Limonaden; Phosphate dienen zur Wasserenthärtung, als Kuttermittel für Brühwürste und Antioxidantien in Fetten. Phosphatierung nennt man den Korrosionsschutz von Eisen durch Zinkphosphatüberzüge.

153 8.6  Säuren und Basen

8.6.4

Luftschadstoffe und saurer Regen

stoffanteil. Bei hoher Temperatur liegt überwiegend CO vor.

Kohle, Holz und Erdöl bilden bei der Verbrennung Schwefeloxide. In der Atmosphäre laufen die gleichen Vorgänge wie bei der Synthese der Säuren ab. Wasser- oder Synthesegas Beim Überleiten von Wasserdampf auf glühenden Koks entsteht an CO und Wasserstoff reiches Gas.

Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen werden mit Luft betrieben. N2 und O2 bilden im Brennraum schädliche Stickstoffoxide („NOx “ D NO C NO2 ), die im „sauren Regen“ gelöst sind. 4 NO2 C O2 C 2 H2 O ! 4 HNO3 Die Rauchgasentschwefelung in Kraftwerken erfolgt mit Kalk, Calciumoxid oder Kalkmilch. Endprodukt ist Gips. CaCO3 C SO2 C 12 O2 ! CaSO4 C CO2 Bei der Denoxierung (Rauchgas-Entstickung) durch Selektive katalytische Reduktion (SCR-Verfahren) dient Ammoniakgas als Reduktionsmittel. In Fahrzeugen wird Ammoniak aus Harnstofflösung erzeugt. 2 NH3 C 2 NO C 12 O2 ! 2 N2 C 3 H2 O 8.6.5

Bauchemie und Wasserhärte

Mauersalpeter (Calciumnitrat) zerstört Putz und Wände. 2 HNO3 C Ca.OH/2 C 2 H2 O ! Ca.NO3 /2  4 H2 O Kohlendioxid aus der Luft bewirkt das Härten von Mörtel.

H2 O

H2 O

C ! CO .CH2 / ! CO2 C H2 Gichtgas Beim Hochofenprozess entweichen 24 % CO, 12 % CO2 , 60 % N2 . CFeO

CFeO

Fe

Fe

C ! CO ! CO2 Der Treibhauseffekt wird durch Luftschadstoffe verstärkt. CO2 , FCKW, CH4 , O3 , N2 O u. a. absorbieren die irdische Wärmestrahlung, speichern sie in Form von Molekülschwingungen und strahlen sie zur Erdoberfläche zurück, so dass es zur globalen Erwärmung kommt.

8.6.7

Anorganische Basen

Natronlauge entsteht beim Auflösen von festem Natriumhydroxid oder bei der Reaktion von Natriummetall in Wasser. Kalkmilch (Calciumhydroxid-Lösung) bildet sich beim Lösen von Calciumoxid in Wasser. Ammoniakwasser ist eine Lösung von Ammoniakgas in Wasser. Ein winziger Teil liegt als dissoziiertes Ammoniumhydroxid „NH4 OH“ vor. Stärkere Basen vertreiben Ammoniak aus Ammoniumsalzen. NH4 Cl C NaOH ! NH3 " C NaCl C H2 O

8.6.8 Wasserhärte Regenwasser reagiert durch den Gehalt an Kohlensäure sauer und greift Kalkstein an. Das gelöste Calciumhydrogencarbonat gelangt ins Trinkwasser und fällt beim Wasserkochen als „Kesselstein“ wieder aus.

8.6.6

Verbrennungsvorgänge

Generatorgas Bei der unvollständigen Verbrennung von Kohle mit Luft entsteht CO-reiches Gas mit 30 % Stick-

Stärke von Säuren und Basen

Reines Wasser dissoziiert durch Autoprotolyse in je 107 mol=` Hydronium- und Hydroxidionen. Wasser ist daher kein Isolator, sondern zeigt die winzige elektrische Leitfähigkeit von 0;055 *S=cm (25 °C). Der pH-Wert beschreibt die Acidität einer Lösung als Logarithmus der Hydroniumionenkonzentration, der pOHWert die Basizität. 8 7 basisch (alkalisch) c molare Konzentration (mol=`)

8

Kapitel 8  Chemie

Der Dissoziationsgrad (Protolysegrad in %) beschreibt das Ausmaß des Zerfalls von Säuren und Basen in Lösungsmitteln in Ionen (sog. Dissoziation). Er hängt von der Dissoziationskonstante K und der Konzentration c ab. ˛D

Zahl dissoziierter Teilchen N  Gesamtzahl der Teilchen Nges

r

K c

Starke Säuren und Basen sind praktisch 100 %ig dissoziiert, z. B. HCl, H2 SO4 , HNO3 , NaOH. Die Dissoziationskonstante K und der pK-Wert beschreiben die Stärke von Säuren (Index a D acid) bzw. Basen (Index b). Je kleiner der pK-Wert ist, umso stärker ist eine Säure bzw. Base. Säure- und Basenkonstante multiplizieren sich zum Ionenprodukt des Wassers KW .

8

7 Beispiel Je stärker eine Säure ist, umso schwächer ist ihre korrespondierende Base (und umgekehrt). NHC • NH3 C OH 4 C H2 O korrespondierende Säure Base pKb D 14  9;24 D 4;75 9 pKa D 9;24

8.6.9

Neutralisation und Hydrolyse

Die chemische Reaktion von Säuren und Basen zu Salzen heißt Neutralisation. Die Zerlegung von Salzen beim Lösungsvorgang durch Wasser heißt Hydrolyse. Neutralisation

      * Säure C Base  )  Salz C Wasser

. Tabelle 8.12 pH bei der Säure-Base-Titration Säure

Base

am Äquivalenzpunkt

stark

stark

neutral, z. B. NaCl

stark

schwach

sauer, z. B. NH4 Cl

schwach

stark

basisch, z. B. Na-acetat

14 13 12 11 10 Umschlagbereich 9 Phenolphthalein 8 pH 7 Äquivalenzpunkt 6 schwache Säure 5 4 3 2 1 starke Säure 0 0 50 100 150 200 % Zugesetzte Base Halbtitrationspunkt

154

. Abb. 8.20 Titrationskurve

Titrationsformel Gleiche Volumina äquivalenter Säuren und Basen neutralisieren einander. 2 mol der „einwertigen“ Natronlauge sind 1 mol der „zweiwertigen“ Schwefelsäure äquivalent. V1  z1  c1 D V2  z2  c2 c molare Konzentration (mol=`), 1 D Säure, 2 D Base V Volumen (`) z Äquivalentzahl D Zahl der H-Atome (Säure) bzw. OH-Gruppen (Lauge)

Hydrolyse

Bei der Säure-Base-Titration wird die Konzentration von Säuren oder Basen durch stöchiometrisches Zudosieren des Titrationsmittels mit einer Bürette quantitativ bestimmt. Am Halbtitrationspunkt ist die Hälfte der vorgelegten Säure bzw. Base neutralisiert, also c.HA/ D c.A / und es gilt pH D pKa . Am Äquivalenzpunkt ist die vorgelegte Säure oder Base 100 %ig in das Salz des Titrationsmittels umgewandelt. Der Äquivalenzpunkt liegt nicht bei pH 7, wenn durch Hydrolyse eine schwache Säure bzw. Base zurückgebildet wird (. Abb. 8.20, . Tab. 8.12). Indikatoren zeigen durch Farbumschlag den Endpunkt einer Titration an. Mit einer Glaselektrode kann man den pH aber auch direkt messen. pH-Puffer dämpfen pH-Änderungen bei Säure- oder Laugenzusatz in wässriger Lösung. Sie sind Mischungen aus einer schwachen Säuren oder Base und einem Salz davon, z. B. Essigsäure/Natriumacetat oder Ammoniak/Ammoniumchlorid. Die pH-Rechnung erfolgt mit der Formel für die Titrationskurve (. Tab. 8.13).

8.6.10

Konzentrationsmaße

Eine 1-molare Lösung wird durch Auflösen von 1 mol eines Stoffes in exakt 1 ` Lösung (bei 20 °C) hergestellt. Man füllt im Messkolben die Einwaage m bis zum Eichstrich mit Wasser auf. n m ˇ w D D D V M V M M b xM D D PN 1CM b i D1 xi Mi

cD

Molare Konzentration c (in mol=`); Stoffmenge des (Molarität) gelösten Stoffes in einem Liter Lösung Molalität b (in mol=kg); Masse gelöster Stoff pro Kilogramm Lösungsmittel

155 8.7  Fällungen und Wasserhärte

. Tabelle 8.13 pH-Rechnung in verdünnten Lösungen (a D Säure, b D Base, s D Salz) Säure

Base C



Wasser C



HA C H2 O • H3 O C A

Dissoziationskonstante

Ka D

Titrationskurve und pH-Puffer

pH D pKa C log

pK-Wert

pKa D  log Ka

pKb D  log Kb

pKW D pKa C pKb D 14

Starke Säure bzw. Base

pH D  log ca

pOH D  log cb

pH C pOH D 14

Schwache Säure bzw. Base

pKa  log ca pH D 2

pKb  log cb pH D 14  2

c.H3 OC /  c.A / c.HA/ c.A / c.HA/

Massenkonzentration ˇ (in g=`); Masse des gelösten Stoffes in einem Liter Lösung Massenanteil w (in %): Masse des gelösten Stoffes in 100 g Lösung. Molenbruch x (ohne Einheit); Stoffmenge eines Stoffes bezogen auf die Stoffmenge aller Stoffe im Gemisch. Molare Masse M (in g=mol): aufsummierte Atommassen der Elemente in der Formel Dichte der Lösung  (g=cm3 D 1000 g=`) Die Verdünnungsformel gibt die Konzentration c1 nach Zugabe des Wasservolumens V1 zu einer Lösung der Konzentration c0 (Ausgangsvolumen V0 ) an. c1 D c0 

V0 V0 C V1

B C H2 O • BH C OH

2 H2 O • H3 OC C OH

Dissoziationsgleichgewicht

Kb D

c.BHC /  c.OH / c.B/

pOH D pKb C log

KW D Ka  Kb D 1014

c.BHC / c.B/

Beim Herstellen einer Lösung löst sich der Stoff auf, bis das Löslichkeitsprodukt erreicht wird. Bei Fällungsreaktionen fällt solange ein Niederschlag aus der Lösung aus, bis das Löslichkeitsprodukt unterschritten wird. c.AbC /a  c.Ba /b D KL /  c.B / > KL

bC a

c.A

a b

gesättigte Lösung Niederschlag fällt aus

Leicht löslich sind Alkali- und Erdalkaliverbindungen, Nitrate, Chlorate und Acetate. Schwer löslich sind die meisten Oxide, Carbonate, Phosphate und Sulfide. Die Löslichkeit ist die molare Konzentration cL (in mol=`) bzw. Massenkonzentration ˇL (in g=`) des gelösten Stoffes mit der molaren Masse M : r KL aCb cL D bzw. ˇL D cL  M aa b b

Für das Aufkonzentrieren von Lösungen durch Verdampfen Schwerlösliche Salze lösen sich in Lösungen, die Fremdionen enthalten, besser als in Wasser. Gleichionische Zusätze von Wasser setzt man im Nenner V1 ein. Starke Säuren und Basen kann man durch Verdünnen senken die Löslichkeit. mit Wasser nur begrenzt „entschärfen“. Um den pH um eine Stufe in den Neutralbereich zu verschieben, muss mit 2Hydroxidfällung Viele Metallionen bilden mit Laugen Hydroxide. der zehnfachen Menge Wasser verdünnt werden.

Fällungen und Wasserhärte

8.7 8.7.1

Löslichkeitsprodukt

Das Löslichkeitsprodukt beschreibt die Schwerlöslichkeit eines Salzes. Über dem unlöslichen Bodensatz einer gesättigten Lösung findet man immer eine kleine Konzentration an hydratisierten Salzionen. Niederschlag und Lösung stehen im ionischen Gleichgewicht. Selbst im Rost löst sich jedes siebenmilliardste Eisenion. Aa Bb.s/ # • aAbC C bBa

a KL D c AbC  c.Ba /b und pKL D  log KL

7 Beispiel Welchen pH braucht man mindestens zur quantitativen Fällung von Magnesiumionen mit Natronlauge, bis eine Restkonzentration von 10 *mol=` erreicht ist? Mg2C C 2 OH ! Mg.OH/2 # KL D c.Mg2C /  c.OH /2 D 1010;9 .Tabellenwert/ s r KL 1010;9  ) c.OH / D D 0;00112 mol=` D 2C 105 c.Mg / ) pH D 14  log c.OH / D 11 9

2Sulfidfällung

Viele Metallionen bilden mit Schwefelwasserstoff schwerlösliche Sulfide. H2 S ist in wässriger Lösung eine schwache

8

Kapitel 8  Chemie

156

zweibasige Säure (pKa 19,8). Die gesättigte Lösung enthält etwa c.H2 S/ D 0;1 mol=`. Die Sulfidkonzentration hängt vom pH ab. c.S2 /  c.H3 OC /2 c.H2 S/ s Ka  c.H2 S/ C ) c.H3 O / D c.S2 /

Ka D

Ca2C C Na2 EDTA2 ! ŒCa.Na2 EDTA/

8.7.3

7 Beispiel Welche Sulfidkonzentration erfordert die Fällung von Bleisulfid bis zu einer Bleirestkonzentration von 105 mol=`? Pb2C C S2 ! PbS KL D c.Pb2C /c.S2 / D 1028 ) c.S2 / D 1028 =105 D 1023 mol=`

8

Die Gesamthärte wird durch Titration der Erdalkaliionen in der Wasserprobe mit dem Komplexbildner EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure Dinatriumsalz, „Titriplex“) bestimmt.

Bei welchem pH liegt diese Sulfidkonzentration in 0,1-molarer Lösung von Schwefelwasserstoff vor? pH D .19;8  log 0;1 C log 1023 /=2 D 1;1 Für eine quantitative Fällung von PbS muss der pH alkalischer als 1,1 liegen. 9

Wasserreinigung

Für die Dampferzeugung in Kesselanlagen wird vollentsalztes Wasser verwendet. Ionenaustauscher sind organische Harze, die Ionen gegen HC bzw. OH austauschen. Verbrauchte Austauschersäulen werden mit verdünnter Schwefelsäure bzw. Natronlauge regeneriert. a) Kationenaustauscher bestehen aus einem Polymergerüst und sauren Gruppen (z. B. von Sulfonsäuren –SO3 H oder Carbonsäuren –COOH). 2 R–SO3 H C Ca2C ! .R–SO3 /2 Ca C 2 HC b) Anionenaustauscher tragen basische Gruppen am Polymergerüst, z. B. –N.CH3 /C 3 . Sie sind dem Kationentauscher nachgeschaltet und neutralisieren den pH wieder. ŒR–N.CH3 /3 OH C Cl ! ŒR–N.CH3 /3 Cl C OH

8.7.2

Wasserhärte

Regenwasser nimmt aus der Luft CO2 auf und löst dann Kalkgestein an. In Form des löslichen Calciumhydrogencarbonats gelangt Kalk ins Trinkwasser. CaCO3 C CO2 C H2 O • Ca.HCO3 /2 „ ƒ‚ … H2 CO3

Membranverfahren nutzen halbdurchlässige Membranen zur Stofftrennung. a) Bei der Umkehrosmose wird Wasser bei Drücken bis zu 80 bar durch eine Polymermembran gepresst. Die Lösungsbestandteile bleiben zurück. b) Bei der Dialyse diffundieren kleine Teilchen aus einer Kolloidlösung durch die semipermeable Membran ins umgebende Lösungsmittel, das laufend erneuert wird. Große Teilchen werden zurückgehalten.

Beim Abkochen des Wassers scheidet sich Calciumcarbonat als Kesselstein ab. Der Wärmeübergang wird empfind- 2Wasserenthärtung Calciumionen kann man mit Kalkmilch, Soda oder Trinalich herabgesetzt. Die Carbonathärte („temporäre Härte“) umfasst die im triumphosphat fällen. In der Technik veraltet! Wasser gelösten Erdalkaliionen (im Millimol pro Liter). Ca.HCO3 /2 C Ca.OH/2 ! 2 CaCO3 # C2 H2 O Erdalkaliionen hemmen die Schaumbildung von Seifen. C Na2 CO3 ! CaCO3 # C Na2 SO4 CaSO4 Die Nichtcarbonathärte („permanente Härte“) umfasst 3 CaSO4 C 2 Na3 PO4 ! Ca3 .PO4 /2 # C 3 Na2 SO4 die gelösten Salze, die sich durch Abkochen nicht beseitigen lassen (. Tab. 8.14). 8.7.4 . Tabelle 8.14 Wasserhärte nach DIN 38409 Härtegrad 1

< 1,3 mmol=`

sehr weich

Härtegrad 2

bis 2,5

weich

Härtegrad 3

bis 3,8

hart

Härtegrad 4

> 3,8

sehr hart

Veraltet: 1 °dH D 0;1785 mmol=` Erdalkaliionen

Kennwerte der Wasserqualität

Die Verschmutzung von Wasser mit oxidierbaren Stoffen wird in der Praxis durch Summenparameter charakterisiert. Der Chemische Sauerstoffbedarf (CSB) gibt die Sauerstoffmenge zur vollständigen Oxidation der organischen Wasserinhaltsstoffe mit Kaliumdichromat in einem Liter einer Wasserprobe an. 3C Organische Stoffe C Cr2 O2 7 ! 2 Cr ; CO2 ; H2 O

157 8.8  Elektrochemie

Der Biochemische Sauerstoffbedarf (BSB5 ) gibt die notwendige Menge Gelöstsauerstoff (in mg=`) an, den Mikroben zum Abbau der organischen Stoffe in Abwasserproben innerhalb von 5 Tagen bei 20 °C im Dunkeln benötigen. Bakterien

Organische Stoffe C O2 ! CO2 C H2 O Die Summe organischer Kohlenstoffverbindungen (TOC) wird durch Messung der entstandenen CO2 -Menge beim Verbrennen der Probe bestimmt und auf C zurückgerechnet. Leichtflüchtige organische Verbindungen (VOC) werden mit Lösungsmitteln extrahiert und mit der GC/MSMethode (Kopplung von Gaschromatographie und Massenspektrometer) analysiert. Abdampfrückstand nennt man die Feststoffmasse nach dem Trocknen (105 °C, 24 h). Glührückstand heißt der auf Rotglut (650 °C) erhitzte Abdampfrückstand. Organische Stoffe veraschen, Carbonate und Nitrate zersetzen sich.

8.7.5

Trinkwasseraufbereitung

a) Entkeimung: Einblasen von Chlorgas oder Ozon O3 (Ozonierung). b) Flockung: Eisen- und Aluminiumsulfat bilden in Wasser kolloide Hydroxide, die organische Stoffe und Ölspuren binden. c) Enteisenung und Entmanganung: Verdüsen von Wasser unter Luftzufuhr und durch Zugabe von Kalkmilch beseitigt braune Färbungen durch FeO(OH) und MnO(OH). d) Entsäuerung: Filtration über Marmorkalk oder ein MgO=CaCO3 -Gemisch. e) Desodorierung: Filtration über Aktivkohle.

Elektrochemie

8.8 8.8.1

Oxidation und Reduktion

Lavoisier erkannte die Oxidation als Vereinigung mit Sauerstoff und die Reduktion als Entzug von Sauerstoff. In der elektrochemischen Spannungsreihe sind die Metalle nach ihrer Oxidierbarkeit geordnet. K Ca Na Mg Al Mn Zn Cr Fe Ni Sn Pb H Cu Ag Pt Au unedel ! edel Heute verstehen wir Redoxreaktionen als Elektronenverschiebungen zwischen einer oxidierten (Ox) und reduzierten Form (Red) eines Elementes. Oxidation bedeutet Elektronenabgabe.

Reduktion bedeutet Elektronenaufnahme. Reduktion

    * Ox C ze )  Red Oxidation

„edel“

„unedel“

7 Beispiele Fe2C • Fe3C C e  Cl2 C 2e • 2 Cl

.Oxidation: CII ! CIII/ .Reduktion: 0 ! I/ 9

Das Oxidationsmittel (Ox) nimmt Elektronen auf, wird reduziert. Das Reduktionsmittel (Red) gibt Elektronen ab, wird oxidiert. Ein starkes Oxidationsmittel hat ein schwaches korrespondierendes Reduktionsmittel und umgekehrt. Die Oxidationszahl eines Atoms gibt dessen Elektronenüberschuss (negativ) bzw. Elektronenmangel (positiv) in Verbindungen an – und entspricht meist der Gruppennummer des Periodensystems. a) bei Salzen: die Ionenwertigkeiten b) bei Molekülen tut man so, als lägen Ionen vor, also im Wasser 2 HC und O2 . c) bei Elementen (Metalle, H2 , O2 , Cl2 /: null d) Fluor stets –I; Sauerstoff in Oxiden –II, in Peroxiden –I; Wasserstoff stets CI, in Hydriden –I. Oxidationszahlen werden in römischen Ziffern hinter oder über die Elementsymbole geschrieben. Die Summe der Oxidationszahlen ergibt Null (in Salzen und Molekülen) bzw. die Ladung von Ionen. Redoxgleichungen beschreiben die Stöchiometrie von Redoxreaktionen. 1. Ausgleich der Differenz der Oxidationszahlen mit Elektronen 2. Ausgleich der Differenz der Ladungen mit a) HC (oder H3 OC ) im sauren Milieu, b) OH im basischen Milieu, c) O2 in Schmelze. 3. Ausgleich der HC bzw. OH mit Wasser (H2 O) 8.8.2

Elektrochemische Zellen

Zwei Elektroden (Elektronenleiter: Metalle, Grafit, Metalloxide, Halbleiter), die in einen Elektrolyten (Ionenleiter: verdünnte Säuren und Laugen, Salzschmelzen, ionenleitende Membranen) tauchen, bilden eine elektrochemische Zelle; z. B. eine Batterie oder ein Korrosionselement. Legt man eine elektrische Spannung zwischen den Elektroden an, wandern die positiv geladenen Ionen (Kationen) im Elektrolyten zur Kathode (Minuspol), die negativ geladenen Ionen (Anionen) zur Anode. Ab einer gewissen Spannung setzt die Zersetzung des Elektrolyten (Elektrolyse) ein. An der Anode läuft die Oxidation (D elektronenliefernder Vorgang) ab. Anionen werden entladen. An der Kathode läuft Reduktion (D elektronenverbrauchender Vorgang) ab. Kationen werden entladen.

8

Kapitel 8  Chemie

8.8.3

Normalpotential

starke Reduktionsmittel →

158

Die Elektrode lädt sich gegenüber der Lösung positiv oder negativ auf, je nachdem ob sie edel oder unedel ist. Oberflächennahe Atome des Elektrodenmaterials geben Elektronen ins Leiterinnere ab und bilden Kationen. Das Elektrodeninnere (E) und das Elektrolytinnere (L) erreichen dadurch unterschiedliche elektrische Potentiale, deren Differenz man Elektrodenpotential ' D 'E  'L nennt. Die negativ geladene Elektrode zieht Gegenionen aus dem Elektrolyten an; die elektrolytische Doppelschicht bildet sich aus (. Abb. 8.21). Das Normalpotential E 0 ist ein Maß für die Oxidierbarkeit (Reduktionskraft) eines Redoxsystems. Oxidierte Stoffe C Elektronen • Reduzierte Stoffe Unedle Metalle haben ein negatives Normalpotential, edle Metalle ein positives. Man misst E 0 als reversible Zellspannung zwischen einer Halbzelle (Elektrode in einem Elektrolyten) und einer Bezugselektrode (. Abb. 8.22).

←starke Oxidationsmittel

8

E 0 D ' .Halbzelle/  'NHE

–2,92 –2,866 –2,71 –2,37 –1,662 –1,180 –0,828 –0,7628 –0,74 –0,409 –0,28 –0,23 –0,1364 –0,1263 0 +0,154 +0,158 +0,3402 +0,401 +0,62 +0,771 +0,7991 +0,959 +1,2 +1,229 +1,33 +1,40 +1,51 +1,63 +1,679 +1,776 +2,075 +3,053

K+ Ca2+ Na+ Mg2+ Al3+ Mn2+ 2 H2O (pH 14) Zn2+ Cr3+ Fe2+ Co2+ Ni2+ Sn2+ Pb2+ 2 H+ Sn4+ SO42– + 4 H+ Cu2+ O2 + 2 H2O I2(aq) Fe3+ Ag+ NO3– + 4 H+ Pt2+ O2 + 4 H+ Cr2O72– +14H+ Cl2(aq) MnO4– + 8 H+ 2 HOCl + 2 H+ MnO4– + 4 H+ H2O2 + 2 H+ O3 + 2 H+ F2+2H+

+ e– + 2e– + e– + 2e– + 3e– + 2e– + 2e– + 2e– + 3e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 4e– + 2e– + e– + e– + 3e– + 2e– + 4e– + 6e– + 2e– + 5e– + 2 e– + 3e– + 2e– + 2e– + 2e–

K Ca Na Mg Al Mn H2 + 2 OH– Zn Cr Fe Co Ni Sn Pb H2 Sn2+ SO2 Cu 4 OH– (pH 14) 2 I– Fe2+ Ag NO↑ + 2 H2O Pt 2 H2O 2 Cr3+ +7 H2O 2 Cl– Mn2+ + 4 H2O Cl2(g) +2 H2O MnO2+ 2 H2O 2 H2O O2 + H2O 2 HF

. Abb. 8.23 Spannungsreihe und Normalpotentiale

Die Normalwasserstoffelektrode (NHE) besteht aus einem mit Wasserstoffgas umspülten, platinierten Platinblech in Salzsäure (1 mol=`, 25 °C, 101.325 Pa Luftdruck). Dem Elektrodenvorgang H2 • 2 HC C 2e wird das Potential Null für alle Temperaturen zugeordnet. Die NHE wird über eine poröse Scheidewand (Diaphragma) mit dem Halbelement ionisch leitend verbunden. Die Anordnung der Metalle nach steigendem Normalpotential, also ihrer Fähigkeit, Kationen zu bilden und edlere Metalle zu reduzieren, heißt elektrochemische Spannungsreihe. Jedes Metall verdrängt die in der Spannungsreihe edleren Metalle durch Reduktion aus ihren Salzlösungen (. Abb. 8.23).

. Abb. 8.21 Elektrolytische Doppelschicht

H2 –0,409 V

7 Beispiel 2e– Fe

Pt

An einem Eisennagel, der in eine Kupfersulfatlösung taucht, scheidet sich metallisches Kupfer ab. Ein Kupferstab in Eisensulfatlösung bleibt unverändert; in Silbernitratlösung aber wird er versilbert und Cu(II)-Ionen gehen in Lösung. 9

Fe2+ a(HCI) = 1 NHE

H2 Fe2+ + 2 e–

8.8.4

Galvanische Elemente und Korrosion

Halbzelle

2 H+ + 2 e– (0 V) Fe

. Abb. 8.22 Messung des Normalpotentials von Eisen

Zwei beliebige Metallbleche (Halbzellen), die in eine Salzlösung tauchen, bilden eine galvanische Zelle. Das unedle Metall löst sich im Elektrolyten auf und bildet die Anode (Oxidation, Elektronenabgabe, Minuspol).

8

159 8.8  Elektrochemie

Das edle Metall nimmt Elektronen auf und bildet die Kathode (Reduktion, Pluspol). Zwischen den Elektroden liegt die reversible Zellspannung an, früher „elektromotorische Kraft“ (EMK) genannt. Es ist die größtmögliche Spannung, die eine galvanische Zelle im unbelasteten Zustand liefert. E 0 D E 0 .Kathode/  E 0 .Anode/ E 0 > 0 ) Zellreaktion läuft spontan ab: Ein Korrosionselement (Lokalelement) ist eine kurzgeschlossene galvanische Zelle. 7 Beispiele 1. Beim Rosten von Eisen (Sauerstoffkorrosion) bildet Luftsauerstoff eine Gaselektrode. Ein Elektrolyttropfen teilt die Stahloberfläche in eine Eisenelektrode unter dem Tropfen und eine Luftelektrode am Tropfenrand. Anode Fe ! Fe2C C 2e E 0 D 0;41 V E 0 D C0;40 V Kathode O2 C 4e C 2 H2 O ! 4 OH 2 Fe C O2 C 2 H2 O ! 2 Fe2C C 4 OH Das Eisen-Luft-Element liefert E 0 D 0;40.0;41/ D 0;81 V Spannung. Fe2C wird zu Fe3C oxidiert und bildet mit OH rostbraunes Fe2 O3  xH2 O. 2. Stahlblech kann man durch eine edlere Zinnschicht schützen, die das unedlere Eisen abdeckt. 3. Beim kathodischen Korrosionsschutz werden Bauteile mit „Opferanoden“ aus Magnesium oder Zink leitend verbunden, die sich auflösen und Elektronen an den Eisenwerkstoff abgeben. Man kann auch den Minuspol einer Batterie aufschalten. 9

Das Pourbaix-Diagramm veranschaulicht, welche Stoffe bei der Korrosion je nach Elektrodenpotential und pH-Wert vorliegen. Viele Metalle passivieren durch Ausbildung oxidischer Deckschichten, die vor weiterer Korrosion schützen. Wirklich „rostfreie“ Stähle gibt es nicht (. Abb. 8.24). a) In Säuren verwendbar sind: Grafit, Platin, Gold, Iridium, Osmium, Ruthenium, Wolfram, Tantal, Niob und Titan. b) In Alkalien verwendbar sind: Grafit, Platin, Palladium, Rhodium, Titan, Hafnium, Nickel, Bleidioxid. 1 Nernst-Gleichung

Die Nernst-Gleichung beschreibt die Abhängigkeit des Normalpotentials E 0 von Temperatur und Konzentration der Reaktionspartner. Sie gilt für Redoxgleichgewichte, Elektroden, Halbzellen und galvanische Elemente. E bezeichnet Redoxpotenziale, Elektrodenpotentiale oder die reversible Zellspannung galvanischer Zellen. Oxidierte Stoffe C Elektronen • Reduzierte Stoffe E D E0 

RT c.Red/ ln zF c.Ox/

Produkte Edukte

. Abb. 8.24 Pourbaix-Diagramm von Nickel (25 °C)

Für Standardbedingungen (25 °C) gilt 0;059 V D 59 mV („Nernst-Spannung“): E D E0 

der

Faktor

0;059159 c.Red/ log z c.Ox/

Die maximale Nutzarbeit der Zellreaktion G D z F E ist bei einer spontanen Reaktion negativ, somit E positiv. 7 Beispiel Warum führt man Oxidationen mit Permanganat in schwefelsaurer Lösung durch? MnO4  C 5e C 8 HC • Mn2C C 4 H2 O E D 1;51 V 

c.Mn2C / 0;059 log C 8 5 c.MnO 4 /  c.H /

Wenn man Säure zusetzt, also c(HC ) erhöht, sinkt die Gleichgewichtskonstante um 1=c.HC /8 . Der Logarithmus einer winzigen Zahl ist negativ groß. Das bedeutet, die Zellspannung steigt. Man arbeitet also vorteilhaft in saurer Lösung. 9

8.8.5

Batterien und Akkumulatoren

Primärelemente („Batterien“) wandeln chemische Energie unumkehrbar in elektrische Energie und Wärme um; sie sind nicht wiederaufladbar. Sekundärelemente oder Akkumulatoren („Sammler“) speichern elektrische Energie in Form von chemischer Energie; sie sind wiederaufladbar. Beim Entladen laufen die Elektrodenvorgänge rückwärts (. Tab. 8.15).

8.8.6

Brennstoffzellen

Brennstoffzellen wandeln wie Batterien die chemische Energie des Brennstoffes direkt in elektrischen Strom um –

160

Kapitel 8  Chemie

. Tabelle 8.15 Batterien und Akkumulatoren Anode (Minuspol) und Kathode (Pluspol)

Elektrolyt

Leclanché-Element: Zink-Braunstein-Batterie

./ Zinkbecher Zn ! Zn2C C 2e  2C Zn C 2 NH4 Cl C 2 OH ! Zn.NH3 /2 Cl2 C 2 H2 O .C/ Braunstein/Ruß um einen Grafitstab 2 MnO2 C 2 H2 O C 2e ! 2 MnO.OH/ C 2 OH

Feuchtmasse aus 25 % Ammoniumchlorid, Zinkchlorid und Methylcellulose als Quellmittel

Alkali-Mangan-Batterie Alkalisches Zink-Braunstein-Element

./ Zinkflitter ./ Folienkathode mit MnO2 Zn C 2 OH ! ZnO C H2 O C 2e MnO2 C 2 H2 O C 2e ! Mn.OH/2 C 2 OH

verdickte Kalilauge

Bleiakkumulator

./ Pb-PbO-Paste in Hartbleigitter .C/ Mit Bleidioxid beschichtete Bleinetze

37 %ige Schwefelsäure(1,28 g=cm3 ), mit SiO2 -Gel verdickt; Kunststoffseparatoren als Abstandshalter

Beim Formieren (Laden) entsteht anodisch poröses PbO2 , kathodisch ein Bleischwamm. Oberhalb 2,4 V „gast“ der Akku durch Elektrolyse der Schwefelsäure. Vereinfacht: 0

8

C SO2 4

Pb CIV



C  Pb O2 C SO2 4 C 4 H C 2e

C PbO2 C 2 H2 SO4

Pb



CII

PbSO4 C 2e CII

PbSO4 C 2 H2 O

Entladen

   !  2 PbSO4 C 2 H2 O Laden

./ Wasserstoff-Speicherelektrode (LaNi5 , NiTi2 u. a.) .C/ Nickelschaum

Nickel-Metallhydrid-Akku

30 % KOH in Kunststoffvlies

Entladen

    * MH C OH )  H2 O C M C e  NiO.OH/ C H2 O C e • Ni.OH/2 C OH ./ Lithiummetall oder Grafit (beim Lithiumionen-Akku) .C/ Metalloxid, in das sich Lithium einlagert

Lithium-Akkumulator

CIII

CIV

Lix CoO2 • Lix1 CoO2 C LiC C e

ohne Umweg über Wärme oder mechanische Energie! Die elektrochemische Oxidation („stille Verbrennung“) von Wasserstoff, Methanol oder Erdgas mit Sauerstoff zu Wasser und CO2 erreicht theoretisch 100 % Wirkungsgrad. Das Elektrolytsystem prägt das Namenskürzel des Brennstoffelementes. Die Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEFC) ist die wichtigste Wasserstoff-Sauerstoff-Zelle, z. B. für umweltfreundliche Elektroantriebe. Wasserstoff und Sauerstoff werden über Strömungskanäle in poröse Gasdiffusionselektroden gepresst und an der Grenzfläche zum Elektrolyten direkt in Wasser und elektrischen Strom gewandelt. Die Elektrodenreaktionen der Elektrolyse laufen dabei rückwärts. An der Anode wird der Brennstoff oxidiert, an der Kathode Sauerstoff reduziert; Wasser entsteht. Der Elektrolyt liefert verbrauchte Ladungsträger HC nach (. Abb. 8.25). Anode ./ Wasserstoffoxidation 2 H2 • 4 HC C 4e Kathode .C/ Sauerstoffreduktion

(Laden)

0,9 V

e– e– e– e–

H+ H+

OH– OH– H+ O2

H2O

e– e– e– e–

H2 H2

H2O H+ Polymerelektrolyt (PEM)

II

0

aprotisches Lösungsmittel (Propylencarbonat) mit Leitsalz (LiPF6 , LiBF4 )

O2 C 4e C 4 HC • 2 H2 O

Kathode Anode Sauerstoffreaktion Wasserstoffreaktion

Brennstoffzelle

       * 2 H2 C O2  )  2 H2 O Elektrolyse

. Abb. 8.25 Prinzip der PEM-Brennstoffzelle (PEFC)

161 8.8  Elektrochemie

. Tabelle 8.16 Typen von Brennstoffzellen Kürzel

Name

Elektrolyt

Elektroden

PEFC

PolymerelektrolytBrennstoffzelle

Protonenaustauschermembran Platiniertes Grafitpapier, mit der Elektrolytfolie (PEM), 80 °C zu einer Membran-Elektroden-Einheit (MEA) verpresst

a) Wasserstoff b) Sauerstoff oder Luft

DMFC

Direkt-MethanolBrennstoffzelle

wie PEFC

wie PEFC

a) Methanol/Wasser b) Sauerstoff oder Luft

AFC

Alkalische Brennstoffzelle

Kalilauge, 30 %ig

Poröses Nickel (R ANEY -Nickel)

a) reiner Wasserstoff b) reiner Sauerstoff

PAFC

phosphorsaure Brennstoffzelle

Phosphorsäure-Gel in SiC/PTFE-Matrix, 190 °C

Platin, feinverteilt auf Rußpartikeln auf porösen Kohlenstofffasermatten

a) Wasserstoff b) Luft

MCFC

CarbonatschmelzenBrennstoffzellen

Alkalicarbonatschmelze in hitzefester Matrix (LiAlO2 ); 620–650 °C

Anode: poröse Nickelplatten mit 2–10 % Chrom a) Wasserstoff oder Erdgas Kathode: lithiiertes Nickeloxid b) Luft/CO2 -Gemisch

SOFC

FestoxidBrennstoffzelle

Zirconiumdioxid-Keramik (YSZ); 800–1000 °C

Anode: 30 % Nickel auf YSZ Kathode: La(Ca,Sr)MnO3 Zellverbindung: La(Mg,Sr)CrO3

E 0 D E 0 .Reduktion/  E 0 .Oxidation/ D 1;23 V: Nutzenergie je H2 -Molekül:

Kathode ./ 4 HC C 4e • 2 H2 "

G 0 D 2  96:485 C=mol  1;23 V D 237 kJ=mol:

E0 D 0 V

Anode .C/

Die Sauerstoffreduktion ist kinetisch gehemmt, so dass in der Praxis nur Leerlaufspannungen um 0,9 V erzielt werden. Direktbrennstoffzellen bei Raumtemperatur erbringen nur geringe Leistungsdichten, sind aber als Batterieersatz interessant, z. B. die DMFC:

II

0

2 H2 O • O2 " C 4e C 4 HC 2 H2 O • 2 H2 C O2

E 0 D 1;23 V E 0 D 1;23 V

Die Zersetzungsspannung von 1,23 V ist die Mindestspannung der Elektrolyse, um die Überspannungen an den Elektroden und den Elektrolytwiderstand zu überwinden.

1 Faraday’sche-Gesetze

Hochtemperaturbrennstoffzellen (MCFC, SOFC) verstromen schwefelarmes Erdgas direkt, indem es zuvor durch interne Reformierung an einem Katalysator im Anodenraum in Wasserstoff gespalten wird (. Tab. 8.16). CH4 C 2 H2 O ! CO2 C 4 H2

8.8.7

a) Wasserstoff oder Erdgas b) Luft

Plus- und Minuspol der Elektrolysezelle sind gegenüber Batterien vertauscht. Elektrolyse in saurer Lösung:

Reversible Zellspannung:

CH3 OH C 32 O2 • CO2 C 2 H2 O

a) Brenngas b) Oxidans

Elektrolyse

Die Zersetzung eines festen, flüssigen oder schmelzflüssigen Ionenleiters (Elektrolyt) durch den elektrischen Strom nennt man Elektrolyse. Bei der Elektrolyse wässriger Säuren, Basen und Salzlösungen entstehen stets Wasserstoff (an der Kathode) und Sauerstoff (an der Anode) im Volumenverhältnis 2 : 1. Aus chloridhaltigen Lösungen wird anodisch auch Chlor abgeschieden.

1. Die aus einem Elektrolyten bei der Gleichstromelektrolyse abgeschiedene Stoffmenge n oder Stoffmasse m ist der durchgeflossenen Ladungsmenge Q proportional. m D k  Q D k I t oder: Q D z F n D z F .m=M / I Strom (A), t Zeit (s), m Masse (kg), M molare Masse (g=mol) 2. Die Abscheidung von 1 mol eines einwertigen Stoffes erfordert die Ladungsmenge: F D 96:485 C=mol .Faraday-Konstante/ Die Ladung 1 C genügt zur Abscheidung der Stoffmasse: kD

M zF

.elektrochemisches Äquivalent/

8

Kapitel 8  Chemie

162

M molare Masse (g=mol), z Ionenwertigkeit. Knallgas: 0;1743 m`=C D 0;6273 `=Ah Sauerstoff: 0;05802 m`=C D 0;2089 `=Ah Wasserstoff: 0;1162 m`=C D 0;4185 `=Ah

8.8.8

8.9.1

Metallgewinnung

Die Schmelzflusselektrolyse eignet sich zur Gewinnung unedler Metalle. An einer Kathode (Minuspol) kann man z. B. Magnesium und Natrium aus wasserfreien Salzschmelzen abscheiden. Aluminium wird an Kohleelektroden durch Reduktion von Aluminiumoxid (in einem Eutektikum mit Na3 AlF6 ) bei 950 °C gewonnen.

8

./ Kathode 2 Al3C C 6e .C/ Anode 3 O2 1677 kJ C Al2 O3 3 2 O2 C 3 C

Organische Chemie

8.9

! 2 Al ! 32 O2 C 6e ! 2 Al C 32 O2 ! 3 CO C 332 kJ

Die Raffinationselektrolyse dient zur Feinreinigung von Metallen (Cu, Ag, Ni, Zn, Al). Als Anode (Pluspol) wird das Metallstück aufgelöst und kathodisch wieder abgeschieden.

Kohlenwasserstoffe

Kohlenstoff bildet ketten- und ringförmige Moleküle mit Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Halogenen und einigen Metallen. Isomere besitzen bei gleicher Summenformel unterschiedliche Atomanordnungen (Strukturen). Sie unterscheiden sich wenig in ihrer chemischen Reaktivität; mit jeder zusätzlichen CH2 -Gruppe steigen jedoch die Schmelzund Siedepunkte an. a) Alkane und Cycloalkane sind „gesättigte Kohlenwasserstoffe“ allein aus sp3 -hybridisierten C-Atomen, die C–C- und C–H-Einfachbindungen knüpfen. Alkane sind reaktionsträge; sie verbrennen zu CO2 und Wasser. Bei Einstrahlung von ultraviolettem Licht tauschen sie H-Atome gegen Fluor, Chlor oder Brom aus (radikalische Substitution). 7 Beispiel Die längste unverzweigte Kohlenstoffkette bestimmt den Stammnamen des Alkans: 1 D Meth, 2 D Eth, 3 D Prop, 4 D But, 5 D Pent, 6 D Hex, 7 D Hept, 8 D Oct, 9 D Non, 10 D Dec. CH3 CH

8.8.9

Galvanotechnik

H3C

3

CH3 2 CH

4 1 CH3

Beim Eloxal-Verfahren (Elektrolytische Oxidation des Aluminiums) wird das Bauteil als Anode (Pluspol) in Schwefelsäure oxidiert, wobei Al2 O3 -Schichten aufwachsen. 

Stammname (Hauptkette) Radikalname der Seitenkette Die gleiche Seitenkette kommt doppelt vor. Abzweigungen am 2. und 3. C-Atom

9



2 OH ! H2 O C hOi C 2e 2 Al C 3 hOi ! Al2 O3 ./ Kathode 2 HC C 2e ! H2 " 2 Al C 3 H2 O ! Al2 O3 C 6 HC C 6e

.C/ Anode

2,3-Dimethyl-butan

Phosphatieren nennt man den Korrosionsschutz von Eisen in phosphorsaurer Zinkdihydrogenphosphat-Lösung, wobei Schutzschichten aus Zinkphosphat aufwachsen. 3 Zn2C C 2 H2 PO 4 C 4 H2 O ! Zn3 .PO4 /2  4 H2 O C 4 HC Bei der Elektrotauchlackierung (elektrophoretische Lackierung) wandern wasserlösliche Lackvorstufen zum kathodisch geschalteten Werkstück und scheiden sich dort als Lack ab.

b) Alkene und Cycloalkene sind „ungesättigte Kohlenwasserstoffe“: mit C D C-Doppelbindungen aus sp2 -hybridisierten C-Atomen. Ethen und Propen, werden weiter zu Polyethylen bzw. Polypropylen verarbeitet. Sie lagern bereitwillig Teilchen mit Elektronenmangel an (elektrophile Addition), z. B. Brom zu Dibromalkanen, Wasser in Gegenwart von Schwefelsäure zu Alkoholen. c) Alkine haben C  C-Dreifachbindungen aus sp-hybridisierten C-Atomen. Ethin (Acetylen) dient als Heizgas zum Schweißen. d) Aromatische Kohlenwasserstoffe leiten sich vom Benzol C6 H6 ab. Es besteht aus sechs sp2 -hybridisierten C-Atomen, wobei weder reine C–C- noch reine C D C-Bindungen vorliegen. Der Begriff Mesomerie beschreibt die Eigenart eines solchen „konjugierten Systems“ mit

-Elektronenwolken ober- und unterhalb der Ringebene.

163 8.9  Organische Chemie

aliphatisch, alizyklisch kettenförmig

gesättigt

H

carbozyklisch (ringförmig mit Kohlenstoffatomen)

ungesättigt

gesättigt

ungesättigt

aromatisch Aromaten (Arene)

Alkane

Alkene

Alkine

Cycloalkane

Cycloalkene

Cn H2n+2

Cn H2n

Cn H2n–2

Cn H2n

Cn H2 n– 2

H

H

C

C

H

H

H H

H2 C

H–C≡C–H

C

H

H2 C

H

Ethan

Ethen

Hexan C6H14

Butadien

Heterozyklen

H2 C

H C

heterozyklisch (mit Heteroatomen)

Ethin (Acetylen)

CH2 C H2

N H

CH2

Cyclohexan

Cyclopenten

Benzol C6H6

Pyrrol

Strichformeln stellen die einzelnen C- und H-Atome nicht explizit dar.

. Abb. 8.26 Systematik der organischen Chemie

In Gegenwart von Katalysatoren kann man H-Atome des Benzolrings gegen Halogenatome, –SO3 H (mit Schwefelsäure), –NO2 (mit Salpetersäure) austauschen (elektrophile Substitution). Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind Moleküle aus mehreren aneinander hängenden Benzolringen, z. B. Naphthalin, Anthracen und das krebserzeugende Benzopyren (. Abb. 8.26).

8.9.2

Stoffklassen

Funktionelle Gruppen bestimmen als „aktive Stellen“ im Molekül die chemischen Eigenschaften; das Kohlenwasserstoffgerüst verhält sich reaktionsträge. Die höchstwertige funktionelle Gruppe bestimmt die Stoffklasse, z. B. –OH in den Alkoholen (. Tab. 8.17).

. Tabelle 8.17 Stoffklassen Stoffklasse

Gruppe

Chemische Eigenschaften und Verwendung

Carbonsäuren

–COOH

Carboxy-

Oxidationsprodukte der Aldehyde

Sulfonsäuren

–SO2 OH

Sulfo-

Ionentauscherharze, Waschmittel

Ester der Carbonsäuren

–CO–OR

Ethylacetat CH3 CO–C2 H5 (Lösungsmittel); Phthalate als Weichmacher in Kunststoffen; Fette sind Ester aus Glycerin und höheren Carbonsäuren: Alkohol C Säure ! Ester C Wasser

Amide der Carbonsäuren

–CO–NH2

Peptidbindung in Proteinen; Polyamide (z. B. Nylon)

Nitrile

–C  N

Cyan-

Vorstufen für Carbonsäuren. Acetonitril CH3 CN (Lösungsmittel); weit weniger giftig als Blausäure

Alkohole (Alkanole)

–OH

Hydroxy-

Lösemittel, Süßstoffe; Aromatische Alkohole heißen Phenole

Ether

–OR

Aldehyde (Alkanale)

–CHO

Formyl-

Oxidationsprodukte der primären Alkohole ROH. Formaldehyd (Methanal) HCHO dampft aus Melaminharzen aus. Propenal (Acrolein) H2 C D CH–CHO bei der Fettspaltung.

Ketone (Alkanone)

>C D O

Carbonyl-

Oxidationsprodukte der sekundären Alkohole R–CH(OH)–R. An der CO-Gruppe greifen Teilchen mit freien Elektronenpaaren an (NH3 , H2 O etc.; nucleophile Addition)

Amine

–NH2

Amino-

Organische Basen; Vorstufen für Isocyanate und Polyurethane. Anilin (Aminobenzol) C6 H5 NH2 in Azofarbstoffen

Halogenkohlenwasserstoffe

–F, Cl, Br, I

Halogen-

Löse-, Flammschutz-, Kühlmittel, Pestizide, Treibgase. Natronlauge ersetzt das Halogen durch –OH (nucleophile Substitution). Bei hohen Temperaturen Abspaltung (Eliminierung) von Halogenwasserstoff HX

Nitroverbindungen

–NO2

Nitro-

Explosivstoffe

Alkohol1 C Alkohol2 ! Ether C Wasser Epoxide (Oxirane) RCH(O)CH2 sind ringförmige Ether.

8

165

Technische Mechanik Inhaltsverzeichnis Kapitel 9

Statik starrer Körper in der Ebene – 167 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 10

Dynamik – 203 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 11

Festigkeitslehre – 243 Gert Böge, Wolfgang Böge und Dominik Surek

Kapitel 12

Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik – 327 Gert Böge, Wolfgang Böge und Dominik Surek

III

9

167

Statik starrer Körper in der Ebene Gert Böge und Wolfgang Böge

9.1 9.1.1

Grundlagen

9.1.2

Das Kräftepaar (Kraftmoment, Drehmoment)

Die Kraft

Die Kraft ist die Ursache einer Bewegungs- oder (und) Formänderung. Man arbeitet in der Statik mit dem Gedankenbild des „starren“ Körpers, schließt also die bei jedem realen Körper auftretende Formänderung aus der Betrachtung aus. Jede Kraft lässt sich durch den Vergleich mit der Gewichtskraft eines Wägestücks messen. Eindeutige Kennzeichnung einer Kraft F erfordert drei Bestimmungsstücke (. Abb. 9.1): Betrag der Kraft, z. B. F D 18 N; in bildlicher Darstellung festgelegt durch die Länge einer Strecke in bestimmtem Kräftemaßstab (KM). Lage der Kraft; festgelegt durch ihre Wirklinie (WL) und den Angriffspunkt im Lageplan. Richtungssinn der Kraft; gekennzeichnet durch den Richtungspfeil. Kräfte sind Vektoren, d. h. gerichtete Größen, ebenso wie z. B. Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, im Gegensatz zu den Skalaren, das sind nicht gerichtete Größen, wie Zeit, Temperatur, Masse und andere. Näheres zu Vektoren und Skalaren im Abschnitt Physik. Die Resultierende F r zweier oder mehrerer Kräfte F 1 , F 2 , . . . ist diejenige gedachte Ersatzkraft, die dieselbe Wirkung auf den Körper ausübt wie alle Einzelkräfte F 1 , F 2 . . . zusammen.

. Abb. 9.1 Bestimmungsstücke einer Kraft F

Ein Kräftepaar besteht aus zwei gleich großen, parallelen, entgegengesetzt gerichteten Kräften F, deren Wirklinien einen Wirkabstand l voneinander haben (? zu den Wirklinien gemessen, . Abb. 9.2). Es wirkt immer dann ein Kräftepaar, wenn sich ein starrer Körper dreht oder – ohne Bindungen – drehen würde (Welle, Handrad, Tretkurbel). Die Drehkraftwirkung eines Kräftepaars heißt Drehmoment M. Der Betrag des Drehmoments wird bestimmt durch das Produkt aus einer der beiden Kräfte F und deren Wirkabstand l: Drehmoment M D Kraft F  Wirkabstand l M D Fl

M F Nm N

l m

(9.1)

(Wirkabstand l immer ? zur Wirklinie gemessen) Die Drehrichtung von Drehmomenten wird durch Vorzeichen gekennzeichnet: ./ D rechtsdrehend .C/ D linksdrehend Eine der beiden Kräfte eines Kräftepaars ist vielfach „verborgen“ wirksam, meistens als Lagerkraft; beim Freimachen des Körpers muss sie erscheinen. Das Drehmoment eines Kräftepaars bleibt unabhängig von der Wahl des Bezugspunkts D (Drehpunkt) immer das-

. Abb. 9.2 Das Kräftepaar erzeugt ein Kraftmoment

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_9

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

168

. Abb. 9.3 Das Drehmoment eines Kräftepaars ist immer M D F l

9

selbe (M D F l), wie die Entwicklung in . Abb. 9.3 zeigt. In Bezug auf den Drehpunkt D übt nur die rechts liegende Kraft F ein Drehmoment aus (M.D/ D F l), weil die Wirklinie der zweiten Kraft des Kräftepaars durch den Drehpunkt D geht, also keinen Wirkabstand besitzt. Die Entwicklung für den Drehpunkt D1 zeigt aber, dass auch für diesen Drehpunkt M.D1 / D F l wird. Ein Kräftepaar kann demnach beliebig in der Ebene (oder in parallele Ebenen) verschoben oder durch ein anderes ersetzt werden, wenn nur beide gleiches Moment (einschließlich Drehsinn) haben. 7 Beispiel Zahnräder können achsparallel auf der Welle verschoben werden. Die Kraft und das Drehmoment sind die beiden „Grundgrößen“ der Statik, mit ihnen werden alle Lehrsätze der Statik aufgebaut. 9

9.1.3

Moment einer Einzelkraft (Kraftmoment)

Das Moment einer Einzelkraft F in Bezug auf einen gewählten Drehpunkt D ist festgesetzt (definiert) als das Produkt aus der Kraft und deren Wirkabstand l (Lot von der Wirklinie auf den gewählten Drehpunkt D); . Abb. 9.4. Wirkabstand l heißt auch „Hebelarm“.

. Abb. 9.5 Versatzmoment einer Kraft

Die Drehrichtung wird wie beim Drehmoment durch Vorzeichen gekennzeichnet: ./ D rechtsdrehend .C/ D linksdrehend Im Gegensatz zum Drehmoment des Kräftepaars, dessen Betrag und Richtungssinn unabhängig von der Wahl des Drehpunkts am Körper immer gleich groß ist, hängen Betrag und Richtung des Moments einer Kraft F von der Wahl des Bezugspunkts D ab (siehe . Abb. 9.4 und 7 Abschn. 9.2.2.1). 9.1.4

Das Versatzmoment

Soll geklärt werden, welche Wirkung die Kraft F, in . Abb. 9.5 in I angreifend auf II ausübt, so wird mit dem Begriff des Versatzmoments gearbeitet. Zwei gleich große, gegensinnige Parallelkräfte, in II angebracht, verändern den Zustand des starren Körpers nicht. F 1 und F 2 stellen ein Kräftepaar dar, können also sinnbildlich zum Moment M D F1 l zusammengefasst werden. Punkt II wird demnach belastet durch die parallel verschobene Ursprungskraft F 1 und dem Drehmoment M D F1 l. Man spricht dann vom Versatzmoment.

Kraftmoment M D Kraft F  Wirkabstand l M D Fl

M F Nm N

l m

(9.2)

9.1.5

Die drei Grundoperationen (Arbeitssätze) der Statik

Fast alle Verfahren der Statik lassen sich auf drei Grundoperationen zurückführen:

Parallelogrammsatz (Kräfteparallelogramm, Zusammensetzen und Zerlegen zweier Kräfte)

. Abb. 9.4 Das Moment einer Kraft F in Bezug auf den Drehpunkt D1 : M1 D F l1 und auf D2 : M2 D CF l2

Die Resultierende F r zweier Kräfte F 1 und F 2 ist die Diagonale des aus beiden Kräften gebildeten Parallelogramms (. Abb. 9.6).

9

169 9.1  Grundlagen

. Abb. 9.8 Zerlegung einer Kraft F in zwei parallele Komponenten

. Abb. 9.6 Parallelogrammsatz gegeben: F 1 , F 2 ; gesucht: F r

Meist arbeitet man nur mit dem halben Parallelogramm, dem Kräftedreieck, denn man kommt zum gleichen Ergebnis, wenn man die gegebenen Kräfte in beliebiger Reihenfolge aneinander reiht: Die Resultierende F r ist dann die Verbindungslinie vom Anfangspunkt A der ersten Kraft zum Endpunkt E der letzten Kraft. Dieser Satz gilt für beliebig viele Kräfte. Die Resultierende F r zweier Kräfte F 1 und F 2 , die den Winkel ˛ einschließen, lässt sich über den Kosinussatz berechnen (. Abb. 9.6): q Fr D F12 C F22 C 2F1 F2 cos ˛ (9.3) ˇ D arcsin

F1 sin ˛ Fr

(9.4)

Die Umkehrung des Parallelogrammsatzes ist der Satz von der Zerlegung einer Kraft in zwei Komponenten (. Abb. 9.7): Die gegebenen Wirklinien werden parallel zu sich selbst in den Endpunkt E der gegebenen Kraft F verschoben, dadurch entsteht das Parallelogramm. Die Aufgabe, eine Kraft in mehr als zwei Komponenten zu zerlegen, ist statisch unbestimmt, d. h. es sind unendlich viele Lösungen möglich. Die beiden Komponenten F 1 , F 2 einer gegebenen Kraft F lassen sich berechnen (. Abb. 9.7): sin ˇ sin ˛ F2 D F cos ˇ  F1 cos ˛

F1 D F

(9.5) (9.6)

Soll eine gegebene Kraft F nach . Abb. 9.8 in zwei parallele Komponenten F 1 , F 2 zerlegt werden, gilt: l2 l1 C l2 l1 F2 D F l1 C l2

F1 D F

(9.7) (9.8)

Erweiterungssatz Zwei gleich große, gegensinnige, auf gleicher Wirklinie liegenden Kräfte können zu einem Kräftesystem hinzugefügt oder von ihm fortgenommen werden, ohne dass sich damit die Wirkung des Kräftesystems ändert (siehe . Abb. 9.5).

Verschiebesatz Kräfte können frei auf ihrer Wirklinie verschoben werden; es sind linienflüchtige Vektoren.

7 Beispiel Wie groß ist die Resultierende F r zweier Kräfte mit 5 N und 8 N, die den Winkel ˛ D 30ı einschließen. Welchen Winkel ˇ schließt die Resultierende mit einer der beiden Komponenten ein? Lösung: q Fr D F12 C F22 C 2F1 F2 cos ˛ p Fr D .5 N/2 C .8 N/2 C 2  5 N  8 N  cos 30ı Fr D 12;6 N ˇ D arcsin

5 N  sin 30ı F1 sin ˛ D 11;44ı 9 D arcsin Fr 12;6 N

7 Beispiel

. Abb. 9.7 Kraftzerlegung gegeben: F; gesucht: F 1 , F 2

Eine Kraft F mit 50 N ist so in zwei Komponenten zu zerlegen, dass die beiden Komponenten den Winkel ˛ D 120ı einschließen. Der Winkel ˇ zwischen F und der einen Komponente beträgt 20ı .

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

170

Lösung: sin 20ı sin ˇ F1 D F D 50 N D 19;75 N sin ˛ sin 120ı F2 D F cos ˇ  F1 cos ˛ F2 D 50 N  cos 20ı  19;75 N  cos 120ı F2 D 56;86 N 9

9.1.6

9

Das Freimachen der Bauteile

Verbindungs- oder sonstigen Berührungsstellen von seiner Umgebung loslösen und für jeden der weggenommenen Bauteile diejenigen Kräfte eintragen, die von der Umgebung auf das frei zu machende Bauteil übertragen werden. !Hinweis Den Richtungssinn immer in Bezug auf das „frei zu machende“ Bauteil eintragen.

Fehler werden häufig beim Anbringen der Reibungskraft gemacht. Die Grundregel zur Lösung statischer Aufgaben heißt:

Die Lösung jeder Aufgabe der Mechanik sollte mit dem Freimachen des zu untersuchenden Bauteils beginnen, weil Freimachen und nur damit gewährleistet ist, dass alle am Bauteil angreifenGleichgewichtsbedingungen ansetzen. den Kräfte richtig erfasst wurden. Die Anzahl der unbekannten Stützkräfte am Bauteil ist abhängig von der Bauart Im Einzelnen ist beim Freimachen zu beachten: der Lagerung. Ein Bauteil (Hebel, Stange, Feder, Welle u. a.) „frei 2Seile, Ketten, Bänder, Riemen o. ä. (. Abb. 9.9) machen“ heißt: in Gedanken das Bauteil an allen Stütz-, übertragen nur Zugkräfte in Seilrichtung auf das frei zu machende Bauteil. Werden Seile durch Rollen o. ä. reibungsfrei umgelenkt, wirkt an jeder Stelle des Seils die gleiche Zugkraft in der jeweiligen Seilrichtung. 2Zweigelenkstäbe (. Abb. 9.10)

übertragen nur Zug- oder Druckkräfte, d. h. in der Verbindungsgeraden der beiden Gelenke, wenn die Kräfte nur in den Gelenkpunkten in den Stab eingeleitet werden, wie z. B. bei der Schubstange des Schubkurbelgetriebes. Zweigelenkstäbe nennt man auch Pendelstützen. 2Stützflächen (. Abb. 9.10 und 9.11)

übertragen nur Normalkräfte F N (? zur Stützfläche), wenn sie sich reibungsfrei berühren; sonst in tangentialer Richtung auch Reibungskräfte F R , wie z. B. die Gleitflächen des Kreuzkopfes oder die Übertragungsflächen des Gleitschiebers in . Abb. 9.11. . Abb. 9.9 Kranhaken und Seil frei gemacht

. Abb. 9.10 Schubstange (Zweigelenkstab) und Kreuzkopf eines Schubkurbelgetriebes (Kurbeltrieb) frei gemacht (ohne Massenkräfte)

171 9.1  Grundlagen

. Abb. 9.11 Gleitschieber frei gemacht

! Hinweis Der Richtungssinn der Reibungskraft muss immer von Anfang an am frei gemachten Bauteil richtig eingesetzt werden; er ist immer der Bewegungsrichtung des Bauteils entgegengesetzt.

2Kugeln und Rollen (. Abb. 9.12)

übertragen reibungsfrei nur Kräfte, deren Wirklinie durch Kugel-(Rollen-) mittelpunkt und Berührungspunkt geht, also auch Normalkräfte. 2Tragwerke (Stützträger) nach . Abb. 9.13

sind statisch bestimmt P gelagert, wenn P die dreiPGleichgewichtsbedingungen ( Fx D 0; Fy D 0; M D 0) zur Bestimmung der Stützkräfte ausreichen. Sie besitzen ein einwertiges und ein zweiwertiges Lager. Reibungskräfte werden meist nicht berücksichtigt. Wichtig zur Lösung statischer Aufgaben ist immer das . Abb. 9.13 Stützträger frei gemacht einwertige Lager A; zweiwertige Erkennen und Festlegen der Wirklinie der einwertigen Lager B Stützkraft F A , weil damit der erste Schritt zur Lösung getan ist. Weder bei der einwertigen noch bei der zweiwertigen Stützkraft kommt es zunächst auf die Festlegung des tungssinn bei einer unbekannten Kraft falsch angenommen, Richtungssinns an; das kann nach Gefühl erfolgen. Den tat- erscheint sie im rechnerischen Ergebnis negativ. sächlichen Richtungssinn liefern die zeichnerischen oder rechnerischen Lösungsverfahren selbst. Wurde der Rich- 2Einwertige, zweiwertige und dreiwertige Lagerungen sind solche, bei denen entweder eine, zwei oder drei unbekannte Stützkräfte auftreten. Bei Berücksichtigung der Reibung kommt noch eine Unbekannte hinzu. Einwertige Lagerungen, wie Kugeln, Rollen, Querlager und Zweigelenkstäbe (Pendelstützen) übertragen ohne Berücksichtigung der Reibung eine unbekannte Stützkraft. Ihre Wirklinie ist eindeutig bestimmt: Die Stützkraft wirkt rechtwinklig zur Stützebene, bei Zweigelenkstäben in der Verbindungsgeraden der beiden Gelenke (. Abb. 9.10, 9.12 und 9.13). Zweiwertige Lagerungen übertragen ohne Berücksichtigung der Reibung immer zwei unbekannte Stützkräfte, eine in x-Richtung, die andere in y-Richtung (. Abb. 9.13). Dreiwertige Lagerungen entstehen z. B. bei eingepressten Bolzen (Einspannungen). Sie übertragen drei unbekannte Größen: eine Kraft in x-Richtung, eine in . Abb. 9.12 Kugel (Rolle) frei gemacht y-Richtung und ein Drehmoment M.

9

172

9.2

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

Zusammensetzen, Zerlegen und Gleichgewicht von Kräften in der Ebene

9.2.1

9.2.1.1

Die Kräfte greifen am gleichen Punkt der Ebene an (Zentrales Kräftesystem) Zeichnerische Bestimmung der Resultierenden

Die gegebenen Kräfte werden in beliebiger Reihenfolge maßstabgerecht und richtungsgemäß derart aneinander gereiht, dass sich ein fortlaufender Kräftezug ergibt (. Abb. 9.14 und 9.15). Die gesuchte Resultierende F r ist immer die Verbindungslinie vom Anfangspunkt A der zuerst gezeichneten zum Endpunkt E der zuletzt gezeichneten Kraft.

9

Arbeitsplan zur zeichnerischen Bestimmung der Resultierenden Rechtwinkliges Achsenkreuz zeichnen. Wirklinien (WL) der gegebenen Kräfte F 1 , F 2 , F 3 unter den Richtungswinkeln ˛ 1 , ˛ 2 , ˛ 3 zur positiven x-Achse eintragen. Im Kräfteplan beliebigen Anfangspunkt A festlegen. Beliebige Wirklinie durch Parallelverschiebung aus dem Lageplan durch den gewählten Anfangspunkt legen. Auf dieser Wirklinie die gegebene Kraft im gewählten Kräftemaßstab richtungsgemäß abtragen. Die restlichen Kräfte in gleicher Weise an die zuerst gezeichnete Kraft anschließen (Reihenfolge beliebig). Pfeilspitze der letzten Kraft ergibt Endpunkt E des Kräfteplans. Resultierende F r als Verbindungslinie vom Anfangspunkt A zum Endpunkt E zeichnen; Länge abgreifen; Wirklinie in den Lageplan übertragen; Richtungswinkel ˛ r messen.

9.2.1.2

Rechnerische (analytische) Bestimmung der Resultierenden (. Abb. 9.16)

Man rechnet mit den Kraftkomponenten Fnx D Fn cos ˛n und Fny D Fn sin ˛n (. Abb. 9.17). Der Rechner liefert das Vorzeichen (C) oder () automatisch mit, wenn für ˛ n die Richtungswinkel zwischen der positiven x-Achse und der Wirklinie eingegeben werden. Die Addition der Kraftkomponenten liefert die Komponenten F rx und F ry der Resultierenden. . Abb. 9.14 Lageplan mit den Wirklinien (WL) der gegebenen Kräfte F 1 , F 2 , F 3 und den Richtungswinkeln ˛ 1 , ˛ 2 , ˛ 3 ; gesucht: Resultierende F r und Winkel ˛ r

. Abb. 9.15 Kräfteplan, durch Parallelverschiebung der Wirklinien (WL), aus dem Lageplan gewonnen

. Abb. 9.16 Lageskizze (unmaßstäblich) mit den Komponenten F 1x , F1y , F2x , F2y , . . . der gegebenen Kräfte F 1 , F 2 , . . . am frei gemachten Bauteil. Gesucht: Resultierende F r und Winkel ˛ r

173 9.2  Zusammensetzen, Zerlegen und Gleichgewicht von Kräften in der Ebene

. Abb. 9.17 Gegebene Kraft F 1 und deren Komponenten F1x D F1 cos ˛1 und F1y D F1 sin ˛1

Diese ergeben über den Lehrsatz des Pythagoras die Resultierende F r . 1 Kraftkomponenten

x-Komponenten: F1x D F1 cos ˛1 F2x D F2 cos ˛2 Fnx D Fn cos ˛n

(9.9)

y-Komponenten: F1y D F1 sin ˛1 F2y D F2 sin ˛2 Fny D Fn sin ˛n

(9.10)

Komponenten der Resultierenden: Frx D F1x C F2x C F3x C : : : C Fnx Fry D F1y C F2y C F3y C : : : C Fny

(9.11)

Betrag der Resultierenden: Fr D

q Frx2 C Fry2

Richtungswinkel ˛ r der Resultierenden F r : ˇ ˇ ˇFry ˇ ˛r D arctan jFrx j

(9.12)

(9.13)

(nur mit den Beträgen |F ry | und |F rx | rechnen) Richtungswinkel ˛ r ist der Winkel, den die Wirklinie der Resultierenden F r mit der positiven x-Achse einschließt; Bestimmung des Quadranten I, II, III, IV aus den Vorzeichen der beiden Komponenten F rx und F ry . 9.2.1.3

Zeichnerische Bestimmung unbekannter Kräfte

Die gegebenen Kräfte werden in beliebiger Folge maßstabgerecht und richtungsgemäß zu einem fortlaufenden

. Abb. 9.18 Lageplan mit den Wirklinien (WL) sämtlicher Kräfte (F 1 , . . . , F 5 ) am frei gemachten Bauteil gegeben: F 1 , F 2 , F 3 , ˛ 1 , ˛ 2 , ˛ 3 , ˛ 4 , ˛ 5 gesucht: F 4 , F 5

Kräftezug aneinander gereiht. Mit den Wirklinien der noch unbekannten Kräfte muss das Krafteck so geschlossen werden, dass die Pfeilrichtungen „Einbahnverkehr“ ermöglichen. Anfangspunkt A und Endpunkt E des Kräftezuges müssen zusammenfallen (. Abb. 9.18 und 9.19).

Arbeitsplan zur zeichnerischen Bestimmung unbekannter Kräfte Rechtwinkliges Achsenkreuz zeichnen. Wirklinien der gegebenen und der noch unbekannten Kräfte eintragen. Im Kräfteplan die gegebenen Kräfte oder die gegebene Kraft vom beliebigen Anfangspunkt A aus maßstäblich und richtungsgemäß aneinander reihen wie bei der zeichnerischen Bestimmung der Resultierenden (Abschn. 9.2.1.1), jedoch ohne die Resultierende zu zeichnen. Mit den Wirklinien der gesuchten Kräfte durch Parallelverschiebung aus dem Lageplan in den Kräfteplan dort das Krafteck „schließen“. Kraftrichtungen (Pfeile) nach der Bedingung des „geschlossenen“ Kräftezugs (Einbahnverkehr) an den gesuchten Kräften anbringen. Gefundene Kräfte (Gleichgewichtskräfte, Stützkräfte) in den Lageplan übertragen.

9.2.1.4

Rechnerische (analytische) Bestimmung unbekannter Kräfte

Werden alle am Bauteil angreifenden Kräfte in ihre Komponenten nach den beiden Richtungen eines rechtwinkligen Achsenkreuzes zerlegt und ist die algebraische Summe der Komponenten in x- und y-Richtung gleich null, stehen die Kräfte im Gleichgewicht (. Abb. 9.20).

9

174

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

(Minuszeichen), dann wurde eine falsche Richtung angenommen. Ergibt eine der Lösungen für eine Kraft einen negativen Wert (Minuszeichen), dann wurde eine falsche Richtung angenommen. Die tatsächliche Richtung ist entgegengesetzt, der Zahlenwert stimmt jedoch. Bei weiteren Rechnungen muss nun die tatsächliche Richtung berücksichtigt werden (Vorzeichenumkehr). Errechnete Komponenten können schließlich mit dem Lehrsatz des Pythagoras zur gesuchten Kraft vereinigt werden. Kraftrichtungen der gefundenen Kräfte in den Lageplan übertragen.

. Abb. 9.19 Kräfteplan, durch Parallelverschiebung der Wirklinien (WL) aus dem Lageplan gewonnen

Die rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen beim zentralen Kräftesystem lauten: X

I.

9

Fx D 0

F1x C F2x C F3x C : : : C Fnx D 0 X II. Fy D 0 F1y C F2y C F3y C : : : C Fny D 0 Fnx D Fn cos ˛Fny D Fn sin ˛n

(9.14)

(9.15)

Winkel ˛ ist immer der Richtungswinkel der Kraft. Das ist der Winkel zwischen positiver x-Achse und Wirklinie. 7 Beispiel . Abb. 9.20 Lageskizze (unmaßstäblich) mit den Komponenten sämtlicher Kräfte am frei gemachten Bauteil gegeben: F 1 , F 2 , F 3 , ˛ 1 , ˛ 2 , ˛ 3 , ˛ 4 , ˛ 5 gesucht: F 4 , F 5

Arbeitsplan zur rechnerischen (analytischen) Bestimmung unbekannter Kräfte Rechtwinkliges Achsenkreuz skizzieren. Sämtliche Kräfte – auch die noch unbekannten – in ihre x- und y-Komponenten zerlegen und unmaßstäblich eintragen, dabei den Richtungssinn der noch unbekannten Kräfte zunächst annehmen. Nach dieser Lageskizze die beiden rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen ansetzen. Bekannte Komponenten evtl. erst ausrechnen und diese Beträge in die beiden Gleichungen einsetzen. Die Gleichungen nach dem Einsetzungsverfahren oder nach dem Gleichsetzungsverfahren lösen. Ergibt eine der Lösungen für eine Kraft einen negativen Wert

Das zentrale Kräftesystem nach . Abb. 9.20 besteht aus den gegebenen Kräften F1 D 55 N; ˛1 D 30ı ; F2 D 63 N; ˛2 D 135ı ; F3 D 22 N; ˛3 D 290ı . Die Wirklinien der gesuchten Gleichgewichtskräfte F 4 und F 5 liegen unter ˛4 D 225ı und ˛5 D 305ı . Lösung: F 4 und F 5 ergeben sich aus den beiden rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen: I.

II.

X

X

Fx D 0 D CF1 cos ˛1 C F2 cos ˛2 C F3 cos ˛3 C C F4 cos ˛4 C F5 cos ˛5 Fy D 0 D CF1 sin ˛1 C F2 sin ˛2 C F3 sin ˛3 C C F4 sin ˛4 C F5 sin ˛5

Aus I. F1  cos ˛1  F2  cos ˛2  F3  cos ˛3  F5  cos ˛5 cos ˛4 10;608 N  F5  cos ˛5 F4 D cos ˛4 F4 D

9

175 9.2  Zusammensetzen, Zerlegen und Gleichgewicht von Kräften in der Ebene

Aus II. F1  sin ˛1  F2  sin ˛2  F3  sin ˛3  F5  sin ˛5 sin ˛4 51;374 N  F5  sin ˛5 F4 D sin ˛4 10;608 N  sin ˛4 C 51;374 N  cos ˛4 F5 D  sin ˛5  cos ˛4 C cos ˛5  sin ˛4 F4 D

F5 D 29;271 N F4 D

51;374 N  29;271 N  sin ˛5 D 38;745 N 9 sin ˛4

Aus diesem Momentensatz lässt sich der Abstand l0 der Resultierenden F r von einem beliebig gewählten Drehpunkt D aus berechnen, sodass deren Lage bestimmt ist: l0 D

F1 l1 C F2 l2 C F3 l3 C : : : C Fn ln Fr

(9.16)

F1 ; F2 ; : : : Einzelkräfte; F r Resultierende l1 ; l2 ; : : : Wirkabstände der Einzelkräfte Wirkabstand der Resultierenden vom gewähll0 ten Bezugs(Dreh-)punkt D 7 Beispiel (. Abb. 9.21)

9.2.2

Die Kräfte greifen an verschiedenen Punkten der Ebene an (Allgemeines Kräftesystem)

F1 D 3 N l1 D 0 mm

F2 D 4;0 N l2 D 15 mm

F3 D 5 N l3 D 20 mm

F4 D 2 N l4 D 30 mm

gesucht: Wirkabstand l0

9.2.2.1

Bestimmung der Resultierenden (Momentensatz)

Betrag und Richtung der Resultierenden werden ebenso bestimmt wie beim zentralen Kräftesystem (7 Abschn. 9.2.1.2). Der Momentensatz lautet:

Wirken mehrere Kräfte (. Abb. 9.21) drehend auf ein Bauteil, so ist die algebraische Summe ihrer Momente gleich dem Moment der Resultierenden in Bezug auf den gleichen Drehpunkt.

Einfacher: Die Drehkraftwirkung der Einzelkräfte ist gleich der Drehkraftwirkung der Resultierenden. M1 C M2 C M3 C : : : C Mn D Mr F1 l1 C F2 l2 C F3 l3 C : : : C Fn ln D Fr l0

Lösung: Fr l0 D F1 l1 C F2 l2  F3 l3  F4 l4 F1 l1 C F2 l2  F3 l3  F4 l4 Fr .3  0 C 4  15  5  20  2  30/ Nmm l0 D 6 N 100 Nmm D 16;67 mm 9 l0 D 6 N l0 D

Arbeitsplan zum Momentensatz Lageskizze (unmaßstäblich) der gegebenen Kräfte zeichnen. Drehpunkt (Bezugspunkt) D zweckmäßig auf der Wirklinie einer Kraft wählen; Rechnung wird einfacher. Wirkabstände als Lot von der Wirklinie der Kraft auf den gewählten Drehpunkt festlegen (berechnen oder aus maßstäblichen Lageplan abgreifen). Resultierende berechnen (7 Abschn. 9.2.1.2); bei Parallelkräften einfach durch algebraische Addition; schräge Kräfte in Komponenten zerlegen und zwar derart, dass xKomponenten kein Moment haben, also deren WL durch D laufen; dann ist die Resultierende nur aus den yKomponenten zu bilden und deren Drehmoment einzubeziehen. Momente der Einzelkräfte berechnen und unter Berücksichtigung der Vorzeichen addieren. Wirkabstand l0 nach (9.16) berechnen.

9.2.2.2

. Abb. 9.21 Anwendung des Momentensatzes zur Lagebestimmung (l0 ) der Resultierenden F r

Bestimmung unbekannter Kräfte

Alle am freigemachten Bauteil angreifenden Kräfte werden nach den beiden Richtungen eines rechtwinkligen Achsenkreuzes zerlegt. Ist dann die algebraische Summe der Komponenten in x- und y-Richtung gleich null und ist ebenso die algebraische Summe aller Momente dieser Kräfte gleich null, so stehen die Kräfte im Gleichgewicht.

176

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

. Abb. 9.23

. Abb. 9.22 Lageskizze (unmaßstäblich) mit den Komponenten sämtlicher Kräfte am freigemachten Bauteil

9

Die rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen beim allgemeinen Kräftesystem lauten: X I: Fx D 0 (Summe aller x-Kräfte gleich null) X II: Fy D 0 (Summe aller y-Kräfte gleich null) X III: M.D/ D 0 (Summe aller Kraftmomente um jeden beliebigen Drehpunkt D gleich null) (9.17) Fnx D Fn cos ˛n

Fny D Fn sin ˛n

(9.18)

Der Winkel ˛ ist immer ein spitzer Winkel der Wirklinie zur x-Achse. Mit Bezug auf . Abb. 9.22 ist I. CF1 cos ˛1  FAx D 0 II. CFAy  F1 sin ˛1  F2 C FB D 0 III. F1 sin ˛1 l1  F2 l2 C FB l D 0 F1 sin ˛1 l1 C F2 l2 III. FB D l II. Fay D F1 sin ˛1 C F2  FB I. Fax D F1 cos ˛1 q 2 2 F D FAx C FAy ˇ ˇ ˇFy ˇ ˛ D arctan jFx j Arbeitsplan zur Bestimmung unbekannter Kräfte Lageskizze des frei gemachten Bauteils zeichnen und sämtliche Kräfte unmaßstäblich eintragen. Rechtwinkliges Achsenkreuz so legen, dass möglichst wenig Kräfte zerlegt werden müssen. Sämtliche

P

M D 0 um drei Punkte ergibt auch Gleichgewicht

Kräfte – auch die noch unbekannten – in ihre x- und y-Komponenten zerlegen, dabei die Richtungen der noch unbekannten Kräfte zunächst annehmen. Nach der so angelegten Lageskizze die drei Gleichgewichtsbedingungen ansetzen; meist enthält die Momenten-Gleichgewichtsbedingung (III) nur eine Unbekannte; damit beginnen. Ergibt die Lösung für eine der unbekannten Kräfte einen negativen Wert (Minus-Vorzeichen), dann war die Richtungsannahme für diese Kraft falsch, der Zahlenwert stimmt jedoch. In weiterer Entwicklung mit tatsächlicher Richtung arbeiten. q Errechnete Komponenten mit F D Fx2 C Fy2 zusammengefasst. Kraftrichtungen der gefundenen Kräfte in den Lageplan übertragen.

Die Gleichgewichtsbedingungen nach (9.17) lassen sich noch in eine andere Form bringen. Die MomentengleiP chungsbedingung um Punkt I in . Abb. 9.23 ( M.I/ D 0) ergibt noch kein Gleichgewicht, weil die Kraft F 1 nicht mit erfasst wird: P Bauteil verschiebt sich in Richtung F 1 . Auch M.II/ D 0 garantiert noch nicht Gleichgewicht, weil eine durch Punkte I und II gehende Kraft F 2 nicht erfasst P wird. Sie würde das Bauteil ebenfalls verschieben. Erst M.III/ D 0 erfasst alle Kräfte und garantiert Gleichgewicht, wenn die Punkte I, II, III nicht auf einer Geraden liegen. Unbekannte Kräfte lassen sich demnach beim allgemeinen Kräftesystem auf zwei Arten bestimmen: 9 Fx D 0> > > = X Fy D 0 > > X > M.D/ D 0; X

ergibt Gleichgewicht

8 ˆ < M.I/ D 0 M.II/ D 0 ˆ : M.III/ D 0

Die zweite Möglichkeit wird beim Ritter’schen Schnitt benutzt (7 Abschn. 9.6.3.2).

9

177 9.3  Schwerpunkt (Massenmittelpunkt)

9.3

Schwerpunkt (Massenmittelpunkt)

Derjenige Punkt, in dem man ein Bauteil, eine Fläche oder ein Liniengebilde abstützen oder aufhängen müsste, damit er in jeder beliebigen Lage stehen bleibt, heißt Schwerpunkt. Die Lage des Schwerpunkts wird mit dem Momentensatz (9.16) bestimmt. Alle durch den Schwerpunkt gehenden Linien oder Ebenen heißen Schwerlinien oder Schwerebenen. Jede Symmetrielinie ist eine Schwerlinie, jede Symmetrieebene ist Schwerebene. Der gemeinsame Schwerpunkt von zwei Teilen liegt auf der Verbindungslinie der Teilschwerpunkte und teilt sie im umgekehrten Verhältnis der Gewichtskräfte oder Größen beider Teile. 9.3.1 9.3.1.1

Bestimmung des Schwerpunkts Schwerpunkt eines Bauteils

Der Schwerpunkt ist derjenige ausgezeichnete, körperfeste Punkt, durch den die Resultierende aller Teil-Gewichtskräfte in jeder Lage des Körpers hindurchgeht. Zur Lagebestimmung zerlegt man den Körper in „n“ Einzelteile bekannter Schwerpunktlage (z. B. 3 Teile in . Abb. 9.24), bringt in deren Teilschwerpunkten die entsprechende Teilgewichtskraft F G1 , F G2 , . . . , F Gn an und berechnet mit dem Momentensatz (9.16) die Lage der Resultierenden der Parallelkräfte. Damit hat man eine Schwerlinie. Der Schwerpunkt ist der Schnittpunkt der Schwerlinien, deren Abstand sich aus den folgenden Gleichungen ergibt: Betrag der Resultierenden X FG FG D FG1 C FG2 C FG3 C : : : C FGn D (9.19)

Schwerpunktabstand von der y; z-Ebene FG1 x1 C FG2 x2 C FG3 x3 C : : : C FGn xn FG P FG x x0 D P FG x0 D

(9.20)

Schwerpunktabstand von der x; z-Ebene FG1 y1 C FG2 y2 C FG3 y3 C : : : C FGn yn FG P FG y y0 D P FG

y0 D

(9.21)

Schwerpunktabstand von der x; y-Ebene FG1 z1 C FG2 z2 C FG3 z3 C : : : C FGn zn FG P FG z z0 D P FG

z0 D

(9.22)

Setzt man in die vorstehenden Gleichungen für F G D mg ein, so kürzt sich die Fallbeschleunigung g heraus. Statt mit den Gewichtskräften F G kann man also auch mit den Massen m rechnen, daher die Bezeichnung Massenmittelpunkt. Setzt man in die vorstehenden Gleichungen für F G D mg D Vg ein, kürzen sich bei homogenen Körpern, das sind Körper gleichmäßiger Dichte, sowohl Dichte  als auch Fallbeschleunigung g heraus. Statt mit den Gewichtskräften F G kann man hier also mit dem Volumen V rechnen, daher die Bezeichnung geometrischer Schwerpunkt. 9.3.1.2

Der Schwerpunkt einer ebenen Fläche

Der Schwerpunkt ist durch (9.19) bis (9.22) definiert, wenn man für die Gewichtskräfte F G die Flächen A einsetzt. Meistens handelt es sich um ebene Flächen, für die alle z-Werte gleich null sind, sodass es genügt, ein ebenes Achsenkreuz mit x- und y-Achse zu verwenden. Zur Lagebestimmung zerlegt man die Fläche in n Einzelflächen mit bekannter Schwerpunktlage (z. B. 3 Flächen in . Abb. 9.25), denkt sich in den Teilschwerpunkten die Teilflächen vereinigt und berechnet die Lage des Gesamtschwerpunkts S mit dem Momentensatz für Flächen: Betrag der Gesamtfläche X A (9.23) A D A1 C A2 C A3 C : : : C An D Schwerpunktabstand von der y-Achse A1 x1 C A2 x2 C A3 x3 C : : : C An xn A P Ax x0 D P A

x0 D

(9.24)

Schwerpunktabstand von der x-Achse A1 y1 C A2 y2 C A3 y3 C : : : C An yn A P Ay y0 D P A y0 D

. Abb. 9.24 Schwerpunktbestimmung eines Bauteils gegeben: x1 . . . x3 , y1 . . . y3 , z1 . . . z3 , F G1 . . . F G3 ; gesucht: x0 , y0 , z0

(9.25)

178

9

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

. Abb. 9.25 Schwerpunktbestimmung einer Fläche gegeben: x1 , x2 , x3 , y1 , y2 , y3 , A1 , A2 , A3 ; gesucht: x0 , y0

!Hinweis Bohrungen werden mit entgegengesetztem Drehsinn eingesetzt.

9.3.1.3

Schwerpunkt S eines ebenen Liniengebildes

Der Schwerpunkt ist durch (9.19) bis (9.22) definiert, wenn man für die Gewichtskräfte F G die Linienlängen l einsetzt. Zur Lagebestimmung zerlegt man das Liniengebilde in Einzellängen mit bekannter Schwerpunktlage (. Abb. 9.26), denkt sich in den Teilschwerpunkten die Teillinien vereinigt und berechnet die Lage des Gesamtschwerpunkts mit dem Momentensatz für Linien: Gesamtlänge des Liniengebildes X l D l1 C l2 C l3 C : : : C ln D l (9.26)

Umgekehrt heißt das: Ist das statische Moment von F G , A, l, bezogen auf eine Ebene (Gerade) gleich null, so liegt der Schwerpunkt in dieser Ebene (Geraden).

9.3.2

9.3.2.1

Schwerpunkt wichtiger Linien, Flächen und Körper Linienschwerpunkt

Gerade Strecke (. Abb. 9.27) Schwerpunkt S ist ihr Mittel-

punkt. Dreieckumfang (. Abb. 9.28) Dreieckseiten halbieren und Mittelpunkte a, b, c verbinden. S ist Mittelpunkt des dem

Schwerpunktabstand von der y-Achse l1 x 1 C l2 x 2 C l3 x 3 C : : : C ln x n l P lx x0 D P l

. Abb. 9.26 Schwerpunktbestimmung eines Liniengebildes, z. B. Schnittkante eines Schneidwerkzeugs; gegeben: l1 . . . l5 ; x1 . . . x5 , y1 . . . y5 ; gesucht: x0 , y0

x0 D

(9.27)

Schwerpunktabstand von der x-Achse l1 y1 C l2 y2 C l3 y3 C : : : C ln yn l P ly y0 D P l

. Abb. 9.27 Linienschwerpunkt der geraden Strecke

y0 D

(9.28)

Bei allen Schwerpunktberechnungen ist zu beachten: Für eine Schwerebene (Schwerlinie) ist das statische Moment der Resultierenden gleich null (F G x0 D 0: Ax0 D 0; lx0 D 0), weil der Hebelarm der Resultierenden in diesem Fall gleich null wird (x0 D 0; y0 D 0; z0 D 0).

. Abb. 9.28 Linienschwerpunkt des Dreieckumfangs

9

179 9.3  Schwerpunkt (Massenmittelpunkt)

. Abb. 9.29 Linienschwerpunkt des Kreisbogens . Abb. 9.31 Flächenschwerpunkt des Trapezes

Dreieck a, b, c einbeschriebenen Kreises. y0 D

h aCb  2 aCbCc

(9.29)

Kreisbogen (. Abb. 9.29) S liegt auf der Winkelhalbieren-

den des Zentriwinkels 2˛ (Symmetrielinie): rs s D 2r sin ˛; b D 2 r˛ ı =180ı (9.30) b 9 für Halbkreisbogen > 2r > y0 D D 0;6366r > > 2˛ D 180ı   > > > > p für Viertelkreisbogen > 2r > > > y0 D 2 ı > 2˛ D 90 >   = (9.31) y0 D 0;9003r > > > > für Sechstelkreisbogen> 3r > > y0 D D 0;9549r ı > 2˛ D 60 >   > > > > > 2 ; y01  h für flache Bögen 3 y0 D

9.3.2.2

Flächenschwerpunkt

Dreieck (. Abb. 9.30) S liegt im Schnittpunkt der Seiten-

halbierenden. y0 D

1 h 3

(9.32)

Liegt ein Dreieck im ebenen Achsenkreuz und sind xl , x2 , x3 bzw. y1 , y2 , y3 die Koordinaten der Eckpunkte des Dreiecks, so sind die Koordinaten des Schwerpunkts: 1 .x1 C x2 C x3 / 3 1 y0 D .y1 C y2 C y3 / 3

x0 D

(9.33)

Parallelogramm S liegt im Schnittpunkt der Diagonalen als

Symmetrielinien. Trapez (. Abb. 9.31) Grundseiten a und b wechselseitig antragen und Endpunkte dieser Strecken verbinden, ebenso Mitten der Seiten a und b verbinden. S liegt im Schnittpunkt beider Verbindungslinien.

h 3 h D 3

y0 D y01

a C 2b aCb 2a C b  aCb 

(9.35)

Kreisausschnitt (. Abb. 9.32) S liegt auf der Winkelhalbie-

renden des Zentriwinkels 2˛ (Symmetrielinie): 2 rs  3 b 4r y0 D D 0;4244r 3  4r p y0 D 2 D 0;6002r 3  y0 D

y0 D

2r D 0;6366r  

(9.36) 9 für Halbkreisfläche > > > > mit 2˛ D 180ı > > > > = für Viertelkreis(9.37) ı fläche mit 2˛ D 90 > > > > > für Sechstelkreis- > > > ı; fläche mit 2˛ D 60

Kreisringstück (. Abb. 9.33) S liegt auf der Winkelhalbierenden des Zentriwinkels 2˛ (Symmetrielinie):

3 R  r 3 sin ˛ (9.38) y0 D 38;197 .R2  r 2 / ˛ ı

. Abb. 9.32 Flächenschwerpunkt des Kreisausschnitts

. Abb. 9.30 Flächenschwerpunkt des Dreiecks

(9.34)

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

180

. Abb. 9.33 Flächenschwerpunkt des Kreisringstücks

. Abb. 9.35 Flächenschwerpunkt der Parabelfläche

9 . Abb. 9.34 Flächenschwerpunkt des Kreisabschnitts

Kreisabschnitt (. Abb. 9.34) S liegt auf der Winkelhalbierenden des Zentriwinkels 2˛ (Symmetrielinie): 3

y0 D

2 r sin ˛ s  D 3 .arc ˛  sin ˛ cos ˛/ 12A

(9.39) Mantel des abgestumpften Kreiskegels Man verbindet die Mitten beider Stirnflächen (Schwerlinie). Der Schwerpunktabstand von der Grundfläche beträgt:

Parabelfläche (. Abb. 9.35)

3 a 8 3 D b 5

3 a 4 3 D b 10

x01 D

x02 D

y01

y02

y0 D (9.40)

Kugelzone und Kugelhaube (. Abb. 9.36) Für die Kugelzo-

r .cos ˛1 C cos ˛2 / 2 h C h0 h0 Mit cos ˛1 D und cos ˛2 D wird r r   h C h0 r h0 h C D C h0 y0 D  2 r r 2

ne ist y0 D

d. h. der Schwerpunkt der Mantelfläche liegt in halber Zonenhöhe. Für die Mantelfläche der Kugelhaube (˛1 D 0) gilt das Gleiche. Kegelmantel und Pyramidenmantel Man verbindet Kegel-

bzw. Pyramidenspitze mit dem Schwerpunkt des Umfangs der Grundfläche. Auf dieser Schwerlinie liegt der Mantelschwerpunkt S im Abstand ein Drittel der Höhe von der Grundfläche entfernt: y0 D h=3

. Abb. 9.36 Flächenschwerpunkt der Kugelzone und der Kugelhaube

3

h R C 2r  3 RCr

(9.41)

h Höhe des Kegelstumpfes R Radius der unteren Stirnfläche r Radius der oberen Stirnfläche Profilstähle Die Schwerpunktabstände sind mit e bezeichnet. Beim Ablesen müssen die dort gewählten Bezugsachsen beachtet werden.

9.3.2.3

Körperschwerpunkt

Gerades oder schiefes Prisma (und Zylinder) mit parallelen Stirnflächen (. Abb. 9.37). S liegt in der Mitte der Verbindungslinie der beiden Flächenschwerpunkte S0 , also y0 D h=2. Abgeschrägter gerader Kreiszylinder (. Abb. 9.38) S liegt auf der x, y-Ebene als Symmetrieebene (Schwerebene) mit den Abständen:

1 r 2 tan ˛  4 h h 1 r 2 tan2 ˛ y0 D C  2 8 h

x0 D

(9.42)

9

181 9.3  Schwerpunkt (Massenmittelpunkt)

. Abb. 9.39 Körperschwerpunkt des Keils . Abb. 9.37 Körperschwerpunkt von Prisma und Zylinder

. Abb. 9.40 Körperschwerpunkt des Umdrehungsparaboloids

Kugelabschnitt Der Schwerpunktabstand vom Mittelpunkt

beträgt:

. Abb. 9.38 Körperschwerpunkt des abgeschrägten geraden Kreiszylinders

Gerade und schiefe Pyramide und Kegel Man verbindet die

Spitze mit dem Schwerpunkt der Grundfläche. S liegt auf dieser Schwerlinie im Abstand ein Viertel der Höhe von der Grundfläche. Pyramidenstumpf mit beliebiger Grundfläche. Sind A1 und

A2 die Stirnflächen und h die Höhe des Stumpfes, so ist der Abstand des Schwerpunkts S von A1 : p h A1 C 2 A1 A2 C 3A2 y0 D  p 4 A1 C A1 A2 C A2 Gerader Kegelstumpf

(9.43)

Der Schwerpunktabstand von der

3 .2R  h/2  4 3R  h 3 y0 D R 8 3 R4  r 4 y0 D  3 8 R  r3 y0 D

h R2 C 2Rr C 3r 2  4 R2 C Rr C r 2

(9.46)

für Halbkugel für halbe Hohlkugel

(9.47)

Kugelausschnitt Bezeichnungen wie in . Abb. 9.29

3 R .1 C cos ˛/ 8 3 y0 D .2R  h/ 8 y0 D

(9.48)

Umdrehungsparaboloid (. Abb. 9.40)

y0 D

Grundfläche beträgt: y0 D

R Kugelradius h Abschnittshöhe

2 b 3

(9.49)

Beispiel zur Schwerpunktbestimmung einer Fläche

(9.44)

9.3.3

(9.45)

Für das skizzierte Winkelprofil (. Abb. 9.41) sind die Schwerpunktabstände x0 , y0 zu bestimmen. Zweckmäßig wird . Tab. 9.1 benutzt.

Keil (. Abb. 9.39)

h a C a1 y0 D  2 2a C a1

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

182

. Tabelle 9.1 Schwerpunktbestimmung Nr.

Querschnitt (mm2 )

Fläche A (cm2 )

Schwerpunktabstand x (cm)

1

15 10

1,5

0,5

0,75

6,25

9,375

2

35 10

3,5

0,5

1,75

1,75

6,125

3

30 10

3,0

2,5

7,50

0,50

1,500

8,0



Summe

Flächenmoment Ax (cm3 )

10,00

Schwerpunktabstand y (cm)



Flächenmoment Ay (cm3 )

17,000

Mit der Vorderradachse als Bezugspunkt ergibt (9.20): P FGn xn x0 D P FGn FGV x1 C FGH x2 x0 D FG 485 kg  9;81 sm2  0 m C 870 kg  9;81 sm2  2;1 m x0 D 13:293 N x0 D 1;348 m 9

9 9.4

9.4.1

. Abb. 9.41 Bestimmung des Schwerpunkts eines Winkelprofils mit Bohrung

Guldin’sche Regeln Oberfläche eines Umdrehungskörpers

Dreht sich eine ebene Linie mit der Länge l nach . Abb. 9.42 um eine in ihrer Ebene liegende Gerade, die Drehachse, so beschreibt sie eine Umdrehungsfläche. Jeder Punkt der Linie beschreibt einen Kreisbogen. Der Inhalt einer Umdrehungsfläche ist gleich der Länge l der erzeugenden Linie (Profillinie) multipliziert mit dem Weg 2 x0 des Schwerpunkts S:

Man zeichnet ein Achsenkreuz in die Skizze so ein, dass genau zu ersehen ist, von wo aus die berechneten x0 -, y0 -Werte zu messen sind. A l x0 A D 2 l x0 (9.50) Nach (9.24) und (9.25) ergeben sich die Schwerpunkt2 mm mm mm abstände: P x0 Schwerpunktabstand von der Drehachse nach Ax 10 cm3 D 1;25 cm D x0 D P 7 Abschn. 9.3.2.1 A 8 cm2 P Ay 17 cm3 1 Herleitung der Gleichung D 2;13 cm D y0 D P Eine kleine Teillänge l erzeugt bei der Drehung eine A 8 cm2 Ringfläche A D l 2 x. 7 Beispiel Der Achsstand eines Kraftfahrzeugs beträgt 2,1 m. Das Fahrzeug wird zuerst mit den Vorderrädern auf eine Waage gefahren, die dabei 485 kg anzeigt. Bei den Hinterrädern zeigt die Waage 870 kg an. Welchen Wirkabstand hat die Wirklinie der resultierenden Gewichtskraft von der Fahrzeug-Vorderachse? Lösung: Nach (9.19) ist FG D

X

FGn D FGV C FGH D g.mV C mH / m FG D 9;81 2  1355 kg D 13:293 N s

. Abb. 9.42 Schnitt durch eine Umdrehungsfläche

183 9.4  Guldin’sche Regeln

DieP Summe P dieser TeilflächenP ist die Oberfläche A D A D l 2  x D 2  lx. Der SummenP ausdruck lx ist nach (9.27) die Momentensumme aller Teillängen l für die Drehachse undPdamit gleich dem Moment P der resultierenden Länge l: lx D lx0 ; also A D 2  lx D 2  lx0 . 9.4.2

Volumen eines Umdrehungskörpers

Dreht sich eine ebene Fläche mit dem Inhalt A (. Abb. 9.43) um eine in ihrer Ebene liegende, sie nicht schneidende Gerade, die Drehachse, so beschreibt sie einen Umdrehungskörper. Jeder Punkt der Fläche beschreibt einen Kreisbogen. Der Inhalt eines Umdrehungskörpers ist gleich der erzeugenden Fläche (Profilfläche) multipliziert mit dem Weg 2 x0 des Schwerpunkts S: V D 2  A x0

V

A

x0

mm3

mm2

mm

(9.51)

nicht durchsetzen. Ist der Schwerpunkt der erzeugenden Linie oder Fläche nicht bekannt, können auch die Inhalte der Umdrehungsflächen bzw. -körper nicht berechnet werden. Man kann diese dann im Versuch messen und mit Hilfe der Guldin’schen Regeln die entsprechenden Schwerpunkte berechnen. 7 Beispiel . Abb. 9.44 zeigt eine Gummidichtung mit der Dichte  D 1;35 kg=dm 3 . Gesucht: a) das Volumen V b) die Masse m Lösung: Die erzeugende Fläche wird nach . Abb. 9.44 in die Teilflächen A1 , A2 zerlegt. A1 D 3;60 cm2 A2 D 9;8 cm2 A D A1 C A2 D 13;4 cm2 x1 D 3;95 cm

x0 Schwerpunktabstand von der Drehachse nach 7 Abschn. 9.3.2.2 1 Herleitung der Gleichung

Eine kleine Teilfläche A erzeugt bei der Drehung ein Ringvolumen V D A 2  x. P Die Summe Pdieser Teilvolumen ist das Volumen V D V D A2  x D P P 2  Ax. Der Summenausdruck Ax ist nach (9.24) die Momentensumme aller Teilflächen A für die Drehachse und damit gleich dem Moment der resultierenden Fläche A: X X Ax D 2 Ax0 Ax D Ax0 I also V D 2 

x2 D 6;0 cm Nach (9.24) wird A1 x1 C A2 x2 A 3;6 cm2  3;95 cm C 9;8 cm2  6 cm D 5;45 cm x0 D 13;4 cm2 x0 D

Nach (9.51) wird V D 2  A x0 D 2   13;4 cm2  5;45 cm D 459 cm3 V D 0;459 dm3 m D V D 0;459 dm3  1;35

! Hinweis Führt die erzeugende Linie oder Fläche keinen vollen Umlauf (2 ) aus, sind (9.50) und (9.51) mit dem Verhältnis ˛ ı =360ı zu multiplizieren; bei 90ı -Drehung also mit 14 . Profillinien und Profilflächen dürfen die Drehachse

. Abb. 9.43 Schnitt durch einen Umdrehungskörper

kg dm3

m D 0;62 kg 9

. Abb. 9.44 Schnitt durch eine Gummidichtung

9

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

184

Standsicherheit, Gleichgewichtslagen

9.5 9.5.1

Arten des Gleichgewichts Stabiles Gleichgewicht

9.5.1.1

(. Abb. 9.45) liegt vor, wenn der Schwerpunkt S bei kleinster Lageänderung gehoben wird. Es entsteht immer ein rückstellendes Moment Fl (aus Kräftepaar F G , F), das den Körper in die stabile Gleichgewichtslage zurückführt. Dort ist die potenzielle Energie des Körpers ein Minimum, Schwerpunkt S hat seine tiefste Lage.

Labiles Gleichgewicht

9.5.1.2

9

. Abb. 9.45 Stabiles (sicheres) Gleichgewicht

Ein labiles Gleichgewicht (. Abb. 9.46) liegt vor, wenn der Schwerpunkt S bei kleinster Lageänderung gesenkt wird. Es entsteht immer ein ablenkendes Moment Fl, das den Körper immer weiter aus der labilen Gleichgewichtslage herausführt. Dort war die potenzielle Energie des Körpers ein Maximum, Schwerpunkt S hatte seine höchste Lage. . Abb. 9.46 Labiles (unsicheres) Gleichgewicht

Indifferentes Gleichgewicht

9.5.1.3

Ein indifferentes Gleichgewicht (. Abb. 9.47) liegt vor, wenn der Schwerpunkt S bei kleinster Lageänderung weder gehoben noch gesenkt wird. Es entstehen weder rückstellende noch ablenkende Momente: Jede neue Stellung ist wieder Gleichgewichtslage, die potenzielle Energie ist immer die gleiche, der Schwerpunktabstand von der Unterlage ist gleich bleibend.

9.5.2

Standsicherheit . Abb. 9.47 Indifferentes (neutrales) Gleichgewicht

Die äußeren Kräfte F 1 , F 2 . . . F G bewirken in Bezug auf die gewählte Kippkante K stützende Momente M S (Standmomente) und kippende Momente M K (Kippmomente): X X

M S D F1 l 1 C FG l MK D F2 l2 C F3 l3

Der Körper P ist standsicher, wenn die Summe aller Stützmomente ( MS ) größer ist als die Summe der Kippmomente P ( MK ): Standsicherheit P MS P SD >1 MK

(9.52)

Für S > 1 liegt die Resultierende aller äußeren Kräfte innerhalb der Kippkante K, für S < 1 außerhalb (. Abb. 9.48). Untersuchungen von Standsicherheiten bei Leitern, Krananlagen, Fahrzeugbewegungen usw. müssen für mehrere Kippkanten durchgeführt werden.

. Abb. 9.48 Überprüfung der Standsicherheit eines Körpers

7 Beispiel Ein Schlepper mit 1400 kg Masse fährt gleichförmig eine steile Böschung hinauf (. Abb. 9.49). Wie groß darf der Böschungswinkel ˛ höchstens sein, wenn die Standsicherheit S D 2 sein soll?

185 9.6  Statik der ebenen Fachwerke

. Abb. 9.50 Streben-Fachwerkträger, parallelgurtig (k D 11 Knoten, s D 19 Stäbe)

. Abb. 9.49 Standsicherheit eines Schleppers

Lösung: Um die Kippkante K wirken: Stützmoment

MS D FG cos ˛  760 mm

Kippmoment

MK D FG sin ˛  710 mm

MS MK FG cos ˛  760 mm D2 SD FG sin ˛  710 mm 1 710 mm cos ˛ D D2 D 1;868 sin ˛ tan ˛ 760 mm 1 D 28;16ı ˛ D arctan 1;868

Standsicherheit

SD

Böschungswinkel ˛  28;2ı 9

Wie die algebraische Entwicklung zeigt, hat die Gewichtskraft des Schleppers keinen Einfluss auf den maximalen Böschungswinkel und auf die Standsicherheit S. 9.6 9.6.1

. Abb. 9.51 Pfosten-Streben-Fachwerkträger, Biegemomentenverlauf trapezförmig angepasst (k D 18 Knoten, s D 33 Stäbe)

Statik der ebenen Fachwerke Gestaltung von Fachwerkträgern

Fachwerkträger sind aus Profilstäben zusammengesetzte Tragkonstruktionen (Biegeträger), z. B. für Brücken, Krane, Dachbinder, Gerüste. Sie haben einen geringeren Materialaufwand als Vollwandträger und erscheinen durch ihre Netzkonstruktion optisch leichter. Nachteilig ist die arbeitsintensivere Fertigung. Fachwerkträger sind meist in zwei oder mehr parallelen Ebenen aufgebaut. Jede Trägerebene wird dann als ebenes Fachwerk angesehen. Die äußere Form eines Fachwerkträgers kann frei gestaltet werden. Geometrisches Element des Fachwerks ist der Dreiecksverband. Das Dreieck ist die einfachste „starre“ Figur. Durch Ansetzen solcher Dreiecksverbände werden die verschiedenen Fachwerksformen (z. B. parallelgurtig, trapezförmig) als Streben- oder Pfosten-Streben-Fachwerk entwickelt (. Abb. 9.51). Der Obergurt kann parallel

. Abb. 9.52 Polygon-Fachwerkträger, Biegemomentenverlauf angepasst (k D 7 Knoten, s D 11 Stäbe)

zum Untergurt laufen, aber auch z. B. dem Biegemomentenverlauf des Trägers angepasst werden (. Abb. 9.50, 9.51 und 9.52). Unter den skizzierten Fachwerkformen stehen in Klammern die Angaben für die Anzahl der Knoten k (z. B. k D 11) und die Anzahl der Stäbe s des Fachwerks (z. B. s D 19). Diese Größen werden im folgenden Kapitel zum Ansatz der Gleichgewichtsbedingungen für die statische Bestimmtheit des Trägers gebraucht. Die Profilstäbe werden untereinander im so genannten Knoten mit Knotenblechen verbunden, wobei sich die Profil-Schwerachsen möglichst im Knotenpunkt schneiden sollen (. Abb. 9.53). Damit wird das Einleiten von grö-

. Abb. 9.53 Geschraubter Knoten

9

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

186

ßeren Biegemomenten in die Verbindung vermieden und die Knotenpunkte können als Gelenkpunkte für Zweigelenkstäbe angesehen werden. Der Knoten kann genietet, geschraubt, geschweißt oder z. B. bei Leichtmetallprofilen geklebt sein.

9.6.2

9

Die Gleichgewichtsbedingungen am statisch bestimmten Fachwerkträger

Der einfachste Fachwerkträger besteht aus den drei Stäben 1, 2, 3, die in Dreiecksform in den Knoten I, II und III miteinander verbunden sind (. Abb. 9.54). Äußere Kräfte F dürfen nur über die Knoten in das Tragwerk eingeleitet werden (Kraft F in Knoten II). Im Festlager A und Loslager B ist der Träger mit den drei Auflagerkräften F Ax , FAy und F B wie üblich statisch bestimmt abgestützt (statisches Gleichgewicht). Beim Vollwandträger sind damit die Gleichgewichtsbetrachtungen abgeschlossen. Beim Fachwerkträger dagegen muss zusätzlich die Verschiebbarkeit der Stäbe gegeneinander untersucht werden. Man unterscheidet daher zwischen äußerer und innerer statischer Bestimmtheit. Ist kP die AnzahlP der Knoten für das ganze System, so ist wegen Fx D 0, Fy D 0 die Anzahl der zur Verfügung stehenden Gleichgewichtsbedingungen 2 k. 2 k D Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen (hier 2  3 Knoten D 6 Gleichgewichtsbedingungen) Ist s die Anzahl der unbekannten Stabkräfte, dann ist mit den drei Lagerkräften F Ax , FAy , FB die Anzahl der unbekannten (hier s C 3 D 3 C 3 D 6 unbekannte Kräfte) Kräfte s C 3. s C 3 D Anzahl unbekannter Kräfte

. Abb. 9.55 Bewegliches Fachwerk, statisch unbestimmt (Gelenkviereck): s < 2  4  3 D 5

und als Bedingung für die innere statische Bestimmtheit die Gleichung s D 2 k  3 zu verwenden. 2k D sC3

s D 2 k  3: Bedingung für die innere statische Bestimmt-

heit (mit s D 2  k  3 D 2  3  3 D 6  3 D 3 Stäbe) ist hier erfüllt. Der Fachwerkträger nach . Abb. 9.55 mit vier Knoten (k D 4) und vier Stäben (s D 4) ist in der eingezeichneten Drehrichtung beweglich (Gelenkviereck), für Kraftübertragungen daher ungeeignet. Enthält ein Fachwerk ein solches Stabsystem, nennt man es statisch unbestimmt. Die Bedingung für statische Bestimmtheit ist hier mit k D 4 Knoten und s D 4 Stäben nicht erfüllt (s D 4 < 2 k  3 D 5). Aus dem statisch unbestimmten wird ein statisch bestimmtes Fachwerk erst bei Hinzunahme eines fünften Stabes: s D 5 D 2  4  3: Die skizzierten vier Fachwerke mit 6 Knoten (. Abb. 9.56) sollen mit Hilfe der Bedingung für statische Bestimmtheit untersucht werden. Fachwerk a) ist mit einem Fest- und einem Loslager sowie mit s D 9 Stäben äußerlich und innerlich statisch bestimmt (2 k  3 D 2  6  3 D 9).

Bei einem statisch bestimmten System muss die Anzahl der Lösungsgleichungen gleich der Anzahl der Unbekannten sein, hier also 2 k D s C 3. Es ist üblich, diese Gleichung nach der Anzahl s der erforderlichen Profilstäbe aufzulösen

. Abb. 9.54 Frei gemachter einfachster Fachwerkträger (Stabdreieck, Dreiecksverband) k D 3 Knoten, s D 3 Stäbe

(9.53)

. Abb. 9.56 Beispiele für die Bestimmtheit

187 9.6  Statik der ebenen Fachwerke

Fachwerk b) ist wie a) äußerlich statisch bestimmt, jedoch innerlich statisch unbestimmt, weil bei 2 k  3 D 2  6  3 D 9 die Stabzahl s D 8 < 9 ist. Fachwerk c) ist wie a) und b) äußerlich statisch bestimmt, innerlich mit s D 10 Stäben jedoch statisch unbestimmt. Fachwerk d) ist zwar wie a) innerlich statisch bestimmt, mit einem Fest- und zwei Loslagern jedoch äußerlich statisch unbestimmt. 9.6.3

Ermittlung der Stabkräfte im Fachwerkträger

Die Verfahren zur Ermittlung der Stabkräfte werden am Beispiel des gezeichneten Fachwerkträgers erläutert (. Abb. 9.57) (Knotenschnittverfahren und Ritter’sches Schnittverfahren). Der Träger besteht aus den Obergurtstäben 1, 4, 8, 11, den Untergurtstäben 2, 6, 10, den Pfosten oder Vertikalen 3, 9 und den Schrägen oder Diagonalen 5 und 7. Belastet wird der Träger mit den Vertikalkräften F 1 D 4 kN, F 2 D 2 kN und F 3 D 3 kN. ! Hinweis Der Träger ist äußerlich und innerlich statisch bestimmt. s D 2  7  3 D 11 Stäbe.

Es ist immer zweckmäßig, zuerst aus der Trägerbelastung und den Abmessungen die Auflagerkräfte zu bestimmen. Nach der Ermittlung aller Stabkräfte hat man dann eine Kontrolle auch für die Auflagerkräfte (siehe Knoten VII im folgenden Knotenschnittverfahren). P Mit denP rechnerischen P Gleichgewichtsbedingungen Fx D 0, Fy D 0 und M.I/ D 0 ergeben sich: FA D 4;75 kN und FB D 4;25 kN X Fx D 0 keine waagerechten Kräfte vorhanden X Fy D 0 D CFA  F1  F2  F3 C FB X M.I/ D F1  2 m  F2  4 m  F3  6 m C FB  8 m F1  2 m C F2  4 m C F3  6 m D 4;25 kN 8m FA D F1 C F2 C F3  FB D 4;75 kN FB D

. Abb. 9.57 Aufgabenskizze

9.6.3.1

Das Knotenschnittverfahren (Verfahren zur Ermittlung aller Stabkräfte)

Mit einem Rundschnitt werden alle Knoten (k D 7) frei gemacht und in ein rechtwinkliges Achsenkreuz gelegt. Die noch unbekannten Stabkräfte F S1 . . . F S11 trägt man in den Knotenpunkten I . . . VII als Zugkräfte positiv (C) ein. Für jeden Knotenpunkt stehen die P P beiden Gleichgewichtsbedingungen Fx D 0 und Fy D 0 zur Berechnung von zwei unbekannten Stabkräften zur Verfügung. Wurden vorher die Auflagerkräfte F A und F B berechnet, liegen meist dort die Ausgangsknoten für den Berechnungsgang, wie hier im Beispiel die Knoten I und VII mit den zwei unbekannten Stabkräften F S1 und F S2 am Knoten I und F S10 und F S11 am Knoten VII (. Abb. 9.57). Von den anschließenden Knoten sucht man sich denjenigen mit maximal zwei unbekannten Stabkräften heraus und erhält nacheinander alle Stabkräfte des Fachwerkträgers (. Abb. 9.58). Häufig ist dieses schrittweise Vorgehen einfacher als das Aufstellen und Lösen eines Gleichungssystems. Zur Lagebestimmung der schrägen Stabkräfte als Zugkräfte wird der Winkel ˛ als spitzer Winkel zur x-Achse verwendet. Es gelten dann die Beziehungen FSx D FS cos ˛ für die x-Komponte und F Sy D FS sin ˛ für die y-Komponente der Stabkraft F S . Der Winkel ˛ beträgt 45ı . Die vorher berechneten Stützkräfte betragen FA D 4;75 kN;

FB D 4;25 kN:

Im Knoten I greifen außer der bereits ermittelten Stützkraft F A D 4;75 kN nur noch die beiden Stabkräfte F S1 und F S2 an, die nun berechnet werden können: Für Knoten I gilt: X I/ Fx D 0 D FS1 C FS2 cos ˛ X II/ Fy D 0 D FA  FS2 sin ˛ I) und II)

FS2 D FS1 = cos ˛ D FA = sin ˛

und mit cos ˛= sin ˛ D 1= tan ˛ FS1 D FA = tan ˛ D 4;75 kN=1 FS1 D 4;75 kN .Druck/ FS2 D FA = sin ˛ D C6;72 kN .Zug/

. Abb. 9.58 Knotenschnitte, Knoten I . . . VII frei gemacht und Krafteckskizzen

9

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

188

II/ FS7 D .F2  FS5 sin ˛/= sin ˛ D 1;77 kN (Druck) I/ FS8 D FS4 C FS5 cos ˛  FS7 cos ˛ D 4;25 kN (Druck)

Für Knoten II gilt: X I/ Fx D 0 D FS1 C FS4

II/

! FS4 D FS1 D 4;75 kN (Druck) X Fy D 0 D F1  FS3 ! FS3 D F1 D 4 kN (Druck)

Für Knoten V gilt: X I/ Fx D 0 D FS10 cos ˛  FS6  FS7 cos ˛ X II/ Fy D 0 D FS9 C FS10 sin ˛ C FS7 sin ˛ I/

9

II/

FS10 FS10 FS9 FS9

D 0 D .FS6 C FS7 cos ˛/= cos ˛ D C6;01 kN (Zug) D 0 D FS7 sin ˛  FS10 sin ˛ D 3 kN (Druck)

! Hinweis zum Kräfteplan Die Stabkraft F S1 (Druckkraft) drückt von rechts nach links wirkend auf den Knoten I. Im Kräfteplan II muss F S1 als Druckkraft auf den Knoten II nach rechts wirken.

Für Knoten III gilt: X I/ Fx D 0 D FS6 C FS5 cos ˛  FS2 cos ˛ X II/ Fy D 0 D FS3 C FS2 sin ˛ C FS5 sin ˛ II/ I/

FS5 FS5 FS6 FS6

D .FS3  FS2 sin ˛/= sin ˛ D 1;06 kN (Druck) D FS2 cos ˛  FS5 cos ˛ D C5;5 kN (Zug)

Für Knoten VI gilt: X I/ Fx D 0 D FS11  FS8

II/

! FS11 D FS8 D 4;25 kN (Druck) X Fy D 0 D F3  FS9 ! FS9 D F3 D 3 kN (Druck)

Für Knoten VII gilt: X I/ Fx D 0 D FS11  FS10 cos ˛ Für Knoten IV gilt: X I/ Fx D 0 D FS8 C FS7 cos ˛  FS4  FS5 cos ˛ X II/ Fy D 0 D F2  FS7 sin ˛  FS5 sin ˛

II/

! FS10 D FS11 = cos ˛ D C6;01 kN (Zug) X Fy D 0 D FB  FS10 sin ˛ ! FB D FS10 sin ˛ D C4;25 kN (Kontrollrechnung)

189 9.6  Statik der ebenen Fachwerke

mit nur einer Unbekannten ergibt. Die Momenten-GleichP gewichtsbedingung M.III/ D 0 liefert direkt die Stabkraft F S4 D 4;75 kN (Druckstab): X M.III/ D 0 D FS4 l  FA l FS4 D

FA l D FA D 4;75 kN l

Das Ritter’sche Schnittverfahren (Verfahren zur Ermittlung einzelner Stabkräfte)

Das Minuszeichen zeigt an, dass die Kraft F S4 dem angenommenen Richtungssinn entgegen wirkt: Stab 4 ist also ein Druckstab. Als zweiter Bezugspunkt wird der Knotenpunkt IV gewählt. Er ist Schnittpunkt der Stabkräfte F S4 und F S5 und liefert wieder eine Gleichung mit einer Unbekannten, der Stabkraft F S6 D C5;5 kN (Zugstab): X M.I V / D 0 D F1 l  FA  2l C FS6 l

An statisch bestimmten Fachwerkträgern können einzelne Stabkräfte ermittelt werden, z. B. F S4 , F S5 und F S6 . Dazu wird der Träger mit dem Ritter’schen Schnitt x–x in die beiden Teile (a) und (b) zerlegt und an einem der beiden Teile (a) das Gleichgewicht wieder hergestellt (. Abb. 9.59). Die Stützkräfte müssen bei diesem Verfahren vorher ermittelt worden sein:

FA  2 l  F1 l D 2FA  F1 D 5;5 kN l P Dritter Bezugspunkt kann I oder II sein. Mit M.I/ D 0 wird F S5 D 1;06 kN (Druckkraft): X M.I/ D 0 D FS6 l C FS5 l1  F1 l

. Abb. 9.59 Schnitt x–x

9.6.3.2

Lageskizze des Fachwerkträgers mit Ritter’schem

FA D 4;75 kN;

FB D 4;25 kN:

Nach den Regeln des Freimachens (1.1.6) werden in den drei Stabquerschnitten die unbekannten Stabkräfte F S4 , F S5 und F S6 als Zugkräfte angebracht (. Abb. 9.60). Das am Trägerteil (a) angreifende Kräftesystem aus den drei Stabkräften F S4 , F S5 , F S6 , der Belastungskraft F 1 und der Stützkraft F A muss im Gleichgewicht sein. Nach Ritter werden zur Berechnung der unbekannten Stabkräfte die drei Momenten-Gleichgewichtsbedingungen angesetzt. Der Ritter’sche Schnitt darf daher auch nur drei Fachwerkstäbe treffen. Die drei Momenten-Bezugspunkte dürfen nicht auf einer Geraden liegen. Knotenpunkt III bietet sich als erster Bezugspunkt an, weil er Schnittpunkt zweier unbekannter Kräfte ist (F S5 und F S6 ) und sich damit eine Gleichung

FS6 D

FS5 D

F1 l  FS6 l .F1  FS6 / l D D 1;06 kN l1 l1

In manchen Fällen wird die Rechnung einfacher, wenn der Lösungsansatz mit den üblichen drei Gleichgewichtsbedingungen X X X Fy D 0; M. / D 0 Fx D 0; aufgestellt wird. Ergebnis

Stab 4 ist ein Druckstab mit 4;75 kN Stab 5 ist ein Druckstab mit 1;06 kN Stab 6 ist ein Zugstab mit 5;5 kN

Arbeitsplan zum Ritter’schen Schnittverfahren

P 1. Schritt: P Stützkräfte ermitteln ( Fx D 0, P Fy D 0, M.D/ D 0). 2. Schritt: Fachwerk durch einen Schnitt trennen. Der Schnitt darf höchstens drei Fachwerkstäbe treffen, sie dürfen keine gemeinsamen Knoten haben. 3. Schritt: Lageskizze des abgeschnittenen Trägerteils zeichnen, dabei Stabkräfte als Zugkräfte annehmen. 4. Schritt: Die drei Momenten-GleichgewichtsP bedingungen M.D/ D 0 aufstellen und auswerten: positives Ergebnis beim Zugstab, negatives beim Druckstab. . Abb. 9.60 Kräftesystem am abgeschnittenen Trägerteil (a)

9

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

190

Reibung

9.7 9.7.1

Gleitreibung

Ein fester Körper, z. B. der Werkzeugträger einer Drehmaschine, kann auf ebener Unterlage mit konstanter Geschwindigkeit nur dann verschoben werden, wenn eine Kraft F die tangential zur Gleitfläche wirkende Reibungskraft F R überwindet (. Abb. 9.61). Die Richtung der Reibungskraft F R am frei gemachten Körper ist immer der (zu erwartenden) Bewegungsrichtung des Körpers entgegengesetzt. Die Reibungskraft F R ist abhängig von der rechtwinklig zur Unterlage wirkenden Normalkraft F N und der Gleitreibungszahl  (kurz Reibungszahl): Gleitreibungskraft D Normalkraft  Gleitreibungszahl

9

FR D FN 

FR N

FN N

 1

(9.54)

Die Gleitreibungszahl  ist ein Erfahrungswert und abhängig von der Werkstoffpaarung, der Schmierung, der Flächenpressung und der Gleitgeschwindigkeit; letzteres hauptsächlich bei flüssiger Reibung. Ein gesetzmäßiger Zusammenhang dieser Größen lässt sich bei trockener und halbflüssiger Reibung (Mischreibung) nicht aufstellen. Man rechnet deshalb mit einer konstanten Gleitreibungszahl nach . Tab. 9.2. Die Gleichgewichtsbedingungen für den frei gemachten Körper nach . Abb. 9.61 lauten: X F D FR D FN  D FG  Fx D 0 D CF  FR X FN D FG Fy D 0 D CFN  FG X FR h lD M.S/ D 0 FN X M.S/ D FR h C FN l F und F R bilden ein Kräftepaar, dem bei Gleichgewicht ein gleich großes Kräftepaar aus F G und F N entgegenwirkt.

. Abb. 9.61 Gleitreibung auf ebener Fläche . Tabelle 9.2 Gleitreibungszahl  und Haftreibungszahl 0 . (Klammerwerte sind die Gradzahlen für den Reibungswinkel  bzw. 0 ) Haftreibungszahl 0

Gleitreibungszahl 

trocken

gefettet

trocken

gefettet

Stahl auf Stahl

0,2 (11,3)

0,1

(5,7)

0,15 (8,5)

0,05 (2,9)

Stahl auf Gusseisen (GJL)

0,2 (11,3)

0,15 (8,5)

0,18 (10,2)

0,1

Stahl auf CuSn-Legierung

0,2 (11,3)

0,1

(5,7)

0,1

(5,7)

0,05 (2,9)

Stahl auf PbSn-Legierung

0,15 (8,5)

0,1

(5,7)

0,1

(5,7)

0,04 (2,3)

Stahl auf Polyamid

0,3 (16,7)

0,15 (8,5)

0,3 (16,7)

0,08 (4,6)

Stahl auf Reibbelag

0,6 (31)

0,3 (16,7)

0,5 (26,6)

0,04 (2,3)

Stahl auf Holz

0,6 (31)

0,1

(5,7)

0,4 (21,8)

0,05 (2,9)

Holz auf Holz

0,5 (26,6)

0,2 (11,3)

0,3 (16,7)

0,1

Gummiriemen auf Gusseisen (GJL)





0,4 (21,8)



PU-Flachriemen mit Lederbelag auf Gusseisen (GJL)





0,3 (16,7)



Wälzkörper auf Stahl







0,002 (0,1)

Gusseisen auf CuSn-Legierung

0,3 (16,7)

0,15 (8,5)

0,18 (10,2)

0,1

Werkstoff

(5,7)

(5,7)

(5,7)

9

191 9.7  Reibung

Die Wirklinie von F N muss deshalb um l gegenüber der Wirklinie von F G verschoben sein. ! Hinweis Normalkraft F N D Gewichtskraft F G gilt nur bei horizontaler Unterlage und dazu paralleler Kraft F. Bei allen zeichnerischen Lösungen ist es zweckmäßig, mit der Resultierenden aus Reibungskraft F R und Normalkraft F N , der Ersatzkraft F e , zu arbeiten (. Abb. 9.61): q (9.55) Fe D FR2 C FN2

Der Winkel zwischen Ersatzkraft F e und Normalkraft F N heißt Reibungswinkel  (Zahlenwerte aus . Tab. 9.2). Aus dem Kräfteplan in . Abb. 9.61 lässt sich in Verbindung mit (9.54) ablesen: FR D Reibungszahl  tan  D FN  D arctan  (9.56)

9.7.2

Haftreibung

Befindet sich der Körper in . Abb. 9.61 in Ruhe, ist eine größere Kraft aufzuwenden (F R0 > F), um den Körper in Bewegung zu setzen: Die Haftreibungskraft F R0 ist größer als die Gleitreibungskraft F R (F R0 > FR ). Man rechnet dann mit der etwas größeren Haftreibungszahl 0 nach . Tab. 9.2. Während die Gleitreibungskraft F R einen festen Wert besitzt, kann die Haftreibungskraft F R0 von null ansteigend jeden beliebigen Wert annehmen, bis die verschiebende Kraft F den Grenzwert F R0 max erreicht hat: FR0 max  FN 0 0 D tan 0 Haftreibungszahl

FR0 max N

FN N

0 1 (9.57)

9.7.3

Bestimmung der Reibungszahlen und Selbsthemmung

Befindet sich ein Prüfkörper der Gewichtskraft F G auf einer schiefen Ebene mit veränderlichem Neigungswinkel ˛ nach . Abb. 9.62 (Versuchsanordnung), ergeben die Gleichgewichtsbedingungen für den frei gemachten ruhenden Prüfkörper: X Fx D 0 D CFR0  FG sin ˛ FR0 D FG sin ˛ X Fy D 0 D CFN  FG cos ˛ FN D FG cos ˛ FR0 FG sin ˛ Daraus folgt D D tan ˛, wie auch das KraftFN FG cos ˛ eck zeigt.

. Abb. 9.62 Bestimmung der Reibungszahl

Es kann nun derjenige Winkel ˛ festgestellt werden, bei dem der Prüfkörper gerade gleichförmig abwärts gleitet. Dann ist nach (9.56) die Beziehung tan ˛ D tan  D Gleitreibungszahl  gefunden: Ebenso wird 0 ermittelt. Der Körper bleibt auf einer schiefen Ebene so lange in Ruhe, d. h. es liegt Selbsthemmung vor, so lange der Neigungswinkel ˛ einen Grenzwinkel 0 nicht überschreitet. Selbsthemmungsbedingung: tan ˛  tan 0 tan ˛  0 0 D arctan 0

9.7.4

(9.58)

Reibungskegel

Ist die Haftreibungszahl 0 (oder bei Gleiten des Körpers die Gleitreibungszahl ) bekannt, ist nach (9.56) bzw. (9.57) auch der Reibungswinkel 0 () gegeben und es kann der Reibungskegel nach . Abb. 9.63 gezeichnet werden. Dazu wird eine um den Reibungswinkel 0 geneigte Gerade um die Pfeilspitze von F G gedreht. Der Körper bleibt so lange in Ruhe, wie die Resultierende F res der äußeren Kräfte innerhalb des Reibungskegels liegt. Jede Mantellinie des Reibungskegels ist eine Wirklinie der aus Reibungskraft F R0 und Normalkraft F N (hier F G D FN ) zusammengesetzten Ersatzkraft F e . Die Wirklinie dieser Ersatzkraft wird bei der zeichnerischen Lösung von Aufgaben mit Reibung immer gebraucht. Beispiel siehe . Abb. 9.66 (Zylinderführung).

9.7.5

Anleitung zur zeichnerischen und rechnerischen Lösung von Reibungsaufgaben

Bei der zeichnerischen Lösung wird die Überlegung benutzt, dass mit der Reibungszahl  nach (9.56) auch der Reibungswinkel  bekannt ist. Damit lässt sich die Wirklinie der Ersatzkraft F e zeichnen. Zweckmäßig fertigt man

192

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

Gesucht: a) die mittlere Geschwindigkeit des Kreuzkopfs b) die Reibungskraft am Kreuzkopf c) der Leistungsverlust infolge Reibung Lösung:

s 2  150  0;5 m m D2nH D D 2;5 t 60 s s b) FR D FN  D 3500 N  0;06 D 210 N c) Reibungsleistung Nm m D 525 W 9 PR D FR v D 210 N  2;5 D 525 s s a) v D

7 Beispiel Die Kurbelwelle einer Brikettpresse hat 24.000 N Gewichtskraft. Ihre Lagerzapfen haben 410 mm Durchmesser. Die Welle trägt ein Schwungrad mit 102.000 N Gewichtskraft; am Kurbelzapfen nimmt sie 7000 N der Schubstangengewichtskraft auf. Die Zapfenreibungszahl beträgt beim Anfahren 0,08.

9

. Abb. 9.63 Reibungskegel. F G Gewichtskraft des Körpers, F Verschiebekraft, F res Resultierende aus F und F G , F N Normalkraft, F R0 Haftreibungskraft, F e Ersatzkraft (Resultierende) aus F N und F R0

eine Lösungsskizze an, in der zuerst die Reibungskraft F R und die Normalkraft F N zur Ersatzkraft F e vereinigt werden (FR ?FN ). Der Winkel zwischen F N und F e ist der Reibungswinkel . Bei der rechnerischen Lösung wird in allen Gleichungen nach (9.54) F R D FN  gesetzt. Dann ergeben sich meist Gleichungen mit einer Unbekannten. 7 Beispiel Zwei glatte Holzbalken liegen in horizontaler Stellung aufeinander, der untere festgeklemmt. Die Gewichtskraft F G des oberen Körpers beträgt 500 N. Um ihn aus der Ruhelage anzuschieben, ist eine parallel zur Auflagefläche wirkende Kraft F 0 D 250 N erforderlich. Beim gleichförmigen Weiterschieben sinkt die Kraft auf F D 150 N. Gesucht: Haft- und Gleitreibungszahl für Holz auf Holz. Lösung: F0 D FR0 max D FN 0 D FG 0 0 D

F0 250 N D 0;5 D FG 500 N

F D FR D FN  D FG  D

150 N F D 0;3 9 D FG 500 N

7 Beispiel Der Kreuzkopf einer Dampfmaschine drückt im Betrieb mit einer mittleren Normalkraft F N D 3500 N auf seine Gleitbahn. Die Drehzahl der Maschine beträgt 150 min1 , der Kolbenhub H D 500 mm. Reibungszahl 0,06.

a) Wie groß ist die gesamte Reibungskraft am Lagerzapfenumfang beim Anfahren? b) Welches Drehmoment ist zur Überwindung der Reibung erforderlich? Lösung: a) FR D FG  D .24:000 C 102:000 C 7000/ N  0;08 FR D 10:640 N b) M D FR r D 10:640 N  0;205 m D 2181;2 Nm 9 7 Beispiel Auf den Kolben eines senkrecht stehenden Dieselmotors wirkt ein Druck mit 10 bar D 10  105 N=m2 , wobei die Pleuelstange um ˛ D 12ı zur Senkrechten geneigt ist. Kolbendurchmesser 400 mm; Reibungszahl zwischen Kolben und Zylinderwand 0,1. Gesucht: a) die Kolbenkraft F k b) die Normalkraft F N zwischen Kolben und Zylinderwand c) die Reibungskraft F R an der Zylinderwand d) die Druckkraft F s in der Pleuelstange

9

193 9.7  Reibung

Lösung: N   a) Fk D p Ak D 10  10 2   .0;4 m/2 D 125:664 N m 4 b) Aus . Abb. 9.10 lassen sich die beiden Gleichgewichtsbedingungen ablesen: P I. Fx D 0 D CFk  FR  Fs cos ˛

9.7.6

Reibung auf der schiefen Ebene

5

Fk  FN  Fs D cos ˛ P II. Fy D 0 D CFN  Fs sin ˛ FN sin ˛ Gleichgesetzt: Fs D

cos ˛ 1 D FN sin ˛ tan ˛     1 1 C  tan ˛ C  D FN Fk D FN tan ˛ tan ˛ Fk  FN  D FN

FN D

125:664 N  0;2126 Fk tan ˛ D D 26:155 N 1 C  tan ˛ 1 C 0;1  0;2126

c) FR D FN  D 26:155 N  0;1 D 2616 N 26:155 N FN D D 125:799 N 9 sin ˛ 0;2079

. Abb. 9.64 Reibung auf der schiefen Ebene. F G Gewichtskraft des Körpers oder Resultierende aller Belastungen, F Verschiebeoder Haltekraft, F R Reibungskraft, F N Normalkraft, F e Ersatzkraft

Lageplan

a

2Kraft wirkt in Richtung der Ebene (. Abb. 9.64a, b)

Kraft F zum gleichförmigen Aufwärtsgang (C) und Abwärtsgang () sin.˛ ˙ / cos  F D FG .sin ˛ ˙  cos ˛/

F D FG

Körper freigemacht

(9.59)

Krafteckskizze und daraus ablesbare Gleichung (59)

sin(α ± ρ ) cos ρ F = FG ·(sin α ± μ · cos α)

F = FG ·

b

(60)

sin(α – ρ ) F = FG · cos ρ 0 0 F = FG · (sin α – μ 0 ·cos α)

c

(61)

F = FG · tan ( α ± ρ) sin α ± μ · cos α F = FG · cos α ± μ ·sin α ±

d) Fs D

Auf der unter dem Winkel ˛ geneigten schiefen Ebene (. Abb. 9.64) befindet sich ein Körper mit der Gewichtskraft F G . Gegeben: Neigungswinkel ˛ > , Gewichtskraft F G , Reibungszahl  (Reibungswinkel ). Gesucht: die parallel zur Ebene wirkende bzw. waagerechte Kraft F. In allen Fällen der Ruhe oder gleichförmigen Bewegung des Körpers müssen die Kräfte F, F G und Fe (Ersatzkraft der Reibungskraft F R und Normalkraft F N ) ein geschlossenes Krafteckt bilden. Die Berechnungsgleichungen (9.59) bis (9.62) können aus den Krafteckskizzen direkt abgelesen werden.

d

(62)

F = FG · tan ( α – ρ0) sin α – μ ·cos α F = FG · cos α + μ0 · sin α 0

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

194

Kraft F zum Halten des Körpers sin.˛  0 / cos 0 F D FG .sin ˛  0 cos ˛/

F D FG

(9.60)

2Kraft wirkt waagerecht (. Abb. 9.64c, d)

Kraft F zum gleichförmigen Aufwärtsgang (C) und Abwärtsgang () F D FG tan.˛ ˙ / sin ˛ ˙  cos ˛ F D FG cos ˛   sin ˛

(9.61)

9

(9.62)

Ist der Neigungswinkel ˛ gleich oder kleiner als der Reibungswinkel  (˛  ) oder kleiner als 0 , liegt Selbsthemmung vor. In den Gleichungen für die Abwärtsbewegung und das Halten des Körpers wird die Kraft F negativ (bei ˛  ), d. h. zur Abwärtsbewegung muss eine abwärts gerichtete Kraft eingesetzt werden und zum Halten ist überhaupt keine Kraft erforderlich (˛  0 ), oder F wird gleich null (˛ D 0 ), d. h. der ruhende Körper bleibt allein gerade noch in Ruhe und der abwärts gleitende Körper gleitet allein weiter (˛ D ). Die Krafteckskizzen in . Abb. 9.64a und c sind für den Fall der gleichförmigen Aufwärtsbewegung gezeichnet; bei der Abwärtsbewegung würde sich die Richtung der Reibungskraft F R umkehren und es könnten die entsprechenden Gleichungen mit negativem Vorzeichen ((9.59) und (9.61)) ebenfalls direkt abgelesen werden. Die beiden Formeln in (9.59) und (9.60) ergeben sich bei der Verwendung von tan  D  in Verbindung mit den entsprechenden Summenformeln der Trigonometrie wie sin.˛ C ˇ/ D sin ˛ cos ˇ C cos ˛ sin ˇ. Die rein rechnerische PBehandlung Pmit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen Fx D 0, Fy D 0 liefert die gleichen Beziehungen, jedoch ist der mathematische Aufwand größer.

9.7.7 9.7.7.1

Wird II. in III. eingesetzt, so ergibt sich: F1  Verschiebekraft 2 sin ˛ F1 D  0 F1 FD sin ˛ Darin ist die Keilnut-Reibungszahl 0  0 D sin ˛ FD2

Kraft F zum Halten des Körpers F D FG tan.˛  0 / sin ˛  0 cos ˛ F D FG cos ˛ C 0 sin ˛

. Abb. 9.65 Keilnutreibung; Schlitten frei gemacht. F 1 Resultierende aller Belastungen

9.7.7.2

(9.64)

Zylinderführung

Die Führungsbuchse (. Abb. 9.66) klemmt sich fest, solange die Wirklinie der resultierenden Verschiebekraft F durch die Überdeckungsfläche der beiden Reibungskegel geht. Dann stehen die Stützkräfte (Ersatzkräfte aus Reibungskraft F R und Normalkraft F N ) mit der Kraft F im Gleichgewicht; ihre Wirklinien schneiden sich in einem Punkt, der innerhalb der Überdeckungsfläche liegt. Die drei Gleichgewichtsbedingungen ergeben: X I: Fx D 0 D CFR1 C FR2  F X II: Fy D 0 D CFN1  FN2 also F N1 D FN2 und damit auch F R1 D FR2 X III: M.II/ D 0 D FR1 d C FN1 l  F.la  d=2/

Reibung in Getrieben Keilnutreibung

Die Anwendung der drei Kraft-Gleichgewichtsbedingungen für den frei gemachten Schlitten (. Abb. 9.65) ergibt: X I: Fx D 0 D FN cos ˛  FN cos ˛ X F1 II: Fy D 0 D 2FN sin ˛  F1 ! FN D 2 sin ˛ X III: Fz D 0 D F  2FR D F  2FN 

(9.63)

. Abb. 9.66 Kräfte an einer Zylinderführung

9

195 9.7  Reibung

Mit F R D FN  und F D 2FR aus Gleichung I wird Gleichung III weiterentwickelt:   d D0 III: FN d  FN l C 2FN  la  2 d d  l C 2la  2 D 0 2 Daraus ergibt sich die Führungslänge l D 2la

l la  mm mm 1

(9.65)

Bei l < 2 la klemmt sich die Buchse fest, bei l > 2la gleitet sie. Festklemmen oder Gleiten ist unabhängig von der verschiebenden Kraft F. 9.7.7.3

sind die Ersatzkräfte aus Reibungskraft und Normalkraft. Aus  D tan  sind die Reibungswinkel 1 und 2 bekannt, sodass die Wirklinien der Ersatzkräfte F e1 , F e2 festliegen. Wird im Kräfteplan die gegebene Kraft F 1 gezeichnet, kann durch Parallelverschiebung der Wirklinien der Ersatzkräfte das geschlossene Krafteck 1 gezeichnet werden. F0e2 D Fe2 ist die Reaktionskraft von F e2 . Im gesamten Getriebe sind beides innere Kräfte, also gleich groß, gegensinnig und auf gemeinsamer Wirklinie liegend. Mit 2 und 3 sind am Keil 2 die Wirklinien der dort angreifenden Ersatzkräfte F0e2 , F e3 bekannt, sodass durch Parallelverschiebung der Wirklinien von F eŠ3 und F das Krafteck 2 an 1 angeschlossen werden kann. Die Zerlegung der Ersatzkräfte F e in Reibungskraft F R und Normalkraft F N vervollständigt den Kräfteplan. Die gesuchte Verschiebekraft F kann daraus abgemessen werden.

Keilgetriebe

Durch Verschieben des Keils 2 in Richtung der Kraft F wird der mit F 1 belastete Stößel 1 angehoben (. Abb. 9.67). Zeichnerisch und rechnerisch soll die Verschiebekraft F bestimmt werden. Gegeben: F 1 , Reibungszahlen 1 , 2 , 3 und Winkel ˛. 1 Zeichnerische Lösung

Zuerst sind die Lagepläne der frei gemachten Teile 1 und 2 zu zeichnen. Da F 1 gegeben ist, wird mit Stößel 1 begonnen. Auf ihn wirken die drei Kräfte F 1 , F e1 , F e2 , letztere 1 Rechnerische Lösung

Neben der analytischen P Lösung mit P Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen Fx D 0, Fy D 0 wird häufig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Krafteck zu skizzieren (Krafteckskizze) und trigonometrisch auszuwerten, z. B. wie hier mit dem Sinussatz. Aus . Abb. 9.67 liest man ab: F1 sin ˇ sin Œ90ı  .˛ C 1 C 2 / D D Fe2 sin  sin .90ı C 1 / cos .˛ C 1 C 2 / F1 D und I: Fe2 cos 1 sin ı F sin .˛ C 2 C 3 / D D Fe2 sin " sin .90ı  3 / sin .˛ C 2 C 3 / F D II: Fe2 cos 3 F Œsin .˛ C 2 C 3 / cos 1 D F1 .cos 3 / cos .˛ C 1 C 2 / Daraus ergibt sich die Verschiebekraft

. Abb. 9.67 Keilgetriebe. Kräfte beim Anheben des Stößels

F D F1

sin .˛ C 2 C 3 / cos 1 cos .˛ C 1 C 2 / cos 3

(9.66)

196

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

Mit gleichen Reibungszahlen wird 1 D 2 D 3 und die Verschiebekraft F D F1

sin .˛ C 2/ cos  D F1 tan.˛ C 2/ cos .˛ C 2/ cos 

(9.67)

Ohne Reibung ( D 0) wäre die ideelle Verschiebekraft F i D F1 tan ˛. Damit ergibt sich der Wirkungsgrad des Keilgetriebes beim Heben der Last F1 tan ˛ Fi D F F1 tan .˛ C 2/ tan ˛ D tan .˛ C 2/ D

(9.68)

Die Haltekraft F 0 , die ein Herausdrücken des Keils verhindert, ist F 0 D F1 tan.˛  2/

9

(9.69)

Ist der Neigungswinkel ˛ < 20 , wird F0 negativ, d. h. das Keilgetriebe ist selbsthemmend; um es zu lösen, muss eine Kraft F0 den Keil herausziehen. 9.7.7.4

Schraube

Bewegungsschraube mit Rechteckgewinde (. Abb. 9.68)

Das Anziehen (Heben der Last) oder Lösen (Senken der Last) einer Bewegungsschraube entspricht dem Hinaufschieben oder Herabziehen einer Last auf einer schiefen Ebene durch eine waagerechte Umfangskraft, wie es in den . Abb. 9.64c, d dargestellt ist. Bezeichnungen:

. Abb. 9.68 Kräfte am Flachgewindegang und Schraubenlängskraft am Gang eines Spitzgewindes

Ohne Reibung ( D 0) wäre die ideelle Umfangskraft F i D F tan ˛. Damit ergibt sich der Wirkungsgrad der Bewegungsschraube F tan ˛ Fi D (9.73) Fu F tan.˛ C / beim Anziehen oder Heben tan ˛ D tan.˛ C / der Mutter durch die Schraube tan.˛  / beim Absinken der Mutter D (absinkende Mutter dreht Schraube) tan ˛ D

Selbsthemmung tritt auf bei ˛  0 , das Drehmoment M wird dann negativ oder null; negatives M muss dann zum Lösen (Senken) aufgebracht werden. Im Grenzfall ˛ D 0 ist der Wirkungsgrad D

tan ˛  0;5 tan 2˛

(9.74) Schraubenlängskraft (Vorspannkraft in der Schraube), 1 Bewegungsschraube mit Spitz- und Trapezgewinde Umfangskraft, angreifend am Flankenradius r2 , Fu Nach . Abb. 9.68 ist die rechtwinklig zur Fläche des Reibungskraft im Gewinde, FR Gewindegangs stehende Komponente der SchraubenlängsNormalkraft, FN kraft F die Normalkraft F N D F= cos.ˇ=2/. ˛ Steigungswinkel der mittleren Gewindelinie, Die Reibung im Gewinde ist damit größer als beim P Steigung der Schraubenlinie, Flachgewinde:  Reibungswinkel, F tan  D  Reibungszahl im Gewinde. (9.75) FN  D  cos ˇ2 In den Gewindenormen heißt der Flankendurchmesser d2 . Man setzt nun F

tan ˛ D

P P D 2  r2   d2

(9.70)

Unter Verwendung der hier gültigen Formelzeichen wird nach (9.61) die Umfangskraft beim Anziehen (C) und beim Lösen () der Schraube Fu D F tan.˛ ˙ /

(9.71)

Die Umfangskraft F u wirkt am Flankenradius r2 als Hebelarm; somit ergibt sich das erforderliche Drehmoment beim Anziehen (C) und beim Lösen () der Schraube M D Fu r2 D F tan.˛ ˙ /r2

(9.72)

 cos ˇ2

D 0 D tan 0

(9.76)

und kann damit die oben für das Rechteckgewinde aufgestellten Beziehungen (9.71) bis (9.73) auch für Schrauben mit Spitz- oder Trapezgewinde benutzen, wenn man  durch 0 bzw.  durch 0 ersetzt. Für Trapezgewinde nach DIN 103 ist ˇ D 30ı

0 D 1;04 

Für Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13 ist ˇ D 60ı

0 D 1;15 

9

197 9.7  Reibung

1 Befestigungsschraube mit Spitzgewinde

Durch das Anziehen der Mutter (oder der Schraube) nach . Abb. 9.69 mit dem Anziehdrehmoment MA D Fh l

(9.77)

wird in der Schraubenverbindung die Schraubenlängs(Vorspann-)kraft F V erzeugt. Sie presst die verbindenden Teile aufeinander. Dem Anziehdrehmoment M A wirken das Gewindereibungsmoment M RG und das Auflagereibungsmoment M RA entgegen. . Abb. 9.69 zeigt die Auflagereibungskraft F RA mit einem angenommenen Wirkabstand rA D 1;4 r für Sechskantmuttern, r D d=2 mit d D Gewindeaußendurchmesser. Die Auflagereibungskraft F RA wird mit A als Reibungszahl der Mutterauflage:

7 Beispiel Die Zylinderkopfschrauben M10 eines Verbrennungsmotors sollen mit einem Drehmoment von 60 Nm angezogen werden. Die Reibungszahl an der Kopfauflage ist 0,15, im Gewinde beträgt sie 0 D 0;25. Mit welcher Kraft presst jede Schraube den Zylinderkopf auf den Zylinderblock? Lösung: Für M10 ist der Flankenradius r2  4;5 mm und ˛ D 3;03ı 0 D tan 0 D 0;25

0 D 14ı

tan.˛ C 0 / D 0;306

ra D 1;4r D 7 mm

MA FV D r2 tan .˛ C 0 / C A rA 60  103 Nmm FV D 4;5 mm  0;306 C 0;15  7 mm FV D 24:707  24;71 kN 9

FRA D FV A und damit das Auflagereibungsmoment MRA D FV A rA

9.7.8

Lagerreibung

(9.78) 9.7.8.1

Wird (9.71) für das Gewindereibungsmoment M RG eingesetzt, ergibt sich das Anziehdrehmoment zum Anziehen (C) und zum Lösen () einer Schraubenverbindung:

0

MA D FV r2 tan.˛ ˙  / ˙ A rA



(9.79)

Für Gewinde mit metrischem Profil (Stahl auf Stahl) setzt man für Überschlagsrechnungen: 0 D tan 0 D 0;25; 0 D 14ı und A D 0;15; ebenso für rA D 1;4 r

Tragzapfenreibung, Querlager (. Abb. 9.70)

Die mittlere Flächenpressung im Lager beträgt pm D

F dl

N mm2

F d; l N mm

(9.80)

Bei trockener (Anlauf) und halbflüssiger Reibung (Mischreibung) verlagert sich der Angriffspunkt von F0 D F um l entgegen der Drehrichtung. Die Reibungskraft ist dann F R D  FN D FN tan  D F sin . Setzt man sin  D  D Zapfenreibungszahl, wird das dem Wellendrehmoment entgegengerichtete Reibungsmoment MR D F r

. Abb. 9.69 Befestigungsschraube. F V Vorspannkraft, F h Handkraft, F RA Auflagereibungskraft

pm

MR F  Nm N 1

r m

(9.81)

. Abb. 9.70 Kräfte bei trockener Tragzapfenreibung. F Wellenbelastung, F N Normalkraft, F R Lagerreibungskraft, M Wellendrehmoment, M R Reibungsmoment

198

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

Dreht sich der Lagerzapfen mit der Umfangsgeschwindigkeit v D !r D 2 nr (mit ! Winkelgeschwindigkeit, r Zapfenradius, n Drehzahl), beträgt die Reibungsleistung F r   n 30 PR MR ! F Nm 1 N D W Nm s s

PR D MR ! D

r

n

m min1

(9.82) 9.7.9

Die Zapfenreibungszahl  ist empirisch zu bestimmen. Bei Flüssigkeitsreibung trennt ein Schmiermittelfilm Zapfen- und Schalenwerkstoff; es bildet sich ein Ölkeil aus, der den Zapfen aus der Mittellage in Drehrichtung verlagert (im Gegensatz zur trockenen Reibung oder Mischreibung). Tatsächlich sind die Verhältnisse bei der Lagerreibung sehr kompliziert, weil sich keine Gesetzmäßigkeiten zur Druckverteilung und Zapfenreibungszahl aufstellen lassen. 9.7.8.2

9

Spurzapfenreibung, Längslager (. Abb. 9.71)

Die Wirklinie der Belastung F fällt mit der Drehachse der Welle zusammen. Den Wirkabstand der Reibungskraft F R nimmt man mit rm D .r1 C r2 /=2 an. Wie bei der Tragzapfenreibung rechnet man mit der Reibungskraft F R D F, worin  die Spurzapfenreibungszahl ist, die ebenfalls empirisch bestimmt werden muss. Damit wird das Reibungsmoment MR D Frm

MR F  Nm N 1

Meistens wird der Zapfen nach . Abb. 9.71 zentrisch ausgespart, um den in Richtung der Drehachse wachsenden Druckanstieg zu vermeiden. Die Bohrung kann der Schmiermittelzufuhr dienen. Für den Vollspurzapfen wird rm D .0 C r2 /=2 D r2 =2 in die Gleichungen eingesetzt.

rm m

(9.83)

Die Haftreibung zwischen Rollkörpern (Rad, Walze, Kugel) und einer ebenen Fahrbahn verursacht das Rollen. Der Rollkörper drückt sich etwas in die Fahrbahn ein, sodass zur Überwindung des Rollwiderstands F R bei konstanter Geschwindigkeit des Körpers eine treibende Kraft F erforderlich wird. Nach . Abb. 9.72 steht die Resultierende F res aus Last F 1 und Rollkraft F im Gleichgewicht mit der Ersatzkraft F e aus Rollwiderstand F R (Rollreibung) und Normalkraft F N . Die Gleichgewichtsbedingungen lassen sich ablesen: X I: Fx D 0 D CF  FR X

II:

III:

X

PR D MR ! D

n min1

(9.84)

F D FR Fy D 0 D CFN  F1 FN D F1

M.D/ D 0 D Fr C F1 f

daraus die Rollkraft F D F1

und die Reibungsleistung F  rm   n 30 PR MR ! F rm Nm 1 N m D W Nm s s

Rollreibung (Rollwiderstand)

f r

F N

F1 N

f r cm cm

(9.85)

Nach . Abb. 9.72 wurde für die Höhe h der Radius r eingesetzt, was bei metallischen Wälzkörpern auf metallischer Unterlage wegen der geringen Eindringtiefe zulässig ist. Der Wert „f “ in cm wird als Hebelarm der Rollreibung bezeichnet; es ist ein reiner Erfahrungswert. Für Stahlräder auf Stahlschienen setzt man f  0;05 cm, für gehärtete Stahlkugeln auf Laufringen f  0;0005 bis 0,001 cm.

. Abb. 9.71 Spurzapfenreibung

. Abb. 9.72 Rollreibung; Rollkörper auf ebener Fahrbahn. F 1 Belastung, F treibende Kraft, F N Normalkraft, F R Rollwiderstand

9

199 9.7  Reibung

. Tabelle 9.3 Fahrwiderstandszahlen f Schienenfahrzeuge (Bahn)

0,0025

Straßenbahn mit Wälzlagern

0,005

Straßenbahn mit Gleitlagern

0,018

Kraftfahrzeuge auf Asphalt

0,025

Drahtseilbahnen

0,01

. Abb. 9.73 Seilreibung

Damit kein Gleiten auftritt, muss der Rollwiderstand F R kleiner sein als die Haftreibung zwischen Rollkörper und Fahrbahn. Rollbedingung: FR < 0 FN

9.7.10

oder

f < 0 r

(9.86)

Wird ein Fahrzeug mit konstanter Geschwindigkeit auf horizontaler Fahrbahn fortbewegt, ist, abgesehen vom Luftwiderstand, außer dem Rollwiderstand noch der durch Lagerreibung entstehende Widerstand zu überwinden. Man fasst beide zusammen zum Fahrwiderstand Ff N

f 1

FN N

(9.87)

Darin sind F N die gesamte Normalkraft (Anpresskraft) des Fahrzeugs; bei horizontaler Bahn ist F N die Gesamtgewichtskraft F G des Fahrzeugs; f ist die Fahrwiderstandszahl; hierfür kann nach . Tab. 9.3 gesetzt werden: Damit kein Gleiten auftritt, muss der Fahrwiderstand F f kleiner sein als die Haftreibung zwischen Rad und Fahrbahn. Rollbedingung bei horizontaler Bahn: Ff <  0 FN f < 0

FR D F1  F2 D F2 .e ˛  1/ FR D F1

e˛  1 e˛

(9.88)

Bei geneigter Fahrbahn wird die Zugkraft am Fahrzeug meist stärker durch die Abtriebskomponente der Gewichtskraft beeinflusst als durch den Fahrwiderstand.

e ˛ 1

(9.90)

7 Beispiel Um einen horizontal feststehenden Zylinder ist ein Hanfseil viermal geschlungen. Welche Last F G darf das eine Ende des Seiles höchstens tragen, wenn am anderen Ende eine Handkraft von 150 N die Last bei 0 D 0;3 halten soll? Lösung: F1 D FG

F2 D 150 N

F1 D F2 e

0 ˛

D 150 N  e0;38  D 150 N  1882

F1 D FG D 282:224 N 9 7 Beispiel Das Lastseil eines 4-fach umschlungenen Spillkopfs soll eine Zugkraft von 5000 N aufbringen. Mit welcher Handkraft muss das Seil gezogen werden und welche Umfangskraft am Spillkopf hat der Antriebsmotor aufzubringen? 0 D 0;15. Lösung: Handkraft

9.7.11

FR ; F 1 ; F2 N

Die Seilreibungskraft F R ist die größte Umfangskraft, die eine Seil-, Band- oder Riemenscheibe übertragen kann.

Fahrwiderstand

Ff D Fn f

Am umspannten Teil der Scheibe beträgt die Seilreibungskraft

Seilreibung

Umfangskraft

F1 5000 N D 0;158  D 115 N  ˛ 0 e e Fu D F1  F2 F2 D

Fu D 5000 N  115 N D 4885 N 9

Seilreibung (. Abb. 9.73) liegt vor, wenn um eine gegen Drehung gesicherte Scheibe ein vollkommen biegsames Zugmittel liegt. Durch die Reibungskraft F R zwischen Zugmittel und Scheibe wird die Spannkraft F 1 größer als die Gegenkraft F 2 . Bei Gleichgewicht ist F1 D F2 e ˛ 

(9.89) Reibungszahl zwischen Zugmittel und Scheibe;

˛ D 2 ˛ ı =360ı ˛ D ˛ ı =57;3ı Umschlingungswinkel im Bogenmaß.

9.7.12 9.7.12.1

Rolle und Rollenzug Feste Rolle (Leit- oder Umlenkrolle)

Durch die Reibung zwischen Rolle und Rollenbolzen und infolge des Biegewiderstands des Seils ist zum Heben der Last F 1 in . Abb. 9.74 eine Zugkraft F > F1 erforderlich. Diese Erfahrung wird im Wirkungsgrad der festen Rolle f erfasst, der das Verhältnis vom Nutzen zum Aufwand ausdrückt. Für einen beliebigen Weg s der Last F 1 und der

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

200

. Abb. 9.74 Feste Rolle

. Abb. 9.75 Lose Rolle

9

Zugkraft F ist damit der Wirkungsgrad der festen Rolle: f D

F1 s F1 D Fs F

(9.91)

Wirkungsgrad für Ketten und Seile f  0;96 bei Gleitlagerung und f  0;97 bis 0,98 bei Wälzlagerung. 9.7.12.2

Lose Rolle (. Abb. 9.75)

Die am Rollbolzen hängende Last F 1 verteilt sich auf zwei Seilenden. Es ist der Kraftweg sf D 2  Lastweg sg .Übersetzung i D 2/ Nach (9.91) ist F D F0 =f , außerdem F 1 D F C F0 und damit der Wirkungsgrad L der losen Rolle: L D

F1 sg .F C F0 /sg F C F f 1 C f D D D F sf 2F sg 2F 2 (9.92)

9.7.12.3

Rollenzug (Flaschenzug)

Rollenzüge sind Übersetzungsmittel zwischen Zugkraft F und Last F 1 (. Abb. 9.76). Die festen und losen Rollen sind in den so genannten Flaschen gelagert und können untereinander oder nebeneinander liegen. In . Abb. 9.76 wirkt F nach oben, das freie Seilende läuft von einer losen Rolle ab. Soll F nach unten gerichtet sein, muss das Seil noch über die Umlenkrolle (linkes Bild) geführt werden. Es läuft dann von einer festen Rolle ab. Bezeichnet n die Rollenzahl des Rollenzugs (ohne Umlenkrolle), so ist die Zahl der tragenden Seilstränge immer n C 1. Der Kraftweg sf D Länge des ablaufenden Seils ist demnach: sf D .n C 1/sg

(9.94)

Ohne Verluste ist die Zugkraft F 0 D F1 =.n C 1/. Mit r D Wirkungsgrad des Rollenzugs (. Tab. 9.4) ergibt sich die Zugkraft

und die Zugkraft FD

. Abb. 9.76 Rollenzug mit n D 3 und n D 4 Rollen

F1 f C 1

(9.93) FD

Mit f D 0;95 wird L D .1 C 0;95/=2 D 0;975; d. h. der Wirkungsgrad der losen Rolle ist größer als derjenige der festen Rolle. In der Praxis rechnet man jedoch für beide mit f D L D  D 0;95.

F1 r .n C 1/

(9.95)

Seil läuft von loser Rolle ab. Läuft das Seil von einer festen Rolle (Umlenkrolle) ab, ist noch der Wirkungsgrad der festen Rolle f zu berück-

. Tabelle 9.4 Wirkungsgrad r des Rollenzugs in Abhängigkeit von der Rollenzahl (ohne Umlenkrolle) n

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

r

0,975

0,951

0,927

0,904

0,881

0,859

0,838

0,817

0,796

0,776

9

201 9.7  Reibung

sichtigen: FD

F1 r f .n C 1/

(9.96)

Seil läuft von fester Rolle (Umlenkrolle) ab. 9.7.13

Bremsen . Abb. 9.79 Backenbremse mit tangentialem Drehpunkt D; Kräfte auf den Hebel

In den Skizzen erscheinen die Bauteile nicht frei gemacht im Sinn von 7 Abschn. 9.1.6. (F Bremskraft, M Bremsmoment, P Wellenleistung) 1 Backenbremse mit überhöhtem Drehpunkt (. Abb. 9.77)

F D FN

.l1 ˙  l2 / l

.C/ bei Rechtslauf ./ bei Linkslauf

Selbsthemmung bei Linkslauf, wenn l1 < l2 ist. 1 Backenbremse mit unterzogenem Drehpunkt (. Abb. 9.78)

.l1   l2 / F D FN l

Die Normalkraft F N in (9.97) bis (9.99) ist entweder aus den Gleichgewichtsbedingungen am frei gemachten Hebel zu ermitteln oder aus gegebenem Bremsmoment M D FR r D FN r.

1 Einfache Bandbremse (. Abb. 9.80) (9.97) l M D FR r D Fr .e ˛  1/ l1

(9.100)

1 Summenbremse (. Abb. 9.81)

./ bei Rechtslauf .C/ bei Linkslauf

M D FR r D Fr

l e˛  1 l1 e˛ C 1

(9.98) 1 Differenzbremse (. Abb. 9.82) Selbsthemmung tritt auf bei Rechtslauf, wenn l1 < l2 ist. e˛  1 M D FR r D Flr l2  l1 e˛ 1 Backenbremse mit tangentialem Drehpunkt (. Abb. 9.79) 1 Bremszaum (. Abb. 9.83) l1 n P FG l F D FN (9.99) FG l n l PD kW N m min1 9550 Selbsthemmung tritt nicht auf.

. Abb. 9.77 Backenbremse mit überhöhtem Drehpunkt D; Kräfte auf den Hebel

. Abb. 9.80 Einfache Bandbremse

. Abb. 9.78 Backenbremse mit unterzogenem Drehpunkt D; Kräfte auf den Hebel

. Abb. 9.81 Summenbremse

(9.101)

(9.102)

(9.103)

202

Kapitel 9  Statik starrer Körper in der Ebene

7 Beispiel Eine Backenbremse (. Abb. 9.77) hat folgende Maße: l D 870 mm; l1 D 120 mm; l2 D 80 mm; r D 190 mm. Bei Rechtslauf der Bremsscheibe mit n D 400 1=min soll eine Leistung von P D 10 kW abgebremst werden. Gesucht: a) das erforderliche Bremsmoment, b) die Reibungskraft am Scheibenumfang, c) die Normalkraft an der Bremsbacke bei  D 0;5, d) die erforderliche Gewichtskraft F G und die Stützkraft F D im Hebellager D.

. Abb. 9.82 Differenzbremse

Lösung: a) Bremsmoment 10 P D 9550  Nm n 400 M D 238;75 Nm M D 9550

b) Reibungskraft

9

FR D

238;75 Nm M D r 0;19 m

FR D 1257 N c) Normalkraft . Abb. 9.83 Bremszaum

FN D

1 Bandbremszaum (. Abb. 9.84)

FN D 2514 N

Die Bandkräfte F und F G werden mit Federwaage und Zuggewicht gemessen. Daraus die Wellenleistung: PD

.FG  F / r n 9550

P FG ; F kW N

1257 N FR D  0;5

d) Gewichtskraft .l1 C  l2 / l .120 C 0;5  80/ mm FG D 2514 N  870 mm FG D 462 N

r n m min1

FG D F D FN

(9.104)

Aus den Gleichgewichtsbedingungen für den frei gemachten Bremshebel wird die Stützkraft F D berechnet: I:

II:

X

Fx D 0 D CFR  FDx

FDx D FR D 1257 N X Fy D 0 D CFN  F  FDy FDy D FN  F D 2514 N  462 N

III:

. Abb. 9.84 Bandbremszaum

FDy D 2052 N X M D 0 hier nicht mehr nötig p FD D .1257 N/2 C .2052 N/2 FD D 2406 N 9

203

Dynamik Gert Böge und Wolfgang Böge

Bewegungslehre (Kinematik)

10.1 10.1.1

Bewegungsablauf

Zur Kennzeichnung des Bewegungsablaufs unterteilt man zeitlich (Bewegungszustand) in Ruhe, gleichförmige und ungleichförmige Bewegung; geometrisch (Bewegungsbahn) in geradlinige und krummlinige Bewegung (z. B. auf der Kreisbahn). Die ungleichförmige Bewegung heißt auch beschleunigte oder verzögerte Bewegung. Sie ist entweder gleichmäßig oder ungleichmäßig beschleunigt bzw. verzögert. Bewegungen der Punkte und Körper in der Technik sind Kombinationen von Bewegungszuständen und Bewegungsbahnen, z. B. 4 geradlinig gleichförmige Bewegung (Vorschubbewegung an Werkzeugmaschinen), 4 kreislinig gleichförmige Bewegung (an Dreh- und Bohrmaschine), 4 geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung (freier Fall), 4 kreislinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung (Anund Auslauf der Spannfutter an Werkzeugmaschinen), 4 geradlinig ungleichmäßig beschleunigte Bewegung (Stößel an der Stoßmaschine).

10.1.2

Geradlinige Bewegung des Punktes

10.1.2.1

Gleichförmige Bewegung

Bei gleichförmiger Bewegung werden in gleichen Zeitabschnitten t (z. B. eine Sekunde) gleiche Wegabschnitte s zurückgelegt. Die Geschwindigkeit v ist zu jedem Zeitpunkt gleich groß:

vD

v s m m s t D t2  t1

s ¶ tan ˛ t

s D s2  s1

t s

(10.1)

(10.1) ist zugleich die Gleichung für die Durchschnittsgeschwindigkeit.

. Abb. 10.1 s; t-, v; t- und a; t-Diagramm der gleichförmigen Bewegung

Aufgaben der Bewegungslehre lassen sich leichter lösen, wenn das v, t-Diagramm aufgezeichnet und ausgewertet wird (Skizze genügt). Der zurückgelegte Weg wird immer durch die schraffierte Fläche unter der Geschwindigkeits-Zeit-Linie dargestellt (. Abb. 10.1). Dadurch ist der Bewegungsablauf bildlich vorgeführt und durch geometrische Betrachtung der Rechnung leichter zugänglich, besonders bei ungleichförmiger Bewegung.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_10

10

204

Kapitel 10  Dynamik

7 Beispiel Ein Fahrzeug fährt gleichförmig mit einer Geschwindigkeit von 80 km=h. Welchen Weg legt er in 10 min zurück? Lösung: km  10 min h km min D 13;33 km 9 s D 80  10 60 min

s D v t D 80

10.1.2.2

Ungleichförmige Bewegung

Bei ungleichförmiger Bewegung werden in gleichen Zeitabschnitten t (z. B. in einer Sekunde) ungleiche Wegabschnitte s zurückgelegt. Die Geschwindigkeit v ist also zu jedem Zeitpunkt verschieden groß, im Gegensatz zur gleichförmigen Bewegung. Technisch besonders wichtig ist die 1 Gleichmäßig beschleunigte oder verzögerte Bewegung

10

Hierbei ist die Beschleunigung a konstant. Das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm zeigt also eine zur x-Achse parallele Gerade (. Abb. 10.2). Die Weg-Zeit-Kurve ist eine Pa-

. Abb. 10.3 v; t-Diagramm der gleichmäßig beschleunigten Bewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit (va D 0)

rabel. Die Geschwindigkeit im Punkt A entspricht tan ˛ (Tangentenneigung). Zur rechnerischen Behandlung sollte immer das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm gezeichnet werden, weil in jedem Fall die Fläche unter der Geschwindigkeits-Zeit-Linie dem zurückgelegten Weg s entspricht. Mit der Grundgleichung für gleichmäßig beschleunigte Bewegungen: Beschleunigung (Verzögerung) aD

v ¶ tan ˇ t

v D v2  v1 t D t2  t1

(10.2)

und der geometrischen Auswertung des v; t-Diagramms ergeben sich alle übrigen Berechnungsgleichungen. Endgeschwindigkeit (. Abb. 10.3) p (10.3) ve D at = 2 a s Weg s ¶ Dreiecksfläche sD

ve t a t 2 v2 D D e 2 2 2a

Zeit ve t D D a

r

2s a

(10.4)

(10.5)

Beschleunigung aD

v v2 2s D e D t 2s t 2

Endgeschwindigkeit (. Abb. 10.4) q ve D va C a t D va2 C 2 a s

(10.6)

(10.7)

Weg s ¶ Trapezfläche oder Rechteck C Dreieck

. Abb. 10.2 s; t-, v; t- und a; t-Diagramm der gleichmäßig beschleunigten Bewegung (mit Anfangsgeschwindigkeit va )

s D va t C

at 2 va C ve D t 2 2

(10.8)

10

205 10.1  Bewegungslehre (Kinematik)

. Abb. 10.4 v; t-Diagramm der gleichmäßig beschleunigten Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit va

Verzögerung

Zeit ve C va va t D D ˙ a a

r  v 2 a

a

C

2s a

(10.9)

Beschleunigung (. Abb. 10.5) a D

. Abb. 10.6 v; t-Diagramm der gleichmäßig verzögerten Bewegung mit Endgeschwindigkeit ve

ve  va v 2  va2 D e t 2s

Anfangsgeschwindigkeit p va D a t D 2 a s

aD

v v2 2s D a D t 2s t 2

Endgeschwindigkeit (. Abb. 10.6) (10.10)

ve D va  at D

(10.11)

r

2s a

(10.15)

s D va t 

at 2 va C ve D t 2 2

(10.16)

Zeit (10.12)

Zeit va D t D a

q va2  2 a s

Weg s ¶ Trapezfläche oder Rechteck C Dreieck

Weg s ¶ Dreiecksfläche va t at 2 v2 s D D D a 2 2 2a

(10.14)

va  ve va t D DC ˙ a a

r  v 2 a

a



2s a

(10.17)

Verzögerung (10.13) aD

va  ve v 2  ve2 D a t 2s

(10.18)

7 Beispiel Ein Fahrzeug wird in 10 s gleichmäßig beschleunigt bis auf die Geschwindigkeit von 45 km=h, mit der es sich gleichförmig fortbewegt. Am Fahrtende wird es auf 15 m zum Stillstand gebracht. Die gesamte Fahrstrecke beträgt 500 m (siehe v; t-Diagramm . Abb. 10.7). Gesucht: Beschleunigung, Anfahrweg, Bremszeit, Verzögerung, gesamte Fahrzeit. Lösung: Beschleunigung a1 . Abb. 10.5 v; t-Diagramm der gleichmäßig verzögerten Bewegung ohne Endgeschwindigkeit (ve D 0)

a1 D

12;5 ms v m v D D 1;25 2 D t t1 10 s s

206

Kapitel 10  Dynamik

. Abb. 10.7 v; t-Diagramm . Abb. 10.9 v; t-Diagramm des senkrechten Wurfs mit verbleibender Endgeschwindigkeit ve

Anfahrweg s1 s1 D

12;5 ms  10s v t1 D D 62;5 m 2 2

2Senkrechter Wurf (ohne Luftwiderstand) (. Abb. 10.9)

Tritt auf als eine gleichmäßig verzögerte Bewegung mit der Verzögerung g D 9;81 m=s2 (negative Fallbeschleunigung). Steiggeschwindigkeit (im Umkehrpunkt ist ve D 0) p (10.22) ve D va  g t D va  2 g h

Verzögerung a3 2

12;52 ms2 m v2 D 5;2 2 a3 D D 2s3 2  15 m s gesamte Fahrzeit

10

t2 D

500 m  62;5 m  15 m s2 D D 33;8 s v 12;5 ms

Steighöhe g t2 2

12;5 ms v D D 2;4 s t3 D a3 5;2 sm2

h D va t 

t1 D 10 s

maximale Steighöhe

tges D 46;2 s 9

hD

2Freier Fall (ohne Luftwiderstand) (. Abb. 10.8)

Tritt auf als gleichmäßig beschleunigte Bewegung, bei der alle Körper die gleiche Fallbeschleunigung g D 9;81 m=s2 besitzen. p (10.19) Fallgeschwindigkeit v D g t D 2 g h Fallhöhe Fallzeit

g t2 v2 vt hD D D 2 2g 2 s 2h 2h v D D tD v g g

(10.20) (10.21)

(10.23)

g t2 va t va2 D D 2g 2 2

Steigzeit va  va  ve tD D g

p

(10.24)

va2  2gh g

maximale Steigzeit s 2h 2h va D D tD g va g

(10.25)

(10.26)

2Horizontaler Wurf (ohne Luftwiderstand) (. Abb. 10.10)

Tritt auf als die Überlagerung der waagerechten gleichförmigen Bewegung mit der Anfangsgeschwindigkeit vx D va und der rechtwinkligen Fallbewegung vy D gt. Geschwindigkeit in einem Bahnpunkt q q (10.27) v D vx2 C vy2 D va2 C . gt/2 Geschwindigkeit nach der Fallhöhe h q v D va2 C 2gh

(10.28)

Fallhöhe nach der Wurfweite w . Abb. 10.8 v; t-Diagramm des freien Falls ohne Anfangsgeschwindigkeit (va D 0)

hD

g w2 2va2

(10.29)

10

207 10.1  Bewegungslehre (Kinematik)

. Abb. 10.12 v; t-Diagramm zum Beispiel senkrechter Wurf und freier Fall

. Abb. 10.10 Horizontaler Wurf (ohne Luftwiderstand)

Geschwindigkeit in x-Richtung

2Wurf schräg nach oben (ohne Luftwiderstand) (. Abb. 10.11)

Tritt auf als die Überlagerung von geradlinig gleichförmiger Bewegung mit freiem Fall. Wurfweite (Größtwert bei ˛ D 45ı ) wD

va2 sin 2˛ g

2 va sin ˛ w D va cos ˛ g

(10.31)

(10.32)

(10.35)

7 Beispiel Ein Stein wird senkrecht nach oben geworfen und schlägt nach 4 s wieder auf. Wie groß waren die Steighöhe h und die Anfangsgeschwindigkeit va (. Abb. 10.12)?

hD va D

Wurfarbeit W D m g h D FG h

Geschwindigkeit in y-Richtung

Lösung: Wie das v; t-Diagramm zeigt, wird die Steighöhe h während t D 4 s zweimal zurückgelegt, also

Wurfhöhe v 2 sin2 ˛ hD a 2g

(10.34)

vy D va sin ˛  g t (10.30)

Wurfdauer tD

vx D va cos ˛

(10.33)

g

t 2 2

2

D

9;81

9;81 sm2 gt D 2 2

m s2

 .2 s/2

2  4s

D 19;62 m

D 19;62

m s

oder mit h D 20 m gerechnet p va D 2 g h D va D 19;62

r m 2  9;81 2  20 m s

m 9 s

7 Beispiel Ein Stein wird in waagerechter Richtung mit einer Geschwindigkeit von 15 m=s abgeworfen. Welche Geschwindigkeit besitzt er nach 2,5 s? Lösung: q va2 C . gt/2 r 2 m 2  m 15 vD C 9;81 2  2;5 s s s m 9 v D 28;75 s

vD

. Abb. 10.11 Schräger Wurf (ohne Luftwiderstand)

Kapitel 10  Dynamik

208

7 Beispiel Ein Stein wird unter einem Winkel von 30ı zur Horizontalen mit einer Geschwindigkeit va D 15 m=s abgeworfen. Es sind die fehlenden Größen zu berechnen. Lösung: Wurfweite m 2 15 s  sin 60ı va2 sin 2˛ D D 19;86 m wD g 9;81 sm2 Wurfdauer tD

2  15 ms  sin 30ı 2 va sin ˛ D D 1;53 s g 9;81 sm2

Wurfhöhe

m 2 15 s  sin2 30ı va2 sin2 ˛ D D 2;87 m hD 2g 2  9;81 sm2 Wurfarbeit bei einer Masse m D 0;5 kg W D m g h D 0;5 kg  9;81

10

W D 14;1

m  2;87 m s2

kg m2 D 14;1 Nm D 14;1 J s2

. Abb. 10.13 Bewegung des Punktes P auf der Kreisbahn

Damit ergeben sich folgende Gleichungen: Umfangsgeschwindigkeit vu D

(10.38)

Winkelgeschwindigkeit

Geschwindigkeit in x-Richtung m m vx D va cos ˛ D 15  cos 30ı D 13 s s

' r D !r D   d n t

!D

! 1 s

vu m s

' vu D t r

t

r

'

s

m

rad

Geschwindigkeit in y-Richtung vy D va sin ˛  g t D 15 m 9 vy D 7;22 s

10.1.3

m m  sin 30ı  9;81 2  1;5 s s s

Bewegung des Punktes auf der Kreisbahn Gleichförmige Bewegung

10.1.3.1

Bei der gleichförmigen Bewegung auf der Kreisbahn werden in gleichen Zeitabschnitten t (z. B. in einer Sekunde) gleiche Drehwinkel ' vom Radius r überstrichen. Die Umfangsgeschwindigkeit vu ist zu jedem Zeitpunkt gleich groß und immer tangential gerichtet (. Abb. 10.13). Der von P nach P1 zurückgelegte Weg s kann aus dem Drehwinkel ' und dem Radius r berechnet werden: s D 'r (10.36) s ' D (10.37) r Definitionsgemäß ist Geschwindigkeit allgemein Wegabschnitt durch zugehörigen Zeitabschnitt, also auch die Umfangsgeschwindigkeit vu vu D

s 'r D t t

Der Bruch

' t

heißt Winkelgeschwindigkeit !.

n 1 s (10.39)

Drehwinkel ' D !t ' D '2  '1

(10.40) (10.41)

t D t2  t1

In der Technik sind die folgenden Zahlenwertgleichungen gebräuchlich: vu D

 d n 1000

v m min

vu D

 d n 60:000

v m s

 n !D 30 ! D 0;1

! 1 s

d

n

mm

1 D min1 min

d

n

mm

1 D min1 min

(10.42)

(10.43)

n

1 D min1 min n nD 10

(10.44)

(10.45)

Während bei gleichförmigem Umlauf einer Scheibe jeder Punkt mit einem anderen Radius r auch eine andere Umfangsgeschwindigkeit vu besitzt (v1 D  d1 n; v2 D  d2 n), ist für alle Punkte die Winkelgeschwindigkeit ! gleich groß. Mit Hilfe eines Zahlenwerts für ! ist demnach der Bewegungszustand sämtlicher Punkte festgelegt.

10

209 10.1  Bewegungslehre (Kinematik)

Gleichmäßig beschleunigte oder verzögerte Bewegung

10.1.3.2

Bei der gleichmäßig beschleunigten oder verzögerten Bewegung auf der Kreisbahn werden in gleichen Zeitabschnitten t ungleich große Drehwinkel ' vom Radius überstrichen, d. h. die Winkelgeschwindigkeit ! ändert ihren Betrag fortlaufend. Bei der gleichmäßig beschleunigten oder verzögerten Bewegung bleibt die Winkelbeschleunigung ˛ konstant. Definitionsgemäß ist die Beschleunigung allgemein Geschwindigkeitsänderung durch zugehörigen Zeitabschnitt, also auch die Tangentialbeschleunigung aT aT D

v t

Für die Geschwindigkeitsänderung v kann gesetzt werden: v = !r. Damit wird die Tangentialbeschleunigung

' D

Der Bruch !=t heißt Winkelbeschleunigung ˛. Damit ergeben sich folgende Gleichungen: Umfangsgeschwindigkeit vu D aT t D ˛rt

(10.46)

Winkelbeschleunigung aT ! D t r

(10.47)

˛ t 2 2 v aT m m s s2

t s

! 1 m s r

˛ 1 s2

' (10.48)

rad

Winkelgeschwindigkeitsänderung ! ! t '

D ˛t D !2  !1 D t2  t1 D '2  '1

(10.49)

(10.50)

In der Technik gebräuchliche Zahlenwertgleichung für die Winkelbeschleunigung: ˛D

v ! r ! D D r aT D t t t

˛D

Drehwinkel

  n2  n1  30 t2  t1

˛ 1 s2

n2 ; n1 1 min

t2 ; t1 (10.51)

s

Zweckmäßig wird bei der rechnerischen Behandlung solcher Bewegungsvorgänge das !; t-Diagramm gezeichnet. Es entspricht dem v; t-Diagramm der geradlinigen Bewegung (. Abb. 10.2). Die dort aufgeführten Hinweise und Regeln lassen sich auch auf das !; t-Diagramm übertragen. Vor allem: Die Fläche unter der !; t-Linie entspricht dem überstrichenen Drehwinkel '. Die Gegenüberstellung in . Tab. 10.1 zeigt die einander entsprechenden Größen (siehe auch . Abb. 10.14, 10.15 und 10.16).

. Tabelle 10.1 Einander entsprechende Größen der geradlinigen Bewegung und der Bewegung auf einer Kreisbahn Allgemeine Größe mit Definitionsgleichung

Einheit

Kreisgröße mit Definitionsgleichung

Einheit

Zeitabschnitt t

s

Zeitabschnitt t

s

Wegabschnitt s

m

Drehwinkel '

rad D 1

m s m s m s2

Winkelgeschwindigkeit (! D konstant)

!D

Winkelgeschwindigkeitsänderung

! D ˛ t

Winkelbeschleunigung (Grundgleichung)

˛D

s t

Geschwindigkeit (v D konstant)

vD

Geschwindigkeitsänderung

v D a t

Beschleunigung (Grundgleichung)

aD

v t

' t

! t

rad 1 D s s rad 1 D s s rad 1 D 2 s2 s

210

Kapitel 10  Dynamik

7 Beispiel Eine Schleifscheibe mit 400 mm Durchmesser läuft in 15 s gleichmäßig beschleunigt auf eine Drehzahl n D 250 min1 an. Es sollen alle wichtigen Größen der Drehbewegung bestimmt werden. Lösung: Winkelgeschwindigkeit nach Anlaufzeit t ! D

   250 1  n D D 26;2 30 30 s

Umfangsgeschwindigkeit eines Punktes der Peripherie . Abb. 10.14 Gleichmäßig beschleunigte Bewegung des Punktes P auf der Kreisbahn

v D r! D 0;2 m  26;2

1 m D 5;24 s s

Die Gleichungen dieser Tabelle gelten in Verbindung mit den Bezeichnungen der nebenstehenden !; t-Diagramme

10 Einheiten t rad

s

!0 ; ! t rad s

˛ rad s2

r m

vu m s

Beschleunigte Kreisbewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit (!0 D 0)

aT m s

Winkelbeschleunigung ˛ (Definition)

˛D

Winkelgeschwindigkeitszunahme Zeitabschnitt t

Winkelbeschleunigung ˛ (bei !0 D 0)

˛D

!2 !t 2 D t D t 2 t/2

Winkelbeschleunigung ˛ (bei !0 ¤ 0)

˛D

Tangentialbeschleunigung aT

aT D ˛r D

Endwinkelgeschwindigkeit !t (bei !0 D 0) Endwinkelgeschwindigkeit !t (bei !0 ¤ 0)

!t D

!t

Zeitabschnitt (bei !0 D 0)

t

Zeitabschnitt (bei !0 0)

t

rD

vu t

tD

t p

!t t D 2

2

t

t/2 2

t

D

!t2 2˛

!0 C !t t/2 t D !0 t C 2 2 ! 2 !02 D t 2˛ r !t 2 D tD ˛ ˛ r !t !0 !0 !0 2 2 ˙ tD C ˛ ˛ ˛ ˛ D

Drehwinkel (bei !0 ¤ 0)

!02

!t D !0 C D !0 C q 2 !t D !0 C 2 D

Drehwinkel (bei !0 D 0)

!2 !0 D t t 2

. Abb. 10.15 Gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung

in

rad s2

Beschleunigte Kreisbewegung mit Anfangsgeschwindigkeit (!0 ¤ 0)

211 10.1  Bewegungslehre (Kinematik)

Winkelbeschleunigung

Drehwinkel

1 s

26;2 ! D t 15 s 1 ˛ D 1;75 2 s Tangentialbeschleunigung eines Punktes ˛D

1;75 ˛ t 2 D 2 ' D 197 rad ' D

1 s2

 .15 s/2 2

Umlaufzahl

1 aT D ˛r D 1;75 2  0;2 m s m aT D 0;25 2 s

197 ' D 2  2  z D 31;4 9 zD

Die Gleichungen dieser Tabelle gelten in Verbindung mit den Bezeichnungen der nebenstehenden !; t-Diagramme

Einheiten t rad

s

!0 ; ! t rad s

˛ rad s2

r m

vu m s

Verzögerte Kreisbewegung ohne Endgeschwindigkeit (!t D 0)

aT m s2

Winkelverzögerung ˛ (Definition)

˛D

Winkelgeschwindigkeitszunahme Zeitabschnitt t

Winkelverzögerung ˛ (bei !t D 0)

˛D

!2 !0 2 D 0 D t 2 t/2

Winkelverzögerung ˛ (bei ! ¤ 0)

˛D

Tangentialverzögerung aT

aT D ˛r D

Anfangswinkelgeschwindigkeit !0 (bei !t D 0) Endwinkelgeschwindigkeit !t

!0 D

!0

tD

!t D !0 q !t D !02 D

Drehwinkel (bei !t D 0)

!t t

Zeitabschnitt (bei !t D 0)

t

Zeitabschnitt (bei !t 0)

t

t p

!t2

rD

vu t

2

D !0

t

2

!0 t D 2

t/2 2

D

!02 2˛

!0 C !t t D !0 t 2 2 2 ! !t D 0 2˛ r !0 2 D tD ˛ ˛ r !0 !0 !t !0 D ˙ tD ˛ ˛ ˛ D

Drehwinkel (bei !t ¤ 0)

!02 2

D

. Abb. 10.16 Gleichmäßig verzögerte Kreisbewegung

in

t/2 2

2

2 ˛

rad s2

Verzögerte Kreisbewegung mit Endgeschwindigkeit (!t ¤ 0)

10

212

Kapitel 10  Dynamik

10 . Abb. 10.17 Weg-Zeit-, Geschwindigkeits-Zeit- und BeschleunigungsZeit-Diagramm der harmonischen Bewegung

10.1.3.3

Harmonische Bewegung (Kreuzschleife)

. Abb. 10.18 Lageplan der Kreuzschleife mit Geschwindigkeits-Wegund Beschleunigungs-Weg-Diagramm

Eine Harmonische Bewegung liegt vor, wenn das WegZeit-Diagramm durch eine Sinus- oder Kosinusfunktion dargestellt wird, wie . Abb. 10.17 zeigt. 2Rechnerische Bestimmung der Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen (. Abb. 10.18)

Ist vu die Umfangsgeschwindigkeit des Kurbelpunkts P und ! D   n=30 die konstante Winkelgeschwindigkeit der Kurbel MP, wird vu D r!

!D

vu m s

 n 30

r m

! 1 s

n min1

1 D min (10.52)

In der Zeit t überstreicht die Kurbel den Kurbeldrehwinkel ' ' D !t

rad

! 1 s

t (10.53)

s

Die Auslenkung (Weg s) eines Punktes auf dem Schieber beträgt nach . Abb. 10.17: s D r sin ' s D r sin !t

s

r

m m

! 1 s

t

'

s

ı

Die größte Auslenkung tritt auf beim Kurbeldrehwinkel ' D 90ı , weil dann sin ' D 1 und damit s D r ist. Sie heißt Amplitude (Schwingungsweite). Mit Periode T in Sekunden wird die Zeit für einen Hin- und Rückgang bezeichnet: T D 2 =!. Die Zahl der Schwingungen in einer Sekunde heißt Frequenz (oder Schwingungszahl) Kreisfrequenz ! D 2 =T f T ! (10.55) 1 1 s s s Ein Punkt auf dem Schieber erhält die Geschwindigkeit fD

! 1 D T 2!

v r ! t a m 1 m m s 2 s s s maximale Geschwindigkeit (in Mittelstellung) v D r! cos !t

vmax D vu D r ! Beschleunigung a D !2 s

(10.54)

(10.56)

amax D r ! 2 sin !t

maximale Beschleunigung in den Totlagen a D r !2

(10.57)

10

213 10.1  Bewegungslehre (Kinematik)

10.1.3.4 Schubkurbelgetriebe (. Abb. 10.19) 1 Rechnerische Bestimmung der Wege, An einer Schraubenfeder hängt ein Körper und schwingt in Geschwindigkeiten und Beschleunigungen 7 Beispiel

einer Sekunde einmal auf und ab. Die Entfernung zwischen den äußersten Totpunktlagen des Körpers beträgt 0,5 m. Wie groß ist die maximale Beschleunigung amax ?

Ist vu die Umfangsgeschwindigkeit des Kurbelpunkts P, ! die konstante Winkelgeschwindigkeit der Kurbel MP und h der Hub des Kolbens bzw. Kreuzkopfs, so wird

Lösung: ! 1 D fD T 2  2  2  D !D T 1s amax D r! 2 r D 0;25 m   1 2 m 2 D 9;87 2 9 amax D r! D r 2   1 s s

2Zeichnerische Bestimmung der Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen (. Abb. 10.18)

Die in jedem beliebigen Zeitpunkt auftretenden Momentangeschwindigkeiten v und Beschleunigungen a können zeichnerisch bestimmt werden: Im Lageplan wird die Umfangsgeschwindigkeit vu im bestimmten Maßstab auf der Kurbel MP abgetragen, z. B. MB D vu . Dann ist im Dreieck MCB die Kathete BC D MB cos !t D vu cos ! t D Geschwindigkeit v eines Schieberpunkts. Mit den gefundenen Strecken lässt sich das v; s-Diagramm aufzeichnen. In gleicher Weise wird die Momentanbeschleunigung a bestimmt: Im Lageplan die maximale Beschleunigung (Zentripetalbeschleunigung) amax = r ! 2 im bestimmten Maßstab auf die Kurbel MP auftragen, z. B. wiederum MB = r ! 2 . Dann ist im Dreieck MCB die Kathete MC die Beschleunigung a eines Schieberpunkts. Mit den gefundenen Strecken MC wird das a, s-Diagramm entwickelt. Erkenntnis: Zu gleichen Drehwinkeln gehören Maximalgeschwindigkeit und Beschleunigung null bzw. Maximalbeschleunigung und Geschwindigkeit null.

vu D r ! D !D

 hn 60

 n 30

vu m s

r m

! 1 s

h m

n 1 min

(10.58)

Aus den geometrischen Bedingungen (. Abb. 10.19) lässt sich ablesen: s D r .1  cos '/ ˙ l .1  cos ˇ/ C für Kolbenhingang (zur Kurbelwelle)  für Kolbenrückgang (von der Kurbelwelle) mit s1 und '1 Der Weg s1 (Auslenkung) beim Rückgang wird vom inneren Totpunkt T i der Kurbelseite aus gemessen. Mit dem Schubstangenverhältnis D

Kurbelradius r Länge der Schubstange l

(10.59)

und r sinp' D l sin ˇ (. p Abb. 10.19), sin ˇ D  sin ', cos ˇ D 1  sin2 ˇ D 1  . sin '/2 wird der Weg h i p s D r .1  cos '/ ˙ l 1  1  . sin '/2 Der Ausdruck ckeln:

p

(10.60)

1  . sin '/2 lässt sich als Reihe entwi-

p 1 1 1  . sin '/2 D 1  . sin '/2  . sin '/4  : : : 2 8 Die Reihe konvergiert sehr schnell und man kann daher mit ausreichender Genauigkeit den Weg s (Auslenkung) mit der

. Abb. 10.19 Lageplan des Schubkurbelgetriebes zur Bestimmung des Kreuzkopf- bzw. Kolbenwegs s

214

Kapitel 10  Dynamik

Näherungsformel berechnen:   1 s D r 1  cos ' ˙  sin2 ' 2

(10.61)

Mathematische Entwicklungen führen zu den Gleichungen für die Geschwindigkeit   1 v D vu sin ' ˙  sin 2 ' 2   1 v D r! sin !t ˙  sin 2! t (10.62) 2 maximale Geschwindigkeit     1 2 1 2 vmax D vu 1 C  D r! 1 C  2 2 für  D

1 5

D 0;2 wird vmax D 1;02vu D 1;02r! ı

10

(10.63)

. Abb. 10.20 Zeichnerische Bestimmung der Kreuzkopf- bzw. Kolbengeschwindigkeit v beim Schubkurbelgetriebe

0

bei ' D 79 16 (Hingang) bei '1 D 100ı 440 (Rückgang) mittlere Geschwindigkeit vm D

hn 30

(10.64)

Beschleunigung aD

vu2 .cos ' ˙  cos 2'/ r

(10.65)

maximale Beschleunigung (in den Totlagen) amax D r! 2 .1 ˙ /

(10.66)

. Abb. 10.21 Zeichnerische Bestimmung der Kreuzkopf- bzw. Kolbenbeschleunigung a beim Schubkurbelgetriebe (! D 1 gesetzt; sonst Maßstabsumrechnung erforderlich)

Wird das Schubstangenverhältnis  D 0 gesetzt, also die Länge der Schubstange l D 1, ergeben sich aus den obigen Gleichungen die Formeln der harmonischen Bewegung. 1 Zeichnerische Bestimmung der Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen

Der Weg s (bzw. s1 ) und damit der Lagepunkt K (bzw. K1 ) in Abhängigkeit vom Drehwinkel ' wird festgelegt im Lageplan (. Abb. 10.19) durch einen Kreisbogen um den Kurbelpunkt P (bzw. P1 ) mit der Schubstangenlänge l. Zur Geschwindigkeitsbestimmung des Kolbens (. Abb. 10.20) wird der Radius MP D der Umfangsgeschwindigkeit vu gesetzt. Für jede Kurbelstellung entspricht dann die Geschwindigkeit v der Strecke MA. Das ergibt sich aus der Ähnlichkeit der Dreiecke KPB und MAP, worin Punkt B der „Momentanpol“ ist. Die Beschleunigung a des Kolbens ergibt sich aus der um 90ı gedrehten Normalbeschleunigung an des Kurbelpunkts P (. Abb. 10.21). Es wird MP D an D vu2 =r gesetzt,

. Abb. 10.22 Geschwindigkeit v und Beschleunigung a in Abhängigkeit von Hub h beim Schubkurbelgetriebe

KP bis A verlängert, AB || KM gezogen, BC || MA geführt und CD ? KC gefällt. Die Strecke DM stellt dann für jede Kurbelstellung den Betrag (Größe) der Beschleunigung a des Kolbens oder Kreuzkopfs dar, jedoch nur dann, wenn die Umfangsgeschwindigkeit vu konstant ist. In . Abb. 10.22 ist der Geschwindigkeits- und der Beschleunigungsverlauf über dem Hub h = 2r aufgetragen

215 10.2  Mechanische Arbeit und Leistung, Wirkungsgrad, Übersetzung

(v, s- und a, s-Diagramm). Maximale Geschwindigkeit und Beschleunigung null treten in der gestrichelt gezeichneten Schubstangenstellung auf (Tangentenstellung). Je länger die Schubstange im Verhältnis zum Kurbelradius wird, d. h.  sehr klein, um so mehr nähert sich die Geschwindigkeitslinie einer Ellipse und die Beschleunigungslinie wird eine Gerade, wie bei der harmonischen Bewegung. 10.2

10.2.1

. Abb. 10.23 Arbeit W einer konstanten Kraft F

Mechanische Arbeit und Leistung, Wirkungsgrad, Übersetzung Mechanische Arbeit

Die mechanische Arbeit W einer den Körper bewegenden Kraft ist das Produkt aus den Wegabschnitten s und der jeweiligen Kraftkomponente F in Wegrichtung: X X W D W D Fs W D F1 s1 C F2 s2 C : : :Fn sn

P

(10.67)

. Abb. 10.24 Arbeit W einer konstanten Kraft F längs des Weges s

10.2.1.1

Geradlinige Bewegung des Körpers

Ist die Kraft F konstant, wird mit s = s die Arbeit Im Einzelnen wird bei der Berechnung der Arbeit W einer W D Fs (. Abb. 10.23). Die Arbeit ist eine skalare Größe. Kraft F unterschieden: Häufig lassen sich die Verhältnisse durch Aufzeichnung des Kraft-Weg-Diagramms besser übersehen (. Abb. 10.24, 2Arbeit W der konstanten Kraft F (. Abb. 10.24 und 10.26) 10.25, 10.27 und 10.29). Die von der Kraft F oder dem Drehmoment M ver- Kraft- und Wegrichtung fallen zusammen oder F ist die richtete Arbeit W entspricht immer der Fläche unter der Komponente in Wegrichtung, z. B. Vorschubkraft und VorKraftlinie oder Momentenlinie. schubweg am Drehmaschinenschlitten. Das Kraft-WegMeistens lässt sich die Berechnungsgleichung für die Diagramm (. Abb. 10.24) zeigt eine Rechteckfläche. Arbeit W aus der Flächenform des Kraft-Weg-Diagramms F s W entwickeln (z. B. Trapez in . Abb. 10.27); sonst kann die (10.70) W D Fs J D Nm N m Fläche auch ausgezählt oder durch graphische Integration oder mittels Planimeter bestimmt werden (Maßstab berück2Arbeit W der veränderlichen Kraft F (. Abb. 10.25) sichtigen). Kraft und Wegrichtung fallen zusammen oder F ist die Wirken mehrere Kräfte auf den Körper ein, ist die Komponente in Wegrichtung: Gesamtarbeit gleich der Summe der Einzelarbeiten oder X X gleich der Arbeit der resultierenden Kraft. WD W D Fs ¶ Fläche unter der Kraftlinie Die Einheit der Arbeit ergibt sich, wenn die Kraft F in (10.71) N und der Weg s in m eingesetzt wird (gesetzliche und internationale Einheiten):1 2Arbeit W der konstanten Kraft F (. Abb. 10.24 und 10.26) .W/ D .F/ mal .s/ Kraft- und Wegrichtung schließen den Winkel ˛ ein: .W/ D N mal m D Newtonmeter Nm W D Fs cos ˛ (10.72) 1 kg m kg m2 1 Nm D D 1 (10.68) s2 s2 ! Hinweis Die gesetzliche und SI-Einheit für die Arbeit W und für die Energie E ist das Joule J. Es gilt: 1 J D 1 Nm D 1 Ws D 1

1

kg m2 s2

(10.69)

Die Formelzeichen in Klammern sollen nur die Einheit der physikalischen Größe kennzeichnen, also .W/ D Einheit der Arbeit; .F/ D Einheit der Kraft usw.

. Abb. 10.25 Arbeit W einer veränderlichen Kraft F längs des Weges s

10

216

Kapitel 10  Dynamik

. Abb. 10.26 Arbeit W einer schrägen Kraft F

Die Kraftkomponente F sin ˛ bzw. allgemein alle Kräfte rechtwinklig zur Bewegungsrichtung verrichten keine Arbeit (˛ D 90ı ; cos ˛ D 0). 1 Arbeit W der Gewichtskraft F G D mg

10

Ein Körper mit der Gewichtskraft F G (also konstante Kraft F) bzw. Masse m wird um die rechtwinklige Höhe h gehoben; es gilt demnach . Abb. 10.24 und für die Hubarbeit wird: . Abb. 10.27 Formänderungsarbeit W f beim Spannen einer SchraubenW m g h W D FG h feder m (10.73) J D Nm kg m W D mgh s2 1 Verschiebung eines Körpers auf der schiefen Ebene 1 Beschleunigungsarbeit W der konstanten Die Verschiebung auf einer schiefen Ebene mit dem Neiresultierenden Kraft F gungswinkel ˛ durch die Kraft F parallel zur Bahn ergibt Kraft und Wegrichtung fallen zusammen oder F ist die die Reibungsarbeit: Komponente in Wegrichtung (. Abb. 10.24). Der Körper wird von der Geschwindigkeit v1 auf v2 WR D FG s cos ˛ gleichmäßig beschleunigt (oder verzögert). Die EntwickWR D m g s cos ˛ (10.77) lung mit Hilfe des dynamischen Grundgesetzes F r D ma ergibt sich folgendermaßen: 1 Elastischer Körper W D Fr s D m a s Ein eleastischer Körper wird durch eine Kraft F elastisch v2  v1 v verformt; z. B. eine Schraubenfeder nach . Abb. 10.27 um D aD t t s verlängert oder verkürzt: Formänderungsarbeit: v2 C v1 sD t 2

F1 C F2 R 2 Wf D  s Wf D s2  s12 (10.78) v2  v1 v2 C v1 2 2 W Dm  t t 2 Wf F1 ; F2 s 1 ; s 2 R m v2 ; v1 W

m 2 N m (10.74) v2  v12 W D J D Nm N m J D Nm kg 2 m s Wird der Körper von v1 D 0 an beschleunigt oder auf Darin ist R die Federrate in N=m, d. h. die Belastung je m v1 D 0 verzögert, wird die Beschleunigungsarbeit: Verlängerung: m 2 (10.75) WD v 2 R D F=s 1 Horizontale Verschiebung eines Körpers

Die Verschiebung auf einer horizontaler Unterlage durch die horizontale Kraft F ergibt die Reibungsarbeit: WR D FG s WR D m g s

WR



FG

J D Nm

1

N

 Gleitreibungszahlen nach . Abb. 10.16.

s

m

g m m kg s2 (10.76)

10.2.1.2

Drehung des Körpers (. Abb. 10.28)

Der Angriffspunkt P der Tangentialkraft F T beschreibt einen Kreisbogen mit dem Radius r, z. B. bei einer Kurbel. Das Bogenstück s ergibt sich aus dem Drehwinkel ' D s=r; s D 'r und damit die Teilarbeit W D FT s D FT r'. Da F T r D M das Drehmoment der Kraft F T in Bezug auf die Drehachse ist, wird mit dem Drehwinkel

10

217 10.2  Mechanische Arbeit und Leistung, Wirkungsgrad, Übersetzung

1 Beschleunigungsarbeit W des konstanten resultierenden Moments M (konstante Tangentialkraft F T )

Der Körper wird von Winkelgeschwindigkeit !1 auf !2 gleichmäßig beschleunigt oder verzögert; Entwicklung mit Hilfe des dynamischen Grundgesetzes für Drehung M D J ˛ (J Trägheitsmoment, ˛ Winkelbeschleunigung): !2  !1 ! D W D M' D J˛' ˛ D t t !2 C !1 'D t 2 !2  !1 !2 C !1 WDJ  t t 2

. Abb. 10.28 Dreharbeit einer Tangentialkraft F T

' D !t (10.79) die Arbeit des Moments (Dreharbeit) X X X M ' WD W D FT r' D (10.79) X WD M!t Sind F T oder M konstant, so wird W D M'. Im Einzelnen wird bei der Berechnung der Arbeit W eines Drehmoments M (Dreharbeit einer Kraft F T ) unterschieden:

Das Momenten-Drehwinkel-Diagramm (. Abb. 10.29) zeigt eine Rechteckfläche wie in . Abb. 10.24 und es gilt: Dreharbeit W = Drehmoment M  Drehwinkel ' M ' FT W J D Nm Nm rad N

Nach . Abb. 10.14 eingesetzt ergibt sich die Beschleunigungsarbeit

J 2 !2  !12 WD 2 J !1 ; !2 W (10.82) 1 kg m2 kg m2 2 s s Wird der Körper von !1 D 0 an beschleunigt oder auf !1 D 0 verzögert, wird die Beschleunigungsarbeit J (10.83) W D !2 2

r z m 1 (10.80)

z Anzahl der Umdrehungen 1 Arbeit W des veränderlichen Drehmoments M (veränderliche Tangentialkraft F T )

Es gilt . Abb. 10.25 mit Drehmoment M statt Kraft F und Drehwinkel ' statt Weg s: Dreharbeit: X X W D W D M' W ¶ Fläche unter der Momentenlinie

.!2  !1 /.!2 C !1 / D !22  !12

J D Nm D

1 Arbeit W des konstanten Drehmoments M (konstante Tangentialkraft F T )

W D M' W D 2 FT r z

!Hinweis

(10.81)

10.2.2

Leistung

Die konstante oder mittlere Leistung P ist der Quotient aus Arbeit W und Zeit t: W t P W PD (10.84) Nm t WD Nm s s Der Betrag der Leistung ist damit auch gleich dem in der Zeiteinheit (meist 1 s) verrichteten Arbeitsbetrag. Die Leistung ist eine skalare Größe. Aus (10.84) ergibt sich für die Arbeit W bei konstanter Leistung P: WDPt

(10.85)

!Hinweis Die gesetzliche und SI-Einheit für die Leistung P ist das Watt (W). 1 Watt ist gleich der Leistung, bei der während der Zeit 1 s die Energie 1 J umgesetzt wird: J 1 Joule D 1 Sekunde s Da nach (10.69) 1 J D 1 Nm D 1 Ws ist, gilt: 1W D

1W D 1 . Abb. 10.29 Arbeit eines konstanten Drehmoments M (Dreharbeit) über einem Drehwinkel '

Nm kg m2 J D1 D1 3 s s s

Die letzte Form ergibt sich mit 1 N D 1 kg m=s2 .

(10.86)

(10.87)

Kapitel 10  Dynamik

218

10.2.2.1

Geradlinige Bewegung

Sind verschiebende Kraft F und konstante Geschwindigkeit v gleichgerichtet, so gilt mit (10.84) für die Leistung P: Fs s W D D F D Fv t t t P F PDFv Nm W D N s

v m s

(10.88)

Drehung des Körpers

Greift die Tangentialkraft F T an einer Kurbel mit dem Radius r an, die sich mit gleich bleibender Geschwindigkeit v bzw. Winkelgeschwindigkeit ! dreht, so ist die Leistung P D FT v D FT r!. Mit F T r D Drehmoment M ergibt sich P P D M!

W D

! 1 s

M Nm s

Nm

FT N

v m s

r m (10.89)

10

Wird für die Winkelgeschwindigkeit ! D  n=30 eingesetzt, ergeben sich zwei in der Technik wichtige Zahlenwertgleichungen zur Berechnung von Leistung P oder Drehmoment M: P

Mn P D 9550 M D 9550

10.2.3

M

n

kW Nm min1 P n

(10.90) (10.91)

Wn 30 mm 10 % niedriger; Dauerfestigkeitswerte im bearbeiteten Zustand; für Gusshaut 20 % Abzug.

. Tabelle 11.4 Richtwerte für die Kerbwirkungszahl ˇk a

11

Rm b

ˇk

Biegung

600

2,2

Hinterdrehung in Welle (Rundkerbe)

Torsion

600

1,8

Eindrehung für Axial-Sicherungsring in Welle

Biegung

1000

3,5

Torsion

1000

2,5

abgesetzte Welle (Lagerzapfen)

Biegung

600

2,2

abgesetzte Welle (Lagerzapfen)

Torsion

600

1,4

Passfeder- Nut in Welle

Biegung

600

2,5

Passfeder- Nut in Welle

Biegung

1000

3,0

Passfeder- Nut in Welle

Torsion

600

1,5

Passfeder- Nut in Welle

Torsion

1000

1,8

Querbohrung in Achse (Schmierbohrung)

Biegung und Torsion

600

1,6

Flachstab mit Bohrung

Zug

360

1,7

Flachstab mit Bohrung

Biegung

360

1,4

Welle an Übergangsstelle zu festsitzender Nabe

Biegung

1000

2,7

Torsion

1000

1,8

Kerbform

Beanspruchung

Hinterdrehung in Welle (Rundkerbe)

a

genauere und umfangreichere Werte in DIN 743-2, b Zugfestigkeit Rm in N=mm2

. Tabelle 11.5 Kerbempfindlichkeitszahlen k Werkstoff

k

Werkstoff

k

S 235 JR

0,30–0,5

18 CrMo 4

0,85

E 295

0,35–0,6

18 Cr Ni Mo 7 - 6

0,93

E 335

0,40–0,6

Federstahl

0,90–1,00

E360

0,55–0,65

EN-GJL-250

0,20

28 Cr 4

0,55

Leichtmetalle

0,3–0,7

Da die Riefen und Risse der Oberfläche ebenfalls den Spannungsbetrag beeinflussen, kann noch die Oberflächenzahl Ok < 1 in die Betrachtung einbezogen werden. Dann ergibt sich abschließend die tatsächliche Spannungsspitze max D n ˇk Ok D n Œ1 C .˛k  l/ k  Ok

(11.17)

Richtwerte für Oberflächenzahlen Ok siehe . Tab. 11.6.

11

253 11.1  Allgemeines

. Tabelle 11.6 Oberflächenzahlen Ok Oberfläche

Ok

geschliffene Oberfläche

1,1

geschlichtete Oberfläche

1,2

Walz-, Glüh- oder Gusshaut

1,3

11.1.9

11.1.9.1

Zulässige Spannung und Sicherheit Allgemeines

Die zulässige Spannung ist diejenige Spannung, bis zu der ein Bauteil beansprucht werden darf. Man unterscheidet nach den verschiedenen Beanspruchungsarten z zul (zulässige Zugspannung), d zul (zulässige Druckspannung), b zul (zulässige Biegespannung), a zul (zulässige Abscherspannung), t zul (zulässige Torsionsspannung), l zul (zulässiger Lochleibungsdruck) usw. Im Stahlbau, Hochbau, Kranbau, Brückenbau sind die zulässigen Spannungen zul , zul , l zul in den DIN-Blättern zusammengestellt und für Festigkeitsrechnungen behördlich vorgeschrieben. Der Konstrukteur hat hier keine Mühe, die zulässigen Spannungen zu ermitteln. Für den Entwurf eines Bauteils im Maschinenbau z. B. einer Getriebewelle, müssen die äußeren Kräfte und Drehmomente aus den zu übertragenden Leistungen und Drehzahlen bekannt sein. Daraus wird für die gefährdeten Querschnitte das innere Kräftesystem bestimmt. Erst dann können mit einer zulässigen Spannung die Hauptabmessungen für die Welle berechnet und die Konstruktion als überschlägiger Entwurf erstellt werden (Dimensionieren des Bauteils). Die zulässige Spannung wird getrennt für statische (ruhende) oder dynamische (schwellende und wechselnde) Belastung festgelegt. 11.1.9.2

Zulässige Spannung bei statischer Belastung

Statische, also ruhende Belastung ist im Maschinenbau selten. Soll für statisch belastete Bauteile die zulässige Spannung ermittelt werden, dann geht man von der Streckgrenze Re des verwendeten Werkstoffs aus. Bei Werkstoffen, die beim Zugversuch keine ausgeprägte Streckgrenze erkennen lassen, tritt an die Stelle der Streckgrenze Re die 0,2 %-Dehngrenze Rp 0;2 . Die . Tab. 11.2 und 11.3 enthalten verschiedene Festigkeitswerte für verschiedene Stahl und Gusseisensorten. Für weitere nimmt man die Streckgrenze aus den . Abb. 11.20, 11.21 und 11.22 (Linie I).

Die zulässige Spannung zul muss gegenüber den Festigkeitswerten Re oder Rp 0;2 genügend klein sein, anders gesagt, es muss eine genügend große Sicherheit v vorhanden sein: zul D

Re

oder Rp0;2 v

(11.18)

Sicherheit v  1;5 für Stahl. Nicht bei allen Werkstoffen lässt sich eine Streckgrenze oder 0,2 %-Dehngrenze ermitteln, weil sie zu spröde sind. Das gilt zum Beispiel für normales Gusseisen (nicht Kugelgraphitguss), für Holz und Keramik. Dann kann die zulässige Spannung nur über die Bruchfestigkeit Rm bestimmt werden, natürlich mit einer entsprechend höheren Sicherheit: zul D

Rm v

(11.19)

Sicherheit v  2 für Gusseisen (Rm nach . Tab. 11.3). Kerbwirkungen brauchen bei statischer Belastung der Bauteile nicht berücksichtigt zu werden, weil die Bruchgefahr durch Kerbwirkung nicht erhöht wird. Sie soll sogar vermindert werden, vermutlich durch die Stützwirkung weniger beanspruchter Stoffteilchen (siehe auch 7 Abschn. 11.1.8.4). Liegen für Scher- und Verdrehfestigkeit keine Werte vor, kann man etwa wählen: a zul .t zul /  0;8.0;65/ z zul bei Stahl, Stahlguss; CuSn-Legierungen  0;8.0;7/ z zul bei Al und Al-Legierungen;  1;2 z zul bei Gusseisen und Temperguss. 11.1.9.3

Zulässige Spannung bei dynamischer (schwellender und wechselnder) Belastung

Im Gegensatz zur Ermittlung der zulässigen Spannung bei statischer Belastung, bei der man von der Streckgrenze Re bzw. Rp 0,2 ausgeht, wird bei dynamischer Belastung die Dauerfestigkeit D des verwendeten Werkstoffs zugrunde gelegt. zul D

D v

(11.20)

Sicherheit gegen Dauerbruch v D 34. Bei Schubbeanspruchung ist in den Gleichungen für die Spannung die Schubspannung  einzusetzen, z. B. für D die Schub-Dauerfestigkeit D . Die Dauerfestigkeitswerte D , D können den . Tab. 11.2 und 11.3 oder den Dauerfestigkeitsdiagrammen in den . Abb. 11.20–11.22 entnommen werden.

Kapitel 11  Festigkeitslehre

254

. Abb. 11.20 Zug-DruckDauerfestigkeitsdiagramme für verschiedene Werkstoffe. a Baustähle nach DIN EN 10025. b Stahlguss nach DIN EN 10293. c Vergütungsstähle nach DIN EN 10 083. d Einsatzstähle nach DIN EN 10084

11

11.2

Beanspruchungsarten

11.2.1

Zug und Druck

11.2.1.1

Spannung

Wird ein Stab mit beliebigem, gleichbleibendem Querschnitt durch die äußere Kraft F in der Schwerachse auf Zug oder Druck beansprucht, so wird bei gleichmäßiger Spannungsverteilung, also in genügender Entfernung vom Angriffspunkt der Kraft, die Zug- oder Druckspannung z;d D

Zug- oder Druckkraft F Querschnittsfläche A

Zug- und Druck-Hauptgleichung z;d D

F A

N mm2

F

A

N

mm2

(11.21)

Je nach vorliegender Aufgabe kann die Hauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung des erforderlichen Querschnitts (Querschnittsnachweis): Aerf D

F zul

(11.22)

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis): F (11.23) vorh D A

255 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.21 Biege-Dauerfestigkeitsdiagramme für verschiedene Werkstoffe. a Baustähle nach DIN EN 10025. b Stahlguss nach DIN EN 10293. c Vergütungsstähle nach DIN EN 10083. d Einsatzstähle nach DIN EN 10 084

Berechnung der maximal zulässigen Belastung (Belastungsnachweis): Fmax D zul A

(11.24)

Treten Zug- und Druckspannungen in einer Rechnung gleichzeitig auf, werden sie durch den Index z und d oder durch das Vorzeichen C und  unterschieden. Bohrungen sind bei der Zugbeanspruchung von der tragenden Fläche abzuziehen. Bei Druck dagegen übertragen Bolzen und Niete die Druckkraft weiter, wenn sie nicht aus weicherem Werkstoff bestehen. Der Bohrungsquerschnitt braucht dann nicht vom tragenden abgezogen zu werden. Schlanke Druckstäbe müssen auf Knickung berechnet

werden. Scharfe Querschnittsveränderungen, wie Kerben, Bohrungen, Hohlkehlen usw. erfordern bei Zug und Druck eine Nachrechnung auf Kerbwirkung, weil im Kerbgrund unter Umständen außergewöhnlich hohe Spannungsspitzen auftreten. Die Hauptgleichung liefert dann nur die (mittlere) sogenannte Nennspannung n . Bei veränderlichem Querschnitt gehört zur kleineren Querschnittsfläche die größere Spannung und umgekehrt. 7 Beispiel Eine Hubwerkskette trägt 20.000 N je Kettenstrang. Gesucht: Nennglieddurchmesser der Rundgliederkette für z zul D 50 N=mm2 .

11

256

Kapitel 11  Festigkeitslehre

. Abb. 11.22 Torsions (Verdreh)-Dauerfestigkeitsdiagramme für verschiedene Werkstoffe. a Baustähle nach DIN EN 10025. b Stahlguss nach DIN EN 10293. c Vergütungsstähle nach DIN EN 10083. d Einsatzstähle nach DIN EN 10084

11

Lösung: Querschnitt A D 2850 mm2 ; mit der Stegdicke s D 5;6 mm wird der gefährdete Querschnitt:

Lösung: Aerf D

F 20:000 N D D 400 mm2 N z zul 50 mm 2

A D 200 mm

2

ausgeführt d D 16 mm 9

Agef D A  4d1 s Agef D 2850 mm2  4  17  5;6 mm2 Agef D 2469;2 mm2 Damit wird die maximale Zugkraft

7 Beispiel Welche größte Zugkraft Fmax kann ein durch 4 Nietbohrungen mit d1 D 17 mm Durchmesser im Steg geschwächtes Profil IPE 200 (. Abb. 11.62) übertragen, wenn eine zulässige Spannung von 140 N=mm2 eingehalten werden muss?

Fmax D Agef z zul Fmax D 2469;2 mm2  140 Fmax D 345;7 kN 9

N mm2

11

257 11.2  Beanspruchungsarten

7 Beispiel 2

Das Stahlseil eines Förderkorbs darf mit 180 N=mm auf Zug beansprucht werden. Es hat A D 320 mm2 Nutzquerschnitt und wird 900 Meter tief ausgefahren. Welche Nutzlast F darf das Seil tragen?

Ein Stab wird unter Zugbelastung nicht nur länger, sondern auch dünner – sein Querschnitt nimmt ab. Jede Dehnung ist also mit einer Querschnittsminderung verbunden. Daraus ergibt sich entsprechend der Dehnung  aus dem Verhältnis der Dickenänderung d zur Ursprungsdicke d0 die Querdehnung q

Lösung:

q D

F C FG z D A Fmax D z zul A  FG FG D mg D V%g

% D 7850

kg m3

FG D 320  106 m2  900 m  7;85  103

kg m  9;81 2 m3 s

FG D 22:178 N N Fmax D 180  320 mm2  22:178 N D 35:422 N mm2 Fmax D 35;4 kN 9

Elastische Formänderung Verlängerung, Dehnung und Querdehnung 11.2.1.2

Jeder auf Zug beanspruchte Stab verlängert sich um einen berechenbaren Betrag l. Ist nach . Abb. 11.23 die Ursprungslänge l0 , die Länge bei Belastung l, so ergibt sich nach dem Hooke’schen Gesetz (11.9) in 7 Abschn. 11.1.5 die Verlängerung l l0 F l0 D E EA ; E F A N N mm2 mm2

l D l  l0 D l0 D 

mm 1

Jede Zugbeanspruchung eines Stabs ist mit einer Querschnittsabnahme und einer Verlängerung verbunden. Jede Druckbeanspruchung (Stauchung) eines Stabs ist mit einer Querschnittsvergrößerung und einer Längenabnahme verbunden. Das Verhältnis der Dehnung  (bei Zugbeanspruchung) zur Querdehnung q (bei Druckbeanspruchung) wird als Poisson-Zahl bezeichnet.  für Stahl m  3;3 (11.27) mD q Darin ist die durch Versuche ermittelte Poisson-Zahl m für Metalle nahezu konstant und beträgt m D 3;3. Allerdings 1 wird häufiger mit dem Kehrwert der Poisson-Zahl gem rechnet. Die Werkstoffkonstante *D

1 m

wird als Querzahl oder Querkontraktionszahl bezeichnet. Querkontraktionszahlen * für ausgewählte Werkstoffe: (11.25)

Um längenunabhängige Vergleichswerte für die Werkstoffbeurteilung zu erhalten, wird die Verlängerung l auf die Ursprungslänge l0 bezogen. Dieser Quotient aus Verlängerung l und Ursprungslänge l0 ist die Dehnung  D

(11.26)

Die Poisson-Zahl1

FG D Al%g

l

d d0  d D d0 d0

l l  l0 D l0 l0

Stahl und Stahlguss Gusseisen mit Lamellengraphit Aluminium und -legierungen Mangan und -legierungen Kupfer Elastomere Epoxidharz

0,3 0,26 0,33 0,35 0,34 0,5 0,36

Reißlänge Das ist diejenige Länge, bei der ein frei hängender Stab mit gleichbleibendem Querschnitt unter dem Einfluss seiner Gewichtskraft FG D mg D V%g D Alr %g abreißt. Daher wird in der Zug-Hauptgleichung (11.21) die Zugkraft F durch die Gewichtskraft FG ersetzt und diese Gleichung nach lr aufgelöst: F FG Alr %g D D D lr %g A A A Rm lr D %g

z D

. Abb. 11.23 Kraft-Verlängerungsdiagramm eines Zugstabs (Federungsdiagramm), siehe auch 7 Abschn. 11.2.1.2

1

z D Rm

Siméon Denis Poisson, französischer Physiker und Mathematiker, 1781–1840.

258

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Eine Zahlenwertgleichung ergibt sich, wenn die Gleichung auf die Längeneinheit km zugeschnitten wird. Dazu ist die Umrechnung der Flächeneinheit mm2 in m2 erforderlich:

RD

.Rm / N  m3 s2 N=mm2 .lr / D D D .%/.g/ kgm3  m=s2 mm2 kg m 2 3 2 kg m=s  m s .lr / D 106 m2 kg m .lr / D 106 m D 103 km Rm lr D 10 %g

lr

3

Mit g  10

km

Rm N mm2

% kg m3

lr km

Rm N mm2

% kg m3

F F D ¶ tan ˛ l f

R N m

F

l; f

N

m

(11.30)

Der elastische Zugstab ist im weiteren Sinn demnach eine Feder; denn er hat die Fähigkeit, potentielle mechanische Energie aufzunehmen, die ihm über die Formänderungsarbeit der Federkraft vermittelt wurde.

g m s2

7 Beispiel

m wird die Gleichung noch einfacher: s2

Rm lr D 100 %

Das Verhältnis aus Federkraft F und Verlängerung l (Federweg f ) heißt Federrate

(11.28)

Eine Stahlstange mit 16 mm Durchmesser und 80 m Länge hängt frei herab und wird am unteren Ende mit F D 22 kN belastet. a) Wie groß ist die Spannung am unteren und am oberen Ende? b) Wie groß ist die Verlängerung bei geradlinig angenommener Spannungszunahme?

! Hinweis

11

Die Reißlänge lr hängt ab von der Zugfestigkeit Rm des Werkstoffs, seiner Dichte % und der Fallbeschleunigung g; sie hängt nicht ab von Größe und Form des Stabquerschnitts. Man kann also lr nicht dadurch erhöhen, dass man den Stabquerschnitt vergrößert, weil sich damit auch die Gewichtskraft erhöhen würde.

Formänderungsarbeit Am vollkommen elastischen Stab verrichten die Zug- und Druckkräfte F längs des Weges l (Verlängerung) die Formänderungsarbeit W D

Fl 2V D (siehe . Abb. 11.23) 2 2E W F l ; E V (11.29) N J D Nm N m m3 2 m

Darin wurde nach (11.25) eingesetzt für

Lösung: 22:000 N F N D D 109;5 A 201 mm2 mm2 F C Al%g F C FG D D A A D

a) min D max max D

22:000 N C 201  106 m2  80 m  7;85  103 mkg3  9;81 sm2

201  106 m2 N N max D 115;6  106 2 D 115;6 m mm2 min C max b) mittel D 2 109;5 C 115;6 N N D 112;6 mittel D 2 2 mm mm2 mittel l0 l D E N 3 112;6 mm 2  80  10 mm l D D 42;9 mm 9 N 2;1  105 mm 2 7 Beispiel

für F D A und für Al0 D Volumen V.

Die Reißlänge lr ist zu bestimmen für Baustahl S 235 JR, mit Rm D 370 N=mm2 , für Federstahl mit 1800 N=mm2 Zugfestigkeit und für die Aluminium-Gusslegierung AlSi7Mg mit Rm D 250 N=mm2 (Dichte % D 2800 kg=m3 ).

! Hinweis

Lösung: Nach (11.28) wird für

l D l0 D

l0 E

Für und E gilt N N N D 1 6 2 D 106 2 1 mm2 m 10 m

Der Formänderungsarbeit W entspricht die Dreieckfläche im Kraft-Verlängerungsschaubild (. Abb. 11.23). Die Zugkraft F wächst linear mit der Verlängerung l; die Kraftlinie ist daher eine Gerade.

S 235 JR:

lr D 100 

370 Rm D 100  D 4;713 km % 7850

1800 D 22;93 km 7850 (also größer als bei S 235 JR)

Federstahl: lr D 100 

AlSi7Mg:

lr D 100 

250 D 8;929 km 9 2800

259 11.2  Beanspruchungsarten

P Fx D 0 und Fy D 0 des zentralen Kräftesystems allein nicht möglich (zwei Gleichungen, aber drei Unbekannte). In solchen statisch unbestimmten Fällen werden die Formänderungsgleichungen der Elastizitätslehre hinzugezogen; hier das Hooke’sche Gesetz für Zug:

P

D E D

. Abb. 11.24 Querschnittsgestaltung beim frei herabhängendem Stab gleicher Zugbeanspruchung in allen Querschnitten, Belastung: Gewichtskraft FG und Nutzlast F

Hochwertiger Stahl ist demnach trotz der höheren Dichte auch einer Leichtmetall-Gusslegierung erheblich überlegen. Zweckmäßig werden frei herabhängende Stangen und Drähte absatzweise verjüngt, z. B. lange Gestänge in Pumpenschächten. Stäbe gleicher Zug- oder Druckbeanspruchung müssen bei Berücksichtigung ihrer Gewichtskraft FG und der Nutzlast F nach einem Exponentialgesetz „angeformt“ werden (. Abb. 11.24). Für die erforderliche Querschnittsfläche Ax im beliebigen Abstand x vom unteren Stabende gilt mit Dichte % und zulässiger Spannung zul : Ax D A0 e%gx= zul D

F %gx= zul e zul

(11.31)

7 Beispiel Drei symmetrisch angeordnete Gelenkstäbe S1 , S2 , S3 aus 20 mm Rundstahl tragen nach . Abb. 11.25 eine Last F D 40 kN. Winkel ˛ D 30ı . Wie groß ist die Zugspannung in den drei Stäben? Lösung: Um die Spannungen berechnen zu können, müssen die Zugkräfte F1 , F2 , F3 in den Gelenkstäben bekannt sein. Das ist mit den beiden Gleichgewichtsbedingungen

F l E D l0 A

Die Lageskizze des freigemachten Knotenpunkts K zeigt: X Fx D 0 D CF2 sin ˛  F2 sin ˛ Wegen Symmetrie ist F2 D F3 X Fy D 0 D CF1 C 2F2 cos ˛  F F D F1 C 2F2 cos ˛ Stab 1 verlängert sich um l, seine Dehnung beträgt also 1 D l= l0 . Stab 2 verlängert sich um l cos ˛; seine Ursprungslänge ist l0 =cos ˛, die Dehnung demnach: 2 D l cos ˛ cos ˛= l0 : Während der (hier) geringfügigen Formänderung kann Winkel ˛ D konstant angesehen werden. Es ergibt sich: F D F1 C 2F2 cos ˛ D 1 EA C 22 EA cos ˛ l cos3 ˛ l EA C 2 EA l0 l0

l F D EA 1 C 2 cos3 ˛ l0 l F D l0 EA .1 C 2 cos3 ˛/ l 40:000 N D N l0 2;1  105 mm  314 mm2 .1 C 2 cos3 30ı / 2 F D

l D 2;64  104 l0 l F1 D 1 D E A l0 1 D 2;64  104  2;1  105

N N D 55;4 mm2 mm2

l F2 D E cos2 ˛ A l0 N N 2 D 2;64  104  2;1  105  cos2 20ı D 41;6 9 mm2 mm2 2 D 3 D

Formänderung bei dynamischer Belastung Bei plötzlich wirkender Zug- oder Druckkraft wird die Formänderung (Verlängerung oder Verkürzung l) größer als beim langsamen Aufbringen der Last. Wird z. B. ein am Seil hängender Körper mit der Gewichtskraft FG D mg um die Höhe h angehoben und dann frei fallen gelassen, so muss vom Seil die Arbeit W D FG h C FG l D FG .h C l/ als Formänderungsarbeit W D 2 V =2E, aufgenommen werden. Beide Ausdrücke werden gleichgesetzt: . Abb. 11.25 Berechnung der Zugspannungen im statisch unbestimmten System

FG .h C l/ D

2V 2E

11

260

Kapitel 11  Festigkeitslehre

und mit V D Al und D dyn

Lösung: a) bei statischer Belastung:

2 2EFG .h C l/ D dyn Al

Die Spannung bei ruhender Belastung durch die Gewichtskraft FG ist 0 D FG =A. Außerdem gilt das Hooke’sche Gesetz dyn D Edyn D El= l. Damit wird

b) bei plötzlich aufgebrachter Last:

h 2EFG l D .h C l/ D 2E 0 C 2 0 E Al l l h 2 D 2E 0 C 2 0 dyn dyn l h 2 dyn  2 0 dyn  2E 0 D 0 l 2 dyn

11

10:000 N FG N D D 66;7 A 150 mm2 mm2 10:000 N  3  103 mm FG l D l0 D D 0;95 mm EA 2;1  105 N=mm2  150 mm2 0 D

N N D 133;4 mm2 mm2 D 2l0 D 1;9 mm

dyn D 2 0 D 2  66;7 ldyn

Amplituden:

(quadratische Gleichung). Daraus ergeben sich dyn (größte Spannung) und dyn (größte Dehnung): r h dyn D 0 C 02 C 2 0 E l r h dyn D 0 C 02 C 20 E l dyn ; 0 ; E h; l dyn ; 0 (11.32) N mm 1 mm2 Bei plötzlich aufgebrachter Last ohne vorherigen Fall (h D 0) wird

N mm2  l0 D 0;95 mm

a D dyn  0 D 66;7 la D ldyn

c) beim Fall aus 20 mm Höhe nach (11.32): N dyn D 66;7 mm2 s   N N 2 N 20 mm C 66;7 C 2  66;7 2;1  105 mm2 mm2 mm2 3000 mm N N dyn D 504 0 D 66;7 mm2 mm2 dyn 504 N=mm2 D 3  103 mm ldyn D l D 7;2 mm E 2;1  105 N=mm2 Amplituden:

dyn D 2 0 dyn D 20 ldyn D 2l0

N N D 437 mm2 mm2  l0 D .7;2  0;95/ mm D 6;25 mm

a D dyn  0 D .504  66;7/

(11.33)

Die bei dynamischer Belastung auftretenden Schwingungen haben die Anfangsamplitude

la D ldyn

Auf die außergewöhnliche Beanspruchung bei dynamischer Belastung wird hingewiesen! 9

Wärmespannungen

a D dyn  0 um die Gleichgewichtslage 0 und la D ldyn  l0 um die Gleichgewichtslage l0 .

Die Erfahrung zeigt, dass sich alle festen Körper bei Erwärmung mehr oder weniger ausdehnen und bei Abkühlung wieder zusammenziehen. Ein Stab mit der Ursprungslänge l0 zeigt bei Erwärmung um die Temperaturdifferenz T D T2  T1 die Verlängerung l D l0 ˛l T

7 Beispiel Ein Stahlseil mit A D 150 mm tragender Querschnittsfläche und l D 3 m Länge trägt einen Körper mit der Gewichtskraft FG D 10 kN. 2

Gesucht: Spannung und Verlängerung a) bei langsam aufgebrachter Last, b) bei plötzlich aufgebrachter Last und c) beim Fall aus 20 mm Höhe; alles ohne Berücksichtigung der Gewichtskraft des Seils.

l; l0 mm

˛l 1 K

T K

(11.34)

Darin ist ˛l der Längenausdehnungskoeffizient des betreffenden Stoffs mit der Einheit: .˛l / D

Meter 1 1 D Dı Meter  K K C

Näheres über ˛l im Teil V Thermodynamik, hier nur zwei Angaben: 4 Für Stahl ist ˛l D 12  106 1=K; 4 für Quarz ist ˛l D 1  106 1=K.

261 11.2  Beanspruchungsarten

Bei der Temperaturerhöhung stellt sich die Länge lt ein: lt D l0 C l D l0 C l0 ˛l T lt D l0 .1 C ˛l T /

(11.35)

Ist durch entsprechende Einspannung eine Ausdehnung des Stabes nicht möglich, müssen im Stab Normalspannungen auftreten. Ihr Betrag wird genauso groß, als wenn der Stab um l verlängert worden wäre. Im Bereich des Hooke’schen Gesetzes gilt dann mit (11.34) für die Wärmespannung l l0 ˛l T ED E D ˛l TE l0 l0 T ; E T ˛l N 1 K 2 mm K

T D E D

(11.36)

7 Beispiel Ein an den Enden fest eingespannter Stab aus Stahl ist bei 20 ı C spannungsfrei und wird gleichmäßig auf 120 ı C erhitzt. Wie groß ist die auftretende Druckspannung? Lösung: Mit ˛l St D 12  106 K1 ; T D 100 ı C D 100 K und E D 2;1  105

N mm2

wird nach (11.34) d D T D ˛l TE d D 12  106

N 1 N  100 K  2;1  105 D 252 K mm2 mm2

In Wirklichkeit wird der Stab ausweichen und diese Spannung nicht ganz aufnehmen. Das Beispiel zeigt jedoch deutlich die große Gefahr bei Temperaturänderung fest eingespannter Stäbe. 9

11.2.2

Biegung

Biegespannung Biegungsarten, inneres Kräftesystem 11.2.2.1

. Abb. 11.26 Biegungsarten

Biegung tritt auf, wenn mindestens eine der Achsen (Biegeachse) eines festen Körpers gekrümmt wird. Wird die Symmetrische Querschnitte werden dann nicht verdreht. Biegeachse elastisch gebogen, so heißt sie Biegelinie oder Diese Biegungsart tritt im Maschinenbau am häufigsten elastische Linie. Biegung ist nicht unbedingt an das Vor- auf. handensein erkennbarer äußerer Kräfte gebunden: Eigenspannungen nach der Bearbeitung durch Temperaturun-1 Schiefe Biegung terschiede, Schrumpfung u. a. Nach . Abb. 11.26 werden Die Lastebene schneidet zwar die Stabachse, fällt aber folgende Biegungsarten unterschieden: nicht mit der Ebene einer Hauptträgheitsachse zusammen. 1 Einfache (gerade) Biegung

1 Drillbiegung Alle Kräfte F (Belastungen) einschließlich der Stützkräfte Die Lastebene schneidet die Stabachse nicht; auch symstehen rechtwinklig zur Stabachse. Sie liegen in einer Ebe- metrische Querschnitte werden durch ein Drillmoment verne (Lastebene), die zugleich Ebene einer Hauptachse ist. dreht.

11

262

Kapitel 11  Festigkeitslehre

1 Reine Biegung

Das belastende Kräftesystem besteht aus zwei Kräftepaaren, deren gemeinsame Ebene wie bei der einfachen (geraden) Biegung mit der Ebene einer Hauptachse zusammenfällt. Es wirken keine Querkräfte Fq , keine Längskräfte FN und bei symmetrischen Querschnitten auch kein Drillmoment. 1 Knickbiegung

11

Die Zug- oder Druckkraft F wirkt außermittig parallel zur Stabachse. Bei einer Druckkraft Knickbiegung, bei einer Zugkraft Zugbiegung. In der Praxis können sich die einzelnen Biegungsarten überlagern oder in mehreren Ebenen gleichzeitig auftreten. Hier werden nur die einfache und die reine Biegung behandelt. Das innere Kräftesystem wird mit Hilfe der Schnittmethode bestimmt (. Abb. 11.27). Nach Bestimmung der Stützkräfte FA und FB wird in der gewünschten Schnittstelle (Querschnitt x–x) dasjenige innere Kräftesystem angebracht, das einen der beiden durch den Schnitt abgetrennten Teile I oder II ins Gleichgewicht setzt. Nach . Abb. 11.27 hat der betrachtete Querschnitt x–x zu übertragen: a) Die innere Querkraft Fq ; sie ist die algebraische Summe aller rechtwinklig zur Stabachse gerichteten äußeren Kräfte (einschließlich der Stützkräfte!) rechts oder links von der betrachteten Schnittstelle. Die innere Querkraft Fq ruft im Querschnitt Schubspannungen  hervor. b) Das innere Biegemoment Mb ; es ist die algebraische Summe der Momente aller äußeren Kräfte (einschließlich der Stützkräfte) in Bezug auf den Schnittflächenschwerpunkt S rechts oder links von der betrachteten Schnittstelle. Das Biegemoment Mb ruft im Querschnitt Normalspannungen hervor, wie die Auflösung des Biegemoments in die beiden Teilkräfte FN des entsprechenden Kräfte-

paars zeigt (. Abb. 11.27). Die entstehenden Normalspannungen sind demnach Zug- und Druckspannungen. Ist keine besondere Unterscheidung erforderlich, wird ihr Größtwert mit Biegespannung b bezeichnet. !Hinweis Bei der einfachen Biegung muss der Querschnitt eine Querkraft Fq und ein Biegemoment Mb übertragen. Betrag und Verlauf des Biegemoments an jeder beliebigen Balkenstelle folgt aus der Seileck- oder Querkraftfläche.

Biege-Hauptgleichung Beanspruchen die äußeren Kräfte einen Träger auf Biegung, so ist für die in einem bestimmten Querschnitt auftretende Biegespannung b nicht der Betrag der Kräfte, sondern ihr Biegemoment Mb maßgebend. Ebenso wird die Biegespannung nicht durch den Flächeninhalt, sondern vom axialem Widerstandsmoment W des Querschnitts bestimmt: Biegespannung b D

Biegemoment Mb axiales Widerstandsmoment W

Biege-Hauptgleichung: b D

b N mm2

Mb W

Mb

W

N mm mm3

(11.37)

Diese Gleichung darf nur verwendet werden, wenn die Nulllinie (neutrale Achse des Querschnitts) zugleich die Symmetrieachse ist, also e1 D e2 D e (siehe Herleitung der Biege-Hauptgleichung in 7 Abschn. 11.2.2.1). Je nach vorliegender Aufgabe kann die Biege-Hauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung des erforderlichen Querschnitts (Querschnittsnachweis): Werf D

Mb max bzul

(11.38)

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis): b vorh D

Mb max W

(11.39)

Berechnung der maximal zulässigen Belastung (Belastungsnachweis): Mb max D W b zul

(11.40)

Herleitung der Biege-Hauptgleichung

. Abb. 11.27 Inneres Kräftesystem bei gerader Biegung

Die äußeren Kräfte biegen den Träger nach unten durch (. Abb. 11.28). Die vorher parallelen Schnitte ab, cd stellen sich schräg gegeneinander: a0 b 0 c 0 d 0 . Dabei werden die oberen Werkstoff-Fasern verkürzt (Stauchung ), die unteren dagegen verlängert (Dehnung C). Dazwischen muss eine Faserschicht liegen, die sich

11

263 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.28 Verformungs- und Spannungsbild bei der Biegung

weder verkürzt noch verlängert, die ihre Länge also beibehält. Das ist die „neutrale Faserschicht“, bei der ˙ D 0 ist. Diese schneidet jeden Querschnitt in einer Geraden, die neutrale Achse des Querschnittes oder Nulllinie genannt wird (N  N in . Abb. 11.28). Sie geht durch den Schwerpunkt S der Querschnitte. Es wird angenommen, dass die vorher ebenen Querschnitte auch nach der Biegung eben bleiben (durch Versuche bestätigt). Weiterhin soll das Hooke’sche Gesetz gelten. Aus der ersten Bedingung folgt, dass die Dehnungen  proportional mit den Abständen y von der Nulllinie wachsen, aus der zweiten, dass auch die Spannungen proportional diesen Abständen sind: y D d e1

daraus D d

y e1

(siehe . Abb. 11.28). Im Gegensatz zur Zug- und Druckbeanspruchung sind demnach die Spannungen linear verteilt. Die neutrale Faserschicht ist unverformt, also auch spannungslos. Die Spannungen wachsen mit dem Abstand y von der neutralen Faser bis zum Höchstwert d (Druckspannung) und z (Zugspannung). Für jeden Querschnitt des Trägers müssen die statischen Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sein. Jedes Flächenteilchen A überträgt die Normalkraft F D A. P Nach der ersten Gleichgewichtsbedingung ist Fx D 0. Da der P Querschnitt keine Längskraft zu übertragen hat, wird F D A D 0. y Mit D d wird e1 X y d X d A D yA D 0 e1 e1 P also auch yA D P 0. Der Ausdruck yA ist das Moment der Fläche A (Flächenmoment 1. Grades) in Bezug auf die neutrale Faser (Nulllinie). Da es gleich null ist, muss die Nulllinie zugleich Schwerlinie sein, d. h. die neutrale Faser muss durch den Schwerpunkt gehen. P Nach der zweiten Gleichgewichtsbedingung ist Fy D 0. Da der Querschnitt bei Biegung auch eine Querkraft zu übertragen hat, führt diese Bedingung zu Schubspannungen . Ist der Querschnitt im Verhältnis zur Stablänge klein, können sie vernachlässigt werden.

. Abb. 11.29 Spannungsverteilung im einfach symmetrischen Querschnitt bei Belastung nach . Abb. 11.27

P Nach der dritten Gleichgewichtsbedingung ist M D 0. Da der Querschnitt bei der Biegung ein Biegemoment Mb zu übertragen hat (siehe inneres Kräftesystem), ergibt sich mit F D A und deren Innenmoment Mi D F y: X X Mi D F y D Ay X y d X 2 d Ay D Mb D y A e1 e1 Mb D

X

Aus P 2der letzten Entwicklungsform wird der Ausdruck y A als rein geometrische Rechengröße herausgezogen und als das auf die Nulllinie bezogene axiale Flächenmoment 2. Grades I der Fläche A bezeichnet. Die größten Spannungen d und z treten in den Randfasern auf. Deren P Abstände von der Nulllinie sind e1 und e2 . Mit I D y 2 A werden diese Randfaserspannungen: größte Druckspannung größte Zugspannung

Mb I Mb z D e2 I d D e1

(11.41) (11.42)

Wird weiter das Widerstandsmoment W D I =e eingeführt, also hier W1 D I =e1 und W2 D I =e2 , so wird d D Mb =W1 und z D Mb =W2 . Ist die Nulllinie N  N zugleich die Symmetrieachse des Querschnitts und damit e1 D e2 D e, so sind beide Randfaserspannungen gleich groß. Dann wird grundsätzlich unter b D d D z die Randfaserspannung max verstanden und es ergibt sich die obige Biege-Hauptgleichung b D Mb =W . Im einfach symmetrischen Querschnitt (. Abb. 11.29) sind die Randfaserabstände e1 , e2 verschieden groß. Es werden dann zwei verschiedene Widerstandsmomente W1 D I =e1 und W2 D I =e2 berechnet und damit auch zwei verschiedene Randfaserspannungen: größte Zugspannung

b2 D z

max

größte Druckspannung b1 D d max

Mb e 2 Mb D I W2 Mb e 1 Mb D D I W1 (11.43) D

264

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Voraussetzungen für die Gültigkeit der Biegehauptgleichung a) Gerade Stabachse, also nicht gekrümmt, wie z. B. beim Kranhaken b) die Lastebene liegt in einer Hauptachse des Querschnitts; bei symmetrischem Querschnitt ist das zugleich eine Symmetrieachse c) die Querschnitte sind klein im Verhältnis zur Stablänge d) Normalschnitte bleiben nach der Belastung weiterhin rechtwinklig zur Stabachse und außerdem eben e) für den Werkstoff gilt das Hooke’sche Gesetz f) der Elastizitätsmodul ist für Zug- und Druckbeanspruchung gleich groß, z. B. für Stahl g) die Spannungen bleiben unter der Proportionalitätsgrenze. Scharfe Querschnittsänderungen, wie Kerben, Bohrungen, Hohlkehlen usw. erfordern eine Nachrechnung auf Kerbwirkung, weil im Kerbgrund außergewöhnlich hohe Spannungsspitzen auftreten können. Die Hauptgleichung liefert dann nur die (mittlere) sogenannte Nennspannung n .

Die Werkstoffschichten biegebeanspruchter Bauteile werden zur Mitte hin immer weniger beansprucht. Es ist also wirtschaftlicher, sie von dort mehr nach außen zu verlagern, d. h. die größere Stoffmenge außen anzubringen. Diese Überlegung führt zum Doppel-T-Profil und zum Kreisringquerschnitt. Bei ungleicher zulässiger Spannung für Zug und Druck, wie z. B. bei Gusseisen mit z zul : d zul D 1 W 3, muss ein einfach symmetrischer Querschnitt gewählt werden. Für das Verhältnis der Randfaserabstände e1 , e2 gilt dann z zul 1 e1 D D e2 d zul 3

(11.44)

Mit h Profilhöhe, e1 Randfaserabstand der gezogenen und e2 Randfaserabstand der gedrückten Faser wird dann e1 D 0;25h und e2 D 0;75h. 11.2.2.2

Flächenmomente 2. Grades und Widerstandsmomente ebener Flächen, Trägheitsradius

Axiales Flächenmoment 2. Grades

X

%2 A

Ix D

X

y 2 A

I

% 4

mm

A

mm mm2

(11.45)

Iy D

X

x 2 A

(11.46)

.Iy ist immer > 0/

Polares Flächenmoment 2. Grades Das polare Flächenmoment 2. Grades Ip einer ebenen Fläche A, bezogen auf einen in der Ebene liegenden Punkt 0, ist die Summe der Flächenteilchen A, jedes multipliziert mit dem Quadrat seines Abstands r von 0 (. Abb. 11.30): polares Flächenmoment bezogen auf den Punkt (Pol) 0 (Ip ist immer > 0): Ip D

X

r 2 A

(11.47)

Gemischtes Flächenmoment Das gemischte Flächenmoment Ixy einer ebenen Fläche A, bezogen auf ein in der Ebene liegendes Achsenpaar (x, y), ist die Summe der Flächenteilchen A, jedes multipliziert mit dem Produkt seiner rechtwinkligen Abstände x und y von beiden Achsen (. Abb. 11.30): Gemischtes Flächenmoment bezogen auf die Achsen x und y: Ixy D

Das axiale oder äquatoriale Flächenmoment 2. Grades I einer ebenen Fläche A, bezogen auf eine in der Ebene liegende Achse a a, ist die Summe der Flächenteilchen A, jedes multipliziert mit dem Quadrat seines rechtwinkligen Abstandes % von dieser Achse (. Abb. 11.30): axiales Flächenmoment bezogen auf die Achse a  a (Ia ist immer > 0): Ia D

Demgemäß ist für die durch den Punkt 0 der Fläche gehenden, rechtwinklig aufeinander stehenden Achsen x und y:

.Ix ist immer > 0/

Querschnittsgestaltung

11

. Abb. 11.30 Definition und Berechnung der Flächenmomente 2. Grades

X

xyA

(11.48)

(Ixy kann T 0 sein). Das gemischte Flächenmoment Ixy tritt auf, wenn unsymmetrische Querschnitte belastet werden oder wenn bei symmetrischen Querschnitten die Belastungsrichtung nicht mit einer der querschnittseigenen Achsen x oder y zusammenfällt. Die axialen und polaren Flächenmomente Ix , Iy , Ip sind wegen der Abstandsquadrate immer positiv. Das gemischte Flächenmoment Ixy kann positiv, negativ und null werden.

11

265 11.2  Beanspruchungsarten

b) Die Flächenmomente 2. Grades verschiedener Teilflächen dürfen dann einfach addiert oder subtrahiert werden, wenn sie alle auf die gleiche Achse bezogen sind. c) Die Widerstandsmomente sind immer aus dem Gesamtflächenmoment 2. Grades zu bestimmen.

Beziehungen zwischen den Flächenmomenten . Abb. 11.31 Randfaserabstand e und r

Wird I D Ai 2 festgelegt, so nennt man i den Trägheitsradius r I A i I iD (11.49) 4 2 mm mm mm A

Ist Ip das polare Flächenmoment der Fläche A in Bezug auf den Polpunkt 0, ebenso Ix und Iy die axialen Flächenmomente in Bezug auf zwei durch 0 gehende Achsen x und y, die rechtwinklig aufeinander stehen, so ist das polare Flächenmoment Ip gleich der Summe der beiden axialen Flächenmomente Ix und Iy :

(11.55) Ip D Ix C Iy Entsprechend der Definition des Flächenmomentes I ist auch der Trägheitsradius i festgelegt: 1 Herleitung: p Nach (11.47) wird mit den Bezeichnungen in axial ix D Ix =A . Abb. 11.30, insbesondere mit r 2 D x 2 C y 2 : q axial iy D Iy =A X X (11.50) q Ip D r 2 A D .x 2 C y 2 /A X X polar ip D Ip =A Ip D x 2 A C y 2 A D Iy C Ix

Widerstandsmoment Das Widerstandsmoment W einer ebenen Fläche A ist gleich dem Flächenmoment I, dividiert durch den äußeren Randfaserabstand von der Bezugsachse: Flächenmoment I Randfaserabstand e Es sind zu unterscheiden (. Abb. 11.31): Widerstandsmoment W D

axiales Widerstandsmoment axiales Widerstandsmoment polares Widerstandsmoment W

I 3

mm

mm

Ix Wx D ex Iy Wy D ey Ip Wp D r

Das Flächenmoment für eine beliebige Achse (z. B. a  a in . Abb. 11.30) ist gleich dem Flächenmoment 2. Grades für die parallele Schwerachse (s  s), vermehrt um das Produkt aus der Fläche A und dem Quadrat des Achsenabstands (l 2 ): Ia D Is C Al 2

(11.51) (11.52) (11.53)

e; r 4

Steiner’scher Verschiebesatz

mm

Außerdem kann das Widerstandsmoment aus den Gleichungen nach . Abb. 11.32 berechnet werden. Ist die Fläche einfach symmetrisch (. Abb. 11.29), also Oberkante und Unterkante ungleich weit von der Bezugsachse entfernt (e1 bzw. e2 ) so gibt es zwei axiale Widerstandsmomente: Ix Ix Wx2 D (11.54) Wx1 D e1 e2 Hinweise bei Rechnungen:

a) Flächenteilchen dürfen parallel zur Achse verschoben werden, weil sich dabei der Abstand x und y von der Bezugsachse nicht ändert. Das Flächenmoment 2. Grades in Bezug auf diese Achse bleibt also unverändert.

(11.56)

Besteht eine Fläche A aus mehreren Einzelflächen A1 , A2 , A3 , . . . , deren Schwerpunkte die Abstände l1 , l2 , l3 , . . . von einer parallelen Achse a  a haben, so gilt: Ia D I1 C A1 l12 C I2 C A2 l22 C I3 C A3 l32 : : : (11.57) wenn I1 , I2 , I3 , . . . die Flächenmomente der Einzelflächen in Bezug auf ihre zu a  a parallelen Schwerachsen s  s sind (. Abb. 11.30). !Hinweis Der Steiner’sche Verschiebesatz gilt nur für parallele Achsen in Verbindung mit Schwerachsen! Er wird beim Berechnen des Flächenmomentes 2. Grades zusammengesetzter Querschnitte benutzt. Fallen Teilschwerachsen und parallele Bezugsachse für das Flächenmoment zusammen, sind die Abstände l1 , l2 , l3 , . . . gleich null. Die Glieder A1 l12 . . . fallen dann weg und es wird: I D I1 C I2 C I3 C : : :

(11.58)

(Gilt nur, wenn Teil- und Gesamtschwerachse zusammenfallen!)

266

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.32 Axiale Flächenmomente 2. Grades I, Widerstandsmomente W, Flächeninhalte A und Trägheitsradius i verschieden gestalteter Querschnitte für Biegung und Knickung (die Gleichungen gelten für die eingezeichneten Achsen)

Der Verschiebesatz gilt auch für polare Flächenmomen-1 Herleitung des Verschiebesatzes (. Abb. 11.30) P te 2. Grades und – sinngemäß – für gemischte Flächenmo- Da nach (11.45) Ia D %2 A ist und außerdem r D lC, mente. Bei letzteren sind die Vorzeichen der Abstände la wird und lb zu beachten. X X Ia D .l C /2 A D .l 2 C 2l C 2 /A ! Hinweis X X X Bei parallelen Achsen ist das auf die Schwerachse bezol 2 A C 2lA C 2 A Ia D gene Flächenmoment 2. Grades am kleinsten.

267 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.32 (Fortsetzung)

geordnet: 1 Hinweise für alle Rechnungen: Symmetrielinien sind Schwerlinien und zugleich HauptX X Ia D 2 A C l 2 A C 2l A D Is C Al 2 C 0 achsen; das Moment einer Fläche in Bezug auf eine Schwerachse ist null; der Schwerpunkt ist flächenfest, d. h. P 2 bezogegegen Drehung invariant; der resultierende Schwerpunkt denn  A D Is ist das auf die Schwerlinie P ne axiale Flächenmoment 2. Grades; A D A; und zweier Teilflächen liegt auf der Verbindungslinie der TeilP A D 0 als Moment der Fläche A (Flächenmoment schwerpunkte. 1. Grades) bezogen auf eine Schwerlinie.

11

268

11

Kapitel 11  Festigkeitslehre

. Abb. 11.32 (Fortsetzung)

Herleitung einiger Gleichungen für Flächenmomente 2. Grades

1 Axiales Flächenmoment für einen Rechteckquerschnitt

Die beiden Sätze (11.56) und (11.57) geben die Möglichkeit, Berechnungsgleichungen für Flächenmomente durch einfache Summenrechnung zu entwickeln, z. B. für den Rechteckquerschnitt nach . Abb. 11.33. Besonderheit: Der Querschnitt wird nicht nur in gleichdicke Flächenstreifen A zerlegt, sondern zugleich durch eine Diagonale in zwei Dreiecke zerlegt, von denen nur das linke betrachtet wird. Nach dem Strahlensatz gilt: A1 A D y h

A D A1

h y

Zuerst wird das Flächenmoment Ia (bezogen auf die Achse a  a) berechnet: Ia D

X

y 2 A D

X

y 2 A1

X h Dh yA1 y

P Der Summenausdruck yA1 ist nach der Schwerpunktslehre (als Summe der Momente der Teilflächen A in Bezug auf die Achse a  a) gleich dem Moment P der Gesamtfläche in Bezug auf die gleiche Achse: yA1 D Ay0 . Mit der Dreiecksfläche A D bh=2 und dem Schwerpunktsabstand 2 y0 D h 3

. Abb. 11.33 Herleitung der Gleichung für Is (Rechteckquerschnitt)

wird X

2 bh bh3 yA1 D h h D 3 2 3 Nach dem Steiner’schen Verschiebesatz (11.56) lässt sich nun das axiale Flächenmoment Is in Bezug auf die Schwerachse s  s berechnen (mit l D h=2 und A D bh): Ia D h

Is D Ia  Al 2 D

bh3 h2 bh3  bh D 3 4 12

(11.59)

(siehe . Abb. 11.32). Das Widerstandsmoment W ist nach (11.51) mit e D h=2: W D

bh3 2 bh2 I D D e 12h 6

(siehe . Abb. 11.32).

(11.60)

11

269 11.2  Beanspruchungsarten

Nach (11.55) ist das polare Flächenmoment 2. Grades gleich der Summe der beiden axialen Flächenmomente. Damit wird das axiale Flächenmoment Ix D Iy D . Abb. 11.34 Herleitung der Gleichung für Is (Dreieckquerschnitt)

1 Axiales Flächenmoment für einen Dreieckquerschnitt

Das Flächenmoment Ia für die gestrichelte Rechteckfläche ist nach . Abb. 11.34: Ia D bh3 =12. Die Dreieckfläche ist gleich der halben Rechteckfläche, also ist auch für die gleiche Achse das Flächenmoment der Dreieckfläche Ia D bh3 =24. Nach dem Steiner’schen Verschiebesatz gilt dann für die Schwerachse s  s (mit l D h=6): bh3 bh h2 bh3   D 24 2 36 36

Is D Ia  Al 2 D

(11.61)

1 Polares und axiales Flächenmoment für einen Kreisund Kreisringquerschnitt

Der Kreisquerschnitt wird nach . Abb. 11.35 in viele kleine Kreisausschnitte zerlegt, die als Dreiecke angesehen werden können. Das Teil-Flächenmoment eines Dreiecks der Höhe h D r in Bezug auf die Spitze (P) ist: Ip D br 3 =4. Die Summe aller Flächenmomente 2. Grades ist dann das polare Flächenmoment Ip des Gesamtquerschnitts in Bezug auf die gleiche Achse, hier also bezogen auf den „Pol“ P:

und mit

X

P

Ip D

(11.63)

(siehe . Abb. 11.32). Für die Kreisringfläche ergeben sich die Flächenmomente aus der Differenz der Flächenmomente für beide Kreisflächen mit gleicher Bezugsachse:

  4   4   4 Ip D (11.64) D  d D D  d4 32 32 32

  4 Ix D Iy D (11.65) D  d4 64 Die Gleichungen für die axialen Flächenmomente 2. Grades in Bezug auf die eigene Schwerachse für verschiedene Querschnittsformen sind in . Abb. 11.32 zusammengestellt.

Hauptachsen

(siehe . Abb. 11.32).

Ip D

Ip   4 D d 2 64

X br 3 4

D

1 3X r b 4

tan 2˛0 D

b D 2r 

1 3   r 2r  D r 4 4 2 d und mit r D 2   4 Ip D d 32

Zwei Achsen, für die das gemischte Flächenmoment null ist, heißen zugeordnete oder konjugierte Achsen. Stehen diese beiden Achsen auch noch rechtwinklig aufeinander (. Abb. 11.36), heißen sie Hauptachsen I, II und die auf sie bezogenen Flächenmomente 2. Grades Hauptflächenmomente 2. Grades (meist mit II , III bezeichnet). Das Hauptachsenpaar I, II besitzt immer das größte und das kleinste axiale Flächenmoment, eben die Hauptflächenmomente. Jede Symmetrieachse einer Fläche ist auch eine Hauptachse. Sind für ein beliebiges rechtwinkliges Achsenkreuz x, y alle Flächenmomente Ix , Iy , Ixy bekannt, so ergibt sich der Winkel ˛0 , um den das Achsenkreuz gedreht werden muss, damit es die Lage der Hauptachsen annimmt, aus

Ip D

(11.62)

2Ixy Iy  Ix

(11.66)

Die Hauptflächenmomente 2. Grades sind q

2 Ix C Iy 1 2 (11.67) Iy  Ix C 4Ixy C II D Imax D 2 2 q

2 Ix C Iy 1 2 (11.68) Iy  Ix C 4Ixy  III D Imin D 2 2

(siehe . Tab. 11.14). . Abb. 11.35 Herleitung der Gleichung für das polare und axiale Flächenmoment 2. Grades (Kreisquerschnitt)

. Abb. 11.36 Berechnung der Flächenmomente 2. Grades bei der Neigung der Achsen

270

Kapitel 11  Festigkeitslehre

(Zeichnerische Methoden zur Berechnung der Flächenmomente bei der Neigung der Achsen: Trägheitskreis nach Mohr-Land und Trägheitsellipse.) ! Hinweis Unter den Flächenmomenten 2. Grades sind, wenn die Angabe der Bezugspunkte bzw. -achsen fehlt, immer die auf den Schwerpunkt der Fläche bezogenen Hauptflächenmomente zu verstehen. Die Festlegung der Hauptachsen und der auf sie bezogenen Flächen- und Widerstandsmomente ist für schief belastete Träger wichtig, um die Belastung mit der Senkrechten zur Achse des größten Widerstandsmomentes zusammenfallen zu lassen.

Flächenmomente 2. Grades zusammengesetzter Flächen

11

Lässt sich der Querschnitt derart in Teilflächen zerlegen, dass alle Teilschwerachsen mit der Gesamtschwerachse zusammenfallen, dann kann das Flächenmoment des Gesamtquerschnitts aus der Summe oder Differenz der Teil-Flächenmomente berechnet werden (11.58). Die Gleichungen für die auf die eigene Schwerachse bezogenen Flächenmomente der Teilflächen sind . Abb. 11.32 zu entnehmen. Beispiele zeigt . Abb. 11.37.

Lässt sich ein einfach symmetrischer Querschnitt nicht in dieser Weise behandeln, geht man zweckmäßig nach folgendem Arbeitsplan vor: a) Der Querschnitt wird in Teilflächen bekannter Schwerpunktslage zerlegt b) die Schwerpunkte der Teilflächen werden bestimmt (siehe Schwerpunkt, 7 Abschn. 9.3.2.2) c) die Flächenmomente der Teilflächen, bezogen auf ihre eigene Schwerachse, werden nach . Abb. 11.32 berechnet d) ist die Gesamtschwerachse Bezugsachse, so wird auch die Lage des Gesamtschwerpunkts bestimmt e) das Flächenmoment des Querschnitts wird nach dem Steiner’schen Verschiebesatz (11.57) berechnet. 7 Beispiel Gesucht: Für den Querschnitt in . Abb. 11.38: a) die Schwerpunktsabstände e1 , e2 b) die axialen Flächenmomente Ix , Iy c) die Widerstandsmomente Wx1 , Wx2 , Wy

. Abb. 11.38 Querschnitt eines Kastenprofils 50 80

Lösung: a) Ae1 D A1 y1  A2 y2 A1 D .80  50/ mm2 D 4000 mm2 A2 D .40  34/ mm2 D 1360 mm2 A D A1  A2 D .4000  1360/ mm2 D 2640 mm2 y1 D 40 mm

y2 D 50 mm

A1 y1  A2 y2 A 4000 mm2  40 mm  1360 mm2  50 mm e1 D 2640 mm2 e1 D 34;8 mm

e1 D

e2 D 80 mm  34;8 mm D 45;2 mm

. Abb. 11.37 Profile mit gleichen Teil- und Gesamtschwerachsen

271 11.2  Beanspruchungsarten

b)

Ix D Ix1 C A1 l12  Ix2 C A2 l22

Winkelprofil 120 13:

2 Ix Winkel C AWinkel lWinkel D 394 C 29;7  25;062 cm4

50 mm  80 mm bh D D 213;3  104 mm4 12 12 bh3 34 mm  403 mm3 Ix2 D D D 18;13  104 mm4 12 12 l1 D y1  e1 D .40  34;8/ mm D 5;2 mm 3

Ix1 D

l12

 27 mm

3

3

2 Ix Winkel C AWinkel lWinkel D 19:045;7 cm4

Gurtplatte:  2 D IGurtpl. C AGurtpl. lGurtpl.

2

 2;5  2;83 C 2;5  2;8  28;62 cm4 12

l2 D y2  e1 D .50  34;8/ mm D 15;2 mm

2 IGurtpl. C AGurtpl. lGurtpl. D 44:926;9 cm4

l22  231 mm2

Bohrung: 

Ix D 213;3  104 mm4 C 0;4  104 mm2  27 mm2   18;13  10 mm C 0;136  10 mm  231 mm 4

4

4

2

2

Ix D .224;1  104  49;55  104 / mm4 Ix D 174;6  10 mm 4

4

80 mm  50 mm bh D D 83;3  104 mm4 12 12 40 mm  343 mm3 bh3 D D 13;1  104 mm4 Iy2 D 12 12 Iy D .83;3  13;1/  104 mm4 D 70;2  104 mm4 Iy1 D

3

2 IBohrung C ABohrung lBohrung D 5730;3 cm4

Ix D 166:264;5 cm4

3

Ix 1746  103 mm4 D 50;2  103 mm3 D e1 34;8 mm Ix 1746  103 mm4 D 38;6  103 mm3 Wx2 D D e2 45;2 mm Iy 702  103 mm4 D D 28;1  103 mm3 9 Wy D e 25 mm

c) Wx1 D

7 Beispiel Gesucht werden für den Querschnitt eines Blechträgers (. Abb. 11.39) unter Berücksichtigung der Nietbohrungen das axiale Flächenmoment Ix und das Widerstandsmoment Wx . Lösung:

2 Ix D IStegblech C 4 Ix Winkel C AWinkel lWinkel

2 C 2 IGurtplatte C AGurtplatte lGurtplatte

2  4 IBohrung C ABohrung lBohrung

Auswertung: Der Anteil der Gurtplatten ist mit 89.853,8 cm4 am gesamten Flächenmoment 2. Grades sehr hoch. Auch der (ungünstige) Einfluss der Nietbohrungen ist mit ungefähr 14 % beträchtlich. Das Widerstandsmoment Wx beträgt: Wx D

166:264;5 cm4 Ix D D 5542;2 cm3 9 e 30 cm

7 Beispiel Gesucht werden für das ungleichschenklige Winkelprofil 160 80 12 mit scharfen Ecken (. Abb. 11.40): a) die Lage des Schwerpunkts Sges , b) die Flächenmomente 2. Grades Ix , Iy für die Schwerachsen x, y, c) das gemischte Flächenmoment 2. Grades Ixy d) die Lage der Hauptachsen I und II e) die Hauptflächenmomente II und III . Lösung: a) Schwerpunktslage: Ax0 D A1 x1 C A2 x2 Ay0 D A1 y1 C A2 y2

Stegblech: IStegblech D

1;5  573 cm4 D 23:149;1 cm4 12

. Abb. 11.39 Querschnitt eines Blechträgers

 35  1;53 C 35  1;5  29;252 cm4 12

Ix D .23:149;1 C 4  19:045;7 C 2  44:926;9  4  5730;3/ cm4

Iy D Iy1  Iy2 3

2 D IBohrung C ABohrung lBohrung

. Abb. 11.40 Querschnitt eines ungleichschenkligen Winkelprofils 160 80 12

11

272

Kapitel 11  Festigkeitslehre

A1 D .16  1;2/ cm2 D 19;2 cm2 A2 D .6;8  1;2/ cm D 8;16 cm 2

2

A D 27;36 cm2 x0 D

A1 x1 C A2 x2 .19;2  0;6 C 8;16  4;6/ cm3 D A 27;36 cm2

x0 D 1;793 cm y0 D

.19;2  8 C 8;16  15;4/ cm3 A1 y1 C A2 y2 D A 27;36 cm2

Rechnerische Bestimmung der Stützkräfte, Querkräfte und Biegemomente Stützkräfte 11.2.2.3

Die Stützkräfte FA , FB sind die in den Stützlagern (. Abb. 11.41) wirkenden Reaktionskräfte gegen die äußeren Kräfte. Nehmen die Lager des Biegeträgers nur lotrechte Lasten auf, so bezeichnet man sie als Auflager

y0 D 10;207 cm b) Flächenmomente 2. Grades Ix , Iy : b1  h31 b2  h32 2 2 C A1  la1 C A2  la2 C 12 12 1;2  163 cm4 C 19;2  2;2072 cm4 C Ix D 12 6;8  1;23 cm4 C 8;16  5;1932 cm4 C 12 Ix D 724;152 cm4

Ix D

h1  b13 h2  b23 2 2 C A1  lb1 C A2  lb2 C 12 12 16  1;23 cm4 C 19;2  1;1932 cm4 C Iy D 12 1;2  6;83 C cm4 C 8;16  2;8072 cm4 12 Iy D 125;368 cm4 Iy D

11

c) Gemischtes Flächenmoment Ixy : Ixy D

X

xyA D la1  lb1  A1 C la2  lb2  A2

Ixy D .2;207 cm/  .1;193 cm/  19;2 cm2 C C 5;193 cm  2;807 cm  8;16 cm2 Ixy D 169;5 cm4 d) Lage der Hauptachsen I und II: 2˛0 D arctan

. Abb. 11.41 Stützkräfte FA , FB , Querkräfte und Biegemomente bei Einzel- und Streckenlast

2Ixy Iy  Ix

Gegeben:

2  169;5 cm4 2˛0 D arctan .125;368  724;152/ cm4 ˛0 D 14;76ı

N m

F1 D F 0  c D 6000 N a D 1;5 m

(Hauptachse I im II. bzw. IV. Quadranten) e) Hauptflächenmomente II und III :

F 0 D 2000

F D 6000 N

a1 D 3;5 m c1 D 2 m

b D 4;5 m b1 D 2;5 m

c D 3m l D 6m

c2 D 1 m

q

2 Ix C Iy 1 2 ˙ II, II D Iy  Ix C 4Ixy 2 2 724;152 C 125;368 cm4 ˙ II, II D 2 1p .125;368  724;152/2 cm8 C 4  169;52 cm8 ˙ 2 II, II D Imax D 768;8 cm4

Stützkräfte:

II, II D Imin D 80;72 cm 9

Mb III D FB  c2 D 5000 N  1 m D 5000 Nm

4

FA D 7000 NI

FB D 5000 N

Biegemomente: Mb I D FA  a D 7000 N  1;5 m D 10:500 Nm Mb II D FA  c1  F  .c1  a/ Mb II D 7000 N  2 m  6000 N  .2 m  1;5 m/ Mb II D 11:000 Nm

273 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.42 Stützkräfte FA , FB , Querkräfte und Biegemomente bei Streckenlast F 0 D 2000 N=m, l D 6 m

oder Stützlager. P P Mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen Fy D 0; M D 0 werden die Stützkräfte FA , FB berechnet. Dabei werden die über der Länge l aufliegenden Streckenlasten (Gewichtskraft, gleichmäßig verteilte Lasten, Dreieckslasten u. a.) als im Schwerpunkt der Streckenlast angreifende Einzellast behandelt. Ist F 0 die Belastung der Längeneinheit (z. B. in N=m, N=mm), so ergibt sich als Resultierende der Streckenlast (. Abb. 11.42). 0

F DF l

F N

F0 N m

l m

(11.69)

Mit den Bezeichnungen in . Abb. 11.41 ist die Resultierende der Streckenlast (gegebene Größen siehe . Abb. 11.41): F1 D F 0 c D 2000 N=m  3 m D 6000 N. Die Momentengleichgewichtsbedingung um den Lagerpunkt A ergibt damit: X

M.A/ D 0 D F a  F1 a1 C FB l

und daraus F a C F1 a1 l 6000 N  1;5 m C 6000 N  3;5 m D 5000 N FB D 6m

FB D

aus X

Fy D 0 D CFA C FB  F  F1

ergibt sich FA D F C F1  FB FA D 6000 N C 6000 N  5000 N D 7000 N Zur Kontrolle der Rechnung sollte und daraus FA berechnet werden.

P

M.B/ D 0 angesetzt

Querkräfte Die Querkräfte Fq (siehe auch 7 Abschn. 11.2.2.1) sind alle rechtwinklig zu einer Stabachse wirkenden Kräfte; also auch die Stützkräfte FA , FB . Betrag und Richtung der Querkraft eines beliebigen Querschnitts (z. B. Querschnitt x–x im Abstand lx vom linken Stützlager A in den . Abb. 11.41 und 11.42) werden am einfachsten durch die Aufzeichnung der Querkraftfläche oder Querkraftlinie (Begrenzung der Querkraftfläche) bestimmt. Dazu „wandert“ man rückwärts gehend auf der Nulllinie 0–0 (. Abb. 11.41 und 11.42) vom linken zum rechten Stützlager und trägt fortlaufend maßstäblich die jeweils „sichtbaren“ Querkräfte aneinander an. Für die Schnittstelle x–x wird in . Abb. 11.41: Fqx D FA

11

274

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Mit Hilfe der Querkraftfläche in . Abb. 11.41 ergeben sich folgende Biegemomente:

und in . Abb. 11.42: Fqx D CFA  F 0 lx Die Querkraftlinie verläuft bei Einzellasten parallel zur Nulllinie (. Abb. 11.41) und ist bei Streckenlasten eine zur Nulllinie geneigte Gerade (. Abb. 11.42). Beweis nach . Abb. 11.42: Für die Stelle x ist Fqx D CFA  F 0 lx D

F F 0l  F 0 lx D  F 0 lx 2 2

Mb I D FA a D 7000 N  1;5 m D 10:500 Nm Mb II D Mb I C .FA  F /.c1  a/ Mb II D 10:500 Nm C 1000 N  0;5 m D 11:000 Nm Man kann auch rein rechnerisch vorgehen (Summe aller Momente links von Schnittstelle II): Mb II Mb II Mb II Mb III

Das ist die Gleichung einer geneigten Geraden; die Neigung ist proportional der Streckenlast F 0 (je größer F 0 , desto stärker die Neigung und umgekehrt). Für lx D 0 wird

Mb max

F 0l Fq D D FA 2

11

D FA c1  F .c1  a/ D 7000 N  2 m  6000 N  0;5 m D 11:000 Nm D FB c2 D 5000 N  1 m D 5000 Nm y D FB .y C c2 /  F 0 y 2

darin ist y D c  x und nach (11.70)

(in Stützpunkt A); für lx D l=2 wird Fq D 0 (in der Trägermitte). In . Abb. 11.42 wurde der Beweis zeichnerisch geführt (Kräfteplan), indem die Teilkräfte F 0 , jeweils im Schwerpunkt angreifend, als Teil-Querkräfte aneinander gereiht wurden.

xD

also y D 3 m  0;5 m D 2;5 m. Mb max D 5000 N.2;5 C 1/ m  2000

Mbx ¶ Aq D FA lx Vielfach wird nur das maximale Biegemoment Mb max gebraucht. Es liegt immer dort, wo die Querkraftlinie durch die Nulllinie läuft (Nulldurchgang). In einigen Fällen ist dann noch das Durchgangsmaß x (oder y) wie in . Abb. 11.41 zu bestimmen. Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke HNE und EGD folgt mit den bezeichneten Querkraftund Längenmaßen das Durchgangsmaß

oder mit der Querkraftfläche rechts vom Nulldurchgang: y 2 ¶ Rechteckfläche C Dreieckfläche  y D FB c2 C 2 D 5000 N.1 C 1;25/ m D 11:250 Nm

Mb max D FB c2 C FB

Mb max Mb max

Die Momentenfläche oder Momentenlinie entsteht, wenn die Biegemomente der einzelnen Querschnitte maßstäblich als Ordinaten von einer Nulllinie aus aufgetragen werden. Die Momentenlinie ist bei Einzelkräften eine geneigte Gerade, bei Streckenlasten eine Parabel, wie auch . Abb. 11.42 zeigt. Danach wird das Biegemoment Mbx an der Schnittstelle x: Mbx ¶ Trapezfläche D für FA D FB D

F F 0l D 2 2

und für FA  F xD c F1

(11.70)

N  2;5 m  1;25 m m

Mb max D 11:250 Nm

Biegemomente (siehe auch 7 Abschn. 11.2.2.1) Das Biegemoment für einen beliebigen Querschnitt ist die algebraische Summe der statischen Momente aller links oder rechts vom Querschnitt angreifenden äußeren Kräfte (einschließlich der Stützkräfte). Praktisch rechnet man mit der Seite, an der die wenigsten Kräfte angreifen. Betrag und Richtung des Biegemoments eines beliebigen Querschnitts (z. B. Querschnitt x–x im Abstand lx vom linken Stützlager A in den . Abb. 11.41 und 11.42) werden am einfachsten durch Aufzeichnung der Querkraftfläche bestimmt. Vom linken Stützlager A nach rechts fortschreitend entspricht die dabei „überstrichene“ Querkraftfläche Aq dem Biegemoment des betreffenden Querschnitts. Nach . Abb. 11.41 wird damit das Biegemoment Mbx der Schnittstelle x:

.7000  6000/ N FA  F cD D 0;5 m F1 6000 N

Fqx D FA  F 0 lx

FA C Fqx 2

11

275 11.2  Beanspruchungsarten

Querkräfte

eingesetzt: Mbx Mbx

F 0 l=2 C F 0 l=2  F 0 lx F 0l F 0 lx2 D lx D lx  2 2 2

F0 D l lx  lx2 2

d. h. bei einer Streckenlast ist die Momentenlinie eine Parabel. Das maximale Biegemoment liegt in Balkenmitte, also bei lx D l=2 Mb max D

F 0l 2 Fl D 8 8

! Hinweis Die Momentenlinie gibt bei Biegeträgern mit gleich bleibendem Querschnitt zugleich den Verlauf der Randfaserspannung über die Balkenlänge an. An der Mb max -Stelle ist also auch die Randfaserspannung am größten.

1 Zusammenfassung

Das Biegemoment Mb entspricht der Querkraftfläche Aq links oder rechts von der betrachteten Querschnittsstelle unter Beachtung der Vorzeichen der Flächen. Das größte Biegemoment Mb max liegt dort, wo die Querkraftlinie „durch null“ geht (Nulldurchgang) oder wo die Seileckfläche ihre größte Ordinate ymax besitzt. Geht die Querkraftlinie mehrfach durch null, müssen zum Vergleich die Biegemomente für alle Nulldurchgänge berechnet werden. Kontrolle der Querkraftfläche: Die Summe aller positiven Flächenteile (oberhalb 0  0) muss gleich P der Summe aller negativen (unterhalb 0  0) sein, also Aq D 0, weil entsprechend beim statisch bestimmt gelagerten Träger die P M D 0 sein muss. Vereinbarung: Biegemomente sind positiv, wenn in den oberen Fasern des Biegeträgers Druck- und in den unteren Fasern Zugspannungen ausgelöst werden.

Zeichnerische Bestimmung der Stützkräfte, Querkräfte und Biegemomente Stützkräfte 11.2.2.4

Die Stützkräfte FA und FB werden durch die Krafteckund Seileckzeichnung gefunden (. Abb. 11.42 und 11.43). Im Kräfteplan werden die Lasten F D 6000 N und F1 D F 0 c D 6000 N maßstäblich und richtungsgemäß aneinander gezeichnet. Mit Hilfe der Polstrahlen 0; 1; 2; : : : , zum beliebigen Pol M werden die Seilstrahlen 00 ; 10 ; 20 ; : : : durch Parallelverschiebung gezeichnet. Die Schlusslinie S 0 des Seilecks wird in den Kräfteplan übertragen (S) und schneidet dort im Teilpunkt T die Stützkräfte FB , FA ab. Das Krafteck der Kräfte F , F1 , FB , FA muss sich schließen.

Die Querkräfte Fq werden aus dem Kräfteplan herübergelotet und auf ihren aus dem Lageplan heruntergeloteten Wirklinien aufgetragen. Damit ergibt sich die Querkraftlinie. Sie ist bei Streckenlast eine geneigte Gerade, wie in . Abb. 11.42 nachgewiesen worden ist. Der Nulldurchgang legt die Mb max -Stelle fest. Die Querkraftfläche links oder rechts vom Nulldurchgang entspricht dem größten Biegemoment: Aq1 D Aq2 ¶ Mb

max

Die Durchgangsmaße x und y können unter Berücksichtigung des Längenmaßstabes abgegriffen werden (. Abb. 11.43).

Biegemomente Die Biegemomente Mb werden zeichnerisch mit Hilfe der Seileckfläche bestimmt. Die Seilstrahlen liefern mit der Schlusslinie S 0 die Momentenlinie. Sie ist im Bereich der Streckenlast eine Parabel. Aus der Ähnlichkeit der schraffierten Dreiecke (. Abb. 11.43) im Seileck und Kräfteplan ergibt sich: yI FA D a H

und daraus FA a D HyI D MbI

(11.71)

Nun ist aber FA a D MbI das Biegemoment an der Balkenstelle I, so dass allgemein gilt:

Das Biegemoment Mb an einer beliebigen Balkenstelle ist gleich dem Produkt aus der Ordinate y des Seilecks und dem Polabstand H des Kräfteplans unter Berücksichtigung von Längenmaßstab mL in m=cm oder cm=cm und Kräftemaßstab mK in N=cm. Mb

H; y

mK

mL

Nm

cm

N cm

m cm

Mb D Hy mK mL

(11.72)

Das größte Biegemoment Mb max in . Abb. 11.43 wird mit dem Polabstand H D 2;5 cm, ymax D 1;125 cm, dem Kräftemaßstab mK D 4000 N=cm und dem Längenmaßstab mL D 1 m=cm Mb max D Hymax mK mL Mb max D 2;5 cm  1;125 cm  4000 Mb max D 11:250 Nm

N m 1 cm cm

276

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.43 Stützkräfte FA , FB , Querkräfte und Biegemomente bei Einzel- und Streckenlast

Nach . Abb. 11.42 ergibt sich ebenso

Mb max D W b zul

Mb max D Hymax mK mL Mb max D 3 cm  0;56 cm  4000

Lösung:

N 4 m  cm 3 cm

Mb max D 9000 Nm

W D

bh2 6

Mb max, hoch D Whoch b zul N 100 mm  .200 mm/2 8 6 mm2 D 5333  103 Nmm

Mb max, hoch D Mb max, hoch

7 Beispiel

Mb max, flach D Wflach b zul

Ein Holzbalken hat einen Rechteckquerschnitt mit 200 mm Höhe und 100 mm Breite. Welches größte Biegemoment kann er hochkant- und welches flachliegend aufnehmen, wenn 8 N=mm2 Biegespannung nicht überschritten werden soll?

Mb max, flach D Mb max, flach

N 200 mm  .100 mm/2 8 6 mm2 D 2667  103 Nmm

Mb max, hoch D 2  Mb max, flach 9

277 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.44 Freiträger

7 Beispiel Der Freiträger nach . Abb. 11.44 trägt die Einzellasten F1 D 15 kN;

F2 D 9 kN;

l1 D 2 m b zul

l2 D 1;5 m N D 120 mm2

F3 D 20 kN; l3 D 0;8 m

Zu ermitteln sind: a) das maximale Biegemoment Mb max b) das erforderliche Widerstandsmoment Werf c) das erforderliche IPE-Profil nach . Abb. 11.62 d) die größte Biegespannung b vorh

Lösung: a) Bei allen Schweißverbindungen wird die Nahtdicke a in die Ebene des gefährdeten Querschnittes hinein geklappt. Mb D F l

Wx D Lösung: a) Mb max D F1 l1 C F2 l2 C F3 l3 Mb max D .15  2 C 9  1;5 C 20  0;8/ kNm Mb max D 59;5 kNm D 59;5  106 Nmm b) Werf D

Mb max 59;5  106 Nmm D D 496  103 mm3 N b zul 120 mm 2

c) ausgeführt IPE 300 mit 557  103 mm3 59:500  103 Nmm Mb max N D d) b vorh D D 107 9 W 557  103 mm3 mm2

. Abb. 11.45 Konsolblech

B  H3 b  h3 ‚ …„ ƒ ‚ …„ ƒ .2a C s/  .2a C h/3  s  h3 6.2a C h/ „ ƒ‚ … H (nach . Abb. 11.32)

28 mm  .266 mm/3  12 mm  .250 mm/3 6  266 mm Wx D 212:713 mm3 Wx D

Mb D F l D 26:000 N  320 mm Mb D 8320  103 Nmm schw b D

7 Beispiel Das Konsolblech einer Stahlbaukonstruktion ist nach . Abb. 11.45 als Schweißverbindung ausgelegt. F D 26 kN Höchstlast. Für a D 8 mm Schweißnahtdicke sind zu berechnen: a) die Biegespannung schw b im gefährdeten Querschnitt b) die Schubspannung schw s (Es werden nur diejenigen Nähte berücksichtigt, die auf Grund ihrer Lage imstande sind, Querkräfte vollwertig zu übertragen, d. h. nur die Stegnähte.)

Fq D F

Mb 8320  103 Nmm N D D 39;1 Wx 212;713  103 mm3 mm2

Fq Fq D A .2a C s/.2a C h/  sh 26:000 N D 28 mm  266 mm  12 mm  250 mm N D 5;8 9 mm2

b) schw s D schw s schw s

Wandernde Last (. Abb. 11.46) Bei Brücken, Kranen und sonstigen Tragwerken muss diejenige Stellung einer gegebenen Kräftegruppe (F1 , F2 , F3 ) herausgefunden werden, bei der der Balken am stärksten beansprucht wird. Statt nun für verschiedene Laststellungen auf dem festgehaltenen Balken jeweils ein neues Seileck zu zeichnen, werden einfach zu einer beliebigen Laststellung in üblicher Weise Kraft- und Seileck gezeichnet und der Balken relativ zum festgehaltenen Seileck verschoben. Dadurch entstehen immer neue Schlusslinien S1 , S2 , S3 , . . . als einhüllende Tangenten einer Parabel. Mb max tritt hier unter der Kraft F1 auf, wie das Seileck zeigt. Die zugehörige Balkenstellung mit der Schlussli-

11

278

Kapitel 11  Festigkeitslehre

der Balkenstelle: Mx Mb max D Mb max D F l Wmax Wx bh2 Wmax D 6 F x6 F l6 D bh2 by 2 r x 9 yDh l

. Abb. 11.46 Wandernde Last mit Lageplan, Krafteck, Seileck, ungünstigste Laststellung

Die Begrenzungskurve ist eine quadratische Parabel. Praktisch wählt man als Begrenzung für eine angenäherte Form die gestrichelte Tangente. Die größere Bedeutung haben die ersten fünf Freiträger in . Abb. 11.48. 11.2.2.6

nie S wird durch die Tangente an die Parabel in T gefunden. Damit ist auch der gefährdete Querschnitt bei ungünstigster Laststellung bestimmt (Maß l1 ). Nach . Abb. 11.46 ist Mb max D FA l1 . 11.2.2.5

11

Träger gleicher Biegebeanspruchung

Hat ein Biegeträger durchgehend gleichen Querschnitt (besser: gleiches axiales Flächenmoment), so tritt nur im gefährdeten Querschnitt (Mb max -Stelle) die größte Randspannung auf. Alle anderen Querschnittsstellen haben ein kleineres Biegemoment und deshalb eine kleinere Randspannung; sie könnten also schwächer gestaltet werden. Das wird erreicht durch Anformung, d. h. der Querschnittsverlauf folgt dem Gesetz D Mb =W D konstant D zul . Damit wird das erforderliche Widerstandsmoment W an beliebiger Balkenstelle x: Wx D

Mx zul

7 Beispiel Konsolträger (Freiträger) nach . Abb. 11.47 mit gleichbleibender Breite b werden der Höhe h nach angeformt. by 2 folgt Mit dem Biegemoment Mx D F x und Wx D 6 aus der Bedingung gleich bleibender Biegespannung an je-

Formänderung beim Biegen (Durchbiegung, Krümmung)

Beim Biegeträger kürzen sich die Faserschichten auf der einen und verlängern sich auf der gegenüberliegenden Seite. Nur die neutrale Faserschicht behält ihre ursprüngliche Länge bei; jedoch wird die vorher gerade Stabachse elastisch gekrümmt. Die entstandene Kurve der Stabachse heißt elastische Linie oder Biegelinie. Die geometrischen Verhältnisse in Verbindung mit dem Hooke’schen Gesetz ergeben die „Gleichung der elastischen Linie“, die Durchbiegungsgleichung.

Krümmungsradius, Krümmung (. Abb. 11.49) Durch die elastische Krümmung der Stabachse des Freiträgers mit gleich bleibendem Querschnitt werden zwei (unendlich) dicht benachbarte Querschnitte 1  10 und 2  20 gegeneinander geneigt (Winkel '). Ihre Fluchtlinien schneiden sich im Krümmungsmittelpunkt 0 und ergeben den Krümmungsradius r an dieser Balkenstelle (x). 0 ist der Mittelpunkt eines Kreisbogenstücks der (ganz kurzen) Länge s. s ist ein (sehr kleiner) Teil der Biegelinie. Gegenüber der unveränderten neutralen Faser ist die Zugfaser gestreckt, also auch das Teilstück s um den Betrag s. Nach dem Strahlensatz gilt: s C s %x C e D s %x s e 1C D1C s %x Da

s s

oder auch

s e D s %x

D  ist, wird mit dem Hooke’schen Gesetz (11.5):

s x e DD D s %x E eE . x x 1 D . Der Kehrwert heißt Krümmung k D %x eE

und daraus der Krümmungsradius %x D . Abb. 11.47 Träger gleicher Biegebeanspruchung (Konsolträger), siehe auch . Abb. 11.48

279 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.48 Träger gleicher Biegebeanspruchung

11

280

Kapitel 11  Festigkeitslehre

3 F l3 3F l 3 64  D 5 EI 5E d 4 4 3  64  10 N  3503 mm3 f D D 0;2 mm N 4 4 5   2;1  105 mm 2  106 mm

b) f D

c)

Lastentfernung x D

Durchmesser y D

1 l 8

53 mm

1 4l

67 mm

1 l 2

84 mm

3 l 4

96,3 mm

l

106 mm

9

Allgemeine Durchbiegungsgleichung (. Abb. 11.50)

. Abb. 11.49 Geometrische Verhältnisse am einseitig eingespannten Biegeträger (Freiträger) mit Einzellast; Krümmung stark übertrieben gezeichnet

11

Wird für die Biegespannung x D Mx =W nach (11.37) eingesetzt und nach (11.54) für W e D I , so ergibt sich: %x D

EI Mx

(11.73) %x

1 Mx D kx D %x EI

mm

E N mm2

I

Mx

mm4

Nmm

Durch die Neigung der einzelnen Querschnitte entsteht am Balkenende die Durchbiegung f. Werden in den Punkten 1 und 2 an die Biegelinie die Tangenten angelegt, schließen sie ebenso wie der Krümmungsradius %x den Winkel ' ein. Die Tangenten schneiden auf der Senkrechten am Balkenende von der gesamten Durchbiegung P f das (stark übertriebene) Stück f ab. Es ist also f D f . Aus der – angenommenen – Ähnlichkeit der schraffierten Dreiecke folgt: f s D %x x

sx %x

EI sxMx eingesetzt ergibt f D Mx EI und damit die Durchbiegung Nach (11.73) %x D

(11.74) f D

! Hinweis

oder f D

1 X Mx sx EI

Die Einspannstelle hat die stärkste Krümmung kmax und den kleinsten Krümmungsradius %min . 7 Beispiel Eine Achse aus Stahl wird nach . Abb. 11.48, dritte Zeile, mit F D 10 kN belastet. Die zulässige Biegespannung beträgt 30 N=mm2 , die Länge l D 350 mm. Zu bestimmen sind a) Durchmesser d, b) Durchbiegung f, c) Durchmesser y1 ; y2 ; : : : für die Lastentfernung x1 D 1=8l; x2 D 1=4l; x3 D 1=2l; x4 D 3=4l; x5 D l; jeweils in Abhängigkeit vom Durchmesser d. Lösung: s a) d D

3

32F l D   b zul

s 3

32  104 N  350 mm D 106 mm N    30 mm 2

. Abb. 11.50 Zur Herleitung der Durchbiegungsgleichung

(11.75)

11

281 11.2  Beanspruchungsarten

Der Ausdruck Mx s entspricht nach . Abb. 11.50 dem Teilstück AM der gesamten Momentenfläche AM , und Mx sx ist dann das Moment dieser Teilfläche in Bezug auf das Lastende des Balkens: Mx sx D AM x. Nach der Schwerpunktslehre ist aber die Summe der Momente derPTeilflächenP gleich dem Moment der Gesamtfläche; also Mx sx D AM x D AM x0 mit x0 dem Schwerpunktsabstand der Gesamtfläche vom Lastende. Damit wird die Durchbiegung: 1 (11.76) AM x0 EI Durchbiegung und Neigung der Biegelinie werden für allgemeine Fälle zweckmäßiger nach 7 Abschn. 11.2.2.6 bestimmt (Mohr’scher Satz). Eine ähnliche Summenbetrachtung führt zum Neigungswinkel ˛ der Biegelinie (Endtangente): Da je zwei (unendlich) dicht benachbarte Tangenten den Winkel ' einschließen, setzen sich alle dieseP Winkel zum Winkel ˛ der Endtangente zusammen: ˛ D '. Da arc ' (Bogenmaß des Winkels ' D s=% ist, wird X sM Xs 1 X D D Ms arc ˛ D % EI EI 1 X arc ˛ D AM EI Für kleine Winkel ist arc ˛ D tan ˛ und damit die Neigung der Biegelinie in den Endpunkten: f D

tan ˛ D

f 1 AM D EI x0

(11.77)

Mit Hilfe der vorstehenden Gleichungen und Erkenntnisse lassen sich die in . Abb. 11.51. zusammengestellten Gleichungen entwickeln, wie die folgenden Beispiele zeigen.

2. Für den Freiträger mit gleichmäßig verteilter Streckenlast nach . Abb. 11.52 ist die Momentenfläche eine Parabel. Im Teil I Mathematik wird gezeigt, dass die Parabelfläche gleich einem Drittel der umschriebenen Rechteckfläche ist und dass der Schwerpunktsabstand 3 x0 D l beträgt. 4 F 0l 2 Mit Mmax D (halb so groß wie bei einer Einzellast 2 1 F 0l 2 3 am Balkenende) und AM D  l und x0 D l wird 3 2 4 nach (11.76) die Durchbiegung f D

F 0l 4 1 1 F 0l 3 3    lD EI 3 2 4 8EI

(11.80)

Weiter wird die Neigung berechnet aus tan ˛ D

F 0l 3 4f 1 1 F 0l 2   D D EI 3 2 6EI 3l

(11.81)

(vgl. mit . Abb. 11.51.)

Geometrisch-analytische Bestimmung der Durchbiegung Die Biegemomentengleichung und die allgemeine Durchbiegungsgleichung zeigen eine Gesetzähnlichkeit, die zur Bestimmung der Durchbiegung von Trägern benutzt wird: 4 Biegemomentengleichung: Mx D Kraft F  Wirkabstand x 4 Durchbiegungsgleichung: EIfx D Momentenfläche AM  Schwerpunktsabstand x0 (vgl. 11.76).

Beispiele zur Durchbiegungsgleichung 1. Für den vorstehend behandelten Freiträger mit Einzellast (. Abb. 11.50) ist die Momentenfläche AM eine l Fll F l2 Dreiecksfläche AM D Mmax D D und der 2 2 2 2 Schwerpunktsabstand dieser Fläche x0 D l. Damit 3 ergibt sich nach der allgemeinen Durchbiegungsgleichung die Durchbiegung F l3 1 F l2 2   lD EI 2 3 3EI ebenso die Neigung der Biegelinie aus:

f D

F l2 1 F l2  D EI 2 2EI oder auch aus:

tan ˛ D

tan ˛ D

F l3 3 F l2 f D  D x0 3EI 2l 2EI

(vgl. mit . Abb. 11.51).

(11.78)

(11.79)

Daraus wird der Mohr’sche Satz abgeleitet:

Die EI -fachen Durchbiegungen eines Trägers sind gleich den Biegemomenten des mit der Momentenfläche AM belasteten Hilfsträgers und die EI -fachen Neigungen der Biegelinie in den Stützlagern sind gleich den Hilfs-Stützkräften Aa , Ab , des gleicherweise belasteten Hilfsträgers.

Man denkt sich also einen Hilfsträger (. Abb. 11.53), belastet ihn mit der Momentenfläche (als „Hilfskräfte“) und bestimmt deren „Biegemoment“ an der betrachteten Stelle. Dieser Wert wird durch EI dividiert. Das ergibt die Durchbiegung fx an dieser Stelle. Die maximale Durchbiegung fmax entspricht also dem maximalen „Biegemoment“ des Hilfsträgers. Sie kann ebenso wie das maximale Biegemoment Mmax des richtigen Trägers mit Hilfe der Querkraftfläche gefunden werden (Nulldurchgang). Die Neigung der Biegelinie entspricht den Hilfs-Stützkräften Aa und Ab .

282

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.51 Stützkräfte, Biegemomente und Durchbiegungen bei Biegeträgern mit gleich bleibendem Querschnitt. In der Abbildung bedeuten: F Einzellast oder auch Resultierende der Streckenlast, F 0 die auf die Längeneinheit bezogene Streckenlast, FA , FB Stützkräfte in den Lager-

punkten A und B, Mmax maximales Biegemoment, in den Wendepunkten der Biegelinie ist M D 0, I axiales Flächenmoment 2. Grades des Querschnitts, E Elastizitätsmodul des Werkstoffs, f Durchbiegung Die strichpunktierte Linie gibt den Momentenverlauf über der Balkenlänge an. Positive Momentenlinien laufen nach oben, negative nach unten

283 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.51 (Fortsetzung)

11

284

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.51 (Fortsetzung)

285 11.2  Beanspruchungsarten

d) Hilfs-Stützkräfte Aa , Ab , des mit der Momentenfläche belasteten Hilfsträgers sind wegen Symmetrie: Mmax l D Aa D Ab ; 22 Fl und mit Mmax D wird 4 Aa D Ab D . Abb. 11.52 Durchbiegung beim Freiträger mit Streckenlast (gleichmäßig verteilter Last)

F l2 16

e) Hilfsbiegemoment an der Querschnittsstelle x ist gleich dem EI -fachen der Durchbiegung fx : x F l2 F x2 x EIfx D Aa x  Ax D x  3 16 4 3  2  3 3  Fl Fl 4x x 4x 3 EIfx D  D x 16 3 l2 16 l 3l 3 3  2 Fl x 4x  3 EIfx D 16EI l 3l (die Gleichung der elastischen Linie für diesen Träger). l Für x D wird 2 fx D fmax D

F l3 48EI

Die Neigung der Biegelinie in den Stützlagern ergibt sich aus den Hilfsstützkräften: tan ˛ D . Abb. 11.53 Zur geometrisch-analytischen Bestimmung der Durchbiegung

7 Beispiel Für den Stützträger (. Abb. 11.53) mit einer Einzelkraft in der Mitte ist die Gleichung der elastischen Linie zu entwickeln.

1 1 F l2 Aa D  EI EI 16

Meistens muss nur die größte Durchbiegung fmax bestimmt werden. Dann ergibt sich nach . Abb. 11.54 (Hilfsträger und Querkraftfläche): EIfmax D Aa

l l  A1 2 6

und mit den Werten für Aa und A1 : Lösung: a) Stützkräfte FA , FB : Aus der symmetrischen Belastung ergibt sich FA D FB D

fmax

F 2

b) Biegemoment M: An der Querschnittsstelle x ist M x D FA x D

Fx 2

c) Biegemomentenfläche AM : Für die Querschnittsstelle x ist Ax D Mx

x Fx x F x2 D D 2 2 2 4

Fl l l F l3 F l2 l     D 16 2 4 4 6 48 F l3 D 48EI

EIfmax D

Noch einfacher wird das maximale Hilfs-Biegemoment F l2 ) aus der Querkraftfläche abgelesen (mit Aa D A1 D 16 F l2 l l D  3 16 3 F l3 D 48EI

EIfmax D Aa fmax

(vgl. auch mit . Abb. 11.51) 9

11

286

Kapitel 11  Festigkeitslehre

. Abb. 11.54 Stützträger mit gleichbleibendem Querschnitt (Kraft- und Seileck werden in 7 Abschn. 11.2.2.6 besprochen)

11

7 Beispiel Für den Stützträger (. Abb. 11.54) mit gleichbleibendem Querschnitt und Ix D 29:210 cm4 ist die größte Durchbiegung fmax und die Neigung der Biegelinie in den Stützlagern zu bestimmen. Lösung: a) Stützkräfte FA , FB : X y D 0 D FA  F1  F2 C FB X M.A/ D 0 D FB  10 m C F2  6 m C F1  3 m 20  103 N  6 m C 10  103 N  3 m 10 m FB D 15:000 N FB D

FA D 30  103 N  15  103 N D 15:000 N P (Kontrolle mit M.B/ durchführen) b) Biegemomente M: M1 D FA  3 m D 15:000 N  3 m D 45:000 Nm M2 D FB  4 m D 15:000 N  4 m D 60:000 Nm

c) Biegemomentenfläche AM : 45:000 Nm  3 m M1  3 m D D 67:500 Nm2 2 2 A2 D A1 D 67:500 Nm2

A1 D

60:000 Nm  3 m M2  3 m D D 90:000 Nm2 2 2 60:000 Nm  4 m M2  4 m D D 120:000 Nm2 A4 D 2 2 A3 D

d) Hilfsstützkräfte Aa , Ab : X y D 0 D Aa  A1  A2  A3  A4 C Ab X M.A/ D 0 D CAb  10 m  A4  7;33 m  A3  5 m   A2  4 m  A1  2 m Ab D 173:460 Nm2 X Aa D A  Ab D 171:540 Nm2 P (Probe mit M.B/ durchführen) e) Das Hilfsbiegemoment an der Stelle des gefährdeten Querschnitts (Nulldurchgang) wird aus der Querkraftfläche des Hilfsträgers berechnet:

287 11.2  Beanspruchungsarten

maximales Hilfsbiegemoment ¶ Aq ¶ Durchbiegung fmax EI EIfmax D Aa  5 m  A1  3 m  A2  1 m EIfmax D 171:540 Nm2  5 m  67:500 Nm2  3 m   67:500 Nm2  1 m EIfmax D 587:700 Nm3 fmax D

tan ˛ D

587:700 Nm D 9;58 mm N 4 4 2;1  105 mm 2  29:210  10 mm

1 Aa EI N 2;1  105 mm 2 3

tan ˛ D 2;8  10

cm .D 200 cm je cm/ cm Ncm2 Kräftemaßstab mK D 6  108 cm

Längenmaßstab mL D 200

3

Die Neigung der Biegelinie entspricht den Hilfsstützkräften; also tan ˛ D

Die Hilfs-Stützkräfte Aa , Ab des Hilfsträgers sind ein Maß für die Neigungswinkel ˛ und ˇ. Die parallel verschobene Schlusslinie S 0 tangiert an der ymax -Stelle (D fmax -Stelle) der gezeichneten Biegelinie. Wichtig ist die Maßstabsrechnung. In . Abb. 11.54 wurden gewählt:

1  171:540  106 Nmm2  29:210  104 mm4

Die Einheit Ncm2 kommt aus der Flächenberechnung: Biegemoment (Ncm) mal Länge (cm) zustande. Mit den aus der Zeichnung abgegriffenen Werten ymax D 1;65 cm und H D 3 cm ergibt sich nach (11.82):

D 1 W 357 fmax

1 tan ˇ D  Ab D 2;83  103 D 1 W 352 9 EI

1 ymax H mL mK EI 1 D  N 5 2;1  10 mm2  29:210  104 mm4

fmax D

Ncm2 cm  6  108 cm cm cm3 103 mm3 D 0;00968 D 0;0098 D 9;8 mm mm2 mm2  1;65 cm  3 cm  200

Zeichnerische Bestimmung der Durchbiegung und der Biegelinie (. Abb. 11.54) Es werden die Überlegungen aus 7 Abschn. 11.2.2.6 bis 11.2.2.6 benutzt und die Rechnung mit der Zeichnung kombiniert. Die Seileckfläche kann als Momentenfläche sowohl für die echten Balkenlasten als auch für die Hilfslasten (Biegemomentenflächen) des Hilfsträgers benutzt werden. Die Umhüllende des letzten Seilecks ergibt die Biegelinie, d. h. die Biegelinie ist die Seilkurve der gedachten Belastung des Hilfsträgers. Die EI -fache Durchbiegung an einer beliebigen Balkenstelle ist dann das Produkt aus Ordinatenwert y und Polabstand H unter Beachtung des Längenmaßstabs mL und des Kräftemaßstabs mK : f D

1 yH mL mK EI

(11.82)

fmax

Die Neigung der Biegelinie in den Stützlagern wird wie in den vorhergehenden Beispielen bestimmt aus: tan ˛ D

1 Aa EI

tan ˇ D

1 Ab EI

(Maßstab berücksichtigen). 2. Stützträger mit veränderlichem Querschnitt und Einzellast (. Abb. 11.55) Die Stützkräfte FA , FB und die Momentenfläche wurden hier rechnerisch bestimmt: FA D 23:438 N FB D F  FA D 36:562 N

7 Beispiele

Mmax D FA  97;5 cm D 2:285:205 Ncm

1. Freiträger mit gleichbleibendem Querschnitt und Einzellasten (. Abb. 11.54) Zunächst wird mittels Seil- und Krafteck der wirklichen Kräfte F1 , F2 – oder auch durch Rechnung (wie hier) – die Momentenfläche des tatsächlichen Trägers entworfen. Die Momentenfläche wird wie vorher in die Teilflächen 1 bis 4 zerlegt und die Flächeninhalte als Hilfskräfte A1 bis A4 aufgefasst (im jeweiligen Flächenschwerpunkt angreifend), die auf den Hilfsträger wirken. Auch bei der zeichnerischen Methode müssen also die Inhalte der Flächen berechnet werden. Die Schwerpunktslage wird zweckmäßig zeichnerisch festgelegt. Für den Hilfsträger werden dann Kraft- und Seileck gezeichnet (. Abb. 11.54) und die Biegelinie eingetragen. Wahre Punkte liegen lotrecht unter den Trennlinien der Momentenflächen. Im Seileck sind die Ordinatenwerte y ein Maß für die Durchbiegung f.

Für die einzelnen Querschnittsstellen (1 bis 7) wurden die Flächenmomente I, die Biegemomente M und der Quotient M=I zusammengestellt. Für die Stellen 2, 3, 5 und 6 ergeben sich wegen des Querschnittsprungs zwei Flächenmomente. Neu gegenüber Beispiel 1 ist die Aufzeichnung der sogenannten reduzierten Momentenfläche (M=I -Fläche). Das ist wegen der springenden I-Werte nötig. Es ergibt sich der gebrochene Linienzug. Die Schwerpunkte der sechs Teilflächen wurden zeichnerisch bestimmt, die Flächeninhalte berechnet und als Hilfskräfte auf den Hilfsträger aufgesetzt. Für diesen werden nun Krafteck und Seileck entwickelt und die Biegelinie eingezeichnet. Wahre Punkte dieser Kurve liegen wieder lotrecht unter den Trennlinien der M/I-Flächen. Die zur Schlusslinie S parallele Tangente

11

288

Kapitel 11  Festigkeitslehre

. Abb. 11.55 Zeichnerische Bestimmung der Durchbiegung einer abgesetzten Welle

11

S’ an die Hüllkurve bestimmt beim vorliegenden Stützträger (ohne Kragarm) die fmax -Stelle. Mit Berücksichtigung der Maßstäbe kann dann die größte Durchbiegung berech, d. h. 1 cm der net werden: Längenmaßstab mL D 20 cm cm Zeichnung entsprechen 20 cm Wellenlänge. Kräftemaßstab (der Hilfskräfte) mK D 104

N cm2

fmax D

1 ymax H mL mK ; E

N 1 cm  104 3  2;3 cm  2;5 cm  2 N cm cm 2;1  105 mm 2

fmax D 5;476

mm2 D 0;5476 mm  0;55 mm cm

Die Neigung der Biegelinie in den Lagerstellen A und B:

cm

Damit wird fmax D

und mit den Werten aus der Zeichnung:

tan ˛ D

N 27:500 cm Aa 1 2 D D 0;0013 D N E 769 2;1  105 mm 2

tan ˇ D

1 Ab D 9 E 791

11

289 11.2  Beanspruchungsarten

. Tabelle 11.7 Zusammenstellung der Größen zu . Abb. 11.55 Querschnittsstelle

Durchmesser d in cm

1

10

491

2

10

491

14

1886

14

1886

20

7854

4

20

7854

5

20

7854

14

1886

14

1886

10

491

10

491

3

6

7

Flächenmoment I in cm4

Biegemoment M in Ncm

Quotient M=I in N=cm3

Biegespannung b in N=cm2

Fläche A mit Flächeninhalt (Hilfskräfte) in Ncm2







AI D 1342;5

358,0

1790,5

93,2

652,5

175.785

1.582.065

AII D 27:960

838,8

5873

201,4

2014

AIII D 7386

2.285.205

291,0

2907

AIV D 6635

1.188.265

151,3

1513

630,0

4411

145,4

1018

558,5

2793





274.215



AV D 9693

AVI D 2094

. Tabelle 11.8 Mechanische Eigenschaften von Schrauben Kennzeichen

4,6

Mindest-Zugfestigkeit Rm in N=mm

2

4,8

400

5,6

5,8

6,6

500

6,8

6,9

600

8,8

10,9

12,9

800

1000

1200

900

1080

Mindest-Streckgrenze Re oder Rp 0,2 -Dehngrenze in N=mm2

240

320

300

400

360

480

540

640

Bruchdehnung A5 in %

25

14

20

10

16

8

12

12

9

8

. Tabelle 11.9 Niete und zugehörige Schrauben für Stahl- und Kesselbau d1 in mm

11

13

(15)

17

(19)

21

23

25

28

31

(34)

37

95

133

177

227

284

346

415

491

616

755

908

1075

d in mm (Rohnietdurchmesser)

10

12

(14)

16

(18)

20

22

24

27

30

(33)

36

Sechskantschraube

M 10

M 12



M 16



M 20

M 22

M 24

M 27

M 30

M 33

M 36

A1 D

  2 4 d1

in mm

2

d1 Durchmesser des geschlagenen Nietes = Nietlochdurchmesser; Größen in () möglichst vermeiden

290

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.56 Biegeträger mit einer Axialkraft Fa Der im Festlager A und im Loslager B gehaltene Biegeträger wird durch die im Abstand r achsparallel wirkende Kraft Fa (Axialkraft) belastet. Gesucht ist der Verlauf des Biegemoments über der Trägerlänge l. Die Stützkräfte FAy , Fx und FB werden in der üblichen Weise mit den statischen Gleichgewichtsbedingungen bestimmt. Zur Bestimmung des Biegemomentenverlaufs legt man von links nach rechts fortschreitend die Schnitte a, b, c, d , d 0 , e und f . Von den Schnitten aus nach links gesehen ergeben sich nach 7 Abschn. 11.2.2.1b) die im jeweiligen Schnitt auftretenden Biegemomente Mb, a , Mb, b usw. Von

besonderer Bedeutung sind die beiden Schnitte d und d 0 , die ganz kurz vor und hinter dem Trägeranschluss liegen. Die Rechnung zeigt, dass das Biegemoment zwischen d und d 0 den Betrag ändert und das Vorzeichen wechselt. Da man vorher nicht erkennen kann, welches der beiden Biegemomente Mb max oder Mb0 max den größeren Betrag hat, müssen beide Biegemomente berechnet und die Beträge miteinander verglichen werden (siehe . Abb. 11.59). Das ist immer dann erforderlich, wenn die Axialkraft zwischen den Lagerstellen A und B angreift (vergleiche mit . Abb. 11.57)

291 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.57 Biegeträger mit räumlichem Kraftangriff außerhalb der Lager (Biegemomentenverlauf) Biegeträger dieser Art sind beispielsweise Getriebewellen, die ein schrägverzahntes Stirnrad tragen. Man geht schrittweise vor und bestimmt die Teil-Stützkräfte FAy1 , FBy1 , FAy2 , FBy2 , FAz , FBz und Teil-Biegemomente Mb max; a , Mb max, b , Mb max, c für den Einzel-Kraftangriff in der zugehörigen Ebene. In der x, y-Ebene wirkt einmal die Radialkraft Fr , zum anderen

die Axialkraft Fa , in der y, z-Ebene wirkt die Umfangskraft Ft . Damit ergibt sich jeweils ein leicht überschaubarer Biegemomentenverlauf mit dem maximalen Biegemoment für den Einzel-Kraftangriff. Die Reaktionskraft der Axialkraft Fa in der Trägerachse ist die im Festlager wirkende Lagerkraftkomponente Fx D Fa . Beide ergeben ein Kräftepaar, dem das Kräftepaar aus FAy2 und FBy2 , die beide ebenfalls gleich groß und entgegengerichtet sind, das Gleichgewicht hält

11

292

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.58 Resultierende Stützkräfte (Lagerkräfte) und Biegemomente für den Biegeträger in . Abb. 11.57. Gesucht werden die Gleichungen für das resultierende maximale Biegemoment Mb max und für die resultierenden Stützkräfte (Lagerkräfte) in den Lagern A und B (FAr und FBr ). Sowohl die Stützkräfte als auch das Biegemoment wirken in einer Ebene rechtwinklig zur Trägerachse, hier also in der y, z-Ebene, die nun Zeichenblattebene ist.

Skizziert man unmaßstäblich, aber richtungsgemäß Biegemomenteneck und Krafteck, dann ergeben sich rechtwinklige Dreiecke, die mit dem Lehrsatz des Pythagoras ausgewertet werden können. In Verbindung mit den Entwicklungen in . Abb. 11.57 lassen sich auch die Gleichungen für den Fall entwickeln, dass die Axialkraft Fa entgegengesetzten Richtungssinn hat

293 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.59 Biegeträger mit räumlichem Kraftangriff zwischen den Lagern (Biegemomentenverlauf) Wie in . Abb. 11.57 ist auch hier mit den Bezeichnungen der Größen das Beispiel einer Getriebewelle mit einem schrägverzahnten Stirnrad gewählt. Das Zahnrad liegt hier jedoch zwischen den Lagerstellen A und B. Auch hier werden schrittweise die Teil-Stützkräfte FAy1 , FBy1 , FAy2 , FBy2 , FAz , FBz und die Teil-Biegemomente Mb max, a , Mb max, b und Mb max, c bestimmt.

Durch den Einzel-Kraftangriff der Axialkraft Fa in der x, y-Ebene ergibt sich der in . Abb. 11.56 entwickelte Biegemomentenverlauf mit Vorzeichenwechsel und Betragsänderung. Also sind auch hier die beiden maximalen Teil-Biegemomente Mb max, b und Mb0 max, b zu ermitteln. Auf die Lagerkraftkomponente Fx D Fa wird in . Tab. 11.27 eingegangen

11

294

Kapitel 11  Festigkeitslehre

11

. Abb. 11.60 Resultierende Stützkräfte (Lagerkräfte) und Biegemomente für den Biegeträger in . Abb. 11.59 Gesucht werden wie in . Abb. 11.58 die Gleichungen für das resultierende Biegemoment Mb max und für die resultierenden Stützkräfte (Lagerkräfte) in den Lagern A und B. Sowohl Stützkraft als auch Biegemoment wirken in einer Ebene, die rechtwinklig zur Achse des Biegeträgers steht. Dies ist nach den Bezeichnungen des räumlichen Achsenkreuzes in . Abb. 11.59 die y, z-Ebene, die nun zur Zeichenblattebene gemacht wird.

Mit den Teil-Biegemomenten und aus den Teil-Stützkräften werden die Momentenecke und Kraftecke skizziert (unmaßstäblich, aber richtungsgemäß). Es ergeben sich rechtwinklige Dreiecke, die mit dem „Pythagoras“ ausgewertet werden. Die Gleichungen für die entgegengesetzt gerichtete Axialkraft Fa ergeben sich mit dem Vorzeichenwechsel des Biegemoments in der Darstellung in der Abbildung für die Axialkraft Fa in der x, y-Ebene

11

295 11.2  Beanspruchungsarten

Beispiel für die Bezeichnung eines Winkelstahls und für das Ablesen von Flächenmomenten I und Widerstandsmomenten W: L 40 40 6 DIN EN 10.056-1 a D 40 mm s D 6 mm Ix D 6;33 104 mm4 Wx1 D 5;28 103 mm3 Wx2 D 2;26 103 mm3 Oberfläche je Meter Länge A D 0;16 m2 =m Profilumfang U D 0;16 m p Trägheitsradius ix D Ix =A D 11;9 mm

Schenkelbreite Schenkeldicke Flächenmoment 2. Grades Widerstandsmomente

a

Kurzzeichen

a=s

Querschnitt A

e1 =e2

Ix D Iy

Wx1 D Wy1

Wx2 D Wy2

Oberfläche je Meter Länge A00

20 25 30 35 40 45 50 50 55 60 60 65 70 70 70 75 80 80 80 90 90 100 100 110 120 130 130 140 140 150 150 150 160 160 180 180 200 200 200 200

mm 20=4 25=5 30=5 35=5 40=6 45=6 50=6 50=8 55=8 60=6 60=10 65=8 70=7 70=9 70=11 75=8 80=8 80=10 80=12 90=9 90=11 100=10 100=14 110=12 120=13 130=12 130=16 140=13 140=15 150=12 150=16 150=20 160=15 160=19 180=18 180=22 200=16 200=20 200=24 200=28

mm2 145 226 278 328 448 509 569 741 823 691 1110 985 940 1190 1430 1150 1230 1510 1790 1550 1870 1920 2620 2510 2970 3000 3930 3500 4000 3480 4570 5630 4610 5750 6190 7470 6180 7640 9060 10:500

mm 6;4=13;6 8=17 9;2=20;8 10;4=24;6 12=28 13;2=31;8 14;5=35;5 15;2=34;8 16;4=38;6 16;9=43;1 18;5=41;5 18;9=46;1 19;7=50;3 20;5=49;5 21;3=48;7 21;3=53;7 22;6=57;4 23;4=56;6 24;1=55;9 25;4=64;6 26;2=63;8 28;2=71;8 29;8=70;2 31;5=78;5 34;4=85;6 36;4=93;6 38;0=92 39;2=100;8 40;0=100;0 41;2=108;8 42;9=107;1 44;4=105;6 44;9=115;1 46;5=113;5 51;0=129;0 52;6=127;4 55;2=144;8 56;8=143;2 58;4=141;6 59;9=140;1

104 mm4 0;48 1;18 2;16 3;56 6;33 9;16 12,8 16,3 22,1 22,8 34,9 37,5 42,4 52,6 61,8 58,9 72,3 87,5 102 116 138 177 235 280 394 472 605 638 723 737 949 1150 1100 1350 1870 2210 2340 2850 3330 3780

103 mm3 0;75 1;48 2;35 3;42 5;28 6;94 8,83 10;7 13;5 13;5 18;9 19;8 21;5 25;7 29;0 27;7 32;0 37;4 42;3 45;7 52;7 62;8 78;9 88;9 115 130 159 163 181 179 221 259 245 290 367 420 424 502 570 631

103 mm3 0;35 0;69 1;04 1;45 2;26 2;88 3,61 4,68 5,73 5,29 8,41 8,13 8,43 10;6 12;7 11;0 12;6 15;5 18;2 18;0 21;6 24;7 33;5 35;7 46;0 50;4 65;8 63;3 72;3 67;7 88;7 109 95;6 119 145 174 162 199 235 270

m2 =ma 0;08 0;10 0;12 0;14 0;16 0;17 0,19 0,19 0,21 0,23 0,23 0,25 0,27 0,27 0,27 0,29 0,31 0,31 0,31 0,35 0,36 0,39 0,39 0,43 0,47 0,51 0,51 0,55 0,55 0,59 0,59 0,59 0,63 0,63 0,71 0,71 0,79 0,79 0,79 0,79

4 5 5 5 6 6 6 8 8 6 10 8 7 9 11 8 8 10 12 9 11 10 14 12 13 12 16 13 15 12 16 20 15 19 18 22 16 20 24 28

Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in m an.

. Abb. 11.61 Warmgewalzter gleichschenkliger rundkantiger Winkelstahl (Auswahl)

Gewichtskraft je Meter Länge FG0 N=m 11;2 17;4 21;4 25;3 34;5 39;2 43,8 57,1 63,4 53,2 85,2 75,9 72,4 91,6 110,1 88,6 94,7 116,7 138,3 119,4 144,0 147,9 201,8 193,3 228,7 231,0 302,6 269,5 308,0 268,0 351,9 433,6 355,0 442,8 476,7 575,3 475,9 588,3 697,7 808,6

296

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Beispiel für die Bezeichnung eines mittelbreiten I-Trägers mit parallelen Flanschflächen und für das Ablesen von Flächenmomenten I und Widerstandsmomenten W. IPE80 DIN EN 10 025-S235JR Höhe h D 80 mm Breite b D 46 mm Flächenmoment 2. Grades Ix D 80;1 104 mm4 Widerstandsmoment Wx D 20;0 103 mm3 Oberfläche je Meter Länge A00 D 0;328 m2 =m Profilumfang U D 0;328 m p Trägheitsradius ix D Ix =A D 32;4 mm Kurzzeichen

IPE 80 100 120 140 160 180 200 220 240 270 300 330 360 400 450 500 550 600

11

a

Querschnitt

b

t

h

s

r

A

Ix

Wx

Iy

Wy

Oberfläche je Meter Länge A00

mm 46 55 64 73 82 91 100 110 120 135 150 160 170 180 190 200 210 220

mm 5,2 5,7 6,3 6,9 7,4 8,0 8,5 9,2 9,8 10,2 10,7 11,5 12,7 13,5 14,6 16,0 17,2 19,0

mm 80 100 120 140 160 180 200 220 240 270 300 330 360 400 450 500 550 600

mm 3,8 4,1 4,4 4,7 5,0 5,3 5,6 5,9 6,2 6,6 7,1 7,5 8,0 8,6 9,4 10,2 11,1 12,0

mm 5 7 7 7 9 9 12 12 15 15 15 18 18 21 21 21 24 24

mm2 764 1030 1320 1640 2010 2390 2850 3340 3910 4590 5380 6260 7270 8450 9880 11.600 13.400 15.600

104 mm4 80,1 171 318 541 869 1320 1940 2770 3890 5790 8360 11.770 16.270 23.130 33.740 48.200 67.120 92.080

103 mm3 20,0 34,2 53,0 77,3 109 146 194 252 324 429 557 713 904 1160 1500 1930 2440 3070

104 mm4 8,49 15,9 27,7 44,9 68,3 101 142 205 284 420 604 788 1040 1320 1680 2140 2670 3390

103 mm3 3,69 5,79 8,65 12,3 16,7 22,2 28,5 37,3 47,3 62,2 80,5 98,5 123 146 176 214 254 308

m2 =ma 0,328 0,400 0,475 0,551 0,623 0,698 0,768 0,848 0,922 1,041 1,155 1,254 1,348 1,467 1,605 1,738 1,877 2,014

Gewichtskraft je Meter Länge FG0 N=m 59 79 102 126 155 184 220 257 301 353 414 482 560 651 761 893 1032 1200

Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in m an.

. Abb. 11.62 Warmgewalzte I-Träger, IPE-Reihe (Auswahl)

11.2.3

Knickung

Wird ein gerader schlanker Stab mit gleichbleibendem Querschnitt durch eine Druckkraft F in Richtung der Stabachse belastet (gedrückt), so ist bei homogenem Werkstoff nur eine Kürzung des Stabes zu erwarten. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Stab seitlich „ausknickt“ (. Abb. 11.66), sobald die Druckkraft F einen bestimmten Wert erreicht hat. Der Stab kann „ausbiegen“, obwohl die vorhandene Druckspannung d vorh noch unter der zulässigen Spannung d zul liegt ( d vorh < d zul ). 11.2.3.1

Herleitung der Euler’schen Knickungsgleichung

Knickkraft FK heißt diejenige Druckkraft, bei der das Ausknicken beginnt. Sie darf deshalb im Betrieb niemals erreicht werden.

Die elastische Linie ist eine Sinuskurve mit dem Krüml2 mungsradius % D 2 (in der Stabmitte). An dieser Stelle  f ist das Biegemoment der Knickkraft FK : Mb D FK f EI l2 EI und damit 2 D und Mb   f FK f daraus die Knickkraft (Eulergleichung)

Nach (11.73) ist % D

EI  2 FK D s2

FK N

E N mm2

I

s

mm4

mm

(11.83)

s freie Knicklänge Obwohl die elastische Linie der Biegung zur Herleitung der Knickkraftgleichung benutzt wurde, unterscheidet sich die Knickung von der Biegung wesentlich. Biegung

11

297 11.2  Beanspruchungsarten

Beispiel für die Bezeichnung eines U-Stahls und für das Ablesen von Flächenmomenten I und Widerstandsmomenten W: U100 DIN EN 10 025-4-S420 DIN EN 10056-1 h D 100 mm b D 50 mm Ix D 206 104 mm4 Wx D 41;2 103 mm3 Iy D 29;3 104 mm4 Wy1 D 18;9 103 mm3 Wy2 D 8;49 103 mm3 Oberfläche je Meter Länge A00 D 0;372 m2 =m Profilumfang U D 0;372 m p Trägheitsradius ix D Ix =A D 39;1 mm Höhe Breite Flächenmoment 2. Grades Widerstandsmoment Flächenmoment 2. Grades Widerstandsmoment 2

Kurzzeichen

U 30 30 40 40 50 50 60 65 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300 320 350 380 400 a

15 20 25

Querschnitt

h

b

s

A

e1 =e2

Ix

Wx

Iy

Wy1

mm 30 30 40 40 50 50 60 65 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300 320 350 380 400

mm 15 33 20 35 25 38 30 42 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 100 100 102 110

mm 4 5 5 5 5 5 6 5,5 6 6 7 7 7,5 8 8,5 9 9,5 10 10 10 14 14 13,5 14

mm2 221 544 366 621 492 712 646 903 1100 1350 1700 2040 2400 2800 3220 3740 4230 4830 5330 5880 7580 7730 8040 9150

mm 5,2=9,8 13,1=19,9 6,7=13,3 13,3=21,7 8,1=16,9 13,7=24,3 9,1=20,9 14,2=27,8 14,5=30,5 15,5=34,5 16,0=39,0 17,5=42,5 18,4=46,6 19,2=50,8 20,1=54,9 21,4=58,6 22,3=62,7 23,6=66,4 25,3=69,7 27,0=73,0 26,0=74,0 24,0=76,0 23,8=78,2 26,5=83,5

104 mm4 2,53 6,39 7,58 14,1 16,8 26,4 31,6 57,5 106 206 364 605 925 1350 1910 2690 3600 4820 6280 8030 10.870 12.840 15.760 20.350

103 mm3 1,69 4,26 3,79 7,05 6,73 10,6 10,5 17,7 26,5 41,2 60,7 86,4 116 150 191 245 300 371 448 535 679 734 829 1020

104 mm4 0,38 5,33 1,14 6,68 2,49 9,12 4,51 14,1 19,4 29,3 43,2 62,7 85,3 114 148 197 248 317 399 495 597 570 615 846

103 mm3 103 mm3 0,73 0,39 4,07 2,68 1,70 0,86 5,02 3,08 3,07 1,47 6,66 3,75 4,98 2,16 9,93 5,07 13,4 6,36 18,9 8,49 27,0 11,1 35,8 14,8 46,4 18,3 59,4 22,4 73,6 27,0 92,1 33,6 111 39,6 134 47,7 158 57,3 183 67,8 230 80,7 238 75,0 258 78,6 355 101

Wy2

Oberfläche je Meter Länge A00

Gewichtskraft je Meter Länge FG0

m2 =ma 0,103 0,174 0,142 0,200 0,181 0,232 0,215 0,273 0,312 0,372 0,434 0,489 0,546 0,611 0,661 0,718 0,775 0,834 0,890 0,950 0,982 1,05 1,11 1,18

N=m 17,0 41,9 28,2 47,8 37,9 54,8 49,7 69,5 84,7 104,0 130,9 157,1 184,8 215,6 248,0 288,0 325,7 372 410,5 452,8 583,7 595,3 619,1 704,6

Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in m an.

. Abb. 11.63 Warmgewalzter rundkantiger U-Stahl (Auswahl)

ist eine Spannungsaufgabe, Knickung dagegen ein Stabilitätsproblem; der Stab versagt plötzlich, ganz im Gegensatz etwa zur Druck- oder Biegebeanspruchung. So kann z. B. schon ein kleiner Fingerdruck quer zur Stabachse ausreichen, um den bereits seitlich ausgewichenen Stab (ohne Vergrößerung der Druckkraft) zusammenbrechen zu lassen. Deshalb muss die Belastung im Betrieb immer kleiner sein als die Knickkraft FK . Euler2 entwickelte seine Gleichung je nach Beweglichkeit und Führung der Stabenden für vier verschiedene Fälle (. Abb. 11.67). In der Praxis 2

Leonard Euler, Mathematiker, 1707–1783.

sollte man wegen der größeren Sicherheit immer nach dem sogenannten Grundfall 2 arbeiten. Ausnahme: einseitige Einspannung mit freiem Ende, Fall l nach . Abb. 11.67. Hier wird s D 2l statt s D l in die Eulergleichung des Grundfalls eingesetzt. Wie die Herleitung erkennen lässt, gilt die Eulergleichung nur im Gültigkeitsbereich des Hooke’schen Gesetzes D E (11.5), d. h. solange die Knickspannung K < dP (Druck-Proportionalitätsgrenze) ist. Man spricht dann von elastischer Knickung; bei K > dP von unelastischer Knickung. Letztere erfordert andere Berechnungsgleichungen (siehe 7 Abschn. 11.2.3.4).

298

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Beispiel für die Bezeichnung eines U-Stahls und für das Ablesen von Flächenmomenten I und Widerstandsmomenten W: L 30 20 4–S235JRG1 DIN EN 10056-1 Schenkelbreite a D 30 mm; b D 20 mm Schenkeldicke s D 4 mm Flächenmoment 2. Grades Ix D 1;59 104 mm4 Widerstandsmoment Wx1 D 1;54 103 mm3 Widerstandsmoment Wx2 D 0;81 103 mm3 Oberfläche je Meter Länge A00 D 0;097 m2 =m Profilumfang U D 0;097 m p Trägheitsradius ix D Ix =A D 9;27 mm Kurzzeichen

30 40 45 50 60 60 65 65 75 75 80 80 80 90 90 100 100 100 100 100 120 120 120 130 130 130 130 130 150 150 150 150 150 150 150 160 200 200 250 250

11

a

20 20 30 40 30 40 50 50 50 55 40 40 65 60 60 50 50 50 65 75 80 80 80 65 75 75 90 90 75 75 90 90 100 100 100 80 100 100 90 90

4 4 5 5 7 6 5 9 7 9 6 8 8 6 8 6 8 10 9 9 8 10 12 10 10 12 10 12 9 11 10 12 10 12 14 12 10 14 10 14

Querschnitt

h mm 30 40 45 50 60 60 65 65 75 75 80 80 80 90 90 100 100 100 100 100 120 120 120 130 130 130 130 130 150 150 150 150 150 150 150 160 200 200 250 250

b mm 20 20 30 40 30 40 50 50 50 55 40 40 65 60 60 50 50 50 65 75 80 80 80 65 75 75 90 90 75 75 90 90 100 100 100 80 100 100 90 90

s mm 4 4 5 5 7 6 5 9 7 9 6 8 8 6 8 6 8 10 9 9 8 10 12 10 10 12 10 12 9 11 10 12 10 12 14 12 10 14 10 14

A mm2 185 225 353 427 585 568 554 958 830 1090 689 901 1100 869 1140 873 1150 1410 1420 1510 1550 1910 2270 1860 1960 2330 2120 2510 1950 2360 2320 2750 2420 2870 3320 2750 2920 4030 3320 4590

e1 =e2 mm 10,3=5,4 14,7=4,8 15,2=7,8 15,6=10,7 22,4=7,6 20,0=10,1 19,9=12,5 21,5=14,1 24,8=12,5 24,7=14,8 28,5=8,8 29,4=9,5 24.7=173 28,9=14,1 29,7=14,9 34,9=10,4 35,9=11,3 36,7=12,0 33,2=15,9 31,5=19,1 38,3=18,7 39,2=19.5 40,0=20.3 46,5=14,5 44,5=17,3 45,3=18,1 41,5=21,8 42,4=22,6 52,8=15,7 53,7=16,5 49,9=20,3 50,8=21,1 48,0=23,4 48,9=24,2 49,7=25,0 57,2=17,7 69,3=20,1 71,2=21,8 94,5=15,6 96,5=17,3

Ix 104 mm4 1,59 3,59 6,99 10,4 20,7 20,1 23,1 38,2 46,4 59,4 44,9 57,6 68,1 71,7 92,5 87,7 116 141 141 148 226 276 323 321 337 395 358 420 455 545 532 626 552 650 744 720 1220 1650 2170 2960

Wx1 103 mm3 1,54 2,44 4,60 6,67 9,24 10,1 11,6 17,8 18,7 24,0 15,8 19,6 27,6 24,8 31,1 25,1 32,3 38,4 42,5 47,0 59,0 70,4 80,8 69,0 75,7 87,2 86,3 99,1 86,2 101 107 123 115 133 150 126 176 232 230 307

Wx2 103 mm3 0,81 1,42 2,35 3,02 5,50 5,03 5,11 8,77 9,24 11,8 8,73 11,4 12,3 11,7 15,4 13,8 18,0 22,2 21,0 21,5 27,6 34,1 40,4 38,4 39,4 46,6 40,5 48,0 46,8 56,6 53,1 63,1 54,1 64,2 74,1 70,0 93,2 128 140 192

Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in m an.

. Abb. 11.64 Warmgewalzter ungleichschenkliger rundkantiger Winkelstahl (Auswahl)

Iy 104 mm4 0,55 0,60 2,47 5,89 3,41 7,12 11,9 19,4 16,5 26,8 7,59 9,68 40,1 25,8 33,0 15,3 19,5 23,4 46,7 71,0 80,8 98,1 114 54,2 82,9 96,5 141 165 78,3 93,0 145 170 198 232 264 122 210 282 161 216

Wy1 103 mm3 1,02 1,25 3,17 5,50 4,49 7,05 9,52 13,8 13,2 18,1 8,63 10,2 23,2 18,3 22,0 14,7 17,3 19,5 29,4 37,0 43,2 50,3 56,0 37,4 47,9 53,3 65,0 73,0 49,9 56,0 71,0 81,0 85,0 96,0 106 69,0 104 129 103 125

Wy2 103 mm3 0,38 0,39 1,11 2,01 1,52 2,38 3,18 5,39 4,39 6,66 2,44 3,18 8,41 5,61 7,31 3,86 5,04 6,17 9,52 12,7 13,2 16,2 19,1 10,7 14,4 17,0 20,6 24,4 13,2 15,9 20,9 24,7 25,8 30,6 35,2 19,6 26,3 36,1 21,7 29,7

Oberfläche je Meter Länge A00 m2 =ma 0,097 0,117 0,146 0,177 0,175 0,195 0,224 0,224 0,244 0,254 0,234 0,234 0,283 0,294 0,294 0,292 0,292 0,292 0,321 0,341 0,391 0,391 0,391 0,381 0,401 0,401 0,430 0,430 0,441 0,441 0,469 0,469 0,489 0,489 0,489 0,469 0,587 0,587 0,667 0,667

Gewichtskraft je Meter Länge FG0 N=m 14,2 17,4 27,2 32,9 45,0 43,7 42,7 73,7 63,8 84,2 53,1 69,3 84,9 66,9 87,9 67,2 88,2 108,9 108,9 115,7 119,6 147,1 174,6 143,2 151,0 179,5 162,8 193,2 150,0 182,4 178,5 211,8 186,3 221,6 255,9 211,8 225,6 309,9 255,9 353,0

11

299 11.2  Beanspruchungsarten

Beispiel für die Bezeichnung eines T-Trägers und für das Auswerten der Tabelle: T 80 DIN EN 10055-S235JR h D b D 80 mm bDh Ix D 73;7 104 mm4 Wx D 12;8 103 mm3

Höhe Breite Flächenmoment 2. Grades Widerstandsmoment

Kurzzeichen

T 30 35 40 50 60 70 80 100 120 140

Querschnitt

h=b

s

A

Ix

Wx

Iy

Wy

Gewichtskraft je Meter Länge FG0

mm 30 35 40 50 60 70 80 100 120 140

mm 4,00 4,50 5,00 6,00 7,00 8,00 9,00 11,00 13,00 15,00

mm2 226 297 377 566 794 1060 1360 2090 2960 3990

104 mm4 1,72 3,10 5,28 12,10 23,80 44,50 73,70 179,00 366,00 660,00

103 mm3 0,80 1,23 1,84 3,36 5,48 8,79 12,80 24,60 42,00 64,70

104 mm4 0,87 1,57 2,58 6,60 12,20 22,10 37,00 88,30 178,00 330,00

103 mm3 0,58 0,90 1,29 2,42 4,07 6,32 9,25 17,70 29,70 47,20

N=m 17,35 22,84 29,01 43,51 61,06 81,54 104,87 160,73 227,38 306,76

. Abb. 11.65 Warmgewalzter T-Träger (Auswahl)

. Abb. 11.67 Die vier Euler’schen Belastungsfälle für die Knickung

Solange die äußere Belastung F (Druckkraft F) kleiner als die Knickkraft FK ist, besteht keine Knickgefahr und es ist die Sicherheit gegen Knicken vD . Abb. 11.66 Zur Herleitung der Euler’schen Knickungsgleichung

11.2.3.2

Wichtige Größen der Knickung

Der Knickkraft FK entspricht diejenige Spannung K , bei der das Ausknicken gerade beginnt, die also ebenfalls niemals erreicht werden darf; somit ist die Knickspannung K D

Knickkraft FK Querschnittsfläche A

K N mm2

FK

A

N

mm2 (11.84)

Knickkraft FK Druckkraft F

(11.85)

Der Druckkraft F entspricht die Druckspannung d D F=A, sodass die Sicherheit v auch ausgedrückt werden kann durch: vD

K A K FK D D F d A d

(11.86)

Die Sicherheit v berücksichtigt u. a. Stöße, Massenkräfte, die Art der Verwendung, Einspannung und Folgen eines Bruchs des Knickstabs. Das Ausknicken wird bestimmt durch das kleinste axiale Flächenmoment I des Querschnitts. Es wird I D i 2 A

300

Kapitel 11  Festigkeitslehre

gesetzt. Daraus folgt der Trägheitsradius r iD

I A

I

i

A 4

mm mm

(11.87)

mm2

Für den Kreisquerschnitt beträgt nach . Abb. 11.32 das axiale Flächenmoment I D  d 4 =64 und die Fläche A D  d 2 =4, sodass sich als Trägheitsradius für den Kreisquerschnitt ergibt: r iD

 d 4 d 4 D  2 64  d 4

(11.88)

Als zweckmäßige Rechengröße wird außerdem für den Schlankheitsgrad festgelegt: D

freie Knicklänge s s D Trägheitsradius i i

11.2.3.3

11

Elastische Knickung (Eulerfall)

vF s 2 E 2

Ierf 4

mm

v 1

F

E

s

N

N mm2

mm

(11.90)

Aus (11.86) wurde für die Knickkraft FK D Sicherheit v Belastung F (FK D vF ) eingesetzt. Die Eulergleichung ist an das Hooke’sche Gesetz gebunden. Damit werden die Grenzen ihrer Gültigkeit festgelegt. Aus FK D

Für Stahl S235 JR mit dP D 190 N=mm2 wird damit s 0 D  

E 2 2

K N mm2

E N mm2

!Hinweis Die Eulergleichung gilt nur, solange der errechnete Schlankheitsgrad  gleich oder größer ist als der in . Tab. 11.10 angegebene Grenzschlankheitsgrad 0 . Es muss also sein: s=i D lvorhanden  0 .

11.2.3.4

 1

(11.91)

Danach ist die Knickspannung K nur abhängig vom E-Modul (und dessen Gültigkeitsbereich) und vom Schlankheitsgrad . Wird K über  aufgetragen, ergibt sich eine Hyperbel dritten Grades, wie . Abb. 11.68 für Stahl mit E D 2;1  105 N=mm2 zeigt. Danach ergeben kleine Schlankheitsgrade hohe Knickspannungen. Die Eulergleichung kann natürlich nur bis zu demjenigen Grenzschlankheitsgrad 0 gelten, für den K  dP ist, solange also die Knickspannung K kleiner als die Proportionalitätsgrenze für Druck ist.

2;1  105 N=mm2  105 190 N=mm2

Je höher die Proportionalitätsgrenze dP liegt, um so kleiner ist der Grenzschlankheitsgrad 0 , d. h. um so größer wird der Eulerbereich. Für die wichtigsten Werkstoffe gibt . Tab. 11.10 die Grenzschlankheitsgrade zur Eulergleichung an.

EI  2 I i2 1 2 D A und sowie D 2 D i K s2 A s2 

ergibt sich die Knickspannung K D

Unterer Grenzwert: s E min D 0 D   dP

(11.89)

Liegt die Knickspannung noch im Gültigkeitsbereich des Hooke’schen Gesetzes (elastische Formänderung), so gilt die Eulergleichung (11.83). Damit können bei gegebener Knickkraft FK , gegebener Belastung F, gegebener Einspannlänge l und bekanntem Elastizitätsmodul E die Querschnittsabmessungen bestimmt werden, und zwar über das erforderliche Mindest-Flächenmoment (axial): Ierf D

. Abb. 11.68 Euler-Hyperbel mit dem Grenzschlankheitsgrad 0

Unelastische Knickung (Tetmajerfall)

Ergibt die Nachrechnung des Schlankheitsgrads  einen Zahlenwert, der unter dem in . Tab. 11.10 angegebenen Grenzwert liegt, dann liegt unelastische Knickung vor. In diesem Fall gelten nicht die Eulergleichungen, sondern die Gleichungen von Tetmajer3 , ebenfalls aus . Tab. 11.10. Mit diesen Gleichungen können die Querschnittsabmessungen nicht unmittelbar bestimmt werden, sie dienen nur zur Nachrechnung gegebener oder angenommener Querschnittsmaße. Deshalb wird meist Ierf nach Euler bestimmt, der Querschnitt danach festgelegt,  nachgeprüft und bei  kleiner als 0 nach Tetmajer die Knickspannung K berechnet. Ist die geforderte Sicherheit v nicht erreicht, muss der Querschnitt vergrößert und nochmals nachgerechnet werden. 3

Ludwig von Tetmajer, Materialwissenschaftler, 1850–1905.

301 11.2  Beanspruchungsarten

. Tabelle 11.10 Grenzschlankheitsgrad 0 für Euler’sche Knickung und Tetmajer-Gleichungen Werkstoff

Elastizitätsmodul E N in mm 2

Grenzschlankheitsgrad 0

Tetmajer-Gleichung für Knickspannung K N in mm 2 K D 29;3  0;194  

Nadelholz

10.000

100

Gusseisen

100.000

80

S235 JR

210.000

105

K D 310  1;14  

E295/E335

210.000

89

K D 335  0;62  

Nickelstahl (< 5 % Ni)

210.000

86

K D 470  2;3  

11.2.3.5

Arbeitsplan zur Knickungsberechnung

a) Gegeben: Sicherheit v und Belastung F gesucht: Querschnittsabmessungen. 4 Die Knickkraft FK aus Sicherheit v und Belastung F berechnen. 4 Das erforderliche Flächenmoment Ierf aus der Eulergleichung berechnen. 4 Die Querschnittsabmessungen (z. B. Durchmesser) nach den Gleichungen aus . Abb. 11.32 festlegen; den Trägheitsradius i nach . Abb. 11.32 oder,pwenn dort nicht angegeben, nach der Gleichung i D I =A berechnen. 4 Den Schlankheitsgrad  berechnen und mit 0 aus . Tab. 11.10 vergleichen, bei   0 ist die Rechnung in Ordnung; bei  kleiner 0 muss mit den Tetmajergleichungen aus . Tab. 11.10 die Knickspannung K berechnet werden. Dabei , nicht etwa 0 einsetzen. 4 Die vorhandene Druckspannung d D F=A berechnen und die Sicherheit v bestimmen; sie muss gleich oder größer der geforderten sein. Bei zu kleiner Sicherheit müssen die Querschnittsabmessungen vergrößert und die Rechnung von der -Bestimmung an wiederholt werden. Abschließend muss die vorhandene Druckspannung d mit der zulässigen d zul verglichen werden. b) Gegeben: Querschnitt A und Belastung F gesucht: vorhandene Sicherheit. 4 Berechnung des Flächenmoments I und des Trägheitsradius i des Querschnitts nach . Abb. 11.32 4 Bestimmung des vorhandenen Schlankheitsgrads  mit  D s=i und Vergleich des ermittelten Werts mit 0 aus . Tab. 11.10. Jetzt teilt sich die Rechnung: Bei   0 wird die Sicherheit v nach der Eulergleichung berechnet, bei  < 0 nach einer der Tetmajergleichungen.

K D 776  12   C 0;053  2

7 Beispiel Eine Ventilstößelstange aus E295 hat 8 mm Durchmesser und ist 250 mm lang. Welche maximale Stößelkraft ist zulässig, wenn eine 10fache Sicherheit gegen Knicken gefordert wird? Es liegt der Grundfall vor, also s D l. Lösung: D

4l 4  250 mm l D D D 125 i d 8 mm

also elastischer (Euler-)Bereich. Flächenmoment I D

 d 4   D  .8 mm/4 D 201 mm4 64 64

Knickkraft FK D

EI  2 D 6665 N l2

Maximale Stößelkraft F D

FK D 667 N 9 v

7 Beispiel Die Pleuelstange eines Verbrennungsmotors (. Abb. 11.69) aus E295 hat die Maße: l D 370 mm, H D 40 mm, h D 30 mm, b D 20 mm, s D 15 mm. Sie wird durch F D 16 kN auf Knickung beansprucht. Gesucht: vorhandene Knicksicherheit v.

! Hinweis  bestimmt den Rechnungsweg (Euler oder Tetmajer), deshalb muss zuerst  berechnet werden.

. Abb. 11.69 Pleuelstange

11

Kapitel 11  Festigkeitslehre

302

Lösung: Die Pleuelstange würde um die (rechtwinklige) y-Achse knicken, denn ganz sicher ist Iy D Imin < Ix . .H  h/  b 3 C h  s 3 12 10 mm  .20 mm/3 C 30 mm  .15 mm/3 D 12 4 D 15:104 mm

Imin D Imin Imin

(Ix D 95:417 mm4 , also wesentlich größer als Imin ) r Imin iD A A D H b  .b  s/h D Œ40  20  .20  15/  30 mm2 A D 650 mm2 r 15:104 mm4 Imin D iD D 4;82 A 650 mm2 370 mm l D 76;8 < 0 D 89 D D i 4;82 mm

d D 40 mm angenommen (zweckmäßig gegenüber derf erhöhen), neuer Schlankheitsgrad 4l 4  500 mm D D 50 d 40 mm N K D 335  0;62 D 304 mm2 40:000 N F N D d D D 31;8 A 1257 mm2 mm2 N 304 mm K 2 vvorh D D D 9;56 > vgef D 8 N d 31;8 mm 2 D

d. h. der Durchmesser d werden. 9

D

40 mm kann ausgeführt

7 Beispiel Die durchgehende Kolbenstange eines Verdichters für p D 6;5 bar Überdruck ist zu berechnen (. Abb. 11.70). Werkstoff: E295. Geforderte Knicksicherheit v D 4.

(Tetmajerfall) N mm2 16:000 N F N D D D 24;6 A 650 mm2 mm2 N 287;4 mm K 2 D D D 11;7 9 N d vorh 24;6 mm 2

K D 335  0;62   D 287;4 d vorh

11

vvorh

7 Beispiel Ein Knickstab mit kreisförmigem Querschnitt ist beiderseits auf l D 500 mm Länge gelenkig gelagert und wird durch eine Druckkraft F D 40 kN belastet. Geforderte Knicksicherheit v D 8. Werkstoff E295. Wie groß muss der Durchmesser ausgeführt werden?

Lösung: Aus den physikalischen Bedingungen (siehe Teil III, 7 Abschn. 12.1.5) ergibt sich die Gleichung für die Kolbenstangenkraft

  2 und mit D D 500 mm; d )‹ D  d2 p 4 p D 6;5 bar D 6;5  105 N=m2 D 0;65 N=mm2

  2 F D 500  d 2  0;65  N 4 F D .1;276  105  0;511  d 2 / N F D

Mit der angenommenen elastischen Knickung wird nach Euler: F D

EI  2 l2

Lösung: Knickkraft

(siehe (11.83)) und mit

FK D F v D 40 kN  8 D 320 kN

I D    d 4 =64

FK D

EI  2 l2

Erforderliches Flächenmoment 2. Grades FK l 2 320:000 N  5002 mm2 D D 3;86  104 mm4 N 2 2 E  2;1  105 mm 2   p d4 ! derf D 4 20Imin D 29;6 mm I D 20

Imin D

Mit i D D

d 4

(siehe . Abb. 11.32) sowie E D 2;1  105 N=mm2 (siehe . Tab. 11.1) und l D 1500 mm2

F D

l D 0;0452  d 4  N

D 7;4 mm wird

l 500 mm D D 67;6 < 0 D 89 i 7;4 mm

Demnach liegt der Tetmajerbereich vor und nicht, wie zunächst angenommen wurde, der Eulerbereich, d. h. die Rechnung muss mit angenommenem Durchmesser (mit TetmajerGleichungen) wiederholt werden, bis die geforderte Sicherheit erreicht worden ist:

. Abb. 11.70 Kolbenstange

2;1  105     d 4   2 N 64  15002

11

303 11.2  Beanspruchungsarten

Beide Terme für die Kolbenstangenkraft F gleichgesetzt, ausgerechnet und umgeformt ergibt die biquadratische Gleichung

Damit ist die vorhandene Knicksicherheit vorh D

d 4 C 11;31  d 2  2;823  106 D 0

Die Rechnung muss mit einem erheblich größeren Kolbenstangendurchmesser d wiederholt werden. Mit z. B. d D 60 mm wird bei gleichem Rechengang die vorhandene Knicksicherheit

Es wird d 2 D z gesetzt: z 2 C 11;31  z  2;823  106 D 0 z1;2 D 5;65 ˙ 1679 Der negative Wert von z2 ist hier ohne Belang und für z1 ergibt sich p z1 D 5;65 mm2 C 5;562 C 2;822  106 mm2 z1 D 1674;53 mm2 p p und daraus mit d D z1 D 1674;24 mm D 40;92 mm. Für die Ausführung wird d D 45 mm gewählt (Normzahl) und nach Euler geprüft, ob die geforderte Knicksicherheit  D 4 erreicht ist. Trägheitsradius i der Kolbenstange (nach (11.88)): iD

45 mm d D D 11;25 mm 4 4

Schlankheitsgrad  (nach (11.89)): D

K 116;6 D 1;46 erf D 4 D d 79;6

1500 mm l D D 133;3 > 0 D 89 i 11;25 mm

vorh D 4;66 > erf D 4 9

Knickungsberechnungen im Stahlbau Stabilitätsnachweis einteiliger, zentrisch gedrückter Stäbe 11.2.3.6

Zur stabilen Ausbildung von Druckstäben gilt für den Stahlbau die Norm Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung: EN 1993-1-1 und DIN EN 1993-1-1/NA: Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter. Danach muss die Stabilität nachgewiesen werden. Stabilität besteht dann, wenn in der Ausweichrichtung des Stabs bei planmäßig zentrischem Druck die Bedingung der Gleichung (11.92) erfüllt ist: Stabilitäts-Hauptgleichung

(siehe . Tab. 11.10 für E295). Knickspannung (nach (11.91)) und Druckspannung betragen:

F 1 Fpl

F N

Fpl N

 1

(11.92)

F Belastung (Normalkraft) in Richtung der Stabachse, Fpl Normalkraft im vollplastischen Zustand (. Tab. 11.11),  Abminderungsfaktor (7 Abschn. 11.2.3.6 Arbeitsplan, Teil IV). Eine Bemessung der Stabquerschnitte ist über den Stabilitätsnachweis nicht möglich, weil die StabilitätsHauptgleichung (11.92) keine direkte Bezugsgröße für

E   2 2;1  105   2 N N D  D 116;6 2  133;32 mm2 mm2 2

  2 p F N 4 D d D d D    2 A d mm2 4 2

  500  452  0;65 N N d D 4  D 79;6   2 2  45 mm mm2 4

K D

. Tabelle 11.11 Festigkeitswerte für Walzstahl (Bau- und Maschinenbaustahl) Werkstoff

Bezeichnunga

Erzeugnisdicke t in mm

Streckgrenze Re in N=mm2

Zugfestigkeit Rm in N=mm2

Baustahl DIN EN 10025-2

S235JR

t  40

240

360

S235JRG1

40 < t  80

215

t  40

360

40 < t  80

325

t  40

360

40 < t  80

325

S235JRG2 S235JO Maschinenbaustahl DIN EN 10025-2

E295

E355

a

Bezeichnungen für Baustähle siehe Teil IV Werkstofftechnik

510

700

304

Kapitel 11  Festigkeitslehre

einen Stabquerschnitt enthält. Man nimmt daher versuchsweise einen Stabquerschnitt an und ermittelt damit der Reihe nach die im folgenden Arbeitsplan unter 7 Abschn. 11.2.3.6 aufgeführten Größen. Ist am Ende die Bedingung F=.Fpl /  1 nicht erfüllt, muss die Rechnung mit geänderten Annahmen wiederholt werden.

Arbeitsplan zum Stabilitätsnachweis Gegeben: Querschnittsabmessungen (Profil), Werkstoff, Belastung F des Druckstabs Gesucht: Stabilitätsnachweis 1 1. Ermittlung der Knicklänge sK

sK D ˇ l

11

sK ˇ mm 1

l mm

. Abb. 11.72 Ausknicken in der Fachwerkebene

(11.93)

ˇ Knicklängenbeiwert nach . Abb. 11.71, l Systemlänge des Stabs (siehe auch . Abb. 11.72 und 11.73). Für das Ausknicken in der Fachwerkebene ist die Systemlänge l der geschätzte Abstand der beiden Anschlussverbindungen an den Stabenden (. Abb. 11.72). Für das Ausknicken rechtwinklig zur Fachwerkebene ist l der Abstand der Netzlinien (. Abb. 11.73). . Abb. 11.73 Ausknicken rechtwinklig zur Fachwerkebene

1 2. Berechnung des Schlankheitsgrads K

K D

sK i

K 1

sK i mm mm

(11.94)1 3. Berechnung des bezogenen Schlankheitsgrads K K D

mit dem Trägheitsradius r iD

I A

i

I

mm mm4

A mm2

(11.95)

sK Knicklänge, i Trägheitsradius, I Flächenmoment 2. Grades, A Querschnittsfläche (i, I und A nach den . Abb. 11.32 und 11.48, 11.61–11.63).

K a

K 1

lK 1

la 1

(11.96)

K Schlankheitsgrad, a Bezugsschlankheitsgrad. Der Bezugsschlankheitsgrad a errechnet sich nach s a E Re E a D   (11.97) N N Re 1 2 2 mm mm E Elastizitätsmodul D 2;1  105 N=mm2 (Stahl), Re Streckgrenze, auch in DIN EN 1993-1-1, Tabelle 3.1 (siehe . Tab. 11.11). Danach ergibt sich a für die im Stahlbau gängigen Werkstoffe: 4 S235JR mit einer Erzeugnisdicke t  40 mm zu a D 92;9; 4 S355J2G3 mit einer Erzeugnisdicke t  40 mm zu a D 75;9.

1 4. Ermittlung einer Knicklinie . Abb. 11.71 Knicklängenbeiwerte ˇ einfacher Stäbe mit konstantem Querschnitt

Die Knicklinie wird der . Tab. 11.12 in Abhängigkeit vom gewählten Stabquerschnitt entnommen.

11

305 11.2  Beanspruchungsarten

. Tabelle 11.12 Zuordnung der Profilquerschnitte zu den Knicklinien Stab-Querschnittsformen

Ausknicken rechtwinklig zur Achse

Knicklinie

warm gefertigt

x–x y–y

a

kalt gefertigt

x–x y–y

c

x–x y–y

b

dicke Schweißnaht und hx =tx < 30 hy =ty < 30

x–x y–y

c

h=b > 1;2 t  40 mm

x–x y–y

a b

h=b > 1;2 40 < t  80 mm h=b < 1;2 t  80 mm

x–x y–y

b c

t > 80 mm

x–x y–y

d

tn < 40 mm

x–x y–y

b c

tn > 40 mm

x–x y–y

c d

x–x y–y

c c

x–x y–y

b

Hohlprofile  D=10

geschweißte Kastenquerschnitte

gewalzte I-Profile

geschweißte I-Querschnitte (tn D t, t1 , t2 )

gewalzte Profile und Vollquerschnitte

1 5. Bestimmung des Abminderungsfaktors

Der Parameter ˛ ist abhängig von den Knicklinien:

Der Abminderungsfaktor  für die Knicklinien a, b, c und d wird mit den folgenden Formeln berechnet: Bereich K  0;2  D 1 1 q Bereich K > 0;2  D 2 k C k 2  K

Knicklinie

a

b

c

d

˛

0,21

0,34

0,49

0,76

1 6. Ermittlung der Normalkraft Fpl 2

k D 0;5  Œ1 C ˛.K  0;2/ C K  1 Bereich K > 3;0  D K .K C ˛/

Fpl ist diejenige Druckkraft, bei der im Werkstoff des Stabs mit dem Querschnitt A der vollplastische Zustand erreicht wird. Als Widerstandsgröße kann die Streckgrenze Re oder

306

Kapitel 11  Festigkeitslehre

die obere Streckgrenze ReH eingesetzt werden: Fpl Fpl D Re A

N

Re N mm2

A mm2

(11.98) . Abb. 11.74 Mehrteilige Stäbe mit zwei Stoffachsen x–x und y–y

1 7. Nachweis der Stabilität

Zum Abschluss der Rechnung ist mit der Stabilitäts-Hauptgleichung (11.92) F=.Fpl /  1 die zulässige Querschnittswahl nachzuweisen oder es ist mit einem anderen Profil oder mit einem anderen Stabquerschnitt die Prüfung zu wiederholen.

. Abb. 11.75 Mehrteilige Querschnitte mit stofffreier Biegeachse y–y

7 Beispiel Ein planmäßig mittig gedrückter Stab nach Fall 2 (. Abb. 11.71) mit der Systemlänge sK D 1;50 m wird durch die Druckkraft F D 50 kN belastet. Querschnittsform: I-Träger IPE 80 nach DIN EN 10 025-S235JR (. Abb. 11.62)

. Abb. 11.76 Günstigster Querschnitt für Knickstäbe

Lösung: Knicklänge sK D ˇ l mit ˇ D 1 wird sK D 1;50 m D 1500 mm

11

Stabilität

Trägheitsradius: r r Iy 8;49  104 mm4 D iD D 10;542 mm A 764 mm2 Schlankheitsgrad: K D

1500 mm sK D D 142;288 i 10;542 mm

bezogener Schlankheitsgrad K mit la D 92;9 für S235JR bei t  40 mm a 142;288 D 1;532 K D 92;9 h 80 mm D D 1;74 > 1;2 und t D 5;2 mm < 40 mm b 46 mm K D

sowie Ausweichen rechtwinklig zur y-Achse ergibt nach . Tab. 11.12 die Knicklinie b. Abminderungsfaktor  für K D 1;532 > 0;2: 2

k D 0;5  Œ1 C ˛.K  0;2/ C K  mit ˛ D 0;34 für Knickspannungslinie b k D 0;5  Œl C 0;34.1;532  0;2/ C 1;5322  k D 1;9 Abminderungsfaktor D

1 1 p D D 0;331 q 2 1;9 C 1;92  1;5322 k C k 2  K

Normalkraft im plastischen Zustand nach . Tab. 11.13 Fpl D 164 kN

50 kN F D 0;921 D   Fpl 0;331  164 kN Die Bedingung der Stabilitäts-Hauptgleichung (11.92) ist erfüllt. 9

Stabilität mehrteiliger Knickstäbe Auch mehrteilige aus Walzprofilen zusammengesetzte Stäbe können wie einteilige berechnet werden, wenn deren Querschnitte rechtwinklig zur Ausweichrichtung eine Stoffachse haben wie in . Abb. 11.74. Die Einzelprofile sind durch Nieten oder Schweißen so verbunden, dass der Stab als ein Bauglied angesehen werden kann. Mehrteilige Querschnitte nach . Abb. 11.75. mit einer Stoffachse x–x und einer stofffreien Achse y–y können rechtwinklig zur Stoffachse x–x wie einteilige Stäbe berechnet werden. In Ausweichrichtung rechtwinklig zur stofffreien Achse y–y gelten andere Rechenvorschriften nach DIN EN 1993-1-1.

11.2.4 11.2.4.1

Abscheren Spannung

Praktisches Beispiel für die Beanspruchungsart Abscheren ist das Scherschneiden (. Abb. 11.77). Die äußeren Schnittkräfte F wirken rechtwinklig zur Bauteilachse und bilden ein Kräftepaar mit dem kleinen Wirkabstand u (Schneidspalt). Das entsprechend kleine Kraftmoment M D F u wird bei dieser Untersuchung vernachlässigt. In

11

307 11.2  Beanspruchungsarten

. Tabelle 11.13 Normalkraft Fpl im plastischen Zustand Profil

A

Fpl a

Fpl b

mm2

kN

kN

Profil

A

Fpl a

Fpl b

mm2

kN

kN

Profil

A

Fpl a

Fpl b

mm2

kN

kN

L 40  6

448

96

108

IPE 80

764

164

183

U 50

712

153

171

L 50  6

569

122

137

IPE 100

1000

215

240

U 80

1100

237

264

L 60  6

691

149

166

IPE 120

1320

284

317

U 100

1350

290

324

L 70  7

940

202

226

IPE 140

1640

353

394

U 140

2040

439

490

L 80  8

1230

264

295

IPE 160

2010

432

482

U 160

2400

516

576

L 80  10

1510

325

362

IPE 180

2390

514

574

U 180

2800

602

672

L 90  9

1550

333

372

IPE 200

2850

613

684

U 200

3220

692

773

L 100  10

1920

413

461

IPE 220

3340

718

802

U 220

3740

804

898

L 120  13

2970

639

713

IPE 240

3910

841

938

U 240

4230

909

1015

L 140  15

4000

860

960

IPE 270

4590

987

1102

U 260

4830

1038

1159

L 150  16

4570

983

1097

IPE 300

5380

1157

1291

U 280

5330

1146

1279

L 160  19

5750

1236

1380

IPE 360

7270

1563

1745

U 300

5880

1264

1411

L 180  18

6190

1331

1486

IPE 400

8450

1817

2028

U 350

7730

1662

1855

L 200  20

7640

1643

1834

IPE 500

11.600

2492

2784

U 400

9150

1967

2196

a

mit Re D 215 N=mm2 gerechnet, b mit Re D 240 N=mm2 gerechnet

. Tabelle 11.14 Zulässige Spannungen im Stahlhochbau Zulässige Spannungen in N=mm2 für Stahlbauteilea Spannungsart

Werkstoff S235JR

S355JO

E360

Lastausfall H

HZ

H

HZ

H

HZ

Druck und Biegedruck, wenn ein Stabilitätsnachweis nach DIN EN 1993-1-1 erforderlich ist

140

160

210

240

410

460

Zug und Biegezug, Biegedruck, wenn ein Stabilitätsnachweis nach DIN EN 1993-1-1 erforderlich ist

160

180

240

270

410

460

92

104

139

156

240

270

Schub a

Lastfall H: alle Hauptlasten, Lastfall HZ: alle Haupt- und Zusatzlasten

der Schnittfläche des Werkstücks W wird das Kräftegleichgewicht durch die innere Schnittkraft Fq (Querkraft) D F wieder hergestellt. Fq wirkt tangential zur Schnittebene, die auftretende Spannung  (Tangentialspannung). Zur Kennzeichnung der Beanspruchungsart nennt man sie Abscherspannung a : Abscher-Hauptgleichung

a D . Abb. 11.77 Scherschneiden (Parallelschnitt) W Werkstück, F Schnittkraft, A D ls Querschnittsfläche, u Schneidspalt

F A

a N mm2

F

A

N

mm2

(11.99)

308

Kapitel 11  Festigkeitslehre

. Tabelle 11.15 Zulässige Spannungen im Kranbau für Stahlbauteile Zulässige Spannungen in N=mm2 für Bauteile Spannungsart

Werkstoff S235JR

S355JO

H

HZ

H

HZ

Zug- und Vergleichsspannung

160

180

240

270

Druckspannung, Nachweis auf Stabilität

140

160

210

240

92

104

138

156

Schubspannung

Außer dem Allgemeinen Spannungsnachweis auf Sicherheit gegen Erreichen der Fließgrenze ist für Krane mit mehr als 20.000 Spannungsspielen noch ein Betriebsfestigkeitsnachweis auf Sicherheit gegen Bruch bei zeitlich veränderlichen, häufig wiederholten Spannungen für die Lastfälle H zu führen. Zulässige Spannungen beim Betriebsfestigkeitsnachweis siehe Normblatt.

11

Je nach vorliegender Aufgabe kann die Abscher-Hauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung des erforderlichen Querschnitts (Querschnittsnachweis): F (11.100) Aerf D a zul Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis): F (11.101)  a zul a vorh D A Berechnung der maximal zulässigen Belastung (Belastungsnachweis): Fmax D Aa zul Bei den auf Abscheren zu berechnenden Bauteilen wie Niete und Bolzen tritt außer der Querkraft noch ein Biegemoment auf. Allein deshalb ist eine einfache Schubspannungsverteilung im Querschnitt nicht zu erwarten. In warm eingezogenen Nieten tritt gar keine Schubspannung auf, sie werden durch das Schrumpfen auf Zug beansprucht und trotzdem auf Abscheren berechnet. Genauere rechnerische Untersuchungen am Rechteckquerschnitt zeigen eine parabolische Schubspannungsverteilung mit  D 0 in der Randfaser und  D max in der mittleren Faserschicht (. Abb. 11.78). Für die folgenden Querschnittsformen gilt:

. Abb. 11.78 Schubspannungsverteilung Rechteckquerschnitt

Niete und Bolzen werden nach obigen Gleichungen berechnet, obwohl in der Schnittfläche immer noch ein Biegemoment übertragen werden muss, wie die Untersuchung des Kräftegleichgewichts am abgeschnittenen Bauteil beweist (. Abb. 11.77). Die dadurch entstehende Unsicherheit wird durch ein geringeres a zul berücksichtigt. Niete werden außer auf Abscheren noch auf Lochleibungsdruck l berechnet (siehe 7 Abschn. 11.2.6 Flächenpressung). 7 Beispiel Die einreihige Doppellaschennietung ist zu berechnen (. Abb. 11.79): F D 120 kN N z zul D 140 mm2 N a zul D 110 mm2 N l zul D 280 (zulässiger Lochleibungsdruck) mm2 Gewählt: d1 D 17 mm, s D 8 mm, s1 D 6 mm Lösung: Die erwartete (geschätzte) Schwächung des Stabprofils durch die Nietbohrungen wird durch das Verschwächungsverhältnis v berücksichtigt. Hier wird v D 0;75 angenommen. Nutzquerschnitt An vD D 0;75 ungeschwächter Querschnitt A

Rechteckquerschnitt max D .3=2/  a Kreisquerschnitt max D .4=3/  a Rohrquerschnitt max  2  a Die Abscherfestigkeit von Stahl und Gusseisen kann aus der Zugfestigkeit Rm bestimmt werden: für Stahl ist aB D 0;85Rm für Gusseisen ist aB D 1;10Rm

im schubbeanspruchten

. Abb. 11.79 Nietverbindung

11

309 11.2  Beanspruchungsarten

a) Aerf D

120:000 N F D 1143 mm2 D N z zul v 140 mm 2  0;75

1143 mm2 Aerf D D 142;9 mm s 8 mm ausgeführt b D 145 mm (Normmaß) F 120:000 N c) na erf D D N a zul mA1 110 mm2  2  227 mm2

b) berf D

na erf D 2;4 d) nl erf

na D 3

Niete

120:000 N F D D N l zul d1 s 280 mm 2  17 mm  8 mm

nl erf D 3;14 nl D 4 Niete In den folgenden Rechnungen muss demnach n D 4 eingesetzt werden. 120:000 N F D e) z vorh D s .b  nd1 / 8 mm.145  4  17/ mm N N > z zul D 140 z vorh D 195 mm2 mm2 F 120:000 N f) a vorh D D mnA1 2  4  227 mm2 N N a vorh D 66 < a zul D 110 mm2 mm2 120:000 N F D g) lvorh D nd1 s 4  17 mm  8 mm N N < l zul D 280 9 l vorh D 221 mm2 mm2

! Hinweis zu d) 4 Niete 17 ¿ würden eine größere Breite b erfordern (Nietabstände nach DIN EN 1993-1-1). Einfacher wäre es, die Niete je Seite zweireihig anzuordnen. zu e) Die vorhandene Zugspannung ist größer als die zulässige. Bei der unter d) vorgeschlagenen Ausführung (zweireihige Nietung) ist der Lochabzug geringer und damit die vorhandene Zugspannung kleiner als die zulässige.

11.2.4.2

Hooke’sches Gesetz für Schubbeanspruchung

des Winkels  ungefähr gleich dem Winkel  (in rad): tan    D

l l0

 l; l0 rad mm

Schiebung 

(11.102)

Bei der Zugbeanspruchung wächst die Dehnung  proportional mit der Normalspannung (vgl. mit 7 Abschn. 11.1.5). Bei der Schubbeanspruchung wächst die Schiebung proportional mit der Schubspannung . Wie bei der Zugbeanspruchung das Verhältnis der Zugspannung zur Dehnung den Elastizitätsmodul ergibt (E D =), so ist auch bei der Schubbeanspruchung das Verhältnis der Schubspannung  zur Schiebung  ein bestimmter und bei der elastischen Verformung immer gleich bleibender Wert. Nach DIN 1304 heißt er Schubmodul G. GD

l0   D D   l= l0 l

; G N mm2

l; l0



mm

rad (11.103)

Ebenso wie der Elastizitätsmodul E ist auch der Schubmodul G eine Werkstoffkonstante (. Abb. 11.48 und 11.51). Wird (11.101) für den Schubmodul G nach der Schubspannung  umgestellt, erhält man das Hooke’sche Gesetz für die Schubbeanspruchung:  D G D G

11.2.5

l l0

(11.104)

Torsion (Verdrehung)

Kreiszylinder mit gleichbleibendem Querschnitt Spannung 11.2.5.1

Der gerade zylindrische Stab in . Abb. 11.81 ist einseitig eingespannt und wird durch das Drehmoment M belastet,

Die Kraft F verschiebt die beiden Schnittufer 1 und 2 der würfelförmigen Schubfeder (. Abb. 11.80) parallel gegeneinander. Dadurch neigen sich die Seitenflächen des Würfels um den Winkel . Für kleine Winkel  darf angenommen werden, dass der Abstand l0 der beiden Schnittufer während der elastischen Formänderung erhalten bleibt. Dann ist der Tangens

. Abb. 11.80 Schnittbetrachtung an der Schubfeder

. Abb. 11.81 Torsionsbeanspruchte Welle M ist das durch die äußeren Kräfte hervorgerufene Außenmoment, MT ist das durch die inneren Kräfte hervorgerufene Torsionsmoment

310

Kapitel 11  Festigkeitslehre

dessen Ebene rechtwinklig zur Stabachse steht. Ein Schnitt rechtwinklig zur Stabachse zerlegt den Stab in die Teile I und II. Die statischen Gleichgewichtsbedingungen für einen Stababschnitt ergeben das innere Kräftesystem: X I: Fx D 0 keine x-Kräfte vorhanden X II: Fy D 0 keine y-Kräfte vorhanden X III: M.0/ D 0 D M  MT Die Momentengleichgewichtsbedingung III. zeigt, dass der Querschnitt ein in der Fläche liegendes Torsionsmoment MT D M zu übertragen hat. Es ist längs des Stabs an jeder Querschnittsstelle gleich groß (im Gegensatz zur Biegung). Die Mantelgerade AB ist daher zur Wendel AC geworden. Die auftretende Torsionsspannung t ist nur vom Betrag des zu übertragenden Torsionsmomentes MT und vom polaren Widerstandsmoment Wp des Querschnitts abhängig. Torsionsspannung t t D

Torsionsmoment MT polares Widerstandsmoment Wp

t D

t N mm2

MT Wp

Das Spannungsbild zeigt die Proportion: 

MT

Wp

max (11.105)

Nmm mm3

Je nach der vorliegenden Aufgabe kann die TorsionsHauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung des erforderlichen Querschnitts (Querschnittsnachweis): Wp erf D

MT t zul

(11.106)

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis): t vorh D

MT Wp

(11.107)

Berechnung der maximal zulässigen Belastung (Belastungsnachweis): MT max D Wp t zul

(11.108)

Gleichungen zur Berechnung des polaren Widerstandsmoments Wp siehe . Abb. 11.82. Wichtige Zahlenwertgleichungen zur Berechnung des Torsionsmoments MT D M in Nm und Nmm aus gegebener Leistung P in kW und gegebener Drehzahl n in 1= min D min1 : M D 9550

M

P n

M D 9;55  106

P

n

Nm kW min P n

Das äußere Drehmoment M verdreht (tordiert) zwei dicht benachbarte Querschnitte gegeneinander. Es entstehen daher Schubspannungen . Wie das Verformungsbild in . Abb. 11.83 zeigt, werden die Werkstoffteilchen um so weiter drehend gegeneinander verschoben, je weiter entfernt sie von der Stabachse liegen: B 0 wandert nach C 0 und B nach C . Die stärkste Verformung entsteht am Querschnittsumfang; die Stabachse dagegen bleibt unverformt. Da im elastischen Bereich nach Hooke die Verformung der Spannung proportional ist, muss ebenso wie die Verformung auch die Spannung mit den Abständen % von der Stabachse wachsen. Die Spannungen sind demnach wie bei der Biegung linear verteilt. Die Stabachse ist unverformt, also auch spannungslos. Jedes Flächenteilchen A überträgt die Querkraft F D A (in der Fläche liegend). In Bezug auf die Stabachse überträgt jedes Flächenteilchen mit dem Abstand % das kleine Innenmoment MT D F% D A% :

Torsions-Hauptgleichung

11

Herleitung der Torsions-Hauptgleichung

M

P

(11.109)

1

n

Nmm kW min1 (11.110)

D

% I r

also auch  D max

% r

Damit wird % max A%2 MT D A% D max A% D r r Nach den Gleichgewichtsbedingungen muss das gesamte Torsionsmoment MT gleich der Summe aller kleinen Innenmomente sein, also X X max max X MT D MT D A%2 D A%2 r r P Der Summenausdruck A%2 wird als rein geometrische Rechengröße herausgezogen und als polares Flächenmoment Ip bezeichnet (siehe Flächen- und Widerstandsmomente). Wird außerdem die Randfaserspannung max als Torsionsspannung t bezeichnet, so ergibt sich die Hauptgleichung in der Form MT D t

Ip r

und mit Ip D polares Widerstandsmoment Wp W r MT D t Wp

Formänderung Die Stirnflächen des torsionsbeanspruchten Stabs (. Abb. 11.84) werden um den Verdrehwinkel ' gegeneinander verdreht. Bei der elastischen Verformung gilt für alle Beanspruchungsarten das Hooke’sche Gesetz: D lE= l. Es

311 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.82 Polare Flächenmomente 2. Grades Ip (It ) und Widerstandsmomente Wp (Wt ) für Torsion

11

312

Kapitel 11  Festigkeitslehre

. Abb. 11.83 Verformungs- und Spannungsbild bei der Torsion . Abb. 11.85 Arbeitsdiagramm für die Torsionsstabfeder

Der Schubmodul G entspricht dem E-Modul bei Normalspannungen. Für Stahl ist G D 80:000 N=mm2 . Die obigen Gleichungen zeigen, dass der Verdrehwinkel unabhängig von der Werkstoffgüte ist, weil z. B. für alle Stahlsorten G gleich groß ist. Es wäre also falsch, besseren Stahl zu benutzen, um den Verdrehwinkel kleiner zu halten.

Formänderungsarbeit

11

Beim Verdrehen eines zylindrischen Stabs steigt das Torsionsmoment MT von null bis zu einem Höchstwert proportional zum Verdrehwinkel an. Die im Stab gespeicherte Formänderungsarbeit W entspricht im MT , '-Diagramm der Fläche unter der MT -Linie (. Abb. 11.85):

. Abb. 11.84 Formänderung bei Torsion

wird sinngemäß eingesetzt: Für die Normalspannung die Schubspannung , für die Formänderung l der Bogen b und für den Elastizitätsmodul E der Schubmodul G, so ergibt sich das Hooke’sche Gesetz für Torsion: t D

b G l

(11.111)

Zur rechnerischen Vereinfachung wird das Bogenstück BC D b durch den Verdrehwinkel ' in Grad ausgedrückt. Zwischen beiden besteht die Beziehung ' b D 2 r 360ı

'D

b360ı b 180ı D  2 r r  

W; MT Nmm

' rad D 1

(11.115)

Torsionsstabfedern werden verwendet als Autofedern, Stabilisatoren im Fahrzeugbau, Drehmomentenschlüsseln und im Messgerätebau. Die Neigung der Belastungslinie (Federkennlinie) ist ein Maß für die „Härte“ der Feder. Sie ist um so härter, je steiler die Kennlinie verläuft, d. h. je größer die Federrate R (Federsteifigkeit) ist: RD

MT ¶ tan ˛ '

R Nmm rad

MT

'

Nmm rad D 1

Für zylindrische Stäbe mit Kreisquerschnitt gilt: MT D t Wp  d 3  d 2 d d D  DA 16 4 4 4 t l  d 2 ' D d und l D Volumen V 4 G2

Wp D

ı

t l 180  Gr   MT l 180ı  'D Wp rG   MT l 180ı  'D Ip G   MT Wp ' t ; G l; r N ı mm Nmm mm3 mm2

' 2

(11.116)

Wird die nach b aufgelöste Beziehung (11.111) in die letzte Gleichung für den Verdrehwinkel eingesetzt, ergeben sich die Torsions-Formänderungsgleichungen: 'D

W D MT

(11.112) (11.113) (11.114) Ip mm4

Damit wird nach einigen Umformungen die Formänderungsarbeit W: W D MT

'  2V D t 2 4G

W Nmm

t ; G N mm2

V mm3 (11.117)

313 11.2  Beanspruchungsarten

11.2.5.2

Stäbe mit beliebigem Querschnitt

Bei der Verdrehung zylindrischer Stäbe mit einem Kreisquerschnitt bleiben diese eben. Bei allen anderen Querschnitten tritt dagegen eine Verwölbung ein. Die mathematische Behandlung führt zu Differentialgleichungen. In der Praxis wird in Anlehnung an die Torsion zylindrischer Stäbe mit einem Kreisquerschnitt mit folgenden Gleichungen für die Torsionsspannung t und den Verdrehwinkel ' gerechnet: MT Wt MT l 'D GIt t ; G N mm2

t D

(11.118) 

180ı   MT

(11.119) Wt

Nmm mm3

It

l; r

'

mm4

mm

1

d) Wp D

  D4  d 4  16 D

Hinweis: Wp erf nach b) bleibt gleich groß, weil MT und t zul gleich bleiben. 16Wp D D D4  d 4   r 16 4 derf D D 4  Wperf D D 38;5 mm   e) Strahlensatz: t a D D t i d ti D ta 

N N d 38;5 mm D 30 D 25;7  D mm2 45 mm mm2

Darin ist It eine Größe, die dem polaren Flächenmoment des Kreisquerschnitts entspricht und als Drillungswiderstand bezeichnet wird. Wt entspricht dem polaren Widerstandsmoment des Kreisquerschnitts. Gleichungen für Wt und It siehe . Abb. 11.82. 7 Beispiel Eine Getriebewelle überträgt eine Leistung von 12 kW bei n D 460 min1 . Die zulässige Torsionsspannung beträgt wegen zusätzlicher Biegebeanspruchung nur 30 N=mm2 . Zu berechnen sind: a) das Drehmoment M an der Welle, b) das erforderliche Widerstandsmoment Wp , c) der erforderliche Durchmesser derf einer Vollwelle, d) der erforderliche Innendurchmesser d einer Hohlwelle, wenn der Außendurchmesser D D 45 mm ausgeführt wird, e) die Torsionsspannung an der Wellen-Innenwand. Lösung: P n 12 Nm D 249;1 Nm M D 9550  460 MT b) Wp erf D t zul 249;1  103 Nmm Wp erf D D 8303 mm3 N 30 mm 2   3 d c) Wp D 16 r r 3 16Wperf 3 16 D  8303 mm3 D 34;8 mm derf D     ausgeführt d D 35 mm

a) M D 9550 

9 !Hinweis Mit ta D t zul darf man nur deshalb rechnen, weil der mit t zul D 30 N=mm2 berechnete Innendurchmesser exakt so beibehalten wird. Hätte man d D 38 mm (Normmaß) ausgeführt, hätte die Randfaserspannung ta D t vorh D MT =Wp mit dem neuen Wp berechnet und erst damit ti bestimmt werden können. 7 Beispiel Ein Torsionsstab-Drehmomentenschlüssel soll bei einem Drehmoment von 50 Nm einen Verdrehwinkel von 10ı anzeigen. Zu berechnen sind a) der Durchmesser d des Torsionsstabs bei t zul D 350 N=mm2 , b) die erforderliche Stablänge l für den geforderten Verdrehwinkel. Lösung: MT   3 d ergibt sich mit Wp D a) Aus t D Wp 16 s

s derf D

3

16MT D  t zul

3

16  50  103 Nmm D 9 mm    350 N=mm2

ausgeführt d D 9 mm b) Mit (11.114) und Ip D

  4 d wird dann 32

 d 4 G' 32  180ı =   MT  2  94 mm4  8  104 N=mm2  10ı lD 32  180ı  50  103 Nmm l D 180 mm 9

lD Hinweis: Soll nur der Wellendurchmesser d bestimmt werden, r 16Mt dann wird man b) und c) zusammenfassen und derf D 3  t zul berechnen.

(ausgeführt)

11

Kapitel 11  Festigkeitslehre

314

7 Beispiel Ein Kurbelarm mit Rechteckquerschnitt (20 40) mm2 ist 250 mm lang und wird durch ein Torsionsmoment von 80 Nm beansprucht. Gesucht: a) die Torsionsspannung in der Mitte der langen Seiten, b) der Verdrehwinkel. Lösung: h a) Nach . Abb. 11.82 ist mit n D D 2 der Wert b c1 D 0;493 und damit Wt D c1 b 3 D 3944 mm3 t max D

. Abb. 11.87 Flächenpressung geneigter Flächen

rechtwinklig auf der Fläche stehende Normalkraft FN benutzt werden. Dazu ist ein exaktes Freimachen des betrachteten Bauteiles erforderlich. Für die Keilführung in . Abb. 11.87 z. B. zeigt das Krafteck die Normalkraft FN D F= cos ˛ und damit die Flächenpressung p:

MT 80:000 Nmm N D D 20;3 Wt 3944 mm3 mm2

b) It D c2 b 4 D 0;4572  204 mm4 It D 7;3  104 mm4

pD

und damit nach (11.114) MT l 180ı  It G   180ı 80:000 Nmm  250 mm D 0;196ı 9  'D 7;3  104 mm4  0;8  105 N=mm2  

'D

11

11.2.6

Im Nenner steht die Projektion der Berührungsfläche in Richtung der Wirklinie der Belastung F: A cos ˛ ist die Projektion der Berührungsfläche auf die zur Wirklinie von F rechtwinklige Ebene. Man kommt dann bei geneigten Flächen ohne Umrechnung auf die Normalkraft aus:

Flächenpressung pD

Die Beanspruchung der Berührungsflächen zweier gegeneinander gedrückter Bauteile heißt Flächenpressung oder Pressung (bei Nieten: Lochleibungsdruck). 11.2.6.1

Flächenpressung ebener Flächen

Wird ein Bauteil nach . Abb. 11.86. durch eine schräge Kraft F auf seine Unterlage gepresst, so ist die Flächenpressung p Normalkraft FN Berührungsfläche A FN A p FN pD N A N mm2 mm2 Flächenpressungs-Hauptgleichung pD

(11.120)

Die Flächenpressung p steht immer rechtwinklig auf der Berührungsfläche. Zur Berechnung muss deshalb auch die

FN F F D D A A cos ˛ Aprojiziert

F Aproj

(11.121)

Damit lassen sich bequeme Berechnungsgleichungen für praktisch häufig vorkommende Fälle entwickeln, wie sie in der folgenden . Abb. 11.88 zusammengestellt sind.

Flächenpressung im Gewinde Ein wichtiges Beispiel der Entwicklung einer Gleichung nach (11.121) ist die Berechnung der Flächenpressung in Bewegungsschrauben (meist mit Trapezgewinde nach DIN 103), wobei häufig die erforderliche Mutterhöhe m aus der zulässigen Pressung zu bestimmen ist. Mit i D m=P tragenden Gängen und den Bezeichnungen aus . Abb. 11.89 wird die projizierte Fläche aller Gewindegänge: Aproj D   d2 H1

m P

und daraus die Flächenpressung im Gewinde FP F D Aproj   d2 H 1 m p m; P; d2 ; H1 F N mm N mm2

pD

(11.122)

!Hinweis

. Abb. 11.86 Flächenpressung ebener Flächen

Die Rechnung ergibt eine mittlere Flächenpressung, weil im Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen eine gleichmäßige Kraftaufnahme der einzelnen Gewindegänge vorausgesetzt wurde.

11

315 11.2  Beanspruchungsarten

. Abb. 11.89 Bezeichnungen am Trapezgewinde

. Abb. 11.90 Flächenprojektion eines Lagerzapfens

Die Flächenpressung am Nietschaft heißt Lochleibungsdruck l . Er wird berechnet aus: F1 Kraft, die ein Niet zu übertragen hat; d1 Lochdurchmesser D Durchmesser des geschlagenen Niets; s D kleinste Summe aller Blechdicken in einer Kraftrichtung. (. Abb. 11.91): . Abb. 11.88 Typische technische Beispiele für die Verwendung der Gleichung p D F=Aproj

11.2.6.2

F1 l D  l zul d1 s

l N mm2

F1

d1 ; s

N

mm

(11.124)

Flächenpressung gewölbter Flächen

Schwieriger als bei ebenen Flächen sind die Pressungsverhältnisse an der Oberfläche der Lagerzapfen, Bolzen und Niete. Die Normalkräfte auf die Berührungsflächen sind hier statisch unbestimmt. Man denkt sich deshalb nach . Abb. 11.90 einen Mittelwert p gleichmäßig über der Flächenprojektion verteilt und rechnet bei Lagerzapfen und Bolzen mit der Flächenpressung

pD

F F D Aproj dl

p N mm2

F

d; l

N

mm

(11.123) . Abb. 11.91 Nietkraft F1 und kleinste Blechdickensumme s

Kapitel 11  Festigkeitslehre

316

In . Abb. 11.91 ist in Kraftrichtung rechts: s D 2s1 D 2  7 mm D 14 mm; in Kraftrichtung links: s D 3s2 D 3  3;5 mm D 10;5 mm. Es muss also mit s D 10;5 mm gerechnet werden, weil das die kleinste Blechdickensumme in einer Kraftrichtung ist und damit nach (11.124) den größten Lochleibungsdruck ergibt. 7 Beispiel Für eine zugbeanspruchte Gewindespindel mit Tr 28 5 (7 Kap. 37, . Abb. 11.60) sind zu berechnen: a) die zulässige Höchstlast für z zul D 120 N=mm2 , b) die erforderliche Mutterhöhe m für pzul D 30 N=mm2 .

Zusammengesetzte Beanspruchungen

11.3

Auch in einfachen praktischen Fällen treten häufig mehrere Beanspruchungsarten gleichzeitig auf. Man unterscheidet gleichzeitiges Auftreten mehrerer Normalspannungen, gleichzeitiges Auftreten mehrerer Schubspannungen und gleichzeitiges Auftreten von Normal- und Schubspannungen.

11.3.1

Gleichzeitiges Auftreten mehrerer Normalspannungen

Lösung: a) Fmax D z zul A3 D 120

N  398 mm2 D 47:760 N mm2

Fmax P  d2 H1 pzul 47:760 N  5 mm D D 39;75 mm N    25;5 mm  2;5 mm  30 mm 2

b) merf D merf

ausgeführt m D 40 mm 9 7 Beispiel

11

Ein Gleitlager (. Abb. 11.92) wird durch die Radialkraft Fr D 16 kN und die Axialkraft Fa D 7;5 kN belastet. Das Bauverhältnis soll l=d D 1;2 sein. pzul D 6 N=mm2 .

11.3.1.1

Nach . Abb. 11.93 ist an einem IPE-Träger (. Abb. 11.62) ein Blech von 14 mm Dicke angeschlossen, so dass sich durch die Zugkraft F ein einseitiger Kraftangriff und damit „exzentrischer Zug“ ergibt. Nach dem Schnittverfahren wird das innere Kräftesystem für den Querschnitt A  B bestimmt. Der Ansatz der statischen Gleichgewichtsbedingungen legt die vom Querschnitt zu übertragenden Kräfte und Momente fest: 4 eine rechtwinklig zum Schnitt stehende Normalkraft FN D F D 72;5 kN D 72:500 N. Sie ruft eine gleichmäßig über dem Querschnitt verteilte Zugspannung hervor:

Gesucht: d, D, l Lösung: F F F F D D D Aproj dl d  1;2d 1;2d 2 s s F 16:000 N D D  47;2 mm N 1;2pzul 1;2  6 mm 2

pD derf

ausgeführt d D 48 mm, daher l D 1;2d D 1;2  48 mm D 57;6 mm l D 58 mm ausgeführt. s s 4F 4  7500 N 2 Derf D Cd D C 482 mm2 D 62;4 mm N  pzul    6 mm 2 ausgeführt D D 63 mm 9

. Abb. 11.92 Gleitlager

Zug und Biegung (auch exzentrischer Zug)

z D

F N 72:500 N D 54;9 D A 1320 mm2 mm2

4 außerdem wirkt ein Biegemoment Mb D F a; hervorgerufen durch das Kräftepaar; es erzeugt eine Biegespannung Mb Mb e F ae D D W I I 72:500 N  67 mm  60 mm N D 92 b D 318  104 mm4 mm2

b D

Nach . Abb. 11.93 erhält man aus dem Zugspannungsbild b) und dem Biegespannungsbild c) das Schaubild der resultierenden Spannung d). Die bei reiner Biegung durch den Schwerpunkt S der Fläche gehende Nulllinie ist bei der zusammengesetzten Spannung um c nach links verschoben. Das Flächenmoment I ist immer auf die Schwerpunktachse zu beziehen. Vor allem bei Walzprofilen sollte man immer die Biegespannung mit Hilfe des Flächenmoments I berechnen, weil in den Profilstahltabellen nicht immer das direkt brauchbare Widerstandsmoment W enthalten ist. Nach dem Spannungsbild d) ergibt die Addition der Einzelspannungen die resultierende Gesamtspannung: F F ae C  z zul A I F F ae D   d zul A I

res Zug D z C bz D res Druck D z  bd

(11.125) (11.126)

317 11.3  Zusammengesetzte Beanspruchungen

. Abb. 11.94 Schraubenzwinge

Für die Bemessung eines exzentrischen Zugstabs gelten (11.125) und (11.126). 7 Beispiel

. Abb. 11.93 Zug und Biegung

Mit den berechneten Spannungen wird demnach: res Zug D .54;9 C 92/

N N D 146;9 2 mm mm2

und res Druck D .54;9  92/

N N D 37;1 mm2 mm2

Eine Beziehung zur Berechnung von c wird aus dem Spannungsbild 1d abgelesen: c z F Ie z I !cDe D D D e b b AF ae Aa p und mit Trägheitsradius i D I =A oder I =A D i 2 cD

i2 a

c i a mm mm mm

(11.127)

Solange c D i 2 =a < e ist, treten im Querschnitt Zug- und Druckspannungen auf, bei c > e nur Zugspannungen. Im Beispiel ist mit ix2 D Ix =A D 318  104 mm4 =1320 mm2 D 2409 mm2 und damit c D 2409 mm2 =60 mm D 40;2 mm. Wie die Rechnung schon bewies, treten wegen c < e, d. h. 40;2 mm < 60 mm Zug- und Druckspannungen auf.

Für die Schraubzwinge nach . Abb. 11.94 sind zu berechnen: a) die höchste zulässige Klemmkraft Fmax , wenn im eingezeichneten Querschnitt eine Zugspannung von 60 N=mm2 und eine Druckspannung von 85 N=mm2 nicht überschritten werden sollen; b) das zum Festklemmen mit Fmax erforderliche Drehmoment M (ohne Reibung zwischen Klemmteller und Spindel; c) die erforderliche Handkraft Fh zum Festklemmen, wenn diese am Knebel im Abstand r D 60 mm von der Spindelachse angreift; d) die Mutterhöhe m für eine zulässige Flächenpressung von 3 N=mm2 ; e) die Knicksicherheit der Spindel, wenn die freie Knicklänge gleich 100 mm gesetzt wird. Spindelwerkstoff: E 295. Lösung: Wie üblich bestimmt man die Schwerpunktsabstände e1 D 9;2 mm und e2 D 15;8 mm und mit der Gleichung für das T-Profil das axiale Flächenmoment

1 3 Be1  bh3 C ae23 D 2;1  104 mm4 3 A D 410 mm2 I D

l D 65 mm C e1 D 74;2 mm a) Man bestimmt Fmax mit den beiden Annahmen (hier mit z zul ¤ d zul ): Fmax 1 

z zul 1 le1 C A I

Fmax 1  

N 60 mm 2  D 1717 N 74;2  9;2 1 1 C 2 mm 410 21:000

11

318

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Fmax 2 

d zul 1 le2  I A

Fmax 2  

N 85 mm 2  D 1592 N 1 74;2  15;8 1  2 21:000 410 mm

Fmax D Fmax 2  1592 N b) MRG D Fmax r2 tan .˛ C %0 / D M (7 Abschn. 9.7.7.4, (9.72)) 9;026 mm d2 D D 4;513 mm 2 2 P D 1;5 mm d3 D 8;16 mm r2 D

H1 D 0;812 mm

AS D 58 mm2

P 1;5 mm D 3;03ı D 2 r2 2   4;513 mm 180ı tan %0 D 0 D 0;15%0 D tan %0 D 8;59ı   tan.˛ C %0 / D tan 11;62ı D 0;2056

˛ ı D arctan ˛ D

. Abb. 11.95 Druck und Biegung

MRG D M D 1592 N  4;513 mm  0;2056 MRG D 1477 Nmm c) M D Fh r

11

Fh D

1477 Nmm M D D 24;6 N r 60 mm

Fmax P  d2 H1 pzul 1592 N  1;5 mm D D 34;6 mm N    9;026 mm  0;812 mm  3 mm 2

d) merf D merf

ausgeführt m D 35 mm e)  D

4s s 400 mm D D 49 < 0 D 89 D i d3 8;16 mm

also liegt unelastische Knickung vor (Tetmajerfall): K D 335  0;62 N mm2 Fmax 1592 N N D D D 27;4 AS 58 mm2 mm2 N 304;6 mm K 2 D D D 11 9 N d vorh 27;4 mm2

K D 335  0;62  49 D 304; 6 d vorh Svorh

11.3.1.2

Druck und Biegung (exzentrischer Druck)

Nach . Abb. 11.95 greift die Druckkraft F außerhalb des Schwerpunkts S an. Das Schnittverfahren und die Entwicklung der Spannungsbilder ergeben die gleichen Gleichungen wie bei Zug und Biegung. Ist die Stablänge groß im Verhältnis zum Querschnitt, d.h. ist der Stab schlank, muss auf Knickung nachgerechnet werden. Querschnitte von Druckstäben aus z. B. Mauerwerk, stahlfreiem Beton, Erdreich dürfen nur auf Druck beansprucht werden, weil ihre Zugfestigkeit zu klein ist. Das

resultierende Spannungsbild darf also nur Druckspannungen zeigen, d. h. es muss nach . Abb. 11.95 im Grenzfall auf der der Kraft F abgewandten Seite res Zug D 0 werden. Sind F, I, A und e konstant, so ist nur die Größe von a dafür bestimmend, ob min positiv (Zugspannung), negativ (Druckspannung) oder null wird. Derjenige Grenzwert von a, bis zu dem der Angriffspunkt von F auswandern darf, ohne dass es zu Zugspannungen im Querschnitt kommt, heißt Kernweite %. Die Kernweite % ergibt sich aus F%e F  D 0 zu I A i2 W I D D .W Widerstandsmoment/ %D Ae e A (11.128) wenn F auf einer Hauptachse angreift. Die von der Kernweite % begrenzte Fläche heißt Querschnittskern. Solange die Druckkraft F innerhalb dieser Fläche angreift, treten im Querschnitt nur Druckspannungen d auf. In . Abb. 11.95c treten schon geringe Zugspannungen auf, d. h. die Kraft F ist schon über den Kernquerschnitt hinausgetreten (a > %). Nach (11.128) wurden die Kernweiten für Kreis, Kreisring und Rechteck berechnet und in . Abb. 11.96 dargestellt. Berechnung der Kernweite % zu den Querschnittsflächen in . Abb. 11.96: Kreis: Kreisring: Rechteck:

W d  d 3 4 D D 2 A 32 d 8 "  2 # d D W D 1C %D A 8 D %D

W1 bh2 h D D A 6bh 6 W2 hb 2 b %2 D D D A 6hb 6

%1 D

(11.129) (11.130) (11.131)

11

319 11.3  Zusammengesetzte Beanspruchungen

11.3.3

Gleichzeitiges Auftreten von Normalund Schubspannungen

11.3.3.1

. Abb. 11.96 Kernweite und Querschnittskern (schraffierte Fläche) für Kreis, Kreisring und Rechteck

Mit d als Diagonale wird die kleinste Kernweite %min

bh

bh D p D 2 2 6d 6 b Ch

11.3.2.1

4F 16F ; D 3A 3 d 2

ohne Herleitung. Außerdem ein Torsionsmoment MT D F r; es ruft Torsionsspannungen hervor: t D

MT 16MT 8F D D 3 Wp  d  d 2

In den Umfangspunkten B tritt die größte resultierende Beanspruchung auf: max

v D

16F 8F F D s C t D C  4;244 2 2 2 3 d  d d

p

2 C 4 2

(11.133)

Diese Hypothese passt sich den verschiedenen Werkstoffen gut an und wurde durch Versuche von Guest, v. Kármán, Böcker und M. ten Bosch bestätigt. Die Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie liefert die Vergleichsspannung

Torsion und Abscheren

Nach . Abb. 11.97 greift am Umfang eines kurzen geraden Stabs mit Kreisquerschnitt (Bolzen, Niete) eine Kraft F an. Nach dem Schnittverfahren hat jeder Schnitt zu übertragen (ohne Biegung): eine in der Fläche liegende Querkraft Fq D F ; sie ruft Abscherspannungen a D F=A hervor; genauer (für den Kreisquerschnitt) Schubspannungen: s D

Die auftretenden Normal- und Schubspannungen dürfen nicht einfach algebraisch oder geometrisch addiert werden wie in (11.125) und (11.126). Es wird deshalb eine sogenannte Vergleichsspannung v eingeführt, die mit Hilfe von Gleichungen berechnet werden kann, die wiederum aus den verschiedenen Bruchhypothesen entwickelt wurden. Die Schubspannungshypothese von Mohr4 liefert die Vergleichsspannung

(11.132)

Gleichzeitiges Auftreten mehrerer Schubspannungen

11.3.2

Vergleichsspannung (reduzierte Spannung)

v D

p

2 C 3 2

(11.134)

Diese Hypothese stimmt gut mit Versuchen überein und setzt sich allgemein durch. Die Gleichungen (11.133) und (11.134) gelten nur, wenn und  durch den gleichen Belastungsfall entstehen, also beide durch schwellende oder beide durch wechselnde Belastung hervorgerufen werden. Sind die Belastungsfälle für und  verschieden, so ist mit dem Anstrengungsverhältnis ˛0 D

zul 'zul

(11.135)

zu rechnen. Die Werte für ' sind für die einzelnen Hypothesen verschieden. Es gilt dann für die Vergleichsspannung: Nach Mohr: q v D 2 C 4 .˛0 /2 zul ˛0 D 2zul

(11.136)

nach der größten Gestaltänderungsenergie: q 2 C 3 .˛0 /2 zul ˛0 D 1;73zul v D

(11.137)

Für die Bemessung der Querschnitte muss v  zul sein. 4 . Abb. 11.97 Torsion und Abscheren im Kreisquerschnitt

Christian Otto Mohr, deutscher Ingenieur und Baustatiker, 1835–1918.

320

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Die einzelnen Beanspruchungsfälle Zug (Druck) und Torsion 11.3.3.2

Das innere Kräftesystem besteht aus einer rechtwinklig zum Querschnitt stehenden Normalkraft FN und aus einem im Querschnitt liegenden Torsionsmoment MT . FN erzeugt eine Normalspannung D ˙FN =A; MT erzeugt eine Torsionsspannung t D MT =Wp bzw. t D MT =Wt . Beide Spannungen werden zur Vergleichsspannung v zusammengesetzt.

Zug (Druck) und Schub (Abscheren) Das innere Kräftesystem besteht aus einer rechtwinklig zum Querschnitt stehenden Normalkraft FN und aus einer im Querschnitt liegenden Querkraft Fq . FN erzeugt eine Normalspannung D ˙FN =A; Fq erzeugt eine Schubspannung  D Fq =A (Abscherspannung). Beide Spannungen werden zur Vergleichsspannung v zusammengesetzt.

Biegung und Torsion

11

Das innere Kräftesystem besteht aus einem Biegemoment Mb und aus einem Torsionsmoment MT . Die größte Bedeutung hat dieser Beanspruchungsfall für den Kreisquerschnitt (Wellen). Setzt man in die obigen Gleichungen der Vergleichsspannung für b D Mb =W und für t D MT =Wp ein und beachtet, dass für den Kreisquerschritt Wp D 2W ist, so ergeben sich die folgenden Gleichungen: s

Mohr Gestalt

  Mb MT 2 D C ˛0 W W s  2   Mb MT 2 D C 0;75 ˛0 W W 

2

(11.138)

(11.139)

Das Widerstandsmoment W lässt sich vor die Wurzel und dann als Faktor auf die linke Gleichungsseite bringen. Der dort entstehende Ausdruck v W heißt Vergleichsmoment Mv (entsprechend Biegemoment Mb D b W ). Nach der Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie ergibt sich mit (11.139) die Beziehung für das Vergleichsmoment: q Mv D Mb2 C 0;75 .˛0 MT /2

(11.140)

Mit dem Vergleichsmoment Mv wird der Wellendurchmesser d berechnet: s d; da ; di Mv b zul 32Mv (11.141) dD 3 N mm Nmm mm   b zul 2 Auch für den Kreisringquerschnitt gelten die obigen Gleichungen, wenn für W D

  da4  di4  32 da

eingesetzt wird: s

32  Mv    .1  B 4 /  b zul s Mv da  2;15  3 .1  B 4 /  bzul

da D

3

B D di =da di D B  da

Durchmesserverhältnis (11.142)

7 Beispiel Die Welle 1 mit einem Kreisquerschnitt (. Abb. 11.98) wird durch die Kraft F D 800 N über einen Hebel 2 mit einem Rechteckquerschnitt auf Biegung und Torsion beansprucht. l1 D 280 mm;

Maße:

l2 D 200 mm;

d D 30 mm : Gesucht: a) die Querschnittsmaße b und h für ein Verhältnis h=b D 4 und zul D 100 N=mm2 , b) die größte Biegespannung in der Schnittebene A  B der Welle 1, c) die Torsionsspannung, d) die Vergleichsspannung. Lösung: a)

Mb Mb 24Mb Mb D D D W h3 bh2 hb 2 6 46 s s 24Mb 24  800 N  170 mm D 3 D 3 D 31;96 mm b zul 100 N=mm2

b D

herf

ausgeführt 32 8

Aus bekanntem Biegemoment Mb und Torsionsmoment MT lässt sich damit das Vergleichsmoment Mv berechnen. Für das Anstrengungsverhältnis ˛0 kann man bei Wellen aus Stahl setzen: ˛0 D 1,

wenn b und t im gleichen Belastungsfall wirken, ˛0 D 0;7, wenn b wechselnd und t schwellend wirkt (Hauptfall bei Wellen), ˛0 D 1;5, wenn b statisch oder schwellend und t wechselnd wirkt.

l3 D 170 mm;

. Abb. 11.98 Biegung und Torsion

321 11.3  Zusammengesetzte Beanspruchungen

. Abb. 11.99 Biegung und Torsion

Mb 32  800 N  280 mm N b) b vorh D   D D 84;5 3 2  .30 mm/ mm 3 d 32 MT 16  800 N  200 mm N c) t vorh D   D D 30;2 3 2  .30 mm/ mm d3 16 q d) v D b2 C 3 .˛0 t /2 s     N 2 N 2 v D C 3 0;7  30;2 84;5 mm2 mm2 N v D 92;1 9 mm2 7 Beispiel Eine Welle trägt nach . Abb. 11.99 fliegend das Haspelrad eines Flaschenzugs. Die Handkraft beträgt F D 500 N. Gesucht: a) das die Welle belastende Drehmoment infolge der Handkraftwirkung, b) das maximale Biegemoment, c) das Vergleichsmoment, s) der Wellendurchmesser für b zul D 80 N=mm2 .

. Abb. 11.100 Getriebeskizze

durch zwei Zahnradpaare ermöglichen. Die Entwurfsberechnung ergab die Teilkreisdurchmesser: ) d1 D 48 mm i1 D 5 d2 D 240 mm ) d3 D 72 mm i2 D 4 d4 D 288 mm Es wird die Aufgabe gestellt, den Durchmesser für die Getriebewelle II festzulegen, für die der Werkstoff E335 verwendet werden soll. Da der Wirkungsgrad  für Zahnradgetriebe sehr gut ist (hier etwa   0;98), kann er bei Festigkeitsrechnungen unberücksichtigt bleiben. Lösung: Die zu übertragenden Drehmomente können aus der gegebenen Antriebsleistung P D 8 kW und Antriebsdrehzahl n D 960 min1 berechnet werden. P n 8 P Nm D 79;583 Nm MI D 9550 D 9550  n 960 MII D MI i1 D 79;583 Nm  5 D 397;915 Nm M D 9550

Lösung: a) M D F r D 500 N  0;12 m D 60 Nm

MIII D MII i2 D 397;915 Nm  4 D 1591;66 Nm

b) Mb D 500 N  0;045 m D 22;5 Nm q c) Mv D Mb2 C 0;75 .˛0 MT /2 p Mv D .22;5 Nm/2 C 0;75.0;7  60 Nm/2

Aus den errechneten Drehmomenten ergeben sich die Umfangskräfte am Teilkreisumfang:

Mv D 42;8 Nm s s Mv 42;8  103 Nmm d) derf D 3 D 3 D 17;5 mm N 0;1 b zul 0;1  80 mm 2 ausgeführt d D 18 mm 9

2MII 2  397;915  103 Nmm D 3316 N D d2 240 mm 2MII 2  397;915  103 Nmm D 11:053 N D D d3 72 mm

Fu2 D Fu3

Die Umfangskräfte Fu2 , Fu3 sind Komponenten der in Eingriffsrichtung auf die Zähne wirkenden Zahnkräfte F2 und F3 .

7 Beispiel Ein Getriebe mit Geradzahn-Stirnrädern (Herstelleingriffswinkel ˛n D 20ı ) soll eine Gesamtübersetzung iges D

n1 960 min1 D D 20 n4 48 min1

. Abb. 11.101 Drehmoment und Umfangskraft am Zahnrad

11

322

Kapitel 11  Festigkeitslehre

Hinweis: F3 ist die von Rad 4 auf Rad 3 ausgeübte Kraft. Die Kraftrichtungen nach Gefühl überprüft: Zahnrad 2 muss von Rad 1 nach unten, Rad 3 dagegen von Rad 4 nach oben gedrückt werden. Fu2 D 3529 N cos ˛n Fu3 D 11:762 N F3 D cos ˛n F2 D

Diese Zahnkräfte F2 und F3 beanspruchen die Welle II auf Torsion und Biegung: Wenn in den Radmittelpunkten je zwei Kräfte F2 bzw. F3 angebracht werden, dann ergibt sich je ein Kräftepaar (Drehmoment MII ) und eine Einzelkraft (Biegekraft F2 bzw. F3 ). Die Kräftepaare ergeben Momente, die gleich groß sind und sich entgegenwirken: CMII  MII D 0; Welle II wird davon auf Torsion beansprucht. Die Komponenten Fx und Fy der Biegekräfte F2 und F3 sind aus dem Krafteck abzulesen: F2x D F2 cos 40ı D 2703 N F2y D F2 sin 40ı D 2268 N F3x D F3 cos 20ı D 11:053 N F3y D F3 sin 20ı D 4023 N

11

Die perspektivische Belastungsskizze gibt Aufschluss über die Weiterentwicklung der Rechnung. Mit Hilfe der statischen Gleichgewichtsbedingungen für die waagerechte und für die senkrechte Ebene lassen sich die Stützkraft-Komponenten FA x , FA y , FB x , FB y ermitteln: waagerechte Ebene X M.A/ D 0 D FBx  280 mm  F3x  200 mm  F2x  80 mm senkrechte Ebene X M.A/ D 0

nenten FBx und FBy , ebenso mit die Komponenten FAx und FAy :

P

Fx D 0 und

P

Fy D 0

waagerechte Ebene X M.A/ D 0 D : : : F2x  80 mm C F3x  200 mm 280 mm D 8667 N

FBx D

FBx X Fx D 0 D CFAx  F2x  F3x C FBx FAx D 5089 N senkrechte Ebene X M.A/ D 0 D : : : F3y  200 mm  F2y  80 mm 280 mm D 2226 N

FBy D

FBy X Fy D 0 D CFAy  F2y C F3y  FBy FAy D 471 N Die Komponenten werden geometrisch addiert: q p 2 2 FAx C FAy D 50892 N2 C 4712 N2 D 5111 N q p 2 2 FB D FBx C FBy D 86672 N2 C 22262 N2 D 8948 N

FA D

Zur Ermittlung der größten Biegebeanspruchung werden für die beiden Ebenen die Momentenflächen gezeichnet (. Abb. 11.106) und zu einer resultierenden Biegemomentenfläche geometrisch addiert. Die größte Biegebeanspruchung ist bei Rad 3 vorhanden. q 2 2 C M3y Mb max D Mres3 D M3x p Mb max D .69;3  104 Nmm/2 C .17;8  104 Nmm/2 p Mb max D 5119  108 .Nmm/2 D 71;55  104 Nmm

D FBy  280 mm C F3y  200 mm  F2y  80 mm Aus den Momentengleichgewichtsbedingungen erhält man nun die Bestimmungsgleichungen für die Stützkraftkompo-

. Abb. 11.102 Normalkräfte F2 , F3 und deren Tangentialkomponenten Fu2 , Fu3 der Räder 2 und 3

Die Welle II wird beim Rad 3 belastet durch 4 das Biegemoment Mb max D 71;55  104 Nmm und 4 das Drehmoment MII D 39;8  104 Nmm D MT

323 11.3  Zusammengesetzte Beanspruchungen

Weil das Drehmoment MII in der Welle II von Rad 2 bis Rad 3 konstant ist, ergibt sich der gefährdete Querschnitt im Punkt der größten Biegebeanspruchung, also bei Rad 3. Das resultierende Moment Mv aus Biege- und Torsionsbeanspruchung (Vergleichsmoment) beträgt: Mv D

. Abb. 11.103 Rad 2 mit Welle II frei gemacht

q

Mb2 C 0;75 .˛0 MT /2

Bei gleichbleibender Drehrichtung liegt wechselnde Biegeund schwellende Torsionsbeanspruchung vor, also ˛0 D 0;7: Mv D

p

.71;55  104 Nmm/2 C 0;75.0;7  39;8  104 Nmm/2

Mv D 75;5  104 Nmm Mit dem Vergleichsmoment Mv und der zulässigen Biegespannung kann der Wellendurchmesser bestimmt werden: v D

. Abb. 11.104 Rad 3 mit Welle II frei gemacht

Mv  b zul W

W  0;1d 3 für den Kreisquerschnitt eingesetzt und nach d aufgelöst: s derf D

3

s derf D

3

Mv 0;1 b zul

b zul D 80

N gewählt mm2

75;6  104 Nmm D 45;55 mm N 0;1  80 mm 2

ausgeführt d D 46 mm (Normmaß) 9

Biegung und Schub (Abscheren) . Abb. 11.105 Perspektivische Belastungsskizze der Welle II mit Horizontal- und Vertikalkräften . Abb. 11.106 Zeichnerische Darstellung der Biegemomentenflächen und geometrische Addition der Biegemomente

Bei der Herleitung der Biegehauptgleichung wurden die Querkräfte, bei der Abscherhauptgleichung die Biegemomente unbeachtet gelassen. Tatsächlich treten in beiden

11

Kapitel 11  Festigkeitslehre

324

Beanspruchungsfällen Schub (Abscheren) und Biegung gleichzeitig auf. Bei kurzen Stäben ist der Einfluss der Biege- und bei langen Stäben der Einfluss der Schubspannung gering. Bei rechteckigen Querschnitten ist für h= l < 1=16 der Fehler durch Vernachlässigungen der Querkräfte kleiner als 1,2 % und für h= l > 6 der Fehler durch Vernachlässigen der Biegemomente kleiner als 1 %. 11.4

11.4.1

11

Beanspruchung bei Berührung zweier Körper Voraussetzungen

Hertz5 entwickelte Gleichungen für die Berührung zweier Körper mit gekrümmter Oberfläche unter folgenden Voraussetzungen: a) homogene, isotrope, vollkommen elastische Körper; es tritt keine bleibende Formänderung auf b) Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes c) die Abplattungen sind klein gegenüber den Körperabmessungen d) in der Druckfläche treten nur Normalspannungen (Druck) auf, keine Schubspannungen.

11.4.2

Bedeutung der Formelzeichen

a F 

r

E

l p p0 D pmax % ı

5

Radius der kreisförmigen oder halbe Breite der rechteckigen Druckfläche in mm Druckkraft in N Querzahl, Verhältnisgröße mit Einheit 1,  D q =; für Stahl  D 0;3, für Gusseisen  D 0;25 Krümmungsradius der Kugel oder des Zylinders in mm; bei der Krümmung beider Körper ist die Summe beider Krümmungen einzusetzen, also 1=r D 1=r1 C 1=r2 . Für die ebene Platte ist 1=r2 D 0, für die Hohlkugel ist 1=r2 negativ einzusetzen. Elastizitätsmodul in N=mm2 ; bei unterschiedlichen E-Moduln ist E D 2E1 E2 =.E1 C E2 ) einzusetzen Länge des Zylinders in mm Druck auf der Berührungsfläche im Abstand % in N=mm2 Druck in der Mitte der Berührungsfläche in N=mm2 veränderlicher Radius oder Ordinate in Breitenrichtung der Berührungsfläche in mm Gesamtabplattung in mm, d. h. die gesamte Näherung der beiden Körper

Heinrich Rudolf Hertz, deutscher Physiker, 1857–1894.

. Abb. 11.107 Hertz’sche Pressung

11.4.3

Berechnungsgleichungen

11.4.3.1

Kugel und Ebene oder zwei Kugeln r

r 1;5 .1  2 / F r 3 Fr aD D 1;11 (11.143) E E p a 2  %2 (11.144) p D p0 s a r 2 1 3 1;5FE 2 1;5F 3 FE D 0;388 D p0 D   r 2 .1  2 /2 r2  a2 (11.145) s r 2 2 2 2 3 2;25 .1   / F a2 3 F ıD D D 1;23 2 2 r E r E r (11.146) 3

11.4.3.2

Zylinder und Ebene oder zwei Zylinder r

8 .1  2 / F r aD D 1;52  El p a 2  %2 p D p0 a s p0 D

r

FE D 0;418 2 rl .1  2 /

Fr El

(11.147) (11.148)

r

FE 2F D rl  al (11.149)

(die Abplattung ı kann nach den Hertz’schen Gleichungen nicht berechnet werden). 7 Beispiel Durch die Federkraft F D 10 kN D 10:000 N wird nach . Abb. 11.108 eine Walze auf eine schiefe Ebene (Keil) gepresst. Werkstoff für beide Teile ist Stahl. Walzenlänge l D 50 mm, Radius r D 10 mm, Neigungswinkel ˛ D 20ı . Wie groß ist die maximale Hertz’sche Pressung zwischen Keil und Walze? Welche Stahlsorte kann verwendet werden?

325 11.4  Beanspruchung bei Berührung zweier Körper

. Abb. 11.108 Walze auf einem Keil

Lösung: F1 D

10:000 N F D D 10:642 N cos ˛ 0;94

F2 D F1 sin ˛ D 10:642 N  sin 20ı D 3640 N r F1 E p0 D pmax D 0;418 rl r 10:642 N  2;1  105 N=mm2 N pmax D 0;418 D 884 10 mm  50 mm mm2 Als Werkstoff könnte z. B. 16MnCr5 gewählt werden. pzul D 900 N=mm2 nach VDI 2230, Ausgabe 2001. 9 7 Beispiel . Abb. 11.109 zeigt die Zahnflanken im Augenblick des Eingriffs im Wälzpunkt C beim Außen- und beim Innengetriebe. Sind in beiden Fällen die Zähnezahlen z, der Modul m und der Betriebseingriffswinkel ˛W gleich groß, dann gilt das auch für die Krümmungsradien r1 und r2 . Es soll festgestellt werden, mit welchem Getriebe eine größere Normalkraft FN übertragen werden kann, wenn in beiden Fällen die zulässige Flächenpressung pzul und die Zahnbreite b gleich groß sind. Lösung: Die beiden Zahnflanken p stellen zwei Zylinder dar, für (11.149) gilt, also p0 D 0;418 FE=rl. Darin sind einzusetzen: p0 D pzul , F D FN , l D Zahnbreite b, r D rA für das Außengetriebe und r D rI für das Innengetriebe.

. Abb. 11.109 Zahnflanken bei Außen- und Innengetrieben

Nach den Erläuterungen unter 7 Abschn. 11.4.2 ergibt sich mit algebraischer Umstellung für rA und rI : r1 r2 r1 C r2 r1 r2 rI D r2  r1

rA D

Damit wird FNA FNI

FNA FNI

2 pzul rA b r2  r1 rA 0;4182 E D D D 2 rI r2 C r1 pzul rI b 0;4182 E r2 1 i 1 r D r1 D 2 i C1 C1 r1

Danach ist das Kräfteverhältnis FN A =FNI unter sonst gleichen Bedingungen nur von der Übersetzung i D z2 =z1 abhängig. Für i D z2 =z1 D 80=20 D 4 ergäbe sich zum Beispiel: 3 1 41 FNA D D D FNI 4C1 5 1;67 Das heißt, dass mit dem Innengetriebe eine um 67 % größere Normalkraft übertragen werden darf als mit dem entsprechenden Außengetriebe. Anders gesagt: Bei gleicher Normalkraft in beiden Getrieben ist die Hertz’sche Pressung zwischen den Zahnflanken beim Innengetriebe kleiner als beim Außengetriebe. 9

11

12

327

Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik Gert Böge, Wolfgang Böge und Dominik Surek

12.1

Hydrostatik

12.1.1

1 Pa ist gleich dem auf eine Fläche gleichmäßig wirkenden Druck, bei dem rechtwinklig auf die Fläche 1 m2 die Kraft 1 N ausgeübt wird. Das 100.000 fache (105 -fache) des Pa ist das Bar (Kurzzeichen bar):

Eigenschaften der Flüssigkeiten und Gase

1 Pa D 1 Ruhende oder sehr langsam bewegte Flüssigkeiten und Gase können im Gegensatz zu festen Körpern nur Normalkräfte übertragen, keine Schubkräfte. Sie nehmen ohne Widerstand jede äußere Form an. Flüssigkeiten zeigen außerdem im Gegensatz zu Gasen einen großen Widerstand gegen Volumenänderung; sie lassen sich erst bei hohen Drücken geringfügig zusammendrücken. Wird die Flüssigkeit wieder entlastet, nimmt sie ihr ursprüngliches Volumen wieder an (Volumenelastizität). Die leichte Zusammendrückbarkeit der Gase kann bei Strömungsgeschwindigkeiten bis zu etwa 1=3 Schallgeschwindigkeit vernachlässigt werden. Sie werden deshalb in der praktischen Strömungslehre wie Flüssigkeiten behandelt.

1 bar D 100:000 Pa D 105 Pa D 0;1 MPa

Hydrostatischer Druck (Flüssigkeitsdruck, hydraulische Pressung)

Der hydrostatische Druck p kann von außen auf die Flüssigkeit ausgeübt werden, aber auch die Schwerkraft (Gewichtskraft) der Flüssigkeit selbst erzeugt einen hydrostatischen Druck p. Bei hohen Drücken in kleinen Flüssigkeitsmengen (hydraulische Geräte) wird der hydraulische Druck infolge der Schwerkraft nicht berücksichtigt.

pD

FN A

Normalkraft FN Fläche A FN p N D Pa N m2

A m2

Druck-Ausbreitungsgesetz

Wird der hydrostatische Druckanteil infolge der Schwerkraft der Flüssigkeit vernachlässigt, gilt das Grundgesetz des hydrostatischen Drucks von Pascal:

Eine Flüssigkeit überträgt auf eine Fläche beliebiger Lage immer nur Normalkräfte. Der hydrostatische Druck – kurz Druck p – gibt die Normalkraft je Flächeneinheit an (Normalkraft dividiert durch Fläche) und steht daher ebenfalls immer rechtwinklig auf der betrachteten Fläche. Druck p D

(12.1)

Der Druck einer im Gleichgewicht stehenden abgesperrten Flüssigkeit steht überall rechtwinklig auf der Fläche, auf die er einwirkt und ist an jedem Ort und in jeder Richtung gleich groß. Mit anderen Worten: Der Druck, der von außen auf irgendeinen Teil der abgesperrten Flüssigkeit ausgeübt wird (z. B. durch eine Kolbenkraft), pflanzt sich auf alle Teile nach allen Richtungen hin unverändert fort.

Die gesetzliche und internationale Einheit (SI-Einheit) für den Druck p ist das Pascal1 (Kurzzeichen Pa). 1

(12.2)

!Hinweis

12.1.3 12.1.2

N kg m kg D1 2 2 D1 2 2 m s m sm

Blaise Pascal, franz. Physiker, Mathematiker und Philosoph, 1623–1662

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_12

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

328

. Abb. 12.1 Druckkraft auf gekrümmte Flächen

des Rohrs oder Kessels und zul die zulässige Spannung, so wird: F D d l p D 2s l zul und daraus die Wanddicke serf D

12.1.5 12.1.4

12.1.4.1

Anwendung des Druck-Ausbreitungsgesetzes

Die hydrostatische Druckkraft F auf eine gekrümmte Fläche ist das Produkt aus dem Druck p und der Projektion der Fläche auf eine Ebene rechtwinklig zur Kraftrichtung: Wanddruckkraft FDpA

p

A

N

N D Pa m2

m2

(12.3)

7 Beispiel

12

Die Projektion der gewölbten Böden des Behälters in . Abb. 12.1 ist in Richtung der Behälter-Längsachse eine Kreisfläche A D  d2 =4. Die Wanddruckkraft F in dieser Richtung wird also F D F1 D F2 D p A D p d2 =4: 9

Auf die Flanschverbindung in . Abb. 12.1 wirkt die Zugkraft F z D p d21 =4.

Beanspruchung einer Kessellängsnaht

Die Projektion der gewölbten Kesselwand ist nach . Abb. 12.2: A D d l und damit die Wanddruckkraft F D pA D p d l

F

d; l

p

N

m

N D Pa m2

(12.5)

(12.4)

  d12 p 4

und die Last (Kolbenkraft) F2 D

  d22 p 4

Daraus folgt unter Berücksichtigung der Reibung mit dem Wirkungsgrad  die Last (Kolbenkraft)  2 d2 F1 ; F2 d1 ; d2  (12.6)  F2 D F1 N m 1 d1 Darin ist der Wirkungsgrad 1 1C

4 h2 d2 4 h1 d1

(12.7)

 Reibungszahl zwischen Kolben und Dichtung Bewegt sich der Druckkolben um den Kolbenweg s1 nach unten, so verdrängt er das Volumen V 1 D A1 s1 . Das vom Druckkolben verdrängte Volumen muss gleich dem vom Lastkolben freigegebenen Raum sein, also A1 s1 D A2 s2 oder auch  2 d1 s2 D s1 (12.8) d2

Diese Kraft versucht bei Kesseln und Rohren die Längsnaht in Umfangsrichtung aufzureißen. Ist s die Wanddicke

. Abb. 12.2 Beanspruchung einer Kessellängsnaht

m

p; zul N D Pa m2

Hydraulische Kraftübertragung

F1 D

D

! Hinweis

12.1.4.2

serf ; d

Die Anwendung des Druck-Fortpflanzungsgesetzes auf die in . Abb. 12.3 dargestellte hydraulische Presse ergibt ohne Reibung an den Dichtungsstellen die Druckkraft (Kolbenkraft)

Wanddruckkraft

F

dlp dp D 2 l zul 2 zul

. Abb. 12.3 Hydraulische Presse

UNSERE MISSION:

„WIR WOLLEN DEN ERFOLG UNSERER KUNDEN VORANTREIBEN.“

www.ahp.de

.

12

331 12.1  Hydrostatik

d) Kolbenweg  2 d1 s2 D s1 d2   20 mm 2 s2 D 30 mm D 0;153 mm 280 mm . Abb. 12.4 Druckübersetzung nach (12.9)

e) Hubarbeit Wa D F1 s1 D 2000 N  0;03 m D 60 Nm D 60 J f) Nutzarbeit Wn D F2 s2 D 317:520 N  0;153  103 m Wn D 48;58 Nm

. Abb. 12.5 Druckübersetzung nach (12.10)

g) Anzahl Pumpenhübe D

Die Druckübersetzung wird in der Anordnung nach den . Abb. 12.4 und 12.5: d2 p2 D p1 2 1 2 d1  d2  2 d1 p2 D p1 d2

(12.9) (12.10)

7 Beispiel An einer hydraulischen Presse werden die folgenden Werte gemessen (nach . Abb. 12.3): d1 D 20 mm, d2 D 280 mm, Dichtungshöhen h1 D 8 mm, h2 D 20 mm. Die Reibungszahl für die Lippendichtungen ist 0,12. Der Pumpenkolben wird über dem Pumpenhebel mit einer Kraft F 1 D 2000 N belastet. Sein Hub beträgt s1 D 30 mm. Zu berechnen sind: a) Pressen-Wirkungsgrad b) Presskraft F 2 c) Flüssigkeitsdruck p d) Weg s2 des Presskolbens je Hub des Pumpenkolbens e) aufgewendete Hubarbeit W a f) Nutzarbeit W n je Hub g) erforderliche Anzahl der Pumpenhübe für 28 mm Weg des Presskolbens Lösung: Zuerst wird der Wirkungsgrad  berechnet (12.7): a)  D

1 1C

4 h2 d2 4 h1 d1

D

1  4  0;12  1 C 4  0;12

20 280 8  20

12.1.6

28 mm D 183 9 0;153 mm

Druckverteilung durch die Gewichtskraft der Flüssigkeit

P Werden die Gleichgewichtsbedingungen Fy D 0 auf den „erstarrten“ Flüssigkeitskörper mit der Gewichtskraft F G in . Abb. 12.6 in Richtung seiner vertikalen Achse angewendet, so ergibt sich: X Fy D 0 D F1  FG C F2 Für F 1 D p1 A; F2 D p2 A; FG D mg D Vg D Ahg eingesetzt: F2 D F1 C FG p2 A D p1 A C Ahg p2 D p1 C hg

(12.11)

Liegt die Oberkante des gedachten Flüssigkeitskörpers in der Oberfläche der Flüssigkeit, ist dort der hydrostatische Druck p1 D 0 und damit der Druck p p D gh

N D Pa m2

 kg m3

D 0;81

damit kann die Presskraft F 2 bestimmt werden (12.6)  b) F2 D F1

d2 d1

2 

F2 D 2000 N 



280 mm 20 mm

2  0;81 D 317:520 N

c) Flüssigkeitsdruck pD

F2 4 317:520 N  4 N D 51;6  105 2 D 51;6 bar D 0;282 m2    m  d22

. Abb. 12.6 Druckhöhe oder Pressungshöhe

g m s2

h m

(12.12)

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

332

Der hydrostatische Druck infolge der Schwerkraft hängt demnach nur von der Niveauhöhe h (Flüssigkeitshöhe oder Pressungshöhe), der Fallbeschleunigung g und der Dichte  der Flüssigkeit ab. In gleicher Höhe h wirkt überall der gleiche Druck, also auch auf die Gefäßwand. Der Druck nimmt linear von der Oberfläche nach unten zu. Er steigt für jede Längeneinheit um den Betrag  g an. Gleichung (12.12) ergibt den Druck als Überdruck. Der absolute Druck schließt den auf der Oberfläche lastenden Druck pa (z. B. den umgebenden Atmosphärendruck) mit ein: pabs D gh C pa

(12.13)

7 Beispiel Wie groß ist der hydrostatische Druck einer Flüssigkeitssäule mit 1 mm Höhe für Wasser und Quecksilber? Lösung: Für Wasser beträgt die Dichte W D 1000 kg=m3 , für Quecksilber beträgt sie Q D 13:600 kg=m3 . Damit wird (mit g D 9;81 m=s2 gerechnet): kg m  9;81 2  103 m m3 s kg m N pW D 9;81 2 2 D 9;81 2 D 9;81 Pa s m m m kg pQ D Q g h D 13;6  103 3  9;81 2  103 m m s N pQ D 133;4 2 D 133;4 Pa 9 m pW D W g h D 103

12

12.1.7

12.1.7.1

Hydrostatische Kräfte gegen ebene Wände offener Gefäße Bodenkraft

Die Bodenkraft F b (. Abb. 12.7) ist abhängig von Dichte , der Druckhöhe h und der gedrückten Fläche A, dagegen unabhängig von der Gefäßform: Fb D g h A

12.1.7.2

Fb N

 kg m3

g m s2

h

A

m m2

(12.14)

Seitenkraft

Die Seitenkraft F s (. Abb. 12.8) gegen eine symmetrische Fläche A, die unter einem beliebigen Winkel ˛ zur Horizontalen geneigt ist, ist abhängig von der Dichte , dem . Abb. 12.7 Bodenkraft F b ist unabhängig von der Gefäßform

. Abb. 12.8 Seitenkraft F s und Druckmittelpunkt D

Abstand hS des Flächenschwerpunkts S vom Flüssigkeitsspiegel und der gedrückten Fläche A: Fs D  g hS A Fs D  g yS sin ˛ A hS D yS sin ˛

 kg m3

Fs N

g m s2

hS ; yS

A

m

m2 (12.15)

Die Seitenkraft F s auf eine ebene Fläche ist demnach ebenso groß, wie wenn der im Schwerpunkt S der Fläche wirkende hydrostatische Druck auf die Gesamtfläche A wirkte. F s ist unabhängig von der Neigung der Fläche. Der Angriffspunkt der Seitenkraft F s heißt Druckmittelpunkt D; er liegt immer um das Maß e tiefer als der Schwerpunkt S der gedrückten Fläche A. Der Abstand e wird berechnet aus eD

Flächenmoment 2. Grades der gedrückten Fläche, bezogen auf die Flächenschwerachse s–s Flächenmoment 1. Grades der gedrückten Fläche, bezogen auf die Achse x–x

eD

IS AyS

e

I

m m

A 4

m

2

yS m

(12.16)

yS Schwerpunktsabstand der gedrückten Fläche von der Achse x–x; bei lotrechten Flächen ist yS D hS . A gedrückte Fläche. Damit wird allgemein der Abstand yD des Druckmittelpunkts D von der Achse x–x: yD D yS C e D yS C

IS A yS

(12.17)

Der Abstand e wird für die Rechteckfläche eD

IS b h3 h2 D D A yS 12 b h yS 12 yS

(12.18)

Kreisfläche eD

IS   d 44 d2 D D A yS 64   d 2 yS 16 yS

(12.19)

333 12.1  Hydrostatik

7 Beispiel

7 Beispiel

Für die Ablassklappe eines Wasserbehälters nach . Abb. 12.8 ist ˛ D 50ı ; hS D 2;5 m; Rohrdurchmesser d D 500 mm. Zu berechnen sind Betrag und Angriffspunkt der auf die Klappe wirkenden Seitenkraft F s .

Ein Körper mit der Masse m D 25 kg hängt völlig in Wasser eingetaucht an einer hydrostatischen Waage. Die Waage steht im Gleichgewicht bei m1 D 22 kg. Wie groß sind Volumen V und Dichte  des Körpers?

Lösung:

Lösung: Auftrieb

Fs D  g h S A

Fa D FG  FG1 D mg  m1 g D g.m  m1 /

kg m    9;81 2  2;5 m  .0;5 m/2 D 4815 N m3 s 4 hS 2;5 m yS D D D 3;264 m sin ˛ sin 50ı

Fs D 103

eD

Volumen g .m  m1 / m  m1 Fa D D g g  3 kg 3 3 V D D 3  10 m D 3 dm3 1000 mkg3

V D

d2 0;52  m2 IS D D D 4;8 mm A yS 16yS 16  3;264 m

yD D yS C e D 3;264 m C 0;0048 m D 3;269 m 9

Dichte 25 kg m kg D D 8;333  103 3 V 3  103 m3 m kg  D 8333 3 9 m D

12.1.8

Auftrieb

Der Auftrieb F a ist die Resultierende der beiden rechtwinkligen Kräfte F 1 D p1 A und F 2 D p2 A nach . Abb. 12.6. Mit p1 D  gh1 und p2 D  gh2 wird der Auftrieb Fa D F2  F1 D Ag.h2  h1 / Da A.h2  h1 / D Volumen V v ist, wird der Auftrieb Fa D Vv g

Fa

Vv

N

m3

 kg m3

g m s2

(12.20)

scheinbare Gewichtskraft

. Abb. 12.9 Körper-und Verdrängungsschwerpunkt Sk , Sv

Ein dünner Holzstab mit der Länge l D 500 mm und der Dichte k D 600 kg=m3 wird lotrecht über die Wasseroberfläche gehalten und dann losgelassen. Wie weit taucht die obere Stirnfläche des Stabs unter den Wasserspiegel (x D Tauchtiefe), wenn von Reibungswiderständen abgesehen wird? Lösung: Der Energieerhaltungssatz ergibt: Energie am Ende des Vorgangs

V v ist das verdrängte Flüssigkeitsvolumen. Der Auftrieb ist immer rechtwinklig nach oben gerichtet und gleich der Gewichtskraft des durch den eingetauchten Körper verdrängten Flüssigkeitsvolumens. Der Auftrieb greift im Verdrängungsschwerpunkt Sv der verdrängten Flüssigkeitsmenge an (. Abb. 12.9). Das Gesetz gilt für ganz und teilweise eingetauchte Körper. Der in Flüssigkeit eingetauchte Körper verliert an Gewichtskraft genau soviel, wie die Gewichtskraft der von ihm verdrängten Flüssigkeit beträgt:

FGs D FG  Fa

7 Beispiel

(12.21)

0

am Anfang abgeführte D Energie ˙ zu- bzw.Arbeit des Vorgangs Fa l D FG .l C x/  2  Fa x

Mit F G D m g D Vk g und F a D Vw g wird daraus l 0 D Vk g l C Vk g x  Vw g  Vw g x 2

0;5 m  100 mkg3 l k  2w D D 0;125 m xD w  k 400 kg3 m

x D 125 mm 9

!Hinweis Die bis zum vollständigen Eintauchen des Stabes abgeführte Arbeit ergibt im Kraft-Weg-Diagramm eine Dreieckfläche und damit W 1 D Fa  l=2. Danach ist beim weiteren Eintauchen F a D konstant, also W 2 D Fa x.

12.1.9

Schwimmen

Wirken nur die Gewichtskraft F G und der Auftrieb F a auf einen in der Flüssigkeit liegenden Körper, sind drei Fälle möglich:

12

334

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

4 der Körper sinkt, wenn F a < FG ist, 4 er schwebt, d. h. er bleibt an jeder beliebigen Stelle innerhalb der Flüssigkeit, wenn F a D FG ist und 4 er schwimmt an der Oberfläche, wenn F a > FG ist. Bei Gleichgewicht taucht der Körper so weit auf, dass der Auftrieb gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit ist.

12.1.10

12

Gleichgewichtslagen schwimmender Körper

Eine stabile Schwimmlage zeigt . Abb. 12.10. Auftrieb F a und Gewichtskraft F G wirken längs der gemeinsamen Wirklinie W – der Körpermittellinie – in entgegengesetzter Richtung. Neigt sich der schwimmende Körper um den Winkel ', bleibt die Lage des Körperschwerpunkts Sk (Angriffspunkt von F G ) erhalten, jedoch wandert der Verdrängungsschwerpunkt Sv nach Sv0 (Angriffspunkt von F a ): F G und F a bilden ein Kräftepaar und damit das Wiederaufrichtmoment (Stabilität genannt). h ist der Hebelarm der statischen Stabilität. F a Auftrieb, in Sv angreifend; F G Gewichtskraft, in Sk angreifend; W Mittellinie des Körpers (Schwimmachse); Sv Verdrängungsschwerpunkte = Schwerpunkte der verdrängten Flüssigkeit; Sk Körperschwerpunkt; M Metazentrum D Schnittpunkt der Wirklinie des Auftriebs mit der Mittellinie W; MSk metazentrische Höhe D hm ; ' Neigungswinkel; h D MSk  sin ' D Hebelarm der statischen Stabilität. Wichtig ist das Metazentrum M, der Schnittpunkt der Körpermittellinie W mit der Wirklinie des Auftriebs. Liegt M über Sk , schwimmt der Körper stabil, andernfalls labil (. Abb. 12.11). Das Drehmoment aus Auftrieb und Gewicht unterstützt dann die Drehung des Körpers, bis er in die stabile Schwimmlage nach . Abb. 12.10 kommt. Die Strecke MSk heißt metazentrische Höhe hm . Ist I min das kleinste Flächenmoment 2. Grades der Schwimmfläche in Bezug auf die Drehachse durch den Schwerpunkt der Schwimmfläche, V das Volumen der ver-

. Abb. 12.10 Stabile Schwimmlage

. Abb. 12.11 Labile Schwimmlage

drängten Flüssigkeit, e die Strecke Sk Sv , so gilt für die metazentrische Höhe hm D

Imin e V

hm

Imin

m

4

m

V 3

m

e m

(12.22)

Die Stabilitätsbedingung lautet hm > 0

12.2 12.2.1

Imin >e V

(12.23)

Hydrodynamik Einführung

Strömungsvorgänge in Maschinen, Apparaten, Anlagen und in der Natur verlaufen in der Regel dreidimensional und viele davon auch instationär, d. h. zeitabhängig wie z. B. An- und Abfahrvorgänge von Maschinen. Es gibt genügend Strömungsvorgänge, bei denen zwei Geschwindigkeitskomponenten gegenüber der Hauptströmungsrichtung cx in erster Näherung vernachlässigt werden können, ohne nennenswerte Fehler zu begehen wie z. B. in Trinkwasserversorgungsrohrleitungen, in Pipelines oder in anderen Rohrleitungen für Fluide mit konstanter Dichte ( D konst.). Diese Strömungen nennt man stationär, eindimensional und inkompressibel. Ist die stationäre, eindimensionale Strömung kompressibel, wie z. B. in Gasrohrleitungen, Gasturbinen oder in Kompressoren, dann wird sie durch die Gesetze der Gasdynamik beschrieben. Alle Strömungsvorgänge verlaufen reibungsbehaftet, besonders in der Nähe angrenzender Wände mit der Wandhaftung. Sie werden als viskose Strömungen bezeichnet. Überwiegen die Trägheitskräfte und die äußeren Kräfte (Druckkräfte, Gewichtskraft und Zentrifugalkraft) gegenüber der Reibungskraft, wie z. B. bei Tragflügelumströmungen, kann die Strömung näherungsweise reibungsfrei behandelt werden, z. B. mit Hilfe der Potenzialtheorie. Diese stationären, eindimensionalen, inkompressiblen Strömungen sind Gegenstand der folgenden Abschnitte,

12

335 12.2  Hydrodynamik

in denen die drei Erhaltungssätze der Strömungsmechanik – Kontinuitätsgleichung, Bernoulligleichung und Impulsgleichung – behandelt werden. Analog dazu können die Erhaltungssätze für die instationäre dreidimensionale, kompressible und reibungsbehaftete Strömung formuliert werden, die zu den Navier-Stokes’schen-Gleichungen führen. Der mathematische Aufwand dafür ist infolge der beiden zusätzlichen Ortskoordinaten y und z sowie der freien Parameter Zeit t, Dichte  und Schubspannung  unvergleichlich höher [1–3]. 12.2.2

Stromlinie, Bahnlinie, Stromfaden und Stromröhre

Eine Stromlinie ist eine gerade oder gekrümmte Linie aus Fluidteilchen, die in jedem Punkt von ihren Geschwindigkeitsvektoren tangiert wird (. Abb. 12.12). Bei stationären Strömungen ist die Stromlinie eine ortsfeste Raumkurve, z. B. die Mittellinie bei der stationären Rohrströmung (. Abb. 12.13a). Sie ist dabei auch mit der Bahnlinie der einzelnen Teilchen identisch. Mehrere Stromlinien, die von einer geschlossenen Kurve umschlungen werden, nennt man eine Stromröhre. In ihr befinden sich die Stromlinien und auch der Stromfaden. Bei instationären, d. h. zeitabhängigen Strömungen, ändern die Stromlinien ihre räumliche Lage mit der Zeit und sie sind nicht mehr mit den Bahnlinien identisch (. Abb. 12.13b). Teile der Stromröhre mit den Querschnitten dA, in denen der Druck p und die Geschwindigkeit c als konstant angenommen werden können, stellen einen Stromfaden dar. Gerade Rohrströmungen mit p = konst. und c = konst. über dem Querschnitt A stellen ebenfalls einen Stromfaden dar.

Die Bahnlinien sind die Kurven, die von den Fluidteilchen x0 im Laufe der Zeit beschrieben werden. Die Streichlinien sind jene Kurven aus allen Fluidteilchen, die im Laufe der Zeit durch den selben Punkt x0 strömen. Sie können an umströmten Wänden sichtbar gemacht werden.

12.2.3

Kontinuitätsgleichung für die eindimensionale Strömung (Stromfadenströmung)

Die Kontinuitätsgleichung stellt den Massenerhaltungssatz für offene durchströmte Systeme dar. Sie besagt, dass der ausströmende Massenstrom m P 2 aus einem abgegrenzten System, entsprechend . Abb. 12.14, gleich dem einströmenden Massenstrom m P 1 sein muss. Es gilt: m P 1 D  VP1 D  c1 A1 D m P 2 D  VP2 D  c2 A2 (12.24) Für konstante Dichte  und für die konstanten mittleren Geschwindigkeiten c1 und c2 über den Querschnitten A1 und A2 sowie mit den kreisförmigen Diffusorquerschnitten A1 =   r21 und A2 =   r22 lautet die Gleichung für den Volumenstrom m P1 D VP1 D VP2 D c1 A1 D c2 A2 

Gleichung (12.25) sagt aus, dass bei einem Fluid konstanter Dichte  die Geschwindigkeiten umgekehrt proportional zu den Strömungsquerschnitten sind c1 =c2 D A2 =A1 . Die Geschwindigkeit im Diffusor wird also im Maß des Querschnittsverhältnisses A1 =A2 verzögert auf c2 D c1  A1 =A2 . Diese Verzögerung der Geschwindigkeit von c D c1  c2 D c1 .1  A1 =A2 / führt in verlustfreien Diffusoren zur Drucksteigerung. Der Einsatz von Diffusoren erfolgt z. B. in Wasserturbinen, Kompressoren und Rohrleitungen.

. Abb. 12.12 Stromröhre mit Stromfaden und Stromlinien

. Abb. 12.13 Stromlinie und Bahnlinie bei a stationärer Rohrströmung, b Laufradströmung im Absolutsystem

(12.25)

. Abb. 12.14 Diffusor mit Systemgrenzen

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

336

12.2.4

Bernoulligleichung

Die Bernoulligleichung formuliert den Energieerhaltungssatz für strömende Fluide in durchströmten Maschinen, Anlagen und Rohrleitungen mit folgenden spezifischen Energieanteilen: Spezifische Druckenergie p= Spezifische dynamische Energie c2 =2 Spezifische Energie des Höhenpotenzials g h. Sie kann aus dem Kräftegleichgewicht der an einem Fluidteilchen in Strömungsrichtung angreifenden Kräfte, das sich auf der Stromlinie bewegt, über die Euler’sche Bewegungsgleichung gewonnen werden. Bei Bewegung eines Fluidteilchens auf einer Stromlinie entsprechend . Abb. 12.15 greifen folgende Kräfte in der Bewegungsrichtung an: Trägheitskraft amD

dc m dt

Druckkraft A p Potenzialkraft aus dem Höhenpotenzial g m sin ˛  g m

12

dh : ds

Kräftegleichgewicht in Strömungsrichtung s lautet: a d m C A dp C g d m

dh D0 ds

(12.26)

Mit der Masse des Fluidteilchens dm =  dV =  A ds ergibt sich (12.27), wenn man beachtet, dass die Geschwindigkeit ds cD ist. dt dp C g dh D 0 (12.27) c dc C 

Gleichung (12.27) wird zu Ehren von Leonhard Euler als Euler’sche Bewegungsgleichung bezeichnet. Durch Integration von (12.27), die erstmals von Daniel Bernoulli vorgenommen wurde, erhält man die Bernoulligleichung. Die Konstante wird als Bernoulli’sche Konstante H bezeichnet. c2 p C Cgh D H 2 

(12.28)

Gleichung (12.28) besagt, dass die Summe der spezifischen Energieanteile auf einer Stromlinie eines durchströmten Bereichs immer konstant ist. Die Bernoulligleichung lautet für das diffusorförmig erweiterte Rohr in . Abb. 12.16 bei reibungsfreier Strömung c2 p1 p2 c12 C C g h1 D 2 C C g h2 2  2  p  g h H c m kg m Pa m m s m3 s 2

(12.29)

Sind fünf Parameter dieser Gleichung bekannt, kann der sechste Parameter bestimmt werden. Nimmt man die Kontinuitätsgleichung hinzu, lassen sich mit diesen beiden Gleichungen zwei unbekannte Größen eines Strömungsfeldes bestimmen. Damit können viele technische Aufgaben gelöst werden. Gleichung (12.29) wurde für die spezifischen Energien aufgeschrieben. Sie kann bei Bedarf durch Multiplikation mit der Dichte  als Druckgleichung (12.30) oder bei Division mit der Fallbeschleunigung g auch als Höhengleichung aufgeschrieben werden (12.31). In . Abb. 12.17 sind die variablen Höhenanteile der Bernoulligleichung für eine gekrümmte Düse graphisch dargestellt.  2  c C p1 C g  h1 D c22 C p2 C g  h2 2 1 2 c12 c2 p1 p2 C C h1 D 2 C C h2 2g g 2g g

(12.30) (12.31)

Wird die Bernoulligleichung (12.31) für einen offenen Behälter mit konstantem Flüssigkeitsspiegel und Ausfluss (. Abb. 12.18) aufgeschrieben, p erhält man die Ausflussgleichung von Torricelli c D 2gh.

. Abb. 12.15 Kräfte an einem Fluidelement dm in Strömungsrichtung

. Abb. 12.16 Diffusorförmiges Rohr mit Systemgrenzen

12

337 12.2  Hydrodynamik

12.2.5

Impulssatz

Der Impuls oder die Bewegungsgröße auf ein System beträgt I D c m D c V. Er kann beim Eintritt und beim Austritt aus einem begrenzten System entsprechend . Abb. 12.19 auftreten und übt eine Kraft auf das System aus, die mit den äußeren Kräften im Gleichgewicht steht. Die Impulskraft stellt die erste Ableitung des Impulses nach der Zeit für die stationäre Strömung dar. F D

I t

(12.32)

Die Impulskräfte am Ein- und Austritt der Systemgrenzen mit dem Volumenstrom VP D Ac betragen: F D  VP .c2  c1 / D  A c .c2  c1 / c A F  VP . Abb. 12.17 Graphische Darstellung der Höhenanteile der Bernoulligleichung

h=2,5 m

p b=100 kPa A2 2 c 2=0 Wasser ρ=10³ kg/m³

h 1=0,8 m c1

A1 d=40 mm 1

kg m3

N

m3 s

m s

(12.33)

m2

Diese Impulskräfte weisen in die positive x-Richtung und stehen mit den äußeren Kräften, insbesondere mit den Druckkräften im Gleichgewicht. Damit kann für das System der Spritzdüse gemäß . Abb. 12.19 geschrieben werden

pb

Zs2 P 2 c2 C p2 A2 C m P 1 c1 C p1 A1 D m

h pb

c1

. Abb. 12.18 Ausfließen aus einem offenen Behälter (h2 D h C h1 )

7 Beispiel Zu bestimmen ist die Ausflussgeschwindigkeit c1 aus einem offenen Behälter der Höhe h D 2;5 m und der Ausflussrohrlänge von h1 D 0;8 m bei konstantem Wasserspiegel mit c2  0 für A2 =A1 1;0. Rohrdurchmesser d D 40 mm, Dichte  D 1000 kg=m3 .

@m P ds @t

(12.34)

s1

Wird für den Massenstrom m P D  A c geschrieben und diese Beziehung in (12.34) eingeführt, erhält man die Impulsgleichung in der Form:  A1 c1 c1 C p1 A1 D  A2 c2 c2 C p2 A2 C Fw (12.35) Die beiden Geschwindigkeiten in (12.35) sind Vektoren und sie sind nur dann gleich groß, wenn beide normal auf der Grenzfläche am Ein- und Austritt von . Abb. 12.19 stehen. Das ist am Austritt 2 von . Abb. 12.20 und an der

Lösung: Aus der Bernoulligleichung (12.31) folgt:

Kontrollraum p1

p c12 D h2 ! c1 D 2 g h2 2g r m m c1 D 2  9;81 2  3;3 m D 8;046 s s

p2

A1

T1 ρ1 c1

T2 ρ2

A2

c2 F2

F1

Diese Gleichung stellt die Ausflussgleichung von Torricelli dar. Die Ausflussgeschwindigkeit ist gleich der Fallgeschwindigkeit einer Kugel nach der Fallhöhe h2 . Ausflussvolumenstrom: m   m3  0;042 m2 D 0;01 9 VP D c1 A1 D 8;046  s 4 s

1

x

2

. Abb. 12.19 Systemgrenzen einer Düsenströmung mit Impulskraft

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

338

1 c1, p1

A1

F1 y α

A2

2

x

0

. Abb. 12.22 Rohrleitung mit Düse

α F2

c2, p2

. Abb. 12.20 Darstellung des Impulses auf einen schräg geschnittenen Rohrkrümmer

geneigten Platte von . Abb. 12.21 nicht der Fall. Am Austritt 2 von . Abb. 12.20 beträgt die resultierende Kraft im angegebenen kartesischen Koordinatensystem Fy D  A2 c2 c2 cos ˛ C p2 A2 Fy N

 kg m3

A

c m s

m2

. Abb. 12.23 Flächennormalenvektor für den Kontrollraum des Impulses ist der normal auf der Fläche stehende Vektor

Impulskraft am Düsenaustritt:   p1 C c12 D pb C c22 2 2

p (12.36)

Pa

c1 d12 D c2 d22

FI D 

(12.37)

c

Kontrollraum

D

Lösung: 4  0;0172 ms VP m D D 3;42 2 2 A1

 0;08 m s 3

c1 D

Eintrittsimpulskraft, (12.33): P c1 D  A1 c12 Fx1 D m D Fx1 D 103

kg  0;08 m2  3;422  m3 4

m2 s2

D 58;79 N

P c2 D  A2 sin ˛ c22 D  A1 c22 Fy2 D m c

F

I

α α

1=2

Zu bestimmen ist die resultierende Impulskraft auf den Rohrbogen von d D 80 mm entsprechend . Abb. 12.20, wenn er von VP D 62 m3 =h Wasser mit  D 1000 kg=m3 reibungsfrei durchströmt wird, ˛ D 45ı .

Austrittsimpulskraft: c1 D c2 , (12.33)

d

= ρ Ac

2p1 Œ1  .d2 =d1 /4 

7 Beispiel

d2 d2 2 c cos ˛ D  c 2 cos ˛ 4 4

Die resultierende Kraft aus Impuls- und Druckkraft am Austritt von . Abb. 12.20 wirkt also in der positiven y-Richtung. Die Richtung der Impulskraft kann mathematisch mit Hilfe eines Einheitsflächenvektors ermittelt werden, der stets normal auf der Grenzfläche steht und nach außen gerichtet ist (. Abb. 12.22 und 12.23). Sie kann aber auch durch die Anschauung gewonnen werden. Ein Eintrittsimpuls versucht das betrachtete System stets in Strömungsrichtung zu bewegen. Der Austrittsimpuls aus einem System übt die Impulskraft entgegen der Strömungsrichtung auf das System aus.

· m



FI D FR D c2 VP D c2 m P

und an der Platte von . Abb. 12.21 beträgt die Impulskraft

12

c2 D

F

In

F

It

c . Abb. 12.21 Impulskraft eines Flüssigkeitsstrahls auf eine geneigte ebene Wand

Fy2

kg  0;082 m2 3;422 D 10 3 m 4 3

m2 s2

D 58;79 N

Größe und Richtung der resultierenden Kraft: F D

q 2 2 Fx1 C Fy2 D 83;14 N

tan ˛ D

Fy2 D 1 ! ˛ D 45ı 9 Fx1

12

339 12.2  Hydrodynamik

12.2.6

Eindimensionale inkompressible reibungsbehaftete Strömung

c2 A2

Systemgrenze

Die reibungsbehaftete Strömung wird auch Viskose- oder Zähigkeitsströmung genannt, weil dabei neben der Trägheitskraft a m, der Druckkraft p A und der Potenzialkraft m g sin a auch die Zähigkeitskraft F D A einwirkt, die sich aus der Schubspannung und der reibenden Fläche der Strömung A zusammensetzt. Die reibende Fläche ist die von der Strömung benetzte Fläche. Sie beträgt bei der Rohrströmung dA D U dx D  d.dx/ (. Abb. 12.24). Die Schubspannung  der reibenden Schicht ist der dynamischen Viskosität  und dem Geschwindigkeitsgradienten dc=dn proportional, der normal zur Hauptströmungsrichtung steht. Sie beträgt für Newton’sche Fluide z. B. für Luft, technische Gase, Wasser, Alkohol, bei denen keine Schubspannung im Ruhezustand auftritt (. Abb. 12.25)  D

dc dc D  dn dn

(12.38)

Die dynamische Viskosität in Pa s ergibt sich aus der Stoffdichte  und der kinematischen Viskosität  zu  D . In Nicht-Newton’schen Fluiden tritt auch im Ruhezustand die Schubspannung 0 auf, so dass die Schubspannung Nicht-Newton’scher Fluide beträgt:  D 0 C 

dc dc D 0 C   dn dn

(12.39)

h 1

0

c1

A1

L

. Abb. 12.26 Diffusorförmiger Rohrbogen

Die dynamische Viskosität  Newton’scher Fluide ist in der Regel temperaturabhängig, jedoch unabhängig vom Geschwindigkeitsgradienten (. Tab. 12.1). Die Schubspannung der vielen Nicht-Newton’schen Fluide, insbesondere der Bingham’schen Fluide beschreibt die Rheologie2 [4]. Wird die Reibungskraft Nicht-Newton’scher Fluide für ein Flächenelement dF D .0 C dc=dn/dA in die (12.26) für das Kräftegleichgewicht eingesetzt, erhält man nach der Integration die Bernoulli-Gleichung für die reibungsbehaftete Strömung c2 p C CghC 2 

c

d

τ

c dn n

τ 1

dx

L

dc

2

x . Abb. 12.24 Reibungsbehaftete Rohrströmung

2



0 dc C  dn



L DH rh

(12.40)

Darin stellt 0 = die spezifische Reibungsenergie dar. Sie wird auch als das Quadrat der Schubspannungsgeschwindigkeit bezeichnet. A=U ist der hydraulische Radius rh D A=U mit dem Strömungsquerschnitt A und dem benetzten Umfang U. Für die gekrümmte Rohrleitung gemäß . Abb. 12.26 lautet die Bernoulligleichung für die viskose Strömung in den Grenzen 1 und 2 für ein Newton’sches Fluid mit 0 D 0  dc L1 p1 c12 D C C g h1 C 2   d n rh  dc L2 c2 p2 D 2 C C gh2 C 2   d n rh

(12.41)

Da nach . Abb. 12.26 h1 D 0 und L1 D 0 sind, lautet die Gleichung: c12  dc L2 p1 c2 p2 C D 2 C C gh2 C 2  2   d n rh

(12.42)

Der Druckverlust pv tritt erst im Verlauf der Strömung auf. Er wird in spezifische Dissipationsenergie gewandelt . Abb. 12.25 Schubspannung und dynamische Viskosität Newton’scher Fluide und Schubspannung Nicht-Newton’scher Fluide

2

Rheologie, griechisch, Lehre von den Fließeigenschaften der Stoffe

340

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

. Tabelle 12.1 Dynamische und kinematische Viskosität von Wasser und von Luft in Abhängigkeit der Temperatur bei p0 D 101;25 kPa ı

H2 O 4

C

0

10

20

30

40

50

60

80

100

  10

Pa s

17,92

13,07

10,02

8,05

6,53

5,45

4,66

3,55

2,82

  106

m2 =s

1,79

1,305

1,004

0,81

0,658

0,56

0,477

0,365

0,295

Luft

ı

C

20

0

20

40

60

80

100

200

500

4

Pa s

16,24

17,16

18,12

18,93

20,03

20,9

21,95

26,11

38,0

6

2

11,6

13,3

15,1

16,9

18,9

20,9

23,1

35,0

96,7

  10

  10

m =s

Δp p

V

p

1

2

c1

c2

p1

p

T1

T2

2

2

1 x

L2

. Abb. 12.28 Druckabfall bei reibungsbehafteter Rohrströmung

12

. Abb. 12.27 Hydraulischer Durchmesser dh verschiedener geometrischer Strömungsquerschnitte

und erhöht die innere Energie des Fluids du D cv dT. Die geringe Temperaturerhöhung dT durch die Dissipationsenergie kann bei genauer Temperaturmessung trotz der großen spezifischen Wärmekapazität der Fluide experimentell nachgewiesen werden. Dieses Verfahren der Temperaturmessung wird zur Wirkungsgradbestimmung von großen Wasserturbinen genutzt. Mit Rücksicht darauf, dass der hydraulische Durchmesser für den kreisförmigen Rohrquerschnitt gleich dem geometrischen Rohrinnendurchmesser sein soll, wird der hydraulische Durchmesser folgendermaßen definiert: dh D 4

A U

dh m

A m

2

U m

Dieser Reibungsdruckverlust führt bei Erdölpipelines dazu, dass der in der Pumpstation aufgebaute Druck von p D 80 bar nach dem Strömungsweg in der Rohrleitung von L D 80 bis 100 km durch Reibung aufgebraucht ist und eine nächste Pumpstation installiert werden muss (. Abb. 12.29). Gleiches gilt für Gaspipelines, die ebenfalls mit statischen Drücken von ca. p D 80 bar betrieben werden und für Trinkwasserversorgungsleitungen, die Betriebsdrücke von p D 350 bis 700 kPa Überdruck besitzen. Die reibungsbehaftete Rohrströmung entsprechend . Abb. 12.24 kann bei Beachtung der Haftbedingung c D 0 an der Rohrwand mit Hilfe der Eulergleichung berechnet werden. Die Euler’sche Bewegungsgleichung für die reibungsbehaftete Strömung mit der spezifischen Reibungsenergie d D 



c2 2

 

dx d



(12.43)

In . Abb. 12.27 sind die hydraulischen Durchmesser einiger geometrischer Strömungsquerschnitte angegeben. 12.2.6.1

Reibungsbehaftete Rohrströmung

Bei der reibungsbehafteten Rohrströmung wird die spezifische Reibungsenergie / aus der spezifischen Druckenergie p= gedeckt. Dadurch sinkt entsprechend . Abb. 12.28 der statische Druck in der Rohrleitung, was durch zwei Druckmessrohre in der Rohrleitung experimentell angezeigt werden kann.

. Abb. 12.29 Pumpenkennlinie mit variablen Rohrkennlinien

12

341 12.2  Hydrodynamik

lautet: dp d c dc C C g dh C D0   c 2 dx dp C g dh C  D0 c dc C  2 d

r

ra

(12.44)

c max

x

(12.45) cm

Daraus erhält man die Bernoulligleichung für die reibungsbehaftete Strömung. c12 p1 c 2 p2 c 2 L2 C C gh1 D 2 C C gh2 C  2  2  2 d

(12.46)

Das Kräftegleichgewicht auf das Fluidteilchen der Länge dx in Strömungsrichtung von . Abb. 12.24 lautet: A dp  2 r  dx D 0

(12.47)

Mit der Querschnittsfläche A D  r2 und der Schubspannung  D  dc=dn D  dc=dr ergibt sich nach Umformung die (12.48) dp r dr  2  dc D 0 dx

(12.48)

Daraus erhält man die Geschwindigkeitsverteilung im Rohrquerschnitt: "

1 dp 2 cD r 1 4  dx a



r ra

2 # (12.49)

Das ist die Gleichung eines Rotationsparaboloids. Die Geschwindigkeitsverteilung im Rohr verläuft also paraboloidförmig und sie erreicht bei r D 0 ihren Maximalwert cmax von cmax D

ra2

dp 4  dx

(12.50)

Bezieht man die Lösung in (12.49) auf cmax , so erhält man die paraboloide Geschwindigkeitsverteilung im Rohrquerschnitt zu c cmax

 D1

r ra

cmax 2

Damit kann der Druckverlust dp der Rohrströmung berechnet werden zu dp D

4 cmax dx ra2

(12.53)

Mit Hilfe dieser Gleichung kann auch der Durchflussvolumenstrom VP durch die Rohrleitung berechnet werden. Der Volumenstrom beträgt   ra4 dp VP D 8 dx

(12.54)

Mit (12.52) für die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich der Volumenstrom VP zu VP m3 s

VP D   ra2 cm D A cm

ra

cm m m s

A m2

(12.55)

Die mittlere Geschwindigkeit cm ist gleich der halben Maximalgeschwindigkeit cmax =2 für die laminare Strömung. Aus (12.47) kann schließlich auch die Schubspannung  an der Rohrwand für konstanten Druck bestimmt werden zu D

A dp r dp D 2   r dx 2 dx

(12.56)

An der Rohrwand bei r D ra beträgt die Wandschubspannung W D

ra dp cm D 4 2 dx ra

(12.57)

Der Druckverlust in der Rohrleitung beträgt somit

2 (12.51)

Gleichung (12.51) zeigt, dass die Geschwindigkeit an der Rohrwand bei r D ra c D 0 ist (. Abb. 12.30). Die mittlere Geschwindigkeit cm beträgt cm D

. Abb. 12.30 Geschwindigkeitsprofil der laminaren Rohrströmung

(12.52)

Diese Gleichungen wurden vom Baurat Hagen 1838 in Berlin abgeleitet und zwei Jahre danach auch von Poiseuille berechnet und 1840 veröffentlicht. Deshalb nennt man diese Gleichungen das Hagen-Poiseuille’sche Gesetz.

p D 12.2.6.2

2 dc 2 L D L ra ra dr

(12.58)

Rohrreibungsbeiwert, Druckverlustbeiwert und Strömungsformen in Rohrleitungen

Der Rohrreibungsbeiwert  stellt den auf den Staudruck der Strömung c2 =2 und auf das Längenverhältnis l=d bezogenen Druckverlust p dar D

p l  2 c d 2



p

l

1

Pa

m m

d

 kg m3

c m s

(12.59)

342

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

Laminare Strömung

Turbulente Strömung

Turbulenz . Abb. 12.32 Übergang der laminaren in die turbulente Strömungsform

. Abb. 12.31 Darstellung laminarer und turbulenter Strömung in einem Rohr mittels Farbstoffsonden nach [21]

12

Der Rohrreibungsbeiwert  ist von einer großen Zahl von Parametern abhängig,  D f (Geschwindigkeit c, Rohrdurchmesser d, Oberflächenrauigkeit k, kinematische Viskosität des Fluides ). Die Einschränkung der Zahl der Einflussgrößen gelingt mit der Reynoldszahl Re und mit der auf den Rohrdurchmesser bezogenen relativen Oberflächenrauigkeit k=d  D f .Re; k=d /

(12.60)

In Abhängigkeit der Reynoldszahl Re, d. h. in Abhängigkeit der in der Strömung wirkenden Trägheits- und Zähigkeitskräfte tritt in Rohrleitungen eine laminare (geschichtete) Strömung oder eine turbulente (ungeordnete) Strömung auf. Bei kleinen Reynoldszahlen von Re D 100 bis ca. 2320 überwiegt der Einfluss der Zähigkeitskräfte   A gegenüber der Trägheitskraft m  a und die Fluidteilchen strömen auf geschichteten Bahnen ohne merkliche Querbewegung rechtwinklig zur Hauptströmungsrichtung. Führt man in eine laminare Rohrströmung eine Farbstoffsonde entsprechend . Abb. 12.31 ein, bleibt die Farbstoffstromlinie nach Austritt aus der Sonde in der Schichtform erhalten. Führt man diese Farbstoffsonde in eine turbulente Rohrströmung mit Reynoldszahlen von Re > 2320 bis 5  107 ein, bei der infolge großer Geschwindigkeiten und geringer kinematischer Viskosität die Trägheitskräfte gegenüber der Zähigkeitskraft überwiegen, dann treten in der turbulenten Strömung starke Querbewegungen zur Hauptströmungsrichtung auf, die den Farbstofffaden nach Verlassen der Sonde in die Querbewegung führen. Praktisch tritt dabei nach kurzer Zeit eine intensive Durchmischung des Farbstoffes im gesamten Strömungsquerschnitt ein. Der Übergang der laminaren in die turbulente Rohrströmung erfolgt bei der kritischen Reynoldszahl von Rekrit D 2320. Es ist aber kein plötzlich einsetzender

Vorgang, sondern der Übergang stellt ein Stabilitätsproblem dar, das von mehreren Einflussgrößen und Störungen abhängig ist. So entstehen zunächst einzelne Turbulenzflecken an der Rohrwand, die von der Strömungsgeschwindigkeit weggeschwemmt werden (. Abb. 12.32). Erst wenn die an den Störstellen entstehenden Turbulenzflecken so dicht und stabil sind, dass sie nicht mehr von der Grundströmung mitgenommen werden können, ist der turbulente Strömungsübergang vollzogen. Damit erklärt sich auch das Übergangsgebiet von der laminaren zur turbulenten Strömung in den Nikuradse- und Colebrook-Diagrammen. Dieses Stabilitätsproblem des Strömungsüberganges erklärt auch, weshalb der Übergang der laminaren in die turbulente Strömungsform an umströmten ebenen Platten und sehr schlanken Profilen erst bei Reynoldszahlen von Re D 4  105 bis 106 erfolgt. 12.2.6.3

Ermittlung des Rohrreibungsbeiwertes 

Bei laminarer Strömung nimmt die Rohrrauigkeit keinen Einfluss auf den Rohrreibungsbeiwert. Er beträgt für kreisrunde Rohre D

64 Re

(12.61)

Weicht der Strömungsquerschnitt stark von der Kreisform ab, wie z. B. beim Kreisringquerschnitt mit da und di oder bei elliptischen Querschnitten mit der Breite b und der Höhe h oder beim Rechteckquerschnitt, dann ist die Wandschubspannung am Umfang nicht mehr konstant und der Rohrreibungswert ändert sich gemäß . Tab. 12.2 mit  D C 64=Re. Für den Bereich der turbulenten Strömung gibt es Berechnungsgleichungen für die verschiedenen Bereiche. Die Grenzlinie für die hydraulisch glatte Wand wird durch das Blasiusgesetz für den Reynoldszahlenbereich von Re D 2320 bis 105 beschrieben (. Abb. 12.33). D

0;3164 Re1=4

(12.62)

Die Gleichung von Nikuradse ist für Reynoldszahlen von Re D 105 bis 108 gültig. Sie lautet  D 0;0032 C

0;221 Re0;237

(12.63)

12

343 12.2  Hydrodynamik

. Tabelle 12.2 Korrekturbeiwerte C für den Rohrreibungsbeiwert bei laminarer Strömung in Rohrleitungen mit nicht kreisförmigem Querschnitt di da

h b h b

da =di

1

2

5

10

20

50

100

C

1,50

1,49

1,45

1,40

1,35

1,28

1,25

h=b

0,05

0,1

0,2

0,3

0,5

0,8

1,0

C

1,41

1,34

1,20

1,10

0,97

0,90

0,88

h=b

0,05

0,1

0,2

0,3

0,5

0,8

1,0

C

1,22

1,20

1,16

1,11

1,05

1,01

1,0

λ

ausgebildete

0,10

Rauhigkeitsströmung Re=f(d/k) λ= 64 Re

hydraulisch glatt d 0,3164 →∞, λ= k Re 0,25

laminar Übergang 0,01 0,006

10 2

laminar- turbulent turbulent 3

10 Rekr 10 4

10 5

10 6

10 7

Re

. Abb. 12.33 Nikuradse-Diagramm für Rohrreibungsbeiwerte

Zwei Kurven von Nikuradse sind im Colebrook-Diagramm (. Abb. 12.34) zum Vergleich angegeben. Die implizite Gleichung von L. Prandtl und von Th. v. Kármán sind für den gesamten turbulenten Bereich gültig von Re  2320. 1 D

2 p 2 lg Re =2;51

(12.64)

Für den Übergangsbereich von der glatten zur rauen Rohrwand kann die implizite (12.65) von Colebrook benutzt werden  D f.Re; k=d/. 1 D p

2 2;0 lg 2;51=Re  C 0;27 k=d

(12.65)

Für die ausgebildete Rauigkeitsströmung im Rohr, bei der die Rauigkeitserhebungen der Wand die Grenzschichtdicke durchstoßen gilt (12.66)  D f.d=k/, die nur von der relativen Wandrauigkeit abhängig ist. 1 D

2 2;0 lg 0;27 k=d

(12.66)

Die ausgebildete Rauigkeitsströmung beginnt rechts von der Grenzkurve im Colebrook-Diagramm (. Abb. 12.34), die durch folgende Beziehung angegeben werden kann:    k d 1;138  2;0 lg (12.67) ReG D 198 k d

Diese Grenzlinie für den Beginn der ausgebildeten Rauigkeitsströmung ist im Colebrook-Diagramm als strichpunktierte Linie (. Abb. 12.34) enthalten. Mit Rücksicht auf die Größe der Zahlenwerte der relativen Rauigkeit wird oft der Kehrwert d=k angegeben. Als hydraulisch glatt gilt eine gezogene, geschliffene oder polierte Oberfläche, wenn die geringen Rauigkeitserhebungen die laminare Unterschicht der Grenzschicht nicht durchstoßen und somit die Grenzschichtströmung nicht beeinflussen. Nikuradse (1894–1979, [5]) hat 1931 erstmals die Rohrreibungsbeiwerte von Rohren mit Sandrauigkeit in Danzig ausgemessen und in dem nach ihm benannten Nikuradse-Diagramm  D f.Re; d=k/ dargestellt. Nachfolgend hat Colebrook ein gleiches Diagramm mit experimentell bestimmten Rohrreibungsbeiwerten veröffentlicht. . Abb. 12.33 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Nikuradse-Diagramms und aus . Abb. 12.34 können die Rohrreibungsbeiwerte  D f.Re; d=k/ entnommen werden. Im Übergangsgebiet der laminaren in die turbulente Strömung zwischen Re D Rekrit bis zur Grenzlinie in . Abb. 12.34 ist der Rohrreibungsbeiwert stets eine Funktion der Reynoldszahl und der relativen Wandrauigkeit  D f.Re; d=k/ (. Abb. 12.33 und 12.34). Erst wenn die Rauigkeitserhebungen der umströmten Oberfläche so groß werden, dass sie die laminare Unterschicht durchstoßen und die Grenzschichtströmung beeinflussen, setzt die ausgebildete Rauigkeitsströmung ein (. Abb. 12.34) und der Rohrreibungsbeiwert ist nur noch eine Funktion der relativen Oberflächenrauigkeit  D f.d=k/, aber unabhängig von der Reynoldszahl. Die mittleren Geschwindigkeiten in Rohrleitungen sind stoffabhängig und sie sollen betragen: Flüssigkeiten c D 0;5: : :3;2 m=s Flüssigkeits-Feststoffgemische c D 0;4: : :2;0 m=s Luft und technische Gase c D 15: : :40 m=s In . Abb. 12.35 sind neun Beispiele technischer Rauigkeiten mit den Rauigkeitstiefen und die Sandrauigkeit dargestellt. Die technischen Oberflächenrauigkeiten von Rohren sind im Neuzustand mit k D 0;0012 mm sehr ge-

344

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

. Abb. 12.34 Colebrook-Diagramm zur Bestimmung der Rohrreibungsbeiwerte 

12

12.2.6.4

Druckverlustbeiwerte

In Rohrbögen, Rohrverzweigungen, Ventilen, Schiebern und anderen Armaturen treten neben den Wandreibungsverlusten auch Umlenkverluste und Sekundärströmungsverluste auf, die nicht vom Rohrreibungsbeiwert  erfasst werden. Deshalb werden für diese Bauelemente die experimentell bestimmten Druckverlustbeiwerte  angegeben. Der Druckverlustbeiwert stellt den Druckverlust pv bezogen auf den Staudruck der charakteristischen Geschwindigkeit c2 =2 dar. . Abb. 12.35 Beispiele technischer Oberflächenrauigkeiten

ring, sie können nach längerem Gebrauch durch Abrasion und Verkrustungen aber Werte bis k D 4;0 mm erreichen (. Tab. 12.3). Die von Nikuradse angegebenen Rohrreibungsbeiwerte  wurden für Sandrauhigkeiten ermittelt. Der Rohrreibungsbeiwert für eine wasserdurchströmte Rohrleitung mit dem Innendurchmesser di D 50 mm, der Oberflächenrauigkeit von k D 0;1 mm, der mittleren Strömungsgeschwindigkeit von c D 3 m=s und der kinematischen Viskosität von Wasser  D 106 m2 =s beträgt mit der Reynoldszahl Re D dc= D 1;5  105 ;  D f.Re; d=k D 500/ D 0;0246.

D

pV  2 c 2

(12.68)

Für Rohrleitungen beträgt der Druckverlustbeiwert  D  L=d. In . Abb. 12.36, 12.37 und 12.38 sind die Druckverlustbeiwerte von Rohrbögen und von Rohrverzweigungen bei Fluidstromtrennung und Fluidzusammenführung und von weiteren Rohrleitungselementen dargestellt. Weitere Werte findet man z. B. bei Wagner [6]. 7 Beispiel Für die Saugleitung der NW 120 einer Pumpenanlage mit der geodätischen Saughöhe h1 D 6;5 m und einem Rohrbogen R=d D 2;5, mit dem Druckverlustbeiwert  D 0;26 und

12

345 12.2  Hydrodynamik

0,5

. Tabelle 12.3 Rauigkeitswerte k von Rohren Rohrwerkstoff

Zustand der Rohrwand

Rauigkeit k in mm

gezogene Rohre aus Metall (Cu, Messing, Bronze, Leichtmetall), Glas oder Plexiglas

neu, technisch glatt

0,0012 bis 0,0015

Gummidruckschlauch

neu, unversprödet

0,0016

nahtlose Stahlrohre

Walzhaut

0,02 bis 0,06

gebeizt, neu

0,03 bis 0,04

verzinkt

0,07 bis 0,16

Walzhaut

0,04 bis 0,1

bituminiert, neu

0,01 bis 0,05

galvanisiert

0,008

verrostet oder leicht verkrustet

0,15 bis 0,2

stark verkrustet

bis 3,0

neu mit Gusshaut

0,2 bis 0,6

neu bituminiert

0,1 bis 0,13

leicht angerostet

0,5 bis 1,5

verkrustet

bis 4,0

Asbestzementrohre

neu

0,03 bis 0,1

Drainagerohre aus gebranntem Ton

neu

0,07

Betonrohre

neu mit Glattstrich

0,3 bis 0,8

längsgeschweißte Stahlrohre

benützte Stahlrohre

gusseiserne Rohre

ζ

c

d

α

R

0,4

0,3

α 90° rauh

0,2

90° glatt 0,1 45° 30° 15° 0 0

1

2

3

4

5

6

7

8R9

10

d . Abb. 12.36 Druckverlustbeiwert von Rohrkrümmern mit kreisförmigem Querschnitt

Rohrreibungsbeiwert aus Colebrook-Diagramm:   d  D f Re; D 0;022 k aus Colebrook-Diagramm, . Abb. 12.32 Druckverlust im Saugrohr:    l c2 pV D  d 2

neuer Stahlbeton

0,1 bis 0,15

pV D 0;022  54;1  2;9442

Schleuderbeton, neu

0,2 bis 0,8

pV D 5157;8 Pa

m2 1000  s2 2

kg m3

Druckverlust im Rohrbogen: der Rohrrauigkeit k D 0;1 mm für ein neues gezogenes Stahlrohr ist für den Wasservolumenstrom von VP D 120 m3 =h,  D 1000 kg=m3 und  D 106 m2 =s der Pumpe für die reibungsbehaftete Strömung entsprechend . Abb. 12.39 der absolute statische Druck vor der Pumpe zu berechnen. Geschwindigkeit: 4  0;0333 s 4 VP m VP D D D 2;944 A

d 2

 0;122 m2 s m3

cD

Reynoldszahl: Re D

2;944 ms  0;12 m cd D D 353:280 2  106 ms

 m2 1000 D 0;26  2;9442 2  2 s 2 D 1126;73 Pa

pVR D c 2 pVR

kg m3

Gesamtdruckverlust: X X

pV D pV C pVR D 5157;8 Pa C 1126;73 Pa pV D 6284;53 Pa Mit Bernoulligleichung (12.28)

p2 D p1  g  h 1 

 c2 X  pV D 25;62 kPa 2

p2 > pt D 2;46 kPa Dampfbildungsdruck für Wasser bei t D 20 ı C 9

346

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

a Kreisbogenkrümmer ˛ R=d D 1 2 4 6 10

glatt 15° 0,03 0,03 0,03 0,03 0,03

22,5° 0,04 0,04 0,04 0,04 0,04

45° 0,14 0,09 0,08 0,07 0,07

60° 0,19 0,12 0,10 0,09 0,07

90° 0,21 0,14 0,11 0,09 0,11

rau 90° 0,51 0,3 0,23 0,18 0,20

15° 1

22,5° 1

30° 2

45° 2

60° 3

90° 3

0,06

0,08

0,1

0,15

0,2

0,25

b) Segmentkrümmer ˛ Anzahl der Rundnähte

c) Faltenrohrbogen 90°

d) Zusammengesetzte Krümmer aus 2 90°

D 0;40

180

D2

RK

D3

DK

D4

e) Gusskrümmer NW

50 1,3

ı glatt rau

22,5° 0,07 0,11

l=d glatt rau

0,71 0,51 0,51

l=d glatt rau

1,23 0,16 0,30

l=d glatt rau

1,76 . . . 6,0 0,15 . . . 0,2 0,3 . . . 0,4

100 1,5

200 1,8

300 2,1

400 2,1

500 2,2

12

f) Kniestücke 30° 0,11 0,17

45° 0,24 0,32

60° 0,47 0,88

90° 1,13 1,27

g) Kniestücke 0,943 0,35 0,41

1,174 0,33 0,38

1,42 0,28 0,38

1,86 0,29 0,39

2,56 0,36 0,43

h) Kniestücke

i) Kniestücke

. Abb. 12.37 Druckverlustbeiwerte  von Formstücken und Rohrbögen

1,67 0,16 0,28

2,37 0,14 0,26

3,77 0,16 0,24

6,25 0,40 0,45

12

347 12.2  Hydrodynamik

T-Stücke (Stromtrennung)

scharfkantig

abgerundet mit geradem Boden

D 1;2 Abzweigstücke Die -Werte beziehen sich auf den Querschnitt vor der Trennung bzw. Vereinigung VP D Gesamtvolumenstrom VP a D ab- bzw. zufließender Volumenstrom d D Widerstand im Hauptrohr a D Widerstand im Abzweigrohr Minuszeichen bedeutet Druckgewinn

D 0;87

Trennung

VP a =VP 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

kugelförmig mit nach innen abgerundetem Hals D 0;73

Vereinigung

a 0,95 0,88 0,89 0,95 1,10 1,28

d 0,04 0;08 0;05 0,07 0,21 0,35

a 0,90 0,88 0,50 0,38 0,35 0,48

d 0,04 0;06 0;04 0,07 0,20 0,33

a 1;2 0;4 0,08 0,47 0,72 0,91

d 0,04 0,17 0,30 0,41 0,51 0,60

d 0,04 0,17 0,19 0,09 0;17 0;54

Ausgleichsstücke

Zusammengesetzte Leitungsstücke

Wellrohrausgleicher D 0;2 D 2;0. . . 2,5

a 0;92 0;38 0,00 0,22 0,37 0,37

D3

D 4. . . 5

Plattrohr-Lyrabogen D 0;7 Faltenrohr-Lyrabogen D 1;4

Absperrschieber mit Reduzierstücken in Abhängigkeit vom Durchmesserverhältnis und vom Reduzierwinkel ˇ

Druckverlustbeiwerte für Normdüsen und Normblenden in Abhängigkeit des Öffnungsverhältnisses

d=D 0,32 .d=D/2 0,1 Normdüse 17 Normblende 249

0,39 0,15

0,45 0,2

0,50 0,25

0,55 0,3

0,63 0,4

0,71 0,5

7

3

2

1

0,5

0,3

102

53

31

19

9

4

Drosselgeräte in Abhängigkeit des Öffnungsverhältnisses p0 D Wirkdruck .d=D/2 .p1 p2

. Abb. 12.38 Druckverlustbeiwerte  von Rohrverzweigungen und Drosselgeräten

p0

0,05 0,90 360

0,1 0,81 81

0,2 0,65 16,3

0,3 0,52 5,8

0,4 0,42 2,6

0,5 0,33 1,3

0,6 0,27 0,75

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

348

Die Maximalgeschwindigkeit in der Mitte des Spaltes bei y D 0 beträgt cmax D 

h2 dp 2 dx

(12.71)

In der folgenden Lösung ist die Hagenzahl enthalten. Für einen ebenen Spalt der Breite b kann durch Integration der Geschwindigkeit c.y/ über die Spalthöhe der Volumenstrom bestimmt werden. VP D 2 b h cm . Abb. 12.39 Saugrohrleitung einer Pumpenanlage

12

Das Verhältnis der mittleren cm zur maximalen Geschwindigkeit cmax im Spalt beträgt cm =cmax D 2=3. Der Volumenstrom weicht somit von dem Geschwindigkeitsverhältnis in Rohrleitungen mit Kreisquerschnitt cm =cmax D 1=2 ab. Der Druckabfall im ebenen Spalt beträgt damit

Strömung im ebenen Spalt mit geringer Reynoldszahl; Couette-Strömung

12.2.6.5

In Fluiden mit hoher kinematischer Viskosität mit Werten von   50  106 m2 =s oder in strömenden Wasserfilmschichten geringer Dicke von s D 0;1 bis 1,0 mm und geringer Geschwindigkeit mit der kinematischen Viskosität des Fluids von  D 106 m2 =s dominiert die Zähigkeitskraft gegenüber der Trägheitskraft (a m) und sie strömen infolgedessen bei geringen Reynoldszahlen von Re D 1 bis 6. Deshalb kann der Term cıc=ıs in der Euler’schen Bewegungsgleichung vernachlässigt werden. Man nennt diese geschichtete Strömung deshalb auch eine „schleichende Strömung“. Unter Vernachlässigung der spezifischen Gravitationskraft g dh lautet die Bewegungsgleichung für die stationäre Strömung zwischen zwei ebenen Platten mit dem Zähigkeitseinfluss ı 2 c=ıy2 

ı 2 c ıp  D0 ıy 2 ıx

(12.72)

dp p12 3  cm  D 2 dx L h

(12.73)

Die Bewegungsgleichung (12.69) ist auch für ebene Spalte mit einer ruhenden und einer bewegten Wand entsprechend . Abb. 12.41 gültig, nur ändern sich dafür die Randbedingungen c.h/ D 0 und c.h/ D c0 . Für diese Randbedingungen lautet die Lösung von (12.69):   y 2  h2 dp c0 c .y/ D  1 .h C y/ (12.74) C 2 dx h 2h dp D konst. mit dx

(12.69)

Gleichung (12.69) beschreibt das Gleichgewicht zwischen der Zähigkeits- und Druckkraft der Strömung, wobei die Druckkraft an der Stelle x im Spalt konstant ist und nur von der x-Koordinate abhängt p(x) (. Abb. 12.40). Aus der (12.69) erhält man den Verlauf des Geschwindigkeitsprofils im Spalt zu:   y 2  h2 dp 1 c .y/ D  2 dx h

y h

(12.70)

c=0

p1 c1(y)

c(y)

p2 c2(y)=c 1(y)

2h

x -h c=0

1

L

x

. Abb. 12.40 Laminare Spaltströmung

2

. Abb. 12.41 Geschwindigkeitsprofile und Schubspannung  einer Spaltströmung zwischen ruhender und bewegter Wand mit Druckabfall und Druckanstieg

12

349 12.2  Hydrodynamik

. Abb. 12.42 Geschwindigkeitsprofil und Druckverteilung im geneigten Axiallagerspalt

. Abb. 12.43 Tragzahl 102 ph20 =um b und Reibungskennzahl Œpb=um 1=2 in Abhängigkeit von L=b nach Drescher [9]

Für konstanten Druck im Spalt p.x/ D konstant, dp=dx D 0 stellt sich eine Scherströmung mit linearer Geschwindigkeitsverteilung c.y/ ein (. Abb. 12.41).

. Abb. 12.43 zeigt die dimensionslose Belastungskennzahl:

c0 .h C y/ c .y/ D 2h

dp für D0 dx

(12.75)

Gleichung (12.74) zeigt, dass sich das Geschwindigkeitsprofil im ebenen Spalt mit einer ruhenden und einer bewegten Wand aus der Überlagerung der durch einen Druckgradienten dp=dx hervorgerufenen Geschwindigkeit und der Geschwindigkeit der Schleppströmung der bewegten Wand zusammensetzt. In . Abb. 12.41 sind vier Geschwindigkeitsprofile mit verschieden großen negativen und positiven Druckgradienten dp=dx dargestellt. Die . Abb. 12.41 zeigt auch, dass bei großen Druckgradienten in der Nähe der ruhenden Wand Rückströmungen auftreten können, während die Zähigkeitsströmung an der bewegten Wand das Fluid in positiver Richtung gegen den Druckanstieg bewegt. In keilförmigen Spalten mit einer bewegten Wand stellt sich ein anderer Druck- und Geschwindigkeitsverlauf ein. Wird die bewegte Wand in einem Winkel entgegen der Strömungsrichtung angestellt, erhält man daraus Strömungsverhältnisse wie in hydrodynamischen Gleitlagern und es gilt die Lagertheorie von Sommerfeld [7] und Vogelpohl [8], die sowohl für radiale als auch axiale Gleitlager angewandt wird. In . Abb. 12.42 ist der angestellte Gleitschuh eines axialen Kippsegmentlagers mit der Geschwindigkeitsund Druckverteilung im keilförmigen Spalt dargestellt.

p h20 um  b

p

h0

Pa

m

um m s



b

Pa s

m

(12.76)

Die dimensionslose Reibungsmomentkennzahl eines Axialgleitlagers beträgt in Abhängigkeit des Öffnungsverhältnisses vom Gleitschuh: 1

 .p b/ 2 1

.um / 2

12.2.7

 –

p

b

um m Pa m s

 Pa s

(12.77)

Ähnlichkeitsgesetze der Strömungsmechanik

Es gibt verschiedene Ähnlichkeiten, z. B. die geometrische Ähnlichkeit, die statische Ähnlichkeit, die dynamische Ähnlichkeit, die strömungsmechanische und die thermodynamische Ähnlichkeit. Zwei Vorgänge sind ähnlich, wenn sie von der gleichen Differenzialgleichung beschrieben werden, wie z. B. das strömungstechnische und das elektrische Potenzialfeld oder die schwingende Saite und ein schwingendes Fluid. Im Ergebnis dessen erhält man z. B. die Elektroanalogie von ebenen Strömungsfeldern. Die Euler’sche Bewegungsgleichung ist eine solche Differenzialgleichung, die für Ähnlichkeitsbetrachtungen geeignet ist. Sie liefert bei Umformung in die dimensionslose

350

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

Schreibweise eine Reihe wichtiger Ähnlichkeitskennzahlen. Gleichwohl gibt es neben den Differenzialgleichungen weitere Methoden für die Ähnlichkeitsbetrachtung wie z. B. die Dimensionsanalyse und das -Theorem [10, 11]. Aus der Euler’schen Gleichung für die eindimensionale, inkompressible, stationäre reibungsbehaftete Strömung können die nachfolgenden Ähnlichkeitskennzahlen abgeleitet werden. Reynoldszahl Re D

Trägheitskraft cd D D 1 : : : 5  108 Zähigkeitskraft 

7 Beispiel

(12.78)

Hagenzahl Ha D

dp rh0 Druckkraft D  ds D 20 : : : C 20 Zähigkeitskraft c (12.79)

Froudezahl Fr D

Trägheitskraft c D 0;4 : : :1;6 Dp Schwerkraft g rh0

12

0 rh0 Ruheschubspannungskraft D Trägheitskraft c

(12.80)

(12.81)

Rohrreibungsbeiwert  D

Wie groß müssen der Rohrdurchmesser d und die mittlere Strömungsgeschwindigkeit einer Luftströmung bei tL D 20 ı C, L D 1;215 kg=m3 , L D 15;1  106 m2 =s gewählt werden, damit sie der Wasserströmung bei tW D 20 ı C mit W D 106 m2 =s in einem Rohr mit dem Durchmesser dW D 80 mm ¿ und cW D 2;2 m=s dynamisch ähnlich ist. Bedingung: cd  2;2 ms 0;08 m cW dW D D 176:000 ReW D 2 W 106 ms L cL dL D ReL L D cW dW W ReL D ReW D

Binghamzahl Bi D

Die Binghamzahl stellt das Verhältnis der Ruheschubspannungskraft zur Trägheitskraft dar. Sie charakterisiert damit die Nicht-Newton’schen Fluide der Klasse der Bingham’schen Fluide wie z. B. Harz, Ton, Talg, Zahnpaste, trockener Sand (. Abb. 12.25). Eine Auswahl der wichtigen strömungstechnischen und thermodynamischen Kennzahlen ist in . Tab. 12.4 angegeben.

Ha Hagenzahl D2 D 0;0070 : : : 0;10 (12.82) Reynoldszahl Re

Die Reynoldszahl charakterisiert die Strömungsform eines Fluids als schleichende, laminare oder turbulente Strömung. Sie nimmt Werte von Re D 1 (schleichende Strömung) bis 5  108 für die turbulente Strömung an, bei der die Trägheitskraft dominiert und die Zähigkeitskraft nur noch eine untergeordnete Bedeutung hat, wie z. B. bei Tragflügelprofilen von Flugzeugen oder bei axialen Gasturbinenschaufeln. Die Hagenzahl charakterisiert den Druckgradienten einer beschleunigten oder verzögerten Strömung. Sie nimmt in freien Strömungen Werte von Ha D 20 bis C20 an und kann in erzwungenen turbulenten Strömungen in Strömungsmaschinen weit höhere Werte erreichen. Die Froudezahl stellt das Verhältnis der Trägheitskraft zur Schwerkraft dar. Sie charakterisiert damit Strömungen mit freier Oberfläche wie Gerinneströmungen, Kanalströmungen und die Oberflächenwellen dieser Strömungen, die von der Schwerkraft beeinflusst werden. Sie nimmt Werte von Fr D 0;4 bis 1,6 an. Bei einer zu hohen Strömungsgeschwindigkeit einer Wasserströmung an einem Wehr wird die kritische Froudezahl Frkrit D 1;0 erreicht oder überschritten und das Wasser schießt am Wehr herunter.

cL dL D 2;2

15;1  106 m 0;08 m 2 s 106 ms

m2 s

m2 s dL D 80 mm mit cL D 33;22 m=sI

cL dL D 2;658

dL D 100 mm mit cL D 26;58 m=s

oder

dL D 120 mm mit cL D 22;15 m=s 9

12.2.8

Strömungswiderstand umströmter Körper

Umströmte Körper wie z. B. Straßenfahrzeuge, Schienenfahrzeuge, Flugkörper, Fallschirmspringer, Schornsteine und Maste von Windrädern oder Leitungen erfahren einen Strömungswiderstand und sie werden durch die Widerstandskraft beansprucht bzw. in der Fortbewegungsgeschwindigkeit beeinträchtigt. Der Strömungswiderstand ist unter anderem auch wesentlich von der Geometrie des umströmten Körpers abhängig. Die geometrischen Formen umströmter Körper lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 4 Schlanke Körper mit d=l  0;25 wie z. B. längs angeströmte ebene Platten, Tragflügelprofile, Fische und stromliniengeführte Körper mit geringem Strömungswiderstand entsprechend . Abb. 12.44. 4 Voluminöse Körper mit d=l  0;25 bis 1,0 wie z. B. Kugel, Zylinder, Schornstein, Quader oder Lastkraftfahrzeuge mit großem Strömungswiderstand.

351 12.2  Hydrodynamik

. Tabelle 12.4 Wichtige Ähnlichkeitskennzahlen Kennzahl

Symbol

Gleichung

Kräfteverhältnis

Namensgeber

Anwendung

Reynoldszahl

Re

cd 

Trägheitskraft Zähigkeitskraft

Osborne Reynolds 1842–1912 englischer Physiker

Laminare, turbulente Strömung, Druckverlust infolge Viskosität und Reibung

Hagenzahl

Ha D Re  Eu 

Froudezahl

Fr

c p gh

Trägheitskraft Schwerkraft

William Froude 1810–1879 englischer Ingenieur

Strömungen mit Schwerkrafteinfluss

Eulerzahl

Eu

p c 2

Druckkraft Trägheitskraft

Leonhard Euler 1707–1773 schweizer Mathematiker

Für Strömungsfelder, bei denen die Reibungskraft vernachlässigbar ist und Druck- und Trägheitskräfte überwiegen, Messtechnik

Strouhalzahl

Sr

f d c

lokale Trägheitskraft konvektive Trägheitskraft

Vincent Strouhal 1850–1922 tschechischer Physiker

Interstationäre Bewegung (Turbulenz, Wirbel, Schwingungen), Strömungsakustik

Stokeszahl

St

p k 

Druckkraft Zähigkeitskraft

George Stokes 1819–1903 englischer Physiker

Strömung mit Druckabfall

Rossbyzahl

Ro

c !L

Trägheitskraft Corioliskraft

Carl Gustav Rossby 1898–1957 schwedischer Meteorologe

Strömung unter Zentrifugalbeschleunigung (auf gekrümmten Bahnen)

Helmholtzzahl

He

L 

Länge Wellenlänge

Hermann v. Helmholtz 1821–1894 deutscher Mathematiker, Physiker, Physiologe, Philosoph

Strömungsakustik

Prandtlzahl

Pr

 cp  D  a

innere Zähigkeitskraft Wärmestrom

Ludwig Prandtl 1876–1953 deutscher Strömungsingenieur

Analogie zwischen Geschwindigkeits- und Temperaturfeld

p.2sc =R/2 2b R !

Druckkraft Zähigkeitskraft

Arnold Sommerfeld 1868–1951 deutscher Physiker

Hydrodynamische Schmierung von Gleitlagern

Sommerfeldzahl So

.dp=ds/1 Druckkraft c Zähigkeitskraft

Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen Strömung mit Druckgradient 1794–1884 deutscher Strömungstechniker

Kavitationszahl



dp  c2

Druckkraft dynam. Kraft

Flüssigkeitsströmung in Dampfdrucknähe

Binghamzahl

Bi

d c

Ruheschubspannungskraft Eugene Cook Bingham 1878–1945 Trägheitskraft amerikanischer Chemiker

Zähfließende Stoffe, Rührerauslegung

Machzahl

M

c a

Geschwindigkeit Schallgeschwindigkeit

Gasdynamik, Überschallströmung

c∞

schlanke Körper

voluminöse Körper

Ernst Mach 1838–1916 österreichischer Mathematiker, Physiker und Philosoph

Es gibt vier verschiedene Widerstandsarten, von denen zwei bei den unterschiedlichen Körperformen dominieren: 1 Reibungswiderstand

d d l

L

. Abb. 12.44 Klassen umströmter Körper

Der Reibungswiderstand cwR entsteht durch die Reibungskraft in der körpernahen Strömungsschicht, der Grenzschicht. Er tritt bei allen umströmten Körpern auf. Durch glatte Oberflächen mit geringer Rauigkeit oder durch Laminarprofilstrukturen auf der Oberfläche kann er gering

12

352

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

gehalten werden. Der Reibungswiderstand von schlanken Körpern erreicht Werte bis zum zehnfachen des geringen Druckwiderstandes. Der Reibungswiderstand beträgt: FwR D W A

(12.83)

1 Druckwiderstand

Durch die unterschiedlichen Druckverteilungen auf der Vorder- und Rückseite von umströmten Körpern entsprechend . Abb. 12.45 tritt eine Druckwiderstandskraft F wP und ein Druckwiderstandsbeiwert cwp auf. Er erreicht die dominanten Werte bei voluminösen Körpern, bei denen die Grenzschichtströmung auf der Rückseite ablöst, wie z. B. an der Kugel oder am Zylinder. Dadurch entstehen erhebliche Druckunterschiede auf der Vorder- und Rückseite des Körpers. Sie führen zum Druckwiderstand. Die Druckwiderstandskraft ist bei voluminösen Körpern bis zu 9 mal größer als die Reibungswiderstandskraft und deshalb vorrangig zu beachten. Sie beträgt: FwP D p A

(12.84)

1 Induzierter Widerstand

12

Am Ende von Tragflügeln, von Flügeln der Windkraftanlagen und im Heckbereich von Kraftfahrzeugen, ebenso an den Kanten von Außenspiegeln der Kraftfahrzeuge werden durch die Umströmung Wirbel induziert, die einen Widerstand hervorrufen (. Abb. 12.46). 1 Wellenwiderstand

Wird ein Schwimmkörper oder ein Schiff von einer Flüssigkeit umströmt, so entstehen an der freien Oberfläche Oberflächenwellen, deren Bewegungsenergie vom Schwimmkörper aufgebracht werden muss. Dadurch entsteht für den Schwimmkörper ein zusätzlicher Widerstand

. Abb. 12.45 Druckwiderstand am umströmten Körper dFWi dFR

dFA c∞

z

ΓG l

cw D

FW  A c2 2

(12.85)

Beim Druckwiderstand beträgt der Widerstandsbeiwert: cwp D

2 p  c2

(12.86)

In der . Tab. 12.5 sind die Widerstandsbeiwerte einiger umströmter Körper dargestellt. Weitere Widerstandsbeiwerte können [6, 12] entnommen werden. 12.2.8.1

Kármán’sche Wirbelstraße

Löst die Strömung an den Kanten umströmter Körper ab, wie z. B. an Brückenpfeilern in Flüssen, an Einbauten in strömungstechnischen Anlagen, an Schornsteinen oder an engen Fjordeinläufen bei Flut, bilden sich paarweise Wirbel, die sich zu einem Strömungsvorgang formieren. Sie wurden von Kármán (1881–1963) entdeckt und werden deshalb nach ihm benannt (. Abb. 12.47). Die periodische Wirbelablösung beginnt bei höheren Geschwindigkeiten und Reynoldszahlen von Re  40. Sie bleibt bis zur kritischen Reynoldszahl von Rekri t: D 2  105 stabil. Aus der Anströmgeschwindigkeit c, der Ablösefrequenz f und der Pfeilerdicke d kann die Strouhalzahl Sr als Verhältnis der lokalen zur konvektiven Beschleunigung bzw. als Verhältnis der beiden Trägheitskräfte ermittelt werden. Sie beträgt Sr = fd/c (. Tab. 12.4). Im Reynoldszahlbereich von Re D 100 bis 2  105 stellt sich entsprechend . Abb. 12.48 eine Strouhalzahl von Sr  0;2 ein. Entsprechend den Ablösepunkten stellt sich ein Geometrieverhältnis von d=b  1;25 für den unterkritischen Reynoldszahlbereich von Re D 100 bis 2  105 ein. Die periodische Wirbelablösung an einem Profilstab wird auch für die Volumenstrommesstechnik und die akustische Messtechnik genutzt.

c∞

Γ x→∞

b

(Wellenwiderstand). Gleiches tritt bei der Umströmung von Flugkörpern in Luft mit hohen Geschwindigkeiten bzw. Machzahlen von M D 0;55 bis 0,90 auf. Die entstehenden Druckwellen am Körpervorderteil führen zu den Mach’schen Wellen, die ebenfalls den Widerstand erhöhen. Der Widerstandsbeiwert umströmter Körper stellt die Widerstandskraft bezogen auf den Staudruck c2 =2 und die Fläche A dar.

Γ

d Ablösepunkt

b l

Γ

x→∞

. Abb. 12.46 Umströmung der Tragflügelenden und Hufeisenwirbel mit dem gebundenen Wirbel G und dem freien Wirbel

. Abb. 12.47 Kármán’sche Wirbelstraße hinter einem elliptischen Pfeiler

12

353 12.2  Hydrodynamik

. Tabelle 12.5 Widerstandsbeiwerte cW umströmter Körper in Abhängigkeit der Geometrie und der Reynoldszahl cw Kugel

cw Rotationselippsoid

Kreiszylinder

a a 1 = b b 0,75

103 < Re < 2  105 Re D 4  105 Re D 106

0,47 0,09 0,13

Re < 5  105 Re > 5  105

cw Profilstab d

l

t

d

0,6 0,21

Re < 9  104 W l=d D 1 2 5 10 40 1 Re > 5  105 W l=d D 1

0,63 0,68 0,74 0,82 0,98 1,20 0,35

Kegel (ohne Boden)

Halbkugel

Halbkugel

cw

Re > 5  105 W t=d D 2 3 5 10 20

0,2 0,1 0,06 0,083 0,094

Kegel (schlank)

α

ohne Boden mit Boden

0,34 0,40

Kreiszylinder

ohne Boden mit Boden

1,33 1,17

Prisma

l

0,91 0,85 0,87 0,99

Kreisplatte

d

1,1

l

0,81

Prisma, dreieckig

ı

˛ D 90 W l=a D 5 1 ˛ D 45ı 5 1

1,56 2,03 0,92 1,54

Rechteckplatte

1=d D 1 1;5 2 3

1,22

Doppel-T-Profil

b= h D 1 2 4 10 18 1

0,93 0,78 1,04 1,52

Rechteckplatte mit Boden

h

D

d=D D 0;5

d

l

l

Kreisringplatte

d

a

α

l=a D 2;5

0,58 2 Kreisplatten in Reihe

a

a

l=d D 1 2 4 7

0,34 0,51

Prisma

a

d

˛ D 30ı ˛ D 60ı

h

1,10 1,15 1,19 1,29 1,40 1,90

Winkel-Profil

b= h  1

1,2

Winkel-Profil h

a α

h

h

h

a

b=h D 1 ˛ D 90ı ˛ D 60ı aDh

h

1,55 1,2 (1,1) 2,0 (1,3)

b=h D 1

2,04 1,8

b= h D 1

2,0 1,83

b= h D 1

1.45 1,72

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

354

0,5 Sr 0,4

kritischer Bereich

unterkritisch

a

b p1 c1 T1 A1

überkritisch

p1 c1

A1

0,3

p2 c2

A2

p2 c2 T2 A2

ϑ

0,2

1

2

0,1

. Abb. 12.50 Diffusorströmung. a Einfachdiffusor; b Multidiffusor 0 10

10 2

10 3

10 4

10 5

10 6 10 7 Re

. Abb. 12.48 Strouhalzahl in Abhängigkeit der Anströmreynoldszahl

12.2.9

12

Düsen- und Diffusorströmung

In Düsen erfolgt eine Beschleunigung der Strömung zur Erzeugung hoher Geschwindigkeit. Dabei wird eine beliebig hohe Druckenergie p= in dynamische Energie c2 =2 gemäß . Abb. 12.49 umgesetzt. Beispiele ausgeführter Düsen sind, z. B. die Düsen in Peltonwasserturbinen, Spritzdüsen für Feuerwehrschläuche oder Düsen von Springbrunnen und Wasserfontänen sowie Düsen für Triebwerke von Flugzeugen und Raketen. In Dampf- und Gasturbinen werden ebenfalls zur Beschleunigung der Eintrittströmung in das Laufradschaufelgitter besonders geformte Düsen eingesetzt (. Abb. 12.49). Charakteristisch für Düsen ist, dass eine beliebig große Druckenergie p= in dynamische Energie umgewandelt werden kann. Bei der Düsenströmung treten Reibungsverluste auf, die mit dem Druckverlustbeiwert  beschrieben werden können. In Diffusoren (. Abb. 12.50) wird die Strömung verzögert und der Verzögerungsanteil der Strömung c21 =2Œ1  .c2 =c1 /2  in Druck umgesetzt (Austrittsdiffusoren in Strö-

mungsmaschinen, in Wasserturbinen oder in lufttechnischen Anlagen). Da die Grenzschicht einer Strömung zwar eine beliebige Beschleunigung und damit verbunden eine beliebige Druckumsetzung in Geschwindigkeit verträgt, aber nur eine begrenzte Geschwindigkeitsverzögerung, darf der Erweiterungswinkel von Diffusoren einen kritischen Wert von # D .1=U/  dA=ds nicht überschreiten, wenn die Grenzschichtablösung von der Diffusorwand vermieden werden soll (Diffusorkriterium). Der Erweiterungswinkel des Diffusors soll in der Regel # D 6ı bis 7ı nicht überschreiten, wenn die Grenzschichtablösung von der Diffusorwand vermieden werden soll. Der Druckverlustbeiwert  oder der Diffusorwirkungsgrad für kegelförmige Diffusoren kann in Abhängigkeit des Erweiterungswinkels # . Abb. 12.51 entnommen werden [13, 14].

ϑ

d2

d1

L 5,0 4,0 3,0 d2 d1 2,0

0,85 0,80

1,7

0,75 0,70

1,5 ϑ=15° 1,4 1,3

0,60 0,55

10

0,65

0,50

1,2

0,40 = ηn 7° 5° 1,1 0,5

. Abb. 12.49 Düsen zur Beschleunigung der Eintrittsströmung. a Spritzdüse, b Turbineneintrittsdüse

3° 1

ϑ=1°20`

2° 2

3

4 5

10

L d1

20

. Abb. 12.51 Abhängigkeit des Diffusorwirkungsgrades vom Erweiterungswinkel # und der relativen Diffusorlänge [13]

12

355 12.2  Hydrodynamik

b

Umschlagpunkt laminar-turbulent

c2

c2 c1 cr1

Außenströmung pa(x)

c∞=cδ(x)

c∞=cδ(x)

c∞ y

c1 α c ts 1

c(x,y)

r1 r2 δl c=0 xνt

. Abb. 12.52 Laufrad mit schaufellosem Radialdiffusor einer mehrstufigen Radialpumpe

px Tx

x

δ Grenzschichtdicke δu

xu laminare Unterschicht

. Abb. 12.53 Grenzschicht an einer längs angeströmten ebenen Platte

Soll eine starke Verzögerung auf kurzer Länge erreicht werden, können Multidiffusoren gemäß . Abb. 12.50b eingebaut werden. Dabei wird aber der Reibungsdruckverlust vergrößert. In radialen Turbokompressoren und in mehrstufigen Radialkreiselpumpen werden zur Verzögerung der Austrittsströmung aus dem Laufrad parallelwandige oder konische Radialdiffusoren eingesetzt (. Abb. 12.52). Bei parallelwandigen Radialdiffusoren mit radialer Durchströmung ist das Geschwindigkeitsverhältnis c2 =c1 entsprechend der Kontinuitätsgleichung dem Reziprokwert des Radienverhältnisses proportional c2 A1 2 r 1 b1 r1 D D D c1 A2 2 r 2 b2 r2 12.2.10

(12.87)

Grenzschicht

Dreidimensionale, reibungsbehaftete Strömungen werden durch die Navier-Stokes’schen Gleichungen beschrieben, die für eine Reihe von Anwendungen analytisch [15] oder mit Hilfe von Computern näherungsweise gelöst werden können. Prandtl (1875–1953) gelang es 1904 erstmals, durch Analyse der Navier-Stokes-Gleichungen das Modell der wandnahen, reibungsbehafteten Schichten (Grenzschicht) und der reibungsfreien Außenströmung (Potentialströmung) zu schaffen. Dafür ist die nach ihm benannte Prandtl’sche Grenzschichtgleichung verfügbar. Die Potenzialströmung beginnt definitionsgemäß dort, wo die Geschwindigkeit in der Nähe einer Wand den Wert von 99 % der ungestörten Anströmung c1 erreicht hat. Die Grenzschicht soll für eine längs angeströmte dünne ebene Platte gemäß . Abb. 12.53 erläutert werden. Sie besteht aus 4 der laminaren Grenzschicht ıl , ohne Querbewegung zur Hauptströmungsrichtung, 4 der turbulenten Grenzschicht nach dem Umschlag bei Rekri t: D 4  105 und starker Querbewegung zur Hauptströmungsrichtung,

4 der laminaren Unterschicht geringer Dicke ab 5 5 ıU D im Bereich der turbulenten GrenzDp c w = schicht. Die Grenzschicht wird durch folgende Größen beschrieben: 4 Grenzschichtdicke als Funktion der Lauflänge ı(x) 4 Verdrängungsdicke ı 0 .x/ als Funktion der Lauflänge. Das ist die Dicke, um die die ungestörte Geschwindigkeit nach außen gedrängt wird. Sie kann als eine Verdickung des umströmten Körpers oder als eine Verengung des durchströmten Kanals verstanden werden. 4 Impulsverlustdicke ı 00 .x/ als Funktion der Lauflänge. Die Impulsverlustdicke gibt die Verminderung der Impulsgröße (c-c1 )m gegenüber der Impulsgröße der ungestörten Außenströmung c1 m an. 4 Die Anlauflänge x oder laminare Grenzschicht bis zum Umschlagpunkt in die turbulente Grenzschicht. Sie beträgt

xu D Reu =c1 D 5  105 : : :106 =c1

(12.88)

4 Die Haftbedingung der Strömung an der Wand ergibt die Geschwindigkeit c D 0. 4 Das Geschwindigkeitsprofil in der Grenzschicht (. Abb. 12.54) Berechnungen von Grenzschichten sind in [1] und [15] enthalten. 7 Beispiel Eine ebene Platte wird von Wasser mit  D 1000 kg=m3 und  D 106 m2 =s mit einer Geschwindigkeit c1 D 3;8 m=s längs angeströmt. Berechnet werden soll die laminare Anlaufstrecke xu und die Dicke der laminaren Grenzschicht am Umschlagpunkt.

Kapitel 12  Hydrostatik, -dynamik, Gasdynamik

356

cx(δ) c∞ Grenzschicht

Ablösepunkt p∞ T∞

Ablösepunkt

τ w=0

pst

x x

p

Druckabfall Druckaufbau dp dp dp ≥0 =0 ≤0 dx dx dx

p∞

pt∞ . Abb. 12.55 Prandtlrohr mit U-Rohrmanometern

. Abb. 12.54 Geschwindigkeitsprofil in einer Grenzschicht und Druckverlauf

p2 Stahlb 200 (ZrO2 )–400 (SiC)

Temperaturabhängigkeit

niedrig

hoch

sehr niedrig

Zugfestigkeit

hoch

niedrig

hoch

Druckfestigkeit

hoch

mittel

sehr hoch

Zähigkeit

gering bis hoch

mittel bis hoch

niedrig, < Gusseisen

50 (St)–174 (Al)

0,2 (PP)–0,5 (PE-HD)d

1,4 (Al2 TiO5 )–120 (SiC)

E-Modul

13

Wärmeleitung

kN/mm2

W/mK 6

Wärmeausdehnung bis 100 ı C

10 /K

mittel 12–23,5 X50Ni36: 1,2

hoch 80–160 verstärkt 15–60

niedrig 2,6–8

Dauergebrauchstemperatur

ı

mittel bis hoch NiCr20Ti: < 1100 ı C

niedrig 80–130 verstärkt 100–230

hoch > (950) 1300

schlecht bis gut, je nach Reinheit/Legierung

allgemein gut, einzelne Stoffe können schädigen

allgemein sehr gut

abrasiv

carbidreich hoch



hoch

adhäsiv

Lagermetalle gut

einzelne Sorten gut

hoch

1,75 (Mg)–21,45 (Pt)

0,9 (PP)–2,0 (GFK)

zwischen Al und Ti

z. T. sehr gut

Isolator

meist Isolatorc

C

Korrosionsbeständigkeit Verschleißwiderstand

Dichte

kg/dm

elektrischer Leiter a

stark temperaturabhängig nicht ZrO2 und Al2 TiO5 c nicht SiC d durch Füllstoffe größer bis 0,8 b

3

13

395 13.1  Allgemeines

7 Beispiel: Stähle Zustand unlegiert

. Abb. 13.1 Grobeinteilung nach der Bindungsart

13.1.3

Werkstoffstruktur

Für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften sind Grundkenntnisse aus verschiedenen Wissenschaftszweigen erforderlich. Mikrostruktur

Fein- und Grobstruktur

Chemische Grundlagen

Kristallographie, Physik, Werkstoffkunde

Atome, Moleküle

Kristallgitter

Chemische Bindung

Gefüge aus Kristallen mit Störungen

Änderungen der Struktur sind nur begrenzt möglich. Durch die chemische Analyse sind Atomart und chemische Bindung festgelegt und kaum beeinflussbar. Dagegen sind Änderungen von Kristallgitter und Gefüge möglich und ein wichtiger Gegenstand der Werkstoffkunde und -forschung.

Kristallgitter

Eigenschaften

geglüht

kubisch-raumzentriert

weich, zäh, magnetisch

gehärtet

tetragonal, verzerrt

hart spröde, magnetisch

kubisch-flächenzentriert

zäh, unmagnetisch

legiert, 18 % Cr/8 % Ni

9

Die Gefüge werden bereits bei der Erzeugung des Werkstoffes beeinflusst. So gibt es Gussgefüge und Sintergefüge. Der Reinheitsgrad kennzeichnet den Anteil an unerwünschten Beimengungen. In weiteren Fertigungsstufen entstehen z. T. unerwünschte Strukturen (z. B. Schmiedefaser) bis hin zum gezielten Eigenschaftsändern durch z. B. Glühen, Härten oder Vergüten. Die Übersicht zeigt einige Beispiele. Übersicht: Gefügeänderung ! Eigenschaftänderung Änderung

Beispiele

Mischungsverhältnis der Phasen

Stahl: Härte steigt mit dem C-Gehalt (= Carbidanteil)

Form und Größe der Kristalle

Gusseisen: Graphit in Lamellen- oder Kugelform ! Festigkeit steigt

Art und Form der Zusatzstoffe

Quarzmehl in Phenolharz steigert Härte und Warmfestigkeit, Fasern die Zähigkeit und mindern Wärmedehnung, ergeben evtl. Anisotropie

14

397

Metalle Wolfgang Weißbach

Struktur der Metalle und Legierungen

14.1 14.1.1

Metallgitter

Die technisch wichtigen Metalle (. Tab. 14.1) haben Kristallgitter mit hoher Regelmäßigkeit und dichter Packung (kubisch, hexagonal). Nur Zinn ist tetragonal. Neben der dichten Packung der Atome in Schichten ist die Metallbindung die Voraussetzung für die beiden wichtigen Metalleigenschaften: 4 Elektrische Leitfähigkeit durch freie Elektronen im Kristallgitter, 4 Plastische Verformbarkeit durch Platzwechsel der Metallionen im Gitter, wobei die freien Elektronen die metallische Bindung aufrecht erhalten.

. Tab. 14.2 und 14.3 zeigen die Elementarzellen (kleinster, regelmäßiger Volumenteil, der sich in Richtung der Kristallachsen periodisch wiederholt). Kristalle (nur in Lunkern freiwachsend) sind ungeordnet zusammengewachsen, auch Kristallite oder Körner genannt. Sie bilden mit ihren Korngrenzen, evtl. Texturen und Verunreinigungen, das Gefüge des Metalls. Es kann im Schliffbild mikroskopisch vergrößert sichtbar gemacht werden (Lichtmikroskop 0,5 *m, Rasterelektronenmikroskop bis 0,5 nm auflösbare Teilchengröße). Durch räumliches Aneinanderreihen der E-Zellen ergibt sich ein fehlerloses Kristallgitter, der Idealkristall. Die Kristalle wirklicher metallischer Werkstoffe besitzen Störungen im Gitteraufbau infolge der Wärmebewegung der Teilchen und schneller Kristallisation (. Tab. 14.4).

. Tabelle 14.1 Daten technisch wichtiger Metalle Name, Symbol

OZ

KGa

Gitterkonst.a a

Dichteb 

pm

kg/dm3

Schmelzpunkt Tm

Leitfähigkeit für Stromd

Wärmec

°C

m/( mm2 )

W/mK

Wärmeausdehnunge ˛

Elast.Modul GPa

Aluminium, Al

13

kfz

404

2,7

660

37,7

237

23,8

Beryllium, Be

4

hdP

229/1,57

1,7

1287

23,81

200

11

Blei, Pb

82

kfz

490

11,3

327

5,2

35

29,2

19

Cadmium, Cd

48

hdP

290/1,83

8,6

321

14,3

97

30,0

63

Chrom, Cr

24

krz

288

7,2

1907

7,9

94

6,6

250

Cobalt, Co ˛-

27

hdP

250/1,62

8,89

1495

16

95

13

210

krz

287

7,87

1538

10,3

80

12

210

kfz

365

ı

> 417 C ˇEisen, Fe ˛-

71 293

kfz 26

ı

> 912 C -

195

Gold, Au

79

kfz

408

19,3

1064

45,5

320

14,2

80

Iridium, Ir

77

kfz

384

22,7

2446

18,8

147

6,5

530

Kupfer, Cu

29

kfz

361

8,95

1084

59,8

400

17,0

125

Magnesium, Mg

12

hdP

320/1,62

1,74

649

22,7

156

25,8

44

Mangan, Mn

25

kub

893

7,4

1246

22,8

201

Molybdän, Mo

42

krz

315

10,28

2620

4,8

334

0,54 19,2

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_14

7,8 138

Kapitel 14  Metalle

398

. Tabelle 14.1 (Fortsetzung) Name, Symbol

OZ

KGa

Gitterkonst.a a

Dichteb 

pm

kg/dm3

Schmelzpunkt Tm

Leitfähigkeit für Stromd

Wärmec

°C

m/( mm2 )

W/mK

Wärmeausdehnunge ˛

Elast.Modul GPa

Nickel, Ni

28

kfz

352

8,8

1455

14,6

91

13,0

210

Niob, Nb

41

krz

329

8,6

2470

6,7

53

7

105

Osmium, Os

76

hdP

273/1,58

22,6

3130

12,31

88

6,6

560

Platin, Pt

78

kfz

392

21,5

1768

9,48

71

9,0

170

Rhodium, Rh

45

kfz

379

12,4

1964

22,17

150

8

280

Silber, Ag

47

kfz

409

10,5

961

62,89

429

19,7

81

Tantal, Ta

73

krz

330

16,7

2996

8



6,5

185

Titan, Ti ˛-

22

hdP

295/1,59

4,5

1668

7

22

8,2

108

krz

332

ı

> 882 C ˇVanadium, V

23

krz

302

5,7

1910

5,0

31

8,4

150

Wolfram, W

74

krz

317

19,3

3422

17,7

174

4,5

407

Zink, Zn

30

hdP

266/1,86

7,1

419

16,9

116

Zinn, Sn ˛-

50

diam

ı

> 13 C ˇZirkon, Zr ˛-

40

ı

> 862 C ˇ-

26

128

5,73

tetr

649

7,3

232

9,1

66

hdP

323/1,59

6,5

1852

2,47

22,7

krz

361

3

24

26,9

44

6,3

90

10,5

56

13,4

34

Halbmetalle (Metallbindung mit kovalentem Anteil)

14

Antimon, Sb

51

hex

431/2,61

6,68

631

Arsen, As

33

hex

376/2,80

5,72

subl.

2,8

50

Bismut, Bi

83

hex

455/2,61

9,8

271

0,93

8

5

trig

2,46

2075

Bor, B Graphit, C

6

Diamant

hex

1012 3,35

diam

2,26

3750 subl.

3,51

14

diam

543

2,33

1414

Selen, Se

34

hex

436/1,14

4,79

221

c e

3

4,610 –

Silicium, Si

a

1103

6

4,410

29 120165

2–6

2000

1,3

148

7,6

2

37

Bei hexagonalen Metallen ist das Verhältnis der senkrechten Konstante c zu Basis a angegeben; b Dichte  bei 20 ı C D 273 K; Wärmeleitfähigkeit  bei 20 ı C; d elektrische Leitfähigkeit  bei 0 ı C D 273 K; Linearer Längenausdehnungskoeffizient ˛ in 106 =K bei 0–100 ı C.

2Amorphe Metalle

(Gläser) werden durch extreme Abkühlgeschwindigkeiten (106 K/s) aus der Schmelze in Form von Fasern oder Bändern von 20–50 *m Dicke erzeugt, auch durch Aufschmelzen dünnster Randschichten mit Laserenergie. Zustand ist instabil und geht bei Temperaturen über 300–600 ı C in den kristallinen über. Keine Warmumformung oder Schweißen möglich. Stabile Legierungen enthalten 20–25 % Nichtmetallatome Das Fehlen gleitfähiger Atomschichten ergibt

hohen Verformungswiderstand, d. h. hohe Härte und Zugfestigkeit, ebenso Verschleiß- und Korrosionswiderstand. Fe-P-B ist weichmagnetisch mit geringen Wirbelstromverlusten. Anwendung z. B. für Magnetköpfe von Bandgeräten, Ver-

stärkungsfasern. Die Vielfalt der Eigenschaftsprofile metallischer Werkstoffe ergibt sich aus der Kombination von Atom-¿, Git-

399 14.1  Struktur der Metalle und Legierungen

. Tabelle 14.2 Strukturmerkmale Kristallgitter oder amorph D Glaszustand Feinstruktur, Struktur der einzelnen Phasen

Gefüge Grobstruktur Optisch sichtbar gemacht an  Bruchflächen  Schliffbildern

Nur modellhaft darstellbar mithilfe von

Sichtbar werden damit #

Geometrische Anordnung der kleinsten Teilchen Beschreibt Kräfte und Energien zwischen den Teilchen

 Größe und Form der Phasen  Korngrenzen  Ausrichtung der Kristalle (Texturen)  Anzahl und Form der nichtmetallischen Einschlüsse (Reinheit)  Ausrichtung der Einschlüsse oder Zusatzstoffe (Fasern)

 kfz kubisch-flächenzentriert,  krz kubisch-raumzentriert,  hdP hexagonal dichtest,  tetragonales Kristallgitter, Diese 4 Gitter liegen bei den meisten Metallen vor

Elementarzelle

Bindungsart

 Ionenbindung (Oxide) Kation ! Anion  Atombindung (Diamant) Elektronenpaarbindung  Metallbindung (Metalle) Kation ! Elektronen  schwache zwischenmolekulare Kräfte, z. B. Dipole (Kunststoffe)

Ohne innere Ordnung sind die Gläser, sie sind nicht kristallin, sondern amorph

. Tabelle 14.3 Elementarzellen der Metallgitter und Gleitmöglichkeiten Gleitrichtungen in dichtest gepackten Ebenen

Elementarzellen kub.-flächenzentriert

kub.-raumzentriert

hex. dichteste Packung

3 Gleitrichtungen

kfz

krz (mit Nebengleitebene)

hdP (mit Nebengleitebene)

Hauptgleitebenen

4 Tetraederflächen

4 Flächen der Raumdiagonalen

1 Basisebene

Gleitrichtungen

Flächendiagonale

2 Richtung Raumdiagonale

3 Richtungen

Gleitmöglichkeiten

3 4 D 12

3 4 D 12 C weitere

1 3D3

Duktilität

mit niedrigen Kräften sehr hoch verformbar

mit größeren Kräften hoch verformbar

mit niedrigen Kräften nur gering verformbar

terstruktur, EN-Zahl und Wertigkeit bei den verschiedenen Metallen und Legierungen. Für Strukturwerkstoffe ist die Duktilität mit ihrem Einfluss auf Verarbeitung, Sprödbruchverhalten und Dauerfestigkeit von Bedeutung. Sie hängt von den Gleitmöglichkeiten ab (. Tab. 14.3). Versetzungen bewegen sich dort, wo sie den geringsten Gleitwiderstand überwinden müssen. Das sind die sog. Hauptgleitebenen. Sie liegen zwischen den dichtest gepackten Kugelschichten, die nur beim kfz- und hdP-Gitter vorhanden sind (. Tab. 14.3). Das krz-Gitter hat viele Gleitebenen, die aber weniger dicht gepackt sind und deshalb größere Schubspannungen erfordern. Eine Verschiebung in den Richtungen 2 (. Tab. 14.3 oben links) führt zu Teilversetzungen und Stapelfehlern. Stapelfehler sind flä-

chige Bereiche mit veränderter Stapelfolge vom kfz- (ABC, ABC . . . ) zum hdP-Gitter (AB, AB . . . ).

14.1.2

Gitterfehler

Die Einteilung erfolgt nach ihrer Dimension (. Tab. 14.4). Sie erhöhen die Kristallenergie gegenüber dem Idealkristall, führen zu Aufweitung und Verdichtung der idealen Gitterlinien und erschweren z. T. die plastische Verformung durch Erhöhung des Gleitwiderstandes (kritische Schubspannung), sind aber auch Voraussetzung für Diffusion und Duktilität.

14

Kapitel 14  Metalle

400

. Tabelle 14.4 Gitterfehler: Entstehung und Wechselwirkungen Dimension, Bezeichnung 0

1

Entstehung

Reaktion mit anderen Fehlern bei Kaltumformung oder Erwärmung (thermischer Aktivierung)

Leerstellen

Unbesetzte Gitterplätze beim Kristallisieren, Entropiestreben, die Anzahl steigt mit der Temperatur

Leerstellen ziehen Fremdatome an, sie sind wichtig für die Diffusion und ermöglichen das Klettern einer Stufenversetzung in eine parallele Gleitebene

Fremdatome

Verunreinigungen, Atome der LE

werden von Versetzungen u. Leerstellen angezogen

Fehlerhaftes Kristallwachstum führt zu Teilungsfehlern und ergibt schlauchartige Hohlräume im Kristall (106 cm/cm3 ). Plastische Verformung erhöht die Versetzungsdichte (ca. 1012 cm/cm3 )

ungleichartige Versetzungen in einer Gleitebene können sich auslöschen, gleichartige sich blockieren. Aufspaltung in zwei Teilversetzungen (kleinere Gleitschritte)

Korngrenzen

Bereiche mit unvollkommener Ordnung. Bei der Kristallisation oder der Rekristallisation bei T > 0;4 Tm

Behindern das Wandern von Versetzungen, es kommt dort zum Stau, d. h. zu höherer örtlicher Versetzungsdichte

Stapelfehler

fehlerhaftes Kristallwachstum

unterbrechen Gleitebenen, sind selbst nicht gleitfähig

Ausscheidungen in übersättigten Mischkristallen (metastabil). Pulvermetallurgisch oder durch innere Oxidation eingebracht

Versetzungen müssen die Teilchen abscheren oder umgehen und bilden dabei neue Versetzungen

Punktfehler

Linienfehler Versetzungen

2

3

Flächenfehler

Volumenfehler kohärente, inkohärente Teilchen

14.2

14

14.2.1

Eigenschaften und Verhalten der Metallgitter Anisotropie, Textur

Anisotropie bedeutet Richtungsabhängigkeit fast aller Eigenschaften. Typische Eigenschaft aller kristallinen Stoffe (Analogie: Holz, längs bzw. quer zur Faserrichtung beansprucht, reagiert unterschiedlich). Gegensatz: Isotropie. Vielkristalline Werkstoffe zeigen keine Anisotropie, wenn Kristallite mit ihren Achsen ungeordnet liegen (sie sind quasiisotrop). Starke Anisotropie tritt bei UD-faserverstärkten (unidirektional) Werkstoffen auf, ebenso bei warmumgeformten Stählen mit niedrigem Reinheitsgrad durch gestreckte, nichtmetallische Einschlüsse (Zeilengefüge). Textur ist eine evtl. teilweise Ausrichtung der Kristalle.

Sie entsteht bei einigen Fertigungsverfahren (z. B. Gussund Walztexturen). Als Folgen treten z. B. unterschiedliche Festigkeit und Dehnung bei Blechen längs und quer zur Walzrichtung auf. Diese Anisotropie ist für Tiefziehbleche unerwünscht. Textur bei Trafo- und Dynamoblechen für magnetische Eigenschaften wichtig.

14.2.2

Gießen (Schmelzen und Kristallisieren)

Schmelzen Zufuhr von Wärme erhöht die Energie der Teilchen, damit ihre Eigenbewegung: Stoff dehnt sich aus. Zum Schmelzen muss die Schmelzwärme zugeführt werden, bei reinen Metallen bei konstanter Temperatur (Schmelzpunkt). Weitere Temperatursteigerung erst nach vollständigem Schmelzen. Technische Schmelzen enthalten dann noch kleinste, feste Partikel (Oxide, Carbide, Nitride), die bei der Kristallisation als Fremdkeime dienen. Kristallisation Beginn an den Fremdkeimen und Eigenkeimen, die sich mit steigender Unterkühlung bilden (= Temperaturdifferenz zum theoretischen Schmelz- und Erstarrungspunkt). Beim Einbau der Atome in das Kristallgitter wird ihre Eigenbewegung sprunghaft kleiner. Die Energiedifferenz erscheint als Kristallisationswärme. Zum Wachsen der Kristalle muss sie abgeführt werden. Das geschieht an kalten Formwänden, die ebenfalls als Keime wirken. Feinkörnige Gussgefüge entstehen bei schneller Abkühlung, welche die Eigenkeimbildung fördert (Druckguss), oder Impfen der Schmelze mit Fremdkeimen. Beispiel: Na in AlSi-Guss und seltene Erdmetalle (Ce, Y, Zr) in Mg-Gusslegierungen.

401 14.2  Eigenschaften und Verhalten der Metallgitter

. Abb. 14.1 Plastische Verformung am Ideal- und Realkristall

14.2.3

Dünnwandige Halbzeuge (Blech, Band, Draht) von NE-Metallen sind in verschiedenen Festigkeitsstufen lieferbar, die durch bestimmte Verformungsgrade beim letzten Walz- oder Ziehvorgang eingestellt werden (. Abb. 14.2).

Anwendung

Plastische Verformung

Die meisten Metalle sind bei RT plastisch verformbar ohne dass der Zusammenhalt verloren geht (. Abb. 14.1). Modellvorstellung am Idealkristall: Jedes Korn verformt sich zunächst unter inneren Schubspannungen, indem Kugelschichten mit dichtester Packung parallel zueinander abgleiten. Eine Trennung der Schichten würde größere Normalspannungen erfordern. Dieses Abgleiten (Translation) findet in den Ebenen mit geringstem Gleitwiderstand statt (Gleitmöglichkeiten . Tab. 14.3). Modellvorstellung am Realkristall: Versetzungslinien wandern bis sie an ein Hindernis stoßen, z. B. an eine Korngrenze. Es müssen jeweils nur wenige Atome zum gleichen Zeitpunkt verschoben werden, d. h. die kritische Schubspannung, bei der eine plastische Verformung beginnt, liegt niedriger als bei der Idealvorstellung.

14.2.4

TR unter starker Abnahme der Dehnbarkeit bis zum Bruch. Es sinkt auch die elektrische Leitfähigkeit (Beweglichkeit der Valenzelektronen im Gitter). Ursache: Versetzungslinien wandern und erzeugen weitere, bis sie an den Korngrenzen auflaufen und gestaut werden. Die Versetzungsdichte steigt (von ca. 108 auf 1012 /cm2 ). Kaltverfestigung wird deshalb auch Versetzungsverfestigung genannt. Wenn keine Atomreihe mehr wandern kann, ist die totale Versprödung erreicht.

Kaltverfestigung

Kaltverfestigung ist die Steigerung der Festigkeit und Härte bei Verformung unterhalb der Rekristallisationstemperatur

Verformungsgrad " D

Querschnittsänderung Ausgangsquerschnitt

Oberflächliche Kaltverfestigung von dynamisch beanspruchten Bauteilen erzeugt Druckeigenspannungen. Dauerfestigkeit steigt durch z. B. Kugelstrahlen von Federn, Walzen von Kerben und Übergangsradien an Wellenabsätzen. 14.2.5

Erhöhung der Kristallfestigkeit

Die Steigerung der niedrigen Festigkeit reiner Metalle ist auf verschiedenen Wegen möglich. Die vorstehend erwähnte Kaltverfestigung ist auch bei reinen Metallen anwendbar. Bei Legierungen ergeben sich weitere Möglichkeiten, Legierungsatome sozusagen als Gitterfehler zur Festigkeitssteigerung auszunutzen. Dabei ist die Änderung der Duktilität wichtig (. Tab. 14.5).

. Tabelle 14.5 Verfestigungsmechanismen Mechanismus

Fehler

Strukturänderung, Hindernisse gegen die Versetzungsbewegungen

Mischkristallverfestigung Legieren innerhalb der Löslichkeit

Punkt-Fehler

Welligkeit der Gleitschichten durch kleinere oder größere LE-Atome, Wirkung steigt mit den ¿-Unterschieden und der Konzentration der LE

Korngrenzenverfestigung Feinkorn herstellen

Flächenfehler

Korngrenzen blockieren die Bewegung der Versetzungen. Vielzahl der Körner erhöht die Zahl der Gleitmöglichkeiten

Teilchenverfestigung  Aushärten  Dispersionshärtung

fremde Partikel

Behinderung durch feindisperse, kohärente Ausscheidungen in Mischkristallen, die abgeschert werden, oder durch inkohärente Teilchen, welche umgangen werden müssen

Festigkeit und Duktilität, schematischer Verlauf

14

Kapitel 14  Metalle

402

7 Beispiel Aufkohlen von Einsatzstählen für die gleiche Aufkohlungstiefe in: 32 h/900 ı C oder 10 h/1000 ı C oder 4 h/1100 ı C 9

Die Aktivierungsenergie Q ist höher für größere Metallatome und für dichtgepackte Gitter, niedriger für kleine Nichtmetallatome und in weniger dicht gepackten Gittern. Zum Beispiel können H-Atome bei RT im Ferritgitter diffundieren, Metallatome benötigen hohe Temperaturen.

14.3.2

. Abb. 14.2 Zugfestigkeit, Härte und Bruchdehnung bei steigendem Verformungsgrad

14.3 14.3.1

14

Verhalten bei höheren Temperaturen Thermische Aktivierung

Wärmezufuhr zu einem Stoffsystem führt zu höherer thermischer (kinetischer) Energie der Teilchen. Ihre gesteigerte Bewegung um die Gitterplätze führt zu mehr Zusammenstößen/Zeit und damit zu mehr Platzwechseln/Zeit. Das führt zu einem schnelleren Ablauf der Prozesse (siehe folgende Abschnitte). Durch Zusammenstöße können einzelne Atome die Aktivierungsenergie Q erhalten, die nötig ist, um die Bindung zur Umgebung zu lösen und ihren Platz wechseln. Metallatome gelangen dabei in die nächste Lücke, Nichtmetallatome auf den nächsten Zwischengitterplatz. Dabei streben die Teilchen nach dem Gleichgewicht, einem Zustand, in dem sich das Stoffsystem nicht mehr verändert. Streben

Ziel

Energieminimum

Energieabgabe ergibt einen Zustand höherer Stabilität

Entropiemaximum

Abbau von Ordnung D Zustand höherer thermodynamischer Wahrscheinlichkeit

Die Anzahl der Platzwechsel/Zeit ist die Geschwindigkeit v von Vorgängen, die thermisch aktiviert bei höheren Temperaturen schneller ablaufen. Aussagen darüber können nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gemacht werden. Die Zahl der Zusammenstöße steigt exponentiell mit der Temperatur (T im Nenner des Exponenten). 1 Geschwindigkeit von Platzwechseln

v D v0 exp.Q=RT / D v0  e

Kristallerholung und Rekristallisation

Wird kaltverfestigter Werkstoff erwärmt, so bildet sich beim Erreichen der sog. Rekristallisationsschwelle von Keimen ausgehend ein neues Gefüge, das Rekristallisationsgefüge. Als Keime wirken die stark verformten, energiereichsten Körner, deren Teilchen, durch Wärmebewegung begünstigt, neue unverspannte Gitter bilden. Die Rekristallisationstemperatur TR wird durch LE und Verformung herabgesetzt und liegt bei ca. 40 % der Schmelztemperatur Tm (in K). Rekristallisationsschaubilder zeigen die Abhängigkeit der Korngröße des neuen Gefüges von Umformgrad und Glühtemperatur (. Abb. 15.15 in 7 Abschn. 15.5.3). Bei sehr kleiner Verformung findet nur eine Kristallerholung statt, ebenso, wenn TR beim Erwärmen nicht erreicht wird. Dabei Abbau innerer Spannungen und Zunahme der Dehnung bei unveränderter Kornform und -größe. Kleine Verformungsgrade führen beim Glühen zu Grobkorn.

14.3.3

Kornwachstum

Die Bereiche der Korngrenzen sind weniger geordnet, energiereicher und gekrümmt. Sie besitzen Oberflächenenergie (Spannung durch Krümmung), die bei größeren Kristalliten kleiner ist. Bei höheren Temperaturen werden die kleineren Körner von den größeren aufgezehrt. Das Wachstum wird behindert, wenn bei solchen Temperaturen ungelöste Phasen (z. B. IP von Al, Mo, Nb, Ti und V evtl. mit C und N) die Korngrenzen blockieren. Solche Stähle sind nicht überhitzungsempfindlich. 7 Beispiele Einsatz- und Nitrierstähle, warm- und hitzebeständige Werkstoffe und Feinkornbaustähle 9

14.3.4

Warmumformung

Q=RT

v: Platzwechsel/Zeit; v0 Stoffkonstante; Q: Aktivierungsenergie, Gaskonstante R D 8;314 J=mol; T Temperatur.

Merkmale sind die theoretisch unbegrenzte plastische Verformung bei Temperaturen zwischen unterhalb der Solidus-

403 14.3  Verhalten bei höheren Temperaturen

14.3.5

Diffusion in Metallen

Diffusion in Metallen ist die Wanderung von Atomen im Kristallgitter unter Wirkung eines Konzentrationsgefälles c=x (Antrieb D Entropiestreben). Zum Platzwechsel muss die Aktivierungsenergie Q aufgebracht werden. Es entsteht ein Teilchenstrom J.

1. Fick’sches Gesetz J D D  c=x

Teilchenstrom:

mit D D D0 e Q=RT .Atome=cm2 s D cm2 =s  Atome=cm3 cm/

. Abb. 14.3 Fließkurven von Stahl C45E

Linie und Rekristallisationstemperatur. Es erfolgt ständige Rekristallisation und somit keine Verfestigung. Die Gleitvorgänge benötigen geringere Energie, zusätzlich tritt Korngrenzengleiten auf. Die Rekristallisation benötigt Zeit, dadurch ist die zur plastischen Verformung erforderliche Fließspannung kf neben der Temperatur auch von der Geschwindigkeit abhängig. Erläuterung zu . Abb. 14.3: Graph

Umformgeschwindigkeit '=t

Beispiel

a

20=s

Schmiedehämmer

b

10=s

Mech. Pressen

c

1=s

Im Diffusionskoeffizienten D sind die Widerstände enthalten, die den Teilchenstrom bremsen: Atomgröße und Dichte des Gitters sowie die Art der Diffusionswege über Leerstellen, Zwischengitterplätze, Versetzungen oder Kornoberflächen. Auf Diffusionsvorgängen beruhen zahlreiche Verfahren: Glühen Verteilung von LE, Ausgleich von Seigerungen

Ausscheidungen, Auslagern

Lösungsglühen Lösen von sekundären Kristallen

Abbau von Übersättigung in Mischkristallen

Thermochemische Verfahren

Sintern, Diffusions-Schweißen

Einbringen von B, C, Cr, N, u.a. Elementen

Platzwechsel im Korngrenzenbereich

Für thermochemische Verfahren ist das 2. Fick’sche Gesetz wichtig. Es verknüpft den mittleren Randabstand xm , bei dem die anfängliche Konzentrationsdifferenz (C-Atmosphäre – C-Werkstoff) auf die Hälfte abgesunken ist.

Hydraul. Pressen

2Superplastitzität

ist die Fähigkeit einiger Werkstoffe, unter geringen Spannungen sehr große Umformungen bis zu 1000 % ohne Einschnürung (damit ohne Riss) auszuhalten. Bedingungen sind eine Korngröße unter 10 *m, Temperatur über 0,5 Tm (Schmelztemperatur in K) und niedrige Umformgeschwindigkeiten (5 %/min), damit Rekristallisation, Korngrenzengleiten und Diffusion ablaufen können. Es besteht die Gefahr von Hohlraumbildung durch Leerstellenansammlung. Anwendung Blasformen für flächige Teile und Isothermschmieden für kompaktere Teile von Triebwerken und -verkleidungen aus Ti- und Mg-Legierungen. Entwicklungen für IP wie TiAl und TiAl3 .

2. Fick’sches Gesetz Wurzelgesetz

xm2 D Dt ) xm D

p

Dt

Daraus ergeben sich einige Abhängigkeiten: Beziehung

Abhängigkeit

Eindringtiefe x und Zeit t

die n-fache Eindringtiefe x2 erfordert die n2 -fache Zeit t2

Zeit t und Temperatur T

t1 W t2 D D1 W D2 (D enthält T ) Produkt Dt D konstant!

Der Zeitaufwand der Diffusionsverfahren wird bereits durch kleine Temperatursteigerungen wesentlich verringert (Beispiel unter 7 Abschn. 14.3.1).

14

404

Kapitel 14  Metalle

14.4

Zweistofflegierungen (binäre Legierungen)

14.4.1

14.4.2

Allgemeines

Legierungen sind Stoffgemenge aus mehreren Komponenten (A, B, C . . . ), meist Metallen, oft sind auch Nichtmetalle beteiligt. Sie reagieren evtl. miteinander und bilden Kristalle, die Phasen (˛; ˇ; : : :). Eine Begrenzung auf zwei Komponenten – Zweistoffsysteme – ist zur Kennzeichnung der verschiedenen Legierungssysteme erforderlich. Die Komponenten lassen sich schmelzflüssig meist beliebig mischen. Nur wenige Paarungen sind unlöslich, sie bilden zwei Schmelzen übereinander (Fe-Pb, Cu-W), andere lösen sich nur teilweise, es bilden sich zwei legierte Schmelzen übereinander (Pb-Cu). Je nach Temperatur bestehen sie aus unterschiedlichen Phasen (Schmelze und Kristallarten), deren Konzentrationen und Massenverhältnisse sich aus den Zustands-Diagrammen ablesen lassen (siehe 7 Abschn. 14.4.3).

LE-Atome im Wirtsgitter sind nicht geordnet

Die Gefügebildung der Legierung hängt vom Verhalten der beiden Komponenten A und B im festen Zustand ab. Es können die folgenden Gitterstrukturen – allein oder im Gemisch – auftreten (. Abb. 14.4). Austausch-(Substitutions-) Mischkristalle (AMK) zwischen Metallen. Die Atome B sind regellos an Stelle der A-Atome im Gitter verteilt (feste Lösungen). Die Löslichkeit von B im A-Gitter hängt von Struktur und Eigenschaften der Atome ab (Kristallgitter und Wertigkeiten gleich, Atomradiendifferenz < 15 % , ähnliche Elektronegativität EN), und liegt zwischen > 0 und 100 %. Einlagerungs-(interstitielle) Mischkristalle (EMK) enthalten die Atome B auf Zwischengitterplätzen (Lücken zwischen den A-Atomen). Sie entstehen, wenn der Atomradius von B < 0,41  Atomradius A. Das gilt für die Nichtmetalle B,

Legierungselement ist Metall Austausch-(Substitutions)-MK. Atome der LE besetzen normale Gitterplätze des WG, regellos verteilt (feste Lösungen), Duktilität wenig beeinflusst

14 α-CuZn sind geordnet (Gitter im Gitter)

Überstrukturen, Treten bei bestimmten festen Atomverhältnissen einiger Systeme auf. Besondere phys. Eigenschaften, thermisch nicht stabil

Nichtmetall Systeme Einlagerungs-(interstitielle) MK. Kleine LE-Atome besetzen Zwischengitterplätze im WG, regellos verteilt. Starke Verzerrung, geringe Duktilität Cu-Pt, Cu-Ni, Cu-Au, Fe-Cr Fe- Ni, Fe-V

AuCu; AuCu3

Oktaeder im Würfel, (AuCu3 ) bilden neues, anderes Gitter

Legierungsstrukturen (Zweistofflegierungen)

Intermetallische Phase, (IP) bei geringer Ähnlichkeit der Atome, (nichtstöchiometrisches Verhältnis) → z.T. bestimmte Atomverhältnisse (stöchiometrische Verhältnisse) →

Einlagerungsstrukturen Gitter im Gitter, ≈ geordnete Einlagerungs- MK. Metall- mit NichtmetallAtomen → Hartstoffe

Titancarbid TiC, Titannitrid TiN Cu-Al, CuSn, Cu-Zn Ni3Al, Ti3Al

β-CuZn

. Abb. 14.4 Legierungsstrukturen (Legierungselement, LE-Atome; im Wirtsgitter, WG)

Systeme

Fe-C, Fe-N

Carbide, Nitride von Cr, Mo, Ti, Ta, V

405 14.4  Zweistofflegierungen (binäre Legierungen)

. Tabelle 14.6 Härte und Schmelztemperaturen von Hartstoffen (Mittelwerte) Stoff

Formel

HV 1

Tm in ı C

Bornitrid

BN

6000



Borcarbid

B4 C3

3700

2450

Ti-Carbid

TiC

3500

3140

Ti-Nitrid

TiN

2000

2950

W-Carbid

WC

2400

2870

V-Carbid

VC

2800

2830

Korund

Al2 O3

2800

2050

Si-Carbid

SiC

3500

2200

14.4.3

C, N und O. Die Gitterverzerrung ist groß, die Löslichkeit gering. Die Härte wird stark auf Kosten der Duktilität erhöht (C-Atome im Fe, H-Atome im Hartchrom). Komponenten mit starken elektrochemischen Unterschieden bilden in bestimmten Mischungsverhältnissen gemeinsam ein Gitter, das von denen beider Komponenten abweicht. Darin sind der Metallbindung auch Anteile von Ionen- oder Atombindung überlagert. Die Diffusion ist erschwert, damit das Kriechen bei hohen Temperaturen. Diese Stoffe sind härter, spröder und haben z. T. komplizierte Gitter ohne Gleitmöglichkeiten, aber mit höheren E-Moduln. Einige haben höhere Schmelztemperaturen als die Komponenten und sind damit für Hochtemperaturanwendung interessant (z. B. TiAl, Ti3 Al, AlNi [siehe 7 Abschn. 14.4.8] mit niedrigerer Dichte als die NiCo-Superlegierungen). Metalle können mit höheren Anteilen der Nichtmetalle C, N und B chemische Verbindungen bilden. Ihre Gitter sind Einlagerungsstrukturen, jedoch mit geordneter Verteilung der Nichtmetallatome im Metallgitter. Carbide, Nitride und Boride zählen auch zu den IP (. Tab. 14.6). Meist sind es Hartstoffe mit hohen Schmelzpunkten, deshalb im

Intermetallische Phasen (IP)

Bedingungen

Gefüge, Hauptanwendung

Große Ähnlichkeit der Komponenten in

Homogene Gefüge aus gleichen Mischkristallen

Atom-∅, Gitter, EN-Zahl, Wertigkeit

Verformbarkeit hoch, stark kaltverfestigend

. Abb. 14.5 Mischkristallsystem

Möglichkeit von Kristallseigerungen beim Erstarren

Knetlegierungen über den ganzen Mischungsbereich

Gefüge von Werkzeug- und warmfesten Stählen (Sondercarbide) enthalten, oder sie werden als Verschleißschutzschichten auf zähen Baustählen erzeugt (Nitrieren, Borieren) oder durch Beschichten (Plasmaspritzen, CVD- und PVD-Verfahren) aufgebracht. Sinterhartmetalle bestehen aus Mischkristallen von WC mit TC und TaC. Supraleiter aus der intermetallischen Phase Ti2 Ba2 Ca2 Cu3 O10 haben eine Sprungtemperatur von >120 K (elektrischer Widerstand wird Null, d. h. eine verlustfreie Energieübertragung ist möglich).

Zustandsdiagramme

Zustandsdiagramme entstehen aus den Abkühlkurven vieler Legierungen eines Systems oder werden berechnet. Der Schmelz- bzw. Erstarrungsbereich wird durch Liquidus(oben) und Solidus-Linie (unten) begrenzt. Darunter liegen die Phasenfelder. Sie lassen die Phasen erkennen, aus denen eine Legierung je nach Temperatur und Konzentration besteht. Zwischen den Phasen besteht thermodynamisch ein Gleichgewicht, sofern die Abkühlung sehr langsam erfolgt. Bei schnellerer Abkühlung entstehen andere Konzentrationen und Verteilungen der Phasen (sog. Ungleichgewichtszustände), die metastabil sind, d. h. bei Erwärmung dem Gleichgewichtszustand zustreben. Hierfür gelten andere Diagramme (z. B. ZTU-Diagramme 7 Abschn. 15.5.4.2).

14.4.4

Systeme mit vollkommener Mischbarkeit im festen Zustand, Mischkristallsystem

Ihre Komponenten müssen die Hume-Rothery-Regeln erfüllen: Gleiche Kristallgitter, Differenz der Atomdurchmesser < 15 %, geringe Differenzen in EN-Zahl und Wertigkeit.

Zustands-Diagramm, Merkmale Mischkristall-System, linsenförmiges Feld zwischen Liquidus- und Solidus-Linie.

weitere Systeme Ag-Au, Ag-Pt, Co-Mn Cu-Au; Cu-Pt; Cu-Pd Cu-Pt α-Fe-Cr γ-Fe-Ni; α-Fe-V Ni-Co Ni-Pt Mo-W

14

406

Kapitel 14  Metalle

Bedingungen Geringere Ähnlichkeit der Komponenten in Atom-∅, Gitter, EN-Zahl, Wertigkeit

Gefüge, Hauptanwendung Heterogene Gefüge aus zwei Kristallarten. Restschmelze zerfällt an der Solidus-Linie bei konstanter Temperatur in ein Kristallgemisch. Eutektische Reaktion: Schmelze → α + β Niedriger Schmelzpunkt, seigerungsfreie Erstarrung. Im Randbereich Knetlegierungen. Gusslegierungen für den eutektischen Bereich.

Zustands-Diagramm, Merkmale

weitere eutekt. Leg.

Eutektisches System, außen Mischkristallfelder mit gerin- Al-Druckger Löslichkeit, dazwischen Mischungslücke mit v-förmiger guss Liquidus-Linie. Al-Si mit 12 % Si Silberlot Cu-Ag mit 45 % Ag Gusseisen Fe-C mit 4,3% C ZnDruckguss Zn-Al mit 4 % Zn Hartblei Eutektikum (ca. 60 % Sn): feinkörniges Pb-Sb mit Gefüge aus den beiden Phasen 13 % Sb

. Abb. 14.6 Eutektisches System Bedingungen

Gefüge, Hauptanwendung

Zustands-Diagramm, Merkmale

Komponenten haben Mischkristallgefüge mit Ausschei- Mischkristallfeld von Solidus- und Löslichkeitslinie begrenzt, große Unterschiede in dungen intermetallischer Phasen (IP). Atom-∅, Ausscheidungen müssen feindisGitter, EN-Zahl, pers im Mischkristall vorliegen, Wertigkeit durch Aushärten erzielt. Sie steigern Festigkeit, Härte, Warmfestigkeit, evtl. magnetische Werte. Aushärtbare Legierungen

14

Aushärtbare Al-Mg-Legierungen enthalten 0,5..1,2 % Si zur Bildung von Mg2Si als ausscheidende Intermetallische Phase

weitere Systeme Al-CuMg Al-CuTi Al-MgSi Al-ZnMg Fe-C Cu-Al Cu-Be Cu-Cr Cu-NiSi Mg-Al Ti-AlV

. Abb. 14.7 Systeme mit sekundären Ausscheidungen

Legierungen im mittleren Bereich mit breitem Erstarrungsintervall bilden in der Schmelze Primärkristalle, die an kalten Formwänden kristallisieren. Die Formfüllung wird behindert. Kristallseigerung: Primärkristalle haben im Kern andere Konzentration als im Rand. 14.4.5

Systeme mit begrenzter Mischbarkeit im festen Zustand, eutektisches System

Die Komponenten haben keine oder nur geringe Mischbarkeit im festen Zustand, sie kristallisieren jede für sich unter gegenseitiger Behinderung der Kristallisation. Deren Beginn verschiebt sich dadurch zu tieferen Temperaturen, bei der eutektischen Legierung zum tiefsten Schmelzpunkt. Eutektische Legierungen lassen sich dünnwandig vergießen, da keine Primärkristalle an den Formwänden ankristallisieren und den Schmelzfluss behindern (Gegensatz zu den Legierungen mit breitem Erstarrungsintervall). Des-

halb liegen viele Guss- und Druckgusslegierungen im eutektischen Bereich bzw. in der Nähe.

14.4.6

Systeme mit sekundären Ausscheidungen

Wesentliches Merkmal ist ein Mischkristallfeld dessen begrenzende Löslichkeitslinie mit sinkender Temperatur gegen null zurückgeht. Bei langsamer Abkühlung reduziert sich die im Mischkristall gelöste Komponente durch Diffusion an die Korngrenzen und bildet dort sekundäre Ausscheidungen. Bei schneller Abkühlung entstehen metastabile, übersättigte Mischkristalle, welche Voraussetzung für das Aushärten sind. Die technisch wichtigen, aushärtbaren Legierungen sind Drei- und Mehrstofflegierungen, die ausscheidenden Phasen sind komplex aufgebaut. Das vorliegende Beispiel ist vereinfacht.

407 14.4  Zweistofflegierungen (binäre Legierungen)

Bedingungen

Gefüge, Hauptanwendung

Sehr große Unterschiede in

Die harte, spröde β-Phase steigert Härte und Festigkeit unter Abnahme der Duktilität. (→ Diagramm)

Atom-∅, Gitter, EN-Zahl, Wertigkeit

Zustands-Diagramm, Merkmale System Cu-Zn, vereinfacht An der Linie BCD findet die peritektische Reaktion statt (→ 2.4.9).

Al-Mg Al-Mn Al-SiCu

Legierungen für spanende Bearbeitung, verschleißfeste Legierungen

Cu: rCu = 128 pm, kfz, EN = 1,9 1-wertig

Intermetallische Phasen im System CuZn:

Zn: rZn = 133 pm, hdP, EN = 1,6 2-wertig

Zn-% IP- 1) Formel

Bei größeren Zn-Gehalten entstehen Intermetallische Phasen

E-Zelle Umformbarkeit

β 43.8 – 48,2

γ ca. 58

CuZn

Cu5Zn8

krz (Tabelle) kalt gering, warm gut

kub. 52 Atome nicht umformbar

ähnliche Systeme

Cu-Al; Cu-Sn;

. Abb. 14.8 Systeme mit Mischkristallen und intermetallischen Phasen (1) Formeln geben keine stöchiometrische Zusammensetzung an, sondern den Mittelwert der Konzentrationen)

14.4.7

Systeme mit Mischkristallen und mehreren intermetallischen Phasen (Beispiel Cu-Zn)

Das Legierungssystem besitzt zahlreiche Sorten, die ein breites Eigenschaftsspektrum überdecken. Das wird durch das Verhältnis der beiden Kristallarten ˛ und ˇ, daneben durch weitere LE erreicht (siehe 7 Abschn. 16.3.4 f.). Knetlegierungen liegen im Bereich der ˛-Mischkristalle (kfz). Geringe Anteile der spröden ˇ-Phase verbessern die Spanbarkeit. Sorten für Warmumformung und die Gusslegierungen besitzen davon höhere Gefügeanteile. Legierungen mit der sehr spröden -Phase im Gefüge haben keine technische Verwendung gefunden. Allgemein werden heterogene Cu-Legierungen mit IP im Gefüge als Werkstoffe für tribologische Beanspruchungen verwendet. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: 4 Weichere Pb-Kristalle (Schmiertaschen) in einem härteren Cu-Mischkristallgefüge mit IP-Anteilen. Weichere Lagerwerkstoffe für ungehärtete Reibpartner (CuPbund CuPbSn-Legierungen). 4 Härtere intermetallische Phasen in Cu-Mischkristallgefüge. Härtere Lagerwerkstoffe für gehärtete Reibpartner (CuSn- und CuAl-Legierungen).

gen. Sie sind für Hochtemperaturanwendungen interessant. Bei ihnen ist der Metallbindung eine starke kovalente (z. T. auch heteropolare, ionare) Bindung überlagert. Sie haben hohe E-Moduln, sind hart und spröde, sodass für die Fertigung besondere und aufwändige Fertigungsverfahren erforderlich sind. Mit ihren Eigenschaften bilden sie einen Übergang von hochwarmfesten Legierungen zur Keramik, mit höherer Zähigkeit als Letztere. Das leichtere Al senkt die Dichte, damit steigt die spez. Festigkeit (Reißlänge) der Legierungen. Entwickelt werden Werkstoffe auf der Basis TiAl (-Legierung) mit einer Dichte von 3,8 g/cm3 , deren geordnete Struktur einen hohen Kriechwiderstand besitzt, der bei ungeordneter Verteilung der Atome jedoch geringer ist. Geringe Zusätze von Cr, Mo Si erhöhen Festigkeit und Dehnung.

Werkzeugstähle haben eine gehärtete Stahlmatrix mit noch härteren Misch- und Sondercarbiden der Legierungselemente Cr, V, W, Mo. 14.4.8

Systeme mit intermetallischen Phasen (IP) und Maximum

In einigen Legierungssystemen treten IP auf, deren Schmelzpunkte über denen der reinen Komponenten lie-

. Abb. 14.9 Zustand-Diagramm Al-Ni

14

Kapitel 14  Metalle

408

Bedingungen Komponenten haben große Unterschiede in Atom-¿, EN-Zahl, Wertigkeit, Schmelzpunkt, ValenzElektronen, Stellung in der elektrochem. Spannungsreihe Stöchiometrische IP haben schmale Felder (AlNi3 ) bis senkrechte Linien (Al3 Ni). Nichtstöchiometrische IP haben breitere Felder und einen Bereich der Zusammensetzung (AlNi). Schmelzpunkt liegt bei AlNi mit 1638 ı C höher als bei den Komponenten.

14.5 14.5.1

Kristall- und Gefügeveränderungen Polymorphie

Einige kristalline Stoffe sind polymorph (vielgestaltig), sie können je nach Temperatur in verschiedenen Gitterstrukturen auftreten (. Tab. 14.1). Mit steigender Temperatur werden die auftretenden Phasen als ˛; ˇ;  bezeichnet. Zur Änderung des Zustands muss Energie aufgebracht werden (Haltepunkt in der Abkühlkurve). Die Dichte ändert sich dabei ebenfalls. Durch Höchstdrücke lassen sich dichtere Modifikationen herstellen (Graphit ! Diamant; hex. Bornitrid ! kubisches Bornitrid, CBN). Wenn bei der Abkühlung andere Kristallgitter mit geringerer Dichte entstehen, kann es zum mechanischen Zerfall durch innere Spannungen kommen (Zinnpest, Feuerfeststoff Zirkonoxid).

14

14.5.2

Umwandlungen bei Legierungen im festen Zustand

Neben der Polymorphie einiger Metalle und den Ausscheidungen aus Mischkristallen gibt es weitere Umwandlungen im festen Zustand. Sie sind nicht auf die Stähle beschränkt, für die sie eine besondere Bedeutung haben und dort eingehend behandelt werden. Name, Vorgänge

14.5.3

Gefügefehler

Seigerung ist die Entmischung einer Schmelze beim Kristallisieren, sie tritt als Schwerkraftseigerung z. B. bei Bleilegierungen auf, wenn leichte Kristalle in einer bleireicheren Schmelze nach oben steigen. Kristallseigerung siehe 7 Abschn. 14.4.4. Blockseigerung tritt bei Legierungen auf, die einen großen Abstand zwischen Liquidus- und Solidus-Linie besitzen. Der zuletzt erstarrte Teil, meist der Kern des Blockes oder Werkstückes ist angereichert mit den tiefschmelzenden Bestandteilen. Diese Seigerungszone bleibt auch im Kern von Walzprofilen erhalten Mikrolunker sind mikroskopisch kleine Hohlräume zwischen den Verästelungen der Kristalle, hervorgerufen durch die Erstarrungsschrumpfung der letzten Schmelzanteile. Sie werden durch Warmumformung verschweißt, dadurch Verdichtung der Walz- und Schmiedegefüge mit besseren mechanischen Eigenschaften gegenüber Gusswerkstoffen. Lunker sind größere Hohlräume. Sie treten in den Bereichen auf, die zuletzt erstarren, ohne dass flüssiges Metall nachfließen kann. Gasblasen entstehen durch Ausscheiden von in der Schmelze gelösten Gasen (H2 , O2 , N2 ), die von den Kristallen nicht eingebaut werden können (geringere Löslichkeit). Abhilfe durch Vakuumbehandlung. Gasgehalte werden auf die Hälfte reduziert, es erhöhen sich Festigkeit und Dehnung. Verunreinigungen können bei der Erschmelzung nicht völlig entfernt werden. Sie liegen als nichtmetallische Phasen im Gefüge vor und wirken sich z. T. in kleinsten Anteilen auf die Eigenschaften aus. 7 Beispiele Einfluss von Größe und Verteilung einer Phase auf die Eigenschaften (Tabelle) Werkstoff

Zusatz/Gefügeteil Auswirkung

Stahl

Stickstoff > 0,1 %

Stahl ist alterungsanfällig (Versprödung)

Schwefel, Phosphor > 0,2 %

Phasen sind bei Schmiedetemperatur flüssig, Brüche

Beispiele, Anwendungen

Eutektoide Umwandlung (ähnlich eutektischer Erstarrung) Homogene Mischkristalle reagie- Austenitzerfall zu Perlit ren am eutektoiden Punkt und zer- (7 Abschn. 15.2.2.2) oder fallen dann durch Gitterumwand- Bainit (7 Abschn. 15.5.4.2) lung zu einem Kristallgemisch

Kupfer Spuren von Bi

Risse bei der Warmumformung

Stahl

Zementitform lamellar/körnig

Spanbarkeit und Kaltformbarkeit bei körniger Form günstiger

Gusseisen

Graphitform lamellar ! kugelig

Zähigkeit steigt von GJL ! GJS, Dämpfungsvermögen fällt

Martensitische Umwandlungen Sehr schnelle diffusionslose Gitterumwandlung, gelöste Atome verbleiben in Zwangslösung ) Gitterverzerrung ) Eigenschaftsänderungen

Härten von Stahl (7 Abschn. 15.5.4.1), tritt auch auf beim Abkühlen von: Co wandelt von kfz in hdP, Ti wandelt von krz zu hdP, Memoryeffekt bei NiTi-Legierungen

9

409

Eisenwerkstoffe Wolfgang Weißbach

15.1 15.1.1

2Vakuumbehandlung

Stahlerzeugung Rohstahl

Stahl ist schmiedbares Eisen, das deswegen unlegiert einen C-Gehalt von 1,7 % nicht übersteigen darf und geringste Gehalte an P, S, O, und N besitzen muss. Für die Erzeugung haben sich zwei Erzeugungslinien durchgesetzt (. Abb. 15.1): Ausgangsmaterial

Reduktionsverfahren

Zwischenprodukt

Stahlverfahren

Anteil %

Eisenerze aufbereitet Sinter, Peletts

Hochofenprozess Leistung: 10.000 t/d

Roheisen mit z. B. 3–4 % C, 1,5 % P, 0,05 % S

OxygenBlasverfahren Schrott zur Kühlung

90 %

Elektrostahlverfahren

10 %

sortierter Schrott Eisenerze Direktredukaufbereitet, tion Leistung: Pellets 1000 t/d

Eisenschwamm ca. 1 % C

Das Endprodukt ist ein Rohstahl. Er enthält Nichtmetalle, die bei der Erzeugung durch Erze, Koks und Zuschlagstoffe in Roheisen und Stahl gelangen, unterschiedliche Wirkung auf die Eigenschaften haben und im Gehalt begrenzt werden müssen. Stahlnormen enthalten Grenzwerte dieser Stoffe (. Tab. 15.1).

15.1.2

Sekundärmetallurgie

Der erzeugte Rohstahl wird schlackenfrei abgestochen und in besonderen Anlagen und nach zahlreichen Verfahren der Sekundärmetallurgie auf die geforderten Analysenwerte gebracht (. Tab. 15.2). Es werden Reduktionsmittel zugesetzt, um durch Redoxreaktionen Schadstoffe zu reduzieren (. Abb. 15.2). Durch die Abwesenheit der Schlacke werden Nebenreaktionen und Verlust von teuren Zusatz- und Legierungselementen vermieden. Es können Gasgehalte gesenkt und die Temperatur für das nachfolgende Stranggießen genau eingestellt werden.

Alle Schmelzen lösen Gase, die im Kristallgitter nicht löslich sind. Sie reagieren z. T. zu nichtmetallischen Partikeln (Oxide, Nitride) oder werden molekular (H2 ). Dann bilden sie winzige, linsenförmige Hohlräume (Flockenrisse), welche die Zähigkeit stark senken. Unterdruck über der Schmelze vermindert Gasgehalte und vermeidet Flockenrisse. Nebenwirkungen sind: 4 Abschirmung von Sauer- und Stickstoff, keine Neuoxidation, 4 Abdampfen von Spurenmetallen wie Pb, Sn, 4 Weiterlaufen der Kohlenstoffdesoxidation nach FeO C C ! Fe C CO ". Nach dem Gesetz des kleinsten Zwanges kommt die Reaktion (Reaktionsprodukte haben größeres Volumen) bei konstantem Druck zum Stillstand. Reste von FeO und C verbleiben im Stahl. Durch Vakuumbehandlung weitere Absenkung von FeO (Oxidschlacke, Reinheitsgrad) und C (0,003 %) möglich. 2Umschmelzverfahren

Umschmelzverfahren benutzen die erkalteten Stahlblöcke als Abschmelzelektrode. Das jeweilige kleine Schmelzbad kann nicht mit der (gekühlten) Tiegelwand reagieren. Umschmelzblöcke bauen sich von unten nach oben auf, haben geringe Gasgehalte, höchsten Reinheitsgrad, keine Seigerungen und Gleichmäßigkeit von Längs- und Quereigenschaften. ESU-Verfahren: Elektro-Schlacke-Umschmelzverfahren mit Schutz durch eine synthetische Schlacke. Blockgrößen bis zu 160 t (Block mit 2,3 m ¿). Auch für das Umschmelzen unter Stickstoffdruck für austenitische Stähle angewandt (Streckgrenzenerhöhung). Vakuum-Lichtbogen-Schmelzen mit Unterdrücken bis 0,1 Pa und Kühlung einer Cu-Kokille durch wärmeleitende Na-K-Legierung. Anlagen bis zu 60 t. Auch zum Umschmelzen von Ti oder Zr und deren Legierungen angewandt (Ti-Schwamm aus dem Kroll-Verfahren oder Keislaufschrott). Anwendung für Bauteile mit höchsten Sicherheitsanforderungen oder Oberflächengüte: Warmfeste Schmiedeteile der Kraftwerkstechnik, Vergütungsstähle im Flugzeugbau, Wälzlager, Kaltwalzen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_15

15

410

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Abb. 15.1 Verfahrenslinien zur Rohstahlerzeugung

. Tabelle 15.1 Wirkung schädlicher Elemente auf Gefüge und Eigenschaften des Stahls Element

Wirkungen

Schwefel S

Als FeS enthalten, das mit Fe und FeO ein Eutektikum mit tiefem Schmelzpunkt (935 ı C) bildet. Durch Seigerung entstehen Anhäufungen, die bei Schmiedetemperatur flüssig sind ! Rot- und Heißbrüche. S-Gehalte deshalb < 0;05 % in Baustählen; < 0;035 % in Edelstählen

Phosphor P

Im Ferrit löslich, starke Mischkristallverfestigung (bei Feinblechen angewandt), kaltspröde, Gehalte < 0;08 % in Baustählen; D 0,035 % in Edelstählen. Ergibt mit Fe und C das Dreifacheutektikum Steadit mit Tm D 950 ı C (Formfüllungsvermögen, Kunstguss)

Stickstoff N

Durch schnelle Abkühlung im Ferrit zwangsgelöst. Nach Kaltumformung erfolgt langsame feindisperse Ausscheidung mit Abnahme der Zähigkeit D Alterung des Stahls, Sprödbrüche. Desoxidation mit Al bindet N zu AlN, im Ferrit unlöslich, keine Ausscheidungen

Sauerstoff O

Als FeO in der Schmelze gelöst, im Gefüge als kleinste Schlackeneinschlüsse verteilt. Führt mit FeS zum Rotbruch. Desoxidation senkt O-Gehalte auf 0,001–0,01 %. Niedrigste O-Gehalte für Werkzeug- und legierte Stähle erforderlich

Wasserstoff H

Gelangt durch Rost (Fe-Hydroxide) bei der Erschmelzung in die Schmelze. Wasserstoffversprödung durch H-Atome in den EMK. H ist auch bei RT diffusionsfähig (kleinster Atom-¿), als H2 -Molekül nicht. Rekombiniert bei Erstarrung und Abkühlung in Störstellen zu H2 -Gas mit hohem Druck ! Ursache der Flockenrisse (innere Spaltbrüche bei größeren Schmiedeteilen). H-Atome diffundieren auch bei Oberflächenbehandlung mit Säuren ein (Beizsprödigkeit), die durch Glühen bei 200 ı C verschwindet

15

411 15.2  Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm

. Tabelle 15.2 Verfahren der Sekundärmetallurgie (Pfannenbehandlung) Rohstahlmerkmale

Metallurgie

Verfahrenstechnik

Sauerstoff-, Schwefel-, Stickstoffund Phosphorgehalte zu hoch

Desoxidation, Entschwefelung, Einblasen von reaktionsfähigen Metallen (Ca, Mg, Al, Ti und Entphosphorung, Entstickung Legierungen) mit Tauchlanze, auch kombiniert mit Bodenspülen

Nichtmetallische Teilchen in Schwebe

Spülverfahren mit Ar, O, N

Gasgehalte zu hoch (H2 , N2 ), C-Gehalte zu hoch

Entgasung im Vakuum (Degas- Vakuum-Heber-Verfahren (DH), Vakuum-Umlaufverfahren (RH), sing), Frischen mit O2 Pfannenstand Entgasung (VD), Vakuum-Frischen in Pfannen (VOD), Argon-Frisch-Verf. (AOD)

LE-Gehalte ungenau

Legieren und Homogenisieren

Zugabe bei fast allen Verfahren möglich, meist kombiniert mit Einblasen von Spülgasen zur Badbewegung

Temperatur zu niedrig

Chemisch heizen

Al-Verbrennung mit O2 unter Schutzgas (VOH)

Elektrisch heizen

Pfannenofen (LF) mit Schutzgas, Pfannenofen (LF) mit Vakuum (VAD)

Einblasen durch poröse Bodensteine fördert das Aufsteigen von Oxiden, Sulfiden usw. und homogenisiert Temperatur und Zusammensetzung der Schmelze

Schlüssel: A: Argon, O: Oxidation, D: Degassing, Decarburization, LF: Ladle furnace, C: Konverter statt Pfanne, H: Heizen.

15.2 15.2.1

. Abb. 15.2 Verfahren der Sekundärmetallurgie. 1 Abstichentgasung, 2 Umlaufentgasung, 3 Feststoffeinblasen, 4 VAD, Vakuum-Entkohlung mit Lichtbogenheizung, 5 VOD-Verfahren für C-arme Cr-Ni-Stähle (18/8), 6 ESU-Elektro-Schlacke-Umschmelzen, 7 Vakuum-LichtbogenUmschmelzen

15.1.3

Vergießen des Stahls

2Strangguss

Wirtschaftliches Verfahren, spart Energie und Walzarbeit durch endmaßnahes Gießen. Stahl gelangt durch ein Tauchrohr (Abschirmung der Luft) in ein Verteilergefäß (evtl. unter Schutzgas) und ein zweites Tauchrohr in die schwingende, wassergekühlte Kokille ohne Boden, sodass der Strang, äußerlich erstarrt, nach unten durch Stütz- und Treibrollen in Kreisbogenform abgezogen werden kann. Es folgt das Trennen in der Waagerechten. Gießgeschwindigkeiten bis zu 6 m/min. Anteil ca. 90 % der Stahlproduktion, vergossen zu Brammen, Vier- und Achtkantknüppel, Hohlsträngen auf Ein- und Mehrstranganlagen.

Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm Abkühlkurve des Reineisens

Eisen ist polymorph, . Abb. 15.3 zeigt die Abkühlkurve mit den Kristallarten. Die Vorgänge über 1300 ı C sind für Fertigung und Wärmebehandlung weniger wichtig. Kristallart

˛-Eisen

 -Eisen

Kristallname

Ferrit

Austenit

Gittertyp

kub.-raumzentr.

kub.flächenzentr.

Gitterkonstante

0,286 nm

0,356 nm

Magnetismus

magnetisch

unmagnetisch

Wärmeausdehnung

kleiner

größer

Die Volumenänderung bei kristallinen Umwandlungen wird bei der Dilatometermessung zur thermischen Analy-

2Standguss

Aufwändiges Verfahren, für große Schmiedeteile in Kokillen von oben als Oberguss, oder von unten über ein Trichterrohr und Gießläufe in mehrere Kokillen gleichzeitig (Gespannguss). Anteil < 10 % der Stahlerzeugung.

. Abb. 15.3 Abkühlkurve des Reineisens und Kristallarten

15

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

412

. Abb. 15.4 Dilatometerkurve von Reineisen

se benutzt, um bei hochschmelzenden Legierungen Halteund Knickpunkte zu bestimmen. Dabei wird ein Stab über seine Länge gleichmäßig erwärmt und die Längenänderung über der Temperatur aufgezeichnet (Dilatation D Dehnung, . Abb. 15.4). Umwandlungsfreie Stoffe haben eine stetige Kurve. Bei Gitteränderungen oder Ausscheidungen wird der stetige Verlauf unterbrochen (Stufe und/oder Knick). Durch Einbau von LE finden die Umwandlungen bei anderen Temperaturen statt. Wichtigstes LE ist C, billig und in kleinen Gehalten von starkem Einfluss 2Bedeutung des Eisens als Werkstoff

4 4 4 4

Knetwerkstoffe (Stahlsorten), Gusswerkstoffe (Gusseisensorten), Werkzeuge (Härtbarkeit), Magnetwerkstoff für elektrische Maschinen.

15.2.2

15

Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, Gefüge und Umwandlungen

. Abb. 15.5 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, vollständiges, metastabiles System

15.2.2.1

Im Laufe der Abkühlung und bei RT treten folgende Kristall- und Gefügearten auf: Name

Struktur

Beschreibung

Ferrit

˛-Mischkristalle, krz

Homogenes Gefüge, stark verformbar, löst max. 0,02 % C

Zementit

Eisencarbid Fe3 C

Primärzementit kristallisiert in der Schmelze. Sekundärzementit entsteht durch Ausscheidung aus dem Austenit an den Korngrenzen

Austenit

-Mischkristalle, kfz

homogenes Gefüge, sehr stark verformbar, löst max. 2,06 % C

Perlit

Kristallgemisch

Ferrit- und Zementit in Lamellenform, entsteht durch Austenitzerfall bei 723 ı C, enthält dann 0,8 % C, Eutektoid des Systems

Eine C-haltige Schmelze kann in zwei Formen erstarren, es gibt deshalb zwei Legierungssysteme: System

Einflussgrößen

Werkstoffe

Gefüge

Fe-C, stabil, nicht veränderbar

Si-Gehalte C langsamere Abkühlung

Gusseisen mit Lamellen- oder Kugelgraphit, schwarzer Temperguss

Ferrit C Graphit

Fe-Fe3 C, Mn-Gehalte C metastabil, schnellere durch Glühen Abkühlung veränderbar

Stahlsorten, Hartguss, Temperrohguss

Ferrit C Zementit (Fe3 C), Fe3 C zerfällt zu 3Fe C C

Mischformen

Höherfestes Gusseisen

Ferrit, Graphit, Zementit

Ledeburit Kristallgemisch

15.2.2.2

Eutektikum aus -Mischkristallen C Zementit. Unterhalb 723 ı C durch Zerfall der -Mischkristalle aus Ferrit C Zementit

Umwandlungsvorgänge

Hierzu EKD . Abb. 15.6. Beim Abkühlen durchläuft der darstellende Punkt einer Legierung die Linien. Dabei finden folgende Umwandlungen statt (siehe . Tab. 15.3). 15.2.2.3

. Abb. 15.5 zeigt das Zustandsdiagramm des metastabilen Systems Fe-Fe3 C. Die Linien des stabilen Systems unterscheiden sich geringfügig. Die folgenden Beschreibungen beziehen sich auf das wichtigere System Fe-Fe3 C.

Phasen und Gefügebestandteile

Wirkung der LE auf Umwandlungspunkte, Gefüge und Eigenschaften der Stähle

Die drei Elemente C, Mn, und Si sind von der Erschmelzung her in jedem Stahl vorhanden. Legierte Stähle können Mn und Si in größeren Prozentsätzen enthalten.

413 15.2  Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm

Element

Wirkungen

Kohlenstoff C Erweitert Austenitbereich. Mit dem C-Gehalt steigt der Perlitanteil, damit Härte und Zugfestigkeit. Es sinken Bruchdehnung und Zähigkeit, Schmelztemperatur, Eignung zum Schweißen und Schmieden. Härtbarkeit ab etwa 0,3 % Silicium Si

Engt Austenitbereich ein. Desoxidationsmittel, als Intermetallische Phase FeSi enthalten, bei höheren Gehalten wird Schmiede- und Schweißeignung gesenkt, Letztere durch Oxidation zu SiO2 , hochschmelzend. In hitzebeständigen Stählen enthalten, Federstähle bis 2 %, weichmagnetische Stähle 0,4–4 %, säurefester Guss bis zu 18 %. Stabilisiert Graphit, Bestandteil von Gusseisensorten

Mangan Mn

Erweitert Austenitbereich, Desoxidationsmittel bindet S zu MnS nach FeS C Mn!MnS C Fe, MnS führt nicht zum Bruch beim Schmieden wie FeS, wichtig für die Automatenstähle mit S-Gehalten. Stabilisiert Zementit durch Bildung von Mischcarbiden (Fe,Mn)3 C

Viele Elemente verschieben die Punkte E und S im EKD nach links, sodass übereutektoide Stähle mit C-Gehalten 13 % sind die Stähle umwandlungsfrei. Das bei der Kristallisation entstehende ı-Eisen (krz) bleibt bis RT erhalten. Weniger stark kaltumformbar, Steilabfall der Zähigkeit bei der Übergangstemperatur TÜ , magnetisch, nicht härt- und normalisierbar. Homogene ferritische Gefüge sind korrosionsbeständig. Bei geringen LE-Gehalten entstehen härtbare, ferritischperlitische Stähle (martensitische, nicht rostende)

a

. Tabelle 15.6 Härte und Schmelztemperaturen von Carbiden und Nitriden der LE des Stahls

Anhebung der Streckgrenze durch Mischkristallverfestigung mit N. Herstellung durch Elektro-Schlacke-Umschmelzen unter N2-Druck (DESU-Verfahren).

15

Ferritbildner sind Elemente, die das Austenitgebiet abschnüren. Es entstehen Stähle, die ferritisch erstarren und umwandlungsfrei auf RT abkühlen (. Tab. 15.5). Ferritische Stahlsorten C-arme korrosionsbeständige Stähle, warmfeste, hitzebeständige Stähle und Stahlguss. Ferritisch-austenitische Stähle sind Cr-Stähle mit niedrigeren Anteilen an Austenitbildnern (Ni, Mn), sodass Gefüge mit etwa gleichen Anteilen Ferrit/Austenit entstehen, Die Streckgrenze liegt höher als bei austenitischen Stählen bei gleicher Korrosionsbeständigkeit. Austenitlösliche Elemente senken die kritische Abkühlgeschwindigkeit, dadurch ist tiefere Einhärtung und Durchhärtung möglich. Wichtig für Einsatz-, Vergütungsund Werkzeugstähle. Dazu gehören Al, Co, Cr, Mn, Ni, Si. Carbidbildner sind Elemente mit starker Affinität zum C. Sie bilden allein oder in Mischung mit anderen harte, beständige Carbide (. Tab. 15.6). Sie erhöhen Härte und Verschleißwiderstand sowie die Warmfestigkeit. Hierzu gehören Cr, Mo, Ti, Nb, V, W.

Stoff

Härte HV 1

T m in ı C

Bornitrid BN

6000



Borcarbid B4 C3

3700

2450

Ti-Carbid TiC

3500

3140

Ti-Nitrid TiN

2000

2950

W-Carbid WC

2400

2870

V-Carbid VC

2800

2830

15.2.2.4

Einfluss mehrerer Elemente

Mehrere LE im Stahl können ihre Wirkungen verstärken oder aufheben oder neue Wirkungen hervorrufen. Cr ist in fast allen Stahlsorten enthalten, weil es je nach Partner unterschiedliche Auswirkungen auf das Gefüge hat. . Abb. 15.7 und . Tab. 15.7 zeigen die Wirkung steigender Cr- und C-Gehalte auf das Gefüge. Mit >13 % Cr wird Stahl korrosionsbeständig. Höhere Cr-Gehalte sind nötig, um Deckschichten aus Cr2 O3 zu bilden, ohne dass dem MK Chrom entzogen wird.

15

415 15.3  Stahlsorten

. Tabelle 15.7 Chromlegierte Stahlsorten (zu . Abb. 15.7) Feld

LE und Gefüge

Eigenschaften

Beispiele Sorte

1

C niedrig, Cr hoch, carbidfreies homogenes, ferritisches Gefüge

Korrosionsbeständiger Stähle mit mittlerer Kaltformbarkeit, kaltspröde

X8Cr17 1.4016

C niedrig, Cr sehr hoch, umwandlungsfrei, festhaftende Oxidschicht, durch Al und Si verstärkt

Hitzebeständige, (zunderfeste) Stähle, bis zu 1200 ı C beständig

X10CrAl24 1.4762

2

Cr hoch, C-Gehalt bis 1 %, unter- bis überperlitisches Gefüge

Korrosionsbeständig (geschliffen), härtbar, für Messer, Wälzlager

X46Cr13 1.4034

3

C und Cr hoch, ledeburitisch, 15 % Cr-Carbide (höher schmelzend)

Schmiedbar, verzugsarm härtbar, Schnittwerkzeuge

X210Cr12 1.2080

4

0,2 < C > 0;5, Cr niedrig, unter- bis überperlitisches Gefüge

Einsatz- und Vergütungsstähle, Cr bewirkt Durchvergütung

41Cr4 1.7035

5

C hoch, Cr niedrig, überperlitisches Gefüge mit Cr-Carbiden

Noch zäh, verschleißfest, für Wälzlager, Kaltarbeitsstahl mittlerer Leistung

100Cr6 1.3505

6

C: >0,1, Cr 12–30, überperlitisches Gefüge mit PerlitBainit oder Martensitanteilen

Korrosionsbeständige vergütbare Stähle z. B. für Werkzeuge zur Glasumformung

X23CrNi17 1.2728

. Tabelle 15.8 Grenzgehalte an Legierungselementen

. Abb. 15.7 Die Gefüge Cr-legierter Stähle in Abhängigkeit vom C-Gehalt

In CrNi-Stählen verstärkt Cr die Erweiterung der Austenitgebiete durch Ni, sodass sich bereits mit 18 % Cr und 8 % Ni nach Abschrecken austenitische Stähle ergeben.

LE . . . %

LE . . . %

LE . . . %

LE . . . %

Al 0,30

Bi 0,10

Bor 0,0008

Cr 0,30

Co 0,30

Cu 0,40

Mn 1,65

Mo 0,08

Nb 0,06

Ni 0,30

Pb 0,40

Se 0,10

Si 0,60

Te 0,10

Ti 0,05

V 0,10

W 0,30

Zr 0,05

eines Stahls mit Kurznamen wird durch Symbole auf 4 Positionen gebildet (siehe auch . Tab. 15.9): Pos. 1

Pos. 2

Werkstoffsorte

Haupteigenschaft

Hauptsymbole Pos. 3 Besondere Werkstoffeigenschaften, Herstellungsart

15.3 15.3.1

Stahlsorten Einteilung und Kennzeichnung der Stähle

2Einteilung der Stähle

Die Grobeinteilung erfolgt nach den Anforderungen an die Gebrauchseigenschaften und dem Gehalt an Legierungselementen LE (. Tab. 15.8 und . Abb. 15.8). 1 Die Kennzeichnung der Stähle nach DIN EN 10027

Teil 1/05: Bezeichnungssystem für Stähle (. Abb. 15.9), Teil 2/92: Nummernsystem für Stähle. Die Bezeichnung

Pos. 4 Erzeugnisart

Zusatzsymbole

15.3.2

Stahlguss

Stahlguss hat Zusammensetzungen wie Stähle der gleichen Anwendungsgruppe und ist graphitfrei. Er wird meist in Elektro-Lichtbogenöfen erschmolzen und beruhigt vergossen. Schwindmaß mit 2 % hoch, deshalb starke Lunkerneigung, der durch Setzen von Steigern begegnet werden muss. Stahlguss ist unlegiert, niedrig und hoch legiert und schweißgeeignet. Für besondere Anforderungen gibt es weitere Sorten (. Tab. 15.10).

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

416

Qualitätsstähle Edelstähle enthalten weniger an Legierungselementen (LE ) als die Grenzgehalte (Tabelle 12) Stähle P und S-Gehalte < 0,035 %, P und S-Gehalte ≤ 0.025 , Gleichmäßiges Ansprechen auf Wärmebehandlungen unlegiert Sorten, die nicht den Anforde- mit festgelegten Werten für Einhärtungstiefe oder Oberflächenhärte. rungen der Edelstähle entStähle mit Werten der Kerbschlagarbeit KV > 27 J ( bei – 50 °C, ISO-Probe). sprechen Schweißgeeignete Feinkornstähle für Stahl-, Druckbehälter- und Rohrleitungsbau, Flacherzeugnisse kalt- oder warmgewalzt für die Kaltumformung, mit B, Nb, V oder Zr legierte, ferritisch-perlitische Stähle mit > 0,25 % C, mikrolegiert für thermomechanische Behandlung, Spannbetonstähle, Walzdraht für hochfeste Federn Nichtrostende Nach chemischer Analyse definiert: Ni ≤ 2,5 % und Ni ≥ 2,5 % bei > 10,5 % Cr und max. 1,2 % C. Stähle —— Nach Haupteigenschaften gegliedert in: korrosionsbeständige, hitzebeständige und warmfeste Stähle Alle Stähle, die nicht zu den Nichtrostenden gehören, mindestens 1 LE erreicht die Werte nach Tabelle 12 Andere I.A. nicht zum Vergüten oder Oberflächen-härten Grenzwerte Qualitäts- / Edelstahl Hochfeste Baustähle, Werklegierte vorgesehen. Stähle mit Werten der Kerbschlagar- Cr, Cu 0,5 Mn 1,8 zeugstähle Wälzlagerstähle, Stähle beit KV > 27 J ( bei – 50 °C, ISO-Probe). DualMo 0,1 Nb 0,08 Schnellarbeitstähle, Stähle mit phasenstähle, Elektrobleche Ni O,5 Ti, V, Zr 0,12 bes. physik. Eigenschaften

. Abb. 15.8 Einteilung der Stähle DIN EN 10020 . Tabelle 15.9 A, B, C Zusatzsymbole für Stahlerzeugnisse (Pos. 4) A: für besondere Anforderungen CCH

Mit Kernhärtbarkeit

CH

Mit Härtbarkeit

CZ15/25/35

Mindestbrucheinschnürung. Z (senkrecht zur Oberfläche) in %

B: für den Behandlungszustand

15

CA

Weichgeglüht

CN

Normalgeglüht bzw. normalisierend umgeformt

CAC

Auf kugelige Carbide geglüht

CNT

Nomalgeglüht und angelassen

CAR

Wie gewalzt (ohne besondere Bedingungen)

CP

Ausscheidungsgehärtet

CAT

Lösungsgeglüht

CQ

Abgeschreckt

CC

Kaltverfestigt

CQA

Luftgehärtet

CCnnn

Kaltverfestigt auf mindestens Rm D nnn MPa

CQO

Ölgehärtet

CPnnn

Kaltverfestigt auf mindestens Rp0,2 D nnn MPa

CQT

Vergütet

CCR

Kaltgewalzt

CQW

Wassergehärtet

CDC

Lieferzustand dem Hersteller überlassen

RA

Rekristallisationsgeglüht

CHC

Warm-kalt-geformt

CT

Angelassen

I

Isothermisch behandelt

CTH

Behandelt auf Härtespanne

CLC

Leicht kalt nachgezogen/gewalzt

CU

Unbehandelt

CM

Thermomechanisch umgeformt

CWW

Warmverfestigt

C: für die Art des Überzuges CA

Feueraluminiert

CSE

Elektrolytisch verzinnt

CAS

Mit einer Al-Si-Legierung überzogen

CT

Schmelztauchveredelt mit PbSN

CAZ

Mit einer AlZn-Legierung (>50 % Al) überzogen

CTE

Elektrolytisch mit PbSn überzogen (Terne)

CCE

Elektrolytisch spezialverchromt (ECCS)

CZ

Feuerverzinkt

CCU

Cu-Überzug

CZA

Mit einer ZnAl-Legierung (>50 % Zn) überzogen

CIC

Anorganische Beschichtung

CZE

Elektrolytisch verzinkt

COC

Organische Beschichtung

CZF

Diffusionsgeglühte Zn-Überzüge (galvannealed)

CS

Feuerverzinnt

CZN

ZnNi-Überzug (elektrolytisch)

417 15.3  Stahlsorten

Hauptsymbole Pos. 1 Verwendungsbe2 Mechanische reich (G für Stahlguss wenn Eigenschaften erforderlich) S Stahlbau z.B. Stähle nach Re,min DIN EN 10025-2 -3 für den -4 kleinsten -5 Erzeugnis-6 bereich

G P Druckbehälter z.B. Stähle nach DIN EN 10028 T1 ... T7, Stahlguss DIN EN 10213 G E Maschinenbau z.B. Stähle nach DIN EN 10025-2 R Stähle für Schienen oder in Form von Schienen H Flacherzeugnisse, aus höherfesten Stählen zum Kaltumformen, z.B. Bleche + Bänder nach DIN EN 10130 / 10149 D Flacherzeugnisse, (aus weichen Stählen) zum Kaltumformen, z.B. Bleche + Bänder nach DIN EN 10130, 10139 G C Unlegierte Stähle, C = Kohlenstoff Mn-Gehalt ≤ 1 %, Z.B. Stähle DIN EN 10083-1

wie oben

wie oben

Zusatzsymbole für den Werkstoff Stahl → für das 3a Zusätzliche mechanische Eigen3b Eignung für bestimmte Einschaften, Herstellungsart satzbereiche /Verfahren C: Mit bes. Kaltformbarkeit Kerbschlagarbeit Av Av (J) 27 40 60 D: Für Schmelztauchüberzüge Symbol J K L E: Für Emaillierung F: Zum Schmieden Schlagtemperatur in °C RT 0 -20 -30 -40 -50 H: Hohlprofile R 0 2 3 4 5 M: Thermomech. gewalzt N: Normalisierend gewalzt A: Ausscheidungshärtend P: Für Spundbohlen M: Thermomechanisch, Q: Vergütet N: Normalisierend gewalzt. S: Für Schiffbau Q: vergütet T: Für Rohre G: andere Merkmale W: Wetterfest (evtl. + 1 oder 2 Ziffern) H: Hochtemperatur B: Gasflaschen T: Rohre L: Tieftemperatur (L1, L2) S: Einfache Druckbehälter R: Raumtemperatur X: Hoch- u. Tieftemperatur G: Andere Merkmale, C: bes. Kaltformbarkeit evtl. mit 1 oder 2 Folgeziffern

nnn= Mindest- Cr: Cr-legiert HT: Wärmebehandelt Mn: Mn- Gehalt hoch härte HBW LHT: Niedrig legiert, wärmean: Chem. Symbole für andere behandelt Elemente + 10-facher Gehalt Q: Vergütet B: Bake hardening Re,min P: Phosphorlegiert oder mit C. Komplexphase T: Trip-Stahl D: SchmelzZeichen T I: Isotroper Stahl X: Dualphasenstahl tauchüberzüge Rm,min M: Thermomechanisch Y: Interstitiell free gewalzt (IF-Stahl) Cnn: Dnn:

kaltgewalzt D: Für Schmelztauchüberzüge warmgewalzt, für un- ED: Für Direktemaillierung mittelbare Kaltumformung EK: Für konvent. Emaillierung entfällt Xnn: nicht vorgeschrieben H: Für Hohlprofile nn: Kennzahl nach Norm T: Für Rohre; G: Andere Merkmale nnn = 100 x mittlerer C-Gehalt C. Zum Kaltumformen R: vorgeschriebener Bereich D: Zum Drahtziehen, des vorgeschriebenen des S-Gehaltes E: Vorgeschriebener Bereiches in % S: Für Federn, max. S-Gehalt in %, U: Für Werkzeuge, G: Andere Merkmale W: Für Schweißdraht

1 Symbole G ⎯ Unlegierte Stähle mit ≥ 1 % Mn, unlegierte Automatenstähle und legierte Stähle mit keinem LE > 5 %. Z.B. Einsatzstähle nach DIN EN 10084, Vergütungsstähle DIN EN 10083-2 G / PM / X Hochlegierte Stähle Mindestens ein LE ≥ 5 % HS Schnellarbeitsstähle

. Abb. 15.9 Bezeichnungssystem für Stähle

Erzeugnis 4

Tabellen A B C

Tabelle B

----

Tabelle B

Tabellen B C

Tabelle B

Hauptsymbole Zusatz4 2 C-Gehalt 3 LE und Gehalt Symbole Tabellen nn: Kennzahl LE-Symbole nach fallenden Gehalten geordentfällt A = 100-facher net, danach Kennzahlen mit Bindestrich geB C-Gehalt trennt in gleicher Folge Kennzahlen sind Vielfache der LE-%. Die Faktoren sind : 1000 für Bor; 100 für Nichtmetalle C, N, P, S; 10 für Al, Be, Cu, Mo, Nb, Pb, Ta, Ti, V, Zr; 4 für Cr, Co, Mn, Ni, Si, W Tabellen nn: Kennzahl LE-Symbole nach fallenden Gehalten geordnet, A = 100-facher danach die %-Gehalte der Haupt-LE- mit entfällt B Bindestrich in gleicher Folge C-Gehalt

LE-% von W-Mo-V-Co

entfällt

entfällt

Tabelle B

15

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

418

. Tabelle 15.10 Stahlgusss Stahlguss für allgemeine Verwendung DIN EN 10293/15 (5 unlegierte, 19 niedrig und 6 hoch legierte Sorten, die Teil der zurückgezogenen Normen DIN 1681, DIN 17182 und 17205 waren und z. T. auch in DIN EN 10213 enthalten sind). Sie sind – evtl. mit Wärmenachbehandlung – schweißgeeignet. Mechanische Eigenschaften gelten jeweils für die Erzeugnisdicke in Spalte 4. Stahlsorte

Stoff-Nr.

Dicke

Rm,min

Rp0,2

A

K V in J

mm

MPa

MPa

%

bei RT

Anwendungsbeispiele

Kurzname

Zustand

bei/°C

GE200

CN

1.0420

 300

380–530

200

25

27



Kompressorengehäuse

GE240

CN

1.0446

 300

450–600

230

22

27



Konvertertragring

GE300

CN

1.0558

 100

520–670

300

18

31



Großzahnräder

G17Mn5

CQT

1.1131

 50

450–600

240

24

70

27/40

Tunnelabdeckung (U-Bahn)

G20Mn5

CN

1.1120

 30

480–620

300

20

60

27/40

Fachwerkknoten (2,3 t)

G30CrMoV6-4

CQT

1.7725

 100

850–1000

700

14

45

27/40

Achsschenkel (400 kg)

G9Ni14

CQT

1.5638

 35

500–650

360

20



27/90

Kaltzäh, Kälteanlagen

GX3CrNi13-4

CQt

1.6982

 300

700–900

500

15



27/120

Kaltzäh, Windkraftwerksnabe

GX23CrMoV12-1

CQT

1.4931

 150

740–880

540

15

27



Warmfest, Turbinengehäuse

Weitere Stahlgusssorten Gefügeausbildung

Korrosionsbeständiger Stahlguss DIN EN 10283/10

Hitzebeständiger Stahlguss DIN EN 10295/03

Stahlguss für Druckbehälter DIN EN 10213/08

ferritisch und ferritisch-martensitisch

6 martensitische Sorten



18 Sorten

ferritisch und ferritisch-austenitisch



8 Sorten



austenitisch

15 Sorten



12 Sorten

austenitisch-ferritisch

6 Sorten

17 Sorten



15.3.3

15

15.3.3.1

Stahlsorten nach Gruppen geordnet Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten Baustählen DIN EN 10025

Diese Baustähle sind nach der Streckgrenze gestufte Stähle, die als Flacherzeugnisse (Blech, Band, Breitflachstahl) oder Langerzeugnisse (Formstahl, Stabstahl, Walzdraht, Spundwandprofile) produziert und ohne Wärmebehandlung weiterverarbeitet werden. Sie sind für normale klimatische Beanspruchung geeignet. Vom Hersteller werden bestimmte Eigenschafts-Mindestwerte gewährleistet (. Tab. 15.11). Die nachgestellten Symbole (siehe auch . Abb. 15.9 unter „Stahlbau“ Pos. 3a) kennzeichnen Kerbschlagarbeit und Schlagtemperatur. Für die Sorten gleicher Festigkeitsstufe sind in den Zeilen nach unten die Prüfbedingungen schärfer, damit ist die Neigung zu Sprödbrüchen geringer. Stähle mit angehängtem JR sind Grundstähle ebenso wie die drei letzten Maschinenbaustähle, die anderen sind Qualitätsstähle. Für höhere Anforderungen des Leichtbaues wurden schweißgeeignete Stähle mit höherer Streckgrenze entwickelt. Damit können im Stahl-, Fahrzeug- und Behälterbau

die Blechdicken reduziert, Zeit, Energie und Zusatzwerkstoff beim Schweißen und ein Vorwärmen eingespart werden. 15.3.3.2

Schweißgeeignete Feinkornbaustähle

haben durch niedrige C- und kleinste LE-Gehalte von V C Nb (mikrolegiert) auch niedrige CEV-Werte, hohe Zähigkeit bei tiefen Temperaturen, dazu die Eignung zum Kaltumformen. Ihre Festigkeit erhalten sie durch Kombination von Feinkorn (Korngrenzenverfestigung) und Teilchenhärtung (feindisperse intermetallische Phasen). Die Gefüge entstehen beim Walzen durch Einhaltung bestimmter Zeit-Temperaturfolgen (thermomechanische Behandlung, Zeichen M). Diese Sorten (M) haben kleinere C-Gehalte und CEV-Werte als die normalisierend gewalzten (N). Hochfeste Sorten sind vergütet oder ausscheidungsgehärtet (. Tab. 15.12). Zahlreiche Normen für Verwendung im Stahlbau (S), Druckbehälterbau (P) oder für Fernleitungen (L). Zu jeder Festigkeitsstufe (Streckgrenze) gehören Varianten mit erhöhter Kaltzähigkeit (Zusatzsymbol L, L1) mit noch kleineren (P C S)-Gehalten als die jeweilige Grundsorte.

419 15.3  Stahlsorten

. Tabelle 15.11 Baustähle DIN EN 10025-2/05 (E-11) Stahlsorte Kurzzeichen

Werkstoff Nr.

ReH bzw. Rp0,2 Nenndicken (mm)  16

 100

 200

Rm MPa  100

A in % Nenndicken (mm)  1 bis < 3

 3 bis < 40

A80 (längs l) l D 17–21 (quer t) t D 15–19

A (längs l) l D 26 (quer t) t D 24

Bemerkungen

Stahlsorten mit Angaben der Kerbschlagarbeit KV S235JR

1.0038

235

215

185

360–510

S235J0

1.0114

S235J2

1.0117

S275JR

1.0044

275

235

215

410–560

S275J0

1.0143

l D 14–18

l D 22

S275J2G4

1.0145

t D 12–20

t D 20

S355JR

1.0045

S355J0

1.0153

l D 14–18

l D 22

S355J2

1.0577

t D 12–16

t D 20

S355K2

1.0596

S450J0

1.0590

355

315

285

Niet- und Schweißkonstruktionen im Stahlbau, Flansche, Armaturen schmelzschweißgeeignet

Für höhere Beanspruchung im Stahl- und Fahrzeugbau, Kräne und Maschinengestelle schmelzschweißgeeignet

470–630 wie bei S275

schmelzschweißgeeignet 450

380



550–720

Nur für Langerzeugnisse

Stahlsorten ohne Werte für die Kerbschlagarbeit KV S185

1.0035

185

175

155

290–510

t: 10–14

l: 18/t: 16

Bauschlosserei

E295

1.0050

295

255

235

470–610

l: 12–16

l: 20/t: 18

Achsen, Wellen, Zahnräder

E335

1.0060

335

295

265

570–710

l: 8–12

l: 16/t: 14

Kurbeln, Buchsen, Passfedern, Keile;

E360

1.0070

360

325

295

670–830

l: 3–7

l: 11/t: 10

Stifte, alle drei Sorten sind pressschweißbar

KV in J bei 0 ı Cb

Bemerkungen

. Tabelle 15.12 Höherfeste (schweißgeeignete) Feinkornbaustähle Stahlsorte Kurzzeichen

Werkstoff Nr.

ReH a

Rm MPa

A %

DIN EN 10025-3 (E-11) Warmgewalzte Erzeugnisse normalgeglüht/ normalisierend gewalzt, Auswahl aus 4 Sorten S275N/NL

1.0490/.0491

275

370–510

S420N/NL

1.8902/.8912

420

520–680

kaltzähe Sorten NL mit KV50 D 27 J

DIN EN 10025-4 (E-11) Warmgewalzte Erzeugnisse thermomechanisch gewalzt, Auswahl aus 4 Sorten S275M/ML

1.8818/.8819

275

370–510

24

47

S460M/ML

1.8827/.8838

460

550–720

17

47

kaltzähe Sorten, Anhängezeichen ML mit KV40 D 31 J

DIN EN 10025-6 (E-11) Flacherzeugnisse, vergütet, Auswahl aus 7 Sorten S500Q/QL/QL1

1.8924/.8909/.8994

500

590–770

17

40

S960Q/QL

1.8941/.8933

960

980–1150

10

40

a b

kaltzähe Sorten Anhängezeichen QL mit KV40 D 30 J, QL1 mit KV60 D 30 J

Der Kurzname enthält die obere Streckgrenze in MPa für Nenndicken  16 mm. KV-Werte sind den Anhängesymbolen zugeordnet und gelten jeweils für alle Festigkeitsstufen.

15

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

420

. Tabelle 15.13 Kaltgewalztes Blech und Band aus weichen Stählen zum Kaltumformen DIN EN 10130/07 Sorte

Stoff.-Nr.

C%

Mn %

Festigkeitena

A80

max.

max.

Re ; Rp0,2

Rm

%

r90 b

n90 c

min.

min.

DC01

1.0330

0,12

0,60

–/280

270–410

28

Abkanten, Sicken





DC03

1.0347

0,10

0,45

–/240

270–370

34

Einfaches Tiefziehen

1,3



DC04

1.0338

0,08

0,40

–/210

270–350

38

Für höhere Umformansprüche

1,6

0,18

DC05

1.0312

0,06

0,35

–/180

270–330

40

1,9

0,20

DC06

1.0873

0,02

0,25

–/170

270–350

41

2,1

0,22

DC07

1.0898

0,01

0,20

–/150

250–310

44

a b c

Sondertiefziehgüten

2,5

Als Streckgrenze kann ein Mindestwert 140 MPa verwendet werden, bei DC06 120 MPa und bei D07 100 MPa. legiert, Zusatz von max. 0,3 % Ti. Werte gelten für Erzeugnisdicken  0,5 mm.

15.3.3.3

Flacherzeugnisse zum Kaltumformen 2Senkrechte Anisotropie r

Die Stahlsorten weichen in der Analyse von den allg. Baustählen nach DIN 10025 ab und haben andere Kurznamen. Sie werden als Blech, Band oder Langerzeugnis unter zahlreichen Normen geliefert. Für die Kaltformbarkeit und Schweißeignung sind niedrige C-Gehalte und kleinere (P + S) -Gehalte erforderlich. 2DIN EN 10130

15

Verwendung

Flacherzeugnisse aus weichen Stählen zum Kaltumformen (s D 0;353 mm). Bleche und Bänder sind schweißgeeignet und zum Aufbringen von Schutzschichten geeignet. Sie werden in zwei Oberflächengüten (A, B) und drei Ausführungen (glatt, matt, rau) geliefert (. Tab. 15.13). Viele Sorten werden korrosionsgeschützt mit Zn, ZnAl oder AlZnSi-Überzügen, auch mit Lack- oder Folienbeschichtung geliefert, weiche Sorten mit Eignung zum Emaillieren (DIN EN 10209). 2Tiefziehbleche

werden in großen Mengen für die Karosserieherstellung gebraucht. Es sind un- und niedriglegierte Qualitätsstähle mit niedriger Streckgrenze und hoher Bruchdehnung (als Gleichmaßdehnung "gl ), um starke Verformungen bei niedrigen Kräften zu erreichen. Im fertigen Bauteil sollen sie jedoch hohe Streckgrenze (Widerstand gegen Einbeulen) besitzen. Das wird durch die Umformverfestigung erreicht. Vergleichswert ist der sog. Verformungsexponent n: 2Verformungsexponent n D ln.1 C "gl /

n entspricht der Steigung der Fließkurve im doppelt log. Netz und liegt zwischen 0,13 und 0,22, je höher, umso niedriger die Einschnürung (Dickenänderung).

kennzeichnet die Neigung zu Dickenänderung beim Tiefziehen (Bruchgefahr) und wird im Zugversuch als Verhältnis von Breitenänderung zu Dickenänderung ermittelt. r > 1: Material fließt aus der Breite, bei r < 1 fließt es aus der Dicke in die Zugrichtung. 15.3.3.4

Der Trend zum Leichtbau und die Konkurrenz von Alund Mg-Legierungen sowie verstärkten Polymeren führten zu Neuentwicklungen bei Stahlblechen. Sie unterscheiden sich durch Analyse, thermomechanische Behandlung und damit im Gefüge (. Tab. 15.14). Entwicklungsziele waren dabei: 4 Höhere Streckgrenze im Vormaterial bei ausreichender Bruchdehnung und geringe Anisotropie, 4 hohe Festigkeit im fertigen Werkstück durch zusätzlich Verfestigungsmechanismen. Die letzten vier Typen (. Tab. 15.14) enthalten max. 0,005 % B, das die krit. Abkühlgeschwindigkeit besonders stark senkt. Höherfeste Sorten mit geringerer Bruchdehnung werden z. B. für großflächige Teile mit geringer Verformung (Motorhauben) oder für Sicherheitsbauteile in crashgefährdeten Zonen eingesetzt. Die niedrige Verformungsverfestigung wird durch die anderen Verfestigungsmechanismen ausgeglichen. 2DIN 10149

Warmgewalzte Flacherzeugnisse aus Stählen mit hoher Streckgrenze zum Kaltumformen. Ermöglichen Werkstoffund Gewichtsersparnis z. B. im Kran- und Schwerlastfahrzeugbau (. Tab. 15.15).

2Anisotropes Verhalten

bedeutet unterschiedliches Fließen in Längs- und Querrichtung des Bleches bei Tiefziehen als Folge von Walztexturen.

Höherfeste Stähle zum Kaltumformen

15.3.3.5

Einsatzstähle

sind Baustähle mit geringen C-Gehalten (< 0;2 %), die beim Abschrecken ihre Zähigkeit nicht verlieren,

15

421 15.3  Stahlsorten

. Tabelle 15.14 Entwicklungen für höherfeste Stähle zum Kaltumformen, z. T. in DIN EN 10268/13; 10346/15 Stahltyp

Beispiele a

Bechreibung

Y-Stähle (Interstitial Free)

HC160Y, 180, 220, 260, 300

Ferritische Stähle ohne C-Atome auf Zwischengitterplätzen. max. 0,01 % C sind an 0;12 % Ti C 0;09 % Nb gebunden. Dadurch hohe Kaltformbarkeit. 5 Sorten

LA-Stähle (Low Alloy)

HC260LA

Mikrolegierte Stähle, C-arm, mit Nb/Ti legiert, Festigkeit durch Aushärtung. 7 Sorten, 260/300/340/380/420/460/500

B-Stähle (Bake-Hardening-Effekt Index BH2 in MPa)

HC180B, 220, 260, 300

Sorten, die beim Einbrennen des Lacks aushärten. Anlieferungszustand ist lösungsbehandelt, mit einer noch niedrigen Streckgrenze. Das Einbrennen stellt den Auslagerungsvorgang dar. Die Streckgrenze erhöht sich um BH2 D 35–40 MPa. 4 Sorten

FB-Stähle

HDT450F

0,18 % C, 0,005 % B, ferritisch-bainitisch, 2 warmgewalzte Sorten (450 und 560)

DP-Stähleb (Dualphasenstähle)

HCT450X, 500, 600, 780, 980

0,14–0,23 % C, 2 % Mn, 2 % Al, 1 % Cr C Mo. Ferrit mit ca. 20 % Martensitinseln durch schnelles Abkühlen aus dem -˛-Zweiphasenfeld. 5 kaltgewalzte Sorten C HDT580X (D warmgewalzt)

CP-Stähleb (Komplexphasenstähle)

HCT600C, 750, 780, 950, 980

Mehrphasige Gefüge aus Ferrit, Martensit und Bainit (0,18 % C, 2,2 % Mn, 2 % Al, 1 % Cr C Mo). Streckgrenzen von 680–720 MPa. 6 Sorten, davon 3 auch warmgewalzt

TRIP-Stähleb (Restaustenitstähle, Transformation Induced Plasticity)

HCT690T, HCT780T

0,32 % C, 2,2 % Si, 2,5 % Mn. Metastabiler Austenit im ferritisch-bainitischem Gefüge, durch schnelle Abkühlung nach dem Endwalzen bei Temperaturen von 800–900 ı C und Haspeln bei ca. 300 ı C Kaltumformung erzeugt zusätzliche Verfestigung durch Austenitumwandlung in Martensit. Bruchdehnung bei >20 %. 2 Sorten

a H: Höherfest, C: Kaltgeformt. Zahlen geben die Mindest-0,2-Dehngrenze in MPa an; bei einem T vor der Zahl die Mindestzugfestigkeit in MPa, die Folgebuchstaben bezeichnen den Stahltyp. b Zusätzlich Bake-Hardening-Effekt möglich.

. Tabelle 15.15 Thermomechanisch gewalzte Stähle nach DIN EN 10149-2/13. Auswahl aus 9 Sorten Kurznamea

(SEW 092)

Stoff-Nr.

Zugfestigkeit Rm MPa

A % für t  3 mm

Faltversuch, 180ı Dorn-¿ mm

Biegeradien für Dicke t 3–6

> 6 mm

S315MC

QStE 300 TM

1.072

390–510

24

0t

0,5

1,0

S420MC

QStE 420 TM

1.0980

480–620

19

0,5t

1,0

1,5

S500MC

QStE 500 TM

1.0984

550–700

14

1t

1,5

2,0

S600MC

QStE 600 TM

1.0988

650–820

13

1,5t

S700MC

QStE 700 TM

1.0966

750–950

12

2t

2,0

2,5

a

Kurzname enthält die obere Streckgrenze in MPa, Bruchdehnung A an Längs-, Faltversuch an Querproben.

durch LE wird die Streckgrenze erhöht (. Tab. 15.16). Durch Aufkohlen (veraltet Einsetzen) erhält eine Randzone ca. 0,7 % C und wird härtbar (Wärmebehandlung 7 Abschn. 15.5.5.2). Für das Direkthärten aus der Aufkohlungstemperatur sind Mo-Stähle günstig. 15.3.3.6

Automatenstähle sind warmgewalzt (blank als Rund-, Vierkant-, Sechskant- und Flachstahl). Verwendung Niedrigbeanspruchte, kleinere Teile, wie abgesetzte Wellen, Bolzen, Büchsen, Scheiben, Zahnräder zur Bewegungsübertragung.

Automatenstähle

mit 0,15–0,4 % S als Mangansulfid ergeben beim Spanen kurze Späne, saubere Oberfläche und geringe Schneidenbeanspruchung, auch zusätzlich mit 0,15–0,35 % Pb (. Tab. 15.17).

15.3.3.7

Vergütungsstähle

Vergütungsstähle sind Baustähle mit 0,25–0,5 % C und steigenden Gehalten an Cr, Mn, Mo und Ni, damit auch größere Querschnitte durchvergüten. Die erreichbare Ver-

422

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Tabelle 15.16 Einsatzstähle DIN EN 10084/08, Auswahl aus 20 Sorten Stahlsorte

WerkstoffNummer

HB geglüht

Stirnabschreckversuch, Härte HRC für einen Stirnabstand in mm 1,5

5

11

Anwendungsbeispiele

25

17Cr3CH

1.7016

174

39

Bolzen Zapfen, Buchsen, Hebel

16MnCr5CH

1.7131

207

39

31

21

20MnCr5CH

1.7147

217

41

36

28

20MoCr4CH

1.7321

207

41

31

22

22CrMoS3-5CH

1.7333

217

42

37

28

17CrNi6-6CH

1.5919

229

41

31

20

22

mittlere hochbeanspruchte Getriebeteile

18CrNiMo7-6CH

1.6587

229

40

39

36

31

größere Wellen, Zahnräder

21

Zahnräder und Wellen im Fahrzeug- und Getriebebau

22

für Direkthärten geeignet für größere Querschnitte

. Tabelle 15.17 Automatenstähle DIN EN 10087/99 Stahlsorte

Kurzname

Stoff-Nr.

Festigkeiten in MPa Rm

Wärmebehandlung nicht vorgesehen Einsatzstähle

Vergütungsstähle

Härte HBW Sorten mit 0,15–0,35 % Pb Zustand

Re

11SMn30

1.0715

380–570

112–169

11SMnPb30 1.0718

11SMn37

1.0736

10S20

1.0721

360–530

107–156

10SPb20

15SMn13

1.0725

430–600

128–178



35S20

1.0726

490–624

320

A D 16 %

35SPb20

38SMn26

1.0760

530–700

420

15

38SMnPb26 1.0761

44SMn28

1.0762

630–800

420

16

44SMnPb28 1.0763

46S20

1.0727

590–760

430

13

46SMnPb20 1.0757

U

11SMnPb37 1.0737 1.07222

U

1.0756 V

Eigenschaftswerte gelten für den angegebenen Zustand im ¿-Bereich 16–40 mm. U: unbehandelt, V: vergütet.

15 gütungsfestigkeit ist dickenabhängig Bei hochfesten Nilegierten Sorten ist auch die Zähigkeit längs und quer zur Faserrichtung hoch (. Tab. 15.18). Mn- und Cr-legierte Sorten neigen zur Anlasssprödigkeit, wenn sie aus der Anlasstemperatur langsam abkühlen. Ursache sind Ausscheidungen harter Phasen, welche die Kerbschlagarbeit senken. Schnelle Abkühlung verhindert die Ausscheidungen, ebenso Gehalte an Mo oder V. Solche Stähle können langsam abkühlen, ohne dass die Zähigkeit sinkt, wichtig für Bauteile mit größeren Querschnitten, die spannungsarm sein müssen. DIN EN 10083-1 enthält 8 unlegierte Edelstähle von C22E bis C60E und 28Mn6 (P und S je 0,35 %), davon sind 5 als Qualitätsstähle (gleiche C-Gehalte, P und S je  0,45 %) lieferbar. Mit Ausnahme von 28Mn6 gibt es zu jeder Sorte eine Variante mit verbesserter Spanbarkeit durch leicht erhöhte S-Gehalte (0,02–0,04 %) z. B. C35R. Teil 3 enthält 16 mit Cr, CrMo, CrNiMo und NiCrMo niedrig legierte Sorten, dazu 6 Sorten mit Bor-Gehalten von 0,0008–0,005 %. Bor senkt in kleinsten Gehalten die kriti-

sche Abkühlgeschwindigkeit stark. Bor-legierte Stähle sind deshalb für kleine Wanddicken zum Form-(Press-)härten geeignet. 15.3.3.8

Nitrierstähle

Nitrierstähle sind Vergütungsstähle, die im vergüteten Zustand durch Nitrieren eine harte Randzone erhalten. Sie enthalten Al als Nitridbildner, die anderen Elemente dienen der Festigkeitssteigerung und Durchvergütung (. Tab. 15.19). 15.3.3.9

Federstähle

Federstähle sind Vergütungsstähle für kleinere Querschnitte, deswegen genügen geringe Gehalte an LE. Um hohe Streckgrenzenwerte zu erhalten, sind die C-Gehalte (0,5–0,75 %) erhöht und Si zur Mischkristallverfestigung zulegiert. Die Stahlsorten werden warm- oder kaltgeformt und als Draht oder Band geliefert. Als unmagnetische und korrosionsbeständigere Werkstoffe gibt es neben nicht rostenden Stählen noch Cu-Legierungen, letztere auch für

15

423 15.3  Stahlsorten

. Tabelle 15.18 Vergütungsstähle DIN EN 10083-2/06 und -3/07, Auswahl aus 8 + 22 Sorten, Werte bei RT, vergütet Durchmesserbereich d  16 mm Stahlsorte

Werkstoff-Nr.

Re

Rm

MPa

16  d 40 mm

A

Z

Re

%

%

MPa

Rm

A

Z

KV

%

%

J

C22E

1.1151

340

500–650

20

50

290

470–620

22

50

50

C45E

1.1191

490

700–850

14

35

430

650–800

16

40

25

C60E

1.1221

580

850–1000

11

25

520

800–950

13

30



28Mn6

1.1170

590

800–950

13

40

490

700–850

15

45

40

a

34Cr4

1.7033

700

900–1100

12

35

590

800–950

14

40

40

41Cr4a

1.7035

800

1000–1200

11

30

660

900–1100

12

35

35

34CrMo4a

1.7220

800

1000–1200

11

45

650

900–1100

12

50

40

42CrMo4a

1.7225

900

1100–1300

10

40

750

1000–1200

11

45

35

34CrNiMo6

1.6582

1000

1200–1400

9

40

900

1100–1300

10

45

45

30CrNiMo8

1.6580

1050

1250–1450

9

40

1050

1250–1450

9

40

30

35NiCr6

1.5815

750

800–1080

12

40

740

880–1080

14

40

35

36NiCrMo16

1.6773

1050

1250–1450

9

40

1050

1250–1450

9

40

30

30MnB5

1.5531

800

950–1100

13

50

650

800–950

13

50

60

a

Zu diesen legierten Edelstählen gibt es eine Variante mit verbesserter Spanbarkeit durch leicht erhöhte S-Gehalte (0,02–0,04 % S), z. B. 41Cr4R.

. Tabelle 15.19 Nitrierstähle DIN EN 10085/01, Auswahl aus 9 Sorten Stahlsorte

Eigenschaften vergütet

Eigenschaften,

Kurzname

Werkstoff-Nummer

¿-Bereich mm

Rp0,2 MPa

A %

31CrMo12

1.8515

40

850

10

41–100

800

11

35

800

KV J

HV 1 Anwendungen warmfest, für Teile von Kunststoffmaschinen

31CrMoV9

1.8519

80

800

11

35

800

ionitrierte Zahnräder hoher Dauerfestigkeit

34CrAlMo5-10

1.8507

70

600

14

35

950

Druckgießformen für AlLegierungen

35CrAlNi7-10

1.8550

70–250

600

15

30

950

für große Querschnitte

Strom führende Federn. Die Werkstoffwahl beginnt mit dem Halbzeug, das für die jeweilige Federform benötigt wird. Nach der Entscheidung für Draht oder Band, je nach Form der Feder (oder federnder Elemente), muss die mechanische Beanspruchung (statisch, dynamisch, niedrig – hoch) zur Wahl herangezogen werden. Je nach Korrosionsangriff können beschichtete (Z D Zn-Überzug, ZA D ZnAl-Überzug, ph D phosphatiert) oder nicht rostende Stähle gewählt werden (. Tab. 15.20). Bei allen Federn kann die Dauerfestigkeit durch Kugelstrahlen der Oberfläche oder nochmaliges Anlassen nach Kaltumformen erhöht werden. Bei Federband aus Vergü-

tungsstahl (50CrMo4 C Nb) führt eine TM-Behandlung zu Dauerfestigkeiten von D D 900 MPa. Es bleibt eine ausreichende Verweilzeit vor dem Anlassen für Umformarbeiten (z. B. Federaugen rollen).

15.3.3.10

Wälzlagerstähle

Die örtliche Linien- oder Punktbeanspruchung von Wälzkörpern und Ringen verlangt harte Werkstoffe mit Beständigkeit gegen Verschleiß und Oberflächenzerrüttung durch das ständige Überrollen. Den Anforderungen genügen nur gehärtete Stähle mit hohem Reinheitsgrad (evtl.

424

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Tabelle 15.20 Federstähle Stahldraht für Federn DIN EN 10270/12 in Ringen oder Stäben mit ¿ von 0,5 mm–10 (20) mm C-Stähle nach Teil 1, patentiert C kaltgezogen Zugfestigkeit

CrV- und SiCr-Stähle nach Teil 2, ölschlussvergütet

Rm a in MPa für Draht-¿ in mm

Dauerfestigkeit

Rm b in MPa für Draht-¿ in mm

statisch

Rm b in MPa für Draht-¿ in mm

Dauerfestigkeit mittel

Sorte

1

4

15

Sorte

0,5

4

15

Sorte

niedrig

SL

1710

1320



FDC

1900

1550

1270

TDC

mittel

SM

1960

1530

1110

FCrV

2000

1610

1400

hoch

SH

2210

1740

1270

FDSiCr

2100

1850

mittel

DM

1960

1530

1110

FDSiCrV 2280

2060

hoch

DH

2210

1740

1270

hoch 0,5

3

5

VDC

1850

1600

1540

TDCrV

VDCrV

1910

1670

1570

1570

TDSiCr

VDSiCr

2080

1910

1810

1760

TDSiCrV VDSiCrV 2230

2060

1910

a Die Sorten mit mittlerer und höherer Dauerfestigkeit haben gegenüber den statisch belastbaren Sorten einen höheren Reinheitsgrad und definierte Oberflächenbeschaffenheit (Oberflächenfehler und Randentkohlung). b untere Werte von Rm ; E-Modul E D 206:000 MPa, Gleitmodul G D 81:500 MPa.

Nichtrostender Federstahldraht DIN EN 10270-3/12, kaltgezogen (Durchmesser von 0,2–10 mm) Sorte

Stoff-Nr.

Zugfestigkeit Rm in MPa für Draht-¿ in mm

T max

E-Modul

G-Modul

 0,2

0,4–0,5

4,25–5

8,5–10

ı

MPa

MPa

C

X10CrNi18-8

1.4310

2200

2050

1450

1250

30 bis C270

180.000

70.000

X5CrNiMo17-12-2

1.4401

1725

1650

1200

1050

300

175.000

68.000

X7CrNiAl17-7

1.4568

1975

1900

1350

1250

350

190.000

73.000

Warmgewalzter Federstahl DIN EN 10089/03, vergütbar, mit Rp0,2 D 1030–1175 MPa bei A D 6 % (für 10 mm ¿, vergütet)

15

Beispiele aus 19 Sorten

Anwendungsbeispiele

38Si7, 54SiCr6, 60SiCr7

Federringe und -platten zu Schraubensicherung (38 Si7), Blatt-, Schrauben- und Kegelfedern für Fahrzeuge, Federplatten für Oberbau, Tellerfedern

55Cr3, 51CrV4, 52CrMoV4

Hochbeanspruchte Blatt-, Schrauben- und Drehstabfedern, Stabilisatoren

Vakuumstahl). Für steigende Querschnitte sind steigende LE-Gehalte zur Durchhärtung erforderlich. Niedriglegierte Sorten: C100Cr6, C100CrMn6, C100CrMo7 mit Härten von 58–64 HRC. Bei Korrosionsangriff X46Cr13, X90CrMoV18, bei höheren Temperaturen bis 300 ı C X30CrMoN15-1, beständig gegen Lochkorrosion (FAG). Unmagnetisch ist X5CrNi18-10, plasmaaufgekohlt und ausscheidungsgehärtet auf 520 HV von 196 bis C700 ı C stabil (INA). Für sehr hohe Drehzahlen sind Hybridlager mit Wälzkörpern aus Si-Nitrid (Dichte 3,2 g/cm3 , kleinere Fliehkräfte) günstig, bei heißen korrodierenden Medien werden auch Vollkeramiklager eingesetzt. 15.3.3.11

Kaltzähe Stähle

Für Behälter, Leitungen und Armaturen in Kontakt mit verflüssigten Gasen müssen die Werkstoffe aus Sicherheitsgründen eine hohe Kaltzähigkeit bei der Temperatur des

jeweiligen Gases aufweisen (. Tab. 15.21). Weitere Sorten in DIN EN 10213/08; Stahlguss für Druckbehälter – austenitische und ferritische Sorten; DIN EN 10222-3/99 Schmiedestücke aus Stahl für Druckbehälter, Nickelstähle. 15.3.3.12 ı

Stähle für höhere Temperaturen

über 350 C dürfen bei der Gebrauchstemperatur keinen Gefügeveränderungen unterliegen, die zu Erweichung führen. Durch die thermische Aktivierung verlieren die Mechanismen der Festigkeitssteigerung z. T. ihre Wirkung, sodass Versetzungen, die bei RT blockiert sind, nun langsam wandern, z. T. in andere Ebenen klettern können. Durch Diffusion wirken Korngrenzen nicht mehr als Hindernisse, es kommt zum Korngrenzengleiten. Feindispers ausgeschiedene Teilchen können in Lösung gehen. Die Folge ist das Kriechen, eine sehr langsame bleibende Formänderung unter Spannung, Nach einer längeren Kriechphase mit konstanter Kriechgeschwindigkeit (tem-

15

425 15.3  Stahlsorten

. Tabelle 15.21 Kaltzähe Stähle DIN EN 10028-4/09, Auswahl aus 7 Sorten Sorte

Werkstoff-Nr.

KV min a ı

J

Rm,min

ReH,min

A

C

MPa

MPa

%

Eignung für Gase mit der Siedetemperatur in °C

11MnNi5-3

1.6212

40

60

420

285

24

Propen, C3 H6

47

15NiMn6

1.6228

40

80

490

355

22

Kohlendioxid, CO2

78

X12Ni5

1.5680

40

120

530

390

20

Ethen, C2 H4

104

X8Ni9

1.5662

40

170

640

490

18

Methan, CH4

164

X7Ni9

1.5663

100

196

680

585

18

Sauerstoff, O2

183

55

196

750

340

40

Wasserstoff H2

253

Austenitische Stähle a

Ermittelt an Spitzkerbproben längs, Erzeugnisdicke  30 mm.

. Tabelle 15.22 Auswahl warmfester Stähle Sorte

Kurzzeitversuch Rp0,2 in MPa bei ı C 20

300

400

Langzeiteigenschaften über 100.000 h in MPa bei ŒT  D ı C 500

500 Rp1

550 Rm

Rp1

Gefüge

600 Rm

Rp1

650 Rm

Rp1

Rm

P265GH

255

155

130



ferrit.-perlit.

13CrMo4-5

295

215

190

175

98

137

36

49

10CrMo9-10

300

270

205

185

103

135

49

68

22

34

X20CrMoV12-

490

390

360

290

190

235

98

128

43

59

17

23

vergütet

X8CrNiNb16-13

205

137

128

118

186

157

181

154

78

108

49

64

austenitisch

GX22CrMo12-1

540

430

390

340

172

207

91

118

34

49





oberer Bainit

peratur- und spannungsabhängig) folgt eine Zunahme der Kriechgeschwindigkeit mit folgendem Bruch. 2Zeitstandfestigkeit

Rm/t/T ist die Spannung, die nach einer Zeit t bei der Temperatur T zum Bruch führt.

vergütet vergütet

Stähle bis 700 ı C verwendet, noch höher müssen Ni- und Co-Basislegierungen eingesetzt werden (. Tab. 15.22). 2Normung

DIN EN 10028-2 Flacherzeugnisse aus Druckbehälterstählen – unlegierte und legierte warmfeste Stähle; DIN EN 10213/08 Stahlguss für Druckbehälter – warmfeste Sorten.

2Zeitdehngrenze

Rp="=t=T ist die Spannung, die nach einer Zeit t bei einer Temperatur T eine bestimmte Dehnung " (in %) hervorruft (siehe 7 Abschn. 20.4). 2Warmfeste Stähle

unlegiert, sind vergütet bis ca. 400 ı C einsetzbar. Legierte Stahlsorten enthalten Cr, Mo, und V, zur Mischkristallverfestigung, zur Anhebung der Anlasstemperatur und zur Bildung thermisch stabiler, feinstverteilter Carbide als Kriechhindernisse. Die Stähle werden vergütet (bainitisiert) und sind bis ca. 540 ı C geeignet.

2Hochwarmfeste Stähle

sind ferritisch-martensitisch durch 12 % Cr und bis ca. 600 ı C einsetzbar. Darüber werden austenitische CrNi-

15.3.3.13

Hitzebeständige Stähle

sind gegen heiße Gase beständig. Zunderung ist der Materialverlust durch Reaktion mit heißen Gasen über 600 ı C. Ein Stahl ist zunderbeständig, wenn der Masseverlust durch Verzunderung im Mittel 1 g auf 1 m2 Oberfläche nicht übersteigt und bei 50 ı C höher nicht mehr als 2 g/m2 beträgt. Dabei wird mit 4 Zwischenkühlungen gearbeitet (. Tab. 15.23). Bei Stählen mit -˛-Umwandlung wird eine gebildete Oxidschicht beim Wechsel von Erwärmen und Abkühlen gelockert (Volumensprung, . Abb. 15.3 in 7 Abschn. 15.2.1). Sie wächst nach innen und platzt ab. Die hitzebeständigen Stähle sind umwandlungsfrei, ihre LE Cr, Al und Si reagieren mit den Gasen und bilden eine dichte Schutzschicht. Die Beständigkeit hängt von der

426

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Tabelle 15.23 Hitzebeständige Stähle, Auswahl nach DIN EN 10095/99, Langzeitwerte abgeschätzt Stahlsorte

Werkstoff-Nummer

max. Temp. in ı C

Rp0,2 in MPa

A in %

Zeitfestigkeiten in MPa Rm;1000 bei ı

600 C

Rm;10:000 bei ı

900 C

ı

600 C

Rm;100:000 bei ı

900 C

600 ı C

900 ı C

20

1

60

3





97

7

Ferritische Stähle, geglüht X10CrAlSi7

1.4713

800

220

20

56

3,0

36

1,9

ı

Austenitische Stähle, lösungsgeglüht (1000–1150 C) und abgeschreckt X15CrNiSi25-21

1.4841

1150

230

30

170

20

130

10

Ferritisch-austenitische Stähle, lösungsgeglüht (1000–1100 ı C) und abgeschreckt X15CrNiSi25-4

1.4821

1100

400

16

65

30

100

3,6

35

1,9

ı

Ni-Legierungen, lösungsgeglüht (1000–1050 C) und abgeschreckt NiCr15Fe8

2.4816

1150

240

22

120

15

. Tabelle 15.24 Korrosionsbeständige Stähle (Auswahl DIN EN 10088/10) Stahlsorte

Stoff-Nr.

Rp0,2

A

Beständigkeit, Anwendungen

Ferritische Stähle (Werte für Zustand A, geglüht, in Klammern martensitisch, Zustand QO, ölgehärtet) X6Cr13

1.4000

240

19

geschliffen beständig gegen Dampf und Wasser, Essbestecke, Spindeln für Armaturen

X2CrTi12

1.4512

210

25

tiefziehbar bis 3 m Dicke, erhöhte Säurebeständigkeit, Schanktische, Waschmaschinen

(X90CrMoV18)

1.4112

HRC60



härtbarer Werkzeugstahl für Messer in Nahrungsmittelmaschinen, rostfreie Wälzlager

Austenitische Stähle (Werte für Zustand AT, lösungsgeglüht)

15

X5CrNi18-10

1.4301

230

45

Grundtyp, schweißgeeignet, beständig gegen interkristalline Korrosion bis 6 mm Blechdicke, Tiefziehteile aller Art

X6CrNiTi18-10

1.4541

220

40

Ti-stabilisiert, keine Carbidausscheidungen beim Schweißen, hochfest stabil

X6CrNiMoTi17-12-2

1.4571

240

40

kaltstauchbar, hochkorrosionsbeständig, Pharma-Industrie

Zusammensetzung der Gase ab. Ferritische Stähle sind mechanisch geringer belastbar, aber korrosionsbeständiger. Sie neigen zum Kornwachstum und werden dadurch kaltspröde.

Kugelgraphit nach DIN EN 13835/12 mit 10 Sorten z. B. GJSA-XNiCr20-2 (GGG-NiCr 20 2) mit steigenden CrGehalten oder GJSA-XNiSiCr35-5-2 (Handelsnamen NiResist).

2Austenitische Sorten

sind hochwarmfest, ihre größere Wärmedehnung bei kleinerer Wärmeleitfähigkeit macht sie empfindlich für Ermüdung durch periodische Temperaturwechsel. Anwendung Bauteile von Industrieöfen und Geräte zum Fördern und Handhaben des Glühgutes (Durchlauföfen), Teile für Dampfkessel-, Apparatebau und Erdölverarbeitung, Heizleiterlegierungen.

2Normung

hitzebeständiger Werkstoffe: DIN EN 10095/99 Stähle und Ni-Legierungen, DIN EN 10090/98 Ventilwerkstoffe, DIN 17470/84 Heizleiterlegierungen. Hitzebeständiger Stahlguss DIN EN 10295/03, z. B. GX40CrS17 (ferritisch) oder GX40CrNiSi25-20 (austenitisch). Hitzebeständiges Gusseisen GJS-SiMo oder austenitisches Gusseisen mit

15.3.3.14

Korrosionsbeständige Stähle

verhalten sich in Elektrolyten passiv, d. h. sie nehmen wie die Edelmetalle nicht an Reaktionen teil. Es wird durch CrGehalte von 13 % erreicht. Die Stähle stehen dann in der Spannungsreihe der Elemente vor dem Platin. Das gilt nur, wenn alles Cr gelöst ist. Da Cr auch Carbidbildner ist, muss mit steigenden C-Gehalten der Cr-Anteil größer werden. Cr-Stähle mit über 0,1 % C sind nur im abgeschreckten Zustand beständig. Beim Erwärmen (Schweißwärme) scheiden sich Cr-Carbide auf den Korngrenzen aus, der an Cr ärmere Rand wird unedler (anodisch) und geht in Lösung. Risse längs der Korngrenzen führen zum Kornzerfall, auch interkristalline Korrosion genannt. Abhilfe durch extrem niedrigen C-Gehalt oder Zulegieren von Ti, Nb, Ta, die größere Affinität zum Kohlenstoff haben als Chrom, welches dann im Mischkristall verbleibt (. Tab. 15.24).

427 15.3  Stahlsorten

Einfluss des Kohlenstoffs

C-Gehalt Härte steigt, ↑ steigt Zähigkeit sinkt LE-Gehalt niedrig Wasserhärtung, Verzug hoch niedrig ←

Einfluss der Legierungselemente Werkzeuggestalt

C-Gehalt Zähigkeit steigt, Härte sinkt und muss durch LE wie ↓ sinkt z.B. Cr, Mo, V, W) ausgeglichen werden LE-Gehalt mittel LE-Gehalt hoch Ölhärtung, Verzug geringer Warmbad- / Lufthärtung,Verzug klein Querschnitt, Komplexität → hoch

. Abb. 15.10 Wirkung des Kohlenstoffs und der Legierungselemente in Werkzeugstählen

2Normen

Korrosionsbeständiger Stahlguss DIN EN 10283/10; k 0 -beständige Stähle DIN EN 10088/10; Stahlguss für Druckbehälter DIN EN 10213/08: Austenitische und ferritisch-austenitische Sorten). Schmiedestücke für Druckbehälter DIN EN 10222-5/00: Martensitische, austenitische und ferritisch-austenitische nichtrostende Stähle). 15.3.3.15

Werkzeugstähle

Härtbare Stähle mit C-Gehalten von 0,3–2,1 % C und steigenden LE-Gehalten für steigende Querschnitte, um Durchhärtung (Druckfestigkeit) zu erzielen (. Abb. 15.10). Die Grobeinteilung (DIN EN ISO 4957) erfolgt nach der thermischen Beanspruchung in Kalt- und Warmarbeitsstähle und Schnellarbeitsstähle. Die gerin-

ge Leistungsfähigkeit (Standzeit/-menge) der unlegierten Werkzeugstähle wird durch LE und Beschichtungen gesteigert (. Tab. 15.25). Kostengünstige Herstellung (Werkstoffkosten, geringer Härteverzug, Nacharbeit), ausreichende Standzeit bzw. Standmenge (Härte, Verschleißwiderstand), angepasste Zähigkeit (gegen Risse und Kantenausbrechen). Standzeit- und -menge können durch größeren Reinheitsgrad (ESU- oder Vakuumerschmelzung), der Stähle (Oberflächengüte, Dauerfestigkeit) durch Oberflächenbehandlung oder Beschichten (Widerstand gegen Adhäsion und Abrasion) oder PM-Herstellung der carbidreichen Stähle (Steigerung des Carbidanteils und gleichmäßig feinkörnige Verteilung) erreicht werden.

Auswahlgesichtspunkte

. Tabelle 15.25 Werkzeugstähle, Auswahl Kurzname

Stoff.-Nr.

Eigenschaften, Anwendung

Kaltarbeitsstähle für Arbeitstemperaturen < 200 ı C. Anforderung auf Schneidhaltigkeit wird durch steigende Carbidanteile (C-Gehalt) erfüllt, dabei sinkt die Zähigkeit (Stoßbelastung) 102Cr6

1.2067

Bördelrollen, Stempel, Lehren, Wälzlager

60WCrV8

1.2550

Schnitte und Stempel für dickere Bleche, Holzbearbeitungswerkzeuge

X153CrVMo12-1

1.2379

Gewindewalzrollen und -backen, Schneid- und Stanzwerkzeuge für Blech unter 6 mm, Feinschneidwerkzeuge bis 12 mm, Tiefziehwerkzeuge

X210CrW12

1.2436

Durchhärtender, maßbeständiger, verschleißfester Stahl für Schnittplatten und -stempel, Tiefzieh- und Fließpresswerkzeuge

Warmarbeitsstähle für Arbeitstemperaturen >200 ı C. Durch den Kontakt mit flüssigen oder auf Formgebungstemperatur erwärmten Metallen besteht die Gefahr der Gefügeveränderung durch weiteres Anlassen. Die Anlasstemperatur sollte deshalb etwa 80–100 K höher als die Betriebstemperatur des Stahls sein. Danach ist die Sorte auszuwählen. Höhere Zähigkeit ist für stoßbeanspruchte Teile wichtig (Hammergesenke). Für höhere Gebrauchstemperaturen sind sekundärhärtende Sorten (Mo, V-legiert) zu wählen 55NiCrMoV7

1.2714

Warmzäh, durchhärtend, wenig anlassbeständig. Gesenkstahl (Vollform)

32CrMoV12-28

1.2365

Hoch anlassbeständig, wenig rissempfindlich bei Wasserkühlung, für dünne Querschnitte, Gesenkeinsätze, Druckgießformen

X40 CrMoV5-1

1.2344

Wie vor, jedoch für größere Querschnitte

X30WCrV5-3

1.2567

Höchst anlass-, form- und verschleißbeständig, weniger durchhärtend, rissempfindlich, für Strangpresswerkzeuge

Kunststoff-Formenstähle. Anforderung auf Polierbarkeit und Korrosionsbeständigkeit, bei geringerer thermischer Beanspruchung 21MnCr5

1.2162

Einsetzbar, polierfähig, kalteinsenkbar. Für hochglanzpolierte flache Kunststoffformen, Führungssäulen

40CrMnNiMo8-6-4

1.2738

Gut spanbar, polierbar, narbungsgeeignet, für Großformen mit tiefer Gravur, durch 1 % Ni durchvergütend

X38CrMo16

1.2316

Gute Polierbarkeit, korrosionsbeständig, für aggressive Polymere

15

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

428

. Tabelle 15.26 Schneidstoffe Werkstoff

Härte HV

HS-Stähle

Biegefestigkeit 20–1000 ı C in MPa

Max. Temp. in ı C

750–800

3000–4000

600

Hartmetalle

1000–2000

1000–3000

800–1000

Schneidkeramik, Al-Oxid, Si-Nitrid

1500–2500

400–600

1400–1700

kub. Bornitrid CBN

4000

500–800

1200

500–700 Diamant PKD

10.000

600–1100

–800

. Tabelle 15.27 Schnellarbeitsstähle LE-Gruppe mit Sortenbeispiel

Stoff-Nr.

Verwendungsbeispiele

W hoch HS18-1-2-5 a

1.3255

Schrupparbeiten für harte Werkstoffe und große Spanungsleistungen, Hartguss, nichtmetallische Werkstoffe

W mittel HS10-4-3-10

1.3207

Schlichtarbeiten mit hohen Schnittgeschwindigkeiten und hoher Oberflächengüte

W C Mo HS6-5-2

1.3243

Fräser, Bohrer und Gewindeschneidwerkzeuge höchster Beanspruchung

Mo höher HS6-5-3

1.3344

Hochleistungswerkzeuge zum Schneiden dicker Bleche >6 mm

a

15

Zahlen geben den Prozentsatz der LE in der Folge W, Mo, V und Co an, bei ca. 4 % Cr und 0,8–1,4 C.

Für Großwerkzeuge (z. B. zum Pressen von Karosserieteilen) wird Stahlguss eingesetzt: z. B. G45CrNiMo4-2 (1.2769) oder G60CrMoV10-7 (1.2330) mit der Möglichkeit zum Randschichthärten auf 56–60 HRC, je nach C-Gehalt. Hochlegierte Sorten ähnlich 1.2379 für schneidende Werkzeugteile, z. B. Schnittsegmente verwendet. 15.3.3.16

Schneidstoffe

sind als Werkstoffe für Schneiden von Spanungswerkzeugen hoch und mehrfach (mechanisch, thermisch, tribologisch) beansprucht (. Tab. 15.26): Schnellarbeitsstähle (HSS-Stähle) sind hoch mit W, Cr, Mo, V und Co legierte Stähle mit hoher Anlassbeständigkeit und Warmhärte. Sie sind sekundärhärtend, d. h. beim Anlassen geht mit steigender Temperatur zunächst die Martensithärte zurück Durch Carbidauscheidungen steigt über 500 ı C die Härte wieder an (Sprunghärte) und liegt bei richtiger, hoher Abschrecktemperatur höher als im glasharten, martensitischen Zustand (. Tab. 15.27). Die Ausscheidung der Sondercarbide (Mo, V, und W) läuft erst bei hohen Anlasstemperaturen an. Ihre Härte ist ca. 2,5fach höher als die des Zementits (7 Abschn. 15.2.2.3, . Tab. 15.6).

Oxidkeramik auf der Basis Al-Oxid, Oxidmischkeramik mit Verstärkung durch Zr-Oxid oder SiC-Whiskern (Zähigkeit). Mit Ti (C, N) Zusatz (Härte und universell als Wendeschneidplatte zur Fein- und Grobbearbeitung und für gehärtete Stähle. Nitridkeramik auf der Basis Si-Nitrid ist zäher und thermoschockbeständiger als Oxidkeramik und kann zum Schruppdrehen mit Kühlschmierstoff angewandt werden. Für Stahl nicht geeignet (Kolkverschleiß durch Diffusion und Bildung von FeSi-Phasen). Kubisches Bornitrid (CBN) ist der härteste künstliche Hartstoff durch Umwandlung der hexagonalen (weißer Graphit) bei 1400 ı C/70 kbar in die dichtere Diamantstruktur. Massive Wendeschneidplatten und metallisierte Plättchen zum Auflöten. Für Stahlsorten und Feinstbearbeitung geeignet. Kein Diffusionsverschleiß im Gegensatz zum PKD. Polykristalliner Diamant (PKD) als Beschichtung auf Trägerwerkzeug (HM-Platte, Bohrkrone, Draht, Scheibe) zur Feinbearbeitung härtester und verschleißender Stoffe (AlSi-Legierungen, Faserkunststoffe) eingesetzt. Werkstoff darf keine Affinität zu C besitzen, sonst hoher Diffusionsverschleiß (austenitische Stähle).

429 15.4  Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoffe

15.4 15.4.1

Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoffe Übersicht und Begriffe

Die Einteilung der Fe-C-Gusswerkstoffe erfolgt nach Grundgefüge und Graphitausbildung (. Tab. 15.28). 2Stahlguss

hält. Die gesamte Volumenabnahme wird als Schwindung bezeichnet und im Längenschwindmaß in Prozent angegeben. Es beträgt zwischen 1–2 %. Folgen des Schwindens sind Lunker und Spannungen. Lunker sind Hohlräume, die in einem Gussstück dort entstehen, wo die Schmelze zuletzt kristallisiert, während die umgebenden Bereiche schon fest sind, sodass kein flüssiges Metall nachfließen kann. Abhilfe konstruktiv und durch gießtechnische Maßnahmen (Setzen von Steigern).

ist jeder Stahl, der im Elektroofen (oder anderen Aggregaten) erzeugt, in Formen gegossen und einer Glühung Spannungen entstehen durch das behinderte Schrumpfen unterworfen wird im Abschnitt Stähle behandelt (siehe der Bereiche mit höherer Temperatur. Die umgebenden, bereits kalten und starren Zonen üben Zugkräfte auf das 7 Abschn. 15.3.2). Temperguss ist ein Fe-C-Gusswerkstoff, dessen ge- schwindende Material aus. Sie können zu Rissen führen, samter Kohlenstoff im Gusszustand (Temperrohguss) als ehe das Teil der Form entnommen ist. Restspannungen werEisencarbid (Zementit) vorliegt. Durch Glühen zerfällt der den durch Spannungsfreiglühen abgebaut. Zementit ganz oder teilweise in Temperkohle, das ist Graphit in Flockenform. Gusseisen mit Kugelgraphit ist ein Fe-C-Gusswerk- 15.4.2 Gefügeausbildung der stoff, dessen als Graphit vorliegender Kohlenstoff fast vollFe-C-Gusswerkstoffe ständig in kugeliger Form auftritt. Gusseisen mit Lamellengraphit ist ein Fe-C-Gusswerkstoff, dessen als Graphit vorliegender Kohlenstoff vorwie- 15.4.2.1 Beeinflussung des Grundgefüges Fe-Gusswerkstoffe haben größere C-Gehalte als Stähle, dagend lamellare Form besitzt. Gusseisen mit Vermiculargraphit ist ein Fe-C-Guss- durch niedrigere Schmelztemperaturen mit besserer Gießwerkstoff, dessen als Graphit vorliegender Kohlenstoff barkeit. Die Einflussgrößen auf das entstehende Gefüge überwiegend Wurmform besitzt, eine Zwischenform von sind Legierungselemente und die Abkühlgeschwindigkeit. Lamelle zur Kugel. Sonderguss sind Werkstoffe, die sich nicht in vorste- 2Legierungselemente hende Gruppen einordnen lassen. Es sind Werkstoffe mit Silicium und Kohlenstoff in höheren Gehalten fördern die besonderen Eigenschaften. Sie sind teilweise hochlegiert, Graphitbildung, Mangan die Zementitbildung, damit die Perlitanteile im Grundgefüge. um z. B. austenitische Gefüge zu erhalten. 2Erstarren der Gusswerkstoffe

Durch die dichtere Packung der Teilchen im entstehenden Kristallgitter tritt eine sprunghafte Volumenminderung ein, die dann weiter bis zur Abkühlung auf Raumtemperatur an-

2Abkühlgeschwindigkeit

Langsame Abkühlung fördert das Entstehen der Graphitlamellen, schnelle Abkühlung die Ausbildung von Zementit (Perlitanteile).

. Tabelle 15.28 Gusseisenwerkstoffe und Normen Gusseisensorten, Normen, Beispiele (Bezeichnungssystem siehe 7 Abschn. 15.4.8) Grundgefüge Graphitform

Ferrit ) Ferrit/Perlit ) Perlit Übergangsformen

Bainit

Austenit

Ledeburit

lamellar

Gusseisen mit Lamellengraphit DIN EN 1561 GJL-150 (5 Sorten )) GJL-350



Austenitisches Gusseisen (s. u.)



Temperkohle (flockig)

Temperguss (weiß/schwarz) DIN EN 1562



Temperrohguss

Austenitisches Gusseisen DIN EN 13835



GJMW-350-4 (5 Sorten )) GJMW-450-7

GJMW-550-4

GJMB-300-6 (7 Sorten )) GJMB-650-2

GJMB-700-1 u. 800-1

Kugelform

Gusseisen mit Kugelgraphit DIN EN 1563 GJS-350-22 (8 Sorten )) GJS-900-2

Ausferritischer Kugelgraphitguss DIN EN 1564 GJS-800 (5 S. )) 1400-1

Vermicular

Gusseisen mit Vermiculargraphit GJV-300–350/400/450 GJV-500 (nach VDG-Merkblatt W-50)

15

430

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Abb. 15.11 Graphitausbildung, Einflussgrößen. 1 weißes Eisen, 2 meliertes Eisen, 3 Perlitguss, 4 ferritisch-perlitisches Gusseisen, 5 ferritisches Gusseisen

Ferritische Gefüge ergeben weichere, zähe Werkstoffe, geringe Zugfestigkeit, hohe Dämpfung. Perlitische Gefüge ergeben härtere, verschleißfestere Werkstoffe mit größerer Festigkeit und ausreichender Zähigkeit. Sie können vergütet und oberflächengehärtet werden. Ledeburitische Gefüge sind sehr hart und verschleißfest, damit spröde und schwer zu bearbeiten. Es sind verschleiß- und z. T. korrosionsbeständige Legierungen. Dadurch ergibt sich in einem Werkstück mit wechselnden Wanddicken eine unterschiedliche Gefügeausbildung, damit verschiedene Festigkeiten. Das Diagramm (. Abb. 15.11) von Greiner-Klingenstein stellt die Zusammenhänge dar. 15.4.2.2

15

Graphitausbildung

Neben der Art des Grundgefüges haben Größe und Form der Graphitteilchen einen großen Einfluss auf Festigkeit und Dehnung. Bei großen Lamellen ist das Gefüge innerlich stark gekerbt, es treten bei Zugbeanspruchung hohe Spannungsspitzen im Grundgefüge auf, welche die Fließgrenze überschreiten. Der Werkstoff bricht, obwohl die rechnerische Nennspannung noch sehr niedrig ist. Druckspannungen können gut übertragen werden. Durch Verfeinerung der Graphitausbildung wächst die Zugfestigkeit. Das geschieht durch Einhalten bestimmter Analysen und Zugaben in die Gießpfanne sowie Überhitzung der Schmelze, um Keime zu beseitigen und eine größere Unterkühlung zu erreichen. . Abb. 15.12 zeigt schematisch die Graphitformen und die Zuordnung zu den Gusseisen-Werkstoffen (siehe DIN EN ISO 945-1/10 Mikrostruktur von Gusseisen). Bei gleichem Grundgefüge wird durch die kompaktere Graphitform die Zugfestigkeit steigen. Die Graphiteinschlüsse ergeben ein sehr gutes Dämpfungsvermögen gegenüber Schwingungen (am besten in der Lamellenform), leichtes Spanen und Notlaufeigenschaften wenn GJL als Lagerwerkstoff verwendet wird. Die Druckfestigkeit beträgt je nach Graphitausbildung das 2–4-fache der Zugfestigkeit. Kugelige Graphitform wird durch Pfannenbehandlung einer Gusseisenschmelze (frei von S, Ti, Pb, und Zn) mit Mg (an Ni legiert) erreicht. Wurmförmiger (vermicularer)

. Abb. 15.12 Graphitausbildung in Gusseisenwerkstoffen

Graphit entsteht bei reduzierten Mg-Zugaben. Die flockige Temperkohle entsteht (bei entsprechender Analyse des Rohgusses) aus dem Zementit während des Glühens.

15.4.3

Temperguss

Werkstoff für dünnwandige, verwickelte Bauteile bis zu 100 kg Masse geeignet, die stoßfest sein müssen. Dafür scheidet GJL als Werkstoff aus, und Stahlguss ist nicht dünnwandig und in komplizierten Formen schwierig lunkerfrei vergießbar. Temperrohguss besitzt etwa (Si C C)-Gehalte von 3,9 %, ist damit gut vergießbar, erstarrt aber ledeburitisch. Die Teile sind dann hart und spröde. Durch Glühen zerfällt das Eisencarbid ganz oder teilweise in Eisen und Kohlenstoff, der als Temperkohle (flockiger Graphit) erscheint. Je nach Temperatur und Dauer von Glühung und Abkühlung einstehen verschiedene Tempergusstypen. Werkstoff ist dann zäh und gut spanend bearbeitbar. Weißer Temperguss (GJMW) entsteht durch Glühen in oxidierender Ofenatmosphäre (60–90 h bei 1000 ı C). Teile unter 8 mm können völlig entkohlt werden, bei dickeren fällt der C-Gehalt von der Mitte zum Rand auf null ab. Kern dadurch perlitisch, Randzone ferritisch, weich. Durch eine Wärmebehandlung lassen sich Gefüge mit körnigem Perlit oder Bainit herstellen. Die Sorte GJMW-360-12 ist schweißgeeignet für Verbunde mit Walzstahl (. Tab. 15.29). Schwarzer Temperguss (GJMB) entsteht durch Glühen in neutraler Atmosphäre (40–60 h bei 950 ı C). Das ledeburitische Gefüge wandelt sich gleichmäßig über den Querschnitt in Ferrit und Temperkohle Wanddicken (GJMB-350). Durch bestimmte C-ärmere Analysen des Rohgusses und verkürztes Tempern entste-

431 15.4  Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoffe

. Tabelle 15.29 Temperguss DIN EN 1562/12 Kurzname

Rp0,2 in MPa

HB 30a

Anwendungsbeispiele

EN-GJMW- Entkohlend geglühter (weißer) Temperguss -350-4



230

Normalbeanspruchte Teile, Fittings, Förderkettenglieder, Schlossteile

-360-12

190

200

Schweißgeeignet für Verbunde mit Walzstahl, Teile für Pkw-Fahrwerk, Gerüststreben

-400-5

220

220

Standardwerkstoff für dünnwandige Teile, Schraubzwingen, Kanalstreben, Gerüstbau, Rohrverbinder

-450-7

260

220

Wärmebehandelt, höhere Zähigkeit, Pkw-Anhängerkupplung, Getriebeschalthebel

-550-4

340

250

Hohe Dauerfestigkeit

EN-GJMB- Nicht entkohlend geglühter (schwarzer) Temperguss -300-6



150

Anwendung, wenn Druckdichtheit wichtiger ist als Festigkeit und Duktilität

-350-10

200

150

Seilrollen mit Gehäuse, Möbelbeschläge, Schlüssel aller Art, Rohrschellen, Seilklemmen

-450-6

270

200

Schaltgabeln, Pleuel, Bremsträger

-500-5

300

210

-550-4

340

230

Kurbelwellen, Kipphebel für Flammhärtung, Federböcke

-600-3

390

245

Lkw-Radnaben

-650-2

430

260

Druckbeanspruchte kleine Gehäuse, Federauflage für Lkw (oberflächengehärtet)

-700-2

530

290

Verschleißbeanspruchte Teile (vergütet) Kardangabelstücke, Pleuel, Verzurrvorrichtung für Lkw

-800-1

600

310

Verschleißbeanspruchte kleinere Teile (vergütet)

a

Härte HB nur Anhaltswerte.

. Tabelle 15.30 Gusseisen mit Lamellengraphit DIN EN 1561/12 (Anhaltswerte für Probestücke 30 mm ¿) Eigenschaft Formelzeichen/Einheit Zugfestigkeit Rm MPa 0,1 %-Dehngrenze Rp0,1 MPa

Sorten EN-GJL-150

-200

-250

-300

-350

150–250

200–300

250–350

350–.400

350–450

98–165

130–195

165–228

195–260

228–285

Bruchdehnung A %

0,8–0,3

0,8–0,3

0,8–0,3

0,8–0,3

0,8–0,3

Druckfestigkeit dB MPa

600

720

840

960

1080

Biegefestigkeit bB MPa

250

290

340

390

490

Torsionsfestigkeit tB MPa

170

230

290

345

400

70

90

120

140

145

Biegewechselfestigkeit bW MPa

hen Gefüge mit ferritisch-perlitischer oder rein perlitischer Grundmasse, die ebenfalls vergütet werden können (GJMB-450-6–800-1). 15.4.4

Gusseisen mit Lamellengraphit

Pumpen. Ständer für Werkzeugmaschinen, Zylinderlaufbüchsen, Rippenzylinder, Zahnräder, Kolbenringe. Weitere 6 Sorten werden nach der Brinellhärte benannt (gemessen im Wanddickenbereich 40–80 mm): Bezeichnung: EN GJL-HB155/175/195/215/235/255. 15.4.5

Verwendung der Sorten: GJL 150–200 für gering bean-

spruchte Teile, Lagerböcke und -gehäuse, Grundplatten, Riemenscheiben (. Tab. 15.30). GJL-250–350 bei höherer oder bei Verschleiß-Beanspruchung. Gehäuse für Getriebe, Motoren, Turbinen,

Gusseisen mit Kugelgraphit

Verwendung Für stoßbeanspruchte Teile, welche zähen

Werkstoff erfordern: tragende Schlepper- und Landmaschinengehäuse, Ständer von Kurbelpressen, Schiffsschrauben

15

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

432

. Tabelle 15.31 Gusseisen mit Kugelgraphit DIN EN 1563/12 (maßgebende Wanddicke  30 mm) Kurzname EN-GJS-

Rp0,2 MPa

a D t MPa

Bruchzähigkeit p KIc in MPa m

-350-22

220

315

31

-400-18

250

360

30

-400-15

250

360

-500-7

320

-600-3 -700-2

bB a MPa

bB b MPa

Überwiegendes Anwendungsbeispiele Gefüge

180

114

Ferrit

700

195

122

Ferrit

30

700

200

124

Ferrit

Pressholm für 6000 t-Presse, 47 t

450

25

800

224

134

Ferrit/Perlit

Zylinder für Diesel-Ramme, 1,7 t

380

540

20

870

248

149

Ferrit/Perlit

Kolben (Großdieselmotor)

440

630

15

1000

280

168

Perlit

Planetenträger, Kurbelwelle VR5

d MPa

Sorten mit gewährl. Kerbschlagarbeit bei -LT tiefer, -RT für Raumtemp.

Die neue Norm wurde durch die Sorten 800-2 und 900-2 erweitert. a Umlaufbiegeversuch, ungekerbte Probe. b Umlaufbiegeversuch, gekerbte Probe.

für Flussschiffe, Kurbel- und Nockenwellen, Zahnräder. Lkw-Radnaben. 2Ausferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit

mit hoher Verschleißfestigkeit (z. B. für achsversetzte Kegelräder) wird durch isotherme Umwandlung bei 270–400 ı C erzeugt. Das Gefüge besteht aus Bainit mit Carbidsäumen und Restaustenit. Die Beanspruchung bewirkt eine geringe Martensitbildung in der Randschicht mit Verbesserung des Verschleißwiderstandes und der Dauerfestigkeit durch die Druckspannungen. Nach DIN EN 1564/12 sind 5 Sorten genormt: GJS800-10/GJS-900-8/GJS-1050-6/GJS-1200-3/GJS-1400-1 mit Ni, Cu und Mo legiert, dazu 2 verschleißbeständige Sorten: GJS-HB400 und HB450. Auch als ADI (Austempered Ductile Iron) im Handel (. Tab. 15.31).

15 15.4.6

Gusseisen mit Vermiculargraphit

Vermiculargraphit ist wurmförmig, die Graphitausbildung liegt zwischen Lamelle und Kugel, die Werkstoffeigenschaften ebenfalls zwischen GJL und GJS. Normung nach VDG-Merkblatt (. Tab. 15.32). GJV besser als GJL in

GJV besser als GJS in

Festigkeit, Zähigkeit, SteifigGießeigenschaften, Spanbarkeit, keit, Dauer- und Wechselfestig- Dämpfungsfähigkeit, Formbestänkeit, Oxidationsbeständigkeit digkeit bei Temperaturwechseln

7 Beispiele Zylinderkurbelgehäuse für 8-Zylindermotor (Audi und BMW), thermoschockbeanspruchte Bauteile wie Abgaskrümmer, Abgasturboladergehäuse. 9

. Tabelle 15.32 GJV nach VDG-Merkblatt W50/02 Kurzzeichen

Rp0,2 MPa

Amin %

Härtebereich HB 30a

GJV-300

220–295

1,5

140–210

GJV-350

260–335

1,5

160–220

GJV-400

300–375

1,0

180–240

GJV-450

340–415

1,0

200–250

GJV-500

380–455

1,0

220–260

a

Richtwerte.

15.4.7

Sonderguss

Hartguss ist ledeburitisches weißes Eisen von hoher Härte und Verschleißfestigkeit, spröde und schwer zu bearbeiten. Schalenhartguss entsteht durch entsprechende Analyse der Schmelze und Abguss in Formen mit Abschreckplatten. Die Randzone ist ledeburitisch, nach dem Kern hin Übergang zu perlitischem Gefüge. Anwendung für Walzen. Hochlegierte Gusswerkstoffe haben austenitische oder martensitische bzw. Vergütungs-Gefüge. Die Graphitausbildung kann lamellar oder kugelig sein. Austenitisches Gusseisen ist nach DIN EN 13835/12 in 2 Sorten mit Lamellengraphit und 10 Sorten mit Kugelgraphit genormt. Sie enthalten 12–36 % Ni und sind korrosions- und hitzebeständig bei guten Gieß- und Bearbeitungseigenschaften. 7 Beispiel Kaltzähe Sorte bis 196 ı C: EN-GJSA-XNiMn23-4. 9

433 15.5  Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern

Siliciumguss enthält 18 % Si und ist korrosionsbeständig (besonders gegen Schwefelsäure) sehr spröde und hart. Verwendung für Pumpenteile und Armaturen, Anoden zum kathodischen Korrosionsschutz. Beispiel: ENGJH-X70Si15. Verschleißfestes Gusseisen DIN EN 12513/11 enthält mit Cr, Mo und Ni legierte Sorten, die nach Wärmebehandlung ein martensitisches oder bainitisches Gefüge mit harten Cr-Carbiden und Härtewerten von 350–600 HV30 besitzen.

Anhänger an Pos. 5 über Probestücke C (leer)

Hochlegierte Sorten durch chem. Zusammmensetzung Bezeichnung wie bei hochlegierten Stählen mit Buchstabe X, C-Kennzahl, Symbole der LE, danach LE-Prozente mit Bindestrich

15.5 7 Beispiel EN-GJN-HV600 (GJH-X300CrNiSi9-5-2), (Handelsnamen Ni-Hard). 9

15.4.8

Bezeichnung der Gusseisensorten nach DIN EN 1560/11

Kurzzeichen werden aus max. 6 Positionen gebildet: Pos. 1. EN für Europäische Norm, Pos. 2. GJ für Gusseisen, J steht für I (iron), um Verwechslungen zu vermeiden.

Dem Gussstück entnommen Gegossenes Probestück

15.5.1

Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern Allgemeines

Die Fertigungshauptgruppe Stoffeigenschaft ändern umfasst alle Verfahren, welche das Gefüge – und damit die Eigenschaften – gezielt verändern. Sie gilt für alle metallischen Werkstoffe. Schwerpunkt ist die Wärmebehandlung der Stähle (. Tab. 15.33).

EN- GJ 3. 4. 5. 6. Pos. 3 Zeichen für Graphitform L

Lamellar

S

Kugelig

M

Temperkohle

V

Vermicular

H

Graphitfrei (Hartguss), ledeburitisch

Y

Sonderstruktur nach jeweiliger Norm

Pos. 4 Zeichen für Mikro- oder Makrogefüge A

Austenit

R

Ausferrit

F

Ferrit

P

Perlit

M

Martensit

L

Ledeburit

Q

Abgeschreckt

T

Abgeschreckt u. vergütet

W

Entkohlend geglüht

B

Nichtentkohlend geglüht

Pos. 5 Angabe der mechanischen Eigenschaften Symbol

Eigenschaft (Festigkeit in MPa)

GJL-

Mindestzugfestigkeit oder Härte HB, HV

GJMBGJMWGJS-

Mindestzugfestigkeit-Mindestbruchdehnung (%) zusätzlich für die Temperatur bei Messung der Kerbschlagarbeit -RT (bei Raumtemperatur) oder -LT (bei Tieftemperatur)

. Abb. 15.13 Stahlecke des EKD. 1 Diffusionsglühen, 2 Normalglühen, 3 Weichglühen, 4 Spannungsarmglühen . Tabelle 15.33 Übersicht, 6 Stoffeigenschaft ändern (Dezimalklassifikation nach DIN 8580/03) Gruppen

Untergruppen

6.1 Verfestigen durch Umformen

6.1.1 Verfestigungsstrahlen 6.1.2 Walzen 6.1.3 Ziehen 6.1.4 Schmieden

6.2 Wärmebehandeln

6.2.1 Glühen 6.2.2 Härten 6.2.3 Isotherm. Umwandeln 6.2.4 Anlassen, Auslagern 6.2.5 Vergüten 6.2.6 Tiefkühlen 6.2.7 Thermomech. Behandeln 6.2.8 Aushärten

6.3 Thermomechanisches Behandeln

6.3.1 Austenitformhärten 6.3.2 Heißisostatisches Nachverdichten

15

434

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

tigungsgang unabhängig ist. In diesem Zustand sind mechanische Festigkeits- und Verformungskennwerte reproduzierbar. Nach dem Austenitisieren wird schnell unter Ar1 (ca. 650 ı C) abgekühlt, dann evtl. langsamer, um Spannungen zu vermeiden. Es verschwinden Zeilengefüge, Grobkorn bei Schmiedeteilen und Erstarrungsgefüge von Stahlguss und Schweißnähten (Widmannstätten’sches Gefüge). 2BF-Glühen . Abb. 15.14 ZTA-Schaubild für isotherme Erwärmung C45E (nach Hougardy)

(auf bestimmte Festigkeit): Austenitisieren, Abschrecken und Anlassen auf 500–550 ı C. 2BG-Glühen

Die Behandlung besteht in einem Erwärmen, Halten (auf bestimmtes Gefüge): Austenitisieren und geregelte und Abkühlen nach bestimmten Temperatur-Zeit-Folgen Abkühlen für Einsatzstähle zur Erzeugung eines ferritiim festen Zustand, eine Formänderung ist mit Ausnah- schen Gefüges mit Perlitinseln. men nicht beabsichtigt. Ziel ist die Anpassung der Eigenschaften des Stahls an das Anforderungsprofil oder 2Weichglühen an bestimmte Fertigungsvorgänge. Temperatur und Ge- soll die Eignung für spanlose und spangebende Verfahschwindigkeit der Erwärmung und Abkühlung richten sich ren durch Absenken der Härte verbessern. Der lamellare nach der gewünschten Eigenschaftsänderung, der Stahlana- Zementit zerfällt in eine körnige Form (Oberflächenspanlyse und Wanddicke des Teils. Die Temperaturen sind mit nung), wenn im Bereich um Ac1 gehalten wird, bei überperlitischen Stählen mehrfaches Heben und Senken der der Stahlecke des EKD verknüpft (. Abb. 15.13). Temperatur um Ac1 (Pendelglühen). Werkzeugstähle erhalten ein für die Härtung günstiges Ausgangsgefüge, das auch durch isothermes Umwandeln in der Perlitstufe er15.5.2 Austenitisierung zeugt werden kann.

15

Viele Verfahren gehen vom austenitischen Zustand des 2GKZ-Glühen Stahls aus, um ihn in andere Gefüge umzuwandeln. Zum (auf kugelige Zementitausbildung): Gefüge mit niedriger Austenitisieren müssen Ferrit umgewandelt und die Car- Festigkeit bei höherer Bruchdehnung für Kaltformstähle. bide gelöst und verteilt werden, damit ein homogenes, feinkörniges Gefüge vorliegt. 2Spannungsarmglühen ZTA-Schaubilder (. Abb. 15.14) für isotherme Erwär- im Bereich von 550–650 ı C über 2–4 h mit langsamer Abmung (hier bei 800 ı C waagerecht nach rechts) lassen kühlung senkt innere Spannungen durch plastische Verforerkennen, dass der Haltepunkt Ac1 zu einem Bereich er- mung auf den Wert der entsprechenden Warmfließgrenze. weitert ist, weil die Carbide C gelöst werden müssen. Nach Bei unverformten Teilen findet keine Gefügeänderung statt, 103 s wird Haltepunkt Ac3 erreicht, das Gefüge ist austeni- bei kaltverformten eine Rekristallisation. Vergütete Teile tisch inhomogen und muss noch weiter bis zum homogenen dürfen nur ca. 50 K unter der Vergütungstemperatur geglüht Zustand Ahom gehalten werden. Dabei stellt sich eine Korn- werden. größe von ca. 5 *m ein. Bei höheren Temperaturen wird dieser Zustand schneller erreicht, wegen der Gefahr der Anwendung bei Schweißkonstruktionen, Guss- und Kornvergröberung müssen die Zeiten sehr genau eingehal- Schmiedeteilen vor der spanenden Bearbeitung, Teile mit ten werden. engen Toleranzen nach der Grobbearbeitung. Überperlitische (-eutektoide) Stähle werden nur über Ac1 erwärmt, um Grobkornbildung zu vermeiden. Günstig 2Diffusionsglühen ist ein homogener Austenit mit feinverteilten Carbiden. Für zur Homogenisierung des Gefüges bei hohen Temperaturen schnelle Erwärmung z. B. durch Induktion sind die ZTA- unterhalb der Solidus-Linie (1100 ı C/20 h für Stahl). MinSchaubilder für kontinuierliche Erwärmung zweckmäßig. derung von Seigerungen, Verteilung grober Carbide und Sulfide (Automatenstähle). Führt zu Grobkorn, das meist bei nachfolgender Warmumformung verschwindet, andern15.5.3 Glühverfahren falls ist Normalglühen erforderlich. 2Normalglühen

soll dem Stahl ein gleichmäßig feinkörniges Gefüge mit lamellarem Perlit geben, das vom vorausgegangenen Fer-

2Rekristallisationsglühen

soll kaltverformte und kaltverfestigte Teile wieder neu verformungsfähig machen (Zwischenglühen) durch Glü-

435 15.5  Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern

. Abb. 15.16 Start und Ende der Martensitbildung . Abb. 15.15 Rekristallisationsschaubild

15.5.4.1

hen oberhalb der Rekristallisationstemperatur TR , dabei Aufheben der Kaltverfestigung durch Rekristallisation des Gefüges. Rekristallisationsschaubilder (. Abb. 15.15) zeigen den Einfluss von Verformungsgrad und Temperatur auf die Korngröße des neuen Gefüges. Bei kleinen Verformungsgraden ist Grobkorn möglich. Anwendung zwischen den Stufen der Kaltumformung beim Fließpressen, Kaltwalzen, Tiefziehen. Lösungsglühen im Bereich der Mischkristalle, um sekun-

däre Ausscheidungen wieder aufzulösen und ein homogenes Ausgangsgefüge herzustellen. Durch Abschrecken wird dieses Gefüge bei RT erhalten (z. B. bei austenitischen und ferritischen Stählen). Im Austenitisieren der legierten Werkzeugstähle, HS-Stähle und warmfesten Stähle zum Härten ist ein L.-Gl. enthalten. Bei aushärtbaren Legierungen ist Lösungsglühen der erste Arbeitsgang zur Herstellung übersättigter MK, als Voraussetzung für das Aushärten.

15.5.4

Härten und Vergüten

Beide Verfahren und ihre Varianten nutzen die Umwandlungen des Austenits beim Abkühlen mit steigender Abkühlgeschwindigkeit aus. Sie unterscheiden sich in der gewünschten Eigenschaftskombination und der Anwendung. Verfahren Härtena Vergütenb

Anlassen Eigenschaftsbei ı C kombination Austeniti- 180–300 sieren C Abschrecken 450–650

Anwendg. C-%

Hohe Härte, ange- Werkzeuge passte Zähigkeit 0,5–1,5 Hohe Zähigkeit und Streckgrenze

Ausnahmen: a nicht Warmarbeitsstähle. b Isothermes Vergüten siehe 7 Abschn. 15.5.4.2.

Bauteile 0,3–0,8

Innere Vorgänge beim Abschrecken unlegierter Stähle

Stahl wird aus der jeweiligen Austenitisierungstemperatur (Härtetemperatur) abgeschreckt. Durch die Hysterese werden die Umwandlungspunkte Ar3 und Ar1 nach tieferen Temperaturen verschoben. Die Diffusion der C-Atome wird mit steigender Abkühlgeschwindigkeit zunehmend behindert, es entstehen vom EKD abweichende Gefüge. Haltepunkt Ar3 sinkt stärker als Ar1 . Dadurch wird die voreutektoide Ferritausscheidung behindert ! der Ferritanteil sinkt. Bei Ar1 zerfällt der Austenit zu Ferrit- und Zementitlamellen, die wegen der behinderten Diffusion zunehmend feinstreifiger werden. Bei noch schnellerer Abkühlung wird die Ferritausscheidung völlig unterdrückt, Austenit zerfällt zu sehr feinstreifigen Perlit, auch bei Stählen unter 0,8 % C (Herstellung dieses Vergütungsgefüges mit hoher Zugfestigkeit und Kaltformbarkeit z. B. für Federstahldraht durch Abschrecken in Warmbädern von 550 ı C). Das vollständige Härtungsgefüge des Stahls, der Martensit, entsteht erst bei Überschreiten der kritischen Abkühlgeschwindigkeit vcrit , erst dann wird die Perlitbildung völlig verhindert. Die Umwandlung beginnt bei einem neuen Umwandlungspunkt, dem Martensit-Startpunkt Ms und endet mit fallender Temperatur bei Mf , dem Endpunkt der Martensitbildung (. Abb. 15.16). Martensitbildung ist die diffusionslose Umwandlung des Austenits in ein tetragonal verzerrtes krz-Gitter in dem die C-Atome zwangsgelöst sind. Die Volumenvergrößerung erzeugt Spannungen, die zu Zwillingsbildungen führen. 2Martensit

Gefügename des Härtungsgefüges, im Schliffbild je nach C-Gehalt als massiver, platten- oder lattenförmiger Martensit zu erkennen Der C-Gehalt bestimmt die Härte bis zum Maximum bei 0,8 % C mit 64 HRC. Abgeschreckte Stähle über 0,6 % C sind bei RT noch nicht völlig in Martensit umgewandelt (. Abb. 15.16), sie enthalten Restaustenit. Die Gesamthärte des Gefüges ist kleiner. Deshalb liegen die Härtetemperaturen für

15

436

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Abb. 15.17 ZTU-Schaubild für kontinuierliche Abkühlung, Stahl C45E

Stähle mit über 0,8 % C nur dicht über A1 , damit der Austenit nicht noch mehr C-Atome lösen kann und nach . Abb. 15.14 unvollständig umwandelt. Restaustenit kann durch Tieftemperaturbehandlung noch umgewandelt werden oder er zerfällt beim Anlassen. 15.5.4.2

ZTU-Schaubilder (Zeit-Temperatur-Umwandlungs-)

. Abb. 15.18 ZTU-Schaubilder für isotherme Umwandlung, a Stahl mit 0,45 % C, b 0,45 % C + 3,5 % Cr

Die inneren Vorgänge lassen sich mit den ZTU-Schaubildern (. Abb. 15.17 und 15.18) beschreiben. Es können die Umwandlungszeiten bei verschiedenen Temperaturen 2ZTU-Schaubilder für isotherme Umwandlung abgelesen werden. Sie gelten für jeweils einen Stahl be- (. Abb. 15.18): Die Kurven geben Beginn und Ende der stimmter Zusammensetzung und existieren für alle han- Austenitumwandlung an, wenn der Stahl aus der Härtetemperatur in ein Warmbad getaucht wird und bei konstanter delsüblichen Vergütungs- und Werkzeugstähle. Temperatur (isotherm) umwandelt. Die Abkühlkurve ist eine Waagerechte bei der gewählten Temperatur. 2ZTU-Schaubilder für kontinuierliche Abkühlung

15

(. Abb. 15.17) Kontinuierlich abgekühlt wird in immer schroffer wirkenden Mitteln: Luft, Salzschmelzen, Öle, 2LE in Lösung Wasser. Die Abkühlkurven verlaufen gekrümmt von links behindern die Perlitbildung, die dadurch später einsetzt oben nach rechts unten. Die Kurven schneiden die stark ge- und länger dauert (. Abb. 15.18b). Die Umwandlungslinizeichneten Umwandlungslinien, zwischen denen die Um- en sind gegenüber dem unlegierten Stahl (. Abb. 15.18a) wandlungen verlaufen. Am Ende der Kurven ist die erreich- nach rechts zu längeren Zeiten verschoben. Die Abkühlung kann langsamer erfolgen, weil bei legierten Stählen bare Härte HV angegeben. Bei langsamer Abkühlung (. Abb. 15.17 rechte Ab- die kritische Abkühlgeschwindigkeit kleiner ist (öl- und kühlkurve) werden die Linien der Ferrit- und Perlitbildung lufthärtende Stähle). Zur vollständigen Martensitbildung geschnitten und nach ca. 100 s die RT erreicht. Härte des muss der Bereich schneller Perlitbildung, die Perlitstufe (600–500 ı C . Abb. 15.18a), übersprungen werden. UnGefüges 274 HV. Bei noch schnellerer Abkühlung verfehlt die Abkühl- terhalb kann langsamer abgekühlt werden. Das Abschreckkurve den Bereich der Perlitbildung, sie durchläuft die mittel ist danach abzustimmen. Bainitstufe und schneidet die Martensitlinie. Es bildet sich 15.5.4.3 Härteverzug und verzugsarmes ein Gefüge aus Bainit und Martensit mit 540 HV.

Abschrecken

2Bainit

ist ein Gefüge aus übersättigtem Ferrit und Carbidausscheidungen, deren Form und Größe von der Entstehungstemperatur abhängen. Im unteren Bereich sind sie feinnadelig (azikulär) und feinverteilt ausgebildet und besitzen hohe Streckgrenze und Zähigkeit. Anwendung auch beim bainitischen Kugelgraphitguss.

Die ungleiche Temperaturverteilung zwischen Rand und Kern aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit, besonders der legierten Stähle, verursacht Spannungen durch behindertes Schrumpfen oder Dehnen. Sie werden überlagert von denen, die der sich bildende Martensit mit größerem Volumen erzeugt. Dabei kommt es zu Maß- und Formänderungen, die zu Ausschuss oder Nacharbeit durch Schleifen

437 15.5  Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern

. Tabelle 15.34 Verzugsarmes Härten Gebrochenes Abschrecken

Abschrecken zuerst in Wasser (Perlitbildung wird verhindert), dann in Öl zur langsamen Martensitbildung, handwerkliches Verfahren; Erfahrungswerte

Gestuftes Abschrecken, Warmbadhärten

Stufenweises Erwärmen und Abschrecken in Salzschmelzen (evtl. heiße Öle) mit festen Temperaturen. Im Abschreckbad (dicht oberhalb Ms ) wird bis zum Temperaturausgleich gehalten, danach beliebig bis auf RT, dabei erfolgt Martensitbildung

Abschrecken unter Formzwang

Abschrecken in Matrizen unter Presskraft. Abschrecköl kann über Durchbrüche das Teil überfluten. Anwendung für sperrige Teile wie Kreissägeblätter, Tellerräder

führen. Es können Schalenrisse unter der Oberfläche auftreten. Wirtschaftliche Fertigung verlangt ein verzugsarmes Härten (. Tab. 15.34). Dabei wird die Umwandlungsträgheit (. Abb. 15.18b) des unterkühlten Austenits dicht über dem Martensitpunkt benutzt, um durch kurzzeitiges Halten die Temperaturunterschiede im Teil zu mildern, dann wird weiter unter Ms abgekühlt, wobei die Martensitbildung erst dann erfolgt. Dadurch treten Wärmespannungen und Umwandlungsspannungen nicht gleichzeitig auf. 2Anwendungen

Isothermes Vergüten (Bainitisieren): Abschrecken auf Temperaturen dicht über der Martensitstufe in Warmbädern und Halten bis zur vollständigen Umwandlung in Bainit. Patentieren für Federdrähte: Der austenitisierte Stahl läuft durch ein Bad von 550 ı C und wandelt isotherm innerhalb 8 s (. Abb. 15.18a) in ein feinperlitisches Gefüge um, das zum Drahtziehen sowohl Zugfestigkeit als auch hohe Verformbarkeit besitzt. 15.5.4.4

Durchhärtung und Durchvergütung

Die Härtbarkeit eines Stahls wird durch zwei Größen beurteilt (siehe Stirnabschreckversuch 7 Abschn. 20.5):

15.5.4.5

Anlassen

Anlassen ist ein Erwärmen nach vorausgegangenem Härten auf Temperaturen unter A1 und Abkühlung je nach Stahlsorte. Es soll unmittelbar dem Härten folgen. Gehärtete Teile sind glashart und spröde, Restaustenit kann noch umwandeln, es kommt zu Maßänderungen. Im Allgemeinen nimmt durch Anlassen die Härte ab, die Zähigkeit wird dem Verwendungszweck angepasst (. Abb. 15.19). Ausnahmen davon sind Stähle für höhere Temperaturen und HS-Stähle, die bei hohen Anlasstemperaturen Ausscheidungen mit einer Härtesteigerung erfahren. Bei Anlasstemperaturen unter 150 ı C geht die tetragonale Verzerrung des Martensitgitters in ein verzerrtes kubisches ˛-Gitter zurück, angelassener Martensit. Zugleich scheiden sich kleinste Nadeln von "-Carbiden (Fe2 C) aus. Bei über 200 ı C zerfällt der Restaustenit. Im Bereich von 100–300 ı C werden Messzeuge, Einsatzstähle und Kaltarbeitsstähle so angelassen, dass hohe Härte mit angepasster Zähigkeit kombiniert wird. Die Härte (Rm ) nimmt zunächst wenig ab, Bruchdehnung A und Zähigkeit KV steigen wenig (. Abb. 15.19). Über 300 ı C fallen Härte und Zugfestigkeit zunehmend ab, während Bruchdehnung und Zähigkeit ansteigen. Zwischen 400–650 ı C liegt der Bereich für die Anlassvergütung der Vergütungs- und Warmarbeitsstähle.

Aufhärtist die größte am Rand erreichbare Härte, sie wird barkeit allein vom C-Gehalt bestimmt, beginnt mit ca. 0,3 % (Aufhärtung) und erreicht bei 0,8 % C die Härte 65 HRC Einhärtbarkeit (Einhärtung)

ist die Eindringtiefe der martensitischen Umwandlung, gemessen als Einhärtungstiefe Et: Abstand in mm vom Rand senkrecht bis zu einer Stelle mit vereinbarter Grenzhärte GH (z. B. 50 % der Randhärte)

2Durchhärtung

ist die gleichmäßige, martensitische Umwandlung bis in den Kern des Teiles. Sie wird für hochbeanspruchte Werkzeuge benötigt. Steigende Querschnitte erfordern Stähle mit steigenden Gehalten an LE wie Cr, Mn, Ni und Mo. 2Durchvergütung

ist die bainitische Umwandlung bis in den Kern. Für größere Querschnitte werden ebenfalls Gehalte an Cr, Mn, Ni, und Mo benötigt (Vergütungsstähle 7 Abschn. 15.3.3.7).

. Abb. 15.19 Anlass-Schaubild, Stahl C45E

15

438

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

2Anlassversprödung

(durch Erhöhung der Übergangstemperatur TÜ ) tritt bei Cr-, Mn- und CrNi-Vergütungsstählen auf, wenn sie bei Anlasstemperaturen um 475 ı C (˙ 125 K) behandelt werden oder aus höheren langsam abkühlen. Abhilfe durch schnelles Abkühlen aus der Anlasstemperatur oder Einsatz Molegierter Stahlsorten, z. B. für größere Querschnitte. Warmarbeitsstähle müssen ca. 80–100 ı C über ihrer Gebrauchstemperatur angelassen werden, damit durch die Werkstückwärme kein weiteres Anlassen mit Gefügeveränderung erfolgt. Mit zunehmender Anlasstemperatur und -zeit können die C-Atome schneller diffundieren und zunehmend größere Zementitkristalle bilden. Damit nähern sich Aussehen des Gefüges und Eigenschaften wieder dem weichgeglühten Zustand. 2Vergütung

erzeugt ein bainitisches Gefüge mit Bestwerten von Streckgrenze und Zähigkeit (. Abb. 15.19). Das Streckgrenzenverhältnis wird vergrößert. Die Werkstofffestigkeit kann stärker ausgenutzt werden. Mit der Zähigkeit steigen auch die Dauerfestigkeiten. Für Serienteile ist das isotherme Vergüten zweckmäßig.

15

Anwendung der Verfahren für Bauteile wie Zahnräder, Kolbenbolzen, Führungsbahnen, Nocken und Kurbelwellen, Kupplungsklauen, Keilwellen und Naben für Schaltgetriebe, Kurvenscheiben, Leit- und Laufrollen sowie Kettenglieder für Kettenfahrzeuge, Seilrollen, Formen für Kunststoffspritzguss.

15.5.5.1

Thermische Verfahren (Randschichthärten)

Durch schnelle Erwärmung mit Wärmequellen hoher spezifischer Leistung kommt es wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit zum Wärmestau. Eine dünne Randschicht wird austenitisiert (aufgeschmolzen), ehe der Kern diesen Zustand erreicht. Durch sofortiges Abschrecken werden martensitische (ledeburitische) Randschichten variabler Dicke erzeugt. Energie- und zeitsparende Verfahren für größere Teile, die nicht vollständig erwärmt werden müssen. Je höher die spezifische Leistung, umso kleiner die mögliche Schichtdicke: Wärmequelle

Spezifische Leistung in kW/cm2

Schmelzen (Salze, Metalle)

0,1

Flammen

1

Anwendung des Vergütens für Triebwerks- und GetrieInduktions-/Wirbelströme 10 beteile im Fahrzeugbau, wenn kleine Abmessungen verLaser-/Elektronenstrahlen 100 langt werden, z. B. Kurbelwellen, Pleuelstangen, Zahnräder, Keilwellen, Kupplungs- und Gelenkwellenteile, Achs2Werkstoffe schenkel. Härtbare Stähle mit >0,35 % C, Stahlguss und perlitisches Gusseisen mit feinlamellarem oder kugeligem Graphit. 15.5.5 Härten von Oberflächenschichten Gehärtet wird im vergüteten Zustand. Die angelassene Zwischenschicht kann Wärmespannungen aufnehmen. Die Schichthärte steigt mit dem C-Gehalt, die Randhärtetiefe Bauteilbelastungen greifen durch Kräfte auf die Oberflä- Rht sinkt mit steigender spezifischer Leistung. che an und wirken sich in der Randschicht am stärksten aus: Dort liegen die maximalen Zug- oder Druckspannun- 2Flammhärten gen. Der Materialverlust durch Verschleiß und Korrosion mit der Form der Teile angepassten Brennern auf Härteerhöht die Spannungen und verursacht ein Aufrauen der maschinen durchgeführt, welche die Relativbewegungen Oberfläche mit einem Absinken der Dauerfestigkeit. Die zwischen Werkstück und Brenner führen. Lebensdauer von Bauteilen wird erhöht, wenn der Werkstoff der Oberfläche der Beanspruchung angepasst wird. Mantelhärten für kleinere Oberflächen, die vom Brenner

2Kernwerkstoffe

übernehmen die Festigkeitsbeanspruchung mit ausreichender Zähigkeit gegen Sprödbruch, evtl. auch bei höheren Temperaturen. 2Randschichtwerkstoff

überdeckt oder mit Pendelbewegungen überstrichen werden. Zylinder rotieren vor dem Brenner, bis ein Mantel austenitisiert ist, der sofort abgeschreckt wird. Linienhärten für große Flächen, z. B. lange Wellen, Führungsbahnen, breiten Zahnrädern. Brenner und Abschreckbrause werden dicht hintereinander über die Fläche geführt. Die Dicke der austenitisierten Randschicht wird über den Vorschub geregelt. Meist wird auf > 180 ı C angelassen.

unterstützt den Kernwerkstoff durch Steigerung der Dauerfestigkeit und schützt vor Verschleiß (durch Härte) und Korrosion (durch nichtmetallische Phasen in der Rand2Induktionshärten schicht). Durch die Verfahrensgruppe Beschichten aufgebrachte mit einer der Form des Teiles angepassten, wassergeSchichten siehe unter Schichtwerkstoffe (7 Abschn. 19.5). kühlten Induktionsschleife als Primärspule. Werkstück ist

439 15.5  Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern

Eisenkern, Randschicht die kurzgeschlossene Sekundärwicklung. Die Induktionsströme werden mit steigender Frequenz in die Randschicht verdrängt (Skineffekt). Die Einhärtetiefe ist neben der Stahlanalyse noch abhängig von Frequenz und Leistung. Abgeschreckt wird mit Wasser, bei sehr dünnen Schichten und Dicken (Sägeblätter) durch Selbstabschreckung über die Wärmeableitung in den kalten Kern (0,01–6 mm).

. Abb. 15.20 Aufkohlungs- und Einsatzhärtungstiefe

2Laserstrahlhärten

Die hohe spezifische Energie ergibt kürzeste Wärmzei- die Dauerfestigkeit. Bei Zahnrädern wird höchste Zahnten zur Austenitisierung, sodass der noch kalte Kern- fußfestigkeit erreicht. Nach Anlassen auf unter 200 ı C ist werkstoff durch Wärmeleitung ein Selbstabschrecken be- Nacharbeit durch Schleifen erforderlich. wirkt und kein Härteverzug auftritt. Der kleine Brennfleck wird durch Pendelbewegungen des Strahlers und Vorschub 2Aufkohlen oder Drehung des Werkstückes auf Spurbreiten bis zu als Pulver-, Salzbad- oder Gasaufkohlung, C-Spender sind 40 mm erweitert. Die Randhärtetiefe ist < 2 mm, der Vor- Koksgranulat, Cyanate (KCNO), jeweils mit Zusätzen und schub 200–700 mm/min bei Leistungen bis zu 6 kW. Bei Propan in einem neutralen Trägergas. Gasaufkohlung ist CO2 -Lasern ist eine Antireflexschicht (Coating) erforder- am besten steuerbar in Temperatur, (830–950 ı C), C-Anlich, um die Strahlung zu absorbieren, bei Nd:YAG-Lasern gebot, Kohlungstiefe At und Gradient des C-Gehaltes zum nicht. Kern hin. Höhere Temperaturen verkürzen die Kohlungszeit, mit der Gefahr von Kornwachstum. Anwendung für Führungsbahnen, Verschleißkanten an Werkzeugen für die Blechbearbeitung. Bei größeren Flä- 2Kohlungstiefe At chen werden Muster gelegt, z. B. in Zylinderlaufbuchsen (. Abb. 15.20), senkrechter Abstand von der Oberfläche zu einer Stelle mit 0,3 % C. von Großdieselmotoren. Weitere Oberflächenbehandlungen mit Laser sind La2Einsatzhärtungstiefe CHD (Eht) serumschmelzen, -dispergieren, -legieren, -beschichten. Laserdispergieren schmilzt Hartstoffpartikel in die Rand- ist der Abstand senkrecht vom Rand bis zu einer Stelle mit der Grenzhärte GH (550 HV1 nach DIN EN ISO 2639/03), schicht ein. Härte bis zu 64 HRC. wirtschaftlich sind Tiefen bis zu 1,5 mm. Das Härten der Einsatzstähle ist ein Kompromiss, da 2Elektronenstrahlhärten Rand und Kern verschiedene Härtetemperaturen besitzen. mit ähnlicher Energiedichte wie Laserstrahl, muss in Vakuumkammern durchgeführt werden, Werkstückgröße da- 2Direkthärten durch begrenzt. ist Abschrecken aus der Salzbad- oder Gasaufkohlung, evtl. 2Umschmelzhärten für Gusseisen

mit kurzem Absenken der Temperatur auf die Randhärtetemperatur von ca. 830 ı C. Anwendbar für Stähle, die beim Aufkohlen nicht zu Kornwachstum neigen (z. B. 20NiCrMo6-3).

Mit Lichtbogen, Laser- oder Elektronenstrahlen wird eine Randschicht aufgeschmolzen. Sie erstarrt schnell durch die Wärmeableitung zum kalten Kern zu einem feinkörnigem, ledeburitischem Gefüge mit einer Härte von 55–60 HRC 2Einfachhärten etwa 1 mm dick. Durch Austenitisierung der angrenzenden nach Abkühlen auf niedrige Temperaturen führt durch darunter liegenden Zone entsteht auch eine dünne Marten- -˛-Umwandlung zu feinerem Korn. Beim folgenden Härsitschicht. Zum Vermindern der Umwandlungsspannungen ten aus der Kernhärtetemperatur (850–900 ı C) wird der wird bei ca. 400 ı C umschmelzgehärtet (Elowig-Verfah- Kern optimal, der Rand überhitzt gehärtet. Das Härten aus ren). Anwendung z. B. für Nockenwellen und Nachfolger der Randhärtetemperatur (770–830 ı C) führt zu optimalen von Verbrennungsmotoren. Randeigenschaften, der Kern war nicht vollständig austenititsiert und hat geringere Zähigkeit (und Dauerfestigkeit) 15.5.5.2 Thermochemische Verfahren als optimal möglich. 1 Einsatzhärten Einfachhärten nach einer isothermischen UmwandÄltestes Verfahren für C-arme, damit zähe Stähle. Durch lung bei 580–650 ı C erzeugt ein feinkörniges Perlitgefüge, Aufkohlen der Randschicht auf ca. 0,7 % C wird sie härt- günstig für das nachfolgende Austenitisieren des Randes. bar. Beim Abschrecken entsteht dort Martensit, während der Kern eine Steigerung der Streckgrenze erfährt. Die1 Carbonitrieren Bauteile sind im Kern zäh, an der Oberfläche sehr hart Variante des Einsatzhärtens in Salzbädern oder Gasen bei und verschleißfest. Die Druckeigenspannungen erhöhen Temperaturen von 850–900 ı C, d. h. im Bereich unterhalb

15

440

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Tabelle 15.35 Nitrierschichten Eigenschaften

Ursache, Auswirkungen

Hohe Härte 700–1500 HV 0,5 (unlegiert < legiert)

naturharte, intermetallische Phasen, "-Nitrid Fe23 N, hex härter, korrosionsbeständiger, aber spröder als die  0 -Phase Fe4 N, kfz

Anlassbeständigkeit

Bei langsamer Abkühlung entstehen keine metastabilen Gefüge

Geringe Adhäsionsneigung (Fressen)

Nicht metallisch, typische Nitrideigenschaft, kleine Reibzahl 

Hoher Korrosionswiderstand, Geringe Reaktionsneigung der durch Nachoxidation N-haltigen Phasen, es sind (-sulfidierung) erhöht chemische Verbindungen mit gesättigter Elektronenschale

15

. Abb. 15.21 Härteverlauf beim Gasnitrieren und Nitrierhärtetiefe (DIN 50190-3/79)

se. Teile bis zu 10 m Länge in Schachtöfen hängend nitriert. der Linie GS im EKD. Gleichzeitige Aufnahme von C und Spröde Verbindungsschicht. N. N senkt die Austenitisierungstemperatur und kritische Abkühlgeschwindigkeit, Abschrecken in milderen Mitteln 2Gasnitrocarburieren und kleinerer Verzug (Kern wandelt nicht um). Anlassen bei 570 ı C in NH3 C CO2 mit kürzeren Glühzeiten (2–4 h) siehe 7 Abschn. 15.5.4.5. Die martensitische Randschicht Es diffundieren zusätzlich C-Atome ein. Carbonitride sind enthält Carbonitride, die hohen Widerstand gegen Adhäsiweniger hart und spröde. onsverschleiß ergeben, korrosionshemmend sind und nicht durch Nacharbeit entfernt werden dürfen. 2Plasmanitrieren (Ionitrieren) bei 350–570 ı C) im Vakuum und elektrischen Anwendung für Fertigteile aus Einsatz- und Vergütungs- Feldern mit kürzeren Glühzeiten und steuerbarer Atmostählen mit CHD von 0,05–0,2 mm. Die Steifigkeit dünn- sphäre. Damit können Aufbau, Dicke und Gleichmäßigkeit wandiger Teile wird erhöht. der Schichten eingestellt werden. Durch niedrigere Temperaturen besonders für Werkzeugstähle geeignet. 1 Nitrierhärten Zahlreiche umwandlungsfreie Verfahren mit Aufnahme 2Salzbadnitrocarburieren von N (und evtl. C) aus dem Spendermittel und Bildung in Salzschmelzen (Cyanatgemische) bei 580 ı C. Bei der von Nitriden (Carbonitriden) des Fe und der LE Cr, Al, niedrigeren Temperatur gegenüber dem Aufkohlen wird Mo während der Behandlung (350–600 ı C). Kein Abschre- weniger C und mehr N aufgenommen. Nht bis 0,4 mm cken erforderlich, für spannungsfreie, vergütete Fertigteile mit Härten 550–800 HV 1. Die Variante Tenifer-Verfahgeeignet. Nitrierhärtetiefe Nht von 0,2–0,6 mm mit einer ren® arbeitet mit Belüftung des Salzbades und kürzeren Härte von 750–950 HV 1, je nach Verfahren und Stahl- Behandlungszeiten. Nach Abschrecken entsteht eine Difsorte. Mit Abdeckpasten können weichbleibende Bereiche fusionsschicht mit übersättigtem Ferrit unter Druckeigenisoliert werden (. Tab. 15.35). spannungen. Dadurch wird zusätzlich die Dauerfestigkeit 2Nitrierhärtetiefe Nht

Abstand senkrecht zur Oberfläche gemessen bis zur Grenzhärte GH. GH liegt 50 HV 0,5 über der Kernhärte KH (. Abb. 15.21). Nitrierschichten sind zweiphasig aufgebaut. Eine außen liegende Verbindungsschicht ( 15 *m) aus Fe-Nitriden und/oder Sondernitriden der LE mit einem äußeren, weicheren Porensaum. Die darunter liegende dickere Diffusionsschicht steht durch gelöste Nitride und N-Atome unter Druckspannungen und erhöht die Dauerfestigkeit.

stark erhöht. Tenifer QPQ arbeitet mit oxidierenden Salzschmelzen von 350 ı C zum Abschrecken (Quench), dann polieren der Rauigkeiten und nochmaliges Tauchen im Oxidationsbad bei 350 ı C. Es entsteht eine schwarzgraue, korrosionsbeständige Oxidschicht. Anwendung für alle un- und niedriglegierten Stähle und Bauteile mit schwellender oder wechselnder Biegebeanspruchung bei nicht zu hohen Flächenpressungen, Hydraulikzylinder, HS-Bohrer, bewegte Teile in Druckgießformen. Weitere thermochemische Verfahren siehe . Tab. 15.36.

15.5.5.3 Thermomechanische Verfahren 2Austenitformhärten bei 500 C in NH3 mit Glühzeiten 20–100 h (. Abb. 15.21)

2Gasnitrieren ı

mit geringstem Verzug für z. B. Schnecken für Kunststoffpressen, Großzahnräder, Spindeln. Differenzialgehäu-

Bei legierten Stählen ist oberhalb der Martensitstufe der unterkühlte Austenit länger beständig. Eine sofortige Warm-

441 15.5  Die Wärmebehandlung der Stähle, Stoffeigenschaft ändern

. Tabelle 15.36 Weitere thermochemische Verfahren Verfahren/Element

Temp. ı C

Schichtstruktur, -dicke

Eigenschaften, Anwendungen

Aluminieren Al

800–1100

Al2 O3 -Schicht

Hochtemperaturkorrosionsschutz

Borieren B

850–950

Eisenboridschicht (FeB) u. Fe2 B mit Grundwerkstoff verzahnt 20–300 *m, 1600–2000 HV 0,2

Abrasivverschleiß-fest, Formen für Glas-, Keramikverarbeitung, Extruder für Polymere mit Glasfasern

Chromieren Cr

850–1050

0,2 mm mit 30 % Cr-Gehalt, korrosionsbeständig

größere Schrauben, Bolzen aus unlegiertem Stahl

Silicieren Si

900–1100

100–250 *m, spröde

Hochtemperaturkorrosionsschutz für C-arme Stähle 2

Sherardisieren Zn

400/3–5 h

FeZn-Schicht ca. 150 g/m , Korrosionsschutz 25 *m/ 3 h

in Trommel für Kleinteile, thermisch beständig bis 600 ı C

Vanadieren V

850–1000

20 *m mit 2400 HV 0,1 als Abrasionsschutz

Werkzeugstähle, geringe Reibung Kolbenringe

umformung unter TR erzeugt Gitterstörungen, die durch Keimwirkung bei der nachfolgenden Umwandlung ein sehr feinkörniges Martensitgefüge ergeben, das höhere Festigkeit bei gleicher Bruchdehnung besitzt wie normal vergütete. Anwendung auf Teile mit einfacher Geometrie.

2Thermomechanische Behandlung

Kombination von Umformen (meist Walzen) und dem Mechanismus der -˛-Umwandlung. Die Endumformung erfolgt möglichst ohne Rekristallisation des Austenits im Bereich von Ar3 . Es wird ein sehr feinkörniges Gefüge . Abb. 15.22 Steigerung der Dauerfestigkeit durch Verfestigungswalerzeugt, das durch Wärmebehandlung allein nicht erzeugt zen werden kann und nicht wiederholbar ist (kein Richten mit Flammen, Schweißen mit geringem Wärmeeintrag). Vor- Anwendung Festwalzen von Übergangsradien, Rillen, Nuaussetzung sind Anteile von Mo, Nb, Ti, B. Sie wirken ten an z. B. Kurbelwellen steigert die Dauerfestigkeit jeweils mehrfach durch die Mechanismen der Festigkeits- (GJS-700 um 80–120 %). Die Kerbwirkung kann kompensteigerung, dadurch sind nur geringe Anteile erforderlich siert werden (. Abb. 15.22). (mikrolegierte Stähle). Anwendung bei schweißgeeigneten Feinkornbaustählen, die Streckgrenzen bis 700 MPa errei- 2Verfestigungsstrahlen chen, und C-armen Stählen für Feinbleche. (Kugelstrahlen) durch örtliche Bestrahlung mit kleinen Stahlkugeln. Geringe Randentkohlung oder Oxidation bei Schmiedeteilen senkt ebenfalls die Dauerfestigkeit und 15.5.5.4 Mechanische Verfahren Druckeigenspannungen erhöhen die Dauerfestigkeit. Sie kann damit kompensiert werden. Anwendung: Schmiedekönnen auch mechanisch durch Kaltumformen erzeugt teile mit Zunderschichten (Fahrwerksteile, Pleuelstangen), werden. Gleichzeitig wird meist die Rautiefe verkleinert, Schrauben- und Blattfedern. dadurch Anriss und Rissausbreitung behindert. Die Teile ermüden erst bei höheren Betriebsspannungen. 15.5.6 Aushärten 2Verfestigungswalzen

Rotationssymmetrische Bauteile werden meist vergütet, badnitriert oder einsatzgehärtet behandelt. Rollen-¿, Rundungsradius und Walzkraft müssen so kombiniert werden, dass Verformungsgrad und Tiefenwirkung keine Schädigung hervorrufen.

15.5.6.1

Verfahren

Wärmebehandlung zur Härte- und Festigkeitssteigerung, das für viele Legierungssysteme möglich ist. Voraussetzung ist ein Mischkristallgebiet mit sinkender Löslichkeit bei fallender Temperatur (Zustandsdiagramm in

15

442

Kapitel 15  Eisenwerkstoffe

. Tabelle 15.37 Anwendung der Aushärtung Beispiel

Anwendung

Eigenschaftsverbesserung

CuCr

Elektroden zum Punktschweißen, Federn

Härte und Anlassbeständigkeit bei hoher elektrischer Leitfähigkeit. Härte, Elastizitätsgrenze, elektrische Leitfähigkeit

C-arme Stähle, mikrolegiert

Bake-hardeningKarosserieblech

Anhebung der Streckgrenze um ca. 40 MPa beim Einbrennlackieren (Warmauslagern)

HS6-5-2-5

Schneidwerkstoff

warmauslagernd, Anlassbeständigkeit, Warmhärte, Warmverschleißwiderstand

CuBe1,7

7 Abschn. 14.4.6). Das Verfahren besteht aus zwei Arbeitsgängen: Arbeitsgang

Verfahren, innere Vorgänge, Auswirkungen

Lösungsbehandeln

Erwärmen und Halten auf Temperaturen, die im Werkstoff ein homogenes MK-Gefüge erzeugen (Homogenisieren), Abschrecken (Abkühlen), um sekundäre Ausscheidungen zu verhindern und ein übersättigtes, damit metastabiles, Mischkristallgefüge herzustellen. Knetwerkstoffe sind noch verformbar

Auslagern kalt/warm

Nach einer Anlaufzeit bilden sich durch Diffusion Ausscheidungen in den Mischkristallen. Am Ende der Auslagerung sind sie gleichmäßig über den Querschnitt verteilt, Kaltauslagern bei RT, Warmauslagern bei höheren Temperaturen

Der Festigkeitsanstieg beruht auf feindispersen Ausscheidungen, die eine kritische Teilchengröße und Abstände

15

nicht überschreiten dürfen, damit sie von den Versetzungen geschnitten und nicht von ihnen umgangen werden (Teilchenverfestigung). Bei zu hohen Auslagerungstemperaturen kommt es zur Vergröberung mit Festigkeitsabfall (Überhärtung). 2Alterung

besteht in einem Abfall der Zähigkeit durch unerwünschte Ausscheidungen in Legierungen bei RT. Bei Stahl wird sie durch N-Aufnahme während der Erschmelzung, bewirkt. Nach schneller Abkühlung tritt Übersättigung ein. Langzeitige Vorgänge, durch Kaltumformung und Anlassen beschleunigt (Reckalterung). Stähle mit hohem Reinheitsgrad zeigen diese Erscheinung nicht. 15.5.6.2

Aushärtbare Legierungen

Der Aushärtungseffekt wurde erstmalig bei Al-Legierungen (7 Abschn. 14.2.4 und 16.2.4) entdeckt und auf zahlreiche Werkstoffe übertragen (. Tab. 15.37).

443

Nichteisenmetalle Wolfgang Weißbach

Geringere Vorkommen in z. T. armen Erzen und dadurch aufwändige Verhüttung führen gegenüber Stahl zu höheren Preisen für NE-Metalle. Ihr Einsatz ist notwendig, wenn besondere Eigenschaften gefordert werden, die Stähle nicht erbringen. Eigenschaften

Metalle und Legierungen

niedrige Dichte niedriger Schmelzpunkt (Gießbarkeit) Leitfähigkeit für Wärme/Elektrizität geringe Neutronenaufnahme

Al, Be, Mg, Ti Al, Pb, Mg, Sn, Zn Al, Cu, Ag Zr

Korrosionsbeständigkeit Hitzebeständigkeit Gleiteigenschaften hohe Neutronenaufnahme

Al, Cu, Ni, Ti Co, Cr, Mo, Ni, W Al-, Pb-, Cu, Sn-Leg. Cd, Hf

16.1

Bezeichnung der NE-Metalle

2Reinmetalle

werden mit den chemischen Symbolen bezeichnet, dahinter folgt der Metallgehalt in Prozent. 2Legierungen

werden im Allgemeinen nach dem Basismetall und dem Hauptlegierungselement (Chemische Symbole der Metalle) in nachstehender Reihenfolge benannt: 1. Symbol des Basiselementes, 2. Symbol des Hauptlegierungselementes, 3. Prozentzahl des Hauptlegierungselementes. Zur weiteren Klärung können angefügt werden: 4. Symbol des dritten Legierungselementes 5. Prozentzahl des dritten LE (wenn zur Unterscheidung von ähnlichen Sorten nötig) 7 Beispiele Kurzzeichen Beschreibung CuCr

Cu-Legierung mit Cr nach Norm. Ohne weitere Angabe, da nur eine Sorte!

CuAl10Ni

Cu-Legierung mit 10 % Al und Ni nach Norm

CuNi25Zn15

Cu-Legierung mit 25 % Ni und 15 % Zn

TiAl6V4

Ti-Legierung mit 6 % Al und 4 % V

Hinweis: Regelabweichungen sind in den Normen für die einzelnen NE-Metalle festgelegt. 9

Legierungen auf der Basis von Al, Cu, Mg, Ni und Ti werden nach der Art der Verarbeitung eingeteilt in Knetlegierungen und Gusslegierungen. 2Knetlegierungen

müssen kalt- oder warmformbar sein. Eigenschaftswerte beziehen sich auf den Herstellungszustand des Erzeugnisses. Er wird durch Anhängesymbole (z. B. für Al-Legierungen nach . Tab. 16.1, Auswahl aus DIN EN 515/93) beschrieben. Für Cu und Cu-Legierungen gilt DIN EN 1173/08. 2Gusslegierungen

sollen Gießbarkeit mit guter Spanbarkeit kombinieren und haben meist heterogene Gefüge. Die härtere Phase wirkt spanbrechend (. Tab. 16.2). Kokillenguss erstarrt durch die bessere Wärmeleitung in der Metallform schneller und feinkörniger als Sandguss. Durch Schleuderguss wird das Gefüge dichter, weil Gasblasen und Schlackenteilchen infolge der Fliehkraft innen verbleiben (z. B. Zahnkränze). Strangguss weist ähnlich gute Werte auf. Druckguss verwirbelt beim Einströmen in die Form und hat Lufteinschlüsse, dadurch geringe Bruchdehnung und keine Schweißeignung.

. Tabelle 16.1 Beispiel Anhängesymbole für Al C Leg Symbol

Zustand

Bedeutung der 1.Ziffer

F

Herstellungszustand

keine Grenzwerte für mechanische Eigenschaften

O

weichgeglüht

1 hocherhitzt, langsam abgekühlt 2 thermomech. behandelt 3 homogenisiert

H

kaltverfestigt

1 nur kaltverf. 2 kaltverf. C rückgeglüht 3 kaltverf. C stabilisiert

T

wärmebehandelt

4 lösungsgeglüht C kaltausgehärtet 6 lösungsgeglüht C warmausgehärtet

Die Zustände T3, T4, T5, T6, T7 und T8 haben zahlreiche weitere Unterteilungen mit bis zu 3 Ziffern.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_16

16

444

Kapitel 16  Nichteisenmetalle

. Tabelle 16.2 Bezeichnungssymbol für die Gießart

16

Gießart

Symbol (veraltet)

EN-Norm

Sandguss

G-

-GS

Kokillenguss

GK-

-GM

Druckguss

GD-

-GP

Schleuderguss

GZ-

-GZ

Strangguss

GC-

-GC

und Mischkristalle bilden. Die Fremdatome erhöhen den Gleitwiderstand (damit die Streckgrenze) bei Erhalt der Verformbarkeit. Al-Mischkkristalle haben eine mit sinkender Temperatur abnehmende Löslichkeit. Bei der Abkühlung finden sekundäre Ausscheidungen statt (Segregat an den Korngrenzen). Dadurch sind einige Legierungstypen aushärtbar. 2Korrosionsbeständigkeit

Das edlere Element Cu vermindert schon in Anteilen von 0,1 % die hohe Beständigkeit des reinen Al. AlCu-Legierungen sind deshalb nicht ausreichend witterungsbeständig. Sie können als Blech und Band mit Rein-Al plattiert geliefert werden.

Neue Gießverfahren ergeben durch langsames Einströmen bessere Zähigkeit und Schweißeignung: NiederdruckGießen, Squeeze-Casting und Thixoguss (Gießen im halbfest-flüssigen Zustand). 2Oberflächenbehandlung Bei allen Al-Legierungen lässt sich die natürliche Oxidschicht verstärken. Sie ist elektrisch isolierend, hart und 16.2 Aluminium und Al-Legierungen mikroporös, sodass sie Farben und Schmiermittel in geringem Maße festhalten kann. Dekorativ wirkende Schichten (gleichmäßige Färbung und hochglänzend) lassen sich 16.2.1 Allgemeines nur mit bestimmten Sorten erzielen (Glänzlegierungen mit 99,5 % Al, Mg und ohne Cr), Verschleißschutzschichten Gliederung der Al-Knetwerkstoffe nach DIN EN 573 in 8 (hartanodisieren) bei allen Sorten möglich. Legierungsreihen nach der chemischen Zusammensetzung. Neben den Originalsorten gibt es viele nationale Varianten, 16.2.3.1 Nicht aushärtbare Knetlegierungen die nur in kleinen Mengen und wenigen Erzeugnisformen Diese Sorten erhalten höhere Festigkeiten durch die Mischgeliefert werden. kristallverfestigung der LE in Verbindung mit der Kaltverfestigung, die sich bei der Herstellung einstellt, z. B. Kaltwalzen von Blech. Die Festigkeiten im Halbzeug lie16.2.2 Unlegiertes Aluminium Reihe 1000 gen zwischen 100–310 N/mm2 je nach Legierung und dem Grad der Kaltumformung. Ein Schweißen führt zum FesAl bildet wegen seiner großen Affinität zum Sauerstoff an tigkeitsabfall in der WEZ (. Tab. 16.3). der Luft eine dünne, aber dichte festhaftende Oxidschicht, die ihr Kristallgitter auf dem des Grundwerkstoffes aufbaut 2Reihe 3000 Al Mn (C Mg) (Epitaxie) und die es vor weiterem Angriff schützt. Laugen Eigenschaften ähnlich Al 99,9 mit etwas höheren Fesund manche Säuren (HCl) und Salze (Halogenide) lösen tigkeiten und Beständigkeit gegen Alkalien. Gut löt-, sie auf. Die Oxidschicht kann durch anodische Oxidation schweiß- und kaltumformbar. Mn erhöht die Rekristallisationsschwelle und dadurch die Warmfestigkeit. verstärkt werden. Verwendung des Reinaluminiums: Lager- und Transport-

Anwendung für Dachdeckung und Fassaden, Geräte der Nahrungsmittelindustrie, Kernwerkstoff von lotplattiertem Blech für Wärmetauscher.

fässer, Verpackungsmittel, Haus- und Küchengerät, elektrische Leitwerkstoffe für Kabel, Stromschienen und Freileitungen (hartgezogen), Kondensatoren und Kabelmäntel. 2Reihe 4000 AlSi (C Fe, Mg, Ni) Eloxierte Halbzeuge im Bauwesen und Fahrzeugbau zur Dekoration und hochglänzend für Reflektoren, Plattier- Si erniedrigt den Schmelzpunkt (bei 12,5 % eutektischer werkstoff für Al-Legierungen. Al ist Reduktionsmittel für Punkt) und ist mit 0,8–13,5 % enthalten. Eine aushärtbare hochschmelzende Metalle (Thermit-Verfahren), Al-Pulver Sorte (Al Si1Fe) als Blech. für Farben (Hammerschlaglack). Anwendung Schweißzusatzdrähte (wenig Si), Schmiedekolben: 4032 [Al Si12,5MgCuNi] mit geringer Wärmedehnung, Lotplattierung: 4343 [Al Si 7,5] oder 4045 [Al Si10] 16.2.3 Al-Knetlegierungen auf 3103 [Al Mn1] für Wärmetauscherbleche. Die LE sollen die niedrige Streckgrenze anheben, oh- 2Reihe 5000 Al Mg (C Mn) ne dass die Korrosionsbeständigkeit verloren geht. Das Erhöhte Korrosionsbeständigkeit gegen Seewasser, stärker kfz Al-Gitter kann nur wenige Prozente dieser LE lösen verfestigend als Al Mn. Gute Schweißbarkeit bei >2,5 %

445 16.2  Aluminium und Al-Legierungen

. Tabelle 16.3 Auswahl von Al-Knetlegierungen, nicht aushärtbar Rm

Sorte EN AWStoff-Nr.

Chemische Symbole mit Zustandsbezeichnung (alt) MPa

A

Beispiele

%

Reihe 3000 – Mechanische Werte für Blech 0,5–1,5 mm (A50 ) 3103

3004

Al Mn1-F

(W9)

90

19

Al Mn1-H28

(F21)

185

2

Al Mn1Mg1-O

(W16)

155

14

Al Mn1Mg1-H28

(F26)

260

2

Dächer, Fassadenbekleidung, Profile, Niete Kühler, Klimaanlagen, Rohre, Fließpressteile Getränkedosen, Bänder für Verpackung

Reihe 5000 – Mechanische Werte für Blech 3–6 mm (A50 ) 5005

Al Mg1-O

(W10)

100–145

22

5049

Al Mg2Mn0,8-O

(W16)

190–240

8

Al Mg2Mn0,8-H16

(F26)

265–305

3

Al Mg4,5Mn0,7-O

(W28)

275–350

15

Al Mg4,5Mn0,7-H26

(G35)

360–420

2

5083

Fließpressteile, Metallwaren Bleche für Fahrzeug- und Schiffbau

Formen (hartanodisiert), Schmiedeteile Maschinen-Gestelle, Tank- u. Silofahrzeuge

. Tabelle 16.4 Auswahl von Al-Knetlegierungen, aushärtbar Rm

Sorte EN AWStoff-Nr.

Chemische Symbole mit Zustandsbezeichnung (alt) MPa

A

Beispiele

%

Reihe 2000 aushärtbar – Mechanische Werte jeweils für das Beispiel 310

12

(Drähte < 14 mm), Niete, Schrauben

Al Cu4MgSi-T42

390

12

(Platten und Blech < 25 mm), Vorrichtungen, Werkzeuge Flugzeuge, Sicherheitsteile

2024

Al Cu4Mg1-T42

420

8

2014

Al Cu4SiMg-T6

420

8

(Schmiedestücke), Bahnachslagergehäuse

2007

Al CuMgPb-T4

340

7

Automatenlegierung, Drehteile

15

2117

Al Cu2,5Mg-T4

2017A

(F31 ka)

(F34 ka)

Reihe 6000 aushärtbar – Mechanische Werte jeweils für das Beispiel 6060

Al MgSi-T4

130

6063

Al Mg0,7Si-T6

280

6082

AlMgSi1MgMn-T6

310

6

Schmiedeteile, Sicherheitsteile am Kfz.

6012

Al MgSiPb-T6

2750

8

Automatenlegierung, Hydr.-Steuerkolben

220

12

350

10

(F28)

Strangpressprofile aller Art, Fließpressteile Pkw-Räder u. Pkw-Fahrwerkteile

Reihe 7000 aushärtbar – Mechanische Werte für Blech unter 12 mm 7020

Al Zn4,5Mg1-O-T6

7022

Al Zn5Mg3Cu-T6

(F45wa)

450

8

7075

Al Zn5,5MgCu-T6

(F53wa)

545

8

Mg-Gehalt, bei niedrigen (Mg C Mn)-Gehalten gut kaltformbar. Anwendung Statisch beanspruchte Konstruktionsteile im

Fahrzeug- und Schiffbau (Bootsrümpfe), Untertagegeräte. Mn ergibt höhere Festigkeit bei Strangpressprofilen und bessere Warmfestigkeit gegenüber AlMg-Sorten.

16.2.3.2

Cu-frei, nach dem Schweißen selbstaushärtende Legierung Maschinen-Gestelle, Schmiedeteile überaltert (T7) gut beständig gegen SpRK

Aushärtbare Knetlegierungen

2Reihe 2000 Al Cu (C Mg, Mn, Si, Pb) (. Tab. 16.4)

Hochfeste Legierungen mit hoher Bruchdehnung (13 %). Sie werden kaltausgehärtet (T4) eingesetzt, durch den CuGehalt nur geringe Korrosionsbeständigkeit, besonders im Zustand warmausgehärtet (T6) Verbindung durch Nieten,

16

446

Kapitel 16  Nichteisenmetalle

. Tabelle 16.5 Aluminium-Gusslegierungen Kurzname Stoff- Nr. nach EN AC-. . .

Gießart Gieß- Zustd. Rm Rp0,2 A50mm HB DIN EN arta 1706

-Al Cu4MgTi -21000

S, K, L

-Al Si7Mg0,3 -42100 -Al Si10Mg(a) -43000

-Al Si12(a) -44200 -Al Si8Cu3 -46200

S, K, L

S, K

S, K

2, K, D

-Al Si12CuNiMg K -48000

Gie- Schwei- Polie- Bestän- Bemerkungen ßenb ßenb renb digk.b

S

T4

300 200

5

90 C/D D

B

D

einfache Gussstücke hochfest und -zäh, Wagonrahmen und -fahrgestelle

K

T4

320 220

8

90

L

T4

300 220

5

90

S

T6

230 190

2

75 B

B

C

B

Sicherheitsbauteile: Hinterachslenker, Vorderradnabe, Bremssättel

K

T6

290 210

4

90

S

F

150

80

2

50 A

A

D

B

Motorblöcke, Wandler- und Getriebegehäuse, Saugrohr für Kfz

K

F

180

90

2,5

55

K

T6

260 220

1

90

S

F

150

70

5

50 A

A

D

B

dünnwandige, stoßfeste Teile aller Art

K

F

170

80

6

60

S

F

150

90

1

60 B

B

C

D

warmfest bis 200 ı C, für dünnwandige Teile

K

F

170 100

1

K

T5

200 185

50

3–5

4–6

Bruchspan- Streckspan- Bruchdeh- Streckdehnungen B nungen Y nungen "B nungen "Y in MPa in MPa in % in %

200/280 –

/80

30/60

dauernd

Dichte Wärmebeständigin g/cm3 keitd in ı C

PVC-C nachchloriert 1,55

PVC-U hart

Polyvinylchlorid

Chemische Bezeichnung Kurzzeichen

. Tabelle 17.11 Auswahl thermoplastischer Kunststoffe (Plastomere)

155



75



64

16–

30

80–130

3100–3300

6500–6700

5200–6000

600–1400

200–400

1300–1500

400–750

3400–3600

2700–3000

H358/10a E-Modul in MPa

6

4

0,8–

1,8

20







20

Unbeständig gegen Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethen

Korrosionsbeständig, klebwidrig, geringste Reibung, Konstanz elektrischer Eigenschaften zwischen 150 und 300 ı C

Hohe Beständigkeit gegen fast alle aggressiven Stoffe

Hart, zäh, korrosionsbeständig, selbstlöschend, Rohre, Fittings für Frisch- und Abwasser, Fensterprofile

Unbeständig gegen Kohlenwasserstoffe (Quellung)

Eigenschaften, Verwendungsbeispiele

7

Glasklar, hart, spröde, geringste elektrische Verluste, geschäumt als Wärmeisolator. Gehäuse für Feingeräte

Unbeständig gegen Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethen. Benzin wirkt spannungsrissauslösend

10–15 Wie PE, temperaturstandfester, weniger kaltzäh, kochfest, hochkristallin, Ben7 zintanks, Rohre für Fußbodenheizung

Biegsam bis hart, teilkristallin, korrosionsbeständig, kaltzäh, Wasserleitungsrohre, Galvanikbehälter, Batteriekästen, Silo-Auskleidungen, 12–15 Folien für Verpackung Unbeständig gegen Halogene, starke Säuren, Trichlorethen

23

7

14

6

8

1=1000 ˛c in MPab

17.4  Thermoplastische Kunststoffe 465

17

1,08

1,36

1,08

1,36

SAN: Styrol-Acrylnitril

SAN-GF 35

ABS: AcrylnitrilButadien-Styrol

ABS-GF 20

1,44

PC-GF 30

1,41

1,5

POM

POM-GF 30

Polyoxymethylen

1,2

1,17

PC, amorph

Polycarbonat

AMMA, Halbzeug

PMMA

Polymethylmetacrylat

1,05

SB: Styrol-Butadien

/70

40/90

30/80

30/80

0/90

0/85

50/70

dauernd

155–160

105–115

135–140





70

90–100

60–75

65–80

50/100 125–130

50/80

65–85 110





60–70



55–60







30–45





25–45

3



3,5



10

2–6





2

2,5–5





8–25



6–7





–2

2,5–3,5





1–2,5

Bruchspan- Streckspan- Bruchdeh- Streckdehnungen B nungen Y nungen "B nungen "Y in MPa in MPa in % in %

125–135 100/125 –

75

75–105

100–110

95–105

105

95–100

70–85

Schlagfeste Polystyrol-Copolymere

max.

Dichte Wärmebeständigin g/cm3 keitd in ı C

17

Chemische Bezeichnung Kurzzeichen

. Tabelle 17.11 (Fortsetzung)

200

160

150

100

250

95



170

100

15

40

18



15



12



13

20

Opak, kaltzäh, weniger UV-beständig und alterungsempfindlicher als PS, Tiefziehplatten, Lager und Transportbehälter

Eigenschaften, Verwendungsbeispiele

Steif, kaltzäh, kratzfest, Schalldämpfend, geringeres Kriechen und Dehnen bei Erwärmung

Unbeständig gegen Alkalien, organische Lösungsmittel, Wasserdampf

Verglasungen aller Art mit hoher Verformbarkeit, Splittersicherheit, Lehrmodelle, Zeichengeräte

3

12

Kristallin, geringe Wasseraufnahme und Kaltfluss, in Anwendung ähnlich PA, Schnappverbindungen

Unbeständig gegen starke Säuren

6–7 Glasklar, kaltzäh-warmhart, maßbeständig, Trägerteile und Gehäuse 2,5 für Beleuchtungskörper und Messgeräte



8

Unbeständig gegen organische Lösungsmittel

2,4 Karosserie-Innenausbau, Schutzhelme, galvanisierbare Beschlagteile, Armaturenbretter, Frontspoiler, Schutzhelme

9

Glasklar, hoher E-Modul, beständiger als reines PS, weniger zäh als SB, Batteriekästen, Gehäuse der 2,5 Feinwerktechnik

7

10

1=1000 ˛c in MPab

9000–10.000 –

3000–3200

5500–5800

2300–2400

4500–4800

3100–3300

6000

2400

12.000

3500–3900

2200–2800

H358/10a E-Modul in MPa

466 Kapitel 17  Kunststoffe (Polymere)

1,13

1,15

1,01

1,03

1,32

1,4

PA66 trocken

PA66 konditioniert

PA12 trocken

PA12 konditioniert

PA6-GF 30 trocken

PA12 konditioniert

1,35







50–80 –

50/100 – 50/140 160–175

60/140

50–60





50/120 –

100–135

40/120 170–200

35–40

45–60

70/110 – –

50–70

75–100

30–60

70–90



40/100 –

40/90

dauernd

2–3





4,5–6

3–3,5















5–7

3,5–7





10–15

4–5

15–25

4,5–5

0–30

4–6

Bruchspan- Streckspan- Bruchdeh- Streckdehnungen B nungen Y nungen "B nungen "Y in MPa in MPa in % in %



200

130

150

220

80

95

100

160

65

160





4–6

4000

9000–11.000

2800–3100

2500–2800

5600–8200

20

50

15

–10 Teilkristallin, zähhart, abriebfest, geräuschdämpfend, wasseraufnehmend, von PA6 über PA66 und PA12 abnehmend. Dadurch Maßänderungen und Abfall der Festigkeit.

Unbeständig gegen starke Säuren und Laugen

Eigenschaften, Verwendungsbeispiele

5

3

7

13

2,5

Unbeständig gegen HNO3

Steif, zäh, geringste Wasseraufnahme, hohe Maß- und Wärmebeständigkeit. Kfz.-Türgriffe, Scheinwerfer- und Spiegelgehäuse, Zahnräder, Kupplungen, Getränkeflaschen

Unbeständig gegen heißes Wasser, Halogen-Kohlenwasserstoffe

Erhöhte Maßhaltigkeit und Steifigkeit, Gehäuse für Heimwerker-Maschinen

Hohlkörper durch Rotationsformen (Heizöltanks)

7–10 Zahnräder, Laufrollen, Nockenscheiben, Pumpenteile, Gleitelemente, Lüfterräder, Gehäuse für Handleuchte, 10–15 Möbelscharniere

1=1000 ˛c in MPab

9000–10.800 50

900–1200

1300–1600

1300–2000

2700–3300

750–1500

2600–3200

H358/10a E-Modul in MPa

Thermisch und chemisch hoch beständig, meist glasfaserverstärkt PPS-GF40 1,64 260 60/220 165–200 – 0,9–1,8 – – 13.000–19.000 30 3 für Teile im Motorraum im Austausch gegen Metalle Erläuterungen: Bruchspannung B und Bruchdehnung "B werden für harte und spröde Polymere ermittelt, sie entsprechen der Zugfestigkeit bzw. Bruchdehnung. Streckspannung Y und Streckdehnung "Y werden für zäh-elastische Polymere ermittelt, sie entsprechen der oberen Streckgrenze. Dehnungswerte unter Last gemessen (siehe . Abb. 17.5). a Kugeldruckhärte. b Zeitdehnspannung 1=1000=23ı C . c Linearer Längenausdehnungskoeffizient, längs, 105 =ı C. d Wärmeformbeständigkeitstemperatur HDT nach DIN EN ISO 75/04 (E-12). Dabei wird eine mittig biegebeanspruchte Probe auf zwei Stützpunkten langsam durchgebogen. Bestimmten Biegespannungen (z. B. Fall A mit 1,85 MPa) sind bestimmte Durchbiegungen zugeordnet (A D 0,33 mm).

PPS

Polyphenylensulfid

220–230

PET-GF 30

1,5

65–75

50–60



190–215



40–50



70–80

30–60

55–80

PET, teilkristallin

PBT

1,3

1,14

PA6 konditioniert

Polyester, linear

1,12

max.

Dichte Wärmebeständigin g/cm3 keitd in ı C

PA6 trocken

Polyamide

Chemische Bezeichnung Kurzzeichen

. Tabelle 17.11 (Fortsetzung)

17.4  Thermoplastische Kunststoffe 467

17

Kapitel 17  Kunststoffe (Polymere)

468

. Tabelle 17.12 Auswahl von Elastomeren Symbol

Anwendungen

Beständigkeit

Kautschuk (K.)

Durch chemische Reaktion (Vulkanisation) vernetzte Ketten mit Knäuelstruktur, danach nicht mehr plastisch verformbar

Styrol-Butadien-K.

SBR

Reifenmischungen, Kabelmäntel, Schläuche

Nicht gegen Öle

40–100 (120)

Chloropren-K.

CR

Faltenbälge, Kühlwasserschläuche

Bedingt geg. Öle

40–110 (130)

Nitril-Butadien-K.

NBR

Dichtungswerkstoff im Kfz.- und Masch.-Bau

Öle, Treibstoffe

30–100 (130)

Butyl-K.

HR, CHR

Geringe Gasdurchlässigkeit, für Reifenschläuche, gasdichte Membranen

Chemikalien, Alterung

40–130

Methyl-Silikon-K.

MQ

Weitere Sorten mit Phenyl-, Vinyl-Gruppen

Nicht gegen H2 O-Dampf

Fluor-Silkon-K.

MVFQ

Dichtungen in Kfz., Luft- Raumfahrt

60–175 (300) mit steigender Kristallisation

Witterung, Ozon, Alterung

40–130 (150)

Ethylen-Propylen-Dien-K. EPM, EPDM Massive und Moosgummi-Dichtprofile, Kfz.-Stoßfänger, O-Ringe, Kabelmäntel Thermoplastische Elastomere TPE

Bei der Pfropf- oder Blockpolymerisation entstehen verknäuelte Moleküle mit mechanisch harten und weichen Abschnitten, wobei die harten wie Vernetzungen wirken. Sie sind thermoplastisch formbar

PUR-Elastomer

TPE-U

Kabelmäntel, Faltenbälge, Zahnriemen, Schleifteller, Skistiefel

Fette, Benzol, nicht Heißwasser 40–80 (110)

TPE (5 weitere Sorten) sind Austauschstoffe für vulkanisierten Kautschuk, weil sie rationeller zu fertigen sind

17.5

17

Temperaturbereich ı C (kurzzeitig)

Elastomere

Elastomere sind gummielastische Polymere. Ihre weitmaschig vernetzte Knäuelstruktur (7 Abschn. 17.2.1) besitzt eine hohe elastische Dehnung mit Rückstellvermögen. Ihr Anwendungsbereich liegt oberhalb der Glastemperatur Tg (. Abb. 17.3). Neben Reifen und Schläuchen werden sie für Kabelummantelungen, Dichtprofile und -ringe, Moosund Schaumgummi, Faltenbälge u. Ä. eingesetzt. Wichtige Anforderungen sind Hitzebeständigkeit und Beständigkeit gegen flüssige und gasförmige Medien. Für Reifen kommt die Abriebbeständigkeit hinzu. Naturkautschuk kann diese Anforderungen nicht erfüllen, deshalb sind für die unterschiedlichen Anforderungen zahlreiche Kautschuksorten entwickelt worden und auch thermoplastische Elastomere TPE (. Tab. 17.12).

18

469

Werkstoffe besonderer Herstellungsart Wolfgang Weißbach

Pulvermetallurgie

18.1

. Tabelle 18.1 Pulverherstellung

Pulvermetallurgie (PM) befasst sich mit der Herstellung von Metallpulvern und Bauteilen daraus. PM gehört damit zum Fertigungsbereich Urformen. Die Begriffe sind nach DIN EN ISO 3252/01 genormt. Im Unterschied zum Gießen ist der Materiezustand beim Formen fest (evtl. teilflüssig beim Sintern mit flüssiger Phase). Deshalb sind PM-Teile meist porös. Die Porosität ist vom Pressverlauf abhängig, beginnt mit 30 % und kann durch Sinterschmieden oder Tränken auf null gebracht werden. Mit der Dichte steigen Festigkeit und Zähigkeit (. Tab. 18.1).

18.1.1

Anwendung

Direktreduktion

Fe-Pulver durch mech. Zerkleinerung Mo-, Ta-, W-Pulver

Reduktion von Erzen im aufsteigenden CO-H2 -Gasstrom zu Eisenschwamm. Pulverförmige Oxide hochschmelzender Metalle im H2 -Strom

Verdüsung Schmelzen werden mit Luft, Dampf Fe und NEoder Wasser zerstäubt, reaktionsfähige Metalle Metalle in Argon oder Vakuum Carbonylverfahren

Carbonyle sind Metall-(CO)-Verbindungen, die bei höheren Temperaturen in reines Metall (Kugeln von 0,1–5 µm) zerfallen

Fe- und NiPulver für Magnetwerkstoffe

Das PM-Fertigungsverfahren

Arbeitsgang Pulverherstellung

Formgebung durch Pressen Koaxial Isostatisch Kalt: CIP Heiß: HIP Sintern

Beschreibung

Hinweise

Größe und Form der Pulverteilchen hängen vom Herstellungsverfahren ab und beeinflussen die Pressbarkeit

Pressbarkeit: Hohe Pressdichte bei niedrigen Drücken durch Zugabe vergasender Schmierstoffe (Zinkstereat) Die Teile erhalten Pressdichte und Grünfestigkeit durch Press (Grün-) körperfestigkeit gut bei Teilmechanische Verklammerung, wichtig für die weitere Hand- chen mit zerklüfteter Oberfläche, geringer bei habung. Koaxial: Verdichtung in Stempelrichtung größer als kompakten Teilchen. Pressdichte von 5,8 ... quer dazu, Isostatisch: Verdichten in geschlossenen Kapseln 7 g/cm3 (Fe) Pressdrücke bis zu 60 kN/cm2, dadurch wird Werkstückgröße von der Presunter Flüssigkeits- oder Gasdruck. Verdichtung konstant. sengröße bestimmt. Wärmebehandlung zur Diffusion zwischen den Stoff Temp. °C Stoff Temp. °C Pulverteilchen und Verkleinern des PorenrauAl-Leg. 590-620 Fe+Carbid 10:000.

. Tabelle 18.2 Kurzzeichen für Sinterwerkstoffe Klasse SINT-

Raumerfüllung %

Anwendungsbereich

AF

< 73

Filter

A

75

Gleitlager

B

80

Gleitlager und -elemente

C

85

Gleitlager, Formteile

D

90

Formteile

E

94

Formteile

F

95,5

Formteile, geschmiedet

Kennziffer

Werkstoffart

LE-Anteile %

0

Sintereisen, -stahl

< 1 Cu

Abschrecken der Pulverteilchen erzeugt Aushärtungseffekt zur hochübersättigte Mischkristalle, die Festigkeitssteigerung beim Sintern feindisperse, intermetallische Phasen ausscheiden

1

Sinterstahl

1–5 Cu

2

Sinterstahl

> 5 Cu

3

Sinterstahl

< 6 andere LE

Erhalt der Pulvermischung beim Sintern, es können PM-Legierungen mit beliebigen Anteilen hergestellt werden. Beim Erstarren von Schmelzen gibt es Entmischungen, grobe Primärkristalle, Bildung intermetallischer Phasen oder Unmischbarkeit in der Schmelze

PM-Werkzeug-Werkstoffe mit hohen Carbidanteilen, Sinterhartmetalle, Sinterwerkstoffe für Schalt- und Schleifkontakte

4

Sinterstahl

> 6 andere LE

5

Sinterlegierg. Cu-Basis > 60 Cu

6

Sinterbuntmetalle

7

Sinter-Leichtmetalle

PM-Werkstoffe sind porös, die Poren können Funktionen übernehmen

Selbstschmierende Lager, Filter

Kein Auflegieren höchstschmelzender Metalle mit Formstoffen, durch Sintern von W, Ta, Mo bei Temperaturen < Tm

Bauteile aus Ta, Mo, W und keramischen Stoffen

2Bedingungen

Feinkorn-Pulver erforderlich, starke Schrumpfung beim Sintern. Grünling muss ca. 17 % größer als das Fertigteil sein. Hohe Gestaltungsfreiheit wie bei Polymer-Spritzguss

18.1.3

Eigenschaften der PM-Werkstoffe

Merkmal der PM-Herstellung

Anwendung

2Fertigteile

Das PM-Verfahren arbeitet mit hoher Werkstoffausnutzung bei geringem Energieverbrauch, ist aber verfahrensbedingt (Pressdruck) und wegen der höheren Materialkosten auf kleinere Massenteile begrenzt.

18.1.4

Klassifizierung, Normung

z. B. Al

flächenbehandlung, Fügen von Formteilen, Schwingfestigkeit von Sinterstählen. Nicht genormt sind pulvermetallurgisch hergestellte Kalt-, Warm- und Schnellarbeitsstähle z. B. 1.3344 (HS6-5-3) als S 790 PM oder 1.2380 (X220 CrVMo13-4) als K 190 PM (Böhler und andere Hersteller), ebenso ausscheidungshärtende, rostfreie Stähle und weichmagnetische Sorten. 18.2 18.2.1

Keramische Werkstoffe Struktur und Eigenschaftsprofil

18 Die Einteilung geschieht nach Dichteklassen (fallende Porosität) und der PM-Legierung. 7 Beispiel SINT-A 5 n bedeutet (. Tab. 18.2): A Gleitlagerwerkstoff, 5 Cu-Legierung, n ist Zählziffer. 9

2Normung

Sintermetalle DIN 30910/90: 5 Teile für z. B. Filter, Teile mit Gleiteigenschaften, Formteile (-4/10) und Sinterschmiedestähle für Formteile (-5/10, keine Hartmetalle). Sinterprüfnormen DIN 30911/90: 2 Teile für verschiedene Eigenschaftsprüfungen; Sinter-Richtlinien DIN 30912/90: 6 Teile für mech. Bearbeitung, Gestaltung, Wärme-, Ober-

Keramische Werkstoffe bestehen überwiegend aus Elementen der ersten beiden Perioden des PSE, (B, C, N, O, Mg, Al, Si), daneben die Elemente Ti und Zr aus der Nebengruppe IV. Ihre kleinen Atomradien ergeben große Bindungskräfte ! Geringe Dichte, hohe Schmelztemperaturen und Härte, hohe Steifigkeit (E-Modul) und Druckfestigkeit, Zugfestigkeit gering. Ihre Kristallgitter mit Ionen- oder Atombindung ergeben spröde Werkstoffe (Zähigkeit GJL), geringe Affinität zu anderen Stoffen: Hohe Korrosionsbeständigkeit. Die Festigkeit steigt mit sinkender Korngröße. Wichtig ist eine gleichmäßige Korngrößenverteilung, da größere Teilchen als Rissquellen wirken. Die Qualitätssicherung beginnt mit der Gleichmäßigkeit der Ausgangsstoffe.

471 18.2  Keramische Werkstoffe

2Polymer-Pyrolyse

. Tabelle 18.3 Keramikverarbeitung Fertigungshauptgruppe

Verfahren

Urformen

Meist durch Pressen und Sintern, Schlickerguss, PM-Spritzguss für Kleinteile bis 300 g, Plasmaspritzen für Hohlkörper

Umformen

Nur im Grünzustand möglich

Trennen

Schleifen mit Diamant- oder Borcarbidscheiben, laserunterstütztes Drehen. Elektroerosive Bearbeitung möglich bei elektrischen Leitwerten >0,01 S/cm (z. B. bei SiC)

Verbinden

Reib- und Diffusionsschweißen, Reaktionslöten (auch Keramik mit Metall), oder Löten nach Metallisierung, Kleben

Beschichten

Thermisches Spritzen, CVD- und PVD-Verf.

Durch Polymerisation organischer Verbindungen, die Si (Silane) oder Al enthalten, und anschließender thermischer Zersetzung unter Luftabschluss entstehen Feststoffe aus z. B. AlN, BN, SiC oder S3 N4 . Anwendung auch zur Herstellung von C-Fasern aus Polyacrylnutril-(PAN)Fasern. Auf Grund der hohen Schmelztemperaturen und der mangelnden Verformbarkeit sind besondere Fertigungsgänge erforderlich (. Tab. 18.3). Grünbearbeitung am ungesinterten Rohteil, Weißbearbeitung am vorgebrannten (hilfsverfestigten) Rohteil und Nachbearbeitung am fertiggesinterten Bauteil mit steigenden Kosten.

18.2.2

Fertigungsgänge

Hohe Schmelztemperaturen und die mangelnde plastischen Verformbarkeit erfordern besondere Fertigungsgänge (. Tab. 18.3). Grünbearbeitung am ungesinterten Rohteil, Weißbearbeitung am vorgebrannten (hilfsverfestigten) Rohteil und Nachbearbeitung am fertiggesinterten Bauteil mit steigenden Kosten. Einen Vergleich der technologischen Eigenschaftswerte zwischen Keramik und Stahl zeigt . Tab. 18.4.

Natürlich vorkommende Rohstoffe benötigen aufwändige Trennverfahren. 2Sol-Gel-Verfahren

erzeugen Pulver hoher Reinheit mit Teilchen im Nanometerbereich durch Ausfällen aus Lösungen und Wasserentzug.

. Tabelle 18.4 Eigenschaftswerte von Keramik im Vergleich zu Stahl (Mittelwerte) Sorte Kurzzeichen

Dichte g/cm3

E-Modul GPa

Stahl

7,85

210

Al2O3

Härte HV 1

Biegefestigkeit MPa

Wärmeleitung  W/mKa

500–700

62

3,2–3,9

200–380

2300

200–520

10–30

PSZ

5–6

200–210

1250

500–1000

1,5–3

AlTi

3–3,7

AlN

3,0

RBSN

1,9–2,5

10–50

1,5–3 > 100

Risszähigkeit KIc c

12

< 100

6–8 10–12,5

3,5–5,5

Max. Temperatur ı C 200 1400–700

5,8–0

900–600

2

5

900–600

4,5–5

3

n. b.

2,1–3

1,8–4

1100

1100

200

80–180

1000

200–330

4–15

3–3,3

250–330

1800

700–1000

15–45

2,5–3,5

5–8,5

1250

HPSN

3,2–3,4

290–320

1600

600–800

14–40

3,1–3,3

6–8,5

1400

HIPSN

3,2–3,3

290–325

300–600

25–40

2,5–3,2

6–8,5

1400

GPSN

3,2

300–310

900–1200

20–24

2,7–2,9

8–9

1200

RSiC

2,6–2,8

230–280

2800

80–120

20

4,8

3

1600

SSiC

3,1

370–450

2600

300–600

40–120

4,0–4,8

3–4,8

1400–750

SiSiC

3,1

270–350

2500

180–450

110–160

4,3–4,8

3–5

1380

HPSiC

3,2

440–450

3500

500–800

80–145

3,9–4,8

5,3

1700

HIPSiC

3,2

440–450

640

80–145

3,5

5,3

1700

BC

2,5

390–440

3700

400

28

6

3,4

BN, kub.

3,5

680

4000

500–800

SSN

a

320

15–100

Wärmedehnung 106 /Kb

p bei 20 ı C. b zwischen 30–1000 ı C. c Spannungsintensitätsfaktor K Ic in MPa m

3,5

700–1000 1200

18

Kapitel 18  Werkstoffe besonderer Herstellungsart

472

18.2.3

Werkstoffe

Sorten/Kurzname

Eigenschaften

Anwendungsbeispiele

Al-Oxid Al2 O3 Al2 O3

Sorten mit steigendem Al-Gehalt, elektrischer Isolator, hoch temperaturbeständig

Wendeschneidplatten für spanende Verfahren, Härte bis 1000 ı C. Mischkeramik enthält ZrO oder TiC mit höherer Biegefestigkeit. Verschleißteile in Ventilen, Fadenführungen in Textilmaschinen, Ziehdüsen, Dichtelemente an rotierenden Wellen

Zirkonoxid ZrO2 PSZ (teilstabilisiert) FPZ (vollstabilisiert)

Polymorph, durch Zusätze von Yttriumoxid teilweise oder voll umwandlungsfrei, hohe Festigkeit durch Umwandlungsverstärkung

Geringe Adhäsionsneigung zu Stahl, zäh, die Wärmedehnung ähnlich Stahl ermöglicht Werkstoffverbunde. Ziehwerkzeuge, Wärmedämmschichten, -Sonden für Katalysatoren

Al-Titanat Al2 TiO5 AlTi

E-Modul und Wärmedehnung klein, sehr hohe Thermoschockbeständigkeit

Für Umgießteile im Motorenbau: Einsätze für Kolbenböden, Auskleidung von Auspuffkrümmern, geringe Benetzung durch Al- und Buntmetallschmelzen

Nichtoxidkeramik

Dichte

Kohlenstoff C

porös

Graphit, wenig fest, geringe Wärmedehnung, wärmeleitend

In O-freier Umgebung bis 2000 ı C beständig, C-faserverstärkt für Kolben in Kfz-Motoren

Bornitrid BN

hex.

„weißer“ Graphit, Gleiteigenschaften

Einsätze für Stranggießformen, Festschmierstoff für hohe Temperaturen

Bornitrid CBN

kub.

Härtester Stoff nach dem Diamant

Wendeschneidplatten

diamantartige Struktur

RSiC, schwindungsfrei, für größere Teile

Oxidkeramik

Si-Carbid

SIC

SiC RSiC

Porös

rekristallisiert

SSiC

Porös

drucklos gesintert

SSiC: Gleitringdichtungen f. Laugenpumpen

SiSiC

Dichte # steigt

Si-infiltriert

SiSiC ist guter Wärme- und Stromleiter, deshalb für Wärmetauscher in aggressiven Medien

HPSiC HIPSiC Borcarbid B4 C BC Si-Nitrid

18

SN

heißgepresst heißisostatisch gepresst

dicht

Si3 N4

sehr hart, höchster Widerstand gegen Abrasion

Düsen für Strahltechnik, Panzerplatten für ballistische Zwecke, Schleifscheibenabrichter, Läppkorn für Hartmetall

höchste Biegefestigkeit

RBSN ist schwindungsfrei, für größere Bauteile. Höchste Biegefestigkeit bis 1000 ı C durch kleinere Wärmeleitfähigkeit widerstandsfähiger gegen Thermoschock als SiC. Für z. B. Auslassventile für Kfz-Motoren, Abgasturbinenläufer, Vollkeramiklager bis zu 500 ı C. Hybridlager mit HPSN-Kugeln in Stahlringen, Schneidkeramik

RBSN

porös

Reaktionsgebunden

SSN

porös

Drucklos gesintert

HPSN

Dichte # steigt

heißgepresst

HIPSN GPSN

heißisostatisch gepresst gasdruckgesintert

18

473 18.3  Verbundwerkstoffe

18.3 18.3.1

Verbundwerkstoffe

18.3.2

Begriffe

Verbundwerkstoffe (engl. composite ¶ zusammengesetzt) bestehen aus zwei oder mehr Phasen, die sich in Struktur und/oder Gestalt stark unterscheiden: Unterschied

Phasen und Gestalt

Bindung, Struktur

Metalle (-gitter); Polymere (amorph, teilkristallin), Keramik (Ionen- oder Atomgitter)

Gestalt

Fasern, Teilchen, Schichten, Durchdringungen

Faserverbundwerkstoffe

Sehr dünne Fasern haben bedeutend höhere Festigkeiten als der gleiche Werkstoff in massiver Form. Für den Verbund ist wichtig, dass die Faser einen höheren E-Modul besitzt als die Matrix, sodass sie die Zugspannungen aufnehmen kann. Die Faserverbunde haben hohe Festigkeiten und E-Moduln (auch spezifische – wie die Reißlänge –, besonders bei einer Matrix mit niedriger Dichte, wie Polymere und Keramik). Bei polymeren Stoffen verringert sich die Wärmedehnung. Durch die Fasern sind die Eigenschaften des Verbundes anisotrop, deshalb ist die Faserausrichtung wichtig. Faserlage

Symbol

Die verstärkten Kunststoffe sind unter 7 Abschn. 17.3.4 unidirektional, parallel bei Strängen (Rovings), UD behandelt. Bändern (Tapes) Die Gestalt der Verstärkungsstoffe gibt den Namen: z. B.: glasfaserverstärkte Kunststoffe, teilchenverstärkte bidirektional, unter 90ı bei Geweben BD Legierungen. Weil die Matrix wesentliche Eigenschaften multidirektional bei Matten aus Schnittfasern MD des Verbundes bestimmt, werden als Oberbegriffe auch die (Wirrfasern) oder Gewebelagen übereinander Namen der jeweiligen Matrix verwendet: Metall-MatrixVerbund MMC (metal matrix composite), CMC (ceramic matrix composite). Oberflächenbehandlung der Fasern (Interface, Schlichte) Der Grundwerkstoff – auch Matrix oder bei Schicht- soll die Benetzung sichern, Reaktionen zwischen Faser und verbunden Substrat – sorgt für den Zusammenhalt der Matrix verhindern und Schutz bei der Verarbeitung bieten, Form, während die eingelagerten Phasen durch besonders damit eine kraftschlüssige Verbindung zwischen beiden gehohe Eigenschaftswerte (z. B. Härte, Wärmeleitung, Zug- währleistet ist (. Tab. 18.6). festigkeit, Gleitfähigkeit) das Eigenschaftsprofil prägen. So können unzureichende Eigenschaften des Grundwerkstof-1 Faserverstärkte Metalle (. Tab. 18.7) fes verbessert werden. Kurzfasern können bis 40 % pulvermetallurgisch in die Die Kombinationsmöglichkeiten von Matrix, Verstär- Metallmatrix eingebracht werden. Hochschmelzende Fakungsstoff und dessen Form sind sehr groß. Neben neuen sern werden in Leichtmetalle mit niedrigem Schmelzpunkt Kombinationen geht die Weiterentwicklung zu einfacheren durch Vakuumgießen eingebettet. Dazu wird ein vorgefer(preisgünstigeren) Herstellverfahren und der Qualitätssi- tigtes Fasergelege (Preform) in der Form fixiert (Auftrieb) cherung. und langsam von einer Seite her durchtränkt. Verbundwerkstoffe entstehen meist erst bei der FormFlächige Teile entstehen durch Plasmabespritzen von gebung aus den Komponenten. Ihre Eigenschaften sind Fasern auf Unterlagen (Trennmittel hex. Bornitrid) mit foldeshalb stark von den Einflussgrößen des jeweiligen Fer- gender Warmumformung. Lotwalzplattieren von C-Fasern tigungsverfahrens abhängig, die Streuung macht eine Qua- (Ni-bedampft) mit AlSi12 beschichteten Al-Folien bei litätssicherung aufwändiger (. Tab. 18.5). 600 ı C.

. Tabelle 18.5 Beispiele zur Eigenschaftsverbesserung Grundwerkstoff

Maßnahme

Verbesserung, Steigerung

Leichtmetalle sind wenig warmfest, sind weich, haben niedrigen E-Modul

feindisperse Al-Oxid-Teilchen im Gefüge verhindern das Korngrenzengleiten. Harte SiC-Teilchen in Randschicht einbetten. ARAMID- oder C-Fasern, evtl. als Faserformkörper vergossen

Höhere Warmfestigkeit als ausgehärtete Al-Legierungen. Höherer Verschleißwiderstand. Wärmedehnung sinkt, E-Modul kann größer als bei Stahl werden

Keramik ist spröde

Einbetten von SiC-Fasern bremst die Rissfortpflanzung

Biegefestigkeit, Temperaturwechselfestigkeit und Schadenstoleranz

Polymere sind wenig fest und steif

Kurz-, Langfasern oder flächige Faserprodukte In Polymermatrix eingebettet

Zugfestigkeit und E-Modul, Abnahme der Wärmedehnung

Kapitel 18  Werkstoffe besonderer Herstellungsart

474

. Tabelle 18.6 Eigenschaftswerte von Fasern (für ¿ von 3–15 *m) 

Rm

g/cm3

103 MPa

2,6

3,5

80

4

250

LM

1,44

3,4

170

2

>200

Leichte Verbunde für Luft- und Raumfahrt, Reifencord, auch mit C- und G-Faser versponnen

HM

1,45

3,7

90

4

HM

1,96

1,8

800

0,4

2000

Hochbeanspruchte Verbunde für Metall-, Keramik- und Polymerverbunde im Leichtbau

HST

1,75

5,0

240

2

Al-Oxid

3,9

2,0

470

0,8

900

Si-Carbid

3,0

3,0

400

1,5

1100

0,3

2a

250

0,2

a

Werkstoff

Glas Aramid

Kohlenstoff

Ramie

Naturfasern n. b.

E

0,5

Sisal

n. b.

0,8

Jute

1,45

0,4

43

A

Max. Temp.

%

ı

Verwendung

C Meist benutzte Faser für verstärkte Polymere

Verstärkung von Al-Legierungen Erhöhung der Zähigkeit von Keramik Mit Polymermatrix (Prepregs) für flächige Bauteile im Innenbereich von Fahrzeugen, gute Umweltverträglichkeit

5

2a

LM: weniger steif, HM: hochsteif, HST: hochfest. a Reißdehnung.

1 Faserverstärkte Keramik (. Tab. 18.7)

Durch Faserverbund soll die geringe Zähigkeit der Keramik verbessert werden. Das ist bei gesinterter Keramik nur mit Kurzfasern möglich. Längere Fasern können bei Keramik eingebettet werden, die aus Lösungen ausgefällt wird (Sol-Gel-Verfahren). Ein weiterer Weg ist die Pyrolyse von hoch C-haltigen Polymeren: C-Faser-Kohlenstoff wird aus phenol-harzgetränkten Fasergelegen durch Härtung und mehrfaches „Pyrolyse-Nachtränken-Pyrolyse“ hergestellt. Bei Si-Polymeren entsteht eine Si-Matrix. 1 Faserverstärkte Polymere

Größter Anwendungsbereich für Faserverbunde. Hier ist das Einbetten in die flüssigzähe Matrix leichter möglich als in Metalle oder Keramik (siehe 7 Abschn. 17.3.4.). Wegen der niedrigen Schmelztemperaturen können auch Naturfasern eingebettet werden.

18 18.3.3

Teilchenverbunde (. Tab. 18.7)

Wichtig für die Leichtmetalle Al und Mg für den Einsatz bei höheren Temperaturen. Durch Teilchen mit rundlicher, unbestimmter Form entstehen isotrope Werkstoffe. Bei Teilchengrößen zwischen 0,01 und 0,1 *m und Abständen von 0,1–0,5 *m werden E-Modul und Festigkeit der Matrix auch bei höheren Temperaturen durch Dispersionsverfestigung erhöht. Die Wärmeausdehnung sinkt je nach Teilchengehalt. Schmelzmetallurgisch können bis zu 20 %, pulvermetallurgisch bis zu 40 % Al-Oxid- oder SiC-Teilchen eingebracht werden, durch Sprühkompaktieren bis zu 15 %.

Zu den Teilchenverbunden gehören auch die altbekannten gefüllten Duroplaste, ebenso können Sinterhartmetalle mit hohem Anteil an harten Carbiden und Schleifkörper dazu gerechnet werden.

18.3.4

Schichtverbunde

Flächige Halbzeuge aus parallel liegenden Schichten unterschiedlicher Stoffe, die miteinander durch Fügen verbunden sind: Kunstharzverleimtes Papier, Gewebe oder Holzfurniere ergeben Halbzeuge als Platte oder Profil. Bei Sandwichstrukturen liegt eine leichte Schicht zwischen zwei Deckschichten, welche die Biegezug- und -druckspannungen übernehmen. Beschichtungen von Bauteilen und Halbzeugen (s. 7 Abschn. 19.5): Die Schicht kann selbst einen Verbund darstellen (Compositschichten). Dispersionsschichten haben eingelagerte Partikel, Stapelschichten sind Schichtverbunde (Multilayer bei Werkzeugbeschichtungen).

18.3.5

Durchdringungsverbunde (. Tab. 18.8)

Eine höherschmelzende, poröse Matrix wird mit einer flüssigen Phase getränkt, sodass sich beide gegenseitig durchdringen. Dabei dient die erste als Gerüst zur Kraftaufnahme, die zweite führt zu dichten Werkstoffen bzw. übernimmt andere Funktionen.

475 18.4  Druckgusswerkstoffe

. Tabelle 18.7 Übersicht Verbundwerkstoffe Struktur/Werkstoff

Beispiele für Verbundwerkstoffe

Metallmatrix-Verbunde MMC Fasern Metallfaser

Cu- Drähte mit 20 % unlöslichem Nb, durch Walzen und Ziehen entstehen Nb-Fasern im Cu. Hohe Festigkeit C Leitfähigkeit. Nb mit Sn-Überzug ergibt die supraleitende Phase CuNb3 Sn

Keramikfaser

Al-Oxidfaserverstärkte Al-Kolben

Polymerfaser

ARALL: Langfasern aus ARAMID zwischen Al-Bleche geklebt, Leichtbauwerkstoff

Teilchen Keramik/Hartstoffe

Dispersionsgehärtete Al-Legierungen mit Al2 O3 oder SiC-Partikeln, auch als ODS-(oxid-dispersion-strengthened) Legierungen bezeichnet. Gleitlagerwerkstoffe mit MoS2 oder Graphit. SiC-Partikel in galvanisch abgeschiedenen NiSchichten (NIKASIL® )

Polymerteilchen

Verbundlager mit PTFE-Teilchen in der Laufschicht aus gesintertem CuSn10

Schichten Metall

Sandwichstruktur mit Metallschaumkern (Al, Mg) oder Leichtbaubleche aus korrosionsbeständigem Stahl, NiCrMoLegierungen 1 mm mit Streckmetall als Zwischenschicht, umformbar, für Rauchgasleitungen

Keramik

Ti-Aluminidfolien mit SiC-Faser verwalzt (pack-rolling), warmfester, steifer Werkstoff

Polymer

Al-Bleche und -Profile mit aufgeklebten Lagen aus CFK zur Erhöhung des E-Moduls

Keramikmatrix-Verbunde CMC Fasern Metallfaser

Feuerfestes Ofenmaterial mit hitzebeständigen Stahlfasern (Thermohäcksel) ist thermoschockbeständiger

Keramikfaser

SiC-faserverstärktes SiC, C-Faser-Kohlenstoff, CFC (Sigrabond)

Teilchen Keramik/Hartstoffe

Kermisch gebundene Schleifkörper mit Hartstoffen

Polymermatrixverbunde PMC Fasern

GFK Glasfaser-, CFK-Faserkunststoff

Teilchen

Duroplaste mit Füllstoffen, Polymerbeton mit geringerer Dichte und Wärmeleitung

Schichten

Hartpapier- und Hartgewebe, Kunstharzpressholz

. Tabelle 18.8 Durchdringungsverbunde Phase 1 Stützgerüst

Phase 2 Funktion

Anwendung

Cu-Sn-Sinterbuchse

Öl, Fett, Schmierstoff

Selbstschmierende Lager

Wolfram, W Härte, warmfest, geringer Abbrand

Kupfer, Cu, Stromund Wärmetransport, Silber zur Wärmeabfuhr

Kontaktwerkstoffe Düsen f. Strahltriebwerke

Wolfram, W

Blei, Pb

Strahlenschutz

Siliciumcarbid SiC mit C, porös gesintert

Silicium (flüssig) reagiert mit C zu SiC, bis 20 % metallisches Si

Si-infiltriertes SIC: SiSiC Dichte Keramik für Wärmetauscher, Gleitringdichtungen, Tragrollen und Balken in Brennöfen

18.4

Druckgusswerkstoffe

Die Eigenschaften der Druckgussteile sind in Zähigkeit und Schweißeignung durch Abwandlungen der Gießverfahren verbessert worden: Vakuum-Druckguss, Niederdruckgießen mit langsamerer Einströmung und Thixoforming (Gießen bei Temperaturen zwischen Liquidusund Soliduslinie). Für den Fahrzeugleichtbau gewinnen schweißgeeignete Al- und Mg-Sorten an Bedeutung (. Tab. 18.9).

18

Kapitel 18  Werkstoffe besonderer Herstellungsart

476

. Tabelle 18.9 Druckgusswerkstoffe Kurzzeichen



Rp0,2

g/cm3 MPa

Rm

A

MPa

%

Härte HB10

Tm ı

C

Gieß- Span- na smin a mmax Anwendungen eigbar103 mm kg nung keit

Zink-Legierungen DIN EN 1774/97 (Auswahl aus 8 Sorten) – Cu-frei dekorativ galvanisierbar ZnAl4 ZL0400 (Z400)

6,7

ZnAl4Cu ZL0410 (Z410)

160–170 250–300 1,5–3 70–90 180–240

2–3

380–386 1

1

500

0,6–2 20

Plattenteller, Vergasergehäuse, PkW-Scheinwerferrahmen, Türschlösser, -griffe

2–3

80

1–3

Hydraulische Getriebeteile, druckdichte Gehäuse. Trittstufen für Rolltreppen, E-Motorengehäuse. Kolben, Zylinderköpfe. Nähmaschinen. Gehäuse für Haushalts- Büround optische Geräte

80–100

Aluminium-Legierungen DIN EN 1706/10 AC- (Auswahl aus 9 Sorten) Al Si12(Fe) (230)

2,55

140–180 230–280 1–3

60–100 575

2

Al Si9Cu3(Fe) (226)

2,75

160–240 240–320 0,5–3 80–110 510–620 2

2

Al Si12CuNi (239)

2,65

190–230 260–320 1–3

90–120 570–585 2

2–3

Al Mg9 (349)

2,6

140–220 200–300 1–5

70–100 520–620 3–4

1

25

Magnesium-Legierungen DIN EN 1753/97 (Auswahl aus 8 Sorten) – Sehr leicht, Oberflächenschutz erforderlich MCMgAl9Zn1 AZ 91

1,8

140–170 200–260 1–6

65–85

470–600 1–2

MCMgAl6Mn AM 60

120–150 190–250 4–14 55–70

470–620 1–2

MCMgAl4Si AS 41

120–150 200–250 3–12 55–60

580–620 2

1

100

1–3

15

Rahmen für Schreibmaschinen und Tonbandgeräte, Mobiltelefone. Gehäuse für tragbare Werkzeuge und Motoren, Gehäuse für Kfz. Getriebe. Radfelgen

Kupfer-Legierungen DIN EN 1982/08 – Höhere Festigkeit und Zähigkeit, hoher Formverschleiß durch hohe Gießtemperatur CuZn39Pb1Al-C 8,5

(250)

(350)

(4)

(110)

880–900 3

3

CuZn16Si4-C

(370)

(530)

(5)

(150)

850

3

8,6

2

10

2–4

5

Armaturen für Warm- und Kaltwasser

Zinn-Legierungen DIN 1742/71 – Höchste Maßbeständigkeit, kaltformbar, korrosionsbeständig GD-Sn80Sb a b

18

7,1

115

2,5

30

Standmenge. Wanddicke Wertungen: 1 sehr gut, 2 gut, 3 ausreichend.

250

1

2

Teile von Messgeräten

19

477

Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen Wolfgang Weißbach

Die Beanspruchung der Oberfläche durch Korrosion und Verschleiß führen zu Materialverlust, der Störungen der Bauteilfunktion verursacht und zu hohen Kosten und Folgekosten durch Ausfall führen kann. Abhilfe wird durch Werkstoffwahl oder Oberflächenschutzschichten erreicht. 19.1 19.1.1

Korrosion Begriffe

Korrosion ist die Reaktion eines metallischen Werkstoffes mit seiner Umgebung, die zu einer messbaren Veränderung – der Korrosionserscheinung – führt und die Funktion des Bauteiles beeinträchtigt. 1 Reaktionsarten

elektrochemisch

Häufigste Reaktion, Rosten des Stahls, Patina auf Kupferdächern chemisch Zunderung des Stahls in heißen Gasen und Schmelzen, Anlassfarben, Anlaufen von Silber metallphysikalisch Zerfall durch Gitter- oder Gefügeumwandlungen mit Volumenänderung, Zinnpest, Wasserstoffversprödung Elektrochemische Reaktion von Metallen in Gegenwart einer ionenleitenden Phase, meist Wasser mit gelösten Ionen. Es entstehen Korrosionselemente (. Abb. 19.1) nach dem Prinzip des galvanischen Elementes.

. Abb. 19.1 Korrosionselement

Galvanische Elemente nutzen den unterschiedlichen Lösungsdruck zur Erzeugung eines elektrischen Stromes durch Oxidation des unedleren Metalles. Kathode:

edleres Metall (Gefügeteil) in der Spannungsreihe rechts stehend, nimmt Elektronen aus dem Elektrolyten auf (kathodische Reduktion) Elektrolyt: meist wässrige Lösung von Salzen, Basen oder Säuren, enthält Ionen Anode: unedleres Metall (Gefügeteil), in der Spannungsreihe links stehend, gibt Elektronen ab (anodische Oxidation) Korrosionselemente bestehen aus Werkstoffbereichen, auch Mikrobereichen im Gefüge, die von ionenleitenden Phasen bedeckt und immer kurzgeschlossen sind. Beispiele

Anode, korrodiert

Kathode, geschützt

Al-Blech mit Cu-Niet

Al-Blech

Cu-Niet

Stahlblech verzinkt

Zn-Schicht

Stahlblech

CuZn-Armatur in Stahlrohr

Stahlrohr

Armatur

heterogene Gefüge, z. B. Stahl

Ferrit

Zementit

Gefüge mit Ausscheidungen von AlMgCu

Al-Mischkristall

AlCu-Ausscheidung

Bimetall (Kontakt)-elemente

Lokalelemente

Konzentrationselemente Belüftungselemente aus gleiZentrum (Narbe), Außenring mit chen Elektroden, Elektrolyt hat Unbelüfteter Rost, belüftet, unterschiedliche Konzentration: Bereich, O-arm O-reich Wassertropfen auf Stahl

Korrosionserscheinungen sind: Gleichmäßiger Flächenabtrag (ungefährlich), Narben, Lochfraß, örtlich in die Tiefe gehend mit steilen Wänden, gefährlich für Druckleitungen und -behälter. Interkristalline Angriffsform (Kornzerfall) ist Abtragung längs der Korngrenzen, die ins Innere vordringt. Gefährdet sind CrNi-Stähle durch Ausscheidungen nach dem Schweißen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_19

478

Kapitel 19  Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen

Selektive Angriffsform greift unedlere Gefügebestandteile an: Entzinkung von 2-phasigen CuZn-Legierungen, Zn-reicheres ˇ-Zn ist anodisch und geht in Lösung, der CuAnteil bleibt als dünne Schicht zurück. Spaltkorrosion tritt in engen Spalten (punktgeschweißte Bleche) auf, wenn Feuchtigkeit eindringen kann. Diese Belüftungskorrosion tritt auch bei Pfählen und Spundwänden unterhalb der Wasser-Luft-Grenze auf. Kontaktkorrosion durch Kontaktelemente: Paarung von Metallen mit unterschiedlichem Potenzial ohne isolierende Zwischenlagen. Hartlötnähte mit Stahl bei Gegenwart von Lötmittelresten. Weitere Arten sind Säurekondensat- und Kondensatwasserkorrosion (Auspuffanlagen), Stillstandskorrosion und mikrobiologische Korrosion als spezielle Fälle. Korrosionsprodukte sind bei Stahl Rost aus Fe-Oxiden und Fe-Hydroxiden, schichtartig aufgebaut und durchlässig. Fremdrost sind Rostablagerungen auf fremden Oberflächen. Bei langzeitiger Einwirkung von Gasen bei höheren Temperaturen entstehen Zunderschichten, die sich durch unterschiedliche Wämedehnung vom Grundwerkstoff lösen können (hitzebeständige Stähle 7 Abschn. 15.3.3.13). Deckschichten sind fest haftende, gleichmäßig deckende Reaktionsprodukte, welche die Reaktion bremsen oder verhindern. Bei ungleichmäßiger Ausbildung können Korrosionselemente entstehen. Passivschichten sind sehr dünne, undurchlässige, oxidische Schichten im nm-Bereich, von Metallen selbst durch Reaktion gebildet (Al, Cr, Cu-Legierungen, Ti ). Durch sie wird der Werkstoff passiv, d. h. nimmt nicht mehr an der Reaktion teil. 19.1.2

Korrosionsschutz

Korrosionsschutz wird durch drei Maßnahmen erreicht. 4 Änderung der Reaktionspartner bzw. der Reaktionsbedingungen (Werkstoffwahl), 4 Elektrochemische Veränderung der Spannungsverhältnisse (kathodischer Schutz), 4 Trennung der Reaktionspartner durch Schichten oder Überzüge auf dem metallischen Werkstoff.

19

19.1.2.1

Werkstoffe

Unlegierte Stähle sind unter klimatischen Bedingungen im Außenbereich nicht beständig. Dickwandige Bauteile werden mit Rostaufschlag ausgeführt, dünnwandige mit Schutzüberzügen (. Tab. 19.1). 19.1.2.2

Veränderung des korrodierenden Mediums

ist begrenzt möglich. Entzug schädlicher Beimengungen wie z. B. CO2 -Anteile oder gelöstes O durch Erwärmen oder Vakuum bei Kesselspeisewasser. Zusätze, speziell auf

. Tabelle 19.1 Übersicht: korrosionsbeständige Werkstoffe Werkstoffgruppe

Beständigkeitshinweise

Hinweise

Korrosionsbeständige Stähle und Stahlguss

DECHEMA-Werkstofftabellen 7 Abschn. 15.3.3.14 geben Beständigkeit von Metallen, Polymeren und anorganischen Werkstoffen gegen die in der chemischen Industrie verwendeten aggressiven Medien für verschiedene Temperaturen an

Cu und Cu- Mit steigendem KorrosionsLegierungen widerstand: CuZn, CuSnZn CuSn, CuAl, CuNiZn, CuNi

7 Abschn. 16.3

Al und AlUnbeständig gegen Alkalien, Legierungen Cu-leg. Sorten allg. unbeständiger

7 Abschn. 16.2

Ti und TiBeständig gegen Cl-Ionen, Legierungen SpRK und Salzschmelzen

7 Abschn. 16.4

Kunststoffe

Sortenspezifische Unbeständigkeit gegen Chemikalien

. Tab. 17.12 in 7 Kap. 17

Keramische Stoffe

Hohe Beständigkeit gegen fast 7 Abschn. 18.2 alle Stoffe

das Medium abgestimmt, verlangsamen die Reaktion (Inhibitoren), z. B. in Schmierölen enthalten.

19.1.2.3

Änderung der Reaktionsbedingungen

Temperatur, pH-Wert oder Strömungsgeschwindigkeit, z. B. Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit bei Lochkorrosion. Kathodischer Korrosionsschutz durch Opferanoden aus unedlen Metallen (Zn, Mg, Al ) in der Umgebung des Schutzobjektes (Schiffsschrauben und -ruderanlagen, Sie werden elektrisch leitend angebracht. Fremdstromanoden für erdverlegte Kabel, Rohrleitungen und Behälter. Als Anode (Pluspol) dienen im Erdreich vergrabene Platten aus GX70Si15 in Koks und Fe-Schrott eingebettet und mit einer äußeren Gleichstromquelle gespeist.

19.1.2.4

Trennung durch Schutzschichten

Schutzschichten aus verschiedenen Stoffen werden nach zahlreichen Verfahren auf die Schutzobjekte aufgebracht (siehe 7 Abschn. 19.5.3). Für Bleche und Bänder aus Stahl existieren zahlreiche Normen. Für Bauteile aus Stahl kommen neben der Schmelztauchbehandlung (z. B. Feuerverzinken,-aluminieren) auch thermochemische Verfahren zur Anwendung (siehe 7 Abschn. 15.5.5.2, . Tab. 15.36).

479 19.2  Tribologie

19.2 19.2.1

Tribologie Begriffe

Tribologie (griech. Reibung) ist die Wissenschaft und Technik von aufeinander einwirkenden Oberflächen in Relativbewegung. Sie umfasst das Gebiet von Reibung und Verschleiß, einschließlich Schmierung und schließt Grenzflächenwechselwirkungen sowohl zwischen Festkörpern als auch zwischen Festkörpern und Flüssigkeiten oder Gasen ein. Reibung und Verschleiß sind deshalb keine Werkstoffeigenschaften, sondern Eigenschaften des jeweiligen tribologischen Systems. Aufgabe der Tribologie ist die Optimierung tribologischer Systeme, im Einzelnen: 4 Steigerung des Wirkungsgrads und der Leistung, 4 Erhöhung von Zuverlässigkeit und Lebensdauer, 4 Senken der Wartungs- und Instandhaltungskosten. Für die Lösungen ist die Betrachtung des Problems als tribologisches System hilfreich (. Tab. 19.2). 2Das Tribologische System (. Abb. 19.2)

1. Grundkörper ist der für den Verschleiß wichtigere (Lagerschale, Führungsbahn, Baggerschaufel). 2. Gegenkörper. Bei geschlossenen Systemen ein definierter Körper (Wellenzapfen), bei offenen Systemen ein ständig wechselnder (Fördergut, Schmiederohling, Gestein). 3. Zwischenstoff (Schmierstoffe, Abrieb). Diese drei Systemelemente sind von einem umhüllenden Stoff umgeben: 4. Systemumhüllende, i. A. Luft mit Anteilen von O2 , CO2 , SO2 oder H2 O und Staub. Die Stoffe können mit den Oberflächen und dem Zwischenstoff reagieren. 5. Beanspruchungskollektiv mit den Größen Normalkraft F N , nach Betrag, Richtung und zeitlichem Verlauf sehr verschieden. Relativgeschwindigkeit v, die Bewegung kann gleitend, wälzend, stoßend oder strömend sein (Flüssigkeiten, Gase) Temperatur T , wirkt auf die Viskosität des Schmierstoffes ein, beschleunigt Reaktionen. Beanspruchungszeit t B erhöht Materialverlust und Masse der Reaktionsprodukte.

. Tabelle 19.2 Beispiele für Tribosysteme

. Abb. 19.2 Tribosystem

19.2.2

Reibungsarten und Reibungszustände

Ursachen der Reibung sind Adhäsionskräfte durch ungleiche elektrische Ladungen (Dipolkräfte) und Mikrokontakte zwischen den Rauheitsspitzen ! hohe Flächenpressung ! Verformung ! Verschweißung und Abscheren. Es entsteht in der Kontaktfläche eine Reibungskraft F D FN f , die längs des Reibungsweges wirkt und sich überwiegend in Wärme umsetzt (. Tab. 19.3). Ein Teil wird zur plastischen Verformung und Abscheren der Mikrokontakte benötigt. Die Reibungszahl f (auch ) wird durch Versuche ermittelt und hängt von Reibungsart und -zustand ab, es können auch Flächenpressung und Gleitgeschwindigkeit Einfluss haben. Ein lückenloser Schmierfilm entsteht durch Druckaufbau von außen (durch Pumpen) oder im Innern des Öles (durch Adhäsion der Moleküle), für seine Aufrechterhaltung sind Dicke des Schmierspalts, Viskosität und Temperatur des Schmiermittels wichtig. Viskosität, (auch Zähigkeit) ist die wichtigste Kenngröße für Schmieröle und kennzeichnet die Kraft, mit der sich die Kettenmoleküle einer Verschiebung in Schichten (laminare Strömung) widersetzen.

. Tabelle 19.3 Reibungsarten Haftreibung

Widerstand, welcher eine Relativbewegung zweier sich berührender Körper verhindert

Gleitreibung

Widerstand, welcher eine Relativbewegung zweier sich berührender Körper hemmt

Rollreibung

Widerstand, der das Rollen eines Zylinders auf der Unterlage hemmt, idealisiert mit Linienberührung und der Relativgeschwindigkeit null (kein Schlupf)

Element

Spanvorgang

Auslassventil

Grundkörper 1

Meißelflächen

Ventilkegel

Gegenkörper 2

Span

Ventilsitz

Wälzreibung

Rollreibung mit Gleitanteil (Schlupf)

Zwischenstoff 3

Kühlschmierung

Oxidschicht

Innere Reibung (Viskosität)

Umgebung

Luft

Abgase

Widerstand in einem Körper, der eine Relativbewegung innerer Volumen- oder Stoffteilchen behindert

19

Kapitel 19  Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen

480

. Tabelle 19.4 Reibungszustände Zustand

Kennzeichen

Verschleiß

Beispiel

Festkörperreibung

Gleiten ohne Zwischenstoff. Bei Metallen erfolgt Adhäsion mit Stoffübertragung und Abscheren

Sehr hoch, „Fressen“

Bremsbelag, Scheibe, Radspurkranz, Schiene

Trockenreibung (im Vakuum)

Adhäsionsneigung umso kleiner, je unterschiedlicher die Kristallgitter der Partner sind

Grenzschichtreibung Als Zwischenstoff treten Grenzschichten auf, die durch tribochemi- Grenzschichten vermindern Lösen von Schrumpfsche Reaktionen der Reibungspartner mit dem Umgebungsmedium Reibung und Verschleiß verbindungen (Luft) und dem Zwischenstoff (Ölzusätze) entstehen Grenzreibung

Durch Adsorption bilden sich auf oxidischen Oberflächen molekulare Schmierstofffilme aus

Mischreibung

Schmierfilm zeitweise unterbrochen, es wechseln Festkörper- und Flüssigkeitsreibung ab

Anfahren von Maschinen mit kaltem Schmiermittel

Flüssigkeitsreibung Lückenloser Schmierfilm, Reibung zwischen den Reibungspartnern Reibung und Verschleiß wird verlagert in die Reibung zwischen den Schmierstoffmolekülen minimal Gasreibung

Lager im Dauerbetrieb

Lückenloser Gasfilm trennt die Reibungspartner

. Tabelle 19.5 Zusätze zu Schmierölen Eigenschaftsmangel

Zusätze (Additives)

Stoffe und Wirkungsweise

Viskosität sinkt stark mit steigender Temperatur

VI-Verbesserer Polymere Kettenmoleküle (Mr D 2  104 –106 ) aus PMMA, PE-PP, SB. Die (VI D Viskositätsindex) Knäuelmoleküle strecken sich beim Erwärmen und erhöhen die innere ReiDie V,T-Kurve wird flacher bung

Bei Misch- und Grenzreibung Verschleißminderer Polare Zusätze bilden eine Adsorptionsschicht (elektrostatische Anziehung zum kommt es zu Adhäsionsverschleiß, AW- (anti-wear) und EPMetall), organische Cl-, P- und S-Verbindungen bilden durch tribochemische es erhöht sich die Reibungszahl Zusätze (extreme pressure) Reaktionen Oberflächenschichten mit kleinerer Reibungszahl zu den Partnern

19

Feststoffteilchen lagern sich auf den Metalloberflächen ab

Detergentien

Zusätze fördern die Benetzung durch Öl und lösen Ablagerungen ab

Feststoffteilchen (Abrieb) lagern im kalten Öl ab

Dispersantien

Zusätze halten die Teilchen (Ruß) in Schwebe, keine Kaltschlammbildung

Dabei erfolgt auch ein Abscheren zu kleineren Ketten (Alterung). Hohe Viskosität D zähflüssig, niedrige Viskosität D dünnflüssig. Kinematische Viskosität: Zeitmessung, Ausfluss aus genormten Gefäßen (Kapillarviskosimeter). Dynamische Viskosität: Zeitmessung, Fallzeit einer Kugel in genormten Gefäßen (Fallviskosimeter). Temperatureinfluss auf die Viskosität: Eine Temperatursteigerung um 10 K senkt die Viskosität bis auf die Hälfte, max. bis zu einem Drittel. Viskositätsverbesserer (verzweigte Polymere) mindern die Abhängigkeit, wichtig für Verbrennungsmotorenöle (. Tab. 19.5).

19.2.3 19.2.3.1

Schmierstoffe Öle

Mineralöle werden durch fraktionierte Destillation aus dem Rohöl abgetrennt und sind Mischungen aus linearen oder verzweigten Alkanen (Paraffinbasisöl) oder ringförmigen Cyclo-Alkanen (Naphtenbasisöl).

Durch Raffination entstehen unlegierte Öle für einfache Beanspruchungen. Mit Zusätzen sind sie für besondere Anforderungen geeignet (z. B. Motorenöle, . Tab. 19.5). 19.2.3.2

Fette

Fette sind durch Verseifung verdickte Öle (Naphtenbasis D Ringverbindungen). Seifen sind Salze der Metalle Na, Ca, Li (auch in Kombinationen) mit langkettigen Fettsäuren. 19.2.3.3

Festschmierstoffe

sind durch ihre Kristallstruktur in der Lage, in dünnsten Schichten abzuscheren. Dabei bleiben kleinste Partikel in den Rauheitsmulden zurück, wo sie die Oberflächen glätten und Mikrokontakte verhindern. Voraussetzung ist genügend kleine Partikelgröße (0,1–1 µm). Festschmierstoffe werden eingesetzt bei hohen Temperaturen oder bei Forderung nach Ölfreiheit. Ihre Struktur ist ähnlich: Molekülgitter mit starken Kräften (kleine Abstände) innerhalb der netzartigen Moleküle und schwache Kräfte (größere Abstände) zwischen ihnen.

481 19.4  Lager- und Gleitwerkstoffe

. Tabelle 19.6 Festschmierstoffe, Eigenschaften und Anwendung Stoff

Beschreibung

Anwendung

Talkum

Magnesiumsilikat, weißes Mineral, fettiger Griff

Pulver, Gleit- und Trennmittel für Reifendecke/Schlauch, in Kabeln, Schneiderkreide

Graphit

Reiner Kohlenstoff, schwarzes Mineral, höhere Pulver für Sicherheitsschlösser, Pasten mit rückstandfrei verdampfenden Wärmeleitfähigkeit und Temperaturbeständig- Flüssigkeiten. Zusatz zu Fett und Öl, Bestandteil von Sinterwerkstoffen keit in Luft (550 ı C) als MoS2 , preisgünstiger für Gleitzwecke (Stromabnehmerteile, Kolbenringe f. Gaskompressoren)

Bornitrid (hex. BN) Wegen des Graphitgitters als weißer Graphit bezeichnet, in Luft stabil bis 1000 ı C, in Inertgas bis 1800 ı C

Beschichtung (coatings) mit Spray oder Pasten (Schlichte) von gießtechnischen Geräten und Anlagen, die mit Al-, Mg-, Zn-, Pb-Schmelzen oder Schlacken Kontakt haben. Geringe Benetzung und Reibung zwischen Schmelze/Wand. Trennmittel beim Löten, Sintern, und Warmumformen

Molybdändisulfid

Pulver und Pasten für Grundbehandlung von Gleitstellen, die nicht mehr nachgeschmiert werden können: Stopfbuchsenpackungen, Kreuzgelenke. Gleitlacke für Nabe-Welle-Verbindung zur Verhütung von Reibungsoxidation (Passungsrost), Bestandteil von Sinterwerkstoffen für Gleitzwecke (in Verbindung mit PTFE (Teflon) und hex. BN)

Synthetische Verbindung MoS2 , bleigraue Kristalle, höhere Druckfestigkeit (Dichte) und Beständigkeit im Vakuum (Pumpen) als Graphit, bis ca. 400 ı C beständig, Korngröße 0,1–10 µm

Anwendung für Gleitlager mit niedrigen Gleitgeschwindigkeiten, oszillierenden Bewegungen im Mischreibungsgebiet, bei Forderung nach Ölfreiheit und hohen Temperaturen, wie Schraubenverbindungen an Auspuffanlagen, Rohrleitungsflanschen, Bestandteil von Verbundwerkstoffen für Gleitfunktionen. Anwendungsformen sind Pasten, Sprays, und Einlagerungen in Sinterwerkstoffe (. Tab. 19.6). 19.3

Verschleiß

Verschleiß ist der Materialverlust durch die tribologische Beanspruchung: Im Mikrobereich wird die Oberfläche 4 impulsartig elastisch und plastisch verformt, 4 schockartig erwärmt und abgeschreckt, evtl. 4 durch Martensitbildung verfestigt (sog. Reibungsmartensit) und 4 durch abgelöste Partikel zerfurcht und chemisch aktiviert. Verschleiß erfolgt nach vier Mechanismen, die vielfach in Kombination auftreten (. Tab. 19.7).

Lager- und Gleitwerkstoffe

19.4 19.4.1

Allgemeines

Bei der Kraft- und Bewegungsübertragung berühren sich Maschinenteile und gleiten aufeinander. Grundkörper sind meist Bauteile aus Stahl oder Gusseisen im weichen, gehärteten oder beschichteten Zustand. Die Gegenkörper (Lagerwerkstoff) sollen geringen Verschleiß und Schmiermittelverbrauch verursachen, die Paarung eine niedrige Reibzahl ausweisen. Beim System Welle/Lager muss die entstehende Reibungswärme abgeführt werden, damit die Lagertemperatur nicht unzulässig ansteigt und durch Wärmedehnung kein Klemmen auftritt. Daneben gibt es andere Tribosysteme wie Zahnradpaarungen, Schnecke/Rad, Schraube/Mutter mit anderen Beanspruchungskollektiven. Für diese Beanspruchungen stehen zahlreiche Lagerwerkstoffe aus unterschiedlichen Legierungen, Polymeren und Keramik zur Verfügung (. Tab. 19.8).

. Tabelle 19.7 Verschleißmechanismen Verschleißmechanismus Kennzeichen

Erscheinungsbild

Gegenmaßnahmen

Adhäsion

Verschweißungen im Mikrobereich, wo örtlich hohe Fresserscheinungen, Brems- Reibungspartner mit unterschiedTemperaturen (Blitztemperaturen) auftreten können spuren, Aufbauschneide licher chemischer Struktur wählen

Abrasion (Furchung)

Zerspanung im Mikrobereich, Riefen durch harte Teilchen im Zwischenstoff oder durch die Adhäsion entstandene, abgescherte, verfestigte Partikel

Riefen auf Bremsscheiben oder an Lagern bei verunreinigtem Öl

Oberflächenzerrüttung

Rissbildung in der Oberfläche durch wechselnde Spannungen und Verformungen hervorgerufen

Grübchenbildung bei Wälz- Dickere Randschicht gehärtet (bei lagern, an Zahnflanken Stahl)

Tribochemische Reaktion

Reaktionsprodukte beeinflussen den Verlauf des Verschleißes. Sie entstehen durch Reaktion der Reibungspartner mit dem Umgebungsmedium unter Wirkung der Tribobeanspruchung

Reibungsoxidation, (Passungsrost), Wirkung der Öl-Additiva auf die Oberflächen (Hypoidöle)

Hartstoffpartikel im Grundkörper, Einbettungsfähigkeit des Gegenkörpers

Dünne Zwischenschichten aus Festschmierstoffen

19

Kapitel 19  Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen

482

. Tabelle 19.8 Lagermetalle und -werkstoffe, Übersicht über die Legierungssysteme Legierungssystem

Beispiele

Beschreibung

DIN ISO 4381/15 Blei-und Blei-Zinn-Verbundlager, Gusslegierungen Mit kleinen Anteilen von Cu, As, Cd

PbSb15SnAs PbSb15Sn10 PbSb10Sn6 PbSb14Sn9CuAs SnSb12Cu6Pb SnSb8Cu4 SnSb8Cu4Cd

Dreifachsystem aus zwei eutektischen Systemen (PbSn und PbSb) kombiniert mit einem peritektischen (SbSn) mit kompliziertem Erstarrungsverlauf. Primäre Ausscheidung der harten Sb-reichen intermetallischen ˇ-Phase, als würfelförmige Tragkristalle in der Grundmasse aus PbC ˇ liegend. As und Cd wirken weiter verfestigend. Bei Cu-haltigen Sorten scheidet sich primär eine harte, intermetallische CuSn-Phase dendritisch aus. Sie hält die später kristallisierenden würfelförmigen SbSn-Kristalle in der bleireichen Schmelze in Schwebe. Fettdruck: Sorten auch in DIN ISO 4383 enthalten

DIN ISO 4382-2/92 Cu- Knetlegierungen für Massivgleitlager Cu-Sn, Cu-Zn

CuSn8P CuZn31Si1

Homogene Gefüge aus kfz-MK bis etwa 8 % Sn, darüber heterogene mit der härteren intermetallischen ı-Phase

Cu-Al

CuZn37Mn2Al2Si

(Sondermessing) , kfz-Mischkristallgefüge, zähhart, geringe Notlaufeignung

CuAl9Fe4Ni4

Cu-Al sehr hart, seewasserbeständig, Konstruktionsteile mit Gleitbeanspruchung

DIN ISO 4382-1/92 Cu-Gusslegierungen für dickwandige Verbund- und Massivgleitlager Cu-Pb-Sn Massivgleitlager

CuPb8Pb2 CuSn10Pb CuSn12Pb2 CuPb5Sn5Zn5 CuSn7Pb7Zn3

Blei ist in Cu unlöslich, es bleibt zwischen den CuSn-Mischkristallen und härteren CuSnPhasen flüssig und erstarrt zuletzt. Zn ersetzt teilweise das teure Sn (Rotguss). Pb wirkt bei Überhitzung als Notschmierstoff. Mit steigendem Pb-Gehalt sinkt die Härte. Mit dem Sn-Gehalt steigen Härte und Streckgrenze, für gehärtete Gegenkörper und Stoßbeanspruchung geeignet

Massiv- und Verbundlager

CuPb9Sn5 CuPb10n10 CuPb15Sn8 CuPb20Sn5 CuAl10Fe5Ni5

Pb ergibt weiche, anpassungsfähige (Fluchtungsfehler) Legierungen für mittlere bis hohe Gleitgeschwindigkeiten, bei hohen Pb-Gehalten auch für Wasserschmierung geeignet. Al erhöht Korrosionsbeständigkeit und Gleiteigenschaften, Fe verhindert das Entstehen spröder Phasen. Harte Werkstoffe mit hoher Zähigkeit und Dauerfestigkeit

DIN ISO 4383/15 Verbundwerkstoffe für dünnwandige Gleitlager Cu-Pb

CuPb10n10 CuPb17Sn5 CuPb24Sn4 CuPb30

Al

AlSn20Cu

Mit Pb-Gehalt steigt der Verschleißwiderstand im Bereich der Mischreibung und Korrosionsbeständigkeit gegen Schwefelverbindungen, deshalb Einsatz in Kfz-Verbrennungsmotoren mit Stillständen und Kaltstarts für Haupt- und Pleuellager

AlSn6Cu

weich Al ist leicht und gut wärmeleitend, gleiche Wärmeausdehnung wie bei Al-Gehäusen, die Al-Oxidschicht verhindert Adhäsion und Korrosion. Mit der Härte steigt die härter Dauerfestigkeit.

AlSi11Cu

hart

Gerollte Buchsen oder dünnwandig auf Stahlblech gewalzt und mit galvanischer Gleitschicht versehen

AlZn5Si1,5Cu1Pb1Mg hart

19

Gleitschichten, Overlays

PbSn10Cu2, PbSn10, PbIn7

Sintereisen, Sinterbronze

Fe mit 0,3 % C C Cu

Porenräume sind mit Schmierstoff gefüllt (< 30 %), das bei Erwärmung austritt.

Cu mit 9–11 % Sn

Mit Kunststoff-Gleitschicht imprägniert (PTFE, POM, PVDF)

Beispiele

weich Dünne, galvanisch aufgebrachte Schichten zum Einlaufen und für Grenzreibung

Beschreibung

DIN ISO 6691/01 Thermoplastische Kunststoffe für Gleitlager Polyamide

PA6; PA66; PA11, PA12

Vielseitige Werkstoffe für Gleitlager und -elemente, zähhart, stoß-, verschleiß- und schwingfest, Förderkettenglieder, Kupplungsteile

Polyoxymethylen

POM

POM, für Mischreibung geeignet, Zahnräder

Polytetrafluorethylen PFTE

PFTE, weich, kleine Reibzahl, kaltzäh, kleinste Gleitgeschwindigkeiten

Polyimide

PI, hart, wärmebeständig bis 350 ı C, z. B. Lager in Durchlauföfen

PI

483 19.5  Beschichtungen und Schichtwerkstoffe

1 Struktur von Gleitlagern

2DIN EN ISO 12944-4/98 Massivgleitlager (Cu-Knet- und Gusslegierungen) als Vorbehandlung der Oberflächen, wichtig für die SchutzSand-, Kokillen-, Strang- oder Schleuderguss, je nach Grö- dauer einer Korrosionsschicht. ße und Stückzahl. Die gesamte Lagerschale besteht aus 2DIN EN 13507/10 dem Lagerwerkstoff. Verbundgleitlager (alle Lagerwerkstoffe) in dünne- Thermisches Spritzen – Vorbehandlung von Oberflächen ren Schichten auf korrosionsgeschützten, verzinnten, oder metallischer Werkstücke für das thermische Spritzen. verkupferten Stahlstützschalen (1–3 mm) zur Kraftübernahme und Ausgleich der Wärmedehnung. Tragschicht aus Lagermetallen und evtl. Zwischenschichten als Diffusions- 19.5.2 Eigenschaftsverbesserungen durch Oberflächenbehandlung (Übersicht) sperre und teilweise eine äußere Gleitschicht (Dreischichtlager). Gleitschichten (overlay) aus PbSn(Cu), galvanisch in dünner Schicht aufgebracht (< 20 µm), für Grenzreibung Bauteile Verfahrensbeispiele und als Korrosionsschutz. Dauerfestigkeit Gleitlagerfolie Al-Streckmetall mit PFTE und FestWellenabsätze, Federn, WasVerfestigungswalzen und schmierstoff, eingewalzt und gesintert. Extrem dünnwanser- und Ölpumpen -strahlen, Randschichthärten, dige Bauweise (Glacier DM® ) für z. B. spielfreie ScharnieSalzbadnitrieren re. Widerstand gegen Adhäsion

19.4.2

Lagerwerkstoffe

Kennzeichen der Lagermetalle sind im Basismetall unlösliche Komponenten. Sie erstarren – abhängig vom Schmelzpunkt – als erste ( Cu) oder letzte Phase (Pb). Auf diese Weise erhält man harte oder weiche Phasen im evtl. durch weitere LE verfestigten Grundgefüge. Es besteht die Gefahr von Seigerungen, deshalb Schleuderguss oder schnelle Abkühlung.

Gleitende Bauteile

Hartverchromen, Dispersionsschichten, Umschmelzhärten, thermisch Spritzen (Mo), Nitrieren

Schneidwerkzeuge

PVD- und CVD-Schichten aus TiN, TiC, TiAlN u. a.

Widerstand gegen Abrasion Teile, in Berührung mit Fördergut, z. B. Fadenführer, Mischerschaufeln, Ketten Tribooxidation Sitz von Nabe auf Welle

19.5 19.5.1

Beschichtungen und Schichtwerkstoffe

Gleitlacke mit Mo-Disulfid

Widerstand gegen Korrosion Stahlkonstruktionen

Schmelztauchen (Zn, ZnAl, AlSi, AlZn)

Blechteile

Galvanisch Beschichten (alle Metalle), thermisch Spritzen (AlSi)

Glaspressformen

Thermisch Spritzen (NiCrBSi)

Allgemeines

Die Oberfläche eines Bauteils ist der Angriffsort für Verschleiß und Korrosion, in einer Oberflächenschicht wirken meist die maximalen, meist wechselnden Spannungen. Sie kann durch Stoffeigenschaftändern oder Beschichten so verändert werden, dass ein einfacher, preisgünstiger Grundwerkstoff in einer bestimmten Eigenschaft „aufgerüstet“ wird, um das Anforderungsprofil zu erfüllen. Durch Beschichten können sehr viele metallische, keramische und polymere Werkstoffe in verfahrensabhängigen Dicken aufgebracht werden. Die zahlreichen Verfahren ermöglichen es, jeden Substratwerkstoff nahezu mit jedem Schichtwerkstoff zu kombinieren. Durch Stoffeigenschaftändern wird nur eine Randschicht auf die gewünschten Eigenschaften hin verändert. Es entsteht ein System aus dem Grundwerkstoff (Substrat), einer Zwischenschicht (Interface) und der eigentlichen Schicht, die evtl. auch mehrlagig sein kann (multilayer). Für die Schichthaftung ist eine Vorbehandlung der Substratoberfläche notwendig.

Thermisches Spritzen, Auftragschweißen, Auflöten von Hartstoffpartikeln, Borieren

Thermischer Schutz (C Gleitmittel) Turbinenschaufeln, Wälzlager in Ofenanlagen

Plasma-Spritzen ZrO2 mit Haftschicht. Phosphatieren, hex. Bornitrid-Schichten

Verarbeitungseigenschaften lötfähige Schichten auf schwer lötbaren Werkstoffen

Schmelztauchen, Plattieren

Halbzeug zur Kaltumformung

Phosphatieren, hex. BornitridSchichten

Regeneration verschlissener Bauteile Werkzeuge, Bauteile zur FörThermisch Spritzen oder Auftragderung und Hart-Zerkleinerung schweißen mit Hartlegierungen Zahnflanken, (Wälzlager)

Einsatzhärten, Nitrieren, Randschichthärten

19

Kapitel 19  Korrosion, Verschleiß und Schutzmaßnahmen

484

19.5.3

Verfahrensübersicht Beschichten

Beschichten (Einteilung nach DIN 8580/03) durch/aus dem . . . Zustand

Werkstoffe

Verfahren, Anwendungen

Dicke

flüssigen

AlSi, AlZn, Pb, Sn, ZnAl, ZnFe, SiO2 C Oxide für Haftung/Farbe Farben, Lacke

Schmelztauchen zum Korrosionsschutz für Halbzeuge und Bauteile aus Stahl, Temperguss (z. B. Feuerverzinken). Emaillieren z. Korrosionsschutz, hitzebeständig 140

30

35–200

10

< 200

30

< 35

2,5

< 35

2,5

35–80

5/10/15

> 80

10/15

Pb, Sn Sinterformteile a

1

Nur mit Kugel 2,5; 5 oder 10 mm ¿

Prüfkraft F Brinellhärte HBW D Eindruckoberfläche A 0;204F p Brinellhärte HBW D

D.D  D 2  d 2 / HBW F – N

Rm  3;5 HBW 10=3000 mit Rm in MPa Anwendungsbereiche: a) Härtemessung an Werkstoffen mittlerer Härte bis zu 650 HBW. b) Härtemessung an Werkstoffen mit harten und weicheren Gefügebestandteilen. Dabei erfasst die 10 mm-Kugel viele Phasen und ergibt eine mittlere Härte (Lagermetalle, Gusseisen). c) Nachprüfung der Zugfestigkeit an wärmebehandelten Teilen ohne wesentliche Beschädigung. Das Verfahren ist nicht geeignet zu Härtemessung an dünnen, harten Oberflächenschichten. 20.1.2

Härteprüfung nach Vickers (DIN EN ISO 6507-1/06)

2Eindringkörper

Vierseitige Diamantpyramide mit 136 ı Spitzenwinkel

2Prüfkraft

Die Kraft ist ohne Einfluss auf den Härtewert, wenn der Eindruck mehrere Kristalle erfasst.

DIN EN ISO 4498/10

1 Härtewert

20

der Standardmessung abweichende Prüfbedingungen müssen deshalb im Kurzzeichen enthalten sein. Die Kraft wird darin mit dem 1/9,80665  0,102-fachen der wirklichen Prüfkraft F eingesetzt. Für unterperlitische Stähle besteht eine durch Versuche ermittelte angenäherte Beziehung zwischen der Brinellhärte HBW und der Zugfestigkeit Rm aus dem Zugversuch:

D; d mm

Bereich

Kraftbereich in N

Kurzzeichen

Vickers-Härteprüfung

980  49,03

HV30–HV 5

Kleinkrafthärteprüfung

49,03  1,961

HV 5–HV 0,2

Mikrohärteprüfung

1,961  0,0980

HV 0,2–HV 0,03

Damit die Schicht nicht in den Grundwerkstoff eingedrückt wird, muss sie mindestens das 1,5-fache der Eindruckdiagonalen an Dicke aufweisen. 2Messwert

Zur schnellen Ermittlung des Härtewertes werden Tabellen benutzt. Die Härtewerte sind nur dann vergleichbar, wenn sie unter gleichen Prüfbedingungen ermittelt wurden. Von

Mittelwert der beiden Eindruckdiagonalen. Die Ablesegenauigkeit soll 2 *m betragen. Je härter der Prüfling, umso geringer die Rautiefe der Probenoberfläche.

487 20.1  Prüfung der Härte

. Tabelle 20.3 Prüfkräfte und Kurzzeichen Normalbereich Kurzzeichen

Kleinlastbereich Prüfkraft F in N

Kurzzeichen

Prüfkraft F in N

HV 5

49,03

HV 0,2

1,961

HV 10

98,07

HV 0,3

2,942

HV 20

196,1

HV 0,5

4,903

HV 30

294,2

HV 1

9,807

HV 50

490.3

HV 2

19,61

HV 100

980,7

HV 3

29,42 . Abb. 20.3 Härteprüfung nach Rockwell

. Tabelle 20.4 Kurzzeichen und Bedeutung Kurzzeichen

Härte

Prüfkraft F

Einwirkdauer

640 HV 30

640

30/0,102 D 294 N

10–15 s normal, wird nicht angegeben

180 HV 50/30

180

50/0,102 D 490 N

30 s

2Eindringkörper

Diamantkegel mit 120 ı Spitzenwinkel, auch Stahlkugel mit d D 1=4 Zoll) 2Prüfkraft

Sie ist unterteilt in eine Prüfvorkraft F0 und eine Prüfkraft F1 .

. Abb. 20.2 Härteprüfung nach Vickers

2Messverfahren

Der Eindringkörper ist mit einem Tiefenmessgerät gekoppelt. Er wird stoßfrei unter Wirkung der Prüfvorkraft F0 auf den Prüfling aufgesetzt. Diese Stellung ist Bezugspunkt der Tiefenmessung (Messbasis in . Abb. 20.3). Die Dicke des Prüflings soll das 10-fache der Eindringtiefe betragen. Unter Wirkung der Prüfkraft F1 dringt der Diamantkegel in etwa 5 s tiefer in den Prüfling ein. Nach Stillstand der Bewegung wird die Prüfkraft F1 abgeschaltet, der Werkstoff federt zurück, der Diamantkegel wird etwas angehoben. Die Prüfvorkraft F0 hält ihn in Kontakt mit dem Eindruck. Jetzt wird abgelesen.

1 Härtewert

Vickerhärte HV D

Prüfkraft F Eindruckoberfläche A

HV D 0;189 F=d 2

HV 1

F N

d mm

Anwendungsbereich Die Härteprüfung nach Vickers ist

sehr genau und hat den breitesten Messbereich. Besonders geeignet für dünne, harte Randschichten, wie sie durch Borieren, Hartverchromen, Nitrieren oder Beschichten hergestellt werden.

2Messwert, Härtewert

Die Messuhr zeigt dann die bleibende Eindringtiefe tb an. Sie ist ein Maß für die Rockwellhärte. Für Werkstoffgruppen unterschiedlicher Härte und Probendicke sind verschiedene Rockwell-Messverfahren entwickelt worden. . Tab. 20.5 zeigt die wichtigsten mit den zugehörigen Daten.

20.1.4 20.1.3

Härteprüfung nach Rockwell (DIN EN ISO 6508/15)

Der Härtewert wird direkt an einem Tiefenmessgerät (Messuhr) abgelesen. Die Prüfzeit ist kurz, das Verfahren lässt sich automatisieren.

Vergleich der Härtewerte

Umrechnungen der verschiedenen Härtewerte sind nicht möglich. Durch Versuchsreihen wurden Beziehungen ermittelt und in Umwertungstabellen DIN 50150 festgelegt. Sie vergleichen die Vickershärte HV mit den Werten nach HB, HRB, HRC, HRA und HRN und gelten für un- und niedriglegierte Stähle und Stahlguss, jedoch nicht für hoch-

20

Kapitel 20  Werkstoffprüfung

488

. Tabelle 20.5 Rockwell-Verfahren Prüfverfahren mit Diamantkegel

mit Stahlkugel

Kurzzeichen

HRC

Prüfvorkraft F0 in N

98

Prüfkraft F1

1373

490

117,6

264,6

411,6

882

490

Gesamtkraft F

1471

588

147

294

441

980

588

Messbereich

20–70

HRA

HR 15N

HR 30N

HR 45N

29,4

60–88

Härteskale in mm

0,2

Werkstoffe

Stahl, gehärtet, angelassen

Berechnung der Rockwellhärten

HRC, HRA D 100  500tb tb in mm

Wolframblech >0,4 mm

66–92

HRB

HRF

98

39–84

17–74

35–100

60–115

0,1

0,2

Dünne Proben >0,15 mm, kleine Prüfflächen, dünne Oberflächenschichten

Stahl, CuZn-Leg., St-Feinblech, CuSn-Leg. CuZn weich

HRN D 100  100tb tb in mm

HRB/HRF D 130  500tb tb in mm

Die verschiedenen Härtewerte sind nicht miteinander vergleichbar.

legierte und kaltverfestigte Stähle aller Art. Angenäherte Beziehungen sind: a) Zwischen Brinell- und Vickershärte: HB  0;95 HV; b) Für härtere Stähle bis zu Rm < 2000 MPa gilt: Rm D 3;4 HV (errechnet); c) Die Rockwellhärte HRC beträgt im Bereich 200 < HV < 400 etwa 0,1 dieser Werte. 20.2

Zugversuch (DIN EN ISO 6892-1/14 Prüfverfahren für Raumtemperatur)

2Zugversuch

Die Probe unterliegt einer stetig zunehmenden, einachsigen Zugbeanspruchung bis zum Bruch. Hooke’sche Gerade (elastischer Bereich): Linearer Anstieg der Spannung über der Dehnung, Spannung und Dehnung sind proportional, es gilt das

. Abb. 20.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm. 1 weicher Stahl mit Streckgrenze, 2 gehärteter Stahl ohne erkennbare Steckgrenze, 3 Verlauf der wahren Spannung

Hooke’sche Gesetz D "EI

20

bis zur Proportionalitätsgrenze P (wird nicht ermittelt). Danach überproportionale Dehnung bis zum ersten Maximum, der oberen Streckgrenze ReH , Werkstoff fließt mit evtl. schwankender Spannung. Relatives Minimum ist die untere Streckgrenze ReL , danach Anstieg der Kurve (Kaltverfestigung) bis zum Maximum. Von da ab örtlich Querschnittsverminderung (Einschnürung) mit fallender Kraft bis zum Bruch. 2Zugproben

Der Versuch wird mit Zugproben durchgeführt, die aus einer Versuchslänge mit konstantem Querschnitt bestehen

. Abb. 20.5 Zugprobe. L0 Messlänge; d0 Anfangsdurchmesser; S0 ursprünglicher Querschnitt; Lu Messlänge nach dem Bruch; Su Querschnitt nach dem Bruch. Normen für Probestäbe: Gusseisen DIN EN 1561/12, Temperguss DIN EN 1562/12, Druckguss DIN 50148/75

und verdickten Einspannköpfen an den Enden (Schulter-, Gewindeköpfe und Köpfe für Beißbacken). Das Verhältnis zwischen Messlänge L0 und Durchmesser d0 ist festgelegt: L0 =d0 D 5 (. Abb. 20.5).

489 20.3  Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN ISO 148/11)

. Tabelle 20.6 Zugversuch, Werkstoffkennwerte Werkstoffkennwerte

Formela

Bemerkungen

E-Modul E

E D ="

E-Modul errechnet sich aus dem Hooke’schen Gesetz: D E" aus zwei zugeordneten Werten im elastischen Bereich

Zugfestigkeit Rm

Rm D Fmax =S0

Fmax liegt beim Maximum der Kurve. Rechnerische Größe zum Werkstoffvergleich. Ideelle Spannung, welche die Dehnung 1, d. h. L D L0 bewirken würde

Streckgrenze Re (ReH )

Re D FS /S0

Im Diagramm mit der ersten Unstetigkeit (relatives Maximum) verknüpft. Genauer als obere Streckgrenze ReH bezeichnet. Merkmal für Baustähle, im Kurzzeichen enthalten

0,2 %-Dehngrenze Rp0,2

Rp0,2 D F0;2 /S0

F0;2 ist die Kraft, welche die Probe um 0,2 % von L0 verlängert, entlastet gemessen und ermittelt, wenn keine erkennbare Streckgrenze vorliegt und meist auch unter Streckgrenze tabelliert

Bruchdehnung A

A D Lu  L0 =L0 Angaben in %

Lu ist der Abstand der Messmarken an der Zugprobe nach dem Bruch. A ist Mittelwert aus Gleichmaßdehnung Ag ."gl / und Einschnürdehnung Aq ."q /

Brucheinschnürung Z

Z D S0  Su =S0 Angaben in %

Su ist die Bruchfläche, aus dem Mittelwert von zwei Durchmessern, senkrecht zueinander, errechnet

a

Berechnung F in N, S in mm2 ; E, R, in MPa.

2Versuchsablauf

Die Zugprobe wird biegungsfrei in die Spannvorrichtung der Prüfmaschine eingesetzt und langsam bis zum Bruch gedehnt. Die Spannungszunahme soll 10 N/mm2 je Sekunde nicht überschreiten. Es werden zugeordnete Werte von Zugkraft und Verlängerung gemessen und als Kraft-Verlängerung-Diagramm aufgezeichnet. Durch Division der Kraftwerte mit dem Anfangsquerschnitt und der Verlängerung mit der Ausgangslänge entsteht daraus das Spannungs-Dehnungs-Diagramm. Wenn das Verhältnis L0 /d0 D 5 gewahrt wird, ist es von den Abmessungen der Probe unabhängig.

. Abb. 20.6 Kerbschlagproben. a Normalprobe mit Spitzkerb, b ältere DVM-Probe

2Versuchsablauf 20.3

Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN ISO 148/11)

Durchführung auf Pendelschlagwerken DIN 51222. Die Probe wird im tiefsten Punkt der Pendelbahn (. Abb. 20.7) als Träger auf zwei Stützen mittig von der Hammerscheibe des Pendels auf Biegung beansprucht und zerschlagen.

Untersuchung des Werkstoffes auf seine Verformungsfähigkeit unter fließbehindernden Bedingungen. Als Fließbehinderung wirken: Schlag

Gekerbte Proben

Sehr kurze Verformungszeit

Kleines Verformungsvolumen

Dreiachsiges Spannungssystem im Kerbgrund

Gemessen wird die zum Zerbrechen genormter Proben benötigte Arbeit KV. Probenformen unterscheiden sich durch ihre Länge und die Art der Kerbe: Spitzkerben für zähe, Rundkerben für weniger zähe Werkstoffe. DIN EN ISO 148-1 gibt besondere Probenformen an (Flachkerb- und Kleinprobe).

. Abb. 20.7 Kerbschlagbiegeversuch mit Pendelschlagwerk und Ermittlung der Kraft F

20

490

Kapitel 20  Werkstoffprüfung

Die Lageenergie Wp in der Ausgangsstellung des Pendels (Höhe h) wird durch die verbrauchte Schlagenergie vermindert, sodass das Pendel nur bis zur Höhe h1 weiterschwingt. In der Stellung 3 besitzt es die Überschussenergie Wü . 2Auswertung

Die Schlagenergie KV ist Differenz der Energien: 1 Kerbschlagenergie KV

KV D Wp  Wü D F .h  h1 /

KV; W J

F N

h; h1 m

F ist die Stützkraft bei waagerechter Stellung des Pendels gemessen (. Abb. 20.7). Neben der Probenform und der Hammergröße sind die Messwerte wesentlich von der Temperatur abhängig. Angaben der Kerbschlagenergie enthalten die Probenform und das Arbeitsvermögen der Prüfmaschine, das normal 300 J beträgt und nur bei Abweichungen hinter das Symbol KV, (KU) gesetzt wird. 7 Beispiel KV D 40 JW

Spitzkerbprobe/mit 300 JI

KU 100 D 20 JW

Rundkerbprobe/mit 100 J gemessen 9

1 Kerbschlagenergie-Temperaturkurve (. Abb. 20.8)

. Abb. 20.8 Kerbschlagenergie-Temperaturkurve

20.4

Prüfung der Festigkeit bei höheren Temperaturen

Die Festigkeiten metallischer Werkstoffe werden durch Mechanismen wie Mischkristallverfestigung u. a. bewirkt, die aber nur bis zu Temperaturen von ca. 0,4 Tm (K) stabil sind. Für Stähle ist das ein Bereich von 200–350 ı C. Berechnungsgrundlage für Konstruktionen sind hier die Werte aus dem Zugversuch bei höheren Temperaturen nach DIN EN ISO 6892-2/11. Bei langzeitig mechanischer Beanspruchung unter Temperaturen > 0,4 Tm (K) sind die Festigkeiten zeitabhängig, der Werkstoff hält nur noch eine bestimmte Zeit lang stand, die von der Beanspruchung abhängt. Ursache ist das Kriechen, eine langsame plastische Formänderung unter Last. Sie führt zu Maßänderungen und später zum Bruch. Die Kriechgeschwindigkeit steigt mit der Spannung und der Temperatur.

Während kubisch- flächenzentrierte Metalle bis zu tiefen Temperaturen keine Änderung der Zähigkeit zeigen, besitzen die kubisch- raumzentrierten einen Steilabfall im Bereich der Übergangstemperatur Tü . Die Lage des Steilabfalls wird vom Gefügezustand beeinflusst und ist durch 2Kriechursachen Wärmebehandlung verschiebbar. Bei diesen Temperaturen wird eine Kaltverfestigung (Behinderung der Versetzungsbewegungen) durch ständige Anwendungen Erläuterungen Rekristallisation aufgehoben, ebenso die Korngrenzenverfestigung, da Korngrenzengleiten auftritt. Dadurch sind WärmeKontrolle, bei Überhitzung oder Anlass-Sprödigbehandlung keit ergeben sich niedrige Werte grobkörnige Gefüge günstiger. Weiter wirksam ist die Teilchenverfestigung, wenn ihre Größe und Verteilung bei den Stahlsorten Stahlgüten werden durch Anhängesymbole JR, hohen Temperaturen stabil sind. nach J0, J2 unterschieden, welche auf die PrüftemDIN EN 10025

20

peratur des Versuches hinweisen, ebenso bei Feinkornbaustählen DIN EN 10025-3/4 (kaltzähe Reihe, Längs- und Querproben bei 60 ı C)

Sichtprüfung Verformungsbruch

Bruchfläche zerklüftet mit Stauch- und Zugzonen an den Rändern, Zeichen für zähen Werkstoff

Trennungsbruch

Bruchfläche eben mit glatten Rändern, Zeichen für spröden Werkstoff

2Zeitstandversuche

Aufwändige Langzeitversuche (bis zu 105 h  15 Jahre) an Zugproben mit konstanten Temperaturen und Belastungen. In Abständen werden die Dehnungen gemessen bzw. der Bruch festgestellt. Aus vielen Proben eines Werkstoffs unter verschiedenen Beanspruchungen bei konstanter Temperatur ergibt sich das Zeitstandfestigkeitsschaubild (. Abb. 20.9). Es können z. B. abgelesen werden:

491 20.6  Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

. Abb. 20.10 Stirnabschreckprobe und -kurve (Jominy). 1 Stirnfläche, 2 Härteprüfeindrücke

. Abb. 20.9 Zeitstandfestigkeits-Schaubild des Stahls 24CrMoV5-5 für 550 ı C

7 Ablesebeispiel Zeitstandfestigkeiten Zeitdehngrenze

Rm W

105 =550 D 60 MPa

Rm W

103 =550 D 180 MPa

Rp 0,2 W

103 =550 D 90 MPa

Rp1 W

105 =550 D 80 MPa 9

Zeitdehngrenze ist die Zugspannung, welche die bleibende Dehnung (Index) hervorruft, wenn die Spannung die Zeit t (Index) bei der Temperatur T in ı C (Index) konstant wirkte.

20.5

Untersuchung von Verarbeitungseigenschaften

Eigenschaft

Beschreibung

Technologischer Biegeversuch DIN EN ISO 7438/12 Eignung zum Proben der Dicke a sollen sich um einen Dorn Kaltumformen von 0,5–3 a ¿ um 180 ı ohne Zugrisse an der bei RT Außenseite falten lassen Tiefungsversuch DIN EN ISO 20482/03z Eignung zum Tiefziehen, Korngröße, Anisotropie

Genormtes Werkzeug zieht ein Näpfchen mit 20 mm-Kugel bis zum ersten Anriss auf der Außenseite. Tiefungswert ist der Kugelweg. Für Feinblechgüten sind bestimmte dickenabhängige Tiefungswerte gewährleistet

Stirnabschreckversuch DIN EN ISO 642/00 Härtbarkeit, Durchhärtung, Einhärtung

Die auf Härtetemperatur erhitzte Probe wird mit einer Blende nur an der Stirnseite abgeschreckt, sodass zum Einspannende hin die Abschreckwirkung und Härte sinken (. Abb. 20.10)

Ergebnis vieler Versuche ist ein Band, da die Einhärtung je nach Analyse und Austenitisierung schwankt. Solche Bänder sind Teil der Normen für Einsatz-und Vergütungsstähle Kurzangabe: J 35/43-15: In einem Abstand 15 mm von der Stirnfläche soll die Härte zwischen 35 und 43 HRC liegen

20.6

Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

Werkstofffehler wie z. B. Lunker, Gasblasen, Sandeinschlüsse oder Risse in Gussteilen oder Doppelungen in Walz- und Schmiedeteilen sowie Risse durch Schleifen oder Härten und Schmieden müssen ohne Probenahme direkt am Werkstück geortet werden, ohne dass das Teil Schaden erleidet. Dazu sind durchdringende Medien geeignet wie z. B. Schall, Magnetfelder oder Strahlen sehr kurzer Wellenlänge. Die verschiedenen Verfahren haben Anwendungsgrenzen, sie überschneiden sich teilweise in den Anwendungsbereichen. . Tab. 20.7 gibt eine Gegenüberstellung der Verfahren. Eindringverfahren (Penetrierverfahren) zur Ortung von Rissen, die von der Oberfläche ausgehen. Sie arbeiten mit geringem Geräteaufwand und sind für alle Werkstoffe geeignet. Prüfprinzip: Risse saugen infolge der Kapillarwirkung Flüssigkeiten auf Prüfmittel: Dünnflüssige Lösungen zum Streichen, Sprühen oder Tauchen Anzeige: Nach Entfernen des überschüssigen Prüfmittels tritt mithilfe eines Entwicklers die im Riss verbliebene Flüssigkeit dunkel, farbig oder im UV-Licht fluoreszierend hervor und kann fotografiert werden.

20

20

Anwendung

Grobstrukturprüfung. Fehlerortung

Feinstrukturprüfung, Kristallgitter

Röntgenspektralanalyse, Fluoreszenz (Leuchtschirm)

Erscheinung

Schwächung der Strahlen

Beugung an Gitterebenen

Anregung der Atome zur Eigenstrahlung

Kurzwellige Strahlen (Wellenlänge < Atomabstand) durchdringen die Materie und führen zu verschiedenen physikalischen Erscheinungen

Durchstrahlungsverfahren

Schallwellen werden in Stoffen an Grenzflächen reflektiert und laufen geschwächt weiter. Als Grenzflächen wirken innere Fehler wie Seigerungen und Gefügeunterschiede. Nachweis des reflektierten Schalls (Echo) oder Messung des geschwächten Signals und Vergleich mit fehlerfreiem Werkstück gleicher Dicke

Ultraschall-Verfahren

Magnetische Kraftlinien werden an querliegenden Fehlern gestört, d. h. nach außen gelenkt und erzeugen dort ein Streufeld. Wirbelströme, im Prüfling durch eine stromdurchflossene Spule erzeugt, werden von chemischer Zusammensetzung, Gefügezustand und Fehlern beeinflusst. Es führt zu einer Änderung des Scheinwiderstandes der Spule

Magnetische Verfahren

Prüfprinzip

Röntgenröhren: bis 400 kV: Stahl bis 150 mm. Betatron: bis 30 MeV Stahl bis 500 mm. Radioisotope (-Strahler) Co 60 Cs 137 Ir 192 Ähnlich Röntgenröhren

Schwingquarze (piezoelektrischer Effekt) oder Magnetschwinger (magnetostriktiver Effekt) werden elektrisch mit 0,5–25 MHz erregt. Prüfkopf wird mit Pasten, Öl oder Wasser an die Oberfläche des Prüflings angekoppelt

Prüfling ist Teil eines magnetischen Kreises (Jochmagnetisierung) oder Kern einer Spule (Spulenmagnetisierung) Nachweis von Querrissen in der Randschicht. Prüfling ist Leiter in einem Stromkreis (Selbstdurchflutung) und besitzt ein schraubenförmiges Feld. Nachweis von Längs- und Querrissen. Prüfling liegt im Wechselfeld einer Spule

Erzeugung der Prüfmedien

. Tabelle 20.7 Übersicht, zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

Filme erleiden an Fehlstellen stärkere Schwärzung: Abbild des Fehlers, aber keine Anzeige der Tiefenlage. Leuchtschirmbetrachtung: Fluoreszierende Stoffe wandeln Röntgenstrahlen in sichtbares Licht: Prüfling erscheint als dunkles Schattenbild auf hellem Schirm (Schwächung), Fehler ergeben hellere Flächen. Prüfling kann bewegt werden. Röntgenbild-Verstärkerröhre macht Fernübertragung möglich, keine Strahlenbelastung

Impuls-Echo-Verfahren: Prüfkopf mit Schwinger ist Sender von Impulsen (1–10 s Dauer), in den Pausen Empfänger der Signale, die von Oberfläche, Rückwand oder dem Fehler mit Zeitabstand reflektiert und auf Bildschirm als Zacken abgebildet werden. Aus der Laufzeit kann die Tiefenlage des Fehlers bestimmt werden. Prüfling braucht nur von einer Seite aus zugänglich zu sein!

Magnetpulver (Fe/Fe3O4) in Öl fließt über den Prüfling. Am Streufeld richten sich die Teilchen nach den Kraftlinien aus (Brückenbildung). Bei fehlerfreiem Werkstoff keine Markierung. Tastspule wird über die Oberfläche geführt, Streufelder induzieren Ströme, die Ton- oder Bildschirmsignale erzeugen. Änderung der Spulendaten durch Änderung des Kurvenbildes am Oszillographen erkennbar. Vergleich mit fehlerfreiem Prüfling erforderlich

Fehleranzeige

Prüfung von Guss- und Schmiedeteilen aus Stahl (bis zu 150 mm), Aluminium (bis zu 250 mm). Schweißnahtprüfung (zur Dokumentation) Die Bestimmungen des Strahlenschutzes sind zu beachten

Schweißnahtprüfung (mit Winkelköpfen), Prüfung von Klebverbindungen, Halbzeugen (Doppelungen), große Schmiede- und Gussteile auf Einschlüsse, Schmiede- und Flockenrisse im Innern. Periodische Kontrolle hochbelasteter Maschinenteile, z. B. Schienen. Radsätze und Wellen von Bahnfahrzeugen, Turbinenwellen, Kranhaken. Wanddickenmessung an korrodierten Blechen

Magnetpulverprüfung für Stahlteile mit blanker Oberfläche: Wellen, Achsen, Lenkungsteile auf Härte-, Schleif- oder Schmiederisse in Oberfläche bzw. Randzone. Magnetinduktive Prüfung für metallische Werkstoffe auf Risse, Einschlüsse, Porosität. Sortierung nach Legierungsarten (Verwechselungsprüfung) Wärmebehandlung (Einhärtungstiefe). Dickenmessung an Rohren, Folien und Beschichtungen am laufenden Halbzeug

Anwendungen

492 Kapitel 20  Werkstoffprüfung

493 20.6  Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

Normen (Auswahl) und Richtlinien

DIN EN 1706:2013 Aluminium u. -legierungen – Gussstücke –Chemische Zusammensetzung . . .

DIN 1729:1982 Magnesiumlegierungen; Knetlegierungen DIN 1742:1971 Zinndruckgusslegierungen; Druckgussstücke DIN 8580:2003 Fertigungsverfahren – Begriffe, Einteilung DIN 17740 . . . 17745:2002 Nickel DIN 17850 Titan DIN 17851:1990 Titanlegierungen DIN 30910:1990 Sintermetalle DIN 30911:1990 Sintermetalle – Sint-Prüfnormen (SPN)

DIN EN 1753:1997 Magnesium und -legierungen – Blockmetalle . . . DIN EN 1774:1997 Zink und -legierungen – Gusslegierungen DIN EN 1982:2008 Kupfer und -legierungen – Blockmetalle . . . DIN EN 10002:2009 Metallische Werkstoffe – Zugversuch – Teil 1: Prüfverfahren bei Raumtemperatur DIN EN 10020:2000 Begriffsbestimmung für die Einteilung der Stähle DIN EN 10025-2:2011 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 2: Unlegierte Baustähle

DIN 30912:1990 Sintermetalle – Sint-Richtlinien (SR) DIN 50148:1975 Zugproben für Druckguss aus Nichteisenmetallen DIN 50190:1979 Härtetiefe wärmebehandelter Teile DIN EN 573-1:2005 Aluminium und Aluminiumlegierungen; Bezeichnungssystem DIN EN 573-3:2003 Aluminium u. -legierungen; Chemische Zusammensetzung . . . DIN EN 611-1:1995 Zinn und Zinnlegierungen DIN EN 1173:2008 Kupfer und Kupferlegierungen; Zustandsbezeichnungen DIN EN 1412:1995 Kupfer und Kupferlegierungen; Europäisches Werknummernsystem DIN EN 1560:2011 Gießereiwesen – Bezeichnungssystem für Gusseisen

DIN EN 10025-3:2011, DIN EN 10025-4:2011 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 3 und 4: Schweißgeeignete Feinkornbaustähle DIN EN 10025-6:2009 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 6: Flacherzeugnisse aus Baustählen mit höherer Streckgrenze im vergüteten Zustand DIN EN 10027:2005/2015 Bezeichnungssysteme für Stähle DIN EN 10028:2009 Flacherzeugnisse aus Druckbehälterstählen DIN EN 10054:1994 Begriffe der Wärmebehandlung von Eisenwerkstoffen DIN EN 10083:2006 Vergütungsstähle DIN EN 10084:2008 Einsatzstähle DIN EN 10085:2001 Nitrierstähle DIN EN 10087:1999 Automatenstähle

DIN EN 1561:2012 Gießereiwesen – Gusseisen mit Lamellengraphit

DIN EN 10088:2010 Nichtrostende Stähle

DIN EN 1562:2012 Gießereiwesen – Temperguss

DIN EN 10089:2003 Warmgewalzte Stähle für vergütbare Federn

DIN EN 1563:2012 Gießereiwesen – Gusseisen mit Kugelgraphit

DIN EN 10090:1998 Ventilstähle und -legierungen für Verbrennungskraftmaschinen

DIN EN 1564:2012 Gießereiwesen – Ausferritisches Gusseisen

DIN EN 10095:1999 Hitzebeständige Stähle und Nickellegierungen

20

494

Kapitel 20  Werkstoffprüfung

DIN EN 10130:2007 Kaltgewalzte Flacherzeugnisse aus weichen Stählen zum Kaltumformen

DIN ISO 6691:2001 Thermoplastische Polymere für Gleitlager

DIN EN 10149:2013 Warmgewalzte Flacherzeugnisse aus Stählen mit hoher Streckgrenze zum Kaltumformen

DIN EN ISO 148:2011 Metallische Werkstoffe – Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy

DIN EN 10209:2013 Kaltgewalzte Flacherzeugnisse aus weichen Stählen zum Emaillieren

DIN EN ISO 178:2013 Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften

DIN EN 10213:2008 Stahlguss für Druckbehälter

DIN EN ISO 527:2012 Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften

DIN EN 10222:1999 Schmiedestücke aus Stahl für Druckbehälter DIN EN 10268:2013 Kaltgewalzte Flacherzeugnisse aus Stählen mit hoher Streckgrenze zum Kaltumformen DIN EN 10270:2012 Stahldraht für Federn

DIN EN ISO 604:2003 Kunststoffe – Bestimmung von Druckeigenschaften DIN EN ISO 899:2015 Kunststoffe – Bestimmung des Kriechverhaltens

DIN EN 10283:2010 Korrosionsbeständiger Stahlguss

DIN EN ISO 1043-1:2012 Kunststoffe – Kennbuchstaben und Kurzzeichen

DIN EN 10293:2015 Stahlguss – Stahlguss für allgemeine Anwendungen

DIN EN ISO 2039:2003 Kunststoffe – Bestimmung der Härte

DIN EN 10295:2003 Hitzebeständiger Stahlguss DIN EN 10346:2015 Kontinuierlich schmelztauchveredelte Flacherzeugnisse aus Stahl zum Kaltumformen DIN EN 12513:2011 Gießereiwesen – Verschleißbeständiges Gusseisen DIN EN 12659:1999 Blei DIN EN 13507:2010 Thermisches Spritzen – Vorbehandlung von Oberflächen . . . DIN EN 13835:2012 Gießereiwesen – Austenitisches Gusseisen

DIN EN ISO 2639:2003 Stahl – Bestimmung und Prüfung der Einsatzhärtungstiefe DIN EN ISO 3252:2001 Pulvermetallurgie DIN EN ISO 4498:2010 Sintermetalle – ausgenommen Hartmetalle DIN EN ISO 4957:2001 Werkzeugstähle DIN EN ISO 6506:2015 Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Brinell DIN EN ISO 6507:2006/2015 Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Vickers

DIN EN 17640-1:2004 Bleilegierungen

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DIN EN 60893:2004 Isolierstoffe

DIN EN ISO 6508:2015 Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Rockwell

DIN ISO 4381:2015 Gleitlager – Zinn-Gusslegierungen für Verbundgleitlager

DIN EN ISO 6721:2008 Kunststoffe – Bestimmung dynamisch mechanischer Eigenschaften

DIN ISO 4382-1:1992 Gleitlager; Kupferlegierungen; Kupfer-Gusslegierungen . . .

DIN EN ISO 6892:2014 Metallische Werkstoffe – Zugversuch

DIN ISO 4382-2:1992 Gleitlager; Kupferlegierungen; Kupfer-Knetlegierungen . . .

DIN EN ISO 12944:1998 Beschichtungstoffe – Korrosionsschutz

DIN ISO 4383:2001/2015 Gleitlager – Verbundwerkstoffe für dünnwandige Gleitlager

VDG-Merkblatt W50:2002 Gusseisen mit Vermiculargraphit

495 Literaturhinweise, Informationsquellen

Werkstoff-Fachverbände (Herausgeber von Informationsschriften über Werkstoffe) Name, Anschrift

Tel.

Fax

Internet

Gesamtverband der Aluminiumindustrie e. V. Am Bonneshof 5, 40474 Düsseldorf

0211/4796-0

0211/4796-408

7 www.aluinfo.de

DGM Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e. V. Hahnstr. 70, 60528 Frankfurt

069/75306750

069/75306733

7 www.dgm.de

DECHEMA, Ges. für chem. Technik u. Biotechnologie Th.-Heuss-Allee 25, 60456 Frankfurt/Main

069/75640

069/7564201

7 www.dechema.de

Verband der kunststofferzeugenden Industrie VKE Karlstr. 21, 60329 Frankfurt

069/2556-1303

069/251060

7 www.vke.de

Deutsches Kupfer-Institut Am Bonneshof 5, 40474 Düsseldorf

0211/4796300

0211/4796310

7 www.kupferinstitut.de

FPM Fachverband Pulvermetallurgie e. V. Goldene Pforte 1, 58093 Hagen

02331-958817

02331/958717

7 www.pulvermetallurgie.com 7 www.fraunhofer.de

Fraunhofer-Gesellschaft. zur Förd. der angw. Forschung e. V. Hansastr. 27c, 80686 München Informationsstelle Edelstahl Rostfrei Sohnstraße 65, 40237 Düsseldorf

0211/6707-835

0211/6707-344

7 www.edelstahl-rostfrei.de

Verband der keramischen Industrie e. V. PF 16 24, 95090 Selb

09287/808-0

09287/70492

7 www.keramverband.de

Forschungsvereinigung Stahlanwendung – FOSTA Sohnstr. 65, 40237 Düsseldorf

0211/6707426

0211/6707804

7 www.stahl-online.de

VDEh, Stahlinstitut Sohnstraße 65, 40237 Düsseldorf

0211/67070

0211/6707310

7 www.stahl-online.de/VDEh

Bundesverband der Dt. Gießerei-Industrie e. V. Hansaallee 203, 40549 Düsseldorf

0211/6871-0

0211/6871-333

7 www.kug.bdguss.de

Initiative Zink i.d. Wirtschaftsvereinigung Metalle Am Bonneshof 5, 50474 Düsseldorf

0211/4796176

0211/25176

7 www.initiative-zink.de 7 www.werkstoffe.de

WIAM Business Network Materials

Literaturhinweise, Informationsquellen Gesamtdarstellungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Askeland. D.R.: Materialwissenschaften. Spektrum (1996) Bargel, H.J., Schulze, G. (Hrsg.): Werkstoffkunde. Springer (2013) Bergmann, W.: Werkstofftechnik. Hanser (2008) Gräfen, H. (Hrsg.): Lexikon Werkstofftechnik. VDI-Verlag (1991) Hornbogen, E.: Werkstoffe. Springer (2012) Ilschner, B.: Werkstoffwissenschaften. Springer (1982) Jacobs, O.: Werkstoffkunde. Vogel Fachbuch (2009) Ruge, J., Wohlfahrt, H.: Technologie der Werkstoffe. Springer Vieweg (2013) 9. Weber, A. (Hrsg.): Neue Werkstoffe. VDI-Verlag (1989) 10. Weißbach, W., Dahms, M., Jaroschek, C.: Werkstoffkunde. Springer Vieweg (2015)

Stahl und Eisen 11. Zeitschrift: Stahl und Eisen. Stahleisen-Verlag (Düsseldorf) 12. Bohlbrinker, A.-K.: Stahlfibel. Beratungsstelle für Stahlverwendung. Verlag Stahleisen (1989)

13. Hougardy, H.: Die Umwandlung und Gefüge der Stähle. Verlag Stahleisen (1990) 14. Taube, K.: Stahlerzeugung kompakt. Vieweg (1998) 15. Bürgel, R., Maier, H.J., Niendorf, T.: Handbuch HochtemperaturWerkstofftechnik. Vieweg+Teubner (2011) 16. DIN TB 218/07 Werkstofftechnologie. Wärmebehandlung

Gusseisenwerkstoffe 17. Zeitschrift: Konstruieren und Gießen. (K+G) 18. ZGV-Zentrale für Gussverwendung, Düsseldorf. Freier Zugang: www.kug.bdguss.de 19. Feingießen, Herstellung, Eigenschaften, Anwendung. K+G 1 (2008) 20. Gusseisen mit Kugelgraphit. K+G 2 (2007) 21. Bainitisches Gusseisen mit Kugelgraphit. K+G 2 (2000) 22. Gusseisen mit Lamellengraphit. K+G 2 (2000) 23. Wärmebehandlung von Gusseisen mit Lamellen- oder Kugelgraphit. K+G 2 (1996) 24. Duktiles Gusseisen, Temperguss. K+G 1, 2 (1983) 25. Schweißkonstruktionen mit Temperguss. K+G 2 (1995) 26. Gusseisen mit Vermiculargraphit. K+G 1 (1991) 27. Stahlguss, Herstellung, Eigenschaften und Verwendung. K+G 4 (1988)

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496

Kapitel 20  Werkstoffprüfung

28. Austenitisches Gusseisen. K+G 2 (2004) 29. Verschleißbeständiges Gusseisen. K+G 2 (2001)

Werkstoffe allgemein 30. Aluminium-Taschenbuch. DIN Taschenbücher 450 in 4 Teilbänden. 450/1(09): Stangen, Rohre, Profile, Drähte; 450/2(09): Bänder, Bleche, Platten; 450/3 (12) Schmiedestücke; 450/4 (12) Oberflächenbehandlungen. Aluminium-Verlag (2002) 31. Technische Keramik. Brevier. Verband der Keramischen Industrie, Selb (2003) 32. Kupfer- und Kupferlegierungen. DIN TB 456/12 in 3 Teilbänden. Informationsschriften des Deutschen Kupfer-Instituts DKI. 456/1: Prüfund Grundnormen; 456/2: Walzprofile und Rohre; 456/3: Stangen, Drähte, Profile 33. Magnesium-Taschenbuch. Aluminium-Verlag (2002) 34. Titan. Informationen über www.deutschetitan.de

Verschiedenes 41. Zapf, G., Dalal, K., Silbereisen H.: Die Pulvermetallurgie. Vorlesungsreihe, Fachverband Pulvermetallurgie. Metallpulver, Sintermetalle, Hartmetalle. Beuth-Verlag 42. Czichos, H., Habig, K.H.: Tribologie-Handbuch. Springer Vieweg (2015) 43. Leonhardt, G., Ondracek G. (Hrsg.): Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde. DGM-Verlag (1993) 44. VDI-Bericht 965.1 und 2. Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde. VDI-Verlag (1992) 45. Kaesche, H.: Korrosion der Metalle. Springer (1999) 46. DIN TB 219/09. Korrosion und Korrosionsschutz. Beuth-Verlag 47. Pursche, G. (Hrsg.): Oberflächenschutz vor Verschleiß. Verlag Technik, Berlin (1990) 48. Steffen, H.-D., Wilden, J. (Hrsg): Moderne Beschichtungsverfahren. DGM-Verlag (1996) 49. Müller, K-P.: Lehrbuch Oberflächentechnik. Vieweg (1996)

Kunststoffe 35. Ehrenstein, G.: Mit Kunststoffen konstruieren. Hanser (2007) 36. Menges, G., Haberstroh, E.: Werkstoffkunde Kunststoffe. Hanser (2011) 37. Bonnet, M.: Kunststofftechnik. Springer Vieweg (2016) 38. Hopmann, C., Michaeli, W.: Einführung in die Kunststoffverarbeitung. Hanser (2015) 39. Baur, E. et al.: Saechtling Kunststoff Taschenbuch. Hanser (2007) 40. Hellerich, W., Harsch, G., Baur, E.: Werkstoffführer Kunststoffe. Hanser (2010)

20

Werkstoffprüfung 50. DIN TB 19/11; TB 56/06, 205/12. Materialprüfnormen für metallische Werkstoffe 1 bis 3. Beuth-Verlag 51. Krautkrämer, J.H.: Werkstoffprüfung mit Ultraschall. Springer (1987) 52. Macherauch, E., Zoch, H.-W.: Praktikum in Werkstoffkunde. Springer Vieweg (2014) 53. Schumann, H., Oettel, H.: Metallographie. Wiley-VCH (2011) 54. VDI-Berichte 1194. Härteprüfung in Theorie und Praxis. VDI-Verlag (1995)

497

Anhang Definition und Ermittlung der Werkstoffkenngrößen sind in 7 Kap. 20 Werkstoffprüfung zu finden. 1 Formelzeichen und Einheiten

CIP

Kaltisostatisches Pressen

CMC

Ceramic-Matrix-Compound

CVD

Chemical Vapour Deposition, chemische Beschichtung aus der Dampfphase

DESU-

Druck-Elektro-Schlacke-Umschmelz-Verfahren

Eht

Einsatzhärtetiefe, veraltet (! CHD)

EKD

Eisen-Kohlenstoff-Diagramm

EMK

Einlagerungs-Mischkristall

ESU

Elektro-Schlacke-Umschmelzen

GFK

Glasfaserverstärkter Kunststoff

GMT

Glasmattenverstärktes, flächiges Thermoplast-Halbzeug

HIP

Heißisostatisches Pressen

hdP

Hexagonal dichteste Packung

A

%

Bruchdehnung

E

MPa

Elastizitätsmodul

G

MPa

Gleitmodul

K Ic

MPa/m1=2

Bruchzähigkeit

KV

J

Kerbschlagarbeit

Re

MPa D N/mm2

Streckgrenze

ReH

MPa D N/mm2

obere Streckgrenze

Rm

MPa D N/mm2

Zugfestigkeit

Rm/t/T

MPa

Zeitstandfestigkeiten, z. B. Rm=1000=500

Rp0;2

MPa D N/mm2

0,2-%-Dehngrenze

IP

Intermetallische Phase

Rpn/t/T

MPa

n%-Zeitdehngrenzen, z. B. Rp0;2=1000=550ı

kfz

Kubisch-flächenzentriert

Tm

ı

C, K

Schmelztemperatur

krz

Kubisch-raumzentriert

TR

ı

C, K

Rekristallisationstemperatur

LC-

Liquid-Crystal Polymer, Flüssigkristall-Kunststoff



ı

C

Übergangstemperatur

LE

Legierungselement

Z

%

Brucheinschnürung

MD

Multidirektional, in vielen Richtungen liegende Fasern

˛l

1/K

Längenausdehnungskoeffizient

MK

Mischkristall



W/mK

Wärmeleitwert

MMC

Metall-Matrix-Compound, Metallverbund

bB

MPa

Biegefestigkeit

Nht

Nitrierhärtetiefe

bW

MPa

Biegewechselfestigkeit

ODS

Oxid-Dispersion-Strengthened, oxidteilchenverstärkt

D

MPa

Dauerfestigkeiten

PM

Pulvermetallurgie

dB

MPa

Druckfestigkeit

PVD

tB

MPa

Torsionsfestigkeit

Physical Vapour Deposition, physikalische Beschichtung aus der Gasphase

REM

Raster-Elektronen-Mikroskop

Rht

Randhärtetiefe

1 Verwendete Abkürzungen AMK

Austausch-Mischkristall

RT

Raumtemperatur

AF-

Coating: Anti-Friktions-Beschichtung

SMC

At

Aufkohlungstiefe

Sheet Moulding Compound, flächiges, faserverstärktes Duroplast-Halbzeug

BMC

Bulk Moulding Compound, faserverstärkte, duroplastische Pressmasse

SpRK

Spannungsrisskorrosion

tetr.

tetragonal

CBN

Kubisches Bornitrid, (auch PKB)

TM

Thermomechanisches Umformen

CFK

Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff

UD

Unidirektional, in einer Richtung verlegte Fasern

CHD

Einsatzhärtungstiefe

WEZ

Wärmeeinflusszone beim Schweißen

499

Thermodynamik Inhaltsverzeichnis Kapitel 21

Grundbegriffe – 501 Martin Dehli

Kapitel 22

Energien und Prozesse – 515 Martin Dehli

Kapitel 23

Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten – 523 Martin Dehli

Kapitel 24

Wärmeübertragung – 543 Martin Dehli

Kapitel 25

Verbrennung – 551 Martin Dehli

V

21

501

Grundbegriffe Martin Dehli

21.1

Temperatur

Die Temperatur ist ein Maß für den Vorrat an (thermischer) innerer Energie eines thermodynamischen Systems. Sie ist eine physikalische Basisgröße. Mit der Temperatur verbinden sich subjektive Wahrnehmungen zur Beschreibung der Warmheit eines stofflichen Körpers (z. B. kalt, warm). Das natürliche Wärmeempfinden des Menschen kann über die Höhe der vorliegenden Temperatur keine hinreichend zuverlässige Aussage machen. Temperaturen werden deshalb mit geeigneten Messgeräten gemessen. Als Basiseinheit ist im Internationalen Einheitensystem das Kelvin (Kurzzeichen: K) festgelegt, Temperaturen können auch in Grad Celsius (Kurzzeichen: °C) angegeben werden. Die Temperatureinheiten ergeben sich aus den Temperaturskalen. Diese Temperaturskalen lehnen sich in der Festlegung ihrer Fixpunkte an bestimmte physikalische Vorgänge an, die unter gleichen physikalischen Bedingungen stets bei derselben Temperatur ablaufen. Die Kelvin-Skala (. Abb. 21.1a) nach William Thomson (Lord Kelvin, England, 1824–1907) besitzt als Skalennullpunkt den absoluten Nullpunkt. Sie wird auch als Skala der absoluten Temperaturen oder als thermodynamische Temperaturskala bezeichnet. Die Celsius-Skala (. Abb. 21.1b) nach Anders Celsius (Schweden, 1701–1744) und Carl von Linné (Schweden, 1707–1778) verwendet als Fixpunkte den Eispunkt und den Siedepunkt des Wassers beim Atmosphärendruck von  1;013 bar. Nullpunkt dieser Temperaturskala ist der Eispunkt des Wassers. Der durch diese Fixpunkte begrenzte

Bereich ist in 100 Temperatureinheiten unterteilt (1 Temperatureinheit D 1 Grad Celsius D 1 °C). Celsius-Temperaturen treten je nach „Warmheit“ als positive oder negative Zahlenwerte auf und werden wegen des willkürlich gewählten Skalennullpunktes als relative Temperaturen bezeichnet. Sie erhalten das Formelzeichen #. Auch die Kelvin-Skala unterteilt den Bereich zwischen Eispunkt und Siedepunkt des Wassers in 100 Temperatureinheiten (1 Temperatureinheit D 1 Kelvin D 1 K). Damit erhalten die Temperatureinheiten der Kelvin-Skala und der Celsius-Skala die gleiche Größe (1 K D 1 °C). Die Kelvin-Temperaturen sind als Zahlenwerte stets positiv. Sie werden als thermodynamische Temperaturen bezeichnet und erhalten das Formelzeichen T. Für ein ideales Gas ergibt sich der absolute Nullpunkt bei 273;15 °C (siehe . Abb. 21.1) Für die Umrechnung von Temperaturwerten gelten die Zahlenwertgleichungen T D # C 273;15 # D T  273;15 T K

(21.1) (21.2)

# C

ı

7 Beispiel Bei der Abkühlung von Quecksilber stellt sich bei einer Temperatur von 7,22 K die Supraleitfähigkeit ein. Diese Temperatur soll in Grad Celsius umgerechnet werden. Lösung: # D T  273;15 D 7;22  273;15 # D 265;93 ı C 9 7 Beispiel Im Verlaufe der Ladungskompression im Innern des Zylinders eines Otto-Motors wird das angesaugte Luft-KraftstoffGemisch auf eine Temperatur von 520 °C erwärmt. Diese Kompressionstemperatur soll in Kelvin umgerechnet werden. Lösung: T D # C 273;15 D 520 C 273;15

. Abb. 21.1 Temperaturskalen. a Kelvin-Skala, b Celsius-Skala

T D 793;15 K 9

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_21

502

Kapitel 21  Grundbegriffe

21.2

Druck

Der auf die Flächeneinheit entfallende Teil einer belastenden Kraft F wird allgemein als Druck p bezeichnet (p D F=A, A belastete Fläche). Werden Kräfte zwischen festen Körpern ausgetauscht, so tritt ein solcher Druck an der gemeinsamen Berührungsfläche auf. Er wird hier als Flächenpressung bezeichnet. Flüssigkeiten üben Kräfte auf die umgebenden Gefäßwände aus und rufen so Seitendrücke und Bodendrücke hervor. Der Druck ist eine besonders wichtige Einflussgröße bei der Betrachtung von Gaszuständen. Gase haben wegen der freien Beweglichkeit ihrer Moleküle bzw. Atome die Eigenschaft, jeden dargebotenen Raum gleichmäßig auszufüllen. Der gasförmige Stoff kann daher überhaupt nur durch die umgebenden Wände eines Behälters auf engerem Raum zusammengehalten werden. Dabei stoßen die bewegten Gasteilchen von innen her gegen den Behälter und üben dadurch kurzzeitig Kräfte auf die festen Wände aus. Diese Kräfte summieren sich bei der großen Anzahl der auftreffenden Teilchen zu einer stetigen Krafteinwirkung und damit zum Druck des Gases gegen die Behälterwände. Die Größe des Drucks wird dabei von der Anzahl der Gasteilchen bestimmt, die pro Zeiteinheit auf die Flächeneinheit der Wand auftreffen. Gas- und Flüssigkeitsdrücke misst man mit Manometern, den Druck der atmosphärischen Luft (Atmosphärendruck) mit dem Barometer. Als Druckeinheit ist im Internationalen Einheitensystem die SI-Einheit Pascal (Kurzzeichen: Pa) festgelegt, 1 Pa ist der auf eine Fläche von 1 m2 gleichmäßig wirkende Druck, wenn senkrecht zur Fläche die Kraft 1 N ausgeübt wird. 1 Pa D 1

kg N D 1 2 D 1 kg s2 m1 2 m s m

21

pe  100 pamb   Vak % D pamb  1  100

Vak % D  pabs

(21.4) (21.5)

7 Beispiel Das Manometer eines Dampfkessels zeigt einen Überdruck von pe D 15;3 bar an. Der Druck der umgebenden Luft wurde mit Hilfe eines Barometers mit pamb D 990 hPa D 990 mbar D 0;99 bar gemessen. Welcher absolute Druck herrscht im Innern des Dampfkessels? Lösung:

pabs D 16;29 bar 9

N m2

Bei der Bestimmung der Druckgrößen wird zwischen absoluten und relativen Drücken unterschieden. Der absolute Druck pabs (Absolutdruck) ist auf p D 0 (Vakuum von 100 %) bezogen. Relative Drücke beziehen sich als atmosphärische Druckdifferenz auf den jeweils herrschenden (veränderlichen) Atmosphärendruck pamb der umgebenden Luft. Sie werden als Überdruck pe bezeichnet (siehe . Abb. 21.2). pe D pabs  pamb pabs > pamb ) pe > 0 .positiv/ pabs < pamb ) pe < 0 .negativ/ pabs D pamb ) pe D 0

Ist der absolute Druck eines Gases kleiner als der Atmosphärendruck pamb der umgebenden Luft, so spricht man in bestimmten Anwendungsbereichen (Vakuumtechnik) auch von einem Vakuum unterschiedlicher Prozentigkeit (Vak %). Ein Vakuum von 100 % liegt dann vor, wenn der absolute Druck gleich null ist.

pabs D pe C pamb D 15;3 bar C 0;99 bar

Als weitere Druckeinheit ist nach dem Einheitengesetz das Bar (Kurzzeichen: bar) zugelassen. 1 bar D 105 Pa D 105

. Abb. 21.2 Absolute und relative Drücke

(21.3)

7 Beispiel Ein Luftverdichter saugt Luft von pe1 D 0;147 bar (Zustand 1) an und verdichtet sie auf pe2 D 10 bar (Zustand 2). Der Barometerstand beträgt pamb D 905 hPa D 905 mbar D 0;905 bar. Wie groß sind die absoluten Drücke vor und nach der Verdichtung? Lösung: pabs 1 D pe1 C pamb D 0;147 bar C 0;905 bar pabs 1 D 0;758 bar pabs 2 D pe2 C pamb D 10 bar C 0;905 bar pabs 2 D 10;905 bar 9 7 Beispiel Ein plattenförmiges Werkstück soll auf einer Flachschleifmaschine bearbeitet werden und wird auf einer Vakuum-Spannplatte gespannt. Die Vakuumpumpe des Spanngerätes erzeugt

21

503 21.3  Volumen

unter dem aufliegenden Werkstück ein 90 %iges Vakuum. Der Atmosphärendruck beträgt 1010 hPa D 1010 mbar D 1;01 bar. Welcher absolute Druck herrscht unter dem gespannten Werkstück? Lösung:     Vak % 90 D 1;01 bar  1  pabs D pamb  1  100 100 pabs D 0;101 bar 9

21.3

Volumen

Jeder feste, flüssige oder gasförmige Stoff wird durch seine Stoffmenge repräsentiert. Diese Stoffmenge nimmt stets einen bestimmten Raum ein. Diesen Raum bezeichnet man als das Volumen des Stoffes. Das Volumen V wird durch die Volumeneinheit Kubikmeter (Kurzzeichen: m3 ) ausgedrückt. 1 m3 D 103 dm3 D 106 cm3 D 109 mm3 Bei Flüssigkeiten ist als Volumeneinheit auch das Liter (Kurzzeichen: l) zugelassen.

Das Volumen fester und flüssiger Stoffe hängt praktisch nur von Art und Menge des Stoffes ab. Die Stofftemperatur ist nur von geringem Einfluss und kann oft vernachlässigt werden. Der umgebende Druck wirkt sich auf das Stoffvolumen praktisch nicht aus. Bei den zusammendrückbaren Gasen besteht eine starke Abhängigkeit des Volumens auch von Druck und Temperatur. Bezieht man die Rauminhalte auf gleiche Werte von Druck und Temperatur, so sind diese Gasvolumen ebenfalls nur von Gasart und Gasmenge abhängig. Oft verwendete Bezugswerte von Druck und Temperatur sind die Größen des physikalischen Normzustandes (0 ı C D 273;15 K und 1,01325 bar). Das Volumen eines Gases im Normzustand bezeichnet man als Normvolumen Vn D V0 . Das Volumen fester und flüssiger Stoffe und das Normvolumen eines Gases sind ein Maß für die jeweilige Stoffmenge. Das massenbezogene Volumen ist das spezifische Volumen v. V m

m3 kg

Gasart

chemisches Kurzzeichen

Kohlendioxid

CO2

0,506

1,977

Kohlenmonoxid

CO

0,800

1,250

Luft



0,774

1,293

Methan

CH4

1,396

0,717

Sauerstoff

O2

0,700

1,429

Stickstoff

N2

0,799

1,251

Wasserdampf

H2 O

Wasserstoff

H2

a

vn in

a

n in

kg m3

1,243

0,804a

11,111

0,090

fiktiver Wert

gen wird. Diese Größe bezeichnet man als das spezifische Normvolumen vn (. Tab. 21.1). Vn vn D m

vn m3 kg

Vn

m

m3

kg

(21.7)

Der Kehrwert (Reziprokwert) des spezifischen Volumens ist die Dichte  des Stoffes.

1 l D 1 dm3

vD

. Tabelle 21.1 Spezifisches Volumen und Dichte von Gasen im Normzustand

v m3 kg

V m

3

m kg

(21.6)

Bei festen und flüssigen Stoffen ist das spezifische Volumen praktisch nur von der Stoffart abhängig. Bei Gasen hängt das spezifische Volumen erst dann nur von der Gasart ab, wenn es auf den Normzustand bezo-

D

1 m D v V

 kg m3

m

V

kg m3

(21.8)

Bei festen und flüssigen Stoffen ist die Stoffdichte praktisch nur von der Stoffart abhängig. Bei Gasen hängt die Dichte erst dann nur von der Gasart ab, wenn sie auf den Normzustand bezogen wird. Diese Größe bezeichnet man als die Normdichte n D 0 (. Tab. 21.1). n D

n kg m3

1 m D vn Vn

m

Vn

kg m3

(21.9)

Das stoffmengenbezogene Volumen ist das molare Volumen V m (n: Stoffmenge, Molmenge). Vm D

V n

Vm m3 kmol

V

n

m3

kmol

(21.10)

Durch die Einführung spezifischer und molarer Größen werden thermodynamische Betrachtungen von Masse und Stoffmenge und damit von der Systemgröße unabhängig. Spezifisches Volumen v und molares Volumen V m sind über die molare Masse (Molmasse) M miteinander verknüpft. Vm D v M

(21.11)

Kapitel 21  Grundbegriffe

504

Bezieht man die molaren Volumen von Gasen auf gleiche Werte von Druck und Temperatur, so ergeben sich Zahlenwerte von in erster Näherung etwa gleicher Größe. Entsprechen die gemeinsamen Bezugsgrößen den Werten des physikalischen Normzustandes, so gilt für das molare Normvolumen V mn aller idealen Gase

Soll die Temperatur T 1 eines Systems (hier eines Stoffes) mit der Masse m auf T 2 erhöht werden (T 2 > T1 ), dann ergibt sich

m3 : kmol

Kann die Dissipationsarbeit Wd vernachlässigt werden, dann ergibt sich die zuzuführende Wärme Q aus

Vmn D vn M  22:414 7 Beispiel

Gegeben ist eine Sauerstoffmenge von 25 kg im Normzustand. Die auf diesen Zustand bezogene Dichte des Gases beträgt n D 1;429 kg=m3 . a) Wie groß ist das spezifische Volumen vn des Gases? b) Welches Volumen V n nimmt dieses Gas ein? Lösung: 1 1 D a) vn D n 1;429 vn D 0;70

b)

kg m3

m3 kg

Vn D m vn D 25 kg  0;70

m3 kg

Vn D 17;50 m3 9 7 Beispiel Gegeben sind 0,5 m3 Acetylen (Ethin, C2 H2 ) im Normzustand. a) Wie groß sind das spezifische Normvolumen und die Normdichte? b) Welche Gasmenge (ausgedrückt in kg) ist in einem Raum von 0,5 m3 bei Normzustand enthalten? Lösung: a) Vmn D vn M;

M D 26

kg kmol

3

m 22;4 kmol Vmn m3 D D 0;862 kg M kg 26 kmol 1 1 kg D D 1;16 3 n D 3 vn m 0;862 m

vn D

kg

Vn 0;5 m3 b) m D D D 0;58 kg 9 3 vn 0;862 mkg

21.4

21

Qrev D m c.T2  T1 / oder Qrev D m c.#2  #1 /:

Q D m c.T2  T1 / oder Q D m c.#2  #1 / Q

m

J

kg

c J J D kg K kg ı C

(21.13) T

#

K

ı

C

Das Produkt m c ist die Wärmekapazität des Systems mit der Masse m. Wird einem System Wärme entzogen (Abkühlung), dann gilt die Gleichung (21.13) sinngemäß. Da aber T 2 < T1 ist, wird der Zahlenwert für die abzuführende Wärme dann negativ (Q < 0). Die Gleichung (21.13) kann in der angegebenen Form nur dann benutzt werden, wenn die spezifische Wärmekapazität c über den in Rechnung zu setzenden Temperaturbereich T 1 . . . T 2 bzw. #1 . . . #2 konstant ist. Im Allgemeinen wird die spezifische Wärmekapazität mit zunehmender Temperatur aber größer. Die Kurve c D f .#/ lässt erkennen, dass die spezifische Wärmekapazität bei jedem Temperaturwert # eine andere Größe besitzt und unter diesen Umständen nur in einem sehr kleinen Temperaturintervall # als praktisch konstant angesehen werden kann (siehe . Abb. 21.3). Die spezifische Wärmekapazität bei einem differentiell kleinen Temperaturintervall d# wird als wahre spezifische Wärmekapazität bezeichnet. Erstreckt sich eine Berechnung über einen größeren Temperaturbereich #1 . . . #2 , so muss mit einer mittleren spezifischen Wärmekapazität cm gerechnet werden. Wird die spezifische Wärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur # zeichnerisch dargestellt, so ergibt sich der Mittelwert cm als Höhe eines Rechteckes, dessen Flächeninhalt dem der Fläche A unter der Kurve c D f .#/ entspricht (. Abb. 21.4). Die Fläche ist ein Maß für die spezifische Wärme q.

Spezifische Wärmekapazität

Die spezifische Wärmekapazität c ist die massenbezogene Wärme (oder auch Dissipationsarbeit), die einem thermodynamischen System über die Systemgrenze hinweg zuzuführen ist, um ohne Änderung des bestehenden Aggregatzustandes die Temperatur um 1 K (D 1 °C) zu erhöhen. Die Summe aus der Wärme Q und der Dissipationsarbeit (Reibungsarbeit) Wd (vgl. 7 Abschn. 22.5) ist Qrev D Q C Wd :

(21.12)

. Abb. 21.3 Angenommener Verlauf der spezifischen Wärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur

21

505 21.4  Spezifische Wärmekapazität

. Tabelle 21.2 Mittlere spezifische Wärmekapazität cm fester und flüssiger Stoffe zwischen 0 und 100 °C in kgJK D kgJı C Aluminium Beton

913 1005

Blei

. Abb. 21.4 Bestimmung der mittleren spezifischen Wärmekapazität

Für Überschlagsrechnungen kann bei nicht zu großen Temperaturunterschieden mit hinreichender Genauigkeit der arithmetische Mittelwert aus den wahren spezifischen Wärmekapazitäten bei den Grenztemperaturen #1 und #2 eingesetzt werden. In Tabellen wird häufig die mittlere spezifische Wärmekapazität cm 0–# zwischen 0 °C und einer beliebigen Temperatur # angegeben. Aus diesen Tabellenwerten kann die mittlere spezifische Wärmekapazität cm 1–2 für jeden beliebigen Temperaturbereich #1 . . . #2 ermittelt werden. 2Herleitung (siehe . Abb. 21.5)

q1–2 D cm 1–2 .#2  #1 / q0–1 D cm 0–1 .#1  0/ q0–2 D cm 0–2 .#2  0/ q1–2 D q0–2  q0–1 cm 1–2 .#2  #1 / D cm 0–2 .#2 –0/  cm 0–1 .#1  0/ cm 1–2 .#2  #1 / D cm 0–2 #2  cm 0–1 #1 : Aus der Herleitung ergibt sich die mittlere spezifische Wärmekapazität für den Temperaturbereich #1 . . . #2 cm 0–2 #2  cm 0–1 #1 #2  #1 # c J J ı C D kg K kg ı C

cm 1–2 D

(21.14)

130

Platin

134

Quarzglas

724

Quecksilber

138

Eichenholz

2386

Sandstein

921

Eis

2052

Schamotte

795

Silber

234

Steinzeug

775 921

Eisen (Stahl)

461

Fichtenholz

2721

Glas

795

Ziegelsteine

Graphit

879

Alkohol

2428

Gusseisen

544

Azeton

2303

Kieselgur

879

Benzol

1842

Glyzerin

2428

Kork

2010

Kupfer

389

Maschinenöl

1675

Marmor

879

Petroleum

2093

Messing

385

Schwefelsäure

1382

Nickel

444

Wasser

4187

Die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität ist bei festen und flüssigen Stoffen verhältnismäßig gering. In den einschlägigen Tabellen werden daher für diese Stoffe Mittelwerte (cm ) angegeben, die für relativ große Temperaturbereiche gelten (siehe . Tab. 21.2). Die einem geschlossenen System (z. B. einem Stoff) bei isobarer Erwärmung (p konstant) zugeführte Wärme dient nicht nur zur Erhöhung der (thermischen) inneren Energie. Durch die mit der Erwärmung verbundene Volumenvergrößerung (Wärmeausdehnung) muss ein Teil der zugeführten Wärme zur Verrichtung der Volumenänderungsarbeit (als Raumschaffungsarbeit) gegen den Widerstand des umgebenden Drucks abgezweigt werden. Diese Arbeit wird über die Systemgrenze hinweg an die Umgebung abgegeben. Bei festen und flüssigen Stoffen kann diese Raumschaffungsarbeit wegen der hier nur geringen Wärmedehnung vernachlässigt werden. Für Gase werden dagegen unterschiedliche c-Werte (cp bzw. cv ) verwendet. cv spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen cp spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck (cp > cv ) Für ideale Gase gilt: cp  cv D Ri cp =cv D 

. Abb. 21.5 Bestimmung der mittleren spezifischen Wärmekapazität cm 1–2 aus den Mittelwerten cm 0–1 und cm 0–2

.spezielle Gaskonstante/ .Isentropenexponent/

Das Verhältnis  der spezifischen Wärmekapazitäten erscheint bei der Behandlung der isentropen Zustands-

Kapitel 21  Grundbegriffe

506

cp . Tabelle 21.3 Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten cv bei 0 °C

und die Mischungstemperatur bei einer Zweistoffmischung gleichartiger Stoffe mit gleich großen Massen m und mit gleich großen spezifischen Wärmekapazitäten c zu

Kohlenmonoxid

CO

1,402

Kohlendioxid

CO2

1,30

Luft



1,40

7 Beispiel

Methan

CH4

1,32

Sauerstoff

O2

1,40

Stickstoff

N2

1,40

Im Rauchgasvorwärmer einer Kesselanlage werden in jeder Stunde 8400 kg flüssiges Wasser von #1 D 45 °C auf #2 D 110 °C vorgewärmt. Wie groß ist die Wärme, die in jeder Stunde vom Rauchgas auf das Speisewasser übergeht?

Wasserdampf

H2 O

1,33

Wasserstoff

H2

1,405

#Mi D

#1 C #2 : 2

(21.17)

Lösung: Q D m c.#2  #1 /I

änderung idealer Gase als Isentropenexponent (vgl. . Tab. 21.3). Das Verhältnis ist besonders bei mehratomigen Gasen temperaturabhängig. Eine zusätzliche geringe Druckabhängigkeit besteht bei realen Gasen. Zur Bestimmung genauerer Zahlenwerte der spezifischen Wärmekapazitäten für Gase werden Tabellen für wahre spezifische Wärmekapazitäten (. Tab. 21.4) oder für die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten (. Tab. 21.5) benutzt. Werden Systeme (z. B. Stoffe) mit unterschiedlichen Temperaturen über eine gemeinsame diatherme (wärmedurchlässige) Systemgrenze in Berührung gebracht, so findet eine Wärmeübertragung in Richtung des Temperaturgefälles statt. Nach erfolgter Energieübertragung stellt sich in den beteiligten Systemen die gemeinsame Mischungstemperatur #Mi ein (Temperaturausgleich). Werden zwei Stoffe mit den Massen m1 und m2 , den spezifischen Wärmekapazitäten c1 und c2 und den Temperaturen #1 und #2 gemischt, so ergibt sich die Mischungstemperatur (Zweistoffmischung) zu m1 c1 #1 C m2 c2 #2 m1 c1 C m2 c2 c # m J J ı C kg D kg K kg ı C

#Mi D

21

(21.15)

Diese Formel wird als Mischungsregel bezeichnet und kann durch sinngemäße Erweiterung auch für Mehrstoffmischungen verwendet werden. Die Anwendung der Mischungsregel setzt voraus, dass während des Mischungsvorganges keine Änderung des bestehenden Aggregatzustandes eintritt und dem Gesamtsystem Wärme weder zugeführt noch entzogen wird sowie Arbeit weder zugeführt noch entzogen wird. Aus der Mischungsregel folgt die Mischungstemperatur bei einer Zweistoffmischung gleichartiger Stoffe mit gleich großen spezifischen Wärmekapazitäten c zu #Mi D

m1 #1 C m2 #2 m1 C m2

# C

ı

m kg

(21.16)

Q D 8400

c D 4187

J J D 4187 ı kg K kg C

J kg J  4187 ı  .110  45/ ı C D 2286  106 9 h kg C h

7 Beispiel 6 kg flüssiges Wasser von 50 °C und 10 kg flüssiges Wasser von 30 °C sollen gemischt werden. Wie hoch ist die sich einstellende Mischungstemperatur #Mi ? Lösung: m1 #1 C m2 #2 m1 C m2 6 kg  50 ı C C 10 kg  30 ı C D 37;5 ı C 9 D 6 kg C 10 kg

#Mi D #Mi

7 Beispiel Ein gegen Wärmeverluste geschütztes Kalorimeter ist mit 800 g flüssigem Wasser von 15 °C gefüllt. Das Gefäß des Kalorimeters besteht aus 250 g Silber mit einer mittleren spezifischen Wärmekapazität von 234 J=.kg K/. In dieses Gefäß werden 200 g Aluminium von 100 °C eingebracht. Nach dem Temperaturausgleich wird eine Mischungstemperatur von 19,25 °C gemessen. Wie groß ist die spezifische Wärmekapazität des Aluminiums? Lösung: Wird die Gleichung (21.15) auf eine Dreistoffmischung erweitert und zur Unterscheidung mit Indizes für Silbergefäß, Wasserbad und Aluminium versehen, so ergibt sich bei Auflösung nach ca (für Aluminium) ca D

.ms cs C mw cw /  .#Mi  #/ ; ma .#a  #Mi /

hierin ist #w D #s D # gesetzt. cw D 4187 ca D

J J D 4187 ı kg K kg C

0;25 kg  234

J kg ı C

cs D 234

C 0;8 kg  4187

0;2 kg  .100 19;25/ ı C J J 9 ca D 897 ı D 897 kg C kg K

J kg ı C

J kg ı C

 .19;25 15/ ı C

21

507 21.4  Spezifische Wärmekapazität

7 Beispiel Eine Luftmenge soll bei gleich bleibendem Druck von #1 D 100 °C auf #2 D 800 °C vorgewärmt werden. Zur Berechnung des Wärmebedarfs soll die mittlere spezifische Wärmekapazität für den genannten Temperaturbereich mit Hilfe einer Tabelle für mittlere spezifische Wärmekapazitäten (. Tab. 21.5) ermittelt werden.

. Tabelle 21.4 Wahre spezifische Wärmekapazität bei # °C in # in °C 0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

CO

J kg K

cm 0–1

cm 1–2 D cm 1–2

200

J kg K

 800 ı C  1009

J kg K

 100 ı C

.800  100/ ı C J 9 D 1081 kg K

CO2

Luft

CH4

O2

N2

H2 O

H2

cp

1038

817

1005

2156

913

1038

1855

14.235

cv

741

628

716

1637

653

741

1394

10.111

cp

1047

921

1009

2453

934

1047

1880

14.444

cv

749

733

720

1934

674

749

1419

10.320

cp

1059

996

1026

2797

963

1055

1934

14.528

cv

762

808

737

2278

703

758

1474

10.404

cp

1080

1068

1047

3174

996

1068

1989

14.570

cv

783

879

758

2654

737

770

1528

10.446

cp

1105

1122

1068

3500

1026

1093

2056

14.612

cv

808

934

779

2981

766

795

1595

10.488

cp

1130

1164

1093

3814

1051

1118

2119

14.696

cv

833

976

804

3295

791

821

1658

10.572

cp

1160

1202

1114

4086

1076

1139

2186

14.779

cv

862

1013

825

3567

816

842

1725

10.655

cp

1181

1231

1135

4333

1089

1164

2257

14.947

cv

883

1043

846

3814

829

867

1796

10.823

cp

1202

1256

1156

4543

1101

1181

2328

15.114

cv

904

1068

867

4024

842

883

1867

10.990

cp

1218

1277

1168

4760

1114

1202

2395

15.324

cv

921

1089

879

4241

854

904

1934

11.200

cp

1231

1294

1185

4945

1122

1214

2458

15.533

cv

934

1105

896

4425

862

917

1997

11.409

# in °C

100

1072

.nach Tab. 21.5/

von idealen Gasen nach Justi und Lüder

. Tabelle 21.5 Mittlere spezifische Wärmekapazität zwischen 0 °C und # °C in

0

cm 0–2 #2  cm 0–1 #1 #2  #1 J J cm 0–2 D 1072 D 1009 kg K kg K cm 1–2 D

Lösung:

CO

CO2

Luft

CH4

J kg K

von idealen Gasen nach Justi und Lüder

O2

N2

H2 O

H2

cp

1038

817

1005

2156

913

1038

1855

14.235

cv

741

628

716

1637

653

741

1394

10.111

cp

1043

871

1009

2261

921

1043

1867

14.319

cv

745

682

720

1742

662

745

1407

10.195

cp

1047

917

1013

2453

934

1047

1888

14.403

cv

749

729

724

1934

674

749

1428

10.279

Kapitel 21  Grundbegriffe

508

. Tabelle 21.5 (Fortsetzung) # in °C 300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

1300

1400

1500

1600

1700

1800

21

1900

2000

CO

CO2

Luft

CH4

O2

N2

H2 O

H2

cp

1055

959

1022

2638

950

1051

1909

14.444

cv

758

770

733

2119

691

754

1449

10.320

cp

1063

988

1030

2809

967

1059

1938

14.474

cv

766

800

741

2290

708

762

1478

10.350

cp

1076

1022

1043

2956

980

1068

1972

14.499

cv

779

833

754

2437

720

770

1511

10.375

cp

1089

1051

1051

3148

992

1076

2001

14.528

cv

791

862

762

2629

733

779

1541

10.404

cp

1097

1072

1059

3303

1005

1084

2031

14.570

cv

800

883

770

2784

745

787

1570

10.446

cp

1110

1093

1072

3437

1017

1097

2068

14.654

cv

812

904

783

2918

758

800

1608

10.530

cp

1122

1114

1084

3571

1026

1105

2102

14.696

cv

825

925

795

3052

766

808

1641

10.572

cp

1130

1130

1093

3659

1034

1118

2135

14.738

cv

833

942

804

3140

775

821

1675

10.614

cp

1139

1147

1101

3883

1042

1130

2168

14.818

cv

841

959

812

3366

783

833

1708

10.695

cp

1151

1160

1109

3998

1051

1139

2198

14.902

cv

854

971

820

3479

791

841

1737

10.779

cp

1160

1172

1118

1059

1147

2227

14.986

cv

862

984

829

800

850

1766

10.863

cp

1168

1185

1126

1067

1155

2260

15.070

cv

871

996

837

808

858

1800

10.946

cp

1172

1197

1134

1072

1164

2286

15.153

cv

875

1009

846

812

867

1825

11.030

cp

1180

1206

1139

1076

1168

2315

15.237

cv

883

1017

850

816

871

1854

11.114

cp

1185

1214

1147

1080

1176

2344

15.321

cv

887

1026

858

820

879

1884

11.198

cp

1193

1222

1151

1088

1180

2369

15.446

cv

896

1034

862

829

883

1909

11.323

cp

1197

1231

1155

1097

1185

2394

15.530

cv

900

1042

867

837

887

1934

11.407

cp

1206

1235

1160

1101

1193

2420

15.614

cv

908

1047

871

841

896

1959

11.491

21

509 21.5  Wärmeausdehnung

21.5 21.5.1

Wärmeausdehnung Allgemeines

Führt man einem Stoff Energie in Form von Wärme und/oder Dissipationsarbeit (Reibungsarbeit, vgl. 7 Abschn. 22.5) zu, so dehnt er sich nach allen Seiten aus. Diese Volumenvergrößerung ist eine Folge der Vergrößerung des mittleren Abstandes der Stoffteilchen untereinander. Bei Abkühlung zeigt sich eine entsprechende Volumenabnahme. Die Größe der Wärmeausdehnung hängt von der Art des Stoffes ab. Feste Körper dehnen sich nur wenig, Flüssigkeiten dagegen etwas mehr aus. Eine sehr viel größere Ausdehnung zeigt sich bei den Gasen.

21.5.2

Wärmeausdehnung fester Körper

Da die Volumenvergrößerung fester Stoffe bei Erwärmung nur sehr gering ist, wird nur die bei lang gestreckten festen Körpern stärker in Erscheinung tretende Wärmedehnung in der Längsrichtung bestimmt. Die Längenzunahme wird als Längsausdehnung bezeichnet. Besitzt ein Körper bei der Temperatur #0 D 0 °C die Länge l0 , so zeigt sich bei Erwärmung auf die Temperatur # eine Längenzunahme l (. Abb. 21.6). Die in m gemessene Längenänderung eines Stabes von 1 m Länge (bei 0 °C) nach Erwärmung um 1 K D 1 °C bezeichnet man als Längenausdehnungskoeffizient ˛l . Damit ergibt sich die Längenzunahme nach Erwärmung l D l0 ˛l #

(21.18)

Länge nach Erwärmung (21.19)

m

˛l 1 1 Dı K C

(21.21)

Volumen nach Erwärmung V D V0 .1 C ˛v #/

(21.22)

Relative Volumenänderung V D ˛v # V0

V m3

˛v 1 1 Dı K C

# ı

C

(21.23)

Eine Beziehung zwischen dem Längenausdehnungskoeffizienten ˛l und dem Volumenausdehnungskoeffizienten ˛v kann aus der Betrachtung eines würfelförmigen Körpers nach . Abb. 21.7 hergeleitet werden. V D l3 ;

l D l0 C l

V D Œl0 C l0 ˛l #3 # ı

C

(21.20)

Die Volumenzunahme eines festen Körpers bei Erwärmung ergibt sich aus der Längenzunahme, die in Richtung der Länge, Breite und Höhe erfolgt. Besitzt ein Körper bei der Temperatur #0 D 0 °C das Volumen V 0 , so zeigt sich bei . Abb. 21.6 Längenzunahme eines festen Körpers nach Erwärmung

V D V0 ˛v #

V D Œl0 C l3

Relative Längenänderung l

Erwärmung auf die Temperatur # eine Volumenzunahme V (. Abb. 21.7). Die in m3 gemessene Volumenänderung eines Körpers von 1 m3 Rauminhalt (bei 0 °C) nach Erwärmung um 1 K D 1 °C bezeichnet man als Volumenausdehnungskoeffizient ˛v . Damit ergibt sich: Volumenzunahme nach Erwärmung

V0 D l03

l D l0 .1 C ˛l #/

l D ˛l # l0

. Abb. 21.7 Volumenzunahme eines festen Körpers (Würfel) nach Erwärmung

V D Œl0 .1 C ˛l #/3 V D l03 .1 C ˛l #/3 V D V0 .1 C 3˛l # C 3˛12 # 2 C ˛13 # 3 / Da ˛l sehr klein ist, können die Potenzen von ˛l vernachlässigt werden. V  V0 .1 C 3˛l #/ Setzt man 3˛l  ˛v so folgt daraus V D V0 .1 C ˛v #/; wie (21.22).

Kapitel 21  Grundbegriffe

510

Bei festen Körpern (˛l und ˛v gering) wird mit folgenden Näherungsgleichungen gerechnet: Längenzunahme nach Erwärmung l  l1 ˛l .#2  #1 /

(21.24)

Aluminium

23;5  106

Bakelit

21;9  106

Blei

29;2  106

#

Chromstahl

11;0  106

ı

Glas

Länge nach Erwärmung l2  l1 Œ1 C ˛l .#2  #1 / l

˛l

m

1 1 Dı K C

(21.25)

C

Gold

Volumenzunahme nach Erwärmung V  V1 ˛v .#2  #1 /

(21.26)

Volumen nach Erwärmung

˛v

m3

1 1 Dı K C

14;2  106

Gusseisen

9,0–12;0  106

Jenaer Glas

4;4  106 10,5–13;0  106

Stahl, austenitisch

16,0–17;0  106

#

Kupfer

16;5  106

ı

Magnesium

26;0  106

Messing

17,5–19;1  106

Nickel

14;1  106

Platin

8;9  106

(21.27)

C

Die Längenausdehnungskoeffizienten der einzelnen festen Stoffe sind von der Temperatur abhängig. Im unteren Temperaturbereich zwischen 0 °C und 100 °C kann ihre Größe praktisch als konstant angesehen werden (. Tab. 21.6).

Polyvinylchlorid (PVC)

70–100  106

7 Beispiel

Polyethylen (PE)

150–250  106

Die Länge der Aluminiumdrähte zwischen zwei Masten einer Hochspannungsleitung beträgt 110 m bei einer Temperatur von 20 °C. Wie lang sind die Leitungsdrähte bei den Temperaturen C35 °C und 35 °C (˛l D 23;5  106 K1 D 23;5  106 ı1C )?

Quarzglas

0,5–0;6  106

Wolfram

4;5  106

Lösung: a) l2 bei einer Temperatur von C35 °C l2  l1 Œ1 C ˛l .#2  #1 /   1 l2  110 m 1 C 23;5  106 ı .C35  20/ ı C C l2  110;039 m b) l2 bei einer Temperatur von 35 °C l2  l1 Œ1 C ˛l .#2  #1 /   6 1 ı l2  110 m 1 C 23;5  10 ı .35  20/ C C l2  109;858 m 9

21

3,5–9;0  106

Stahl, ferritisch

V2  V1 Œ1 C ˛v .#2  #1 / V

. Tabelle 21.6 Längenausdehnungskoeffizient ˛l fester Stoffe 1 1 zwischen 0 und 100 °C in D ı (VolumenausdehnungskoeffiziK C ent ˛v  3˛l )

21.5.3

Wärmeausdehnung von Flüssigkeiten

Flüssigkeiten dehnen sich im Allgemeinen bei Erwärmung stärker aus als feste Körper. Der Volumenausdehnungskoeffizient (vgl. . Tab. 21.7) ist nicht in allen Temperaturbereichen konstant. Er wird um so größer, je mehr sich die Temperatur dem Siedepunkt der Flüssigkeit nähert. In

Zinn

23;0  106

Zinnbronze

16,8–18;8  106

Zink

30;1  106

. Tabelle 21.7 Volumenausdehnungskoeffizient ˛v von Flüssig1 1 D ı K C

keiten bei 18 °C in Äthylalkohol

11;0  104

Äthyläther

16;3  104

Benzol

12;4  104

Glyzerin

5;0  104

Olivenöl

7;2  104

Quecksilber

1;8  104

Schwefelsäure

5;6  104

Wasser

1;8  104

den unteren Temperaturbereichen kann die Größe von ˛v praktisch als konstant angesehen werden. Eine besonders gleichmäßige Ausdehnung zeigt das Quecksilber. Eine Ausnahme bildet das Wasser (Anomalie des Wassers). Es besitzt bei C4 °C sein kleinstes spezifisches

21

511 21.6  Aggregatzustände

Volumen (größte Dichte) und dehnt sich hier sowohl bei Erwärmung als auch bei Abkühlung aus. Die Wärmedehnung verläuft hier sehr ungleichmäßig. Die Berechnung der Volumenänderung bzw. des Volumens erfolgt nach den Gleichungen (21.21), (21.22), (21.23) oder auch nach den Näherungsgleichungen (21.26) und (21.27). Reicht die Genauigkeit der Näherungsrechnung nicht aus, so kann die Wärmedehnung für eine beliebige Temperaturdifferenz #2  #1 im unteren Temperaturbereich (˛v D konst.) aus dem Verhältnis V 2 =V1 mit V 2 D V0 .1 C ˛v #2 / und V 1 D V0 .1 C ˛v #1 / hergeleitet werden. Es ergibt sich die Volumenzunahme nach Erwärmung ˛v .#2  #1 / V D V1 1 C ˛v #1

1 C ˛v #2 1 C ˛v #1

Gesetz von Gay-Lussac (bei p D konst.) V

V1 T1 D V2 T2

m

T

3

(21.30)

K

Bei gleich bleibendem Druck verhalten sich die Gasvolumen wie ihre thermodynamischen Temperaturen. Volumenzunahme nach Erwärmung

V m

3

˛v 1 1 Dı K C

# ı

C

(21.29)

7 Beispiel 5000 l Benzol werden bei einer Temperatur von C8 °C abgefüllt. Wie groß ist der Rauminhalt des Benzols bei 25 °C (˛v D 12;4  104 K1 D 12;4  104 ı1C )?

V D

V0 .T2  T1 / 273

V D

V1 .T2  T1 / T1

V2  V1 Œ1 C ˛v .#2  #1 /   3 4 1 ı V2  5 m 1 C 12;4  10 ı .25  8/ C D 5;105 m3 9 C

Wärmeausdehnung von Gasen

Die Wärmeausdehnung ist bei Gasen bedeutend größer als bei Flüssigkeiten und festen Stoffen. Die Volumenausdehnungskoeffizienten sind bei konstantem Druck für alle schwach realen Gase mit annähernd idealem Verhalten annähernd gleich. Ideale Gase dehnen sich bei Erwärmung um 1 °C (bei gleich bleibendem, aber beliebig hohem Druck) um 1=273,15 des Volumens aus, das sie bei 0 °C einnehmen (V 0 ). Die Berechnung der Volumenänderung erfolgt nach den Gleichungen (21.21), (21.22) und (21.23). Aus (21.22) ergibt sich (˛v hier auf ˛v D 1=273 gerundet) das Gesetz von Gay-Lussac. 1 Herleitung

V0 D Gasvolumen bei 0 C V1 ; V2 D Gasvolumen bei #1 und #2

V 3

m

T K

(21.31)

Volumen nach Erwärmung V2 D V1

Lösung:

21.5.4

V2 D V0 .1 C ˛v #2 /   #2 V2 D V0 1 C 273 273 C #2 V2 D V0 273 V0 T2 V2 D 273

(21.28)

und das Volumen nach Erwärmung V2 D V1

V1 D V0 .1 C ˛v #1 /   #1 V1 D V0 1 C 273 273 C #1 V1 D V0 273 V0 T1 V1 D 273 V1 V0 T1 273 T1 D D V2 273 V0 T2 T2

V

T2 T1

m

T

3

(21.32)

K

Während bei gleich bleibendem Gasdruck die Gasvolumen den thermodynamischen Temperaturen direkt proportional sind, besteht bei gleich gehaltener Temperatur umgekehrte Proportionalität zwischen dem Volumen und dem Gasdruck. Gesetz von Boyle und Mariotte (bei # D konst.) p2 V1 D V2 p1

21.6 21.6.1

V

p

m3

Pa D

N m2

(21.33)

Aggregatzustände Allgemeines

Die unterschiedlichen äußeren Erscheinungsformen der Stoffe (fest, flüssig oder gasförmig) bezeichnet man als Aggregatzustände (Phasen). Der jeweils vorliegende Aggregatzustand wird von der Größe der stoffabhängigen internen Bindungskräfte (Kohäsionskräfte) bestimmt. Auch Temperatur und Druck sind von Einfluss. Wird einem Stoff Wärme zugeführt oder entzogen oder Dissipationsarbeit (Reibungsarbeit) zugeführt, so wird die Intensität der Wärmebewegung der Stoffteilchen (Moleküle bzw. Atome) verändert.

512

Kapitel 21  Grundbegriffe

Bei ständiger Zufuhr von Wärme oder Dissipationsarbeit wird ein fester Stoffverband schließlich so weit aufgelockert, dass die Stoffteilchen in den Bewegungsbereich benachbarter Teilchen überwechseln, ohne sich jedoch aus dem Gesamtverband ganz herauslösen zu können. Der Stoffzusammenhang ist gelockert, und die Stoffteilchen sind in ihrer gegenseitigen Lage ungeordnet. Der feste Stoff ist geschmolzen, d. h. er befindet sich im flüssigen Aggregatzustand. Bei weiterer Zufuhr von Wärme oder Dissipationsarbeit wird die Bewegungsenergie der Stoffteilchen so groß, dass die stoffinternen Bindungskräfte überwunden werden und die nunmehr frei beweglichen Teilchen sich aus dem Stoffverband herauslösen. Der Stoff befindet sich im gasförmigen Aggregatzustand. Die Änderung des Aggregatzustandes ist ein umkehrbarer Vorgang. Die Unterscheidung zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatzuständen ist nicht immer streng durchführbar. Bei Stoffgemischen und amorphen (nicht kristallisierenden) Stoffen treten Übergangsformen zwischen festen und flüssigen Zuständen auf.

. Tabelle 21.8 Schmelzpunkt (Schmelztemperatur) fester reiner Stoffe bei einem Druck von 1,013 bar in Grad Celsius (°C) Aluminium

658

Kupfer

Blei

327

Magnesium

1765

Mangan

1260

Diamant

3500

Messing

900

Eisen (rein)

1528

Platin

1770

625

Silber

960

Elektron Gold

1063

Wolfram

3350

Graphit

3600

Zink

419

Iridium

2455

Zinn

232

. Tabelle 21.9 Erstarrungspunkt (Erstarrungstemperatur) flüssiger reiner Stoffe bei einem Druck von 1,013 bar in Grad Celsius (°C) Benzin

150

Benzol

5,5 19

Meerwasser

2;5

Quecksilber

38;5

Wasser

0

Schmelzen und Erstarren

Ein Stoff schmilzt, wenn er unter ständiger Zufuhr von Wärme oder Dissipationsarbeit (Reibungsarbeit) vom festen in den flüssigen Aggregatzustand übergeht. Läuft der Vorgang umgekehrt unter Wärmeabgabe ab, so spricht man vom Erstarren einer Flüssigkeit. Chemisch reine Stoffe und Stoffgemische mit eutektischem Mischungsverhältnis schmelzen bei einer bestimmten, von der Stoffart abhängenden Temperatur, dem Schmelzpunkt des Stoffes (. Tab. 21.8 und 21.9). Diese Schmelztemperatur ändert sich während des Schmelzvorganges eines reinen Stoffes nicht (. Abb. 21.8). Bei nichteutektischen Stoffgemischen erfolgt das Schmelzen innerhalb eines Temperaturbereiches. Die dem Stoff während des Schmelzens zuzuführende Wärme wird als Schmelzwärme (Schmelzenthalpie) bezeichnet. Die spezifische Schmelzwärme qs gibt die Wärme in J an, die nötig ist, um 1 kg Stoff bei der jeweiligen Schmelztemperatur zu schmelzen (. Tab. 21.10). Die Schmelzwärme wird beim Erstarren der Schmelze wieder frei (Erstarrungswärme, Erstarrungsenthalpie). Der Schmelzvorgang ist im Allgemeinen mit einer Volumenzunahme verbunden. Die Dichte  der Schmelze ist

21

655

Chrom

Glyzerin

21.6.2

1084

. Abb. 21.8 Verlauf der Schmelzkurve eines festen reinen Stoffes

. Tabelle 21.10 Spezifische Schmelzwärme qs bei einem Druck von 1,013 bar in J=kg Aluminium

3;94  105

Nickel

2;34  105

Blei

0;23  105

Platin

1;00  105

Wassereis

3;35  105

Stahl

2;51  105

Gusseisen

0;96  105

Titan

0;88  105

Kupfer

1;72  105

Zink

1;05  105

Magnesium

1;97  105

Zinn

0;59  105

geringer als die des festen Stoffes. Eine Ausnahme bildet das Wasser, das im erstarrten (gefrorenen) Zustand einen größeren Raum einnimmt („Anomalie des Wassers“). Der Schmelzpunkt steigt mit zunehmendem Druck, wenn der Schmelzvorgang unter Volumenzunahme abläuft. Der Schmelzpunkt des Wassereises sinkt bei größer werdendem Außendruck. 7 Beispiel Welche Wärme Q ist erforderlich, um 15 kg Blei von # D 20 °C bei einem umgebenden Luftdruck von 1,013 bar zu schmelzen? Lösung: Das zu schmelzende Metall muss zunächst von der Raumtemperatur # D 20 °C auf die Schmelztemperatur #s D 327 °C erwärmt werden. Die dabei zuzuführende Wärme Q1 beträgt mit Q1 D m c .#s  #/

21

513 21.6  Aggregatzustände

und c D 130 J=kg K D 130 J=.kg ı C/ J Q1 D 15 kg  130 ı .327  20/ ı C D 599:000 J: kg C

. Tabelle 21.11 Siede- und Kondensationspunkte reiner Stoffe bei einem Druck von 1,013 bar in Grad Celsius (°C) Alkohol

78

Mangan

1900

Benzin

95

Methan

164

Nach Zufuhr dieser Wärme liegt festes Blei von 327 °C vor. Um das Metall bei gleich bleibender Temperatur vollständig in den flüssigen Zustand zu überführen, müssen jedem kg Blei 0;23  105 J (spezifische Schmelzwärme) zugeführt werden. Damit ergibt sich mit

Benzol

80

Quecksilber

Q D Q1 C m qs

Gold

Blei

1525

Sauerstoff

183

Eisen (rein)

2500

Silber

2000

Stickstoff

196

Glyzerin

J kg

die Gesamtwärme Q D 599:000 J C 15 kg  0;23  105

21.6.3

J D 944:000 J : 9 kg

Sieden und Verflüssigen

Eine Flüssigkeit siedet, wenn sie bei ständiger Wärmezufuhr oder Zufuhr von Dissipationsarbeit (Reibungsarbeit) unter Bildung von Dampfblasen in den gasförmigen Aggregatzustand übergeht. Läuft der Vorgang umgekehrt unter Wärmeabgabe ab, so spricht man von einer Kondensation. Den unmittelbaren Übergang vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand bezeichnet man als Sublimation. Das Sieden einer reinen Flüssigkeit erfolgt bei einer bestimmten, von der Stoffart abhängenden Temperatur, dem Siedepunkt des Stoffes (. Tab. 21.11). Diese Siedetemperatur ändert sich während des Siedevorganges eines reinen Stoffes nicht. Die dem Stoff während des Siedens zuzuführende Wärme wird als Verdampfungswärme (Verdampfungsenthalpie) bezeichnet. Die spezifische Verdampfungswärme (spezifische Verdampfungsenthalpie) qv (bei Wasser auch r) gibt die Wärme in J an, die nötig ist, um 1 kg reinen Stoff bei der jeweiligen Siedetemperatur in den gasförmigen Zustand zu überführen (. Tab. 21.12). Die Verdampfungswärme wird beim Kondensieren wieder frei (Kondensationswärme, Kondensationsenthalpie). Das Verdampfen einer Flüssigkeit ist mit einer starken Volumenzunahme verbunden. Die Bildung von Dampfblasen erfordert daher eine Überwindung des umgebenden Flüssigkeitsdruckes. Der Siedepunkt ist also druckabhängig und steigt (sinkt) mit zunehmendem (abnehmendem) Umgebungsdruck. Ein langsamer Übergang einer Komponente vom flüssigen in den gasförmigen Zustand erfolgt innerhalb eines Stoffgemischs auch bereits unterhalb der Siedetempera-

290 2650

Wasser

100

Helium

269

Wasserstoff

Kohlenmonoxid

190

Zink

915

Kupfer

2310

Zinn

2200

Magnesium

1100

und qs D 0;23  105

357

253

. Tabelle 21.12 Spezifische Verdampfungs- und Kondensationswärme qv bei einem Druck von 1,013 bar in J=kg Alkohol

8;79  105

Äther

3;77  105

Benzol

4;40  105

Quecksilber

2;85  105

schweflige Säure

3;98  105

Sauerstoff

2;14  105

Stickstoff

2;01  105

Wasser Wasserstoff

22;57  105 5;02  105

tur durch Verdunstung. Das Verdunsten vollzieht sich nur an der Oberfläche der Flüssigkeit. Die dabei erforderliche Energie wird der Flüssigkeit entzogen (Verdunstungskälte). (Ein Beispiel ist das Verdunsten von flüssigem Wasser an der Luft.) Kann eine Flüssigkeit über den Siedepunkt hinaus erwärmt werden, ohne zu verdampfen, so liegt ein Siedeverzug vor. Das Sieden erfolgt dann nach einer gewissen Verzögerung schlagartig unter starker Dampfbildung (Gefahr für Kesselanlagen). 7 Beispiel 9 m3 flüssiges Wasser von 15 °C sollen bei einem Druck von 1,013 bar in Wasserdampf von 100 °C übergeführt werden. Als Brennstoff soll Braunkohle mit einem spezifischen Heizwert H u D 188  105 J=kg verwendet werden. Wieviel kg Brennstoff sind nötig, wenn die auftretenden Wärmeverluste unberücksichtigt bleiben? Lösung: Das Wasser muss zunächst von der Raumtemperatur # D 15 °C auf die Siedetemperatur #s D 100 °C erwärmt

514

Kapitel 21  Grundbegriffe

werden. Die dabei zuzuführende Wärme Q1 beträgt: Q1 D m c .#s  #/I

m D 9000 kgI J J D 4187 ı c D 4187 kg K kg C J Q1 D 9000 kg  4187 ı .100  15/ ı C D 32:000  105 J kg C

Nach Zufuhr dieser Wärme liegt flüssiges Wasser von 100 °C vor. Um dieses Wasser bei gleich bleibender Temperatur vollständig in den gasförmigen Zustand zu überführen, müssen jedem kg Wasser qv D 22;6  105 J=kg .spezifische Verdampfungswärme/ zugeführt werden. Damit ergibt sich folgende Gesamtwärme: Q D Q1 C m qv I

qv D 22;6  105

J kg

Q D 32:000 105 J C 9000 kg  22;6 105

21

J D 235:000 105 J kg

Die erforderliche Brennstoffmenge mb beträgt: Q J I Hu D 188  105 Hu kg 235:000  105 J mb D D 1250 kg Braunkohle 9 188  105 kgJ

mb D

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Baehr, H.D., Kabelac S.: Thermodynamik. Springer, Berlin (2016) 2. Cerbe, G., Wilhelms, G.: Technische Thermodynamik. Hanser Fachbuchverlag, München (2016) 3. Dehli, M., Doering, E., Schedwill, H.: Grundlagen der Technischen Thermodynamik. Springer Vieweg, Wiesbaden (2020) 4. Geller, W.: Thermodynamik für Maschinenbauer. Springer, Berlin (2006) 5. Langeheinecke, K., Thieleke, G., Langeheinecke, K., Kaufmann, A.: Thermodynamik für Ingenieure. Springer Vieweg, Wiesbaden (2020) 6. Windisch, H.: Thermodynamik. Oldenbourg, München (2017)

22

515

Energien und Prozesse Martin Dehli

22.1

Thermodynamisches System

Stoffe oder stoffdurchflossene Räume als Objekte thermodynamischer Untersuchungen werden als thermodynamische Systeme bezeichnet. Ein solches System wird durch eine fest stehende oder bewegliche Systemgrenze von seiner Umgebung (Umfeld außerhalb des Systems oder benachbartes System) getrennt. Wechselwirkungen zwischen System und Umgebung sind über die Systemgrenze hinweg als Stoffübertragung und Energieübertragung (Wärme, Arbeit) grundsätzlich möglich (. Abb. 22.1). Flüssige und gasförmige Stoffe (Fluide) bilden die wichtigsten thermodynamischen Systeme. Geschlossene Systeme besitzen eine stoffundurchlässige (stoffdichte) Systemgrenze (z. B. eingeschlossenes Gas). Offene Systeme (nach L. Prandtl auch: Kontrollraum) haben dagegen eine stoffdurchlässige Systemgrenze (z. B. durchströmter Raum). Bei beiden Systemarten ist über die Systemgrenze hinweg eine Energieübertragung als verrichtete Arbeit und als übertragene Wärme möglich. Sind Energie- und Stoffübertragung mit der Umgebung nicht durchführbar, so liegt ein isoliertes oder abgeschlossenes System vor. Adiabate Systeme besitzen eine wärmeundurchlässige (wärmedichte) Systemgrenze. Bei dieser thermisch isolierten Systemart ist eine Wärmeübertragung mit der Umgebung ausgeschlossen. Nicht adiabate Systeme können praktisch als adiabat angesehen werden, wenn bei sehr schnell ablaufenden Vorgängen (z. B. in schnell laufenden Wärmekraftmaschinen) trotz eines wirksamen Temperaturgefälles und einer wärmedurchlässigen Systemgrenze eine

nennenswerte Wärmeübertragung wegen der extrem kurzen Übertragungszeit nicht stattfinden kann. Systembezogene thermodynamische Untersuchungen beziehen sich beispielsweise auf ruhende Systeme. Kinetische und potenzielle Energie sind als Teil der Gesamtenergie des Systems dann gleich null.

22.2

Innere Energie

Jedes thermodynamische System besitzt die Energie E, die sich aus folgenden Energieanteilen zusammensetzt: innere Energie U als die Gesamtheit aller mikroskopischen kinetischen und potenziellen Energien aus der Wärmebewegung der Elementarteilchen des Systems (Molekularbewegung) sowie makroskopische kinetische Energie Ek und potenzielle Energie Ep aus makroskopischen Bewegungen des Systems im Schwerefeld der Erde. Ohne chemische und nukleare Energieanteile gilt: E D U C Ek C Ep Für ruhende Systeme ist Ek D Ep D 0 (Null). Im Bereich (ruhender) geschlossener Systeme ist E D U. Dieser Energiebestand ist die (thermische) innere Energie U des Systems. Der Betrag der inneren Energie U hat keine praktische Bedeutung. Wärmetechnisch wichtig ist die Berechnung der Änderung der inneren Energie U (Zu- oder Abnahme) im Verlauf von Zustandsänderungen im System. Für den willkürlich gewählten Bezugspunkt U D 0 bei 0 °C gilt für ein ideales Gas als Systemfüllung: U D m cv #

U1 D m cv #1

U2 D m cv #2

U D U2  U1 D m cv #2  m cv #1 U D m cv .#2  #1 / U D U2  U1 D m cv .T2  T1 /

. Abb. 22.1 Thermodynamisches System (geschlossen)

U

m

J

kg

c J kg K

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_22

T K

(22.1)

Kapitel 22  Energien und Prozesse

516

oder massenbezogen die Änderung der spezifischen inneren Energie u: u D u2  u1 D cv .T2  T1 / u J kg

c J kg K

(22.2)

T

22.4

Wärme

Eine Möglichkeit der Energieübertragung zwischen System und Umgebung (auch zwischen benachbarten Systemen) ist die Übertragung von Wärme über eine wärmedurchlässige (diatherme) Systemgrenze hinweg. Die Wärmeübertragung erfordert einen Temperaturunterschied zwischen System und Umgebung. Sie erfolgt dann von selbst ohne Einwirkung eines äußeren Zwanges stets in Richtung des vorhandenen Temperaturgefälles. Die Wärme Q in J (Joule) ist die reversibel übergehende Wärmeenergie beim Überschreiten der Systemgrenze. Nach erfolgtem Übergang ist die z. B. zugeführte Energie ein Teil der inneren Energie des Systems. Zugeführte Wärme erhält ein positives (C), abgeführte Wärme ein negatives () Vorzeichen (Vorzeichenkonvention nach DIN 1345). Die massenbezogene Wärme ist die spezifische Wärme q in J=kg. Sie ist unabhängig von der Masse des Systems:

qD

22

Q m

q J kg

Arbeit

K

Die innere Energie U eines geschlossenen Systems kann nur durch Energieübertragung in Form von Wärme oder Arbeit (auch Dissipationsarbeit) über die Systemgrenze hinweg geändert werden. Im Bereich (ruhender) offener Systeme erfolgt zusätzlich eine Energieübertragung durch Stofffluss über die Systemgrenze hinweg. An die Stelle der inneren Energie tritt dann die Enthalpie. 22.3

bewirkt nach erfolgter Reizaufnahme durch wärmeempfindliche Rezeptoren der Haut (Thermorezeptoren) eine subjektive Wärmeempfindung (Wärmesinn).

Q J

m kg

(22.3)

Wird auf ein geschlossenes System durch Verrichtung von Arbeit am System (zugeführte Arbeit) Dissipationsenergie (Reibungsarbeit) übertragen, so verhält sich dieser Energiezuwachs grundsätzlich wie eine zugeführte Wärme. Er erhöht die innere Energie des Systems. Die Dissipation ist jedoch nicht umkehrbar (irreversibel). Dissipationsenergie kann dem System nur zugeführt werden und erhält somit stets ein positives Vorzeichen. Nach der kinetischen Wärmetheorie (Rudolf Clausius, 1822–1888) ist Wärme aus physikalischer Sicht die Veränderung der Bewegungsenergie (kinetische Energie) der Elementarteilchen (Moleküle bzw. Atome) eines Stoffes. Diese Veränderung ist physiologisch wahrnehmbar. Sie

Eine Möglichkeit der Energieübertragung zwischen System und Umgebung ist die Verrichtung von Arbeit über die (z. B. bewegliche) Systemgrenze hinweg. Zugeführte Arbeit wird am System, abgegebene Arbeit dagegen vom System verrichtet. Zugeführte Arbeit erhält ein positives (C), abgeführte Arbeit ein negatives () Vorzeichen (Vorzeichenkonvention nach DIN 1345). Im Bereich (ruhender) geschlossener Systeme (z. B. eingeschlossenes Gas) wird die Volumenänderungsarbeit W v verrichtet. Sie wird dem System über eine verschiebbare Systemgrenze (z. B. Arbeitskolben) als Kompressionsarbeit zugeführt oder vom System als Expansionsarbeit abgegeben. Damit ist allgemein auch eine Änderung von Druck p und Temperatur T verbunden. Unter Vernachlässigung dissipativer Wirkungen (Reibung) ergibt sich die Volumenänderungsarbeit bei reversiblem (umkehrbarem) Prozessverlauf von 1 nach 2: Z2 Wv D 

W p  dV

J

1

p N m2

V m3

(22.4)

oder massenbezogen die spezifische Volumenänderungsarbeit wv in J=kg Z2 wv D 

p  dv : 1

w J kg

p N m2

v m3 kg

(22.5)

Das negative Vorzeichen () berücksichtigt die Vorzeichenkonvention: Kompression, d. h. dv negativ D wv positiv Expansion, d. h. dv positiv D wv negativ Die spezifische Volumenänderungsarbeit erscheint im p; v-Diagramm (Zustandsdiagramm) als senkrecht schraffierte Fläche zwischen Abszisse (v-Achse) und p; v-Linie (. Abb. 22.2). Wird einem adiabaten geschlossenen System spezifische Volumenänderungsarbeit zugeführt (bzw. entzogen), so nimmt die spezifische innere Energie u entsprechend zu (bzw. ab). Ohne Dissipation gilt: wv D u2  u1 Im Bereich (ruhender) offener Systeme (z. B. stoffdurchströmter Raum) wird die technische Arbeit (Druckänderungsarbeit) W t verrichtet. Ein solches System liegt z. B.

22

517 22.4  Arbeit

. Abb. 22.2 Spezifische Volumenänderungsarbeit wv bei Expansion von 1 nach 2

dann vor, wenn eine Wärmekraftmaschine bei stetiger Arbeitsabgabe von einem stofflichen Arbeitsmittel (z. B. Gas) durchflossen wird. Die technische Arbeit berücksichtigt bei Arbeitsabgabe (hier angenommen) neben der vom System verrichteten Volumenänderungsarbeit W v (D U2  U1 ) zusätzlich die Verschiebearbeit bei p D konstant, die als Einschubarbeit p1 V1 beim Einschieben des Stoffes vom System aufgenommen und als Ausschubarbeit p2 V2 beim Ausschieben des Stoffes vom System abgegeben wird. Unter Vernachlässigung dissipativer Wirkungen und ohne Änderung der kinetischen und potenziellen Energie des strömenden Fluids ergibt sich die technische Arbeit bei reversiblem (umkehrbarem) Prozessverlauf von 1 nach 2: Z2 Wt D

V  dp

W

V

J

m3

1

p N m2

(22.6)

oder massenbezogen die spezifische technische Arbeit (spezifische Druckänderungsarbeit) wt in J=kg Z2 wt D

v  dp : 1

w J kg

v m3 kg

p N m2

(22.7)

Die spezifische technische Arbeit erscheint im p; v-Diagramm (Zustandsdiagramm) als waagerecht schraffierte Fläche zwischen Ordinate (p-Achse) und p; v-Linie (. Abb. 22.3). Für die vom adiabaten System verrichtete reversible technische Arbeit (spezifisch) gilt auch (. Abb. 22.3): p1 v1  wv  p2 v2 D wt p1 v1  .u2  u1 /  p2 v2 D wt p1 v1  u2 C u1  p2 v2 D wt u1 C p1 v1  u2  p2 v2 D wt .u1 C p1 v1 /  .u2 C p2 v2 / D wt wt D .u2 C p2 v2 /  .u1 C p1 v1 /

. Abb. 22.3 Spezifische technische Arbeit wt bei Expansion von 1 nach 2

Die Klammerausdrücke werden zusammengefasst zur spezifischen Enthalpie h in J=kg: h J kg

h D u C pv

u J kg

p N m2

v m3 kg

(22.8)

Für die Masse m ergibt sich die Enthalpie H in J: H D U C p V D m.u C pv/ H U J

J

p N m2

(22.9)

V m3

Der Betrag der Enthalpie H hat keine praktische Bedeutung. Wärmetechnisch wichtig ist die Berechnung der Änderung der Enthalpie H (Zu- oder Abnahme) im Verlauf einer Zustandsänderung im System. Für den willkürlich gewählten Bezugspunkt H D 0 bei 0 °C gilt für ein ideales Gas: H D H2  H1 H D U2 C p2 V2  U1  p1 V1 Mit (22.1) des 7 Abschn. 22.2 U D mcv # und mit der Zustandsgleichung eines idealen Gases (vgl. 7 Abschn. 23.1, (23.2) pV D mRT ) wird H D m cv #2 C m Ri T2  m cv #1  m Ri T1 H D m cv .#2  #1 / C m Ri .T2  T1 / H D m cv .T2  T1 / C m Ri .T2  T1 / H D m.cv C Ri /.T2  T1 / Für ein ideales Gas gilt: cp D cv C R Daraus wird: H D m cp .T2  T1 /

H

m

J

kg

c J kg K

T K

(22.10)

Kapitel 22  Energien und Prozesse

518

Gibt ein adiabates offenes System ohne Dissipation (Q D 0, isentrope Zustandsänderung) technische Arbeit ab, so nimmt die Enthalpie H des Systems entsprechend ab. Dabei gilt für ein ideales Gas: Wt D H2  H1 D m cp .T2  T1 / W H

m

J

kg

J

c J kg K

(22.11)

T K

Wird die von einem offenen System abgegebene technische Arbeit durch die Zeit dividiert, in der diese Arbeit die Systemgrenze überschreitet, so ergibt sich die abgegebene Leistung.

22.6

Erster Hauptsatz

Jedes thermodynamische System besitzt Energie. Dieser Energiebestand kann nur durch einen Energieübergang in Form vom Wärme oder Arbeit (auch Dissipationsarbeit) über die Systemgrenze hinweg verändert werden. Dabei wird Energie weder erzeugt noch vernichtet (Energieerhaltungssatz). Der Erste Hauptsatz stellt als Erfahrungssatz (Axiom) Wärme, Arbeit und innere Energie jeweils als Energieformen und damit als gleichartige physikalische Größen mit der Energieeinheit J (Joule, 1 J D 1 N m D 1 W s) dar. Dabei sind unterschiedliche Formulierungen üblich. 7 Beispiele

22.5

Dissipationsenergie

Wird der kompressiblen Füllung eines geschlossenen Systems (z. B. eingeschlossenes Gas) über eine verschiebbare Systemgrenze (z. B. durch Arbeitskolben) Arbeit zugeführt, so dient diese Energie sowohl der reversiblen Volumenänderung (Kompression) des eingeschlossenen Gases als auch der Überwindung von Widerständen (vorwiegend Reibung) beim Zusammendrücken der fluiden Systemfüllung. Dieser Energieanteil überschreitet die Systemgrenze neben der reversiblen Volumenänderungsarbeit W v als irreversible Dissipationsarbeit W d und wird erst im System dissipiert (zerstreut). Die Dissipationsenergie (Streuenergie) ist wirkungsgleich mit reversibel zugeführter Wärme Q und Volumenänderungsarbeit W v : Auch sie erhöht die innere Energie U des geschlossenen Systems. U D U2  U1 D Q C Wv C Wd

(22.12)

Dissipationsarbeit kann dem System nur zugeführt werden, sie erhält daher stets ein positives Vorzeichen. Bei offenen Systemen steht anstatt der inneren Energie die Enthalpie H und anstatt der (reversiblen) Volumenänderungsarbeit die (reversible) technische Arbeit W t . Ohne Änderung der kinetischen und potenziellen Energie des durchströmenden Fluids gilt sinngemäß H D H2  H1 D Q C Wt C Wd

22

(22.13)

Dissipationsvorgänge sind kennzeichnende Merkmale irreversibler (nicht umkehrbarer) Prozesse. Bei wärmetechnischen Betrachtungen ist die Vernachlässigung dissipativer Einflüsse vielfach üblich. Sie ermöglicht eine vereinfachte theoretische Behandlung idealisierter (reversibler) Abläufe (ohne Dissipation, W d D 0). U D U2  U1 D Q C Wv

geschlossenes System

H D H2  H1 D Q C Wt

offenes System (22.15)

(22.14)

Wärme ist eine Energieform. Bei geschlossenem System ergibt zu- oder abgeführte Wärme und Arbeit eine äquivalente Änderung (Zu- oder Abnahme) der inneren Energie des Systems. In einer Bilanzgleichung (Energiebilanz) werden Wärme Q, Arbeit W v (bzw. W t ) und innere Energie U (bzw. Enthalpie H) miteinander verknüpft. Für einen reversiblen Energieübergang (ohne Dissipation) gilt: Geschlossene Systeme Q C Wv D U2  U1 D U offene Systeme (vereinfacht) Q C Wt D H2  H1 D H Die Umwandlung von Energie in andere Energieformen ist nicht immer uneingeschränkt möglich. So sind Wärme und innere Energie (bzw. Enthalpie) nicht vollständig in mechanische oder elektrische Energie umwandelbar (siehe 2. Hauptsatz). 9

22.7

Kreisprozesse

Wird einem thermodynamischen System Energie (Wärme, Arbeit) zugeführt oder entzogen, so ändert sich der physikalische Zustand des Systems. Solche Zustandsänderungen sind Merkmale thermodynamischer Prozesse. Sie werden in Zustandsdiagrammen (z. B. im p; V -Diagramm) graphisch dargestellt. Die Aufeinanderfolge mehrerer Zustandsänderungen derart, dass das System am Ende des gesamten Ablaufs seinen physikalischen Ausgangszustand wieder erreicht, ergibt einen Kreisprozess. Durch geeignete Prozessgestaltung kann dabei Wärme in Arbeit (Wärmekraftmaschinen) oder Arbeit in Wärme (Kältemaschinen, Wärmepumpen) umgewandelt werden. 7 Beispiel Ein reversibler Kreisprozess im geschlossenen System (Wärmekraftmaschine) besteht aus zwei Zustandsänderungen

22

519 22.9  Zweiter Hauptsatz

Werden zugeführte Wärme mit Qzu und abgeführte Wärme mit Qab bezeichnet, so gilt: th D

jW j Qzu  jQab j D Qzu Qzu

th D 1 

. Abb. 22.4 Rechtsläufiger Kreisprozess (reversibel) mit zwei Zustandsänderungen (geschlossenes System)

(. Abb. 22.4). Unter Zufuhr der Wärme CQ1–2 expandiert die Systemfüllung und gibt dabei die Volumenänderungsarbeit jWv1–2 j ab. In einer anschließenden Kompression wird dem System die Volumenänderungsarbeit CWv2–1 zugeführt und dabei die Wärme jQ2–1 j entzogen. Nach dem 1. Hauptsatz gilt: CQ1–2  jWv1–2 j D U2  U1 jQ2–1 j C Wv2–1 D U1  U2 CQ1–2  jQ2–1 j D .U2  U1 / C .U1  U2 / C jWv1–2 j  Wv2–1 CQ1–2  jQ2–1 j D CjWv1–2 j  Wv2–1 CQ1–2 C Q2–1 D .Wv1–2 C Wv2–1 / X X QD Wv D W D jWj D j.We /id j .Nutzarbeit/ Ein reversibler Kreisprozess im offenen System ergibt sinngeP P mäß: Q D  Wt D W D jWj D j.We /id j (Nutzarbeit) Die im reversiblen Kreisprozess gewonnene Arbeit (Nutzarbeit W) ist gleich der algebraischen Summe der zu- und abP geführten Volumenänderungsarbeiten ( Wv ) bzw. der techP nischen Arbeiten ( Wt ). Der Betrag der Nutzarbeit ist auch gleich der algebraischen Summe der zu- und abgeführten P Wärmen ( Q). Verlaufen die im p; V -Diagramm graphisch dargestellten Zustandsänderungen entsprechend ihrer Verlaufsrichtung im Uhrzeigersinn (. Abb. 22.4), so liegt ein rechtsläufiger Kreisprozess vor (Wärmekraftmaschinen). Bei entgegengesetztem Verlauf ergibt sich ein linksläufiger Kreisprozess (Kältemaschinen, Wärmepumpen). 9

22.8

Thermischer Wirkungsgrad

Im Fortgang eines rechtsläufigen reversiblen Kreisprozesses in einer Wärmekraftmaschine soll ein möglichst großer Teil der dem Prozess zugeführten Wärme in Nutzarbeit umgewandelt werden. Zur Beurteilung der Energieumwandlung werden Nutzen und Aufwand zueinander ins Verhältnis gesetzt und so der thermische Wirkungsgrad th gebildet.

jQab j Qzu

(22.16)

 Q 1 J

Würde die gesamte zugeführte Wärme in Nutzarbeit umgewandelt und damit die abgeführte Wärme gleich null, so wäre th D 1. Dieser Wert wird sowohl theoretisch (idealer Kreisprozess) als auch praktisch (realer Kreisprozess) nicht erreicht. 22.9

Zweiter Hauptsatz

Kreisprozesse (und ihre Zustandsänderungen) werden für eine vereinfachte theoretische Behandlung (Berechnung) als reversible (umkehrbare) Abläufe angesehen. Nach dieser Annahme erreicht das betrachtete System nach erfolgter Umkehrung ohne jede energetische Einwirkung und somit Änderung der Umgebung seinen ursprünglichen physikalischen Ausgangszustand (idealer Kreisprozess). Natürliche, reale Prozesse (und Zustandsänderungen) sind nicht umkehrbar (irreversibel). Systeminterne Dissipations- und Ausgleichsvorgänge machen die beschriebene Prozessumkehrung unmöglich. Der 2. Hauptsatz stellt als Erfahrungssatz (Axiom) dieses Prinzip der Nichtumkehrbarkeit (Irreversibilität) von Prozessen in unterschiedlichen Formulierungen dar. 7 Beispiel Alle natürlichen Prozesse sind irreversibel. Durch Einführung der Entropie (Rudolf Clausius, 1822–1888) wird das Ausmaß der Nichtumkehrbarkeit berechenbar und in Zustandsdiagrammen graphisch darstellbar. Andere Formulierungen des 2. Hauptsatzes beziehen sich auf die auch bei reversiblen Abläufen eingeschränkte Umwandelbarkeit von innerer Energie (bzw. Enthalpie) und Wärme in andere Energieformen. 9 7 Beispiel In einer Wärmekraftmaschine wird die zugeführte Wärme nur teilweise in Nutzarbeit umgewandelt. Der Rest durchläuft und verlässt die Maschine ungenutzt (th < 1). Bei einer Wärmeübertragung wird stets ein System mit niedrigerer Temperatur benötigt, auf das die Wärme in Richtung des Temperaturgefälles selbsttätig übergehen kann. So formulierte Clausius 1850: Wärme kann nie von selbst von einem System niederer Temperatur auf ein System höherer Temperatur übergehen. Damit ist der unermessliche Vorrat an innerer Energie der Umgebung technisch nicht nutzbar. 9

Kapitel 22  Energien und Prozesse

520

22.10

Entropie

Jedes System besitzt als Zustandsgröße die Entropie S. Wird über die Systemgrenze hinweg Wärme übertragen oder dem System Dissipationsarbeit zugeführt, so findet immer auch (richtungsgleich, d. h. mit gleichem Vorzeichen) ein Entropietransport statt. Die Übertragung von reversibler Arbeit (WV bzw. Wt ) erfolgt dagegen entropiefrei. Die differentielle Wärme dQ und die differentielle Dissipationsarbeit dWd werden zur differentiellen, reversiblen Wärme dQrev D dQ C dWd zusammengefasst (vgl. 7 Abschn. 21.4, (21.12)). Die dabei zugleich übertragene differentielle Entropie dS ist nach Rudolf Clausius als d Qrev dS D T

(22.17)

darstellbar. dQrev ist die differentielle Ersatzwärme, die bei einem differentiellen, reversiblen Ersatzprozess auftritt, mit dem der wirkliche irreversible differentielle Prozess ersetzt wird, wobei jeweils dieselben Wirkungen auftreten. S J K

Q

T

J

K

22

Im T; s-Diagramm (Zustandsdiagramm) können die spezifische reversible Wärme qrev und andere spezifische Energien als Flächen graphisch dargestellt werden. Für eine Zustandsänderung gilt: ds D

d qrev ) dqrev D T ds T Z2 qrev D T d s

(22.19)

1

Dabei ist T die thermodynamische Temperatur in dem Grenzbereich des Systems, in dem die transportierte Wärme die Systemgrenze überschreitet. Bei größeren Temperaturunterschieden ist die mittlere Temperatur T m zu setzen. Massenbezogen gilt für die spezifische Entropie s: ds D

. Abb. 22.5 T; s-Diagramm für eine Zustandsänderung

dqrev T

s J kg K

q J kg

T K

(22.18)

Der Betrag der Entropie ist für viele praktische Berechnungen ohne Bedeutung. Wärmetechnisch wichtig ist die Änderung der spezifischen Entropie s (Zu- oder Abnahme) im Verlauf einer Übertragung von Wärme oder Dissipationsenergie. So ist die algebraische Summe der Entropieänderungen aller am Energieübergang beteiligten Systeme ein Maß für die Irreversibilität (Nichtumkehrbarkeit) des Prozesses. 4 Bei reversiblem Ablauf ist die algebraische Summe der Entropieänderungen aller am Prozess beteiligten Systeme gleich null, d. h. die Summe der Entropien aller beteiligten Systeme ändert sich nicht. 4 Bei irreversiblem Ablauf ist die algebraische Summe der Entropieänderungen aller am Prozess beteiligten Systeme größer als null, d. h. die Summe der Entropien aller beteiligten Systeme wird größer. Die Entropie kann als ein Maß für die Unordnung eines Stoffs verstanden werden.

Das bestimmte Integral entspricht der senkrecht schraffierten Fläche im T; s-Diagramm (. Abb. 22.5). Für Flüssigkeiten (z. B. Wasser) und Dämpfe (z. B. Wasserdampf) ergeben sich die zugehörigen Entropiebeträge aus Zahlentafeln (z. B. Dampftafel für Wasser) oder aus Zustandsdiagrammen (z. B. Temperatur-Entropie-Diagramm für Wasser). Für ideale Gase sind Änderungen der spezifischen Entropie (s) gut berechenbar. So gilt für reversible Vorgänge im geschlossenen System: ds D

du C p dv du p dv dqrev D D C I T T T T

p Ri D T v

(vgl. 7 Abschn. 23.1, (23.1)) Ri dv cv dT C T v Z2 Z2 dT dv C Ri s D s2  s1 D cv T v ds D

1

(22.20)

1

T2 v2 C Ri ln s2  s1 D cv ln T1 v1 p2 v2 C cp ln oder s2  s1 D cv ln p1 v1 T2 p2 oder s2  s1 D cp ln  Ri ln T1 p1

(22.21) (22.22) (22.23)

Bei größeren Temperaturunterschieden muss wegen der Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazitäten mit den Mittelwerten cvm und cpm gearbeitet werden.

521 22.11  Exergie und Anergie

22.11

Exergie und Anergie

Nach dem 2. Hauptsatz kann nicht jede Energieform beliebig in jede andere Energieform umgewandelt werden. So ist z. B. die einer Wärmekraftmaschine zugeführte Wärme selbst bei reversiblem Prozessablauf nur begrenzt in Nutzarbeit umwandelbar. Die Grenze wird dabei durch den physikalischen Zustand der Umgebung gezogen. So ist die innere Energie eines Systems im Umgebungszustand, d. h. bei Umgebungstemperatur T u und Umgebungsdruck pu , im Sinne einer Gewinnung von Nutzarbeit wertlos. Nach dem Merkmal der Umwandelbarkeit werden unterschieden: 4 Unbegrenzt umwandelbare Energie (mechanische Energie, elektrische Energie). Sie wird als Exergie E bezeichnet. 4 Nicht umwandelbare Energie (innere Energie der Umgebung). Sie wird als Anergie B bezeichnet. 4 Begrenzt umwandelbare Energie (innere Energie bzw. Enthalpie, Wärme). Sie setzt sich aus Exergie und Anergie zusammen. Der nutzbare Anteil ist die Exergie, der nicht nutzbare Anteil die Anergie (Energie D Exergie C Anergie). Exergie EQ und Anergie BQ der Wärme sind im T; S-Diagramm (Zustandsdiagramm) graphisch darstellbar.

. Abb. 22.6 Exergie und Anergie der Wärme für eine beliebige Zustandsänderung. E Q 1–2 C BQ 1–2 D Q1–2

Sie erscheinen als Flächen oberhalb bzw. unterhalb der Linie der Umgebungstemperatur T u (waagerechte Linie in . Abb. 22.6). Für den 2. Hauptsatz ergeben sich daraus weitere Formulierungen für die Summe der Exergien der an den P Zustandsänderungen beteiligten Stoffe bzw. Energien E. 4 Bei reversiblen Vorgängen bleibt die Summe der ExerP gien E konstant. 4 Bei irreversiblen (natürlichen) Vorgängen nimmt die P Summe der Exergien E ab. Exergie wird z. T. in Anergie verwandelt. 4 Es ist nicht möglich, Anergie ohne Zuhilfenahme anderer Exergien in Exergie zu verwandeln.

22

23

523

Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten Martin Dehli

23.1

Thermische Zustandsgleichung

Die Thermodynamik entwickelt ihre Gesetzmäßigkeiten mit Hilfe messbarer Größen, die für den jeweiligen Zustand eines Systems kennzeichnend sind. Die Thermodynamik verzichtet dabei auf jede atomistische Deutung des Wesens der Wärme, wie sie in der kinetischen Wärmetheorie zum Ausdruck kommt. Die gegenseitigen Abhängigkeiten der Zustandsgrößen spezifisches Volumen (v), absoluter Druck (p) und Temperatur (T) werden bei idealen Gasen durch die thermische Zustandsgleichung idealer Gase festgelegt, die aus der Verknüpfung der Gesetze von Boyle und Mariotte und Gay-Lussac hergeleitet werden kann. 1 Herleitung

Betrachtung einer allgemeinen Zustandsänderung, bei der sich Volumen, Druck und Temperatur gleichzeitig ändern. Ausgangszustand p1 , v1 , T 1 Endzustand p2 , v2 , T 2 Zerlegung der Gesamt-Zustandsänderung in zwei Teilvorgänge a und b über einen Zwischenzustand mit dem spezifischen Volumen vx . a) Druckänderung von p1 auf p2 bei gleich gehaltener Temperatur T 1 (nach Boyle und Mariotte) v1 p2 D I vx p1

vx D

v1 p1 p2

b) Temperaturänderung von T 1 auf T 2 bei gleich bleibendem Druck p2 (nach Gay-Lussac) vx T1 D I v2 T2

vx T2 v1 p1 T2 v2 D D T1 p2 T1

Hieraus ergibt sich für die allgemeine Zustandsänderung p2 v2 p1 v1 D D konst. D Ri T2 T1 (spezielle oder individuelle Gaskonstante, vgl. . Tab. 23.1).

Dieser Ausdruck ist die thermische Zustandsgleichung idealer Gase: p v D Ri T p N m2

(23.1) v m3 kg

Ri J kg K

T K

1J D 1Nm

Die spezielle Gaskonstante Ri ist eine Stoffkonstante, die durch Messung der zueinander gehörenden Werte von p, v und T bestimmt werden kann. Sie stellt die spezifische Volumenänderungsarbeit dar, die ein ideales Gas abgeben kann, wenn dieses Gas mit der Masse m D 1 kg bei gleich bleibendem Druck um 1 K erwärmt wird. Die thermische Zustandsgleichung gilt für jeden beliebigen, durch p, v und T ausgedrückten Zustand eines idealen Gases, also auch für den Normzustand (pn vn =Tn D Ri ). Die thermische Zustandsgleichung (23.1) gilt nur für ein ideales Gas. Dieses Gas ist ein gedachter Stoff, dessen Moleküle kein Eigenvolumen besitzen und in dem Molekularkräfte nicht vorhanden sind. Reale Gase weichen in ihrem Verhalten umso mehr von der Zustandsgleichung ab, je höher ihre Atomzahl ist und je näher die Temperatur am Verflüssigungspunkt des Gases liegt. Reale Gase werden eher von der van der Waals’schen Zustandsgleichung sowie sehr genau von weiterentwickelten, komplizierten Zustandsgleichungen erfasst, in denen Eigenvolumen sowie anziehende bzw. abstoßende Kräfte der Moleküle durch

. Tabelle 23.1 Spezielle Gaskonstante Ri in

J (1 J D 1 N m) kg K

Kohlenmonoxid

CO

297

Kohlendioxid

CO2

189

Luft



287

Methan

CH4

519

Sauerstoff

O2

260

Stickstoff

N2

297

Wasserdampf

H2 O

462

Wasserstoff

H2

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_23

4126

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

524

entsprechende Einflussgrößen berücksichtigt sind. In vielen Fällen reicht aber die thermische Zustandsgleichung idealer Gase aus, um einen thermodynamischen Sachverhalt hinreichend genau darzustellen. Wird in Gleichung (23.1) v D V=m gesetzt, so ergibt sich die thermische Zustandsgleichung der idealen Gase zu p N m2

p V D m Ri T

V

m

m3

kg

Ri J kg K

T K

(23.2) . Abb. 23.1 Darstellung einer Zustandsänderung im p; v-Diagramm

An Stelle des spezifischen Volumens v kann auch die Dichte  D 1=v in die thermische Zustandsgleichung der Form (23.1) eingesetzt werden. 7 Beispiel Welche spezielle Gaskonstante Ri ergibt sich für Luft? Lösung: Für den Normzustand ergibt sich aus der thermischen Zustandsgleichung: Ri D Ri D

pn vn I Tn

vn D 0;774

1;013  105

N m2

m3 nach . Tab. 21.1, 7 Kap. 21 kg

 0;774

273 K J Nm D 287;2 9 D 287;2 kg K kg K

7 Beispiel Wie groß ist das Volumen einer Luftmenge von 100 m3 (im Normzustand) bei # D 80 °C und p D 4;9 bar? Lösung: pV N pn Vn D m Ri I p D 4;9 bar D 4;9  105 2 D Tn T m 1;013  105 mN2  100 m3  353 K pn Vn T D VD Tn p 273 K  4;9  105 mN2 V D 26;7 m3 9

23.2

23

. Abb. 23.2 Darstellung einer Zustandsänderung im T; s-Diagramm

m3 kg

Zustandsänderungen

Der Zustand eines Systems wird durch Zustandsgrößen bestimmt. Prozesse mit Energieaustausch zwischen System und Umgebung verändern Größen und Zustände. Damit werden Zustandsänderungen bewirkt. Zustände und Zustandsänderungen werden rechnerisch behandelt oder in Zustandsdiagrammen graphisch dargestellt. Die rechnerische Bearbeitung bezieht sich oft auf reversible (d. h. dissipationsfreie) Zustandsänderungen idealer Gase wie Isochore, Isobare, Isotherme, Isentrope und Polytrope. In den folgenden Darstellungen des 7 Kap. 23 werden reversible Zustandsänderungen idealer Gase vorausgesetzt. Eine Anwendung der Gesetzmäßigkeiten auf reale Gase mit annähernd idealem Verhalten ist technisch fast immer ausreichend genau.

Zustandsdiagramme bestehen überwiegend aus einem ebenen System rechtwinklig angeordneter Koordinatenachsen (Abszisse, Ordinate). Zustände erscheinen als Punkte, Zustandsänderungen als gerade oder gekrümmte Linien (Kurven). Bei maßstäblicher Achsenteilung können Zahlenwerte gesuchter Größen mit praktisch hinreichender Genauigkeit abgelesen werden. Diese Möglichkeit bietet auch der Gebrauch einschlägiger Zahlentafeln (z. B. Tafel für flüssiges Wasser und Wasserdampf). Die Anwendung von Diagrammen und Tafeln ist dann üblich, wenn eine rechnerische Behandlung wegen komplizierter Zusammenhänge (z. B. bei Dämpfen) zu aufwändig ist. Wichtige Zustandsdiagramme für Gase sind das p; v-Diagramm (. Abb. 23.1) und das T; s-Diagramm (. Abb. 23.2). Aus dem p; v-Diagramm lässt sich auch der Temperaturverlauf in Abhängigkeit vom spezifischen Volumen ermitteln. Anleitung (. Abb. 23.3) Gegeben: Zustandsänderung mit

Anfangszustand 1 (p1 , v1 , T 1 ) und zugehöriger Kurvenverlauf. Gesucht: Temperatur T 2 im beliebigen Zwischenzustand 2 (Maßstäbe für p und T so gewählt, dass p1 D T1 ist). a) Senkrechte durch Punkt 1 zeichnen, b) Senkrechte und Waagerechte durch Punkt 2 zeichnen (es ergibt sich Schnittpunkt A), c) Verbindungslinie OA zeichnen und mit Senkrechte durch Punkt 2 zum Schnitt bringen (es ergibt sich Schnittpunkt B), d) Punkt B ist der Temperaturpunkt für den Zwischenzustand 2.

525 23.3  Isochore Zustandsänderung

. Abb. 23.4 Isochore Zustandsänderung im T; s-Diagramm (hier Drucksenkung) . Abb. 23.3 Aufzeichnen des Temperaturverlaufs als Kurve T D f.v/ aus dem p; v-Diagramm einer gegebenen Zustandsänderung

23.3

Isochore Zustandsänderung

Das Gasvolumen bleibt während der Zustandsänderung konstant (V D konst.). Aus der thermischen Zustandsgleichung p v=T D Ri folgt p N m2

p1 T1 D : p2 T2

. Abb. 23.5 Isochore Zustandsänderung im p; v-Diagramm (hier Drucksenkung)

T (23.3)

K

Da Volumenänderungsarbeit nicht verrichtet wird, dient die als Wärme zugeführte (oder abgeführte) Energie der Änderung der inneren Energie des Gases. Zugeführte (oder abgeführte) spezifische Wärme: q D cv .T2  T1 /

q; u J kg

c J kg K

7 Beispiel

T K

(23.4)

Änderung der spezifischen inneren Energie: u D cv .T2  T1 /

(23.5)

Änderung der spezifischen Enthalpie h: h D cp .T2  T1 /

h J kg

c J kg K

T K

(23.6)

T2 T1

s; c J kg K

In einem Behälter ist Luft unter einem Druck von pabs 1 D 2;45 bar bei einer Temperatur von #1 D 15 °C eingeschlossen. a) Wie groß ist die Temperatur #2 , wenn eine spezifische Wärme q D 251:000 J=kg zugeführt wird? b) Wie groß ist der sich einstellende Druck p2 ? c) Wie groß ist die Änderung der spezifischen inneren Energie u? d) Wie groß ist die spezifische Enthalpieänderung h? e) Wie groß ist die spezifische Entropieänderung s? Lösung:

Änderung der spezifischen Entropie s (. Abb. 23.4): s D cv ln

tritt im p; v-Diagramm (. Abb. 23.5) als Fläche in Erscheinung: w v p 3 (23.8) wt D v.p2  p1 / J m N kg kg m2

a)

T K

(23.7)

T1 D #1 C 273;15 K D .15 C 273;15/ K D 288;15 K T2 D

Spezifische Volumenänderungsarbeit wv wird nicht verrichtet:

251:000 736

J kg

J kg K

C 288;15 K D 629;18 K

#2 D T2  273;15 K D .629;18  273;15/ K #2 D 356 ı C

wv D 0 Die spezifische technische Arbeit ist als Differenz der spezifischen Gleichdruckarbeiten (Verschiebearbeiten) p1 v1 und p2 v2 gegeben. Die spezifische technische Arbeit wt

q D cv .T2  T1 / q J .angenommen/ C T1 I cv D 736 T2 D cv kg K

b)

p1 T1 D p2 T2 p1 T2 p2 D T1

p1 D 2;45  105

N m2

T1 D 288;15 K T2 D 629;18 K

23

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

526

p2 D

2;45  105

N m2

 629;18 K

D 5;35  105

288;15 K

N m2

p2 D 5;35  105 Pa D 5;35 bar J c) u D q D 251:000 kg Bei konstantem Volumen dient die gesamte zugeführte spezifische Wärme zur Erhöhung der spezifischen inneren Energie. d) h D cp .T2  T1 / J .angenommen/ cp D 1025 kg K J h D 1025 .629;18  288;15/ K kg K J h D 350:000 kg T2 e) s D cv ln T1 629;18 K J J ln D 575 9 s D 736 kg K 288;15 K kg K

23.4

. Abb. 23.6 Isobare Zustandsänderung im T; s-Diagramm (hier Expansion)

. Abb. 23.7 Isobare Zustandsänderung im p; v-Diagramm (hier Expansion)

Isobare Zustandsänderung

Der Gasdruck bleibt während der Zustandsänderung konstant (p D konst.). Aus der thermischen Zustandsgleichung p v=T D Ri folgt v m3 kg

T1 v1 D v2 T2

T (23.9)

K

wv D p.v1  v2 /

Die als Wärme zugeführte (oder abgeführte) Energie dient zur Änderung der inneren Energie und zur Verrichtung einer Volumenänderungsarbeit (hier Gleichdruckarbeit). Es ist die zugeführte (oder abgeführte) spezifische Wärme (. Abb. 23.6) q D cp .T2  T1 /

q; u J kg

c J kg K

K

u D cv .T2  T1 /

(23.10)

(23.11)

Änderung der spezifischen Enthalpie h: h J kg

c J kg K

T K

(23.12)

Änderung der spezifischen Entropie s (. Abb. 23.6):

23

s D cp ln

T2 T1

s; c J kg K

T K

w J kg

p N m2

v m3 kg

(23.14)

Ein Wert für die spezifische technische Arbeit wt tritt nicht auf: wt D 0

T

Änderung der spezifischen inneren Energie:

h D cp .T2  T1 /

Die spezifische Volumenänderungsarbeit wv wird als Differenz der spezifischen Gleichdruckarbeiten (Verschiebearbeiten) verrichtet. Sie tritt im p; v-Diagramm (. Abb. 23.7) als Fläche in Erscheinung:

(23.13)

7 Beispiel In einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben ist Luft unter einem Druck von pabs D 24;5 bar bei einer Temperatur von #1 D 500 °C eingeschlossen (siehe auch Beispiel in 7 Abschn. 23.4). Diese Luft dehnt sich unter Wärmezufuhr bei gleich bleibendem Druck pabs auf den 2,5-fachen Wert des spezifischen Anfangsvolumens v1 aus. a) Wie groß ist das spezifische Anfangsvolumen v1 ? b) Wie groß ist die Temperatur T 2 nach erfolgter Ausdehnung? c) Wie groß ist die zuzuführende spezifische Wärme q? d) Wie groß ist die spezifische Volumenänderungsarbeit wv ? e) Wie groß ist die Änderung der spezifischen inneren Energie u? f) Wie groß ist die spezifische Entropieänderung s?

23

527 23.5  Isotherme Zustandsänderung

Änderung der inneren Energie findet nicht statt. Es ist die zugeführte (oder abgeführte) spezifische Wärme:

Lösung: Ri T1 I a) p v1 D Ri T1 I v1 D p Nm J Ri D 287 D 287 kg K kg K T1 D #1 C 273;15 K D .500 C 273;15/ K D 773;15 K N p D 24;5  105 2 m Nm 3 287 kg K  773;15 K 4 m v1 D D 906  10 kg 24;5  105 mN2 v1 D 0;0906 b)

T1 v1 D I v2 T2

m3 kg

(23.17) T K

v m3 kg

p N m2

u D 0

T1 v1 1 D D T2 2;5 v1 2;5

Änderung der spezifischen Enthalpie h:

T2 D T1  2;5 D 773;15 K  2;5 D 1933 K J c) q D cp .T2  T1 /I cp D 1186 kg K

h D 0 Änderung der spezifischen Entropie s:

nach Gleichung (21.14), 7 Kap. 26 J J .1933  773;15/ K D 1:376:000 q D 1186 kg K kg v2 D 2;5v1 I

wv D p.v1  2;5v1 /

wv D p1;5v1 N m3 wv D 24;5  105 2  1;5  906  104 m kg J Nm wv D 333:000 D 333:000 kg kg

v2 v1 p1 s D Ri ln p2 Ri s J J kg K kg K

s D Ri ln

(23.18) (23.19) v m3 kg

p N m2

Die spezifische Volumenänderungsarbeit wv und die spezifische technische Arbeit wt sind gleich und entsprechen der Größe von q (. Abb. 23.8 und 23.9):

e) u D cv .T2  T1 / J gemäß cv D cp  Ri cv D 899 kg K J .1933  773;15/ K u D 899 kg K J u D 1:043:000 kg T2 f) s D cp ln T1 1933 K J J ln D 1087 9 s D 1186 kg K 773;15 K kg K

23.5

(23.16)

Änderung der spezifischen inneren Energie:

v2 D 2;5v1 I

d) wv D p.v1  v2 /I

v2 v1 p1 q D Ri T ln p2 Ri q J J kg kg K q D Ri T ln

v1 v2 p2 wv D Ri T ln p1 v1 wt D Ri T ln v2 p2 wt D Ri T ln p1 Ri w J J kg kg K wv D Ri T ln

Isotherme Zustandsänderung

(23.20) (23.21) (23.22) (23.23) T K

v m3 kg

p N m2

Die Temperatur bleibt während der Zustandsänderung konstant (T D konst.). Aus der thermischen Zustandsgleiv chung p D Ri folgt T p1 v2 D p2 v1

p N m2

v m3 kg

(23.15)

Die Kurve der Zustandsänderung erscheint im p; v-Diagramm als gleichseitige Hyperbel (pv D Ri T D konst.). Die als Wärme zugeführte (oder abgeführte) Energie entspricht der verrichteten Volumenänderungsarbeit. Eine

. Abb. 23.8 Isotherme Zustandsänderung im p; v-Diagramm (hier Expansion)

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

528

23.6

Isentrope Zustandsänderung

Während dieser reversiblen Zustandsänderung wird Wärme weder zu- noch abgeführt (adiabates System). Die Entropie bleibt konstant (Isentrope, S D konst.). Aus der thermischen Zustandsgleichung p v=T D Ri und den Gleichungen für u und h (1. Hauptsatz) folgt . Abb. 23.9 Isotherme Zustandsänderung im T; s-Diagramm (hier Expansion)

7 Beispiel In einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben ist Luft unter einem Druck von pabs 1 D 24;5 bar bei einer Temperatur von # D 500 °C eingeschlossen (siehe auch Beispiel im 7 Abschn. 23.4). Diese Luft dehnt sich unter Wärmezufuhr bei gleich bleibender Temperatur # auf den 2,5fachen Wert des Anfangsvolumens v1 aus. a) Wie groß ist das spezifische Anfangsvolumen v1 ? b) Wie groß ist der Druck pabs 2 nach erfolgter Ausdehnung? c) Wie groß ist die zuzuführende spezifische Wärme q? d) Wie groß ist die spezifische Volumenänderungsarbeit wv ? e) Wie groß ist die spezifische technische Arbeit wt ? f) Wie groß ist die Änderung der spezifischen inneren Energie u? g) Wie groß ist die Entropieänderung s? Lösung: a) Ergebnis gemäß Beispiel im 7 Abschn. 23.4: m3 m3 D 906  104 v1 D 0;0906 kg kg p1 v2 p1 2;5 v1 b) D I v2 D 2;5 v1 I D D 2;5 p2 v1 p2 v1 p2 D

24;5  105 p1 D 2;5 2;5

N m2

D 9;8  105

N m2

p2 D 9;8  105 Pa D 9;8 bar p1 c) q D Ri T ln p2

d)

e)

f)

23

g)

24;5  105 mN2 J 773;15 K ln q D 287 kg K 9;8  105 mN2 J q D 203:320 kg Die zugeführte spezifische Wärme q wird vollständig in spezifische Volumenänderungsarbeit wv umgewandelt. wv D 203:320 J=kg. Die spezifische technische Arbeit wt ist gleich der spezifischen Volumenänderungsarbeit wv . Daraus folgt wt D 203:320 J=kg. Da T D konst., ist u D 0. 203:320 kgJ J q D D 263 9 s D T 773;15K kg K

p1 D p2



p N m2

v2 v1



 D

v m3 kg

T1 T2

T



K

1

  1

(23.24)

In dieser Formel ist  das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten cp =cv (Isentropenexponent). Die Kurve der Zustandsänderung erscheint im p; v-Diagramm als eine ungleichseitige Hyperbel (Hyperbel höherer Ordnung). Die Steilheit des Kurvenverlaufs nimmt mit größer werdenden -Werten zu. Eine Zufuhr oder Abfuhr von Wärme findet bei der reversiblen isentropen Zustandsänderung nicht statt. Es ist also die zugeführte (oder abgeführte) spezifische Wärme: qD0 Die Änderung der spezifischen inneren Energie u entspricht der spezifischen Volumenänderungsarbeit. u D cv .T2  T1 /

u J kg

c J kg K

T K

(23.25)

Änderung der spezifischen Enthalpie h: h D cp .T2  T1 / D   u   T2  1 p1 v 1 h D 1 T1 p v T N m3 1 K m2 kg # "  1 p2   h D 1 p1 v 1 1 p1 # "  v 1 1  1 h D p1 v 1 1 v2 h J kg

c J kg K

(23.26) (23.27)



(23.28)

(23.29)

Da q D 0 ist, ändert sich die Entropie nicht. Es ist also die Änderung der spezifischen Entropie (. Abb. 23.10): s D 0

529 23.6  Isentrope Zustandsänderung

. Abb. 23.10 Isentrope Zustandsänderung im T; s-Diagramm (hier Expansion)

Die spezifische Volumenänderungsarbeit wv entspricht der Änderung der spezifischen inneren Energie (. Abb. 23.11): wv D cv .T2  T1 / 1 .p2 v2  p1 v 1 / 1 c  p v w J J N m3 1 kg kg K m2 kg

(23.30)

wv D

(23.31) T K

1J D 1Nm D 1Ws   p1 v 1 T2 wv D 1   1 T1 # "  1 p2  p1 v 1 1 wv D 1 p1 # "  v 1 1 p1 v 1 wv D 1 1 v2

(23.32)

Lösung: a)

(23.34)

p1 D p2



T1 T2

  1

p1 D 1;025  105 T2 D 

N m2

p2 D 5;89  105

N m2

T1  1 

p1 p2

(23.35)

T1 D #1 C 273;15 K D .20 C 273;15/ K D 293;15 K

(23.36)

T2 D

293;15 K 1;025  105 5;89 

T K

1J D 1Nm D 1Ws   T2  wt D 1 p1 v 1 1 T1 # "  1 p2   1 p1 v 1 wt D 1 p1 # "  v 1 1  wt D 1 p1 v 1 1 v2 wt D wv

7 Beispiel Ein Kompressor saugt Luft von #1 D 20 °C und einem Druck von pabs 1 D 1;025 bar an und verdichtet sie isentropisch auf einen Druck von pabs 2 D 5;89 bar. a) Wie groß ist die Temperatur T 2 nach erfolgter Verdichtung? b) Wie groß ist die spezifische Volumenänderungsarbeit wv ? c) Wie groß ist die Änderung der spezifischen inneren Energie u? d) Wie groß ist die spezifische technische Arbeit wt ? e) Wie groß ist die Änderung der spezifischen Enthalpie h? f) Wie groß ist die Entropieänderung s?

(23.33)

Die spezifische technische Arbeit wt entspricht der Änderung der spezifischen Enthalpie (. Abb. 23.11): wt D cp .T2  T1 /  wt D .p2 v2  p1 v 1 / 1 c  p v w J J N m3 1 kg kg K m2 kg

. Abb. 23.11 Isentrope Zustandsänderung im p; v-Diagramm (hier Expansion)

p1 v1 b) wv D  1

(23.37)

v1 D

(23.38)

wv D

(23.39) (23.40)

N m2 N 105 m2

"

p2 p1

D 483 K ! 1;41 1;4

 1 

# 1

Nm 287 kg Ri T1 m3 K 293;15 K D D 0;821 N p1 kg 10;25  104 m2

10;25  104 2 4

N m2

0;821

1;4  1 58;9  104 10;25 

wv D 136:000

N m2 104 mN2

m3 kg

! 1;41 1;4

3  15

J Nm D 136:000 kg kg

23

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

530

c) Da bei einer reversiblen isentropen Zustandsänderung Wärme weder zu- noch abgeführt wird, geht die Volumenänderungsarbeit als innere Energie auf das Gas über. Die Zunahme an spezifischer innerer Energie entspricht also dem Betrage nach der spezifischen Volumenänderungsarbeit. J kg   J J d) wt D  wv D 1;4 136:000 D 191:000 . kg kg u D 136:000

e) Da bei einer reversiblen isentropen Zustandsänderung Wärme weder zu- noch abgeführt wird, entspricht die Änderung der spezifischen Enthalpie der spezifischen technischen Arbeit. h D 191:000

. Abb. 23.12 Polytrope Zustandsänderung im p; v-Diagramm (hier Expansion). 1–2 Polytrope mit Wärmezufuhr (n < ), 1–20 Polytrope mit Wärmeentzug (n > )

J kg

f) Da bei einer reversiblen isentropen Zustandsänderung Wärme weder zu- noch abgeführt wird, ist die Entropieänderung gleich null. 9

23.7

Polytrope Zustandsänderung

Die Zustandsänderung verläuft unter beliebiger Wärmezufuhr bzw. beliebigem Wärmeentzug sowie unter beliebigem Arbeitsumsatz. Als Polytrope im engeren Sinne werden die Zustandsänderungen bezeichnet, bei denen die Zustandsänderungen nach der Gesetzmäßigkeit p v n D konst. ablaufen. Dabei kann der Exponent n jeden beliebigen Wert annehmen (1  n  C1). Für die polytrope Zustandsänderung gilt n  n   n1 v2 T1 p1 D D p2 v1 T2 v T n p N m3 K 1 m2 kg

(23.41)

n .T2  T1 / n1 q c n./ T J J 1 K kg kg K

23

Änderung der spezifischen inneren Energie: u J kg

u D cv .T2  T1 /

c J kg K

T (23.43)

K

Änderung der spezifischen Enthalpie h: h D cp .T2  T1 / D   u

Die Kurve der Zustandsänderung erscheint im p; v-Diagramm bei n ¤ 0 und n ¤ ˙1 als Hyperbel höherer Ordnung. Die Steilheit des Kurvenverlaufes nimmt mit größer werdenden n-Werten zu (. Abb. 23.12). Die als Wärme zugeführte (oder abgeführte) Energie zusammen mit der Änderung der inneren Energie des Gases entspricht der Volumenänderungsarbeit. Es ist die zugeführte (oder abgeführte) spezifische Wärme bei einer reversiblen polytropen Zustandsänderung: q D cv

. Abb. 23.13 Polytrope Zustandsänderung im T; s-Diagramm (hier Expansion). 1–2 Polytrope mit Wärmezufuhr (n < ), 1–20 Polytrope mit Wärmeentzug (n > )

(23.42)

h J kg

c J kg K

n./ 1 

p N m2

(23.44) v m3 kg

T K

 T2 1 T1 # "  n1 p2 n  h D 1 p1 v1 1 p1 # "  v1 n1  1 p1 v1 h D 1 v2

h D

 p1 v1 1

(23.45) (23.46) (23.47)

Änderung der spezifischen Entropie s (. Abb. 23.13): s D cv

n T2 ln n1 T1

s; c J kg K

n./

T

1

K

(23.48)

23

531 23.7  Polytrope Zustandsänderung

Die spezifische Volumenänderungsarbeit wv bei einer reversiblen polytropen Zustandsänderung ergibt sich aus entsprechenden Gleichungen für die Isentrope, wenn für  der Wert n gesetzt wird:  1 .T2  T1 / n1 1 wv D .p2 v2  p1 v1 / n1 w c  n p v J J N m3 1 1 kg kg K m2 kg 1J D 1Nm D 1Ws   p1 v1 T2 1 wv D n  1 T1 # "  n1 p2 n p1 v1 wv D 1 n1 p1 # "  v1 n1 p1 v1 1 wv D n1 v2 wv D cv

(23.49) (23.50) T

. Abb. 23.15 Darstellung der Polytrope im p; v-Diagramm mit logarithmisch geteilten Achsen für die Ermittlung der Änderung des Exponenten n

K

(23.51) (23.52) (23.53)

Die spezifische technische Arbeit wt bei einer reversiblen polytropen Zustandsänderung ergibt sich aus entsprechenden Gleichungen für die Isentrope, wenn für  der Wert n gesetzt wird: n .  1/ .T2  T1 / n1 n D .p2 v2  p1 v1 / n1 w c  n p v T J J N m3 1 1 K kg kg K m2 kg   T2 n D 1 p1 v1 n1 T1 # "  n1 p2 n n D 1 p1 v1 n1 p1 # "  v1 n 1 n D 1 p1 v1 n1 v2

wt D cv

(23.54)

wt

(23.55)

wt wt wt

wt D n wv . Abb. 23.14 Ermittlung des Exponenten n im Punkte P einer Polytrope (s D Subtangente)

(23.56) (23.57) (23.58) (23.59)

Ist eine reversible polytrope Zustandsänderung als Bestandteil eines Maschinendiagramms (p,v-Diagramm) ermittelt worden, so ergibt sich der Exponent n für jeden beliebigen Kurvenpunkt P (bei spezifischem Volumen v) als Verhältnis v=s (. Abb. 23.14). Dabei muss die in cm gemessene Subtangente s im Maßstab des spezifischen Volumens M v umgerechnet werden. Damit ergibt sich der Exponent im Punkte P einer polytropen Zustandsänderung (. Abb. 23.14) gemäß:

v nD s Mv

n 1

v m3 kg

s cm

Mv m3 kg

cm

D

m3 kg cm

(23.60)

Wird das p; v-Diagramm in ein Schaubild mit logarithmisch geteilten Achsen übertragen, so kann man erkennen, ob n im Verlaufe der Zustandsänderung konstant bleibt oder veränderlich ist (. Abb. 23.15; tan ˛ ¶ n). Bei veränderlichen Exponenten n kann ein Mittelwert (mittlerer Exponent) aus der Beziehung wt D n wv gefunden werden (. Abb. 23.16); n D Fläche 12 BA=Fläche 12 DC. Alle besonderen thermodynamischen Zustandsänderungen der 7 Abschn. 23.3–23.6 können durch die Polytropengleichung p v n D konst. dargestellt werden. Dabei ergeben sich folgende Exponenten (vgl. . Abb. 23.17 und 23.18): n D 0I p D konstant; Isobare Zustandsänderung n D 1I p v D konstant; Isotherme Zustandsänderung n D I p v  D konstant; Isentrope Zustandsänderung n D ˙1I v D konstant; Isochore Zustandsänderung

. Abb. 23.16 Ermittlung des mittleren Exponenten n als Verhältnis der technischen Arbeit wt (Fläche 12 BA) zur Volumenänderungsarbeit wv (Fläche 12 DC)

532

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

Schraffierte Fläche entspricht spezifischem Arbeitsgewinn w

. Abb. 23.17 Zustandsänderungen im p; v-Diagramm als Sonderfälle der Polytrope p v n D konst.

. Abb. 23.19 Carnot-Prozess im p; v-Diagramm

Schraffierte Fläche entspricht spezifischem Arbeitsgewinn w

. Abb. 23.18 Zustandsänderungen im T; s-Diagramm als Sonderfälle der Polytrope p v n D konst.

23.8

23

Carnot-Prozess; Diesel-Prozess

Der Carnot-Prozess (reversibler, d. h. idealer Kreisprozess nach Sadi Carnot, 1796–1832) besitzt den günstigsten thermischen Wirkungsgrad. Der Prozess setzt sich aus zwei isothermen und zwei isentropen Zustandsänderungen zusammen (. Abb. 23.19 und 23.20). a) Isotherme Kompression von 1 nach 2: Spezifische Volumenänderungsarbeit wv1–2 wird als spezifische Kompressionsarbeit zugeführt. Die äquivalente spezifische Wärme q1–2 wird abgegeben. Die Temperatur T u bleibt dabei konstant. b) Isentrope Kompression von 2 nach 3: Spezifische Volumenänderungsarbeit wv2–3 wird als spezifische Kompressionsarbeit zugeführt. Spezifische Wärme wird weder abgegeben noch zugeführt. Die Temperatur nimmt von T u auf T o zu (T o > T u ). c) Isotherme Expansion von 3 nach 4: Spezifische Volumenänderungsarbeit wv3–4 wird als spezifische Expansionsarbeit abgegeben. Die äquivalente spezifische Wärme q3–4 wird zugeführt. Die Temperatur T o bleibt dabei konstant. d) Isentrope Expansion von 4 nach 1: Spezifische Volumenänderungsarbeit wv4–1 wird als spezifische Expansionsarbeit abgegeben. Spezifische Wärme wird weder abgegeben noch zugeführt. Die Temperatur nimmt von T o auf T u ab (T u < To ).

. Abb. 23.20 Carnot-Prozess im T; s-Diagramm

Das Verhältnis des hierbei erzielten Betrags des spezifischen Arbeitsgewinns jwj (entspricht q D q3–4  q1–2 ) zur zugeführten spezifischen Wärme q3–4 ist der maximal erzielbare thermische Wirkungsgrad th max . Er ist nur von den Grenztemperaturen T o und T u abhängig und ergibt sich aus th max D

jwj To  Tu Tu D D1 q3–4 To To

(23.61)

Der thermische Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses wird auch als Carnotfaktor c bezeichnet. Der Carnot-Prozess lässt sich technisch kaum verwirklichen. Als Idealprozess ist er ein Vergleichsprozess zur Bewertung anderer technischer Prozesse. 7 Beispiel Ein älterer Personenkraftwagen wird von einem Dieselmotor angetrieben, der nach dem Viertakt-Verfahren arbeitet. Hierzu ist der Diesel-Prozess als der ideale, reversible Vergleichsprozess mit Luft als Arbeitsmittel zu berechnen; das bei der Verbrennung des Kraftstoffs mit Luft entstandene Verbrennungsgas kann in guter Näherung ebenfalls wie Luft behandelt werden. Der erste Takt (Luft-Ansaugtakt) und der vierte Takt (Verbrennungsgas-Ausschubtakt) heben sich beim reversiblen Vergleichsprozess in ihrer Wirkung gerade auf (jeweils gleich große Einschub- und Ausschubarbeit); deshalb sind nur die Takte zwei und drei arbeitswirksam.

533 23.8  Carnot-Prozess; Diesel-Prozess

grad th sowie die gewonnene Leistung .Pe /id bei einer Drehzahl von 2500 Umdrehungen je Minute sind zu bestimmen. Lösung: a) V1 D

m R T1 p1

V1 D 0;003 kg  287;2

m2 Nm  298;15 K  kg K 1;0  105 N

V1 D 0;002569 m3 V1 D 2;569 l b) Isentrope Zustandsänderung 1–2: V1 V2 0;002569 3 V1 D m D 0;0001427 m3 V2 D " 18 V2 D 0;1427 l  1 V1 D T1 "1 T2 D T1 V2 "D

T2 D 298;15 K  180;4 D 947;42 K oder #2 D 674;27 ı C   V1 D p1 " p2 D p1 V2 p2 D 1;0 bar  181;4 D 57;20 bar . Abb. 23.21 a, b Diesel-Prozess im p; V -Diagramm und im T; S -Diagramm

Isobare Zustandsänderung 2–3: T3 D T2

Der zweite Takt besteht aus einer isentropen Verdichtung 1–2 der Luft. Der dritte Takt beginnt mit einer kurzen isobaren Entspannung 2–3 des bei der Kraftstoff-Einspritzung und -Verbrennung entstandenen Verbrennungsgases; danach schließt sich eine isentrope Entspannung 3–4 an; der dritte Takt wird durch einen isochoren Druckwechsel 4–1 auf Umgebungsdruck beendet. Der Diesel-Prozess wird u. a. mithilfe der beiden motortechnischen Kenngrößen Verdichtungsverhältnis " D V1 =V2 und Einspritzverhältnis ' D V3 =V2 näher beschrieben. Der Prozess ist schematisch in einem p; V -Diagramm und in einem T; S-Diagramm dargestellt. Das Arbeitsmittel Luft kann als ideales Gas mit R D 287;2 J=.kg K/ D 287;2 Nm=.kg K/, cp D 1005 J=.kg K/, cv D 718 J=.kg K/ und  D 1;4 behandelt werden; sie weist im Ansaugzustand 1 die Temperatur #1 D 25 ı C sowie den Druck p1 D 1;0 bar auf und hat die Masse m1 D 0;003 kg. Das Verdichtungsverhältnis ist " D V1 =V2 D 18; das Einspritzverhältnis beträgt ' D V3 =V2 D 2;0. a) Wie groß ist das Volumen V1 der Luft? b) Es sind die Zustandsgrößen V2 , T2 , p2 , T3 , p3 , V3 , V4 , T4 und p4 zu berechnen. c) Die zugeführte Wärme Q23 , die abgeführte Wärme Q41 , die gewonnene Arbeit .We /id , der thermische Wirkungs-

V3 D T2 ' V2

T3 D 947;42 K  2 D 1894;84 K oder #3 D 1621;69 ı C p3 D p2 D 57;20 bar V3 D V2

T3 V3 D V2 D V2 ' T2 V2

V3 D 0;0001427 m3  2 D 0;0002854 m3 V3 D 0;2854 l Isentrope Zustandsänderung 3–4: V4 D V1 D 0;002569 m3 V4 D 2;569 l  1  1 V3 V3 T4 D T3 D T3 V4 V1   0;0002854 0;4 T4 D 1894;84 K  D 786;77 K 0;002569 oder #4 D 513;62 ı C     V3 V3 D p3 p4 D p3 V4 V1   0;0002854 1;4 p4 D 57;20 bar  D 2;64 bar 0;002569

23

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

534

c)

Q23 D m cp .T3  T2 / Q23 D 0;003 kg  1005

J  .1894;84 K  947;42 K/ kg K

Q23 D 2856;4 J Q41 D m cv .T1  T4 / Q41 D 0;003 kg  718

J  .298;15 K  786;77 K/ kg K

Q41 D 1052;5 J .We /id D .Q23 C Q41 / .We /id D .2856;4 J  1052;5 J/ D 1803;9 J j.We /id j Q23 1803;9 J D 0;6315  63 % D 2856;4 J n .We /id D .We /id D t 2 2500 1 1 min   D 1803;9 J  min 2 60 s J D 37:581  37;6 kW 9 s

th D th .Pe /id .Pe /id .Pe /id

23.9

Beispiele für Zustandsdiagramme von Gasen und Flüssigkeiten: Das T; s-Diagramm und das lg p; h-Diagramm

Für ideale Gase lässt sich das thermodynamische Verhalten von reinen Stoffen mithilfe vergleichsweise einfacher Gleichungen darstellen, wobei in der Regel drei Zustandsgrößen miteinander mathematisch verbunden sind. Ein Beispiel hierfür ist (22.23) in 7 Abschn. 22.10, bei der die spezifische Entropie s als Funktion der absoluten Temperatur T (auch als thermodynamische Temperatur bzw. Kelvin-Temperatur bezeichnet) und des Drucks p erfasst wird: s D s.T; p/. Dagegen erfordert die rechnerische Beschreibung von realen Gasen und von realen Flüssigkeiten aufwendigere Gleichungen. Eine Möglichkeit, den notwendigen rechentechnischen Aufwand zu umgehen und darüber hinaus Vorgänge anschaulich zu machen, ist die Erstellung und Nutzung von Zustandsdiagrammen. Hierzu haben sich allgemein vor allem das T; s-Diagramm sowie für kältetechnische Aufgaben u. a. das lg p; h-Diagramm bewährt. Solche Zustandsdiagramme können als Projektion einer Zustandsfläche in einem dreidimensionalen Raum auf eine zweidimensionale ebene Fläche verstanden werden.

23.9.1

23

Das T; s-Diagramm für flüssiges Wasser und Wasserdampf

Beim T; s-Diagramm wird die spezifische Entropie s als Abszisse und die absolute Temperatur T als Ordinate auf-

getragen. Das T; s-Diagramm entsteht durch die Projektion einer Zustandsfläche in einem dreidimensionalen Raum mit den Koordinaten T , s und p auf die zweidimensionale ebene T; s-Fläche; der Druck p ist dabei ein Parameter, wobei für jeweils gleiche Werte des Drucks durch die Projektion Linien entstehen, die im schematischen Diagramm (. Abb. 23.22) als Kurvenschar dargestellt sind. Dieses Diagramm enthält als weitere Parameterlinien auch Kurvenscharen der spezifischen Enthalpie h und des spezifischen Volumens v. Die Entropie S kann als Größe aufgefasst werden, mit der die Unordnung eines Stoffes wiedergegeben wird; die spezifische Entropie s stellt die Unordnung von einem Kilogramm eines Stoffes dar. Wird eine Flüssigkeit verdampft, so nimmt deren Unordnung zu, weil die Moleküle bzw. Atome sich aus ihrem noch einigermaßen geordneten Verband in der Flüssigkeit lösen und sich daraufhin chaotisch im Raum bewegen, wobei sich das Volumen des Gases um ein Vielfaches vergrößert. Im T; s-Diagramm liegt deshalb das Gebiet der Flüssigkeit mit deren eher geringerer Unordnung und demgemäß niedrigeren Werten von s links nahe an der Ordinate, während das Gebiet des Gases mit dessen größerer Unordnung und demgemäß größeren Werten von s rechts angeordnet ist. Das Flüssigkeitsgebiet hat im Vergleich zum Gasgebiet eine geringere Ausdehnung. Da beim Verdampfungsvorgang – ausgehend vom Zustand siedender Flüssigkeit bis hin zum Zustand gesättigten Dampfes – bei stetiger Wärmezufuhr die Masse der Flüssigkeit stetig abnimmt und die Masse des Dampfes stetig zunimmt, werden Zustände steigenden Dampfgehalts x durchlaufen. Der Dampfgehalt x ist dabei als das Verhältnis von Dampfmasse mD zur Gesamtmasse des Nassdampfs mN D mF C mD definiert: xD

mD mD D mN mF C mD

(23.62)

Durch die beiden Linien x D 0 (Siedelinie) und x D 1 (Taulinie) ist das Nassdampfgebiet vom Flüssigkeitsgebiet und vom Gasgebiet abgegrenzt. Im Falle das Wassers beginnt die Siedelinie im T; s-Diagramm links unten praktisch im Koordinatenursprung im Tripelpunkt TP ; dort liegen bei einer Temperatur von TTr D 273;16 K (#Tr D 0;01 ı C) und einem Druck von pTr D 0;0006118 MPa D 0;006118 bar Wassereis, flüssiges Wasser und Wasserdampf im Gleichgewicht miteinander vor. Im Tripelpunkt sind die Werte der spezifischen Entropie und der spezifischen Enthalpie willkürlich zu genau null bzw. praktisch gleich null gesetzt: sTr D 0 kJ=.kg K/; hTr  0 kJ=kg. Bei einem höheren Druck kann die Verdampfung einer Flüssigkeit erst dann beginnen, wenn eine entsprechend höhere Temperatur erreicht ist; die Siedetemperatur TS hängt also vom Siededruck pS ab. Ist die Siedetemperatur TS erreicht (Zustand auf der Siedelinie), beginnt der Verdampfungsvorgang; während eines Verdampfungsvorgangs bei unverändertem Druck bleibt dessen Verdampfungstemperatur so lange konstant, bis der Sattdampfzustand (Zustand auf der Taulinie) erreicht ist.

535 23.9  Beispiele für Zustandsdiagramme von Gasen und Flüssigkeiten: Das T; s-Diagramm und das lg p; h-Diagramm

. Abb. 23.22 Schematisches T; s-Diagramm für flüssiges Wasser und Wasserdampf

Siedelinie und Taulinie treffen sich im kritischen Punkt K. Soll ein Gas verflüssigt werden, so muss die kritische Temperatur TK unterschritten werden. Bei Wasser und Wasserdampf weist der kritische Punkt die Werte TK D 647;10 K (#K D 373;95 ı C), pK D 220;64 bar, vK D 0;003106 m3=kg, sK D 4;412 kJ=.kg K/ und hK D 2087;55 kJ=kg auf. Im Umfeld des kritischen Punkts außerhalb des Nassdampfgebiets befindet sich ein Zustandsgebiet überkritischen Drucks p > pK . Dort geht bei stetiger Wärmezufuhr das heiße, hoch verdichtete flüssige Wasser stetig in den Zustand stark erhitzten, hochverdichteten Wasserdampfes über. Im ausführlicheren T; s-Diagramm (. Abb. 23.23) liegen die Werte für die Temperatur im Bereich zwischen 273,16 K und 1100 K, die Werte für die spezifische Entropie im Bereich zwischen etwa 0,0 kJ=(kg K) und 11,0 kJ=(kg K). Die Linien konstanten Drucks (Isobaren) sind im Gebiet des idealen Gases (im T; s-Diagramm rechts) Exponentialkurven; Isobaren höheren Drucks liegen links von den Isobaren niedrigeren Drucks; sie erstrecken sich zwischen 0;0006118 MPa D 0;006118 bar und 1000 MPa D 10:000 bar. Im Nassdampfgebiet verlaufen die Isobaren waagerecht. Die Linien konstanter spezifischer Enthalpie gehen im T; s-Diagramm mit wachsenden Werten von links unten bis nach rechts oben und reichen

von 0,0 kJ=kg bis zu 4200,0 kJ=kg; ihr Verlauf ist im Gebiet des idealen Gases waagerecht, da dort die spezifische Enthalpie nur von der Temperatur und nicht vom Druck abhängt. 7 Beispiel Der reversible Clausius-Rankine-Prozess (Dampfkraftprozess) ist mithilfe des T; s-Diagramms für Wasser und Wasserdampf zu untersuchen. In einer weiterentwickelten Form weist dieser die folgenden Zustandsänderungen auf (. Abb. 23.24a, b): 1–2: Isentrope Verdichtung des siedenden Wassers 1 (oft mit annähernd Umgebungstemperatur und einem sehr niederen Druck) in der Speisewasserpumpe auf einen hohen Druck im Flüssigkeitsgebiet 2 (Im T; s-Diagramm fallen die Punkte 1 und 2 praktisch zusammen, weil der Arbeitsaufwand bei der Verdichtung einer Flüssigkeit im Allgemeinen sehr gering ist.) 2–3: Isobare Erhitzung des flüssigen Wassers 2 im Dampferzeuger (Kessel) unter hohem Druck bis zum Zustand siedender Flüssigkeit mit anschließender isobarer Verdampfung bis zum Sattdampfzustand sowie weiterer isobarer Erhitzung bis zum Frischdampfzustand 3 mit hoher Temperatur und hohem Druck

23

536

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

. Abb. 23.23 Reversibler Dampfkraftprozess (Clausius-Rankine-Prozess) mit isobarer Zwischenüberhitzung im T; s-Diagramm für Wasser und Wasserdampf

. Abb. 23.24 Reversibler Dampfkraftprozess (ClausiusRankine-Prozess) mit isobarer Zwischenüberhitzung: a Anlagenschema; b Prozess im T; s-Diagramm

3–4: Isentrope Entspannung im Hochdruckteil der Dampfturbine vom Frischdampfzustand 3 auf einen mittleren Druck bis zum Sattdampfzustand 4 4–5: Isobare Zwischenüberhitzung im Zwischenüberhitzer (einem zusätzlichen Wärmeübertrager) bei mittlerem Druck bis zu einem weiteren Frischdampfzustand mit hoher Temperatur und mittlerem Druck 5 5–6: Isentrope Entspannung im Niederdruckteil der Dampfturbine vom Frischdampfzustand 5 auf einen sehr niederen Druck bis zum Sattdampfzustand 6 6–1: Isobare Kondensation im Kondensator bei sehr niederem Druck und annähernd Umgebungstemperatur vom Sattdampfzustand 6 auf den Zustand siedender Flüssigkeit 1

23

a) Es sind für den reversiblen Clausius-Rankine-Prozess (idealer Dampfkraftprozess) mit isobarer Zwischenüberhitzung allgemein zu bestimmen: die ideale Kreisprozess-

arbeit .We /id , die zugeführte Wärme Qzu , die abgeführte Wärme Qab und der thermische Wirkungsgrad th . b) Es ist der reversible Clausius-Rankine-Prozess (idealer Dampfkraftprozess) mit isobarer Zwischenüberhitzung mit Wasser bzw. Wasserdampf als Arbeitsmittel mit den folgenden Zuständen des Arbeitsmittels zu untersuchen: 1: 2: 3: 4: 5: 6:

0,04 bar (0,004 MPa); 29,0 ı C (siedende Flüssigkeit) 100 bar (10,0 MPa); 29,2 ı C (Flüssigkeit) 100 bar (10,0 MPa); 597 ı C (überhitzter Dampf) 4,0 bar (0,4 MPa); 144 ı C (Sattdampf) 4,0 bar (0,4 MPa); 606 ı C (überhitzter Dampf) 0,04 bar (0,004 MPa); 29,0 ı C (Sattdampf)

Der Massenstrom des Arbeitsmittels Wasser ist m P D 100 kg=s. Die Zustandsänderungen des Prozesses sind ins T; s-Diagramm für Wasser und Wasserdampf einzutra-

537 23.9  Beispiele für Zustandsdiagramme von Gasen und Flüssigkeiten: Das T; s-Diagramm und das lg p; h-Diagramm

(thermodynamisch exakter Wert unter Berücksichtigung der zugeführten spezifischen Verdichtungsarbeit: kJ h2 D 131 kg )

gen und daraus graphisch die Werte der spezifischen Enthalpien h1 , h2 , h3 , h4 , h5 und h6 zu ermitteln. Es kann vereinfachend von h1 D h2 ausgegangen werden. c) Wie groß sind die gewinnbare Dampfturbinenleistung PDT , die Kesselleistung QP Ke und die an die Umgebung abzuführende Kondensatorleistung QP Ko ? Welchen Wert weist der thermische Wirkungsgrad th des Prozesses auf? d) Wie groß ist der thermische Wirkungsgrad C th eines vergleichbaren Carnot-Prozesses mit der oberen Prozesstemperatur to D 600 ı C und der unteren Prozesstemperatur tu D 29 ı C?

kJ kg kJ h5 D 3717 kg h3 D 3618

Die Rechnungen werden mit den berechneten genaueren Werten ausgeführt. c)

Lösung: Die einzelnen Anlagenkomponenten sind offene Systeme. Hierfür gilt der Erste Hauptsatz (vgl. 7 Abschn. 22.6) in der Form

PDT D 100

V dp D Hj  Hi D m .hj  hi /

kJ kg .2738  3618 C 2554  3717/ s kg

kJ kg QP Ke D 100 .3618  121 C 3717  2738/ s kg QP Ke D 447:600 kW D 447;6 MW

i

Für eine isobare Zustandsänderung (dp D 0) von i nach j wird: Q D Hj  Hi D m .hj  hi / Für eine isentrope Zustandsänderung (dS D 0) von i nach j wird: Wt D Hj  Hi D m .hj  hi / Da der reversible Clausius-Rankine-Prozess ausschließlich aus isobaren und isentropen Zustandsänderungen besteht, sind für die Berechnungen jeweils die Differenzen der spezifischen Enthalpien hj  hi zu ermitteln. a) Die technische Arbeit (Druckänderungsarbeit) der Speisewasserpumpe kann vernachlässigt werden: Wt1–2 D m .h2  h1 / D 0

kJ kg

PDT D 204:300 kW D 204;3 MW P .h3  h2 C h5  h4 / QP Ke D QP 2–3 C QP 4–5 D m

Zj T dS C

i

P .h2  h1 / D 0 PP D m

P .h4  h3 C h6  h5 / PDT D P3–4 C P5–6 D m

Q C Wt D Hj  Hi D m .hj  hi / Zj

kJ kg kJ h6 D 2554 kg h4 D 2738

P .h1  h6 / QP Ko D QP 6–1 D m kJ kg QP Ko D 100 .121  2554/ s kg QP Ko D 243:300 kW D 243;3 MW jPDT j jh4  h3 C h6  h5 j D h3  h2 C h5  h4 QP Ke 204;3 MW D 0;4564 th D 447;6 MW th D

To  Tu To .873;15  302;15/ K D 0;6540 9 D 873;15 K

d) th C D

Damit wird:

th C

.We /id D Wt3–4 C Wt5–6 D m .h4  h3 C h6  h5 / Qzu D Q2–3 C Q4–5 D m .h3  h2 C h5  h4 / Qab D Q6–1 D m .h1  h6 / th D

j.We /id j Qzu

th D

jh4  h3 C h6  h5 j h3  h2 C h5  h4

b) Aus dem T; s-Diagramm abgelesene Werte: kJ kJ h2 D h1 D 130 kg kg kJ kJ h4 D 2720 h3 D 3620 kg kg kJ kJ h6 D 2550 h5 D 3720 kg kg h1 D 130

Mit Zustandsgleichungen berechnete genauere Werte: h1 D 121

kJ kg

h2 D h1 D 121

kJ kg

23.9.2

Das lg p; h-Diagramm für das Kältemittel R 134a

Das lg p; h-Diagramm für das Kältemittel R 134a (C2 H2 F4 ) (. Abb. 23.25) gibt den funktionalen Zusammenhang p D p.h; s/ wieder, wobei die spezifische Enthalpie h als Abszisse und der Druck p – hier logarithmisch aufgetragen – als Ordinate gewählt ist; die spezifische Entropie s erscheint als Parameter. Weiter sind Linien konstanter Celsiustemperatur # als Kurvenschar eingetragen. Da die Zustände der Flüssigkeitsphase durch niedrigere und die Zustände der Gasphase durch höhere spezifische Enthalpien sowie spezifische Entropien gekennzeichnet sind, befindet sich das Flüssigkeitsgebiet im linken und das Gasgebiet im rechten Teil des Diagramms. Bei der Verdampfung von 1 kg der Flüssigkeit wird, ausgehend vom Siedezustand der Flüssigkeit (Siedelinie),

23

538

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

. Abb. 23.25 Kompressions-Kaltdampfprozess im lg p; h-Diagramm

spezifische Wärme q zugeführt, wobei die spezifische Enthalpie h ansteigt; dabei wird das – zwischen dem Flüssigkeitsgebiet und dem Gasgebiet liegende – Nassdampfgebiet durchlaufen, bis der Zustand des Sattdampfs (Taulinie) erreicht ist. Bei isobarer Verdampfung des reinen Stoffs R 134a bleibt die Siedetemperatur konstant; wie im T; s-Diagramm sind im Nassdampfgebiet die Isobaren zugleich auch die Isothermen. Im abgebildeten lg p; h-Diagramm liegen die Werte für den Druck zwischen dem Tripeldruck 0;0003896 MPa D 0;003896 bar und 10;0 MPa D 100 bar. Die Werte für die spezifische Enthalpie überdecken den Bereich zwischen dem Wert am Tripelpunkt 71,45 kJ=kg und 550 kJ=kg. Die Linien konstanter spezifischer Entropie (Isentropen), die sich im Bereich zwischen dem Wert am Tripelpunkt 0;4426 kJ=.kg K/ und 2;6 kJ=.kg K/ bewegen, sind im Flüssigkeitsgebiet sehr steil; ihre Steigung nimmt mit höheren Werten von s ab. Die Werte für die Celsiustemperatur liegen zwischen der Tripeltemperatur 103;3 ı C und C150 ı C. Im Flüssigkeitsgebiet und im Gasgebiet verlaufen die Isothermen überwiegend sehr steil, im Nassdampfgebiet dagegen waagerecht; im Gebiet des idealen Gases ist ihr Verlauf senkrecht – gleichermaßen wie der Verlauf der Isenthalpen –, da dort die spezifische Enthalpie nur von der Temperatur und nicht vom Druck abhängt. 7 Beispiel

23

Eine Gefriertruhe steht in einem Raum mit der Temperatur 22 ı C. Im Innern der Truhe soll eine Temperatur von 18 ı C eingehalten werden. Hierzu wird ein KompressionsKaltdampfprozess eingesetzt, wobei das Kältemittel R 134a

verwendet wird. Der Kaltdampfprozess verläuft wie folgt (. Abb. 23.26a, b und c): 1–2: Isentrope Verdichtung des Sattdampfs 1 mit p1 D 1;0 bar und #1 D 26;4 ı C im Verdichter auf den Zustand 2 des überhitzten Dampfes mit p2 D 7;7 bar und #2 D 39;8 ı C unter Zufuhr der zeitbezogenen Arbeit (Verdichterleistung) Pt 12 D 0;210 kW D 210 W D 210 J=s 2–3: Isobare Abkühlung im Kondensator vom Zustand 2 auf den Zustand siedender Flüssigkeit 3 mit p3 D 7;7 bar und #3 D 30;0 ı C unter Abgabe der Wärmeleistung QP 23 3–4: Isenthalpe Drosselung im Expansionsventil vom Zustand 3 auf den Zustand 4 im Nassdampfgebiet mit p4 D p1 D 1;0 bar und #4 D #1 D 26;4 ı C 4–1: Isobare Verdampfung im Verdampfer vom Zustand 4 im Nassdampfgebiet auf den Sattdampfzustand 1 mit p1 D 1;0 bar und #1 D 26;4 ı C unter Aufnahme der Wärmeleistung QP 41 a) Der Prozess ist im lg p; h-Diagramm von R 134a (. Abb. 23.25) darzustellen, mit dessen Informationen die spezifischen Enthalpien h1 , h2 , h3 und h4 sowie die spezifischen Entropien s1 , s2 , s3 und s4 zu ermitteln sind. b) Wie groß ist der Massenstrom m P des Kältemittels? c) Wie groß ist die abgegebene Wärmeleistung QP 23 ? d) Welche Wärmeleistung (D Kälteleistung) QP 41 wird aufgenommen? e) Welchen Wert erreicht die Leistungszahl K des Kaltdampfprozesses, die als Verhältnis der aufgenommenen

539 23.10  Drosselung

a

b

c

. Abb. 23.26 Kompressions-Kaltdampfprozess: a Anlagenschema; b Prozess im T; s-Diagramm; c Prozess im lg p; h-Diagramm

Wärmeleistung QP 41 zur zugeführten Verdichterleistung Pt 12 berechnet wird? f) Wie groß wäre die Leistungszahl K D Tu =.To  Tu / eines linksläufigen reversiblen Carnot-Prozesses, der Kälte bei der Temperatur #u D 18 ı C (Kühltemperatur) bereitstellt und die Abwärme des Prozesses bei Umgebungslufttemperatur #o D 22 ı C abgibt? Woher rührt der Unterschied zwischen den Ergebnissen der Teilaufgaben e) und f)? Lösung: a) Aus dem ln p; h-Diagramm abgelesene Werte: kJ kg kJ h3 D 243 kg kJ s1 D 1;75 kg K kJ s3 D 1;14 kg K

h1 D 382

kJ kg kJ h4 D 243 kg kJ s2 D 1;75 kg K kJ s4 D 1;18 kg K h2 D 424

Mit Zustandsgleichungen berechnete genauere Werte: h1 D 383

kJ kg kJ h3 D 242 kg

h2 D 425

kJ kg K kJ s3 D 1;144 kg K

s2 D 1;748

s1 D 1;748

kJ kg kJ h4 D 242 kg kJ kg K kJ s4 D 1;177 kg K

Die Rechnungen werden mit den berechneten genaueren Werten ausgeführt. Pt 12 h2  h1 kJ kg kg 0;21 D 0;0050 m P D 425  383 s kJ s

P .h2  h1 / ) m P D b) Pt 12 D m

P .h3  h2 / c) QP 23 D m kJ kg  .242  425/ D 0;915 kW QP 23 D 0;0050 s kg

d) QP 41 D m P .h1  h4 / kJ kg QP 41 D 0;0050  .383  242/ D 0;705 kW s kg e) K D

QP 41 0;705 kW D 3;357 D Pt 12 0;210 kW

f) K D

Tu 255;15 K D 6;379 D To  Tu .295;15  255;15/ K

In Teilaufgabe f) wird der reversible Carnot-Vergleichsprozess als der bestmögliche linkslaufende Kreisprozess zugrunde gelegt. Der Kompressions-Kaltdampfprozess weicht hiervon ab, da die Temperatur nach der Verdichtung über dem Temperaturbereich der Wärmeabgabe liegt; weiter weist er wegen der isenthalpen Drosselung eine Irreversibilität auf. Außerdem treten in den beiden Wärmeübertragern Irreversibilitäten wegen der endlichen Temperaturdifferenzen To D #o D .30;0  22;0/ K D 8;0 K und Tu D #u D .18;00  .26;4// K D 8;4 K auf. Lediglich die isentrope Verdichtung ist als reversibel angenommen. Vor allem aufgrund der Irreversibilitäten ist die Leistungszahl des betrachteten Kompressions-Kaltdampfprozesses nur etwa halb so groß wie die des idealen Carnot-Prozesses. 9

23.10

Drosselung

Die Drosselung ist eine Zustandsänderung, bei der der Druck eines Gases bei gleichzeitiger Volumenvergrößerung abnimmt. Es erfolgt weder ein Wärmeaustausch noch eine Verrichtung von Arbeit. Da p1 v1 D p2 v2 D konst., ist unter der Voraussetzung praktisch gleich bleibender Strömungsgeschwindigkeit auch die Änderung der Enthalpie gleich null (Isenthalpe). Bei idealen Gasen bleibt die Temperatur während der Drosselung konstant. Der Drosselvorgang ist nicht umkehrbar (irreversibel). Ein Druckabfall durch Drosselung tritt auf, wenn in einem Rohr eine plötzliche Querschnittsverkleinerung vorgesehen wird (Drosselklappe, Drosselventil usw.) und ein strömendes Gas diese Drosselstelle überwinden muss (. Abb. 23.27).

23

Kapitel 23  Zustandsänderungen idealer Gase; reale Gase und Flüssigkeiten

540

. Abb. 23.27 Drosselstelle in einer Rohrleitung

den Mischungsdruck pMi gebracht, so werden die Volumen V1 ; V2 ; : : : ; Vn der Einzelgase kleiner als V Mi . Die Summe dieser Einzelvolumen ergibt das Gesamtvolumen des Gasgemisches:

Bei realen Gasen tritt während der Drosselung eine Temperaturabnahme oder Temperaturzunahme auf. Diese Erscheinung spielt bei der Verflüssigung von Gasen eine wichtige Rolle (Thomson-Joule-Effekt). Wird die Drosselung in einem Zustandsbereich von Fluiden vorgenommen, bei dem eine Temperaturabnahme auftritt, so kann dies für einen kältetechnischen Prozess genutzt werden („Kälteerzeugung“).

VMi D V1 C V2 C : : : C Vn

m3

(23.66)

Das Verhältnis des Volumens des Einzelgases (z. B. V 1 ) zum Gesamtvolumen V Mi der Mischung ist der Raumanteil (Volumenanteil) r (z. B. für Gas 1): r1 D

23.11

V

Mischungen idealer Gase

r

V1 VMi

V

1 m3

(23.67)

Die Summe aller Raumanteile r ist gleich 1. Die spezielle Gaskonstante der Gasmischung ergibt sich durch Addition der Zustandsgleichungen der Einzelgase:

Die thermische Zustandsgleichung ist sinngemäß auch für Gasgemische (Index Mi) gültig. Nach dem Gesetz von Dalton verhält sich jedes ideale Einzelgas mit der Masse m innerhalb der Gasmischung so, als würde es das Volumen 1 Herleitung V Mi des Gemisches bei der Mischungstemperatur #Mi .TMi / allein einnehmen. Damit stellt sich für jedes Teilgas ein entp1 VMi sprechender Teildruck p (Partialdruck) ein. Sind n Gase an der Gasmischung beteiligt, so gilt für jedes der Einzelgase: C pn VMi

p1 VMi D m1 Ri 1 TMi p2 VMi D m2 Ri 2 TMi usw. bis pn VMi D mn Ri n TMi

.p1 C : : : C pn /VMi D .m1 Ri 1 C : : : C mn Ri n /TMi

pMi D p1 C p2 C : : : C pn

mit

m kg

(23.64)

Das Verhältnis der Masse des Einzelgases (z. B. m1 ) zur Gesamtmasse mMi der Mischung ist der Massenanteil  (z. B. für Gas 1):

23

m1 mMi

 m 1 kg

pMi VMi D mMi .1 Ri 1 C : : : C n Ri n / TMi pMi VMi D mMi Ri Mi TMi

Die Gesamtmasse mMi des idealen Gasgemisches ist gleich der Summe der Massen m1 ; m2 ; : : : ; mn der Einzelgase:

1 D

pMi VMi

(23.63)

N 1 2 D 1 Pa m

mMi D m1 C m2 C : : : C mn

mMi .m1 Ri 1 C : : : C mn Ri n / TMi mMi   m1 mn D mMi Ri1 C : : : C Ri n TMi mMi mMi

.p1 C : : : C pn /VMi D

Der Gesamtdruck pMi des idealen Gasgemisches ist gleich der Summe der Partialdrücke p1 ; p2 ; : : : ; pn der Einzelgase:

p N m2

D m1 Ri 1 TMi :: : D mn Ri n TMi

(23.65)

Die Summe aller Massenanteile  ist gleich 1. Werden die Teilgase aus der Mischung herausgelöst und bei der Temperatur #Mi (D Mischungstemperatur) auf

Ri Mi D 1 Ri 1 C 2 Ri 2 C : : : C n Ri n  1

(23.68)

Ri J kg K

Die Partialdrücke p1 ; p2 ; : : : ; pn ergeben sich aus dem Gesamtdruck pMi der Mischung, wenn die Massenanteile  oder die Raumanteile r der Einzelgase gegeben sind. Partialdruck (z. B. für Gas 1): p1 D 1 p N m2

Ri 1 p D r1 pMi (23.69) Ri Mi Mi  Ri r J 1J D 1Nm D 1Ws 1 1 kg K

541 23.11  Mischungen idealer Gase

Weiterhin gelten für die Gasgemische folgende Gleichungen. Für die spezifische Wärmekapazität des Gasgemisches: cp Mi D 1 cp 1 C 2 cp 2 C : : : C n cp n cv Mi D 1 cv 1 C 2 cv 2 C : : : C n cv n

(23.70) (23.71)



c J kg K

1

cp 1 . . . cp n und cv 1 . . . cv n sind die spezifischen Wärmekapazitäten der Einzelgase. Die Dichte des Gasgemisches wird: Mi D r1 1 C r2 2 C : : : C rn n  kg m3

(23.72)

r 1

1 . . . pn sind die Dichten der Einzelgase. Die molare Masse (Molmasse) des Gasgemisches wird: Mr Mi D r1 Mr 1 C r2 Mr 2 C : : : C rn Mr n

(23.73)

M r 1 1 M r 1 . . . M r n sind die molaren Massen (Molmassen) der Einzelgase. Temperatur eines Gasgemisches siehe unter 7 Abschn. 21.4.

b) Ri Mi D 1 Ri 1 C 2 Ri 2 J .für Sauerstoff/ Ri 1 D 260 kg K J Ri 2 D 297 .für Stickstoff/ kg K J J Ri Mi D 0;232  260 C 0;768  297 kg K kg K J Ri Mi D 288 kg K c) cp Mi D 1 cp 1 C 2 cp 2 J cp 1 D 913 kg K J cp 2 D 1038 kg K J J C 0;768  1038 cp Mi D 0;232  913 kg K kg K J cp Mi D 1009 kg K Ri 1 N d) p1 D 1 p I pMi D 1;013  105 2 Ri Mi Mi m 260 kgJK N p1 D 0;232 1;013  105 2 m 288 kgJK p1 D 0;212  105

N D 0;212  105 Pa D 0;212 bar m2

Ri 2 pMi Ri Mi 297 kgJK N p2 D 0;768 1;013  105 2 m 288 kgJK

p2 D 2

N D 0;801  105 Pa D 0;801 bar m2 0;212  105 mN2 D D 0;21 1;013  105 mN2

p2 D 0;801  105 7 Beispiel Atmosphärische Luft enthält etwa 23,2 Massenprozente Sauerstoff und 76,8 Massenprozente Stickstoff, Dabei sind geringe Mengen Argon, Wasserdampf und Kohlendioxid (zusammen etwa 1 %) vernachlässigt. Die Luft steht unter einem Druck von 1,01325 bar und besitzt eine Temperatur von 0 °C. a) Wie groß sind die Massenanteile 1 und 2 ? b) Wie groß ist die spezielle Gaskonstante Ri Mi der Mischung? c) Wie groß ist die wahre spezifische Wärmekapazität cp Mi der Mischung? d) Wie groß sind die Partialdrücke p1 und p2 der Teilgase? e) Wie groß sind die Raumanteile r1 und r2 der Teilgase und damit die Volumenprozente? f) Wie groß ist die molare Masse M r Mi der Mischung? g) Wie groß ist die Dichte Mi der Mischung? Lösung: 23;2 D 0;232 100 76;8 2 .Stickstoff/ D D 0;768 100

a) 1 .Sauerstoff/ D

e) r1 D

p1 pMi

(21 Volumenprozente Sauerstoff) r2 D

0;801  105 p2 D pMi 1;013  105

N m2 N m2

D 0;79

(79 Volumenprozente Stickstoff) f) Mr Mi D r1 Mr 1 C r2 Mr 2 Mr 1 D 32 kg=kmol; für Sauerstoff .O2 / Mr 2 D 28 kg=kmol; für Stickstoff .N2 / Mr Mi D .0;21  32 C 0;79  28/ kg=kmol Mr Mi D 28;8 kg=kmol g) Mi D r1 1 C r2 2 1 D 1;429 kg=m3 ; für Sauerstoff bei 0 ı C und 1,01325 bar 2 D 1;251 kg=m3 ; für Stickstoff bei 0 ı C und 1,01325 bar Mi D 0;21  1;429 kg=m3 C 0;79  1;251 kg=m3 Mi D 1;288 kg=m3 9

23

543

Wärmeübertragung Martin Dehli

24.1

Allgemeines

. Tabelle 24.1 Wärmeleitfähigkeit  in W=(m K) für feste, flüssige und gasförmige Stoffe bei 20 °C

Nach dem Zweiten Hauptsatz kann Energie in Form von Wärme nur dann von einem kälteren auf einen wärmeren Stoffbereich übergehen, wenn dieser Vorgang durch mechanische Arbeit erzwungen wird. Eine selbsttätige Wärmeübertragung kann nur von einer Zone höherer Temperatur ausgehen und in Richtung auf Bereiche mit niedrigerer Temperatur ablaufen. Voraussetzung für jede selbsttätige Wärmeübertragung ist also das Vorhandensein eines Temperaturgefälles. Die Energieübertragung zwischen Stoffen verschiedener Temperatur ist beendet, wenn sich ein energetischer Gleichgewichtszustand eingestellt hat und nach der Wärmeübertragung überall die gleiche Temperatur herrscht (Temperaturausgleich). Energie in Form von Wärme wird durch Wärmeleitung, Wärmeübergang (Wärmekonvektion) und Wärmestrahlung übertragen.

Aluminium Beton

1,28

Erde (trocken)

0,4–0,5

Glas

1,16

Glaswolle

0,038

Gusseisen

Wärmeleitung

Unter Wärmeleitung versteht man den Energietransport innerhalb eines Stoffes. Dieser Wärmestrom kommt in der Weise zustande, dass stärker erwärmte Stoffbereiche so lange Energie an benachbarte und weniger stark erwärmte Stoffteilchen abgeben, bis sich nach erfolgtem Energieausgleich überall die gleiche Temperatur einstellt. Das Wärmeleitvermögen der einzelnen Stoffe ist unterschiedlich. Es wird ausgedrückt durch die Wärmeleitfähigkeit . Die Wärmeleitfähigkeit wird experimentell für die verschiedenen Stoffe ermittelt und ist von der Temperatur abhängig (vgl. . Tab. 24.1). Bei Gasen zeigt sich außerdem eine Druckabhängigkeit. Für eine ebene Wand (. Abb. 24.1) mit der Fläche A und der Dicke s (Leitweglänge) ergibt sich bei einer Temperaturdifferenz #1  #2 in der Zeit t folgende, durch Wärmeleitung übertragene Wärme: A .#1  #2 /t s Ql  A W J m2 mK

Ql D 

0,09–0,16

Holz (längs zur Faser)

0,35

Kesselstein

1,2

Kupfer

#

m

ı

394,0

Luft

0,026

Mauerwerk

0,6–0,88 95,0

Öle

0,13–0,17

Papier

0,14

Polystyrol (geschäumt)

0,035–0,04

Porzellan

0,95–1,2

Quecksilber

9,5

Silber

428,0

Stahl (0,1 % C)

54,0

Stahl (0,6 % C)

45,0

Wasser

0,59

Zink

113,0

Zinn

65,0

. Abb. 24.1 Wärmeleitung durch eine ebene Wand

(24.1) s

45,0

Holz (quer zur Faser)

Messing

24.2

210,0

t

C s

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_24

24

544

Kapitel 24  Wärmeübertragung

putzten Außenwand aus Ziegelsteinen hindurchgeleitet wird, wenn die Temperatur auf der Innenfläche der Wand 22 °C und auf der Außenfläche 20 °C beträgt (Wärmeleitfähigkeit  D 0;872 W=.m K/)? Lösung: A Ql D  .#1  #2 / t s #1  #2 D 22 ı C  .20 ı C/ D 42 ı C D 42 K . Abb. 24.2 Wärmeleitung durch ein dickwandiges Rohr

Ql D 0;872

Bei dickwandigen Rohren mit den Durchmessern d und D (. Abb. 24.2) und einer Länge L ergibt sich bei einer Temperaturdifferenz #1  #2 in der Zeit t folgende, durch Wärmeleitung übertragene Wärme Ql D

2 L .#1  #2 /t D ln d Ql  L; D; d W J m mK

(24.2) #

t

ı

s

C

Dünnwandige Rohre können wie ebene Flächen behandelt werden. Als Fläche ist hier die innere Mantelfläche d   L in Rechnung zu setzen. Stoffe mit geringem elektrischem Widerstand, d. h. gutem elektrischem Leitvermögen, sind auch gute Wärmeleiter. Sie erwärmen sich schnell und kühlen ebenso schnell wieder ab. Gute Wärmeleiter sind alle Metalle. Das Wärmeleitvermögen von Glas und porösen Stoffen ist nur gering. Luft und Wasser sind, wie alle Gase und Flüssigkeiten, schlechte Wärmeleiter, wenn eine Zirkulationsbewegung innerhalb des Stoffes verhindert wird. Der beste Wärmeisolator ist das Vakuum.

1 m2 1J W   42 K  3600 s  m K 0;38 m Ws

Ql D 0;347  106 J 9

24.3

Wärmeübergang (Wärmekonvektion)

Unter Wärmeübergang versteht man den Energietransport zwischen verschiedenen Stoffen mit unterschiedlicher Temperatur. Die Energieübertragung findet in der Berührungszone der beiden Stoffe statt und setzt ein Temperaturgefälle voraus. Nach erfolgtem Wärmeübergang besitzen beide Stoffe in der Berührungszone die gleiche Temperatur # (. Abb. 24.3 und 24.4). Bei Flüssigkeiten oder Gasen (Fluiden) wird die Energieübertragung durch Strömungsvorgänge unterstützt. Werden z. B. Flüssigkeits- oder Gasteilchen an der heißen Außenfläche eines festen Körpers erwärmt, so dehnen sie sich aus und erfahren einen Auftrieb (. Abb. 24.4). Auf der Gas- oder Flüssigkeitsseite setzt im Bereich der

7 Beispiel Welche Wärme wird in 1 Minute durch eine Aluminiumplatte hindurchgeleitet, wenn die Plattenfläche A D 3 m2 und die Materialdicke s D 12 mm beträgt? Der Temperaturunterschied zwischen den beiden Plattenflächen ist 350 ı C D 350 K. . Abb. 24.3 Wärmeübergang zwischen zwei festen Stoffen

Lösung:  D 210

W mK

A .#1  #2 / t s 3 m2 1J W   350 K  60 s  Ql D 210 m K 0;012 m Ws Ql D 

Ql D 1;1  109 J 9 7 Beispiel

24

Wie groß ist die Wärme, die bei einem älteren Gebäude stündlich durch jeden Quadratmeter einer 38 cm dicken, unver-

. Abb. 24.4 Wärmeübergang von einem festen Stoff auf eine Flüssigkeit oder ein Gas

24

545 24.4  Wärmedurchgang

. Tabelle 24.2 Wärmeübergangskoeffizienten ˛ in W=m2 K zwischen einer Metallwand und Luft bzw. Wasser Ruhende Luft

5–10

Bewegte Luft mit Strömungsgeschwindigkeit 10 m=s

45–70

20 m=s

95–120

40 m=s

150–190

50 m=s

190–220

Ruhendes Wasser

600

24.4

Wärmedurchgang

Sind Flüssigkeiten oder Gase von unterschiedlicher Temperatur durch eine feste Wand voneinander getrennt, so findet eine Energieübertragung statt, die sich aus Wärmeleitung und Wärmeübergang zusammensetzt. Diese kombinierte Form der Wärmeübertragung wird als Wärmedurchgang bezeichnet. Betragen die mittleren Temperaturen der Flüssigkeiten oder Gase zu beiden Seiten der Trennwand #1 und #2 , so ergibt sich bei einer ebenen Wandfläche A in der Zeit t folgende durchgehende Wärme:

Bewegtes Wasser mit Strömungsgeschwindigkeit bis zu 1 m=s

1700–3700

Qd D k A.#1  #2 / t Qd

k W m2 K

(24.4) A

#

t

heißen Wand eine Auftriebsströmung ein, bei der die J m2 ı C s übertragene Energie mitgeführt wird (Mitführung D Konvektion). Durch diesen Strömungsvorgang werden immer In dieser Gleichung ist k der Wärmedurchgangskoeffizient wieder neue Flüssigkeits- oder Gasteilchen mit der mitt(kurz: k-Wert). In der Bautechnik wird der k-Wert auch als leren Temperatur #m an die heiße (#) Außenfläche des U -Wert bezeichnet. festen Körpers herangeführt und damit das TemperaturgeDer Wärmedurchgangskoeffizient k wird aus den Wärfälle # an der Übergangsfläche dauernd wirksam. Wird meübergangskoeffizienten ˛ sowie der Wärmeleitfähigkeit die Zirkulation und Konvektion durch geeignete Maßnah des festen Stoffes und dessen Dicke s berechnet. men verhindert, so wirken Flüssigkeiten und Gase wegen Für eine einschichtige, ebene Wand (. Abb. 24.5) gilt: ihres geringen Wärmeleitvermögens als Wärmeisolatoren. Der Wärmeübergang kann verstärkt werden, wenn man die 1 Herleitung Strömungsbewegung durch ein Druckgefälle erzwingt. Übergehende Wärme vom Stoff 1 auf die Wand Beträgt die Temperatur an der Außenwand eines festen Körpers # und ist #m die mittlere Temperatur des Gases Q1–W D ˛1 A.#1  #w 1 / t oder der Flüssigkeit, so ergibt sich bei einer Berührungsfläche A in der Zeit t folgende übergehende Wärme: durchgeleitete Wärme durch die Wand (24.3) Qü D ˛A.#  #m / t A Qü ˛ A # t QW D  .#W 1  #W 2 / t s W 2 ı J m C s m2 K übergehende Wärme von der Wand auf den Stoff 2 In dieser Gleichung ist ˛ der Wärmeübergangskoeffizient. Der Wärmeübergangskoeffizient fasst eine Reihe von Einflüssen zusammen, die von der Wärmeleitung und von der Wärmekonvektion her den Wärmeübergang beeinflussen. Hierbei wirken sich neben der Temperaturdifferenz insbesondere die Strömungsgeschwindigkeit und die Art der Strömung (laminar oder turbulent) aus. Auch die Lage der Übergangsfläche zur Strömungsrichtung der Flüssigkeit oder des Gases ist von Einfluss. Eine Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten ˛ kann durch Rechnung mit Hilfe empirischer Formeln erfolgen. Die Berechnung ist selbst für einfache Fallvorgaben aufwändig und im Ergebnis unsicher. Der ˛-Wert wird daher zuverlässiger durch fallbezogene Versuche ermittelt. Erfahrungswerte wie nach . Tab. 24.2 eignen sich nur für sehr überschlägige Betrachtungen.

QW–2 D ˛2 A.#W 2  #2 / t

. Abb. 24.5 Wärmedurchgang durch eine einschichtige, ebene Wand

546

Kapitel 24  Wärmeübertragung

. Abb. 24.6 Wärmedurchgang durch eine zweischichtige, ebene Wand . Abb. 24.7 Wärmedurchgang durch ein einschichtiges Rohr

Die Wärmemengen sind untereinander gleich: und #a , so ergibt sich bei einer Rohrlänge L in der Zeit t folgende durchgehende Wärme:

Q1–W D QW D QW–2 D Qd : Qd #1  #W 1 D ˛1 A t Qd s #W 1  #W 2 D At Qd #W 2  #2 D ˛2 A t X # D #1  #W 1 C #W 1  #W 2 C #W 2  #2

1 1 s 1 C C ˛1  ˛2

k; ˛ W m2 K

 W mK

L

#

t

m

ı

s

C

(24.5)

Setzt sich die ebene Wand aus mehreren Schichten mit unterschiedlichem Wärmeleitvermögen zusammen, so kann die Berechnungsgleichung für k entsprechend erweitert werden. Wird die Trennwand aus zwei Schichten gebildet (. Abb. 24.6), so folgt der Wärmedurchgangskoeffizient für eine zweischichtige, ebene Wand:

Q1–R D ˛i A.#i  #Ri / t Q1–R D ˛i d   L.#i  #Ri / t durchgeleitete Wärme durch die Rohrwand QR D

2 L .#Ri  #Ra / t D ln d

übergehende Wärme von der Rohrwand auf den Stoff 2 (außen) QR–2 D ˛a A.#Ra  #a / t QR–2 D ˛a D   L.#Ra  #a / t Die Wärmemengen sind untereinander gleich:

kD

24

1 1 s1 s2 1 C C C ˛1 1 2 ˛2

k; ˛ W m2 K

 W mK

s m

(24.7)

Übergehende Wärme von Stoff 1 (innen) auf die Rohrwand

s m

J

k W mK

1 Herleitung

Aus dieser Herleitung folgt der Wärmedurchgangskoeffizient für eine einschichtige, ebene Wand: kD

Qd

In dieser Gleichung ist k der auf 1 m Rohrlänge bezogene Wärmedurchgangskoeffizient. Der Wärmedurchgangskoeffizient k wird aus den Wärmeübergangskoeffizienten ˛ sowie der Wärmeleitfähigkeit  des festen Rohrwerkstoffes und den Rohrdurchmessern d und D berechnet. Für ein einschichtiges Rohr (. Abb. 24.7) gilt:

D #1  #2

  1 Qd s 1 C C # D #1  #2 D A t ˛1  ˛2 Qd Qd D #1  #2 D 1 At k At 1 s 1 C C ˛1  ˛2 X

Qd D k L.#i  #a / t

(24.6)

Diese Gleichung kann durch Hinzufügen weiterer Glieder s/ (im Nenner) auf eine beliebige Schichtanzahl erweitert werden. Betragen die mittleren Temperaturen der Flüssigkeiten oder Gase auf der Innen- oder Außenseite eines Rohres #i

Q1–R D QR D QR–2 D Qd : Qd #i  #Ri D ˛i d   L t D Qd ln d #Ri  #Ra D 2 Lt Qd #Ra  #a D ˛a D   L t

547 24.4  Wärmedurchgang

X X

# D #i  #Ri C #Ri  #Ra C #Ra  #a D #i  #a

# D #i  #a   1 Qd 1 D 1 #i  #a D C ln C   L t ˛i d 2 d ˛a D Qd Qd #i  #a D D   L tk Lt 1 1 D 1 C ln C ˛i d 2 d ˛a D

Aus dieser Herleitung folgt für den Wärmedurchgangskoeffizienten für ein einschichtiges Rohr: kD

  1 1 D 1 C ln C ˛i d 2 d ˛a D ˛ D; d  k W W W m m K m2 K mK

(24.8)

7 Beispiel

Setzt sich das Rohr aus mehreren Schichten mit unterschiedlichem Wärmeleitvermögen zusammen, so kann die Berechnungsformel für k entsprechend erweitert werden. Wird das Rohr aus zwei Schichten gebildet (. Abb. 24.8), so folgt für den Wärmedurchgangskoeffizienten für ein zweischichtiges Rohr: kD

  1 1 d C ln C ˛ i di 21 di ˛ d k W W m m K m2 K

1 da 1 ln C 22 d ˛ a da  W mK

. Abb. 24.8 Wärmedurchgang durch ein zweischichtiges Rohr

(24.9)

Ein Büroraum besitzt ein neues Fenster von 3 m2 Glasfläche. Die Lufttemperatur im Innern des Raumes beträgt #1 D 22 °C. Temperatur der Außenluft #2 D 10 °C. Welche Wärme tritt in jeder Stunde durch dieses Fenster hindurch, wenn der Wärmedurchgangskoeffizient k D 0;7 W=.m2 K/ beträgt? Lösung: Qd D k A.#1  #2 / t #1  #2 D 22 ı C  .10 ı C/ D 32 ı C D 32 K Qd D 0;7

W 1J  3 m2  32 K  3600 s  m2 K Ws

Qd D 242:000 J D 242 kJ 9

Beispiel

Wie groß ist der Wärmedurchgangskoeffizient bei einem älteren Gebäude für eine 38 cm dicke Ziegelstein-Außenwand (2 D 0;872 W=.m K/), die innen und außen mit einer Putzschicht von je 1,5 cm Dicke versehen ist (Innenputz 1 D 0;697 W=.m K/; Außenputz 3 D 0;872 W=.m K/)? Wärmeübergang innen ˛1 D 8;14 W=.m K/ Wärmeübergang außen ˛2 D 23;2 W=.m K/ Lösung: kD

1 1 s1 s2 s3 1 C C C C ˛1 1 2 3 ˛2

kD

1 1 0;015 m 0;38 m 0;015 m 1 C C C C W W W W 8;14 m2 K 0;697 m K 0;872 m K 0;872 m K 23;2 mW 2K

k D 1;56

W m2 K

24

Kapitel 24  Wärmeübertragung

548

Beispiel

Durch ein 20 m langes Stahlrohr von d D 100 mm Innendurchmesser und 5 mm Wanddicke strömt Dampf mit einer mittleren Temperatur von #i D 180 °C. Die mittlere Temperatur der umgebenden Luft beträgt #a D 20 °C. a) Welche Wärme tritt in 1 Stunde von innen durch die Rohrwand hindurch nach außen? ˛i D 1;163  104 W=.m2 K/ 1 D 48;9 W=.m K/ ˛a D 12;8 W=.m2 K/ b) Welche hindurchtretende Wärme ergibt sich, wenn das Rohr außen durch eine 50 mm dicke Dämmschicht (2 D 0;04 W=.m K/) isoliert ist? In diesem Fall ist ˛a D 10;48 W=.m2 K/. Lösung: a) Qd D k L.#i  #a / t   kD 1 D 1 1 ln C C ˛i d 2 1 d ˛a D kD

1 1;163  104

Qd D 4;41

W m2 K

3;14 W D 4;41 0;11 m 1 1 mK  ln C C 0;1 m  0;1 m 2  48;9 mWK 12;8 mW 2 K  0;11 m

W 1J  20 m  160 K  3600 s  D 50;8  106 J mK Ws

b) Qd D k L.#i  #a / t kD

  1 d 1 da 1 1 ln C ln C C ˛i d 2 1 di 2 2 d ˛ a da

kD

1 1;163  104

k D 0;368 Qd D 0;368

24.5

24

W m2 K

3;14 0;11 0;21 1 1 1  ln  ln C C C W W W 0;1 0;11  0;1 m 2  48;9 m K 2  0;04 m K 10;48 m2 K  0;21 m

W mK W 1J  20 m  160 K  3600 s  D 4;24  106 J mK Ws

Wärmestrahlung

Zwischen Körpern verschiedener Temperatur wird Wärme nicht nur durch Wärmeleitung oder Wärmekonvektion, sondern stets auch gleichzeitig durch Wärmestrahlung übertragen. Überall dort, wo Vorgänge der Wärmeübertragung ablaufen, wird die Bewegungsenergie der Stoffteilchen zum Teil auch in Strahlungsenergie umgewandelt und abgestrahlt. Der Anteil der Strahlungswärme an der gesamten Energieübertragung ist bei niedrigen Temperaturen gering. Die Wärmestrahlen gehören zu den elektromagnetischen Wellen und liegen nur bei hohen Temperaturen im

sichtbaren Frequenzbereich. Ausbreitung, Reflexion und Brechung erfolgen nach den für Lichtstrahlen geltenden Gesetzmäßigkeiten. Die auf einen bestrahlten Körper auftreffende Strahlungsenergie kann absorbiert, reflektiert oder hindurchgelassen werden. Der absorbierte Teil der Strahlungsenergie wird wieder in Bewegungsenergie der Teilchen umgewandelt und erwärmt den angestrahlten Körper, der damit in verstärktem Maße zu einer Quelle eigener Ausstrahlung (Emission) wird. Ein Körper, der die gesamte auftreffende Strahlungsenergie absorbiert, wird absolut schwarzer Körper genannt. Absorption und Emission sind hier am größten.

549 24.5  Wärmestrahlung

. Tabelle 24.3 Emissionsgrad  Absolut schwarzer Körper

1

Aluminium (unbehandelt)

0,07–0,09

Aluminium (poliert)

0,04

Glas

0,93

Gusseisen (ohne Gusshaut)

0,42

Kupfer (poliert)

0,045

Messing (poliert)

0,05

Öle

0,82

Porzellan (glasiert)

0,92

Stahl (poliert)

0,28

Stahlblech (verzinkt)

0,23

Stahlblech (verzinnt)

0,06–0,08

Dachpappe

0,91

. Abb. 24.9 Schematische Darstellung der Wärmestrahlung zwischen zwei parallelen ebenen Flächen bei 1 D 2 D 0;28 und T1 > T2

Die von einem absolut schwarzen Körper mit der Fläche A in der Zeit t ausgestrahlte Wärme Qs ist von der Körpertemperatur T abhängig und ergibt sich aus dem Gesetz von Stefan und Boltzmann: Qs D A T 4 t Q J

W m2 K4

(24.10) t



A

T

m2

K s 1

1 Herleitung

In dieser Formel ist die Stefan-Boltzmann-Konstante. Sie beträgt 5;67  108 W m2 K4 . Den absolut schwarzen Körper gibt es in Wirklichkeit nicht. Die Wärme Qs wird nur durch Hohlraumstrahlung annähernd erreicht. Das Ausstrahlungsvermögen wirklicher Körper ist geringer und wird durch den Emissionsgrad  ausgedrückt. Damit ergibt sich die abgestrahlte Wärme eines wirklichen Körpers: Q D  Qs

die Absorptionsfähigkeit eines angestrahlten Körpers. Liegt z. B. ein Emissionsgrad  D 0;28 vor, so werden 28 % der auftreffenden Strahlung absorbiert und 72 % reflektiert. Wirkliche Körper mit dunklen und matten Oberflächen absorbieren den größten Teil der auftreffenden Strahlungsenergie und sind selbst auch entsprechend strahlungsintensiv. Der Emissionsgrad  ist hier also relativ groß. Körper mit hellen und glatten Oberflächen zeigen nur ein geringes Absorptions- und Emissionsvermögen. Findet zwischen zwei sich gegenüberstehenden Körpern 1 und 2 mit den Temperaturen T 1 und T 2 (< T1 ) ein Energieaustausch Q1–2 und Q2–1 durch Wärmestrahlung statt, so ergibt sich für zwei parallel gegenüberliegende ebene Flächen gleicher Größe A in der Zeit t in Richtung des Temperaturgefälles folgende durch Wärmestrahlung übertragene Wärme Q1;2 (. Abb. 24.9):

(24.11)

Der Emissionsgrad (< 1) ist von der Stoffart und der Temperatur des strahlenden Körpers sowie von seiner Oberflächenbeschaffenheit abhängig. Er wird bei Metallen mit zunehmender Temperatur größer und ist bei nicht metallischen Stoffen im Allgemeinen etwas kleiner (vgl. . Tab. 24.3). Das Strahlungsvermögen und das Absorptionsvermögen wirklicher Körper stehen zu den Werten des absolut schwarzen Körpers im gleichen Verhältnis (Kirchhoff’sches Gesetz). Der Emissionsgrad kennzeichnet deshalb nicht nur das Ausstrahlungsvermögen, sondern auch

Gesamtstrahlung von Körper 1 nach Körper 2, zusammengesetzt aus emittierter Wärme Q1 und reflektierter Wärme Qr1 : Q1–2 D Q1 C Qr1 D Q1 C .1  1 /Q2–1 Q1–2 D Q1 C .1  1 /ŒQ2 C .1  2 /Q1–2  Die Auflösung nach Q1–2 ergibt: Q1–2 D

Q1 C .1  1 / Q2 1 C 2  1 2

Gesamtstrahlung von Körper 2 nach Körper 1, zusammengesetzt aus emittierter Wärme Q2 und reflektierter Wärme Qr2 : Q2–1 D

Q2 C .1  2 / Q1 1 C 2  1 2

Durch Wärmestrahlung übertragene Wärme: Q1;2 D Q1–2  Q2–1 D

2 Q1  1 Q2 1 C 2  1 2

24

550

Kapitel 24  Wärmeübertragung

Mit Q1 D 1 Qs1 und Q2 D 2 Qs2 erhält man: Q1;2 Q1;2

Q1;2

Lösung:

Q1;2 D C1;2 A T14  T24 t

2 1 Qs1  1 2 Qs2 D 1 C 2  1 2 1 2 .Qs1  Qs2 / .Qs1  Qs2 / D D 1 1 1 C 2  1 2 C 1 1 2

A T14  T24 t D 1 1 C 1 1 2

T1 D 353 K;

C1;2

C1;2 Q1;2

Q1;2

(24.12)

DIN-Normen

Damit ergibt sich für die ausgetauschte Wärme:

Q1;2 D C1;2 A T14  T24 t Q J

C W m2 K4

(24.13)

A

T

t



m2

K s

1

7 Beispiel Zwei verzinkte Stahlbleche mit gleichen Flächen von je 2,5 m2 stehen sich parallel gegenüber. Die Bleche weisen unterschiedliche Temperaturen auf. Die Temperatur des heißeren Bleches (1) beträgt 80 °C, die des weniger warmen Bleches (2) 10 °C. Welche Wärme wird in 30 min zwischen den beiden Blechen durch Wärmestrahlung ausgetauscht?

24

5;67  108 m2WK4 D 1 1 1 1 C 1 C 1 1 2 0;23 0;23 W D 0;74  108 2 4 m K W 8 D 0;74  10  2;5 m2  m2 K4 1J  Œ3534  2834  K4  1800 s  Ws D 303:468 J 9

C1;2 D

In dieser Gleichung ist der erste Faktor die Strahlungsaustauschzahl C1;2 : D 1 1 C 1 1 2

T2 D 283 K

DIN 1304-1 Formelzeichen, Allgemeine Formelzeichen DIN 1341 Wärmeübertragung, Begriffe, Kenngrößen DIN 1345 Thermodynamik, Grundbegriffe

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Baehr, H.D., Kabelac S.: Thermodynamik. Springer, Berlin (2016) 2. Cerbe, G., Wilhelms, G.: Technische Thermodynamik. Hanser Fachbuchverlag, München (2016) 3. Dehli, M., Doering, E., Schedwill, H.: Grundlagen der Technischen Thermodynamik. Springer Vieweg, Wiesbaden (2020) 4. Geller, W.: Thermodynamik für Maschinenbauer. Springer, Berlin (2006) 5. Langeheinecke, K., Thieleke, G., Langeheinecke, K., Kaufmann, A.: Thermodynamik für Ingenieure. Springer Vieweg, Wiesbaden (2020) 6. Windisch, H.: Thermodynamik. Oldenbourg, München (2017)

551

Verbrennung Martin Dehli

. Abb. 25.1 Auf Kohlenstoff bezogene, atomare Wasserstoff- und Sauerstoffgehalte verschiedener Brennstoffe

Wärme wird gegenwärtig vor allem durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Steinkohle, Braunkohle, Mineralölprodukte und Erdgas erzeugt; daneben haben für wärmetechnische Prozesse auch die Kernspaltung sowie die Nutzung von Biomasse und von Solarenergie Bedeutung. Im Folgenden wird auf die Berechnung von Verbrennungsvorgängen von fossilen Energieträgern und von Biomasse eingegangen (vgl. z. B. [1, 2]). Brennstoffe können aus Stoffen mit unterschiedlichen Bestandteilen und mit unterschiedlichen chemischen Verbindungen zusammengesetzt sein; häufig bestehen solche Verbindungen aus Kohlenstoff C, Wasserstoff H und Sauerstoff O (vgl. . Abb. 25.1 [3]). Brennstoffe werden in einem Reaktionsraum (z. B. dem Feuerungsraum eines Heizkessels, der Brennkammer einer Gasturbine, dem Zylinder eines Verbrennungsmotors u. ä.) verbrannt (vgl. . Abb. 25.2). Die dabei ablaufenden chemischen Reaktionen stellen Oxidationen des Brennstoffs bzw. der Brennstoffgemischs dar, wobei der erforderliche Sauerstoff zumeist der zugeführten Luft entnommen wird. Je nach Brennstoff und zugeführter Luftmenge bilden sich Produkte einer vollständigen Verbrennung in unterschiedlicher Zusammensetzung; daneben können auch unverbrannte bzw. nur teilweise verbrannte Stoffe auftreten. Diese lassen sich mit den Bezeichnungen Verbrennungsgas (Abgas, Rauchgas), Ruß und Asche bzw. Schlacke erfassen. Um den Verbrennungsvorgang rechnerisch wiedergeben zu können, sind eine Mengenbilanz und eine Energiebilanz notwendig.

. Abb. 25.2 Verbrennungsvorgang

25.1

Brennstoffe

Es werden feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe voneinander unterschieden. Zur Beschreibung von Verbrennungsvorgängen liegt es nahe, die jeweiligen Zustandsgrößen auf die Mengen der eingesetzten Brennstoffe zu beziehen. Als Mengengröße dient bei festen und flüssigen Brennstoffen in der Regel die Masse m in kg. Bei gasförmigen Brennstoffen hat sich als weitere Mengengröße das Normvolumen Vn bzw. V0 (7 Abschn. 21.3) bewährt. Zur Unterscheidung von Volumina bei beliebigen Zuständen (angegeben in m3 ) werden im Folgenden Normvolumina V0 in der – in der Praxis oft verwendeten – Einheit Nm3 angegeben. Weiter ist z. B. zur Erfassung von Verbrennungsreaktionen auch die Mengengröße Stoffmenge (Molmenge, molare Menge, Substanzmenge) n in kmol nützlich. 25.1.1

Gasförmige Brennstoffe

Gasförmige Brennstoffe (Brenngase) können technisch reine Stoffe oder – häufiger – Gemische aus brennbaren, kohlenstoff- und wasserstoffhaltigen Bestandteilen sowie unbrennbaren (inerten) Bestandteilen sein. Brennbare Bestandteile sind z. B. Wasserstoff (H2 ), Kohlenmonoxid (CO), als einfachster Kohlenwasserstoff Methan (CH4 ) sowie höhere Kohlenwasserstoffe (Cn Hm ) in P unterschiedlicher Zusammensetzung (angegeben als Cn Hm ), unbrennbare Bestandteile wie z. B. Kohlendioxid (CO2 ) und Stickstoff (N2 , meist mit unbrennbaren Edelgasen wie z. B. Argon zusammengerechnet) sowie Sauerstoff (O2 ) (vgl.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_25

25

552

25

Kapitel 25  Verbrennung

. Tabelle 25.1 Zusammensetzung und Stoffwerte von Erdgas L und Erdgas H [7] rCH4

rC2 H6

rC3 H8

rC4 H10

rN 2

rCO2

%0

M

R

cp

Hs;0

Hi;0

cZu

cZo

Vol.-% Vol.-% Vol.-% Vol.-% Vol.-% Vol.-% kg/Nm3 kg/kmol kJ/(kg K) kJ/(kg K) MJ/Nm3 MJ/Nm3 Vol.-% Vol.-%

Erdgas La

83,8

3,6

0,8

0,4

9,8

1,6

0,83

18,6

0,448

1,91

37,26

33,66

4,7

16,3

Erdgas Hb

87,6

7,2

1,3

0,6

2,3

1,0

0,82

18,2

0,456

2,02

41,98

37,94

4,2

16,2

Erdgas Hc

98,2

0,6

0,2

0,1

0,8

0,1

0,73

16,4

0,509

2,15

39,85

35,93

4,4

16,5

a

Niederlande, b Mischgas H, c Sibirien

z. B. [4–6]). Beispiele für die Zusammensetzung sowie Stoffwerte von Erdgas sind in . Tab. 25.1 enthalten. Zur Verbrennung der brennbaren Bestandteile wird Sauerstoff benötigt. Die Verbrennungsgleichungen für die vollständige Verbrennung dieser Bestandteile lauten: H2 C 0;5 O2 CO C 0;5 O2 CH4 C 2 O2  m O2 Cn Hm C n C 4

D H2 O D CO2 D CO2 C 2 H2 O m D n CO2 C H2 O 2

(25.1) (25.2) (25.3) (25.4)

Die Verbrennungsgleichungen geben das Verhältnis der bei der chemischen Reaktion miteinander reagierenden Moleküle der Stoffe i und damit das Verhältnis der Molmengen ni sowie auch – unter der Voraussetzung des Vorliegens idealer Gase – das Verhältnis der Normvolumina V0i an (vgl. 7 Abschn. 21.3). Da die Verhältnisse der Normvolumina V0i der Einzelgase in einer Mischung von idealen Gasen zugleich auch die Verhältnisse der Raumanteile ri sind (7 Abschn. 23.11), lässt sich der Mindestsauerstoffbedarf je Nm3 Brenngas (normvolumenbezogener Mindestsauerstoffbedarf) omin mithilfe der Raumanteile ri der Komponenten des Brenngases ermitteln. Hat das Brenngas in Raumanteilen ri D riB die Zusammensetzung X rCn Hm C rO2 C rCO2 C rN2 D 1; rH2 C rCO C rCH4 C (25.5) so beträgt der Mindestsauerstoffbedarf (genauer: der normvolumenbezogene Mindestsauerstoffbedarf) omin , angegeben in Nm3 Sauerstoff V0 O min je Nm3 Brenngas V0 B , omin D

V0 O min D 0;5 rH2 C 0;5 rCO C 2 rCH4 V0 B  X m C nC rCn Hm  rO2 : (25.6) 4

Der Raumanteil des Sauerstoffs O2 in der Luft L beträgt rO2 D 0;21, der des Stickstoffs N2 vereinfacht rN2 D 0;79, der Mindestluftbedarf (genauer der normvolumenbezogene Mindestluftbedarf) lmin in Nm3 Luft V0 Lmi n je Nm3 Brenngas V0 B demnach lmin D

V0 Lmi n 1 D omin D 4;76 omin V0 B 0;21

(25.7)

und, in Verbindung mit (25.6), h lmin D 4;76 0;5 .rH2 C rCO / C 2 rCH4 C i X m nC C rCn Hm  rO2 : 4

(25.8)

Die Verbrennung führt niemals zu einer vollständigen Umwandlung der Ausgangsstoffe. Wie die chemische Thermodynamik zeigt, stellt sich ein Gleichgewicht zwischen den Ausgangsstoffen und den Endprodukten ein; dieses Gleichgewicht liegt bei Verbrennungsreaktionen in der Regel nahe bei den Endprodukten. Um dieses Gleichgewicht noch weiter nach der Seite der Endprodukte zu verschieben, und um bei der Durchmischung von Brenngas und Luft mehr als die Mindestmenge an erforderlichem Sauerstoff bereitzustellen, erhöht man den Sauerstoffanteil über den Mindestbedarf hinaus. Das Verhältnis der je Nm3 Brenngas zugeführten normvolumenbezogenen Luftmenge l zum normvolumenbezogenen Mindestluftbedarf lmin wird als Luftverhältnis  bezeichnet: D

l

(25.9)

lmin

Man bezeichnet eine Verbrennung als vollkommen, wenn der Anteil der brennbaren Stoffe nach der Verbrennung vernachlässigbar klein ist. Die entstandenen Verbrennungsgase (Abgase, Rauchgase) enthalten dann nur noch die Bestandteile Wasser (H2 O), Kohlendioxid (CO2 ), Sauerstoff (O2 ) und Stickstoff (N2 ). Es entstehen folgende Gasmengen in Nm3 des jeweiligen Gases je Nm3 Brenngas V0B , wenn vereinfachend von trockenem Brenngas V0B und trockener Luft V0L ausgegangen wird: v0 H2 O D

V0 H2 O V0 B

v0 H2 O D rH2 C 2 rCH4 C v0 CO2 D

V0 CO2 V0 B

v0 CO2 D rCO C rCH4 C

Xm

X

rCn Hm

(25.10)

n rCn Hm C rCO2

(25.11)

2

25

553 25.1  Brennstoffe

V0 O2 V0 B D rO2 C 0;21 l  0;5 .rH2 C rCO /  X m nC  2 rCH4  rCn Hm 4 D 0;21 .  1/ lmin V0 N2 D V0 B D rN2 C 0;79  lmin

v0 O2 D v0 O2

v0 O2 v0 N2 v0 N2

(25.12)

(25.13)

Als normvolumenbezogene feuchte Verbrennungsgasmenge (Abgasmenge) v0 A f in Nm3 feuchtem Verbrennungsgas V0Af je Nm3 Brenngas V0B ergibt sich bei der vollständigen Verbrennung somit:   V0 A v0 A f D V0 B f V0 H2 O V0 CO2 V0 O2 V0 N2 v0 A f D C C C V0 B V0 B V0 B V0 B v0 A f D v0 H2 O C v0 CO2 C v0 O2 C v0 N2 (25.14) Bei der experimentellen Bestimmung der Zusammensetzung des Verbrennungsgases wird das Verbrennungsgas in der Regel auf Umgebungstemperatur abgekühlt und der darin enthaltene Wasserdampf fast vollständig verflüssigt; es wird also das trockene Verbrennungsgas untersucht. In diesem Zusammenhang ist die Kenntnis der normvolumenbezogenen trockenen Verbrennungsgasmenge (Abgasmenge) v0 A t in Nm3 trockenem Verbrennungsgas V0At je Nm3 Brenngas V0B von Interesse. Hierfür ergibt sich bei vollständiger Verbrennung:  v0 A t D

V0 A V0 B



 D t

V0 A V0 B

  f

V0 H2 O V0 B

V0 CO2 V0 O2 V0 N2 C C D v0 A f  v0 H2 O V0 B V0 B V0 B D v0 CO2 C v0 O2 C v0 N2 (25.15)

v0 A t D v0 A t

Wird in den Gleichungen (25.12) und (25.13) von  D 1 ausgegangen, also mit dem Mindestluftbedarf l D lmin gerechnet, so erhält man mit den Gleichungen (25.14) und (25.15) die normvolumenbezogene feuchte Mindestverbrennungsgasmenge (Mindestabgasmenge) v0 A min f bzw. die normvolumenbezogene trockene Mindestverbrennungsgasmenge (Mindestabgasmenge) v0 A min t . Bei gasförmigen Brennstoffen kann . Abb. 25.3 zur näherungsweisen Bestimmung des normvolumenbezogenen Mindestluftbedarfs lmin , der normvolumenbezogenen feuchten Mindestabgasmenge v0 A min f sowie der normvolumenbezogenen feuchten Abgasmenge v0 A f in Abhängigkeit vom Luftverhältnis  herangezogen werden; auf der Abszisse ist hierbei der normvolumenbezogene Heizwert Hi;0 in MJ/Nm3 bzw. in kWh/Nm3 aufgetragen (vgl. hierzu 7 Abschn. 25.3).

. Abb. 25.3 Gasförmige Brennstoffe: Normvolumenbezogener Mindestluftbedarf lmin und normvolumenbezogene feuchte Abgasmenge v0 A min f bzw. v0 A f

Bei der Verbrennung gasförmiger Brennstoffe kann eine Volumenänderung eintreten. Die Volumenänderung lässt sich aus der jeweiligen Verbrennungsgleichung ablesen. Wird beispielsweise die Verbrennung von H2 gemäß (25.1) betrachtet, so ergibt sich aus H2 C 0;5 O2 D H2 O 1 Nm C 0;5 Nm3 D 1 Nm3 3

eine Volumenverminderung von anfangs 1,5 Raumeinheiten auf hiernach 1 Raumeinheit. Nach den Gleichungen (25.1) bis (25.4) tritt eine Volumenänderung bei der Verbrennung von H2 , CO und im Allgemeinen auch bei P Cn Hm auf. Wird dem Reaktionsraum das Gesamtvolumen V aus Luft und Brenngas beim Zustand (p; t) V D VB .1 C l/

(25.16)

zugeführt, wobei VB das Brenngasvolumen beim Zustand (p; t) ist, so wird daraus das feuchte Verbrennungsgasvolumen VA f (gleicher Zustand (p; t) hypothetisch vorausgesetzt) h VA f D VB 1 C l  0;5 .rCO C rH2 / C i  X m (25.17)  1 rCn Hm : C 4 Auf das Normvolumen Brenngas V0B bezogen ergibt sich hieraus die normvolumenbezogene feuchte Verbrennungs-

554

25

Kapitel 25  Verbrennung

gasmenge bei vollständiger Verbrennung v0 A f :   V0 A v0 A f D V0 B f  Xm v0 A f D 1 C l  0;5 .rCO C rH2 / C  1 rCn Hm 4 (25.18) 7 Beispiel 25.1 In einem Brenner wird Propan als Brenngas mit Luft bei einem Luftverhältnis  D 1;25 vollständig verbrannt. Propan und Luft sind als ideale Gase zu behandeln. Mit einem Gaszähler werden 5,3 m3 /h Propan bei der Temperatur tB D 15 ı C und dem Überdruck pe D 50;0 mbar beim Luftdruck pamb D 0;98 bar gemessen. Wieviel Luft mit der Temperatur tL D 20 ı C und dem Druck pL D 0;98 bar ist für die Verbrennung erforderlich? Wieviel Verbrennungsgas mit der Temperatur tA D 130 ı C und dem Druck pA D 0;98 bar entsteht, und wie ist es zusammengesetzt? Lösung: Für die vollständige Verbrennung von Propan C3 H8 gilt: C3 H8 C 5 O2 D 3 CO2 C 4 H2 O 1 Nm3 C3 H8 C 5 Nm3 O2 D 3 Nm3 CO2 C 4 Nm3 H2 O Der normvolumenbezogene Mindestsauerstoffbedarf ist gemäß (25.6) mit rCn Hm D rC3 H8 D 1  m Nm3 O2 rCn Hm D 5 omin D n C 4 Nm3 C3 H8 und der normvolumenbezogene Mindestluftbedarf nach (25.7) lmin D

5 Nm3 Luft Nm3 Luft D 23;81 : 0;21 Nm3 C3 H8 Nm3 C3 H8

Beim Luftverhältnis  D 1;25 werden nach (25.9) l D  lmin D

1;25  5 Nm3 Luft Nm3 Luft D 29;76 0;21 Nm3 C3 H8 Nm3 C3 H8

zugeführt. Bei der Verbrennung ergeben sich nach den Gleichungen (25.10) bis (25.13): V0 H2 O m Nm3 H2 O rCn Hm D 4;000 D V0 B 2 Nm3 C3 H8 V0 CO2 Nm3 CO2 D D n rCn Hm D 3;000 V0 B Nm3 C3 H8 V0 O2 Nm3 O2 D D 0;21 .  1/ lmin D 1;250 V0 B Nm3 C3 H8 V0 N2 Nm3 N2 D D 0;79  lmin D 23;503 V0 B Nm3 C3 H8

v0 H2 O D v0 CO2 v0 O2 v0 N2

Somit entsteht gemäß (25.14) v0 A f D 31;753 Nm3 feuchtes Verbrennungsgas je Nm3 C3 H8 . Die Normvolumina verhalten sich wie die Raumanteile: rH2 O W rCO2 W rO2 W rN2 D 0;12597 W 0;09448 W 0;03937 W 0;74018

Das Verbrennungsgas enthält demnach 12;59 % H2 O; 9;45 % CO2 ; 3;94 % O2 ; 74;02 % N2 : Die zugeführte Propanmenge, angegeben als Normvolumen, beträgt je Stunde 5;3 m3 C3 H8 =h  1;03 bar  273;15 K VPB p T0 VP0 B D D p0 T 1;01325 bar  288;15 K Nm3 C3 H8 : VP0 B D 5;107 h Das zuzuführende Luftvolumen, angegeben als Normvolumen sowie als tatsächliches Volumen, je Stunde ist Nm3 Luft Nm3 C3 H8  5;107 VP0 L D l VP0 B D 29;76 Nm3 C3 H8 h Nm3 Luft VP0 L D 151;98 h P0 L p0 TL V m3 Luft : D 168;64 VPL D pL T0 h Es entsteht das Verbrennungsgasvolumen, angegeben als Normvolumen sowie als tatsächliches Volumen, je Stunde VP0 A D v0 A f VP0 B Nm3 A f Nm3 C3 H8  5;107 VP0 A D 31;753 3 Nm C3 H8 h 3 A f Nm VP0 A D 162;16 h P0 A p0 TA V Nm3 A f : 9 VPA D D 247;46 pA T0 h

25.1.2

Feste und flüssige Brennstoffe

Die Zusammensetzung fester und flüssiger Brennstoffe wird in Massenanteilen angegeben. Es ist üblich, diese Massenanteile, die durch eine Elementaranalyse bestimmt werden, wie folgt zu bezeichnen: Kohlenstoff c; Wasserstoff h; Stickstoff n; Wasser w; Sauerstoff o; Schwefel s; Asche a Es gilt demnach c C h C n C w C o C s C a D 1:

(25.19)

An der Verbrennung sind die Massenanteile c, h und s von Kohlenstoff, Wasserstoff und Schwefel beteiligt, wobei für die vollständige Verbrennung die folgenden Reaktionsgleichungen gelten: C C O2 D CO2

(25.20)

H2 C 0;5 O2 D H2 O

(25.1)

S C O2 D SO2

(25.21)

25

555 25.1  Brennstoffe

. Tabelle 25.2 Zusammensetzung verschiedener fester und flüssiger Brennstoffe [1] c

h

s

o

n

w

a

Holz (wasser- und aschefrei; waf)

0,500

0,060

0

0,440

0

0

0

Holzpellets

0,4450

0,0534

0,0030

0,3916

0,0220

0,0800

0,0050

Landschaftspflegeholz (Grünschnitt)

0,2965

0,0356

0,0042

0,2609

0,0150

0,3578

0,0300

Gärrest (aus der Biogasgewinnung)

0,3280

0,0280

0,0040

0,2000

0,0160

0,3770

0,0470

Altpapierschlamm

0,1201

0,0140

0,0004

0,0850

0,0010

0,5500

0,2295

Altbrot (trocken)

0,4010

0,0580

0,0020

0,3860

0,0220

0,1010

0,0300

Steinkohle (Esskohle)

0,8070

0,0400

0,0090

0,0260

0,0130

0,0622

0,0430

Rohbraunkohle (feucht)

0,2620

0,0200

0,0030

0,1050

0,0050

0,5750

0,0300

Braunkohle (getrocknet)

0,5550

0,0420

0,0060

0,2220

0,0110

0,1000

0,0640

Rapsölmethylester (RME)

0,7760

0,1360

0,00007

0,0879

0,00003

0

0

Heizöl EL

0,8600

0,1100

0,0100

0,0200

0

0

0

Hieraus ergeben sich mit den jeweiligen Molmassen Mi die folgenden Massenbilanzen: 12;01 kg C C 32;00 kg O2 D 44;01 kg CO2 2;02 kg H2 C 16;00 kg O2 D 18;02 kg H2 O 32;06 kg S C 32;00 kg O2 D 64;06 kg SO2 c kg C C 2;66 c kg O2 D 3;66 c kg CO2 h kg H2 C 7;94 h kg O2 D 8;94 h kg H2 O s kg S C 1;00 s kg O2 D 2;00 s kg SO2

o min D

(25.22) (25.23) (25.24)

Für den Mindestsauerstoffbedarf (genauer: den spezifischen Mindestsauerstoffbedarf) omin in kg Sauerstoff O2 je kg Brennstoff mB erhält man damit omin D 2;66 c C 7;94 h C 1;00 s  o:

mB gearbeitet. Für diesen gilt mit %0 O2 D 1;429 kg=m3 (siehe . Tab. 21.1):

(25.25)

Als Kennzahl eines Brennstoffs führt man die Sauerstoffbedarfscharakteristik ein [8]: omin D 2;66 c Œ1 C 2;98 h=c C 0;375 .s  o/=c omin D 2;66 c (25.26) omin D 1 C 2;98 h=c C 0;375 .s  o/=c D 2;66 c (25.27) gibt das Verhältnis des spezifischen Mindestsauerstoffbedarfs omin in kmol O2 je kg Brennstoff mB zum Kohlenstoffgehalt des Brennstoffs in kmol C je kg Brennstoff mB an. Für reinen Kohlenstoff als Brennstoff ist D 1 kmol O2 /kmol C. Zweckmäßigerweise wird häufig statt mit dem spezifischen Mindestsauerstoffbedarf omin in kg Sauerstoff O2 je kg Brennstoff mB mit dem spezifischen Mindestsauerstoffbedarf o min in Nm3 Sauerstoff O2 je kg Brennstoff

omin D 1;86 c %0 O2

(25.28)

Daraus errechnet sich der spezifische Mindestluftbedarf

lmin in Nm3 Luft L je kg Brennstoff mB :

lmin D

o min D 8;89 c 0;21

(25.29)

Wird die spezifische Luftmenge l in Nm3 Luft L je kg Brennstoff mB dem Verbrennungsraum zugeführt, so ist das Luftverhältnis D

l

: lmin

(25.30)

Zur Erfassung des Stickstoffgehalts eines Brennstoffs dient die Stickstoffcharakteristik  [8]. Sie gibt das Verhältnis des Stickstoffgehalts in kmol N2 je kg Brennstoff mB zum Kohlenstoffgehalt in kmol C je kg Brennstoff mB an: D

MC n 12;01 n n  D  D 0;429 MN 2 c 28;02 c c

(25.31)

Beide Kennzahlen und  werden auch zur Kennzeichnung von Brenngasen benutzt. Die Kennzahl  ist bei festen und flüssigen Brennstoffen im Allgemeinen vernachlässigbar klein. Die bei der vollständigen Verbrennung eines festen oder flüssigen Brennstoffs entstehenden Verbrennungsgase enthalten CO2 , H2 O, SO2 , O2 und N2 . Je kg Brennstoff mB entstehen gemäß den Gleichungen (25.22)

556

25

Kapitel 25  Verbrennung

bis (25.24) folgende Gasmengen in Nm3 Gas je kg Brennstoff mB , wenn das Wasser (H2 O) gasförmig ist: V0 CO2 D 3;66 c=%0 CO2 D 1;86 c (25.32) mB V0 H2 O D D .8;94 h C w/=%0 H2 O mB D 11;11 h C 1;24 w (25.33) V0 SO2 D D 2;00 s=%0 SO2 D 0;68 s (25.34) mB V0 O2

D D 0;21 l  o min D 0;21 .  1/ lmin mB (25.35) V0 N2 D D 0;79 l C n=%0 N2 D 0;79 l C 0;8 n mB (25.36)

v0 CO2 D v0 H2 O

v0 SO2 v0 O2 v0 N2

(Werte für %0 CO2 ; %0 H2 O ; %0 SO2 ; %0 N2 siehe . Tab. 21.1). Als spezifische feuchte Verbrennungsgasmenge v0 A f in Nm3 Verbrennungsgas V0Af je kg Brennstoff mB ergibt sich bei der vollständigen Verbrennung somit:   V0 A

v0 A f D mB f V0 H2 O V0 CO2 V0 SO2 V0 O2 V0 N2 v0 A f D C C C C mB mB mB mB mB v0 A f D v0 H2 O C v0 CO2 C v0 SO2 C v0 O2 C v0 N2 (25.37) Für die spezifische trockene Verbrennungsgasmenge v0 A t in Nm3 Verbrennungsgas V0At je kg Brennstoff mB ergibt sich bei vollständiger Verbrennung:     V0 A V0 A V0 H2 O V0 SO2

v0 A t D D   mB t mB f mB mB V V V 0 CO2 0 O2 0 N2 v0 A t D C C mB mB mB v0 A t D v0 A f  v0 H2 O  v0 SO2 v0 A t D v0 CO2 C v0 O2 C v0 N2

(25.38)

Wird in den Gleichungen (25.35) und (25.36) von  D 1 ausgegangen, also mit dem spezifischen Mindestluftbedarf

l D lmin gerechnet, so erhält man mit den Gleichungen (25.37) und (25.38) die spezifische Mindestverbrennungsgasmenge (feucht) v0 A min f bzw. die spezifische Mindestverbrennungsgasmenge (trocken) v0 Amin t . Die Vergrößerung des Gas-Normvolumens bei der Verbrennung kann man sich wie folgt entstanden denken: Bei der Verbrennung von Kohlenstoff und Schwefel wird nach den Gleichungen (25.20) und (25.21) dem Verbrennungsraum mit der Luftmenge gerade die gleiche Gasmenge zugeführt, die auch als Verbrennungsgasstrom abströmt. Eine Normvolumenänderung tritt durch die Verbrennung dieser Bestandteile also nicht ein. Der Anteil des Brennstoffs an Wasser, Sauerstoff und Stickstoff wird bei der Verbrennung in den gasförmigen Zustand übergeführt. Somit vergrößert sich für diese Bestandteile das Normvolumen je kg Brenn-

stoff mB (bei Wasserdampf das gedachte Normvolumen) um v0 H2 O C v0 O2 C v0 N2 V0 H2 O V0 O2 V0 N2 D C C mB mB mB w o n D C C %0 H2 O %0 O2 %0 N2 D 1;24 w C 0;70 o C 0;80 n:

(25.39)

Bei der Verbrennung des – im Brennstoff nicht gasförmig enthaltenen – Wasserstoffanteils tritt nach (25.1) sowie bei Berücksichtigung von (25.33) als Folge der hierfür erforderlichen, zugeführten Sauerstoffmenge eine zusätzliche Volumenvermehrung VH2 O je kg Brennstoff mB in der Größe des halben entstehenden Normvolumens ein: v0 H2 O D 

V0 H2 O D 0;5  11;11 h D 5;56 h (25.40) mB

Somit entsteht aus dem Brennstoff und dem zugeführten spezifischen Luftvolumen im Normzustand l die spezifische feuchte Verbrennungsgasmenge im Normzustand V0Af in Nm3 je kg Brennstoff mB   V0 A

v0 A f D mB f v0 A f D l C 1;24 w C 0;70 o C 0;80 n C 5;56 h: (25.41)

25.1.3

Zusammensetzung des Verbrennungsgases, Verbrennungsdreiecke, Verbrennungskontrolle

Auf die Bedeutung der normvolumenbezogenen trockenen Verbrennungsgasmenge (Abgasmenge) v0 A t in Nm3 Verbrennungsgas je Nm3 Brenngas bzw. der spezifischen trockenen Verbrennungsgasmenge (Abgasmenge) v0 A t in Nm3 Verbrennungsgas je kg Brennstoff wurde bereits hingewiesen [9]. Mit ihnen lässt sich – bei Verwendung der Gleichungen (25.10) bis (25.13) bei Brenngasen bzw. bei Verwendung der Gleichungen (25.32) bis (25.36) bei festen oder flüssigen Brennstoffen – die Zusammensetzung des Verbrennungsgases angeben. Will man beispielsweise den Raumanteil an Kohlendioxid (Kohlendioxidanteil, Kohlenat dioxidgehalt) im trockenen Verbrennungsgas rCO angeben, 2 so gilt bei der Verbrennung 4 von Brenngasen v0 CO2 at D ; (25.42) rCO 2 v0 A t 4 von festen oder flüssigen Brennstoffen at rCO D 2

v0 CO2 v0 A t

:

(25.43)

557 25.1  Brennstoffe

Der hochgestellte Index at weist darauf hin, dass es sich um einen Raumanteil im trockenen Verbrennungsgas (Abat gas) handelt. Sinngemäß können die Anteile rSO , rOa 2t 2 at und rN2 ermittelt werden. Damit ergibt sich die Summe der Raumanteile (Volumenanteile) des trockenen Verbrennungsgases bei der vollständigen Verbrennung von Brenngasen bzw. von festen oder flüssigen Brennstoffen (Abgaszusammensetzung) allgemein zu at at C rSO C rOa 2t C rNa 2t D 1: rCO 2 2

(25.44)

Bei einer unvollständigen Verbrennung von Brenngasen bzw. von festen oder flüssigen Brennstoffen können neben CO2 , SO2 , O2 und N2 zusätzlich auch CO und bei sehr ungünstigen Verbrennungsvorgängen z. B. auch CH4 und H2 auftreten. Damit ergibt sich die Summe der Volumenanteile des trockenen Verbrennungsgases allgemein zu at at at at C rSO C rOa 2t C rNa 2t C rCO C rCH C rHa 2t D 1: rCO 2 2 4 (25.45)

Kann das Verbrennungsgas als ideales Gas behandelt werden, so sind die Raumanteile gleich den Molmengenanteilen. Mit einem Verbrennungsdreieck lässt sich der Zusammenhang zwischen den Raumanteilen von CO2 , O2 und CO in einem trockenen Verbrennungsgas darstellen. Hierbei wird zwischen einem Bunte-Dreieck und einem Ostwald-Dreieck unterschieden: Beim Bunte-Dreieck (vgl. [1, 9, 10]) ist eine vollständige Verbrennung vorausgesetzt; CO und andere unverbrannte Bestandteile sind also im Verbrennungsgas nicht enthalten. Auf der Abszisse ist der Raumanteil von O2 , auf der Ordinate der Raumanteil von CO2 im trockenen Verbrennungsgas aufgetragen. Bei vollständiger Verbrennung mit  D 1 findet sich der at höchstmögliche CO2 -Gehalt rCO im Verbrennungsgas; 2 max at gleichzeitig ist rO2 D 0 (Punkt links oben). Wird  D 1 vorausgesetzt, so besteht das Verbrennungsgas aus reiat ner Luft mit rCO D 0 im Verbrennungsgas; gleichzeitig 2 at ist rO2 D 0;21 (Punkt rechts unten). Beide Punkte sind durch eine gerade Linie miteinander verbunden. Für verschiedene Brennstoffe ergeben sich – abhängig von deren at Kohlenstoffgehalt – unterschiedliche Werte für rCO . In 2 max . Abb. 25.4 sind die Bunte-Dreiecke für technisch wichtige Brennstoffe zu einem Schaubild zusammengefasst. Beim Ostwald-Dreieck (vgl. [1, 9, 10], . Abb. 25.5 bis 25.7) ist – ebenso wie beim Bunte-Dreieck – auf der Abszisse der Raumanteil von O2 und auf der Ordinate der Raumanteil von CO2 im trockenen Verbrennungsgas aufgetragen. Die Information des Bunte-Dreiecks ist als nach rechts oben hin begrenzende gerade Linie enthalten; für at diese Linie gilt rCO D 0. Parallel hierzu sind darunter weitere gerade Linien dargestellt, mit denen die Verhältnisse bei unvollständiger Verbrennung erfasst werden, wobei für jede Linie ein jeweils konstanter CO-Gehalt gilt. Dabei ist vorausgesetzt, dass sich der Sachverhalt der unvollkommenen Verbrennung nur in der Bildung von CO auswirkt, d. h., dass sich z. B. weder CH4 oder H2 im Verbrennungsgas

. Abb. 25.4 Bunte-Dreieck für verschiedene feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe (vgl. [1, 9, 10])

noch fester Kohlenstoff C in der Asche bzw. Schlacke befindet, auch soll sich kein Ruß gebildet haben. Ferner ist im Falle der vollständigen Verbrennung von Erdgas L bzw. Erdgas H vorausgesetzt, dass das im Brenngas enthaltene CO2 gemäß CO2 D CO C 0;5 O2 (25.2) teilweise zerfällt und sich hieraus dieselben Anteile an at at rCO , rCO und rOa 2t wie bei der unvollständigen Verbrennung 2 ergeben. Weiter sind gerade Linien für jeweils konstante Luftverhältnisse  D const eingezeichnet; hierunter ist die Linie für  D 1 besonders hervorgehoben.

. Abb. 25.5 Verbrennungsdreieck nach Ostwald für Erdgas H (Mischgas)

25

558

Kapitel 25  Verbrennung

25

. Abb. 25.6 Verbrennungsdreieck nach Ostwald für Propan C3 H8

Für eine Überprüfung der Verbrennungsgüte (Verbrennungskontrolle [9, 11], [12]) ist häufig die Kenntnis des Luftverhältnisses  erwünscht; hierzu kann eine Messung des Anteils von CO2 oder von O2 (bei unvollständiger Verbrennung zusätzlich auch von CO) im Verbrennungsgas dienen. Für eine genauere Bestimmung ist zusätzlich hier zu die Kenntnis der Größen lmin bzw. lmin , v0 A min t bzw.

at v0 A min t und rCO2 max erforderlich, die für die jeweils eingesetzten Brennstoffe den Charakter von Zustandsgrößen haben. Bei vollständiger Verbrennung gilt exakt, bei unvollständiger Verbrennung ebenfalls exakt, soweit sich unvollat ständige Verbrennung nur in der Bildung von rCO auswirkt: 4 für Brenngase  D 1C

  at  at  rCO2 max rCO v0 Amin t  1 (25.46) 1  at at lmin rCO C rCO 2 2

at rOa 2t  0;5 rCO v0 Amin t D1C at lmin 0;21  rOa 2t C 0;79  0;5 rCO

. Abb. 25.7 Verbrennungsdreieck nach Ostwald für Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl EL

at at Kann vorausgesetzt werden, dass rCO =2 D 0;5 rCO sehr klein ist, dann gilt bei vollständiger Verbrennung exakt, bei unvollständiger Verbrennung in guter Näherung: 4 für Brenngase   at rCO2 max v0 Amin t  1 (25.50) D1C at at lmin rCO C rCO 2

D1C

4 für feste und flüssige Brennstoffe   at rCO2 max v0 Amin t D1C

at at  1 lmin rCO C rCO 2 D1C

(25.47)

4 für feste und flüssige Brennstoffe  D 1C

  at  at  rCO2 max v0 Amin t rCO  1 (25.48) 1 

at at lmin rCO C rCO 2 2

D1C

at rOa 2t  0;5 rCO v0 Amin t

at lmin 0;21  rOa 2t C 0;79  0;5 rCO

(25.49)

rOa 2t v0 Amin t lmin 0;21  rOa 2t

rOa 2t v0 Amin t

lmin 0;21  rOa 2t

(25.51)

(25.52) (25.53)

Bei gasförmigen, festen und flüssigen Brennstoffen mit hohem Brennwert und Heizwert (z. B. bei Erdgas H und Erdgas L) lassen sich für Überschlagsrechnungen die folgenden Gleichungen nutzen: 

at rCO 2 max

at at rCO C rCO 2 0;21  0;21  rOa 2t

(25.54) (25.55)

559 25.1  Brennstoffe

7 Beispiel 25.2 Erdgas H (Mischgas H gemäß . Tab. 25.1) wird mit dem Luftverhältnis  D 1;3 vollständig verbrannt. Es sind zu beat rechnen: omin , lmin , l, v0 A f , v0 A min f , v0 A t , v0 A min t , rCO 2 max sowie die Zusammensetzung des trockenen und des feuchten Verbrennungsgases. Die Ergebnisse für die Anteile von CO2 und O2 im trockenen Verbrennungsgas sind anhand . Abb. 25.5 zu überprüfen. Für die vollständige Verbrennung von Erdgas H ergibt sich: omin D 2 rCH4 C 3;5 rC2 H6 C 5 rC3 H8 C 6;5 rC4 H10 omin D 2;108

Nm3 O2 Nm3 B

omin Nm3 L D 10;04 0;21 Nm3 B Nm3 L l D  lmin D 1;3  10;04 Nm3 B 3 Nm L l D 13;05 Nm3 B v0 H2 O D 2 rCH4 C 3 rC2 H6 C 4 rC3 H8 C 5 rC4 H10 lmin D

v0 H2 O D 2;05 v0 CO2 D rCH4

Nm3 H2 O Nm3 B C 2 rC2 H6 C 3 rC3 H8 C 4 rC4 H10 C rCO2

Nm3 CO2 Nm3 B D 0;21 l  2 rCH4  3;5 rC2 H6  5 rC3 H8  6;5 rC4 H10

v0 CO2 D 1;09 v0 O2

v0 O2 D 0;63

Nm3 O2 Nm3 B Nm3 N2 Nm3 B C v0 O2 C v0 N2

v0 N2 D rN2 C 0;79 l D 10;32 v0 A f D v0 H2 O C v0 CO2

Nm3 A f Nm3 B D v0 H2 O C v0 CO2 C v0 min N2

v0 A f D 14;09 v0 A min f

v0 A min f D 11;08

Nm3 A f Nm3 B Nm3 A t Nm3 B Nm3 A t  v0 H2 O D 9;03 Nm3 B Nm3 CO2 D 0;121 Nm3 A t

v0 A t D v0 A f  v0 H2 O D 12;04 v0 A min t D v0 A min f at D rCO 2 max

v0 CO2 v0 A min t

Für die Zusammensetzung des trockenen Verbrennungsgases gilt: v0 CO2 Nm3 CO2 D 0;091 v0 A t Nm3 A t v0 O2 Nm3 O2 D D 0;052 v0 A t Nm3 A t v0 N2 Nm3 N2 D D 0;857 v0 A t Nm3 A t

at D rCO 2

rOa 2t rNa 2t

Für die Zusammensetzung des feuchten Verbrennungsgases gilt: af

rH2 O D af

rCO2 D af

rO2 D af

rN2 D

v0 H2 O Nm3 H2 O D 0;145 v0 A f Nm3 A f v0 CO2 Nm3 CO2 D 0;078 v0 A f Nm3 A f v0 O2 Nm3 O2 D 0;045 v0 A f Nm3 A f v0 N2 Nm3 N2 D 0;732 v0 A f Nm3 A f

In . Abb. 25.5 können die Anteile von CO2 und O2 im troat D 0;091 und rOa 2t D 0;052 ckenen Verbrennungsgas zu rCO 2 abgelesen werden. Die Übereinstimmung mit den errechneten Ergebnissen ist sehr befriedigend. 9 7 Beispiel 25.3 Holzpellets mit der Masse von 1 kg werden entsprechend der folgenden Zusammensetzung in Massenanteilen (siehe . Tab. 25.2) mit dem Luftverhältnis  D 1;4 vollständig verbrannt. Die Verbrennungsluft ist trocken. cChCsCoCnCwCa D1 0;4450 C 0;0534 C 0;0030 C C 0;3916 C 0;0220 C 0;0800 C 0;0050 D 1 0;4450 kg C 0;0534 kg C 0;0030 kg C C 0;3916 kg C 0;0220 kg C 0;0800 kg C 0;0050 D 1 kg a) Es sind die Sauerstoffbedarfscharakteristik , die Stickstoffcharakteristik , der spezifische Mindestluftbedarf

und der spezifische Luftbedarf l zu berechnen. lmin b) Es soll die spezifische feuchte Verbrennungsgasmenge v0 A f mit Hilfe einer Gleichung bestimmt werden, bei der nur die Kenntnis der Reaktanden und nicht auch die Kenntnis der einzelnen Verbrennungsgaskomponenten erforderlich ist. c) Es ist die tatsächliche spezifische feuchte Verbrennungsgasmenge vA f zu bestimmen, wobei das Verbrennungsgas die Feuerungsanlage mit dem Zustand pA D 0;960 bar und tA D 140 ı C verlässt. Lösung:

h so a) D 1 C 2;98 C 0;375 c c  0;0534 C D 1 C 2;98 0;4450  0;0030  0;3916 kmol O2 C 0;375 0;4450 kmol C kmol O2 D 1;0301 kmol C n  D 0;429 c 0;0220 kmol N2 kmol N2  D 0;429  D 0;0212 0;4450 kmol C kmol C

25

560

Kapitel 25  Verbrennung

omin D 2;66 c

25

omin D 2;66  0;4450  1;0301 o min D

kg O2 kg O2 D 1;2193 kg B kg B

omin %0 O2

1;2193 kg O2 Nm3 O2 Nm3 O2 D 0;8533 1;429 kg B kg O2 kg B Nm3 L o min D 4;0632 D 0;21 kg B

o min D

lmin

l D  lmin

Nm3 L Nm3 L D 5;6885 l D 1;4  4;0632 kg B kg B   V 0 A b) v0 A f D mB f v0 A f D l C 1;24 w C 0;70 o C 0;80 n C 5;56 h v0 A f D .5;6885 C 1;24  0;080 C 0;70  0;3916 C C 0;8  0;0220 C 5:56  0;0534/

Nm3 A f kg B

Nm3 A f kg B p0 TA

D v0 A f pA T0 Nm3 A f 1;01325 bar  413;15 K  D 6;3763 kg B 0;960 bar  273;15 K 3 Nm A f 9 D 10;1794 kg B

v0 A f D 6;3763 c) vA f vA f vA f

25.2

25.2.1

Technische Gesichtspunkte der Verbrennung Einleitung und Ablauf der Verbrennung

Um eine Verbrennung einzuleiten, genügt es nicht, nur Brennstoff und Luftsauerstoff miteinander in Verbindung zu bringen, denn die Geschwindigkeit der Oxidationsreaktionen von Brennstoffen ist bei Umgebungstemperatur im Allgemeinen sehr klein. Vielmehr muss der Brennstoff an mindestens einer Stelle auf eine höhere Temperatur, die Zündtemperatur, gebracht werden, um eine schnellere Oxidation – die Verbrennung – zu erreichen. Die erforderliche Mindestzündenergie hierzu beträgt für Brenngase bei Funkenzündung nur wenige mJ, ist jedoch bei einer Entzündung mit Glühdraht oder Hilfsflamme erheblich höher. Die Zündung von Brenngas-Luft- oder BrenngasSauerstoff-Gemischen gelingt nur innerhalb bestimmter Grenzen von Mischungsverhältnissen. Der höchstmögliche noch zündbare Volumenanteil (Volumenkonzentration) eines Brenngases in einem Brenngas-Luft- oder BrenngasSauerstoff-Gemisch heißt obere Zündgrenze cZo , der geringstmögliche noch zündbare Volumenaneil untere Zünd-

grenze cZu . Die Zündgrenzen hängen von Druck und Temperatur ab. Beim Normdruck p0 und der Temperatur t D 20 ı C betragen diese Zündgrenzen für Erdgas-LuftGemische rund 4,2 und 16,5 % (. Tab. 25.1), bei Wasserstoff-Luft-Gemischen rund 4,0 und 77,0 %. Damit sich die eingeleitete Verbrennung im Gemisch aus Brennstoff und Luft fortpflanzen kann, muss die Wärmeerzeugung durch die Verbrennung mindestens so groß wie die Wärmeabgabe durch Wärmeleitung, konvektive Wärmeübertragung bzw. Wärmestrahlung sein. Ist die Wärmeabgabe größer, so erlischt die Verbrennung, ist die erzeugte Wärme größer, so erhöht sich die Temperatur des verbrennenden Stoffes. Bei Umgebungstemperatur kann die Selbstzündung eines oxidierenden Stoffes eintreten, wenn die bei der Oxidation freiwerdende Wärme am Abfließen gehindert wird: Der Stoff erwärmt sich mehr und mehr, bis an einer Stelle die Zündtemperatur erreicht wird. Auf diese Weise können sich Kohlehalden oder auch Heuhaufen bei Umgebungstemperatur selbst entzünden. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Verbrennung ausbreitet, heißt Zündgeschwindigkeit (auch Flammenoder Verbrennungsgeschwindigkeit). Sie kann durch gute Vermischung des Brennstoffs mit der zur Verbrennung zugeführten Luft vergrößert werden. Bei festen und flüssigen Brennstoffen setzt die Vergrößerung der Oberfläche (z. B. Verbrennen von staubfein gemahlenen Festbrennstoffen wie Kohle, Zerstäubung oder Verdampfung flüssiger Brennstoffe), bei Brenngasen die turbulente Bewegung der Gasströme die Zündgeschwindigkeit herauf. Bei festen oder flüssigen Brennstoffen kann die Überführung brennbarer Bestandteile in die Gasphase durch Erwärmung die Verbrennungsgeschwindigkeit fördern.

25.2.2

Vollkommene und unvollkommene Verbrennung

Bei der vollkommenen Verbrennung enthalten die den Reaktionsraum verlassenden Stoffströme keine unverbrannten oder nur teilweise verbrannten Stoffe. Eine Verbrennung heißt unvollkommen, wenn noch Kohlenstoff in der Asche bzw. Schlacke oder noch Kohlenstoff als Ruß in den Verbrennungsgasen enthalten ist bzw. die Verbrennungsgase (Abgase) noch brennbare gasförmige Anteile (CO; H2 ; CH4 ; Cn Hm usw.) enthalten. Wasserstoffhaltige Verbrennungsgase sind jedoch lediglich bei sehr schlechter Verbrennungsführung zu beobachten. Man beschreibt deshalb die Vollkommenheit einer Verbrennung eines festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffs durch den Quotienten ˛ [8]. ˛ ist derjenige Anteil des im Brennstoff vorhandenen Kohlenstoffs, der nach dem Verbrennungsvorgang an CO2 , CO usw. im Verbrennungsgas gebunden ist:

˛D

an CO2 ; CO usw. gebundene Kohlenstoffmenge im Verbrennungsgas Kohlenstoffmenge im Brennstoff

(25.56)

25

561 25.2  Technische Gesichtspunkte der Verbrennung

Der Bruchteil (1  ˛) des Kohlenstoffs des Brennstoffs bleibt somit unverbrannt und wird aus der Feuerung als Ruß bzw. mit der Asche oder der Schlacke ausgetragen. Die Hauptursachen einer unvollständigen Verbrennung sind Luftmangel ( < 1) oder auch ungünstige Luftzufuhr an einzelne Teilbereiche des Brennstoffs, zu starke Kühlung des Brennstoffs oder von Teilen der Verbrennungsgase während des Verbrennungsvorgangs unter die Zündtemperatur infolge von Wärmeabgabe.

und für feste sowie flüssige Brennstoffe gemäß den Gleichungen (25.33), (25.37) bzw. (25.41) af

rH2 O D af

rH2 O D

25.2.4 25.2.3

af

pp H2 O D rH2 O p

(25.57)

Nach den Gleichungen (25.10), (25.14) bzw. (25.18) ist für trockene Brenngase bei vollständiger Verbrennung mit trockener Luft rH2 O D af

rH2 O

v0 A f

11;11 h C 1;24 w : l C 1;24 w C 0;70 o C 0;80 n C 5;56 h (25.59)

Schornsteinzug

Taupunkt der Verbrennungsgase

Die bei der Verbrennung gebildeten Verbrennungsgase enthalten im Allgemeinen Wasserdampf und stellen somit ein Gas-Wasserdampf-Gemisch dar. Der Wasserdampf beginnt zu kondensieren, wenn die Taupunkttemperatur unterschritten wird. Enthalten die Verbrennungsgase Schwefeldioxid (SO2 ), so vermag sich dieses im verflüssigten Wasser unter Bildung schwefliger Säure zu lösen, die zur Korrosion einer Reihe metallischer Werkstoffe führen kann; Stickoxide (NOx ) im Verbrennungsgas können u. a. zur Bildung korrosiv wirkender salpetriger Säure führen. Bei konventionellen Feuerungsanlagen (z. B. bei Spezialheizkesseln) versucht man daher, diesen Taupunkt in die freie Atmosphäre zu verlegen. Andererseits kann zur Bereitstellung von Wärme auf niedrigem Temperaturniveau (z. B. zum Heizen und zur Trinkwassererwärmung) vor allem bei der Verbrennung von schwefelarmen Energieträgern wie Erdgas H, Erdgas L, Kokereigas, Propan, Butan oder schwefelarmem leichtem Heizöl und bei Verwendung korrosionsfester Werkstoffe die Unterschreitung des Taupunkts erwünscht sein; dadurch lässt sich die bei der teilweisen Kondensation von Wasserdampf freiwerdende Kondensationsenthalpie (Kondensationswärme) energetisch nutzen (Brennwerttechnik; Brennwertkessel). Zur Berechnung des Taupunkts muss der Teildruck des Wasserdampfs pp H2 O bestimmt werden. Wird der Raumanteil des Wasserdampfs im feuchten Verbrennungsgas mit af rH2 O und der Gesamtdruck des Verbrennungsgases mit p bezeichnet, so gilt:

af

v0 H2 O

v0 H2 O v0 A f

Gegenüber der kalten Außenluft erfahren die heißen Verbrennungsgase im Schornstein einen Auftrieb, der gleich dem Gewicht der verdrängten Luftmenge GL ist. Die Differenz von Auftrieb GL und Verbrennungsgasgewicht GA stellt die treibende Kraft für die Strömung des Verbrennungsgases durch den Schornstein dar. Ist der Querschnitt des Schornsteins A und seine Höhe z, so ist bei positiver Zählung der nach oben gerichteten Kraft F F D GL  GA D A z g .%L  %A /

(25.60)

Der Quotient von Kraft F und Querschnitt A heißt Schornsteinzug p:   1 1 F  D z g .%L  %A /  z g p p D A RL TL RA TA (25.61) Er ist um so größer, je höher der Schornstein und die Verbrennungsgastemperatur TA sind. Der Schornsteinzug deckt die Reibungsverluste der Verbrennungsgasströmung. Bei Brennwertkesseln ist als Folge der energetisch vorteilhaften niedrigen Verbrennungsgastemperatur TA der Schornsteinzug sehr klein, so dass die Verbrennungsgase mit Hilfe eines zusätzlichen Gebläses gefördert werden müssen. 7 Beispiel 25.4 Wie groß ist die Taupunkttemperatur für das in Beispiel 25.3 berechnete Verbrennungsgas bei einem Gesamtdruck von p D 0;960 bar? Es liegt eine vollständige Verbrennung vor. Damit ist (25.59) bzw. sind die Gleichungen (25.33) und (25.37) anwendbar. v0 H O 11;11 h C 1;24 w af rH2 O D 2 D v0 A f l C 1;24 w C 0;70 o C 0;80 n C 5;56 h af

rH2 O D

11;11  0;0534 C 1;24  0;080 D 0;1086  10;9 % 6;3763

Der Teildruck des Wasserdampfs ist nach (25.57):

Pm rC H 2 n m  D P m 1 C l  0;5 .rCO C rH2 / C  1 rCn Hm 4 (25.58) rH2 C 2 rCH4 C

af

pp H2 O D rH2 O p D 0;109  0;960 bar D 0;1045 bar Die Kondensationstemperatur ist demnach entsprechend der Wasserdampftafel tS D 46;7 ı C: 9

562

25

25.3

Kapitel 25  Verbrennung

Brennwert und Heizwert

Bei einer Verbrennung in einem offenen System wird Wärme aus der Enthalpie der Reaktionsteilnehmer frei. Je nach den beteiligten Stoffen ereignet sich eine einzige chemische Reaktion oder mehrere chemische Reaktionen. Eine ablaufende chemische Reaktion hat zur Folge, dass eine Differenz der chemischen Bindungsenergien im Molekülaufbau, die einen Teil der Enthalpie der beteiligten Stoffe darstellen, entsteht. Diese Differenz der Enthalpien wird als Wärme abgegeben. Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass der Brennstoff mit der Masse mB und der Enthalpie HB sowie die Verbrennungsluft mit der Enthalpie HL bei einem Druck p1 und einer Temperatur t1 stetig in den Verbrennungsraum einströmen (. Abb. 25.8). Die Enthalpie HB des Brennstoffs umfasst neben der temperaturabhängigen Enthalpie auch die chemisch gebundene Energie des Brennstoffs. Nach einer vollständigen Verbrennung haben die Verbrennungsprodukte bei demselben Druck p1 eine sehr viel höhere Temperatur t2 . Im Folgenden wird angenommen, dass die Verbrennungsprodukte durch Entzug der Wärme Q110 auf die Temperatur der Ausgangsstoffe t10 D t1 zurückgekühlt werden; dabei soll vorausgesetzt werden, dass der als Verbrennungsprodukt entstandene Wasserdampf durch die Rückkühlung praktisch vollständig verflüssigt wird und dabei auch Kondensationsenthalpie (Kondensationswärme) frei wird. Damit haben das Verbrennungsgas die Enthalpie HA und die Asche bzw. Schlacke die Enthalpie HS . Wird eine Energiebilanz auf die Verbrennung mit Rückkühlung angewandt (Zustandsänderung von 1 nach 1’), wobei die Unterschiede der potentiellen und der kinetischen Energien sowie Reibungseinflüsse vernachlässigt werden können, so folgt: Q110 D .HA C HS /10  .HB C HL /1 Q110 D H10  H1

(25.62)

Die Wärme Q110 ist negativ, weil sie aus dem Verbrennungsraum abgeführt wird. Den Betrag der spezifischen Wärme q110 (bezogen auf die Masse von 1 kg Brennstoff) bezeichnet man als Brennwert (früher: oberer Heizwert) Hs ; genauer ist die Bezeichnung spezifischer Brennwert. jQ110 j H1  H10 D Hs D mB mB

(25.63)

Für Tabellenangaben wird als Bezugszustand der Normzustand (p1 D p0 D 1;01325 bar; t1 D t0 D 0 ı C) gewählt; teilweise wird Hs auch in der Weise angegeben, dass als

Temperatur der Ausgangsstoffe sowie der rückgekühlten Produkte t1 D 15 ı C oder t1 D 25 ı C gewählt ist. Für Brenngase bezieht man den Brennwert auf das Normvolumen V0 B : Hs;0 D

jQ110 j H1  H10 D V0 B V0 B

(25.64)

Im Gegensatz zum spezifischen Brennwert Hs bzw. zum normvolumenbezogenen Brennwert Hs;0 wird vom spezifischen Heizwert Hi bzw. vom normvolumenbezogenen Heizwert Hi;0 (früher: unterer Heizwert; vgl. . Tab. 25.1) dann gesprochen, wenn die Verbrennungsprodukte zwar auf die Temperatur der Ausgangsstoffe t1 rückgekühlt werden, jedoch die gesamte Menge an entstandenem Wasser fiktiv als Wasserdampf gedacht wird. Zwischen spezifischem Brennwert Hs und spezifischem Heizwert Hi besteht die Beziehung Hs  Hi D

mH2 O r; mB

(25.65)

wenn mH2 O die Masse des in den Verbrennungsgasen enthaltenen Wasserdampfs, mB die Masse des verbrannten Brennstoffs und r die spezifische Kondensationsenthalpie (spezifische Kondensationswärme) von H2 O bei der Temperatur t1 ist. Wird beispielsweise ein fester oder flüssiger Brennstoff mit dem Wasserstoffgehalt h und dem Wassergehalt w betrachtet, so sind nach den Gleichungen (25.19) und (25.23) je kg Brennstoff mH2 O D 8;94 h C w mB

(25.66)

Wasser zu berücksichtigen. Als Differenz von spezifischem Brennwert Hs und spezifischem Heizwert Hi erhält man (bei einer Bezugstemperatur t1 = 25 ı C für die Verbrennung) mH2 O r mB Hs  Hi D .8;94 h C w/  2442;5 kJ=kg:

Hs  Hi D

(25.67)

Die Differenz von normvolumenbezogenem Brennwert Hs;0 und normvolumenbezogenem Heizwert Hi;0 ist sinngemäß Hs;0  Hi;0 D

V0 H2 O r0 V0 B

(25.68)

mit v0 H2 O D V0 H2 O =V0 B als der durch die Verbrennungsreaktionen entstandenen Wasserdampfmenge in Nm3 H2 O je Nm3 Brenngas und r0 als der normvolumenbezogenen Kondensationsenthalpie von H2 O. Mit (25.10) wird bei der Bezugstemperatur t1 D 25 ı C für die Verbrennung (25.69) Hs;0  Hi;0 D   Xm kJ : rC H  1963;5 D rH2 C 2 rCH4 C 2 n m Nm3

. Abb. 25.8 Zur Erklärung der Begriffe „Brennwert“ und „Heizwert“

Der spezifische Brennwert bzw. Heizwert eines Gemischs aus festen und flüssigen Brennstoffen lässt sich mit Hilfe

563 Literaturhinweise, Informationsquellen

der Massenanteile i der Komponenten berechnen. Hierfür gilt: Hs D

n X

i Hs i

i D1

Hi D

n X

i Hi i

(25.70)

i D1

Der normvolumenbezogene Brennwert bzw. Heizwert eines Brenngasgemischs aus idealen Gasen kann mit Hilfe der Raumanteile ri der Komponenten berechnet werden. Hierfür gilt: Hs;0 D

n X i D1

ri Hs;0 i

Hi;0 D

n X

ri Hi;0 i

(25.71)

i D1

Zur Bestimmung des Heizwertes Hi verschiedener Brennstoffe – angegeben in MJ/kg – kann die Formel des Deutschen Steinkohleverbandes (Verbandsformel) [13] vor allem für Festbrennstoffe wie Stein- und Braunkohle verwendet werden. Weiter kann die Formel von Boie [14] genutzt werden. Hi D 33;9 c C 121 h C 10;5 s  15;2 o  2;5 w (Verbandsformel) (25.72) Hi D 34;8 c C 93;9 h C 10;5 s C 6;3 n  10;8 o  2;5 w (Formel von Boie) (25.73)

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Dehli, M., Doering, E. und Schedwill, H.: Grundlagen der Technischen Thermodynamik. 9. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden 2020. 2. Dehli, M.: Aufgabensammlung Technische Thermodynamik. 2. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden 2018. 3. Kugeler, K. und Phlippen, P.-W.: Energietechnik. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg 1993. 4. Baehr, H. D. und Kabelac, S.: Thermodynamik. 16. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg 2016. 5. Leggewie, G.: Flüssiggase. Carl Hanser, München Wien 1969. 6. Niepenberg, H. P.: Industrie-Gasfeuerungen. Verden/Aller 1971. 7. Angaben der Ruhrgas AG, Essen 2003. 8. Bošnjakovi´c, F.: Technische Thermodynamik. Bd. 1 und 2. 4. Aufl. Steinkopff, Dresden 1965. 9. Cerbe, G., Lendt, B. et al.: Grundlagen der Gastechnik. 8. Aufl. Carl Hanser, München Wien 2017. 10. Cerbe, G. und H.-J. Hoffmann bzw. Cerbe, G. und G. Wilhelms: Einführung in die Thermodynamik. 12. bis 17. Aufl. Carl Hanser, München Wien 1999 bis 2013. 11. Energietechnische Arbeitsmappe. VDI-Gesellschaft Energietechnik. 15., bearbeitete und erweiterte Aufl. Springer, Berlin Heidelberg 2000. 12. VDI-Wärmeatlas. Berechnungsblätter für den Wärmeübergang. VDIGesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (Hrsg.). 12. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg 2019. 13. Hütte – Des Ingenieurs Taschenbuch. Theoretische Grundlagen. 28. Aufl. Verlag von Wilhelm Ernst und Sohn, Berlin 1955. 14. Beiz, W. und K.-H. Grote: Taschenbuch für den Maschinenbau, Springer, Berlin Heidelberg 1986.

25

565

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten A

1

Abgas, Verbrennungsgas

A

m2

Fläche

a

kg A kg B

Massenanteil Asche

B

1

Brennstoff, Brenngas

C c

W m2 K4 kg C kg B

o o

Strahlungszahl (Strahlungskoeffizient)

c

spezifische Wärmekapazität

D

1

Dampf, Wasserdampf

E

J

Energie

J

Enthalpie

Hi

kJ kg B

spezifischer Heizwert

Hi;0 Hs Hs;0 h

kJ m3 B kJ kg B kJ m3 B kg H kg B

Q

J

Wärme

q

J kg

spezifische Wärme

Ri

J kg K

spezielle Gaskonstante des Stoffes i

kJ kg H2 O

spezifische Verdampfungsenthalpie (spezifische Verdampfungswärme)

r

W m2 K

Wärmedurchgangskoeffizient

L

1

Luftzustand

l

m

Länge

l

Dicke

s

Massenanteil Schwefel

s

kJ kg K

spezifische Entropie

T

K

Kelvin-Temperatur (absolute Temperatur, thermodynamische Temperatur)

t

s

Zeit

U

J

innere Energie

u

J kg

spezifische innere Energie

V

m3

Volumen

V0

Nm3

Normvolumen

normvolumenbezogener Luftbedarf

3

v spezifischer Luftbedarf

M

kg kmol

molare Masse (Molmasse)

m

kg

Masse

n

kg N kg B

Massenanteil Stickstoff

n

kmol

Stoffmenge, Molmenge

Entropie

kg S kg B

Massenanteil Wasserstoff

k

Volumenanteil (Raumanteil)

m

normvolumenbezogener Brennwert

spezifische Enthalpie

Nm3 L Nm3 B Nm3 L kg B

Nm3 ,1 Nm3 J K

Druck

s

spezifischer Brennwert

J kg

l

S

normvolumenbezogener Heizwert

h

spezifischer Sauerstoffbedarf

Pa D

r H

N , bar m2

normvolumenbezogener Sauerstoffbedarf

p

Massenanteil Kohlenstoff

J kg K

Nm3 O2 Nm3 B Nm3 O2 kg B

m kg

spezifisches Volumen

v0

Nm3 A Nm3 B

normvolumenbezogene Verbrennungsgasmenge (normvolumenbezogene Abgasmenge)

v0

Nm3 A kg B

spezifische Verbrennungsgasmenge (spezifische Abgasmenge)

W

J

Arbeit

n

1

Polytropenexponent

w

o

kg O kg B

Massenanteil Sauerstoff

w

m s kg H2 O kg B

Geschwindigkeit Massenanteil Wasser

566

w ˛l ˛v ˛

Anhang

kJ kg 1 K 1 K W m2 K

spezifische Arbeit

1 Indizes (tiefgestellt) A

Abgas

Af

Abgas feucht (Verbrennungsgas feucht)

Volumenausdehnungskoeffizient

At

Abgas trocken (Verbrennungsgas trocken)

Wärmeübergangskoeffizient

min

Mindestwert

min t

Mindestwert trocken

p

Druck

p

isobar

p

polytrop

p

Partialdruck

S

Sättigung

Längenausdehnungskoeffizient



1

Emissionsgrad



1

Wirkungsgrad

#

°C

Celsius-Temperatur



1

Isentropenexponent



1

Luftverhältnis



W mK

Wärmeleitfähigkeit (Wärmeleitkoeffizient)

S

Siedezustand



1

Massenanteil

S

Schlacke bzw. Asche

 

kmol N2 kmol C kg m3 kmol O2 kmol C

Stickstoffcharakteristik Dichte Sauerstoffbedarfscharakteristik

1 Indizes (hochgestellt) af

Abgas feucht (Verbrennungsgas feucht)

at

Abgas trocken (Verbrennungsgas trocken)

567

Elektrotechnik Inhaltsverzeichnis Kapitel 26

Einführung und Grundlagen – 569 Berthold Heinrich

Kapitel 27

Anwendungen – 585 Berthold Heinrich

Kapitel 28

Sicherheit – 599 Berthold Heinrich

VI

569

Einführung und Grundlagen Berthold Heinrich

26.1

Einführung

Werkzeugmaschinen oder Industrieroboter (siehe . Abb. 26.1) beinhalten u. a. elektrisch betriebene Motoren und Sensoren. Unterschiedliche Motorentypen werden je nach benötigter Leistung und Präzision eingesetzt. In . Tab. 26.1 werden einige Beispiele für Komponenten und ihre spezifischen Anforderungen aufgeführt. Dabei werden einige typische Motoren genannt. In . Abb. 26.1a sind die Motoren heute Servoantriebe; in . Abb. 26.1b) sind die beiden Horizontalantriebe der Werkzeugtische Linearmotoren, der oben angebrachte Motor ein Asynchronmotor und der Motor auf dem Werkzeugtisch ein Schrittmotor. Ebenso werden durch verschiedene Sensoren physikalische Größen in elektrische Signale umgewandelt, damit sie

a

b

. Tabelle 26.1 Beispiele für den Einsatz unterschiedlicher Motortypen Komponente

Aufgabe

Motortyp

Antriebsmotor einer Fräsmaschine

Konstanthaltung der Drehzahl

Asynchronmotor (siehe 7 Abschn. 27.2.3)

Antrieb für die Werkzeugzuführung

Präzise Positionierung

Schrittmotor (siehe 7 Abschn. 27.2.7)

Gelenkmotor eines Industrieroboters

Gelenkpositionierung

Servoantrieb (siehe 7 Abschn. 27.2.8)

. Tabelle 26.2 Beispiele für den Einsatz von Sensoren Physikalische Größe

Sensor

Einsatz

Ort

Lichtschranke

Durchlaufkontrolle

Temperatur

Themoelement

Wärmeofen

Druck

Piezoeffektsensor

Behälterdruck

weiterverarbeitet werden können. In . Tab. 26.2 werden einige Beispiele aufgeführt, die in der Maschinenbautechnik eine Bedeutung haben. Weitere Informationen findet man im 7 Abschn. 31.1 Sensoren. In dem Abschnitt Elektrotechnik werden zunächst einige zum Verständnis notwendige physikalische Grundlagen dargestellt. Bei den Anwendungen stehen die im Maschinenbau eingesetzten Motoren im Mittelpunkt. Zusätzlich werden einige gebräuchliche elektrische und elektronische Bauelemente, Sensoren und Aktoren in Übersichten aufgeführt. Die Unterkapitel Leistungselektronik 7 Abschn. 27.4, Antriebstechnik 7 Abschn. 27.5 und Verteilung elektrischer Energie 7 Abschn. 27.6 schließen das Kapitel ab. Sicherheitsaspekte werden danach zusammenfassend betrachtet. 26.2 26.2.1

. Abb. 26.1 a Motoren bei einem Industrieroboter b Motoren bei einer Fräsmaschine

Elektrische Grundphänomene Ladung

Es kann beobachtet werden, dass zum Beispiel nach Reiben eines Katzenfells auf einem Glasstab diese Gegenstän-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_26

26

570

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

Q

26

+

F

E

+ . Abb. 26.2 Heliumatom im Atommodell nach Bohr

de plötzlich andere anziehen. Zur Beschreibung, weiteren Untersuchung und Anwendung dieses und ähnlicher physikalischen Phänomene wurde nun in der Physik und damit in der Elektrotechnik ein Begriffsapparat entwickelt. In einem für die Elektrotechnik relevanten Atommodell (siehe . Abb. 26.2) wird dieses physikalische Phänomen dadurch erklärt, dass man annimmt, ein Atom besteht aus Elektronen, Protonen und Neutronen. Die Elektronen sind die Träger einer negativ genannten Ladung , die Protonen die Träger einer gleichgroßen positiven ˚. Ungleichnamige Ladung ziehen sich an, gleichnamige stoßen sich ab. Damit ein Atom nach außen neutral wirkt, ist die Anzahl der Elektronen gleich der Anzahl der Protonen. Ist die Anzahl nicht gleich, spricht man von einem Ion. Die Einheit der elektrischen Ladung Q wird Coulomb (C) genannt. 1 Coulomb ist diejenige elektrische Ladung, die in einer Sekunde durch den Querschnitt eines Leiters transportiert wird, in dem ein elektrischer Strom (siehe unten) der Stärke von 1 Ampere fließt. Ein Elektron hat eine Ladung e D 1;602  1019 C.

. Abb. 26.3 Radiales Feld . Abb. 26.4 Feldlinien zweier ungleichnamiger Ladungen

+ E +

Q F



E

26.2.2

Elektrisches Feld +

Die Wirkung einer Ladung Q auf eine andere kann durch das Modell eines Feldes beschrieben werden. Mathematisch kann man die Methoden der Vektorrechnung auf dieses Modell anwenden. Anschaulich kann es durch Feldlinien beschrieben werden, die bei den positiven Ladungen beginnen und bei den negativen Ladungen enden (vgl. . Abb. 26.3, 26.4 und 26.5). Dabei ist die Dichte der Feldlinien ein Maß für die Feldstärke: Je dichter die Feldlinien liegen, umso größer ist die Feldstärke und umso stärker ist die Kraft auf eine in das Feld gebrachte Probeladung. Dies führt zu einer das elektrische Feld beschreibenden Größe, der elektrischen E Feldstärke E. FE EE D Q

E V m

F

Q

N

C

(26.1)

Die elektrische Feldstärke E ist definiert als das (gerichtete) Verhältnis von Kraft auf die (ins Feld gebrachte) Ladung Q.

Q F

. Abb. 26.5 Homogenes elektrisches Feld

Die Wirkung elektrischer Felder wird in der Technik vielfältig genutzt: 4 Um Staubteilchen aus einem Gas zu entfernen, wird dieses durch ein aus zwei geladenen Platten erzeugtes elektrisches Feld geleitet. Lädt man vorher die Staubteilchen negativ auf, so werden sie von der Plus-Platte angezogen und setzen sich dort ab. 4 An der Spitze eines Blitzableiters bildet sich in der ionisierten Luft bei einem Gewitter ein starkes elektrisches Feld, in das der Blitz mit höherer Wahrscheinlichkeit einschlägt, als in die Umgebung. 4 Bei der Tauchlackierung wird der zu lackierende Gegenstand negativ, die Farbpartikel im Lack werden

26

571 26.2  Elektrische Grundphänomene

positiv geladen. Dadurch setzen sie sich gleichmäßig auf dem Gegenstand ab. Ja nach Dauer des Bades lassen sich dadurch unterschiedliche Schichtdicken erzeugen.

26.2.3

Spannung

Allgemein berechnet man die Spannung U zwischen zwei Punkten P1 und P2 eines elektrischen Feldes durch das Linienintegral der elektrischen Feldstärke ZP2 U12 D

E lE Ed

P1

U E V V m

l m

(26.2)

Der Begriff der Spannung hat aber noch weitere Aspekte. 1. Die Spannung U kann als an einer Ladung Q verrichtete Arbeit W angesehen werden: U D

W Q

U W V J

Q C

1A D n 

e C D n  1;602  1019 1s 1s

Nach n umgestellt erhält man die Anzahl der Elektronen nD

1 As D 6;24  1018 1;602  1019 C

4 Das heißt, dass ca. 6  1018 Elektronen durch einen Leiterquerschnitt fließen, wenn ein Strom I = 1 A fließt. 4 Aus der obigen Formel ergibt sich eine neue Beziehung für die Einheit C der Ladung Q: 1 C D 1 As

Stromstärke

Ein elektrischer Strom wird durch die gerichtete Bewegung von Ladungen erzeugt. Meist fließt er in einem geschlossenen Stromkreis. Ein einfacher Gleichstromkreis besteht aus einer Gleichspannungsquelle und einem Verbraucher, zum Beispiel eine elektrische Glühlampe (. Abb. 26.6). Die Stromstärke I richtet sich nach der Anzahl der Elektronen/Ladungen, die je Sekunde durch einen Leitungsquerschnitt fließen. Sie wird in Ampere (A) gemessen. Das Ampere ist eine SI-Basiseinheit und wird über die Kraftwirkung des elektrischen Stroms definiert. 1 A ist die Stärke eines Gleichstromes, der zwei lange, gerade und im Abstand von 1 m parallel verlaufende Leiter mit sehr kleinem kreisförmigem Querschnitt durchfließt und zwischen diesen die Kraft 0;2  106 N je Meter ihrer Länge erzeugt.

4 Die Elektronen bewegen sich nur wenig, etwa 0;1 mm s (Driftgeschwindigkeit). Trotzdem leuchtet die Glühlampe direkt nach dem Einschalten auf. Die Signalgeschwindigkeit ist die Lichtgeschwindigkeit (c  3  108 m s ). 4 Als (konventionelle oder technische) (Strom-)Richtung wird nach EN 60375 ein Stromfluss von „Plus“ nach „Minus“ genommen. Die Elektronen bewegen sich allerdings von „Minus“ nach „Plus“. 4 Der Gleichstrom wird wie die Gleichspannung oft durch DC – direct current – abgekürzt.

26.2.5

Widerstand

Wird in dem Stromkreis aus . Abb. 26.6 die Stromstärke I und die Spannung U gemessen, so kann man eine dritte Größe, den sog. elektrischen Widerstand R, als Quotient aus U und I berechnen. RD

U I

R U I ) V A

Q t

I Q A C

t s

(26.4)

(26.6)

Die Maßeinheit des Widerstandes heißt Ohm ()). Ein Leiter hat den Widerstand 1 ), wenn bei einer Spannung von 1 V der Strom 1 A fließt.

Anmerkungen: 4 Für die Stromstärke I gilt die Formel I D

(26.5)

(26.3)

2. Damit kann die Einheit 1 V interpretiert werden als diejenige Spannung, die an einer Ladung Q D 1 C eine Arbeit W D 1 J verrichtet. 3. Ein dritter Aspekt interpretiert die Spannung U als Potentialdifferenz zwischen zwei Körpern mit unterschiedlichem elektrischem Potential.

26.2.4

4 Aus der Definition des Coulomb, das diejenige Ladung Q ist, die in einer Sekunde durch den Querschnitt eines Leiters transportiert wird, in dem ein Strom I D 1 A fließt, lässt sich die Anzahl n der Elektronen bestimmen, die bei einer Stromstärke von 1 A in einer Sekunde durch den Querschnitt strömen. Denn es gilt dann

. Abb. 26.6 Schaltung eines einfachen Gleichstromkreises

572

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

. Abb. 26.8 Kapazität C

26

. Abb. 26.7 Stromstärke in Abhängigkeit von der Spannung bei konstantem Widerstand

Leitwert Durch verschiedene Messreihen kann man (in gewissen Grenzen) bestätigen, dass, wenn die Spannung erhöht wird, sich auch die Stromstärke erhöht. Dabei ist das Verhältnis von Spannung U und Stromstärke I immer gleich (Ohm’sches Gesetz). Ein Beispiel dafür ist in . Abb. 26.7 dargestellt.

In einigen Fällen ist es eleganter, mit dem Leitwert G, dem Kehrwert des Widerstandswertes R zu rechnen. GD

26.2.6 26.2.5.1

G R S )

(26.8)

Kapazität

Spezifischer Widerstand

Der elektrische Widerstand ist – wie zum Beispiel die Dichte – eine Stoffeigenschaft. Der Widerstand Rl einer Leitung hängt damit vom Material, aber auch von der Geometrie (Länge l, Querschnitt A) ab. Es gilt

Rl D

1 R

l A

Rl )

 )  mm2 m

l

Wird zum Beispiel an zwei gegenüberliegenden elektrisch leitenden Platten wie in . Abb. 26.8 eine Spannung angelegt, so werden proportional zur Größe der Spannung U Ladungen Q auf die Platten bewegt. Der Proportionalitätsfaktor ist C und wird Kapazität genannt. Es gilt also

A

m mm2

;

(26.7)

wobei  der spezifische Widerstand ist. In entsprechenden Tabellenbüchern ist für viele Stoffe deren spezifischer Widerstand aufgelistet. Zu beachten ist dabei, dass der spezifische Widerstand in der Regel temperaturabhängig ist. Deshalb gelten die Werte meist für 20 ı C. In . Tab. 26.3 sind einige Beispiele für spezifische Widerstände aufgeführt. Hier sieht man auch, dass als Material für stromführende Leitungen oft Kupfer verwendet wird, da es einen geringen spezifischen Widerstand hat, also zu geringen Leitungsverlusten führt.

. Tabelle 26.3 Spezifischer Widerstand  für ausgewählte Werkstoffe bei einer Temperatur von 20 ı C Werkstoff

Spezifischer Widerstand  in

Silber

0,0164

Kupfer (E-Cu 58)

0,01724

Aluminium

0,0278

Eisen

0,15 . . . 0,1

Konstantan (CU 55 %, Ni 44 %, Mn 1 %)

0,5

Gold

0,023

mm2 m

Q DC U

Q C C F

U V

(26.9)

Für die Einheit der Kapazität gilt ŒC  D

1C D 1 Farad D 1 F 1V

Zu beachten ist hier, dass der Buchstabe „C“ doppelt in der Gleichung vorkommt. Links ist die physikalische Größe Kapazität gemeint, im Bruch die physikalische Einheit 1 Coulomb. Die Maßeinheit 1 F ist für die Praxis oft viel zu groß. Meist verwendet man sie mit Vorsätzen, also 1 Mikrofarad (1 *F D 106 F), 1 Nanofarad (1 nF D 109 F), oder 1 Pikofarad (1 pF D 1012 F). Kapazitive Effekte werden vor allem zur Erfassung von Abständen, Verschiebungen und Verdrehungen verwendet.

26.2.7

Magnetisches Feld

Schon seit dem Altertum ist bekannt, dass bestimmte Eisenerze magnetische Eigenschaften haben. Diese Art von Magneten wird Dauermagnete genannt. So ziehen sie zum Beispiel andere Metalle an, bewegliche Metallnadeln werden aus ihrer Richtung abgelenkt. Schon früh merkte man, dass es zwei Pole gibt. Sie werden Nord- und Südpol genannt.

26

573 26.2  Elektrische Grundphänomene

. Abb. 26.9 Magnetfeldlinien Richtung des Stromes Richtung der Feldlinien

Die Wirkung von Magneten kann – ähnlich wie beim elektrischen Feld – durch das Modell eines Feldes beschrieben werden. Mathematisch sind die Methoden der Vektorrechnung auf dieses Modell anwendbar. Anschaulich kann es durch Feldlinien beschrieben werden, die beim Nordpol beginnen und beim Südpol enden (siehe . Abb. 26.9). Die Gesamtheit der Feldlinien im magnetischen Feld wird Magnetischer Fluss ˚ genannt. Seine Einheit ist 1 Weber (Wb). Die magnetische Flussdichte B wird definiert als magnetischer Fluss ˚ pro Flächeneinheit A. In homogenen Feldern gilt dabei ˚ BD A

A B ˚ T Wb m2

(26.10)

(26.13)

A m

Vs Am die magnetische Feldkonstante ist. 7 Beispiel

(26.11)

A

Auch stromdurchflossene Leiter können ein Magnetfeld erzeugen (siehe . Abb. 26.10). Für den Betrag der durch einen Strom der Stärke I erzeugte Magnetfeldstärke H im Abstand r außerhalb des Leiters gilt die Formel

a

H

0 D 1;26  106

1 Wb D 1 Tesla D 1 T m2

I 2 r

B 0 Vs T Am

wobei

In inhomogenen Feldern gilt Z ˚ B A ˚ D BE  d AE Wb T m2

H D

Die Stärke des Magnetfeldes ist also proportional zur Stromstärke (Ampère’sches Gesetz). A . Die Einheit der magnetischen Feldstärke H ist m Ihre Richtung wird nach der sog. Rechte-Hand-Regel (. Abb. 26.11) bestimmt. Mit der magnetischen Flussdichte B besteht der Zusammenhang B D 0  H

Für die Einheit der Flussdichte B gilt ŒB D

. Abb. 26.11 Rechte-Hand-Regel

H A m

I

r

A

m

Die magnetische Flussdichte um einen Leiter im Abstand r D 10 cm soll berechnet werden. Durch den Leiter fließt ein Strom I D 50 mA. Lösung B D 0  H

ˇ ˇ ˇH D I ˇ 2 r

50  103 A I Vs D 1;26  106  2 r Am 2   10  102 m 7  1;00  10 T 9

B D 0 

(26.12)

b

. Abb. 26.10 Magnetfeldlinien eines stromdurchflossenen Leiters a Strom fließt aus der Zeichenebene b Strom fließt in die Zeichenebene

Die durch einen Stromfluss erzeugten Magnete nennt man Elektromagnete. Durch eine besondere Anordnung des Drahtes kann die Magnetfeldstärke vergrößert werden. Wird der Draht zu einer Spule gewickelt, ähnelt das Magnetfeld dem eines Stabmagneten (. Abb. 26.12). Für die magnetische Flussdichte B im Inneren einer langgestreckten Spule mit der Anzahl N an Windungen und der Länge l gilt B D 0

I N l

B 0 Vs T Am

I

N

A 1

l m

(26.14)

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

574

26 N

S

. Abb. 26.12 Feldlinien einer Spule

. Abb. 26.13 Induktion durch Bewegung

. Tabelle 26.4 Relative Permeabilität

Bewegungsrichtung

Werkstoff

Relative Permeabilität r

Ni

< 1000

Fe

< 5000

Trafoblech

< 75.000

Stromrichtung

Feldrichtung

Führt man in diese Spule noch geeignete Werkstoffe (ferromagnetische Stoffe) ein, so wird die magnetische Kraft um die relative Permeabilität r vervielfacht. B D r 0

B r

I N l

T 1

0 Vs Am

I

N

A 1

l m

(26.15)

Einige Bereiche zeigt . Tab. 26.4. 7 Beispiel Wickelt man den Draht aus obigem Beispiel bei gleicher Stromstärke zu einer l D 3 cm langen Spule mit N D 2000 Windungen, entsteht in deren Inneren ein (homogenes) Magnetfeld. Gesucht ist dessen magnetische Flussdichte B ohne und mit einem Eisenkern der relativen Permeabilität r D 3500.

Wird ein (zunächst stromloser) Leiter durch ein magnetisches Feld bewegt (siehe . Abb. 26.13), so wird in ihm eine elektrische Spannung induziert (Induktionsgesetz, Eigeninduktion). Auch in Stromkreisen, die sich in der Nähe befinden, werden Spannungen induziert (Gegeninduktion). Dies wird bei Transformatoren, Elektromotoren und in der Elektronik angewandt. Die Richtung des induzierten Stromes I ist von der Bewegungsrichtung des Leiters und der des Feldes abhängig. Es gilt die sog. Dreibeinregel (siehe . Abb. 26.14). Für die Größe der induzierten Spannung Uind gilt die Formel jUind j D B  l  v

Lösung Bohne D 0

. Abb. 26.14 Dreibeinregel

I N l

Vs 50  103 A  2000  D 1;26  10 Am 3  102 m 3  4;2  10 T 6

Bmit D r  0

I N l

D 3500  1;26  106

Vs 50  103 A  2000  Am 3  102 m

 14;7 T 9

Uind V

B l

v m T m s

(26.16)

Dabei ist B die magnetische Flussdichte, l die Länge des Leiters im Magnetfeld und v die Geschwindigkeit relativ zum Magnetfeld. Oft wird eine weitere Größe definiert, die Induktivität L. Für sie gilt LD

U IP

L

U

H V

IP A s

(26.17)

Dabei gilt für die Einheit Henry die Umrechnung 26.2.8

Induktivität

Ein elektrischer Strom I erzeugt ein Magnetfeld B (siehe 7 Abschn. 26.2.7, Ampère’sches Gesetz).

ŒL D 1 Henry D 1 H D 1

Vs A

Die Induktivität L stellt einen Zusammenhang zwischen der induzierten Spannung und dem Augenblickswert der

26

575 26.2  Elektrische Grundphänomene

Filterspule Ausführung Material Temperatur, max. Induktivität Widerstand Eigenresonanzfrequenz Nennspannung Länge Durchmesser

axial Ferrit 120°C 100 H 600 m 55MHz 500 VAC 26 mm 0,8 mm

. Abb. 26.16 Schema eines reinen Si-Kristalls mit Eigenleitfähigkeit: 1 freies Elektron, 2 Fehlstelle oder Defektelektron

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

1

Si 2 +

Si

Si

Si

. Abb. 26.15 Auszug aus dem Datenblatt einer Spule

Stromstärke in einem Leiter her. Sie ist eine charakterisierende Größe eines Bauteils und wird im Datenblatt (siehe . Abb. 26.15) ausgewiesen. Die Induktion findet unter anderem eine Anwendung in der Wirbelstrombremse. 26.2.9

Halbleitung

Es gibt Werkstoffe, die haben eine weitere Besonderheit. Durch ein Dotieren genanntes Verfahren können sie zu einem Halbleiter gemacht werden. Die wichtigsten Halbleiterwerkstoffe sind die vierwertigen Elemente Silizium und Germanium. Die vier Valenzelektronen stellen die Bindung zu den Nachbaratomen her und sind damit zunächst im Kristall gebunden. Es sind keine freien Elektronen vorhanden und der Kristall ist daher ein idealer Isolator (. Abb. 26.16). Durch Wärmeschwingungen der Atome brechen einige Elektronen aus der Paarbindung. Sie hinterlassen eine Fehlstelle (Loch, Defektelektron), die als positive Elementarladung wirkt. Durch Bewegungen der Elektronen werden einige Fehlstellen wiederbesetzt (Rekombination), und an anderer Stelle entstehen neue Löcher. Dadurch entsteht eine (sehr geringe) Eigenleitfähigkeit, die jedoch mit der Temperatur stark ansteigt. Zum Vergleich: Silizium hat bei 20 ı C eine Eigenleitfähigkeit von  D 5  104

S ; m

Kupfer  D 5  107

S : m

Durch kontrollierte Verunreinigung (Dotierung) des reinen Si-Kristalls mit dreiwertigen Elementen wie zum Beispiel Aluminium oder fünfwertigen wie zum Beispiel Arsen lässt sich die Leitfähigkeit des Kristalls stark verändern. Je nach gewünschten Eigenschaften dotiert man Fremdatome in einem Verhältnis von 1W 104 bis 1W 108. Man bezeichnet die fünfwertigen Elemente, die ein überschüssiges Elektron in das Gitter einbringen, als Donatoren und die dreiwertigen, denen ein Bindungselektron fehlt, als Akzeptoren. Die Wirkung eines fünfwertigen Fremdatoms ist in . Abb. 26.17a dargestellt. Das fünfte Valenzelektron steht

als freier Ladungsträger zur Verfügung (N-Leitung). Die Arsenatome werden dadurch zwar zu positiven Ionen, der Kristall ist aber neutral, da sich die freien Elektronen und die Gitterionen in der Summe ausgleichen. Im Falle der Dotierung mit Akzeptoren (siehe . Abb. 26.17b) können nicht alle Paarbindungen im Kristall erzeugt werden. Zwar kann infolge der Wärmebewegung ein Elektron eine Paarbindung verlassen und die Lücke schließen, aber dafür entsteht an anderer Stelle eine Fehlstelle. Auch hier ist der Kristall nach außen neutral. Legt man eine elektrische Spannung an, werden sich die Elektronen in Richtung Pluspol bewegen, womit die Löcher zwangsläufig zum Minuspol wandern. Sie verhalten sich also wie positive Ladungen (P-Leitung). Interessant ist nun die Kombination beider Typen. Bringt man Si-Kristalle so zusammen, dass einer P-leitend, der andere N-leitend ist, so stehen sich in der Grenzschicht, dem PN-Übergang, freie Ladungsträger unterschiedlicher Polarität gegenüber (. Abb. 26.18a). Sie können sich als Diffusionsstrom gegenseitig neutralisieren. Zurück bleiben auf beiden Seiten die ortsfesten Ionen des Kristallgitters, womit auf der N-Seite eine positive Raumladung und auf der P-Seite eine negative Raumladung mit der Gesamtdicke d0 entsteht. Wie bei einem geladenen Kondensator bilden diese einander gegenüberliegenden Raumladungen der Grenzschicht ein elektrisches Feld EEo aus. Auf die Ladungsträger

a

b Si

Si

Si

Si

Si Si Si Si

1

Si

+ As

2 Si

Si

Si Si

Si Si

Si

+2 Si

3 Al

Si Si

Si

1

Si Si

. Abb. 26.17 Schema eines dotierten Si-Kristalls. a N-Leitung: 1 fünfwertiges Fremdatom (Arsen), 2 Elektron, freie negative Ladung. b P-Leitung: 1 dreiwertiges Fremdatom (Aluminium), 2 Defektelektron, freie positive Ladung, 3 vervollständigte Bindung

576

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

a

Elektromagnetische Kräfte

26.3 P

26

F

E0

N

F d0

b UB –

P

E0

N

+

EB d0

Bei der Beschreibung von Kräften werden elektrische und magnetische Felder zu einem elektromagnetischen Feld begrifflich zusammengefasst. Reine elektrische oder magnetische Felder sind dann Spezialfälle. Eine Ladung Q, die mit der Geschwindigkeit vE durch ein elektromagnetisches Feld mit der elektrischen Feldstärke EE und magnetischen Flussdichte BE bewegt, erfährt eine Kraft FE (Lorentz-Kraft) nach folgendem Gesetz FE D FEE C FEB D Q  EE C Q  vE BE

c UB +

P

E0

F N



Q

N C

EB . Abb. 26.18 Verhalten eines PN-Übergangs. a Keine äußere Spannung:  Positive freie Ladung,  negative freie Ladung, b Spannung UB in Sperrrichtung, c Spannung UB in Durchlassrichtung

26.3.1 26.3.1.1

in diesem Bereich wirken mit FE D q  EE (26.1) Kräfte, so dass sich ein dem Diffusionsstrom entgegengesetzter Feldstrom ausbilden kann. Resultierend kommt es zu einem Gleichgewicht, es fließt kein Strom mehr, was einem hochohmigen Widerstand entspricht. Aufgrund des elektrischen Feldes entsteht entlang der PN-Zone eine Diffusionsspannung UD . Sie beträgt bei Silizium etwa 0,7 V. Wird nun die N-Seite an den Pluspol einer Gleichspannung UB angeschlossen (. Abb. 26.18b), so überlagert sich dem Feld EE0 das gleichgerichtete Feld EEB der äußeren Spannung. Die freien Ladungsträger werden deshalb noch weiter auseinandergezogen. Damit verbreitert sich die von beweglichen Ladungsträgern freie Zone auf d > d0 und der PN-Übergang wird hochohmig. Man sagt, der PN-Übergang wird in Sperrrichtung betrieben. Überschreitet UB aber einen kritischen Wert, so werden die Valenzelektronen so stark beschleunigt, dass sie weitere Valenzelektronen aus den Paarbindungen herausschlagen. Das führt zur Zerstörung des Halbleiters. Wird nun die P-Seite an den Pluspol einer Gleichspannung UB angeschlossen (. Abb. 26.18c), wirkt das elektrische Feld EEB dem Raumfeld UEB entgegen. Überschreitet UB die Diffusionsspannung UD , fließt ein Strom. Der PN-Übergang wird in Durchlassrichtung betrieben. Bauelemente mit diesen Halbleitereigenschaften werden oft als Schalter eingesetzt. Sie finden unter anderem in vielen Fertigungsmaschinen Anwendung, wo schnelle Ein- und Ausschaltvorgänge realisiert werden müssen. Außerdem werden Halbleiterbauelemente mit mehreren PN-Übergängen (Thyristoren) für den Aufbau steuerbarer Gleichstromquellen in der Antriebstechnik eingesetzt.

E V m

v m s

B (26.18)

T

Spezialfälle Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter

Ein Leiter der Länge l, der senkrecht zum Magnetfeld mit der Flussdichte B, wie in . Abb. 26.19, verläuft und durch den ein Strom der Stärke I fließt, erfährt die Kraft F F DB I l

F B I N T A

l m

(26.19)

Dieser Spezialfall ist Grundlage des Motorprinzips. 7 Beispiel In einer Spule wird ein Magnetfeld mit der Flussdichte B D 5  102 T erzeugt. Durch einen senkrecht zum Geld verlaufenden Leiter der Länge l D 5 cm fließt ein Strom I D 0;5 A. Gesucht wird die Kraft F auf den Leiter. Lösung F D B  I  l D 5  102 T  0;05 m  0;5 A D 0;00125 N Die Kraftwirkung kann erhöht werden, wenn man den Leiter zu einer Spule wickelt. 9 . Abb. 26.19 Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld

26

577 26.4  Weitere Stromarten

. Abb. 26.21 Wechselstromgenerator

. Abb. 26.20 Kraft bei einem Elektromagneten

26.3.1.2

Kraft auf einen Dauermagneten

Bei Relais, Motoren, Generatoren, Lautsprechern und Hubmagneten werden Elektromagnete verwendet. Für deren Tragkraft gilt (vgl. . Abb. 26.20) F D

B2  A 2  0

F

B A

N

T m2

wobei 0 D 4   107 ist.

Vs Am

0 Vs Am

(26.20)

die magnetische Feldkonstante

Diese Wechselspannung (wird wie Wechselstrom oft durch AC – alternating current – abgekürzt) wird von Bürsten, die auf den fest mit der Leiterschleife verbundene Schleifringen gleiten, abgenommen und zu Elektrizitätsverbrauchern weitergeleitet. Nach diesem Generatorprinzip arbeiten alle Gas-, Dampf-, Wasser-, Wind-, Kohle- und Dieselkraftwerke, die die Ausgangsenergie in elektrischen Strom umwandeln. Auch der Nabendynamo am Fahrrad arbeitet so. Um ausreichend hohe Spannungen zu bekommen, besitzen Generatoren meist nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von Leitschleifen. 26.4.1.2

Beschreibung und Kenngrößen

Bei gleichförmiger Drehbewegung ist der überstrichene Winkel ˛ proportional zur Zeit t mit einem Proportionalitätsfaktor !, das heißt

7 Beispiel Ein Dauermagnet hat eine Feldstärke B D 0;35 T. Die Querschnittsfläche des Luftspalts beträgt A D 4;5 cm2 . Gesucht ist die Kraft auf den Anker. Lösung F D

.0;35 T/2  4;5  104 m2 B2  A D  87;7 N Vs 2  0 2  4   107 Am

Die Kraft nimmt allerdings mit dem Abstand stark ab. 9

26.4

Weitere Stromarten

26.4.1

Wechselstrom und -spannung

˛.t/ D !  t

˛ 1

! 1

s

t

(26.21)

s

! heißt in diesem Zusammenhang auch Winkelgeschwindigkeit. Die Zeit T, in der der Winkel 360ı überstreicht, nennt man Periodendauer. Um die induzierte Spannung u.t/ zu berechnen, wird der zeitabhängige Fluss ˚.t/ benötigt. Dieser ist nach (26.10) ˚.t/ D BE  AE ˚.t/ D B  A  cos ˛ ˚.t/ D B  A  cos !t

ˇ ˇ Skalarprodukt ˇ ˇ˛ D!t

Nach dem Induktionsgesetz gilt dann 26.4.1.1

Erzeugung

Im Luftspalt eines ausreichend starken (Permanent- oder Elektro-) Magneten (siehe . Abb. 26.21) befindet sich eine drehbar gelagerte Leiterschleife. Wenn diese rotiert, ändert sich laut Induktionsgesetz laufend der von ihr umfasste Fluss. Liegt die Schleife senkrecht zu den Feldlinien, ist der umfasste Fluss maximal, steht sie parallel zu den Feldlinien, ist er null. Aufgrund der dabei ausgeführten Kreisbewegung wird ein sinusförmiger Spannungsverlauf induziert.

d˚ dt u.t/ D B  A  !  sin !t u.t/ D 

u.t/ D uO  sin !t

u t V S

ˇ ˇ differenzieren ˇ ˇ uO WD B  A  ! uO V

(26.22)

Die induzierte Spannung (siehe . Abb. 26.22) hat also einen sinusförmigen Verlauf mit der Amplitude oder dem . Aus der Scheitelwert uO und der Periodendauer T D 2  !

578

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

. Abb. 26.22 Sinusförmige Wechselspannung – zeitabhängig

u(t) T



26

t t

–uˆ

und

u(t) p

uˆ α 0°

360° 540°

180°

720°

α4

α

v u u ZT u1 I D .Ieff / D t i 2 .t/dt T 0

I i A A

–uˆ

. Abb. 26.23 Sinusförmige Wechselspannung – winkelabhängig

Periodendauer ergibt sich die Frequenz f zu f D T1 . Sie wird meist in Hertz (Hz) gemessen und angegeben. Das Haushaltsnetz wird mit einer Frequenz von 50 Hz stabil gehalten. Ein Generator muss sich also 50mal pro Sekunde um die eigene Achse drehen. Die Periodendauer ist 1 damit 50 s D 20 ms. Bisher wurde die Zeit t als unabhängige Größe genommen. Oft ist es aber sinnvoll, den überstrichenen Winkel ˛ als Bezugsgröße zu nehmen (siehe . Abb. 26.23). Hierbei ist dann die Periode p immer 360ı . Beginnt die Zeitzählung NICHT bei 0ı , erhält man den (Null-)Phasenwinkel ˛u . Im Bogenmaß gemessen ist die Periode p dann 2 . Die Größe ! D 2 f nennt man deshalb auch Kreisfrequenz. Sie wird meist in s1 gemessen und angegeben. Für Spannungen und die Stärke von Strömen in allgemeiner Lage gilt u uO i iO V V A A

(26.23)

Bei einer Gleichspannung ist die Angabe des Wertes U D 300 V eindeutig, da sie ständig gleich ist. Wechselspannungen und -stromstärken ändern sich jedoch ständig. Wenn nichts anderes gesagt wird, gibt man in der Wechselstromtechnik stets den Effektivwert (auch quadratischer Mittelwert genannt) an. v u u ZT u1 u2 .t/dt U D .Ueff / D t T

uO U D p  0;707uO 2

U u T V V s

t s

(26.24)

U V

uO V

(26.26)

und für den sinusförmigen Strom iO I D p  0;707iO 2

I iO A A

(26.27)

Die Effektivwerte betragen also etwa 71 % der Amplitude. Bei unserer Haushaltsspannung von 230 V heißt das, dass der Scheitelwert etwa p

2 D 230 V 

p

2  325 V

beträgt. Für diesen Wert muss die Isolation ausgelegt sein.

26.4.2

Drehstrom

Bei der Betrachtung der Leistung in 7 Abschn. 26.6 kann man erkennen, dass bei dem bisher vorgestellten Einphasenwechselstrom die Leistung nur pulsierend übertragen wird. Das ist ein großer Nachteil. Der dreiphasige Wechselstrom (auch Drehstrom genannt) bietet hier eine bessere Alternative. 26.4.2.1

0

(26.25)

Bei der Betrachtung der Leistung P in 7 Abschn. 26.6 kann man erkennen, dass die in einem Widerstand R in Wärme umgewandelte elektrische Leistung dem Quadrat des Stroms I bzw. der Spannung U proportional ist. Deshalb ist die Angabe des Effektivwertes sehr sinnvoll. Für eine sinusförmige Wechselspannung mit Nullphasenwinkel 0ı gilt mithilfe der Integralrechnung

uO D U u.t/ D uO  sin .!t C ˛u / i.t/ D iO  sin.!t C ˛i /

T t s s

Erzeugung

In einem Drehstromgenerator (. Abb. 26.24) sind drei Spulensysteme in dem permanenten Magnetfeld um jeweils

26

579 26.4  Weitere Stromarten

. Abb. 26.26 Spannungen in einem Drehstromsystem . Abb. 26.24 Erzeugung eines Dreiphasenwechselstroms

Sternpunkt wirksam sind. Die Spannungen U12 , U23 und U31 sind die Leiterspannungen zwischen den bezifferten Leitern. Es gilt U12 D U23 D U31 DW U u12 V

u23 V

u31 V

u V

(26.29)

und U1 N D U2 N D U3 N DW Ustr u1N V

. Abb. 26.25 Phasenverkettung als Stern

180ı verschoben angeordnet. Jedes Drittel bezeichnet man als Phase. Da drei Spulen vorhanden sind, ergibt sich ein Dreiphasensystem und die Spannungen sind um 120ı gegeneinander elektrisch verschoben. 26.4.2.2

Beschreibung und Kenngrößen

Ein Drehstromsystem nach . Abb. 26.24 bezeichnet man als unverkettetes Drehstromsystem, da die drei Phasen keine leitende Verbindung miteinander haben. Jede Phase arbeitet selbstständig mit den angeschlossenen Stromverbrauchern. Die drei Spannungen sind um 120ı gegeneinander phasenverschoben, das heißt uI D uO  sin !t   2  uII D uO  sin !t  3   4  uIII D uO  sin !t  3

u2N V

uO uII V V

uIII V

(26.28)

Man kann die drei Phasen aber auch am Mittelpunkt zusammenschalten (siehe . Abb. 26.25). Diese Schaltung nennt man Sternschaltung. Der vom Verkettungspunkt (Sternpunkt) ausgehende Leiter wird als Neutralleiter bezeichnet. Die Leitungen bezeichnet man mit L1 , L2 und L3 . Die Spannungen U1 N , U2 N und U3 N bezeichnet man als Strang- oder Sternspannungen, da sie jeweils zwischen einem Leiter und dem

uStr V

(26.30)

U UStr A A

(26.31)

sowie U D

p 3  Ustr

Das heißt, dass die Leiterspannung etwa um den Faktor 1,7 größer ist als die Sternspannungen. . Abb. 26.26 verdeutlicht p die Zusammenhänge. Die 400 V ergeben sich durch 3  230 V  400 V. An L1 bis L3 kann zum Beispiel ein Drehstrommotor mit 400 V angeschlossen werden. Zwischen den Leitungen und dem Neutralleiter N können andere einphasige Verbraucher angeschlossen werden. Wiederum gilt für die Strang- und Leiterströme I D Istr

uI V

u3N V

I A

IStr A

(26.32)

Eine andere Schaltung ist die Dreiecksschaltung (. Abb. 26.27). Hier gilt für die Strang- und Leiterspannungen U D Ustr

U UStr A A

(26.33)

Und für die Leiter- und Strangströme gilt analog I D

p 3  Istr

I IStr A A

(26.34)

580

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

26.6

Leistung und Wirkungsgrad

Die (mechanische) Leistung P wird definiert als Arbeit W durch Zeit t

26

P D

W t

P W t W J s

(26.38)

Die Einheit der Leistung P ist das Watt (W). ŒP  D 1 W D 1 . Abb. 26.27 Phasenverkettung als Dreieck

J s

Mit (Gl. (26.37)) erhält man dann für die elektrische Leistung Diese beiden Schaltungen sind in der Motorsteuerung wichtig. Drehstrommotoren werden häufig in der Sternschaltung gestartet, weil so die Leistungsaufnahme beim Anlaufen nur 1=3 der Leistungsaufnahme bei der Dreiecksschaltung beträgt. Die Umschaltung kann manuell durch einen Stern-Dreiecksschalter geschehen. Durch den Einsatz von Frequenzumrichtern nimmt die Bedeutung von Stern-Dreiecksschaltern allerdings ab. 26.5

Die elektrische Spannung U in einem Stromkreis bewirkt, dass Ladungen Q (Elektronen) durch den Leiter gedrückt werden. Hierbei wird elektrische Energie in andere Energiearten umgewandelt (zum Beispiel Wärme). Für die dabei verrichtete Arbeit W gilt W J

U Q V C

(26.35)

Die Einheit der Arbeit W ist das Joule (J). ŒW  D 1 J D 1V  1 C Oft wird auch bei der Berechnung der Arbeit die Definitionsgleichung für die Stromstärke benutzt I D

Q t

I Q A C

t s

P U W V

I A

(26.39)

Damit ergibt sich auch eine weitere Interpretation der Arbeitseinheit 1 J D 1 Ws D

1 kWh 1000  3600

Mit dem Ohm’schen Gesetz R D

Energie und Arbeit

W DU Q

P DU I

(26.36)

P D U  I D I2  R D

U2 R

U I

P U W V

P D UI cos '

P U I W V A

a

W DU I t

U I t V A s

(26.37)

Damit bekommt auch das Joule eine andere Interpretation: 1J D 1V1A1s

I R (26.40) A )

Dadurch wird deutlich, dass die in einem Widerstand in Wärme umgewandelte elektrische Leistung dem Quadrat des Stroms bzw. der Spannung proportional ist. Die Messung der elektrischen Leistung geschieht mittels eines Leistungsmessers (. Abb. 26.28a). Auch durch getrennte Strom- und Spannungsmessung (. Abb. 26.28b) lässt sich die Leistung gemäß (Gl. (26.39)) berechnen. Die bisherigen Betrachtungen gelten nur für Gleichstrom. Beim Wechselstrom liegen Strom und Spannung nicht immer in Phase. Mit dem Winkel ', um den die Spannung gegenüber dem Strom verschoben ist, gilt für die Wirkleistung

Damit gilt W J

gilt dann auch

. Abb. 26.28 Leistungsmessung

b

(26.41)

26

581 26.6  Leistung und Wirkungsgrad

. Abb. 26.29 Leistungsdreieck S Q φ P

Sie heißt so, weil sie im Verbraucher etwas bewirkt, zum Beispiel Wärme oder ein Drehmoment in einem Elektromotor erzeugt. Im Gegensatz dazu wird die Größe Q D UI sin '

U I Q var V A

Lösung

(26.42)

P S

 P S 1 W VA

(26.43)

Anmerkungen: 4 Für die drei Leistungsarten gilt

P 2 C Q2 D .UI /2  cos2 ' C sin2 ' D S 2 oder p S D P 2 C Q2

S P Q VA W var

q .U  I /2  P 2 q D .230 V  8;5 A/2  .1;5  103 W/2

QD

Blindleistung genannt. Bei ' D 0 ist auch die Blindleistung null, das heißt die gesamte Leistung wird im Verbraucher umgesetzt. Dieser Fall liegt zum Beispiel vor, wenn der Verbraucher ein Ohm’scher Widerstand ist. Sowohl Wirk- als auch Blindleistung können höchsten den Wert S D UI erreichen. S heißt Scheinleistung. Das Verhältnis von Scheinleistung S zu Wirkleistung P ist von großer praktischer Bedeutung, denn es gibt den Anteil der maximal möglichen Leistung an, der im Verbraucher umgesetzt wird. Diese Größe wird Leistungsfaktor  genannt.   cos ' D

. Abb. 26.30 Leistungsmessung im Wechselstromnetz

(26.44)

4 Anschaulich stellt das Leistungsdreieck diese Beziehung dar (. Abb. 26.29). 4 Die Einheit der drei Leistungsarten ist „eigentlich“ Watt, denn diese ergibt sich aus dem Produkt von Volt und Ampere. Watt wird aber nur für die Wirkleistung P verwendet. Für die Scheinleistung S benutzt man Voltampere (VA), für die Blindleistung Q Voltampere Reaktiv (var) 4 In Einphasennetz wird die Wirkleistung P von einem Wattmeter angezeigt, die Scheinleistung kann aus einer Strom- und Spannungsmessung bestimmt werden (. Abb. 26.30). 7 Beispiel Wie groß sind die Blindleistung Q, der Leistungsfaktor cos ' und die Phasenverschiebung ', wenn das Wattmeter 1,5 kW, das Voltmeter 230 V und das Amperemeter 8,5 A anzeigen?

D 1254 var D 1;254 kvar cos ' D

P 1;5  103 W D D 0;767 U I 230 V  8;5 A

' D arccos ' D 39;9ı 9 7 Beispiel Ein Verbraucher mit einem Leistungsfaktor von cos ' D 0;8 nimmt bei U D 230 V einen Wechselstrom von I D 25 A auf. Wie groß sind Wirk-, Blind- und Scheinleistung? Lösung Wirkleistung

P D UI cos ' D 230 V  25 A  0;8

Blindleistung

D 4600 W p Q D UI sin ' D UI 1  cos2 ' p D 230 V  25 A  1  0;82

D 3450 var Scheinleistung S D UI D 230 V  25 A D 5750 VA 9

Anmerkungen: 4 Für den Dreiphasenwechselstrom (Drehstrom) gilt P D QD SD

p p p

3UI cos ' 3UI sin ' 3UI

S U I P Q W var VA V A

(26.45)

4 Mit der Zeit t erhält man aus der Wirkleistung P die Wirkarbeit WP WP D P t

WP J

P t W s

(26.46)

4 und aus der Blindleistung Q die Blindarbeit WQ WQ D Qt

WQ J

Q t var s

(26.47)

582

Kapitel 26  Einführung und Grundlagen

26

. Abb. 26.31 Drehstromanschluss einer Sternschaltung mit Spannungsangaben

Wegen des großen Energiebedarfs reicht für viele Anlagen und Geräte der Einphasenwechselstrom nicht mehr aus. Daher ist heute bei der Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie das leistungsfähigere Dreiphasenwechselstrom-System üblich. Die Kenntnis der Typen und Anschlussbezeichnungen ist für den Maschinenbauer wichtig, da insbesondere bei Reparaturarbeiten Trennungen und Neuanschlüsse vorgenommen werden müssen. Dieses Dreiphasenwechselstrom-System wird auch als Drehstromsystem bezeichnet und hat die drei Außenleiter L1, L2 und L3 sowie einen Neutralleiter N. Zwischen diesen Leitern lassen sich entsprechend . Abb. 26.31 sechs Spannungen abnehmen, die in unserem Versorgungssystem die Größen 230 V bzw. 400 V haben. Beim Drehstromnetz weisen die drei Spannungen zwischen den Außenleitern die gleiche Frequenz von 50 Hz auf, die gleichen Effektivwerte von 400 V bzw. 230 V und den gleichen sinusförmigen Verlauf. Die Spannungen U1 N , U2 N und U3 N werden als Strangspannungen oder Sternspannungen bezeichnet, die Spannungen U12 , U23 und U13 dagegen als Außenleiterspannungen oder Leiterspannungen. Das Verhältnis von Außenleiterspannung zur Sternspannung ist der Verkettungsfaktor des Drehstromsystems. Wohnhäuser, Wohnungen und Werkstätten werden in der Regel durch einen Vierleiter-Drehstromanschluss mit elektrischer Energie versorgt. Hierfür gibt es verschiedene Netzformen. Meist verwendet ist das TN-S-Netz. Dabei bedeutet TN-S, dass die Stromquelle direkt geerdet ist (T für Terra, Erde) und dass es eine direkte Verbindung der Gehäuse der Verbraucher mit der Betriebserde der Spannungsquelle durch den Schutzleiter (N) gibt. Weiterhin kennzeichnet S, dass der Neutralleiter N und Schutzleiter PE (Protection Earth) als zwei separate Leiter geführt werden. Die Farben sind „grüngelb“ (PE) und „hellblau“ (N). . Abb. 26.32 zeigt diese Netzform und als zusätzliches Beispiel den Anschluss einer Steckdose bei diesem Netz. Der Sternpunkt der Stromquelle ist hier direkt geerdet (Betriebserder). Von diesem Sternpunkt aus sind der Neu-

. Abb. 26.32 TN-S-Netz mit Anschluss einer Steckdose

tralleiter N (hellblau) und der Schutzleiter PE (grüngelb) bis zum Verbraucher getrennt verlegt. Selbstverständlich kann hier zum Anschluss der Steckdose anstelle des Leiters L1 auch der Leiter L2 oder L3 benutzt werden. Die Leitungen des Drehstromsystems werden normalerweise als Kabel zum Hausanschluss geführt. Dort befinden sich die drei Hauptsicherungen. Die Hauptleitungen laufen dann weiter zum Zählerschrank, in dem sich der Stromzähler und meistens auch der Stromkreisverteiler befinden. Hier erfolgt für den Verbraucher die Aufteilung in einzelne Stromkreise, zum Beispiel für Küche, Wohnzimmer, Steckdosen, Heizung, größere Elektrogeräte usw. Die Wechselstromkreise für Wechselstromgeräte werden dreiadrig (L, N und PE), die für Drehstromgeräte fünfadrig (L1, L2, L3, N und PE) installiert.

26.7

Grundschaltungen

Die Bauelemente, mit denen die vorgestellten Grundphänomene realisiert werden, können unterschiedlich verschaltet werden. Exemplarisch sollen hier einige Grundschaltungen mit Widerständen behandelt werden. Zum erweiterten Gleichstromkreis zählt man die Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen. Die Sternund die Dreieckschaltung sind bereits in 7 Abschn. 26.4.2 vorgestellt worden. Für die Berechnung weiterer komplexerer Schaltungen aus Widerständen, Kapazitäten und Induktivitäten auch bei unterschiedlichen Stromarten wird auf die Formelsammlung (zum Beispiel [2]) verwiesen.

26.7.1

Reihenschaltung von Widerständen

Der Strom I in . Abb. 26.33 fließt durch alle drei Widerstände. Es gilt also I D I1 D I2 D I3

26

583 26.7  Grundschaltungen

. Abb. 26.33 Reihenschaltung von drei Widerständen

. Abb. 26.34 Parallelschaltung von drei Widerständen

An den Widerständen R1 bis R3 fallen Spannungen ab. Es gilt (nach Pder zweiten Kirchhoff’schen Regel, der Maschenregel niD1 Ui D 0) U D U1 C U2 C U3 Der Spannungsabfall an dem einzelnen Widerstand berechnet sich aus dem Ohm’schen Gesetz (siehe Gl. (26.6)) U1 D R1  I U V

U I

I1 D U=R1

U3 D R3  I

R I ) A

Mit R D schaltung RD

U2 D R2  I

Die Stromstärken durch die einzelnen Widerstände berechnen sich aus dem Ohm’schen Gesetz (Gl. (26.6))

Ix A

(26.48)

folgt für den Gesamtwiderstand der Reihen-

R D R1 C R2 C R3

R Rx ) )

(26.49)

GD

oder allgemein RD

n X iD1

26.7.1.1

Ri

R Ri ) )

(26.51)

Etwas eleganter lässt sich der Zusammenhang mit dem Leitwert G D R1 beschreiben

Mit G D tung

Also

I3 D U=R3

U Rx V )

I1 D G1  U

U U1 C U2 C U3 U1 U2 U3 D D C C I I I I I

I2 D U=R2

I U

I2 D G2  U

I3 D G3  U

folgt für den Gesamtleitwert der Parallelschal-

I I1 C I2 C I3 G1  U G2  U G3  U D D C C U U U U U

Also (26.50) G D G1 C G2 C G3

G G1 S S

G2 S

G3 S

(26.52)

Parallelschaltung von Widerständen

Die Spannung U in . Abb. 26.34 liegt an allen drei Widerständen an. Es gilt also U D U1 D U2 D U3 An den Knoten verzweigt sich der Stromkreis. Es gilt dort (nach Pn der ersten Kirchhoff’schen Regel, der Knotenregel iD1 Ii D 0) I D I1 C I2 C I3

oder allgemein GD

n X

Gi

iD1

G Gi S S

(26.53)

und mit Widerstandswerten: X 1 1 D R Ri iD1 n

R Ri ) )

(26.54)

27

585

Anwendungen Berthold Heinrich

27.1

Übersicht über Bauelemente

In der . Tab. 27.1 findet sich eine Übersicht über eine große Gruppe elektrischer Komponenten, die Bauelemente. Ihre Anzahl ist unüberschaubar, dennoch bilden sich einige Familien heraus, deren wichtigste Vertreter hier aufgeführt werden. Weitere Bauelemente und deren Einsatz findet man im 7 Abschn. 31.1 Sensoren. Exemplarisch wird hier dargestellt, wie das physikalische Phänomen der Kapazität durch ein Bauelement, den Kondensator realisiert wird. Durch Materialkonstanten und Bauelementgeometrien lässt sich die Kapazität parametrieren.

Beim Plattenkondensator lässt sich die elektrische Feldstärke E und dessen Kapazität C einfach berechnen: legt man an einen Plattenkondensator, dessen Platten in einem Abstand d voneinander liegen eine Spannung U an, so gilt für die Feldstärke E im Inneren E U d U (27.1) ED V d V m m Oder, wenn man die Ladung Q auf einer Platte und deren Fläche A kennt ED

Q "0  "r  A

E V m

"0 As Vm

"r

Q A

1

C

m2

(27.2)

. Tabelle 27.1 Übersicht Bauelemente (Auswahl) Name Elektrisch

Abbildung

Schaltzeichen

Einsatz

Widerstand

Strombegrenzung, Spannungsteilung, . . .

Kondensator

Speicherung, Störunterdrückung

Spule

Schwingkreis

Galvanische Elemente

Stromquelle, Speicher

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_27

586

Kapitel 27  Anwendungen

. Tabelle 27.1 (Fortsetzung) Name Elektronisch

27

SperrschichtHalbleiterbauelemente

Integrierte Schaltkreise

Abbildung

Schaltzeichen

Einsatz

Diode

Gleichrichtung

Transistor

Verstärkung,

Thyristor

Motorsteuerung

Hallsensor

Magnetfelderkennung

Operationsverstärker





Signalverstärkung, Filter, Speicher

+ + Optoelektrische Bauelemente

Fotosensor

Lichtdetektor

Lichtsender

Lichtquelle

As Dabei ist "0 D 8;854  1012 Vm die elektrische Feldkonstante und "r die relative Permittivität. Mit (26.9) erhält man für die Kapazität

A C D "0  "r  d

C F

"0 As Vm

"r

A

d

1

m2

m

(27.3)

7 Beispiel Ein Plattenkondensator soll in einem Energierückführungssystem zur kurzzeitigen Speicherung von Energie verwendet werden. Es wird ein Material mit einer relativen Permeabilität "r D 0;996 gewählt. Die Kondensatorfläche beträgt A D 15 dm2 und der Abstand der Platte d D 3 mm. Gesucht ist die Kapazität.

Lösung C D "0  "r 

A d

15  102 m2 As  0;996  Vm 3  103 m D 4;409  1010 F  44 pF D 8;854  1012

Die Formeln für zur Berechnung der Kapazitäten von weiteren Kondensatoren findet man in entsprechenden Formelsammlungen, zum Beispiel in [2]. Durch die Auswahl von Werkstoffen/Kondensatoren mit den geeigneten Parametern lassen sich unterschiedliche Kapazitäten erzeugen. Auch durch geeignete Schaltungen lässt sich dies realisieren. 9

587 27.2  Motor/Generator

27.2.1

Motor/Generator

Synchronmaschine

Einleitung

Motoren stellen neben den ruhenden Maschinen wie Transformatoren, Umrichtern und Schaltnetzteilen eine der wichtigsten elektrischen Maschinen dar. Sie gehören neben den Hubmagneten zu den beweglichen Maschinen. Maschinen in diesem Sinne sind technische Gebilde mit dem Hauptumsatz Energie. Das Schaltzeichen legt DIN 60617-6 im Zeichen 06-04-01 fest (siehe . Tab. 27.2). Eine Übersicht über die beweglichen Maschinen liefert . Abb. 27.1. Viele dieser Maschinen lassen sich als Generator oder Motor einsetzen.

bewegliche elektrische Maschinen

27.2

Drehstrommaschine

Asynchronmaschine

Wechselstrommotor

Reluktanzmotor

Nebenschlussmaschine

Gleichstrommaschinen

Reihenschlussmaschine

Doppelschlussmaschine

. Abb. 27.1 Übersicht über bewegliche elektrische Maschinen . Tabelle 27.2 Schaltzeichen Maschine allgemein Maschine allgemein. An die Stelle des Asteriskus, dem * im Schaltzeichen, muss eines der folgenden Kennzeichen eingetragen sein: C

Rotierender Umformer

G

Generator

GS

Synchrongenerator

M

Motor

MG

Als Generator oder als Motor nutzbare Maschine

MS

Synchronmotor

Elektromotoren sind Maschinen, durch die elektrische Energie in kinetische Energie umgeformt wird. Generatoren formen kinetische in elektrische Energie um. Alle Elektromotoren beruhen auf der gegenseitigen magnetischen Abstoßung bzw. Anziehung zweier stromdurchflossenen Leiter oder zu einem Permanentmagneten. Sie haben jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile, wie . Tab. 27.3 zeigt. Alle Maschinen bestehen aus einem feststehenden Teil, Ständer oder Stator genannt und einem rotierenden Teil, Läufer, Rotor oder Anker genannt.

. Tabelle 27.3 Vor-, Nachteile und Einsatz verschiedener Elektromotoren Asynchronmotor

Synchronmotor

Synchrongenerator

Gleichstrommotor

Wechselstrommotor

+

preiswert wartungsarm hoher Wirkungsgrad

Drehzahl belastungsunabhängig Blindstromanteil durch Erregerstrom einstellbar hoher Wirkungsgrad

Frequenz abhängig von Drehzahl und Polpaarzahl

Die Drehzahl ist gut regelbar.

niedriges Leistungsgewicht



Drehzahl ist belastungsabhängig schlechtes Anlaufdrehmoment nimmt Blindleistung auf

Selbstanlauf nur durch Klemmspannung ist Zusatzmaßnahmen mög- abhängig von Drehzahl lich und Last

Es wird ein Gleichstromnetz benötigt. Bei größeren Leistungen benötigt man Anlassgeräte.

erzeugen ohne Entstörkondensator hochfrequente Störspannungen, die den Radio- und Fernsehbetrieb stören können Geräusche durch hohe Drehzahl Verschleiß durch Bürstenabrieb

Einsatz

Hebezeuge Verarbeitungsmaschinen Lüfter Förderbänder Werkzeugmaschinen Wasserpumpen

drehzahlkonstante AnErzeugung von Drehtriebe strom in Kraftwerken Kolbenverdichter Notstromaggregate Schiffsschraubenantriebe

Kfz-Elektrik Handwerkzeuge Leistungsantriebe bis zu einigen 100 kW Werkzeugmaschinen Förderanlagen Lüfter Pumpen

Haushaltsgeräte Spielzeug Automotive Antriebsmotor für 16 23 -Hz-Bahnen

27

Kapitel 27  Anwendungen

588

27.2.2

27

Gleichstrommaschine

Der Aufbau eines Gleichstrommotors (siehe . Abb. 27.2) unterscheidet sich nicht von dem eines Gleichstromgenerators. In einem Gehäuse (als Ständer oder Stator bezeichnet) ist ein Permanent- oder Elektromagnet sowie eingebaut. Der Stator enthält auch noch Lager, Bürstenhalter und ein Klemmbrett für die Anschlüsse. In der Regel sind bei einem Elektromagneten im Ständer mehrere Polpaare p eingebaut. Das hat u. a. den Vorteil, dass der Anlauf des Motors in jeder beliebigen Stelle möglich ist. Im Gehäuse ist ein beweglicher Anker mit Wicklungen und Kommutator untergebracht. Der Anker ist mit der Welle fest verbunden. Im Generatorbetrieb gilt für die in der Ankerwicklung induzierte Spannung Uq Uq D 2 c ˚ n

U c

˚

n

(27.4)

V 1 Wb s1

dabei ist c eine Motorkonstante, ˚ der Polfluss der Erregerwicklung im Stator und n die Drehzahl. Im Motorbetrieb gilt für das Drehmoment Mi Mi D c ˚ IA

Mi c ˚ IA Nm 1 Wb A

(27.5)

wobei IA der dem Anker zugeführte Strom ist. Die Drehzahl n lässt sich auf drei Arten beeinflussen a) durch die Ankerspannung UA : je größer die Ankerspannung, desto größer ist die Drehzahl n b) durch den Polfluss ˚: je kleiner der Polfluss, also je kleiner der Erregerstrom IE bei Felderzeugung durch einen Elektromagneten, desto größer ist die Drehzahl n c) durch den Ankerkreiswiderstand RA : je größer der Widerstand, desto kleiner ist die Drehzahl n. Im Vergleich zu anderen Motorarten lässt sich mit einem Gleichstrommotor die Drehzahl relativ einfach und ener-

N

+



Erregerwicklung E B K R B

Ständer (Stator)

Erregerwicklung E S

. Abb. 27.2 Gleichstrommotor B: Kohlebürsten, R: Rotorwicklung (Läuferwicklung), K: Kommutator (Kollektor, Stromwender)

gieeffizient regeln. Deshalb ist ein Gleichstrommotor in diesem Problembereich das Mittel der Wahl. VDE 0530 legt die Klemmenbezeichnung für die verschiedenen Anschlüsse bei Gleichstrommotoren fest Bauteil

Bezeichnung

Ankerwicklung

A1, A2

Wendepolwicklung

B1, B2

Kompensationswicklung

C1, C2

Reihenschlusswicklung

D1, D2

Nebenschlusswicklung

E1, E2

fremderregte Wicklung

F1, F2

Die Ziffern 1 bzw. 2 kennzeichnen Anfang und Ende des Bauteils. Fließt im Motorbetrieb der Strom von 1 nach 2, so muss bei Blick auf die Stirnseite des Wellenendes Rechtslauf auftreten. Je nachdem, wie Anker- und Erregerwicklung geschaltet sind, unterscheidet man drei Motorarten (siehe . Abb. 27.3): a) Nebenschlussmotor: Anker- und Erregerwicklung sind parallel geschaltet b) Reihenschlussmotor: Anker- und Erregerwicklung sind in Reihe geschaltet c) Doppelschlussmotor: Ein Nebenschlussfeld ist am Netz, das Reihenschlussfeld ist in Reihe mit dem Anker geschaltet In . Abb. 27.4 sind die Klemmen für den Anschluss der Gleichstrommotoren gezeigt. 7 Beispiel Das Typenschild eines Gleichstrommotors enthält unter anderem folgende Angaben: 370 kW, 440 V, 898 A. Aus dem Datenblatt entnimmt man noch den Polfluss 6,3 Wb und die Motorkonstante 0,127. Wie groß ist das Nenndrehmoment und der Wirkungsgrad? Lösung: Die Daten ergeben die Leistung P D 370 kW, die Spannung U D 440 V, die Stromstärke IA D 898 A, den Polfluss der Erregerwicklung ˚ D 6;3 Wb und die Motorkonstante c D 0;127. Mit (26.5) erhält man für das Drehmoment Mi Mi D c  ˚  IA D 0; 127  6; 3  898 Nm D 718 Nm Der Wirkungsgrad  ist der Quotient aus der aus Stromstärke I und Spannung U berechneten Leistung Pber und der auf dem Typenschild abgedruckten Nennleistung PN D 370 kW D

370  103 W PN 370  103 W D D 0;94 9 D Pber U I 440 V  898 A

589 27.2  Motor/Generator

. Abb. 27.3 Verschaltung und Schaltzeichen der drei Gleichstrommotoren

M

M

M

. Abb. 27.4 Klemmen für den Anschluss der Gleichstrommotoren

Anmerkungen (siehe auch . Abb. 27.5): 4 Nebenschlussmotor: Die Drehzahl sinkt bei Belastung nur um einen geringen Prozentsatz. Die Drehzahl bleibt fast gleich bei jeder Belastung. Der Motor kann oft leer laufen ohne zu erwärmen. Die Drehzahl darf von der Belastung nicht sehr abhängig sein. Antrieb von Werkzeugmaschinen, Sägemaschinen, Bäckereimaschinen, landwirtschaftlichen Maschinen usw. 4 Reihenschlussmotor: Die Drehzahl steigt im Leerlauf ganz erheblich und der Motor kann dadurch zerstört wer-

den. Bei Überlastung sinkt die Drehzahl sehr stark. Ein Leerlauf des Motors darf nie möglich sein; bei stärkerer Belastung (also zum Beispiel bei Aufwärtsfahren von Fahrzeugen) soll der Motor langsam drehen, aber starke Zugkraft entwickeln. Antriebsmotoren von Bahntriebwagen, Gebläsen, Elektromobilen, Hebezeugen usw. 4 Doppelschlussmotor: Nebenschlussfeld am Netz (neben dem Anker), Reihenschlussfeld in Reihe mit dem Anker geschaltet. Hohe Anzugskraft bei fast gleichbleibender Drehzahl, zum Beispiel bei Aufzügen.

27

590

Kapitel 27  Anwendungen

a

b

c

27

. Abb. 27.5 Kennlinien für die Gleichstrommotoren

Unter energetischen Gesichtspunkten sind im industriellen Umfeld drehzahlveränderliche elektrische Antriebe erforderlich. Dies lässt sich gut mit Frequenzumrichtern und Gleichspannungs-Zwischenkreisen realisieren. Jedoch führt dabei die mehrfache Umwandlung von Wechselin Gleich- bzw. Gleich- in Wechselstrom zu erheblichen elektrischen Verlusten. Bisher wurden Elektromotoren mit Frequenzumrichtern als Mittel der Wahl angesehen. Allerdings stößt diese Lösung einerseits unter dem Aspekt, die strengeren EU-Vorschriften zu Energieeffizienzklassen einzuhalten, andererseits aus Netzstabilitätsgründen an ihre Grenzen. Deshalb wird ein Wechsel von der Wechsel- zur Gleichspannung enorme Effizienzvorteile und Energieeinsparungen schaffen. In einem intelligenten Energiemanagement ergeben sich durch Bremsenergie-Rückspeisungen zusätzliche Chancen. Gleichstrom bietet daher zahlreiche Vorteile. Durch digitale Netzsteuerung und integrierte Speicher kann flexibel und robust auf schwankende Netzqualität und Energieangebote reagiert werden. Außerdem können erneuerbare Energien leichter eingebunden und Wandlungsverluste von Wechsel- in Gleichspannung vermieden werden. 27.2.3

Asynchronmaschine

Drehstrommotoren sind im Vergleich zu Gleichstrommotoren wesentlich einfacher und robuster. Sie weisen jedoch eine feste Drehzahl auf. Daher waren sie lange Zeit für bestimmte Anwendungen nicht einsetzbar. Sowohl bei Gleichstrommaschinen als auch bei Drehstrommaschinen ist die Wirkungsweise der Statoren im Prinzip gleich. Der Unterschied liegt im Rotor. Hier entscheidet die Bauweise, wie sich der Rotor im Verhältnis zum Statormagnetfeld bewegt. Der Asynchronmotor ist der meistverbreitete Motor. Er erfordert kaum Instandhaltung. Der mechanische Aufbau ist genormt (DIN IEC 34-7). Die beiden Hauptteile des Asynchronmotors sind Stator (Ständer) und Rotor (Läufer). Der Stator ist ein Teil des feststehenden Motors. Er besteht aus Statorgehäuse, Kugellagern, die den Rotor tragen, Lagerböcken für die Anordnung der Lager und als Abschluss für das Statorgehäuse,

Ventilator für die Motorkühlung und Ventilatorkappe als Schutz gegen den rotierenden Ventilator. Auf der Seite des Statorgehäuses sitzt ein Kasten für den elektrischen Anschluss. Im Statorgehäuse befindet sich ein Eisenkern aus dünnem, 0,3 bis 0,5 mm starkem Eisenblech. Die Eisenbleche haben Ausstanzungen für die drei Phasenwicklungen. Die Phasenwicklungen und der Statorkern erzeugen ein Magnetfeld. Die Anzahl der Polpaare (oder Pole) bestimmt die Geschwindigkeit, mit der das Magnetfeld rotiert. Wenn ein Motor an seine Nennfrequenz angeschlossen ist, wird die Drehzahl des Magnetfeldes als synchrone Drehzahl n0 des Motors bezeichnet. Das Magnetfeld rotiert im Luftspalt zwischen Stator und Rotor. . Tab. 27.4 zeigt das Polpaar p bzw. die Polzahl und die synchrone Drehzahl n0 des Motors. Nach Anschluss einer der Phasenwicklungen an eine Phase der Versorgungsspannung wird ein Magnetfeld induziert. Die Anordnung dieses Magnetfeldes im Statorkern ist fest, aber die Richtung ändert sich. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Richtung ändert, wird von der Frequenz der Versorgungsspannung bestimmt. Bei einer Frequenz von 50 Hz ändert das Wechselfeld die Richtung 50-mal in jeder Sekunde. Beim Anschluss von zwei Phasenwicklungen gleichzeitig an die jeweilige Phase werden zwei Magnetfelder im Statorkern induziert. In einem zweipoligen Motor ist das eine Feld 120ı im Verhältnis zum anderen verschoben. Die Maximalwerte der Felder sind auch zeitmäßig verschoben. Hiermit entsteht ein Magnetfeld, das im Stator rotiert. Das Feld ist jedoch sehr asymmetrisch, bis die dritte Phase angeschlossen wird. Nach Anschluss der dritten Phase gibt es drei Magnetfelder im Statorkern. Zeitmäßig sind die drei Phasen 120ı im Verhältnis zueinander verschoben, wie . Abb. 27.6 zeigt. Der Stator ist nun an die dreiphasige Versorgungs-

. Tabelle 27.4 Polpaare p bzw. Polzahl und synchrone Drehzahl des Motors Polpaar p

1

2

3

4

6

Polzahl

2

4

6

8

12

Synchrone Drehzahl n0 in min1

3000

1500

1000

750

500

27

591 27.2  Motor/Generator

. Abb. 27.6 Drei Phasen ergeben ein symmetrisches Drehfeld

spannung angeschlossen. Die Magnetfelder der einzelnen Phasenwicklungen bilden ein symmetrisches und rotierendes Magnetfeld. Dieses Magnetfeld wird als Drehfeld des Motors bezeichnet. Der Rotor oder Läufer ist auf der Motorwelle montiert. Der Rotor wird wie der Stator aus dünnen Eisenblechen mit ausgestanzten Schlitzen gefertigt. Er kann ein Schleifringrotor oder ein Kurzschlussrotor sein. Die Motoren heißen dann Schleifringläufer bzw. Käfigläufer oder Kurzschlussläufer. Sie unterscheiden sich dadurch, dass die Wicklungen in den Schlitzen unterschiedlich sind. Der Schleifringrotor besteht wie der Stator aus gewickelten Spulen, die in den Schlitzen liegen. Es gibt Spulen für jede Phase, die an die Schleifringe geführt werden. Nach Kurzschluss der Schleifringe arbeitet der Rotor wie ein Kurzschlussrotor. Der Kurzschlussrotor hat in den Schlitzen eingegossene Aluminiumstäbe. An jedem Ende des Rotors erfolgt ein Kurzschluss der Stäbe über einen Aluminiumring. Der Kurzschlussrotor wird am häufigsten eingesetzt. Da beide Rotoren im Prinzip die gleiche Wirkungsweise haben, wird im Folgenden nur der Kurzschlussrotor beschrieben. Bei Anordnung des ganzen Rotors im Drehfeld dreht der Rotor. Die Drehzahl des Rotors erreicht allerdings nicht genau die des Drehfeldes, da bei gleicher Drehzahl keine Ströme in den Rotorstäben induziert werden. Die Drehzahl nn des Rotors ist unter normalen Umständen etwas kleiner als die Drehzahl n0 des Drehfeldes. Es gilt n0 D

f  60 p

n0

f 1

min

p

Der Schlupf s wird häufig in Prozent der synchronen Drehzahl ns angegeben: sD

ns  100 n0

s

ns

1 min

n0 1

min1

(27.8)

Normalerweise liegt der Schlupf zwischen 4 und 11 %. Für das Drehmoment M gilt die zugeschnittene Größengleichung M D 27.2.3.1

P  9550 n

M

P

n

Nm kW min1

(27.9)

Motordaten vom Typenschild

Ein Motor hat ein Typenschild, das fest mit dem Motor verbunden ist. Das Typenschild (. Abb. 27.7) beinhaltet alle wesentlichen Daten des Motors. Weitere Daten sind im Motorkatalog zu finden. Am Beispiel des abgebildeten Typenschildes sollen die dargestellten Informationen erläutert werden.

(27.6)

Hz 1

Wird die Frequenz des Drehfeldes f in Hz gemessen, so ergibt die Formel n0 in min1 . p ist dabei die Anzahl der Polpaare. Der Schlupf (die Schlupfdrehzahl) ns ist die Differenz zwischen der Drehzahl n0 des Drehfeldes und der Drehzahl nn des Rotors. ns D n0  nn

ns min

n0 1

nn 1

min

min1

(27.7)

. Abb. 27.7 Typenschild eines Drehstrommotors mit einer Leistung P D 15 kW

592

Kapitel 27  Anwendungen

1.

27

Der Motor hat drei Phasen und ist für ein Versorgungsnetz mit einer Frequenz f D 50 Hz vorgesehen. 2. Die Nennleistung P des Motors ist 15 kW, das heißt der Motor kann eine Wellenleistung von mindestens 15 kW liefern, wenn er an ein Versorgungsnetz, wie angegeben, angeschlossen wird. 3. + 4. Die Statorwicklungen können in Stern oder Dreieck geschaltet werden. Bei einer Anschlussspannung von U D 400 V müssen die Wicklungen in „Stern“ geschaltet werden. Der Motorstrom I beträgt dann je Phase 27,5 A. Bei einer Anschlussspannung U D 230 V müssen die Wicklungen in „Dreieck“ geschaltet werden. Der Motorstrom I beträgt dann 48,7 A je Phase. Zu beachten ist, dass im Startaugenblick, wenn der Strom 4- bis 10-mal größer als der Nennstrom ist, das Leitungsnetz überlastet werden kann. Durch geeignete Maßnahmen ist dies zu verhindern. Eine Verringerung des Startstromes ist beispielsweise dadurch möglich, dass der Motor in Sternschaltung angefahren und dann in Dreiecksschaltung umgeschaltet wird. 5. Die Schutzart gibt an, wie groß der Schutz gegen das Eindringen von Flüssigkeiten und Fremdkörper ist. Die Schutzart (Kapselung) wird mit zwei Buchstaben IP (International Protection) und zwei Kennziffern für den Berührungs- und Fremdkörperschutz (erste Ziffer) sowie den Wasserschutz (zweite Ziffer) angegeben. 6. Der Nennstrom IS , den ein Motor aufnimmt, wird als Scheinstrom bezeichnet und kann in zwei Ströme aufgeteilt werden: Wirkstrom IW und Blindstrom IB : cos ' gibt an, wie hoch der Anteil des Wirkstromes am Motorstrom im Nennbetrieb ist. Der Wert von cos ' kann auch als Verhältnis zwischen der Wirkleistung P und der Scheinleistung S dargestellt werden. 7. Die Nenndrehzahl n0 ist die Drehzahl des Motors bei Nennspannung, Nennfrequenz und Nennbelastung. 8. Elektromotoren sind für verschiedene Kühlformen gebaut. Normalerweise wird die Kühlform nach der internationalen Norm IEC Publikation 34-6 angegeben. Die Auswahl des Motors ist sowohl auf die Anwendungen als auch auf den Montageort abzustimmen.

Der Schlupf s des Motors kann berechnet werden, da das Typenschild Nenndrehzahl n0 und Frequenz f angibt. Die beiden Daten sagen aus, dass der Motor zweipolig ist. Ein zweipoliger Motor hat eine synchrone Drehzahl n0 D 3000 min1 . Die Schlupfdrehzahl ns ist nach (27.7) ns D n0  nn D 3000 min1  2910 min1 D 90 min1 Der Schlupf s wird nach (27.8) in % angegeben sD

27.2.4

ns 90  100 D  100 D 3 % n0 3000

Synchronmaschine

Der Statoraufbau von Synchron- und Asynchronmotoren ist gleich. Der Rotor des Synchronmotors (auch Polrad genannt) kann nach zwei verschiedenen Arten gebaut sein. Der Rotor hat ausgeprägte magnetische Pole (. Abb. 27.8). Die Magnete können permanente Magnete (für kleinere Motoren) oder Elektromagnete sein. Der Rotor hat zwei oder mehrere Polpaare und ist somit auch für Motoren mit niedrigen Drehzahlen einsetzbar. Der Synchronmotor kann am Netz nicht selbst anlaufen. Gründe dafür sind die Trägheit des Rotors und die große Geschwindigkeit des Drehfeldes. Der Rotor muss daher auf eine Geschwindigkeit entsprechend dem Drehfeld gebracht werden. Dies ist z. B. mit einem Anwurfmotor oder Frequenzumrichter möglich. Kleine Motoren werden gewöhnlich mit Anlasswicklungen (Dämpferwicklungen) in Gang gesetzt. Der Motor verhält sich in diesem Fall wie ein Kurzschlussläufermotor. Nach dem Anlaufen dreht sich der Motor synchron zu dem Drehfeld. Wird er belastet, nimmt der Abstand der Pole des Läufers von den Polen des Drehfeldes zu. Der Läufer bleibt um den Lastwinkel () hinter dem Drehfeld und damit hinter der Leerlaufstellung des Läufers zurück. Synchronmotoren haben eine konstante, von der Belastung unabhängige Drehzahl. Der Motor ist nicht höher belastbar als die Anzugskraft zwischen Rotor und Magnetfeld verkraften kann. Überschreitet die Belastung die

Mithilfe der Informationen aus dem Typenschild lassen sich weitere Motordaten berechnen: Das Nennmoment M des Motors lässt sich mit (Gl. (27.9) berechnen M D

P  9550 15  9550 D Nm D 49 Nm n 2910

Der Wirkungsgrad  des Motors kann als Verhältnis zwischen Nennwirkleistung P und der zugeführten Leistung bestimmt werden. P 15 kW D p Dp D 0;83 3UI cos ' 3  400 V  29 A  0;9

. Abb. 27.8 Synchronmotor mit ausgeprägten Polen und die Momentencharakteristik

593 27.2  Motor/Generator

Anzugskraft, so wird die Synchronität unterschritten und der Motor bleibt stehen. Synchronmotoren werden zum Beispiel für den Parallelbetrieb eingesetzt, wenn mehrere mechanisch unabhängige Anlagen synchron betrieben werden sollen. Man unterscheidet Vollpol- und Schenkelpolläufer. Vollpolrotoren sind in der Regel schlank und können durch die dadurch resultierenden relativ geringeren Fliehkräfte große Drehzahlen bis 1500 min1 erreichen. Schenkelpolmaschinen können dafür erheblich größer mit Rotordurchmessern über 20 m gebaut werden. 27.2.5

Reluktanzmotor

Drehstrom-Reluktanzmotoren sind Drehfeldmotoren, die wie normale Drehstrom-Asynchronmotoren mit Käfigläufer hochlaufen, anschließend in den Synchronismus gezogen werden und dann als Synchronmotoren weiterlaufen. Da Reluktanzmotoren wie Käfigläufermotoren im Läufer eine einfache Käfigwicklung aufweisen, sind sie robust, betriebssicher, wartungs-, funkstörfrei und relativ preiswert in der Anschaffung. Von Nachteil sind der hohe induktive Blindleistungsbedarf und der ungünstige Wirkungsgrad. Deshalb haben Reluktanzmotoren eine wirtschaftliche Bedeutung nur bis zu einer Leistung von etwa 15 kW. Der Ständer eines Drehstrom-Reluktanzmotors unterscheidet sich nicht von dem eines normalen DrehstromAsynchronmotors mit Käfigläufer. Auch im Läufer ist eine einfache Käfigwicklung untergebracht. Jedoch hat der Läufer eines Reluktanzmotors im Gegensatz zum normalen Käfigläufer ausgeprägte Pole, deren Anzahl mit der Ständerpolzahl übereinstimmt. Die Pole entstehen durch Ausfräsen von Pollücken am Umfang des Läuferblechpaketes oder entsprechende Gestaltung des Blechschnitts (. Abb. 27.9a). Durch die Pollücken, die auch mit dem Werkstoff des Läuferkäfigs ausgefüllt sein können, ergibt sich am Läuferumfang ein veränderlicher magnetischer Widerstand (Reluktanz), der im Bereich der Pole am geringsten und im Bereich der Pollücken am größten ist. Reluktanzmotoren entwickeln bei Anschluss an das Drehstromnetz wie normale Käfigläufermotoren ein Drehmoment und laufen bis in die Nähe der Synchrondrehzahl hoch, sofern das Motormoment während des gesamten Hochlaufvorgangs größer ist als das Gegenmoment. . Abb. 27.9b zeigt die Momentenkurve eines Reluktanzmotors. Der Anlaufstrom ist meist etwas größer und das Anlaufmoment etwas geringer als bei vergleichbaren Käfigläufermotoren, da im Bereich der Pollücken ein vergrößerter Luftspalt vorhanden ist. Hat der Läufer etwa die Geschwindigkeit des Drehfeldes erreicht, entsteht aufgrund der magnetischen Kopplung von Ständerdrehfeld und Läuferpolen ein Synchronisiermoment (Reaktionsmoment), das den Läufer in den Synchronismus zieht. Nach diesem Synchronisierungsvorgang läuft der Motor trotz fehlender Läufererregung mit synchroner Drehzahl.

Drehstrom-Reluktanzmotoren werden hauptsächlich dort eingesetzt, wo eine Arbeitsmaschine an verschiedenen Stellen mit genau der gleichen Drehzahl angetrieben werden soll und die Verwendung eines einzigen Motors mit mechanischer Übertragung des Drehmoments an die einzelnen Antriebsstellen zu umständlich oder teuer wäre. Anwendungsbeispiele dafür sind der Antrieb von Spinnereimaschinen, Pumpen und Förderanlagen.

27.2.6

Wechselstrommotor

Diese Motoren werden meist in Haushaltsgeräten eingesetzt, weil dort ein Einphasenwechselstrom vorhanden ist. Solche Motoren sind deshalb sehr verbreitet, aber im industriellen Einsatz weniger zu finden. Universalmotoren sind nach ihrem Aufbau Gleichstrom-Reihenschlussmotoren. Zur Verringerung der Wirbelstromverluste werden die Magnetpole und das Polgehäuse aus isolierten Blechen zusammengesetzt. Das Drehmoment M ist proportional zum Quadrat der Stromstärke I . Es pulsiert bei Wechselstrom allerdings mit doppelter Netzfrequenz (100 Hz), was zusätzliche mechanische Schwingungen und Geräusche verursacht. Die Drehzahl kann mit den vom Gleichstrommotor her bekannten Verfahren (vgl. 7 Abschn. 27.2.2) gesteuert werden. Es werden aber auch Triacschaltungen und das Verfahren der Feldschwächung angewandt. Drehzahlen bis zu n D 20:000 min1 sind möglich, allerdings sinken sie in hohem Maße mit steigender Belastung.

27.2.7

Schrittmotor

Schrittmotoren gestatten ein schrittweises Drehen der Motorwelle. Drehzahl und Position können ohne geschlossenen Regelkreis gesteuert werden. Schrittmotoren werden unter anderem bei der Positionierung von Roboterarmen eingesetzt (siehe auch . Abb. 26.1a). Eine Umdrehung der Motorwelle setzt sich aus einer vom Motoraufbau abhängigen Anzahl von Schritten zusammen. Ein Schrittmotor wird durch ein Programm und ein Ansteuergerät angesteuert (. Abb. 27.10 und 27.11). Das Schaltzeichen lautet nach DIN 60617-6, 06-04-03

M

Wie man an der Stellung des Rotors in . Abb. 27.11 sieht, wird im nächsten Schritt in L2 und L3 ein Nordpol erzeugt, der Anker dreht sich also nach rechts um 90ı . Die Schrittzahl pro Umdrehung liegt im Bereich s D 24 : : : 200. Bei 200 Schritten pro Umdrehung heißt das, pro Schritt wird ein Winkel von 1,8ı überstrichen. Mittlerweile werden bis zu 400 Schritte pro Umdrehung erreicht.

27

Kapitel 27  Anwendungen

594

b

a

27

. Abb. 27.9 a Reluktanzläufer b Momentenkurve eines Reluktanzmotors

0 1 α 2 α 3

Schrittmotor

Steller

Programm 1

2

3

φ

Rechtslauf L1 S1 S2 S

L4 N

L2

S3 S4

0 1 2 3

L1 1 0 0 1

L2 1 1 0 0

L3 0 1 1 0

L4 0 0 1 1

L3 . Abb. 27.11 Schrittmotor mit Programm

Möglich wird dies einerseits durch eine hohe Polpaarzahl, andererseits durch den Mikroschrittbetrieb. Ausschlaggebend für die Drehzahl n ist die Schrittfrequenz fsch fsch s

(27.10)

Bei einer Schrittfrequenz fsch D 720 Hz und einer Schrittzahl s D 200 würde eine Drehzahl nD

Servoregler

Sensor

Ansteuergerät

. Abb. 27.10 Schrittmotorantrieb

nD

Elektromotor

720 Hz D 3;6 s1 D 216 min1 200

erzeugt. Durch die hohe Winkelgenauigkeit werden Schrittmotoren heute in Werkzeugmaschinen zur Positionierung der Werkzeuge eingesetzt (siehe auch . Abb. 26.1b mit

. Abb. 27.12 Blockschaltbild Servoantrieb

den Anmerkungen darunter). Schrittmotoren findet man auch in Druckern, Scannern und zur Positionierung des Schreib-/Lesekopfes in Festplatten. In modernen PKWs sind ca. 50 Schrittmotoren verbaut.

27.2.8

Servomotor

Servomotoren – eigentlich Servoantriebe – bestehen aus einem der oben beschriebenen Elektromotoren und einer Regelelektronik, dem sog. Servoregler. Dieser regelt die Position eines Gelenks bei einem Industrieroboter oder die Drehzahl einer Welle. Im Gegensatz zum Schrittmotor ist der Vollkreis nicht in eine feste Anzahl von Teilen eingeteilt, die dann abgefahren werden, sondern ein Sensor erfasst die Position oder die Drehzahl und der Regler gleicht diesen Wert mit dem Sollwert ab (siehe . Abb. 27.12).

27.2.9

Linearmotor

Lineare Bewegungen werden von Linearmotoren erzeugt. Beim Linearmotor bewirkt ein magnetisches Wanderfeld eine Kraft und bewegt je nach technischer Ausführung den Induktor oder den Anker in linearer Richtung des Feldes. Linearmotoren werden in Förderanlagen, für den Werkstofftransport und für Schnellbahnen verwendet. Ein Beispiel für einen Linearmotor findet man in 7 Abschn. 31.2 Aktoren.

595 27.5  Elektrische Antriebstechnik

27.3

Übersicht über gebräuchliche Aktoren

Aktoren in diesem Sinne wandeln elektrische Energie in andere Energieformen um. Hauptaktoren für die Umwandlung in kinetische Energie sind die oben beschriebenen Motoren. Einige weitere sollen exemplarisch in einer Übersicht (siehe . Tab. 27.5) dargestellt werden. Weitere findet man im 7 Abschn. 31.2 Aktoren. 27.4

Leistungselektronik

Die bisher vorgestellten Motoren und Aktoren sind Umformer, denn sie wandeln eine physikalische Größe in eine andere um. Eine LED wandelt z. B. elektrische Energie in Licht um, ein Motor elektrische Energie in Bewegungsenergie. In einem Teilgebiet der Elektrotechnik, der Leistungselektronik, geht es darum, elektrische Größen umzuformen (zu wandeln). Höhe und Form von Spannungen und Strömen sowie Frequenzen werden von Umrichtern gewandelt. Typisch ist dabei, dass diese ohne bewegliche Teile arbeiten. Leistungselektronische Bauelemente dienen auch dem Zu- und Abschalten von elektrischen Verbrauchern (hier insbesondere Motoren). Eine Übersicht zeigt . Tab. 27.6.

Solche Systeme erreichen oft sehr hohe Wirkungsgrade ( > 70 %) und übertreffen damit deutlich andere Lösungen, die mit klassischen elektrischen Bauteilen realisiert werden. Das in modernen Antrieben eingesetzte Bauelement, der Frequenzumrichter, erzeugt aus einer eingespeisten Wechselspannung eine in Frequenz und Amplitude veränderte Wechselspannung. Er versorgt damit direkt zum Beispiel Drehstrommotoren und ist häufig mit diesem fest verbunden. Frequenzumrichter können sowohl mit Einphasen- als auch mit Dreiphasenwechselstrom arbeiten. Gleich- und Drehstromantriebe benötigen einen hohen Anlaufstrom im Moment des Einschaltens, deshalb dürfen nur kleine elektrische Motoren direkt eingeschaltet werden. Der Anlauf der Gleich- und Drehstrommotoren wird deshalb durch geeignete Anlassschaltungen oder Frequenzumrichter gesteuert. 27.5

Elektrische Antriebstechnik

Zur Erzeugung von Bewegungen kommen heute sehr oft geregelte elektrische Antriebe zum Einsatz. Regelaufgabe ist es meist, dass Drehzahlen oder Geschwindigkeiten ein gewünschtes Verhalten zeigen und dass Positionen oder Winkel eingestellt oder angefahren werden sollen (. Tab. 27.7). Außer der Erzeugung von Bewegungen

. Tabelle 27.5 Übersicht über gebräuchliche Aktoren Zielgröße

Aktor

Einsatz

Licht

LED, Glühlampe, Leuchtstoffröhre, Laser

Beleuchtung, Signalübermittlung, Warnung, Bildschirme

Temperatur

Widerstände, Strahler

Schweißen, Erwärmen

Bewegung

Motoren, Linearmotor, Elektromagnet

Antriebe

Druck

elektrisch betriebene Pumpe, Piezokristalle

Pressen, Flüssigkeits- und Gastransport, Pneumatik, Hydraulik

Drehmoment

Motor

Antriebe

Kraft

Motor, Magnet

Aufzüge

. Tabelle 27.6 Leistungselektronische Bauelemente Eingangsgröße

Ausgangsgröße

Bauelemente

Wechselspannung U.t/

Gleichspannung U

Gleichrichter

Schaltnetzteile

Gleichspannung U

Wechselspannung U.t/

Wechselrichter

Ansteuerung von Wechselstrommotoren Solaranlagen

Gleichspannung U

Gleichspannung U0

Gleichstromsteller

Schaltnetzteile

Wechselspannung U.t/

Wechselspannung U(t)

Frequenzumrichter

Wechselspannungsfrequenz f

Wechselspannungsfrequenz f0

Frequenzumrichter

Dimmer Ansteuerung von Motoren Ansteuerung von Heizwiderständen

Einphasenwechselspannung U.t/ Dreiphasenwechselspannung U.t/

Frequenzumrichter

Schaltzeichen

Einsatz

27

596

Kapitel 27  Anwendungen

. Tabelle 27.7 Regelungsaufgaben bei elektrischen Antrieben

27

Translatorisch

Rotatorisch

Position Regelung der Position eines Greifers an einem Roboter Reglung der Position des Fräskopfes einer Werkzeugmaschine

Winkel Regelung der Größe des Winkels einer Drehachse Regelung der Größe des Winkels eines Roboterarms

Geschwindigkeit Regelung der Vorschubgeschwindigkeit an einer Drehmaschine

Drehzahl Regelung der Drehzahl der Spindel einer Drehmaschine

Motor

Getriebe

Kupplung

Steller

Regler

Sensor

Da der Antriebsstrang mechanische Komponenten hat, sind Schwingungen relativ zum Motor nahezu unvermeidbar. Die Regelung muss auf diese Störgrößen entsprechend reagieren. Der Wirkungsgrad ges des Antriebsstrangs setzt sich aus den Wirkungsgraden 1 : : : n der Einzelkomponenten zusammen

Sollverhalten . Abb. 27.13 Blockschaltbild eines Antriebsstrangs

ges D 1  2  : : :  n

können mit elektrischen Antrieben auch Kräfte und Drehmomente geregelt werden. Der Antriebsstrang (siehe . Abb. 27.13) einer komplexeren Anlage besteht meist aus einem Elektromotor. Die Energie wird mittels Getriebe und Kupplung an eine Masse (zum Beispiel Werkstück, Radachse) übertragen. Fehlen Getriebe und Kupplung, so spricht man von einem Direktantrieb. Bei geregelten Antrieben wird der Istwert der zu regelnden Größe über einen Sensor abgefragt. Über ein Eingabegerät wird der Sollwert bzw. der gewünschte Verlauf der Sollgröße eingestellt. Der Regler gibt dann den nötigen Stellbefehl über den Steller an den Motor. Zusätzlich (oder integriert) kann noch ein Frequenzumformer die eigentliche Ansteuerung des Motors übernehmen. . Abb. 27.14 Stromnetz

(27.11)

Aus der multiplikativen Verknüpfung der Wirkungsgrade wird deutlich, dass ein Direktantrieb bei gleichen Rahmenbedingungen stets einen höheren Wirkungsgrad hat. 27.6

Verteilung elektrischer Energie

Neben der großen öffentlichen Diskussion um die Möglichkeiten der Umwandlung von anderen Energieformen in die elektrische spielt auch heute zunehmend die Verteilung der elektrischen Energie eine entscheidende Rolle. Nicht nur das öffentliche Stromnetz (siehe . Abb. 27.14) sondern auch die betriebsinterne Verteilung (siehe . Abb. 27.15) und Vernetzung der elektrischen Energie gerät zunehmend

Großkraftwerk

Höchstspannung 220 kV ... 380 kV

Industriekraftwerk

Hochspannung 120 kV

Bahn

Windpark Solarkraftwerk

Mittelspannung 1 kV ... 50 kV

Industrielle Abnehmer

Photovoltaik Kleinkraftwerk

Niederspannung 230 V ... 400V

Ortsnetz

Hausanschluss

597 27.6  Verteilung elektrischer Energie

4

4

4 4 . Abb. 27.15 Stromverteiler

in den Fokus. Viele Aspekte müssen dabei berücksichtigt werden. 4 Zuverlässigkeit: Viele Abläufe sind heutzutage existentiell mit dem Vorhandensein von elektrischer Energie verknüpft. Ein betrieblicher „Stromausfall“ hätte teils katastrophale Folgen. 4 Stabilität: Viele Komponenten bauen heute auf einem in engen Grenzen stabilen Netz (zum Beispiel 230 V, 50 Hz) auf. Spannungs- und Frequenzschwankungen

4

stören zum Beispiel Timer. Es kommt zu Synchronisationsfehlern. Verfügbarkeit, Flexibilität: An vielen Stellen im Betrieb muss flexibel und problemlos ein geeigneter Stromanschluss zur Verfügung stehen, um – teilweise auch nur temporär – elektrische Maschinen und Anlagen betreiben zu können. Leistungsfähigkeit: Elektrische Energie muss auch mit der benötigten Leistung zur Verfügung gestellt werden. Dabei müssen auch Spitzenzeiten und Anfahrleistungen abgedeckt werden können. Sicherheit: Die Überlegungen zur Sicherheit bei der Verteilung elektrischer Energie sind in 7 Kap. 28 aufgeführt. Nachhaltigkeit: In zunehmendem Maße generieren Unternehmen durch erneuerbare Energien u. a. bei Lastspitzen in produktionsintensiven Zeiten den benötigten Strom. Wirtschaftlichkeit: Durch Energierückgewinnungsund Speichersysteme wird insbesondere im Zusammenhang mit digitalen Überwachungen die Wirtschaftlichkeit bei der Energieversorgung erhöht.

In der Industrie ist heute die Versorgung mit dreiphasigem 400-VAC-Strom Standard. Durch digital vernetzte Verteilungspunkte (siehe . Abb. 27.15) werden viele der oben angesprochenen Aspekte zuverlässig realisiert.

27

599

Sicherheit Berthold Heinrich

28.1

Netzformen

Der Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) hat eine Reihe von Vorschriften ausgearbeitet, die dem Schutz von Leben und Gütern beim Umgang mit elektrischer Energie dienen. Besonders wichtig sind die in den VDE-Bestimmungen 0100 (Einrichtung von Niederspannungsanlagen) und 0411 (Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte) festgelegten Vorschriften. 28.2

Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen

Durch zahlreiche Sicherheitsbestimmungen und Schutzmaßnahmen ist der Sicherheitsstandard bei einwandfreien elektrischen Betriebsmitteln und Anlagen recht hoch. Trotzdem können insbesondere bei Arbeiten an elektrischen Anlagen wie Erweiterung, Änderung, Wartung oder Instandsetzung Gefahren auftreten, wenn diese technischen Schutzmaßnahmen außer Funktion gesetzt oder die nach VDE-Bestimmungen oder Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebenen Verhaltensregeln nicht eingehalten werden. Hauptsächliche Ursache von Elektrounfällen und Schäden sind dann das bewusste oder unbewusste Nichteinhalten der anerkannten Regeln der Elektrotechnik. Dadurch können Errichter, Benutzer oder unbeteiligte Personen gefährdet werden und Sachschäden auftreten. Gegen Brandgefahr werden hauptsächlich ÜberstromSchutzeinrichtungen eingesetzt. Um gefährliche Körperströme zu verhindern, gibt es zahlreiche Schutzmaßnahmen (siehe 7 Abschn. 28.5). 28.3

Überstrom-Schutzeinrichtungen

Die Überstrom-Schutzeinrichtungen haben die Aufgabe, sowohl Kabel und Leitungen als auch elektrische Betriebsmittel vor Kurzschluss und Überlastung zu schützen. Eingesetzt werden Schmelzsicherungen und ÜberstromSchutzschalter.

. Abb. 28.1 Schmelzsicherungen

Bei den Schmelzsicherungen (siehe . Abb. 28.1) erfolgt das Abschalten eines Überstromes durch Abschmelzen eines sehr dünnen Drahtes, dem Schmelzleiter in dem Sicherungselement. Je größer der Überstrom, desto schneller schmilzt der Draht und bewirkt damit die sichere Trennung des Stromkreises. Das D-System (Diazed-Sicherungen) wird in der Hausund Gewerbeinstallation eingesetzt. Es besteht aus einem Sicherungssockel, dem Berührungsschutz, der Passschraube, dem Schmelzeinsatz und der Schraubkappe mit einem kleinen Glasfenster. Hat eine Sicherung ausgelöst, so ist dies ohne Ausschrauben durch das Fenster erkennbar, weil sich dann ein kleiner Unterbrechungsmelder löst. Diese Unterbrechungsmelder haben je nach Nennstrom IN der Sicherung unterschiedliche Kennfarben. Je nach Nennstrom weisen auch die Passschrauben und Fußkontakte der Sicherungseinsätze unterschiedliche Durchmesser auf. Auf diese Weise wird verhindert, dass Sicherungen mit einer für den Stromkreis unzulässig großen Nennstromstärke eingesetzt werden können.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_28

28

600

Kapitel 28  Sicherheit

. Abb. 28.2 Feinsicherung

. Abb. 28.3 Überstrom-Schutzschalter

28

Sicherungen nach dem DO-System (Neozed-Sicherungen) sind nach dem gleichen Prinzip wie die D-Sicherungen aufgebaut, haben aber kleinere Abmessungen. Schmelzsicherungen gibt es für Nennströme von IN D 2 A : : : 100 A. Bei den G-Sicherungen (Gerätesicherungen, Feinsicherungen) (siehe . Abb. 28.2) ist der Schmelzdraht in ein kleines Glasröhrchen, das meistens die Maße 5 mm 20 mm hat, eingelötet. Diese Glasrohr-Feinsicherungen werden zum Schutz von elektronischen Geräten und Bauelementen verwendet. Ihr Nennstrombereich ist gestuft im Bereich IN D 1 mA : : : 10 A. In den einzelnen Reihen gibt es dann noch die Typen FF (superflink), F (flink), MT (mittelträge), T (träge) und TT (superträge). Hat eine solche Feinsicherung ausgelöst, darf sie nur durch einen Typ mit gleicher Auslösecharakteristik und gleichem Nennstrom ersetzt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass erheblich teurere elektronische Bauelemente nicht mehr richtig geschützt sind und zerstört werden können. In den Stromkreisverteilern werden anstelle von Schmelzsicherungen heute nur noch Überstrom-Schutzschalter (Leitungsschutzschalter LS) (siehe . Abb. 28.3) eingesetzt. Sie haben den großen Vorteil, dass sie nach jedem Auslösen wieder eingeschaltet werden können, denn LS-Schalter verwenden zwei unabhängige Auslösemechanismen. Treten bei einem Kurzschluss im abgesicherten Stromkreis zu hohe Ströme auf, so erfolgt das Abschalten durch eine Kurzschluss-Schnellauslösung. Bei geringeren Überströmen erfolgt eine verzögerte Abschaltung durch einen Bimetallschalter. Leitungsschutzschalter sind lieferbar für Nennströme von IN D 6 A : : : 63 A und mit verschiedenen Auslösecharakteristiken.

28.4

Weitere Schutzeinrichtungen

Für spezielle Aufgaben gibt es noch einige weitere Schutzeinrichtungen wie zum Beispiel Geräteschutzschalter, Motorschutzschalter, Leistungsschalter und FI-Schutzschalter (Fehlerstromschutzschalter). Geräteschutzschalter werden eingesetzt zum Schutz von Stromkreisen und Betriebsmitteln die erhöhte Einschaltströme haben. Diese können z. B. beim Einschalten von Schweißgeräten und kleineren Maschinen auftreten. Bei den Motorschutzschaltern handelt es sich um handbetätigte Schalter zum Anschluss von Motoren an das Netz. Größere Elektromotoren weisen nämlich so hohe Anlaufströme auf, dass normale LS-Schalter sofort auslösen würden. Außerdem dürfen sich die Wicklungen nicht unzulässig erwärmen. Daher verwenden die Motorschutzschalter sowohl einen thermischen Überstromauslöser als auch einen magnetischen Kurzschlussauslöser. Aber auch wenn während des Betriebs die Spannung ausfällt oder stark absinkt (Unterspannungsauslösung), muss der Motor automatisch abgeschaltet werden und darf danach auch auf keinen Fall wieder von selbst anlaufen. Daher sind Motorschutzschalter als Schlossschalter konzipiert, das heißt es handelt sich um Schalter mit Rückstellkraft und einer mechanischen Sperre, deren Schaltglieder sich erst durch eine handbetätigte Freigabe der Sperre wieder in ihre Ausgangsstellung zurückstellen lassen. Leistungsschalter werden als Schalt- und Schutzgeräte für größere Motoren, Transformatoren usw. eingesetzt. Sie weisen ebenfalls eine thermische und magnetische Überstromauslösung auf und ihr Nennstrombereich liegt im Bereich I  16 A : : : 4 kA. FI-Schutzschalter werden in immer größerer Zahl in elektrischen Anlagen eingesetzt. Sie überwachen Fehlerströme, die aufgrund von Isolationsfehlern, zum Beispiel einem Körperschluss in einem elektrischen Gerät über den Schutzleiter zum Erder abfließen und schützen daher vor gefährlichen Körperströmen. FI-Schutzschalter lösen aus, wenn der jeweilige Nennfehlerstrom IF D 20 mA überschritten wird. 28.5

Gefährliche Körperströme

Werden spannungsführende Teile einer Elektroanlage von einem Menschen berührt, fließt ein Strom I über den Körper zum Erdpotential. Die Höhe dieses Körperstromes IK

601 28.5  Gefährliche Körperströme

hängt von der Berührungsspannung UB (Spannungshöhe), dem Körperwiderstand RK und dem Übergangswiderstand RÜ (z. B. Schuhsohlen, Fußbodenbelag) ab. Der Körperwiderstand besteht aus dem Hautwiderstand RH und dem Widerstand des übrigen Körpers RR . Die äußere Beschaffenheit der Haut oder Feuchtigkeit hat einen starken Einfluss auf den Hautwiderstand, (RH  10 k) bei trockener und RH  100 ) bei feuchter Haut). Der Widerstand des übrigen Körpers liegt im Bereich RR  500 ) : : : 1 k). Er verändert sich aber stark in Abhängigkeit vom tatsächlich auftretenden Stromweg. Einige Wirkungen werden in . Tab. 28.1 aufgelistet.

. Tabelle 28.1 Wirkung elektrischen Stroms auf den menschlichen Körper Stromstärke I

Wirkung auf den menschlichen Körper

< 5 mA

Kribbeln, leichter Schlag

5–15 mA

Muskelverkrampfung, Loslassen noch möglich

> 15 mA

Muskelverkrampfung, selbständiges Loslassen nicht mehr möglich

> 25 mA

Blutdrucksteigerung, Herzunregelmäßigkeiten

> 50 mA

Bewusstlosigkeit

> 80 mA

Akute Lebensgefahr

> 3000 mA

Verbrennungen, Herzstillstand

28

603

Anhang Formelzeichen B

S

Blindleitwert, Suszeptanz

B

T

Magnetische Flussdichte, Induktion

C

F

Elektrische Kapazität

D

C m2

Elektrische Flussdichte, elektrische Verschiebung

E

V m

Elektrische Feldstärke

e

C

Elementarladung e D 1;602  1019 C

f

Hz

Frequenz

G

S

Elektrischer Leitwert

H

A m

Magnetische Feldstärke

I; i

A

Elektrische (konstante) Stromstärke, elektrische (zeitabhängige) Stromstärke

z

1

Leiterzahl

˛

1 K

Temperaturbeiwert



1 )m

elektrische Leitfähigkeit, Konduktivität

"

F m

Permittivität

"0

F m

As elektrische Feldkonstante "0 D 8; 854  1012 Vm

"r

F m

Permittivitätszahl



H m

Permeabilität

0

H m

magnetische Feldkonstante 0 D 1; 257  106 AN2

r

1

Permeabilitätszahl



)mm2

˚

Wb

magnetischer Fluss

'

rad

Phasenverschiebungswinkel



A

magnetische Durchflutung Temperatur (in ı C)

m

iO

A

Maximale Stromstärke

#

ı

J

A mm2

elektrische Stromdichte

#

K

L

H

Induktivität, Selbstinduktivität

œ

C

spezifischer elektrischer Widerstand

Temperaturdifferenz

Leistungsfaktor 1

n

min

Drehzahl, Drehfrequenz

P

W

elektrische Leistung

p

Elektrische Einheiten – Umwandlung von Einheiten

Polpaarzahl

Q

C, As

elektrische Ladung

Q

var

Blindleistung V A

R

);

Rm

A ; A Wb Vs

magnetischer Widerstand, Reluktanz

S

A mm2

elektrische Stromdichte

S

VA

Scheinleistung

T

K

Temperatur

T

K

Temperaturdifferenz

U, u

V

elektrische (konstante) Spannung, elektrische (zeitabhängige) Spannung

uO

V

Maximalspannung

v

m s

Geschwindigkeit

Vm

A

magnetische Spannung, magnetische Durchflutung

W

J

(elektrische) Arbeit

X

)

Blindwiderstand

Y

S

Scheinleitwert, Admittanz

Z

)

Scheinwiderstand

elektrischer Widerstand, Wirkwiderstand

Die eckigen Klammern um eine physikalische Größe bedeuten, dass die Einheit der Größe gemeint ist. Beispiel: Œv D ms bedeutet, dass die Einheit der Geschwindigkeit v in ms angegeben wird. Bei einigen sind mehrere gebräuchliche Darstellungen durch andere physikalische Einheiten angegeben. Watt J Nm kg m2 D1 D1 D1 Ampere As As As3 Watt J Nm kg m2 1 A D 1 Ampere D 1 D1 D1 D1 Volt Vs Vs Vs3 Volt 1 ) D 1 Ohm D 1 Ampere 1 1 S D 1 Siemens D Ohm Nm J 1 W D 1 Watt D 1 Volt  Ampere D 1 D 1 s s kg m2 D1 3 s Ws 1 C D 1 Coulomb D 1 Amperesekunde D 1 V Nm kgm2 D1 D1 V Vs2 1 V D 1 Volt D 1

604

Anhang

Coulomb As s D1 D1 Volt V ) Nm J 1 Wb D 1 Weber D 1 Voltsekunde D 1 D 1 A A 2 kg m D1 As2 Weber Vs kg m2 1 H D 1 Henry D 1 D 1)s D 1 D1 2 2 Ampere A A s Weber N Vs 1 T D 1 Tesla D 1 D1 2 D1 Quadratmeter m Am kg D1 2 As 1 F D 1 Farad D 1

Nummer

Schaltzeichen

Beschreibung

02-15-03

Schutzerde

02-15-04

Masse

02-17-03

Dauermagnet

02-17-04

Bewegbarer Kontakt

02-17-05

Prüfpunkthinweis

Schaltzeichen Schaltzeichen nach EN 60617 2-13 Nummer

Schaltzeichen

Beschreibung

02-02-03

Gleichstrom

02-02-04

Wechselstrom

03-01-01

Verbindung

02-02-13

+

Positive Polarität

02-02-14



Negative Polarität

N

Neutralleiter

02-02-15 02-03-01

02-03-02

02-03-03

03-02-02

Anschluss

04-01-01

Widerstand, allgemein

04-01-03

Widerstand, veränderbar

04-01-07

Widerstand mit beweglichem Kontakt (Potentiometer)

04-02-01

Kondensator, allgemein

04-02-05

Gepolter Kondensator

04-03-01

Induktivität

04-03-03

Induktivität mit Magnetkern

04-03-04

Induktivität mit Luftspalt im Magnetkern

Einstellbarkeit, nichtlinear

Veränderbarkeit

Einfachgerichtete Kraft

02-04-02

Bidirektionale Kraft

02-15-01

Kreuzungspunkt

Einstellbarkeit, allgemein

02-04-01

02-04-06

03-02-01

Schwingende Bewegung

Erde, allgemein

605 Anhang

Nummer

Beschreibung

Nummer

04-07-01

Piezoelektrischer Kristall mit zwei Elektroden

07-02-03

Öffner

05-01-01

Halbleiterzone mit einem ohmschen Anschluss

07-06-01

Schließer mit selbsttätigem Rückgang

05-01-07

Gleichrichtender Übergang, Halbleiterdiode, allgemein 08-02-01

Spannungsmessgerät

05-03-02

Schaltzeichen

Schaltzeichen

Beschreibung

Leuchtdiode (LED), allgemein Strommessgerät

05-05-01

PNP-Transistor

Frequenzmessgerät 05-06-01

Photowiderstand

05-06-02

Photodiode

05-06-03

06-09-02

08-02-02

Blindstrommessgerät

08-10-01

Lampe, allgemein

06-04-01

Maschine allgemein

06-04-03

Schrittmotor

06-05-01

Gleichstrommotor

Photozelle

Transformator

06-15-01

Primärzelle, Batterie, Akkumulator

07-02-01

Schließer

606

Anhang

Weitere benutzte Schaltzeichen Schaltzeichen

Beschreibung Frequenzumrichter

Gleichrichter

Wechselrichter

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Zastrow, D.: Elektrotechnik – ein Grundlagenlehrbuch. Springer Vieweg, Wiesbaden (2014) 2. Friedrich Tabellenbuch Elektrotechnik Elektronik. Bildungsverlag Eins, Köln (2017) 3. Busch, R.: Elektrotechnik und Elektronik. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 4. Fischer, R.: Elektrotechnik für Maschinenbauer. Springer Vieweg, Wiesbaden (2016) 5. Schiessle, E.: Industriesensorik. Sensortechnik und Messwertaufnahme. Vogel, Würzburg (2016)

Normen Gleichstromsteller

Leistungsmesser

Hallsensor

DIN 6. DIN 1304-1:1994-03 Formelzeichen; Allgemeine Formelzeichen 7. DIN 1319-1:1995-01 Grundlagen der Messtechnik – Teil 1: Grundbegriffe 8. DIN 40146-1:1994-11 Nachrichtenübertragung – Teil 1: Grundbegriffe

DIN IEC/EN 9. DIN IEC 60050-351:2014-09 Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – Teil 351: Leittechnik 10. DIN EN 60034-1:2011-02 Drehende elektrische Maschinen – Teil 1: Bemessung und Betriebsverhalten 11. DIN EN 60034-7: 2001-12 Drehende elektrische Maschinen – Teil 7: Klassifizierung für Bauarten

EN 12. EN 60617 2-13: 1996 Grafische Symbole für Schaltpläne 13. EN 60375:2003 Vereinbarungen für Stromkreise und magnetische Kreise

VDE 14. VDE 0100 Einrichten von Niederspannungsanlagen 15. VDE 0411 Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte 16. VDE 0530 Drehende elektrische Maschinen

607

Grundlagen der Mechatronik Inhaltsverzeichnis Kapitel 29

Einleitung – 609 Werner Roddeck

Kapitel 30

Modellbildung und Simulation – 621 Werner Roddeck

Kapitel 31

Sensoren und Aktoren – 641 Werner Roddeck

Kapitel 32

Entwicklung eines mechatronischen Systems – 667 Werner Roddeck

VII

609

Einleitung Werner Roddeck

29.1

Begriffsbildung

Der Begriff Mechatronik ist ein Kunstwort, welches durch Eindeutschung des englischen Wortes „Mechatronics“ entstanden ist. Dieses ist wiederum eine Zusammenziehung der englischen Bezeichnungen für „Mechanics“ (Maschinenbau) und „Electronics“ (Elektrotechnik). Der Begriff wurde durch einen japanischen Ingenieur 1969 geprägt und durch eine japanische Firma bis 1972 als Warenzeichen gehalten. In der IEEE/ASME Transactions on Mechatronics (1996) wird Mechatronik wie folgt definiert: „Mechatronics is the synergetic integration of mechanical engineering with electronic and intelligent computer control in the design and manufacturing of industrial products and processes“. Die zum Thema Mechatronik erstellte VDI-Richtlinie 2206 trifft eine fast wortgleiche Definition: „Mechatronik bezeichnet das synergetische Zusammenwirken der Fachdisziplinen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnik beim Entwurf und der Herstellung industrieller Erzeugnisse sowie bei der Prozessgestaltung.“ Im deutschen Sprachraum wird der Begriff Mechatronik auch gerne durch eine Zusammenziehung der drei

Kerndisziplinen Mechanik, Elektronik und Informatik erklärt. Dies bedeutet, dass Mechatronik ein interdisziplinäres Gebiet ist, in dem die in . Abb. 29.1 dargestellten Disziplinen zusammenfließen. Es scheint hinter dem Aufkommen dieses Begriffes jedoch nicht nur die Notwendigkeit zu stehen, für neuartige Produkte eine neue Beschreibungsmethode oder ein neues Denken zu schaffen. An den Worten interdisziplinär und synergetisch erkennt man ein tieferes Bedürfnis nach Zusammenarbeit von Disziplinen in Wissenschaft, Forschung und Ausbildung, die in der Vergangenheit strikt voneinander getrennt existierten. Die Ursachen für diese Trennung sind einerseits historisch bedingt und andererseits durch die rasante Entwicklung der Elektrotechnik geprägt. Viele technische Produkte des Maschinenbaus sind heute in so hohem Maße mit elektrotechnischen/elektronischen Komponenten ausgestattet, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der ingenieurwissenschaftlichen Gebiete Maschinenbau, Elektrotechnik und Computertechnik geradezu zwingend erforderlich ist. Da die Mechatronik als neuer technischer Ansatz fast alle Technologien des Maschinenbaus und der Elektrotechnik sowie die Echtzeit-Datenverarbeitung umspannt, können Themen hier nur angerissen und exemplarisch aufgezeigt, aber nicht umfassend behandelt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Darstellung allgemein gültiger Prinzipien.

29.2

. Abb. 29.1 Darstellung der Mechatronik als Synergie verschiedener Disziplinen

Mechatroniker

In den letzten 40 Jahren sind typische Produkte des Maschinenbaus wie Werkzeugmaschinen, Kraftfahrzeuge und feinmechanische Geräte mit zunehmender Geschwindigkeit von elektrotechnischen Komponenten und Computern durchdrungen worden. Diese Entwicklung hat häufig, wegen der relativ strikten Aufgabenteilung und Abgrenzung zwischen den Disziplinen Maschinenbau und Elektrotechnik, die in der Mechatronik auch als „Domänen“ bezeichnet werden, zu entsprechenden Schnittstellenproblemen geführt. Im weiteren Verlauf entstand das Bewusstsein, dass die Probleme moderner Technik nicht mehr allein mit Hilfe einer der klassischen Ingenieurdisziplinen wie Maschinenbau oder Elektrotechnik lösbar sind. Zu dieser Zeit fand die

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_29

29

610

29

Kapitel 29  Einleitung

. Abb. 29.2 Entwicklungszyklus ohne Mechatronik

Entwicklung von elektromechanischen Produkten meist sequentiell statt. Zuerst konstruierte ein Maschinenbauer die mechanischen Komponenten eines Produktes, dann ergänzte ein Elektrotechniker die elektrischen bzw. elektronischen Komponenten (. Abb. 29.2). Dieses Vorgehen führte oft nur zu suboptimalen Lösungen bei der Zusammenführung der Anteile. Auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der beiden Fachdisziplinen in Projektteams löste das Problem nicht vollends. Es war und ist oft Zufall, ob die beteiligten „Fach“-Ingenieure willens oder fähig sind, sich in ein Team einzuordnen und, bei der Suche nach optimalen Lösungen, sich vom Denkansatz der eigenen Disziplin zu lösen. Als weiteres wesentliches Element trat im Laufe der Entwicklung der Computer als Teil vieler Automatisierungsaufgaben hinzu. Solche Computer sind meist Mikrorechner oder programmierbare Steuerungen, die es ermöglichen, Systeme in Betriebszuständen sicher zu betreiben, die im physikalischen Grenzbereich liegen. Ein Beispiel hierfür ist das mittlerweile in fast allen Autos eingebaute Anti-Blockier-System (ABS). Aufgrund der physikalischen Gesetze tritt beim Bremsvorgang dann die optimale Bremswirkung auf, wenn der Reifen auf der Fahrbahn gerade noch abrollt und nicht blockiert, d. h. zum Stillstand gekommen ist. Dazu müsste der Fahrer sehr gefühlvoll und doch bestimmt das Bremspedal treten, was unter Stress in einer Gefahrensituation oft nicht möglich ist. Der Normalfall bei Notbremsungen ist, dass durch Vollbremsung die Räder blockieren, was besonders bei kritischem Straßenzustand (Nässe, Eis) zu deutlichen Verlängerungen des Bremswegs führt. Dieses Bremsverhalten kann man quantitativ durch die Reibungszahl für den jeweiligen Bremsvorgang charakterisieren. . Abb. 29.3 zeigt die unterschiedlichen Reibungszahlen  für Bremsvorgänge auf verschiedenen Untergründen in Abhängigkeit vom Schlupf s der Räder. Der Schlupf beim Bremsen ist die Differenz zwischen der Drehgeschwindigkeit des Rades vR und der Geschwindigkeit des Radkontaktpunktes zur Straße vK , bezogen auf vK . Blockiert das Rad, so ist der Schlupf s D 1, nähert sich die Raddrehgeschwindigkeit vR der Horizontalgeschwindigkeit vK , so sinkt der Schlupf und nimmt kleine Werte

. Abb. 29.3 Haftreibungszahl  in Abhängigkeit vom Radschlupf s und vom Fahrzustand

an. Bei einem Schlupf von ca. 0,15 tritt dann der optimale Reibwert, d. h. die bestmögliche Bremsverzögerung auf. Diese ist auf trockenem Asphalt besser als auf nassem und diese wiederum besser als auf Schnee. Die unterschiedlichen Situationen zu beherrschen und den optimal kurzen Bremsweg zu ermöglichen ist Aufgabe eines ABSSystems. Diese für den Mechatroniker typische Aufgabenstellung umfasst Teilaufgaben maschinenbaulicher und elektrotechnischer Natur und auch informationstechnische Aufgabenstellungen. Für ein ABS-System werden die Räder mit Raddrehzahl-Sensoren ausgestattet, deren Messwerte einer Steuerelektronik zugeleitet werden. Stellt diese aufgrund der Messwerte fest, dass gebremst wird, die Räder aber nicht rollen, so wird automatisch die Bremse unabhängig vom Pedaldruck wieder gelöst und zwar so weit, dass die Räder sich gerade wieder zu drehen beginnen. Das Stellsignal zur Erzeugung des Bremsdrucks wird daher nicht nur durch den Druck auf das Bremspedal, sondern auch durch ein Steuersignal beeinflusst, das aus dem Signal des Raddrehzahlsensors abgeleitet wird. Der genaue Regelvorgang ist in . Abb. 29.4 dargestellt. Zur Steuerung des Bremsdrucks wird ein Stellventil verwendet, das es erlaubt, den Bremsdruck zu halten, zu erhöhen oder zu erniedrigen. Als eigentliche Steuergröße wird die Raddrehverzögerung aR (negative Beschleunigung) benutzt, die rechnerisch aus der Raddrehgeschwindigkeit vR bestimmt wird. Zuerst tritt bei einer starken Bremsung durch maximalen Pedaldruck ein stark ansteigender Bremsdruck auf (Intervall 1). Wird aR kleiner als der negative Schwellwert al , so wird die maximal mögliche Reibung zwischen Rad und Straße unterschritten. Im Intervall 2 wird dann zur Störungsunterdrückung bis zum Unterschreiten des negativen Schwellwerts a2 der Bremsdruck konstant gehalten.

611 29.2  Mechatroniker

. Abb. 29.5 Entwicklungszyklus mit Mechatronik

. Abb. 29.4 Ablauf eines Bremsvorgangs bei einem ABS-System

Sinkt aR unter den Schwellwert a2 , so wird der Bremsdruck vermindert, wodurch das Rad wieder schneller werden kann (29.3). Zu Beginn von Intervall 4 überschreitet aR wieder den Schwellwert al und die Abnahme des Bremsdrucks wird beendet. Nun wird der Bremsdruck vorerst konstant gehalten. Dadurch beschleunigt das Rad wieder und der Radschlupf nimmt ab, d. h. der Reibbeiwert und die Bremswirkung nehmen zu. Im Intervall 5 wird beim Überschreiten des positiven Schwellwertes a4 der Radbeschleunigung durch Erhöhen des Bremsdrucks das Rad erneut abgebremst, damit die Bremswirkung aufgrund zu kleinen Radschlupfes nicht zu klein wird. Im Intervall 6 zwischen den Schwellwerten a4 und a3 wird der Bremsdruck wieder konstant gehalten, im Intervall 7, nach Unterschreiten von Schwellwert a3 wird der Bremsdruck leicht erhöht. Wenn aR den Schwellwert al erneut unterschreitet, beginnt ein zweiter Regelungszyklus. Nun wird jedoch der Bremsdruck sofort erniedrigt, ohne auf das Unterschreiten des Schwellwerts a2 zu warten (zweites Intervall 3). Beim Durchlaufen weiterer Bremszyklen wird die Radrehverzögerung in einem Bereich gehalten, in dem der Schlupf die maximal mögliche Reibung zwischen Rad und Straße erlaubt und dadurch der Bremsweg minimiert. Dieses Bremssystem leistet etwas, wozu der Mensch nicht in der Lage wäre, nämlich einen physikalischen Vorgang im Grenzbereich des Möglichen zu betreiben. Hatten

schon die Maschinenbauer und die Elektrotechniker Mühe, sich zu verständigen und gemeinsam optimale Problemlösungen zu finden, so kam durch solche Entwicklungen nun noch der Informatiker ins Spiel, der noch dazu kein klassischer Ingenieur ist. Dadurch wurden die Verständigungsund Schnittstellenprobleme noch größer. Bei Technologien wie der Mikro- und Nanosystemtechnik lassen sich die physikalischen Effekte sogar nicht mehr eindeutig nach elektrotechnischen und mechanischen Phänomenen trennen. Dies beantwortet auch die Frage, wo denn ein ausgebildeter Mechatronik-Ingenieur arbeitet, nämlich an der Schnittstelle zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. Mechatronische Produktentwicklung läuft mit Mechatronik-Ingenieuren anders ab als in . Abb. 29.2 dargestellt. Wie in . Abb. 29.5 gezeigt, wird die Optimierung des mechatronischen Produkts in einem Regelkreis von Mechatronik-Ingenieuren wahrgenommen. Dabei ist der Mechatronik-Ingenieur kein Spezialist auf allen drei Gebieten, sondern ein Generalist, der die Kenntnisse an den Schnittstellen der Fachdisziplinen zusammenbringt und so synergetisch und fachgebietsübergreifend arbeitet. Dieser Typ von Ingenieur ist also nicht Ersatz für einen Ingenieur der drei Fachgebiete, oder gar ein neuartiger Ingenieurtyp, der alle anderen ersetzen kann, sondern seine Stärken liegen in der Interdisziplinarität. Stark konstruktiv geprägte Problemstellungen oder energietechnische Problemstellungen des Maschinenbaus erfordern weiterhin Ingenieure des klassischen Ausbildungstyps. Ebenso kann die elektronische Schaltungsentwicklung oder die Nachrichtentechnik der Elektrotechnik nicht Kernaufgabengebiet des Mechatronik-Ingenieurs sein. In Deutschland wurde der erste Studiengang Mechatronik im Wintersemester 1992/93 an der Fachhochschule Bochum eingerichtet. Inzwischen sind viele andere Hochschulen gefolgt; aber auch die Ausbildung von Facharbeitern mit der Berufsbezeichnung „Mechatroniker“ wird in einer zunehmenden Zahl von Industriebetrieben durchgeführt. Dieser Ausbildungsberuf wurde 1999 etabliert, nachdem viele Betriebe die Notwendigkeit sahen, hochkomplexe automatisierte Fertigungssysteme beispielsweise in der Instandhaltung nicht mehr nur traditionell ausgebildeten Facharbeitern anzuvertrauen. Durch diese Entwicklungen ist die Mechatronik inzwischen ein anerkanntes Technikfach geworden.

29

612

29.3

29

Kapitel 29  Einleitung

Mechatronische Systeme

Ein häufig in der Mechatronik verwendeter Begriff ist der des „mechatronischen Systems“. Allgemein betrachtet sind „Systeme“ von ihrer Umgebung in irgendeiner Weise abgegrenzte Gegenstände. Die Abgrenzung ist dabei weniger durch die äußeren physikalischen Grenzen, sondern durch die Fragestellung gegeben, die mit der gewählten Systemdarstellung behandelt werden soll. Eine typische Systemdarstellung in der Technik ist die Darstellung als so genannte „Black Box“, einem Kasten, in den physikalische Größen (Input) hineingehen und aus dem physikalische Größen (Output) herauskommen (. Abb. 29.6). Jedes System zeigt gegenüber der Umgebung gewisse Kennzeichen, Merkmale und Eigenschaften, die Attribute genannt werden. Attribute, die weder Eingangsgrößen (Input) noch Ausgangsgrößen (Output) sind, sondern die Verfassung des Systems beschreiben, werden Zustände genannt. Die Systemtheorie befasst sich vor allem damit, den Funktionszusammenhang zwischen den Attributen, der sozusagen der Inhalt der Black Box ist, zu identifizieren und in mathematische Gleichungen zu fassen. Diesen Vorgang nennt man Modellbildung. Die Mechatronik beschäftigt sich mit so genannten mechatronischen Systemen. Entsprechend der systemischen Betrachtungsweise stehen dabei nicht so sehr die phänomenologischen, d. h. die äußerlich sichtbaren, sondern die systemischen Gesichtspunkte im Vordergrund. Eine typische Definition für diesen Begriff lautet:

»

Ein typisches mechatronisches System nimmt Signale auf, verarbeitet sie und gibt Signale aus, die es z. B. in Kräfte und Bewegungen umsetzt.

. Abb. 29.7 zeigt den typischen strukturellen Aufbau eines mechatronischen Systems, an dem man ablesen kann, welche Fachgebiete ein Mechatronik-Ingenieur beherrschen muss. Eine der häufigsten Aufgabenstellungen eines mechatronischen Systems beinhaltet ein gewisses Maß von Unkenntnis über den Zustand der Außenwelt. Daher muss das System über Sensoren Informationen aus der Außenwelt aufnehmen und sie mit Hilfe eines Digitalrechners so ver-

. Abb. 29.6 Systemdarstellung als „Black Box“ mit Attributen

. Abb. 29.7 Struktur eines mechatronischen Systems und seine Baugruppen

arbeiten, dass der Zustand des Systems in der Außenwelt für seine Aufgabenstellung bekannt ist. Sensor ist ein Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Messwertaufnehmer, die in der Regel beliebige physikalische Größen in elektrische Größen wandeln. In miniaturisierter Form können diese auch bereits Teile der Signalverarbeitung enthalten. Zusätzliche Informationen über seinen inneren Zustand erhält das System aus den Rückmeldungen der Aktoren. Aktor ist ein Sammelbegriff für beliebige Stellglieder oder Antriebe mit den unterschiedlichsten physikalischen Wirkprinzipien, wie beispielsweise Elektromotoren, Hydraulikoder Pneumatikzylinder oder neuartige Aktoren aus Piezomaterialien und Formgedächtnislegierungen. Mit Hilfe im Rechner vorhandener Algorithmen können dann bei Kenntnis des Zustandes der Außenwelt und bei Kenntnis des eigenen inneren Zustandes, den das System aus den Rückmeldungen der Aktoren ermittelt, Stellsignale für die Aktoren erzeugt werden, deren Bewegungen dann als Kräfte, Kraftmomente oder Bewegungen nach außen wirken. Ein typisches Beispiel für ein solches System ist der heute in den meisten PKWs vorhandene Airbag (. Abb. 29.8). Ein Verzögerungssensor misst die jeweili-

. Abb. 29.8 Mechatronisches System „Airbag“

613 29.4  Wann ist der Einsatz von Mechatronik sinnvoll?

so nicht nur in einer körperlichen Baueinheit konzentriert. Das Denken in Systemen und die Ermittlung von Modellen sowie die Entwicklung von Algorithmen, mit denen solche Systeme quasi intelligentes Verhalten entwickeln, sind demnach Kernaufgaben der Mechatronik. Gute Kenntnisse der am Markt zur Verfügung stehenden Sensoren (elektrische Messfühler, Messsysteme), Aktoren (Motoren, Stellelemente) und Rechnersysteme (Mikroprozessoren, Mikrocontroller) sind wichtige Voraussetzungen für die Behandlung mechatronischer Systeme in Entwicklung, Betrieb und Instandhaltung von Geräten, Maschinen und Anlagen. . Abb. 29.9 Modellstruktur eines mechatronischen Systems aufgrund von Funktionen

29.4

ge Bremsverzögerung. Die Verzögerungsinformation darf aber nicht in jedem Fall zum Auslösen des Airbags führen, sondern nur in bestimmten Fahrzuständen. Möglicherweise werden auch noch weitere Sensorsignale wie beispielsweise das Gewicht der Person registriert, die sich auf dem zum Airbag zugehörigen Sitz befindet. Dadurch kann man die Menge des in den Airbag strömenden Gases beeinflussen, um zu verhindern, dass eine sehr leichte Person, wie beispielsweise ein Kind, vom Airbag selbst geschädigt wird. All diese Informationen bewertet ein eingebauter Mikrorechner in Abhängigkeit weiterer Fahrzeuginformationen. Nur wenn alle Umstände auf einen Aufprall des Fahrzeugs auf ein Hindernis schließen lassen, wird der Gasgenerator (Aktor) ausgelöst, wobei die Explosionsgase des Generators den Airbag aufblasen. Eine andere nicht direkt an die strukturelle Darstellung mit körperlichen Baugruppen (Sensor, Aktor, Mikrorechner) angelehnte Form der Darstellung ist die mit Hilfe der Funktionen eines mechatronischen Systems. Diese Darstellungsart findet sich in . Abb. 29.9. Dies ist gleichzeitig die allgemeine Darstellung einer intelligenten Maschine, die Informationen aus der Umgebung aufnimmt (Wahrnehmen), um darauf entweder umgehend zu reagieren (reaktives Verhalten), oder aufgrund eines intelligenten Erkennungsapparates (Erkennen) sinnvoll und seiner Aufgabe entsprechend zu handeln (zielorientiertes Verhalten). Diese Art der Betrachtung eines mechatronischen Systems aufgrund seiner Funktionalitäten ist typisch für die Mechatronik. Um eine optimale Lösung für eine intelligente Maschine zu finden, betrachtet man in der Entwicklungsphase nicht physikalische Baugruppen, sondern Systemeigenschaften. So kann beispielsweise die Funktionalität Wahrnehmen körperlich in mehreren Bauteilen realisiert sein, etwa bei einem Bildverarbeitungssystem. Dort findet die Wahrnehmung eines bestimmten Gegenstandes in der Außenwelt durch eine Kamera (Sensor) in Verbindung mit einem Digitalrechner statt, der die Bilderkennungssoftware enthält. Die Funktion ist al-

Wann ist der Einsatz von Mechatronik sinnvoll?

Manchmal werden heute Produkte, die relativ einfach sind, zu mechatronischen Systemen „aufgerüstet“, um neue Verkaufsargumente für diese Produkte zu finden. Beispielsweise waren in der Vergangenheit Staubsauger mit Motoren ausgerüstet, die nur über eine Saugstufe verfügten. Sollten spezielle Saugprobleme abgedeckt werden, so verwendete man spezielle Ansaugdüsen. Ich besitze heute einen Staubsauger mit stufenlos regelbarer Saugleistung und elektronischer Füllgradanzeige. Sogar Staubsauger mit Fuzzy-Reglern wurden schon angepriesen. Bei der Anwendung stelle ich fest, dass ich aus Bequemlichkeit immer die gleiche, nämlich die maximale Saugleistung verwende und dass die anderen Stufen von mir eigentlich nicht gebraucht werden. Eine wesentliche Erleichterung durch die elektronische Überwachung des Füllgrades des Filterbeutels kann ich ebenfalls nicht feststellen. Daher besteht für mich der wichtigste Vorteil gegenüber alten Staubsaugermodellen in einer erhöhten Saugleistung des Motors. Hier bewirkt der hohe Einsatz mechatronischer Komponenten im Wesentlichen Eigenschaften, die im amerikanischen Sprachgebrauch als „nice to have“ bezeichnet werden und die einen höheren Verkaufspreis rechtfertigen sollen. Wie die Mechatronik sinnvoll und nutzbringend eingesetzt werden kann, soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, das einfach ist und in einer satirisch überspitzten Art den Sachverhalt deutlich herausstellt. Ein solches einfaches, lange bekanntes System, das viele wesentliche Eigenschaften eines mechatronischen Systems aufweist, ist die in . Abb. 29.10 dargestellte Mausefalle. Sie verfügt über einen Sensor (bewegliche Köderklappe), der eine bestimmte Belastung des beweglichen Teils der Mausefalle durch das Gewicht der Maus registriert. In einem mechanischen Speicher (Feder) wird Energie für den Antrieb des Aktors (Schlagbügel) zur Verfügung gestellt. Sensor und Aktor sind über eine mechanische Steuerung (Sicherungsbügel) miteinander verbunden, die ein Auslösen des Aktors bei Überschreiten eines Grenzwinkels des

29

614

29

Kapitel 29  Einleitung

. Abb. 29.10 Mausefalle als einfaches mechanisches System

Sensors bewirkt. Mit diesem sehr einfachen mechanischen System werden seit vielen Jahrzehnten erfolgreich Mäuse gefangen, nämlich getötet. Es kann im Handel für 1 Euro gekauft werden. Nun kann man versucht sein, dieses in seiner Einfachheit gar nicht zu übertreffende mechanische System mechatronisch aufzurüsten. Man ersetzt den mechanischen Sensor durch eine Lichtschranke und arretiert den Schlagbügel über eine elektromagnetisch betätigte Sperrklinke (. Abb. 29.11). Beide Einrichtungen werden über eine elektronische Steuerung miteinander verbunden, die beim Unterbrechen der Lichtschranke durch eine Maus die Sperrklinke entriegelt, so dass der Schlagbügel seine aus dem rein mechanischen Modell bekannte Aufgabe durchführen kann. Die Nutzenfunktion der „mechatronischen“ Mausefalle ist demnach genau die gleiche, nur mit dem Unterschied, dass nun die Mausefalle sicher nicht unter 30 Euro hergestellt werden kann, während sie vorher 1 Euro kostete. Kann man denn nun für die Aufgabe des Mäusefangens Mechatronik auch sinnvoll einsetzen? Dies wird möglich, wenn man von der Falle eine höherwertige Funktion erwartet, nämlich dass die Maus unbeschädigt, lebend gefangen wird. Auch für diese Aufgabe gibt es natürlich rein mechanische Vorläufer, die diese Funktion erfüllen können (. Abb. 29.12). . Abb. 29.11 „Mechatronische“ Mausefalle

Sie sind schon etwas aufwendiger gebaut und fangen das Tier dadurch in einem Käfig, dass durch das Gewicht der Maus an der Köderstelle die Eingangsklappe (Schwingtüre) geschlossen wird. Alle Komponenten funktionieren auch wieder einfach und mechanisch. Auch hier würde die mechatronische Aufrüstung (Lichtschranke, elektromagnetische Verriegelung) nichts weiter bringen als einen höheren Herstellungspreis. Erst wenn man nun noch fordert, dass die Falle hintereinander mehrere Mäuse fangen kann, ohne dass ein Mensch eingreift, würde das rein mechanische System versagen oder sehr aufwendig werden. Ausgestattet als mechatronisches System könnte man jetzt Vorder- und Rückseite der Falle mit einer Tür versehen, die durch einen Schwenkantrieb geschlossen oder geöffnet werden können (. Abb. 29.13). Zu Anfang ist die Vordertür geöffnet und die Hintertür geschlossen. Wird eine Maus vom Köder angelockt und tritt in die Falle ein, so wird eine Lichtschranke betätigt, deren Signal ein Schließen der Tür durch den Schwenkantrieb auslöst. Gleichzeitig öffnet sich die Hintertür, die zu einem Sammelbehälter führt. Ein elektrisch betätigter Schreckton sorgt dann dafür, dass die Maus die Falle durch die Hintertür verlässt. Danach wird wieder, kontrolliert durch eine weitere Lichtschranke, die Hintertür geschlossen und die Vordertür geöffnet. Nun ist die Falle wieder im Grundzustand und kann weitere Mäuse lebend fangen. Hier ist nun ein mechatronisches System entstanden, das durch eine einfache mechanische Lösung nicht ersetzt werden kann, da es zusätzlich geforderte Funktionen realisiert. Um diese Gedanken nun wieder weg von der Satire in den Alltag der Automatisierungspraxis zu transportieren, möge ein weiteres einfaches Beispiel dienen. In . Abb. 29.14 ist eine so genannte Last-Drehmomentsperre gezeigt. Dabei handelt es sich um eine rein mechanische Vorrichtung, die man beispielsweise in den Antriebsmechanismus eines Garagenrolltors (. Abb. 29.15) einbauen kann. Bei einem solchen durch einen Elektromotor zu öff-

615 29.4  Wann ist der Einsatz von Mechatronik sinnvoll?

. Abb. 29.14 Einzelteile einer Last-Drehmomentsperre

. Abb. 29.12 Mechanische Mausefalle zum Lebendfangen von Mäusen

. Abb. 29.15 Einbau einer Last-Drehmomentsperre in ein Garagenrolltor

. Abb. 29.13 Mechatronische Mausefalle für das Lebendfangen von Mäusen (Ansicht von oben)

nenden Rolltor ist es erwünscht, dass das Rolltor nach Einschalten des Motors in jeder beliebigen Zwischenstellung anhalten kann und dort in stabiler Lage verbleibt. Dies kann man beispielsweise so erreichen, dass man in den Antriebszweig des Rolltors eine elektrisch betätig-

te Bremse einbaut, die bei Abschalten des Motors anzieht. Bei Wiederanlauf des Motors muss die Bremse dann erneut gelöst werden. Hierzu benötigt man noch eine einfache Steuerung, die sicherstellt, dass die Betätigung von Motor und Bremse in der richtigen Reihenfolge erfolgt. So muss beim Anhalten zuerst der Motor und dann die Bremse geschaltet werden und beim Wiederanlauf zuerst die Bremse und dann der Motor. Baut man eine Last-Drehmomentsperre (LDS) in den Kraftfluss des Motors ein, so wird bei dessen Abschalten das Rolltor sicher arretiert und kann beim Wiederanlauf ohne Belastung des Motors wieder gelöst werden. Dies geschieht dadurch, dass bei Wegfall des Antriebsmomentes die Sperrfeder (. Abb. 29.14) durch das Drehmoment der Last zusammengezogen wird und dadurch ein Weiterdrehen der Abtriebswelle durch die Last blockiert. Daher kann das Rolltor nicht zurücklaufen. Sobald über die Antriebswelle vom Motor wieder ein Drehmoment in die LDS eingeleitet wird, entspannt sich die Sperrfeder, wodurch die Last über die Abtriebswelle erneut bewegt werden kann. Dieses einfache mechanische System leistet also das Gleiche wie die oben beschriebene elektromechanische Einrichtung, ist sicher preiswerter und auf die Dauer zuverlässiger und wartungsfrei. Die angeführten Beispiele zeigen, dass nicht in jedem Fall sofort eine komplizierte, aus mehreren Technologien

29

616

Kapitel 29  Einleitung

bestehende Lösung einer technischen Problemstellung anzustreben ist. Es sollte immer auch geprüft werden, ob einfache mechanische Systeme eingesetzt werden können, was wegen ihrer Wirtschaftlichkeit wünschenswert ist.

29.5

Unterschiede zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik

aus den Maschineneinstellungen f , ap und durch den Einstellwinkel  des Werkzeuges. Der Rattervorgang beim Zerspanen, der die Oberflächenqualität des erzeugten Werkstückes negativ beeinflusst, hat folgende Ursachen. In . Abb. 29.17 ist die Schnittkraft Fc dargestellt, die sich aufgrund der Hauptbewegung (Drehung des Werkstücks mit Schnittgeschwindigkeit vc / ergibt: Fc D kc  A

29

An einem Beispiel aus dem Bereich der Zerspanungstechnik soll nun noch einmal die unterschiedliche Herangehensweise der drei Ingenieurdisziplinen an eine Aufgabenstellung schlaglichtartig verdeutlicht werden. Bei Zerspanungsprozessen auf Werkzeugmaschinen, kann das Phänomen des regenerativen Ratterns auftreten. Diese Bezeichnung wird für einen Schwingungsvorgang zwischen Werkzeug (Drehmeißel) und Werkstück verwendet, der unter ungünstigen Umständen während der Bearbeitung auftreten kann und sich als lautes Geräusch äußert. Gleichzeitig ruft dieser Vorgang Rattermarken auf der Oberfläche des Werkstückes hervor. In . Abb. 29.16 sind die Bearbeitungssituation und die unterschiedlichen Bewegungen beim Drehvorgang dargestellt. Das Werkstück ist im Spannfutter der Hauptspindel eingespannt und wird mit der Hauptbewegung gedreht. Gleichzeitig wird das Werkzeug am Werkstück durch eine Überlagerung von Vorschub- und Zustellbewegung entlang geführt. Dabei wird ein Span abgetrennt, der einen durch die Vorschub- (Vorschub f ) und Zustellbewegung (Schnitttiefe ap ) festgelegten Spanungsquerschnitt A besitzt. Die direkt am Spanungsquerschnitt messbaren Größen Spanungsdicke h und Spanungsbreite b ergeben sich . Abb. 29.16 Drehverfahren

(29.1)

Deren Größe ist proportional zum Spanungsquerschnitt A, wobei der Proportionalitätsfaktor kc spezifische Schnittkraft genannt wird. Diese Größe ist vor allem vom Werkstoff, aber auch von weiteren Größen wie beispielsweise Schnittgeschwindigkeit vc und Spanungsdicke h abhängig. Für den Spanungsquerschnitt gilt (. Abb. 29.16): A D ap  f D h  b

(29.2)

Unter der Schnittkraft verformt sich das Werkzeug, das man in erster Näherung als Biegebalken betrachten kann und dessen Verformung dem Hooke’schen Gesetz F D c x gehorcht: Dabei ist c die Steifigkeit, Federkonstante oder auch Federrate und x der Betrag, um den sich das Werkzeug in Richtung der Kraft verformt. Aufgrund der Verformung (. Abb. 29.17) wird das Werkzeug aus dem Schnitt gedrängt. Das führt zu einer Verringerung der Schnitttiefe ap , was wiederum zu einer Verkleinerung des Spanungsquerschnittes A führt. Da die Schnittkraft Fc dem Spanungsquerschnitt A proportional ist, sinkt diese ab, wodurch wiederum die Verformung des Werkzeugs abnimmt und die Schnitttiefe ap erneut ansteigt.

29

617 29.5  Unterschiede zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik

. Abb. 29.18 Interferenz zweier Schwingungen mit Auslöschung im mittleren Bereich

. Abb. 29.17 Verbiegung des Drehwerkzeugs unter der Hauptschnittkraft

Dieser Vorgang wiederholt sich ständig. Entsprechend dem Hooke’schen Gesetz führt die ständige Veränderung der Kraft zu einer ständigen Veränderung der Verformung: es liegt eine Schwingung vor. Diese Schwingung kann wie in . Abb. 29.17 gezeigt durch eine sich im Laufe einer Werkstückumdrehung ändernden Schnitttiefe angefacht werden und sie kann sich weiter aufschaukeln, da bei weiteren Umdrehungen die Schnitttiefe durch die davor liegenden Schwankungen phasenrichtig mit den aktuellen Schwankungen zusammentreffen kann. Es liegt dann regeneratives Rattern vor. Ist die Werkzeugmaschine manuell bedient, so kann der Maschinenbediener durch variieren der Einstelldaten (Schnittgeschwindigkeit, Vorschub, Schnitttiefe) versuchen, die Ratterschwingung zu vermindern. Für automatisch arbeitende Maschinen muss man schon in der Konstruktions- und Entwicklungsphase Vorkehrungen treffen, um das Auftreten von Ratterschwingungen zu vermeiden oder zu beseitigen. Wie würden nun Konstrukteure der unterschiedlichen Ingenieurdisziplinen Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik vorgehen? Eine der Ursachen für das Auftreten von Ratterschwingungen ist eine zu geringe Steifigkeit von Werkzeug und Werkzeughalterung. Dies entspricht im Hooke’schen Gesetz einer zu kleinen Federkonstante c. Diese wiederum ist vom Werkstoff und von den Materialquerschnitten abhängig, sodass ein Maschinenbauingenieur an dieser Stelle Verbesserungen vornehmen würde und z. B. einen Drehmeißel mit größerem Schaftquerschnitt aus festerem Werkstoff wählt, der zusätzlich noch günstiger im Halter abgestützt wird. Ob eine Schwingung angefacht wird, hängt auch von der Größe der Dämpfung in der Maschine, vor allem in den im Kraftfluss liegenden Bauteilen ab. Hier haben verschiedene Werkstoffe verschiedene Dämpfungseigenschaften. So hat beispielsweise Gusseisen, aus dem häufig Gestellbauteile von Werkzeugmaschinen gefertigt werden, eine höhere innere Dämpfung als Stahl; spezieller im Werkzeugmaschinenbau eingesetzter Polymerbeton hat ei-

ne noch wesentlich höhere Dämpfung als Gusseisen. So kann der Maschinenbauingenieur die Eigenschaften der Maschine, hier speziell die Neigung zum Rattern, durch die Werkstoffwahl positiv beeinflussen. Die Antriebe von Werkzeugmaschinen sind heute grundsätzlich elektrische Antriebe, die zusätzlich meist noch elektronisch drehzahlregelbar sind. Ein Elektroingenieur würde deshalb hier ansetzten, um mögliche Ratterschwingungen zu bekämpfen. So könnte man mit Hilfe von Sensoren, beispielsweise Beschleunigungssensoren, eventuell auftretende Schwingungen erfassen und mit gezielten Strategien über die elektronische Maschinensteuerung den Hauptantrieb und damit die Schnittgeschwindigkeit oder den Vorschubantrieb und damit die Vorschubgeschwindigkeit beeinflussen, um eine Ratterschwingung zu unterdrücken. Dies ist die Vorgehensweise, die ein Maschinenbediener im manuellen Betrieb auch anwenden würde. Der Mechatronik-Ingenieur sollte einen grundsätzlich anderen Ansatz wählen. Bei der Betrachtung der oben angeführten Maßnahmen kann man erkennen, dass das Auftretens einer Ratterschwingung zwar durch entsprechende Maßnahmen minimiert werden kann, aber die eigentliche Ursache, nämlich eine Modulation (schwellende Veränderung) der Kraft gar nicht direkt beeinflusst wird. Die Ursache der Schwingung (veränderliche Kraft FQ ) bewirkt eine entsprechend veränderliche Verformung x: Q FQ D c  x; Q

(29.3)

es liegt also ein dynamisches und kein statisches Problem vor. Will man nun erreichen, dass die Federkraft F überhaupt nicht mehr schwankt, so muss man die Steifigkeit c der im Kraftfluss liegenden Baugruppen genau mit einer Frequenz modulieren, die gegenüber den Schwankungen der Kraft um 180ı phasenverschoben ist. Ähnlich wie die Überlagerung von Lichtwellen an bestimmten Punkten durch Interferenz zur Auslöschung und damit Dunkelheit führen kann, sollten mechanische Schwingungen bei entsprechender Überlagerung ausgelöscht werden können. . Abb. 29.18 zeigt eine solche Auslöschung durch Interferenz. Der harmonischen Schwingung 1 mit bestimmter Frequenz f und einer Amplitude A wird eine Schwin-

618

Kapitel 29  Einleitung

29

. Abb. 29.19 Kopfhörer mit Einbauten zur Geräuschminderung durch destruktive Interferenz

gung 2 überlagert d. h. dazu addiert, die gleiche Frequenz, am Anfang und am Ende abweichende Amplitude und eine Phasenverschiebung gegenüber Schwingung 1 von 180ı besitzt. Wie man sieht, findet durch Interferenz dort, wo die beiden Schwingungen den gleichen Absolutwert der Amplitude besitzen, eine komplette gegenseitige Auslöschung statt. Dies stellt der durchgezogene Kurvenverlauf in . Abb. 29.18 dar. Zur Schwingungsauslöschung kann man piezoelektrische Sensoren und Aktoren einsetzen, die man in den Kraftfluss zwischen Werkzeug und Werkstück einbaut. Deren Funktion beruht auf dem piezoelektrischen bzw. reziproken piezoelektrischen Effekt, den Stoffe wie Quarz (SiO2 /, Bariumtitanat (BaTiO3 / oder Bleimetaniobat (PbNb2 O6 / zeigen (s. 7 Kap. 31). Im beschriebenen Beispiel können solche Piezoelemente unter Ausnutzung des piezoelektrischen Effektes als Sensor zur Registrierung von Schwingungen eingesetzt werden, da sie ein kraftproportionales Spannungssignal liefern. Bringt man zusätzlich in den Kraftfluss ein Element ein, das den reziproken piezoelektrischen Effekt ausnutzt, so kann man eine Steifigkeitsmodulation durchführen, die gegenüber der registrierten Schwingung um 180ı phasenverschoben verläuft. Das Anlegen einer Wechselspannung an ein solches Aktor-Element führt zu einer Dickenänderung des Elementes, die bei einer dünnen Piezoscheibe im Bereich weniger Mikrometer liegt. Legt man es zwischen Werkzeug und Werkzeughalter und legt eine Wechselspannung an, so ändert sich die Gesamtsteifigkeit der Anordnung in Kraftrichtung. Die Steifigkeitsmodulation muss natürlich von einem Rechner aufgrund der Sensorsignale exakt gesteuert werden. Als Ergebnis ist eine solche Einrichtung in der Lage, die Ratterneigung komplett zu unterdrücken, während die anderen Lösungen nur Teilaspekte in Betracht ziehen, ohne die eigentliche Ursache zu behandeln. In der Gleichung des Hooke’schen Gesetzes drückt

. Abb. 29.20 Destruktive Interferenz, oben: Geräusch, Mitte: invertiertes Geräusch, unten: Überlagerung

sich dies so aus: FQ D cQQ  x

(29.4)

Die Bezeichnung cQQ deutet an, dass die Steifigkeit gegenphasig moduliert wird. Man sieht an (29.4), dass durch gegenphasige Modulation der Steifigkeit cQQ zum Kraftverlauf FQ die Verformung x konstant gehalten werden kann, d. h. die Schwingung verschwindet. Durch den mechatronischen Denkansatz kann also eine generellere Lösung des Ratterproblems gefunden werden, die nicht nur einzelne Symptome behandelt und unter Umständen erheblich wirtschaftlicher arbeitet. Eine Anwendung der Schallauslöschung durch destruktive Interferenz gibt es inzwischen zu kaufen und zwar in speziellen Kopfhörern. Hört man Musik mit einem Kopfhörer bei gleichzeitig sehr lauten Außengeräuschen wie im Auto oder Flugzeug, so stört der Lärm den Musikgenuss erheblich. Dies kann man durch passive Dämpfung in der Kopfhörerabschirmung zu verbessern suchen, erreicht so aber nur eine Reduzierung des Lärmhintergrunds von 15–25 dB.

619 29.5  Unterschiede zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik

Kunststoffschäume dämpfen Frequenzen ab 200 Hz, doch je langwelliger die Schwingung, desto dicker muss das Dämpfungsmaterial sein. Um den Tragekomfort des Kopfhörers dadurch nicht zu stark zu verschlechtern, ist eine aktive Geräuschreduktion wie in . Abb. 29.19 dargestellt von Vorteil. Die Muschel des Kopfhörers und die das Ohr umschließende Polsterung schwächen den hochfrequenten Schallanteil des Geräusches. Geräusche tieferer Frequenz, die durch

die Schallisolierung dringen, werden von einem Mikrofon aufgenommen und in einer Rechenschaltung invertiert. Der Lautsprecher gibt das invertierte Geräusch dann mit an das Innenohr ab. Für die Invertierung wird das Nutzsignal (Sprache, Musik) aus der Mikrofonaufnahme herausgerechnet. Das invertierte und das Originalgeräusch heben sich dann im Ohr auf. Die Ergebnisse sind in . Abb. 29.20 dargestellt. Bis auf ein geringes Restgeräusch ist der Störhintergrund beim Musikhören verschwunden.

29

621

Modellbildung und Simulation Werner Roddeck

In . Abb. 29.7, 7 Kap. 29, ist die Struktur eines mechatronischen Systems dargestellt worden. Es handelt sich in der Regel um Systeme, die rechnergesteuert unter Informationsaufnahme durch Sensoren bestimmte Bewegungen erzeugen oder Kräfte ausüben. Es geht dabei um dynamische Systeme, deren Bewegungen durch Rechneralgorithmen gesteuert und geregelt werden. Um die Kinematik und die Dynamik eines komplexen Systems behandeln zu können und darauf aufbauend ein Steuerungs- und Regelungskonzept des Systems zu entwickeln, ist immer zuerst eine Modellbildung erforderlich. Dies ist eine in verschiedenen Schritten ablaufende Herausarbeitung der wesentlichen Systemeigenschaften, die am Ende auf die Bildung eines Satzes mathematischer Beschreibungen des Systemverhaltens (. Abb. 30.1) führt. Dabei verzichtet man bewusst auf nicht relevante Eigenschaften des Systems und vereinfacht dessen Struktur soweit wie möglich. Zu einer solchen Modellbildung gehören die Beschreibung der Lage und der Orientierung der einzelnen Körper zueinander und die Bestimmung der Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Wie . Abb. 30.1 zeigt führt die Modellbildung von der verbalen zu einer mathematischen Beschreibung, die in der Regel durch Differentialgleichungen und Anfangsbedingungen gegeben ist. Differentialgleichungen sind Gleichungen, in denen neben physikalischen Größen auch de-

. Abb. 30.1 Vorgehensweise bei der Beschreibung physikalisch, technischer Systeme

ren Ableitungen vorkommen können. Dies sind, in den in der Mechatronik häufig vorkommenden Bewegungs-Differentialgleichungen, beispielsweise: 4 der Weg x dx 4 die Geschwindigkeit v D D xP dt 4 die Beschleunigung   d dx d 2x dv D xR D vP D D aD dt dt dt dt 2 Die mathematische Modellbeschreibung ist dann zwar exakt und lässt genaue Aussagen für das Modell zu, aber die Gleichungen gelten nicht für das reale Objekt der Betrachtung, sondern für sein Modell. Dies bedeutet, dass das Modell häufig nicht exakt das reale Verhalten beschreibt und meist auch gar nicht soll. 30.1

Verfahren der Modellbildung

Modelle dienen zur Beschreibung der Eigenschaften und der Struktur eines Systems. Sie sind nie ein absolut vollständiges Abbild eines Systems. Je nachdem, welchen Zweck man mit der Modellbildung verfolgt, gibt es verschiedenartige Modelle mit unterschiedlichen Eigenschaften. In . Abb. 30.2 sind unterschiedliche Modelle aufgeführt. Dabei unterscheidet man physikalische Modelle und mathematische Modelle. Physikalische Modelle sind stets gegenständlich und maßstäblich, mathematische Modelle sind abstrakt und dienen einer formalen Beschreibung der Systemeigenschaften. Bei den physikalischen Modellen unterscheidet man folgende Arten: 4 Prototypmodell 4 Pilotmodell 4 Ähnlichkeitsmodell Das Prototypmodell ist 1 : 1-maßstäblich und besitzt höchste qualitative und quantitative Ähnlichkeit. Wie im Beispiel (. Abb. 30.2) gezeigt, wird ein solcher Prototyp eines PKW vor der Serienherstellung angefertigt. Er ist ein weitestgehend mit den Serieneigenschaften ausgestatteter Originalaufbau, an dem alle Eigenschaften des späteren Originals direkt und konkret getestet werden können. Nachteile eines solchen Prototypmodells sind seine aufwändige und

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_30

30

622

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

. Abb. 30.3 Messung der Sprungantwort eines zu identifizierenden Systems

30

Komplexere Systeme kann man mit Hilfe eines Simulationsmodells behandeln. Dieses Modell wird auf einem Digitalrechner erstellt und mit Hilfe numerischer Rechenverfahren gelöst.

30.1.1 . Abb. 30.2 Unterschiedliche Arten von Modellen

teure Herstellung und geringe Flexibilität bei erforderlichen Änderungen. Die Erstellung eines solchen Modells wird daher nur der letzte Schritt vor Serienanlauf eines Massenproduktes sein. Das Pilotmodell ist häufig maßstäblich unterschiedlich zum Original z. B. 1 : 10. Es bildet daher nur wesentliche Eigenschaften genau ab. Seine Herstellung ist in der Regel mit reduziertem Aufwand möglich und es lässt sich einfacher ändern. Häufig ist die Aufgabe eines solchen Modells nur die Visualisierung, um beispielsweise das Design beurteilen zu können. Der geringste Aufwand zur Herstellung eines physikalischen Modells tritt beim Ähnlichkeitsmodell auf. Es werden hier nur noch Teile des Systems hergestellt, an denen man ein eingeschränktes Spektrum von Untersuchungen vornehmen kann. So könnten unter Berücksichtigung der Ähnlichkeitsverhältnisse an einem solchen Ähnlichkeitsmodell Untersuchungen im Windkanal über das Strömungsverhalten der Karosserie gemacht werden, d. h. es handelt sich um Untersuchungen während des Entwicklungsprozesses. Deutlich flexibler und mit geringem Aufwand herstellbar sind abstrakte mathematische Modelle. Dafür muss man die analytischen Zusammenhänge zwischen den Attributen eines Systems bestimmen, was einen Satz von Gleichungen liefert, die eine geschlossene, analytische Lösung besitzen. Dies ist in der Regel aber ohne Rechnereinsatz nur für sehr einfache Systeme möglich. Für einige einfache Systeme werden im Folgenden die Vorgehensweise zur Erstellung eines mathematischen Modells und die dabei auftretenden Probleme beschrieben.

Mathematische Modellbildung

Um ein mathematisches Modell eines realen Systems zu bilden, stehen zwei verschiedene Vorgehensweisen zur Verfügung. Liegen relativ genaue Kenntnisse der inneren Zusammenhänge eines Systems vor, so liefert eine theoretische Systemanalyse ein theoretisches Modell. Sind kaum Kenntnisse über die Beziehung der Attribute zueinander und über die Struktur des Systems bekannt, so muss man experimentelle Methoden anwenden, die so genannten Identifikationsverfahren. Bei solchen Verfahren werden Testsignale mit genau festgelegten Eigenschaften auf die Eingänge des Systems gegeben und die dadurch entstehenden Ausgangssignale gemessen. Aus deren zeitlichen Verlauf kann man unter Umständen auf die dynamischen Eigenschaften des Systems zurück schließen. Eine häufig verwendete einfache Identifikationsmethode ist die Ermittlung der Sprungantwort (s. a. 7 Abschn. 74.3). Wie in . Abb. 30.3 gezeigt, wird dabei auf den Eingang des zu identifizieren Systems (Black Box) von einem Signalgenerator ein sprungförmiges Signal gegeben und dieses auf dem ersten Kanal eines Zweikanalschreibers oder eines digitalen Datenspeichers aufgezeichnet. Gleichzeitig wird mit dem zweiten Kanal das dabei auftretende Ausgangssignal registriert. Aus dem zeitlichen Vergleich der beiden Signalverläufe und der Amplituden der Signale kann auf das Übertragungsverhalten des Systems und auf seine Verstärkung geschlossen werden. . Abb. 30.4 zeigt ein Beispiel für eine solche Messung zur Identifikation des Übertragungsverhaltens eines Systems. Auf den Sprung des Eingangssignals xe .t/ mit der Amplitude „1“ reagiert das Ausgangssignal xa .t/ mit Verzögerung und einer asymptotischen Annäherung an

623 30.1  Verfahren der Modellbildung

. Abb. 30.4 Verlauf der Sprungantwort xa .t/ in Abhängigkeit eines Einheitssprungs xe .t/

den Endwert mit der Amplitude Kp . Die Größe Kp wird auch als Proportionalbeiwert oder Verstärkung des Systems bezeichnet. Das zeitliche Übergangsverhalten zwischen Anfangs- und Endwert von xa .t/ wird durch die Zeitkonstante T charakterisiert, die sich aus dem Schnittpunkt der Anfangstangente zu Beginn des Vorgangs und dem Wert der Amplitude im Beharrungszustand ergibt. Solche und andere einfache Systeme werden häufig in der Regelungstechnik (Teil XV) behandelt. Um die prinzipielle Vorgehensweise darzustellen und einige dabei auftretende Probleme zu erläutern, wird im Folgenden ein einfaches Modell behandelt werden. Es handelt sich dabei um das System des Einmassenschwingers mit viskoser Dämpfung.

30.1.2

Das mathematische Modell

Das Verhalten der häufig behandelten kontinuierlichen Systeme lässt sich durch wenige physikalische Grundgesetze beschreiben. Solche Gesetze sind beispielsweise die Newton’schen Axiome der Mechanik, die Hebelgesetze, die Hauptsätze der Thermodynamik, das Ohm’sche Gesetz und Kirchhoff’schen Regeln. Häufig lassen sich mit Hilfe dieser Grundgesetze Bilanzgleichungen für gespeicherte Energien, Massen und Impulse herleiten (. Abb. 30.5), deren Formulierung in der Regel zu Differentialgleichungen führt, d. h. die behandelten Größen treten in der Gleichung auch in Form ihrer Ableitungen auf. Hängen die Zustandsgrößen des behandelten Systems nur von der Zeit t ab, so kann man die Systeme durch gewöhnliche Differentialgleichungen beschreiben, deren Lösung noch relativ einfach ist. Man spricht dann auch von Systemen mit konzentrierten Parametern. . Abb. 30.5 Bilanzgleichung zur Erstellung eines mathematischen Modells

Hängen die Zustandsgrößen außer von der Zeit t auch noch von anderen Größen, wie beispielsweise dem Ort x oder dem Druck p ab, so sind für die mathematische Modellbeschreibung partielle Differentialgleichungen erforderlich, d. h. die Zustandsgrößen müssen partiell nach mehreren Variablen abgeleitet werden. Hierzu wird bereits ein erheblicher Rechenaufwand benötigt. Man spricht dann von Systemen mit verteilten Parametern. Um die Bilanzgleichung nicht zu kompliziert werden zu lassen, führt man häufig Randbedingungen und Einschränkungen ein, die einerseits eine mathematische Lösung ermöglichen, aber andererseits die Gültigkeit des Modells auf bestimmte Aspekte und Fälle beschränken. Dies wird am Beispiel des mechanischen Einmassenschwingers aus . Abb. 30.6 deutlich. Ein solcher Einmassenschwinger besteht aus einer Einzelmasse m, bei der man sich die Eigenschaft „Masse“ als vollständig im Schwerpunkt des Körpers konzentriert vorstellt. Sie ist an einer Feder aufgehängt, die die Federkonstante c besitzt und als masselos angenommen wird. Außerdem ist die Masse über einen ebenfalls als masselos angenommenen viskosen Dämpfer (Stoßdämpfer) mit dem ruhenden Aufhängepunkt verbunden. Bewegungen dieses Systems sind nur in einer Ebene mit der Richtung x möglich. Diese Beschreibung zeigt, dass eine große Anzahl von Einschränkungen und Vereinfachungen mit der Modellbildung verbunden sind. Würde man dies nicht tun, so wäre die mathematische Behandlung des Modells bereits sehr komplex. Dieses Modell steht beispielsweise für die Aufhängung eines PKW-Rades, die aus einer Feder/DämpferKombination aus Schraubenfeder und Stoßdämpfer besteht (. Abb. 30.7). Man erkennt, dass das sehr einfache Modell des viskos gedämpften Einmassenschwingers nur durch Vernachlässigung einer Anzahl realer Einflüsse auf dieses System Gültigkeit hat. So ist eine wichtige Einschränkung des Modells, dass es nur einen Freiheitsgrad enthält, da es nur lineare Bewegungen in Richtung der Koordinate x zulässt (. Abb. 30.6). Im realen System ist der Stoßdämpfer an der Karosserie drehbar aufgehängt, wodurch Drehbewegungen des Gesamtsystems um die Aufhängung möglich sind. Diese treten auch auf, da die äußere Zwangskraft F .t/ nicht nur in Richtung von x als Reaktionskraft zwischen Reifen und Untergrund auftritt. Die Feder wird also nicht nur in x-Richtung verformt, sondern auch seitlich dazu. Außerdem wurde ein lineares Dehnungsverhalten der Feder im ganzen Arbeitsbereich vorausgesetzt. Schlägt diese bei extremen Stößen durch, verhält sie sich wegen der dann auftretenden Begrenzung stark nichtlinear.

30

624

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

. Abb. 30.6 Einmassenschwinger

30

. Abb. 30.7 PKW-Federbein

Für den pneumatischen Stoßdämpfer wird eine viskose Dämpfung angenommen, die geschwindigkeitsproportional ist. Fd D d  v D d 

dx D d  xP dt

Dies gilt für die hauptsächlich auftretende Dämpfung durch das Komprimieren und Abströmen der Luft im Dämpfer, jedoch nicht für die Reibung der Dichtung an der Außenwand. Hier liegt trockene Reibung vor (FR D   FN /, die proportional zur Normalkraft FN ist. Das Abklingverhalten von Schwingungsvorgängen ist in Abhängigkeit von diesen Reibungstypen mit dem entsprechenden Reibverhalten un-

terschiedlich. Bei trockener Reibung klingt die gedämpfte Schwingung linear ab (. Abb. 30.8a), bei viskoser Reibung folgt das Abklingverhalten einer Exponentialfunktion (. Abb. 30.8b). Weiterhin werden bei der Modellbildung alle Massen zu einer Masse m zusammengefasst und in einem Punkt konzentriert angenommen, um den Angriffspunkt der Massenkräfte eindeutig festzulegen. Im realen System sind die Massen über das ganze System verteilt, weshalb der Schwerpunkt nur schwer zu bestimmen ist und seine Lage verändert sich auch noch. Schließlich wurden untergeordnete Kräfte wie beispielsweise der Luftwiderstand des Rades oder des Stoßdämpfers weggelassen. Obwohl das reale System nur wenig mit dem einfachen Modell des Einmassenschwingers zu tun zu haben scheint, wird es trotzdem in Lehrbüchern häufig beispielhaft verwendet. Das Modell muss so einfach gestaltet werden, um mit klassischen Rechenmethoden die Ermittlung des Bewegungszustandes des Systems zu beliebigen Zeitpunkten vornehmen zu können. Erst die Verfügbarkeit leistungsfähiger Digitalrechner lässt heute das Durchrechnen komplexerer Modelle zu, die das reale Verhalten von Systemen noch besser und auch in Grenzbereichen beschreiben. Zum anderen kann man auch schon aus dem einfachen Modell mit einer in der Technik hinreichenden Genauigkeit bestimmte Kenngrößen ermitteln und das reale System dimensionieren. Größere Fehler treten ja nur auf, wenn die vernachlässigten Kräfte oder die vereinfachenden Annahmen durch Extremsituationen in solchen Bereichen liegen, in denen sie nicht mehr ohne weiteres vernachlässigt werden können. Ein Beispiel für die Modellierung der Dynamik eines einfachen Systems, bei dem das Verlassen des Gültigkeitsbereichs der Modellannahmen zu starken Abweichungen zwischen Modell und Realität führt, ist das jedem bekannte Pendel. Das . Abb. 30.9 zeigt das Schema eines Pendels und außerdem die an der Masse angreifenden Kräfte. Wird die Masse aus der Ruhelage um den Winkel ' D '.t/ ausgelenkt, so wirkt auf sie infolge der Massenkraft FG D m  g in der zur Auslenkung entgegen gesetzten Richtung die Rückstellkraft FR D m  g  sin '. Die Bo-

. Abb. 30.8 Abklingen der Schwingung eines Einmassenschwingers mit Dämpfung durch a coulombsche und b viskose Reibung

30

625 30.1  Verfahren der Modellbildung

Bei dieser Modellierung wurden wieder vereinfachende Annahmen getroffen, nämlich dass der Faden masselos ist und die Masse in einem Punkt – dem Schwerpunkt – konzentriert ist. Außerdem wurden Kräfte durch Luftwiderstand und Lagerreibung vernachlässigt. Aus der Bewegungsgleichung und den Anfangsbedingungen lässt sich in der Regel eine Lösung gewinnen, die die freien Schwingungen des Pendels beschreibt. Jedoch handelt es sich bei der Bewegungsgleichung, da ' sowohl als zweite Ableitung als auch als Argument der Sinusfunktion auftaucht, um eine nichtlineare Differentialgleichung, deren Lösung schwierig ist. Daher wird gerne der Fall behandelt, dass das Pendel nur sehr kleine Ausschläge macht, d. h. unter dieser Voraussetzung gilt nämlich sin '.t/  '.t/

. Abb. 30.9 Pendel und angreifende Kräfte

genlänge beträgt dabei s D l  ', die Beschleunigung a D l  '. R Durch Einsetzen in das Newton’sche Bewegungsgesetz (F D m  a/ erhält man: m  l  '.t/ R D m  g  sin '.t/ oder m  l  '.t/ R C m  g  sin '.t/ D 0

(30.1)

Dies ist eine Differentialgleichung 2. Ordnung zu der noch zusätzlich die Anfangsbedingungen festgelegt werden müssen: '.t D 0/ D '0

'.t R D 0/ D 'R0 D 'P0 D 0

. Abb. 30.10 Simulation des Schwingungsverlaufs verschiedener Modelle eines Pendels für unterschiedliche Anfangsauslenkungen

(30.2)

Damit kann die Differentialgleichung folgendermaßen linearisiert werden, wodurch sie leichter lösbar ist: m  l  '.t/ R C m  g  '.t/ D 0

(30.3)

Dass dieses mathematische Modell für das Pendel aber nur sehr eingeschränkt gilt, kann man leicht an der folgenden Bildserie (. Abb. 30.10) erkennen, die durch Simulation des Modells mit einem numerischen Simulationssystem auf einem Rechner erstellt wurde. Sie zeigt in jedem Teilbild die Schwingungsverläufe nach Loslassen aus einer ausgelenkten Stellung für beide Modellgleichungen (30.1) und (30.3). Alle Teilbilder haben den gleichen Amplituden- und Zeitmaßstab. In . Abb. 30.10a ist der Winkel noch sehr klein ('0 D 10ı /, so dass (30.2) gilt und die beiden Schwingungsverläufe der unterschiedlichen Modelle kaum zu unterscheiden

626

30

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

sind. In den . Abb. 30.10b–d wird der Auslenkungswinkel schrittweise bis auf '0 D 90ı vergrößert. Bei '0 D 30ı weichen die beiden Modelle erst nach mehreren Schwingungen deutlich voneinander ab, bei '0 D 60ı wird die Abweichung in der Frequenz schon nach einer Schwingung sichtbar, bei '0 D 90ı tritt sofort eine starke Abweichung in Frequenz und Winkel auf. Das vereinfachte Modell nach (30.3) liefert also nur für den kleinsten Bereich der möglichen Anfangsauslenkungen '0 den richtigen Wert für '.t/. Trotzdem wäre der Aufwand für die rechnerische Behandlung des Modells nach (30.3) unnötig hoch, wenn man ein technisches System untersuchen würde, in dem ein Pendel vorkommt, das nur Ausschläge geringer Amplitude ausführt und daher zur Beschreibung auch das Modell nach (30.1) ausreicht. Für die Erstellung des Modells eines technischen Systems gelten drei allgemeine Anforderungen: 4 Die Modellelemente müssen klar definiert, eindeutig beschreibbar und in sich widerspruchsfrei sein (physikalische Transparenz). 4 Die Folgerungen über das Verhalten, die man aus den Verknüpfungen der Modellelemente zu einem Gesamtmodell ziehen kann, müssen im Rahmen des Modellzwecks (Gültigkeitsbereich) dem realen Systemverhalten entsprechen (Modellgültigkeit). 4 Gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Darstellung des Systems, die alle den ersten beiden Forderungen genügen, so sollte man die einfachst mögliche auswählen (Effizienz). Für die Herleitung eines einfachen, effizienten und gültigen Modells gibt es keine in allgemeingültige Regeln fassbare Vorgehensweise. Das Modell eines mechanischen Systems, das beispielsweise alle nur denkbaren Bewegungsmöglichkeiten berücksichtigt, ist zwar physikalisch richtig, aber für die praktische Anwendung unübersichtlich, unhandlich und verliert für die meisten Fälle die physikalische Überschaubarkeit. Die Kunst bei der Modellbildung besteht daher darin, das Modell so einfach wie möglich zu gestalten, um es mit technisch und wirtschaftlich vertretbarem Aufwand untersuchen zu können. Dabei dürfen aber keine unzulässigen, das Systemverhalten zu stark verfälschenden Annahmen getroffen werden.

30.1.3

Modell des Einmassenschwingers

Am Beispiel des Fadenpendels wurde der Vorgang der Bildung des mathematischen Modells bereits einmal demonstriert. Ausgangspunkt war dabei eine Bilanzgleichung, hier das Newton’sche Bewegungsgesetz F D m  a D m  x. R Im Folgenden soll nun das mathematische Modell für den gedämpften Einmassenschwinger nach . Abb. 30.6 hergeleitet werden. Ziel ist es, bei einem mechanischen

. Abb. 30.11 Anwendung des Schnittprinzips beim Einmassenschwinger

System eine Bewegungsgleichung zu ermitteln, aus der man den Bewegungszustand (x; v D x; P a D x) R eines Punktes zu jedem Zeitpunkt t bestimmen kann. Will man nämlich ein technisches System und sein Bewegungsverhalten durch Mechatronik verbessern, so muss man entsprechend der in . Abb. 29.7 7 Kap. 29 dargestellten Struktur eines mechatronischen Systems mit Hilfe eines Digitalrechners steuernd und regelnd auf das System einwirken. Die dazu erforderlichen Algorithmen können nur erstellt werden, wenn man das mathematische Modell des Systems kennt. Entsprechend der Bilanzgleichung in . Abb. 30.5 stellt in der Mechanik die Verallgemeinerung des Newton’schen Bewegungsgesetzes, das Prinzip von d’Alembert, eine solche Bilanzgleichung zur Verfügung, die die Dynamik auf statische Betrachtungen zurückführt (s. 7 Abschn. 10.3.5). Es besagt nichts anderes, als dass die Summe aller Kräfte, die auf einen Körper einwirken, gleich Null sein muss. Um dieses Prinzip zum Aufstellen der Bewegungsgleichung eines Körpers anwenden zu können, muss man alle äußeren Kräfte ermitteln. Dazu wendet man das in . Abb. 30.11 dargestellte Schnittprinzip an, bei dem alle zum Körper bestehenden Verbindungen gedanklich aufgetrennt werden und durch die an den Schnittstellen entstehenden Reaktionskräfte ersetzt werden. Von außen auf den Körper wirkende Kräfte sind dann die Federkraft Fc und die Dämpferkraft Fd . Außerdem kann noch eine äußere Erregerkraft F .t/ auf die Masse wirken. Ebenfalls am Schwerpunkt der Masse greift die Trägheitskraft FT D m  xR an. Wegen der Annahme einer linearen Feder beträgt die Federkraft: Fc D c  x:

(30.4)

Die Dämpferkraft beträgt wegen der Annahme einer viskosen Dämpfung: P Fd D d  x:

(30.5)

30

627 30.1  Verfahren der Modellbildung

. Abb. 30.12 Simuliertes Schwingverhalten des Einmassenschwingers

Entsprechend dem Prinzip von d’Alembert gilt: F .t/  FK  FD  FT D 0:

(30.6)

Setzt man die Werte der Kräfte in die Gleichung ein, so erhält man die Bewegungsdifferentialgleichung des viskos gedämpften Einmassenschwingers mit äußerer Erregung: m  x.t/ R C d  x.t/ P C c  x.t/ D F .t/

(30.7)

Dies ist eine gewöhnliche, lineare Differentialgleichung 2. Ordnung, deren Lösung ohne Rechnerhilfe noch möglich ist. Um die durch die äußere Erregungskraft F .t/ bedingte Unbestimmtheit des Systems zu eliminieren, betrachtet man häufig auch den Fall der freien Schwingung, d. h. die Erregungskraft ist null. Die in (30.5) vorkommende Dämpfungskonstante d ist dimensionsbehaftet. Zur Charakterisierung des Bewegungsverhaltens schwingungsfähiger Systeme wie des Einmassenschwingers verwendet man daher meist den dimensionslosen, als Lehr’sches Dämpfungsmaß oder auch Dämpfungsgrad bezeichneten Wert D. Damit ergibt sich die Lösung x.t/ von (30.7) für F .t/ D 0     xP 0 C D!0 x0 x.t/ D e !0 Dt x0  cos !t C  sin !t ! (30.8) Darin sind e die Euler’sche Zahl, x0 D x.t D 0/; xP 0 D x.t P D 0/ und ! die Kreisfrequenz des Systems. Die Kreisfrequenz ! hängt auf folgende Art mit der Schwingfrequenz f zusammen und lässt sich aus den Kennwerten des schwingungsfähigen Systems berechnen: s   d 2 c (30.9)  ! D 2  f D m 2m

Für den Fall, dass die Dämpfungskonstante d gleich null ist, das System also ungedämpft schwingen kann, wird aus der Kreisfrequenz die Eigenkreisfrequenz: r c !0 D 2  f0 D (30.10) m Mit diesen Größen kann der Dämpfungsgrad D ausgedrückt werden: DD

d d D p 2m!0 2 mc

Setzt man (30.11) in (30.9) ein, so erhält man: p ! D !0 1  D 2

(30.11)

(30.12)

Anhand dieser Gleichung kann man unterschiedliche Fälle des Bewegungsverhaltens des Einmassenschwingers unterscheiden. Ist D < 1, so schwingt das System mit einer Kreisfrequenz !, die kleiner als !0 ist. Ist D D 1, so wird der Wurzelausdruck in (30.12) gleich null, es liegt keine Schwingung mehr vor, man spricht auch vom aperiodischen Grenzfall, da von diesem kritischen Dämpfungswert ab zu höheren Dämpfungsgraden hin keine Schwingung mehr auftritt. Ist D > 1, so stellt der Wurzelausdruck keine reelle Zahl sondern eine komplexe Zahl dar, es liegt eine überkritische Dämpfung mit einem Kriechvorgang vor. Da mit der Differentialgleichung (30.7) das mathematische Modell des Systems „Einmassenschwinger“ bekannt ist, kann man das System und sein Bewegungsverhalten auch mit Hilfe eines Simulationssystems auf einem Rechner simulieren. Wie das gemacht wird, wird in 7 Abschn. 30.4 eingehender beschrieben. Ein aus der Simulation gewonnenes Bild des Wegverlaufs der Masse zeigt . Abb. 30.12. In . Abb. 30.12 ist die Dämpfung unterkritisch mit D < 1, weshalb aufgrund des Eingangssprungs (z. B. eine

628

30

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

. Abb. 30.13 Darstellung des Schwingverhaltens eines Einmassenschwingers für verschiedene Werte des Lehr’schen Dämpfungsmaßes D

bestimmte Anfangsauslenkung x0 des Schwingers, wobei zur Zeit t D 0 die Masse aus dieser Lage losgelassen wird) ein Schwingungsvorgang stattfindet. Diese Schwingung klingt nach einer bestimmten Exponentialfunktion f .x/ D e ıt ab, die ebenfalls vom Dämpfungsgrad D abhängt. Dieses Verhalten ist auch an der Lösungsgleichung (30.8) der Differentialgleichung (30.7) ablesbar. In dieser Gleichung wird ein Summenausdruck aus Cosinus- und Sinusfunktionen (Schwingung) mit einem Faktor e !0 Dt multipliziert. Dies ist die exponentiell abklingende Dämpfungsfunktion mit ı D !0 D. . Abb. 30.13 zeigt nochmals eine Zusammenstellung der unterschiedlichen Wegverläufe x.t/ des Einmassenschwingers für unterschiedliche Werte von D, nachdem das System um einen Anfangswert x0 ausgelenkt wurde. Bei D D 1 tritt der aperiodische Grenzfall auf, so dass das System nicht mehr schwingt. Bei D D2 liegt überkritische Dämpfung vor, so dass nach der Auslenkung die Masse sich in einem Kriechvorgang in die Endlage zurück bewegt. In der Technik von großer Bedeutung ist auch noch der Fall der von außen angeregten Schwingung. Hierfür besitzt die Eigenfrequenz ! eine besondere Bedeutung. Denkt man sich einen Einmassenschwinger, der beispielsweise durch eine harmonische Schwingung mit der Frequenz ˝ angeregt wird und trägt, wie in . Abb. 30.14 dargestellt, die Schwingamplitude über dem Verhältnis ˝ D !

(30.13)

auf, so ergeben sich in Abhängigkeit des Lehr’schen Dämpfungsmaßes D die dargestellten unterschiedlichen Kurven. Die Kurven beginnen alle bei der statischen Auslenkung Astat , derjenigen Verformung, die unter einer statischen Last (˝ D 0) auftritt. Eine Extremstelle der Amplitudenfunktion tritt an der Stelle  D 1 auf, wobei die dynamischen Amplituden sehr unterschiedlich sein können. Die Amplituden bei kleinen Werten von D können sehr groß werden, man spricht dann von Resonanz. Für den Einmassenschwinger bedeutet das,

. Abb. 30.14 Amplitude eines harmonisch erregten Schwingers in Abhängigkeit des Lehr’schen Dämpfungsmaßes

dass bei harmonischer Anregung mit einer Anregefrequenz ˝, die der Eigenfrequenz ! des Schwingers entspricht, das System bei kleinen Dämpfungen in so starke Schwingungen versetzt werden kann, dass der Schwinger dadurch geschädigt oder sogar zerstört wird. Um bei bekannter Anregefrequenz ˝, die z. B. durch eine rotierende Masse mit einer Unwucht hervorgerufen werden kann, eine Anregung im Bereich der Eigenfrequenz ! zu vermeiden, muss man ! durch Verändern von Masse oder Federkonstante so verschieben, dass die Eigenfrequenz weit oberhalb oder unterhalb der Anregefrequenz liegt. Dies verhindert zu große Schwingamplituden des durch die Unwucht angeregten Bauteils. Ist die Anregefrequenz nicht konstant, wie beispielsweise bei einem rotierenden PKW-Rad (unterschiedliche Drehzahlen) so muss das Rad genau ausgewuchtet werden, um die Unwuchtkräfte möglichst klein zu halten und damit eine Anregung der Eigenfrequenz des Rades im Resonanzpunkt zu vermeiden.

30.2

Modelle mechanischer Systeme

Die mechanischen Eigenschaften von mechatronischen Systemen sind im Wesentlichen durch Trägheit, Elastizität und Reibungsvorgänge gekennzeichnet, die den durch äußere Kräfte und Stellkräfte bzw. Momente hervorgerufenen Bewegungszustand beeinflussen. Diese Merkmale der Bauelemente des Systems werden durch idealisierte Modelle repräsentiert. Dabei werden Körpermodelle in der Regel als mit Masse und Trägheit behaftete starre Körper angenommen. Elemente wie Federn und Dämpfer werden als masseund trägheitslose so genannte konzentrierte Bauelemente modelliert. Sich translatorisch oder rotatorisch zueinander bewegende Körper sind durch Gelenke oder Führungen miteinander verbunden, wobei die Einschränkung des Freiheitsgrades der Bewegung von Körpern Reaktionskräfte

629 30.2  Modelle mechanischer Systeme

. Abb. 30.15 Elemente für Modelle von mechanischen Systemen

und -momente zur Folge hat. . Abb. 30.15 zeigt eine Zusammenstellung wichtiger verwendeter Ersatzmodelle und die ihnen zugeordneten Eigenschaften. Zur Bildung des Modells eines mechatronischen Systems versucht man, die einzelnen realen Objekte durch die in . Abb. 30.15 dargestellten Ersatzmodelle zu beschreiben und damit eine kinematische Struktur aufzubauen.

Dabei muss man immer beachten, welche Fragen man mit dem Modell beantworten will. Ein kompliziertes technisches System wie beispielsweise ein Personenkraftwagen auf welliger Straße hat nicht einfach eine bestimmte Zahl von Freiheitsgraden, sondern die Anzahl der Freiheitsgrade, die man notwendigerweise einführen muss, hängt davon ab, welche Informationen man benötigt. In . Abb. 30.16 ist ein Beispiel für die Modellierung eines Personenkraftwagens gegeben, wobei von Stufe zu Stufe immer mehr Freiheitsgrade eingeführt werden. Im sehr einfachen Modell aus Einzelmassen, Federn und Dämpfern in . Abb. 30.16a mit einem Freiheitsgrad wurde die Reifenfederung und -dämpfung mit der Federung und Dämpfung zwischen Rad und Aufbau zusammengefasst. Das Rad ist als starrer Körper idealisiert. Dieses Modell, das dem Einmassenschwinger entspricht, liefert bezüglich des Tauch-Freiheitsgrades vernünftige Aussagen für die Abstimmung des Systems, die im allgemeinen so erfolgt, dass die Taucheigenfrequenz !0 bei etwa 1 bis 2 Hz und der Dämpfungsgrad D bei 0,2 bis 0,3 liegt. Man kann daraus, da die gefederte Masse m bekannt ist, die Dämpfungskonstante d des Dämpfers und die Federkonstante der Feder c bestimmen. Hat beispielsweise ein PKW eine Masse m D 600 kg, so entfällt auf ein Federbein eine zu federnde Masse von 150 kg. Sollen die Taucheigenfrequenz des Federbeins bei 2 Hz und der Dämpfungsgrad bei 0,3 liegen, so lassen sich d und c aus (30.10) und (30.11) wie folgt berechnen: c D m  !02 D 150 kg  4

1 N D 600 2 s m

p p Ns d D 2D m  c D 0;6 150 kg  600 N=m D 180 m . Abb. 30.16 Ebene mechanische Modelle mit unterschiedlicher Anzahl von Freiheitsgraden für einen Personenkraftwagen

Für eine genauere Untersuchung des Fahrkomforts muss zumindest der Nick-Freiheitsgrad (Drehung um die horizontale Querachse) wie in . Abb. 30.16b mit einbezogen

30

630

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

. Abb. 30.17 Verschiedenartig gefederte Fahrwerke a konventionell mit Feder-/DämpferKombination, b aktive Federung mit Hydraulikzylinder und Servoventil

30

werden. Erst durch ihn kommt der Zeitunterschied, der zwischen Vorder- und Hinterrad beim Überfahren einer Bodenwelle auftritt, zur Geltung. Dieses Modell gibt aber nur unzureichend Auskunft darüber, ob beim Überfahren von Hindernissen Radentlastungen bis hin zu kurzzeitigem Abheben des Rades von der Fahrbahn auftreten. Darüber kann erst das in . Abb. 30.16c dargestellte Modell Aussagen machen, das die Vertikal-Freiheitsgrade der Achsmassen berücksichtigt. Mit diesem Modell erfasst man den Frequenzbereich bis 15 Hz schon sehr gut. Ein Modell, das bis 25 Hz gute Aussagen liefert, muss die Annahme einer starren Karosserie aufgeben und als zusätzlichen Freiheitsgrad die 1. Biegeschwingungseigenform der Karosserie einbeziehen (. Abb. 30.16d). Das letzte benutzte Modell ist aber natürlich immer noch kein allgemeingültiges Modell des realen Systems, da es zweidimensional ist und nur die Untersuchung von Vertikalschwingungen zulässt. Ein entsprechendes räumliches Modell wird noch über erheblich mehr Freiheitsgrade verfügen müssen. Man sieht an diesem Beispiel jedoch gut, dass die Komplexität des Modells nicht unabhängig von der Fragestellung an das Modell ist. Ein Beispiel dafür, wie man mit Hilfe solcher mechanischer Modelle ein mechatronisches System mit verbesserten Eigenschaften gegenüber einem konventionellen rein mechanischen System entwerfen und realisieren kann, ist das im Folgenden beschriebene aktive Kraftfahrzeug-Fahrwerk. Die heute noch vielfach bei Kraftfahrzeugen im Einsatz befindlichen passiven Feder-/Dämpfersysteme haben einen Entwicklungsstand erreicht, der die Möglichkeiten für die gleichzeitige Verbesserung von Fahrsicherheit und Fahrkomfort nahezu ausschöpft. Jede gewählte Fahrwerksabstimmung stellt dabei immer einen Kompromiss zwischen diesen beiden Kriterien dar, je nach dem, ob eine mehr sportlich-sicherheitstechnische oder eine komfortbetonte Fahrphilosophie beim Fahrzeug im Vordergrund steht. Zusätzlich ändert sich das Federverhalten in Abhängigkeit der im Fahrzeug beförderten Personenzahl. Wie wir im obigen

Auslegungsbeispiel für Feder und Dämpfer gesehen haben, sind die optimalen Werte stark von der gefederten Masse abhängig, die sich zwischen Leerzustand und Vollbeladung ohne weiteres um 40 % vergrößern kann. Eine wesentliche auch vom Fahrzeugnutzer spürbare Verbesserung der Eigenschaften Sicherheit und Komfort, über das Optimum der passiven Abstimmung hinaus, kann nur durch eine sich aktiv an die äußeren Randbedingungen anpassende Feder-/Dämpfercharakteristik erreicht werden. Bei konventionellen Fahrwerken verrichten Feder-/ Dämpferelemente die Aufgabe, Rad und Karosserie zu führen und zu dämpfen. Bei einem aktiven Fahrwerk werden die Feder-/Dämpferelemente durch aktive Kraftstellglieder, in der Regel Hydraulikzylinder mit elektrohydraulischem Ventil, ersetzt. Um einen geschlossenen Regelkreis herzustellen, benötigt das System außerdem Sensoren zur Erfassung der Federwege und Zylinderdrücke. Diese und weitere Informationen werden dann im Regler zu Stellsignalen für die Ventile in der Art verknüpft, dass Fahrkomfort und Fahrsicherheit des Fahrzeugs in jeder Fahrsituation optimal sind. . Abb. 30.17a zeigt ein einzelnes Rad mit konventionellem Feder-/Dämpfer-Element (McPershon Federbein) und . Abb. 30.17b ein Rad mit aktivem Federungssystem. Um die Auswirkung der aktiven Federung zu untersuchen, wurde ein Viertel des Fahrwerks und das Federungssystem auf einem Simulationssystem (s. 7 Abschn. 30.4) modelliert. . Abb. 30.18 zeigt das Modell des Viertelfahrzeugs, in dessen Zentrum, zwischen Aufbaumasse und Radmasse, das aktive Federungssystem eingefügt werden kann. Das aktive Federungssystem besteht aus einem Hydraulikzylinder in Plungerbauweise, der von einem Servoventil mit Drucköl versorgt wird. . Abb. 30.19 zeigt eine schematische Darstellung des Systems und die für die Simulation erforderlichen Größen. Mit dem elektrisch angesteuerten Servoventil kann durch Zu- oder Abführung von Hydrauliköl ein vorgegebener Druck im Hydraulikzylinder und damit eine gewünschte Zylinderkraft eingestellt werden. Der Hydrospeicher übernimmt bei hohen Kol-

631 30.2  Modelle mechanischer Systeme

. Abb. 30.18 Ersatzmodell eines Viertelfahrzeugs

bengeschwindigkeiten die Ölströme, die nicht vom Ventil geliefert werden können und wirkt somit entlastend für das Ventil. Die Kombination Hydrospeicher/Drossel bestimmt die Grundsteifigkeit, also die Federsteifigkeit bei ausgeschaltetem Regler und geschlossenen Ventilen. Diese Federsteifigkeit ist entscheidend für das Systemverhalten außerhalb des Regelbereichs und wird deshalb hydraulisch weich und komfortabel gewählt. Mit einer weichen Grundabstimmung weist das System auch Notlaufeigenschaften auf, so dass bei Reglerausfall das Fahrzeug weiterhin gute Fahreigenschaften behält. Komfort und Sicherheit sind dann so abgestimmt wie bei einem Fahrzeug mit konventioneller Federung, so dass ein problemloses Weiterfahren auch ohne Reglerbetrieb möglich ist. Gegenüber einem konventionell gefederten Vergleichsfahrzeug können Fahrkomfort und Fahrsicherheit durch folgende Eigenschaften der aktiven Federung verbessert werden: 4 Erhöhung der Aufbaudämpfung, 4 Senkung der Aufbaubeschleunigung bis zu 38 %, 4 Kompensation von Wank- und Nickbewegungen. Unter Wanken versteht man Schwingungen um die Fahrzeuglängsachse, unter Nicken Schwingungen um die Querachse. Das Federungssystem wurde im Labor mittels einer Hardware-in-the-loop-Simulation (7 Abschn. 30.4) erprobt. Dabei wird die Hardware der aktiven Federung auf einem Prüfstand aufgebaut und alle anderen Komponenten simuliert. Zwei zusätzliche Hydraulikzylinder bewegen im

. Abb. 30.19 Simulationsmodell des aktiven Federungssystems

. Abb. 30.20 Amplitudenverlauf von aktiver und konventioneller (passiver) Federung, AF: aktiv, PF: passiv

Simulationsaufbau den Federungszylinder so, als wäre er im Fahrzeug eingebaut. Über einen der Zusatzzylinder werden die vom Rad weitergeleiteten Stöße des Straßenprofils simuliert. In . Abb. 30.20 sind die Amplitudenverläufe verschiedener Federungssysteme über der Anregungsfrequenz aufgetragen. Die mit AF bezeichnete Kurve stellt das Ergebnis der Simulation der aktiven Federung, die mit PF bezeichnete Kurve die Simulation eines konventionellen Fahrwerks dar. An diesen Kurven sieht man, dass die Karosserie mit

30

632

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

der konventionellen Federung unterhalb der Radresonanz, die bei etwa 12 Hz liegt, bei gleicher Anregung deutlich höhere Amplituden aufweist. Oberhalb der Radresonanzstelle verlaufen beide Kurven gleich, so dass sich hier keine Verbesserung durch das aktive Fahrwerk mehr ergibt. Weitere Verbesserungen sind nur noch mit aktiven Schwingungstilgern zu erreichen. Das hier vorgestellte aktive Federungssystem ist inzwischen auch schon erfolgreich in Kraftfahrzeugen eingebaut und erprobt worden.

30

30.3

Unter Verwendung dieser Beziehungen kann man dann (30.14) folgendermaßen schreiben:

Modelle elektrischer Systeme

Um ein mathematisches Modell eines elektrischen Systems herzuleiten, benutzt man in der Regel die bekannten Bilanzgleichungen der Elektrotechnik, nämlich die Kirchhoff’schen Gesetze. . Abb. 30.21 zeigt einen Schaltkreis aus einem Widerstand R, einer Spule mit der Induktivität L und einem Kondensator der Kapazität C . Eine erste Gleichung liefert ein Maschenumlauf nach dem 2. Kirchhoff’schen Gesetz: UR .t/ C UL .t/ C UC .t/  Ue .t/ D 0:

(30.14)

Unter der Annahme, dass kein Strom aus dem elektrischen System herausfließt (Ia D 0), kann man für den Knoten, an dem Spule und Kondensator miteinander verbunden sind, nach dem 1. Kirchhoff’schen Gesetz eine Knotengleichung aufstellen: Ic D I C Ia ) Ic D I

(30.15)

Für die Spannungen an den verschiedenen Bauteilen gilt: UR D R  I R: Ohm’scher Widerstand

LC UR a .t/ C RC UP a .t/ C Ua .t/ D Ue .t/

(30.16)

Dies ist wieder eine gewöhnliche Differentialgleichung 2. Ordnung, wie in (30.7) für den Einmassenschwinger. Das dynamische Verhalten eines solchen Systems muss daher genauso sein wie bei einem Einmassenschwinger. Vergleicht man die Koeffizienten vor den Ableitungen der entsprechenden Zustandsgröße in (30.7) und (30.16), so kann man sogar folgende Analogie aufstellen: mechanisches System elektrisches System Masse m D O Induktivität L Dämpfungskonstante d D O Ohm’scher Widerstand R Nachgiebigkeit k D 1=c D O Kapazität C Das elektrische System ist auch als Schwingkreis bekannt, was schon andeutet, dass auch dieses System schwingungsfähig ist. Wie schon beim Einmassenschwinger festgestellt, führen solche Systeme in Abhängigkeit des Lehr’schen Dämpfungsmaßes eine Schwingung oder einen Kriechvorgang aus. Analog zum mechanischen Dämpfungsmaß (30.11) beträgt die Dämpfung für das elektrische System: R : DD p 2 L=C Wegen der gleichen Analogien beträgt die Kreisfrequenz: s  2 R 1 :  !D LC 2L

UL D L  IP L: Induktivität Z UC D 1=C 

. Abb. 30.21 Elektrischer Schaltkreis aus konzentrierten Bauelementen (Schwingkreis)

I dt

C : Kapazität Da die Ausgangsspannung gleich der Spannung am Kondensator ist, gilt: R Ua .t/ D UC .t/ D 1=C  Idt ) UP a .t/ D 1=C  I; UR a .t/ D 1=C  IP

Man sieht, dass elektrische und mechanische Systeme auf der Ebene der Systembeschreibung mit mathematischen Modellen durchaus gleich behandeln werden können und dass kein prinzipieller Unterschied zwischen ihnen besteht. Bei elektrischen Systemen scheint auf den ersten Blick die Modellbildung einfacher vonstatten zu gehen, als bei mechanischen Systemen. Betrachtet man in . Abb. 30.22a den elektrischen Vierpol aus zwei Widerständen, einem Kondensator und einer Spule, so entspricht diese Darstellung exakt den körperlich vorhandenen Bauteilen und ihren

633 30.4  Simulation

tem) oder auch zur Simulation statischer Belastungen (Beispiel Finite-Element-System, FEM). Auch für die Simulation des elektrischen Verhaltens von Schaltungen und Bewegungssystemen ist entsprechende Software verfügbar. 30.4.1

. Abb. 30.22 Verschiedene Modelle eines elektrischen Vierpols a für niedrige Frequenzen b für hohe Frequenzen

Verbindungen. Die Bauteile selber können durch einfache bekannte elektrische Grundgleichungen beschrieben werden. Man darf sich aber nicht darüber täuschen lassen, dass auch diese Darstellung nicht einfach ein Lageplan (Schaltplan) der elektrischen Komponenten ist, sondern ein Modell des realen Systems. Dieses Modell hat nämlich nur Gültigkeit, solange in das System eingehende Signale niedrige Frequenz besitzen. Bei hohen Frequenzen kann ein aussagefähiges Modell nicht mehr die Einflüsse gewisser Eigenschaften der Bauteile und vor allem der Verbindungen vernachlässigen. So besitzen die Drahtverbindungen Koppelkapazitäten und Leitungsinduktivitäten, die Spule Windungskapazitäten und der Kondensator dielektrische Verluste oder auch Eigeninduktivität. Ein gültiges Modell des gleichen Vierpols muss daher wie in . Abb. 30.22b dargestellt aussehen. Hier sind die unerwünschten, parasitären Eigenschaften elektrischer Bauelemente als zusätzliche parallel und in Reihe geschaltete konzentrierte Bauelemente eingezeichnet. Die daraus folgenden Modellgleichungen sind entsprechend komplizierter. Bei höchsten Frequenzen sind dann nochmals andere Modellstrukturen erforderlich.

30.4

Simulation

In der Entwicklungs- und Planungsphase mechatronischer Systeme ist es heute vielfach üblich, solche Systeme nicht an körperlich vorhandenen Prototypeneinrichtungen zu erproben und zu optimieren, sondern sie auf einem Digitalrechner zu simulieren. Die dazu erforderliche Software wird als Simulationssystem bezeichnet. Solche Simulationssysteme gibt es zur Simulation der Kinematik (Beispiel Robotersimulationssystem), zur Simulation dynamischer Vorgänge (Beispiel regelungstechnisches Simulationssys-

Simulationssysteme

In den vorherigen Kapiteln wurde schon häufiger die Simulation dynamischer Vorgänge auf Digitalrechnern angesprochen worden und damit ermittelte Ergebnisse solcher Vorgänge gezeigt. Die Technik der numerischen Simulation bezieht sich auf die mathematischen Modelle realer Systeme, die im Modellbildungsverfahren (s. 7 Abschn. 30.1) ermittelt wurden. Hat man als mathematisches Modell eine lineare Differentialgleichung gefunden, so ist die geschlossene Lösung mit konventionellen Methoden ohne Rechnereinsatz möglich, aber sehr zeitaufwendig. Insbesondere wenn man verschiedene Fälle ausrechnen will, oder die Auswirkungen von Parameteränderungen studieren möchte, kann der Einsatz eines Simulationssystems auf einem Digitalrechner mit grafischer Ausgabe viel Zeit und Mühe sparen und die Visualisierung der Ergebnisse sehr gut unterstützen. Eine an die in der Regelungstechnik durchgeführte Modellbildung angelehnte Simulationstechnik ist der Blockschaltbild-Editor. Hier werden auf einer grafischen Oberfläche die in der Regelungstechnik üblichen Blöcke in einem Gesamtschaltbild erfasst. Bei Kenntnis der Übertragungsfunktionen der Blöcke vom Eingang zum Ausgang kann direkt eine Simulation durchgeführt werden. Eines der bekanntesten Systeme in diesem Bereich ist das Programm SIMULINK, das wiederum eine Untermenge der Programmiersprache MATLAB1 ist. In . Abb. 30.23 ist das Simulations-Blockschaltbild von SIMULINK für den bereits mehrfach angesprochenen Einmassenschwinger dargestellt. Zu dieser Darstellung gelangt man, wenn man (30.6) wie folgt umschreibt: FT D F .t/  Fc  Fd D m  x: R Auf der linken Seite des Blockschaltbildes befindet sich ein Summierer (Sum) der genau diese Summenbildung aus Erregungskraft (Pulse Generator), Federkraft und Dämpferkraft vornimmt und dabei die Trägheitskraft FT errechnet. Teilt man diese durch die Masse m, so erhält man die Beschleunigung x. R Mit zwei Integratoren wird diese danach integriert und liefert am Ausgang den Weg x. Die Multiplikation des Weges mit der Federkonstante c ergibt die Federkraft, die vom ersten Integrator gelieferte Geschwindigkeit xP multipliziert mit der Dämpfungskonstanten d die Dämpferkraft. Diese beiden Kräfte kann man dann wieder direkt für die Summenbildung 1

Produkt der Firma The Math Works Inc.

30

634

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

. Abb. 30.23 Simulationsblockschaltbild des Einmassenschwingers in SIMULINK

30

. Abb. 30.24 Scopeanzeige des Wegverlaufs bei dem simulierten Einmassenschwinger für unterschiedliches Dämpfungsmaß D

auf der linken Seite des Bildes benutzen. . Abb. 30.24 zeigt die Scopeanzeige des simulierten Wegverlaufs des Einmassenschwingers aus . Abb. 30.23 für unterschiedliche Werte des Dämpfungsmaßes D. Durch Eintragen neuer Werte für m, c und d ins Blockschaltbild und erneute Simulation kann man so leicht die Änderungen im Systemverhalten studieren. Ein Nachteil der Simulation mit Blockschaltbild-Editoren ist die Tatsache, dass man für die Simulation zuerst ein mathematisches Modell in Form einer oder mehrerer Differentialgleichungen aufstellen muss. Im Modell entsprechen dann die Blöcke keinem der im realen System vorhandenen Bauteile, die Simulation ist nicht objektorientiert. So genannte objektorientierte Simulationssysteme verwenden direkt die realen Bauelemente (deren einzelnes mathematisches Modell jeweils auch bekannt ist), die man dann so zusammenfügen kann, wie sie untereinander körperlich verbunden sind. Dies erleichtert den Aufbau größerer Simulationsstrukturen. Solch objektorientierte Si-

mulationssysteme sind DYMOLA, CAMEL-VIEW2 und 20-sim3 . Das Simulationssystem 20-sim benutzt das Modellbildungsverfahren der Bondgraphen, in denen die Leistungsflüsse zwischen einzelnen Basiselementen, die für grundlegende Eigenschaften von realen Systemen stehen, durch Pfeile (Bonds oder Halbpfeile) dargestellt werden. Aufgrund der in 7 Abschn. 30.3 dargestellten Vergleichbarkeit von Systemparametern von beispielsweise mechanischen und elektrischen Systemen kann man bei dieser Methode elektrische, mechanische, hydraulische und magnetische Bauteile im selben Modell zusammen modellieren. Dies entspricht am ehesten den Erfordernissen in der Mechatronik, in der ja wie in . Abb. 29.1, 7 Kap. 29 dargestellt, die Domänen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnik zusammenarbeiten. 2 3

Produkt der Firma Xtronics GmbH, Paderborn. Produkt der Firma Controllab Products B.V., Niederlande.

635 30.4  Simulation

. Abb. 30.25 Bondgraph des Einmassenschwingers im Simulationssystem 20-sim

. Abb. 30.26 Simulation eines aus Icons aufgebauten Schwingkreises mit 20-sim

30

636

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

30

. Abb. 30.27 Hierarchieebenen von 20-sim

. Abb. 30.28 Oberste Hierarchieebene des Systemmodells in 20-sim . Abb. 30.29 Iconografische Ebene des Systemmodells

In . Abb. 30.25 ist ein Simulationsmodell des bereits behandelten Einmassenschwingers mit Bondgraphenelementen dargestellt. Wie man sieht, steht in diesem Modell für jedes Bauelement des realen Systems (Masse, Feder, Dämpfer) ein entsprechendes Grundelement der Bondgraphentheorie, d. h. die Modellierung erfolgt im Gegensatz zum Blockschaltbildeditor objektorientiert. Das für die numerische Simulation erforderliche mathematische Modell wird aus dem erstellten Bondgraphen von 20-sim automatisch erstellt, ohne dass der Anwender vorab selber dieses Modell in Form einer oder mehrerer Differentialgleichungen ermitteln muss. Da die Modellelemente direkt für Bauteile des realen Systems stehen, kann man auch Modellelemente mit der Bezeichnung „Icon“ benutzen. Dies zeigt der Bildschirmausschnitt von 20-sim in . Abb. 30.26 in dem das Simulationsmodell eines elektrischen Schwingkreises mit Hilfe solcher Icons aufgebaut wurde, sowie Simulationsergebnisse. Hinter den Icons verbirgt sich dann ein entsprechendes Bondgraphensymbol. Mit dieser Technik kann man dann auch Modelle komplizierter mechatronischer Systeme erstellen. Ein in 20-sim erstelltes komplexes Modell ist der Übersichtlichkeit halber in verschiedenen Hierarchiestufen darstellbar (. Abb. 30.27). . Abb. 30.28 zeigt die oberste Hierarchieebene für das Modell von einer Riemenscheibe mit elektrischem Antriebsmotor, dessen Drehmoment über einen elastischen Riemen auf eine weitere Riemenscheibe übertragen wird. Der Motor wird von einem Lageregler angesteuert, der mit einem Lage-Sollsignal beaufschlagt werden kann. Klickt man beispielsweise auf den Block „System“, so gelangt man in die nächst niedrige Hierarchieebene, auf der das Modell des Antriebs mit Icons der einzelnen Bauelemente dargestellt wird (. Abb. 30.29). Dort wird der elastische Riemen beispielsweise als Feder modelliert. Klickt man dann in dieser Darstellung auf das Symbol des Motors, so gelangt man eine weitere Hierarchiestufe tiefer, in der das Bondgraph-Modell

637 30.4  Simulation

. Abb. 30.30 Hierarchieebene des Bondgraphenmodells des Gleichstrommotors

. Abb. 30.31 Unterste Hierarchieebene mit SIDOPSC Quelltext des Gyrators

eines Gleichstrommotors enthalten ist (. Abb. 30.30). Die grafischen Elemente des Bondgraph-Modells wiederum werden auf der untersten Hierarchieebene als Befehle der Modellsprache SIDOPSC (Structured Interdisciplinary Description Of Physical Systems) codiert, mit deren Hilfe dann die Simulation erfolgt. Klickt man beispielsweise auf das „GY“-Symbol in . Abb. 30.30, das in der Bondgraphentheorie für einen so genannten Gyrator steht, so erhält man das in . Abb. 30.31 dargestellte Programmsegment in SIDOPS. Ein Gyrator ist ein Modellelement, das für den Übergang zwischen der elektrischen und mechanischen Domäne im Gleichstrommotor steht. Startet man dann den Simulator und gibt auf den Lageregler einen Sollwertsprung, so erhält man die in . Abb. 30.32a gezeigten Kurvenverläufe der im simulierten System aufgezeichneten Signalgrößen. Zusätzlich zu diesem grafischen Modell kann man auch noch ein Mehr-

körpermodell aufbauen (. Abb. 30.32b), in dem man sich dann den Bewegungsablauf in Form eines Videos darstellen lassen kann. Für ausschließlich elektrische Systeme ist vor allem das Simulationssystem SPICE und die daraus abgeleiteten Varianten entwickelt worden. Für spezielle Simulationsaufgaben gibt es außerdem spezielle, zugeschnittene Simulationssysteme. So ist bei Anwendungen von Industrierobotern vor allem eine Simulation der Kinematik ohne Berücksichtigung elastischer Eigenschaften des mechanischen Systems von Bedeutung. Daher kann man in einem Roboter-Simulationssystem wie beispielsweise ROBOGUIDE4 wie in einem CAD-System ein kinematisches Robotermodell erstellen und dieses in seiner Applikationsumgebung bewegen. Dadurch kann man Kollisionsbetrachtungen durchführen und Zykluszei4

Produkt der Firma Fanuc Robotics

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638

Kapitel 30  Modellbildung und Simulation

. Abb. 30.32 a Simulierte Signalverläufe, b Mehrkörpermodell

30

. Abb. 30.33 Roboterzelle im Simulationssystem ROBOGUIDE

ten ermitteln, ohne die Roboterzelle schon zur Verfügung zu haben. . Abb. 30.33 zeigt ein Robotermodell eines solchen Simulationssystems.

30.4.2

Simulationstechniken

Im Laufe des Entwicklungsprozesses von mechatronischen Systemen wird man nicht alle Baugruppen ausschließlich auf einem Digitalrechner simulieren wollen, da dies aufgrund stets notwendiger Modellvereinfachungen in komplexen Systemen zu falschen Aussagen führen kann. Daher benutzt man auch die Möglichkeiten entweder körperlich

Hardwarekomponenten in eine Simulation mit einzubeziehen (Hardware-in-the-Loop: HIL) oder eine entwickelte Simulation in ein mechatronisches System einzubinden (Software-in-the-Loop: SIL). Unter Hardware-in-the-Loop versteht man die Integration von realen Komponenten (Bauteilen und Systemmodellen) in eine gemeinsame Simulationsumgebung. Die HIL-Nachbildung (Simulation) dynamischer Systeme durch physikalische und mathematische Modelle muss dabei in Echtzeit und unter Nachbildung der physikalischen Randbedingungen erfolgen. Ein Beispiel ist die Simulation eines Gesamtfahrzeuges am Rechner mit der Anbindung eines realen Steuergerätes und der Aktorik für eine Funktionsregelung zur Fahrstabilitätsregelung. Ein entscheiden-

639 30.4  Simulation

der Vorteil der HIL ist der Funktionstest des Steuergerätes unter realen Bedingungen bei gleichzeitiger Einsparung von zeit- und kostenintensiven Fahrmanövern. Simulationssysteme, die diese Art der Echtzeit-Simulation erlauben, sind 20-sim, CAMeL-View und dSPACE. Das letztgenannte System verwendet MATLAB/SIMULINK Modelle und erzeugt einen echtzeitfähigen Code, der auf spezieller Hardware lauffähig ist. Unter Software-in-the-Loop versteht man die Integration von Systemmodellen in eine gemeinsame Simulationsumgebung mit dem modellierten Prozess (Regelstrecke); sowohl die zu entwickelnde Funktion als auch der Prozess, auf den die Funktion einwirkt, werden modelliert. Die SIL-Nachbildung (Simulation) dynamischer Systeme durch physikalische und mathematische Modelle muss dabei nicht in Echtzeit erfolgen. Ein entscheidender Vorteil der SIL ist der Funktionstest unter simulierten Bedingungen bei gleichzeitiger Einsparung von zeit- und kostenintensiven Experimenten (z. B. Fahrmanöver). Ausgehend von der SIL-Umgebung können entweder die Funktion, der Prozess oder beide Teile physikalisch realisiert und im geschlossenen Kreis hinsichtlich ihres Verhaltens analysiert werden. Will man eine Komponente eines mechatronischen Systems unter Verwendung von HIL und SIL entwickeln, so muss man verschiedene Arbeitsschritte durchlaufen und die Eigenschaften der zu entwickelnden Komponente absichern. In . Abb. 30.34 sind die einzelnen Arbeitsschritte am Beispiel der Entwicklung eines Steuergerätes für einen PKW dargestellt. Dies sind im Einzelnen: 1. Funktionsnachweis: Eine neue oder veränderte Funktionalität eines Steuergerätes wird als Modell in einem geschlossenen Regelkreis mit einem Streckenmodell (Prozessmodell) getestet. Diese Untersuchung wird als Software-in-the-Loop bezeichnet. 2. Adaption: Die am Streckenmodell überprüfte Funktion kann dann an dem realen Prozess abgestimmt werden (so genannte Applikation).

. Abb. 30.34 Arbeitsschritte der Eigenschaftsabsicherung einer als Simulationsmodell entwickelten Komponente am Beispiel eines Steuergerätes für ein Kraftfahrzeug

3. Zielsoftware-/Schnittstellennachweis: Durch die Kopplung des realen Steuergerätes mit dem Streckenmodell in einer HIL-Umgebung kann die Fehlerfreiheit der Zielsoftware und der Schnittstellenkommunikation überprüft werden. 4. Integration: Die Integration des mit einer neuen Funktionalität ausgestatteten Steuergerätes in den realen Prozess erlaubt die Erprobung des Gesamtsystems und die Anpassung aller relevanten Signal- und Steuerdaten. Eine solche Kombination aus virtuellen und realen Tests neuer Komponenten eines mechatronischen Systems verkürzt die früher notwendigen langen Entwicklungs- und Erprobungszeiten erheblich.

30

641

Sensoren und Aktoren Werner Roddeck

Betrachtet man das Strukturbild eines mechatronischen Systems (7 Kap. 29 . Abb. 29.7), so sind die Sensoren und Aktoren zwei wichtige Blöcke für die Funktionen des Systems. Die folgenden Unterkapitel geben einen Überblick über die verwendeten physikalischen Prinzipien ihrer Arbeitsweise und über ihre Anwendung. 31.1

Sensoren

Ein mechatronisches System benötigt Informationen, die seinen inneren Zustand beschreiben. Außerdem muss es weitere Informationen aus seiner Umwelt erfassen können. Für alle diese Aufgaben benötigt man Sensoren. Zum einen dienen sie dazu, dass das System physikalische Größen (Kräfte, Temperaturen, Magnetfelder usw.) der Umwelt ermitteln kann und zum anderen sind sie als Aufnehmer für Rückmeldungen aus den systemeigenen Bewegungssystemen erforderlich. Bei der letzten Gruppe, die in jedem mechatronischen System in verschiedenartigem Umfang vorhanden ist, handelt es sich um Sensoren für die Messung von Wegen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, welche benötigt werden, um den Bewegungszustand des Systems zu erfassen und zu regeln. Die erstgenannte Gruppe kann praktisch alle denkbaren Messwerterfassungen beinhalten, wobei nicht ausschließlich Größen außerhalb des Systems, sondern möglicherweise auch weitere innere Zustände wie beispielsweise Motor- oder Öltemperaturen erfasst werden müssen. 31.1.1

Sensorbegriff

Es gibt Sensoren für mehr als 100 physikalische Größen. Berücksichtigt man auch Sensoren für verschiedene chemische Substanzen, so geht die Zahl in die Hunderte. Man kann etwa 2000 grundlegende Sensortypen unterscheiden, die in ca. 100.000 Varianten weltweit kommerziell angeboten werden. Um hier nicht den Überblick zu verlieren, ist zuerst einmal eine Definition und Klassifizierung erforderlich. Begriffe wie Messfühler, -wandler, -element, Geber u. a. sind seit langem bekannt und definiert. Demgegenüber ist der Begriff Sensor erst in den letzten 30 Jahren aufgekommen. Neben dem Begriff Sensor tauchen auch

Sensorelement, Sensorsystem, intelligenter oder smarter Sensor, Sensorik oder Sensortechnik auf. Allen Begriffen mangelt es an einer exakten Definition und Abgrenzung. Abgeleitet wurde der Begriff aus den englischsprachigen Begriffen „sense“ D Sinnesorgan, bzw. „sensorium“ mit der gleichen Bedeutung. Sinnesorgane haben in biologischen Systemen die Aufgabe physikalische Eigenschaften der Umwelt dem Nervensystem (Gehirn) eines Lebewesens zugänglich zu machen. Dazu werden in der Regel nichtelektrische, physikalische Zustände in elektrische Signale umgewandelt, die das Gehirn aufnehmen und verarbeiten kann. Häufig werden daraus Muskelaktivitäten des Lebewesens abgeleitet. Diese biologische Analogie entspricht weitgehend von der Struktur her einem mechatronischen System. Man sieht an dieser Analogie, dass die Aufgabe eines Sensors sehr komplex sein kann. So findet beispielsweise in einem menschlichen Auge nicht nur die Registrierung des Auftreffens von Photonen statt, wie es einem reinen Messfühler, etwa einer Fotodiode, entsprechen würde. Es gibt darüber hinaus im System „Auge“ eigenintelligente Regelungen, die über die Krümmung der Augenlinse ein Bild scharf stellen. Weiterhin findet im Bereich der Netzhaut und des austretenden Sehnervs eine Datenverrechnung und -kompression statt, um die Anzahl der vom Gehirn in der Sehrinde weiterzuverarbeitenden Informationen zu reduzieren. Es finden also auch weitgehende Messwertwandlungen und eigenintelligente Anpassungen im Bereich dieses Sensors statt. Darauf Rücksicht nehmend könnte die Definition eines technischen Sensors folgendermaßen lauten:

Ein Sensor wandelt die zu messende physikalische Größe und ihre Änderungen in elektrische Größen und ihre Änderungen um und verarbeitet diese so, dass sie leicht übertragen und weiterverarbeitet werden können.

Dies weicht von der Definition des „klassischen Messfühlers“ ab, mit dem ja im Prinzip etwas Ähnliches erreicht werden soll, nämlich den Wert einer physikalischen Größe aufgrund eines Messeffektes in der Regel in eine elektrische Messgröße zu wandeln.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_31

31

642

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

31 . Abb. 31.1 Drei Arten möglicher Sensorsysteme a Sensorsystem mit diskretem Aufbau, b Sensorsystem mit integriertem Sensor, c intelligentes Sensorsystem

Der Messfühler beinhaltet ein Messprinzip, mit dessen Hilfe der Wert der Messgröße einer anderen physikalischen Größe aufgeprägt wird. Aus dieser Größe kann man durch einen Messwertwandler das endgültige Messsignal erzeugen. Dazu verwendet man innerhalb des Messprinzips möglichst physikalische Zusammenhänge, die eindeutig und zeitlich konstant sind und möglichst gering durch Störungen beeinflusst werden. Häufig werden Sensoren in Massenprodukten eingebaut, die dort natürlich nur geringe Kosten verursachen sollen. Messfühler findet man in Messgeräten oder Messeinrichtungen, die aufgrund ihrer hohen Präzision ohnehin teuer sind, wodurch deren Kosten nicht so ins Gewicht fallen. Der Forderung nach geringen Kosten beim Sensor kann häufig dadurch entsprochen werden, dass die Weiterverarbeitung des vom Fühler im Sensor erzeugten elektrischen Signals durch eingebaute integrierte Schaltungen in ein gut nutzbares Signal erfolgt. Die Verstärkung auf ein hohes Ausgangssignal verursacht innerhalb des Sensors keine Probleme und Nichtlinearitäten können ebenfalls korrigiert werden. Weiterhin ist eine Korrektur des Einflusses anderer Parameter auf die Messgröße möglich, die dann im Sensor durch weitere Fühler erfasst werden müssen. Da somit häufig mehrere Fühler und eine Auswerteelektronik im Sensor zusammenwirken (. Abb. 31.1b), ist der Aspekt der Integrierbarkeit aller dieser Komponenten von Bedeutung. In der Regel treten physikalische Größen als analoge Werte auf. Daher liefert ein Messverfahren im Sensor, das die physikalische Größe nicht in eine analoge elektrische Größe, wie beispielsweise eine Amplitude (Spannung, Strom), sondern in eine einfache digitale Größe umwandelt, weitere Vorteile. Der eigentliche Unterschied zwischen klassischen Messwertaufnehmern und Sensoren liegt im Schritt nach

der Messwertaufnahme, nämlich in der elektrischen Signalaufbereitung und -verarbeitung. Natürlich wird es zwischen beiden immer mehr oder weniger starke Überschneidungen geben. In diesem Sinne spricht man dann auch häufig den eigentlichen Bereich der Messwertaufnahme als „Sensor“ an, der zusammen mit der nachfolgenden Signalaufbereitung wie Verstärkung, Filterung, Analog-Digital-Wandlung oder Wertkorrektur ein Sensorsystem bildet. Je nach Integrationsgrad von Sensor und Aufbereitungselektronik im Sensorsystem, kann man dann noch wie in . Abb. 31.1 dargestellt, unter den Begriffen Sensor, integrierter Sensor und intelligenter Sensor unterscheiden. Bei den im folgenden Kapitel behandelten Messeffekten und den damit arbeitenden Sensoren liegt der Schwerpunkt auf häufig in mechatronischen Systemen verwendeten Sensortypen.

31.1.2

Messeffekte

Bei dem eigentlichen Messwertaufnehmer oder einfachen Sensor muss man zwischen dem im Aufnehmer verwendeten physikalischen Effekt und der zu messenden Größe unterscheiden, da der Wert vieler physikalischer Größen nur aus ihrem Einfluss auf bestimmte Messeffekte zurück geschlossen werden kann. Darüber hinaus muss unterschieden werden, ob durch den Messeffekt die Energie der Messgröße direkt in ein elektrisches Signal umgesetzt wird, oder ob die Energie der Messgröße nur zur Steuerung der Energie eines Signals aus einer anderen Quelle verwendet wird. Im ersten Fall ist der Sensor nur ein passiver Energiewandler, im zweiten Fall muss das Sensorsystem eine Energiequelle enthalten.

31

643 31.1  Sensoren

. Tabelle 31.1 Nutzung physikalischer Effekte für Sensoraufgaben Physikalische Größe

Messeffekte Thermisch

Ort

Optisch Ohm’scher Magnetisch Widerstandseffekt

Kapazitiv

Piezowider- Piezoelekstandseffekt trisch

X

X

X

X

X

X

Kraft

X

X

X

Druck

X

X

X

Temperatur

X

X

Licht

X

X

Gas

Pyroelektrisch

X X

X

X

Magnetfeld

Chemisch

X X

. Tabelle 31.2 Sensoren für physikalische Größen Mechanische Größen an Festkörpern

Abstand, Beschleunigung, Dehnung, Dichte Dicke, Drehmoment, Drehzahl, Druck, Durchmesser, Form, Geschwindigkeit, Gewicht, Kraft, Länge, Höhe, Härte, Masse, Orientierung, Spannung, Weg, Winkel, usw.

Mechanische Größen an Flüssigkeiten und Gasen

Dichte, Druck, Durchfluss, Füllstand, Strömungsgeschwindigkeit, Viskosität, Volumen, usw.

Thermische Größen

Temperatur, Wärmeleitung, Wärmestrahlung, usw.

Optische Strahlung

Farbe, Intensität, Polarisation, Reflexion, Wellenlänge, usw.

Akustische Größen

Absorption, Intensität, Schalldruck, Schallfrequenz, Schallgeschwindigkeit, usw.

Kernstrahlung

Ionisationsgrad, Strahlungsenergie, Strahlungsfluss

Chemische Größen

Feuchtigkeit, Konzentration, Molekül- und Ionensorte, Partikelform und -größe, pH-Wert, Reaktionsgeschwindigkeit, usw.

Magnetische und elektrische Größen

Dielektrizitätskonstante, Frequenz, Induktivität, Kapazität, Leistung, Phase, Strom, Spannung, Widerstand, usw.

Sonstige Größen

Anzahl, Pulsdauer, Zeit, usw.

Beispiele für solche Wandlertypen aus dem Bereich der Temperaturmessung sind das Thermoelement als passiver Wandler und das Widerstandsthermometer als aktiver Wandler. Wie man an diesem Beispiel leicht erkennen kann, benutzen unglücklicherweise passive Wandler aktive Bauelemente (Thermoelement liefert eine zur Temperatur proportionale Spannung) und aktive Wandler passive Bauelemente (temperaturproportionale Widerstandsänderung verursacht Stromänderung einer externen Spannungsquelle). In der Literatur werden daher für den „aktiven Sensor“ der Begriff signalbearbeitender Sensor (signal conditioning sensor) und für den „passiven Sensor“ der Begriff rezeptiver Sensor (receptive sensor) vorgeschlagen. Der bearbeitende Sensor muss ein Signal erst noch konditionieren, während der rezeptive Sensor das Signal lediglich aufnimmt und umwandelt. In . Tab. 31.1 findet sich eine Zusammenstellung der wichtigsten in Sensoren verwendeten physikalischen Mess-

effekte und die Information, welche Messeffekte zur Messung welcher Art von physikalischen Größen verwendet werden. . Tab. 31.2 enthält eine Auflistung von interessierenden Messgrößen, für die käufliche Sensoren auf dem Markt angeboten werden. Um sich einen Überblick über Messverfahren in Bezug auf den Sensor zu verschaffen, kann man einerseits eine Unterteilung nach den zu messenden physikalischen Größen und andererseits nach den physikalischen Messeffekten vornehmen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Unterteilung nach den verschiedenartigen Technologien bei der Herstellung. Hier sind im Wesentlichen die aus diskreten Bauelementen aufgebauten 4 klassischen Messwertaufnehmer und solche in miniaturisierter Bauweise mittels 4 Si-Technologie (angelehnt an elektronische, integrierte Halbleiterschaltungen)

644

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

4 Dünnschichttechnologie 4 Dickschichttechnologie 4 Faseroptische Sensoren zu unterscheiden. 31.1.2.1

31

Widerstandseffekte

Ohm’sche Messaufnehmer verwenden den Ohm’schen Widerstandseffekt. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr elektrischer Widerstand durch die jeweilige physikalische Messgröße verändert wird. Ohm’sche Widerstandseffekte werden bei Potentiometern zur Messung von Wegen oder Winkeln und bei Dehnungsmessstreifen zur Messung von Dehnung, Kraft, Druck, Weg, Winkel und Torsion verwendet. Darüber hinaus wird der Effekt in Widerstandsthermometern zur Temperaturmessung, in Fotowiderständen für Lichtgrößen und in Feldplatten für magnetische Größen verwendet. Für den Ohm’schen Widerstand R eines elektrischen Leiters gilt folgende Abhängigkeit RD

l A

mit dem spezifischen Widerstand , der Leiterlänge l und dem Leiterquerschnitt A. Bei einem Potentiometer wird eine Längenänderung l der Leiterlänge l als Messeffekt ausgenutzt, indem über einen bewegten Schleifkontakt die Widerstandsbahn (linear oder kreissegmentförmig) in seiner Länge verändert wird. . Abb. 31.2a zeigt ein Dreh- und . Abb. 31.2b ein Schiebepotentiometer. Die Widerstandsänderung ist dem Verschiebeweg proportional. . Abb. 31.3 zeigt eine Einrichtung zur Positionsmessung unter Verwendung eines Linearpotentiometers. Der Messfühler ist hier ein Ohm’scher Schiebewiderstand, an dessen verschiebbaren Abgriff ein variabler Teilwiderstand abgegriffen werden kann. Der Gesamtwiderstand R repräsentiert den Messbereich, über den eine Positionsmessung möglich ist. Damit die Verschiebeposition des Potentiometers in eine Signalgröße umgesetzt werden kann, muss man an das Potentiometer eine Spannung U anlegen. Am Abgriff des Potentiometers mit dem Teilwiderstand Rx ist dann eine dem Weg x proportionale

. Abb. 31.3 Positionsmessung mit Potentiometer a Prinzip, b Messkette mit Signalfluss, c elektrisches Schaltbild

Spannung messbar (. Abb. 31.3a). Die Positionsinformation wird demnach durch das Potentiometer zuerst mechanisch in einen proportionalen Ohm’schen Widerstand umgesetzt und anschließend in ein proportionales elektrisches Spannungssignal gewandelt (. Abb. 31.3b). Würde man eine Konstantspannungsquelle zur Speisung des Messwiderstandes benutzen, so würden der Widerstand der Zuleitung und eventuelle Übergangswiderstände mit in den Lastwiderstand der Quelle eingehen und der Wert der Messspannung wäre abhängig von diesen nicht vorhersehbaren Zusatzwiderständen. Man benutzt daher zur Speisung des Potentiometers eine Konstantstromquelle (. Abb. 31.3c), so dass über dem Messwiderstand Rx immer die gleiche Messspannung Ux abfällt. Die Messwertauflösung eines Potentiometers liegt bei ca. l= l D 102  103 . Da Potentiometer sehr robust sind, werden Sie beispielsweise häufig in der Automobiltechnik verwendet. Typische Beispiele sind Winkelsensoren für Drosselklappen, Fahrpedalsensoren und Tankfüllstandssensoren, deren Auflösung nicht sehr hoch zu sein braucht. 7 Beispiel

. Abb. 31.2 Potentiometer a Dreh-, b Linear-

Ein Kraftstofftank eines PKW hat einen Inhalt von 70 l. Der Füllstand ändert sich zwischen Maximum und Minimum um 200 mm. Ein entsprechendes Linearpotentiometer könnte also bei l= l D 5  103 eine Füllstandsdifferenz von l D 1 mm auflösen, was einer Volumendifferenz von 350 ml entspricht. Dies ist für die Tankanzeige völlig ausreichend. 9

645 31.1  Sensoren

. Abb. 31.4 Dehnungsmessstreifen a DMS für Messung in einer Richtung, b Rosetten-DMS für mehrere Messrichtungen

Bei einem Dehnmessstreifen ist ein Draht- oder Halbleiterwiderstand entweder auf einen streifenförmigen Träger aus Papier, Kunststoff oder Aluminium (abhängig von der Einsatztemperatur) aufgeklebt, oder direkt auf das Siliziumsubstrat eines integrierten Schaltkreises aufdiffundiert. Der klassische Dehnungsmessstreifen (DMS) trägt eine mäanderförmige Wicklung aus Konstantandraht (. Abb. 31.4a), um auf möglichst kleiner Fläche eine große Leiterlänge zu platzieren. Zum Messen von mechanischen Spannungsfeldern und von Drehmomenten benutzt man Rosetten aus zwei oder drei DMS, die unter 90ı oder 120ı zueinander auf einem Träger angeordnet sind (. Abb. 31.4b). Ersetzt man das Konstantanwiderstandselement durch eine Schicht aus Silizium, so erhält man einen Halbleiter-DMS. Sein Vorteil ist eine höhere Empfindlichkeit, der Nachteil eine höhere Temperaturabhängigkeit. Die Widerstandsänderung des Siliziums beruht allerdings nicht auf dem normalen Ohm’schen Widerstandseffekt, sondern auf dem noch zu behandelnden Piezo-Widerstandseffekt (7 Abschn. 31.1.2.2). Dehnt man nun einen DMS mit der Leiterlänge l in Längsrichtung, so nimmt dessen Widerstand R um R zu, staucht man ihn, so nimmt sein Widerstand ab. Ist der Leiter senkrecht zur Dehnung mechanisch unbelastet, so beträgt die relative Änderung des Widerstandes R  l D C R  l .1 C 2/ Dabei ist  die Querkontraktionszahl (Poisson-Zahl), die berücksichtigt, dass wegen der Volumenkonstanz mit der Längenänderung eine Querschnittsänderung einhergehen muss. Der zweite Term der Gleichung hängt nur von der Geometrie ab, der erste Term enthält den spezifischen Widerstand , eine Stoffkenngröße, die sowohl von der Temperatur als auch von der Geometrie abhängt. In den spezifischen Widerstand geht die Beweglichkeit der Ladungsträger im Leiter ein.

. Abb. 31.5 Wheatstone’sche Brücke

Falls sich die Beweglichkeit nicht mit der Belastung ändert, findet man einen Wert K für das Verhältnis von relativer Widerstandsänderung und relativer Dehnung, der als K- oder Gage-Faktor bezeichnet wird:  KD

R R

 

l l

 D 2:

Viele Metalle und Legierungen wie z. B. Konstantan verhalten sich nach dieser Gleichung. Es gibt jedoch auch Ausnahmen wie beispielsweise Platin-Iridium mit dem Wert 6,6. Für Silizium kann der Wert je nach Dotierung in einem weiten Bereich zwischen 150 und C200 liegen. Normale relative Dehnungen liegen in der Größenordnung von 103 , so dass sich für typische Widerstandswerte von Draht-DMS zwischen 120 ) und 600 ), Widerstandsänderungen von 0,12 ) bis 0,6 ) ergeben. Um so geringe Werte messen zu können, bedient man sich im Allgemeinen einer Brückenschaltung, z. B. in Form der Wheatston’schen Brücke (. Abb. 31.5), in der 1, 2 oder 4 der Widerstände DMS sein können. Sind alle vier Widerstandswerte der Brücke gleich, so ist die Brücke abgeglichen und die Brückenspannung Ud0 D 0 (Diagonalspannung). Dadurch wird der hohe Widerstandsgrundwert des DMS eliminiert, den man erhalten würde, wenn man die Widerstandsmessung durch eine Strommessung bei bekannter Speisespannung U direkt über dem DMS-Widerstand vornehmen würde. In der Brückenschaltung kann man die Widerstandsmessung durch eine Spannungsmessung der Brückenspannung durchführen, die im unbelasteten Fall des DMS den Wert Null besitzt. Außerdem kann man je nach zu messendem Belastungsfall (Zug, Biegung) sogar zwei oder vier der Brücken-DMS mechanisch in Reihe schalten, wodurch sich der Messeffekt um den Faktor 2 oder 4 erhöht.

31

646

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.6 Silizium-Drucksensor mit piezoresistiver Signalwandlung a Querschnitt, b schematische Ansicht

31

31.1.2.2

Piezowiderstandseffekt

Die Eigenschaften eines Festkörpers hängen im Allgemeinen vom Zustand seiner Dehnung ab. Wirkt eine mechanische Spannung auf einen Kristall, so verschieben sich die Atome gegeneinander. Bestimmte Stoffe zeigen den piezoelektrischen Effekt (s. 7 Abschn. 31.1.2.4). Der piezoelektrische Effekt wirkt in der Regel nur dynamisch, weil äußere Ladungen immer rasch kompensiert werden. Sensoren, die ihn verwenden, sind rezeptive Sensoren. Der piezoresistive Effekt wirkt dagegen auch statisch und kann bei bearbeitenden Sensoren ausgenützt werden. Beim piezoresistiven Effekt verändert sich, anders als beim normalen Ohm’schen Widerstandseffekt, der spezifische Widerstand  der Materialien, solange sie einer Zug- oder Druckbelastung ausgesetzt sind. Er tritt auch in Materialien ohne polare Achsen auf und ist in Halbleitermaterialien wie z. B. Silizium gut ausgeprägt, bei Metallen jedoch sehr gering. In vereinfachter skalarer Schreibweise ist der Zusammenhang zwischen relativer Widerstandsänderung = und der anliegenden mechanischen Spannung wie folgt:  D   Dabei ist der so genannte piezoresistive Koeffizient, der von der Kristallrichtung und den Messbedingungen abhängt. Beim Piezowiderstandseffekt lassen sich, aufgrund der möglichen mechanischen Belastungsfälle eines Körpers, drei verschiedene Effekte unterscheiden. Dies sind der longitudinale (Zugspannung in Richtung des betrachteten Stromflusses), transversale (Zugspannung quer zum betrachteten Stromfluss) und der Scher-Piezowiderstands-

effekt (Scherbelastung quer zum betrachteten Stromfluss). Die entsprechenden Koeffizienten für die Zug-, Druck-Belastung L und T sind beide voneinander verschieden und lassen sich aus den verschiedenen Piezo-Koeffizienten xx berechnen. Beide Koeffizienten sind stark von der Richtung der Belastung im Bezug auf die Orientierung des Kristalls abhängig. Die gezielte Orientierung der piezoresistiven Wandlerelemente in Abhängigkeit von der Kristallrichtung ist deshalb für die technische Anwendung von entscheidender Bedeutung. In der Praxis wird die Piezoresistivität meistens für Elemente verwendet, die in Form von Widerstandsbahnen auf einem Verformungskörper angebracht werden. Als Verformungskörper kommen Biegebalken, insbesondere für Kraft- und Beschleunigungssensoren, und Biegeplatten in rechteckiger und runder Form zum Einsatz. Auch Drücke lassen sich durch die Messung der Durchbiegung einer das Volumen abschließenden Membran messen. Die Widerstände werden in Brückenschaltung in Bereichen maximaler mechanischer Spannungen aufgebracht. Dafür werden vier Widerstände mit möglichst gleichen Eigenschaften benötigt. Dies lässt sich in idealer Weise mit Hilfe mikroelektronischer Techniken realisieren, indem in einen Halbleiter bestimmter Dotierung vier Widerstände eindiffundiert werden. . Abb. 31.6a zeigt einen Querschnitt durch einen Drucksensor mit polykristallinen Piezowiderständen als Messaufnehmer und in . Abb. 31.6b den gesamten, monolithisch integrierten Schaltkreis (Druckmessung s. a. . Abb. 12.59). Auf ihm sind zusätzlich noch integrierte Schaltkreise für eine spannungs- und frequenzanaloge Signalausgabe vorhanden. Das eigentliche Druckmessele-

647 31.1  Sensoren

. Abb. 31.7 Induktiver Sensor in Form eines Differerentialtransformators im Querschnitt und als Schaltbild

ment besteht aus einer allseitig eingespannten Membran, die sich verwölbt, wenn auf den beiden Seiten der Membranoberfläche eine Druckdifferenz auftritt. Die Membran besteht aus einer Siliziumfolie, die durch gezieltes Verdünnen des Siliziumwafers erzeugt wird. Auf der Membran ist eine Brücke aus piezoresistiven Widerständen aufgebracht, die bei Verformung der Membran ihren Widerstand ändern. Aufgrund der integrierten Elektronik kann der Sensor direkt ein digitales Ausgangssignal liefern. Solche in der gleichen Mikrotechnologie aus Silizium hergestellten Mikrosysteme werden im internationalen Bereich auch als MEMS (Micro-Electro-Mechanical System) bezeichnet. 31.1.2.3

Magnetische Effekte

Die Änderung der Induktivität einer Spule wird schon lange als Messeffekt für bearbeitende Sensoren zur Wegund Winkelmessung eingesetzt. Bei den meisten wird eine Kombination aus einer Spule, einem Magneten oder Spulenkern und einem zu erfassenden Objekt verwendet. Das solchen Sensoren zugrunde liegende Wirkprinzip beruht auf dem Induktionsgesetz Uind D N

d˚ dt

(31.1)

mit Uind als der in der Spule induzierten Spannung, d˚=dt der magnetischen Flussänderung und N der Windungszahl der Spule. Als Messprinzip wird in der Regel die Änderung des magnetischen Flusses durch Dreh- oder Relativbewegungen benutzt. Um Möglichkeiten für die Flussänderung zu erkennen, kann man (31.1) wie folgt umformen: Uind D N

d .B  A/ d .r  0  N  I  A= l/ D N dt dt (31.2)

Darin sind B die magnetische Induktion, r und 0 die Permeabilität des Spulenkerns und des Vakuums, I der Strom durch die Spulenwicklung, A die Querschnittsfläche der Spule und l die Spulenlänge. Eine Vielzahl der möglichen Einflussgrößen auf die Flussänderung ist auch in der Spuleninduktivität L D r  0  N 2  enthalten.

A l

(31.3)

Von diesen Einflussgrößen lässt sich am einfachsten die relative Permeabilität r ändern, indem man den Spulenkern in der Spule verschiebt. Ein nach diesem Prinzip arbeitender Sensor, mit dem man auch sehr kleine Verschiebungen erfassen kann, ist der in . Abb. 31.7 dargestellte Differentialtransformator. Beim Eindringen des Kerns in den Hohlraum einer Spule wächst die Induktivität, jedoch ist die Wegabhängigkeit nicht linear. Durch eine Gegentaktanordnung der Sekundärspulen wie in . Abb. 31.7 lässt sich die Kennlinie aber linearisieren. In dem rotationssymmetrischen Gehäuse ist eine Primärwicklung untergebracht, die von einem Oszillator mit einer Wechselspannung von einigen kHz gespeist wird. In den beiden gegentaktmäßig in Reihe geschalteten Sekundärspulen wird, je nach Stellung des wegfühlenden Kerns, eine Spannung induziert. Dabei hängt die Kopplung von Primär- und Sekundärspule von der Stellung des Kerns ab. Nach Demodulation und Verstärkung liegt am Ausgang ein analoges Differenzsignal der beiden Sekundärspulen vor. Das gleiche Prinzip kann als Sensor auch mit beweglichen Spulen genutzt werden, deren Kopplung durch Verschieben oder Verdrehen zueinander geändert werden kann. Die sich dadurch verändernde Amplitude der Sekundärspannung stellt den Messeffekt für eine Wegmessung dar. Ein typischer Vertreter eines solchen Systems ist der Drehmelder oder Resolver. In seinem Aufbau ähnelt der Resolver einem kleinen Elektromotor mit Präzisionswicklung. Der Stator trägt zwei Wicklungsgruppen, deren Wicklungsebenen senkrecht aufeinander stehen, also räumlich um 90ı zueinander versetzt sind (. Abb. 31.8a). Der Rotor des Systems trägt eine Wicklung, die über Schleifkontakte mit Spannung versorgt werden kann, oder an der man eine im Rotor induzierte Spannung messen kann. Je nach Anwendungsfall kann das Maschinenteil, dessen Verdrehwinkel ' gegenüber einer Bezugslinie mit dem Resolver bestimmt werden soll, mit dem Rotor oder dem Stator verbunden sein. Über einen Lineartrieb (z. B. Zahnstange-RitzelSystem) können auch Linearbewegungen erfasst werden. Im Prinzip kann man zwei Betriebsarten verwenden. Entweder man speist die Statorwicklungen mit einer Wechselspannung von URef und misst die im Rotor induzierte Spannung UR , oder man speist den Rotor mit Wechselspannung und misst die in den Statorwicklungen induzierten Spannungen US1 und US2 .

31

648

31

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.8 Resolver oder Drehmelder a Funktionsprinzip, b Phasenauswertung bei Speisung der Statorwicklungen mit Referenzwechselspannung, c Amplitudenauswertung bei Speisung der Rotorwicklung

Im ersten Fall (. Abb. 31.8b) besteht die Messung in der Ermittlung der Phasenverschiebung ' der Rotorspannung gegenüber der Referenzspannung. Diese Phasenverschiebung entspricht dem Verdrehwinkel der Rotorwicklung gegenüber der Statorwicklung. Die Spannung am Rotor ergibt sich aus den in der Rotorwicklung induzierten Spannungsanteilen aus beiden Statorwicklungen. Speist man die Rotorwicklung mit der Referenzspannung und misst die beiden in den Statorwicklungen induzierten Spannungen, so werden deren Amplituden durch den Verdrehwinkel ' in ihrer Amplitude verändert (. Abb. 31.7c). Aus der Messung der Spannung an einer Statorwicklung kann man Winkelwerte für ' in einem Qua. Abb. 31.9 Anwendung induktiver Sensoren für unterschiedliche Messaufgaben

dranten ablesen, durch Vergleich beider Ausgangsspannungen wird es möglich, Winkelwerte zwischen 0ı und 360ı eindeutig zu messen. Auch bei feststehendem Spulenkern kann durch Einbringen eines ferromagnetischen Objektes in das Spulenfeld das gleiche Prinzip für einen Annäherungssensor genutzt werden. Die Spule des Sensors wird mit einer Wechselspannung gespeist. Die Änderung der Induktivität der Spule bei Eindringen von ferromagnetischem Material in ihr Magnetfeld wirkt sich auf die Wechselspannung aus. Man kann dann entweder Amplitudenänderungen oder Phasenverschiebungen als Messeffekt ausnutzen. Die vielfältigen Möglichkeiten für die Anwendung solcher induktiver Sensoren für unterschiedliche Messaufgaben zeigt . Abb. 31.9. Außerdem kann der gleiche Effekt zur Drehzahlmessung verwendet werden. . Abb. 31.10 zeigt eine Anordnung, bei der ein Zahnrad an der Welle befestigt ist, deren Drehzahl bestimmt werden soll. Durch einen kleinen Luftspalt getrennt ist ein induktiver Näherungsfühler radial vor den Zahnköpfen angebracht. Bei Annäherung eines Zahnkopfes an den Näherungsfühler erzeugt dieser einen Zählimpuls. Die Frequenz dieser Impulse ist ein Maß für die Drehzahl. Galvanomagnetische Effekte sind solche, die es erlauben Magnetfelder verschiedener Stärke nachzuweisen. Durch Anwendung solcher Effekte in Sensoren, von denen der Hall-Effekt der bekannteste ist, kann man das Vorhandensein eines Magnetfeldes in ein elektrisches Signal transformieren. Als Maßeinheit für die Stärke eines Magnetfeldes wird die magnetische Induktion benutzt, deren Maßeinheit das Tesla ist (1 T D 1 Vs/m2 ). Der Messbereich

649 31.1  Sensoren

. Abb. 31.10 Prinzip der Abtastung eines Zahnrades mit einem induktiven oder galvanomagnetischen Sensor

von Magnetfeldern ist sehr groß. So liegen die Streufelder der magnetischen Domänen von Aufzeichnungsmedien im Bereich 10 *T bis 10 mT, während Permanentmagneten Felder von 5 mT bis 100 mT aufweisen. Effekte wie der Hall-Effekt, entdeckt von dem amerikanischen Physiker E. Hall (1879), beruhen auf der Wirkung der Lorentzkraft (H.A. Lorentz, niederl. Physiker 1853–1928) auf bewegte Ladungen in einem Magnetfeld: FEL D e  vE BE Darin sind e die Elektronenladung, vE die Ladungsträgergeschwindigkeit und BE die magnetische Induktion. Der Zusammenhang zwischen der magnetischen Induktion und der magnetischen Feldstärke HE ist durch folgende Beziehung gegeben: BE D r  0  HE Die Stärke der Lorentzkraft hängt demnach von der Permeabilität des verwendeten Materials ab. Bei ferromagne. Abb. 31.11 Einfluss eines Magnetfeldes auf die Verteilung von Strom- und Äquipotentiallinien in der rechteckigen Halbleiterschicht eines Hall-Generators a ohne Magnetfeld, b Messung der Hall-Spannung am Hall-Generator, c Messung der Spannung am Gesamtwiderstand einer Feldplatte

tischen Stoffen ist ihr Wert r 1. Man benutzt dünne Metallfilme aus NiFe mit entsprechend hoher Empfindlichkeit. Dia- oder paramagnetische Stoffe wie etwa alle Halbleiter haben ein r  1 und sind daher relativ unempfindlich. Diese Materialien (Si, GaAs, InSb) werden jedoch vielfach für Elemente verwendet, die den Hall-Effekt ausnutzen. Hallgeneratoren bestehen meist aus einem sehr dünnen Streifen eines Halbleitermaterials, an dessen gegenüberliegenden Seiten jeweils zwei Elektroden angebracht sind. Lässt man in einem feldfreien Raum in Längsrichtung des Halbleiters einen Strom I12 fließen (. Abb. 31.11a), so misst man über den Elektroden 1 und 2 die Spannung UR , aus der sich der Gesamtwiderstand bestimmen lässt. Da in einem homogenen Halbleiter die Potentiallinien des elektrischen Feldes (gestrichelte Linien) parallel sind und senkrecht zu den Stromlinien (durchgezogene Linien) verlaufen, liegen die Elektroden 3 und 4 auf gleichem Potential und die Hall-Spannung UH ist gleich Null. Wirkt nun ein Magnetfeld senkrecht zum Halbleitermaterial in Richtung zE, so werden aufgrund der Lorentzkräfte die Ladungsträger aus der ursprünglichen Stromflussrichtung in Richtung yE abgelenkt (. Abb. 31.11b), wodurch sich nun die Elektroden 3 und 4 auf zwei verschiedenen Äquipotentiallinien befinden. Die Äquipotentiallinien werden um den Winkel ˚H gedreht, im Bereich der Hall-Elektroden bleibt die ursprüngliche Stromrichtung erhalten. Dies bedeutet nichts anderes, als dass nun zwischen den Hall-Elektroden ein Potentialunterschied auftritt, d. h. die Hall-Spannung ist von Null verschieden. Um eine möglichst hohe Hall-Spannung zu bekommen, wählt man die Länge a gegenüber der Breite b möglichst groß. . Abb. 31.12 zeigt einen HallSensor in miniaturisierter Bauweise. In der Nähe der Steuerelektroden 1 und 2 werden die Stromlinien um den Hall-Winkel ˚H gedreht, da diese

31

650

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.12 Hall-Sensor . Abb. 31.14 Inkrementales Wegmesssystem mit Feldplatten

31

. Abb. 31.13 Kennlinie eines a Hall-Generators und einer b Feldplatte

metallisch leitenden Elektroden Äquipotentiallinien darstellen. Dadurch wird eine Verlängerung der Strombahnen und somit eine Erhöhung des Widerstandes hervorgerufen. Aufgrund dieses magnetoresistiven Effektes steigt die Spannung UR an. Will man gerade diesen magnetischen Widerstandseffekt ausnutzen, so muss man die Länge a sehr viel kleiner als die Breite b wählen (. Abb. 31.11c), weil dann die relative Widerstandsänderung besonders groß wird. Einen solchen Sensor bezeichnet man auch als Feldplatte. Um einen Grundwiderstand R.0/ solcher Feldplatten von einigen 100 ) zu erhalten, werden in einer Feldplatte mehrere Streifen mit a b in Serie geschaltet. Der magnetische Widerstand R.B/ einer Feldplatte zeigt für kleine magnetische Induktionen B eine nahezu quadratische Abhängigkeit von B. Die prinzipiellen Verläufe der Kennlinien eines Hall-Generators und einer Feldplatte sind in . Abb. 31.13 dargestellt. In . Abb. 31.14 ist ein inkrementales Wegmesssystem für Linearbewegungen dargestellt, das als Sensorsystem Feldplatten verwendet. Die vier Feldplatten, die in einer Brückenschaltung zusammengeschaltet sind, befinden sich im Magnetfeld eines Permanentmagneten, dessen Feld durch ferromagnetische Plättchen homogenisiert wird. Jeweils zwei der Feldplatten sind so angeordnet, dass sie genau dem Raster der Zähne und Zahnlücken der ferromagnetischen Zahnstange entsprechen. Durch Relativbewegung der Zahnstange gegenüber dem Sensorkopf wird das Magnetfeld senkrecht zu den Feldplatten zyklisch verändert. Die dadurch auftretenden Widerstandsänderungen der Feldplatten ergeben die Zählimpulse für ein inkrementales Wegmesssystem.

. Abb. 31.15 Kraftmessung mit magnetoelastischem Verformungskörper (Pressduktor)

Magnetoelastische Materialien wie z. B. Fe50 Co50 ändern ihre Permeabilität unter Druck oder Zug (VillariEffekt) oder bei Torsion (Matteucci-Effekt) und dienen als magnetoelastische Sensoren für Kraft und Drehmoment. . Abb. 31.15 zeigt einen Kraftaufnehmer, der mit Elementen aus magnetoelastischem Material arbeitet. Dieses isotrope Material mit anfänglich homogener magnetischer Permeabilität ändert sich in Kraftrichtung anisotrop wenn es unter mechanische Spannung gesetzt wird. Dadurch nimmt bei einer Druckbelastung des Materials die zunächst homogene magnetische Permeabilität in Belastungsrichtung ab und senkrecht dazu steigt sie an. Die Permeabilitätsänderungen können durch eine Spulenanordnung entsprechend . Abb. 31.15 ausgewertet werden, die auch als Pressduktor bezeichnet wird. In entsprechendem magnetoelastischen Material sind zwei senkrecht zueinander stehende Spulen integriert. Die durch einen Wechselstrom gespeiste Primärspule erzeugt eine magnetische Induktion mit dem im linken Bildteil dargestellten symmetrischen Feldlinienverlauf. Der resultierende magnetische Flussanteil, der durch die von der Sekundärspule begrenzte Fläche durchtritt, hebt sich durch den symmetrischen Verlauf auf, so dass in der Sekundärspule keine Spannung induziert wird. Wie im rechten Bildteil zu sehen ist, wird der Feldlinienverlauf unter Einwirkung einer äußeren

651 31.1  Sensoren

31.1.2.4

Kapazitive Effekte

Kapazitive Effekte werden vor allem zur Erfassung von Abständen, Verschiebungen oder Verdrehungen verwendet. Die Kapazität C eines Kondensators verknüpft die Ladung Q und die Spannung U eines Kondensators wie folgt miteinander: Q DC U

. Abb. 31.16 Magnetostriktive Positionsmessung

Druckkraft und der daraus resultierenden Anisotropie des Materials verzerrt. Dadurch verläuft ein Flussanteil durch die Sekundärspule und es wird eine Sekundärspannung induziert. Der Zusammenhang zwischen Druckkraft und resultierender induzierter Spannung weist eine gute Linearität auf. Umgekehrt führt die Magnetisierung gewisser ferromagnetischer Materialien z. B. Ni81 Fe19 zu einer Änderung der Abmessungen (Magnetostriktion oder Joule-Effekt) und des Elastizitätsmoduls (DE-Effekt). . Abb. 31.16 zeigt eine Positionsmesseinrichtung, die die Magnetostriktion in einem dünnen Rohr dieses Materials ausnutzt. In diesem Rohr befindet sich ein elektrischer Leiter. Der Strom eines Sendeimpulses i.t/ erzeugt ein zirkulares Magnetfeld der Stärke B.i/ in dem Rohr. An der Stelle der zu messenden Position befindet sich ein in Längsrichtung des Rohres verschiebbarer Permanentmagnet, dessen Magnetfeldlinien senkrecht zu dem zirkularen Magnetfeld des Sendeimpulses stehen. Die Überlagerung beider Magnetfelder regt den magnetostriktiven Vorgang an, und es entsteht ein mechanischer Echoimpuls im Ultraschallbereich, der sich mit etwa vS D 2850 m/s in beiden Richtungen entlang des Rohres ausbreitet. Zur Unterdrückung des RückwandEchoimpulses ist eine Dämpfung eingebaut. Am Ende des Rohres wird dieser Echoimpuls von einem Ultraschallsensor aufgenommen und auf Grund der Laufzeit zwischen Sendeimpuls und mechanischem Echoimpuls die Position des Permanentmagneten relativ zum Empfangssensor bestimmt. . Abb. 31.17 Messeffekte durch Kapazitätsänderung

Die einfachste Form eines Kondensators ist der Plattenkondensator mit kreisförmigen Elektroden. Die Kapazität eines solchen Kondensators ist von der Fläche A der Elektroden, deren Abstand d , sowie den Dielektrizitätskonstanten "r des im Feld befindlichen Dielektrikums und "0 des Vakuums abhängig: C D "r  "0 

A d

Die in dieser Gleichung vorkommenden änderbaren Größen werden alle für die genannten Messaufgaben genutzt. Die erste Möglichkeit (. Abb. 31.17a) besteht in einer Abstandsänderung der Platten zueinander, die eine hyperbolische Änderung der Kapazität C Š 1=d in Abhängigkeit von d ergibt. Bei einer parallelen Verschiebung der Platten relativ zueinander (. Abb. 31.17b) ist eine direkte Proportionalität C Š A zur Flächenänderung gegeben, mit der Möglichkeit, gewünschte Kennlinienformen durch Wahl der Konturen zu beeinflussen. Drehkondensatoren erlauben die Umformung von Drehwinkeln in Kapazitätswerte (. Abb. 31.17d) mit einer durch die Kontur bedingten Kennlinie. Auch die Verschiebung eines festen Dielektrikums ist zur Messgrößenerfassung geeignet (. Abb. 31.16c). Aus dem Raumanteil ohne Dielektrikum und dem Teil mit der Dielektrizitätskonstanten "r ergibt sich eine mittlere Dielektrizitätskonstante "m . Diese hängt linear von der Verschiebung des Dielektrikums ab. Die Hauptvorteile kapazitiver Sensoren liegen im einfachen Aufbau, der nahezu exakten Berechenbarkeit und der sehr guten Auflösung. Sie können bei erhöhten Temperaturen eingesetzt werden und liefern ein frequenzanaloges Ausgangssignal. Dem stehen Nachteile durch die kleinen Messsignale (Störempfindlichkeit) und durch den Einfluss von Kabelkapazitäten gegenüber.

31

652

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.19 Elementarzelle des Quarzes mit und ohne äußere Belastung

31 . Abb. 31.18 Prinzip eines D-Feld-Sensors

Außer den schon oben dargestellten Möglichkeiten zur Erfassung von Verschiebungen durch Änderung der Kapazität eines Kondensators gibt es den so genannten D-FeldSensor (D steht für Dielektrikum). Wie in . Abb. 31.18 dargestellt, besteht der Sensor aus drei Elektroden. An den Elektroden 1 und 2 liegen gegenphasige Wechselspannungen an. Das daraus resultierende Potential wird am Ort der dritten Elektrode S aufgenommen und anschließend frequenz- und phasenselektiv weiter bearbeitet. Im abgeglichenen und ungestörten Zustand liegt die Elektrode S auf Nullpotential. Dringt ein leitendes oder nichtleitendes Objekt in das Messvolumen ein, ändern sich die Potentialverhältnisse. Je nach Lage der drei Elektroden kann man daraus eine einfache Abstandsmessung oder auch eine richtungsabhängige Abstandsmessung ableiten. Auch auf Änderungen der Sensorgeometrie reagiert das System sehr empfindlich. Die Kennlinie des Sensors ist nichtlinear (. Abb. 31.18), in kleinen Bereichen kann man jedoch von einem linearen Abstandsgesetz ausgehen, mit einer Messempfindlichkeit von 105 . Das Messsystem ist mit geeigneten keramischen Werkstoffen für die Halterungsmaterialien bis zu Umgebungstemperaturen von 1000 ı C geeignet. Ein typischer Einsatzfall des Systems ist daher als Abstandssensor für das Schneiden von Werkstoffen mit Laserstrahlung. 31.1.2.5

Piezo- und Pyroelektrische Effekte

Der piezoelektrische (druckelektrische) Effekt besteht darin, dass bei einer Belastung eines solchen Stoffes mit einer äußeren mechanischen Spannung elektrische Ladungen auf gegenüberliegenden Oberflächen getrennt werden, Man kann dann zwischen den Oberflächen eine elektrische Spannung messen. Dieser Prozess ist auch noch umkehrbar; d. h. es tritt auch ein reziproker piezoelektrischer Effekt

auf. Bringt man den Stoff zwischen zwei Elektroden und legt an diese eine Spannung an, so reagiert das piezoelektrische Material mit einer Formänderung. Der Piezoeffekt beruht auf den Eigenschaften der Elementarzellen des Materialgefüges eines solchen Stoffes. Eine Elementarzelle ist die kleinste Systemeinheit des Materials, aus deren Vervielfachung der Aufbau des makroskopischen Kristalls möglich ist. Voraussetzung für das Auftreten des Piezoeffektes ist eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit und das Fehlen eines Symmetriezentrums in der Elementarzelle. Der Vorgang der Ausbildung des Piezoeffektes ist in . Abb. 31.19 am Beispiel des Quarzes gezeigt. Wird das Material durch äußeren Druck deformiert, so deformieren sich auch die Elementarzellen, wodurch die Schwerpunkte der positiven und negativen Ladungen verschoben werden. Dadurch bilden die Elementarzellen elektrische Dipole aus, wobei aus energetischen Gründen sich alle Dipole benachbarter Elementarzellen in gleicher Richtung orientieren und so genannte Domänen bilden. Auf den äußeren Elektroden sammeln sich Ladungen an, so dass man zwischen ihnen eine Spannung messen kann. Der reziproke piezoelektrische Effekt tritt auf, wenn man an die Elektroden eines solchen Elementes eine elektrische Spannung anlegt. Im elektrischen Feld verformen sich die Elementarzellen, sodass beispielsweise bei einer Scheibe dieses Stoffes eine Dickenänderung auftritt. Piezoelektische Stoffe werden in der Technik vielfältig eingesetzt, wobei sowohl der normale als auch der reziproke Effekt ausgenutzt werden. Ein solches Piezoelement kann man beispielsweise als Kraftmesssensor benutzen, da durch den piezoelektrischen Effekt an einem solchen Element durch Druck oder Zug elektrische Spannungen erzeugt werden, die der Größe der Kraft proportional sind. . Abb. 31.20 zeigt das Prinzip eines Beschleunigungssensors mit piezoelektrischer Kraftmessung. Im Sensor ist eine seismische Masse elastisch aufgehängt, die bei Einwirkung einer Beschleunigung ausgelenkt wird. Die Masse m drückt entsprechend dem Newton’schen Gesetz F D m  a mit einer Kraft F auf das Paket von piezoelektrischen Scheiben, die dadurch eine zur Kraft proportionale Spannung erzeugen. Bei bekannter Masse m kann dann auf die Beschleunigung a zurück geschlossen werden.

653 31.1  Sensoren

. Abb. 31.20 Prinzipskizze eines Beschleunigungssensors mit piezoelektrischer Kraftmessung

Durch Nutzung des reziproken Effektes kann auch ein Aktor hergestellt werden, den man für kurzhubige, genaue Stellbewegungen nutzen kann. Bei pyroelektrischen Materialien geschieht die Ladungstrennung auch bei einer Temperaturänderung des Stoffes. Es gibt Einkristalle (˛-Quarz, Lithiumniobat ), Keramik (Bariumtitanat, Bleizirkonattitanat, Bleimetaniobat) und Polymere (Polyvenylidendifluorid PVDF) mit derartigen Eigenschaften. Halbleiter zeigen keine oder nur sehr geringe Neigung zur Piezoelektrizität. Durch Verwendung geeigneter Materialien sind unter Nutzung des piezo- und pyroelektrischen Effektes rezeptive Sensoren mit einem weiten Linearitätsbereich herstellbar, deren Empfindlichkeit nur durch das mechanische und thermische Hintergrund- rauschen begrenzt ist. Demgegenüber weisen piezoresistive Siliziumsensoren für ähnliche Aufgaben wie piezoelektrische Sensoren ein Rekombinationsrauschen auf, das um ein Mehrfaches über dem thermischen Rauschen liegt. Besonders die Piezokeramiken und -polymere bieten wegen ihrer einfachen Formbarkeit eine große Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Größe und Form des aktiven Sensorvolumens. Mechanische Anpassungen, wie sie im Bereich der Anwendung des piezo- elektrischen Effektes für die Erzeugung von Ultraschall benötigt werden, sind möglich. Neben der Ultraschall-Prüf- und Messtechnik werden piezoelektrische Sensoren als Drucksensoren, Kraftsensoren, Beschleunigungsaufnehmer, Mikrofone und vieles andere mehr, eingesetzt. Da der piezoelektrische Effekt reversibel ist (inverser oder reziproker piezoelektrischer Effekt), werden Piezoelemente auch als Aktoren für kleine Wege und als Ultraschallsender eingesetzt. Bei der Umkehrung des Effektes führt das Material in einem elektrischen Feld Längenänderungen aus. Ist dies ein Wechselfeld, so wird das Material in Schwingung versetzt. Da Piezo- und Pyroeffekt vielfach gemeinsam auftreten, muss man bei Piezosensoren im Bedarfsfall Kompensationsmaßnahmen gegen den störenden Pyroeffekt vorsehen und umgekehrt. Ein Nachteil piezo- und pyroelektrischer Wandler ist, dass die von ihnen einmal erzeugte Ladung nicht beliebig lange erhalten bleibt. Sie fließt über den Isolationswider-

stand der Sensor- und Verstärkerschaltung ab, auch wenn man diesen sorgfältig so hochohmig wie möglich auslegt. Statische Messungen hoher Genauigkeit über mehrere Minuten hinweg sind nur durch Piezomaterialien mit extrem hohem spezifischen Widerstand wie beispielsweise synthetischem ˛-Quarz mit  > 1015 )  m möglich. Keramiken und Polymere liegen in der Zeitkonstante deutlich darunter ( > 1012 )  m/. Um quasistatische Messungen durchführen zu können, muss man Integrations- oder Ladungsverstärker verwenden, mit denen nicht die Spannung des Piezoelementes, sondern die Ladung direkt gemessen wird. Wichtig dabei ist auch die Verwendung von speziellen Messkabeln mit hohem Isolationswiderstand und geringen Störspannungen. Aus diesem Grund sind piezo- und pyroelektrische Sensoren am besten bei schnellen dynamischen oder transienten Vorgängen mit Frequenzen vom Hz- bis in den MHzBereich geeignet. Eine typische Anwendung eines piezoelektrischen Sensors ist die berührungsfreie Abstandmessung mit Ultraschall aufgrund der Laufzeitverzögerung eines Echos vom Objekt der Messung. Dazu wird im Sende- und Empfangssensor eine dünne Scheibe aus piezoelektrischen Material durch einen elektrischen Sendeimpuls aufgrund des reziproken Piezoeffektes zu Schwingungen im Ultraschallbereich angeregt (. Abb. 31.21a). Durch den extrem kurzen elektrischen Impuls ist der ausgesendete Ultraschallimpuls ebenfalls sehr kurz. Die Schallwellen breiten sich als Longitudinalwellen senkrecht zum Schwinger in der Luft aus . Abb. 31.21b). Der ebenfalls zur Rückwand ausgesendete Schallimpuls wird im Dämpfungskörper absorbiert. An der Grenzfläche eines Objektes, dessen Abstand d zum Sensor bestimmt werden soll, wird der Ultraschallimpuls reflektiert und gelangt auf dem gleichen Weg zum Sensor zurück. Beim Auftreffen auf den Piezoschwinger wird das Ultraschallecho aufgrund des Piezoeffektes wieder in ein elektrisches Signal gewandelt. Durch eine Laufzeitmessung zwischen Sende- und Echosignal kann dann auf die Entfernung zwischen Sensor und Reflektor zurück geschlossen werden (. Abb. 31.21c). Sende- und Empfangssignal haben einen Amplitudenunterschied von mindestens 40 dB, so dass das Empfangssignal vor der Auswertung verstärkt werden muss. Bei der Abstandsbestimmung aus der Signallaufzeit ist im Empfänger noch die Schallgeschwindigkeit in Luft zu berücksichtigen, die zusätzlich noch temperaturabhängig ist. Auf diese Weise können in Luft Entfernungen bis zu 30 m und in Wasser (Echolot) sogar bis zu mehreren hundert Metern gemessen werden. 31.1.2.6

Optische Effekte

Sensoren auf Halbleiterbasis, die optische Effekte ausnutzen, haben in der Mess- und Automatisierungstechnik große Bedeutung. Dabei werden optische Sensoren nur in geringem Umfang zur Messung von Licht an sich eingesetzt, sondern in der Regel in Systemen zur Positions- oder Winkelmessung und in Form großer Arrays (Matrixanord-

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654

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.21 a UltraschallSender/Empfänger, b Abstand d zwischen Sender und Reflektor, c Laufzeitmessung zwischen Sendeund Empfangssignal

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nungen) in Kameras zur Erkennung und Lagebestimmung komplexer geometrischer Objekte. Aufgrund der Einfachheit und des niedrigen Preises werden vor allem optische Halbleitersensoren aus Silizium verwendet. Der Einsatz optischer Elemente in den oben genannten Sensorsystemen erfolgt, weil trotz alternativer Möglichkeiten folgende Vorteile gegenüber anderen Systemen bestehen: 4 kontaktlose Messung 4 Messung an schwer zugänglichen Stellen oder in aggressiver Umgebung, eventuell unter Verwendung von Lichtleitfasern 4 hohe Genauigkeit beispielsweise bei interferometrischer Anordnung 4 weitgehende Immunität optischer Signale gegenüber äußeren elektromagnetischen Feldern 4 einfache Potentialtrennung 4 Vermeidung elektrischer Funken (Explosionsschutz). Optische Halbleitersensoren sprechen auf die Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung (sichtbares Licht, Infrarot, Ultraviolett) mit dem Halbleitermaterial an, in dessen Volumen die Strahlung durch Ionisation freie Ladungsträger erzeugt. Dazu ist eine bestimmte Energie notwendig, die im Halbleiterkristall absorbiert wird. Trifft Licht auf einen Si-Halbleiterkristall, so werden durch die Energie der auftreffenden Photonen Elektronen aus dem Valenzband ins Leitungsband gehoben; es entstehen freie Elektronen und Löcher, also positive und negative Ladungsträger. Fällt das Licht auf den PN-Über-

. Abb. 31.22 Aufbau einer einfachen PN-Fotodiode

gang einer Fotodiode (. Abb. 31.22), so werden die Ladungsträger durch eine Raumladungszone, die so genannte Sperrschicht, voneinander getrennt. Dabei wandern die Elektronen in das N-Gebiet und die Löcher in das P-Gebiet ab. Es entsteht eine elektrische Potentialdifferenz, die annähernd logarithmisch mit der Bestrahlungsintensität ansteigt und sich schließlich dem Sättigungswert von etwa 0,6 Volt nähert. Die Spannung ist unabhängig von der Diodenfläche. Schließt man die Diode kurz, dann fließt ein Strom der proportional zur Bestrahlungsintensität und zur bestrahlten Fläche ist. Dieser Effekt lässt sich praktisch zur Messung von Lichtintensitäten und auch zur Erzeugung elektrischer Energie nutzen. Im ersten Fall spricht man von einem Fotoelement, im zweiten Fall von einer Solarzelle. Physikalisch gesehen ist beides das gleiche, nur die praktische Ausführung ist unterschiedlich und auf den jeweiligen Verwendungszweck hin optimiert.

655 31.1  Sensoren

. Abb. 31.23 Verschiedene Betriebsarten einer lichtempfindlichen Diode a Betrieb als Fotodiode mit Vorspannung, b Betrieb als Fotoelement

Wird an die Diode eine Vorspannung in Sperrrichtung gelegt, dann fließt durch sie, bis auf einen minimalen Leckstrom, in der Dunkelheit kein Strom. Fällt Licht in die Sperrschicht, dann setzt ein Stromfluss (Sperrstrom) ein, der über 6–8 Größenordnungen hinweg proportional zur Beleuchtungsstärke ist. Die Diode wirkt als lichtabhängiger Widerstand. Im Fall einer derartigen Beschaltung (. Abb. 31.23a) spricht man von einer Fotodiode. Im Normalbetrieb in . Abb. 31.23b, in dem die Diode als lichtproportionale Stromquelle wirkt, bezeichnet man die Diode als Fotoelement. Diese beiden Betriebsarten sind immer möglich. Die einfache Fotodiode lässt sich durch Integration einer zweiten Diode zum bipolaren Fototransistor erweitern. Dadurch ist eine Verstärkung des Fotostroms um den Faktor 100 bis 1000 möglich, d. h. die Empfindlichkeit ist deutlich verbessert. Allerdings sind aufgrund der großen Kollektor-Basis-Kapazität von Fototransistoren deren Anstiegs- und Abfallzeiten mit 5 bis 10 *s sehr viel höher als bei Fotodioden, wodurch ihre Grenzfrequenz bedeutend niedriger liegt. Wie bei vielen anderen physikalischen Effekten lässt sich der bei der Fotodiode beschriebene Vorgang auch umkehren, so dass man Halbleiterdioden herstellen kann, die bei Anlegen einer in Durchlassrichtung gepolten Spannung Strahlung in einem engen Frequenzbereich aussenden. Liegt die Strahlung im sichtbaren Bereich, so spricht man von Leuchtdioden (LED: Light Emitting Diode). Spezielle Halbleitermaterialien (AlGaAs/GaAs) und ein bestimmter geometrischer Aufbau (optischer Resonator) ermöglichen sogar die Erzeugung von Laser-Strahlung in der Regel im Infrarot-Bereich. Solche als Injektions-Laser bezeichneten Laser-Dioden werden zur optischen Nachrichtenübertragung, Abtastung von CDs, aber auch als Sendedioden für Entfernungsmessungen mit einem Laserradar (Lidar) benutzt. In der Automatisierungstechnik werden häufig Kombinationen aus LEDs als Lichtschranke oder als Lichttaster eingesetzt. . Abb. 31.24 zeigt eine solche Lichtschranke in Form einer „Gabellichtschranke“. In den beiden Armenden sind gegenüberliegend jeweils eine Leuchtdiode und ein Fotodiode eingebaut, Der von der LED ausgesendete Lichtstrahl wird beim Nichtvorhandensein eines Objektes zwischen den Gabelarmen von der Fotodiode empfangen und signalisiert damit den Zustand „Kein Objekt“. Tritt

. Abb. 31.24 Gabellichtschranke (Sick)

ein Objekt zwischen die Gabelarme, so wird der Lichtstrahl unterbrochen und die Fotodiode signalisiert aufgrund des fehlenden Lichtes „Objekt vorhanden“. Das ausgesendete Licht der LED liegt meist im nicht sichtbaren Infrarotbereich, damit die Empfangsdiode, die ebenfalls im Infrarotbereich empfindlich ist, nicht durch Streulicht der Umgebung gestört wird. . Abb. 31.25 zeigt einen Reflex-Lichttaster. Hier sind Sender und Empfänger unter leichter Schrägstellung so untereinander angeordnet, dass bei Vorhandensein eines reflektierenden Objektes im Schaltabstand des Tasters der Lichtstrahl zum Empfänger reflektiert wird und dadurch das Objekt detektiert wird. Fotowiderstände sind lichtempfindliche Halbleiterbauelemente aus Cadmium- oder Bleisulfid (CdS, PbS), die keine Sperrschicht enthalten. Bei Dunkelheit ist die Zahl der freien Ladungsträger sehr gering, so dass sich ein sehr hoher Widerstand im M)-Bereich ergibt. Licht setzt im Material Ladungsträger frei, die einen Stromfluss ermöglichen und der Widerstand sinkt um 3–4 Größenordnungen. Da der Strom proportional zur angelegten Spannung ist, verhält sich der Fotowiderstand wie ein ohmscher Widerstand. Es ist daher auch ein Betrieb mit Wechselspannung möglich. Weil der Fotowiderstand eine sehr niedrige Grenzfrequenz von einigen Hz besitzt und seine elektrischen Eigenschaften nicht zeitlich konstant sind, hat er heute gegenüber Fotodioden und -transistoren an Bedeutung verloren.

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656

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

31 . Abb. 31.25 Reflex-Lichttaster (Sick)

Die optische Abtastung von Maßverkörperungen ist das wichtigste Messverfahren um Winkellagen über viele Umdrehungen des Messsystems oder lineare Verschiebungen über größere Strecken messen zu können. Man kann zwei wichtige unterschiedliche Messverfahren unterscheiden. Das inkrementale Messverfahren benutzt als Maßverkörperung einen Tragkörper aus Glas, auf den eine Gitterteilung aus lichtundurchlässigen Strichen und lichtdurchlässigen Lücken aufgebracht ist (. Abb. 31.26). Die Teilungsperiode beträgt bei sehr genauen Maßstäben 10 *m oder 20 *m. Zusätzlich sind auf einer zweiten Spur eine oder mehrere Referenzmarken aufgebracht. Die optische Abtasteinheit besteht aus einer Lichtquelle, einem Kondensor, der die Lichtstrahlen parallel ausrichtet, der Abtastplatte mit den Abtastgittern und den Fotoelementen. Bei einer Bewegung des Maßstabs relativ zur Abtasteinheit entstehen an den vier Fotoelementen der Inkremental-Teilung sich periodisch ändernde Signale. Um eine hohe Güte der Ausgangssignale zu erreichen, wird gleichzeitig eine . Abb. 31.26 Fotoelektrische Abtastung eines Glasmaßstabs im Durchlichtverfahren (Heidenhain)

große Anzahl von Strichen abgetastet. Da der Glasmaßstab zwei gleiche aber gegeneinander verschobene Inkremental-Teilungen enthält, entstehen als Ausgangssignale zwei sinusförmige Signale, die um 90ı elektrisch zueinander phasenverschoben sind. Durch Zählung der Maxima der Signale kann man bei bekannter Teilungsperiode den zurückgelegten Verschiebeweg ermitteln. Durch gleichzeitige Auswertung der beiden phasenverschobenen Signale kann auch die Verschieberichtung bestimmt werden. Die Grundgenauigkeit in der Größenordnung der Teilung kann noch durch Mehrfachauswertung und Interpolation elektronisch auf beispielsweise 1 *m oder bis zum 100-fachen erhöht werden. Gleichartige Systeme können natürlich auch für rotatorische Bewegungen verwendet werden, bei denen die Maßverkörperung kreisförmig auf einer Scheibe angebracht ist. Als Nachteil inkrementaler Längenmessung kann man anführen, dass durch fehlerhafte Abtastung auftretende Verfälschungen des Messergebnisses sich fortpflanzen und erst durch ein neuerliches Anfahren der Referenzmarke wieder korrigiert werden können. Das Gleiche ist erforderlich, wenn die aktuelle Positionsmessung durch Spannungsausfall verloren geht. Um dies zu vermeiden, wird meist eine Pufferbatterie in die Zählelektronik eingebaut. Positiv zu werten ist der einfache Aufbau der optischen Abtastung und der Maßverkörperung, der bei kodierten, absolut messenden Systemen sehr viel größer wird. . Abb. 31.27 zeigt die kodierte Maßverkörperung eines absoluten Winkelmesssystems. Auf der Glasscheibe sind, genauso wie beim inkremental geteilten Glasmaßstab, lichtdurchlässige und lichtundurchlässige Zonen aufgebracht. Die einzelnen Spuren (Anzahl 11) werden radial durch eine fotoelektrische Abtasteinheit in jeder Spur abgetastet. Die Teilung der am weitesten innenliegenden und am feinsten geteilten Spur bestimmt die Winkelauflösung des Messsystems. Entlang einer radialen Abtastlinie stellt dann die Hell-, Dunkel-Kodefolge einen binären Zahlenwert dar, der der zugehörigen Winkellage entspricht. Die Messung ist absolut, so dass keine Referenzmarken erforderlich sind, da jederzeit die Winkelstellung als Dualzahl abzulesen ist.

657 31.2  Aktoren

Außer für lineare Positionsmessungen gibt es PDs auch für zweidimensionale Lageerkennungen. PDs zeichnen sich gegenüber anderen Sensoren durch hohe Auflösung der Positionsdaten, kurze Ansprechzeit und einfache Beschaltung aus. 31.2

. Abb. 31.27 Kodierte Maßverkörperung eines Winkelmesssystems (Heidenhain)

Für die Erzeugung von Bewegungen, oder das Aufbringen von Kräften und Momenten, werden in mechatronischen Systemen Antriebe (Aktoren oder Aktuatoren) benötigt. Da sie häufig in lagegeregelten Antriebssystemen (Servosystemen) eingesetzt werden, kommen hier im Wesentlichen drehzahl- oder geschwindigkeitsregelbare Antriebe in Frage. Diese Anforderung erfüllen die meisten elektrischen oder fluidischen Antriebe. Der Begriff Aktor geht aber über den Begriff Antrieb (engl. actuator) hinaus und umfasst alle Arten von Ausgabeelementen für Bewegungen, Kräfte und Momente, die sowohl analog als auch binär wirken können. In . Tab. 31.3 ist eine Übersicht über Energiewandlungsprinzipien und darauf beruhende Aktoren dargestellt.

31.2.1

. Abb. 31.28 Aufbau eines PSD

Ein weiteres optoelektronisches Element, mit dem die genaue Position eines Lichtstrahls bestimmt werden kann, ist der PSD (Position Sensitive Detector). Als Positionssensor liefern diese so genannten Lateraleffekt-Fotodioden genaue Daten über die Lage eines über die Messfläche wandernden Lichtpunktes. Ein PSD ist wie eine PIN-Fotodiode mit relativ großen Abmessungen aufgebaut. Die P-Si-Schicht (. Abb. 31.28) ist lichtempfindlich. Während die N-Si-Schicht durchgehend metallisiert ist, befinden sich nur an den beiden Enden der P-Si-Schicht die Metallelektroden A und B. Wird ein beliebiger Punkt des PSD von einem Lichtstrahl getroffen, so werden dort Ladungsträger freigesetzt, die einen Stromfluss zu den beiden Elektroden bewirken. Da die unbeleuchteten Teile der Schicht wie Widerstände wirken, ist das Verhältnis der Ströme IA =IB von der Lage des Lichtpunktes abhängig. Mittels einer Steuerelektronik kann aus dem Verhältnis der Ströme die genaue Entfernung ermittelt werden. Es gilt: D  2a IA  IB D D IA C IB Das Verhältnis der Ströme ist von der einfallenden Lichtmenge unabhängig, wodurch eine stabile Entfernungsmessung, ohne Beeinflussung durch das Reflexionsvermögen des Objektes, möglich ist.

Aktoren

Klassische Aktoren

Weit verbreitet und eingeführt sind im wesentlichen Aktoren, die mit elektrischer oder fluidischer Energie betrieben werden. Elektrische Gleich- und Wechselstrommotoren, sowohl in Form rotierender Antriebe als auch als Lineareantriebe werden als Haupt- und Nebenantriebe in Werkzeugmaschinen und Industrierobotern eingesetzt. Das gleiche gilt für fluidische Aktoren wie Hydraulikmotoren und Hydro- und Pneumatikzylinder die statische oder dynamische Kräfte in einem Fluid als Antrieb benutzen. Diese Aktoren kann man auch als „klassische Aktoren“ bezeichnen. Darüber hinaus werden heute in mechatronischen Systemen vielfach Aktoren vor allem für kurzhubige Linearbewegungen verwendet, die eher unkonventionelle Effekte wie Piezoelektrizität, Magnetostriktion, Dehnstoffe oder Memory-Effekte (Formgedächtnislegierungen) als Bewegungseffekt benutzen. Wie in . Abb. 31.29 dargestellt, besteht ein Aktor immer aus zwei wesentlichen Komponenten, dem Energiesteller, der mit dem Stellsignal der Steuereinheit (Digitalrechner) des mechatronischen Systems beaufschlagt wird und dem Energiewandler, der die für die Bewegung oder Kraftausübung erforderliche Stellenergie liefert. Im Energiesteller wird dem Aktor Hilfsenergie zugeführt, die die eigentliche im Aktor umgesetzte Energie liefert. Energiesteller sind bei elektrischen Aktoren im einfachsten Fall ein Schalter (Relais) oder bei steuerbaren Aktoren mit Halbleitern bestückte Drehzahlsteller wie Stromrichter für Gleichstrommotoren und Frequenzumrichter für

31

658

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Tabelle 31.3 Energiewandlungsprinzipien und darauf beruhende Aktoren Energie

Elektrische Energie

Äußere elektrische und magnetische Feldkräfte

Elektromotor Elektromagnet

Innere Molekularkräfte

Ferroelektrische Aktoren Magnetostriktive Aktoren

Strömungsenergie

Pneumatisch erzeugte Druckkräfte

Überdruck-Stelleinrichtung Unterdruck-Stelleinrichtung

Thermische Energie

Hydraulisch erzeugte Druckkräfte

Hydraulische Stelleinrichtung, Hydromotoren

Wärmedehnung

Thermo-Bimetall Dehnstoff-Aktor

31

Memoryeffekt

Einweg-Memory-Metall Zweiweg-Memory-Metall

Chemische Energie

Elektrolysedruck

Elektrochemische Stelleinrichtung

Explosionsdruck

Pyrotechnische Stelleinrichtung

. Abb. 31.29 Strukturbild eines Aktors

Wechselstrommotoren. Bei fluidischen Aktoren verwendet man analog einfache Schaltventile oder kontinuierlich im Durchfluss änderbare Servo- oder Proportionalventile.

31.2.2

Neuartige Aktoren

Das Gebiet der Leistungsantriebe (einige Watt bis einige Kilowatt) ist heute im Wesentlichen so weit entwickelt, dass in nächster Zeit keine revolutionären Neuerungen zu erwarten sind. Hier dominieren eindeutig die rotierenden, elektrischen Antriebe. Neuartige Aktoren wurden in den letzten Jahren vor allem für den Bereich kleiner Leistungen und für lineare Bewegungen entwickelt. Die Forschungsund Entwicklungsaktivitäten auf diesem Gebiet liegen heute einerseits darin, bekannte Prinzipien zu erweitern und verbessern, aber es werden auch Wirkprinzipien, die schon länger bekannt, aber noch nicht praktisch in Aktoren eingesetzt wurden, zunehmend herangezogen. Eine besondere Rolle spielt hierbei auch die Mikrosystemtechnik, da vor

allem neue Aktoren entwickelt werden, die zusammen mit Mikrosensoren und Mikrorechnern zu sehr kleinen Baueinheiten integriert werden können. Schaut man sich nochmals das Strukturbild eines mechatronischen Systems an (7 Kap. 29 . Abb. 29.7), so erkennt man, dass hier auch der größte Nachholbedarf bezüglich der Miniaturisierung liegt. Während die Miniaturisierung in der Elektrotechnik in den letzten 40 Jahren Verkleinerungen um mehrere Größenordungen zur Folge hatte, ist dies im Bereich der mechanischen Stellglieder bei weitem nicht der Fall. So konnten Systeme aus dem Bereich Regelung und Steuerung sowie Sensorsysteme bedeutend verkleinert werden, der Bereich der Ausgabe hielt jedoch nicht Schritt. Dies beruht natürlich auch darauf, dass die hier umzusetzenden Leistungen in der Regel viel größer sind als in der Eingabe- und Datenverarbeitungsebene. Aber auch wenn nur sehr kleine Stellleistungen erforderlich sind, sind mechanische Systeme häufig noch stark überdimensioniert. Die Entwicklungen der Mikromechanik der letzten Jahre haben dabei gute Fortschritte gemacht, ein mechatronisches System als Ganzes zu miniaturisieren. Anhand einiger repräsentativer Beispiele sollen nun solche neuartigen Aktoren vorgestellt werden. In Positioniersystemen wird häufig die Funktion benötigt eine Linearbewegung auszuführen. Verwendet man die gebräuchlichen Elektromaschinen als Antriebssystem, so muss die Bewegung erst aus der Rotation durch ein schweres und teures Getriebe in eine Translation umgesetzt werden. Dies umgeht der so genannte Schraubgewinde-Reluktanzmotor (. Abb. 31.30), der direkt eine Linearbewegung hoher Präzision erzeugt. Reluktanzmotoren, die es auch als rotatorischen Antrieb gibt, sind prinzipiell

659 31.2  Aktoren

. Abb. 31.30 Schraubgewinde-Reluktanzmotor

Drehstrommotoren, deren Läufer weder Spulen noch Permanentmagnete tragen, sondern die sich dadurch auszeichnen, dass sie am Umfang Pole und Lücken verschiedener magnetischer Leitfähigkeit tragen. Dies erreicht man beispielsweise durch Einlagen aus Aluminium (hoher magnetischer Widerstand) in einen Eisenläufer (niedriger magnetischer Widerstand), oder durch nicht rotationssymmetrische Ausführung des Läufers. Das im Ständer umlaufende Drehfeld übt auf den Läufer aufgrund der unterschiedlichen magnetischen Leitfähigkeit (Reluktanz) ein Drehmoment aus. Beim Schraubgewinde-Reluktanzmotor ist in den Stator ein Gewinde eingeschnitten und der Läufer enthält ein gegenläufiges Gewinde. Beide Teile berühren sich im montierten Zustand nicht, sondern haben einen Luftspalt zwischen Statorbohrung und Läufer von 0,1–0,4 mm. Das Magnetfeld wirkt nach dem Reluktanzprinzip auf den durch das Schraubgewinde in axialer Richtung veränderlichen magnetischen Widerstand des Läufers und treibt dadurch den Läufer linear an. Die Bewegungsrichtung wird von der Drehrichtung des Magnetfeldes bestimmt. Die Lineargeschwindigkeit des Läufers ist proportional der Frequenz des Drehfeldes und der Gewindesteigung. Daher lässt sich die Lineargeschwindigkeit stufenlos mit Hilfe eines Stromrichters verstellen, wobei man Lineargeschwindigkeiten zwischen 1 mm/s und 800 mm/s erreicht. Im Stillstand ist eine Haltekraft vorhanden. Da die Ständerwicklung nur Magnetisierungsstrom aufnimmt, beträgt die Erwärmung des Stators nur etwa 10–20 K, die des Läufers ist zu vernachlässigen. Die Schubkraft kann über den Strom eingestellt werden und ist proportional zum Läuferdurchmesser. Da die Motormasse aber quadratisch mit dem Läuferdurchmesser zunimmt, liegt eine technisch sinnvolle obere Grenze der Schubkraft solcher Motoren bei 500 N. Auch auf die Miniaturisierung von Elektromotoren richten sich die Entwicklungsbemühungen. . Abb. 31.31 zeigt einen Permanentmagnet Motor mit integriertem Pla-

. Abb. 31.31 Miniaturmotor mit Planetengetriebe (Faulhaber)

netengetriebe, das einen Durchmesser von 1,9 mm besitzt. 31.2.2.1

Piezoelektrische Aktoren

Außer den bereits erwähnten elektromagnetischen oder elektrostatischen Kräften, sowie den statischen und dynamischen Kräften in einem strömenden Fluid, gibt es natürlich noch andere physikalische Prinzipien um Kräfte zu erzeugen. Der piezoelektrische Effekt wurde bereits mehrfach erwähnt, durch den in einem Kristall mit piezoelektrischen Eigenschaften elektrische Spannungen erzeugt werden, wenn äußere Kräfte Verformungen im Kristall hervorgerufen. Der inverse piezoelektrische Effekt ruft demzufolge bei Anlegen einer elektrischen Spannung an ein Piezoelement dessen Verformung hervor. Ist dies eine Ausdehnung in der betrachteten Richtung, so werden auf anliegende Objekte Druckkräfte ausgeübt. Diese Verformungen liegen natürlich je nach Größe des Piezoelementes im Submillimeter- bis Submikrometerbereich. Sie können aber als Stellglieder für kleine Hübe mit Kräften bis zu einigen kN gebaut werden und zeichnen sich durch kurze Ansprechzeiten (100 *s) aus. Piezoelemente lassen sich auch gut miniaturisieren und mit anderen Techniken zur Herstellung miniaturisierter Bauteile verbinden. Der Piezoeffekt natürlicher monokristalliner Materialien wie z. B. Quarz, Turmalin und Seignette-Salz ist sehr gering. Deshalb wurden polykristalline, ferroelektrische Keramiken wie z. B. BaTiO3 (Barium-Titanat) und Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) mit verbesserten Eigenschaften entwickelt. PZT-Piezokeramik ist in vielen Variationen verfügbar und die am häufigsten verwendete Keramik für Aktor- oder Sensoranwendungen. PZT-Kristallite sind vor der Polarisation zentro-symmetrisch kubisch und wegen der statistischen Verteilung der piezoelektrischen Domänen in der Keramik nicht-piezoelektrisch. We-

31

660

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

Piezoelektrische Materialien werden durch verschiedene Parameter charakterisiert. Der wichtigste ist der Piezomodul oder Ladungskoeffizient dij . Er bezeichnet die erzeugte Dehnung pro Einheit angelegtem elektrischen Feld oder (wegen der Sensor-/Aktoreigenschaften des PZTMaterials) Ladungsdichte pro Einheit Druck. dij D m=V. 7 Beispiel

. Abb. 31.32 Indizes für Polarisations- und Verformungsrichtungen

31 gen der ferroelektrischen Natur des Materials ist es möglich, unter Einwirkung starker elektrischer Felder (Polung), die unterschiedliche Gitterausrichtung einzelner Domänen permanent in Richtung des polenden Feldes zu ändern. Das Resultat ist eine remanente Polarisation, die mit einer Dehnung des Materials einhergeht. Die Keramik besitzt jetzt piezoelektrische Eigenschaften und verändert beim Anlegen einer elektrischen Spannung ihre Dimensionen. Der Piezoeffekt ist wegen der anisotropen Natur von Piezokeramik richtungsabhängig. Um elektrische und mechanische Größen miteinander zu verbinden, werden bei Kenngrößen doppelte Indizes (z. B. dij / eingeführt. Der erste Index gibt die Richtung der Erregung, der zweite die Richtung der Reaktion des Systems an. Zur Festlegung der Richtungen werden die Achsen 1, 2 und 3 eingeführt (analog zu den X-, Y - und Z-Achsen des kartesischen Koordinatensystems). Die Drehachsen -X , -Y , -Z (auch U , V , W ) werden mit 4, 5 und 6 bezeichnet (. Abb. 31.32). Als Polarisationsrichtung wird meist die Achse 3 gewählt und während der Polung durch ein starkes Feld zwischen den Elektroden festgelegt. Für Linearaktoranwendungen sind die Piezoeigenschaften in dieser Richtung normalerweise am wichtigsten, da dort die größte Auslenkung erreicht wird. . Abb. 31.33 Scheibenförmiger Piezoaktor a Einzelscheibe, b Stapeltranslator

Der Modul d33 ist entscheidend, wenn ein elektrisches Feld in Richtung der Polarisation (Achse 3) anliegt und die Auslenkung in der gleichen Richtung betrachtet wird. Der Modul d31 kommt zum Tragen, wenn ein elektrisches Feld in der gleichen Richtung wie zuvor anliegt aber die Auslenkung in Richtung der Achse 1 (also orthogonal zur Polarisationsachse) betrachtet wird. 9

Piezokeramik für Aktoren wird in der Regel in Form dünner Scheiben eingesetzt. Die Längenänderung L einer unbelasteten einzelnen Lage Piezokeramik kann mit der folgenden Gleichung abgeschätzt werden: L  ˙E  dij  L0 ; mit: ŒL0  D m: Keramiklänge, ŒE D V=m: elektrische Feldstärke, dij D m=V: Piezomodul. Die Materialien, die in Piezoaktoren eingesetzt werden, weisen d33 -Werte von etwa 250 bis 550 pm/V und d31 -Werte von etwa 180 bis 210 pm/V auf und können mit einer maximalen Feldstärke von 1000–2000 V/mm betrieben werden. Daraus folgt das in . Abb. 31.33a dargestellte Verhalten einer zylindrischen Scheibe eines Piezoaktors. Legt man eine äußere Spannung in der Polarisationsrichtung (Achse 3) an, so dehnt sich die Ausgangslänge L0 der Keramikscheibe um L, gleichzeitig kontrahiert sich der Durchmesser D0 (Achse 1) um D. Dies beruht darauf, dass der Wert d31 negativ ist. Beispielsweise wäre die Dickenänderung einer Keramikscheibe der Dicke L0 D 0;5 mm bei d33 D 4 1010 m=V und einer Feldstärke von 500 V/mm ungefähr L D 0;1 *m.

661 31.2  Aktoren

. Abb. 31.34 Anwendungsformen von Stapeltranslatoren a linearer Piezoaktor, b Piezoaktor mit einfacher Hebelübersetzung

Um größere lineare Stellwege zu ermöglichen, werden so genannte Stapeltranslatoren aus einigen hundert Keramikscheiben von 25–100 *m Scheibendicke zusammengeschaltet (. Abb. 31.33b). Je nach Länge des Stapeltranslators erreicht man so Verschiebewege von ungefähr 10–100 *m. Der aktive Teil des Stapeltranslators in . Abb. 31.34a besteht aus einem Stapel von Keramikscheiben, die durch dünne Metallelektroden getrennt sind. Die maximale Betriebsspannung ist proportional zur Dicke der Scheiben. Die meisten Hochvoltaktoren sind aus Keramikschichten von 0,4–1 mm Dicke aufgebaut. Bei Vielschichtaktoren werden die Keramiklagen und Elektroden zu einem Monolithen zusammengesintert (Cofired Design) und haben Dicken zwischen 25 und 100 *m. Stapeltranslatoren können hohe Druckkräfte aufnehmen und bieten die höchste Steifigkeit aller Piezobauformen. Standardelemente mit bis zu 100 kN Druckbelastbarkeit sind verfügbar, und vorgespannte Aktoren können auch im Zugbetrieb arbeiten. Die Auslenkung von Piezoaktoren und -positioniersystemen lässt sich durch die Integration von Hebelmechanismen vervielfachen (. Abb. 31.34b). Das Hebel- und Führungssystem muss extrem steif, reibungs- und spielfrei sein, um hohe Dynamik und Auflösungen im Sub-Nanometerbereich erzielen zu können. Kugel- oder Rollenlager scheiden deshalb aus. Ein Einsatzgebiet solcher Piezo-Aktoren ist die als Piezo-Injektor in Kraftfahrzeug-Dieselmotoren. Hier dient ein Stapeltranslator zum Öffnen und Schließen der Einspritzdüse. Gegenüber Stellern mit elektromagnetischem Antrieb sind diese schneller, haben eine höhere Stellkraft, hohe Schaltgeschwindigkeit und ermöglichen eine kompaktere Bauweise. Piezoelemente kann man auch als Antrieb in komplexeren Mechanismen verwenden. . Abb. 31.35 zeigt eine Tintentropfenquelle für einen Tintenstrahldrucker, bei dem der Ausstoß eines Tintentropfens durch die Druckeinwirkung auf den Tintenhohlraum mit Hilfe eines piezoelektrischen Kristalls ausgeübt wird. Die Düsenelemente und das Tintenvorratsvolumen sind anisotrop aus einem (110)-ori-

entierten Siliziumkristall herausgeätzt. Die Austrittsdüse ist durch isotropes Ausätzen eines 25 *m tiefen Kanals in das Silizium geformt worden. Das Formänderungsverhalten von Piezomaterialien kann man auch für Motoranwendungen geringer Größe benutzen. Neben anderen Prinzipien gibt es das des Langevin-Piezomotors, dessen Antriebselement in . Abb. 31.36a dargestellt ist. Das Antriebselement besteht aus einer Scheibe aus Piezomaterial, die auf beiden Seiten eine Schicht aus elastischem Material trägt. Das Piezoelement wird mit einer Wechselspannung beaufschlagt, so dass das elastische Material zu Longitudinalschwingungen angeregt wird. Entspricht die halbe Wellenlänge der Anregeschwingung genau der Länge des Antriebselementes, so nehmen die Schwingamplituden und damit die Verschiebung der Enden des Schwingkörpers ihren maximalen Wert an. Drückt man nun ein solches Antriebselement, wie in . Abb. 31.36b dargestellt, unter dem Kontaktwinkel  gegen ein Objekt, so kann es Antriebsfunktionen ausüben. Das Endstück des Motors würde sich, wenn es frei liegt, auf einer elliptischen Bahn bewegen. Durch die Berührung mit dem Objekt wird im Kontaktfall diese Bahn gestört und entlang der Kontur des Objektes abgelenkt.

. Abb. 31.35 Tintentropfenerzeugung für einen Tintenstrahldrucker mit piezoelektrischem Aktor

31

662

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.36 Piezoelektrischer Rotationsantrieb: a Piezoelektrisches Antriebselement, b Weg des Zylinderendes des Antriebselementes bei Berührung mit einem Objekt unter dem Winkel , c Schematischer Aufbau eines Rotationsmotors

31

Durch Reibschluss nimmt die Antriebseinheit das Objekt mit und verschiebt es dabei um den Weg s in Richtung x (. Abb. 31.36b). Wird die Antriebseinheit in einer Anordnung wie in . Abb. 31.36c gegen einen Zylinder gedrückt, so wird dieser bei Anlegen der Wechselspannung in Rotation versetzt, so dass mit der Anordnung Arbeit geleistet werden kann. Wie im Bild dargestellt, kann durch Drehung des Zylinders beispielsweise eine Last gehoben werden. Ordnet man mehrere Schwinger um den Zylinder an, so kann das ausgeübte Drehmoment weiter erhöht werden. 31.2.2.2

Aktoren aus Formgedächtnislegierungen

Eine ganz neue Art von Aktoren wird aus so genannten Formgedächtnislegierungen (Memory-Metalle), kurz FGL, hergestellt. FGLs ändern bei Erreichen einer bestimmten Temperatur schlagartig ihren Zustand, ziehen sich zusammen, dehnen sich aus, oder werden superelastisch. Die Eigenschaften sind unter den bekannten Stellelementen am ehesten mit einem Bimetall zu vergleichen. Auch dort findet man die Doppelfunktion, dass ein Element gleichzeitig Sensor und Aktor sein kann (Beispiel Thermoschalter). Anders als beim Bimetall, das sich bei Erwärmung kontinuierlich verformt, reagiert die FGL jedoch spontan bei einer bestimmten Temperatur mit einer Formänderung. Ein Vergleich des Temperatur-Dehnungsverhaltens ist in . Abb. 31.37 dargestellt. Das Phänomen der sich „erinnernden“ Metalle wurde vor mehr als 40 Jahren zufällig an Kupferlegierungen entdeckt. Später fand man den Effekt auch bei Nickel-TitanLegierungen, die sich bis heute für technische Anwendungen am leistungsfähigsten erwiesen haben. Die physikalische Erklärung liegt in zwei Kristallgitterstrukturen,

zwischen denen diese Legierungen hin- und herpendeln. Die Kristallgitterstrukturen werden als Austenit und Martensit bezeichnet (. Abb. 31.38). Je nach Legierungstyp und Legierungszusammensetzung unterscheidet man drei mögliche Effekte: 4 beim Einwegformgedächtnis wird eine große bleibende Verformung durch Erwärmen um wenige Kelvin rückgängig gemacht (. Abb. 31.39). 4 beim Zweiwegeffekt erinnert sich das Bauteil aus FGL an vorher eingeprägte, ganz unterschiedliche Formen und nimmt diese bei Erwärmen und Abkühlen abwechselnd an (. Abb. 31.39). 4 Superelastizität bewirkt ein gummiartiges Verhalten, wobei annähernd konstante Kräfte über große Verfor-

. Abb. 31.37 Gegenüberstellung des Temperatur-Dehnungsverhaltens eines Thermobimetalls und einer Formgedächtnislegierung

663 31.2  Aktoren

. Abb. 31.38 Formgedächtnislegierung: Beim Erwärmen und Abkühlen pendelt die Kristallgitterstruktur zwischen der Tieftemperaturphase Martensit und der Hochtemperaturphase Austenit hin und her

mungswege ausgeübt werden. Die Federkraft einer aus superelastischem Draht gewickelte Schraubenfeder ändert sich selbst bei Längenänderung der Feder um den Faktor 2 kaum. Diese Vorgänge lassen sich 10–20 millionenfach wiederholen. Während der Effektentfaltung wird eine hohe Arbeitsleistung pro Volumeneinheit erzeugt, so dass Bauteile aus FGL leistungsstarke Stellglieder abgeben können. Bauteile aus FGL sind häufig Drähte. In . Abb. 31.39 sind der Ein- und Zweiwegeffekt schematisch am Beispiel eines Formteils aus Draht (Büroklammer) dargestellt. Das Bauteil wird in der Herstellungsphase in martensitischer Form erzeugt. Beim Fertigungsvorgang wird der Werkstoff unter Formzwang einer bestimmten Wärmebehandlung unterzogen. Liegt der Einwegeffekt vor, so kann man das Bauteil verformen und diese Verformung wird bei Verformungstemperatur beibehalten. Erwärmt man nun den Werkstoff über eine für die jeweilige Legierungszusammensetzung charakteristische Temperatur (70–80 ı C), so wandelt sich das Gefüge in Austenit um und nimmt da-

bei wieder die ursprüngliche Form an; das Bauteil hat sich an seine im Fertigungsprozess „erlernte“ Form „erinnert“. Bei erneuter Abkühlung wandelt sich das Gefüge wieder in Martensit um und es bleibt die dann vorhandene Form erhalten. Beim Zweiwegeffekt wird durch einen speziellen Fertigungsprozess die Legierung dazu gebracht ihre Form allein durch Temperaturwechsel zu ändern. Man kann ihr sozusagen zwei charakteristische Formen einprägen, die sich wechselseitig jeweils ineinander umwandeln, wenn eine charakteristische „Schalttemperatur“ über- oder unterschritten wird. Drähte, Bleche oder Federn können somit als Stellantriebe eingesetzt werden, die bei Erreichen der Schalttemperatur eine Stellbewegung durchführen. Die Wärmeübertragung auf das FGL-Bauelement kann dabei sowohl durch Strahlung als auch durch Wärmeleitung innerhalb eines Fluids erfolgen. Aber auch die Erwärmung mittels eines durch das Bauteil geleiteten Stroms kann verwendet werden, so dass das Element auf ein Stromsignal (Temperatur ist abhängig vom Stromfluss) mit einer Stellbewegung reagiert. Bauteile aus Formgedächtnislegierungen werden als thermische Stellelemente in der Automobilindustrie und vielen weiteren Anwendungen in der Mess- und Regeltechnik, Hausgerätetechnik, Luft- und Raumfahrtindustrie sowie der Medizintechnik eingesetzt. . Abb. 31.40 zeigt schematisch einen Stellantrieb mit einer Antriebsfeder aus Einweg-FGL. Im kalten Zustand wird sie durch eine Stahlfeder zusammengedrückt. Bei Überschreiten der Schalttemperatur ändert die FGL-Feder ihre Form und drückt die Stahlfeder zusammen. Dadurch bewegt sich die Schaltachse in Stellrichtung. 31.2.2.3

. Abb. 31.39 Schematische Darstellung des Ein- und Zweiwegeffektes von Formgedächtnislegierungen

Dehnstoffaktoren

Um lineare Stellbewegungen auszuführen, ist ein Pneumatik-Zylinder, wie er in . Abb. 31.41 dargestellt ist, ein sehr kostengünstiger einfacher Aktor, da er direkt ohne Getriebeelemente eingesetzt werden kann. Der in . Abb. 31.42 dargestellte Aktor ist noch bedeutend einfacher im Auf-

31

664

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.40 Stellantrieb mit FGL-Feder

31

bau und kann vergleichbare Bewegungen erzeugen. Dieses auch als „fluidischer Muskel“ (Fluidic Muscle) bezeichnete Membran-Kontraktions-System ruft eine Längenänderung eines Kunststoffschlauches durch Zusammenziehung unter Druck hervor. Dies beruht auf der Kombination von fluidisch dichtem, flexiblen Schlauch und Umspinnung mit festen Fasern in Rautenform. Im nicht verformten Zustand haben diese Fasern einen Kreuzungswinkel ˛ (. Abb. 31.42a). Durch das einströmende Fluid wird die Gitterstruktur verformt (˛ wird größer), wodurch eine Zugkraft in Axialrichtung entsteht. Verkürzungen des Schlauches um bis zu 25 % sind möglich. Dieser Aktor kann die 10-fache Kraft im Vergleich zu einem konventionellen Pneumatik-Zylinder gleicher Baugröße aufbringen, bei einem auf 40 % verringertem Energiebedarf. Abhängig vom Schlauchdurchmesser können bei 6 bar Luftdruck Kräfte von einigen Hundert bis zu einigen Tausend Newton aufgebracht werden. Es sind Anwendungen zum Heben und Senken von Lasten (. Abb. 31.42b), Kraftübertragung (. Abb. 31.42c) oder als Luftfeder möglich. Wegen seiner hohen Anfangskraft und Beschleunigung ist der fluidische Muskel sehr gut für Aufgaben mit hoher Anfangsbeschleunigung geeignet, wobei außerdem kein Stick-Slip-Effekt auftritt. Da das System denkbar einfach aufgebaut und sehr leicht ist, ist es vor allem für mobile Anwendungen gut geeignet.

. Abb. 31.41 Schnitt durch einen doppelt wirkenden Pneumatikzylinder mit einstellbarer Dämpfung

. Abb. 31.42 Fluidischer Muskel a Funktionsprinzip, b Heben von Massen, c Kraftausübung

Ein weiterer Wirkmechanismus für Aktoren ist die Verwendung elektrorheologischer Flüssigkeiten (ERFs). Daneben gibt es noch die artverwandten magnetorheologischen Flüssigkeiten (MRFs). Der in solchen Flüssigkeiten auftretende Effekt wurde bereits vor etwa 60 Jahren entdeckt. Er besteht darin, dass Suspensionen von nichtmetallischen Teilchen in elektrisch nicht leitenden Ölen unter Einfluss eines elektrischen Feldes innerhalb von Sekundenbruchteilen ihre Viskosität ändern. Beim Einschalten des Feldes erstarrt die Flüssigkeit aufgrund von Polarisationseffekten bei entsprechend hoher Feldstärke zu einem plastischen Körper. Nach Ausschalten des elektrischen Feldes wird die Suspension wieder dünnflüssig. Für diesen beliebig oft wiederholbaren Prozess ist nur eine geringe Leistung von wenigen Watt erforderlich. Anwenden kann man diesen Effekt beispielsweise für parametrisier-

. Abb. 31.43 Stoßdämpfer mit einstellbarer Dämpfung durch Verwendung einer elektrorheolgischen Flüssigkeit (ERF)

665 31.2  Aktoren

. Abb. 31.45 Mit dem LIGA-Verfahren gefertigte Trenndüse (KFZ Karlsruhe)

. Abb. 31.44 Prozessstufen des LIGA-Verfahrens

bare Schwingungsdämpfer in Maschinen und Anlagen, die in ihrer Dämpfungskonstante verstellt werden können. . Abb. 31.43 zeigt als Beispiel Stoßdämpfer, bei denen die Eigenschaften der ERF entweder im Hauptzylinder oder in einem Bypass durch ein elektrisches Feld beeinflusst werden können. Dadurch kann das Dämpfungsverhalten des Stoßdämpfers in Abhängigkeit des Straßenzustandes verstellt und der Fahrkomfort optimiert werden. Eine vergleichbare Technologie für variables Dämpfungsverhalten ist bereits in 7 Abschn. 30.2 erläutert worden. 31.2.2.4

Mikrostrukturierte Aktoren

Große Entwicklungspotentiale liegen auch im Bereich der mikrostrukturierten Aktoren. Hierfür kommen vor allem Fertigungsverfahren wie die Silizium-Ätztechnik, die als Fertigungstechnik für Sensorelemente bereits angesprochen wurde, in Frage. Die bereits aus der Fertigung rein elektronischer Bauteile bekannten Verfahren zur Erzeugung von Mikrostrukturen bieten ausgezeichnete Möglichkeiten zur Erzeugung von MEMS aus Silizium. Das LIGA-Verfahren erweiterte in den 1980er-Jahren die der Mikrosystemtechnik zur Verfügung stehende Materialpalette um Kunststoffe, Metalle und Keramiken. . Abb. 31.44 zeigt für das LIGA-Verfahren (Lithografie, Galvanoformung und Abformtechnik) in den Teilbildern a) bis e) die 5 Prozessstufen zur Herstellung von Mikrostrukturen. Zunächst wird der so genannte Resist, eine bis zu 700 *m starke Schicht aus dem Kunststoff Polymethylmethacrylat (PMMA), auf ein metallisches Substrat aufgebracht. Mittels einer Maske und der parallel einfallenden Röntgenstrahlung einer Synchrotronquelle mit einer Wellenlänge von etwa 0,5 nm wird ein Strukturbild auf den Resist übertragen (. Abb. 31.44a). Die energiereiche Strahlung verursacht in den belichteten Teilen des Kunst-

stoffs Brüche an den langen Molekülketten. Mit einem geeigneten Lösungsmittel lassen sich diese Bereiche entfernen und es bleibt die Primärstruktur im PMMA stehen (. Abb. 31.44b). Der dritte Schritt ist die Galvanoformung, in dem im galvanischen Bad auf dem Substrat eine Metallschicht aufwächst und den zuvor weggelösten Kunststoff ersetzt (. Abb. 31.44c). Nach dem Herauslösen des unbestrahlten PMMA erhält man schließlich eine metallische Sekundärstruktur, die ein genaues Negativ der Primärstruktur darstellt (. Abb. 31.44d). Sie lässt sich nun als Werkzeug in eine Spritzgieß- oder Prägemaschine einsetzen, um die Primärstruktur zu vervielfältigen (. Abb. 31.44e). Auch diese abgeformten Kunststoffstrukturen lassen sich für die Massenfertigung durch erneute Galvanoformung in metallische Negativstrukturen überführen. . Abb. 31.45 zeigt ein mikroskopisches Bild einer mit dem LIGA-Verfahren hergestellten so genannten Trenndüse für die Trennung von Uranhexafluorid. Für diese Aufgabe wurde das Verfahren ursprünglich am Kernforschungszentrum Karlsruhe entwickelt. Heute werden mit diesem Verfahren Mikrogetriebe und Bauteile für MikroElektromotoren gefertigt. Während im Makrobereich elektrische Aktoren meist mit Magnetkräften arbeiten (Elektromotor, Elektromagnet), kann man im Mikrobereich vor allem elektrostatische Kräfte nutzen. So wirkt in einem geladenen Plattenkondensator mit Luft als Dielektrikum eine Anziehungskraft von (Größen. s. 7 Abschn. 31.1.2.3) F D 0; 5  "0  "r 

U2  A: d2

In Makrosystemen sind diese Kräfte bei kleinen Spannungen U sehr klein. Ist der Plattenabstand d wie in Mikrosystemen (MEMS) aber sehr klein, so treten dort verwertbare Kräfte auf. Um ausreichend große Kräfte zu erzeugen, kann man zusätzlich auf kleinem Raum die Plattenoberfläche A durch ineinander geschachtelte Strukturen wie beim Kammantrieb in . Abb. 31.46 vergrößern.

31

666

Kapitel 31  Sensoren und Aktoren

. Abb. 31.46 Prinzip des Kammantriebs

31

Eine der Platten des Kammantriebs ist feststehend zum Gehäuse, während die andere durch Spannungsänderung zwischen den Platten in Pfeilrichtung bewegt werden kann. Anders als bei einem elektromagnetischen Antrieb, lässt sich die zwischen den Antriebsstrukturen resultierende Kraftwirkung nicht umpolen. Für die Realisierung von Bauteilen mit positiver und negativer Wirkrichtung sind daher zwei entgegengesetzt wirkende Antriebe notwendig. Elektrostatische Kammantriebe (Comb Drives) stellen eine der wichtigsten Komponenten der Mikromechanik dar. Bei Kammantrieben mit rechteckigen Fingern ändert sich die Kapazität linear mit der Auslenkung, was zu einer positionsunabhängigen Antriebskraft führt. Abweichungen von

. Abb. 31.47 Kammantrieb mit mehrfachen Kammstrukturen zur Kraftvergrößerung

diesem Verhalten zeigen sich nur an den Enden des Auslenkungsbereichs. . Abb. 31.47 zeigt eine mikroskopische Aufnahme der kammartigen Plattenanordnungen innerhalb eines Antriebssystems, bei dem die Plattenfläche zur Erreichung größerer Kräfte durch mehrere Kammstrukturen vervielfacht wurde. Das gleiche Bewegungsprinzip kann natürlich auch für rotierende Antriebe genutzt werden. Kamm-Strukturen sind sowohl in Mikrosensoren als auch in Mikroaktoren anzutreffen, beispielsweise in Gyroskopen oder optischen Schaltern für die Telekommunikation.

667

Entwicklung eines mechatronischen Systems Werner Roddeck

In den vorausgegangenen Kapiteln sind die einzelnen erforderlichen Arbeitsschritte zur Entwicklung des mathematischen Modells eines mechatronischen Systems und dessen Simulation behandelt worden. Anhand des Modells kann eine Regelung entwickelt und ebenfalls durch Simulation optimiert werden. Danach kann man die erforderliche Hard- und Software für eine technische Realisierung konzipieren und festlegen. Diese Vorgehensweise der Entwicklung eines mechatronischen Systems soll durch das Beispiel eines einfachen Systems, das ein invertiertes Pendel enthält, nochmals verdeutlicht werden. In . Abb. 32.1 ist die Problemstellung in mehreren Varianten dargestellt. . Abb. 32.1a zeigt eine einfache technische Realisierung bei der ein gelenkig auf einem Wagen gelagerter Stab durch gezielte Vor- und Rückwärtsbewegungen in Richtung der Wegkoordinate x so ausbalanciert werden soll, dass die Stabneigung um den Winkel ˛ möglichst klein bleibt und dadurch der Stab nicht umklappen kann. Für den Stab gibt es also nur eine dynamische Gleichgewichtsbedingung, ein statisches System wäre nicht stabil. Diese Problemstellung kennt jeder, der schon einmal versucht hat einen Stab auf der Fingerspitze stehend auszubalancieren (. Abb. 32.1b). Sie ist aber nicht nur für Jongleure relevant, sondern tritt auch als ganz reale technische Problemstellung auf. Wie in . Abb. 32.1c dargestellt,

ist die Problemstellung beim Start einer Rakete von Bedeutung, wo durch Steuerbewegungen von Steuerdüsen der schlanke Raketenkörper auf dem aus dem Heck austretenden Antriebsstrahl ausbalanciert werden muss, um ein Umkippen zu vermeiden. Seit einiger Zeit gibt es auch bereits ein als Segway® bekanntes zweirädriges Fahrzeug (. Abb. 32.2), auf dem eine Person in senkrechter Haltung durch Verlagerung des Körpergewichtes dieses steuern kann. Das Fahrzeug muss, da es ebenfalls ein invertiertes Pendel darstellt, durch eine entsprechende Regelung in der aufrechten Lage gehalten werden. Es soll nun der Fall aus . Abb. 32.1a behandelt werden, wo der Stab gelenkig auf einem Wagen angebracht ist und durch geregelte Bewegungen des Wagens in ˙x-Richtung im labilen Gleichgewicht gehalten werden soll. Bevor man sich Gedanken über die Ausstattung dieses mechatronischen Systems mit Sensoren, Aktoren und Steuerungen macht, muss man hier wie bei den meisten Problemstellungen versuchen, ein mathematisches Modell des Systems zu erstellen, um es hinterher simulieren und dabei optimal auslegen zu können. Bei diesem System ist es ohnehin sofort einsehbar, dass der Versuch, einen Hardware-Prototypen zu erstellen und durch Probieren zu einer Lösung zu kommen, von vornherein aussichtslos ist. In . Abb. 32.3 ist die Konfiguration aus . Abb. 32.1a nochmals mit allen Einflussgrößen und den für das dyna-

. Abb. 32.1 Problemstellung des inversen Pendels a einfache technische Ausführung, b Balancieren eines Stabes auf der Hand, c Balancieren einer startenden Rakete auf dem Antriebsstrahl

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_32

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668

Kapitel 32  Entwicklung eines mechatronischen Systems

. Abb. 32.3 Invertiertes Pendel mit angreifenden Kräften

32

Das Massenträgheitsmoment des Stabes für eine Drehung um den Schwerpunkt beträgt:

. Abb. 32.2 Segway-Roller zur Personenbeförderung

mische Problem relevanten Kräften dargestellt. Auf den Wagen der Masse M soll die Regelkraft einwirken, mit der dem Wagen eine Gegenbewegung beim Kippen des Pendels aufgeprägt werden soll. Seine Lage wird durch die Wegkoordinate x beschrieben. Der Stab der Masse m und der Länge 2l erzeugt im Gelenk am Wagen die beiden Auflagerkräfte FH und FV . In seinem Schwerpunkt greift die Gewichtskraft FG D m  g an, die den Stab um den Winkel ˛ auslenkt. Um die Bewegungs-Differentialgleichung des Systems aufzustellen, werden zuerst einfache bekannte Beziehungen über die angreifenden Kräfte aufgestellt, und zwar aufgeteilt nach den Teilsystemen „Wagen“ und „Stab“: FR  FH D M 

d 2x dt 2

Kräfte am Wagen

(32.1)

Für die Kräfte am Stab benötigt man die Koordinaten des Stabschwerpunktes: xS D x C l  sin ˛ yS D l  cos ˛

horizontale Richtung horizontale Richtung

Damit ergeben sich die Kräfte am Stab für die beiden Richtungen zu: d2 .x C l  sin ˛/ dt 2 d2 FV  m  g D m  2 .l  cos ˛/ dt

FH D m 

(32.2) (32.3)

Da es sich bei der Bewegung des Stabes um eine Rotationsbewegung handelt, kann man auch noch die Momentensumme um den Stabschwerpunkt als Bewegungsgleichung verwenden: FV .l  sin ˛/  FH .l  cos ˛/ D J 

d 2˛ dt 2

(32.4)

J Dm

l2 3

(32.5)

Man hat nun 4 Bestimmungsgleichungen für die beiden Wegkoordinaten x und ˛. Nach Bildung der Ableitungen in (32.1), (32.2), (32.3), (32.4) erhält man folgende Formen (32.6), (32.7), (32.8), (32.9): FR  FH D M  xR

(32.6)

d .cos ˛  ˛/ P dt

D m  xR C m  l   sin ˛  ˛P 2 C cos ˛  ˛R (32.7)

2 D m  xR C m  l  ˛R  cos ˛  ˛P sin ˛ d . sin ˛  ˛/ P (32.8) FV  m  g D m  l dt

2 D m  l ˛P  cos ˛  ˛R  sin ˛ J  ˛R D FV  l  sin ˛  FH  l  cos ˛ (32.9) FH D m  xR C m  l 

In (32.7), (32.8), (32.9) tritt die Wegkoordinate ˛ in nichtlinearen Funktionen auf, weshalb diese Gleichungen sehr unübersichtlich sind und die Berechnung schwer fällt. Wie aber bereits beim mathematischen Pendel in 7 Abschn. 30.1.2 durchgeführt, lassen sich diese Nichtlinearitäten linearisieren, weil insbesondere für das Ausbalancieren des Pendels gilt, dass der Auslenkungswinkel ˛ stets sehr klein sein muss, um ein Kippen zu verhindern. Für kleine Winkel ˛ gelten folgende Reihenentwicklungen: ˛3 ˛5 C :::  ˛ 6 120 ˛2 ˛4 cos ˛ D 1  C :::  1 2 24 sin ˛ D ˛ 

32

669 Kapitel 32  Entwicklung eines mechatronischen Systems

. Abb. 32.4 Blockschaltbild der linearisierten Zustandsgleichungen des invertierten Pendels

Dadurch vereinfachen sich (32.7), (32.8), (32.9) zu (32.10), (32.11), (32.12):

(32.10) FH  m  xR C m  l  ˛R  ˛  ˛P 2 2

(32.11) FV  m  g  m  l ˛P  ˛R  ˛ J  ˛R  FV  l  ˛  FH  l (32.12) Da für kleine Winkel ˛ Glieder höherer Ordnung (˛P 2 ; ˛R  ˛/ sehr klein werden, können diese vernachlässigt werden, was zu dem endgültigen, linearisierten Gleichungssystem (32.13), (32.14), (32.15), (32.16) führt: FR  FH D M  xR FH  m  xR C m  l  ˛R FV  m  g  0 J  ˛R  FV  l  ˛  FH  l

(32.13) (32.14) (32.15) (32.16)

Aus diesem Gleichungssystem lassen sich die für die Regelung unwichtigen Reaktionskräfte im Lager durch Substitution eliminieren, was auf die beiden folgenden Bewegungsgleichungen führt: m  xR C m  l  ˛R D FR  M  xR ) m  l  ˛R C .m C M / xR D FR

(32.17)

J  ˛R D m  g  l  ˛  m  l  xR  m  l 2  ˛R

) J C m  l 2 ˛R C m  l  xR  m  g  l  ˛ D 0 (32.18) Aus (32.17) und (32.18) findet man durch Auflösung nach den höchsten Ableitungen und durch Verwendung folgender Abkürzung A D J .m C M / C m  M  l 2 das folgende Gleichungssystem:     ml g .m C M /  m  l ˛  FR ˛R D A A "

#   J C m  l2 g  m2  l 2 xR D ˛C  FR A A

(32.19)

In den eckigen Klammern stehen Ausdrücke, die nur konstante Koeffizienten enthalten. Ersetzt man die Klammern durch konstante Koeffizienten a, b, c, d, so erhält man die Systemgleichungen in sehr übersichtlicher Form: ˛R D a  ˛ C b  FR xR D c  ˛ C d  FR

oder

   ˛R a D xR c

b d

   ˛  FR (32.20)

Die Gl. (32.20) kann man auch als Blockschaltbild darstellen (. Abb. 32.4). Dies wäre bereits das Diagramm, mit dem man eine Simulation des Systems mit einem Blockschaltbildeditor wie Simulink durchführen könnte. Wie man jedoch an dem Bild sieht, ist es zum jetzigen Zeitpunkt unklar, wie der Regler die erforderlicher Regelkraft FR aufbringen soll, um ein Kippen des Pendels zu vermeiden, d. h. den Kippwinkel ˛ möglichst klein zu halten. Der Winkel ist deshalb eine wichtige Zustandsgröße des Systems, die auf jeden Fall in die Regelkraft eingreifen muss. Wie man sieht, wird die Wagenposition x aus dem Kippwinkel ˛ durch zweifache Integration abgeleitet und stellt ebenfalls eine wichtige Zustandsgröße des Systems dar, die in die Regelung eingreifen sollte. Aufgrund der Ermittlung von ˛ und x durch Integration von ˛P und xP stehen auch die Zustandsgrößen Winkelgeschwindigkeit und Wagengeschwindigkeit zur Verfügung. Im Teil XV Regelungstechnik, 7 Abschn. 76.1, werden verschieden Reglertypen dargestellt. Gegenüber einfachen P-Reglern, die nur die Regelgrößen (hier ˛ und x/ zur Regelung heranziehen, führen PD-Regler zu deutlichen Verbesserungen der Regeldynamik. Bei ihnen werden auch die Ableitungen der Regelgrößen (hier ˛P und x/ P in die Regelung mit einbezogen. Da das Gleichungssystem (32.20) linear ist, sollte eine Linearkombination der vier genannten Zustandsgrößen zur Erzeugung der Regelkraft eine Stabilisierung des Pendels ermöglichen. Sie lautet: FR D k˛  ˛ C k˛P  ˛P C kx  x C kxP  xP

(32.21)

670

Kapitel 32  Entwicklung eines mechatronischen Systems

32

. Abb. 32.5 Blockschaltbild der Simulation des invertierten Pendels mit Zustandsregelung

. Abb. 32.6 Verlauf von Weg und Winkel bei P-Regelung des Winkels (k˛ D 21)

. Abb. 32.7 Verlauf von Weg und Winkel bei P-Regelung von Weg und Winkel (k˛ D 42, kx D 3)

wobei k˛ ; k˛P ; kx ; kxP noch zu bestimmende Konstanten sind. Eine solche Regelfunktion wird als Zustandsregelung bezeichnet, die hier nicht vertieft behandelt werden kann. Das vollständige Simulationsblockschaltbild mit der Erzeugung der Reglerfunktion ist in . Abb. 32.5 dargestellt. Zusätzlich kann der Regelfunktion eine sprungförmige Störung aufgeschaltet werden. In der Simulation kann man nun unterschiedliche Regelfunktionen durch Variation der Konstanten in (32.21) testen und so ein optimales Reglerverhalten ermitteln. Man kann beispielsweise damit beginnen, alle Regelparameter außer k˛ gleich Null

zu setzen, was einem Proportionalregler für den Kippwinkel ˛ entspricht. Bei kleinen Werten von ˛ kippt das Pendel nach Aufbringen der Störung sofort um, da der Regeleingriff nicht ausreicht. Ab einem bestimmten Wert ist dann der P-Regler in der Lage das Pendel zu stabilisieren. . Abb. 32.6 zeigt den Verlauf von Wagenweg und Kippwinkel bei einem Wert von k˛ D 21. Die Verläufe zeigen, dass nach dem Störungssprung zum Zeitpunkt t D 1s der Wagen versucht die Störung auszugleichen, entfernt sich dabei aber immer weiter aus seiner Ausgangslage. Das Pendel verbleibt nicht in seiner

671 Kapitel 32  Entwicklung eines mechatronischen Systems

. Abb. 32.8 Verlauf von Weg und Winkel bei PD-Regelung von Weg und Winkel (k˛ D 100, kx D 3, k˛P D 30, kxP D 10)

. Abb. 32.9 Verlauf von Weg und Winkel bei PID-Regelung des Weges (k˛ D 100, kx D 3, k˛P D 30, kxP D 10)

Ruhelage, sondern führt eine Dauerschwingung um einen von null verschiedenen Winkel aus. Die nächste Möglichkeit der Reglervariation müsste daher die Hinzunahme der Regelung des Wagenweges durch kx ¤ 0 sein. . Abb. 32.7 zeigt das Ergebnis für k˛ D 42, kx D 3. Nun versucht der Regler sowohl das Pendel zu stabilisieren, als auch den Wagen wieder in die Ausgangsposition zu bringen. Dies gelingt jedoch auch nur für beide Systemkomponenten in Form einer Schwingung. Dabei befindet sich das System bereits an der Stabilitätsgrenze. Zieht man nun die Ableitungen von Winkel und Weg nämlich die Winkelgeschwindigkeit und die Wagengeschwindigkeit in die Regelung mit ein, indem man kxP ; k˛P ¤ 0 wählt, so erhält man für k˛ D 100, kx D 3,

R . Abb. 32.10 Verlauf von FR ; vW ; PR ; PR2 dt bei k˛ D 100

R . Abb. 32.11 Verlauf von FR ; vW ; PR ; PR2 dt bei k˛ D 200

k˛P D 30, kxP D 10 das in . Abb. 32.8 dargestellte Regelverhalten. Es liegt nun wegen der Verwendung der Ableitungen ein PD-Regler vor, der schon reagiert, wenn der Kippwinkel noch sehr klein ist, die Winkelgeschwindigkeit aber schon messbare Werte erreicht hat. Dadurch bleibt der Stab sehr stabil in seiner Ausgangslage und zeigt nur minimale Veränderungen beim Auftreten einer sprungförmigen Störung. Der Wagen jedoch kann nicht in seine Ausgangslage zurückkehren, da ein PD-Regler eine bleibende Regelabweichung besitzt. Wie in 7 Abschn. 76.1 beschrieben, lässt sich eine solche bleibende Regelabweichung nur vermeiden, wenn der Regler eine integrale Komponente besitzt. In der Si-

32

672

Kapitel 32  Entwicklung eines mechatronischen Systems

. Abb. 32.12 Mögliche Ermittlung der benötigten Zustandsgrößen aus messbaren Zustandsgrößen

32

mulation kann man dies leicht erreichen, indem man den Wagenweg nochmals integriert und dessen Ausgang, mit einem Koppelfaktor bewertet, ebenfalls zur Regelfunktion hinzufügt. Das Ergebnis stellt das . Abb. 32.9 dar, in dem man sieht, dass der Wagen nach einer sprungförmigen Störung durch den integralen Anteil (I-Anteil) nach einem Einschwingvorgang wieder in die Ausgangsposition zurückkehrt. In diesem Fall liegt eine PID-Regelung vor. Durch Variation des I-Anteils kann man nun noch die erforderliche Regelleistung PR optimieren, die das Produkt aus Regelkraft FR und Fahrgeschwindigkeit vW darstellt. In . Abb. 32.9 und 32.10 ist der Unterschied bei bestimmtem I-Anteil und ansonsten gleichen Regelfaktoren aber unterschiedlichem Winkel-Rückkopplungsfaktor k˛ dargestellt. In . Abb. 32.10 ist k˛ D 100, wobei die Auswirkung der Störung nach 20 Sekunden zwar ganz abgeklungen ist, aber die maximale Wagengeschwindigkeit und damit die maximale Regelleistung hohe Werte annimmt. Im Bild ist zusätzlich das Integral über das Quadrat der Regelleistung dargestellt, als Maß für die aufzubringende Gesamtleistung. Verglichen mit . Abb. 32.11 sieht man, dass für k˛ D 200 die Gesamtleistung zur Ausregelung der Störung deutlich geringer ist, der Regelvorgang aber länger als 20 Sekunden andauert. Hier muss der Entwickler entscheiden, welche der Regelvorgänge für sein Projekt das Optimum darstellt. So wäre es für ein Fahrzeug mit Batterieversorgung möglicherweise besser die Regelleistung zu minimieren, bei ausreichend vorhandener Antriebsenergie wäre eher ein möglichst schnell stabilisierendes Regelverhalten wünschenswert. Nach Ermittlung einer optimalen Reglerfunktion kann man nun an die Realisierung eines Prototyps des invertierten Pendels gehen. Außer der Hardware des Wagens und des Pendels benötigt man einen Aktor für die Wagenbewegung. Als Kernstück ist ein Mikrorechner erforderlich für die Aufnahme von Sensorsignalen, die Erzeugung der Reglerfunktion und die Ausgabe des Stellsignals an den Wagenantrieb. Da nun für die Regelung Informationen über den Kippwinkel, die Winkelgeschwindigkeit des Pendels, die Wagenposition und die Wagengeschwindigkeit benötigt

werden, braucht man prinzipiell zuerst einmal Sensoren, die diese vier Zustandsgrößen messen. In . Abb. 32.12 sind den für die Regelung benötigten Zustandsgrößen die Möglichkeiten gegenübergestellt, diese aus messbaren Größen entweder durch direkte Messung oder durch Berechnungen wie Ableiten oder Integrieren zu erzeugen. Da die beiden Zustandsgrößen „Geschwindigkeit“ .x; P ˛/ P die Ableitungen der „Wege“ (x; ˛) sind, können diese theoretisch auch durch Differenzieren der Wegsignale erzeugt werden. Ob dies sinnvoll ist, hängt von der Rechenleistung und der daraus resultierenden Rechenzeit des Mikrorechners für den Rechenvorgang ab. Dieser muss so schnell sein, dass die daraus entstehende Zeitverzögerung zwischen einer Wegänderung und der dann berechneten Geschwindigkeit kleiner als die entsprechenden Zeitkonstanten der Regelung sind. Kann dies durch den Mikrorechner gewährleistet werden, so kommt man mit nur zwei Sensoren für den Kippwinkel und die Wagenposition aus. Dies könnten beispielsweise inkrementale Drehgeber sein, die direkt oder über ein Untersetzungsgetriebe an die Antriebsachse des Wagens und an das Gelenk des Stabes angebracht werden. Sind die Genauigkeitsansprüche an die Wegmessung nicht so hoch, so könnten auch einfache elektrische Drehpotentiometer mit und ohne Getriebeuntersetzung ausreichen. Auch die Ermittlung der „Geschwindigkeiten“ durch Messung der „Beschleunigungen“ beispielsweise mit sehr klein bauenden piezoelektrischen Beschleunigungssensoren und anschließende Integration im Mikrorechner wäre unter den oben genannten Einschränkungen eine Möglichkeit. Bei Messung aller Zustandsgrößen würde sich für die Wagengeschwindigkeit ein Tachogenerator anbieten. Ein weiterer Weg, ohne die Rechenkapazität des Mikrorechners auszunutzen, die inkrementellen Weginformationen in Geschwindigkeitsinformationen umzusetzen, ist die Verwendung eines separaten Messwertwandlers in Form eines Frequenz-/Spannungswandlers. Als Aktor würde sich für den Wagenantrieb ein Gleichstrommotor mit Getriebe oder ein Schrittmotor anbieten. Beide könnten ebenso wie der Mikrorechner und die Sen-

673 Literaturhinweise, Informationsquellen

. Abb. 32.13 Blockschaltbild des Antriebssystems des Wagens

soren aus einer Batterie auf dem Wagen gespeist werden. Für die Auslegung des Motors und des Getriebes ist zu beachten, dass dieser die Beschleunigung zur Erzeugung der erforderlichen Regelkraft auch aufbringen kann. Die Auswahl des Mikrorechners, der in diesem Fall sicher ein Einchip-Mikrocontroller wäre, muss sich vor allem an den erforderlichen Signaleingängen für die gewählten Sensoren und den sich daraus ergebenden Rechenleistungen richten. Der Regelalgorithmus wird als digitale Regelung ebenfalls auf dem Mikrocontroller ausgeführt. . Abb. 32.13 zeigt ein Blockschaltbild des gesamten Antriebssystems einschließlich Mikrorechner und Sensorik.

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. VDI-Richtlinie 2206 Entwicklungsmethodik mechatronischer Systeme (2004) 2. Czichos, H.: Mechatronik, Springer Vieweg, 3. Aufl. (2015) 3. Heimann, B, Albert, A., Ortmaier, T., Rissing, L.: Mechatronik, Carl Hanser Verlag, 4. Aufl. (2015) 4. Hering, E., Steinhart, H.: Taschenbuch der Mechatronik, Carl Hanser Verlag (2015) 5. Isermann, R.: Mechatronische Systeme, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg, 2. Aufl. (2008) 6. Roddeck, W.: Einführung in die Mechatronik, Springer Vieweg (2019) 7. Roddeck, W.: Grundprinzipien der Mechatronik, Springer Vieweg (2018)

32

675

Maschinenelemente Inhaltsverzeichnis Kapitel 33

Einführung in die Konstruktionsmethodik – 677 Petra Linke und Frank Weidermann

Kapitel 34

Normzahlen, Toleranzen, Passungen – 697 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 35

Stoffschlüssige Verbindungen – 709 Gert Böge, Wolfgang Böge und Marcus Kampf

Kapitel 36

Nietverbindungen – 727 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 37

Schraubenverbindungen – 735 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 38

Bolzen, Stiftverbindungen, Sicherungselemente – 763 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 39

Federn – 767 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 40

Achsen, Wellen, Zapfen – 789 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 41

Nabenverbindungen – 801 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 42

Kupplungen – 821 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 43

Lager – 829 Gert Böge und Wolfgang Böge

Kapitel 44

Zahnräder – 867 Gert Böge und Wolfgang Böge

VIII

33

677

Einführung in die Konstruktionsmethodik Petra Linke und Frank Weidermann

33.1

Einordnung des konstruktiven Entwicklungsprozesses in den Produktlebenszyklus

Der konstruktive Entwicklungsprozess eines Produkts kann nicht losgelöst von den einzelnen Phasen betrachtet werden, die es während seines Bestehens durchläuft. Jede Phase beeinflusst mehr oder weniger die Ziele der Produktentwicklung. Diese Wechselwirkungen müssen Entwickler und Konstrukteur berücksichtigen. Zum Teil spiegeln sich diese Verbindungen in Anforderungen und Gestaltungshinweisen wider (siehe 7 Abschn. 33.4). Im Folgenden wird der Produktlebenszyklus mit seinen einzelnen Phasen näher vorgestellt. 1 Der Produktlebenszyklus

Das Produktlebenszyklusmodell kann sich von Produkt zu Produkt im Detail unterscheiden. Die Erarbeitung eines produktspezifischen Lebenszyklusmodells wird in der DIN ISO 15226 [1999] genauer beschrieben. Bei allen Produkten sind aber die allgemeinen Phasen nach Spur und Krause [16] gleich. Nach . Abb. 33.1 sind das: 4 Produktforschung, 4 Produktplanung, 4 Produktkonstruktion, 4 Produkterprobung, 4 Produktherstellung, 4 Produktdistribution, 4 Produktgebrauch und 4 Produktabwicklung.

Produkterprobung

Produktkonstruktion

Produktherstellung

Produktdistribution

Produktplanung

Produktgebrauch

Produktphasen Produktforschung

Produktabwicklung

. Abb. 33.1 Phasen des Produktentwicklungsprozesses [17]

konkreten Anforderungen vorliegen, sondern nur eine Produktidee. Bekannt ist also nur, in welchem Marktbereich und für welche Aufgaben das Produkt platziert werden soll und nicht in welcher Menge und mit welchen konkreten technischen Parametern. Eine weitere Phase, die je nach Art des Produkts entfällt oder nur mittels Simulation durchgeführt wird, ist die Produkterprobung. Hierbei hat die Stückzahl einen entscheidenden Einfluss. Bei einer Massen- oder Serienfertigung kommt es zum Bau von Prototypen, die in dieser Phase detailliert erprobt werden und zu Veränderungen in der Konstruktion führen können. Durch das Simultaneous Engineering, bei dem Teile der Produktphasen parallel durchschritten werden, rückt die Phase der Erprobung vor der Herstellung immer mehr in den Hintergrund. Bei der Einzelteil- und Kleinserienfertigung wird die Erprobung häufig durch den Einsatz von Simulationswerkzeugen während der Entwicklungs- und Konstruktionsphase ersetzt. Zum Beispiel kann dem Bau einer Sonderwerkzeugmaschine kein Bau eines Prototypen vorangestellt werden. Für einen solchen Fall erfolgt oft der Test einzelner Komponenten und deren Zusammenwirken mit Hilfe der Simulation (z. B. FEM-Berechnungen, Mehrkörpersimulation, Anwendung der virtuellen Realität und Hardware in the Loop). Alle anderen Phasen durchläuft jedes Produkt.

Produktforschung und -planung wurden aufgrund des veränderten Marktverhaltens notwendig. Heute existiert ein Anbietermarkt, bei dem das Angebot die Nachfrage übersteigt. Der Produzent muss sich sicher sein, in welchem Feld er sein Produkt platzieren möchte. Das betrifft neben den technischen Parametern wie Baugröße, Genauigkeit und Flexibilität in hohem Maß auch die Kosten. Erwach-1 Zusammenarbeit von Produktforschung, -planung und Konstruktion sen die Anforderungen an das Produkt jedoch direkt aus einem Kundenauftrag, können diese Phasen entfallen. Pro- In den Phasen Produktforschung und -planung werden in duktplanung ist in diesem Fall nur erforderlich, wenn keine den Unternehmen neue Produkte sowie neue Märkte erkun© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_33

678

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

det und analysiert. Es wird gefiltert, in welchen Bereichen Produkte platziert werden können und welche Funktionen sie erfüllen müssen. Dabei ist bezüglich der Zusammenarbeit mit der Konstruktion zu berücksichtigen, welches Potenzial das Unternehmen besitzt, d. h. auf welchen Gebieten der Entwicklung und Konstruktion Kompetenzen vorhanden sind und welche Arbeitsmittel, besonders Software, zur Verfügung stehen. Andererseits erhalten die Entwicklungsund Konstruktionsabteilungen von der Produktforschung und -planung Informationen wie: 4 Beschreibung der geforderten Funktionen (technische Parameter, Design, Ergonomie), 4 günstigster Zeitpunkt für Markteintritt, 4 möglicher Kostenrahmen und 4 mögliche Stückzahlen.

33

wie nötig und nicht so genau wie möglich, zu tolerieren. Diese Überlegungen finden sich in den Gestaltungsrichtlinien wieder, die eine fertigungsgerechte Konstruktion der Bauteile fordern. Zwischen den Werkern an der Maschine, der Fertigungsplanung sowie dem Konstrukteur sollte ein ständiger Erfahrungsaustausch bestehen, in dem mögliche konstruktive Veränderungen hinterfragt werden, die zu einer optimalen Fertigung führen. Gleiches gilt für die Montage. Ein Informationsfluss besteht aber auch von der Konstruktion zur Fertigung. In diesem werden zukünftige Fertigungsanforderungen beschrieben. Hierbei ist festzulegen, welche Teile unbedingt vor Ort gefertigt werden müssen, da sie entweder zeitkritische Teile sind oder das eigentliche Know-how des Produkts bestimmen. Durch Fertigung bei einem Zulieferer könnten diese Wettbewerbsvorteile des Unternehmens verloren gehen. Für diese Fälle müssen die Fertigungsvoraussetzungen geschaffen werden.

Mit Hilfe dieser Informationen entsteht im ersten Arbeitsschritt des konstruktiven Entwicklungsprozesses das 1 Zusammenarbeit Produktdistribution Pflichten- oder Lastenheft. und Konstruktion Gleichzeitig kann die Produktforschung Impulse geben, welche Produkte in Zukunft nicht mehr nachgefragt werden Bei der Zusammenarbeit zwischen Produktverteilung und und in welche Richtung sich die Bereiche der Entwicklung Konstruktion gibt es zwei Hauptpunkte. Zum einen muss und Konstruktion orientieren, d. h. wo neue Fähigkeiten das Produkt so gestaltet sein, dass es einfach und unkompliziert zu transportieren und vor Ort zu montieren ist. Aus und Fertigkeiten erarbeitet werden müssen. diesem Grund werden zum Beispiel Pressengestelle ab einer bestimmten Größe aus mehren Teilen hergestellt oder 1 Zusammenarbeit Produkterprobung die Maschinenhöhe bestimmt sich aus der typischen Höhe und Konstruktion Produkterprobung durch den Bau eines Prototypen rückt von Hallentoren. Häufig wird der äußere Bauraum durch immer mehr in den Hintergrund. Bei einer Neukonstruktion Transportmöglichkeiten festgelegt. Größere Produkte solllassen sich aber nicht alle möglichen Mängel und Proble- ten in sinnvolle Transporteinheiten untergliedert werden, me von Anfang an ausschließen. Häufig ist es erforderlich, so dass die Fügestellen einen geringen Montageaufwand Erfahrungen aus ähnlichen Baustrukturen zu übernehmen verursachen. Ein zweiter Schwerpunkt ist die zeitliche Beund Parallelen zu erkennen. Der Konstrukteur sollte daher reitstellung der Produkte. Da durch Beginn und Ende der einen sehr engen Kontakt mit Versuchsabteilungen anstre- Konstruktionsphase die Fertigstellung der Produkte stark ben. Aus diesem Bereich kann er einen Erfahrungsschatz beeinflusst wird, sind die Termine abzustimmen. Der Aufgewinnen, der ihm besonders bei intuitiven Problemlösun- tritt auf einer Messe wird oft als Markteinstieg genutzt. gen hilft. Bei der Serien- und Massenfertigung wird durchaus1 Zusammenarbeit Produktgebrauch und Konstruktion noch Wert auf die Produkterprobung gelegt. In einigen Be- Da zugunsten von virtuellen Tests der Prototypenbau imreichen kommt es zum Bau von Funktionsmustern. Hier mer weiter zurückgedrängt wird, sind für den Konstrukteur werden spezielle Methoden wie das Rapid Prototyping Erfahrungen bei der Produktnutzung von großer Wichtigeingesetzt. Diese Modelle beinhalten nicht die volle Funkti- keit. Ein Indiz dafür sind die in letzter Zeit gehäuften Rückonsfähigkeit des Produkts, können aber Aufschluss besonrufaktionen von Automobilen. Hier haben sich während des ders hinsichtlich Ergonomie oder auch Kollisionsverhalten Gebrauchs Mängel der Konstruktion gezeigt. Neben diesen geben. Nullserien werden hingegen schon mit den entspreFehlern kann der Kunde selbst am besten auf Verbesserunchenden Fertigungseinrichtungen hergestellt. An diesen gen hinweisen, die die Funktionserfüllung und -optimieTeilen kann die vollständige Erfüllung der im Pflichtenheft rung betreffen. Weitere Informationen, die der Konstrukfestgelegten Anforderungen analysiert werden. teur aus diesem Bereich erhält, sind Einsatzhäufigkeit und -bedingungen. Für die Konstruktion ist entscheidend, ob 1 Zusammenarbeit Produktherstellung das Produkt z. B. auf Zeitfestigkeit oder Dauerfestigkeit und Konstruktion Die Funktionalität vieler Bauelemente ist stark abhängig auszulegen ist. Besonders in Bereichen der Informations1 von den durch die Fertigung realisierten Maß-, Form- und technik findet häufig ein moralischer Verschleiß weit vor Lageabweichungen sowie der Oberflächenqualität. Daher einem physischen Verschleiß statt. Wichtig sind auch solhat der Konstrukteur die Pflicht, die von ihm festgelegten 1 Beispiel: Ein 15 Jahre alter Rechner, der nicht benutzt wurde, funkMaße hinsichtlich der kosten- und zeitbewussten Fertigung tioniert noch einwandfrei, ist aber nach heutigen Anforderungen nicht zu hinterfragen. Es gilt der Grundsatz, jedes Maß so genau mehr verwendbar, er ist moralisch verschlissen.

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33

681 33.2  Grundlagen

che Randbedingungen wie der Einsatzort. Eine Maschine, für tropische Regionen geplant, benötigt einen anderen Korrosionsschutz. Für den Produktgebrauch muss der Konstrukteur je nach Notwendigkeit das Produkt wartungs- und instandhaltungsfreudig gestalten. Welche Baugruppen hierbei besonders zu berücksichtigen sind, weiß er zum einen aus seiner Konstruktion und zum anderen aus den Erfahrungen mit der Nutzung der Produkte. So ist die Montagefreundlichkeit bei Automobilbremsen zu gewährleisten, da sie Verschleißteile sind, wohingegen der Austausch des Tanks von untergeordneter Bedeutung ist.

Politik Soziologie Psychologie Wirtschaft Naturwissenschaft

Ingenieurwissenschaft

Technischer Entwurf

Technologie

Produktion

Formgestaltung Architektur Kunst

1 Zusammenarbeit Produktabwicklung und Konstruktion

Die Phase der Produktabwicklung umfasst den Zeitraum der Produktion des Produkts und die Gebrauchsfähigkeit. Wichtig für den Konstrukteur sind die Informationen, inwieweit das Produkt demontiert und dementsprechend recyclinggerecht gestaltet werden muss (siehe 7 Abschn. 33.4). Die Umweltrichtlinien eines jeden Landes sind zu berücksichtigen. Auch ist zu prüfen, ob einzelne Baugruppen weiter verwendet werden können. Ein solches Vorgehen ist aus der Konsumgüterproduktion bekannt, wenn der Funktionsumfang einer Waschmaschine durch den Austausch von Elektronikbaugruppen erweitert wird, dabei die mechanischen Baugruppen größtenteils erhalten bleiben. Ähnliches wird auch mit dem so genannten Retrofitting an Werkzeugmaschinen durchgeführt. Solche Umbau- und Demontagemöglichkeiten sind während der Konstruktion mit zu beachten. Diese Wechselwirkungen zeigen, wie umfangreich die Randbedingungen sind, die Entwickler und Konstrukteur während ihres Berufslebens zu bedenken haben.

33.1.1

Aufgaben und Ziele des methodischen Konstruierens

Wie das vorangegangene Kapitel zeigt, unterliegt der Produktentwicklungsprozess einer Vielzahl von stofflichen, technologischen und wirtschaftlichen Einflüssen sowie gesetzlichen, umwelt- und menschenbezogenen Einschränkungen, die der Konstrukteur berücksichtigen muss. Ziel soll es sein, marktfähige Produkte rechtzeitig zu entwickeln. Um dies zu gewährleisten, ist ein methodisches Vorgehen erforderlich, speziell das methodische Konstruieren, das dem Konstrukteur ein Handwerkszeug zum kreativen Gestalten und objektiven Beurteilen seiner Arbeit unter Beachtung aller erforderlichen Randbedingungen zur Verfügung stellt. Nach Pahl et al. [1] leiten sich folgende Aufgaben einer Konstruktionsmethodik ab: 4 problemorientiertes und branchenunabhängiges Vorgehen ermöglichen, 4 erfindungs- und erkenntnisfördernd sein, 4 Lösungen nicht nur zufallsbedingt erzeugen,

. Abb. 33.2 Einflussbereiche der konstruktiven Tätigkeit

4 Lösungen auf verwandte Aufgaben leicht übertragen können, 4 lehr- und erlernbar sein, 4 Planung und Steuerung von Teamarbeit erleichtern und 4 für den Einsatz von Rechnern geeignet sein. Besonderes Augenmerk liegt auf dem nicht zufallsbedingten Finden von Lösungen. Häufig hat der Konstrukteur für eine Aufgabenstellung schon konkrete Vorstellungen hinsichtlich der Baustruktur. Von diesen gilt es, sich im konstruktiven Entwicklungsprozess zu trennen, nach weiteren Lösungen zu suchen sowie die verschiedenen Varianten objektiv zu beurteilen. Nur so wird es gelingen, ein optimales Produkt für das vorliegende Problem und die Aufgabenstellung zu finden.

33.1.2

Konstrukteur

Der Konstrukteur ist bestrebt ein Produkt zu entwerfen, das den Anforderungen und Wünschen des Kunden oder/und des Marktes entspricht. Nach Dixon [18] und Penny [19] steht die konstruktive Arbeit in der Mitte sich überschneidender technischer und kultureller Einflüsse, . Abb. 33.2. Im konstruktiven Entwicklungsprozess (siehe 7 Abschn. 33.3) lassen sich die Tätigkeiten in konzipierende, entwerfende, ausarbeitende sowie berechnende, darstellende und Information beschaffende unterteilen. Dabei hält in die Konstruktionsabteilung mehr und mehr die Rechentechnik mit Software zur Darstellung (CAD), zur Berechnung und Datenverwaltung Einzug. 33.2

Grundlagen

Unter Grundlagen beim methodischen Konstruieren werden die wesentlichsten Definitionen und Begriffe sowie die wichtigsten Vorgehensweisen und Werkzeuge verstanden, die in den unterschiedlichen Phasen des Konstruktionsprozesses gleichermaßen benötigt werden.

682

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

Hierzu gehören insbesondere die Möglichkeiten zur Ideenfindung und zum Bewerten.

33.2.1

Begriffe und Zusammenhänge

Jeder Wissenschaftsbereich verwendet seine eigene Begrifflichkeit. Der Fachmann muss sich mit den Begriffen und deren Verwendung im Zusammenhang mit seinem Fachgebiet auskennen. Falsche Verwendung von wesentlichen Begriffen führt manchmal zu Vorurteilen und Missverständnissen. 1 Maschinen, Apparate, Geräte

33

Im Unterschied dazu ist bei einer Aufgabe die Beschreibung des Weges vom Ist- zum Sollzustand genau möglich. Der Sollzustand ist nicht nur ungefähr, sondern genau darstellbar. Der Unterschied zwischen Aufgabe und Problem wird an folgendem Beispiel verdeutlicht. Firma A und Firma B sind Wettbewerber und stellen vergleichbare Werkzeugmaschinen eines bestimmten Typs her. Firma A bringt unerwartet für B eine neue Maschine mit 30 % mehr Dynamik (Beschleunigung) bei sonst gleichen Randbedingungen auf den Markt. Die Konstrukteure von Firma B haben jetzt das Problem, die Dynamik ihrer Maschine um ca. 30 % zu verbessern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Beispiel für eine Aufgabe ist das Anfertigen einer Anpassungskonstruktion unter genau vorgegebenen Randbedingungen. In der Praxis sind die Dinge nicht immer so klar trennbar und aus ursprünglichen Aufgaben können Probleme werden.

Es gibt keine verbindliche Festlegung, die das Benennen von technischen Gebilden oder Produkten regelt. Bestrebungen gehen dahin, die Hauptumsatzgröße als Entscheidungskriterium zu nehmen. Hauptumsatzgrößen können1 Konstruktionsarten Stoff-, Energie- und Informationsumsatz sein. Technische Neukonstruktionen werden durchgeführt für: Gebilde mit hauptsächlichem Stoffumsatz werden als Ap- 4 völlig neue Aufgabenstellungen, 4 bei bekannten Aufgabenstellungen und neuen Lösungsparate bezeichnet. prinzipien, Beispiele hierfür sind Förderbänder und Mischer. Tech4 bei bekannten Aufgabenstellungen und neuer Kombinanische Gebilde mit hauptsächlichem Signalumsatz heißen tion von bekannten Lösungsprinzipien. Geräte. Als Beispiel hierfür sind Faxgeräte und Diktiergeräte zu nennen. Alle Phasen des Konstruktionsprozesses müssen durchlauTechnische Gebilde mit hauptsächlichem Energieumfen werden, wobei dem Festlegen der Anforderungsliste satz werden als Maschinen bezeichnet, z. B. Verbrennungsund dem Bewerten von Konzepten, Varianten und Entwürmotoren und Generatoren. fen viel Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Im Umgangssprachgebrauch haben sich auch Bezeichnungen eingebürgert, die diesen Definitionen widerspreAnpassungskonstruktionen werden durchgeführt bei: chen, z. B. Fotoapparat. Außerdem kann ein und dasselbe 4 bekannten Aufgabenstellungen mit neuen Randbedintechnische Gebilde einerseits Maschine, Apparat oder Gegungen unter der Verwendung von bekannten Lösungsrät sein und andererseits nur Baugruppe eines komplexen prinzipien. technischen Gebildes, z. B. der Motor eines Autos. So relativieren sich auch die Begriffe Bauteil und Baugruppe. Anpassungskonstruktionen können durch sich ändernde Normen und Richtlinien erforderlich sein. 1 System Ein System ist ein von seiner Umgebung abgegrenzter Ge- Variantenkonstruktionen werden durchgeführt, wenn das genstand, der eine bestimmte Funktion erfüllt. Es wird Produkt in unterschiedlichen Größen und Ausführungsvaribeschrieben durch Systemgrenzen, durch Größen die von anten benötigt wird. Bei der Neukonstruktion eines solchen außen in das System eindringen, den Eingangsgrößen und Produktes ist dies zu berücksichtigen. Für die Variantendurch Größen, die das System verlassen, den Ausgangs- konstruktionen ist es in der Regel nicht erforderlich, alle größen. Je nach Sicht des Betrachters werden die Sys- Phasen des Konstruktionsprozesses systematisch zu durchtemgrenzen gelegt. Der Systembegriff ist universell und laufen. Das erfolgte bei der Neukonstruktion. Hier musste gut geeignet für die Beschreibung unterschiedlicher techni- der Spielraum geschaffen werden, der eine Variantenkonscher Gebilde. Ein System ist unterteilbar in Teilsysteme, struktion erlaubt. für die wiederum Eingangsgrößen, Ausgangsgrößen und Simultaneous Engineering, was sich mit „GleichzeitiSystemgrenzen festgelegt werden. ger Entwicklung“ übersetzen lässt, bezeichnet eine Vorgehensweise bei der Produktentwicklung, bei der die Ent1 Aufgaben und Probleme wicklungszeit verkürzt wird. Grundidee dieser Vorgehensweise ist die zeitliche ÜberVon einem Problem wird gesprochen, wenn es einen Istzustand gibt, der nicht zufriedenstellend ist, und einen lappung von Arbeitsabläufen, die normalerweise nacheinSollzustand, der zufriedenstellend und ungefähr beschreib- ander erfolgten. Durch Simultaneous Engineering wird in der Regel bar ist und wenn nicht bekannt ist, wie der Istzustand in den etwas Mehrarbeit verursacht, weil nicht immer das EndSollzustand überführt werden kann.

683 33.2  Grundlagen

dersetzung mit dem Problem hilfreich (z. B. skizzieren, Besuche vor Ort). 4 durch Gruppenarbeit das Wissen mehrerer Bearbeiter und Nutzer in die Lösungsidee einfließt.

. Abb. 33.3 Simultaneous Engineering bei der Produktentstehung

ergebnis des vorhergehenden Arbeitsgangs für den nachfolgenden Arbeitsgang zur Verfügung steht und man mit Änderungen und Aktualisierungen umgehen muss. Insgesamt kann aber die Entwicklungszeit eines Produktes durch Simultaneous Engineering erheblich verkürzt werden. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist, dass Fehler in den einzelnen Arbeitsschritten früher erkannt werden können und sich somit die Kosten für die Fehlerkorrektur senken lassen (. Abb. 33.3).

33.2.2

Ideenfindung

Ziel ist, gute Lösungen zu finden und diese konstruktiv umzusetzen. Eine mittelmäßige Lösungsidee, konstruktiv sehr gut umgesetzt, führt in der Regel nicht zu einem guten Produkt. Deshalb ist es wichtig, eine sehr gute Lösungsidee zu finden. Ist sie gefunden, bleibt immer noch die Frage: „Gibt es noch eine bessere oder ist die beste schon gefunden.“ Mit dem methodischen Konstruieren wird versucht, dies nicht dem Zufall zu überlassen. 1 Beschreibung des Denkens

Das Denken ist einteilbar in das intuitive Denken und das diskursive Denken. Beim intuitiven Denken wird die Lösung durch einen plötzlichen und nicht planbaren Einfall gefunden. Es ist nicht genau beschreibbar wie der Einfall zustande kommt und er kann nicht erzwungen werden. Die Wahrscheinlichkeit, in kurzer Zeit durch intuitives Vorgehen eine gute Lösungsidee zu erhalten, kann erhöht werden indem: 4 der Bearbeiter ein umfassendes Wissen auf dem Gebiet hat, in dem die Lösungsidee gesucht wird. 4 der Bearbeiter eine Zeit ungestört und intensiv darüber nachdenken kann. Hierbei ist eine nähere Auseinan-

Der Nachteil hierbei ist, dass die Lösungsidee nur aus dem fachlichen Wissen des Bearbeiters stammen kann. Im Gegensatz zum intuitiven Vorgehen wird beim diskursiven Denken bewusst und organisiert vorgegangen. So kann in gewissen Grenzen planbar eine gute Lösung gefunden und sogar noch abgeklärt werden, ob diese die bestmögliche Lösungsidee ist. Weil das diskursive Denken in der Regel systematisch ist (Durchprobieren aller möglichen Kombinationen von Teillösungen), ist es auch zeitaufwändig und an gewisse Voraussetzungen gebunden (z. B. das Vorhandensein von Konstruktionskatalogen). Beide Denkweisen treten bei der Lösungssuche gemeinsam in unterschiedlicher Gewichtung auf. Bei Pahl et al. [1] werden gute Problemlöser in treffender Weise wie folgt beschrieben. Gute Problemlöser 4 besitzen ein gutes fachliches Wissen in geordneter Weise, d. h. sie haben ein inneres gut strukturiertes Modell, 4 finden ein richtiges, je nach Situation angepasstes Maß zwischen Konkretheit und Abstraktion, 4 können auch bei Unschärfe oder Unbestimmtheiten handeln und 4 halten am Ziel bei flexiblem Vorgehensverhalten fest. Im Folgenden werden Vorgehensweisen zum Finden einer guten Lösungsidee vorgestellt. An vielen Stellen im Konstruktionsprozess werden gute Ideen benötigt, sei es beim Konzipieren, beim Entwerfen oder beim Ausarbeiten. Deshalb soll das Finden von guten Ideen hier als ein Werkzeug des Konstrukteurs angesehen werden, dem er sich an beliebiger Stelle bedienen kann. Analysieren ist das genaue Untersuchen, um Informationen zu gewinnen. Arbeitsschritte des Analysierens sind das Zerlegen, das Ordnen, das Vergleichen und das Neubeschreiben. Das Analysieren ist immer ein erster Arbeitsschritt und Voraussetzung für andere Methoden der Lösungssuche. Durch sorgfältiges Analysieren entstehen häufig schon erste Ideen. Als besonders wichtig und hilfreich erweist sich immer eine gründliche Analyse der Aufgabenstellung. 7 Beispiel Ein Hersteller von Werkzeugmaschinen möchte, um den Umsatz anzuheben, mehrere Werkzeugmaschinen einer Art zu einer Fertigungslinie verbinden. Hierzu ist es nötig, eine Handlingseinrichtung zu entwickeln, die die Werkstücke zwischen An- und Abtransport und zwischen den einzelnen Maschinen transportiert. Durch das Analysieren der Aufgabenstellung werden Antworten auf folgende Fragen gefunden. 4 Wie viele Maschinen sollen minimal (maximal) verbunden werden? 4 Welche Maschinenanordnungen sind sinnvoll?

33

684

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

Greifen

Beschleunigen

Bewegen

Gleichmäßig bewegen

Ablegen

1 Morphologischer Kasten

Abbremsen

. Abb. 33.4 Zerlegen von Funktionen in Teilfunktionen

33

Der morphologische Kasten basiert auf der von Zwicky 1966 vorgeschlagenen morphologischen Methode. Die Gesamtfunktion wird in Teilfunktionen zerlegt. Für jede Teilfunktion werden Lösungsprinzipien gesucht. Diese werden in eine Tabelle eingetragen. Durch Verbinden von miteinander „verträglichen“ Lösungsprinzipien entstehen Lösungskombinationen. 7 Abschn. 33.3, . Abb. 33.10. Unter Abschnitt 3 ist ein morphologischer Kasten für die Entwicklung eines Ausgleichsgetriebes für einen Pkw dargestellt. Manchmal werden die Teilfunktionen und die Lösungsprinzipien noch durchnummeriert. Die Anwendung eines morphologischen Kastens ist sinnvoll bei umfangreichen Neu- und Anpassungskonstruktionen, die sich gut in Teilfunktionen gliedern lassen. Je besser und sorgfältiger die Lösungsprinzipien erarbeitet werden und je mehr Fachwissen und Erfahrung beim Verbinden der Lösungsprinzipien einfließt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, gute Lösungskombinationen zu bekommen.

4 Welche geometrischen Restriktionen gibt es auf Grund von Normen und Sicherheitsbestimmungen? 4 Welche maximale Masse können die Werkstücke haben? Hierzu müssen Anwendungsfälle untersucht werden, weil das Produkt aus Arbeitsraumvolumen und Materialdichte viel zu groß ist. 4 Welche Bewegungen sollen möglich sein? Drei Translationen und drei Rotationen ermöglichen universelle Bewegungen, aber jede überflüssige mögliche Bewegung kostet Geld. 4 Wie sind die Taktzeiten und die Transportwege, schafft eine Handlingseinrichtung alle anfallenden Transportauf1 Brainstorming gaben? Die wohl bekannteste intuitive Methode der Ideenfin4 Müssen zwei Werkstücke gleichzeitig gehandelt werden? dung ist das Brainstorming nach Osborn. Durchgeführt 4 Wie sind die geometrischen Verhältnisse in den zu verbinwird das Brainstorming in einer Gruppe von 5 bis 15 denden Maschinen? Weiterhin können die Transportaufgaben durch Analysieren der zu realisierenden Funktion, siehe . Abb. 33.4, genauer beschrieben werden. 9

1 Fragen stellen

Durch gezieltes Fragen und daraus resultierenden Antworten können nützliche Informationen gewonnen und viele Gedanken und Ideen angeregt werden. Für sich wiederholende Aufgabenstellungen gibt es in der Praxis Frage- oder Checklisten z. B. bei Vorstellungsgesprächen. Das gezielte Fragen kann als sinnvoller Arbeitsschritt beim Analysieren verwendet werden. 1 Abstrahieren

Abstrahieren ist das Rückführen auf das Wesentliche. Arbeitsschritte sind das Vereinfachen, das Einordnen in eine höhere Hierarchieebene und das Weglassen von Details. Das Abstrahieren ist ein sehr wichtiges Werkzeug beim methodischen Konstruieren, weil hierbei über das zu lösende Problem grundlegend und unvoreingenommen nachgedacht werden muss. Sinnvoll ist, die Ergebnisse des Abstrahierens zu dokumentieren. 7 Beispiel

Personen, inklusive eines Leiters. Die Gruppe sollte aus Fachleuten unterschiedlicher Bereiche und auch aus Laien bestehen. Sehr wichtig ist, dass die Gruppenmitglieder nicht aus unterschiedlichen Hierarchieebenen stammen und gegenseitig nicht weisungsbefugt sind. Der Gruppenleiter ist für die organisatorischen Aufgaben verantwortlich. Hierzu zählt: die Zusammensetzung der Gruppe bestimmen, einen neutralen Protokollführer festlegen, den Termin festlegen und dazu einladen sowie die nach der Sitzung erforderliche Auswertung organisieren. Während der Sitzung muss der Leiter das zu lösende Problem erläutern, das Einhalten wichtiger Regeln durchsetzen und ein Protokoll führen. Die wichtigste Regel beim Brainstorming ist, dass die Vorschläge anderer nicht kritisiert oder bewertet werden. Nach der Brainstorming-Sitzung, die zwischen 30 min und 60 min dauern sollte, wird sie durch Fachleute ausgewertet. Vorteilhaft ist die Durchführung eines Brainstorming, wenn noch kein Lösungsprinzip vorhanden ist oder man mit allem Bekannten nicht weiter kommt. Weitere ähnliche Verfahren sind die Methode 635 nach Rohrbach, die Galeriemethode nach Hellfritz, die DelphiMethode und die Methode Synektik nach Gordon, bei denen ebenfalls nach vorgegebenen Regeln auf intuitive Weise Ideen gesucht werden.

Beim spontanen Nachdenken über Pkw-Antriebe fallen dem Konstrukteur Diesel- und Benzinmotoren ein. Durch Abs-1 Arbeiten mit Konstruktionskatalogen trahieren der Problemstellung entsteht Folgendes. Es wird In Konstruktionskatalogen werden bekannte und/oder eine Antriebsleistung von x kW benötigt, die dazu benötigte schon umgesetzte Lösungen gesammelt. Ziel ist es, dem Energie muss speicherbar und in angemessener Form trans- nach einer Lösungsidee suchenden Konstrukteur Anregunportabel sein. Nur auf diese Weise wird der Konstrukteur gen zu geben. Der Idealfall wäre, wenn der Konstrukteur in offen für neue Lösungen wie Hybridantriebe, Elektroantriebe dem Konstruktionskatalog eine für ihn brauchbare Lösung findet. und Brennstoffzellen. 9

685 33.2  Grundlagen

Gliederungsteil

1

2

3

4

Hauptteil Zugriffsteil

Anhang

1

1

2

Nr 1 2 3 4 5

1

2

3

2

. Abb. 33.5 Konstruktionskatalog in Anlehnung an Roth [2012]

In Büchern, Prospekten, Zeitschriften und Firmenschriften sind auch Lösungsideen vorrätig. Sie sind aber sehr unterschiedlich dargestellt, weshalb ein direkter Vergleich schwierig ist. Außerdem ist es aufwändig, für eine Aufgabenstellung die bisher bekannten Lösungen aus der Literatur zu suchen. An Konstruktionskataloge werden deshalb folgende Anforderungen gestellt: 4 sie sollten möglichst vollständig sein, zumindest aber erweiterbar, 4 sie sollten firmen- und branchenunabhängig sein, 4 sie sollten für den Einsatz mit und ohne Rechner geeignet sein und 4 sie sollten gut handhabbar sein. Wesentliche Vor- und Forschungsarbeiten bei der Erstellung und Entwicklung von Konstruktionskatalogen leistete Roth. Sein dreibändiges Werk „Konstruieren mit Konstruktionskatalogen“ [2] enthält viele Konstruktionskataloge und Verweise zu weiteren. Roth schlägt folgenden Aufbau für Konstruktionskataloge vor, wobei in den einzelnen Spalten folgende Inhalte einzuordnen sind, siehe . Abb. 33.5: Gliederungsteil: ordnende und gliedernde Gesichtspunkte, dient dem systematischen Aufbau, Hauptteil: hier werden die Lösungen beschrieben, Zeichnungen und Skizzen, Zugriffsteil: Eigenschaften der beschriebenen Lösungen sind aufgelistet und eingeordnet, Anhang: Bemerkungen, Verweise auf Referenzstellen, Ergänzungen. 1 TRIZ-Methode

Der Begründer dieser Methode ist Genrich Altschuller. Er untersuchte eine Vielzahl von Patenten, um auf Grund von Ähnlichkeiten der Erfindungen eine Evolution bei technischen Systemen zu finden. Das Ergebnis seiner Untersuchungen war jedoch, dass Erfindungen in der Regel nicht durch das Eingehen von Kompromissen, sondern durch das Verbinden von gegensätzlich erscheinenden Dingen gemacht wurden. Bei der TRIZ-Methode wird nun das zu lösende Problem analysiert und in eine Tabelle mit Merkmalen, ähnlich einer Anforderungsliste, eingetragen. Auf dem Rechner

befindet sich eine Datenbank, in der möglichst viele physikalische Effekte gespeichert sind, vergleichbar einem technischen Lexikon. Mit dem Computer wird die Datenbank hinsichtlich der in der Tabelle stehenden Anforderungen durchsucht und es werden Lösungskombinationen gefunden. Da kein Konstrukteur allein in der Lage ist, das ganze Wissen der Datenbank in sich zu vereinen, werden so Lösungen gefunden, an die man zum Beispiel beim Brainstorming nicht gedacht hätte. In den USA und auch bei großen deutschen Firmen ist diese Methode seit Jahren im Einsatz [3–5].

33.2.3

Bewerten

Das Bewerten kann an vielen Stellen des Konstruktionsprozesses erforderlich werden. Es ist aufwändiger im Vergleich zum einfachen Auswählen und sollte deshalb dort eingesetzt werden, wo wichtige Entscheidungen zu treffen sind. Durch Bewerten können technische Lösungen untereinander oder in Bezug zu einer idealen Lösung verglichen werden. Die zwei wesentlichsten, in der Praxis eingesetzten Bewertungsverfahren sind die Nutzwertanalyse und die Bewertung nach der VDI-Richtlinie 2225. In einem ersten Arbeitsschritt müssen die Bewertungskriterien gefunden werden. Sie sollten folgende vier Bedingungen erfüllen. 4 Sie sollten positiv formuliert werden z. B. geringer Kraftstoffverbrauch statt hoher Kraftstoffverbrauch. 4 In den Bewertungskriterien sollten alle wesentlichen Anforderungen enthalten sein. 4 Die Bewertungskriterien sollten voneinander unabhängig sein. Wenn ein Kriterium der geringe Kraftstoffverbrauch ist, ist es nicht sinnvoll, als weiteres Betriebskosten hinzuzunehmen. 4 Die Bestimmung der Bewertungskriterien sollte mit vertretbarem Aufwand möglich sein, z. B. direkte Messung. In einem zweiten Arbeitsschritt müssen die Bewertungskriterien gewichtet werden. Bei der Nutzwertanalyse erfolgt das in einem hierarchischen System, das dort als Zielsystem bezeichnet wird. Bei der technisch-wirtschaftlichen Bewertung nach VDIRichtlinie 2225 gibt es keine hierarchische Ordnung der Bewertungskriterien. Eine Gewichtung wird nur empfohlen, wenn einzelne Kriterien eine sehr unterschiedliche Bedeutung haben. Beiden Methoden ist gleich, dass die Summe der Gewichtungsfaktoren 1 bzw. 100 % ist (in der Nutzwertanalyse wird diese in der untersten Hierarchieebene gebildet). Ein dritter Arbeitsschritt ist das Bewerten der Lösungsvorschläge hinsichtlich der Bewertungskriterien. Dazu wird bei beiden Methoden ein unterschiedliches Punktesystem vorgeschlagen (. Tab. 33.1).

33

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

686

. Tabelle 33.1 Werteskala für Nutzwertanalyse und Richtlinie VDI 2225

Nutzwertanalyse Pkt. Bedeutung

33

0

absolut unbrauchbare Lösung

1

sehr mangelhafte Lösung

2

schwache Lösung

3

tragbare Lösung

4

ausreichende Lösung

5

befriedigende Lösung

6

gute Lösung mit geringen Mängeln

7

gute Lösung

8

sehr gute Lösung

9

über die Zielvorstellung hinausgehende Lösung

10

Richtlinie VDI 2225 Pkt. Bedeutung 0

unbefriedigend

1

gerade noch tragbar

2

ausreichend

3

gut

ideales Produkt

Wirtschaftlische Wertigkeit

Werteskala

3

2 1

Technische Wertigkeit . Abb. 33.6 Wertigkeitsdiagramm nach Kesselring [1997]

4

sehr gut (ideal)

Ideallösung

Für die Verteilung der Punkte kann je nach Bedeutung der Bewertung unterschiedlich viel Aufwand betrieben werden. So ist es durchaus üblich, für quantitativ erfassbare Bewertungskriterien Grenzwerte zum Vergeben der Punkte, zum Teil sogar nach mathematischen Formeln, festzulegen. In einem vierten Arbeitsschritt werden die Gewichtungsfaktoren der einzelnen Bewertungsfaktoren mit den vergebenen Punkten multipliziert. Jedes Bewertungskriterium erhält einen gewichteten Wert. Für jede Lösungsvariante ist somit aus der Summe der gewichteten Werte über alle Bewertungskriterien der Gesamtwert bestimmbar. Die Lösungsvariante mit dem größten Gesamtwert ist die beste. Ein Beispiel wird im Kapitel Phasen des Konstruktionsund Entwicklungsprozesses gezeigt. Häufig ist es sinnvoll, eine technische und eine wirtschaftliche Bewertung getrennt voneinander durchzuführen. In der VDI-Richtlinie 2225 wird zum Zusammenführen beider Bewertungsergebnisse ein so genanntes Stärke-Diagramm vorgeschlagen. Darin ist gut zu erkennen, wie sich die technische und wirtschaftliche Wertigkeit der Lösungen von Entwicklungsschritt zu Entwicklungsschritt verändern (. Abb. 33.6). Bei einer schlechten Lösung ist es möglich, in einem Entwicklungsschritt sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Wertigkeit zu erhöhen. Irgendwann wird dann eine Grenze erreicht. Danach ist es nur noch möglich, eine Eigenschaft auf Kosten einer anderen zu verbessern. Das wurde vor ca. 100 Jahren von Pareto, einem italienischen Wissenschaftler und Mathematiker beschrieben. So ist es ab einer bestimmten Grenze nur noch möglich, Ver-

besserungen in der technischen Wertigkeit durch höhere Kosten zu erreichen. Nur durch völlig neue Erfindungen und Technologien können diese Grenzen weiter verschoben werden. Eine weitere Möglichkeit, die Ergebnisse einer Bewertung darzustellen, ist ein so genanntes Spinnendiagramm (. Abb. 33.7). Es werden von einem zentralen Punkt, etwa im gleichen Winkel zueinander, so viele Koordinatenachsen gezeichnet, wie Bewertungskriterien festgelegt wurden. Nun werden für jede Lösung die Bewertungsergebnisse eingetragen und verbunden. Ist eine Lösung bezüglich aller Bewertungskriterien besser als eine andere, so schneiden sich die Verbindungslinien für diese beiden Lösungen nicht. Die Verbindungslinie der schlechteren Lösung liegt innerhalb der durch die Verbindungslinie der besseren Lösung gebildeten Fläche. Schneiden sich die Verbindungslinien zweier Lösungen, so hat jede Lösung Vor- und Nachteile gegenüber der anderen. Der Vergleich der Gesamtwerte ist mit einem Spinnendiagramm nicht möglich.

Service

Kosten

Steifigkeit

Dynamik

Ergonomie

Thermische Stabilität

Wiederholgenauigkeit Zuverlässigkeit

. Abb. 33.7 Bewertung zweier Werkzeugmaschinen mit einem Spinnendiagramm

687 33.2  Grundlagen

33.2.4

Technische Schutzrechte

1 Die Anmeldung eines Patents

Patente und Gebrauchsmuster sind technische Schutzrechte. Sie sind geeignet, die Ergebnisse von Konstruktionsund Entwicklungsleistungen wirkungsvoll vor Nachahmung zu schützen. Im Arbeitnehmererfindungsgesetz wird geregelt, wie Arbeitnehmer, die während ihrer Arbeit schutzrechtwürdige Erfindungen machen, angemessen entlohnt werden. Neben der Schutzfunktion hat das Patentwesen eine weitere: die Vermittlung des Standes der Technik bei Forschung und Entwicklung; denn durch die Patentämter werden die angemeldeten Erfindungen veröffentlicht. Durch die Nichtnutzung dieser Veröffentlichungen entsteht jährlich ein hoher Schaden, Erfindungen und Entwicklungen werden mehrfach durchgeführt. In Deutschland ist das Deutsche Patentamt in München zuständig für die Anmeldung, Prüfung und Erteilung von Patenten und Gebrauchsmustern. Die übergeordnete Stelle ist das Europäische Patentamt. Europäische Patente gelten in den beteiligten Staaten auch als nationale Patente. 33.2.4.1

Patent

Welche Voraussetzungen gibt es für die Erteilung von Patenten? Als Patente werden technische Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 PatG). Nicht patentfähig sind: 4 wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden, 4 Computerprogramme, 4 ästhetische Formen, 4 Information (Tabellen, Formulare), 4 Konstruktionen, die Naturgesetzen widersprechen, 4 Pflanzensorten und Tierarten, 4 Verfahren zur chirurgischen und therapeutischen Behandlung an Mensch und Tier. Eine Erfindung ist nur dann patentfähig, wenn sie neu ist. Damit ist gemeint, dass sie nicht zum Stand der Technik gehört und nicht schon irgendwo veröffentlicht ist (weltweit). Zum Stand der Technik gehören alle Dinge, die veröffentlicht sind oder benutzt werden oder in sonst irgendeiner Weise bekannt sind. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass eine weltweite lückenlose Prüfung praktisch nicht möglich ist. Als zweite Bedingung muss eine Erfindung auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Damit ist gemeint, dass ein normaler Fachmann auf dem jeweiligen technischen Gebiet sich die patentwürdige Idee nicht aus dem Stand der Technik in naheliegender Weise erschließen kann. Die dritte Bedingung ist die gewerbliche Nutzbarkeit. Sie ist gegeben, wenn die Erfindung in irgendeiner Weise hergestellt und gewerblich genutzt werden kann.

Grundsätzlich kann jeder der will beim Deutschen Patentund Markenamt ein Patent anmelden. Es gibt keinen Anwaltszwang. Ausnahmen hiervon gibt es für Ausländer und Firmen ohne Firmensitz in Deutschland. Hier besteht Anwaltszwang. Ein Patent ist schriftlich oder in elektronischer Form in deutscher Sprache (oder die Übersetzung wird nachgereicht) beim Deutschen Patent- und Markenamt einzureichen. Folgende Unterlagen müssen zur Anmeldung eines Patents eingereicht werden: 1. ein Erteilungsantrag. Das ist ein Anmeldeformular, das auch im Internet unter der Adresse 7 http://www.dpma. de vorliegt, ebenso ein „Merkblatt“. 2. Anmeldungsunterlagen. Hier muss die Erfindung für einen Fachmann verständlich erklärt werden. Dies sollte sehr sorgfältig getan werden, da ein „Nachbessern“ nicht möglich ist. Bei fehlerhaften Unterlagen wird die Anmeldung zurückgewiesen und die Anmeldungsgebühr ist verfallen. Im Internet ist unter der Adresse: 7 https://www.mb.hs-mittweida.de/index. php?id=324 ein Link – Handbuch Maschinenbau, unter dem die vollständigen Anmeldeunterlagen für ein Patent einsehbar sind. Zu den Anmeldungsunterlagen gehören a) die Patentansprüche: In dem ersten Patentanspruch (Hauptanspruch) sind die wichtigsten Merkmale der Erfindung zu nennen. Es sind weitere Patentansprüche (Nebenansprüche) möglich. b) eine Beschreibung der Erfindung mit folgendem Inhalt: 4 Angaben des technischen Gebiets der Erfindung, 4 Stand der Technik, 4 Mängel bisheriger Lösungen, 4 Beschreibung des gelösten technischen Problems, 4 Erläuterung der Erfindung an Ausführungsbeispielen, 4 Einzelheiten zu besonderen Ausführungsarten, 4 Vorteile, die durch die Erfindung erreicht werden, 4 Zeichnungen. c) eine Zusammenfassung mit max. 1500 Zeichen. Ihr ist die aussagekräftigste Zeichnung zuzuordnen. Die Zusammenfassung dient zur Information, z. B. bei Patentrecherchen. d) Modelle und Proben sind nur auf Aufforderung des Deutschen Patent- und Markenamtes einzureichen. e) eine Erfinderbenennung. Etwa 18 Monate nach Anmeldung sind die Patentunterlagen dann für jedermann einsehbar. Durch ein Patent kann eine Erfindung bis zu max. 20 Jahre geschützt werden. Ab dem 3. Jahr ist für jedes Jahr, in dem das Patent weiter gelten soll, eine Gebühr zu zahlen, die von Jahr zu Jahr steigt. Derzeit kostet das 3. Jahr 70,00 C

33

688

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

und das 20. Jahr 1940,00 C. Die davor entstehenden Kosten sind mit der Anmeldegebühr abgegolten, derzeit 60,00 C plus Prüfungsantragsgebühr 350,00 C. Die Kosten für eine europäische Patentanmeldung sind erheblich höher. Es ist möglich, ein Patent erst national und dann innerhalb von 12 Monaten als Europäisches Patent anzumelden. 33.2.4.2

33

Gebrauchsmuster

Neben dem Patent ist das Gebrauchsmuster ein weiteres Schutzrecht. Es hat große Bedeutung, weil es schneller zu erlangen ist als ein Patent, die Kosten geringer sind und ebenfalls einen umfassenden Schutz ermöglicht. Ein Gebrauchsmuster muss körperlich sein. Die Bestimmungen über den Neuheitsgrad sind nicht so streng wie bei einem Patent und ein Antrag für ein Gebrauchsmuster wird nicht geprüft. Es ist also kein geprüftes Schutzrecht. Mit einem Gebrauchsmuster ist ein Schutz bis zu 10 Jahren möglich. Es kann sinnvoll sein, ein Gebrauchsmuster und ein Patent für ein und dieselbe Sache gleichzeitig einzureichen, weil durch den Gebrauchsmusterschutz die Zeitspanne überstrichen wird, bis der vollständige Patentschutz erreicht wird. Regelungen über den Gebrauchsmusterschutz sind im Gebrauchsmusterschutzgesetz (GbmG) festgeschrieben. Merkblätter gibt es beim Deutschen Patent- und Markenamt und im Internet. 33.3

Der Konstrukteur mit seiner vorgefassten Vorstellung soll durch die Abstraktion offen werden für andere Lösungsmöglichkeiten.

Geschichtliches Beispiel: Horch Nach seinem Maschinenbaustudium am Technikum Mittweida und einigen Jahren Industrieerfahrung gründete August Horch im Jahr 1899 die Firma Horch und Cie in Köln. Drei Jahre später kam er nach Sachsen zurück und ab 1904 wurden in Zwickau Autos gebaut. 1909 kam es dann zum Streit zwischen August Horch und dem Aufsichtsrat. Er verließ die Firma. Man kann auch sagen, er wurde aus seiner eigenen Firma rausgeschmissen. Kurz darauf wollte er eine neue Fa. Horch gründen, verlor aber den Rechtsstreit um den Namen und gründete so 1910 die Fa. AUDI (AUDI D lat. Horch). Weshalb kam es zu diesem Streit? Horch wollte die Leistungsfähigkeit seiner Wagen bei Rennen testen und der Vorstand sah das als Zeit- und Geldverschwendung an. Horch wusste schon damals, dass Prototypen, Tests und das Einhalten gewisser Regeln im Konstruktionsprozess sehr wichtig sind. Horch gewann in den folgenden 4 Jahren mit AUDI das seinerzeit bedeutendste Autorennen, die internationale österreichische Alpenrundfahrt.

Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses 33.3.1

Der Entwicklungs- und Konstruktionsprozess, der sich vor die Fertigung und Montage bei der Entstehung eines Produktes einordnen lässt, ist Dreh- und Angelpunkt des methodischen Konstruierens. In der VDI-Richtlinie 2221 wird ein Vorschlag gemacht, wie die Prozesse aussehen sollten. Das Ziel ist immer ein gutes Produkt und nicht, den Entwicklungs- und Konstruktionsprozess möglichst optimal zu beschreiben. Durch das methodische Konstruieren werden Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die es erleichtern, systematisch und sicher zu einem guten Produkt zu gelangen. Die Beschreibung dieser Prozesse ist eine Anleitung zum Handeln. In der Praxis, vor allem in kleineren Unternehmen, gibt es vielerorts kein methodisches Konstruieren. Das wird als Geldverschwendung angesehen. Der Konstrukteur erstellt eine Zeichnung nach der gefertigt wird und man denkt, die eingesparten Arbeitsschritte sind Gewinn. Der Entwicklungs- und Konstruktionsprozess wird nach Pahl et al. [1] in diese 4 Phasen gegliedert: 1. Planung und Klären der Aufgabe, 2. Konzipieren, 3. Entwerfen und 4. Ausarbeiten. Andere Möglichkeiten der Gliederung siehe auch [1, 2, 7, 8, 12]. Die Zielstellung ist allerdings immer die gleiche:

Planen und Klären der Aufgabe

Die erste Phase im Entwicklungs- und Konstruktionsprozess ist das Planen und Klären der Aufgabe. Hier sollte man sehr sorgsam vorgehen. Es stehen sich zwei Parteien gegenüber, einmal der Auftraggeber bzw. der an der konstruktiven Lösung interessierte Partner und auf der anderen Seite der Ausführende, meist der Konstrukteur. Beide können in einem sehr unterschiedlichen Verhältnis zueinander stehen und auch sehr unterschiedliche Kompetenz haben. Ist der Auftraggeber kein Fachmann, ist es die Aufgabe des Konstrukteurs, seinen Auftraggeber zu beraten. Wird eine so genannte Auftragskonstruktion durchgeführt, d. h. ein externer Auftraggeber beauftragt ein Konstruktionsbüro, etwas ganz Bestimmtes zu konstruieren, muss nach abgeschlossener Arbeit die Konstruktionsleistung durch den Auftraggeber bezahlt werden. Dies funktioniert, wenn der Auftraggeber mit der Konstruktionsleistung zufrieden ist. Es kann aber auch sein, dass der Auftraggeber mit der Konstruktionsleistung nicht zufrieden sein will, z. B. weil es seine Strategie ist, auf diese Weise den Preis zu drücken. Auch firmenintern kann es derartige Dinge geben, weil zunehmend zwischen den einzelnen Abteilungen eine Konkurrenzsituation aufgebaut wird. Deshalb ist es wichtig, eine möglichst genaue Aufgabenstellung zu haben.

33

689 33.3  Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses

Hierfür eignet sich eine Anforderungsliste, auf der die Forderungen und Wünsche eingetragen werden. Forderungen müssen unter allen Umständen eingehalten werden, und Wünsche sollten nach Möglichkeit realisiert werden. Besonders bei den Forderungen sollte Wert darauf gelegt werden, dass diese exakt nachprüfbar sind. So ist eine Forderung nach geringem Gewicht nicht eindeutig. Die Forderung, das Gerät sollte im einsatzbereiten Zustand inklusive der Betriebsstoffe leichter als 10 kg sein, ist sehr gut nachprüfbar. Für die Gestaltung von Anforderungslisten gibt es keine Vorschriften. Jedoch sollte sie den Namen und die Unterschrift von Auftraggeber und Auftragnehmer und das Datum der letzten Änderung enthalten. In . Abb. 33.8 ist dargestellt, wie eine Anforderungsliste aussehen könnte. Die aufgeführten Merkmale sind als Checkliste verwendbar. Es muss nicht für jedes Merkmal eine Forderung oder einen Wunsch geben. Die ersten drei Merkmale sind weiter untersetzt. Je nach Bedarf müsste man bei den anderen ebenso vorgehen.

33.3.2

Konzipieren

Firmenlogo

Anforderungsliste

Auftrags-Nr.:

Projekt:

Merkmale

Anforderungen

F = Forderung W = Wunsch Bearbeiter: Datum: F/W

Funkon Gesamtfunktion Teilfunktion Hauptfunktion Nebenfunktion

-

Geometrie Abmessungen Raumbedarf Anzahl Anordnung Anschluss Ausbau Erweiterung

-

Kinemak Bewegungsart Bewegungsrichtung Geschwindigkeit Beschleunigung

-

Kräfte Stoff

Konzipieren bedeutet umgangssprachlich, von einer bestimmten Vorstellung (Idee) ausgehend etwas planen und entwickeln. Beim methodischen Konstruieren wird die Phase, die dem Planen und Klären der Aufgabe folgt, als Konzipieren bezeichnet. Ausgehend von der Aufgabenstellung wird versucht, durch Abstrahieren das Wesentliche zu erkennen. Dieses Abstrahieren ist wichtig, um von vorgefassten Vorstellungen abzukommen. Im Entwicklungs- und Konstruktionsprozess nach VDI-Richtlinie 2221 werden das Ermitteln von Funktionen und deren Strukturen, das Suchen nach Lösungsprinzipien und deren Strukturen und das Gliedern in realisierbare Module der Phase des Konzipierens zugeordnet. Diese wird oft aus Kostengründen eingespart. Sie ist jedoch der kreativste Teil des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses. Hier sollten auch die Werkzeuge zur Ideenfindung eingesetzt werden. Etwa 70 % der Kosten eines Produkts werden während der Konstruktion festgelegt. Wird in der Phase des Konzipierens eine einfache und gute Lösung gefunden, ist der Grundstein für ein gutes Produkt gelegt. Wird keine gute Lösungsidee gefunden, dienen die folgenden Phasen dazu, für eine mittelmäßige Idee eine gute konstruktive Umsetzung zu finden.

33.3.3

Entwerfen

Das Entwerfen ist die dritte Phase im Entwicklungs- und Konstruktionsprozess. Entsprechend der Definition in der VDI-Richtlinie gibt es eine Überschneidung. In der Phase

Energie Signal Sicherheit Ergonomie Fertigung Kontrolle Montage Transport Gebrauch Instandhaltung Recycling Kosten Termin

. Abb. 33.8 Beispiel einer Anforderungsliste

des Entwerfens sind nach dieser Richtlinie die Schritte Gliedern in realisierbare Module, Gestalten der maßgebenden Module und Gestalten des gesamten Produktes einzuordnen. Arbeitsergebnisse sind Vorentwürfe und der Gesamtentwurf. Häufig gibt es Missverständnisse, was ein Vorentwurf oder ein Gesamtentwurf ist. In der Literatur zum methodischen Konzipieren findet man dazu unterschiedliche bis keine Angaben. Sollte für ein Produkt nur ein Entwurf und nicht die kompletten Fertigungsunterlagen zu erstellen sein, ist es sehr wichtig, schon in Phase eins genau zu vereinbaren, was alles zum Entwurf gehört, am besten schriftlich.

690

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

33

. Abb. 33.9 Entwurf eines Zahnradgetriebes

Ein Entwurf sollte maßstäblich sein, eine eindeutige Bezeichnung haben, sowie Name und Unterschrift des Konstrukteurs und das Erstellungsdatum enthalten. Aufbau und Funktion der Konstruktion müssen eindeutig erkennbar sein. Ein Entwurf sollte deshalb enthalten: 4 ausreichend viele Darstellungen und Schnitte, um die Anfertigung von Einzelteilzeichnungen durch einen Teilkonstrukteur zu ermöglichen, 4 Darstellung von beweglichen Elementen in Endlagen, 4 Passungen von Lagern, Wellen-, Nabenverbindungen und anderen Maschinenelementen, 4 Anschlussmaße (Befestigungsbohrungen, Wellenstumpfpassungen und -längen), 4 Außenabmaße, 4 wichtige Achsabstände und Lage der Achsen zu Bezugsflächen, 4 Norm-Kurzbezeichnung von Teilen, 4 grundlegende Parameter, z. B. Verzahnungsparameter. In . Abb. 33.9 ist ein konstruktiver Gesamtentwurf für ein Getriebe dargestellt (Beispiel des Autors). Beim Ent-

werfen komplexer Produkte kann es von Nutzen sein, eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten. Von Pahl et al. [1] wird die Empfehlung gegeben, nach dem Konzipieren und vor dem Entwerfen in gestaltungsbestimmende und abhängige Hauptfunktionsträger zu unterscheiden. Diese Unterteilung ist hilfreich, weil eine grobe Reihenfolge für das Entwerfen vorgegeben wird. Zuerst werden die gestaltungsbestimmenden und danach die abhängigen Hauptfunktionsträger entworfen. Beim Entwerfen müssen Gestaltungshinweise zu bestimmten Forderungen beachtet werden. Diese werden ausführlich im folgenden Abschnitt dargestellt.

33.3.4

Ausarbeiten

Das Ausarbeiten ist die vierte und letzte Phase im Entwicklungs-und Konstruktionsprozess. Zu dieser Phase gehört entsprechend der VDI-Richtlinie 2221 das Ausarbeiten der Ausführungs- und Nutzungsangaben. Das Ergebnis dieses

691 33.3  Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses

Arbeitsabschnitte 1 Klären und Präzisieren der Aufgabenstellung

Intensives Vor- oder Zurückspringen zu einem oder mehreren Arbeitsschritten

2 Ermitteln von Funktionen und deren Strukturen

Phase Bemerkung

Beispiel Stirnradgetriebe

Erstellen der Anforderungsliste Um Fehlentwicklungen zu vermeiden müssen die Ziele und Bedingungen der Aufgabe durch Anforderungen herausgearbeitet werden. Forderungen müssen unter allen Umständen eingehalten werden. Eine Lösung ohne ihre Erfüllung ist nicht akzeptabel. Phase Wünsche sollten nach Möglichkeit berücksichtigt I werden. Die präzisierte Aufgabenstellung sollte die Eigenschaften der auszuführenden Konstruktion so exakt beschreiben, dass nach der Fertigstellung der Konstruktionsunterlagen keine unterschiedliche Ausdeutung der Anforderungen möglich ist.

Beispiel für Angaben in einer Anforderungsliste

Abgeleitet aus der Aufgabenstellung kann eine lösungsneutrale Gesamtfunktion angegeben werden. Diese beschreibt in einer Blockdarstellung den Zusammenhang von Eingangs- und Ausgangsgrößen. Abhängig von der Komplexität der Gesamtfunktion kann eine Zerlegung in Teilfunktionen sinnvoll sein. Durch die Gliederung in allgemeine Funktionen wird die Suche nach geeigneten Wirkprinzipien erleichtert. (Verwendung von Lösungskatalogen) Ziel der Abstraktion besteht in der Trennung von der Vorfixierung, welche die Lösungsmenge bewusst einschränkt.

Gesamtfunktion: Ausgleich Massenkraft 2. Ordnung eines Verbrennungsmotors F F F W F W F W F W

Lage: alle Wellen parallel Geometrie: entsprechend der Randbedingungen Eingangsdrehzahl bis 8000 min-1 Wirkungsgrad maximal Welle 1/Welle 2: i=2, Welle 2/Welle 3: i=1, Fertigung: möglichst wenig Einzelteile große Stückzahl Gebrauch: geräuscharm Lebensdauer 5000 h Termin: 31.03.2006 nte nte

Ausgleichen

Leiten

Massenkraftausgleich Lagern

Verbinden Ausgleichen Verbinden Lagern

Leiten

Massenkraftausgleich

Suche nach Lösungsprinzipien unter Zuhilfe3 nahme der unterschiedlichsten Werkzeuge zur Suchen nach Ideenfindung. Beispiel rechts morphologischer Lösungsprinzi- Phase Kasten Bewerten der Lösungsvarianten. pien und deren II Strukturen

4 Gliedern in realisierbare Module 5 Gestalten der maßgebenden Module

Strukturen des Konzepts in gestaltungsbestimmende und abhängige Hauptfunktionsträger (Gruppen, Teile) unterteilen. Forderungen an einen Entwurf - Funktion muss erfüllt sein - Sicherheit und Zuverlässigkeit - sollte einfach und kostengünstig sein Phase - sollte - fertigungsgerecht - festigkeitsgerecht III - werkstoffgerecht - montagegerecht und - umweltgerecht gestaltet sein.

6 Gestalten des gesamten Produktes 7 Ausarbeiten der Ausführungsund Nutzungsangaben

Gestaltungsbestimmend: Zahnräder, Wellen, Lager Abhängig: Gehäuse, Schmiermittelversorgung

- Aufteilen der Gesamtübersetzung auf die Getriebestufen, - Hauptabmessungen (Breite, Durchmesser) durch Überschlagsrechnungen festlegen, - Festlegen der Verzahnungsdaten (Modul, Zähnezahl, Schrägungswinkel, Profilverschiebung, Genauigkeit (DIN-Qualität)), - Entwurf des Getriebes entsprechend den Anforderungen (Pflichtenheft), - Nachrechnung der Tragfähigkeit, Verformung und Lebensdauer der Bauteile gestützt auf Entwurfszeichnungen, - Bestätigt die Nachrechnung den Entwurf, kann mit der Detailarbeit begonnen werden, ansonsten Daten des Entwurfs ändern und neu nachrechnen.

- Teilezeichnungen erstellen, Einzelheiten festlegen - Gruppen- und Gesamtzeichnung, Stücklisten erstellen Phase - Zeichnungskontrolle, Schlussprüfung der KonIV struktion - Erstellen von Anleitungen für Montage, Demontage, Betreiben und Instandhalten

. Abb. 33.10 Phasen des Konstruktionsprozesses am Beispiel eines Ausgleichsgetriebes nach VDI-Richtlinie 2221

33

692

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

Abschnitts ist die Produktdokumentation. Sie umfasst Einzelteilzeichnungen, Zusammenbauzeichnungen, Baugruppenzeichnungen, Stücklisten sowie Anleitungen für Montage, Demontage, Wartung, Bedienung und Instandhaltung. Es sollte eine Zeichnungskontrolle und Schlussprüfung der gesamten Konstruktion erfolgen.

33.3.5

Beispiel

Im Folgenden (siehe . Abb. 33.10) sollen die Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses am Beispiel eines Ausgleichsgetriebes eines PKW-Motors vorgestellt werden. Das Ausgleichsverfahren wird als LanchesterAusgleich bezeichnet. Hierzu werden zwei gegenläufige Wellen mit der doppelten Kurbelwellendrehzahl und einer definierten Unwucht benötigt. Forderungen und Wünsche orientieren sich deshalb an Anforderungen aus der Automobilindustrie.

33 33.4

33.4.1

Gestaltungshinweise zu bestimmten Forderungen

4 strömungsgerecht, 4 leichtbaugerecht, 4 schön, formschön, elegant, wohlproportioniert. 33.4.2

Zuverlässigkeit und Sicherheit

Zuverlässigkeit und Sicherheit sind Forderungen an ein technisches Gebilde, die mit bestimmten Vorstellungen verknüpft werden und als Verkaufsargument dienen können. Unter Zuverlässigkeit soll verstanden werden, dass ein technisches Gebilde innerhalb bestimmter Grenzen und einer bestimmten Zeitdauer seine Funktion ordnungsgemäß erfüllt. Das wird in DIN 40041 und DIN 40042 beschrieben. Sicherheit wird bei der Berechnung gemäß DIN 31000 in drei Arten unterteilt: 4 unmittelbare Sicherheitstechnik 4 mittelbare Sicherheitstechnik 4 hinweisende Sicherheitstechnik

1 Unmittelbare Sicherheitstechnik

Überblick und Einordnung möglicher Forderungen

An ein Produkt werden die verschiedensten Forderungen und Wünsche gestellt. Diese sind z. B. aus einer Anforderungsliste entnehmbar. Aufgabe des Konstrukteurs ist es, diese Forderungen und Wünsche konstruktiv umzusetzen. Viele Forderungen und Wünsche wiederholen sich immer wieder. Daraus lassen sich Gestaltungshinweise (hinsichtlich bestimmter Forderungen) ableiten. Aus unterschiedlichen Forderungen können sich widersprechende Gestaltungshinweise ergeben. Generell muss ein Produkt seine Funktion erfüllen und aus ökonomischer Sicht brauchbar sein. Außerdem dürfen von ihm keine Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen. Aus diesen Selbstverständlichkeiten werden von Pahl et al. [1] Grundregeln für das Gestalten abgeleitet. Sie lauten „eindeutig“, „einfach“ und „sicher“ und eignen sich gut zu einer groben Überprüfung der Ideen und der Konstruktion. Anforderungen an Konstruktion und Produkt: 4 zuverlässig, sicher, betriebssicher, 4 kostengerecht, einfach, wirtschaftlich, 4 fertigungsgerecht, 4 werkstoffgerecht, 4 festigkeitsgerecht, kraftflussgerecht, beanspruchungsgerecht, 4 montagegerecht, 4 umweltgerecht, umweltfreundlich, 4 funktionsgerecht, 4 wartungsgerecht, möglichst wartungsfrei,

Das technische Gebilde ist so ausgelegt, dass von ihm überhaupt keine Gefährdung ausgeht. Erreicht werden kann das im Wesentlichen auf zweierlei Art und Weise: 1. Das technische Gebilde ist ausreichend dimensioniert. (siehe 7 Abschn. 33.4.4 Festigkeitsgerechtes Gestalten) Besonders schwierig gestaltet sich dabei das Festlegen der Sicherheitsfaktoren. Sind aus . Tab. 33.2 viele Fragen mit ja zu beantworten, ist der Sicherheitsfaktor größer zu wählen.

. Tabelle 33.2 Einflüsse, die höhere Sicherheiten erfordern (a)

Ist in der Folge des Schadens mit schlimmen Wirkungen zu rechnen?  Werden Menschen und/oder die Umwelt gefährdet?  Ist mit hohen Ausfallkosten zu rechnen?  Ist mit einem Totalausfall zu rechnen, der nicht bis zur nächsten Wartung zulässig ist?  Ist das zerstörte Bauteil teuer oder schwer zu beschaffen oder schwer einzubauen?

(b)

Erfolgt die Konstruktion und Berechnung über Annahmen?  Werden nur überschlägige Berechnungen durchgeführt?  Liegen keine Messwerte oder keine genauen Angaben über Lastkollektive vor?  Treten die Belastungen oft auf?  Ist der Einsatzort nicht bekannt?  Ist keine Abnahme bei der Inbetriebnahme erforderlich?

(c)

Gibt es große Unsicherheiten aus dem Bereich, Fertigung, Qualität, Materialien, Bedienung?  Sind die Werkstoffkennwerte unsicher?  Gibt es keine regelmäßigen Inspektionen?  Erfolgt die Bedienung durch ungeschultes Personal?  Gibt es grobe Fertigungstoleranzen?  Sind die Umgebungstemperaturen unterschiedlich?

33

693 33.4  Gestaltungshinweise zu bestimmten Forderungen

2. Sicherheit wird durch „redundante“ Anordnung sicherheitsrelevanter Baugruppen erreicht. Dabei wird zwischen aktiver und passiver Redundanz unterschieden. Aktive Redundanz: Mehrere gleiche oder ähnliche Baugruppen erfüllen gleichzeitig und zusammen die gleiche Aufgabe. Durch den Ausfall einer Baugruppe ist das System etwas geschwächt, es funktioniert aber weiter, z. B. mehrere Generatoren bei der Stromerzeugung. Passive Redundanz: Eine Ersatzbaugruppe ist vorrätig und kann im Bedarfsfall zugeschaltet werden. 1 Mittelbare Sicherheitstechnik

Unter mittelbarer Sicherheitstechnik sind alle Schutzeinrichtungen zu verstehen, die im Fall des Versagens der unmittelbaren Sicherheitstechnik Schutz bieten. Zur mittelbaren Sicherheitstechnik zählen zum Beispiel Gurte und Airbags im PKW und Schutzzäune an einem Roboterarbeitsplatz. Hinweisende Sicherheitstechnik dient zur Kennzeichnung von Gefahren z. B. durch Schilder. Es sollte das Ziel sein, möglichst viele Gefahren durch unmittelbare Sicherheitstechniken gar nicht erst entstehen zu lassen. Nur wenn das nicht mit vertretbaren Mitteln möglich ist, sollte auf mittelbare Sicherheitstechnik zurückgegriffen werden. Hinweisende Sicherheitstechnik sollte die Ausnahme sein und nicht als kostengünstiges Mittel verstanden werden, Probleme zu lösen. 33.4.3

Kostengerechtes Gestalten

Neben der Erfüllung der funktionalen Anforderungen an ein Produkt sind die Kosten ein entscheidendes Kaufkriterium. Diesem Sachverhalt muss sich der Konstrukteur bewusst sein, legt er doch ca. 70 % der Kosten, die ein Produkt bei seiner Herstellung sowie Nutzung hervorruft, fest. Da durch die Globalisierung des Marktes immer mehr Produktanbieter existieren, kann der Absatz nur durch einen entscheidenden Neuheitswert oder aber ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis gesichert werden. Während der Konstruktion müssen daher die entstehenden Kosten immer im Auge behalten werden und der Konstrukteur muss die Kostenstruktur des Unternehmens kennen. Folgende Kosten ergeben sich bei der Entwicklung und der Herstellung eines Produkts: 4 Sondereinzelkosten (Entwicklungskosten, Versuchskosten, Vorrichtungskosten) 4 Materialkosten und 4 Fertigungskosten. Diese fügen sich mit den Gemeinkosten (Lagerwesen, Gehälter, Verwaltung, Vertrieb) zu den Selbstkosten zusammen. Die VDI-Richtlinie 2225 [1997] enthält eine Methodik, wie bereits während der Entwurfsphase die Herstellkosten (D Summe Material- und Fertigungskosten) überschlägig bestimmt werden können. Den später

Umsatz Gewinn

Wachstum und SättigungsVerfallphase Reifephase phase Vorbereit. Einführungsz. Prod. phase einführg. Umsatz Produkt-

evtl. Wiederanstieg

entw. Produktplanung Zeit Kosten

Verlust

Gewinn

. Abb. 33.11 Produktlebenszyklus aus ökonomischer Sicht

wirklich entstehenden Kosten werden für den Verkaufspreis noch ein Gewinn sowie gegebenenfalls Vertreterprovision und Transportkosten zugerechnet. Der Gewinn richtet sich nach den Absatzmöglichkeiten des Produkts am Markt. Es ist sinnvoll, die Methode der Zielkostenkonstruktion anzuwenden. Dabei wird bestimmt, welchen Betrag der Kunde bereit ist, für ein bestimmtes Produkt zu bezahlen. Daraus ergeben sich die möglichen Kosten für die einzelnen Bereiche. Dementsprechend muss das Produkt entworfen werden. In letzter Zeit rücken neben den Anschaffungskosten (Verkaufspreis des Produkts) immer mehr die Lebenslaufkosten in den Vordergrund. Bei der Investitionsentscheidung werden auch die Betriebs-, Instandhaltungs- und Entsorgungskosten mit berücksichtigt. So kommt z. B. im Bereich der Werkzeugmaschinenkonstruktion der technisch überlegene Lineardirektantrieb nicht umfassend zum Einsatz, da sowohl die Anschaffungsals auch Nutzungskosten zu hoch sind. Untersuchungen im Bereich des Werkzeugmaschinenbaus gehen davon aus, dass die Anschaffungskosten nur noch 10 % bis 30 % der Lebenslaufkosten ausmachen. Daher kommen vermehrt Methoden wie die Untersuchung der Lebenszykluskosten (Life-Cycle-Costing) und in letzter Zeit verstärkt auch das Life-Cycle-Controlling zum Einsatz. Bei der letzten Methode werden Kosten- und Erlöspositionen aufgelistet und monetär bewertet. Es wird also nicht mehr das Produkt bevorzugt, das den geringsten Preis hat, sondern das in Bezug auf seinen Preis das beste Kosten-Nutzenverhältnis bei der Anwendung ermöglicht. In . Abb. 33.11 ist die Kostenstruktur entlang des Produktlebenszyklus aus Sicht des Herstellers dargestellt. Am Break-Even-Point hat das Unternehmen durch den Gewinn aus dem Verkauf des Produkts die Vorlaufkosten (Produktplanung, Konstruktion) ausgeglichen. Jeder weitere Gewinn kommt dem Unternehmen zugute. Beachtet der Konstrukteur diese Zusammenhänge, wird es ihm gelingen, ein marktfähiges Produkt zu entwerfen.

33.4.4

Festigkeitsgerechtes Gestalten

Teile von Maschinen dürfen durch die wirkenden Kräfte und Momente nicht überlastet werden und sich nur in bestimmten Grenzen verformen. Das jeweils strengere Kri-

33

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

terium bestimmt dabei die Auslegung und Gestaltung der Maschinenteile. Ist die Verformung das strengere Kriterium, spricht man von der Steifigkeit als Auslegungskriterium. Die Steifigkeit wird meist in N=*m angegeben. Mit Steifigkeit k D 100 N=*m ist gemeint, dass eine Kraft von 100 N erforderlich ist, um eine Verformung von 1 *m hervorzurufen. Wird durch ein Kräftepaar (Moment) eine Verdrehung hervorgerufen, spricht man von Verdrehsteifigkeit. Als Belastungen kommen Kräfte in den 3 Koordinatenrichtungen und Momente um die 3 Achsen in Frage. Diese können Verformungen in den 3 Koordinatenrichtungen und Verdrehungen um 3 Achsen hervorrufen. Die 36 möglichen Kombinationen daraus ergeben die Elemente der Steifigkeitsmatrix. Überall im Maschinenbau, wo es auf hohe Genauigkeit ankommt (Werkzeugmaschinen, Messmaschinen), ist die Steifigkeit Auslegungskriterium. So haben Gestellbauteile von Werkzeugmaschinen oft eine Sicherheit von 10 bis 50 hinsichtlich ihrer Festigkeit. Die steifigkeitsgerechte Auslegung von Maschinenteilen gestaltet sich einfach, weil das Hooke’sche Gesetz zu Grunde gelegt werden kann. Im Fall des nicht Erreichens der geforderten Steifigkeit würde die Maschine nicht qualitätsgerecht arbeiten. Die Gefahr der Zerstörung der Maschine besteht aber nicht. Ist die Belastung das strengere Kriterium, wird an jeder gefährdeten Stelle die Spannung errechnet und die Sicherheit überprüft [9]. Bei der Belastung wird zwischen statischer und dynamischer Belastung unterschieden. Je nach Anzahl der Schwingspiele bei der dynamischen Belastung wird zwischen Dauerfestigkeit und Zeitfestigkeit unterschieden. Die Dauer- und Zeitfestigkeit wird für eine bestimmte Überlebenswahrscheinlichkeit berechnet. Ein üblicher Wert für die Überlebenswahrscheinlichkeit ist Pü D 97;5 %. Bei der Dauer- und Zeitfestigkeit werden immer gleiche Spannungsamplituden zu Grunde gelegt. Das führt in der Praxis häufig zu überdimensionierten Bauteilen. Begünstigt durch die Entwicklung der Rechentechnik und besonders der Methode der finiten Elemente (FEM), hat sich die Berechnung der Betriebsfestigkeit durchgesetzt. Bei der Berechnung der Betriebsfestigkeit können unterschiedlich große Belastungen (Spannungsamplituden) berücksichtigt werden. Dadurch können Festigkeitsreserven des Materials besser genutzt werden, siehe Differenz zwischen Lebensdauerlinie und Wöhlerlinie in . Abb. 33.12. Ein guter Überblick über die Berechnung der Betriebsfestigkeit wird durch die FKM-Richtlinie 183 gegeben [9, 10]. Praktische Hinweise zur festigkeitsgerechten Gestaltung: 4 Kräfte und Momente möglichst auf kurzem und direktem Weg ableiten, 4 Anzahl der Teile, die im Kraftfluss liegen minimieren, 4 Kerbwirkung durch plötzliche Form- und Querschnittsänderung minimieren, 4 Anbringen von Entlastungskerben,

a e

Kurzzeitfestigkeitsbereich Betriebsfestigkeitsbereich

kennzeichnende Beanspruchungshöhe

d

c

W

Zeitfestigkeitsbereich

Le

öh

le

rli

ni

be

ns

da

e

ue

rlin

ie b

ND

Dauerfestigkeitsbereich

107

1

Schwingspielzahl bzw. Lebensdauer

. Abb. 33.12 Einordnung von Betriebsfestigkeit, Dauerfestigkeit und Zeitfestigkeit

N mm 2

E = 210 000

l = 1000mm

694

Biegung

Zug/Druck

Steifigkeit k in Richtung F1 entspricht der Belastung der Strebe auf Biegung

Steifigkeit k in Richtung F2 entspricht der Belastung der Strebe auf Druck

F1 k=

F2 A = 50mm x 50mm

3⋅E ⋅ I l3

k = 0,109

N μm

k=

E ⋅A l

k = 525

N μm

. Abb. 33.13 Gegenüberstellung von Zug/Druck- und Biegebelastung

4 Vermeiden von Biege- und Torsionsbeanspruchung zu Gunsten von Zug- und Druckbeanspruchung, siehe . Abb. 33.13, 4 Kraftausgleich durch symmetrische Gestaltung oder durch das Anbringen von Ausgleichselementen, 4 Anpassen der Querschnitte an die Belastungsverläufe. . Abb. 33.13 zeigt, welches Verbesserungspotenzial erschließbar ist, wenn es gelingt, die Belastungen als Zugund Druckbelastungen aus der Maschine zu leiten. Viele Ingenieurbauten, z. B. der über 300 m hohe Eiffelturm oder die 1,3 km lange Golden-Gate-Bridge, wären ohne Nutzung dieser Zusammenhänge nicht denkbar. Auch die Tragstruktur eines Zeppelins wird nur auf Zug und Druck belastet.

33.4.5

Fertigungsgerechtes Gestalten

In der zeitlichen Reihenfolge ist die Fertigung nach der Konstruktion einzuordnen. Ein Konstrukteur sollte sich schon während der Konstruktion Gedanken über die Fertigung machen. Auch wenn in der Ausbildung zwischen

695 33.4  Gestaltungshinweise zu bestimmten Forderungen

konstruktiven und produktionstechnischen Studienrichtungen im Maschinenbau unterschieden wird, muss ein guter Konstrukteur vertieftes fertigungstechnisches und produktionstechnisches Wissen haben. Durch die Möglichkeiten der Rechentechnik neigen vor allem Anfänger dazu, möglichst viele Abmessungen zu berechnen. Besser ist, wenn man einige Hauptabmessungen (Querschnitte) berechnet und den Rest konstruktiv, entsprechend fertigungstechnischer Möglichkeiten, gestaltet und abschließend eine Sicherheitsberechnung durchführt.

33.4.6

Werkstoffgerechtes Gestalten

Werkstoffgerechtes, festigkeitsgerechtes und fertigungsgerechtes Gestalten hängen eng miteinander zusammen. Es ist nicht immer eindeutig möglich, einer Maßnahme eine bestimmten Gestaltungsart zuzuordnen. Ziel sollte immer das gute Produkt bleiben und nicht die Theorie auf dem Weg dahin. Werkstoffe haben bestimmte Festigkeitseigenschaften und sind nur mit bestimmten Verfahren ver- und bearbeitbar. Die Werkstoffauswahl bzw. -festlegung erfolgt frühzeitig im Entwicklungs- und Konstruktionsprozess. Auswahlkriterien sind die Werkstoffkosten, die Fertigungseigenschaften und die Festigkeitseigenschaften. Auch subjektive Eigenschaften spielen eine Rolle. So ist ein Fahrrad mit einem Aluminiumrahmen teurer verkaufbar im Vergleich zu einem Fahrrad mit Stahlrahmen, obwohl Aluminium gegenüber Stahl kein wirkliches Leichtbaupotenzial hat. Um die Eignung eines Werkstoffs als Leichtbauwerkstoff einschätzen zu können, werden Kenngrößen gebildet in denen die Dichte enthalten ist. So lässt sich über das Dichte/E-Modulverhältnis gut einschätzen, welches Leichtbaupotenzial ein Werkstoff hat. Die Kosten eines Werkstoffs lassen sich gut mit den relativen Werkstoffkosten beschreiben. Dazu werden die Kosten eines Basiswerkstoffs für bestimmte Abmessungen und eine bestimmte Bezugsmenge als 1 oder 100 % gesetzt. Dazu im Vergleich sind die Kosten für die anderen Werkstoffe einzuordnen. Nach VDI-Richtlinie 2225 Blatt 2 wird der warmgewalzte Rundstahl S235JRG1 nach DIN EN 10025 mit einem ¿ 30 bis 100 mm und einer Bezugsmenge von 1000 kg als Bezugswerkstoff vorgeschlagen. Die relativen Werkstoffkosten sind nahezu unabhängig von Preisschwankungen. Mit den spezifischen Werkstoffkosten werden die Kosten eines Werkstoffs je Volumeneinheit beschrieben.

33.4.7

Montagegerechtes Gestalten

Die Montage von technischen Gebilden sollte möglichst einfach und eindeutig sein. Mit den folgenden Stichpunkten

werden Hinweise dazu gegeben. Nicht bei jedem Produkt bietet es sich an, alle Hinweise zu beachten. 4 Die Montage sollte in ihrer Reihenfolge und hinsichtlich der verwendeten Teile eindeutig sein. Es sollte keine ähnlichen Teile geben, nur gleiche und stark verschiedene Teile. 4 Die Montage sollte hierarchisch aufgebaut sein, sodass eine Vormontage von Baugruppen, die auch parallel durchgeführt werden kann, möglich ist. 4 Fertigungsoperationen während der Montage sollten vermieden werden. 4 Unterschiede bei der Montage, die sich aus unterschiedlichen Ausführungsvarianten eines Produkts ergeben, sollten erst möglichst spät auftreten. 4 Montageoperationen sollten eingespart werden durch – Funktionsintegrationen (Schrauben mit selbstschneidendem Gewinde), – Verringern von Fügestellen, – weniger aber dafür größere oder höherwertige Schrauben, – mehrere Montageoperationen gleichzeitig ausführen. 4 Vereinfachung der Positionierung von Teilen durch Anschläge oder andere Formelemente. 4 Vermeidung von gleichzeitigen Fügeoperationen, die sich gegenseitig beeinflussen. 4 Voraussetzungen für eine automatische Montage schaffen.

33.4.8

Ausdehnungsgerechtes Gestalten

Durch die Wirkung von Wärme kommt es zur Ausdehnung der betroffenen Teile. Der Längenausdehnungskoeffizient ˛ mit der Einheit 1=K eines Werkstoffs gibt dabei an, wie viel sich ein Werkstoff bei einer Temperaturerhöhung von 1 K ausdehnt. Bei Invarstahl (64 % Fe, 36 % Ni) ist der Längenausdehnungskoeffizient ˛  0. Bei CFK-Materialien ist er einstellbar. Diese Materialien sind deshalb geeignet für thermisch stabile Konstruktionen. Die Längenausdehnung von Stahl beträgt ˛  11;6  106 K1 und von Aluminium ˛  24 106 K1 . Bei Kunststoffen ist ˛ meist größer. Da Stahl der wichtigste Werkstoff im Maschinenbau ist, spielt ausdehnungsgerechtes Gestalten eine große Rolle. Bei Werkzeugmaschinen entstehen heute bis zu 70 % der Fertigungsungenauigkeiten durch thermisch bedingte Verlagerungen zwischen Werkstück und Werkzeug. Konstruktiv ergeben sich folgende Möglichkeiten, thermisch bedingte Verlagerungen zu vermeiden, zu verringern oder zu kompensieren: 4 thermische Belastungen vermeiden oder vermindern, 4 Temperierung der Gesamtmaschine oder einzelner Baugruppen und gezielte Wärmeabfuhr, 4 konstruktive Gestaltungsmaßnahmen.

33

696

Kapitel 33  Einführung in die Konstruktionsmethodik

Die konstruktiven Gestaltungsmaßnahmen können sein: 4 Befestigung der Gestellbauteile so, dass die Verformungen in der kritischen Richtung minimal werden, 4 Ausnutzung von Symmetrieebenen, 4 Maßnahmen zur konstruktiven Wärmeabfuhr, 4 Isolierung und Separierung wärmeintensiver Bauteile (z. B. Hauptantrieb). Steuerungstechnische Kompensation ist mit Hilfe von Regression und nichtlinearer Datenanalyse möglich.

33.4.9

33

Umweltgerechtes Gestalten

Als umweltgerechtes Gestalten werden die Maßnahmen verstanden, die verhindern, dass negative Einflüsse sowohl für den Menschen als auch die Umgebung des Produktes während dessen Fertigung, Betriebes und Entsorgung entstehen. Ein Hauptkriterium ist die ergonomiegerechte Gestaltung. Das Produkt muss so ausgelegt sein, dass sowohl während der Montage als auch bei der Bedienung des Produkts keine Schädigungen der Gesundheit auftreten. Nach arbeitswissenschaftlichen Kriterien sind das zum Beispiel die maximal aufzubringenden menschlichen Kräfte, die Körperhaltung, das Geräuschverhalten oder auch das Emissionsverhalten. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist das direkte Umweltverhalten als Einflüsse auf die Umgebung und die Natur. Ein typisches Beispiel ist das Abgasverhalten der Automobile oder das Leckverhalten von Werkzeugmaschinen. Der Konstrukteur muss sich immer die Frage stellen, welche Nebenwirkungen kann die Funktionsweise hervorrufen, welche können die Umgebung schädigen und wie kann das verhindert werden. In der jetzigen Zeit wo die Lebenszeit der Produkte immer kürzer wird, muss man bei einem umweltgerechten Gestalten auch die Entsorgung berücksichtigen. Die Konstrukteure und Entwickler sollten daher auf folgende Punkte achten: 4 optimale Materialausnutzung, 4 Einsatz länger verfügbarer Rohstoffe, 4 Werkstoffverträglichkeit untrennbarer Einheiten, 4 demontagegerechte Fügestellen (kurze Demontagewege, geringe Anzahl möglichst gleichartiger Verbindungselemente), 4 demontagegerechte Baustrukturen.

Je nach Produkt kann es auch sinnvoll sein, einige Baugruppen so zu gestalten, dass sie nach dem Recycling eine Weiterverwendung erfahren.

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Pahl, G., Beitz, W., Feldhusen, J., Grote, K.-H.: Konstruktionslehre, 8. Aufl. Springer, Berlin (2013) 2. Roth, K.: Konstruieren mit Konstruktionskatalogen, 3. Aufl., Bd. I: Konstruktionslehre. Springer, Berlin (2012). Bd. II: Konstruktionskataloge. Springer, Berlin (2012). Band III: Verbindungen und Verschlüsse, Lösungsfindung. Springer, Berlin (1996) 3. Terniko, J., Zusman, A., Zlotin, B.: TRIZ Der Weg zum konkurrenzlosen Erfolgsprodukt. Verlag Moderne Industrie (1998) 4. Schweizer, P.: Systematische Lösungen finden, 3. Aufl. vdf-Hochschulverlag, Zürich (2008) 5. Orloff, M. A.: Grundlagen der klassischen TRIZ, 3. Aufl. Springer, Berlin (2006) 6. VDI-Richtlinie 2225: Technisch-wirtschaftliches Konstruieren. VDIVerlag, Düsseldorf (1997) 7. Rodenacker, W. G.: Methodisches Konstruieren. In: Konstruktionshandbücher, Bd. 27, 3. Aufl. Springer, Berlin (1991) 8. Koller, R.: Konstruktionslehre für den Maschinenbau, 4. Aufl. Springer, Berlin (1998) 9. FKM-Richtlinie: Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile aus Stahl, Eisenguss und Aluminiumwerkstoffen, 5. Ausgabe VDMA-Verlag, Frankfurt (2003) 10. Haibach, F.: Betriebsfestigkeit, 3. Aufl. Springer, Berlin (2006) 11. Kurz, U., Hintzen, H., Laufenberg, H.: Konstruieren, Gestalten, Entwerfen, 4. Aufl. Vieweg+Teubner, Wiesbaden (2009) 12. VDI-Richtlinie 2221: Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte. VDI-Verlag, Düsseldorf (1993) 13. VDI-Richtlinie 2222, Blatt 1: Konzipieren technischer Produkte (Entwurf) 1973, überarbeitete Fassung. VDI-Verlag, Düsseldorf (1977). Methodisches Entwickeln von Lösungsprinzipien. VDI-EKV, Düsseldorf (1997) 14. VDI-Richtlinie 2222, Blatt 2: Erstellung und Anwendung von Konstruktionskatalogen. VDI-Verlag, Düsseldorf (1982) 15. DIN ISO 15226: Lebenszyklusmodell und Zuordnung von Dokumentationen (1999) 16. Spur, G., Krause, F.-L.: Das virtuelle Produkt-Management der CADTechnik. Hanser, München, Wien (1997) 17. Neugebauer, R., Wieland, P., Hochmuth, C.: Fertigungskompetenzzellen. In: Teich, T. (Hrsg.) Hierarchielose regionale Produktionsnetzwerke, S. 211–238 (2001) 18. Dixon, J. R.: Design Engineering: Inventiveness, Analysis and Decision Making. McGraw-Hill, New York (1966) 19. Penny, R. K.: Principles of Engineering Design. Postgraduate 46, S. 344–349 (1970) 20. VDI/VDE-Richtlinien 2225, Blatt 1: Konstruktionsmethodik Technisch-wirtschaftliches Konstruieren – Vereinfachte Kostenermittlung (1997)

34

697

Normzahlen, Toleranzen, Passungen Gert Böge und Wolfgang Böge

34.1

Normzahlen

Vor allem wegen der Kosten ist es sinnvoll, sich beim Festlegen von Maßen aller Art auf Vorzugszahlen zu beschränken (Baugrößen, Drehzahlen, Drehmomente, Leistungen, Drücke usw.). Man verwendet dazu eine geometrisch gestufte Zahlenfolge. . Abb. 34.1 zeigt, dass bei der geometrischen Stufung die Werte im unteren Bereich fein, im oberen grob gestuft sind. Das ist nicht nur technisch sinnvoll. Bei den Normzahlen (DIN 323-1) sind die Dezimalbereiche nach vier Grundreihen geometrisch gestuft (. Tab. 34.1). Der Stufensprung q ist das konstante Verhältnis einer Normzahl zur vorhergehenden. Der Buchstabe R weist auf Renard hin, der die Normzahlen entwickelt hat (. Tab. 34.2).

. Tabelle 34.1 Stufensprung der vier Grundreihen Reihe R5 R 10 R 20 R 40

Stufensprung p q5 D 5 10 p q10 D 10 10 p q20 D 20 10 p q40 D 40 10

Rechenwert

Genauwert

Mantisse

1,58

1,5849 . . .

200

1,26

1,2589 . . .

100

1,12

1,1220 . . .

050

1,06

1,0593 . . .

025

. Abb. 34.1 Schematische Darstellung mit arithmetischer und geometrischer Stufung

Die Abkürzungen bei den DIN-Nummern haben folgende Bedeutung: E Bbl EN

Entwurf, Beiblatt, Europäische Norm, deren deutsche Fassung den Status einer Deutschen Norm erhalten hat. ISO Deutsche Norm, in die eine Internationale Norm der ISO unverändert übernommen wurde. EN ISO Europäische Norm, in die eine Internationale Norm (ISO-Norm) unverändert übernommen wurde und deren deutsche Fassung den Status einer Deutschen Norm hat. Die Zahlen sind gerundete Werte. Die Wurzelexponenten 5, 10, 20, 40 geben die Anzahl der Glieder im Dezimalbe-

. Tabelle 34.2 Normzahlen Reihe R5

1,00

1,60

2,50

4,00

6,30

10,00

Reihe R10

1,00

1,25

1,60

2,00

2,50

3,15

4,00

5,00

6,30

8,00

10,00

Reihe R20

1,00

1,12

1,25

1,40

1,60

1,80

2,00

2,24

2,50

2,80

3,15

3,55

4,00

4,50

5,00

5,60

6,30

7,10

8,00

9,00

10,00

1,00

1,06

1,12

1,18

1,25

1,32

1,40

1,50

1,60

1,70

1,80

1,90

2,00

2,12

2,24

2,36

2,50

2,65

2,80

3,00

3,15

3,35

3,55

3,75

4,00

4,25

4,50

4,75

5,00

5,30

5,60

6,00

6,30

6,70

7,10

7,50

8,00

8,50

9,00

9,50

10,00

Reihe R40

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_34

698

Kapitel 34  Normzahlen, Toleranzen, Passungen

reich an, z. B. hat die Reihe R5 (Wurzelexponent 5) fünf Glieder: 1, 1,6, 2,5, 4,0, 6,3. Für Dezimalbereiche unter 1 und über 10 wird das Komma jeweils um eine oder mehrere Stellen nach links oder rechts verschoben, z. B. für die Reihe R5: 0;01 0;016 0;025 0;04 0;063 0;1 10 16 25 40 63 100: 34.2 34.2.1

oder

ISO-Passungen Grundbegriffe

1 Bezeichnungen

34

N Nennmaß, Go Höchstmaß, Gu Mindestmaß, I Istmaß, ES; es oberes Grenzabmaß, EI; ei unteres Grenzabmaß, T Maßtoleranz, Ps Spiel, Pü Übermaß (. Abb. 34.2). E, e, ES, es, EI, ei sind die französischen Bezeichnungen mit der Bedeutung: E (Abstand, écart), ES (oberer Abstand, écart supérieur), EI (unterer Abstand, écart inférieur). Große Buchstaben für Bohrungen (Innenmaße), kleine für Wellen (Außenmaße). Berechnungen oberes Grenzabmaß D Höchstmaß  Nennmaß ES D GoB  N unteres Grenzabmaß D Mindestmaß  Nennmaß EI D GuB  N Höchstmaß Mindestmaß Höchstpassung D Bohrung  Welle Po D GoB  GuW Po D ES  ei Mindestpassung D

Mindestmaß Höchstmaß Bohrung  Welle

Pu D GuB  GoW Pu D EI  es Spiel Ps (positive Passung) liegt vor, wenn die Differenz der Maße von Innen- und Außenpassfläche positiv ist. Übermaß Pü (negative Passung) liegt vor, wenn die Differenz der Maße von Innen-und Außenpassfläche negativ ist.

34.2.2 34.2.2.1

Toleranzsystem Toleranzeinheit

Ein genaues Einhalten des Nennmaßes ist aus Herstellungsgründen nicht möglich und meistens auch nicht erforderlich. Der Toleranzgrad (Toleranzgröße) ist abhängig von den Abmessungen der Bauteile und dem Verwendungszweck und ist ein Vielfaches des Toleranzfaktors I bzw. i: p 3 0 < N  500W i D 0;45 D C 0;001  D 500 < N  3150W I D 0;004  D C 2;1 p i; I D D D D1  D2 (34.1) *m mm D geometrisches Mittel des Nennmaßbereichs nach . Tab. 34.3. Nach DIN EN ISO 286-1 sind 20 ISO-Toleranzgrade vorgesehen: IT 01 (kleinste Toleranz D größte Genauigkeit) bis IT 18 (größte Toleranz D kleinste Genauigkeit), IT D ISO-Grundtoleranz. Jeder Toleranzgrad entspricht einer bestimmten Anzahl Toleranzeinheiten, deren Zunahme ab IT 5 nach der geometrischen Reihe mit dem Stufungsfaktor q5  1;6 erfolgt (. Tab. 34.3). 7 Beispiel Nennmaßbereich 50 mm bis 80 mm p

p D1  D2 D .50  80/ mm D 63;245 : : : mm p 3 i D 0;45  D C 0;001  D p i D .0;45  3 63;245 : : : C 0;001  63;245 : : :/ *m

DD

i D 1;856 : : : *m Grundtoleranz T für IT 10: T D 64  i D 64  1;856: : :*m D 118;793 : : : *m T  120 *m .siehe . Tab. 34.3/ 9

34.2.2.2

Lage der Passtoleranzfelder

Die Passtoleranzfeldlage wird durch Buchstaben gekennzeichnet: Große Buchstaben für Innenmaße, kleine Buchstaben für Außenmaße. Für Bohrungen (Innenmaße): A B C CD D E EF F FG G H J JS K M N P R S T U V X Y Z ZA ZB ZC Für Wellen (Außenmaße): a b c cd d e ef f fg g h j js k m n p r s t u v x y z za zb zc

. Abb. 34.2 Darstellung der wichtigsten Passungsgrundbegriffe an Welle und Bohrung

Nach . Abb. 34.3 haben die A(a)-Felder bzw. Z(z)-Felder den größten Abstand zur Nulllinie, wobei für Bohrungen

ISO Toleranz

IT 01

IT 0

IT 1

IT 2

IT 3

IT 4

IT 5

IT 6

IT 7

IT 8

IT 9

IT 10

IT 11

IT 12

IT 13

IT 14

IT 15

IT 16

IT 17

IT 18

Toleranzgrad

01

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18





600

400

250

140

90

60

40

25

14

10

6

4

3

2

1,2

0,8

0,5

0,3

1 bis 3





750

480

300

180

120

75

48

30

18

12

8

5

4

0,5

1,5

1

0,6

0,4

über 3 bis 6



1500

900

580

360

220

150

90

58

36

22

15

9

6

4

2,5

1,5

1

0,6

0,4

über 6 bis 10

Nennmaßbereich in mm

2700

1800

1100

700

430

270

180

110

70

43

27

18

11

8

5

3

2

1,2

0,8

0,5

über 10 bis 18

3300

2100

1300

840

520

330

210

130

84

52

33

21

13

9

6

4

2,5

1,5

1

0,6

über 18 bis 30

3900

2500

1600

1000

620

390

250

160

100

62

39

25

16

11

7

4

2,5

1,5

1

0,6

über 30 bis 50

. Tabelle 34.3 Grundtoleranzen in *m der Nennmaßbereiche nach DIN EN ISO 286-1

4600

3000

1900

1200

740

460

300

190

120

74

46

30

19

13

8

5

3

2

1,2

0,8

über 50 bis 80

5400

3500

2200

1400

870

540

350

220

140

87

54

35

22

15

10

6

4

2,5

1,5

1

über 80 bis 120

6300

4000

2500

1600

1000

630

400

250

160

100

63

40

25

18

12

8

5

3,5

2

1,2

über 120 bis 180

7200

4600

2900

1850

1150

720

460

290

185

115

72

46

29

20

14

10

7

4,5

3

2

über 180 bis 250

8100

5200

3200

2100

1300

810

520

320

210

130

81

52

32

23

16

12

8

6

4

2,5

über 250 bis 315

8900

5700

3600

2300

1400

890

570

360

230

140

89

57

36

25

18

13

9

7

5

3

über 315 bis 400

9700

6300

4000

2500

1550

970

630

400

250

155

97

63

40

27

20

15

10

8

6

4

über 400 bis 500

2500

1600

1000

640

400

250

160

100

64

40

25

16

10

7









Toleranzen in i

34.2  ISO-Passungen 699

34

700

Kapitel 34  Normzahlen, Toleranzen, Passungen

. Abb. 34.3 Lage der Passtoleranzfelder (schematisch) a bei Bohrungen (Innenmaße) b bei Wellen (Außenmaße)

das A-Feld oberhalb, das Z-Feld unterhalb der Nulllinie liegt. Die Toleranzfelder für Wellen liegen entsprechend umgekehrt. Die Abstände der Passtoleranzfelder von der Nulllinie sind nach DIN 7150 festgelegt. Eine Auswahl nach DIN 7157(z) zeigt . Abb. 34.7. Eine Auswahl empfohlener Passtoleranzen nach DIN ISO 286-2 zeigt . Abb. 34.8.

34.2.3

34

34.2.3.1

. Abb. 34.5 Toleranzfeldauswahl für das System Einheitsbohrung, dargestellt für das Nennmaß 50 mm

Passsysteme Einheitsbohrung und Einheitswelle Einheitsbohrung

Im Passsystem Einheitsbohrung (EB) ist das untere Abmaß aller Bohrungen gleich null (EI D 0) (. Abb. 34.4 und 34.5). Die verschiedenen Passungen ergeben sich durch die Wahl verschiedener Toleranzfeldlagen der Wellen und der oberen Abmaße der Bohrungen (ES).

. Abb. 34.6 Passtoleranzfeldlagen im Passsystem Einheitswelle

Passungsbeispiele: H7/s6, H8/f7, H8/e8.

!Hinweis

! Hinweis Das System EB ist erkennbar am Buchstaben H; die untere Begrenzung des Passtoleranzfeldes der Bohrung deckt sich mit der Nulllinie.

Die verschiedenen Passungen ergeben sich durch die Wahl verschiedener Toleranzfeldlagen der Bohrungen und der unteren Abmaße der Wellen (ei). Passungsbeispiele: G7/h6, F8/h6, D10/h9.

Das System EW ist erkennbar am Buchstaben h; die obere Begrenzung des Toleranzfeldes der Welle deckt sich mit der Nulllinie.

34.3 34.2.3.2

Maßtoleranzen

Einheitswelle

Im Passsystem Einheitswelle (EW) ist das obere Abmaß aller Wellen gleich null (es D 0) (. Abb. 34.6).

. Abb. 34.4 Passtoleranzfeldlagen im Passsystem Einheitsbohrung

Grundsätzlich lässt sich jedes Maß mit einem Passungskurzzeichen versehen. Dies ist jedoch unzweckmäßig bei Maßen, die keine große Genauigkeit erfordern, in keiner Beziehung zu anderen Teilen stehen oder sich mit Grenzrachenlehren oder Grenzlehrdornen nicht messen lassen. In diesen Fällen werden Maßtoleranzen vorgesehen. Hierbei werden zum Nennmaß die Grenzabmaße in mm hinzugefügt. Beispiele zeigt . Abb. 34.12. Maße ohne Toleranzangabe (. Abb. 34.9) unterliegen den Vorschriften nach DIN 7168(z) über Allgemeintoleranzen (nicht für Neukonstruktionen). Die Kennzeichnung der Oberflächenbeschaffenheit wird in . Abb. 34.10, die technologische Auflistung der Mittenrauheitswerte in . Abb. 34.11 erfasst.

34

701 34.3  Maßtoleranzen

a Nennmaßbereich mm über 1 bis 3 über 3 bis 6 über 6 bis 10 über 10 bis 14 über 14 bis 18 über 18 bis 24 über 24 bis 30 über 30 bis 40 über 40 bis 50 über 50 bis 65 über 65 bis 80 über 80 bis 100 über 100 bis 120 über 120 bis 140 über 140 bis 160 über 160 bis 180 über 180 bis 200 über 200 bis 225 über 225 bis 250 über 250 bis 280 über 280 bis 315 über 315 bis 355 über 355 bis 400

H7

H8

H9

H 11

za 6

+ 10 0 + 12 0 + 15 0

+ 14 0 + 18 0 + 22 0

+ 25 0 + 30 0 + 36 0

+ 60 0 + 75 0 + 90 0

+ 18 0

+ 27 0

+ 43 0

+ 110 0

+ 38 + 32 + 50 + 42 + 61 + 52 + 75 + 64 + 88 + 77

+ 21 0

+ 33 0

+ 52 0

+ 130 0



+ 25 0

+ 39 0

+ 62 0

+ 160 0



+ 30 0

+ 46 0

+ 74 0

+ 190 0



+ 35 0

+ 54 0

+ 87 0

+ 220 0



+ 40 0

+ 63 0

+ 100 0

+ 250 0



za 8 – – + 74 + 52 + 91 + 64 + 104 + 77 + 131 + 98 + 151 + 118 + 187 + 148 + 219 + 180 + 272 + 226 + 320 + 274 + 389 + 335

z6

z8

x6

x8

+ 32 + 26 + 43 + 35 + 51 + 42 + 61 + 50 + 71 + 60 + 86 + 73 + 101 + 88 + 128 + 112

+ 40 + 26 + 53 + 35 + 64 + 42 + 77 + 50 + 87 + 60 + 106 + 73 + 121 + 88 + 151 + 112 + 175 + 136 + 218 + 172 + 256 + 210 + 312 + 258 + 364 + 310 + 428 + 365 + 478 + 415

+ 26 + 20 + 36 + 28 + 43 + 34 + 51 + 40 + 56 + 45 + 67 + 54 + 77 + 64 + 96 + 80 + 113 + 97 + 141 + 122 + 165 + 146 + 200 + 178 + 232 + 210 + 273 + 248 + 305 + 280 + 335 + 310 + 379 + 350 + 414 + 385 + 454 + 425 + 507 + 475 + 557 + 525 + 626 + 590 + 696 + 660

+ 34 + 20 + 46 + 28 + 56 + 34 + 67 + 40 + 72 + 45 + 87 + 54 + 97 + 64 + 119 + 80 + 136 + 97 + 168 + 122 + 192 + 146 + 232 + 178 + 264 + 210 + 311 + 248 + 343 + 280 + 373 + 310 + 422 + 350 + 457 + 385 + 497 + 425 + 556 + 475 + 606 + 525 + 679 + 590















+ 46 0

+ 72 0

+ 115 0

+ 290 0



+ 52 0

+ 81 0

+ 130 0

+ 320 0









+ 57 0

+ 89 0

+ 140 0

+ 360 0

















1) u 6 bei Nennmaß bis 24 mm, t 6 darüber . Abb. 34.7 Ausgewählte Passtoleranzfelder und Grenzabmaße (in mm) für das System Einheitsbohrung (H)

u 61) t6 + + + + + +

24 18 31 23 37 28

+ 44 + 33 + 54 + 41 + 54 + 41 + 64 + 48 + 70 + 54 + 85 + 66 + 94 + 75 + 113 + 91 + 126 + 104 + 147 + 122 + 159 + 134 + 171 + 146 + 195 + 166 –





u8 – – –



– + 81 + 48 + 99 + 60 + 109 + 70 + 133 + 87 + 148 + 102 + 178 + 124 + 198 + 144 + 233 + 170 + 253 + 190 + 273 + 210 + 308 + 236 + 330 + 258 + 356 + 284 + 396 + 315 + 431 + 350 + 479 + 390 + 524 + 435

s6 + + + + + +

20 14 27 19 32 23

r6 + + + + + +

16 10 23 15 28 19

+ 39 + 28

+ 34 + 23

+ 48 + 35

+ 41 + 28

+ 59 + 43

+ 50 + 34

+ 72 + 53 + 78 + 59 + 93 + 71 + 101 + 79 + 117 + 92 + 125 + 100 + 133 + 108 + 151 + 122 + 159 + 130 + 169 + 140 + 190 + 158 + 202 + 170 + 226 + 190 + 244 + 208

+ 60 + 41 + 62 + 43 + 73 + 51 + 76 + 54 + 88 + 63 + 90 + 65 + 93 + 68 + 106 + 77 + 109 + 80 + 113 + 84 + 126 + 94 + 130 + 98 + 144 + 108 + 150 + 114

702

Kapitel 34  Normzahlen, Toleranzen, Passungen

b

34

p6

n6

k6

h6

h8

h9

h 11

+ 12 + 6 + 20 + 12 + 24 + 15

+ 10 + 4 + 16 + 8 + 19 + 10

+ 6 0 + 9 + 1 + 10 + 1

+ – + – + –

4 2 6 2 7 2

0 – 6 0 – 8 0 – 9

0 – 14 0 – 18 0 – 22

0 – 25 0 – 30 0 – 36

0 – 60 0 – 75 0 – 90

– – – – – –

+ 29 + 18

+ 23 + 12

+ 12 + 1

+ 8 – 3

0 – 11

0 – 27

0 – 43

0 – 110

– 16 – 34

– 32 – 59

– 50 – 93

+ 35 + 22

+ 28 + 15

+ 15 + 2

+ 9 – 4

0 – 13

0 – 33

0 – 52

0 – 130

– 20 – 41

– 40 – 73

– 65 – 117

+ 42 + 26

+ 33 + 17

+ 18 + 2

+ 11 – 5

0 – 16

0 – 39

0 – 62

0 – 160

– 25 – 50

– 50 – 89

– 80 – 142

+ 51 + 32

+ 39 + 20

+ 21 + 2

+ 12 – 7

0 – 19

0 – 46

0 – 74

0 – 190

– 30 – 60

– 60 – 106

– 100 – 174

+ 59 + 37

+ 45 + 23

+ 25 + 3

+ 13 – 9

0 – 22

0 – 54

0 – 87

0 – 220

– 36 – 71

– 72 – 126

– 120 – 207

+ 68 + 43

+ 52 + 27

+ 28 + 3

+ 14 – 11

0 – 25

0 – 63

0 – 100

0 – 250

– 43 – 83

– 85 – 148

– 145 – 245

+ 79 + 50

+ 60 + 31

+ 33 + 4

+ 16 – 13

0 – 29

0 – 72

0 – 115

0 –290

– 50 – 96

– 100 – 172

– 170 – 285

+ 88 + 56

+ 66 + 34

+ 36 + 4

+ 16 – 16

0 – 32

0 – 81

0 – 130

0 – 320

– 56 – 108

– 110 – 191

– 190 – 320

+ 98 + 62

+ 73 + 37

+ 40 + 4

+ 18 – 18

0 – 36

0 – 89

0 – 140

0 – 360

– 62 – 119

– 125 – 214

– 210 – 350

. Abb. 34.7 (Fortsetzung)

j6

f7 6 16 10 22 13 28

e8 – – – – – –

14 28 20 38 25 47

d9 – – – – – –

20 45 30 60 40 76

a 11 – – – – – –

270 330 270 345 280 370

b 11 – – – – – –

c 11

140 200 140 215 150 240

– 60 – 120 – 70 – 145 – 80 – 170

– 290 – 400

– 150 – 260

– 95 – 205

– 300 – 430

– 160 – 290

– 110 – 240

– 310 – 470 – 320 – 480 – 340 – 530 – 360 – 550 – 380 – 600 – 410 – 630 – 460 – 710 – 520 – 770 – 580 – 830 – 660 – 950 – 740 – 1030 – 820 – 1110 – 920 – 1240 – 1050 – 1370 – 1200 – 1560 – 1350 – 1710

– 170 – 330 – 180 – 340 – 190 – 380 – 200 – 390 – 220 – 440 – 240 – 460 – 260 – 510 – 280 – 530 – 310 – 560 – 340 – 630 – 380 – 670 – 420 – 710 – 480 – 800 – 540 – 860 – 600 – 900 – 680 – 1040

– 120 – 280 – 130 – 290 – 140 – 330 – 150 – 340 – 170 – 390 – 180 – 400 – 200 – 450 – 210 – 460 – 230 – 480 – 240 – 530 – 260 – 550 – 280 – 570 – 300 – 620 – 330 – 650 – 360 – 720 – 400 – 760

Nennmaßbereich mm über 1 bis 3 über 3 bis 6 über 6 bis 10 über 10 bis 14 über 14 bis 18 über 18 bis 24 über 24 bis 30 über 30 bis 40 über 40 bis 50 über 50 bis 65 über 65 bis 80 über 80 bis 100 über 100 bis 120 über 120 bis 140 über 140 bis 160 über 160 bis 180 über 180 bis 200 über 200 bis 225 über 225 bis 250 über 250 bis 280 über 280 bis 315 über 315 bis 355 über 355 bis 400

34

703 34.3  Maßtoleranzen

a Passung Nennmaßbereich mm

H8/x8

H7

H7

H7

H7

H7

H7

H8

H 11

H 11

G7 H7

u8

s6

r6

n6

k6

j6

h6

h9

h9

h 11

h6g6

– 4 – 20

– 0 – 16

+ 6 – 10



+ 12 – 4

+ 16 0

+ 39 0

+ 85 0

+ 120 0

+ 18 + 2

1)

über

1 bis

3

– 6 – 34

über

3 bis

6

– 10 – 46

– 7 – 27

– 3 – 23

+ 4 – 16



+ 13 – 7

+ 20 0

+ 48 0

+ 105 0

+ 150 0

+ 24 + 4

über

6 bis 10

– 12 – 56

– 8 – 32

– 4 – 28

+ 5 – 19

+ 14 – 10

+ 17 – 7

+ 24 0

+ 58 0

+ 126 0

+ 180 0

+ 29 + 5

über 10 bis 14

– 13 – 67

– 10



5

+ 6

+ 17

+ 21

+ 29

+ 70

+ 153

+ 220

+ 35

– 18

– 39

– 34

– 23

– 12

– 8

0

0

0

0

– 21 – 87

– 14



7

+ 6

+ 19

+ 25

+ 34

+ 85

+ 182

+ 260

– 15

– 48

– 41

– 28

– 15

– 9

0

0

0

0

über 14 bis 18 über 18 bis 24 über 24 bis 30

+

6

– 72 + 41 +

7

– 81

über 30 bis 40

– 21 – 99

– 18



9

+ 8

+ 23

+ 30

+ 41

+ 101

+ 222

+ 320

über 40 bis 50

– 31 – 109

– 59

– 50

– 33

– 18

– 11

0

0

0

0

über 50 bis 65

– 41 – 133

– 23 – 72

– 11 – 60

+ 10

+ 28

+ 37

+ 49

+ 120

+ 264

+ 380

+ 59

über 65 bis 80

– 56 – 148

– 29 – 78

– 13 – 62

– 39

– 21

– 12

0

0

0

0

+ 10

über 80 bis 100

– 70 – 178

– 36 – 93

– 16 – 73

+ 12

+ 32

+ 44

+ 57

+ 141

+ 307

+ 440

+ 69

über 100 bis 120

– 90 – 198

– 44 – 101

– 19 – 76

– 45

– 25

– 13

0

0

0

0

+ 12

über 120 bis 140

– 107 – 233

– 52 – 117

– 23 – 88

über 140 bis 160

– 127 – 253

– 60 – 125

– 25 – 90

+ 13 – 52

+ 37 – 28

+ 51 – 14

+ 65 0

+ 163 0

+ 350 0

+ 500 0

+ 79 + 14

über 160 bis 180

– 147 – 273

– 68 – 133

– 28 – 93

über 180 bis 200

– 164 – 308

– 76 – 151

– 31 – 106

über 200 bis 225

– 186 – 330

– 84 – 159

– 34 – 109

+ 15 – 60

+ 42 – 33

+ 59 – 16

+ 75 0

+ 187 0

+ 405 0

+ 580 0

+ 90 + 15

über 225 bis 250

– 212 – 356

– 94 – 169

– 38 – 113

über 250 bis 280

– 234 – 396

– 106 – 190

– 42 – 126

+ 18

+ 48

+ 68

+ 84

+ 211

+ 450

+ 640

+ 101

über 280 bis 315

– 269 – 431

– 118 – 202

– 46 – 130

– 66

– 36

– 16

0

0

0

0

+ 17

über 315 bis 355

– 301 – 479

– 133 – 226

– 51 – 144

+ 20

+ 53

+ 75

+ 93

+ 229

+ 500

+ 720

+ 111

über 355 bis 400

– 346 – 524

– 151 – 244

– 57 – 150

– 73

– 40

– 18

0

0

0

0

+ 18

+ 50 +

9

. Abb. 34.8 Passungsauswahl, empfohlene Passtoleranzen, Spiel-, Übergangs- und Übermaßtoleranzfelder in mm nach DIN EN ISO 286-2

704

Kapitel 34  Normzahlen, Toleranzen, Passungen

b

34

H7

F8

H8

F8

H8

E9

H8

D 10

H 11

D 10

C 11

f7

h6

f7

h9

e8

h9

d9

h9

d9

h 11

h9

h 11 c 11

h 11 a 11

+ 26 + 6

+ 28 + 6

+ 30 + 6

+ 47 + 6

+ 42 + 14

+ 64 + 14

+ 59 + 20

+ 85 + 20

+ 105 + 20

+ 120 + 20

+ 145 + 60

+ 180 + 60

+ 390 + 270

+ 34 + 10

+ 36 + 10

+ 40 + 10

+ 58 + 10

+ 56 + 20

+ 80 + 20

+ 78 + 30

+ 108 + 30

+ 135 + 30

+ 153 + 30

+ 175 + 70

+ 220 + 70

+ 420 + 270

+ 43 + 13

+ 44 + 13

+ 50 + 13

+ 71 + 13

+ 69 + 25

+ 97 + 25

+ 98 + 40

+ 134 + 40

+ 166 + 40

+ 188 + 40

+ 206 + 80

+ 260 + 80

+ 460 + 280

+ 52 + 16

+ 54 + 16

+ 61 + 16

+ 86 + 16

+ 86 + 32

+ 118 + 32

+ 120 + 50

+ 163 + 50

+ 203 + 50

+ 230 + 50

+ 248 + 95

+ 315 + 95

+ 510 + 290

+ 62 + 20

+ 66 + 20

+ 74 + 20

+ 105 + 20

+ 106 + 40

+ 144 + 40

+ 150 + 65

+ 201 + 65

+ 247 + 65

+ 279 + 65

+ 292 + 110

+ 370 + 110

+ 560 + 300

+ 75 + 25

+ 80 + 25

+ 89 + 25

+ 126 + 25

+ 128 + 50

+ 174 + 50

+ 181 + 80

+ 242 + 80

+ 302 + 80

+ 340 + 80

+ 342 + 120 + 352 + 130

+ + + +

440 120 450 130

+ + + +

630 310 640 320

+ 90 + 30

+ 95 + 30

+ 106 + 30

+ 150 + 30

+ 152 + 60

+ 208 + 60

+ 220 + 100

+ 294 + 100

+ 364 + 100

+ 410 + 100

+ 404 + 140 + 414 + 150

+ + + +

520 140 530 150

+ + + +

720 340 740 360

+ 106 + 36

+ 112 + 36

+ 125 + 36

+ 177 + 36

+ 180 + 72

+ 246 + 72

+ 261 + 120

+ 347 + 120

+ 427 + 120

+ 480 + 120

+ 477 + 170 + 487 + 180

+ + + +

610 170 620 180

+ + + +

820 380 850 410

+ 550 + 200

+ 700 + 200

+ 960 + 460

+ 560 + 210

+ 710 + 210

+ 1020 + 520

+ 580 + 230

+ 730 + 230

+ 1080 + 580

+ 645 + 240

+ 820 + 240

+ 1240 + 660

+ 665 + 260

+ 840 + 260

+ 1320 + 740

+ 685 + 280

+ 860 + 280

+ 1400 + 820

+ 123 + 43

+ 142 + 50

+ 131 + 43

+ 151 + 50

+ 146 + 43

+ 168 + 50

+ 206 + 43

+ 237 + 50

+ 211 + 85

+ 244 + 100

+ 285 + 85

+ 330 + 100

+ 308 + 145

+ 357 + 170

+ 405 + 145

+ 470 + 170

+ 495 + 145

+ 575 + 170

+ 555 + 145

+ 645 + 170

C 11 H 11 A 11 H 11

+ 160 + 56

+ 169 + 56

+ 189 + 56

+ 267 + 56

+ 272 + 110

+ 370 + 110

+ 401 + 190

+ 530 + 190

+ 640 + 190

+ 720 + 190

+ 750 + 300 + 780 + 330

+ + + +

940 300 970 330

+ 1560 + 920 + 1690 + 1050

+ 176 + 62

+ 187 + 62

+ 208 + 62

+ 291 + 62

+ 303 + 125

+ 405 + 125

+ 439 + 210

+ 580 + 210

+ 710 + 210

+ 800 + 210

+ 860 + 360 + 900 + 400

+ 1080 + 360 + 1120 + 400

+ 1920 + 1200 + 2070 + 1350

. Abb. 34.8 (Fortsetzung)

705 34.3  Maßtoleranzen

Allgemeintoleranzen in mm für Geradheit/Ebenheit

Toleranzklassen

H K L

Rechtwinkligkeit

bis 10

über 10 bis 30

über 30 bis 100

über 100 bis 300

über 300 bis 1000

0,02 0,05 0,1

0,05 0,1 0,2

0,1 0,2 0,4

0,2 0,4 0,8

0,3 0,6 1,2

Symmetrie

bis 100

über 100 bis 300

über 300 bis 1000

über 1000 bis 3000

0,2 0,4 0,6

0,3 0,6 1

0,4 0,8 1,5

0,5 1 2

über 100 bis 300

bis 100

über 300 bis 1000

über 300 bis 1000

0,8 1,5

1 2

0,5 0,6 0,6

1

. Abb. 34.9 Allgemeintoleranzen für Form und Lage nach DIN ISO 2768-2 Symbol

Definition

Symbol

Grundsymbol; Angabe der Oberflächenbeschaffenheit.

vernickelt

Rauheitsklasse N

Definition Bearbeitungszugabe

e

spanend bearbeitete Oberfläche

höchstzulässiger Rauheitswert Ra in μm

spanende Bearbeitung nicht zugelassen oder Zustand des vorangegangenen Arbeitsganges belassen Größtwert Rauheit a1 Kleinstwert Rauheit a2

Rillenrichtung rechtwinklig zur Projektionsebene

a Rauheitswert Ra oder Rauheitsklassen N b Oberflächenbehandlung oder Fertigungsverfahren c Bezugsstrecke d Rillenrichtung e Bearbeitungszugabe

Verfahren der Herstellung oder Oberflächenbehandlung N1

Rauheitswert Ra 0,025 in μm

N2

N3

N4

N5

N6

N7

N8

N9

N 10

N 11

N 12

0,05

0,1

0,2

0,4

0,8

1,6

3,2

6,3

12,5

25

50

. Abb. 34.10 Kennzeichnung der Oberflächenbeschaffenheit nach DIN EN ISO 1302

. Abb. 34.11 Mittenrauheitswerte Ra in *m nach DIN 4766-1, zurückgezogen ohne Nachfolge

34

706

34.4

Kapitel 34  Normzahlen, Toleranzen, Passungen

Eintragen von Toleranzen in Zeichnungen

Die Maßeintragung in Zeichnungen ist in DIN 406-10 festgelegt: 1. Grenzabmaße und Toleranzklassen sind hinter der Maßzahl des Nennmaßes einzutragen. (. Abb. 34.12 und 34.13). 2. Bei Grenzabmaßen stehen das obere Grenzabmaß und das untere Grenzabmaß über der Maßlinie hinter dem Nennmaß. 3. Toleranzklassen für Bohrungen (Innenmaße) werden mit Großbuchstaben und Zahl angegeben, z. B. H7; für Wellen (Außenmaße) mit Kleinbuchstaben und Zahl z. B. f 7. Sie stehen hinter dem Nennmaß über der Maßlinie.

34.5

Verwendungsbeispiele für Passungen

PassungsKennzeichnung, Verwendungsbeispiele, bezeichnung sonstige Hinweise Übermaß- und Übergangstoleranzfelder H8/x8 H7/s6 H7/r6

Presssitz: Teile unter großem Druck mit einer Presse oder durch Erwärmen/Kühlen fügbar; Bronzekränze auf Zahnradkörpern, Lagerbuchsen in Gehäusen, Radnaben, Hebelnaben, Kupplungen auf Wellenenden; zusätzliche Sicherung gegen Verdrehen nicht erforderlich.

H7/n6

Festsitz: Teile unter Druck mit einer Presse fügbar; Radkränze auf Radkörpern, Lagerbuchsen in Gehäusen und Radnaben, Laufräder auf Achsen, Anker auf Motorwellen, Kupplungen und Wellenenden; gegen Verdrehen sichern.

H7/k6

Haftsitz: Teile leicht mit einem Handhammer fügbar; Zahnräder, Riemenscheiben, Kupplungen, Handräder, Bremsscheiben auf Wellen; gegen Verdrehen zusätzlich sichern.

H7/j6

Schiebesitz: Teile mit einem Holzhammer oder von Hand fügbar; für leicht ein- und auszubauende Zahnräder, Riemenscheiben, Handräder, Buchsen; gegen Verdrehen zusätzlich sichern.

34 . Abb. 34.12 Eintragen von Grenzabmaßen

. Abb. 34.13 Beispiele zum Eintragen von Toleranzklassen

Spieltoleranzfelder H7/h6 H8/h9

Gleitsitz: Teile von Hand noch verschiebbar; für gleitende Teile und Führungen, Zentrierflansche, Wechselräder, Stellringe, Distanzhülsen.

H7/g6 G7/h6

Enger Laufsitz: Teile ohne merkliches Spiel verschiebbar; Wechselräder, verschiebbare Räder und Kupplungen.

H7/f7

Laufsitz: Teile mit merklichem Spiel beweglich; Gleitlager allgemein, Hauptlager an Werkzeugmaschinen, Gleitbuchsen auf Wellen.

H7/e8 H8/e8 E9/h9

Leichter Laufsitz: Teile mit reichlichem Spiel; mehrfach gelagerte Welle (Gleitlager), Gleitlager allgemein, Hauptlager für Kurbelwellen, Kolben in Zylindern, Pumpenlager, Hebellagerungen.

H8/d9 F8/h9 D 10 / h 9 D 10 / h 11

Weiter Laufsitz: Teile mit sehr reichlichem Spiel; Transmissionslager, Lager für Landmaschinen, Stopfbuchsenteile, Leerlauf-Scheiben.

707 34.5  Verwendungsbeispiele für Passungen

Normen (Auswahl) und Richtlinien DIN 323-1 Normzahlen und Normzahlreihen; Hauptwerte, Genauwerte, Rundwerte DIN 323-2 Normzahlen und Normzahlreihen; Einführung DIN 406-10 Technische Zeichnungen, Maßeintragung, Begriffe, allgemeine Grundlagen DIN 406-12 Technische Zeichnungen, Maßeintragung, Eintragung von Toleranzen für Längen- und Winkelmaße DIN 4760 Gestaltabweichungen; Begriffe, Ordnungssystem DIN 4764 Oberflächen an Teilen für Maschinenbau und Feinwerktechnik

DIN EN ISO 1101 Geometrische Produktspezifikation; Geometrische Tolerierung; Tolerierung von Form, Richtung, Ort und Lauf DIN EN ISO 1302 Geometrische Produktspezifikation; Angabe der Oberflächenbeschaffenheit in der technischen Produktdokumentation DIN EN ISO 286-1 Geometrische Produktspezifikation; ISO-Toleranzsystem für Längenmaße; Grundlagen für Toleranzen, Abmaße und Passungen DIN EN ISO 286-2 Geometrische Produktspezifikation; ISO-Toleranzsystem für Längenmaße; Tabellen der Grundtoleranzengrade und Grenzabmaße für Bohrungen und Wellen DIN ISO 965 Metrisches ISO-Gewinde allgemeiner Anwendung – Toleranzen

DIN 7150-2 Geometrische Produktspezifikation (GPS) – System für Grenzmaße und Passungen – Teil 2: Grenzlehren und Lehrung für glatte zylindrische Werkstücke

DIN ISO 2768-1 Allgemeintoleranzen; Toleranzen für Längen- und Winkelmaße ohne einzelne Toleranzeintragung

DIN 58700 ISO-Passungen; Toleranzfeldauswahl für die Feinwerktechnik

DIN ISO 2768-2 Allgemeintoleranzen; Toleranzen für Form und Lage ohne einzelne Toleranzeintragung

34

709

Stoffschlüssige Verbindungen Gert Böge, Wolfgang Böge und Marcus Kampf

35.1 35.1.1

Klebverbindungen Allgemeines

Unter Kleben versteht man das Verbinden von Teilen aus gleichen oder verschiedenartigen Werkstoffen mit nichtmetallischen Klebstoffen. Normalerweise entsteht eine Klebverbindung bei Raumtemperatur ohne Druckeinwirkung. Die Verarbeitung einiger Klebstoffe setzt jedoch auch höhere Drücke und Temperaturen bis ca. 150 °C voraus. Die Festigkeit einer Klebverbindung wird durch die Haftung eines Klebstoffs an der Werkstückoberfläche (Adhäsion) und seine Bindekräfte zwischen den Klebstoffmolekülen (Kohäsion) bestimmt. Durch Entwicklung von Klebern hoher Bindefestigkeit wird das Kleben als Verbindungsart auch metallischer Bauteile im zunehmenden Maß verwendet, insbesondere im Leichtmetallbau, im Flugzeugbau für Tragflächen, Rumpfblechversteifungen, Tür- und Fensterrahmen, in der Elektrotechnik für magnetische Spannplatten, Transformatoren- und Statorbleche, Geräte und Apparate, im Kraftfahrzeugbau für Reibbeläge bei Kupplungen und Bremsen, ferner in der Kunststoffindustrie, bei Spiel-, Leder- und Verpackungswaren und im Bauwesen für Wand- und Fußbodenplatten. Vorteile gegenüber anderen Verbindungselementen: Verbinden verschiedenartigster Werkstoffe; keine Werkstoffbeeinflussung; keine Schwächung der Bauteile durch Niet- oder Schraubenbohrungen. Nachteile Geringere spezifische Festigkeit gegenüber Schweißen oder Nieten; geringe Schälfestigkeit; Stumpfstöße kaum möglich; teilweise längere Aushärtungszeiten erforderlich.

35.1.2

Klebstoffe

Klebstoffe werden hauptsächlich auf Kunstharzbasis in der Form von Phenol- und Epoxydharzen oder auf Kautschukbasis als Lösungsmittelklebstoffe hergestellt. Nach der VDI-Richtlinie 2229 (z) teilt man sie nach der Art des Abbindens ein: Physikalisch abbindende Klebstoffe sind Klebstoffe mit Lösungsmitteln, die vor dem Fügen oder Erstarren der

Klebstoffschmelze zum größten Teil ablüften (verdunsten). Diese Klebstoffe sind zur Verbindung von Metallen mit porösen Werkstoffen wie z. B. Kork, Holz, Leder oder auch durchlässigen Kunststoffen geeignet. Zu den physikalisch abbindenden Klebstoffen gehören Kontakt-Schmelzklebstoffe sowie Plastisole. Kontaktklebstoffe (Basis Kautschuk) werden beidseitig auf die zu klebenden Flächen aufgetragen, abgelüftet und unter kurzem starken Druck gefügt. Schmelzklebstoffe werden auf ca. 150 °C erhitzt und in geschmolzenem Zustand vor dem Erstarren des Klebstoffs gefügt. Plastisole (Basis Polyvinylchlorid) sind lösungsmittelfrei und werden in teigigem Zustand aufgetragen. Sie binden bei Temperaturen zwischen 140 °C und 200 °C ab. Chemisch abbindende Klebstoffe (Reaktionsklebstoffe) sind Klebstoffe auf Kunstharzbasis, die nur durch geeignete Reaktionsstoffe (Katalysatoren) eine hohe Haftfestigkeit und innere Festigkeit erreichen. Sie werden auch als Zwei-Komponenten-Klebstoffe (Bindemittel-Härter) bezeichnet. Abbindereaktionen werden durch den Härter, erhöhte Temperaturen, Luftfeuchtigkeit oder Entzug von Sauerstoff (anaerob) herbeigeführt. Da bei chemisch abbindenden Klebstoffen oft große Abbindezeiten (bis zu mehreren Tagen) einzuhalten sind, wird als dritte Komponente vielfach ein Beschleuniger zur Verkürzung der Abbindezeit zugegeben. Es gibt kalt- und warmabbindende Klebstoffe. Kalthärtende Klebstoffe (Kalthärter) härten bei Raumtemperatur oder erhöhten Temperaturen aus. Warmhärtende Klebstoffe (Warmhärter) härten nur bei erhöhten Temperaturen aus. . Tab. 35.1 zeigt eine Zusammenstellung einiger kaltund warmabbindender Klebstoffe.

35.1.3 35.1.3.1

Herstellung der Klebverbindung Vorbehandlung

Nur wenn die zu verklebenden Flächen sauber und fettfrei sind, kann eine Klebverbindung die erforderliche Festigkeit und Beständigkeit erreichen. Säubern von Schmutz, Farbresten, Oxidschichten usw. geschieht meist mechanisch durch Bürsten, Schmirgeln oder Strahlen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_35

35

710

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

. Tabelle 35.1 Auswahl von Kalt- und Warmklebern Basis

Aushärtung

Zugscherfestigkeit temperatur KB in N=mm2 beständig bis

Anwendung

Kalthärter Agomet M

Acrylharz

20 ı C. . . 24 h 50 ı C. . . 1 h

22–32

80 ı C

Stahl, Leichtmetalle, Hartkunststoffe

Araldit AV 138M

Epoxidharz

20 ı C. . . 30 h 120 ı C. . . 1 h 150 ı C. . . 0,5 h

22–32

60 ı C

Metalle, Glas, Keramik, Duroplaste

Sicomet 85

Cyanacrylat

23 ı C. . . 5 s–5 min

18–26

110 ı C

Metalle, nichtporöse Stoffe

ı

Bostik 788

ı

Polyesterharz

20 C. . . 48–170 h

15–18

80 C

Metalle

Araldit AT1

Epoxidharz

110 ı C. . . 30 h 200 ı C. . . 0,5 h

17–32

150 ı C

Metalle, Keramik, Glas, gehärte Kunststoffe

Redux 64

Phenolharz/Polyvinylformal

145 ı C . . . 0,5 h 180 ı C. . . 0,1 h

30–40

300 ı C

Metalle, Bremsbeläge

Scotch Klebefilm AF 42

Nylon-Epoxidharz

175 ı C . . . 1 h 230 ı C. . . 30 s

13–30

120 ı C

Metalle, Keramik, Glas, glasfaserverstärkter Kunststoff

Warmhärter

. Tabelle 35.2 Vorbehandlung von Klebflächen

35

Werkstoff

Behandlungsfolgen für niedrige Beanspruchung

mittlere Beanspruchung

Stahl

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Reinigen, Schleifen, Entfetten, Spülen, Reinigen, Strahlen, Entfetten, Spülen, Trocknen Trocknen

Stahl, verzinkt

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Titan

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Reinigen, Schleifen, Entfetten, Spülen, Reinigen, Strahlen, Entfetten, Spülen, Trocknen Trocknen

Gusseisen

Gusshaut entfernen

Schleifen, Bürsten

Strahlen

Aluminiumlegierung Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Reinigen, Beizen, Schleifen, Spülen, Trocknen

Reinigen, Strahlen, Beizen, Spülen, Trocknen

Magnesium

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Reinigen, Entfetten, Schleifen, Spülen, Reinigen, Strahlen, Entfetten, Beizen, Trocknen Spülen, Trocknen

Kupferlegierung

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Reinigen, Schleifen, Entfetten, Spülen, Reinigen, Strahlen, Entfetten, Spülen, Trocknen Trocknen

Entfetten von Öl-, Fett- oder Wachsresten erfolgt durch organische Lösungsmittel wie Perchloräthylen, Methylchlorid oder Aceton. Beizen (Ätzen) vor allem von Metallklebeflächen in verdünnter Schwefelsäure und – bei Leichtmetallen – nachfolgender anodische Oxidation. Der Umfang der erforderlichen Oberflächenbehandlung richtet sich nach der Beanspruchung der Klebverbindung: Niedrige Beanspruchung für eine Zugscherfestigkeit bis 5 N=mm2 . Kein Kontakt mit Wasser; Einsatz in geschlossenen Räumen. Anwendungsgebiete: Modellbau, Möbelbau, Elektrotechnik/Elektronik. Mittlere Beanspruchung für eine Zugscherfestigkeit bis 10 N=mm2 . Kontakt mit Öl und Treibstoffen ist zulässig. Anwendungsgebiete: Maschinen- und Fahrzeugbau.

hohe Beanspruchung

Reinigen, Entfetten, Spülen, Trocknen

Hohe Beanspruchung für eine Zugscherfestigkeit über 10 N=mm2 . Kontakt mit Lösungsmitteln, Ölen und Treibstoffen ist zulässig. Anwendungsgebiete: Schiffbau, Behälterbau, Flugzeugbau. Vorschläge für Oberflächenbehandlungen verschiedener zu klebender Werkstoffe nach . Tab. 35.2. 35.1.3.2

Klebvorgang

Beim Auftragen des Klebstoffs müssen Herstellerangaben genau eingehalten werden. Wichtig ist ein gleichmäßig dicker Auftrag mit einem Pinsel oder Zahnspachtel auf die Klebflächen. Bei Lösungsmittelklebstoffen ist der richtige Zeitpunkt des Fügens unter Druck nach dem Verdunsten des

35

711 35.1  Klebverbindungen

Lösungsmittels und Abbinden des Klebstoffs entscheidend für die Festigkeit der Verbindung. Bei Reaktionsklebstoffen wird nur eine der Klebflächen durch Streichen, Spachteln, Aufstreuen oder Auflegen von Klebefolien beschichtet. Danach können die Teile sofort gefügt werden.

35.1.4

. Abb. 35.2 Prüfkörper zur Ermittlung der Bindefestigkeit

Berechnung

Eine Klebverbindung sollte nur auf Schub und/oder Druck beansprucht werden (. Abb. 35.1). Biege- und Zugbeanspruchungen sollten vermieden werden. Lässt sich eine Schälbeanspruchung nicht vermeiden, kann durch zusätzliches Nieten, Punktschweißen oder Falzen eine Abschwächung der Schälbeanspruchung erreicht werden. Die wichtigste Kenngröße zur Berechnung von Klebverbindungen ist die Bindefestigkeit KB (Zugscherfestigkeit). Sie wird an Prüfkörpern (. Abb. 35.2) mit einschnittiger Überlappung in Abhängigkeit von Klebstoff, Klebschichtdicke und Oberflächen- oder Temperatureinflüssen ermittelt. F F D AKl lü b KB F AKl N N mm2 mm2

. Abb. 35.3 Torsionsbeanspruchung der Klebschicht

Zugscherfestigkeiten einiger Klebstoffe nach . Tab. 35.1. Mit der Sicherheit S ergibt sich als zulässige Spannung

KB D

F AKl lü b

lü ; b mm

Zugkraft Klebfugenfläche Überlappungslänge Klebfugenbreite

(35.1)

K zul D

KB N mm2

K zul N mm2

KB S

S (35.2)

1

S  4–5 bei wechselnder Beanspruchung S3 bei schwellender Beanspruchung S2 bei ruhender Beanspruchung Die maximale Scherkraft ergibt sich nach . Abb. 35.2 aus Fmax  AKl K zul D b lü K zul Fmax N

AKl mm

Das maximale . Abb. 35.3 aus

2

K zul N mm2

b; lü

(35.3)

mm

Torsionsmoment

ergibt

sich

nach

MT max  0;5 d2 b K zul MT max N mm

K zul N mm2

b; d

(35.4)

mm

7 Beispiel

. Abb. 35.1 Beanspruchungsarten von Klebverbindungen

Zwei mit Araldit AV 138 verklebte Stahlrohre (. Abb. 35.4) übertragen wechselnd ein Torsionsmoment M T max D 32 Nm. Im Betrieb tritt höchstens eine Umgebungstemperatur von 25 °C auf. Es soll nachgerechnet werden, ob die vorgesehene Überlappungslänge b D 25 mm ausreicht.

712

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

. Abb. 35.4 Verdrehbeanspruchte, geklebte Rohrverbindung . Abb. 35.6 Klebverbindungen: einfache und gefalzte Überlappung

Gegeben:

Überlappungslänge Torsionsmoment Rohrdurchmesser Bindefestigkeit

b D 25 mm MT D 32 Nm d D 30 mm KB D 22 N=mm2

(gewählt nach . Tab. 35.1) Sicherheit S bei wechselnder Beanspruchung D 4 (gewählt) Lösung: Zulässige Spannung nach (35.2)

35

22 N=mm2 KB D D 5;5 N=mm2 S 4 MT max b 0;5   d 2 K zul 32:000 N mm b D 4;12 mm 0;5     302 mm2  5;5 N=mm2

K zul D

Die Überlappungslänge b D 25 mm kann also noch reduziert werden, wenn nicht andere Gründe dagegen sprechen. 9

35.1.5

. Abb. 35.7 Klebverbindungen von Rohren

Gestaltungshinweise

Eine klebgerechte Konstruktion sollte sich nach folgenden Gestaltungsregeln richten (. Abb. 35.5, 35.6 und 35.7): Stumpfstöße können wegen der zu kleinen Klebfläche nicht angewendet werden. Eine geschäftete Verbindung ist möglich, aber teuer in der Herstellung. Genügend große Klebflächen erhält man durch Überlappungsverbindungen. Dabei sind gefalzte oder doppelte Überlappungen der einfachen oder abgesetzten Doppellaschenverbindung vorzuziehen. Bei Rohrverbindungen sollten die Rohre ineinander gesteckt oder mit Muffen versehen werden (größere Klebfläche).

. Abb. 35.5 Klebverbindungen: stumpfer und schräger Stoß

Über Lotarten, Lötverfahren, Festigkeitseigenschaften und die Gestaltung von Lötverbindungen wird im Teil XI Fertigungsverfahren berichtet. Weitere Angaben über Lote sind im Teil IV Werkstofftechnik zu finden.

35.2 35.2.1

Schweißverbindungen Grundsätze

Werden beim Fügen von Einzelteilen zu Baugruppen die Verbindungen durch Schweißen gefertigt, so ist der Konstrukteur weitreichenden Festlegungen unterworfen, wenn die Erzeugnisse dem durch staatliche Normen geregelten Bereich zuzuordnen sind (geregelter Bereich). Hierzu zählen Stahl-, Schienenfahrzeug-, Eisenbahnbrücken-, Schiff-, Behälter- und Rohrleitungsbau sowie Erzeugnisse im Bereich der Wehrtechnik. Weitgehend eigenverantwortlich und nur den „anerkannten Regeln der Technik“ verpflichtet

713 35.2  Schweißverbindungen

. Abb. 35.8 Schweißnahtbegriffe und Anwendungsbereiche nach DIN EN ISO 17659 und DIN EN ISO 2553 (Abkürzungen siehe . Abb. 35.9)

ist dagegen der Maschinenbauer in seinen Entscheidungen bei der Wahl von Werkstoff, Schweißverfahren und der Berechnung der Schweißverbindungen (nicht geregelter Bereich). 35.2.1.1

Darstellung und Begriffe

Der konstruktive Anschluss der zu schweißenden Teile wird in DIN EN ISO 17659 als Stoßart bezeichnet (. Abb. 35.8). Die Stoßart hat wegen der verschiedenartigen Kraftumlenkungen insbesondere bei schwingender Beanspruchung einen wesentlichen Einfluss auf die Tragfähigkeit des Schweißbauteils. Die unmittelbare Gestaltung der Schweißstelle vor dem Schweißen (Fugenform) nimmt der Konstrukteur in Abhängigkeit von Stoßart, Blechdicke, Werkstoff und Schweißverfahren nach DIN EN ISO 2553 ggf. durch Nahtvorbereitung vor. Handelt es sich um in der Norm erfasste

Schweißnähte, so kann ihre Bezeichnung in symbolischer Form nach . Abb. 35.9 erfolgen. Bei nicht genormten Schweißnähten sind die Schweißnahtvorbereitung und die fertige Schweißnaht vollständig zu zeichnen, zu bemaßen und ihre geforderte Qualität anzugeben. Erfordern es die Qualitätsanforderungen oder die Herstellungsbedingungen, wird zusätzlich die Ausführungsrichtung des Schweißens durch Eintragen der Schweißposition in der Schweißnahtbezeichnung festgelegt. Die Schweißposition muss dann zwingend ggf. durch Vorrichtungen oder Werkstückmanipulatoren eingehalten werden (. Abb. 35.10). 35.2.1.2

Werkstoffwahl

Geschweißt werden vorzugsweise duktile Stähle, die örtliche Spannungsspitzen aus Wärmedehnungen von ca. 2 % durch teilweises Plastifizieren abzubauen in der Lage sind.

35

714

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

35

. Abb. 35.9 Darstellung von Schweißnähten nach DIN EN ISO 2553 und DIN EN ISO 4063

715 35.2  Schweißverbindungen

. Abb. 35.10 Schweißpositionen nach DIN EN ISO 6947. PA waagerecht, PB horizontal, PC quer, PD halb über Kopf, PE über Kopf, PF senkrecht steigend, PG senkrecht fallend

Als allgemein schweißgeeignet gelten unlegierte Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt von weniger als 0,22 %. Ebenfalls geschweißt und hinsichtlich der Tragfähigkeit berechnet werden niedrig legierte Stähle und Feinkornbaustähle, wenn deren Schweißeignung nachgewiesen ist. Dieser Nachweis lässt sich mit Hilfe der t8=5 -Zeit (Abkühlzeit von 800 ı C auf 500 ı C), von ZTU-Schaubildern oder durch das Berechnen des Kohlenstoffäquivalents CEV (1) nach DIN EN 10025 erbringen (39.1). % Cr C % Mo C % V % Mn C 6 5 % Ni C % Cu (35.5) C 15

CEV D % C C

Ziel ist immer, möglichst ohne Vorwärmen risssicher zu schweißen. Dies kann in der Regel erreicht werden, wenn der Werkstoff ein Kohlenstoffäquivalent CEV < 0,35 aufweist. Berechnet und geschweißt werden auch Verbindungen aus Aluminium und seinen Legierungen. Bei kaltverfestigtem Aluminium gestattet der Härte- und Festigkeitsabfall im Bereich der Wärmeeinflusszone (WEZ) nur das Rechnen mit den Festigkeitswerten des weichen Zustands. Bei aushärtbaren Aluminiumlegierungen fallen nach dem Schweißen zunächst die mechanischen Gütewerte ab. Gezielte Wärmebehandlung nach dem Schweißen gestattet jedoch das Einstellen verlässlicher Festigkeitswerte und das Berechnen von Aluminium-Schweißverbindungen [2]. 35.2.1.3

Wahl von Schweißverfahren und Bewertungsgruppe

Die Eigenschaften der Schweißung werden durch mehr oder weniger starke Abweichungen der fertigen Schweißnaht von der Idealgeometrie (Imperfektionen) beeinflusst. In DIN EN ISO 5817 sind Grenzwerte für die Stahlschweißung festgelegt (. Abb. 35.11). Neben dieser Norm gelten weitere für andere Schweißverfahren und Werkstoffe. Geringfügige Unregelmäßigkeiten der Nahtgeometrie haben auf die statische Beanspruchbarkeit eine vernachläs-

sigbar kleine Auswirkung. Mit dem Festlegen der Bewertungsgruppe fällt der Konstrukteur ein zusammenfassendes Qualitätsurteil über alle inneren und äußeren Schweißnahtimperfektionen. Die Bewertungsgruppe wird in die Konstruktionszeichnung eingetragen (. Abb. 35.9). Von DS nach BS werden die Toleranzen enger, zumeist steigen dadurch die Fertigungskosten. Während für den geregelten Bereich die Bewertungsgruppe oft nach der Tragfähigkeit vorgeschrieben ist, bestehen für den nicht geregelten Bereich keine Festlegungen. Das DVS-Merkblatt 0705 enthält Empfehlungen zur Wahl der Bewertungsgruppe nach: 4 dem Sicherheitsbedürfnis: – Druckbehälter ! Bewertungsgruppe B, – Wehrtechnik ! Bewertungsgruppe D; 4 und der rechnerischen Auslastung der Beanspruchbarkeit: – niedrig (50 %) ! Bewertungsgruppe D, – mittel (75 %) ! Bewertungsgruppe C, – hoch (100 %) ! Bewertungsgruppe B. Im Weiteren können Zusatzkriterien (z. B. Öldichtheit) festgelegt werden. 35.2.1.4

Gestaltung von Schweißverbindungen

Je nach Belastung erweisen sich verschiedene konstruktive Gestaltungen von Bauteil und Schweißnaht als mehr oder weniger beanspruchungsgerecht. Grundsätzlich sind Stumpfnähte wegen ihres weitgehend ungestörten Kraftflusses gegenüber Kehlnähten zu bevorzugen. Kehlnähte hingegen sind vorteilhaft wegen der einfachen Nahtvorbereitung und Ausführungsmöglichkeit. Schweißnahtanhäufungen (. Abb. 35.12a) bewirken vermehrte Schrumpfspannungen, die zu tragfähigkeitsmindernden dreiachsigen Spannungszuständen führen können. Andererseits weist eine geschlossene Nahtführung eine geringe Kerbwirkung auf, so dass abgesetzte Schweißnähte (. Abb. 35.12b und c) häufig nur bei statischer Beanspruchung günstiger sind. Grenzabmessungen von Nähten im Stahlbau sind in 7 Abschn. 35.2.2.3 aufgeführt, im nicht geregelten Bereich gelten sie als Empfehlungen. Einige Beispiele günstiger Gestaltung sind in . Abb. 35.13 dargestellt. Der Konstrukteur muss hier wie überall mit seiner Konstruktion einen der Aufgabe und den Randbedingungen angepassten Kompromiss in der Erfüllung leider meist gegenläufiger Ziele finden. 35.2.2

35.2.2.1

Berechnung von Schweißverbindungen Spannungen in Schweißnähten

Kräfte und Momente rufen in Schweißnähten Spannungen hervor, die sich mit Hilfe vereinfachter Annahmen nach den Regeln der Technischen Mechanik berechnen lassen. Das

35

716

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

35 . Abb. 35.11 Bewertungsgruppen für das Lichtbogenschweißen von Stahl nach DIN EN ISO 5817 . Abb. 35.12 Anschlussformen eines Rohres an eine Stegplatte

zeitlich veränderliche Wirken der Kräfte kann durch Betriebsfaktoren, Teilsicherheits- oder Schwingungsbeiwerte oder andere, in den Regelwerken vorgeschriebene Lastannahmen berücksichtigt werden. Charakteristische Schweißnahtspannungen (. Abb. 35.14) sind: ? Normalspannung quer zur Nahtrichtung: Zum Beispiel in Stumpf- und Kehlnähten an Blechen unter Belastung durch Zug oder Biegung (.Abb. 35.14). Häufig tragfähigkeitsbestimmend. k Normalspannung längs der Nahtrichtung: Zum Beispiel in Stumpfnähten unter Querkraft oder in Kehlnähten an Längsbändern (Stege) von Stabanschlüssen. Die Tragfähigkeit des Bauteils wird bei ruhender Beanspruchung bei ausreichend duktiler Schweißnaht durch den angrenzenden Grundwerkstoff oder durch

Tangentialspannung k bestimmt. Bei schwingender Beanspruchung ist bei hohen Spannungsgradienten unter Umständen eine Kerbwirkung zu berücksichtigen. Sehr selten tragfähigkeitsbestimmend. ? Tangentialspannung quer zur Nahtrichtung: Zum Beispiel in Stirnkehlnähten an Querbändern (Flanschen) von Stabanschlüssen unter Belastung durch Querkräfte. Zur Tragfähigkeitsbestimmung werden aufgrund der höheren Steifigkeit im Anschluss nur k in den Längsnähten berücksichtigt, die konstruktiv entsprechend vorzusehen sind (. Abb. 35.22). Selten tragfähigkeitsbestimmend. k Tangentialspannung längs der Nahtrichtung: Zum Beispiel in Hals- und Flankenkehlnähten an Rohren unter Belastung durch Torsion (. Abb. 35.15), in

717 35.2  Schweißverbindungen

. Abb. 35.13 Gestaltungsempfehlungen für Schweißkonstruktionen

Kehlnähten an Stegen von Stabanschlüssen unter Belastung durch Querkraft oder in Längsnähten in Biegeträgern durch Querkraftschub aus Biegebelastung (. Abb. 35.16). Häufig tragfähigkeitsbestimmend. Tangentialspannungen k , ? aus Querkräften werden nur bei vergleichsweise kurzen Hebelarmen berücksichtigt, an-

sonsten wird ? aus der Biegebelastung zur relevanten Beanspruchung. Je nach Lage des betrachteten Querschnitts zu Belastungsart und -richtung (Kraft F in der Wirkung am Querschnitt) ergeben sich Schweißnahtspannungen als Normaloder Tangentialspannungen aus (39.2) mit der Schweißnahtdicke a, der effektiven Schweißnahtlänge l und der entsprechenden Querschnittsfläche Aw (w – welding) nach

35

718

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

. Abb. 35.14 Schweißnahtspannungen an Stumpf- und Kehlnähten

aller an der Verbindung beteiligten Schweißnahtflächen bezeichnet. Bei Kehlnähten wird der Nachweis im „theoretischen Wurzelpunkt“ geführt, der in der Regel dem Schnittpunkt der geschweißten Bauteilkanten zugeordnet ist (. Abb. 35.14). Ebenso kann dort nach DIN EN 1993-1-8 vereinfachend der Flächenschwerpunkt der Nahtfläche angesetzt werden.

35

? D

. Abb. 35.15 Zapfen mit Kehlnahtanschluss

Mb y IW

? N mm2

Mb

IW

y

N mm mm4

mm

(35.7)

Werden Zapfen, Wellen, Zahnräder mit Kehlnähten angeschlossen und durch ein Torsionsmoment M t beansprucht (. Abb. 35.15), so gilt (35.8) mit:

. Abb. 35.16 Querkraftschub in Schweißnähten am Biegeträger

. Abb. 35.14. Dabei wird die Nahtdicke a durch die Höhe des in den Nahtquerschnitt eingeschriebenen Dreiecks bestimmt. Ist verfahrenstechnisch ein tiefer Einbrand nachgewiesen worden, wird dieser zum Einpassen des Dreiecks herangezogen. Sofern kein Endkrater am Nahtende vorliegt, wird die wirksame Länge l mit der geometrischen angesetzt. Liegt an den Nahtenden Endkrater vor, wird die Länge jeweils um den Betrag der Nahtbreite a gemindert. Die so ermittelte Fläche wird um den Wurzelpunkt in die Nachweisebene geklappt. ? F F ? D DP .al/ AW k

? ; ? ; k N mm2

F N

AW mm

2

k D

MT Wwp

k D

MT  5D D4  d 4

MT N mm

Wwp N mm2

D

d

mm mm (35.8)

Bei querkraftbelasteten Biegeträgern (. Abb. 35.16) treten im Stegblech und somit auch in den Nähten zwischen Steg und Gurt Schubspannungen k nach (39.5) auf mit der Querkraft F q , dem Flächenmoment 1. Grades H D A  y aus der angeschlossenen Querschnittsfläche A und dem Abstand y ihres Schwerpunktes zur Schwerelinie, dem Flächenmoment 2. Grades I des Gesamtquerschnitts sowie der Summe der anschließenden Schweißnahtdicken a. Werden die Kehlnähte (in . Abb. 35.16 unterbrochen dargestellt) durchgeschweißt, wird e D 0 und damit .e C l/= l D 1. k D

a; l mm (35.6)

Erfolgt die Beanspruchung aus einem Biegemoment, so wirkt in der Schweißnaht die Normalspannung ? (39.3), wobei y den Abstand des Nachweisorts (vgl. Randfaserabstand/Steineranteil) von der gemeinsamen Schwereachse

k N mm2

35.2.2.2

Fq .A  y/ .e C l/ P  I a l k Fq I A N N mm4 mm2 mm2

a; e; l; y mm

Nachweis von Schweißnähten im Maschinenbau

Der Tragfähigkeitsnachweis im Maschinenbau folgt keiner ausgewiesenen Norm; zur Berechnung werden die Allge-

719 35.2  Schweißverbindungen

. Abb. 35.17 Zulässige Spannungen für Stumpf- und Kehlnähte an Stahl der Bewertungsgruppen B, C und D sowie Bauteilanschlussquerschnitten bei vorwiegend ruhender (statischer) Beanspruchung [3]

meine Festigkeitslehre, der Stand der Technik sowie, soweit auf den Lastfall übertragbar, Normen und Richtlinien des geregelten Bereichs (Stahlbau, Kranbau, Behälterbau, . . . ) herangezogen. Grundsätzlich werden die ermittelten Nennspannungen ( , ) (vgl. 7 Abschn. 35.2.2.1) mit den jeweils zulässigen ( w zul , w zul ) verglichen, wobei Spannungen derselben Art und Richtung addiert werden können (39.6), (39.7). Der Nachweis ist für ruhende und schwingende Beanspruchungen zu führen. ? ; k ; ?  w zul ; w zul

(35.9)

Aus gleichzeitig wirkenden Normal- und Tangentialspannungen wird eine Vergleichsspannung wv gebildet, ausgehend von duktilen Schweißnähten wird die Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH) verwendet (35.10): wv

q D ?2 C 3.˛0 k /2  w zul

Ruhende (statische) Beanspruchung Für die anzusetzenden grenzwertigerweise ertragbaren Beanspruchungen gibt es viele Empfehlungen – üblicherweise basierend auf Werkstoff, Nahtart und Nahtgüte. Auslegungs- bzw. Sicherheitsfaktoren werden nach dem geplanten Einsatz gewählt. Das DVS-Merkblatt 0705 empfiehlt zur Wahl zulässiger Spannungen für Stahl im nicht geregelten Bereich: 4 w zul für Stumpfnähte: die zulässige Spannung des Grundwerkstoffs – unabhängig von der Nahtgüte. 4 w zul für Kehlnähte (Quer- und Längskehlnähte) der Güte B: 95 % (S 235) bzw. 80 % (S 355) der zulässigen Spannungen des Grundwerkstoffs. Für die Nahtgüten C und D: 75 % bzw. 50 %. Für die Konstruktionsstähle S 235 und S 355 können konkrete Werte auch . Abb. 35.17 entnommen werden.

(35.10)

Bei kombinierter statischer und dynamischer Beanspruchung wird das Anstrengungsverhältnis ˛0 bestimmt mit p ˛0 D w zul =.w zul  3/ mit den in der jeweiligen Beanspruchungsart ertragbaren Spannungen des Werkstoffs zul und zul (vgl. 7 Abschn. 11.3.3).

Schwingende (dynamische) Beanspruchung Für die im Maschinenbau oft auftretenden schwingenden Beanspruchungen können die stark geometrieabhängigen zulässigen Schweißnahtspannungen w zul und w zul in Abhängigkeit von der Dauerfestigkeit D und D des geschweißten Bauteilwerkstoffs ermittelt werden (39.8). Die

35

720

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

. Abb. 35.18 Minderungsbeiwerte b1 zur Ermittlung zulässiger Spannungen für schwingend beanspruchte Schweißnähte im nicht geregelten Bereich (vgl. auch [1])

35

Tragfähigkeit der Naht beeinflussende Größen wie Nahtform, Beanspruchungsart und Kerbwirkung werden durch den Minderungsbeiwert b1 (. Abb. 35.18), die die Güte der Schweißnaht betreffenden Faktoren durch den Gütebeiwert b2 (. Abb. 35.11) berücksichtigt. w zul D

D b1 b2 

w zul ; D N mm2

b1 ; b2



1

1

(35.11)

Entsprechend der Beanspruchungsart sind für D und D die entsprechenden Dauerfestigkeitswerte des Grundwerkstoffs; zSch , bW , tSch etc. zu verwenden (Teil III, Technische Mechanik). Je nach abgeschätzter Häufigkeit der Höchstlast wählt man als Auslegungsfaktor  zur prospektiven Erfüllung von Sicherheiten: bei 100 %   2;5 bei 50 %   2;0 bei 25 %   1;5

Nachweis von Schweißnähten im Stahlbau Allgemeine Richtlinien 35.2.2.3

Im Stahlbau werden die Einzelheiten zum Bemessen, Konstruieren und Herstellen von Schweißverbindungen im Wesentlichen durch DIN EN 1993-1 (Eurocode 3) für den Hochbau und DIN 13001 für den Kranbau geregelt. Anders als im Maschinenbau ist die Verwendung von Stählen auf wenige Werkstoffarten beschränkt, weil höherfeste Stähle bei nur geringen Vorteilen einen deutlich höheren schweißtechnischen Aufwand insbesondere bei der Baustellenmontage erfordern. Uneingeschränkt anwendbar sind Baustähle S 235 bis S 460 in Blechdicken ab 3 mm sowie ausgewählter Stahlguss.

Grenzabmessungen von Schweißnähten Neben den Einschränkungen zur Werkstoffwahl gelten folgende konstruktive und rechnerische Regeln:

1 Zur Nahtdicke

Bei gleichzeitigem Auftreten mehrerer Beanspruchungen wird der zur überwiegenden Beanspruchung gehörende b1 -Wert gewählt. Bei eingeebneten und allseitig bearbeiteten Schweißnaht- und Bauteiloberflächen kann b1 um bis zu 10 % erhöht werden, ebenso bei Stumpfnähten der Bewertungsgruppe BS. Die geschilderte Vorgehensweise liefert für die meisten Anwendungsfälle mit hinreichender Genauigkeit rasche Ergebnisse. Ein weiterreichender Nachweis kann nach DIN EN 13001-3 oder FKM-Richtlinie 154 erfolgen.

4 In Kehlnähten sollen Grenzwerte von Nahtdicken (a) abhängig von der kleinsten und größten angeschlossenen Blechdicke tmin und tmax nach (35.12), (35.13) eingehalten werden. Für Blechdicken tmin > 30 mm gilt als Mindestmaß der nur noch: a  5 mm. 2 mm  a  0;7tmin a

p

tmax  mm  0;5 mm

a tmin mm mm

(35.12)

tmax a mm mm

(35.13)

721 35.2  Schweißverbindungen

. Abb. 35.19 Rechnerische Schweißnahtlängen nach DIN EN 1993-1-1

4 Bei durchgeschweißten Stumpf- und Kehlnähten (HV-1 und DHV), wird die rechnerische Nahtdicke a gleich 4 der kleinsten angeschlossenen Blechdicke t gesetzt (. Abb. 35.8). 4 In nicht durchgeschweißten Kehlnähten werden Naht- 4 dicken nur bis a D 0;7  tmin rechnerisch berücksichtigt. 1 Zur Nahtlänge

4 Die rechnerische Nahtlänge l ist gleich der geometrischen Nahtlänge, bei endkraterbehafteten Nahtenden abzüglich des Betrages der Nahtdicke a je Seite. 4 Für geschweißte Stabanschlüsse ohne oder mit Knotenblechen empfiehlt DIN EN 1993-1 eine Gestaltung nach . Abb. 35.19. Für diese Fälle darf Außermittigkeit rechnerisch vernachlässigt werden. 4 Die Nahtlänge l von Kehlnähten sollte zur Übertragung von Kräften min. 30 mm und min. 6a betragen. 4 Für Laschen- und Stabanschlüsse wird die Nahtlänge nur bis l D 150a berücksichtigt.

Weitere Regeln

Kaltverformte Bleche dürfen im kaltverformten und angrenzenden Bereich nicht geschweißt werden (. Abb. 35.20). Stumpf angeschlossene I-Träger müssen bei Einhaltung von Mindestnahtdicken rechnerisch nicht nachgewiesen werden (. Abb. 35.20). 4 Stumpf gestoßene Bleche unterschiedlicher Dicke werden nach . Abb. 35.20 gestaltet. In den rechnerischen Nachweis geht als Schweißnahtdicke tmin ein. 4 Druckbeanspruchte voll durchgeschweißte Stumpfnähte werden nicht berechnet. Dies gilt auch bei Zugbeanspruchung, sofern die Schweißnahtqualität nachgewiesen wird (zerstörungsfreie Prüfung). 4 Der Festigkeitsnachweis für Normalspannungen k (vgl. . Abb. 35.14) kann entfallen.

35

722

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

. Abb. 35.20 Sonstige Grenzabmessungen

35 Zulässige Spannungen im Stahlbau Die nach 7 Abschn. 35.2.2.1 ermittelten Nennspannungen werden mit der Zugfestigkeit fu des schwächeren angeschlossenen Blechs, unter Berücksichtigung des Korrelationsbeiwert ˇw und des Teilsicherheitsbeiwerts M2 verglichen (35.14). Gleichzeitig muss (35.15) erfüllt sein. q ?2 C 3.?2 C k2 /  fu = .ˇW  M2 /

(35.14)

?  0;9  fu =M2

(35.15)

;  N mm2

fu N mm2

ˇw

M2





Die Werte für fu werden den Produktnormen erzeugnisdickenabhängig entnommen (vgl. [4]). Der Teilsicherheitsbeiwert M2 wird gemäß dem nationalen Anhang (-NA) von DIN EN 1993-1-1 für die Berechnung von Kehlnähten mit 1,25 angesetzt, der Korrelationsfaktor ˇw ist in DIN EN 1993-1-8 festgelegt (. Tab. 35.3). Der Tragfähigkeitsnachweis für nicht durchgeschweißte Stumpfnähte wird wie der Kehlnähte mit tiefem Einbrand geführt.

. Tabelle 35.3 Ermittlung des Korrelationsfaktors ˇW für Kehlnähte [DIN EN 1993-1-8] Norm und Stahlsorte EN 10025

EN 10210

EN 10219

Korrelationsbeiwert ˇw

S 235 S 235 W

S 235 H

S 235 H

0,8

S 275 S 275 N/NL S 275 M/ML

S 275 H S 275 NH/NLH

S 275 H S 275 NH/NLH S 275 MH/MLH

0,85

S 355 S 355 N/NL S 355 M/ML S 355 W

S 355 H S 355 NH/NLH

S 355 H S 355 NH/NLH S 355 MH/MLH

0,9

S 420 MH/MLH

1,0

S 460 NH/NLH S 460 MH/MLH

1,0

S 420 N/NL S 420 M/ML S 460 N/NL S 460 M/ML S 460 Q/QL/QL1

S 460 NH/NLH

723 35.2  Schweißverbindungen

35.2.3

Berechnungsbeispiele

7 Beispiel 1 Schwingende Beanspruchung im Maschinenbau Ein gebrochener Wellenzapfen aus E 355 ist durch einen neuen, geschweißten Zapfen zu ersetzen (. Abb. 35.21). Angeschlossen wird der Zapfen mit einer nicht durchgeschweißten HV-Naht. Die Schweißnaht wird nach . Abb. 35.11 mit BK (b2 D 0;8) und . Abb. 35.18, Ziffer 8 wegen des verbleibenden Spalts mit b1 D 0;8 eingestuft. Nach dem Schweißen wird die Naht wärmebehandelt und blecheben bearbeitet (Lagersitz) und erhält daher den 10 %-igen Aufschlag. Zu überlegen ist der Austausch des E355 durch den schweißgeeigneten S 355J2G3. Belastet wird die Schweißnaht durch eine Lagerkraft F D 22 kN und das zu übertragende Drehmoment MT D 1;1  106 N mm (rein schwellend). Häufigkeit der Höchstbelastung 50 %. Tragfähigkeitsnachweis: Die Schweißnaht wird durch die Lagerkraft rein wechselnd auf Biegung und Schub, durch das Drehmoment M T rein schwellend auf Torsion beansprucht. Schub kann bei anderweitig vorliegenden Beanspruchungen erfahrungsgemäß vernachlässigt werden. Es liegt also eine dynamische Beanspruchung vor. Nachweis nach (35.10): wv D

q

?2 C 3.˛0 k /2  w zul

Vorhandene Biegespannung ? D wb D Mb =Ww ; mit M b D F l D 22 kN30 mm D 660103 N mm. Die kreisringförmige Schweißnaht (. Abb. 35.21) hat ein axiales Widerstandsmoment von D4  d 4 10D 604 mm4  484 mm4  12:750 mm3 D 10  60 mm

Wwa D Wwa

Damit wird 660  103 N mm N  52 12;75  103 mm3 mm2

wb D

Vorhandene Torsionsspannung k D wt D MT =Wwp ; das polare Widerstandsmoment der Schweißnaht beträgt D4  d 4 5D 604 mm4  484 mm4  25:500 mm3 D 5  60 mm

Wwp D Wwp

Damit wird 1;1  106 N mm N  43 3 3 25;5  10 mm mm2

wt D

In der Gleichung für wv steht das Anstrengungsverhältnis ˛0 . p Nach 7 Abschn. 35.2.2.2 ist ˛0 D zul =. 3=zul /. zul ist hier die Biegewechselfestigkeit bW D 255 N=mm2 (vgl. Teil III, Technische Mechanik, . Tab. 11.2), zul die Torsionsschwellfestigkeit, tSch D 165 N=mm2 . Damit wird ˛0 D p ˛0 D p

D 3  D

D p

bw 3  tSch

255 N=mm2 3  165 N=mm2

D 0;89

und q wv D

.52 N=mm2 /2 C 3.0;89  43 N=mm2 /2

wv  84

N mm2

Die zulässige Schweißnahtspannung ist nach (35.11) w zul D D b1 b2 = Mit Sicherheit  D 2; b1 D 0;8 C 10 % D 0;88; b2 D 0;8 wird 255 N=mm2  0;88  0;8 2 N N D 90 > wv D 84 mm2 mm2

w zul D w zul

Die Schweißnaht ist dauerbruchsicher. 9 7 Beispiel 2 Kragträger (Stahlbau) Ein Seilspanner, Werkstoff S 235J2G3, ist mit rundum geschweißten (verriegelten) Doppelkehlnähten mit den Nahtdicken aF am Flansch und aS an den Stegen an eine Stahlstütze angeschlossen (. Abb. 35.22).

. Abb. 35.21 Geschweißter Wellenzapfen (Maschinenbau)

Tragfähigkeitsnachweis: Der Schweißnahtanschluss A–A wird unter Vernachlässigung der Eigenlast durch das Biegemoment M b D F l D 80 kN  80 mm D 6;4  106 N mm und abscherend durch die Querkraft F D 80 kN beansprucht.

35

724

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

Wurzelpunkt, y3:::6 zum Flächenschwerpunkt der Schweißnähte. y0 D

A1 y1 C A2 y2 C : : : C A6 y6 P A16

840 mm2  100 mm C 840 mm2  85 mm C 3080 mm2 4  350 mm2  35 mm C 3080 mm2 y0  66;4 mm

y0 D

Damit kann das Flächenmoment 2. Grades I w der Querschnittsfläche A–A ermittelt werden, mit li als Abstand der Wurzellinien von der Schwerelinie (bei den Gurtnähten wird nur der Steiner-Anteil berücksichtigt): Iw D A1  l12 C A2  l22 C A3  l32 C A4  l42 C A5  l52 C 4  aS  h3S C A6  l62 C 12 2 Iw D 840 mm .100  66;4/2 mm2 C .85  66;4/2 mm2 C C 4  350 mm2  .35  66;4/2 mm2 C

5  703 mm4 3

Iw D 31;9  105 mm4

35 . Abb. 35.22 Geschweißte Konsole mit Seilspanner

Die Maximalspannung tritt im Punkt ① auf (. Abb. 35.22). Die Normalspannung ? wird vom gesamten Schweißnahtanschluss getragen. Die kurzen der Blechdicke entsprechenden Nähte werden in der Berechnung nicht berücksichtigt. Nach (35.7) gilt: ? D

Mb y0 IW

Zur Berechnung von y0 und I w wird zunächst geprüft, ob die Kehlnahtdicken am Flansch und am Steg nach (35.12) und (35.13) vollständig berücksichtigt werden können: aF D 7 mm  0;7tF D 0;7  15 mm D 10;5 mm aS D 5 mm  0;7tS D 0;7  10 mm D 7 mm

Im „Richtungsbezogenen Nachweis“ werden nun nie maximalen Spannungen ? und k im Punkt ① berechnet: Der Stoßwinkel beträgt 90ı , so dass die Nahtfläche unter ı 45 zur Kraftangriffsrichtung liegt; ? und k haben somit den gleichen Betrag: F l  y0  sin 45ı IW 80:000 N  80 mm ? D  66;4  0;7071 D 94;2 N=mm2 31;9  105 mm4

? D ? D

Schubspannung k im Punkt ① Zur Berechnung der Schubspannung k D F=Aw wird nur die Fläche der in Kraftwirkungsrichtung liegenden Stegnähte A3:::6 herangezogen. k D

F 80:000 N D D 57;1 N=mm2 AW 1400 mm2

Vergleichsspannung im Punkt ① q ?2 C 3.?2 C k2 / D p D .94;2 N=mm2 /2 C 3..94;2 N=mm2 /2 C .57;1 N=mm2 /2 / D 212;8 N=mm2

Die Schweißnahtdicken sind innerhalb der Berechnungsgrenzen und werden vollständig berücksichtigt. Wegen des nichtsymmetrischen Anschlusses wird zunächst der Schwerpunktabstand y0 der Gesamtschweißnahtfläche A–A von der x-Achse mit den Einzelschweißnahtflächen A1 D A2 D 7 mm  120 mm D 840 mm2 und A3:::6 D 5  70 mm D 350 mm2 bestimmt (vgl. Teil III, Technische Mechanik). y1 und y2 reichen von der x-Achse zum theoretischen

Tragfähigkeitsnachweis: Die Grenzschweißnahtspannung wRd beträgt q fu ?2 C 3.?2 C k2 /  0;9  D M2 360 N=mm2 D 259;2 N=mm2 D 0;9  1;25

725 35.2  Schweißverbindungen

Die Auslastung beträgt somit 212;8 N=mm2 D 0;820 259;2 N=mm2 Die Tragfähigkeit des Schweißnahtanschlusses im Querschnitt A–A ist nachgewiesen. Das Verringern der Kehlnahtdicken und erneutes Nachrechnen ist ratsam, um Schweißelektrodenverbrauch und Fertigungszeit zu senken. 9

Normen (Auswahl) und Richtlinien Klebverbindungen

Schweißverbindungen DIN 13001-1 Krane – Konstruktion allgemein – Teil 1: Allgemeine Prinzipien und Anforderungen. DIN 13001-2 Kransicherheit – Konstruktion allgemein – Teil 2: Lasteinwirkungen DIN 13001-3 Kransicherheit – Konstruktion allgemein – Teil 3: Grenzzustände und Sicherheitsnachweis von Stahltragwerken

DIN 53281 Prüfung von Klebverbindungen

DIN EN 1993-1-1 Eurocode 3; Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten; Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau

DIN 53287 Prüfung von Metallklebstoffen und Metallklebungen – Bestimmung der Beständigkeit gegenüber Flüssigkeiten

DIN EN 1993-1-3 Eurocode 3; Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten; Allgemeine Regeln; Ergänzende Regeln für kaltgeformte Bauteile und Bleche

DIN 54455 Prüfung von Metallklebstoffen und Metallklebungen – Torsionsscherversuch

DIN EN 10025-1 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen; allgemeine technische Lieferbedingungen

DIN 54461 Strukturklebstoffe – Prüfung von Klebverbindungen – Biegeschälversuch

DIN EN 10025-2 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen; technische Lieferbedingungen für unlegierte Baustähle

DIN EN 923 Klebstoffe – Benennungen und Definitionen DIN EN 1464 Klebstoffe – Bestimmung des Schälwiderstands von Klebungen – Rollenschälversuch (06.2010) DIN EN 1465 Klebstoffe – Bestimmung der Zugscherfestigkeit von Überlappungen (07.2009) DIN EN 15336 Klebstoffe – Bestimmung der Zeit bis zum Bruch geklebter Fügeverbindungen unter statischer Belastung DIN EN 15337 Klebstoffe – Bestimmung der Scherfestigkeit von anaeroben Klebstoffen unter Verwendung von Bolzen-Hülse-Probekörpern DIN EN 28510-1 Klebstoffe – Schälprüfung für flexibel/starr geklebte Proben; 90ı -Schälversuch DIN EN ISO 9653 Klebstoffe – Prüfverfahren für die Scherschlagfestigkeit von Klebungen

DIN EN 10025-3 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen; technische Lieferbedingungen für normalgeglühte/normalisierend gewalzte schweißgeeignete Feinkornbaustähle DIN EN 10025-4 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen; technische Lieferbedingungen für thermomechanisch gewalzte Feinkornbaustähle DIN EN 10025-6 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen; technische Lieferbedingungen für Flacherzeugnisse aus Stählen mit höherer Streckgrenze in vergütetem Zustand DIN EN ISO 2553 Schweiß- und Lötnähte – Symbolische Darstellung in Zeichnungen DIN EN ISO 4063 Schweißen und verwandte Prozesse – Liste der Prozesse und Ordnungsnummern

DVS 2204-1 Kleben von thermoplastischen Kunststoffen

DIN EN ISO 5817 Schweißen – Schmelzschweißverbindungen an Stahl, Nickel, Titan und deren Legierungen; Bewertungsgruppen von Unregelmäßigkeiten

VDI 2229(z) Metallkleben – Hinweise für Konstruktion und Fertigung

DIN EN ISO 6947 Schweißen und verwandte Prozesse – Schweißpositionen

35

726

Kapitel 35  Stoffschlüssige Verbindungen

DIN EN ISO 13919-1 Schweißen – Elektronen- und Laserstrahl-Schweißverbindungen; Leitfaden für Bewertungsgruppen für Unregelmäßigkeiten; Stahl DIN EN ISO 13920 Schweißen – Allgemeintoleranzen für Schweißkonstruktionen; Längen- und Winkelmaße, Form und Lage DIN EN ISO 17640 Zerstörungsfreie Prüfung von Schweißverbindungen; Ultraschallprüfung; Techniken, Prüfklassen und Bewertung DIN EN ISO 17659 Schweißen – Mehrsprachige Benennungen für Schweißverbindungen mit bildlichen Darstellungen DVS-Merkblatt 0705 Empfehlungen zur Zuordnung von Bewertungsgruppen nach DIN EN ISO 5817: 2006-10 und deren Vorgängernorm DIN EN 25817: 1992-09 FKM-Richtlinie 154 Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile

35

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Niemann, G., Winter, H, Höhn, B.-R.: Maschinenelemente, Bd. 1: Konstruktion und Berechnung von Verbindungen, Lagern, Wellen, 5. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg (2019) 2. Behnisch, H.: Kompendium der Schweißtechnik, Bd. 4: Berechnung und Gestaltung von Schweißkonstruktionen. DVS-Verlag, Düsseldorf (2002) 3. Decker, K.-H.: Maschinenelemente, Tabellen und Diagramm, 20. Aufl. Hanser, München (2018) 4. Böge, A., Böge, W. (Hrsg.): Formeln und Tabellen Maschinenbau, 4. Aufl. Springer Vieweg (2015)

727

Nietverbindungen Gert Böge und Wolfgang Böge

36.1

Allgemeines

spannung ist rechnerisch nicht zu erfassen, daher werden Nietverbindungen mit stark verminderter zulässiger Spannung auf Abscheren berechnet.

Nietverbindungen sind unlösbare Verbindungen von Bauteilen aus beliebigen Werkstoffen. Je nach Verwendungsart unterscheidet man: feste Verbindungen (Stahlbau), feste und dichte Verbindungen (Kesselbau) und dichte Verbindungen (Behälterbau). Außer im Leichtmetallbau werden heute Nietverbindungen häufig durch Schweißverbindungen ersetzt. Die Niete schrumpfen in Längs- und Querrichtung, es entstehen Zug- und Schubspannungen im Niet. Die Längskraft presst die Bauteile zusammen. Der bei Betriebsbelastung in den Berührungsflächen der Bauteile entstehende Reibungswiderstand verhindert das Verschieben der Bauteile gegeneinander. Durch die Querschrumpfung steht der Niet berührungsfrei in der Nietbohrung, solange die äußeren Querkräfte kleiner sind als der Reibungswiderstand. Werden die Querkräfte größer als der Reibungswiderstand, liegt der Nietschaft an der Bohrungswand an (Setzen der Verbindung) und es treten Zug- und Schubspannungen auf. Die nach dem Schrumpfen im Niet auftretende Zug-

besonders gegenüber dem Schweißen: Keine Werkstoffbeeinflussung; kein Verzug der Bauteile; Verbindungen von Teilen aus verschiedenartigen Werkstoffen möglich; leichte Herstellung auf Baustellen; sichere Kontrollmöglichkeiten.

Vorteile,

Nachteile Schwächung der Bauteile durch Nietbohrungen, dadurch größere Querschnitte; keine Stumpfstöße sondern nur Überlappungs- oder Laschenverbindungen; im Allgemeinen höherer Arbeitsaufwand.

36.2

Nietformen

Man unterscheidet die Niete nach ihrer Kopfform: Halbrundniete, Senkniete, Linsenniete usw. (siehe . Tab. 36.1). Sonderformen wie Sprengniete oder Blindniete werden

. Tabelle 36.1 Gebräuchliche Nietformen Bild

Bezeichnung

DIN

Abmessungen in mm

Verwendungsbeispiele

Halbrundniet

123(z)

d D 10–36 D  1;8d

Kessel- und Großbehälterbau

124

d D 10–36 D  1;6d

Stahlbau

660

d D 1–9 D  1;75d

Leichtmetallbau

302

d D 10–36 D  1;5d

Stahlbau, Kesselbau, Behälterbau

661

d D 1–9 D  1;75d

Leichtmetallbau

Linsenniet

662

d1 D 1;7–8 D D 2d1

für Leisten, Beschläge, Schilder, als Zierniet, im Leichtmetallbau

Flachrundniet

674

d1 D 1–8 D D 2;25d1

für Beschläge, Feinbleche, Leder, Pappen

Senkniet

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_36

36

Kapitel 36  Nietverbindungen

728

. Abb. 36.1 Rohnietlängen

dort verwendet, wo die Nietstelle schwer oder nur von einer Seite zugänglich ist. 36.3

Nietwerkstoffe

. Abb. 36.2 Überlappungsnietungen. a einreihig, b zweireihig-parallel, c zweireihig zick-zack

Im Stahlbau, Metall- und Fahrzeugbau werden Niete aus Q St 36-3 für Bauteile aus S 235 JR verwendet. Außer Stahl kommen als Nietwerkstoffe noch Kupfer, Aluminium und deren Legierungen in Frage, z. B. CuZn 37 für Niete im Flugzeugbau. 36.4

36

Herstellen der Nietverbindungen

Niete im Stahl- und Kesselbau werden bei Hellrot- bis Weißglut geschlagen; dadurch fast vollkommene Bohrungsausfüllung und hoher Reibungsschluss zwischen den Bauteilen nach dem Erkalten und Schrumpfen der Niete. Stahlniete unter 8–10 mm Durchmesser und solche aus Nichteisenmetallen werden kalt geschlagen; dabei ist nur ein geringer Reibungsschluss erreichbar. Die Rohniet-Schaftlänge l ist abhängig von den Dicken s der vernieteten Bauteile, vom Nietdurchmesser d und der Form des Schließkopfs (. Abb. 36.1): lD

X

s C lü

(36.1)

Überstand lü  1;4–1;6d für den Halbrundkopf lü  0;6–1d für den Senkkopf.

Hilfe des „Kraftflusses“ zu erkennen: . Abb. 36.3b ist danach eine zweireihige (nicht vierreihige) Verbindung, d. h., die Kraft wird von zwei (nicht von vier) Reihen übertragen. Ferner ist die Schnittigkeit zu beachten. Das ist die Anzahl der von einem Niet beanspruchten Querschnitte. Die Nietverbindung . Abb. 36.2 ist damit einschnittig, die in . Abb. 36.3c ist zweischnittig. Besteht jede Nietreihe aus fünf Nieten, tragen in der Verbindung (. Abb. 36.3c) zwei Reihen mit je fünf zweischnittigen Nieten also 20 Nietquerschnitte. 36.6

P

s. Die höheren Werte für lü bei größeren Klemmlängen Als endgültige Schaftlänge ist die nächstliegende Normlänge zu wählen (. Tab. 36.2). 36.5

. Abb. 36.3 Laschennietungen. a einseitig, einreihig, b einseitig, zweireihig, c Doppellaschen, zweireihig

Verbindungsarten, Schnittigkeit

Man unterscheidet Überlappungsnietungen (. Abb. 36.2), angewendet vorwiegend im Stahlbau, und Laschennietungen (. Abb. 36.3) hauptsächlich für Kessel- und Behälterbau. Für die Berechnung ist die Anzahl der Kraft übertragenden Nietreihen wichtig, worunter man die rechtwinklig zur Kraftrichtung stehenden versteht. Sie sind sicher mit

36.6.1

Nietverbindungen im Stahlbau Allgemeine Richtlinien

Für Berechnung und Konstruktion sind im Stahlhochbau die Richtlinien nach DIN EN 1993-1-3, für den Kranbau nach DIN 15 018 und für den Straßen-, Wege- und Brückenbau nach DIN 1072(z) maßgebend. Für die Lastannahme sind die Lastfälle H und HZ vorgesehen: Lastfall H erfasst die Summe aller Hauptlasten, das sind ständige Lasten (Eigengewichtskraft), Verkehrslast, Schneelast, Lagerstoffe, Massenkräfte von Maschinen. Lastfall HZ erfasst Haupt- und Zusatzlasten wie Windkräfte, Wärmewirkungen und Bremskräfte. Maßgebend ist der Lastfall, der die größten Stabquerschnitte ergibt. Er ist durch Proberechnungen zu ermitteln,

36

729 36.6  Nietverbindungen im Stahlbau

wenn er nicht schon erfahrungsgemäß erkannt wird: Lastfall H, wenn Lastfall HZ, wenn

FHZ FH > H zul HZ zul FHZ FH > HZ zul H zul

Die Indizes H und HZ kennzeichnen die dem betreffenden Lastfall zugeordneten Größen. Belastungsänderungen, Stöße und dergl. werden durch Erhöhung der äußeren Lasten um Stoßzahlen (zwischen 1,1–2) und Schwingungsbeiwerte (zwischen 1,02–1,64) berücksichtigt. Die zulässigen Spannungen bleiben unverändert.

36.6.2 36.6.2.1

Berechnung der Niete . Abb. 36.4 Mittig angeschlossene Zugstäbe

Nietdurchmesser

Bei Form- und Stabstählen, wie L-, U-, I-Stählen usw. ist der Nietdurchmesser d nach DIN 124 zu wählen. Bei Blechen undpBreitflachstählen rechnet man erfahrungsgemäß: d  50s  2 in mm, oder bei mittleren Dicken s  5–10 mm: d  s C 8–10 mm (siehe auch . Tab. 36.2). 36.6.2.2

Nietzahl

Die Niete werden auf Abscheren und Lochleibungsdruck berechnet, da der Reibungsschluss zwischen den Bauteilen nicht sicher ist. Unter der Annahme einer gleichmäßigen Kraftverteilung auf alle Niete muss für die Nachprüfung einer Nietverbindung (. Abb. 36.4) die vorhandene Scherspannung sein: a D

F  a zul A1 n m a F N N mm2

(36.2) n; m

A1

1

mm2

na D

F  l zul d1 s n

l N mm2

F N

F A1 a zul m

F

A1

N

mm2

a zul N mm2

m 1

(36.4)

und die erforderliche Nietzahl auf Grund des zulässigen Lochleibungsdrucks

und der vorhandene Lochleibungsdruck l D

F von der Nietverbindung aufzunehmende Kraft; n Nietzahl; m Schnittigkeit; A1 D d12  =4 Nietquerschnitt (siehe auch . Tab. 36.2); d1 Durchmesser des geschlagenen Niets gleich Bohrungsdurchmesser (. Tab. 36.2); s Dicke des spezifisch am stärksten beanspruchten Bauteils, bei einschnittigen Verbindungen Dicke des schwächsten Bauteils. a zul , l zul , zulässige Scherspannung und zulässiger Lochleibungsdruck nach DIN 18800(z, ersetzt durch DIN EN 1993-1) und DIN 15018 (siehe auch Teil III, Technische Mechanik, Knickungsberechnung im Stahlbau). Aus (36.2) und (36.3) ergibt sich nach dem Umformen die erforderliche Nietzahl auf Grund der zulässigen Scherspannung

d1 ; s mm

n (36.3)

1

nl D

F d1 s l zul

F

d1 ; s

N

mm

l zul N mm2

(36.5)

. Tabelle 36.2 Niete für Stahl- und Kesselbau nach DIN 124 Rohnietdurchmesser d in mm

10

12

(14)

16

(18)

20

22

24

27

30

(33)

36

Durchmesser des geschlagenen Nietes, 11 Nietbohrungsdurchmesser d1 in mm

13

15

17

19

21

23

25

28

31

34

37

Nietquerschnitt A1 D d12  =4 in mm2

95

133

177

227

284

346

415

491

616

755

908

1080

Blechdicken s in mm

4–6

zugehörige Sechskantschrauben nach DIN 7990

M10

M30

M33

M36

> 6–8 M12



> 8–12 M16



> 12–18 M20

M22

> 18 M24

Größen in ( ) möglichst vermeiden Stufung der Nietlänge l: 10 12 14 usw. bis 40, dann 42 45 48 50 usw. bis 80, dann 85 90 95 usw. bis 150 mm

M27

730

Kapitel 36  Nietverbindungen

Es ist die aus beiden Gleichungen sich ergebende größere, immer aufzurundende Nietzahl zu wählen. Je Stabanschluss sind sicherheitshalber mindestens zwei Niete vorzusehen. In Kraftrichtung hintereinander sollen nicht mehr als fünf Niete gesetzt werden, weil sonst die Kraftverteilung zu ungleichmäßig wird.

36.6.3 36.6.3.1

Berechnung genieteter Bauteile Mittig angeschlossene Zugstäbe

Die Schwerachse des Stabs geht durch die Anschlussebene hindurch oder fällt nur wenig aus dieser heraus wie bei Flachstahlanschlüssen oder Doppelstäben (. Abb. 36.4). Seitliches Ausbiegen der Stäbe ist vernachlässigbar klein oder wird durch Futterstücke oder Laschen verhindert. Beanspruchung praktisch nur auf Zug. Für den geschwächten Querschnitt A–B muss die vorhandene Zugspannung sein z D

36

F  z zul An

z N mm2

F

An

N

mm2

(36.6)

Außermittig angeschlossene Zugstäbe

Bei diesen Stäben fällt die Stab-Schwerachse erheblich aus der Anschlussebene heraus wie bei einseitig angeschlossenen Profilstählen (. Abb. 36.5). Durch das Moment M b D F e biegt der Stab seitlich aus. Neben einer Zugspannung entsteht zusätzlich eine Biegespannung. Die maximale Zugspannung tritt in der Biegezugfaser auf, in der sich Zugspannung und Biegezugspannung addieren. Es ist nachzuweisen, dass die maximale, resultierende Spannung kleiner als die zulässige Spannung ist. F F e2 C  zul An I F An e I

max D z C b D N mm2

N

mm2

Vorwahl des Stabs wie bei mittig angeschlossenen Stäben, jedoch mit einem Verschwächungsverhältnis v  0;5–0;6 (siehe auch Teil III, Technische Mechanik). 36.6.3.3

F Zugkraft, An D A  .d1 s z/ nutzbarer Stabquerschnitt, A ungeschwächter Stabquerschnitt, d1 Bohrungsdurchmesser, s Stabdicke, z Anzahl der den Querschnitt schwächenden Bohrungen; z zul zulässige Zugspannung, siehe auch Teil III, Technische Mechanik. Für die Vorwahl des Stabs wird der erforderliche Querschnitt ermittelt aus A D F=.v zul /; v  0;8 Verschwächungsverhältnis zur Berücksichtigung der zunächst nicht erfassbaren Schwächung des Querschnitts durch Nietbohrungen. 36.6.3.2

. Abb. 36.5 Außermittig angeschlossener Zugstab

(36.7)

mm mm4

e Schwerachsenabstand von der Zugfaser I Flächenmoment 2. Grades für die Biegeachse x–x

Druckstäbe

Berechnung nach DIN EN 1993-1 (siehe auch Teil III, Technische Mechanik).

36.6.4

Gestaltung der Nietverbindungen

Darstellung der Nietverbindungen in Zeichnungen durch Sinnbilder nach DIN ISO 5845. Bei Profilstählen kann die Anordnung der Niete der . Tab. 36.3 entnommen werden. Bei Stabfachwerken sollen sich die Netzlinien (Systemlinien) mit den Schwerachsen der Stäbe decken (. Abb. 36.7). Nur bei kleineren Fachwerken können die Netzlinien mit den Bohrungsrisslinien zusammenfallen, wodurch sich günstigere Knotenpunktgestaltungen ergeben. 7 Beispiel Der Stab S1 eines Hochbau-Fachwerks hat eine Zugkraft F 1 D 104:000 N (Lastfall H) aufzunehmen (. Abb. 36.7). Bauteile aus Stahl S 355JO. Zu berechnen: a) erforderlicher ungleichschenkliger Winkelstahl für Stab S1 ; b) Vernietung des Stabs mit dem 8 mm dicken Knotenblech. Lösung: a) Der Stab wird auf Zug und wegen einseitigem Anschluss zusätzlich auf Biegung beansprucht; es handelt sich also um einen außermittig angeschlossenen Zugstab.

36

731 36.6  Nietverbindungen im Stahlbau

. Tabelle 36.3 Richtwerte für Niet- (und Schrauben-)Abstände im Stahlbau (. Abb. 36.6), Maße in mm Nietdurchmesser d

Lochdurchmesser d1

Randabstand

Nietabstand a bei

in der

rechtwink- Kraftnieten lig zur üblich max. Abstand Kraftrichtung

Heftnieten (max. Abstand) bei Stäben bei Blechen mit Dicke 4–6

> 6–8

> 8–12

> 12–18

10

11

25

20

35

80

130

120







12

13

30

20

45

100

150

120







16

17

35

25

55

135

200

120

150

200



20

21

45

35

65

165

250



150

200

250

22

23

50

35

70

180

270





250

270

24

25

50

40

75

200

300







300

27

28

60

45

85

220

330







330

30

31

60

45

95

245

370









36

37

75

55

115

300

440









. Abb. 36.7 Knotenpunkt eines Traggerüsts

. Abb. 36.6 Anordnung der Niete

Vorwahl des Stabs mit A  F1 =. z zul v/; z zul D 240 N=mm2 für S 355JO, Lastfall H; Verschwächungsverhältnis v D 0;5 geschätzt (siehe auch Teil III, Technische Mechanik), damit A  104:000 N=.240 N=mm2  0;5/  870 mm2 . Hierfür wird zunächst gewählt: x 100 50 6 mit A D 873 mm2 (fehlende Größen siehe auch Teil III, Technische Mechanik). Der Winkel wird nun nach (36.7) auf Zug und Biegung überprüft. max D z C b D

F1 F1 e 2  zul C An I

Nutzbarer Stabquerschnitt An D A  d1 s; für die Schenkelbreite 100 mm – der breite Schenkel wird zweckmäßig angeschlossen, um die Biegung klein zu halten – wird

gewählt: Nietdurchmesser d D 22 mm, Bohrungsdurchmesser d1 D 23 mm; mit s D 6 mm wird An D 873 mm2  23 mm  6 mm D 735 mm2 . Randabstand e ¶ ey D 10;4 mm. Flächenmoment I ¶ Iy D 15;3  104 mm4 . Damit wird 104:000 N 104:000 N  .10;4 mm/2 C 735 mm2 15;3  104 mm4 N N D 141;5 C 73;5 mm2 mm2 N N D 215 < zul D 240 mm2 mm2

max D max max

Damit wird endgültig ausgeführt: x 100 50 6 b) Nietdurchmesser bereits unter a) gewählt: d D 22 mm, d1 D 23 mm. Erforderliche Nietzahl auf Grund der zulässigen Scherspannung nach (36.4): na D

F1 A1 a zul m

Querschnitt des geschlagenen Niets nach . Tab. 36.2: A1 D 415 mm2 ; a zul D 210 N=mm2 und m D l, da Ver-

732

Kapitel 36  Nietverbindungen

bindung einschnittig; damit ist na D

104:000 N D 1;19 N 415 mm2  210 mm 2  1

Erforderliche Nietzahl auf Grund des zulässigen Lochleibungsdrucks nach (36.5): nl D

F1 d1 s l zul

. Abb. 36.9 Kräfte am Lagerblech

Durchmesser des geschlagenen Niets d1 D 23 mm; Dicke des schwächsten Bauteils gleich Stabdicke s D 6 mm l zul D 420 N=mm2 ; damit ist nl D

104:000 N 23 mm  6 mm  420

N mm2

D 1;8

ausgeführt 2 Niete mit d D 22 mm. 9 7 Beispiel Zur Vernietung der Lagerbleche einer Umlenk-Seilrolle an der Säule eines Wanddrehkrans sind je vier Niete d D 16 mm vorgesehen (. Abb. 36.8). Höchste Seilzugkraft Fx D Fy D 22:000 N. Bauteile aus Stahl S 235JR.

36

Lösung: Die Nietverbindung ist exzentrisch belastet, d. h. die äußere Kraft geht nicht durch den Schwerpunkt der Nietverbindung, die damit auf Biegung (Drehung) und Schub beansprucht wird. Anstelle von F x und Fy wird mit deren Resultierenden F res , angreifend im Mittelpunkt A der Rollenachse, gerechnet. Die Nietkräfte müssen F res das Gleichgewicht halten (. Abb. 36.9). Für ein Lagerblech wird p p Fres D Fx1 2 D 11:000 N  2  15:560 N: Der Schwerpunkt des Nietsystems liegt im Punkt D in . Abb. 36.9. Dazu hat die Wirklinie der Resultierenden F res den Wirkabstand l1 . Aus dem gleichschenkligen Dreieck DAB erkennt man 340 mm l l1 D p D p D 240 mm: 2 2

. Abb. 36.8 Lagerbleche für eine Seilrolle

Ebenso ergibt sich aus den gleichschenkligen Dreiecken am Punkt D: l2 D 40 mm 

p

2 D 56;6 mm

Die Nietkraft F 1 kann nun aus der Momentengleichgewichtsbedingung berechnet werden: X M.D/ D 0 D 4F1 l2  Fres l1 4F1 l2 D Fres l1 Fres l1 15:560 N  240 mm D 16:495 N D 4l2 4  56;6 mm P Aus der Bedingung F D 0 folgt, dass an jedem Niet noch die Kraft F res =4 D 15:560 N=4 D 3890 N entgegen F res angreifen muss. Die größte resultierende Nietkraft ergibt sich, wie aus . Abb. 36.9 ersichtlich, für den rechten oberen Niet F1 D

F D F1 C

Fres D 16:495 N C 3890 N D 20:385 N 4

Mit A1 D 227 mm2 nach . Tab. 36.2 wird die vorhandene Abscherspannung für den rechten oberen Niet a D

F 20:385 N N D D 89;8 A1 227 mm2 mm2

Für den angenommenen Lastfall H beträgt die zulässige Abscherspannung a zul D 112 N=mm2 (siehe Teil III, Technische Mechanik). Es ist also a D 89;8

N N < a zul D 112 mm2 mm2

Mit d1 D 17 mm und s D 7;5 mm Stegdicke für den Profilstahl U 160 wird der vorhandene Lochleibungsdruck l D

20:385 N N F1 D D 160 d1 s 17 mm  7;5 mm mm2

Da der zulässige Lochleibungsdruck l D 280 N=mm2 beträgt, ist auch hier l D 160

N N < l zul D 280 : 9 mm2 mm2

733 36.6  Nietverbindungen im Stahlbau

Normen (Auswahl) und Richtlinien

DIN 6792 Halbhohlniete mit Senkkopf – Nenndurchmesser 1,6 . . . 10 mm

DIN 101 Niete – technische Lieferbedingungen DIN 123(z) Halbrundniete – Nenndurchmesser 10 . . . 36 mm; Kessel- und Behälterbau

DIN EN 13001-3-1 Krane – Konstruktion allgemein – Teil 3-1 Grenzzustände und Sicherheitsnachweis von Stahltragwerken

DIN 124 Halbrundniete, Nenndurchmesser 10 . . . 36 mm; Stahlbau

DIN 15018-2(z) Krane – Stahltragwerke, Grundsätze für die bauliche Durchbildung und Ausführung

DIN 302 Senkniete – Nenndurchmesser 10 . . . 36 mm DIN 660 Halbrundniete – Nenndurchmesser 1 . . . 8 mm

DIN EN 1993-1-1 Eurocode 3; Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten; Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau

DIN 661 Senkniete – Nenndurchmesser 1 . . . 8 mm DIN 662 Linsenniete – Nenndurchmesser 1,6 . . . 6 mm DIN 674 Flachrundniete – Nenndurchmesser 1,4 . . . 6 mm DIN 675 Flachsenkniete – Nenndurchmesser 3 . . . 5 mm DIN 6791 Halbhohlniete mit Flachrundkopf – Nenndurchmesser 1,6 . . . 10 mm

DIN EN 1993-1-3 Eurocode 3; Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten; Allgemeine Regeln; Ergänzende Regeln für kaltgeformte Bauteile und Bleche DIN ISO 5261 Technische Zeichnungen – vereinfachte Angabe von Stäben und Profilen (z) Norm zurückgezogen

36

37

735

Schraubenverbindungen Gert Böge und Wolfgang Böge

37.1

Allgemeines

Schrauben werden nach ihrem Verwendungszweck eingeteilt in Befestigungsschrauben für lösbare Verbindungen von Bauteilen, Bewegungsschrauben zur Umwandlung von Drehbewegungen in Längsbewegungen, Dichtungsschrauben für Ein- und Auslauföffnungen z. B. bei Ölwannen, Einstellschrauben, Spannschrauben.

37.2

Gewinde

Die Gewinde werden durch ihr Profil (Dreieck, Trapez), die Steigung, Gangzahl (ein- oder mehrgängig) und den Windungssinn (rechts- oder linkssteigend) bestimmt. Die gebräuchlichsten Profilformen zeigt . Abb. 37.1.

37.2.1

Gewindearten

Metrisches ISO-Gewinde, DIN 13 Blatt 1; Gewindedurchmesser von 1 mm bis 68 mm; Anwendungen für Befestigungsschrauben und Muttern aller Art; Abmessungen siehe . Abb. 37.19. Metrisches ISO-Feingewinde, DIN 13. Blätter 2 bis 12; Gewindedurchmesser von 1 mm bis 300 mm; Anwendung als Befestigungsgewinde, als Dichtungsgewinde, für Mess- und Einstellschrauben. Metrisches ISO-Trapezgewinde, DIN 103; Gewindedurchmesser von 8 mm bis 300 mm; Anwendung als Bewegungsgewinde bei Spindeln an Drehmaschinen, Schraubstöcken, Ventilen, Pressen usw.; Abmessungen siehe . Abb. 37.20. Rundgewinde, DIN 405; Anwendung als Bewegungsgewinde bei rauem Betrieb, z. B. Kupplungsspindeln. Metrisches Sägengewinde, DIN 513: Anwendung als Bewegungsgewinde bei hohen einseitigen Belastungen, z. B. bei Hubspindeln. 37.2.2

Gewindeabmessungen

Aus der Abwicklung eines Gewindegangs (. Abb. 37.2) ergibt sich der Steigungswinkel ˛, bezogen auf den Flankendurchmesser d2 aus dem rechtwinkligen Dreieck: ˛ D arctan

. Abb. 37.1 Grundformen der gebräuchlichsten Gewinde. a metrisches Regelgewinde, b metrisches Feingewinde, c Trapezgewinde, d Sägengewinde, e Rundgewinde

P d2  

. Abb. 37.2 Entstehung der Schraubenlinie

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_37

(37.1)

736

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

P Gewindesteigung, für die bei mehrgängigem Gewinde P D z P zu setzen ist. Dann ist P die Gewindeteilung (Abstand zweier Gänge im Längsschnitt), z Gangzahl (siehe . Abb. 37.20). 37.3 37.3.1

37

Schrauben und Muttern Schraubenarten

Sie unterscheiden sich hauptsächlich durch die Form ihres Kopfes. Ausführliche Übersicht siehe DIN-Taschenbuch 10 des Deutschen Normenausschuss. Gebräuchliche Schraubenarten siehe . Abb. 37.3; Hauptabmessungen von Sechskantschrauben (siehe . Abb. 37.17). Sechskantschrauben DIN EN ISO 4014, DIN 7990, sind die am häufigsten verwendeten Schrauben; Ausführung mit metrischem Regelgewinde, teilweise auch mit metrischem Feingewinde. Innensechskantschrauben, DIN EN ISO 4762, DIN 6912 Zylinderschrauben, Platz sparend durch versenkten Kopf mit Innensechskant; gefälliges Aussehen; Ausführung vielfach aus hochfesten Stählen. Halbrund-, Senk-, Zylinder- und Linsenschrauben mit Schlitz oder Kreuzschlitz werden vielseitig im Maschinen-, Fahrzeug-, Apparate- und Gerätebau verwendet. Stiftschrauben, DIN 835 und DIN 938 bis 940 dienen vorwiegend zu Verschraubungen von Gehäuseteilen bei Getrieben, Turbinen, Motoren, usw. Einschraubende b1 (. Abb. 37.3) richtet sich nach dem Werkstoff, in den eingeschraubt ist: b1  d bei Stahl, Stahlguss und Bronze, b1  1;25 d bei Gusseisen, b1  2 d bei Al-Legierungen, b1  2;5 d bei Weichmetallen. Gewindestifte mit Zapfen, Ringschneide, Spitze oder Kegelkuppe werden zum Befestigen von Naben, Buchsen, Radkränzen und dergleichen verwendet.

. Abb. 37.4 Muttern. a Sechskantmutter, b Vierkantmutter, c Hutmutter (hohe Form), d Nutmutter, e Kronenmutter, f Schlitzmutter, g Zweilochmutter

37.3.2

Einige gebräuchliche Arten zeigt . Abb. 37.4. Am häufigsten verwendet werden Sechskantmuttern mit normaler Höhe (m  0;8 d), DIN EN ISO 4032, flache Sechskantmuttern (m  0;5 d), DIN EN ISO 4035 bei kleineren Schrauben und metrischem Feingewinde. Vierkantmuttern, DIN 557 und 562, werden vorwiegend mit Flachrundschrauben (Schlossschrauben) zum Verschrauben von Holzteilen verwendet. Hutmuttern, DIN 917 und 1587, schützen das Schraubengewinde vor Beschädigungen und verhüten Verletzungen. Nut- und Kreuzlochmuttern, DIN 1804 und 1816, mit Feingewinde dienen vielfach zum Befestigen von Wälzlagern auf Wellen. Schlitz- und Zweilochmuttern werden als Senkmuttern verwendet. Kronenmuttern, DIN 935, Sicherungsmuttern und selbstsichernde Muttern dienen der Sicherung von Schraubenverbindungen, siehe auch 7 Abschn. 37.4.2.

37.3.3

. Abb. 37.3 Schraubenarten. a Sechskantschraube, b Innensechskantschraube, c Halbrundschraube, d Senkschraube, e Zylinderschraube, f Linsensenkholzschraube mit Kreuzschlitz, g Gewindestift mit Kegelkuppe, h Stiftschraube

Mutterarten

Ausführung und Werkstoffe

Für Maßgenauigkeit, Oberflächenbeschaffenheit, Werkstoffeigenschaften und Prüfung sind die Bedingungen nach DIN 267 maßgebend. Toleranzklassen: fein (f) für große Genauigkeit bei geringem Spiel, mittel (m) für normale Verwendung, grob (g) für rauen Betrieb. Die Toleranzklasse m braucht bei Bestellungen nicht angegeben zu werden. Als Werkstoff kommen insbesondere Stahl, Messing und Al-Legierungen in Frage. Bezeichnungen und Festigkeitseigenschaften der Schraubenstähle siehe . Tab. 37.1. Werkstoff-Kennzeichen z. B. 5.8 bedeutet: 5 Kennzahl der

Karl Limbach & Cie. GmbH & Co. KG

.

37

739 37.4  Schraubensicherungen

. Tabelle 37.1 Festigkeitseigenschaften der Schraubenstähle nach DIN EN 20898 Kennzeichen (Festigkeitsklasse)

4.6

4.8

5.6

5.8

Mindest-Zugfestigkeit Rm in N=mm2

400

Mindest-Streckgrenze Re oder Rp 0;2 -Dehngrenze in N=mm2

240

320

300

400

360

480

Bruchdehnung A5 in %

25

14

20

10

16

8

500

6.6

6.8

6.9

8.8

10.9

12.9

800

1000

1200

540

640

900

1080

12

12

600

9

8

Mindestzugfestigkeit (500 N=mm2 ); 8 Kennzahl für das Verhältnis .Re =Rm /  10. Hochfeste Schrauben (und Muttern) ab 6.6 sind auf dem Schraubenkopf entsprechend gekennzeichnet, einschließlich Firmenzeichen.

37.4 37.4.1

Schraubensicherungen Kraft- und reibschlüssige Sicherungen

Gebräuchliche Sicherungen siehe . Abb. 37.5a–f. Federring, Fächerscheibe, Zahnscheibe und Federscheibe erzeugen durch ihre Federwirkung eine hohe Reibung im Gewinde und an der Auflagefläche und durch Eindrücken in die Oberflächen noch zusätzlichen Formschluss. Zu beachten ist, dass damit wohl die Mutter, nicht unbedingt die Schraube und damit die Verbindung, ausreichend gesichert ist. Reine Reibschlusssicherungen sind die Gegenmutter, heute meist durch die wirksamere und Platz sparende Sicherungsmutter ersetzt; ferner die selbstsichernde Mutter, DIN EN ISO 7040, mit einem sich in das Schraubengewinde einpressenden Fiber- oder Kunststoffring und die geschlitzte Mutter, bei der sich die an der Schlitzstelle versetzten Gewindegänge beim Aufschrauben federnd in das Schraubengewinde pressen.

37.4.2

Formschlüssige Sicherungen

Als häufigste Sicherung gegen Lösen und Verlieren dient die Kronenmutter, DIN 935 und 979, mit Splint (. Abb. 37.5k), bei der Schraube und Mutter gleichzeitig gesichert sind. Sicherungsbleche verschiedener Ausführung (. Abb. 37.5l) sind als Muttersicherung nicht unbedingt ausreichend für die ganze Verbindung. Dicht zusammensitzende Schrauben können gegenseitig durch Drahtbügel gesichert werden. Hochfeste Schraubenverbindungen (ab Festigkeitsklasse 8.8) erhalten keine Sicherungen.

. Abb. 37.5 Schraubensicherungen. a Federring, b Fächerscheibe, c Zahnscheibe, d Federscheibe, e Schnorr-Sicherung, f selbstsichernde Sechskantmutter, g Sicherungsmutter, h Spring-Stopp Sechskantmutter, i Tensilock Sicherungsschraube, k Kronenmutter mit Splint, l Sicherungsbleche, m Drahtsicherung

740

37.5

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

Scheiben

Scheiben sollen nur dann verwendet werden, wenn die Oberfläche der verschraubten Teile weich oder uneben ist oder zum Beispiel poliert ist und nicht beschädigt werden soll. Für Sechskantschrauben bzw. -muttern werden flache Scheiben nach DIN EN ISO 7090 (mit Fase) für Schrauben-/Muttern-Festigkeitsklassen  8:8 verwendet. Bezeichnung: Scheibe ISO 7090-36-200 HV Gewinde-Nenndurchmesser 36 mm, Härteklasse 200 HV aus Stahl Dicke Scheiben nach DIN 7989 für Schrauben im Bereich M10 . . . M30 kommen in Stahlkonstruktionen zum Einsatz. Diese Scheiben sind für Schrauben nach DIN 7968, DIN 7969, DIN 7990 in Verbindung mit Muttern nach DIN EN ISO 4032 und DIN EN ISO 4034 geeignet. Bezeichnung: Scheibe DIN 7989-24-C-100 HV Gewinde-Nenndurchmesser 24 mm, Produktklasse C (gestanzte Ausführung), Härteklasse 100 HV

37

Für den Ausgleich der schrägen Flanschflächen an U- und I-Trägerprofilen können vierkantförmige Scheiben nach DIN 434 (U-Scheibe) und DIN 435 (T-Scheibe) jeweils für Schrauben in dem Gewindebereich M8 . . . M24 eingesetzt werden. Bezeichnung: I-Scheibe DIN 435-22 Nenngröße (Bohrungsdurchmesser) 22 mm für Schraubengewinde M20 37.6

37.6.1

Berechnung von Befestigungsschrauben Kräfte und Verformungen in zentrisch vorgespannten Schraubenverbindungen bei axial wirkender Betriebskraft (Verspannungsdiagramm)

Eine Schraubenverbindung besteht aus der Schraube, der Mutter und den aufeinander zu pressenden Teilen (Platten), zum Beispiel zwei Flanschen. Diese Verbindung kann im Betrieb eine axial wirkende Betriebskraft F A oder eine Querkraft F Q oder beide gemeinsam aufzunehmen haben. Beispiele: Die Schraubenverbindungen am Zylinderkopf

haben eine in Achsrichtung wirkende Betriebskraft F A aufzunehmen, hervorgerufen durch den Gasdruck im Zylinder. Die Schraubenverbindung am Tellerrad des Ausgleichgetriebes dagegen muss ein Drehmoment übertragen, dessen Kräftepaar quer zur Schraubenachse wirkt. Das Kräftespiel mit den Formänderungen bei axial wirkender Betriebskraft F A macht man sich mit dem Verspannungsdiagramm klar (. Abb. 37.6). Es entsteht, wenn über den elastischen Formänderungen (Verlängerung und Verkürzung) der Schraube und der verspannten Teile die axial wirkenden Kräfte aufgetragen werden. Das Anziehen der Schraubenverbindung bewirkt eine Zugkraft F in der Schraube und eine gleich große Druckkraft in den Flanschen. Die Schraube verlängert sich wie eine Zugfeder entsprechend dem Hooke’schen Gesetz (siehe Teil III, Technische Mechanik). Zugleich verkürzen sich die Platten wie eine Druckfeder. Beim Erreichen der Vorspannkraft F V nach dem Anziehen hat sich die Schraube um f S verlängert, die Platten haben sich um f P verkürzt. Das zeigen die Verspannungsdiagramme (. Abb. 37.6a, b). Die „Druckfläche“ der Platten ist größer als die „Zugfläche“ in der Schraube, daher ist stets f P < fS und ˇP > ˇS . Man kann auch sagen: Die „Zugfeder“ Schraube ist weicher als die „Druckfeder“ Platten. Es fördert das Verständnis für die Formänderungsvorgänge, wenn man sich die Schraube als Schraubenzugfeder, die Platten als Schraubendruckfeder vorstellt, die beide parallel geschaltet ineinander greifen (Federmodell der Verbindung, siehe auch 7 Abschn. 39.2.4). Das übliche Verspannungsdiagramm einer Schraubenverbindung (. Abb. 37.6c) entsteht durch Zusammenfügen der beiden Diagramme a und b für Schraube und Platten. Die Winkel ˇS und ˇP sind die Neigungswinkel der beiden Kennlinien (Federkennlinien, siehe 7 Abschn. 39.2). Nach dem Anziehen der Schraubenverbindung wirkt die Vorspannkraft F V als Zugkraft in der Schraube und als Druckkraft in den verspannten Platten (Flanschen). Im Betrieb hat die Verbindung die axiale Betriebskraft F A aufzunehmen, hervorgerufen beispielsweise durch den ansteigenden Druck der Verbrennungsgase im Zylinder eines Verbrennungsmotors. Sie bewirkt Folgendes (. Abb. 37.7): Die Schraube wird zusätzlich zugbelastet und um den Längenbetrag f verlängert. Dabei steigt die Zugkraft in der Schraube von der Vorspannkraft F V (Punkt A) längs der Schraubenkennlinie auf die Schraubenkraft F S an (Punkt B). Wenn die Schraube um f verlängert wird, können sich die Platten um den gleichen Längenbetrag wieder ausdehnen (Vorstellung: Federmodell). Dabei sinkt die Druckkraft in den Platten vom Betrag der Vorspannkraft F V (Punkt A) längs der Plattenkennlinie auf die theoretisch übrig bleibende Klemmkraft F K1 (Punkt C in . Abb. 37.7). Sinkt nun die axiale Betriebskraft auf null ab, dann stellt sich der ursprüngliche Kraft-Verformungszustand wieder ein (Punkt A). Die Oberflächenrauigkeiten der zusammengepressten Flächen einer Schraubenverbindung (Gewindegänge,

741 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

. Abb. 37.6 Verspannungsdiagramme. a der Schraube, b der Platten (der verspannten Teile), c der Schraubenverbindung

. Abb. 37.7 Verspannungsdiagramm einer vorgespannten Schraubenverbindung nach dem Aufbringen der axialen Betriebskraft F A . F V Vorspannkraft der Schraube, F A axiale Betriebskraft, F K Klemmkraft (Dichtkraft), F K1 theoretische Klemmkraft, F Z Vorspannkraftverlust durch das Setzen während der Betriebszeit, F S Schraubenkraft, F SA Axialkraftanteil (Betriebskraftanteil) der Schraube, F PA Axialkraftanteil der verspannten Teile, f S Verlängerung der Schraube nach der Montage f P Verkürzung der verspannten Teile nach der Montage, f SA , f PA entsprechende Formänderungen nach dem Aufbringen der Betriebskraft F A , f Z Setzbetrag (bleibende Verformung durch das „Setzen“), f Längenänderung nach dem Aufbringen der axialen Betriebskraft F A , ˇS , ˇP Neigungswinkel der Kennlinie

Kopf- und Mutterauflage, Trennfugen der Platten) verformen sich schon beim Anziehen plastisch (bleibend). Dieses „Setzen“ vermindert die elastische Längenänderung f S C f P um den Setzbetrag f Z , auch wenn es sich nur um wenige mm handelt. Damit vermindert sich auch die tatsächlich wirksame Vorspannkraft F V um die Setzkraft F Z (. Abb. 37.7). Im Betrieb steht dann auch nicht mehr die theoretische Klemmkraft F K1 zur Verfügung, sondern die Klemmkraft FK D FK1  FZ , zum Beispiel als Dichtkraft. Im allgemeinen Betriebsfall wird die axiale Betriebskraft nach . Abb. 37.8 bis zu einem Maximalwert F A max aufgebaut und fällt dann auf den kleineren Wert F A min ab und so fort (dynamisch schwellende Belastung). Die Schraubenbelastung schwingt also mit der Ausschlagkraft F a um eine gedachte Mittelkraft F m . F SA max und F SA min sind die Axialkraftanteile in der Schraube.

. Abb. 37.8 Ausschnitt aus dem Verspannungsdiagramm

37.6.2

Herleitung der Kräfte- und Formänderungsgleichungen

Zur Herleitung der Gleichungen für die Berechnung einer Schraubenverbindung bei axial wirkender Betriebskraft wird das Verspannungsdiagramm in . Abb. 37.9 ausgewertet. Die Betriebskraft F A ist durch die Betriebsbedingungen bekannt (z. B. über den Öldruck in einem Hydraulikzy-

. Abb. 37.9 Verspannungsdiagramm der vorgespannten und durch eine axial wirkende Betriebskraft F A belasteten Schraubenverbindung

37

742

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

linder). Außerdem muss eine Mindestklemmkraft F K erf bekannt sein oder angenommen werden, zum Beispiel als erforderliche Dichtkraft. Betriebskraft F A und erforderliche Klemmkraft F K erf sind daher die Ausgangsgrößen für die Berechnung vorgespannter Schraubenverbindungen. Zunächst wird als Hilfsgröße die Nachgiebigkeit ı definiert: Sie ist das Verhältnis der Längenänderung (Verlängerung, Verkürzung) zur jeweiligen Zug- oder Druckkraft. Es gilt also für die Schraube ıS D fS =FV und ıP D fP =FV . Dieser Quotient ist in den rechtwinkligen Dreiecken, OEA und ADB sowie EFA und ACD der Kotangens (1=Tangens) der Neigungswinkel ˇS und ˇP . Damit lassen sich Gleichungen für die Nachgiebigkeiten ıS und ıP aufstellen: fS f D FV FSA Nachgiebigkeit der Schraube nach Aufbringen der Vorspannkraft FV fP f f ıP D D D FV FPA FA  FSA Nachgiebigkeit der Platten nach Aufbringen der Vorspannkraft FV

ıS D

(37.2)

FSA D ˚FA

Axialkraft in der Schraube

FSA ıP D ıP C ıS FA

fPZ FZ D ıP FZ

ıP D fPZ

Die Summe der beiden Teilsetzbeträge ist gleich dem Setzbetrag F Z , also wird fZ D fSZ C fPZ fZ D ıS FZ C ıP FZ D FZ .ıP C ıS / Die Summe der Nachgiebigkeiten (ıP C ıS ) kann nach (37.5) durch ıP =˚ ausgedrückt und damit eine Gleichung für die Setzkraft F Z entwickelt werden. Die Setzkraft F Z ist der Vorspannungskraftverlust durch Setzen während der Betriebszeit: ˚ ıP

Setzkraft

(37.7)

Nach . Abb. 37.9 ist die Klemmkraft F K D FV  FZ  FPA . In Verbindung mit (37.6) wird dann: FK D FV  FZ  FA .1  ˚/

FV D FZ C FK C FA .1  ˚/

(37.4)

(37.5)

Klemmkraft

(37.8)

(37.6)

Vorspannkraft

(37.9)

Zur Bestimmung der größten Zugbeanspruchung in der Schraube wird die größte Zugkraft, die Schraubenkraft F S , gebraucht. Unter Zuhilfenahme des Verspannungsdiagramms . Abb. 37.9 und der Gleichungen (37.4) und (37.9) ergibt sich: FS D FV C FSA FS D FV C ˚FA

(37.10) (37.11)

Vorspannkraft FV

‚ …„ ƒ FS D FZ C FK C FA .1  ˚/ C ˚FA „ ƒ‚ … „ƒ‚… Schrauben- Setzkraft kraft

Kraftverhältnis der Schraubenverbindung (siehe auch 7 Abschn. 37.6.3.3) Das Verspannungsdiagramm zeigt F PA D FA  FSA . Nach (37.5) ist F SA D FA ˚. Das ergibt eine Gleichung für den Axialkraftanteil F PA in den verspannten Platten (Flanschen): FPA D FA .1  ˚/ Axialkraftanteil in den Platten

fSZ

und

Kann die Klemmkraft als bekannt vorausgesetzt werden, zum Beispiel durch die Annahme einer notwendigen Dichtkraft, dann lässt sich die Vorspannkraft F V ermitteln:

Der Quotient ıP =.ıP C ıS / aus den Nachgiebigkeiten spielt als Kenngröße bei Schraubenberechnungen eine Rolle. Nach (37.4) ist er das Verhältnis des Axialkraftanteils F SA zur Axialkraft (Betriebskraft) F A . Er heißt daher Kraftverhältnis ˚: ˚D

)

FZ D f Z

f D ıS FSA D ıP .FA  FSA / ıS FSA D ıP FA  ıP FSA FSA .ıS C ıP / D ıP FA ıP FSA D FA ıP C ıS ıP und mit D˚ ıP C ıS

fSZ FZ D ıS FZ

ıS D

(37.3)

Beide Gleichungen können nach f aufgelöst und gleichgesetzt werden. Daraus lässt sich eine Gleichung für den Axialkraftanteil F SA in der Schraube entwickeln:

37

Die Neigungswinkel ˇS und ˇP der Kennlinien treten auch in den beiden kleinen rechtwinkligen Dreiecken mit der Setzkraft F Z auf. Analog zu (37.2) und (37.3) wird damit:

Klemmkraft

Axialkraftanteil der verspannten Teile



ƒ‚

(37.12)

Axialkraftanteil der Schraube



axiale Betriebskraft FA

In dynamisch schwellend belasteten Schraubenverbindungen muss die Dauerfestigkeit der Schraube bestätigt werden. Ausgangsgröße für diese Berechnungen ist die Ausschlagkraft F a , die um die Mittelkraft F m schwingt. Im Hinblick auf die axiale Betriebskraft F A können zwei unterschiedliche Betriebsbedingungen auftreten:

37

743 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

Fällt die Betriebskraft F A immer wieder auf den Wert null zurück, dann gilt nach . Abb. 37.9 in Verbindung mit (37.4): FSA 2 ˚ Fa D FA 2 Fm D FV C Fa Fa D

(37.13) Ausschlagkraft

(37.14)

Mittelkraft

(37.15)

Schwankt die axiale Betriebskraft dagegen zwischen einem Größtwert F A max und einem Kleinstwert F A min ¤ 0, dann lässt sich aus . Abb. 37.8 ablesen: FSA max  FSA min (37.16) 2 Nach (37.4) ist F SA D ˚FA . Folglich gelten auch FSA max D ˚FA max und F SA min D ˚FA min . Dies in (37.16) eingesetzt und das Kraftverhältnis ˚ ausgeklammert führt zu ˚ Fa D .FA max  FA min / Ausschlagkraft (37.17) 2 Fm D FV C ˚FA min C Fa Mittelkraft (37.18) Fa D

37.6.3

Berechnung der Nachgiebigkeit und des Kraftverhältnisses

F A l E l0

fPV lP D FV AP EP

Nachgiebigkeit der Schraube

An einer Sechskantschraube (. Abb. 37.10) gibt es die Dehnlänge l1 mit dem Schaftquerschnitt A und die Dehnlänge l2 mit dem Spannungsquerschnitt AS nach . Abb. 37.19. Als zusätzliche Dehnlänge im Mutter- und Kopfbereich legt man aus Erfahrung l3 D 0;4 d fest und als zugehörigen Querschnitt vereinfachend den Spannungsquerschnitt AS . Das entsprechende Federmodell besteht demnach aus drei hintereinander geschalteten Zugfedern, deren EinzelNachgiebigkeiten sich addieren:

Entsprechend (37.19) ist ıS1 D l1 =.AES / ıS2 D l2 =.AS ES / ıS3 D 2l3 .AS ES / D 2  0;4 d=.AS ES / Damit kann eine zusammenfassende Gleichung für die Nachgiebigkeit ıS für die Sechskantschraube entwickelt werden

(37.21)

Nachgiebigkeit einer Sechskantschraube (37.19) ıS mm N

Nachgiebigkeit (allgemein) der Platten ıP D

37.6.3.1

ıS D ıS1 C ıS2 C 2  ıS3 l1 l2 0;4 d ıS D C C2 A ES AS ES AS ES l1 l2 C 0;8 d C A AS ıS D ES

D2 E F l E D A l0 l l0 D Dı F AE Nachgiebigkeit (allgemein) der Schraube fSV lS D FV AS ES

Die Gleichungen für die Nachgiebigkeit ıS und ıP enthalten noch Größen, die eine genauere Betrachtung erfordern. Das soll für Schraube und Platten gesondert geschehen.

ıS D ıS1 C ıS2 C 2  ıS3

Für die elastische Formänderung von Zug- und Druckstäben gilt das Hooke’sche Gesetz, also auch für die Schraube und die Platten (Flansche) einer vorgespannten Schraubenverbindung (siehe Teil III, Technische Mechanik). Schreibt man das Hooke’sche Gesetz in der Form l=F D l0 =.A E/ und setzt anstelle der allgemeinen die speziellen Bezeichnungen für die Schraubenverbindung ein, erhält man zwei Gleichungen für die Nachgiebigkeit ıS und ıP :

ıS D

. Abb. 37.10 Dehnquerschnitte und Dehnlängen an der Sechskantschraube

(37.20)

Zug- oder Druckkraft ¶ FV Zug- oder Druckfläche ¶ AS und AP elastische Verlängerung oder Verkürzung ¶ fS und fP Elastizitätsmodul federnde Länge ¶ lS und lP

l1 ; l2 ; d A; AS mm

mm2

ES N mm2

Die Nachgiebigkeit einer Dehnschraube wird auf die gleiche Art ermittelt. 37.6.3.2

Nachgiebigkeit der verspannten Platten (Flanschen)

Die federnde Länge lP der druckbelasteten Plattenzonen ist die Klemmlänge lK der Schraubenverbindung (lP D lK ).

744

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

. Abb. 37.11 Ersatz-Hohlzylinder in den verspannten Platten

Ersatzquerschnitt (Ersatz-Hohlzylinder) Aers der Platten für D A  dw Nach (37.20) kann nun mit den Bezeichnungen lP D lK und AP D Aers die Gleichung zur Berechnung der Nachgiebigkeit ıP der Platten (Flansche) geschrieben werden: lK Aers EP Nachgiebigkeit der Platten (Flansche) ıP D

(37.24)

Mit den beiden Nachgiebigkeiten ıS und ıP , der Vorspannkraft F V und der axialen Betriebskraft F A lässt sich das Verspannungsdiagramm maßstäblich aufzeichnen.

37

Die Nachgiebigkeit ıS der Schraube konnte mit (37.21) leicht ermittelt werden, weil die federnden Teile der Schraube eindeutig begrenzte Kreiszylinder sind. Innerhalb der verspannten Platten dagegen nimmt die Druckbeanspruchung im Klemmbereich radial nach außen hin ab. Näherungsweise arbeitet man mit der Vorstellung eines Doppel-Hohlkegels, in dessen Einzelquerschnitten die Druckbeanspruchung gleichmäßig verteilt ist. Für den Ersatzquerschnitt Aers (Ersatzdurchmesser Ders ) wird in der Literatur für die Verbindungskonstruktion nach . Abb. 37.11 mit der Bedingung dw C lK < DA die folgende Gleichung (37.22a) angegeben:   Aers D .da2  dh2 / C 4 !2 # "s   l K da 3 C da l K C1 1 (37.22a) 8 .lK C da /2 Ersatzquerschnitt (Ersatz-Hohlzylinder) Aers der Platten für dw C lK < DA DA Außendurchmesser der verspannten Teile da Außendurchmesser der Kopfauflage, bei Sechskantschrauben (. Abb. 37.11) Durchmesser des Telleransatzes, sonst Schlüsselweite, bei Zylinderschrauben Kopfdurchmesser dh Durchmesser der Durchgangsbohrung nach . Abb. 37.17 lK Klemmlänge Für zwei Verbindungskonstruktionen mit anderen als in . Abb. 37.11 eingetragenen Abmessungen werden die folgenden Gleichungen angegeben:   Aers D .da2  dh2 / C 4 "s !2 #   l K da 3 C da .DA  da / C 1  1 (37.22b) 8 DA2 Ersatzquerschnitt (Ersatz-Hohlzylinder) Aers der Platten für dw  D A  da C l K   Aers D .DA2  dh2 / (37.23) 4

37.6.3.3

Berechnung des Kraftverhältnisses

Mit den Gleichungen für die Nachgiebigkeit und den Ersatzquerschnitt (37.21), (37.22), (37.23) kann nun eine Gleichung zur Berechnung des Kraftverhältnisses ˚ für Sechskantschrauben nach . Abb. 37.10 entwickelt werden: ıP FSA D ıP C ıS FA lK Aers EP ˚D l1 l2 C 0;8 d C lK A AS C Aers EP ES lK   ˚D Aers EP l1 l2 C 0;8 d lK C C ES A AS

˚D

(37.25)

(37.26)

Klemmlänge nach . Abb. 37.10 Elastizitätsmodul der Platten (siehe Teil III, Technische Mechanik) ES Elastizitätsmodul der Schraube, für Stahl ist ES D 2;1  105 N=mm2 Aers Ersatzquerschnitt nach (37.22a), (37.22b) oder (37.23) l1 , l2 Teillängen der Schraube nach . Abb. 37.17 d Gewindenenndurchmesser nach . Abb. 37.19 A Schaftquerschnitt der Schraube nach . Abb. 37.19 AS Spannungsquerschnitt der Schraube nach . Abb. 37.19 lK EP

37.6.4

37.6.4.1

Krafteinleitungsfaktoren (. Abb. 37.12) und Kraftverhältnis Erläuterungen zum Krafteinleitungsfaktor

Bei der Besprechung der Kräfte und Formänderungen in einer vorgespannten Schraubenverbindung (7 Abschn. 37.6.1) war angenommen worden, dass die axiale Betriebskraft F A unter dem Schraubenkopf und in

745 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

. Abb. 37.12 Krafteinleitungsfaktoren n

der Mutterauflagefläche angreift. Das Verspannungsdiagramm in . Abb. 37.7 zeigt die dadurch hervorgerufene Längenänderung f, um die sich die Schraube zusätzlich dehnt. Um den gleichen Betrag können sich die zusammengedrückten Platten wieder entspannen, und zwar auf der gesamten Klemmlänge lK . Untersuchungen an ausgeführten Schraubenverbindungen zeigen dagegen, dass die Betriebskraft F A häufiger zwischen zwei Punkten innerhalb der Klemmlänge lK angreift, wodurch sich die Kraft- und Formänderungsverhältnisse ändern. . Abb. 37.12 zeigt schematisiert vier angenommene Fälle für die Einleitung der Betriebskraft F A (I, II, III und IV). Im Unterschied zum Einleitungsfall I, bei dem sich die Platten über der ganzen Klemmlänge lK entspannen,

federn sie in den anderen Fällen nur in den längs gestrichenen Bereichen der Klemmlänge zurück (Bilder in der . Abb. 37.12). Diese Teillänge wird mit lK1 D n lK bezeichnet, wobei n der Krafteinleitungsfaktor ist. Er ist immer kleiner als eins (n < 1, z. B. n D 0;5 im Einleitungsfall III). Im Bereich der quer gestrichenen Plattenzonen dagegen bewirkt die dort eingeleitete Betriebskraft F A kein Entspannen, sondern ein weiteres Zusammenpressen. Daraus folgt: Der Schraube sind beim allgemeinen Krafteinleitungsfall (II, III oder IV) federnde Plattenzonen vorgeschaltet. Ein entsprechendes Schraubenfedermodell besteht aus zwei hintereinander geschalteten Schraubenfedern, die die gleiche Kraft zu übertragen haben, die Betriebskraft FA ,

37

746

37

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

allerdings einmal als Druckkraft (in den quer gestrichenen Plattenzonen) und einmal als Zugkraft (in der Schraube). Der „Zugfeder“ Schraube ist eine „Druckfeder“ entsprechend den quer gestrichenen Plattenzonen vorgeschaltet. In 7 Kap. 39 wird nachgewiesen, dass zwei hintereinander geschaltete Federn „weicher“ sind als jede der beiden Einzelfedern. Die Kennlinie eines solchen Federsystems verläuft flacher, weil bei gleicher Belastung der Federweg größer ist. Im Verspannungsdiagramm in der . Abb. 37.12 ist das an der gestrichelten Kennlinie zu sehen. Die Nachgiebigkeit ı zweier hintereinander geschalteter Federn ist also in den Fällen II, III, IV größer als im Einleitungsfall I. Man nennt die Nachgiebigkeit unter diesen Betriebsbedingungen die Betriebsnachgiebigkeit ıSB . Gegenüber dem Krafteinleitungsfall I mit der Nachgiebigkeit ıS ist also immer ıSB > ıS . Für die längs gestrichenen Plattenzonen (. Abb. 37.12), die sich beim allgemeinen Krafteinleitungsfall teilweise entspannen, ist die federnde Länge kürzer als im Einleitungsfall I mit den Angriffspunkten unter dem Schraubenkopf und der Mutterauflage (n lK < lK ). Nach (37.20) ergibt diese Änderung auch eine Verringerung der Nachgiebigkeit der Platten. Es ist also stets die Betriebsnachgiebigkeit ıPB < ıP . Im Verspannungsdiagramm verläuft die Kennlinie der Platten steiler. Es gilt die gestrichelte Linie im Verspannungsdiagramm in . Abb. 37.12. Die Veränderung ıSB > ıS der Schraube führt zu f SB < fSV . Entsprechend folgt aus ıPB < ıP der Platten f PB < fPV . Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Betriebskräfte in Schraubenverbindungen ebenso wie in anderen technischen Bauteilen nie punktförmig angreifen. Vielmehr werden sie durch ein räumliches Spannungs- und Formänderungssystem in den Teilen weitergeleitet. Mit dem Krafteinleitungsfaktor n < l wird die Klemmlänge lK entsprechend den Bildern in . Abb. 37.12 aufgeteilt 4 in die Teillänge lK1 D n lK für die Plattenzonen, die durch die axiale Betriebskraft etwas entlastet werden und 4 in die restliche Teillänge lK2 für die Plattenzonen, die noch stärker zusammengedrückt werden, als sie es nach dem Anziehen schon waren. Die Summe beider Teillängen ergibt die Schraubenklemmlänge lK D lK1 C lK2 . Daraus folgt mit lK1 D nlK lK2 D lK  n lK lK2 D lK .1  n/ D .1  n/lK

(37.27) (37.28)

Wie (37.19) und (37.20) zeigen, ist die Nachgiebigkeit ı von Zug- oder Druckfedern bei sonst gleich bleibenden Größen der federnden Länge proportional (größere Federlänge ergibt größere Nachgiebigkeit und umgekehrt).

Für die Betriebsnachgiebigkeit ıPB der entlasteten Plattenzonen mit der federnden Länge lK1 D n lK gilt daher die Proportion lK ıP D ) ıPB D n ıP ıPB n lK

(37.29)

Für die Betriebsnachgiebigkeit ıPB rest der restlichen Plattenzonen mit der federnden Länge lK2 D .1  n/lK wird ıP ıPB rest

D

lK ) ıPB rest D .1  n/ ıP .1  n/ lK

(37.30)

!Hinweis Das Produkt n  lK gibt an, in welchem Klemmlängenanteil die verspannten Teile von der Axialkraft entlastet sind. Im Fall III beispielsweise ist die Hälfte der Flanschendicke entlastet, d. h. der Abstand der axialen Betriebskräfte beträgt n D lK =2.

37.6.4.2

Berechnung des Krafteinleitungsfaktors nach VDI-Richtlinie 2230 (vereinfacht)

Wie üblich wird aus der Verbindungskonstruktion, z. B. einer Flanschverbindung mit mehreren Schrauben, eine Schraube aus der Verbindung herausgelöst (siehe Teil III Mechanik, Freimachen). Diese so genannte Einschraubenverbindung (ESV) liegt den Untersuchungen der VDIRichtlinie zu Grunde. Dort werden sechs Krafteinleitungsfälle als Verbindungstypen eingeführt, von denen drei . Abb. 37.13a zeigt (SV1, SV3 und SV5), vergl. auch . Abb. 37.12. Im waagerecht gestrichenen Teil der Schraube soll die Trennfuge der Verbindung liegen, der Trennfugenbereich. Er wird ermittelt mit dem eingezeichneten 30ı -Kegel nach . Abb. 37.13b. Die Parameter nach . Abb. 37.13a werden der Konstruktion entnommen, bei zentrischer Belastung ist die Länge lA D 0 zu setzen. Mit der festgelegten Verbindungstype SV und den Parametern nach . Abb. 37.13b kann der einzuführende Krafteinleitungsfaktor n ermittelt werden (. Tab. 37.2). Bei sehr kleinen Krafteinleitungsfaktoren neigt die Verbindung zum Klaffen. Damit sind die Berechnungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben. Im häufigeren Fall der exzentrisch verspannten Mehrschraubenverbindung kann nach der VDI-Richtlinie 2230 mit dem Krafteinleitungsfaktor n D 0;4 gerechnet werden. Die Betriebsnachgiebigkeit ıSB der Schraube ist die Summe aus der Nachgiebigkeit ıS der Schraube nach (37.21) und der Betriebsnachgiebigkeit ıPB rest , weil sich die Nachgiebigkeiten hintereinander geschalteter Federn addieren (siehe Federn, 7 Abschn. 39.2.4): ıSB D ıS C ıPB rest ıSB D ıS C .1  n/ıP

(37.31)

37

747 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

. Tabelle 37.2 Krafteinleitungsfaktoren n nach DIN 2330 0,10

 0;30

A=h

0,00

0,20

aK =h

0,10

0,30

 0;50

0,10

0,30

 0;50

0,10

0,30

 0;50

0,10

0,30

 0;50

SV1

0,55

0,30

0,13

0,41

0,22

0,10

0,28

0,16

0,07

0,14

0,12

0,04

SV3

0,37

0,26

0,12

0,30

0,20

0,09

0,23

0,15

0,07

0,14

0,12

0,04

SV5

0,25

0,22

0,10

0,21

0,15

0,07

0,17

0,12

0,06

0,13

0,10

0,03

. Abb. 37.13 a Krafteinleitungsfälle SV einer Durchsteckschraube nach VDI 2230; b Parameter zur Ermittlung von n. h Höhe, ak Abstand zwischen dem Rand der Verspannfläche, lA Länge zwischen Grundkörper und Krafteinleitungspunkt im Anschlusskörper

Das Betriebskraftverhältnis ˚n für den allgemeinen Krafteinleitungsfall wird aus den Betriebsnachgiebigkeiten ıSB und ıPB ermittelt, wie das bereits für den Einleitungsfall I in (37.5) geschehen ist: ˚n D

ıPB FSA D ıPB C ıSB FA

(37.32) 37.6.5

Mit Hilfe von (37.29) und (37.30) erhält man außerdem eine Beziehung zwischen dem Betriebskraftverhältnis ˚n und dem Kraftverhältnis ˚ nach (37.5): n ıP n ıP C ıS C .1  n/ ıP n ıP ˚n D n ıP C ıS C ıP  n ıP ıP FSA ˚n D n D n˚ D ıP C ıS FA

mit der Teilungsebene der Flansche (Platten) zusammenfallen. In diesem Sinn sind die Konstruktionsbeispiele in . Abb. 37.12 zu verstehen. In der Bezugsliteratur wird empfohlen, mit dem Krafteinleitungsfaktor n D 1=2 zu rechnen.

˚n D

(37.33)

Aus der vorstehenden Gleichung lässt sich in Verbindung mit dem gestrichen gezeichneten Verspannungsdiagramm in . Abb. 37.12 ablesen: Wird der Krafteinleitungsfaktor n kleiner, verringert sich entsprechend das Kraftverhältnis F SA =FA , das Verhältnis der zusätzlich von der Schraube aufzunehmenden Kraft (Axialkraftanteil) zur axialen Betriebskraft F A . Im Fall n D 0 hat die Schraube überhaupt keine Zusatzkraft F SA aufzunehmen, wenn die Betriebskraft wirkt. Die höchste Zugkraft in der Schraube, die Schraubenkraft F S , ist dann gleich der Vorspannkraft F V D FS . Krafteinleitungsfaktor n D 0 bedeutet, dass die Krafteinleitungsebenen

Zusammenstellung der Berechnungsformeln für vorgespannte Schraubenverbindungen bei axial wirkender Betriebskraft

Die Schraubenverbindung hat äußere Kräfte aufzunehmen, die zu einer statisch oder dynamisch auftretenden Betriebskraft F A in der Schraube führen. Die Betriebskraft wirkt als Schraubenlängskraft (axial). Die Verbindung wird mit einer Montagevorspannkraft F VM angezogen, die in der Schraubenachse wirkt. Die Funktion der Verbindung soll durch eine erforderliche Klemmkraft FK erf sichergestellt werden. Eine rechtwinklig zur Schraubenachse wirkende Querkraft F Q (Betriebskraft) tritt nicht auf. Gegebene Größen

4 axiale Betriebskraft F A 4 erforderliche Klemmkraft F K erf 4 Festigkeitsklasse der Schraube Die zu wählenden oder anzunehmenden Größen werden in den folgenden Abschnitten besprochen.

748

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

37.6.5.1

Spannungsquerschnitt und Festlegen des Gewindes

Beim Anziehen wird die Schraube durch die Vorspannkraft F V auf Zug, durch das Gewindereibmoment M RG auf Torsion beansprucht. Beide Größen können erst später berechnet werden. Aus diesem Grund wird zunächst reine Zugbeanspruchung angenommen, hervorgerufen durch die Zugkraft (Schraubenkraft) F S D FK erf CFA (siehe Verspannungsdiagramm . Abb. 37.12). Die zulässige Zugspannung z zul setzt man gleich dem v-fachen (mit v < 1) der 0,2-Dehngrenze des Schraubenwerkstoffs ( z zul D v Rp 0;2 ). Die Zug-Hauptgleichung

Aus der Gewindetabelle 7 wählt man das metrische ISOGewinde mit einem Spannungsquerschnitt, der annähernd so groß ist wie der berechnete erforderliche Spannungsquerschnitt (AS Tabelle  AS erf ). Nach der Festlegung des Gewindes sollten alle Größen aus den . Abb. 37.17 und 37.19 zusammengestellt werden, die für die weiteren Berechnungen erforderlich sind. Dazu kann man nach der folgenden Aufstellung vorgehen. 37.6.5.2

F .FK erf C FA / D v Rp 0;2 D z D A AS führt dann mit dem Anziehfaktor ˛A zu der Gleichung für den erforderlichen Spannungsquerschnitt AS erf der Schraube: ˛A .FK erf C FA / v Rp 0;2 AS erf FK erf ; FA ˛A ; v

AS erf D

mm2

37

N

1

(37.34) Rp 0;2 N mm2

AS erf erforderlicher Spannungsquerschnitt nach . Abb. 37.19 Anziehfaktor ˛A F K erf erforderliche Klemmkraft (zum Beispiel Dichtkraft) axiale Betriebskraft FA v Ausnutzungsgrad für die Streckgrenze Re oder für die 0,2-Dehngrenze Rp 0;2 . Zweckmäßig wird v D 0;6 bis 0,8 gesetzt (Erfahrungswert) Rp 0;2 0,2-Dehngrenze nach . Tab. 37.1 Mit dem Anziehfaktor ˛A wird die Streuung der Vorspannkraft bei den verschiedenen Anziehverfahren berücksichtigt. In der Bezugsliteratur werden Richtwerte angegeben: ˛A D 1

bei genauesten Anziehverfahren (geringste Streuung des Anziehdrehmoments M A ) wie beim Winkelanziehverfahren (Drehwinkel ist Maß für die Schraubenverlängerung) ˛A D 1;25–1;8 beim Anziehen mit dem Drehmomentschlüssel1 oder Drehschrauber beim Anziehen mit dem Schlagschrauber ˛A D 1;6–2 mit Einstellkontrolle1 ˛A D 3–4 beim Anziehen mit dem Schlagschrauber ohne Einstellkontrolle 1

kleinere Werte für kleinere, größere Werte für größere Reibungszahlen.

Zusammenstellung geometrischer Größen der Schraube

Aus . Abb. 37.17

Aus . Abb. 37.19

Bezeichnung der Schraube

Gewindedurchmesser

d

Außendurchmesser der Mutter- oder Kopfauflage

da Flankendurchmesser

d2

Schraubenlänge

l

Steigungswinkel

˛

Gewindelänge

b

Spannungsquerschnitt

AS

Durchgangsbohrung

dh polares Widerstandsmoment W pS

Kopfauflagefläche

Ap

37.6.5.3

Nachgiebigkeit der Schraube

Zur Berechnung der Nachgiebigkeit ıS einer Sechskantschraube wird die in 7 Abschn. 37.6.3.1 hergeleitete Gleichung (37.21) verwendet: l1 l2 C 0;8 d C A AS ıS D ES ES A; AS ıS mm N mm2 N mm2

(37.35) l1 ; l2 mm

Elastizitätsmodul des Schraubenwerkstoffs nach Teil III, Technische Mechanik (EStahl D 2;1  105 N=mm2 ) A Schaftquerschnitt der Schraube AS Spannungsquerschnitt nach . Abb. 37.19 l1 , l2 federnde Teillängen an der Schraube ES

Mit den Angaben in . Abb. 37.17 und 37.14 gilt für Durchsteckschrauben: l1 D l  b und l2 D lK  l1 . Abb. 37.14 Schraubenlängen und Schraubenquerschnitte

37

749 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

Querschnitt des Ersatz-Hohlzylinders der Platten (Flansche)

37.6.5.4

Für den Ersatzquerschnitt Aers , der zur Berechnung der Nachgiebigkeit ıP der Platten gebraucht wird, stehen die in 7 Abschn. 37.6.3.2 angegebenen Gleichungen zur Verfügung.

Nachgiebigkeit der Platten (Flansche)

37.6.5.5

Es gilt die in 7 Abschn. 37.6.3.2 hergeleitete Gleichung für die Nachgiebigkeit ıP der aufeinander gepressten Flansche: ıP D

ıP mm N

lK Aers EP

EP N mm2

Aers

lK

mm2

mm

(37.36)

EP Elastizitätsmodul der verspannten Teile lK Klemmlänge Aers Querschnitt des Ersatz-Hohlzylinders 37.6.5.6

37.6.5.7

FZ D

ıP ıP C ıS ˚n D n ˚ ˚D

n Krafteinleitungsfaktor nach . Abb. 37.12 und 37.2, empfohlener Richtwert: n D 0;4 Zur Kontrolle des Kraftverhältnisses ˚ kann für Sechskantschrauben auch die in 7 Abschn. 37.6.3.3 hergeleitete Gleichung (37.26) verwendet werden. Mit dieser Gleichung wurden die folgenden Überschlagswerte für Stahlflansche mit EP D 2;1  105 N=mm2 und Flansche aus EN-GJL-300 (Klammerwerte) mit EP D 12104 N=mm2 in Abhängigkeit von lK =d berechnet: lK =d D

1

2

3

4

5

˚D

0,21 (0,31)

0,23 (0,32)

0,22 (0,30)

0,20 (0,28)

0,19 (0,26)

lK =d D

6

7

8

9

10

˚D

0,18 (0,24)

0,16 (0,22)

0,15 (0,20)

0,14 (0,19)

0,13 (0,17)

lK =d D

11

12

13

14

15

˚D

0,12 (0,16)

0,11 (0,15)

0,10 (0,14)

0,097 (0,13)

0,091 (0,12)

lK =d D

16

17

18

20



˚D

0,086 (0,11)

0,081 (0,105)

0,076 (0,099)

0,068 (0,088)

– –

˚ fZ ıP

(37.37)

Richtwerte für den Setzbetrag f Z in mm in Abhängigkeit vom Klemmlängenverhältnis lK =d sind zum Beispiel in der Literatur für drei bis sieben Trennfugen zu finden: lK =d D

1

2,5

5

10

˚D

0,003

0,005

0,006

0,008

37.6.5.8

Kraftverhältnis

Setzkraft

Es gilt die in 7 Abschn. 37.6.2 hergeleitete Gleichung (37.7). Mit dem Setzbetrag f Z (bleibende Verformung durch Setzen), dem Kraftverhältnis ˚ und der Nachgiebigkeit ıP der Platten wird die Setzkraft F Z (Vorspannkraftverlust durch Setzen):

Montagevorspannkraft

Wie das Verspannungsdiagramm (. Abb. 37.9) zeigt, ist die Vorspannkraft F V die Summe aus der Setzkraft F Z , der Klemmkraft F K und dem Axialkraftanteil F PA D FA .1˚/ nach (37.6)(6). Es ist also F V D FZ C FK C FA .1  ˚/. Die Montagevorspannkraft F VM ist gegenüber der (theoretischen) Vorspannkraft F V um den Anziehfaktor ˛A > l größer (F VM D ˛A FV ), um bei den unterschiedlichen Anziehverfahren sicherzugehen, dass die gewünschte Vorspannkraft tatsächlich erreicht wird. Entsprechend den Erläuterungen in 7 Abschn. 37.6.4 in Verbindung mit . Abb. 37.12 muss anstelle des Kraftverhältnisses ˚ mit dem Krafteinleitungsfaktor n gerechnet werden, also mit ˚n D n ˚: FVM D ˛A ŒFZ C FK erf C FA .1  n ˚/

(37.38)

˛A Anziehfaktor nach 7 Abschn. 37.6.5.1 einsetzen n Krafteinleitungsfaktor nach . Abb. 37.12 empfohlen wird n D 0;5 37.6.5.9

Schraubenkraft

Die Schraubenkraft F S ist die größte Zugkraft in der Schraube (siehe Verspannungsdiagramm (. Abb. 37.9) und andere). Sie ist um den Axialkraftanteil F SA D ˚FA größer als die Montagekraft F V (siehe (37.4) und (37.12)). Gleichung (37.38) für die Montagevorspannkraft F VM muss daher ebenfalls den Summanden n ˚ FA D FSA erhalten: F

SA ‚ …„ ƒ FS D FVM C n ˚ FA (37.39) FS D ˛A ŒFZ C FK erf C FA .1  n ˚/ C n ˚ FA (37.40)

37.6.5.10

Berechnet nach (37.26) mit den Vereinfachungen: da D 1;6 dI l1 D 0;7 lK I

DB D 1;1 dI l2 D 0;3 lK

dS D 0;85 d .für AS /I

Kräftevergleich

Zur ersten Festigkeitskontrolle wird die größte Schraubenzugkraft, die Schraubenkraft F S , der Streckgrenzkraft F 0;2 gegenübergestellt. Das ist diejenige Zugkraft in der Schraube, bei der die Zugspannung z im Spannungsquerschnitt

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

750

AS gerade die Streckgrenze Re oder die 0,2-Dehngrenze Rp 0;2 nach . Tab. 37.1 erreicht. Mit F 0;2 D AS Rp 0;2 muss dann gewährleistet sein: FS  AS Rp 0;2

37.6.5.13

Ist diese Bedingung nicht erfüllt, muss die Rechnung mit dem nächstgrößeren Schraubendurchmesser d wiederholt werden.

Anziehdrehmoment

d2 MA D FVM tan.˛ C %0 / C A  0;7d 2 FVM d2 ; d A MA N mm N mm 1

d ˛ %0 A

A A

VM N mm2

FVM

AS

N

mm2

(37.43)

Torsionsspannung

Das Anziehdrehmoment M A nach (37.42) setzt sich zusammen aus dem Gewindereibungsmoment MRG D FVM

d2 tan.˛ C %0 / 2



MRA D FVM A  0;7 d (siehe Teil III, Technische Mechanik). Das Gewindereibungsmoment M RG ruft in der Schraube die Torsionsspannung t hervor:

(37.42)

MRG   3 Wps D d Wps 16 s FVM d2 tan.˛ C %0 / t D 2Wps FVM d2 Wps t N N mm mm3 mm2

t D

F VM d2

37

FVM AS

und dem Mutterauflagereibungsmoment

Um die Montagevorspannkraft F VM nach (37.38) aufzubringen, ist es erforderlich, zum Beispiel mit dem Drehmomentenschlüssel ein entsprechendes Anziehdrehmoment M A einzuleiten. Die Gleichung für M A wird im Teil III, Technische Mechanik eingehend hergeleitet. 

VM D

(37.41)

Spannungsquerschnitt nach . Abb. 37.19 AS Rp 0;2 0,2-Dehngrenze nach . Tab. 37.1

37.6.5.11

ist der Quotient aus der Montagevorspannkraft F VM und dem Spannungsquerschnitt AS :

Montagevorspannkraft Flankendurchmesser am Gewinde nach . Abb. 37.19 Gewindedurchmesser nach . Abb. 37.19 Steigungswinkel am Gewinde nach . Abb. 37.19 Reibungswinkel am Gewinde Gleitreibungszahl der Kopf- oder Mutterauflagefläche nach Teil III, Technische Mechanik  0;1 für Stahl/Stahl, trocken ( 0;05 gefettet)  0;15 für Stahl/Gusseisen, trocken ( 0;05 gefettet)

Richtwerte für Reibungszahlen 0 und Reibungswinkel %0 für metrisches ISO-Regelgewinde

M RG d2 W ps dS ˛ P %0

(37.44)

Gewindereibungsmoment Flankendurchmesser polares Widerstandsmoment der Schraube Durchmesser des Spannungsquerschnitts AS nach . Abb. 37.19 Steigungswinkel des Gewindes aus tan ˛ D P= d2 Gewindesteigung Reibungswinkel nach 7 Abschn. 37.6.5.11

37.6.5.14

Vergleichsspannung (reduzierte Spannung)

Das beim Anziehen in der Schraube auftretende räumliche Spannungssystem wird ersetzt durch die Vergleichsspannung red entsprechend der Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie (siehe Teil III, Technische Mechanik): red D

q 2 VM C 3t2  0;9  Rp 0;2

(37.45)

Rp 0;2 0,2-Dehngrenze nach . Tab. 37.1 37.6.5.12

Montagevorspannung

Beim Anziehen der Schraubenverbindung tritt im Spannungsquerschnitt AS die Montagevorspannung VM auf. Sie

Ist die Bedingung red  0;9  Rp 0;2 nicht erfüllt, muss die Schraubenberechnung mit einem größeren Schraubendurchmesser d oder mit einer höheren Festigkeitsklasse wiederholt werden.

37

751 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

37.6.5.15

Ausschlagkraft

Berechnungsbeispiel einer dynamisch belasteten Flanschverschraubung mit Schaftschraube

37.6.6

Zur Ermittlung der bei dynamisch wirkender Betriebskraft F A in der Schraube auftretenden Ausschlagspannung a wird die Ausschlagkraft F a gebraucht. Hierzu können die in 7 Abschn. 37.6.2 entwickelten Gleichungen verwendet werden: FSA max  FSA min Fa D 2 FA max  FA min n˚ (37.46) Fa D 2 FSA (37.47) bei FSA min D 0 Fa D 2

Die beiden Flansche einer dynamisch axial belasteten, vorgespannten Schraubenverbindung sollen mit Durchsteckschrauben verbunden werden (Schaftschrauben mit metrischem ISO-Regelgewinde). Die Berechnung soll dem vorhergehenden 7 Abschn. 37.6.5 folgen.

! Hinweis

Gegeben:

Nach (37.39) ist F SA D n ˚ FA

37.6.5.16

Die Ausschlagspannung a ist der Quotient aus der Ausschlagkraft F a und dem Spannungsquerschnitt AS . Sie soll gleich oder kleiner sein als 90 % der Ausschlagfestigkeit A des Schraubenwerkstoffs: Fa  0;9  A (37.48) a D AS Ausschlagfestigkeit ˙ A in N=mm2 Gewinde < M 8 M 8 . . . M 12 M 14 . . . M 20 > M 20

4.6 und 5.6

50

40

35

35

8.8 bis 12.9

60

50

40

35

100

90

70

60

10.9 und 12.9 schlussgerollt

37.6.5.17

F A max D 6 kN F A min D 0 Mindestklemmkraft F K erf D 6 kN Belastungsart dynamisch schwellend Krafteinleitungsfaktor n D 0;4 (angenommen) Festigkeitsklasse 8.8 Flanschwerkstoff GJL-300 EP D 12  104 N=mm2 mit Schraubenwerkstoff Stahl ES D 21  104 N=mm2 mit Klemmlänge lK D 40 mm axiale Betriebskraft

Ausschlagspannung

Festigkeitsklasse

7 Beispiel

Anziehen der Schraube mit dem Drehmomentenschlüssel (Anziehfaktor ˛A D 1;4 angenommen), Gewinde ohne Nachbehandlung, trocken. Lösung: Erforderlicher Spannungsquerschnitt AS erf und Gewindedurchmesser d ˛A .FK erf C FA / v Rp 0;2 1;4 .6000 N C 6000 N/ D N 0;7  660 mm 2

AS erf D

Flächenpressung

AS erf

In der Kopf- und Mutterauflagefläche tritt Flächenpressung auf. Daher ist der Nachweis erforderlich, dass die Flächenpressung p in der gepressten Auflagefläche Ap (. Abb. 37.17) gleich oder kleiner ist als die Grenzflächenpressung pG . Maßgebend ist die größte Zugkraft in der Schraube, die Schraubenkraft F S : p; pG FS Ap (37.49) N N mm2 mm2 Richtwerte für die Grenzflächenpressung pG siehe . Tab. 37.3 FS pD  pG Ap

(37.34)

AS erf D 36;4 mm2 ˛A D 1;4 .angenommen/ FA D 6000 N FK erf D 6000 N v D 0,7 .gewählt/ Rp 0;2 D 660 N=mm2

nach . Tab. 37.1

Nach . Abb. 37.19 wird das Gewinde M 8 gewählt mit AS D 36;6 mm2  AS erf D 36;4 mm2 :

. Tabelle 37.3 Richtwerte für die Grenzflächenpressung pG Anziehart

Grenzflächenpressung pG in N=mm2 bei Werkstoff der Teile S235 JO

E 335

C 45 E

Stahl, vergütet

Stahl, einsatzgehärtet

GJL-250 GJL-300

AlSiCu-Leg.

motorisch

200

350

600





500

120

von Hand (drehmomentgesteuert)

300

500

900

ca. 1000

ca. 1500

750

180

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

752

Zusammenstellung geometrischer Größen der Schraube (. Abb. 37.17 und 37.19) Gewindedurchmesser Flankendurchmesser Steigungswinkel Spannungsquerschnitt Schaftquerschnitt (bei d D 8 mm) polares Widerstandsmoment Bezeichnung der Schraube Durchmesser der Kopfauflage Schraubenlänge (gewählt) Gewindelänge Durchgangsbohrung Kopfauflagefläche Außendurchmesser der verspannten Teile

d D 8 mm d2 D 7;188 mm ˛ D 3;17ı AS D 36;6 mm2 A D 50;3 mm2 WpS D 62;46 mm3 M 8 50 DIN 13–8.8 da D 13 mm l D 50 mm b D 22 mm dh D 9 mm Ap D 69;1 mm2 DA D 25 mm

Kraftverhältnis ˚ ˚D

1;39  106 mm ıP N D D 0;218 ıP C ıS .1;39 C 5/  106 mm N

(37.25)

˚n D n˚ D 0;4  0;218 D 0;0872 Setzkraft F Z FZ D fZ

0;218 ˚ D 0;006 mm ıP 1;39  106

mm N

D 941 N

(37.37)

Für lK =d D 40 mm=8 mm D 5 ist nach 7 Abschn. 37.6.5.7 der Setzbetrag f Z D 0;006 mm. Montagevorspannkraft F VM FVM D ˛A ŒFZ C FK erf C FA .1  n ˚/

(37.38)

FVM D 1;4 Œ941 N C 6000 N C 6000 N.1  0;4  0;218/ FVM D 17:385 N

Nachgiebigkeit ıS der Schraube

ıS

ıS ıS l1

37

l2 C 0;8 d l1 C A AS D ES 28 mm 12 mm C 0;8  8 mm C 2 50;3 mm 36;6 mm2 D 4 21  10 N=mm2 mm D 5  106 N D l  b D .50  22/ mm D 28 mm

Anziehfaktor nach 7 Abschn. 37.6.5.1 ˛A D 1;4 Schraubenkraft F S (37.21) FS D FVM C n˚FA FS D 17:385 N C 0;4  0;218  6000 N FS D 17:908 N Kräftevergleich F S  F0;2

l2 D lK  l1 D .40  28/ mm D 12 mm

F0;2 D AS Rp 0;2

A D 50;3 mm2

F0;2 D 36;6 mm2  660

ES D 21  104 N=mm2 Querschnitt Aers des Ersatz-Hohlzylinders der Flansche nach (37.22b) "s !2 #

    2 lk da 2 3 C1 1 Aers D d  dh C da .DA  da /  4 a 8 DA2   Aers D .132  92 / mm2 C 4   C  13 mm  .25  13/ mm  8 "r !2 # 3 40 mm  13 mm  C1 1 252 mm2 2

lK 40 mm D Aers EP 238;81 mm2  12  104 mm ıP D 1;39  106 N

Anziehdrehmoment M A  MA D FVM

d2 tan.˛ C %0 / C A  0; 7d 2

 (37.42)

MA D 17:385 N   7;188 mm tan.3;17ı C 9ı / C 0;1  0;7  8 mm  2 MA D 23:210 N mm  24 N m d2 D 7;188 mm ˛ D 3;17ı %0 D 9ı A D 0;1 d D 8 mm

Nachgiebigkeit ıP der Flansche ıP D

(37.41)

N D 24:156 N  24;2 kN mm2 FS D 17;9 kN < 24;2 kN .Bedingung erfüllt/

AS D 36;6 mm2

Aers D 238;81 mm

(37.39)

N mm2

(37.24)

Montagevorspannung VM VM D

FVM 17:385 N N D D 475 AS 36;6 mm2 mm2

(37.43)

37

753 37.6  Berechnung von Befestigungsschrauben

Torsionsspannung t FVM d2 tan.˛ C %0 / (37.44) 2WpS 17:385 N  7;188 mm  tan.3;17ı C 9ı / N D 216 t D 2  62;46 mm3 mm2 t D

Vergleichsspannung red q 2 VM C 3t2 (37.45) s     N 2 N N 2 D C 3 216 D 604 475 mm2 mm2 mm2 N N N D 604 > 0;9Rp 0;2 D 0;9  660 D 594 mm2 mm2 mm2

red D red red

(Bedingung nicht erfüllt) Ausschlagkraft F a n ˚ FA FSA D 2 2 D n ˚ FA nach (37.39)

Fa D FSA

Fa D

(37.47)

Querkraft F Q ges , die von der Verbindung zu übertragen ist (F R  FQ ges ). Ist n die Anzahl der Schrauben, dann hat jede Schraube F Q ges =n aufzunehmen. Die dazu erforderliche Reibungskraft ist das Produkt aus der Normalkraft (hier Vorspannkraft F V ) und der Reibungszahl  (siehe Teil III, Technische Mechanik, 7 Abschn. 9.7). Wie das Verspannungsdiagramm 37.7 zeigt, setzt sich bei F A D 0 die Vorspannkraft F V aus der Klemmkraft F K und der Setzkraft F Z zusammen. Diese lässt sich aber erst ermitteln, wenn der Gewindedurchmesser und die Nachgiebigkeit ıP der Platten bekannt sind, wie Gleichung (38) zeigt. Daher wird zunächst nur die erforderliche Klemmkraft F K erf berechnet und auch zur Ermittlung des erforderlichen Spannungsquerschnitts AS erf verwendet (7 Abschn. 37.6.7.3). Als Reibungszahl wird zur Sicherheit mit der Gleitreibungszahl A zwischen den Bauteilen gerechnet. Mit F K erf A  FQ ges =n ergibt sich die erforderliche Klemmkraft F K erf : FK erf  FK erf 

0;4  0;218  6000 N D 261;6 N 2

FK erf ; FQ ges N

Ausschlagspannung a Fa 261;6 N N D D 7;15 (37.48) AS 36;6 mm2 mm2 N N N < 0;9 A D 0;9  50 D 45 a D 7;15 mm2 mm2 mm2 a D

(Bedingung erfüllt) Flächenpressung p 17:908 N N FS D D 259 2 Ap 69;1 mm mm2 N N < pG D 750 p D 259 mm2 mm2 pD

(37.49)

(Bedingung erfüllt) 9

37.6.7.2

37.6.7.1

Erforderliche Klemmkraft je Schraube

Die Reibungskraft F R zwischen den verspannten Platten (Flansche) muss gleich oder größer sein als die gesamte

(37.50)

Hat die Schraubenverbindung ein Drehmoment M zu übertragen wie im Berechnungsbeispiel 37.6.8, gelten die gleichen physikalischen Überlegungen wie bei der Herleitung von (37.50). Darüber hinaus hilft die Annahme, dass das Drehmoment M durch die am Lochkreis tangential wirkende Querkraft F Q ges weitergeleitet wird. Der Wirkabstand ist der Lochkreisradius rL D dL =2 und damit M D FQ ges dL =2. Löst man diese Gleichung nach F Q ges auf und setzt den gefundenen Ausdruck in (37.50) ein, erhält man auch für den Fall der Drehmomentenübertragung eine Gleichung für die erforderliche Klemmkraft F K erf :

Berechnung vorgespannter Schraubenverbindungen bei Aufnahme einer Querkraft

Die Schraubenverbindung überträgt die gesamte statisch oder dynamisch wirkende Querkraft F Q ges allein durch Reibungsschluss: Reibungskraft F R D FQ ges . Die erforderliche Vorspannkraft F V (Schraubenlängskraft) setzt sich zusammen aus der erforderlichen Klemmkraft F K erf und der Setzkraft F Z . Eine axiale Betriebskraft F A tritt nicht auf (F A D 0).

n; A 1

A Gleitreibzahl n Anzahl der Schrauben

FK erf  37.6.7

FQ ges n A

2M n  A dL FK erf M dL n; A N N mm mm 1

(37.51)

Spannungsquerschnitt und Festlegen des Gewindes

Grundsätzlich gelten die im 7 Abschn. 37.6.5.1 angestellten Überlegungen und damit auch (37.34), wenn berücksichtigt wird, dass bei der vorliegenden Schraubenverbindung keine axiale Betriebskraft auftritt (F A D 0). Damit ergibt sich für den erforderlichen Spannungsquerschnitt AS erf : AS erf D

˛A FK erf v Rp 0;2

(37.52)

Erläuterungen und Tabellenhinweise in 7 Abschn. 37.6.5.1

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

754

37.6.7.3

Fortgang der Berechnung

Die gewählte Schraube (Gewindenenndurchmesser d und Festigkeitsklasse) wird nun nach 7 Abschn. 37.6.5 überprüft. Wegen der fehlenden axialen Betriebskraft gelten die Gleichungen mit F A D 0. Beispielsweise wird die Montagevorspannkraft nach (37.38): F VM D ˛A .FZ C FK erf /; siehe auch nachfolgendes Berechnungsbeispiel.

Erforderlicher Spannungsquerschnitt AS erf und Schraubendurchmesser d ˛A FK erf (37.52) AS erf  v Rp 0;2 1;6  29:490 N AS erf  D 71;5 mm2 N 0;6  1100 mm 2 ˛A D 1;6 nach 7 Abschn. 37.6.5.1 Rp 0;2 D 1100 N=mm2

Berechnungsbeispiel einer querbeanspruchten Schraubenverbindung

37.6.8

Nach . Abb. 37.19 wird das Gewinde M 12 gewählt mit AS D 84;3 mm2 > AS erf D 71;5 mm2 . Nachgiebigkeit ıS der Schraube

7 Beispiel Das Tellerrad an einem Ausgleichsgetriebe soll mit Schaftschrauben mit metrischem ISO-Regelgewinde befestigt werden. Gegeben: zu übertragendes Drehmoment Lochkreisdurchmesser Anzahl der Schrauben Klemmlänge Festigkeitsklasse Werkstoff der verspannten Teile

37

M D 2300 N m dL D 130 mm n D 12 (angenommen) lK D 20 mm 12.9 Stahlguss

Anziehen der Schrauben von Hand mit einem Drehmomentenschlüssel. Gesucht: Alle wichtigen Größen der vorgespannten Schraubenverbindung unter der Bedingung, dass eine axial wirkende Betriebskraft nicht auftritt (F A D 0). Lösung: Erforderliche Klemmkraft F K erf je Schraube

FK erf

l2 C 0;8 d l1 C A AS ıS D ES l1 D 15 mm

2M n A dL 2  2300  103 N mm D 29:490 N D 12  0;1  130 mm

M D 2300  103 N mm n D 12 dL D 130 mm A D 0;1 für Stahl/Stahl (angenommen)

(37.51)

(37.21)

.angenommen/

l2 D 5 mm A D 113 mm2

FK erf D

.. Tab. 37.1/

v D 0;6 nach 7 Abschn. 37.6.5.1 (angenommen)

.Schaftdurchmesser d D 12 mm/

15 mm 5 mm C 0;8  12 mm C 113 mm2 84;3 mm2 ıS D N 4 21  10 mm 2 6 mm ıS D 1;46  10 N Querschnitt Aers des Ersatz-Hohlzylinders nach (37.22b) " s !2 #

  lk da   2 2 3 d  dh C da .DA  da / Aers D C1 1 4 a 8 DA2   Aers D .192  132 / mm2 C 4   C  19 mm  .25  19/ mm  8 !2 # " r 3 20 mm  19 mm C1 1  252 mm2 Aers D 259 mm2 mit den Größen Ep D ES D 21  104 N=mm2 d D 12 mm l1 D 15 mm l2 D 5 mm A D 113 mm2 AS D 84;3 mm2

. Abb. 37.15 Tellerradverbindung am Kraftfahrzeug

DA D 25 mm da D 19 mm dh D 13 mm .. Abb. 37.17/ lK D 20 mm Nachgiebigkeit ıp der verspannten Teile lK 20 mm D Aers Ep 259 mm2  21  104 mm ıp D 0;368  106 N ıp D

N mm2

(37.24)

37

755 37.7  Berechnung der Bewegungsschrauben

Kraftverhältnis ˚ ˚D

0;368  106 mm ıP N D ıP C ıS .0;368 C 1;46/  106

Spannungen und Flächenpressung Die folgenden Größen werden wie im Beispiel 37.6.6 berechnet. Man erhält: mm N

(37.25)

˚ D 0;201

t D 262

Torsionsspannung

Setzkraft F Z FZ D fZ

VM D 601

Montagevorspannung

red D 753

Vergleichsspannung

˚ ıP

red D 990

(37.37)

p D 362

Flächenpressung

f Z in Abhängigkeit von lK =d nach 7 Abschn. 37.6.5.7

p D 500

20 mm lK D D 1;7 ) fZ  0;004 mm d 12 mm 0;201 FZ D 0;004 mm  0;368  106 mm N

N mm2 N mm2 N < 0;9 Rp 0;2 mm2 N mm2 N < pG mm2 N mm2

Die Rechnung zeigt, dass unter den gegebenen Bedingungen die gewählte Schraube M 12 beibehalten werden kann. 9

FZ D 2185 N

37.7

Berechnung der Bewegungsschrauben

Montagevorspannkraft F VM

37.7.1

FVM D ˛A ŒFK erf C FZ 

(37.38)

FVM D 1;6  .29:490 N C 2185 N/ D 50:680 N

Überschlägige Berechnung

Für kurze Bewegungsschrauben mit überwiegender Zugoder Druckbeanspruchung ergibt sich der erforderliche Kernquerschnitt A3

Hinweis F A D 0! Schraubenkraft F S

A3 D

FS D FVM C n˚FA

FS D FVM D 50:680 N

F0;2 D AS Rp 0;2 N D 92:730 N mm2 D 50:680 N < F0;2 D 92:730 N

F0;2 D 84;3 mm2  1100

Die Rechnung zeigt, dass die größte Schraubenzugkraft F S D FVM kleiner ist als die Streckgrenzkraft F 0;2 für die Festigkeitsklasse 12.9 der Schraube. Das gewählte Gewinde M 12 kann also beibehalten werden. Erforderliches Anziehdrehmoment M A MA D FVM

d2 tan.˛ C %0 / C A  0;7 d 2

 (37.42)

MA D 50:680 N   10;863 mm   tan.2;95ı C 9ı / C 0;1  0;7  12 mm 2 MA D 100:780 N mm  100 N m

F

z(d)zul

mm2

N

z(d)zul N mm2

(37.53)

Man setzt

Kraftnachweis zur ersten Kontrolle Mit FS D FVM sowie Rp 0;2 D 1100 N=mm2 erhält man:



A3

F Zug-(Druck-)kraft in der Gewindespindel z(d)zul zulässige Zug-(Druck-)spannung

mit F A D 0 wird daraus

FS D FVM

F

Re 1;5 z.d/Sch  2 z.d/W  2

bei vorwiegend ruhender Belastung z.d/zul  bei schwellender Belastung

z.d/zul

bei wechselnder Belastung

z.d/zul

Bei langen druckbeanspruchten Gewindespindeln, bei denen die Gefahr des Ausknickens besteht, ergibt sich aus der Euler-Knickformel der erforderliche Kerndurchmesser s d3 ; l K F E v 2 4 64 v F lK d3 erf D N E  3 mm N 1 mm2 (37.54) F Druckkraft v Sicherheit  8–10 lK freie Knicklänge, je nach Knickfall, siehe Teil III, Technische Mechanik E Elastizitätsmodul des Spindelwerkstoffs (für Stahl: E D 21  104 N=mm2 )

756

37.7.2

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

Spannungsnachweis

. Tabelle 37.4 Richtwerte für die zulässige Flächenpressung bei Bewegungsschrauben

Die mit den Gleichungen (37.53) und (37.54) berechneten Schrauben (Gewindespindeln) sind auf Zug oder Druck und Torsion nachzuprüfen. Es ist nachzuweisen, dass die Vergleichsspannung q 2 red D z.d/ C 3 t2  zul ist: (37.55) z.d/ D F=A3 vorhandene Zug-(Druck-)spannung t D MT =Wp vorhandene Torsionsspannung mit MT D MRG nach 7 Abschn. 37.6.5.13   3 und Wp D 16 d3  0;2  d33 zul zulässige (Normal-)Spannung; bei überwiegend ruhender Belastung wird zul  Re =1;5 zul  zSch =2I bei Schwellbelastung zul  z(d)W =2I bei Wechselbelastung 37.7.3

37

Nachprüfung auf Knicksicherheit

Lange, knickgefährdete Gewindespindeln sind zusätzlich auf Knicksicherheit zu prüfen (siehe auch Kapitel Knickung im Teil III, Technische Mechanik). Für den elastischen Knickbereich, d. h. für den Schlankheitsgrad  > 105 für S 235JO und  > 89 für E 295 ist die Knickspannung nach Euler: K D

K ; E N mm2

E  2 2

 1

 1

l K ; d3 mm

(37.57)

Die vorhandene Knicksicherheit v soll sein: vD

K  3–6 V

mit zunehmendem Schlankheitsgrad 

(37.58)

Für den unelastischen Knickbereich ergibt sich für S 235JO bei  < 105 und für E 295 bei  < 89 die Knickspannung nach Tetmajer: K D 310  1;14 .für S 235JO/ K D 335  0;62 .für E 295/ K N mm2

pzul in N=mm2

Schraube (Spindel)

Mutter (Spindelführung)

Stahl

Stahl

8

Stahl

Gusseisen

5

Stahl

CuZn und CuSn-Legierung

10

Stahl, gehärtet

CuZn und CuSn-Legierung

15

37.7.4

Gewindespindelführung

Die Länge der Gewindespindelführung ergibt sich auf Grund einer zulässigen Flächenpressung der Gewindeflanken aus: FP (37.60) l1 D pzul d2   H1 l1 ; P; d2 ; H1 F pzul N mm N mm2 F P pzul d2 H1

Längskraft in der Gewindespindel Gewindeteilung (Steigung bei eingängigem Gewinde) zulässige Flächenpressung nach . Tab. 37.4. Flankendurchmesser Tragtiefe des Gewindes bei ISO-Regelgewinde und ISO-Trapezgewinde (. Abb. 37.19 und 37.20)

(37.56)

p  D lK =i, mit dem Trägheitsradius i D I =A3 wird, für I D   d34 =64 und A3 D   d32 =4 gesetzt, der Schlankheitsgrad  für Gewindespindeln: 4 lK D d3

Werkstoff

(37.59)

 1

Vorhandene Knicksicherheit nach (37.58) soll hier v  4–2 mit abnehmendem  sein.

37.7.5

Berechnungsbeispiel einer Bewegungsschraube

7 Beispiel Die Gewindespindel der Handspindelpresse (. Abb. 37.16) ist zu berechnen und die Länge der Führungsmutter festzulegen. Maximale Druckkraft F D 120:000 N, Spindellänge l D 1250 mm. Werkstoff: E 295 für die Spindel, CuZn-Legierung für die Führungsmutter. Lösung: Die Spindel soll ein nicht-selbsthemmendes, mehrgängiges metrisches ISO-Trapezgewinde erhalten. Die Vorwahl des Gewinde-Kerndurchmessers der auf Druck und damit auch auf Knickung beanspruchten Spindel erfolgt nach (37.54): s 2 4 64 v F lK d3 erf D E  3 Mit der Sicherheit v D 9 der Knicklänge lK  0;75l D 0;75  1250 mm D 937;5 mm und E D 21  104 N=mm2 wird s 64  9  120:000 N  937;52 mm2 D 55;3 mm d3 erf D 4 N 3 21  104 mm 2  

37

757 37.7  Berechnung der Bewegungsschrauben

. Tabelle 37.5 Reibungszahlen und Reibungswinkel für das Trapezgewinde Gewinde

trocken 0

gefettet %0

0

%0

ı

Spindel aus Stahl, Mutter aus Gusseisen

0,22

12

0,1



Spindel aus Stahl, Mutter aus CuZn- und CuSn-Legierungen

0,18

10ı

0,1



Bei überwiegend ruhender Belastung wird . Abb. 37.16 Handspindelpresse

Nach . Abb. 37.20 hat der nächstliegende Kerndurchmesser d3 D 54 mm, bei einem Gewindedurchmesser d D 65 mm, die Bezeichnung: Tr 65 30 P 10 bei dreigängigem Gewinde, Kernquerschnitt A3 D 2290 mm2 . Der Spannungsnachweis wird mit Gleichung (37.55) geführt: q red D d2 C 3 t2  zul F 120:000 N N D  52;4 A3 2290 mm2 mm2 MRG t D auftretende Torsionsspannung Wp

d vorh D

Das Gewindereibungsmoment nach (37.44) errechnet sich mit d2 D 60 mm, ˛ D 3  3;04ı D 9;12ı (bei drei Gängen) und %0 D 6ı nach . Tab. 37.5: 0

MRG D F r2 tan.˛ C % / MRG D 120:000 N  30 mm  tan 15;12ı D 972:703 N mm und das polare Widerstandsmoment zu Wp  0;2d33 D 0;2  543 mm3 D 31:493 mm3 damit ist 972:703 N mm N  31 t D 31:493 mm2 mm2 s     N 2 N 2 2 red D 52;42 C 3  31 mm2 mm2 N red  75 mm2

zul 

N 300 mm N Re 2 D D 200 > red 1;5 1;5 mm2

Die Nachprüfung auf Knicksicherheit beginnt mit der Berechnung des Schlankheitsgrads der Spindel nach (37.57). Danach ist D

4  937;5 mm 4 lK  69 D d3 54 mm

Für E 295 beträgt der Grenzschlankheitsgrad 0 D 89. Da  < 0 , handelt es sich um unelastische Knickung; die Knickspannung ist nach Tetmajer (37.59) zu ermitteln. Damit wird K D 335  0;62 K D .335  0;62  69/

N N D 292 mm2 mm2

und nach (37.58) die vorhandene Knicksicherheit vD

N 292 mm K 2 D D 3;89 N red 75 mm 2

Nach (37.58) soll die Knicksicherheit im unelastischen Bereich v  4–2 betragen. Diese Forderung ist erfüllt und damit können die vorgewählten Spindeldaten als endgültig angesehen werden. Die Berechnung der Länge l1 der Führungsmutter erfolgt nach (37.60) l1 D

FP pzul d2   H1

Für eine CuZn-Legierung beträgt die zulässige Flächenpressung bei Bewegungsschrauben nach . Tab. 37.4: pzul  10 N=mm2 , Flankendurchmesser d2 D 60 mm, Tragtiefe H 1 D 5 mm. Damit wird l1 D

10

120:000 N  10 mm D 127 mm N  60 mm     5 mm mm2

ausgeführt: l1 D 130 mm 9

758

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

Bezeichnung einer Sechskantschraube M10, Länge l = 90 mm, Festigkeitsklasse 8.8: Sechskantschraube M10 × 90 DIN 931–8.8 Maße in mm, Kopfauflagefläche Ap in mm2

k

^ s Gewinde da =

M5

8

M6

l-Bereich 1)

dh

b 2)

3)

fein

Ap mittel

4)

5)

3,5

22 ... 80

16

22

5,3

5,5

26,5

30

10

4

28 ... 90

18

24

6,4

6,6

44,3

41

M8 M 10

13 17

5,5 7

35 ... 110 45 ... 160

22 26

28 32

8,4 10,5

9,0 11,0

69,1 132,0

64 100

M 12

19

8

45 ... 180

30

36

13,0

13,5

140,0

93

M 14

22

9

45 ... 200

34

40

15,0

15,5

191,0

134

M 16

24

10

50 ... 200

38

44

17,0

17,5

212,0

185

M 18 M 20

27 30

12 13

55 ... 210 60 ... 220

42 46

48 52

19,0 21,0

20,0 22,0

258,0 327,0

244 311

M 22

32

14

60 ... 220

50

56

23,0

24,0

352,0

383

M 24

36

15

70 ... 220

54

60

25,0

26,0

487,0

465

M 27

41

17

80 ... 240

60

66

28,0

30,0

613,0

525

M 30

46

19

80 ... 260

66

72

31,0

33,0

806,0

707

Anmerkung: Die Kopfauflagefläche Ap für

4)

1) 2) 3) 4) 5)

gestuft: 18, 20, 25, 28, 30, 35, 40, für l ≤ 125 mm für l > 125 mm ... 200 mm für Sechskantschrauben für Innen-Sechskantschrauben

wurde als Kreisringfläche berechnet mit Ap = π / 4 ( da2 − d h2mittel ),

5)

für aus den Maßen nach DIN. Aussenkungen der Durchgangsbohrungen (dh) verringern die Auflagefläche Ap unter Umständen erheblich. . Abb. 37.17 Geometrische Größen an Sechskantschrauben

Bezeichnung einer Senkschraube M10 Länge l = 20 mm, Festigkeitsklasse 5.8: Senkschraube M10 × 20 DIN 962 – 5.8

37

Bezeichnung der zugehörigen Senkung der Form A mit Bohrungsausführung mittel (m): Senkung A m 10 DIN 74

Maße in mm

Gewinde durchmesser d = M ... kmax d3 t2 max s

1

1,2

1,4

0,6 1,9 0,3 0,25

0,72 2,3 0,35 0,3

d1 d2 t1

1,2 2,4 0,6

1,4 2,8 0,7

1,6

2

2,5

0,84 2,6 0,4 0,3

0,96 3 0,45 0,4

1,2 3,8 0,6 0,5

1,5 4,7 0,7 0,6

1,6 3,3 0,8

1,8 3,7 0,9

2,4 4,6 1,1

2,9 5,7 1,4

3

4

5

6

8

10

1,65 5,6 0,85 0,8

2,2 7,5 1,1 1

2,5 9,2 1,3 1,2

3 11 1,6 1,6

4 14,5 2,1 2

5 18 2,6 2,5

6 22 3 3

8 29 4 4

10 36 5 5

3,4 6,5 1,6

4,5 8,6 2,1

5,5 10,4 2,5

6,6 12,4 2,9

9 16,4 3,7

11 20,4 4,7

14 24,4 5,2

18 32,4 7,2

22 40,4 9,2

. Abb. 37.18 Maße an Senkschrauben mit Schlitz und an Senkungen für Durchgangsbohrungen

12

16

20

759 37.7  Berechnung der Bewegungsschrauben

Bezeichnung des metrischen Regelgewindes z.B. M 12 Gewinde-Nenndurchmesser d = D = 12 mm

Maße in mm GewindeNenndurchmesser d=D

Steigung

P Reihe 1

3,5 4 4,5 5 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 27 30 33 36 39 42 45 48 52 56 60 64 68 1)

Flankendurchmesser

α

d2 = D2

Kerndurchmesser d3

D1

Gewindetiefe 1) h3

H1

in Grad

Reihe 2

3

Steigungswinkel

0,5 0,6 0,7 0,75 0,8 1 1,25 1,5 1,75 2 2 2,5 2,5 2,5 3 3 3,5 3,5 4 4 4,5 4,5 5 5 5,5 5,5 6 6

3,40 3,51 3,60 3,40 3,25 3,40 3,17 3,03 2,94 2,87 2,48 2,78 2,48 2,24 2,48 2,18 2,30 2,08 2,18 2,00 2,10 1,95 2,04 1,87 1,91 1,78 1,82 1,71

2,675 3,110 3,545 4,013 4,480 5,350 7,188 9,026 10,863 12,701 14,701 16,376 18,376 20,376 22,051 25,051 27,727 30,727 33,402 36,402 39,077 42,077 44,752 48,752 52,428 56,428 60,103 64,103

2,387 2,764 3,141 3,580 4,019 4,773 6,466 8,160 9,853 11,546 13,546 14,933 16,933 18,933 20,319 23,319 25,706 28,706 31,093 34,093 36,479 39,479 41,866 45,866 49,252 53,252 56,639 60,639

2,459 2,850 3,242 3,688 4,134 4,917 6,647 8,376 10,106 11,835 13,835 15,294 17,294 19,294 20,752 23,752 26,211 29,211 31,670 34,670 37,129 40,129 42,587 46,587 50,046 54,046 57,505 61,505

H1 ist die Tragtiefe (siehe Technische Mechanik: Flächenpressung im Gewinde)

. Abb. 37.19 Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13

0,307 0,368 0,429 0,460 0,491 0,613 0,767 0,920 1,074 1,227 1,227 1,534 1,534 1,534 1,840 1,840 2,147 2,147 2,454 2,454 2,760 2,760 3,067 3,067 3,374 3,374 3,681 3,681

0,271 0,325 0,379 0,406 0,433 0,541 0,677 0,812 0,947 1,083 1,083 1,353 1,353 1,353 1,624 1,624 1,894 1,894 2,165 2,165 2,436 2,436 2,706 2,706 2,977 2,977 3,248 3,248

Spannungsquerschnitt AS mm2 5,03 6,78 8,73 11,3 14,2 20,1 36,6 58,0 84,3 115 157 192 245 303 353 459 561 694 817 976 1 120 1 300 1 470 1 760 2 030 2 360 2 680 3 060

polares Widerstandsmoment Wps mm3 3,18 4,98 7,28 10,72 15,09 25,42 62,46 124,6 218,3 347,9 554,9 750,5 1 082 1 488 1 871 2 774 3 748 5 157 6 588 8 601 10 574 13 222 15 899 20 829 25 801 32 342 39 138 47 750

37

760

Kapitel 37  Schraubenverbindungen

Bezeichnung für a) eingängiges Gewinde z.B. Tr 75 × 10 Gewindedurchmesser d = 75 mm, Steigung P = 10 mm = Teilung

b) zweigängiges Gewinde z.B. Tr 75 × 20 P 10 Gewindedurchmesser d = 75 mm, Steigung Ph = 20 mm, Teilung P = 10 mm

Gangzahl z =

Steigung Ph 20 mm = = 2 Teilung P 10 mm

Maße in mm

37

Gewindedurchmesser

Steigung

d

P

8 10 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 60 65 70 75 80 85 90 95 100 110 120

Steigungswinkel

Tragtiefe

Flankendurchmesser

Kerndurchmesser

α

H1 H1 = 0,5 P

D2 = d2 D2 = d – H1

d3

in Grad

3,77 4,05 5,20 5,20 4,05 4,23 3,57 3,77 3,31 3,49 3,15 3,31 3,04 2,95 3,04 2,80 2,60 2,43 2,77 2,60 2,46 2,33 2,10 2,26

0,75 1 1,5 2 2 2,5 2,5 3 3 3,5 3,5 4 4 4,5 5 5 5 5 6 6 6 6 6 7

1,5 2 3 4 4 5 5 6 6 7 7 8 8 9 10 10 10 10 12 12 12 12 12 14

. Abb. 37.20 Metrisches ISO-Trapezgewinde

7,25 9 10,5 14 18 21,5 25,5 29 33 36,5 40,5 44 48 55,5 60 65 70 75 79 84 89 94 104 113

6,2 7,5 9 11,5 15,5 18,5 22,5 25 29 32 36 39 43 50 54 59 64 69 72 77 82 87 97 104

Kernquerschnitt A3 =

π 4

d32

polares Widerstandsmoment Wp =

π 16

d33

mm2

mm3

30,2 44,2 63,6 104 189 269 398 491 661 804 1 018 1 195 1 452 1 963 2 290 2 734 3 217 3 739 4 071 4 656 5 281 5 945 7 390 8 495

46,8 82,8 143 299 731 1 243 2 237 3 068 4 789 6 434 9 161 11 647 15 611 24 544 30 918 40 326 51 472 64 503 73 287 89 640 108 261 129 297 179 203 220 867

761 Literaturhinweise, Informationsquellen

Normen (Auswahl) und Richtlinien

DIN 1804 Nutmuttern – Metrisches ISO-Feingewinde

DIN 13-1 Metrisches ISO-Gewinde allgemeiner Anwendung – Teil 1: Nennmaße für das Regelgewinde; GewindeNenndurchmesser von 1. . . 68 mm

DIN 1816 Kreuzlochmuttern – Metrisches ISO-Feingewinde

DIN 13-28 Metrisches ISO-Gewinde; Regel- und Feingewinde von 1. . . 250 mm Gewindedurchmesser, Spannungsquerschnitte, Kernquerschnitte, Steigungswinkel DIN 74-1 Senkungen für Senkschrauben DIN 76-1 Gewindeausläufe und Gewindefreistiche – Teil 1: Für Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13-1

DIN 6912 Zylinderschrauben mit Innensechskant – Niedriger Kopf, mit Schlüsselführung DIN 7990 Sechskantschrauben mit Sechskantmutter für Stahlkonstruktionen DIN EN ISO 898-2 Mechanische Eigenschaften von Verbindungselementen aus Kohlenstoffstahl und legiertem Stahl – Teil 2: Muttern mit festgelegten Festigkeitsklassen

DIN 78 Schraubenüberstände

DIN EN ISO 4014 Sechskantschrauben mit Schaft – Produktklassen A, B

DIN 103-1 Metrisches ISO-Trapezgewinde – Gewindeprofile

DIN EN ISO 4016 Sechskantschrauben mit Schaft – Produktklasse C

DIN 103-4 Metrisches ISO-Trapezgewinde – Nennmaße DIN 202 Gewindeübersicht

DIN EN ISO 4017 Mechanische Verbindungselemente – Sechskantschrauben mit Gewinde bis zum Kopf – Produktklassen A, B

DIN 267-2, 6, 13, 24, 26–28 Mechanische Verbindungselemente – Technische Lieferbedingungen

DIN EN ISO 4032 Sechskantmuttern, Typ 1 – Produktklassen A, B

DIN 475-1 Schlüsselweiten für Schrauben, Armaturen, Fittings

DIN EN ISO 4035 Niedrige Sechskantmuttern mit Fase (Typ 0)

DIN 513-2 Metrisches Sägengewinde – Gewindereihen

DIN EN ISO 7040 Sechskantmuttern mit Klemmteil mit nichtmetallischem Einsatz – Typ 1: Festigkeitsklassen 5, 8, 10

DIN 935-1 Sechskant-Kronenmuttern – Teil 1: Metrisches Regel- und Feingewinde, M 4 . . . M 100, M 8 1 . . . M 48 3 DIN 938 Stiftschrauben – Einschraubende  1d Stiftschrauben – Einschraubende  1;25d Stiftschrauben – Einschraubende  2;5d DIN 979 Niedrige Sechskant-Kronenmuttern – Metrisches Regel- und Feingewinde, Produktklasse A und B

DIN EN ISO 7042 Hohe Sechskantmuttern mit Klemmteil (Ganzmetallmuttern) – Festigkeitsklassen 5, 8, 10, 12

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. VDI-Richtlinie 2230: Systematische Berechnung hoch beanspruchter Schraubenverbindungen. VDI (2015). Die Richtlinie enthält eine ausführliche Liste wichtiger Bezugsliteratur.

37

38

763

Bolzen, Stiftverbindungen, Sicherungselemente Gert Böge und Wolfgang Böge

38.1

Allgemeines

Bolzen und Stifte dienen der gelenkigen oder festen Verbindung von Bauteilen, der Lagesicherung, Zentrierung, Führung usw. Bei losen Verbindungen müssen die Bolzen, Stifte oder Bauteile gegen Verschieben gesichert werden, z. B. durch Stellringe, Splinte und Querstifte. Formen und Abmessungen dieser Verbindungselemente sind weitgehend genormt.

38.2 38.2.1

38.2.2

Berechnung der Bolzenverbindungen

Bolzenverbindungen werden normalerweise auf Biegung und Flächenpressung berechnet, die Abscherbeanspruchung ist meist vernachlässigbar klein. Im gefährdeten Querschnitt A–B des Bolzens (. Abb. 38.2) muss die vorhandene Biegespannung sein: b D

Mb  b zul W

Bolzen Formen und Verwendung

Bolzen ohne Kopf, DIN EN 22340 (. Abb. 38.1a), Bolzen mit kleinem oder großem Kopf, DIN EN 22341 (. Abb. 38.1b), werden als Gelenkbolzen verwendet, zum Beispiel bei Laschenketten, Stangenverbindungen und Ketten. Bolzen mit Gewindezapfen, DIN 1445 (. Abb. 38.1c) und Senkbolzen mit Nase, (. Abb. 38.1d) werden als festsitzende Lager- und Achsbolzen z. B. bei Laufrollen und Türscharnieren benutzt. Für die Bolzen wird als Toleranz h 11, für die Bohrung H 8 bis H 11 empfohlen, andere Toleranzen sind jedoch für besondere Fälle zulässig.

. Abb. 38.1 Bolzen. a Bolzen ohne Kopf (mit Splintbohrungen), b Bolzen mit Kopf, c Bolzen mit Gewindezapfen, d Senkbolzen mit Nase

b N mm2

Mb

W

N mm mm3

(38.1)

M b maximales Biegemoment für den Bolzen, das sich im vorliegenden Fall bei Streckenlast ergibt aus M b D F=2.s=2 C l=4/; W D  d3 =32 axiales Widerstandsmoment; b zul zulässige Biegespannung (siehe Teil III Technische Mechanik). Ferner darf die vorhandene Flächenpressung die zulässige nicht überschreiten: pD

F  pzul Aproj

p N mm2

F

Aproj

N mm2

(38.2)

F Stangenzug-(druck-)Kraft; Aproj projizierte Bolzenfläche, für den Stangenkopf: Aproj D d l, für die Gabel: Aproj D 2 d s,

. Abb. 38.2 Kraftwirkungen am Bolzen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_38

764

Kapitel 38  Bolzen, Stiftverbindungen, Sicherungselemente

. Tabelle 38.1 Richtwerte für die zulässigen Beanspruchungen für Bolzen- und Stiftverbindungen bei annähernd ruhender Beanspruchung (Werte gelten für nicht gleitende Flächen oder nur geringe Bewegungen) Werkstoff

pzul

b zul

a zul

S235JR. . . E295, 10S20K

Kegel-, Zylinderstifte, Bolzen, Wellen

160

130

90

E335, E360

Bolzen, Kerbstifte, Wellen

240

200

140

Federstahl

Spannstifte, Spiralstifte





300

Gussstahl

Naben

120





Gusseisen

Naben

90





für die Nachprüfung ist die kleinere Fläche maßgebend; pzul zulässige Flächenpressung nach . Tab. 38.1. Bei Schwellbelastung sind die Werte mit  0;7, bei Wechselbelastung mit 0,4 zu multiplizieren. 38.3 38.3.1

38

zulässige Beanspruchungen in N=mm2

Art des Bolzens, Stiftes, Bauteils

Stifte Kegelstifte

Kegelstifte, DIN EN 22339 (. Abb. 38.3a), werden hauptsächlich zur Lagesicherung und Zentrierung von Bauteilen, zum Beispiel im Vorrichtungsbau verwendet. Die Verbindung ist form- und reibschlüssig. Sie ist teuer, da Bohrungen aufgerieben und Stifte eingepasst werden müssen, hat aber den Vorteil, dass auch bei häufigem Ausbau die Lagezentrierung wieder genau hergestellt wird. Kegelstifte mit Gewindezapfen und Lösemutter, DIN EN 28737 (. Abb. 38.3b), werden bei Grundbohrungen verwendet. Werkstoff: martensitischer nicht rostender Stahl. 38.3.2

Zylinderstifte

mit der Toleranz m6 werden hauptsächlich bei hochbeanspruchten Teilen im Werkzeugmaschinen- und Vorrichtungsbau verwendet. Werkstoffe wie für Kegelstifte.

38.3.3

Kerbstifte, Kerbnägel

Kerbstifte haben am Umfang mehrere Wulstkerben und ermöglichen dadurch einen festen Sitz auch in normalen Bohrungen. Verschiedene Ausführungen zeigen die . Abb. 38.4a–e. Anwendung wie bei Kegel- und Zylinderstiften bei geringeren Ansprüchen an die Genauigkeit, vielfach auch als Lager- und Gelenkbolzen einsetzbar. Kerbnägel (. Abb. 38.4f, g) dienen zur einfachen und schnellen Befestigung von Teilen wie Rohrschellen und Schilde. Werkstoff für Kerbstifte: Austenitischer nicht rostender Stahl.

38.3.4

Spannstifte

Spannstifte (Spannhülsen), DIN EN ISO 8752 (schwere Ausführung) und DIN EN ISO 13337 (leichte Ausführung),

Zylinderstifte werden ähnlich wie Kegelstifte verwendet. Ungehärtete Stifte, DIN EN ISO 2338 (. Abb. 38.3c–e), sind mit der Toleranz m6 für feste Verbindungen, mit h8 und h11 für lose Verbindungen vorgesehen (Kuppenform beachten). Gehärtete Zylinderstifte, DIN EN ISO 8734,

. Abb. 38.3 Kegel- und Zylinderstifte. a Kegelstift, b Kegelstift mit Gewindezapfen, c bis e Zylinderstifte

. Abb. 38.4 Kerbstifte und Kerbnägel. a Kegelkerbstift DIN EN ISO 8744, b Passkerbstift DIN EN ISO 8745, c Zylinderkerbstift DIN EN ISO 8739/40, d Steckkerbstift DIN EN ISO 8741, e Knebelkerbstift DIN EN ISO 8742/43, f Halbrundkerbnagel DIN EN ISO 8746, g Senkkerbnagel DIN EN ISO 8747

765 38.5  Gestaltung der Bolzen- und Stiftverbindungen

. Abb. 38.5 Spannstifte. a Spannstift, b Connex-Stift, c Spiral-Stift

sind längs geschlitzte Hülsen aus Federstahl (. Abb. 38.5a) und ergeben durch ein größeres Übermaß ( 0;2–0,5 mm) einen kräftigen Festsitz in normalen Bohrungen. Anwendung ähnlich wie Kerbstifte, besonders zur Aufnahme hoher Scherkräfte. Sonderformen stellen der Connex-Spannstift1 (. Abb. 38.5b), der sich durch härtere Federung auszeichnet und der Spiral-Stift2 (. Abb. 38.5c) dar, der sich durch seine Federeigenschaften zur Aufnahme hoher dynamischer Stoßbelastungen eignet. 38.4

. Abb. 38.6 Sicherungselemente. a Außensicherung, b Innensicherung, c Sprengring, d Sicherungsscheibe, e Splint

a

b

Bolzensicherungen . Abb. 38.7 Stellringe. a Stellring mit Gewindestift, b mit Kegelstift

Sicherungsringe für Wellen, DIN 471, und für Bohrungen, DIN 472 (. Abb. 38.6a, b), dienen zur Sicherung von Bauteilen gegen axiales Verschieben, z. B. von Wälzlagern, Naben und Buchsen. Durch ihre besondere Form bleiben 38.5 Gestaltung der Bolzenund Stiftverbindungen die aus Federstahl bestehenden Ringe beim Einbau (Aufoder Zusammenbiegen) rund und pressen sich in die Nuten gleichmäßig fest ein. Wegen hoher Kerbwirkung durch die 2Rollenlagerung (. Abb. 38.8) Nuten möglichst nur an Bolzen- oder Wellenenden anord- Bolzensicherung durch beidseitige Achshalter, entgegen nen. der Kraftübertragungsstelle angeordnet. Passung H8/d9. Sprengringe, DIN 5417 und DIN 7993 (. Abb. 38.6c), werden dort verwendet, wo ein gleich bleibender Ringquerschnitt aus Einbaugründen erforderlich ist, z. B. bei 2Hebellagerung (. Abb. 38.9) Kugellageraußenringen (. Abb. 38.11). Bolzensicherung durch Stellringe mit Kegelstift. Der BolBei kleinen Bolzen, Achsen und Wellen in der zen sitzt in beiden Teilen lose. Passung z. B. H9/h11. Feinmechanik werden Sicherungsscheiben, DIN 6799 (. Abb. 38.6d), bevorzugt. Splinte, DIN EN ISO 1234 (. Abb. 38.6e), werden be- . Abb. 38.8 Gleitlagerung einer sonders bei losen Bolzenverbindungen und zur Sicherung Seilrolle von Kronenmuttern verwendet. Stellringe, DIN 705 (. Abb. 38.7), sollen das axiale Spiel von Bolzen und Wellen begrenzen oder bewegliche Teile (Hebel, Räder) seitlich führen. Befestigung durch Gewindestifte oder bei schweren Ringen durch Kegelstifte. Achshalter sichern Achsen und Bolzen gleichzeitig gegen Verschieben und Drehen (siehe . Abb. 38.8). 1 2

Hersteller: CONNEX AG, CH-Reiden. Hersteller: W. Prym GmbH, Stollberg (Rheinland).

38

766

Kapitel 38  Bolzen, Stiftverbindungen, Sicherungselemente

. Abb. 38.9 Hebellagerung

DIN 1445 Bolzen mit Kopf und mit Gewindezapfen DIN 5417/7993 Sprengringe für Wälzlager/RunddrahtSprengring DIN 6799 Sicherungsscheiben

. Abb. 38.10 Laufradlagerung

DIN EN 22339 Kegelstifte DIN EN 22340 Bolzen ohne Kopf DIN EN 22341 Bolzen mit Kopf

. Abb. 38.11 Wälzlagerung

DIN EN 28737 Kegelstifte mit Gewindezapfen und Lösemutter DIN EN ISO 1234 Splinte DIN EN ISO 2338 Zylinderstifte, ungehärtet DIN EN ISO 8734 Zylinderstifte, gehärtet

2Laufradlagerung (. Abb. 38.10)

Der Knebelkerbstift sitzt fest in der Nabenbohrung und lose in der Gabel. Alle Bohrungen können ohne Nacharbeit mit dem Wendelbohrer gebohrt werden. 2Wälzlagerung (. Abb. 38.11)

Der Sprengring sichert das Kugellager gegen axiales Verschieben im Gehäuse. Der Innenring ist auf der Welle durch einen Sicherungsring festgelegt.

DIN EN ISO 8739/40 Zylinderkerbstifte DIN EN ISO 8741 Steckkerbstifte DIN EN ISO 8742/43 Knebelkerbstifte DIN EN ISO 8744 Kegelkerbstifte DIN EN ISO 8745 Passkerbstifte DIN EN ISO 8746 Halbrundkerbnagel

38

Normen (Auswahl) und Richtlinien DIN 471 Sicherungsringe für Wellen

DIN EN ISO 8747 Senkkerbnagel DIN EN ISO 8752 Spannstifte (Spannhülsen), schwere Ausführung

DIN 472 Sicherungsringe für Bohrungen DIN 705 Stellringe mit Gewindestift

DIN EN ISO 13337 Spannstifte (Spannhülsen), leichte Ausführung

39

767

Federn Gert Böge und Wolfgang Böge

39.1

Allgemeines

Mit Federn werden elastische Verbindungen hergestellt. Sie verformen sich unter Einwirkung äußerer Kräfte, speichern dabei Energie und geben diese bei Entlastung durch Rückfederung wieder ab. Anwendungen als Arbeitsspeicher, zur Stoß- und Schwingungsdämpfung, als Rückholfedern, zur Kraftmessung und als Spannelemente. Nach ihrer Gestalt unterscheidet man Blatt-, Schrauben-, Teller-, Stab-, Spiral-, Ring-, Hülsen- und Scheibenfedern, nach der Beanspruchungsart wird in Zug-, Druck-, Biege- und Drehfedern unterteilt.

39.2 39.2.1

Kenngrößen an Federn Federkennlinien

Die Federeigenschaften werden nach Kennlinien beurteilt. Diese zeigen die Abhängigkeit des Federwegs f (oder des Verdrehwinkels ') von der Federkraft F (oder dem Federdrehmoment M) und können progressiv (ansteigend gekrümmt), gerade oder degressiv (abfallend gekrümmt) verlaufen (. Abb. 39.1 und 39.2). Bei torsionsbeanspruchten Federn (z. B. Drehstabfedern im Fahrzeugbau) entspricht der Federkraft F das Federdrehmoment M und dem Federweg f der Verdrehwinkel '.

. Abb. 39.1 Federkennlinien und Federungsarbeit W von zug-, druckoder biegebeanspruchten Federn

Federn aus Werkstoffen, für die das Hooke’sche Gesetz gilt, zeigen bei reibungsfreier Federung lineare (gerade) Kennlinien; Federweg f und Federkraft F sind proportional (siehe Teil III, Technische Mechanik). Die Fläche unter der Kennlinie stellt die Federungsarbeit W dar.

39.2.2

Federsteifigkeit (Federrate), Federnachgiebigkeit und Federungsarbeit

Das Steigungsmaß der Federkennlinie ist der Tangens ihres Neigungswinkels ˛, also der Quotient aus der Federkraft F (oder dem Federdrehmoment M) und dem Federweg f (oder dem Verdrehwinkel '). Für Federn mit gerader Kennlinie gilt daher: tan ˛ D F=f D F1 =f1 D F2 =f2 oder tan ˛ D M=' D M1 ='1 D M2 '2 (siehe . Abb. 39.1 und 39.2). Dieser Quotient heißt Federsteifigkeit c (nach DIN EN 13906-1 Federrate c). Sie hat die Einheit N=mm oder N=m. Der Kehrwert der Federsteifigkeit wird als Nachgiebigkeit ı D 1=c bezeichnet; sie hat daher die Einheit mm=N. F2 F2  F1 F F F1 D D D D f f1 f2 f2  f1 f f2 f2  f1 f 1 f f1 D D D ıD D D c F F1 F2 F2  F1 F

cD

(39.1) (39.2)

. Abb. 39.2 Federkennlinien und Federungsarbeit W von torsionsbeanspruchten Federn

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_39

768

Kapitel 39  Federn

c Federsteifigkeit (Federrate) ı Federnachgiebigkeit für Zug-, Druck- und Biegefedern M M2 M2  M1 M M1 D D D D (39.3) ct D ' '1 '2 '2  '1 ' 1 ' '2 '2  '1 ' '1 ıt D D D D D D c1 M M1 M2 M2  M1 M (39.4) ct Federsteifigkeit (Federrate) ıt Federnachgiebigkeit für Drehfedern Definitionsgemäß gibt die Federsteifigkeit c an, welche äußere Belastung (Federkraft F oder Federdrehmoment M) für eine bestimmte Formänderungsdifferenz (Federweg f oder Verdrehwinkel ') zwischen zwei Angriffsstellen der Belastung erforderlich ist. Beispielsweise bedeutet c D 50 N=mm, dass sich eine zug-, druck- oder biegebeanspruchte Feder bei einer Federkraft F D 50 N um f D 1 mm zwischen zwei Kraftangriffsstellen verformt. Von zwei Federn mit den Federsteifigkeiten c1 D 50 N=mm und c2 D 20 N=mm ist die erste Feder „härter“ (steilere Kennlinie), die zweite Feder „weicher“ (flachere Kennlinie). Es ist hier c1 D tan ˛1 > c2 D tan ˛2 . Die Federungsarbeit W entspricht der Fläche unter der Federkennlinie (. Abb. 39.1 und 39.2). Sie ist ein Maß für das Vermögen der Feder, mechanische Arbeit aufzunehmen oder abzugeben. Für die Federungsarbeit zwischen zwei Belastungszuständen (F 1 und F 2 oder M 1 und M 2 ) lässt sich dann für die in . Abb. 39.1 schraffierte Trapezfläche ablesen:

39

W D

F1 C F2 f 2

F1 D cf1 , F2 D cf2 , f D f2  f1 eingesetzt, ergibt: cf1 C cf2 .f2  f1 / 2 c W D .f2 C f1 / .f2  f1 / 2 W

c 2 W D f2  f12 2 Nmm

39.2.3

c N mm

f1 ; f2 mm

(39.5)

ct '1 ; '2 Nmm Nmm rad rad Federungsarbeit einer Drehfeder W

.. Abb. 39.1/

(39.7)

.. Abb. 39.2/

(39.8)

Nutzungsgrad der Feder

Im Teil III, Technische Mechanik wird für Zug- oder Druckstäbe die Gleichung für die Formänderungsarbeit W D 2 V=2 E hergeleitet. Sie gilt allgemein für Stäbe mit gleichmäßiger Spannungsverteilung in den Querschnitten der federnden Länge. Entsprechend gilt für Zug- und Druckfedern mit gleichmäßiger Spannungsverteilung für die Federungsarbeit W: W D

2 V 2E

Federungsarbeit für Zug- und Druckfedern

(39.9)

Auf dem gleichen Weg wie für Zug- und Druckstäbe wird im Teil III, Technische Mechanik die Gleichung W D t2 V=4 G für torsionsbeanspruchte Stäbe mit Kreisquerschnitt hergeleitet. Die Torsionsspannung ist nicht gleichmäßig über dem Querschnitt verteilt, sondern linear (siehe Teil III, Technische Mechanik). Im Nenner der Formänderungsarbeit W erscheint hier eine 4 anstelle der 2 in (39.9) für Stäbe mit gleichmäßiger Spannungsverteilung im Querschnitt. Solche Abweichungen von (39.9) ergeben sich auch bei Federn anderer Gestalt, zum Beispiel Dreieckblattfedern. Zum Federvergleich hat man daher als Kenngröße den Nutzungsgrad A (Ausnutzungsgrad) definiert und schreibt die Gleichungen für die Federungsarbeit bei Federn mit ungleichmäßiger Spannungsverteilung über den Querschnitten und der federnden Länge in der Form: 2 V 2E 2 V Wt D A t 2G

Federungsarbeit einer Zug-, Druck- oder Biegefeder Entsprechend ergibt die Entwicklung nach . Abb. 39.2:

ct 2 '  '12 2 2

Ff F2 c D D f2 2 2c 2 M' ct M2 W D D '2 D 2 2 ct 2

W D

W D A

W D

W D

Dreieckfläche:

Federungsarbeit für Biegefedern

(39.10)

Federungsarbeit für Drehstabfedern

(39.11)

In den vorstehenden Gleichungen ist die Normalspannung (Zug-, Druck- oder Biegespannung), t die Torsionsspannung, V das Volumen der Feder, E der Elastizitätsmodul, G der Schubmodul und A der Nutzungsgrad. Für Zug- und Druckfedern nach (39.9) ist der Nutzungsgrad A D 1. Als weitere Kenngröße zum Vergleich von Federn verwendet man die volumenbezogene Federungsarbeit:

(39.6)

W 2 D A V 2E

Soll die Federungsarbeit W vom entlasteten Federzustand aus berechnet werden, dann vereinfachen sich die Gleichungen. Die Fläche unter der Kennlinie ist dann eine

2 Wt D A t V 2G

(39.12) W; Wt

V

Nmm

mm3

; t N mm2

A 1

(39.13)

39

769 39.2  Kenngrößen an Federn

39.2.4

Resultierende Federsteifigkeit und Federnachgiebigkeit bei parallel und hintereinander geschalteten Federn

Bei bestimmten federungstechnischen Aufgaben kann es zweckmäßig sein, zwei oder mehr Federn parallel oder hintereinander zu schalten (meistens Schraubenfedern). Die Kennlinien in den . Abb. 39.3 und 39.4 zeigen, wie aus den gegebenen Federsteifigkeiten c1 und c2 zweier Federn die resultierende Federsteifigkeit c0 einer gedachten „Ersatzfeder“ ermittelt werden kann. Wie in der Statik die resultierende Kraft hat hier die Ersatzfeder die gleiche Wirkung wie die Einzelfedern zusammen. Beim Federsystem aus zwei parallel geschalteten Federn (. Abb. 39.3) ist die resultierende Federkraft F 0 die Summe der Einzelfederkräfte, also F 0 D F1 CF2 . Dagegen sind die Federwege f 1 und f 2 für die beiden Einzelfedern und der Federweg f 0 der gedachten Ersatzfeder gleich groß: f 0 D f1 D f2 . Mit diesen Bedingungen wird die resultierende Federsteifigkeit c0 mit (39.1): F0 F1 C F2 F1 F2 D D C D c1 C c2 f0 f0 f1 f2 c0 D c1 C c2 D tan ˛0

c0 D

Beim Federsystem aus zwei hintereinander geschalteten Federn (. Abb. 39.4) ändert sich der physikalische Sachverhalt. In jedem Schnitt rechtwinklig zur Federachse wirkt die resultierende Federkraft F 0 D F1 D F2 , während der Federweg f 0 der Ersatzfeder die Summe der Einzelfederwege ist: f 0 D f1 C f2 . Die resultierende Federsteifigkeit c0 ergibt sich daher aus: F0 F0 D f0 f1 C f2 1 f1 C f2 f1 f2 D D C c0 F0 F1 F2 1 1 1 D C c0 c1 c2 c0 D

(39.18)

oder c0 D

c1 c2 D tan ˛0 c1 C c2

(39.19)

Da 1=c D ı ist, wird mit (39.18) die resultierende Federnachgiebigkeit ı0 hintereinander geschalteter Federn: ı0 D ı1 C ı2

(39.20)

(39.14)

Demnach ist die resultierende Federsteifigkeit c0 die Summe der Einzelfedersteifigkeiten. Parallel geschaltete Federn wirken also „härter“ als die härteste der beiden Einzelfedern. Werden mehr als zwei Federn parallel geschaltet, gilt in Erweiterung von (39.14):

Werden mehr als zwei Federn hintereinander geschaltet, gilt in Erweiterung von (39.20): ı0 D ı1 C ı2 C : : : C ın

(39.21)

(39.17)

Beim parallel geschalteten Federsystem war die resultierende Federsteifigkeit c0 die Summe der Einzelsteifigkeiten (c0 D c1 C c2 C : : :cn ). Entsprechend ist beim hintereinander geschalteten Federsystem die resultierende Federnachgiebigkeit ı0 die Summe der Einzelnachgiebigkeiten (ı0 D ı1 C ı2 C : : : C ın ). Nach . Abb. 39.4 wirken hintereinander geschaltete Federn „weicher“ als die weichste Einzelfeder allein. Eine Analogiebetrachtung zeigt formale Übereinstimmung der Gleichungen (39.14) und (39.18) mit den Glei-

. Abb. 39.3 Federkennlinien von zwei parallel geschalteten Federn und deren Ersatzfeder

. Abb. 39.4 Federkennlinien von zwei hintereinander geschalteten Federn und deren Ersatzfeder

c0 D c1 C c2 C : : : C cn

(39.15)

Mit ı D 1=c nach (39.2) wird für die resultierende Federnachgiebigkeit ı0 von zwei parallel geschalteten Federn: 1 1 1 D C ı0 ı1 ı2 ı1 ı2 ı0 D ı1 C ı2

oder

(39.16)

770

Kapitel 39  Federn

chungen für kapazitive Widerstände in der Elektrotechnik, die Gleichungen (39.16) und (39.20) dagegen mit denen für ohmsche Widerstände. Die Gleichungen (39.18) und (39.21) werden bei den Formänderungsbetrachtungen an vorgespannten Schraubenverbindungen gebraucht (7 Abschn. 37.6.2).

39.3

Federwerkstoffe

Federwerkstoffe sind meist hochlegierte Stähle, DIN EN 10089, DIN EN 10132-4, DIN EN 10270-3, DIN EN 10092-1, DIN EN 10092-2, siehe . Tab. 39.1.

. Tabelle 39.1 Festigkeits-Richtwerte von Federwerkstoffen in N=mm2 Federart

Werkstoff und Behandlungszustand

E-Modul G-Modul

Blattfedern

Federstahl, warmgewalzt, DIN EN 10089, vergütet 38Si7, 51Si7, 55Si7, 65Si7 50Mn7, 60SiCr7, 55Cr5 50CrV4, 51CrMoV4

E D 206:000

dynamische Festigkeitswerte

Rm D 1300–1800

m C A

b zul  0;7Rm

b zul D m C 0;75 A

Walzhaut

bD D 500 ˙ 120–300

Walzhaut entfernt, vergütet

bD D 500 ˙ 300

geschliffen

bD D 500 ˙ 400

Federstahl DIN EN 10089, s. o. Stahldraht für Federn DIN EN 10270-1 unlegiert -2 ölschlussvergütet -3 nicht rostender Stahl

E D 206:000 G D 81:500

Spiralfedern Uhrwerkfedern

Stahlband DIN EN 10132-4: C55E. . . C101E, 55Si7, 67SiCr5, 71Si7

E D 206:000 G D 78:000

Drehstabfedern

Federstahl DIN EN 10089 vergütet 66Si7 für d < 25 mm

Drehfedern (Schenkelfedern)

statische Festigkeitswerte

67SiCr5 für d < 40 mm 50CrV4

39

abhängig vom Drahtdurchmesser d (siehe . Abb. 39.9)

nach Herstellerangaben

Rm 1800. . . 2400 1900. . . 2400

Re 1700 1800

nach Herstellerangaben

B 850–950

S 700

m C A tD D 500 ˙ 150

900–1000 800–1000

800 700

tD D 500 ˙ 200

E D 185:000

E D 206:000 G D 78:000

t zul  0;5B

t zul  500 C 0;75A

E D 206:000 G D 78:000 E D 110:000 G D 39:000

t zul siehe . Abb. 39.16

t zul siehe . Abb. 39.16–39.18

Druckfedern

Stahldraht für Federn DIN EN 10.270 Draht für allg. Zwecke (Cu-Leg.) DIN EN 12166

unmagnetische Federn

NiBe2

E D 200:000 G D 75:000

Rm D 1500–1800 b zul und t zul

nach Herstellerangaben

Schraubenfedern

Federn aus Cu-Leg.

DIN EN 1254 Federbänder CuZn36 (Ms63), CuSn6 (SnBz6)

E D 100:000 G D 35:000

Rm D 1500–1800 b zul  250 t zul  150

schwellend, b zul  150 t zul  80

wechselnd 80 40

korrosionsbeständig

DIN EN 12166 Drähte CuNi18Zn20 (Neusilber)

E D 120:000 G D 45:000

Rm  620 b zul  350 t zul  250

schwellend, b zul  250 t zul  150

wechselnd 100 80

Gummifedern

Weichgummi Shore-Härte 40–70

E D 2: : :8 G D 0;4–1;4 Rm D 5–30

z zul  1–2 d zul  3–5 zul  1–2

z zul  0;5–1 d zul  1–1;5 zul  0;3–0;8

771 39.5  Biegebeanspruchte Metallfedern

Nichteisenmetalle nur bei besonderen Anforderungen, zum Beispiel an Korrosionsbeständigkeit oder magnetische Eigenschaften, DIN 17741 (Ni-Be-Legierung). Nichtmetallische Federn, hauptsächlich aus Gummi, zur Schwingdämpfung, als Kupplungsglieder oder in Schnittwerkzeugen.

erst bei einer bestimmten Federkraft F E . Die Berechnung erfolgt zweckmäßig nach Herstellerangaben. Wegen der hohen Dämpfung sind Ringfedern besonders als Pufferfedern und zur Stoßdämpfung bei Pressen geeignet. 39.5

39.4

39.4.1

Zug- und druckbeanspruchte Metallfedern Zug- oder Druckstäbe

Mit dem Hooke’schen Gesetz lässt sich eine Gleichung für die Federsteifigkeit c von Zug- oder Druckstäben entwickeln:

39.5.1

Biegebeanspruchte Metallfedern Rechteck- und Dreieckfedern

Die einfache Rechteckfeder wird als Freiträger mit Höchstbeanspruchung an der Einspannstelle betrachtet. Die Werkstoffausnutzung ist schlecht. Anwendung als Kontakt- oder Rastfeder usw. Die Dreieckfeder als Träger gleicher Spannung (siehe im Teil III, Technische Mechanik) bietet eine bessere Werkstoffausnutzung, lässt sich aber praktisch schlecht ausführen; besser ist die Trapezfeder und die aus dieser entwickelte Mehrschicht-Blattfeder. Die Kennlinie ist eine Gerade.

l F E .Hooke’sches Gesetz/ D A l0 E l A AE (39.22)1 Berechnung cD N l mm2 mm 2 mm Für die Federn nach . Abb. 39.6 gilt für die Biegespannung A Federquerschnitt, E Elastizitätsmodul (für Stahl ist 2 4 E D 21  10 N=mm ), l Federlänge Mb 6Fl Wegen der sehr großen Federsteifigkeit werden Zug b zul D b D W b h2 oder Druckstäbe als Federn nur in wenigen speziellen Fäl b F l; b; h len verwendet. (39.23) N N mm mm2 39.4.2 Ringfedern Durchbiegung f bei Federkraft F und maximale Durchbiegung f max ergeben sich aus Ringfedern bestehen aus abwechselnd zug- und druckbeanspruchten Ringen mit konischen Pressflächen l 3F f D q1 3 (39.24) (. Abb. 39.5). Infolge der elastischen Verformung schiebh E ben sich die Ringe ineinander, wobei im Außenring l 2 b Zugspannungen, im Innenring Druckspannungen auftrefmax D q2 (39.25) hE ten. Wegen der Reibungsarbeit beim Aufeinandergleiten f; l; b; h F E; b q1 ; q2 der Ringe ist die Dämpfung sehr groß (bis 70 %). Die Kennlinie verläuft als Gerade, aber bei BelasN mm N 1 tung anders als bei Entlastung. Die Rückfederung beginnt mm2 D "E !

. Abb. 39.5 Ringfeder. a unbelastet, b belastet, mit Kennlinie

39

772

Kapitel 39  Federn

. Abb. 39.7 Mehrschicht-Blattfeder. Entwicklung aus der Trapezfeder . Abb. 39.6 Blattfedern. a Rechteckblattfeder, b Dreieck-(Trapez-) blattfeder

Die maximale Federungsarbeit wird W D q3 V

b2 E

W

V

Nmm mm3

b N mm2

E N mm2

q3 1

(39.26)

Rechteckfeder: q1 D 4 q2 D

2 3

q3 D

1 18

durch Spannbügel, Bunde oder ähnliche Elemente zusammengehalten. Verwendung hauptsächlich zur Federung von Kraft- und Schienenfahrzeugen. Die Kennlinie ist wegen der Reibung zwischen den Blättern nur angenähert eine Gerade. Die abgegebene Arbeit ist kleiner als die aufgenommene (Dämpfung). Eine genaue Berechnung ist wegen der kaum erfassbaren Reibung zwischen den Blättern nicht möglich. Unter Vernachlässigung der Reibung wird die Breite der Mehrschichtfeder b0 D b=z, worin b die maximale Breite der Trapezfeder, z die Blattzahl bedeutet. Erfahrungsgemäß ist jedoch die tatsächliche Tragkraft je nach Blattzahl  2–12 % höher als die rechnerische.

Dreieckfeder: q1 D 6 q2 D 1 q3 D

39

1 6

Trapezfeder: 3 2 C b 0 =b 2 3 q2  3 2 C b 0 =b 1 3 1 q3  0 9 2 C b =b 1 C b 0 =b

q1  4

l Federlänge, h Federblattdicke, E Elastizitätsmodul des Federwerkstoffs nach . Tab. 39.1; V D b h l, V D b h l=2, V D 12 b h l.1Cb0 =b/ Federvolumen für Rechteck-, Dreieck bzw. Trapezfeder nach . Abb. 39.6. b zul zulässige Biegespannung nach . Tab. 39.1 39.5.2

Mehrschicht-Blattfedern

Die Entwicklung aus der doppelseitigen Trapezfeder zeigt . Abb. 39.7. Die Feder wird in gleich breite Streifen zerlegt, diese werden aufeinander geschichtet und in der Mitte

39.5.3

Drehfedern (Schenkelfedern)

Verwendung vorwiegend als Rückhol- oder Andrückfedern in der Feinmechanik (. Abb. 39.8). Die Kennlinie ist eine Gerade. Das Moment soll so wirken, dass sich die Windungen zusammenziehen. Dabei verändern sich Windungs. Abb. 39.8 Drehfeder

773 39.5  Biegebeanspruchte Metallfedern

. Abb. 39.9 Zulässige Biegespannung für kaltgeformte Drehfedern (Schenkelfedern) aus Federstahldraht II, A, B und C nach DIN EN 13906-3 und ölschlussvergütetem Federstahl (Kurve a) nach DIN EN 10270

zahl, Federdurchmesser und Schenkelstellung. Unter Berücksichtigung der Spannungserhöhung durch die Drahtkrümmung und die Schenkeldurchbiegung gelten bei eingespannten Federenden für die Biegespannung und den Verdrehwinkel b D ˛ı D

k Mb kFr  b zul  W 0;1 d 3 180ı    b N mm2

(39.27)

Mb l F r Dm if  3700 EI E d4 F r; d; Dm ˛ E N ı N mm mm2

(39.28) if ; k 1

Die gestreckte Länge der Windungen ergibt sich aus p l  if .Dm  /2 C s 2

l; s; Dm mm

if 1

(39.29)

. Abb. 39.10 Spiralfeder

Berechnung ähnlich wie bei Drehfedern. Für die Biegespannung und den Verdrehwinkel gelten Mb 6 F ra  b zul (39.30) D W b h2 180ı Mb l F ra l (39.31)   690 ˛ı D   EI E b h3 F ra ; b; h; l E ˛ b N N ı N mm mm2 mm2 Bei überall gleichem Windungsabstand w, dem äußeren Radius ra und inneren Radius ri wird die gestreckte Federlänge

  ra2  ri2 i (39.32) hCw Die von der Feder aufzuspeichernde maximale Federungsarbeit ist V b ; E W 1 2 (39.33) WD V b N 6 E Nmm mm3 2 mm V D b h l Federvolumen; zulässige Biegespannung b zul  1100 N=mm2 bei h  1 mm,  950 N=mm2 bei h  1–3 mm,  800 N=mm2 bei h > 3 mm. b D

Die Länge des unbelasteten Federkörpers ist LK  .if s/Cd. F Federkraft; r Hebelarm der Federkraft; d Drahtdurchmesser; Dm mittlerer Windungsdurchmesser; if Anzahl der federnden Windungen; s Windungssteigung; E Elastizitätsmodul des Federwerkstoffs nach . Tab. 39.1; b zul zulässige Biegespannung nach dem Diagramm in . Abb. 39.9; 39.5.5 Tellerfedern k Beiwert zur Berücksichtigung der Spannungserhöhung durch die Drahtkrümmung nach . Abb. 39.25. 1 Formelzeichen und Einheiten Da , Di

39.5.4

Spiralfedern

D0 E

Die meist aus rechteckigem Federstahl hergestellten Spiralfedern (. Abb. 39.10) werden hauptsächlich als Rückstellfedern bei Instrumenten, als Uhrwerkfedern und bei drehelastischen Kupplungen verwendet.

F L0

Œmm

Außen-, Innendurchmesser des Federtellers Œmm Durchmesser des Stülpmittelpunktkreises ŒN=mm2  Elastizitätsmodul (für Federstahl E D 206:000 N=mm2 ) ŒN Federkraft des Einzeltellers Œmm Länge von Federsäule oder Federpaket, unbelastet

39

774

Kapitel 39  Federn

a

b

. Abb. 39.11 Maße der Einzeltellerfeder. a ohne Auflagefläche, b mit Auflagefläche und Lage der Berechnungspunkte (I, II, III, IV, OM), I und II sind Punkte der Krafteinleitungskreise, S ist der sog. Stülpmittelpunkt, ein Punkt des Stülpmittelpunktkreises mit dem Durchmesser D0 D .De  Di /=.ln De =Di /

Œmm

LC

N R W h0 D l0  t, h00

ŒN=mm ŒNmm Œmm

s.s1 ; s2 ; s3 : : :/

Œmm

s0;75

Œmm

t; t 0

Œmm



39

. I ; II ; III ; OM / ŒN=mm2 

h

ŒN=mm2 

0 , u

ŒN=mm2 

O , U

ŒN=mm2 

H D O  U

ŒN=mm2 

39.5.5.1

berechnete Länge von Federsäule oder Federpaket, platt gedrückt Anzahl der Lastspiele bis zum Bruch Federrate Federungsarbeit lichte Tellerhöhe des unbelasteten Einzeltellers (Rechengröße D Federweg bis zur Plananlage) bei Tellerfedern ohne Auflagefläche, mit Auflagefläche Federweg des Einzeltellers (bei F 1 , F2 , F 3 . . . ) Federweg des Einzeltellers beim Federweg s D 0;75h0 Tellerdicke, reduzierte Dicke bei Tellern mit Auflagefläche (Gruppe 3) Poisson-Zahl ( D 0;3 für Stahl) rechnerische Normalspannung für die Querschnitte nach . Abb. 39.11 Hubspannung bei Dauerschwingbeanspruchung der Feder rechnerische Oberspannung, Unterspannung bei schwingender Beanspruchung Ober-, Unterspannung der Dauerschwingfestigkeit Dauerhubfestigkeit

Bescheibung, Bauarten, Reihen, Gruppen

Tellerfedern sind kegelschalenförmig geprägte, ungeschlitzte (meist verwendet) oder geschlitzte Ringscheiben aus Federstahl. Sie werden in Achsrichtung federnd durch die Federkraft F (Stülpkraft) belastet und dadurch biegebeansprucht. Sie werden dort eingesetzt, wo kleine bis sehr große Kräfte, elastisch bei geringem Raumbedarf, auf

kleinen Federwegen Formänderungsarbeit aufzunehmen haben, z. B. zur Stoßdämpfung bei Puffern, in Presswerkzeugen und Vorrichtungen, zum Spielausgleich bei Kugellagern. Wegen des kleinen Federwegs des Einzeltellers werden sie meist zu Säulen geschichtet. Zur Berechnung, Gestaltung und Verwendung der Tellerfedern sind neben den Angaben der Hersteller die Vorschriften der DIN 2092 und DIN 2093 zu berücksichtigen. Man unterscheidet drei Reihen (A, B, C) und drei Gruppen (1, 2, 3): Reihe A für kaltgeformte, harte (steife) Federn, Reihe B für kaltgeformte, mittelharte und Reihe C für warmgeformte, weiche Federn. Für jede Reihe gibt es drei Fertigungsgruppen: Gruppe 1 mit Tellerdicken t < 1;25 mm, kaltgeformt, Gruppe 2 mit t D 1;25 mm bis 6 mm, kaltgeformt, De und Di spanabhebend bearbeitet (Drehen), Gruppe 3 mit t > 6 mm bis 14 mm, kalt- oder warmgeformt, allseits spanabhebend bearbeitet. Tellerfedern der Gruppe 3 über 6 mm Dicke werden spanabhebend mit kleinen Auflageflächen an den Stellen I und III (. Abb. 39.11 und 39.12) gefertigt. Die dadurch beim Stülpvorgang entstehende Verkürzung des Hebelarms der Krafteinleitung wird durch Verringern der Tellerdicke . Abb. 39.12 Querschnitt (schematisch) einer Tellerfeder. a mit Auflagefläche, b ohne Auflagefläche

a

b

775 39.5  Biegebeanspruchte Metallfedern

auf t 0  0;94  t ausgeglichen, sodass die Federkennlinie annähernd den Verlauf der Fertigungsgruppe 2 hat. Die Federkraft soll bei dem Federweg s D 0;75 h0 die gleiche wie bei der nicht reduzierten Feder sein. Die Teller werden gestanzt, kalt- oder warmgeformt, gedreht oder feingeschnitten, die Kanten sind gerundet. Die Werkstoffe für Tellerfedern müssen hohe Zugfestigkeit und Elastizitätsgrenze bei ausreichendem plastischen Formänderungsvermögen aufweisen (Kaltverformung). Als Standardwerkstoffe gelten die Stähle C60, C75, Ck67, Ck75, Ck85, 50CrV4 für besondere Ansprüche, z. B. erhöhte Korrosionsbelastung X12CrNi17 7, hohe Betriebstemperaturen X22CrMoV12 1. Bei Nichteisenmetallen wie Kupferlegierungen ist für die Festigkeitsberechnungen zu beachten, dass der Elastizitätsmodul E erheblich kleiner ist als der von Stahl (50–60 %). Tellerfedern aus üblichem Federstahl werden zur Erhöhung der Zähigkeit bei gleichzeitig optimaler Dauerschwingfestigkeit vergütet. Nach dieser Wärmebehandlung werden die Federteller mindestens einmal platt gedrückt (plastisch verformt). Bei diesem Vorsetzen verringert sich die Bauhöhe und an der Oberseite entstehen Zugeigenspannungen, die bei Belastung der Feder den Lastspannungen entgegenwirken und damit Spannungsspitzen abbauen. Für Tellerfedern mit schwingender Belastung hat sich die Oberflächenverfestigung durch Kugelstrahlen bewährt. Dabei werden an ihrer Oberfläche Druckspannungen aufgebaut, die den Zugeigenspannungen beim Vorsetzen entgegenwirken und sie teilweise wieder abbauen, sodass sich kugelgestrahlte Federn etwas stärker setzen. Daher wird bei statischen Federbelastungen eine durch Kugelstrahlen hervorgerufene Oberflächenverfestigung nicht empfohlen. Korrosionsschutz wird vom Hersteller in verschiedenen Arten angeboten, z. B. durch Phosphatieren, Brünieren oder metallische Überzüge. Angewandt werden galvanische Verfahren, mechanische Metallbeschichtung, Metallspritzen, galvanische Vernickelung, Dacromet, eine anorganische, metallisch silbergraue Beschichtung aus Zink- und Aluminiumlamellen in einer Chromatverbindung. Die Bezeichnung einer Tellerfeder enthält neben der Angabe des DIN-Blattes den Buchstaben für die Reihe (A, B, C), den Außendurchmesser De und falls gewünscht, einen Buchstaben für das Herstellverfahren (G für gedreht oder F für feingeschnitten). Beispiel: Tellerfeder DIN 2093-A45G. Für das Verspannen von Kugellagern der üblichen Baureihen EL, R, 62 und 63 werden Tellerfedern mit der Bezeichnung „K“ (SCHNORR) für spielfreien Lauf und Geräuschminderung eingesetzt. Gleiches gilt für die Tellerfedern als Schraubensicherung. Vorschriften zu Werkstoffen, Ausführungen, Wärmeund Oberflächenbehandlung sowie zulässigen Spannungen bei ruhender oder schwingender Beanspruchung enthält DIN 2093.

39.5.5.2

Kennlinien für Einzelfedern und Federkombinationen

Federkennlinien zeigen den Verlauf der Federkraft F in Abhängigkeit vom Federweg s. Die Grundlagen zum Verständnis von Federkennlinien stehen in 7 Abschn. 39.2. Kenngrößen an Federn (Federkennlinie, Federrate, Steifigkeit, Nachgiebigkeit und Federungsarbeit). Diese Größen lassen sich bei der Einzeltellerfeder durch Wahl der Tellerhöhe h0 und Tellerdicke t erheblich verändern, wie . Abb. 39.13 zeigt. Das Diagramm zeigt in den meisten Fällen von h0 =t Kennlinien, die nicht gerade, sondern weniger oder mehr degressiv gekrümmt sind. Die Federrate R, siehe (39.57), wird mit zunehmender Federkraft (zunehmender Einfederung) kleiner. Nur bei sehr kleinen Verhältnissen h0 =t < 0;6 ergeben sich fast gerade ansteigende Kennlinien, in bestimmten Bereichen des Federwegs s auch annähernd waagerechte und abfallende Kennlinien. Daher können Einzeltellerfedern entwickelt werden, bei denen die Federkraft über einen längeren Federweg konstant bleibt. Bei Federwegen s > 0;75h0 D s0;75 verschieben sich die Krafteinleitungspunkte an den Tellern so, dass sich kleinere Hebelarme für die elastische Verformung beim Stülpvorgang einstellen. Entsprechend steigt die Federkraft stärker als berechnet an. Deshalb werden in DIN 2093 die kennzeichnenden Größen wie Federkraft F 0;75 , Federweg s0;75 und die entsprechenden Spannungen nur für den Federweg s  0;75 h0 angegeben (siehe . Tab. 39.2). Häufig reichen Einzeltellerfedern für die vorgesehenen Beanspruchungen nicht aus. Dann schichtet man die Einzelteller zu Federpaketen mit mehreren (n D 2 bis 3) gleichsinnig geschichteten Einzeltellern oder als Federsäule, einer Kombination aus i < 30 wechselsinnig aneinander gereihten Einzeltellern oder i < 20 Federpaketen (z. B.

. Abb. 39.13 Federkennlinien von Einzeltellerfedern mit verschiedenen Verhältnissen h0 =t D lichte Tellerhöhe h0 =Tellerdicke t, gestrichelte Ordinate gilt für Werte nach DIN 2093 (siehe auch . Tab. 39.2)

39

776

a

Kapitel 39  Federn

b

a

b . Abb. 39.14 Kombinationen geschichteter Tellerfedern. a Federpaket, b Federsäule

39

n D 2, i D 4). Federsäulen werden durch oberflächengehärtete, geschliffene Führungsbolzen oder -hülsen gehalten. Belastet ändern sich Außen-und Innendurchmesser der Teller. Beim Einbau sind die Vergrößerung De des Außen- und die Verkleinerung Di des Innendurchmessers zu berücksichtigen. Bei dynamischer Belastung sollen die Teller mit einem Federweg sV D .0;15–0;2/  h0 vorgespannt werden, um beim Einfedern Zug-/Druck-Wechselspannungen und damit Anrisse im Bereich des Querschnitts I zu vermeiden. In . Abb. 39.14 sind mögliche Kombinationen von Einzeltellerfedern dargestellt, dazu (schematisiert) das jeweilige Federkraft-Federweg-Diagramm (F; s-Diagramm). Sind die Teller gleichsinnig geschichtet, spricht man auch hier von Parallelschaltung, bei gegensinnig geschichteten Tellern von Hintereinanderschaltung der Einzelteller. Es gelten dann die bereits in 7 Abschn. 39.2.4 hergeleiteten Gesetze für parallel und hintereinander geschaltete Federn. Die zwei Tellerfedern in . Abb. 39.14a sind parallel geschaltet, bei gleichem Federweg addieren sich die Federkräfte. Bei hintereinander geschalteten Einzelfedern dagegen addieren sich bei gleicher Federkraft die Federwege. Über die resultierende Federrate c0 und Federnachgiebigkeit ı0 siehe 7 Abschn. 39.2.4. Wegen der Reibung zwischen den Tellern bei gleichsinnig geschalteten Einzelfedern wird ein Teil der Federungsarbeit in Wärme umgesetzt (3–6 %). Das Federpaket hat damit auch eine größere Dämpfung. Bei Berechnungen kann dann die Reibung nicht mehr vernachlässigt werden (siehe DIN 2092, Abschnitt 7.4). Durch das Kombinieren von Schichtung, Tellerdicke t oder/und Telleranzahl n erhält man einen degressiven, waagerechten oder progressiven Kennlinienverlauf, z. B. ergeben sich stark oder schwach und längs des Federwegs unterschiedlich ansteigende Federkennlinien durch Schichtung unterschiedlich dicker Teller oder durch Pakete aus gleich dicken Tellern verschiedener Anzahl. Als Beispiel zeigt . Abb. 39.15a schematisch den Kennlinienverlauf bei der Hintereinanderschaltung einer Einfach-, Zweifach- und Dreifachschichtung. Dabei werden die Teller bei Belastung nacheinander platt gedrückt. Die resultierende Federkennlinie (Ersatzkennlinie) ergibt sich aus der Addition der Einzelkennlinien (siehe auch 7 Abschn. 39.2.4). Zum gleichen Ergebnis führt die Anordnung als Säule nach . Abb. 39.15b mit Tellern unter-

. Abb. 39.15 Progressiver Kennlinienverlauf durch die Schichtung f [SCHNORR]

schiedlicher Dicke. Eine Überbeanspruchung der dünneren Federn kann konstruktiv durch Distanzhülsen oder Ringe zur Hubbegrenzung vermieden werden.

Berechnungen a) Federkraft, Federweg und Länge bei Federpaketen und Federsäulen 39.5.5.3

Die Berechnung für den federnd belasteten Einzelteller ist in DIN 2092 vorgeschrieben. DIN 2093 enthält dazu unter anderem drei Tabellen mit Abmessungen, Federkräften, Federwegen und den entsprechenden Spannungen für die Reihen A, B, C und die Gruppen 1, 2, 3. Die wichtigste Größen daraus sind hier in . Tab. 39.2 zusammengefasst. Für die Kombinationen von Einzeltellern zu Federpaketen und Federsäulen gelten bei angenommen reibungsfreiem Verhalten die folgenden Gleichungen: Federpaket mit n Anzahl der gleichsinnig geschichteten Einzelteller: Gesamtfederkraft Fges D n  F Gesamtfederweg sges D s Pakethöhe (unbelastet) L0 D l0 C .n  1/  t Pakethöhe (belastet) L D L0  sges

(39.34) (39.35) (39.36) (39.37)

Federsäule mit Anzahl i der wechselsinnig aneinander gereihten Pakete und je n Einzelteller: Gesamtfederkraft Gesamtfederweg Säulenlänge .unbelastet/ Säulenlänge .belastet/

Lges D n  F sges D i  s L0 D i  Œl0 C .n  1/  t L0 D i  .h0 C n  t/ L D L0  sges L D i  .h0 C n  t  s/

F; s; l0 ; t; h0 siehe . Tab. 39.2.

(39.38) (39.39) (39.40) (39.41) (39.42) (39.43)

39

777 39.5  Biegebeanspruchte Metallfedern

b) Berechnungsgleichungen für die Einzeltellerfeder

Rechnerische Spannungen (negative Beträge sind Druckspannungen)

Die hier verwendeten Berechnungsgleichungen aus DIN 2092 werden für Größen gebraucht, die nicht in . Tab. 39.2 oder in DIN 2093 enthalten sind (Zwischengrößen), zur Bestimmung der Dauerschwinghaltbarkeit oder bei der Berechnung nicht genormter Tellerfedern. Die diesbezüglichen Veröffentlichungen werden in DIN 2092 genannt, angeführt von den 1936 erschienenen Arbeiten der beiden Amerikaner J. O. Almen und A. Lászió. Kennwerte K

ıD

K1

K2 K3

K4

De Di

Durchmesserverhältnis   ı1 2 1 ı D  2   ıC1  ı  1 ln ı ı1 6 ln ı  1 D    ln ı 3 ı1 D 

ln ı v s u  2 u C C1 t 1 D  C C2 C 2 2

(39.44)

(39.45) (39.46)

(39.47)

0M D 

4E t2 1 s IV D    K4   2 1   K1 De2 ı t     h0 s  C K3  zul  K4  .K2  2K3 /  t 2t (39.56) Federrate R

2

.t =t/   (39.48) 5 l0 t 0 1 l0 t 0 3 3   C   C 4 t t 4 8 t t 8 # "  2 l0 C1 5 C2 D 0 3 (39.49)  1 C1 .t =t/ 32 t C1 D 

(39.52)

4E t2 s   K4  I D  2 1   K1 De2 t     h0 s C K3  zul (39.53)   K4  K2 t 2t 2 4E t s   K4  II D  1  2 K1 De2 t     h0 s (39.54)   K3  zul  K4  K2 t 2t 4E t2 1 s   K4   III D  2 2 1   K1 D e ı t     h0 s   K3  zul  K4  .K2  2K3 /  t 2t (39.55)

K4 D 1 bei Federteller ohne Auflagefläche 0

4E t2 s 3   K4    zul 2 2 1   K1 D e t  

RD

4E t3   K42 1  2 K1 De2 " (  ) # h0 2 h0 s 3  s 2 2  K4  3  C C1 t t t 2 t (39.57)

Federungsarbeit W Federkraft F bei beliebigem Federweg s des Einzeltellers (s1 , s2 ; s3 . . . )

FD

4E t4 s   K42  2 2 1   K1 D e t      h0 h0 s s   C1  K42 t t t 2t

W D

(39.50)

Für Tellerfedern der Gruppe 3 mit Auflagefläche und reduzierter Dicke t 0 ist in allen Gleichungen t durch t 0 und h0 durch h00 D l0  t 0 zu ersetzen. Federkraft FC bei platt gedrückter Tellerfeder (s D h0 )

4E t 3 h0   K42 1  2 K1 De2

(39.51)

4E N D 905:495 mm 2 1  2 N gerechnet werden (Elastizitätsmodul E D 206:000 mm 2 und Poisson-Zahl  D 0;3).

Für Federstahl kann mit dem Faktor

(39.58)

c) Festigkeitsnachweis bei statischer Belastung

! Hinweis

FC D Fh0 D

 2 2E t5 2 s   K 4 1  2 K1 De2 t " #  2 h0 s 2  K4  C1  t 2t

Für diese und die so genannte quasistatische Belastung bei N < 104 Lastspielen wählt man die Tellerfeder aus . Tab. 39.2 so aus, dass die vorhandene größte Federkraft F kleiner ist als die in der Tabelle angegebene zulässige Federkraft F 0;75 bei dem Federweg s0;75 D 0;75  h0 . Die im Querschnitt I auftretende Druckspannung I soll 2400 N=mm2 bei dem Federweg s D 0;75  h0 D s0;75 nicht überschreiten.

d) Nachweis bei schwingender Belastung (Dauerfestigkeit) Grundlage für den Nachweis der Dauer- oder Zeitfestigkeit (siehe Berechnungsbeispiel) sind die in den . Abb. 39.16,

778

Kapitel 39  Federn

mit den Gleichungen (39.54) und (39.55) ermittelt. Diese Werte müssen kleiner sein als die Spannungshubgrenzen in den Dauerfestigkeitsdiagrammen der . Abb. 39.16 bis 39.18 (siehe Beispiel). 39.5.5.4

Berechnungsbeispiel (Nachrechnung) einer Tellerfeder

7 Beispiel Für eine dynamische Belastung mit einer oberen Federkraft F o D 7000 N und einer unteren Federkraft F u D 4000 N wird gewählt: Tellerfeder DIN 2093 – A 50 mit den Werten aus . Tab. 39.2: . Abb. 39.16 Dauer- und Zeitfestigkeitsdiagramm der Tellerfedergruppe 1 mit t < 1;25 mm

Außendurchmesser Tellerdicke Federkraft Federweg Innendurchmesser lichte Tellerhöhe rechn. Druckspannung größte rechn. Zugspannung Länge

De D 50 mm t D 3 mm F0;75 D 12:000 N s0;75 D 0;83 mm Di D 25;4 mm h0 D 1;1 mm 0M D 1250=mm 2 II D 1430 N=mm2 l0 D 4;1 mm

Gesucht: a) maximaler Federweg so b) obere und untere rechnerische Spannung in den gefährdeten Querschnitten nach . Abb. 39.11 c) Schwing-Festigkeitsnachweis für N D 105 Lastspiele Lösung: a) Mit dem Durchmesserverhältnis . Abb. 39.17 Dauer- und Zeitfestigkeitsdiagramm der Tellerfedergruppe 2 mit 1;25 mm  tm  6 mm

39

ıD

De 50 mm D 1;9685 D Di 25;4 mm

werden zuerst die Kennwerte K 1 , K 2 , K 3 , K 4 mit den Gleichungen (39.44) bis (39.47) berechnet: K 1 D 0;688; K 2 D 1;213; K 3 D 1;366; K 4 D 1 (Teller ohne Auflagefläche). Für die bis zur Plananlage durchgedrückte Tellerfeder ist der Federweg sC gleich der lichten Höhe ho am unbelasteten Einzelteller: sC D ho D 1;1 mm. Damit kann die Federkraft F C für die platt gedrückte Tellerfeder nach (39.51) berechnet werden: F C D 15:640 N. Linearer Kennlinienverlauf:

. Abb. 39.18 Dauer- und Zeitfestigkeitsdiagramm der Tellerfedergruppe 3 mit 6 mm < t < 14 mm

39.17 und 39.18 dargestellten Dauerfestigkeitsdiagramme (Goodman-Diagramme). Zur Auswertung werden die vorhandenen rechnerischen oberen und unteren Zugspannungen IIo IIu IIIo IIIu in den Querschnitten II und III

Mit den beiden Größen F C und sC lässt sich bei Annahme eines linearen Kennlinienverlaufs das Federdia-

39

779 39.5  Biegebeanspruchte Metallfedern

gramm zeichnen. Das Diagramm zeigt die Proportion F C =Fo D sC =so . Damit und mit der gegebenen oberen und unteren Federkraft F o D 7000 N und F u D 4000 N lassen sich die zugehörigen Federwege berechnen:

Die Rechnung für die Querschnitte II und III ergibt mit den Gleichungen (39.54) und (39.55) die Zugspannungen:

Fo D 1;1 mm  FC Fu su D sC  D 1;1 mm  FC

IIu D 435 N=mm2

so D sC 

IIo D 794 N=mm2

7000 N D 0;492 mm 15:640 N 4000 N D 0;281 mm 15:640 N

IIIo D 710 N=mm2 IIIu D 418 N=mm2

Zu annähernd gleichen Federwegbeträgen muss die Rechnung führen, wenn anstelle der berechneten Federkraft F C und dem Federweg sC die Federkraft F 0;75 bei s0;75 nach . Tab. 39.2 eingesetzt wird: Fo D 0;83 mm  F0;75 Fu su D s0;75  D 0;83 mm  F0;75 so D s0;75 

c) Die im Schwingspiel auftretende Hubspannung hII im Querschnitt II beträgt hII D Iio  IIu D .794  435/ N=mm2

7000 N D 0;484 mm 12:000 N 4000 N D 0;25 mm 12:000 N

hII D 359 N=mm2 : Aus dem Dauerfestigkeitsdiagramm für Tellerfedern der Gruppe 2 kann mit der vorhandenen Unterspannung IIu D 435 N=mm2 die zulässige Oberspannung o zul D 1160 N=mm2 abgelesen werden. Die Hubfestigkeit ist dann

Die Rechnung ergibt den maximalen Federweg so D 0;492 mm < s0;75 D 0;75  ho D 0;75  1;1 mm s0;75 D 0;825 mm

H D o zul  IIu D .1160  435/ N=mm2

b) Mit den berechneten Federwegen so , su lassen sich die Spannungen in den gefährdeten Querschnitten ermitteln. Die Prüfung im Querschnitt I ist nicht erforderlich, weil

H D 725 N=mm2 Die vorhandene Hubspannung ist mit hII D 359 N=mm2 wesentlich kleiner als die Hubfestigkeit H D 725 N=mm2 der Tellerfeder; der Dauerfestigkeitsnachweis ist erbracht. 9

so D 0;492 mm < s0;75 D 0;75  ho D 0;75  1;1 mm s0;75 D 0;825 mm ist.

. Tabelle 39.2 Original-SCHNORR** Tellerfedern (nach DIN 2093), erweitert bei s D 0;75  h0 Reihe

De

Di

t.t 0 /a

l0

h0

mm

mm

mm

mm

mm

h0 =t

bei s  1;0  h0

F0;75

s0;75

OM

II * , III * OM

N

mm

N=mm2

N=mm2

N=mm2

C

8

4,2

0,2

0,45

0,25

1,25

39

0,19

762

1040

1000

B

8

4,2

0,3

0,55

0,25

0,83

119

0,19

1140

1330

1510

A

8

4,2

0,4

0,6

0,2

0,50

210

0,15

1200

1220

1610

C

10

5,2

0,25

0,55

0,3

1,20

58

0,23

734

980

957

B

10

5,2

0,4

0,7

0,3

0,75

213

0,23

1170

1300

1530

A

10

5,2

0,5

0,75

0,25

0,50

329

0,19

1210

1240

1600

C

12,5

6,2

0,35

0,8

0,45

1,29

152

0,34

944

1280

1250

B

12,5

6,2

0,5

0,85

0,35

0,70

291

0,26

1000

1110

1390

A

12,5

6,2

0,7

1

0,3

0,43

673

0,23

1280

1420

1670

C

14

7,2

0,35

0,8

0,45

1,29

123

0,34

769

1060

1020

B

14

7,2

0,5

0,9

0,4

0,80

279

0,3

970

1100

1290

A

14

7,2

0,8

1,1

0,3

0,38

813

0,23

1190

1340

1550

C

16

8,2

0,4

0,9

0,5

1,25

155

0,38

751

1020

988

B

16

8,2

0,6

1,05

0,45

0,75

412

0,34

1010

1120

1330

A

16

8,2

0,9

1,25

0,35

0,39

1000

0,26

1160

1290

1560

780

Kapitel 39  Federn

. Tabelle 39.2 (Fortsetzung) bei s D 0;75  h0 Reihe

De mm

39

0 a

t.t /

Di mm

mm

l0 mm

h0

h0 =t

mm

F0;75 N

s0;75

bei s  1;0  h0 *

OM

mm

N=mm

II , III 2

N=mm

2

*

OM N=mm2

C

18

9,2

0,45

1,05

0,6

1,33

214

0,45

789

1110

1050

B

18

9,2

0,7

1,2

0,5

0,71

572

0,38

1040

1130

1360

A

18

9,2

1

1,4

0,4

0,40

1250

0,3

1170

1300

1560

C

20

10,2

0,5

1,15

0,65

1,30

254

0,49

772

1070

1020

B

20

10,2

0,8

1,35

0,55

0,69

745

0,41

1030

1110

1390

A

20

10,2

1,1

1,55

0,45

0,41

1530

0,34

1180

1300

1560

C

22,5

11,2

0,6

1,4

0,8

1,33

425

0,6

883

1230

1180

B

22,5

11,2

0,8

1,45

0,65

0,81

710

0,49

962

1080

1280

A

22,5

11,2

1,25

1,75

0,5

0,40

1950

0,38

1170

1320

1530

C

25

12,2

0,7

1,6

0,9

1,29

601

0,68

936

1270

1240

B

25

12,2

0,9

1,6

0,7

0,78

868

0,53

938

1030

1240

A

25

12,2

1,5

2,05

0,55

0,37

2910

0,41

1210

1410

1620

C

28

14,2

0,8

1,8

1

1,25

801

0,75

961

1300

1280

B

28

14,2

1

1,8

0,8

0,80

1110

0,6

961

1090

1280

A

28

14,2

1,5

2,15

0,65

0,43

2850

0,49

1180

1280

1560

C

31,5

16,3

0,8

1,85

1,05

1,31

687

0,79

810

1130

1080

B

31,5

16,3

1,25

2,15

0,9

0,72

1920

0,68

1090

1190

1440

A

31,5

16,3

1,75

2,45

0,7

0,40

3900

0,53

1190

1310

1570

C

35,5

18,3

0,9

2,05

1,15

1,28

831

0,86

779

1080

1040

B

35,5

18,3

1,25

2,25

1

0,80

1700

0,75

944

1070

1260

A

35,5

18,3

2

2,8

0,8

0,40

5190

0,6

1210

1330

1610

C

40

20,4

1

2,3

1,3

1,30

1020

0,98

772

1070

1020

B

40

20,4

1,5

2,65

1,15

0,77

2620

0,86

1020

1130

1360

A

40

20,4

2,25

3,15

0,9

0,40

6540

0,68

1210

1340

1600

C

45

22,4

1,25

2,85

1,6

1,28

1890

1,2

920

1250

1230

B

45

22,4

1,75

3,05

1,3

0,74

3660

0,98

1050

1150

1400

A

45

22,4

2,5

3,5

1

0,40

7720

0,75

1150

1300

1530

C

50

25,4

1,25

2,85

1,6

1,28

1550

1,2

754

1040

1010

B

50

25,4

2

3,4

1,4

0,70

4760

1,05

1060

1140

1410

A

50

25,4

3

4,1

1,1

0,37

12.000

0,83

1250

1430

1660

C

56

28,5

1,5

3,45

1,95

1,30

2620

1,46

879

1220

1170

B

56

28,5

2

3,6

1,6

0,80

4440

1,2

963

1090

1280

A

56

28,5

3

4,3

1,3

0,43

11.400

0,98

1180

1280

1570

C

63

31

1,8

4,15

2,35

1,31

4240

1,76

985

1350

1320

B

63

31

2,5

4,25

1,75

0,70

7180

1,31

1020

1090

1360

A

63

31

3,5

4,9

1,4

0,40

15.000

1,05

1140

1300

1520

C

71

36

2

4,6

2,6

1,30

5140

1,95

971

1340

1300

B

71

36

2,5

4,5

2

0,80

6730

1,5

934

1060

1250

A

71

36

4

5,6

1,6

0,40

20.500

1,2

1200

1330

1590

781 39.5  Biegebeanspruchte Metallfedern

. Tabelle 39.2 (Fortsetzung) bei s D 0;75  h0 Reihe

De

Di

mm

mm

C

80

41

B

80

A

0 a

t.t / mm

l0

h0

h0 =t

mm

mm

2,25

5,2

2,95

1,31

41

3

5,3

2,3

80

41

5

6,7

C

90

46

2,5

B

90

46

A

90

46

C

100

B

F0;75 N

s0;75

bei s  1;0  h0 *

OM

II , III 2

OM N=mm2

mm

N=mm

6610

2,21

982

1370

1310

0,77

10.500

1,73

1030

1140

1360

1,7

0,34

33.700

1,28

1260

1460

1680

5,7

3,2

1,28

7680

2,4

935

1290

1250

3,5

6

2,5

0,71

14.200

1,88

1030

1120

1360

5

7

2

0,40

31.400

1,5

1170

1300

1560

51

2,7

6,2

3,5

1,30

8610

2,63

895

1240

1190

100

51

3,5

6,3

2,8

0,80

13.100

2,1

926

1050

1240

A

100

51

6

8,2

2,2

0,37

48.000

1,65

1250

1420

1660

C

112

57

3

6,9

3,9

1,30

10.500

2,93

882

1220

1170

B

112

57

4

7,2

3,2

0,80

17.800

2,4

963

1090

1280

A

112

57

6

8,5

2,5

0,42

43.800

1,88

1130

1240

1510

C

125

64

3,5

8

4,5

1,29

15.400

3,38

956

1320

1270

B

125

64

5

8,5

3,5

0,70

30.000

2,63

1060

1150

1420

A

125

64

8

10,6

2,6

0,41

85.900

1,95

1280

1330

1710

C

140

72

3,8

8,7

4,9

1,29

17.200

3,68

904

1250

1200

B

140

72

5

9

4

0,80

27.900

3

970

1110

1290

A

140

72

8

11,2

3,2

0,49

85.300

2,4

1260

1280

1680

C

160

82

4,3

9,9

5,6

1,30

21.800

4,2

892

1240

1190

B

160

82

6

10,5

4,5

0,75

41.100

3,38

1000

1110

1330

A

160

82

10

13,5

3,5

0,44

139.000

2,63

1320

1340

1750

C

180

92

4,8

11

6,2

1,29

26.400

4,65

869

1200

1160

B

180

92

6

11,1

5,1

0,85

37.500

3,83

895

1040

1190

A

180

92

10

14

4

0,49

125.000

1180

1200

1580

C

200

102

5,5

12,5

7

1,27

36.100

5,25

910

1250

1210

B

200

102

8

13,6

5,6

0,81

76.400

4,2

1060

1250

1410

A

200

102

12

16,2

4,2

0,44

183.000

3,15

1210

1230

1610

C

225

112

6,5

13,6

7,1

1,19

44.600

5,33

840

1140

1120

B

225

112

8

14,5

6,5

0,93

70.800

4,88

951

1180

1270

A

225

112

12

17

5

0,51

171.000

3,75

1120

1140

1490

C

250

127

7

14,8

7,8

1,21

50.500

5,85

814

1120

1090

B

250

127

10

17

7

0,81

119.000

5,25

1050

1240

1410

A

250

127

14

19,6

5,6

0,50

249.000

4,2

1200

1220

1600

3

N=mm

2

*

De Außendurchmesser, Di Innendurchmesser, t Tellerdicke des Einzeltellers, l0 Bauhöhe des unbelasteten Federtellers, h0 Federweg bis zur Plananlage der Tellerfeder ohne Auflagefläche; lichte Höhe am unbelasteten Einzelteller, F 0;75 Federkraft am Einzelteller bei dem Federweg, s0;75 D 0;75  ho , s0;75 Federweg am Einzelteller bei s D 0;75  h0 , OM b , II c , III Rechnerische Spannungen an den Stellen OM, II, III (. Abb. 39.11) a 0 t ist die verringerte Tellerdicke der Gruppe 3 (Grenzabmaße nach DIN 2093, Abschnitt 6.2) b rechnerische Druckspannung am oberen Mantelpunkt OM (. Abb. 39.11) c größte rechnerische Zugspannung an der Tellerunterseite * Werte gelten für die Stelle II, sonst für die Stelle III (. Abb. 39.11) ** SCHNOOR GmbH, 71069 Sindelfingen

39

782

39.6

Kapitel 39  Federn

Drehbeanspruchte Metallfedern

39.6.1

Drehstabfedern

Verwendete Federstähle siehe . Tab. 39.1. Drahtdurchmesser für kaltgeformte Federn: d D 0;5 0,56 0,63 0,7 0,8 0,9 1,0 1,25 1,4 1,6 1,8 2,0 2,25 2,5 2,8 3,2 3,6 4,0 4,5 5,0 5,6 6,3 7,0 8,0 9,0 10 11 12,5 14 16 mm; für warmgeformte Federn: d D 16 18 20 22,5 25 28 32 36 40 45 50 mm Anwendung sehr vielseitig, z. B. als Ventilfedern, Spannfedern, Achsfedern bei Fahrzeugen, Polsterfedern usw.

Drehstabfedern sind gerade, auf Torsion (Verdrehung) beanspruchte Stäbe mit meist rundem, seltener quadratischem Querschnitt oder auch Bündel von Federbändern. Verwendung bei Kraftfahrzeugen zur Achsfederung 39.6.2.2 Ausführung der Schraubenfedern (. Abb. 39.19), für Drehmoment-Schraubenschlüssel und mit Kreisquerschnitt zur Drehkraftmessung. 1 Zugfedern 1 Berechnung

Genormt nach DIN 2091. Für die durch ein Torsionsmoment M T beanspruchte Stabfeder mit dem Durchmesser d nach . Abb. 39.19 gilt für die Torsionsspannung t D

39

MT D Wp t N mm2

MT  t zul 0;2 d 3 MT d

Richtlinien für die Ausführung siehe DIN 2097. Zugfedern werden allgemein rechtsgewickelt und bis d D 17 mm kaltgeformt mit aneinander liegenden Windungen (Vorspannung). Federn mit d > 17 mm werden warmgeformt, wobei die Windungen einen vom Wickelverhältnis w D Dm =d abhängigen Abstand haben. Ösenformen nach DIN 2097; die gebräuchlichste „ganze deutsche Öse“ zeigt . Abb. 39.20.

(39.59)1 Druckfedern Ausführungsrichtlinien für kaltgeformte Federn mit d  17 mm nach DIN EN 15800, für warmgeformte nach im Abstand l ergibt sich ein Verdrehwinkel DIN 2096. Druckfedern werden normal rechtsgewickelt. ı Die Drahtenden werden bei d > 0;5 mm plan geschliffen 180 MT l  ˛D (. Abb. 39.21).   Ip G Die Windungssteigung ist so zu wählen, dass auch bei ˛ MT l; d G Höchstlast noch ein Mindestabstand zwischen den Windun(39.60) gen vorhanden ist, der vom Drahtdurchmesser d und dem N ı Nmm mm 2 mm Wickelverhältnis w abhängig ist. Die Summe der Mindestabstände Sa errechnet sich bei kaltgeformten Federn nach Zulässige Torsionsspannung t zul und Schubmodul G sie. Tab. 39.3, bei warmgeformten Druckfedern beträgt die he . Tab. 39.1. Mit M T D F r ergibt sich ein Federweg Summe der Mindestabstände nach DIN 2096 Sa  0;17d if . gleich der von F beschriebenen Bogenlänge f D r ˛. DarFür die Festlegung der Bauabmessungen ist die Länge in ist ˛ D MT l=.Ip G/. Für die Federsteifigkeit c gilt bei der Feder bei aneinander liegenden Windungen, die BlockDrehstabfedern c D MT =˛. länge LBl und die Länge der unbelasteten Feder L0 wichtig. Bei kaltgeformten Federn mit plan geschliffenen Enden beträgt: 39.6.2 Schraubenfedern Nmm mm

LBl  .if C 1;5/ d C 0;5 d  ig d 39.6.2.1

Allgemeines

Schraubenfedern als Zug- und Druckfedern sind die am meisten verwendeten Federn. Sie sind als schraubenförmig gewundene Drehstabfedern aufzufassen, meist aus Rund-, seltener aus Quadrat- oder Rechteckstäben hergestellt. . Abb. 39.19 Drehstabfedern mit allgemeinem Maßen

LBl ; d if ; ig mm 1 if Anzahl der federnden Windungen ig Gesamtzahl der Windungen

(39.61)

39

783 39.6  Drehbeanspruchte Metallfedern

. Tabelle 39.3 Ermittlung der Summe der Mindestabstände bei kaltgeformten Druckfedern nach DIN EN 15800 Drahtdurchmesser d in mm

Berechnungsformel für Sa in mm

0,07–0,5

x-Werte in 1=mm bei Wickelverhältnis w 4–6

> 6–8

> 8–12

> 12

Sa D 0;5  d C x  d  if

0,50

0,75

1,00

1,50

über 0,5–1,0

0;4  d C x  d  if

0,20

0,40

0,60

1,00

über 1,0–1,6

0;3  d C x  d  if

0,05

0,15

0,25

0,40

über 1,6–2,5

0;2  d C x  d  if

0,035

0,10

0,20

0,30

über 2,5–4,0

1 C x  d  if

0,02

0,04

0,06

0,10

über 4,0–6,3

1 C x  d  if

0,015

0,03

0,045

0,06

über 6,3–10

1 C x  d2  if

0,01

0,02

0,03

0,04

über 10–17

1 C x  d2  if

0,005

0,01

0,018

0,022

2

2 2 2

2 2

. Abb. 39.20 Ausführung einer Schrauben-Zugfeder . Abb. 39.21 Ausführung einer Schrauben-Druckfeder . Abb. 39.22 Zulässige Torsionsspannung für kaltgeformte Zugfedern aus Federstahldraht und ölvergütetem Federstahl (Kurve a) nach DIN EN 10270

Unter f n ist der Federweg zu verstehen, der zur maximalen Federkraft F n gehört. 39.6.2.3

Bei warmgeformten Federn, deren Enden ausgeschmiedet und geschliffen werden, ist: LBl  .if C 1/d C 0;2d  .ig  0;3/d LBl ; d mm

if ; ig 1

8 F Dm  i zul   d3

i N mm2

F

d; Dm

N

mm

(39.64)

Dm mittlerer Windungsdurchmesser i zul zulässige ideelle Torsionsspannung nach dem Diagramm, . Abb. 39.22

ig Gesamtzahl der Windungen: für (39.61) ig D if C 2 für (39.62) ig D if C 1;5 L0 D LBl C fn C Sa

Die Berechnung ist nach DIN EN 13906-2 genormt. Ohne Berücksichtigung der Spannungserhöhung durch die Drahtkrümmung ergibt sich die ideelle Torsionsspannung i i D

(39.62)

Berechnung der Schrauben-Zugfedern

(39.63)

Überschlägige Ermittlung des Drahtdurchmessers d nach dem Nomogramm, . Abb. 39.24.

784

Kapitel 39  Federn

. Tabelle 39.4 Richtwerte für die innere Torsionsspannung i0 zul für Federstahldraht nach DIN EN 10270 Wickelverhältnis w D

Herstellungsverfahren

kaltgeformt

4–10

10–15

auf Wickelmaschine

0;25i zul

0;14i zul

auf Automat

0;14i zul

0;07i zul

Dm d

Bei Federn, die ohne innere Vorspannung gewickelt sind, ergibt sich der Federweg f fD

8 Dm3 if F G d4

f; Dm ; d

F

mm

N

G N mm2

if 1

(39.65)

if Anzahl der federnden Windungen G Schubmodul des Federwerkstoffs nach . Tab. 39.1 Bei Federn mit innerer Vorspannung ist für F die Differenz F F0 zu setzen. Die zum Öffnen der aneinander liegenden Windungen bei vorgespannten Federn erforderliche innere Vorspannkraft ergibt sich aus G d 4f 8Dm3 if F0 ; F G N N mm2

d; f; Dm mm

if (39.66)

1

Nachweis der inneren Torsionsspannung: i 0 

Wf D

F0 Dm  i0 zul 0;4 d 3

i0 N mm2

F0

Dm ; d

N

mm

(39.67)

Ff .F C F0 /f oder Wf D 2 2 Wf F; F0 f Nmm N mm

(39.70)

Die vorstehende Berechnung gilt für vorwiegend ruhend belastete, kaltgeformte Federn. Bei warmgeformten Federn soll i zul  600 N=mm2 nicht überschreiten. Schwingend belastete Zugfedern sind zu vermeiden, da deren Dauerfestigkeit weit gehend von der Ösenform und deren Übergang zum Federkörper abhängt und nur schwer zu erfassen ist. 39.6.2.4

Berechnung der Schrauben-Druckfedern

Die Berechnung ist wie die der Zugfedern nach DIN EN 13906-2 genormt. Es gelten die gleichen Berechnungsgleichungen, da Zug- und Druckfedern im Federungs- und Festigkeitsverhalten weit gehend übereinstimmen. Die im Folgenden benutzten Formelzeichen stimmen mit denen für die Berechnung der Zugfedern überein. Für überwiegend ruhend belastete Druckfedern gilt für die ideelle Torsionsspannung i 

F0 D F 

39

Bei Federn ohne bzw. mit innerer Vorspannung ist die Federungsarbeit

F Dm  i zul 0;4 d 3

(39.71)

Werte für i zul nach Diagramm, . Abb. 39.23. Überschlägige Ermittlung des Drahtdurchmessers d nach Nomogramm, . Abb. 39.24. Bei überwiegend schwingend belasteten Federn wird unter Berücksichtigung der durch die Drahtkrümmung entstehenden Spannungserhöhung die Torsionsspannung k  k

F Dm  k zul 0;4 d 3

(39.72)

Werte für i0 zul nach . Tab. 39.4 Die Federsteifigkeit c ergibt sich aus cD

F F  F0 G d4 D D f f 8 Dm3 if c N mm

F; F0

f; d; Dm

N

mm

G N mm2

if 1

(39.68)

Die Gesamtzahl der Windungen bei Federn mit aneinander liegenden Windungen wird ig D

LK 1 d

ig 1

LK ; d mm

LK Länge des unbelasteten Federkörpers

(39.69) . Abb. 39.23 Zulässige Torsionsspannung i zul für kaltgeformte Druckfedern aus Federstahldraht und ölvergütetem Federstahl (Kurve a) und ölvergütetem Ventilfederdraht (Kurve b) nach DIN EN 10270

785 39.6  Drehbeanspruchte Metallfedern

. Abb. 39.24 Nomogramm zur Entwurfsberechnung zylindrischer Schrauben-Druckfedern

und die Hubspannung kh  k

F Dm  kH 0;4 d 3

(39.73)

Beiwert k berücksichtigt die Spannungserhöhung durch die Drahtkrümmung; Werte, abhängig vom Wickelverhältnis w D Dm =d nach dem Diagramm, . Abb. 39.25. Werte für k zul und kH nach den Dauerfestigkeitsdiagrammen, . Abb. 39.26, 39.27 und 39.28.

. Abb. 39.25 Beiwert k in Abhängigkeit vom Wickelverhältnis w

39

786

Kapitel 39  Federn

. Abb. 39.26 Dauerfestigkeitsdiagramm für kaltgeformte Druckfedern aus Federstahldraht C. Nicht gestrahlt (ausgezogene Linien), gestrahlt (gestrichelte Linien)

. Abb. 39.28 Dauerfestigkeitsdiagramm für kaltgeformte Druckfedern aus ölvergütetem Ventilfederdraht nach DIN EN 10270. Nicht gestrahlt (ausgezogene Linien), gestrahlt (gestrichelte Linien) . Abb. 39.29 Ausknickung von Schrauben-Druckfedern. Kurve a: für Federn mit geführten Einspannenden, Kurve b: für Federn mit veränderlichen Auflagebedingungen

7 Beispiel

39

. Abb. 39.27 Dauerfestigkeitsdiagramm für kaltgeformte Druckfedern aus ölvergütetem Federstahldraht nach DIN EN 10270. Nicht gestrahlt (ausgezogene Linien), gestrahlt (gestrichelte Linien)

Der Federweg f, die Federsteifigkeit c und die Federungsarbeit W ergeben sich aus: 8 Dm3 if F G d4 F F G d4 cD D D f f 8 Dm3 if Ff W D 2 f D

(39.74) (39.75) (39.76)

Bei längeren Federn ist die Knicksicherheit zu prüfen. Ein seitliches Ausknicken tritt nicht ein, wenn die Kurven im Diagramm . Abb. 39.29 nicht überschritten werden. Maßgebend sind der Schlankheitsgrad L0 =Dm und die Federung (f max =L0 ) 100 in %. Längere Federn sind in einer Hülse oder auf einem Dorn zu führen.

Es ist eine zylindrische Schrauben-Druckfeder (Ventilfeder) mit unbegrenzter Lebensdauer aus ölvergütetem, gestrahltem Ventilfederdraht nach DIN EN 10270 für die Federkräfte F 1 D 350 N, F 2 D 700 N bei einem Hub h ¶ f D 12 mm zu berechnen. Der innere Windungsdurchmesser Di darf 20 mm nicht unterschreiten. Lösung: Berechnung auf Dauerfestigkeit, Belastung: allgemein dynamisch, schwellend. Bei der Betrachtung des Dauerfestigkeitsdiagramms . Abb. 39.28 stellt man fest, dass die ertragbare Hubspannung kH nahezu konstant und von der Vorspannung k1 ¶ kv fast unabhängig ist. kHmax  500 N=mm2 , gewählt: kH D 325 N=mm2 , die Wahl des Wickelverhältnisses w ist für die Größe der Spannungserhöhung an der Innenseite durch dem Faktor k entscheidend; w D Dm =d D 6 ¶ k D 1;27 nach . Abb. 39.25. Mit diesen Voraussetzungen lässt sich der Drahtdurchmesser d nach den Gleichungen (39.72) und (39.73) wie folgt berechnen: Aus k  k

F Dm 0;4 d 3

787 39.6  Drehbeanspruchte Metallfedern

Die Blocklänge der Feder wird nach (39.61):

wird F Dm F 6 d kh  k k  kH zul 3 0;4 d 0;4 d 3 s .700 N  350 N/  6 d  1;27 D 4;53 mm N 0;4  325 mm 2 gewählt: d D 4;5 mm Dm D 6d D 6  4;5 mm D 27 mm; Di D Dm  d D 27 mm  4;5 mm

LB1  ig d D 9;5  4;5 mm D 42;8 mm: Unter Berücksichtigung eines Mindestabstands zwischen den einzelnen Windungen wird die Länge der unbelasteten Feder: L0 D LBl C f2 C Sa I

Sa nach . Tab. 39.3:

Sa  1 C x d if D 1 C 0;015  4;52  7;5 D 3;3 mm 2

L0  42;8 mm C 24;3 mm C 3;3 mm

Dm D 22;5 mm

L0  70;0 mm

Überprüfung auf Dauerhaltbarkeit:

Abschließend ist die Knicksicherheit zu prüfen:

350 N  27 mm N D 329;3 0;4  4;53 mm3 mm2 N F2 N 700 N D 658;6 D k1  D 329;3  F1 mm2 350 N mm2 N N D k2  k1 D 658;6  329;3 mm2 mm2 N D 329;3 mm2

k1  1;27  k2 kh kh

nach . Abb. 39.28 liegen alle Werte im zulässigen Bereich. Festlegung der Federsteifigkeit c, der federnden Windungen if und der Gesamtwindungszahl ig . Nach (39.75) ist: G d4 F D 3 i f 8 Dm f 700 N  350 N N F2  F1 D D 29;17 cD f 12 mm mm cD

N 4 4 83:000 mm G d4 N 2  4;5 mm D D 216;2 3 3 8 Dm mm 8  27 mm3 N 216;2 mm D 7;4 if D N 29;17 mm

cif D

gewählt: if D 7;5 und damit ig D if C 2 D 7;5 C 2 D 9;5 Windungen

70 mm L0 D 2;6 D Dm 27 mm f2 24;3 mm Federung  100 % D 35 %  100 % D L0 70 mm

Schlankheitsgrad

Mit diesen Werten wird keine der Kurven in . Abb. 39.29 erreicht, d. h., die Feder ist knicksicher. 9

Normen (Auswahl) und Richtlinien DIN 2090 Zylindrische Schraubendruckfedern aus Flachstahl, Berechnung DIN 2091 Drehstabfedern mit rundem Querschnitt, Berechnung und Konstruktion DIN 2092 Tellerfedern, Berechnung DIN 2093 Tellerfedern – Qualitätsanforderungen – Maße DIN 2094 Blattfedern für Straßenfahrzeuge – Anforderungen, Prüfung DIN 2097 Zylindrische Schraubenfedern aus runden Drähten, kaltgeformte Zugfedern

nach (39.61). cvorh

N 216;2 mm N D 28;83 D 7;5 mm

DIN EN 13906-1/2 Zylindrische Schraubenfedern aus runden Drähten und Stäben – Berechnung und Konstruktion – Teile 1–3 – Druck-, Zug- und Drehfedern

die endgültigen Federwege betragen: F1 350 Nmm D 12;1 mm D f1 D cvorh 28;83 N F2 700 Nmm D 24;3 mm D f2 D cvorh 28;83 N f  12;2 mm

DIN EN 13906-3 Zylindrische Schraubenfedern aus runden Drähten und Stäben, Berechnung und Konstruktion – Drehfedern DIN EN 15800 Zylindrische Schraubenfedern aus runden Drähten – Gütevorschriften für kaltgeformte Druckfedern

39

40

789

Achsen, Wellen, Zapfen Gert Böge und Wolfgang Böge

40.1

Allgemeines

Achsen dienen zum Tragen und Lagern von Laufrädern, Seilrollen, Hebeln usw. und werden hauptsächlich auf Biegung beansprucht. Sie übertragen kein Drehmoment. Feststehende Achsen werden nur ruhend oder schwellend auf Biegung beansprucht. Sie sind festigkeitsmäßig günstiger als umlaufende Achsen, bei denen die Biegung wechselnd auftritt. Wellen laufen ausschließlich um. Sie übertragen über Riemenscheiben, Zahnräder, Kupplungen usw. Drehmomente, werden also auf Verdrehung und meist zusätzlich auf Biegung beansprucht. Zapfen sind die zum Tragen und Lagern, meist abgesetzten Achsen- und Wellenenden oder auch Einzelelemente (Spurzapfen, Kurbelzapfen).

40.2

Werkstoffe, Normen

Für normal beanspruchte Achsen und Wellen in Getrieben, Hebezeugen, Werkzeugmaschinen usw. werden die Baustähle, DIN EN 10025, z. B. E 335 verwendet; für höhere Beanspruchungen, bei Kraftfahrzeugen, Motoren, Turbinen, schweren Werkzeugmaschinen usw., die Vergütungsstähle, DIN EN 10084, z. B. C 22, 18 CrNiMo 13-4. Gegebenenfalls sind bei der Werkstoffwahl noch zu beachten: Schweißbarkeit, Schmiedbarkeit, Korrosionsverhalten, magnetische Eigenschaften und Lieferform (Blöcke, Stangen), siehe auch Abschnitt Werkstofftechnik.

40.3

Berechnung der Achsen

Beanspruchung auf Biegung; zusätzliche Schubbeanspruchung ist meist gering und wird vernachlässigt. Für die vorhandene Biegespannung b gilt b D

(h9, h11, h12); nach DIN EN 10278 mit Toleranz h8 und DIN EN 10278 mit Toleranz h9; Oberfläche kaltgezogen und geschält oder geschliffen. Stahlwellen, DIN EN 10278, mit Toleranz h9, Oberfläche kaltgezogen und poliert. Bei anderen Toleranzen und teils unbearbeiteter Oberfläche wird warmgewalzter Rundstahl, DIN EN 10278, verwendet. Achsen und Wellen größerer Abmessungen oder besonderer Formen, zum Beispiel Achsen von Kraftfahrzeugen oder Kurbelwellen, werden gepresst, vorgeschmiedet oder auch gegossen.

b N mm2

Mb

W

Nmm mm3

(40.1)

M b Biegemoment; W axiales Widerstandsmoment; mit W  0;1d3 wird der erforderliche Durchmesser d für Vollachsen: s d Mb b zul Mb d 3 (40.2) N 0;1 b zul mm Nmm 2 mm Zulässige Biegespannung b zul je nach Belastungsfall, siehe Festigkeitslehre 40.4

Berechnung der Wellen

40.4.1

Torsionsbeanspruchte Wellen

Reine Torsionsbeanspruchung tritt selten auf, z. B. bei direkt mit einem Motor gekuppelte Wellen von Lüftern oder Kreiselpumpen. Vorhandene Torsionsspannung t D

Normen Rundstähle nach DIN EN 10278 mit Toleranz h10

Mb  b zul W

Mt  t zul Wp

t N mm2

Mt

Wp

Nmm mm3

(40.3)

M t zu übertragendes Torsionsmoment; bei gegebener Leistung P in kW und Drehzahl n in min1 ist M t D 9;55  106 P=n, Wp polares Widerstandsmoment, mit W p  0;2 d3 wird der erforderliche Wellendurchmesser s d Mt t zul Mt d 3 (40.4) N 0;2 t zul mm Nmm 2 mm Zulässige Torsionsspannung t zul je nach Belastungsfall, siehe Festigkeitslehre

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_40

790

40.4.2

Kapitel 40  Achsen, Wellen, Zapfen

Torsions- und biegebeanspruchte Wellen

Gleichzeitige Torsions- und Biegebeanspruchung tritt bei Wellen am häufigsten auf, z. B. bei Wellen mit Zahnrädern, Riemenscheiben und Hebeln. Durch die Zahnrad-, Riemenzug- und sonstigen Kräfte treten Biegespannungen und noch meist vernachlässigbar kleine Schubspannungen auf (. Abb. 40.1). Das Biegemoment ist oft zunächst unbekannt. Der Wellendurchmesser wird dann überschlägig berechnet aus r p 3 P 3 d  c1 Mt  c2 n c1 ; c2 Mt P n d (40.5) mm 1 Nmm kW min1 Beiwerte c1 und c2 sind abhängig von der zulässigen Torsionsspannung; man setzt: c1 0;69 bzw. c2 D 146 bei S235JR, S275JR, c1 D 0;625 bzw. c2 D 133 bei E295, E335 und jeweils vergleichbaren Stählen, c1 D 0;58 bzw. c2 D 123 für Stähle höherer Festigkeit. Nach überschlägiger Berechnung nach (40.5) lassen sich die erforderlichen Abmessungen (Radabstände, Lagerabstände usw.) genügend genau festlegen, und damit die Biegemomente und Biegespannungen ermitteln. Die Welle wird dann auf Biegung und Torsion nachgeprüft. Dabei muss die Vergleichsspannung v sein: q v D b2 C 3 .˛0 t /2  b zul v ; b ;  t N mm2

40

Mv ; Mb ; Mt Nmm

(40.6)

1

˛0 1

Mit M v ergibt sich der Wellendurchmesser s d Mv b zul Mv d 3 N 0;1 b zul mm Nmm mm2 40.4.3

(40.7)

(40.8)

Lange Wellen

Bei langen Wellen, zum Beispiel bei Transmissionswellen und Fahrwerkwellen in Kranen ist meist die Formänderung für die Berechnung maßgebend. Erfahrungsgemäß soll der Verdrehwinkel ' D 0;25ı : : :0;5ı je m Wellenlänge nicht überschreiten. Ein größerer Verdrehwinkel ergibt eine kleine kritische Drehzahl und führt damit leicht zu Schwingungen. Aus der Berechnungsgleichung für den Verdrehwinkel 'D

˛0

180ı l t   0;25ı   rG

(40.9)

d Mt , t D 2 0;2 d 3 der Wellendurchmesser

ergibt sich für ' D 0;25ı , l D 1000 mm, r D

b vorhandene Biegespannung t vorhandene Torsionsspannung Anstrengungsverhältnis ˛0 D

Man setzt ˛0  1;0, wenn b und t im gleichen Belastungsfall (z. B. beide wechselnd) auftreten, ˛0  0;7 wenn b wechselnd und t schwellend oder ruhend auftritt (häufigster Fall). b zul zulässige Biegespannung je nach Belastungsfall, siehe Teil III, Technische Mechanik. Sind Torsionsmoment und Biegemoment bekannt, dann lässt sich der Wellendurchmesser mit dem Vergleichsmoment M v berechnen: q Mv D Mb2 C 0;75 .˛0 Mt /2

N und G D 80:000 mm 2

b zul 1;73 t zul

. Abb. 40.1 Welle mit gleichzeitiger Torsions- und Biegebeanspruchung

r p 4 P 4 d  2;33 Mt  130 n Mt P n d mm Nmm kW min1

(40.10)

M t zu übertragendes Torsionsmoment; P zu übertragende Leistung; n Drehzahl der Welle. Die mit (40.10) berechnete Welle ist auf Festigkeit mit den Gleichungen (40.2) bzw. (40.6) zu prüfen. Die Verwendung eines Stahls hoher Festigkeit zum Erreichen eines kleineren Verdrehwinkels bringt keinen Gewinn, da die Formänderung vom Schubmodul G abhängig ist, der für alle Stähle annähernd gleich groß ist. Der Lagerabstand bei langen Wellen wird erfahrungsgemäß gewählt: p la  300 d in mm, d Wellendurchmesser in mm

791 40.7  Gestaltung

. Abb. 40.2 Rechnerischer Wellendurchmesser

. Abb. 40.4 Wellenzapfen, a biegebeansprucht, b torsions- und biegebeansprucht, c torsionsbeansprucht

40.5

Auszuführende Achsenund Wellendurchmesser

Die endgültigen Durchmesser der nach vorstehenden Gleichungen berechneten Achsen und Wellen sind nach Normzahlen (7 Kap. 34, . Tab. 34.2) festzulegen. Dabei sind genormte Abmessungen von Lagern, Stellringen, Dichtungen usw. sowie etwaige Nuten, Eindrehungen und sonstige Querschnittsverminderungen zu berücksichtigen. Der endgültige Durchmesser ist so zu wählen, dass nach Abzug der zugehörigen Nut- und Eindrehungstiefen der berechnete Durchmesser als „Kerndurchmesser“ übrigbleibt (. Abb. 40.2). Wellennuttiefe t1 nach 7 Kap. 41, . Tab. 41.8. 40.6 40.6.1

Berechnung der Zapfen Achszapfen

40.6.2

Die zur Lagerung dienenden Wellenzapfen (Lagerzapfen, . Abb. 40.4a) werden fast ausschließlich wechselnd auf Biegung beansprucht; Berechnung wie Achszapfen nach (40.11). Antriebszapfen nach . Abb. 40.4b werden auf Biegung und Verdrehung beansprucht; für den gefährdeten Querschnitt A–B ist die Vergleichsspannung sinngemäß nach (40.6) nachzuprüfen. Antriebszapfen nach . Abb. 40.4c übertragen nur ein Drehmoment; gefährdete Querschnitte sind A–B und C–D; Nachprüfung auf Verdrehung sinngemäß nach (40.3) praktisch nur für den nutgeschwächten Querschnitt C–D. Normen Zylindrische Wellenenden nach DIN 748 (. Abb. 40.5); kegelige Wellenenden mit langem Kegel (1 : 10) und Gewindezapfen DIN 1448, mit kurzem Kegel und Gewindezapfen nach DIN 1448.

40.7

Achszapfen werden auf Biegung beansprucht, und zwar Lagerzapfen umlaufender Achsen wechselnd, Tragzapfen feststehender Achsen ruhend oder schwellend. Zapfendurchmesser werden meist konstruktiv festgelegt und dann nachgeprüft. Für den gefährdeten Querschnitt A–B (. Abb. 40.3) muss die Biegespannung b sein: l F Mb 2  b D D b zul W 0;1d13

b F l; d1 (40.11) N N mm mm2 b zul zulässige Biegespannung je nach Belastungsfall, siehe Abschnitt Festigkeitslehre. . Abb. 40.3 Achszapfen

Wellenzapfen

40.7.1

Gestaltung Allgemeine Richtlinien

Gedrängte Bauweise mit kleinen Rad- und Lagerabständen anstreben, dadurch kleine Biegemomente und kleinere Wellendurchmesser. Zapfenübergänge gut runden: r  d=10 : : : d=20 (. Abb. 40.6a). Nuten nicht bis an Übergänge heranführen (Kerbwirkung). Festigkeitsmäßig am günstigsten sind Korbbogen-Übergänge: r  d=20, R  d=5 (. Abb. 40.6b). Bei geschliffenen Flächen Freistiche vorsehen (. Abb. 40.6c, d). Räder und Scheiben gegen axiales Verschieben durch Distanzhüllen oder Wellenschultern sichern (. Abb. 40.7a, b), nicht durch Sicherungsringe (Kerbwirkung). Nuten immer kürzer als Naben (Abstand a). Möglichst Fertigwellen verwenden (siehe 7 Abschn. 40.2), um Bearbeitung zu ersparen. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Normen für den Entwurf einer Getriebewelle zeigt . Abb. 40.9.

40

792

Kapitel 40  Achsen, Wellen, Zapfen

. Abb. 40.5 Zylindrische Wellenenden nach DIN 748 (Maße in mm)

kleinere Drehmomente Ausführung mit Kugelgelenken (. Abb. 40.10a, b). Richtige Anordnung der Gelenke beachten (. Abb. 40.10c), um ungleichförmigen Lauf der Abtriebswelle zu vermeiden. Zum Verbinden zweier zueinander geneigter Wellen dienen Doppelgelenke (. Abb. 40.11). Das Zwischenglied hat dabei die Funktion der Zwischenwelle. Normen Einfach- und Doppel-Kreuzgelenke mit Ablenkwinkel bis 45ı bzw. 90ı für allgemeine Zwecke; Wellengelenke, DIN 808, vorwiegend für Werkzeugmaschinen. Ausführung ähnlich den in . Abb. 40.10 dargestellten.

. Abb. 40.6 Gestaltung der Zapfenübergänge, a normaler Übergang, b Korbbogenübergang, c und d Freistiche 1 Biegsame Wellen

Anwendung hauptsächlich zum Antrieb ortsveränderlicher Elektrowerkzeuge mit kleineren Leistungen (. Abb. 40.12). Schraubenförmig in mehreren Lagen gewickelte Stahldrähte (1) sind vielfach noch durch gewundenen Flachstahl (2) verstärkt und von beweglichem Metallschutzschlauch (3) umhüllt.

40

7 Beispiel Der Durchmesser der Antriebswelle eines Becherwerks (. Abb. 40.13) ist zu berechnen.

. Abb. 40.7 Fixierung von Rädern und Scheiben a durch Distanzhülsen, b durch Wellenschultern

40.7.2

Sonderausführungen

Antriebsleistung Drehzahl Gurtscheibendurchmesser Lagerabstand Zugkraft im aufsteigenden Trum Zugkraft im absteigenden Trum Welle aus Stahl E295

P D 6;6 kW n D 80 min1 DS D 800 mm la D 580 mm F1 D 12:000 N F 2 D 10:000 N

1 Gelenkwellen

Anwendung zum Verbinden von nicht fluchtenden, in der Lage veränderlichen Wellenteilen, z. B. bei Fräsmaschinen, Mehrspindelbohrmaschinen, Kraftfahrzeugen. Für

Lösung: Die Welle wird schwellend auf Verdrehung und wechselnd auf Biegung beansprucht. Drehmoment und Biegemoment können bestimmt werden, Berechnung daher mit

793 40.7  Gestaltung

. Abb. 40.8 Sicherungsringe für Wellen und Bohrungen

dem Vergleichsmoment nach (40.7): q Mv D Mb2 C 0;75 .˛0 Mt /2 Maximales Biegemoment tritt in der Mitte der Gurtscheibe auf. Scheibenkraft F D F1 C F2 D 12:000 N C 10:000 N D 22:000 N Lagerkräfte FA D FB D F=2 D 11:000 N .. Abb. 40.14/ Hiermit ist Mb D FA la =2 D 11:000 N  290 mm D 319  104 Nmm

Drehmoment M D 9;55  106 P=n D 78;8  104 Nmm M D Torsionsmoment Mt Anstrengungsverhältnis ˛0  0;7 für M b wechselnd und M t schwellend. Damit wird q Mv D .319  104 Nmm/2 C 0;75 .0;7  78;8  104 Nmm/2 Mv D 322;6  104 Nmm Hiermit der Wellendurchmesser nach (40.8): s Mv dD 3 0;1 b zul

40

794

Kapitel 40  Achsen, Wellen, Zapfen

. Abb. 40.12 Biegsame Welle mit Metallschutzschlauch

. Abb. 40.13 Antriebswelle eines Becherwerks

. Abb. 40.14 Kräfte an der Antriebswelle

Zulässige Biegespannung bei dynamischer Belastung und bekannter Kerbwirkung: . Abb. 40.9 Zusammenstellung wichtiger Normen für den Konstruktionsentwurf einer Getriebewelle

b zul D

bW D D b1 b2 v ˇk v

Für E295 nach Biege-Dauerfestigkeits-Diagramm: bW D 260 N=mm2 ; Sicherheit v D 1;5 gewählt; Oberflächenbeiwert für gezogene (entspricht etwa geschliffene) Oberfläche: b1  0;9; Größenbeiwert für geschätzten Durchmesser  80 mm: b2  0;75; Kerbwirkungszahl für Passfedernut: ˇk  1;7; damit wird

40

b zul D

260

N mm2

1;7  1;5

 0;9  0;75 D 68;8

N mm2

und hiermit s 322;6  104 Nmm  78 mm dD 3 N 0;1  68;8 mm 2

. Abb. 40.10 Gelenkwelle a mit Kugelgelenken, b Kreuzgelenk, c falsche und richtige Anordnung der Gelenke . Abb. 40.11 Doppel-Gelenk

Unter Berücksichtigung der Nuttiefe wird d D 90 mm gewählt. Hierfür beträgt die Nuttiefe nach 7 Kap. 41, . Tab. 41.3: t1 D 9 mm. Der „Kerndurchmesser“ wird damit: d  t1 D 90 mm  9 mm D 81 mm > 78 mm (rechnerischer Durchmesser) 9

40

795 40.8  Tragfähigkeit für Wellen und Achsen

Tragfähigkeit für Wellen und Achsen

40.8

Schäden an Wellen und Achsen werden hauptsächlich hervorgerufen durch Dauerbrüche, also Ermüdungs- und Schwingungsbrüche. Um solche Schäden möglichst auszuschließen, sollte neben der konstruktiven Gestaltung und der Dimensionierung von Wellen und Achsen nach dem Nennspannungsprinzip die Berechnung der Sicherheiten gegen das Auftreten von Dauerbrüchen und gegen bleibende Verformung bzw. Anriss durchgeführt werden. Die Tragfähigkeitsberechnung nach DIN 743 gliedert sich auf in zwei Sicherheitsnachweise: Den Nachweis der rechnerischen Sicherheit gegen Überschreiten der Dauerfestigkeit und den Nachweis der rechnerischen Sicherheit gegen Überschreiten der Fließgrenze. Für beide Sicherheitsnachweise muss die rechnerische Sicherheit S gleich oder größer der Mindestsicherheit Smin sein. Bei der Dimensionierung von Wellen und Achsen beträgt die anzunehmende Mindestsicherheit Smin D 1;2. Mögliche Unsicherheiten in der Größe und der Art der Belastung erhöhen die Mindestsicherheit. Rechnerische Sicherheit S: S > Smin

40.8.1

Sicherheitsnachweis gegen Überschreitung der Dauerfestigkeit

Treten bei Wellen und Achsen die Beanspruchungen Zug, Druck, Biegung und Torsion gleichzeitig auf, errechnet sich die Sicherheit gegen Überschreiten der Dauerfestigkeit aus der Gleichung: 1

S D s

z;d z;dADK

S 1

z;d N mm2

C

b N mm2

b bADK t N mm2



2 C

2

t

(40.12)

tADK

z;dADK N mm2

bADK N mm2

tADK N mm2

z;d , b , t vorhandene Zug-, Druck-, Biege- und Torsionsspannungen z;dADK , bADK , tADK Gestalt- oder Bauteil-Ausschlagfestigkeit Die Indizes und  fassen jeweils die Beanspruchungen Zug, Druck, Biegung ( ) bzw. Abscheren und Torsion () zusammen. Bei reiner Biegebeanspruchung wird die Sicherheit S: SD

bADK b

S 1

b N mm2

bADK N mm2

(40.13)

Bei reiner Torsionsbeanspruchung wird die Sicherheit S: SD 40.8.1.1

tADK t

S 1

t N mm2

tADK N mm2

(40.14)

Ermittlung der Gestaltfestigkeit

Die Gestaltfestigkeitswerte z;dADK , bADK , tADK für Wellen und Achsen errechnen sich aus der Festigkeit glatter Probestäbe. Die Gestaltfestigkeit gibt die höchste ertragbare Spannung einer Welle oder Achse an. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:

Technologischer Größeneinflussfaktor Dieser Faktor berücksichtigt, dass die Streckgrenze und Ermüdungsfestigkeit beim Vergüten oder Einsatzhärten mit steigendem Durchmesser deff abnimmt (deff ist der für die Wärmebehandlung maßgebende Durchmesser; deff D d C Schleifaufmaß). Für Nitrierstähle und die Zugfestigkeit allgemeiner und höherfester Baustähle (nicht vergütet) errechnet sich K1 aus:   deff K1 deff (40.15) K1 D 1  0;23  lg 1 mm 100 mm Für die Streckgrenze allgemeiner und höherfester Baustähle im nicht vergüteten Zustand:   deff K1 deff ; dB (40.16) K1 D 1  0;26  lg 1 mm 2  dB dB Probestab-Bezugsdurchmesser, dB D 16 mm Für Vergütungsstähle und Baustähle im vergüteten Zustand, CrNiMo-Einsatzstähle im gehärteten Zustand:   deff K1 deff ; dB (40.17) K1 D 1  0;26  lg 1 mm dB Für Einsatzstähle im gehärteten Zustand außer CrNiMoEinsatzstähle:   deff K1 deff ; dB (40.18) K1 D 1  0;41  lg 1 mm dB

Geometrischer Einflussfaktor Dieser Faktor berücksichtigt, dass bei größer werdendem Durchmesser die Biegewechselfestigkeit in die Zug/Druckwechselfestigkeit übergeht und die Torsionswechselfestigkeit sinkt. Für die Zug- und Druckbeanspruchung ist K 2 D 1. Für Biegungs- und Torsionsbeanspruchungen berechnet sich K 2 aus:   d lg K2 d 7;5 mm (40.19) K2 D 1  0;2  1 mm lg 20 Bei Kreisringquerschnitten ist d der Außendurchmesser.

796

Kapitel 40  Achsen, Wellen, Zapfen

Einflussfaktor der Oberflächenrauheit

Für Torsionsbeanspruchung gilt:

Dieser Faktor berücksichtigt den Einfluss der OberflächenRauheit auf die Dauerfestigkeit von Wellen und Achsen. Für die Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung gilt: ! #  "  Rm Rz  lg KF D 1  0;22  lg 1 N *m 20 mm 2 KF ; KF 1

Rm N mm2

Rm Zugfestigkeit, Rm  2000 Rz gemittelte Rautiefe

Rz *m

(40.20)

 K D

 ˇ 1 1 C 1  K2 KF KV

Mit den Gleichungen für die Bauteil-Wechselfestigkeiten z;d;bWK und tWK können nun die Gleichungen für die Gestaltfestigkeit definiert werden: Bauteil-Wechselfestigkeit für Zug- und Druckbeanspruchung z;dWK : z;dWK D

N mm2

(40.25)

0;4  Rm  K1 K

(40.26)

Bauteil-Wechselfestigkeit für Biegebeanspruchung bWK : Für die Torsionsbeanspruchung gilt: KF D 0;575KF C 0;425

(40.21)

0;5  Rm  K1 K z;dWK ; bWK N mm2

bWK D

Einflussfaktor der Oberflächenverfestigung Dieser Faktor berücksichtigt in Abhängigkeit vom Wellenbzw. Achsendurchmesser bei einem gekerbten Probestab Veränderungen von Spannung und Härte, z. B. durch Nitrieren oder Kugelstrahlen, an der Wellen- oder Achsenoberfläche (siehe DIN 743-2). 2Nitrieren

Für d D 8 mm bis 25 mm: KV D 1;15: : :1;25 Für d D 25 mm bis 40 mm: KV D 1;10: : :1;15

2Einsatzhärten

Für d D 8 mm bis 25 mm: KV D 1;20: : :2;10 Für d D 25 mm bis 40 mm: KV D 1;10: : :1;50

2Kugelstrahlen

40

Für d D 8 mm bis 25 mm: KV D 1;10: : :1;30 Für d D 25 mm bis 40 mm: KV D 1;10: : :1;20

1 Einflussfaktor Kerbwirkung

Richtwerte für Kerbwirkungszahlen siehe Festigkeitslehre. Genauere und umfangreichere Werte in DIN 743-2. Kerbwirkungszahlen für Welle-Nabe-Verbindungen werden errechnet aus !0;38 ˇ ; Rm Rm ˇ  3;0  (40.22) N N 1000 mm 1 2 2 mm ˇ  0;56  ˇ C 0;1 (40.23) Aus den vier Einflussfaktoren K V , K 2 , K F und ˇ wird je nach Beanspruchungsart ein Gesamteinflussfaktor K ; gebildet. Für Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung gilt:   ˇ 1 1 C 1  (40.24) K D K2 KF KV

Bauteil-Wechselfestigkeit tWK :

Rm N mm2 für

K1 ; K ; (40.27)

1

Torsionsbeanspruchung

0;3  Rm  K1 K

tWK D

(40.28)

Bei der Berechnung der Bauteil-Wechselfestigkeit ist der Größeneinflussfaktor K 1 nach (40.15) zu bestimmen. Die Gestaltfestigkeit (Gleichungen (40.34) bis (40.36)) ergibt sich als Funktion aus der Bauteil-Wechselfestigkeit (Gleichungen (40.26) bis (40.28)), den Einflussfaktoren der Mittelspannungsempfindlichkeit z;d;b;K nach den Gleichungen (40.29) bis (40.31) und der Vergleichsmittelspannung mv bzw. mv nach den Gleichungen (40.32) und (40.33). Faktor der Mittelspannungsempfindlichkeit für die Zugund Druckbeanspruchung z;dK : z;d;K

z;dWK 2  K1  Rm  z;dWK Rm K1 ; K ; ; z;dWK ; bWK N N 1 mm2 mm2

D

(40.29) z;d;b;K

Faktor der Mittelspannungsempfindlichkeit für die Biegebeanspruchung bK : b;K

D

bWK 2  K1  Rm  bWK

(40.30)

Faktor der Mittelspannungsempfindlichkeit für die Torsionsbeanspruchung K : tK

D

tWK 2  K1  Rm  WK

(40.31)

40

797 40.8  Tragfähigkeit für Wellen und Achsen

Die Vergleichsmittelspannung mv bzw. mv ergibt sich als Funktion aus der Bauteil-Fließgrenze und der Mittelspannungsempfindlichkeit. Vergleichsmittelspannung mv : mv D

.K1  K2F  F  Re /  z;d;bWK 1  z;d;bWK

Vergleichsmittelspannung mv p .K1  K2F  F  Re / = 3  tWK mv D 1  tWK

(40.32)

Ermittlung der Bauteil-Fließgrenze

40.8.2.1

Da man nicht davon ausgehen kann, dass die auf das konkrete Bauteil bezogene Streckgrenze bekannt ist, kann die Bauteil-Fließgrenze aus der für den verwendeten Werkstoff abgeleiteten Streckgrenze Re bzw. Rp0;2 und einem Größenfaktor K1 bestimmt werden. Bauteil-Fließgrenze für die Zug-, Druck- und Biegebeanspruchung z;bFK : z;b;dFK D K1  K2F  F  Re

(40.33)

(40.40)

Bauteil-Fließgrenze für die Torsionsbeanspruchung  t K 1 Technologischer Größeneinflussfaktor nach (40.16) K 2F Faktor für die statische Stützwirkung; bei einer Vollwelle für Biegung und Torsion ist K 2F D 1;2, bei einer Hohlwelle für Biegung und Torsion ist K 2F D 1;05 F Erhöhungsfaktor der Fließgrenze Re ; für Biegebeanspruchung ist F D 1;1, für Torsionsbeanspruchung ist F D 1;0 Gestaltfestigkeit für die Zug- und Druckbeanspruchung z;d;ADK : z;d;ADK D z;dWK 

z;dK

 mv

bK

 mv

tK

K1 K1F

F

(40.35)

Gestaltfestigkeit für die Torsionsbeanspruchung tADK : tADK D tWK 

tFK D

(40.34)

Gestaltfestigkeit für die Biegebeanspruchung bADK : bdADK D bWK 

.K1  K2  F  Re / p 3 Re K1 ; K2F ; F z;d;bFK ; t FK N N 1 mm2 mm2

 mv

(40.36)

FK :

Re

(40.41)

Technologischer Größeneinflussfaktor K1 nach (40.16) Faktor für die statische Stützwirkung; bei einer Vollwelle, beansprucht auf Biegung und Torsion, ist K2F D 1;2, bei einer Hohlwelle beansprucht auf Biegung und Torsion, ist K2F D 1;05 Erhöhungsfaktor der Fließgrenze Re , für Biegebeanspruchung ist F D 1;1, für Torsionsbeanspruchung ist F D 1;0 Streckgrenze nach DIN 743-3. Bei gehärteter Randschicht gelten die Werte für den weicheren Kern

7 Beispiel

40.8.2

Sicherheitsnachweis gegen Überschreitung der Fließgrenze

Treten Zug-, Druck-, Biege- und Torsionsbeanspruchungen gleichzeitig auf, ergibt sich die vorhandene Sicherheit S aus: 1 S D s (40.37)    t max 2 z;d max b max 2 C C z;dFK bFK tFK z;dmax , bmax , tmax vorhandene Maximalspannungen infolge der Betriebsbelastung. z;dFK , bFK , tFK Bauteil-Fließgrenze für die jeweilige Beanspruchung. Bei reiner Biegebeanspruchung wird die Sicherheit S: bmax bFK (40.38) N N 1 2 2 mm mm Bei reiner Torsionsbeanspruchung wird die Sicherheit S: SD

SD

bFK bmax

t FK t max

S

S 1

t max N mm2

t FK N mm2

(40.39)

Für das Beispiel der Berechnung der Antriebswelle eines Becherwerks (7 Abschn. 40.7.2) sollen die Sicherheiten gegen Überschreiten der Dauerfestigkeit und der Fließgrenze ermittelt werden. Wellenwerkstoff E295 mit Rm D 490

N mm2

und

Re D 295

N mm2

nicht vergütet; errechneter Wellendurchmesser deff D d D 90 mm (keine Wärmebehandlung vorgesehen) Nuttiefe t1 D 9 mm Oberflächenrauheit Rz D 6;3 *m Beanspruchungsarten Biegung und Torsion Ermittlung der Sicherheit gegen Überschreiten der Dauerfestigkeit 1. Schritt – Berechnung des Größeneinflussfaktors K 1 nach (40.15): 

 deff K1 D 1  0;23  lg 100 mm   90 mm K1 D 1  0;23  lg D 1;011  1 100 mm

Kapitel 40  Achsen, Wellen, Zapfen

798

2. Schritt – Berechnung des geometrischen Einflussfaktors K 2 nach (40.19):  lg K2 D 1  0;2 

d 7;5 mm lg 20



 lg D 1  0;2 

90 mm 7;5 mm lg 20

8. Schritt – Berechnung des Faktors der Mittelspannungsempfindlichkeit b;tK nach den Gleichungen (40.30) und (40.31):

 bK

D

bK

D

K2 D 0;834 tK

3. Schritt – Ermittlung des Einflussfaktors der Oberflächenverfestigung K V : Da die Antriebswelle des Becherwerks nicht oberflächenbehandelt wird, entfällt K V .KV D 1 gesetzt/. 4. Schritt – Ermittlung des Einflussfaktors der Oberflächenrauheit K F nach (40.20) und (40.21): ! #  " Rm Rz  1  lg D 1  0;22  lg N *m 20 mm 2 ! # "   N 490 6;3 —m mm2 D 1  0;22  lg 1  lg N *m 20 mm 2 

KF KF

tK

mv D mv D

KF D 0;575  KF C 0;425 KF D 0;575  0;93 C 0;425 D 0; 96

mv

5. Schritt – Ermittlung des Einflussfaktors Kerbwirkung ˇ für Welle-Nabe-Verbindungen nach den Gleichungen (40.22) und (40.23):

ˇ  3;0 

Rm N 1000 mm 2

ˇ  3;0 

N mm2 N 1000 mm 2

490

!0;38

K K

 ˇ 1 1 D C 1  K2 KF KV   1 1 2;3 C  1  D 2;83 D 0;834 0;93 1   ˇ 1 1 D C 1  K2 KF KV   1 1 1;4 C  1  D 1;72 D 0;834 0;96 1

tWK

.K1  K2F  F  Re /  z;d;b;WK 1  z;d;bWK

N 1  1;2  1;1  295 mm 2  86;6

N mm2

D 336

N mm2

D 155

N mm2

N mm2

319  104 Nmm Mb N D D 43;8 3 3 W 0;1  90 mm mm2 4 Mt 78;8  10 Nmm N D D D 5;4 Wp 0;2  903 mm3 mm2

1 0;5  490 0;5  Rm  K1 D 86;6 D K 2;83 N 0;3  490 mm 0;3  Rm  K1 2 1 D 85;5 D D K 1;72 N mm2

11. Schritt – Berechnung der Gestaltfestigkeiten für Biegeund Torsionsbeanspruchung bADK und tADK nach den Gleichungen (40.35) und (40.36): bADK D bWK  bWK  mw N bADK D 86;6  0;1  336 mm2 tADK D tWK  tWK  mw N tADK D 85;5  0;1  132 mm2

N N D 53 2 mm mm2 N N D 72;3 mm2 mm2

12. Schritt – Berechnung der vorhandenen Sicherheit S nach (40.12)

7. Schritt – Berechnung der Bauteil-Wechselfestigkeit bWK und tWK nach den Gleichungen (40.27) und (40.28): bWK D

D 0;1

10. Schritt – Berechnung der tatsächlich wirkenden Biegeund Torsionsspannungen vorh und tvorth nach den Gleichungen (40.1) und (40.3):

tvorth

D 2;3



K

N mm2

D 0;1

vorh D

6. Schritt – Ermittlung des Gesamteinflussfaktors K ; nach den Gleichungen (40.24) und (40.25): K

N mm2

1  0;1 .K1  K2F  F  Re /  tWK p 3 D 1  tWK

N 1  1;2  1;1  295 mm 2  85;5 p 3 D 1  0;1

!0;38

ˇ D 0;56  2;3 C 0;1 D 1;4

40

N 2  1  490 mm 2  86;6 tWK D 2  K1  Rm  tWK N 85;5 mm 2 D N 2  1  490 mm2  85;5

9. Schritt – Berechnung der Vergleichsmittelspannungen mv und mv nach den Gleichungen (40.32) und (40.33):

mv

KF D 0;93

bWK 2  K1  Rm  bWK N 86;6 mm 2

N mm2 N mm2

S D s

1 2  2 t b C bADK tADK

1 SD v !2 u u 43;8 N 2 mm t C N 53 mm 2 S D 1;21 > Smin D 1;2

N mm2 N 72;3 mm 2

5;4

!2 D 1;21

.siehe 7 Abschn. 40.8/

799 40.8  Tragfähigkeit für Wellen und Achsen

Ermittlung der Sicherheit gegen Überschreiten der BauteilFließgrenze Smin D 3 (Vereinbarung) 1. Schritt – Berechnung der Bauteil-Fließgrenze für Biege- und Torsionsbeanspruchung bFK und tFK nach den Gleichungen (40.40) und (40.41): bFK D K1  K2F  F  Re D 1  1;2  1;1  295

N mm2

N mm2 1  1;2  1  295 .K1  K2F  F  Re / D D p p 3 3 N D 204;4 mm2

Normen (Auswahl) und Richtlinien DIN 250 Radien DIN 509 Technische Zeichnungen – Freistiche DIN 743-1 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Grundlagen

bFK D 389;4 tFK tFK

N mm2

2. Schritt – Berechnung der vorhandenen Sicherheit S nach (40.37): S D s

SD v u u t

1 b max z;d max C z;dFK bFK N mm2 N 389;4 mm 2

43;8

1 !2 C

S D 8;65 > Smin D 3 9



2 C

t max tFK

N mm2 N 204;4 mm 2

5;4

2

!2 D 8;65

DIN 743-2 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Kerbwirkungs- und Formzahlen DIN 743-3 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Werkstoff-Festigkeitswerte DIN 743-4 Tragfähigkeitsberechnung von Wellen und Achsen – Zeitfestigkeit, Dauerfestigkeit DIN 748-1 Zylindrische Wellenenden – Abmessungen, Nenndrehmomente DIN 1448 Keglige Wellenenden mit Außengewinde – Abmessungen DIN 1449 Keglige Wellenenden mit Innengewinde – Abmessungen VDI 3840 Schwingungstechnische Berechnungen – Berechnungen für Maschinensätze

40

801

Nabenverbindungen Gert Böge und Wolfgang Böge

41.1

Übersicht

Die Hauptaufgabe einer Welle ist das Weiterleiten von Drehmomenten. Das geschieht über aufgesetzte Maschinenelemente wie Zahnräder, Riemenscheiben, Kupplungsscheiben, Hebel aller Art und andere Bauteile. Das Verbindungssystem zwischen der Welle und dem angeschlossenen Maschinenelement zur Weiterleitung des Drehmoments heißt Nabenverbindung. Die Nabe ist der Teil des Zahnrads, der Scheibe oder des Hebels, der die Drehmomentenübernahme von der Welle zu gewährleisten hat. Technische Bauteile können Kräfte und Drehmomente durch den Reibungseffekt zwischen festen Körpern, durch das Ineinandergreifen der beteiligten Bauteile oder durch einen verbindenden Stoff erhalten (Klebstoffe aller Art). Werden die Klebverbindungen außer Acht gelassen, kann man die Vielzahl der inzwischen gängigen Elemente zum

Verbinden von Welle und Nabe in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe umfasst alle Nabenverbindungen, die durch Haftreibung zwischen Welle und Nabe das zu übertragende Drehmoment weiterleiten. Das sind die kraftschlüssigen oder reibungsschlüssigen Verbindungen. Zur zweiten Gruppe gehören diejenigen Nabenverbindungen, bei denen Welle und angeschlossenes Bauteil ineinander greifen. Das sind die formschlüssigen Verbindungen. Die bekanntesten kraftschlüssigen Nabenverbindungen sind: zylindrische oder keglige Pressverbindungen (Presssitzverbindungen), Klemmsitzverbindungen, Keilsitzverbindungen und Spannverbindungen. Zu den formschlüssigen Nabenverbindungen gehören: Stiftverbindungen, Passfederverbindungen und Profilwellenverbindungen. Eine Übersicht mit Anwendungsbeispielen geben die . Tab. 41.1 und 41.2.

. Tabelle 41.1 Kraftschlüssige (reibungsschlüssige) Nabenverbindungen (Beispiele) Hauptvorteil: Spielfreie Übertragung wechselnder Drehmomente Pressverband (Presssitzverbindung)

Vorwiegend für nicht zu lösende Verbindung und zur Aufnahme großer, wechselnder und stoßartiger Drehmomente und Axialkräfte: Verbindungsbeispiele: Riemenscheiben, Zahnräder, Kupplungen, Schwungräder im Großmaschinenbau, aber auch in der Feinwerktechnik. Ausführung als Längs- und Querpressverband (Schrumpfverbindung). Besonders wirtschaftliche Verbindungsart.

Leicht lösbare und in Drehrichtung nachstellbare Verbindung auf dem Wellenende zur Aufnahme großer, wechselnder und stoßartiger Drehmomente. Verbindungsbeispiele: Wie beim zylindrischen Pressverband, außerdem bei Werkzeugen, in den Spindeln von Werkzeugmaschinen und bei Wälzlagern mit Spannhülse und Abziehhülse. Wegen der Herstellwerkzeuge und der Lehren möglichst genormte Kegel verwenden (siehe keglige Wellenenden mit Kegel 1 : 10). Die Naben werden durch Schrauben oder Muttern aufgepresst, die Werkzeuge durch die Axialkraft beim Fertigen (zum Beispiel Bohrer). Kegelbuchsen sind meist geschlitzt

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_41

41

802

Kapitel 41  Nabenverbindungen

. Tabelle 41.1 (Fortsetzung) Hauptvorteil: Spielfreie Übertragung wechselnder Drehmomente Klemmsitzverbindung

Leicht lösbare und in Längs- und Drehrichtung nachstellbare Verbindung zur Aufnahme wechselnder kleinerer Drehmomente. Bei größerer Drehmomentenaufnahme werden zusätzlich Passfedern oder Tangentenkeile angebracht. Verbindungsbeispiele: Riemen- und Gurtscheiben, Hebel auf glatten Wellen. Die Nabe ist geschlitzt oder geteilt

Keilsitzverbindung

Lösbare Verbindung zur Aufnahme wechselnder Drehmomente. Kleinere Drehmomentenaufnahme beim Flach- und Hohlkeil, große und stoßartige Drehmomentenaufnahme beim Tangentenkeil. Die Keilneigung beträgt meistens 1 : 100. Verbindungsbeispiele: Schwere Scheiben, Räder und Kupplungen im Baumaschinenund Landmaschinenbau, insgesamt bei schwererem und rauem Betrieb. Die Verbindung mit dem Hohlkeil ist nachstellbar

Ringfederspannverbindung

Leicht lösbare und in Längs- und Drehrichtung nachstellbare Verbindung zur Aufnahme großer, wechselnder und stoßartiger Drehmomente. Das übertragbare Drehmoment ist abhängig von der Anzahl der Spannelemente. Hierzu sind die Angaben der Herstellerfirmen zu beachten, zum Beispiel Fa. Ringfeder Power Transmission GmbH, Groß-Umstadt

. Tabelle 41.2 Formschlüssige Nabenverbindungen (Beispiele) Hauptvorteil: Lagesicherung Stiftverbindung

Lösbare Verbindung zur Aufnahme meist richtungskonstanter kleinerer Drehmomente. Verbindungsbeispiele: Bunde an Wellen, Stellringe, Radnaben, Hebel, Buchsen. Verwendet werden Kegelstifte nach DIN EN 22339 mit Kegel 1 : 50, Zylinderstifte nach DIN EN ISO 2338, für hochbeanspruchte Teile auch gehärtete Zylinderstifte nach DIN EN ISO 8734. Hinzu kommen Kerbstifte und Spannhülsen

Passfederverbindung

Leicht lösbare und verschiebbare Verbindung zur Aufnahme richtungskonstanter Drehmomente. Verbindungsbeispiele: Riemenscheiben, Kupplungen, Zahnräder. Gegen axiales Verschieben ist eine zusätzliche Sicherung vorzusehen (Wellenbund, Axialsicherungsring). Gleitpassfedern werden zum Beispiel bei Verschieberädern in Getrieben verwendet

41

803 41.2  Zylindrische Pressverbände

. Tabelle 41.2 (Forsetzung) Hauptvorteil: Lagesicherung Profilwellenverbindung

Profilwellenverbindungen sind Formschlussverbindungen für hohe und höchste Belastungen. Das Polygonprofil (P3G-Profil) ist im Durchmesser ein sogenanntes „Gleichdick“ und nach DIN 32711 genormt. Unter Last zentriert es sich zwangsläufig selbst.

Das Kerbzahnprofil ist nach DIN 5481 genormt. Die Verbindung ist leicht lösbar und feinverstellbar. Verwendung zum Beispiel bei Achsschenkeln und Drehstabfedern an Kraftfahrzeugen. Ein Sonderfall ist die Stirnverzahnung (Hirthverzahnung) als Plan-Kerbverzahnung. Hersteller: Voith GmbH, Heidenheim.

Das Vielnutprofil ist als „Keilwellenprofil“ genormt. Die Bezeichnung „Keilwellenprofil“ ist irreführend, weil die Wirkungsweise der Passfederverbindung (Formschluss) entspricht, nicht aber der Keilverbindung. Die Verbindung ist leicht lösbar und verschiebbar. Verwendung zum Beispiel bei Verschieberädergetrieben, bei Kraftfahrzeugkupplungen und Antriebswellen von Fahrzeugen

41.2

Zylindrische Pressverbände

2Durchmesserbezeichnungen und Fugenlänge

DF 41.2.1

Begriffe bei Pressverbänden

Der Pressverband ist eine kraftschlüssige (reibungsschlüssige) Nabenverbindung ohne zusätzliche Bauteile wie Passfedern und Keile. Außenteil (Nabe) und Innenteil (Welle) erhalten eine Presspassung; sie haben also vor dem Fügen immer ein Übermaß U. Nach dem Fügen stehen sie unter einer Normalspannung mit dem Fugendruck p in der Fuge. Bei der Presspassung ist immer ein Übermaß U vorhanden. Das Höchstmaß der Bohrung ist also kleiner als das Mindestmaß der Welle. Zur Presspassung zählt auch der Fall U D 0.

DiI DaI DaA DiA lF

Fugendurchmesser (ungefähr gleich dem Nenndurchmesser der Passung) Innendurchmesser des Innenteils I (Welle) Außendurchmesser des Innenteils I, DaI  DF Außendurchmesser des Außenteils A Innendurchmesser des Außenteils A (Nabe), DiA  DF Fugenlänge (lF < 1;5DF )

2Herstellen von Pressverbänden (Fügeart)

4 durch Einpressen (Längseinpressen des Innenteils): Längspressverband 4 durch Erwärmen des Außenteils (Schrumpfen des Au- 2Durchmesserverhältnis QA , QI ßenteils) DF 4 durch Unterkühlen des Innenteils (Dehnen des InnenQA D 3–10

VPs

h0 ; b

v

'

m

m s

1

3

m s

(43.32)

' Durchsatzfaktor '  0,75 einsetzen 43.3.4.22

Erforderlicher Kühlöldurchsatz

Bei schnelllaufenden, hoch belasteten Lagern können sich Lagertemperaturen #L  80 °C ergeben. Dann ist zusätzliche Kühlung erforderlich, zum Beispiel durch eine

Kapitel 43  Lager

858

Umlaufschmierung. Vernachlässigt man in diesen Fällen die Wärmeabgabe durch das Lagergehäuse, wird der thermische Gleichgewichtszustand durch folgende Gleichung beschrieben:

Walze) zu bestimmen und mit pzul für den Lagerwerkstoff nach 7 Abschn. 43.3.4.3 zu vergleichen. Näherungsweise gilt: p0 D 0;591

entstehende Wärme D abzuführende Wärme .Wärmestrom PR / PR D VPk %Öl cÖl .#2  #1 /

(43.33)

p B

VPk Kühldurchsatz; %Öl Dichte des Öls; cÖl spezifische Wärmekapazität des Öls (siehe auch Teil V, Thermodynamik, 7 Abschn. 21.4); #1 , #2 Ein- und Austrittstemperatur des Öls. Das Produkt VPk %Öl ist der Massendurchsatz m P Öl . Der Punkt über dem Formelzeichen für die physikalische Größe bedeutet, dass es sich um die zeitbezogene Größe handelt, also VPk in m3 =s und m P Öl in kg=s. Gleichung (43.33) kann nun nach dem Kühlöldurchsatz VPk aufgelöst werden: PR (43.34) cÖl %Öl .#2  #1 / #2  #1 D 15 ı C .Hinweis: 1 K D 1 ı C/ VPk PR cÖl %Öl #1 ; #2

p Ep

B

(43.36)

nach 7 Abschn. 43.3.4.3 nach 7 Abschn. 43.3.4.7 ED

2 EL EW EL C EW

EL , EW Elastizitätsmodul von Lagerwerkstoff (nach 7 Abschn. 43.3.4.3) und Wellenwerkstoff (bei Stahl EW D 21  1010 N=m2 ) Der maximale Flüssigkeitsdruck kann das Zwei- bis vierfache der mittleren Flächenpressung pm betragen (örtlich bis zum Zehnfachen).

VPk D

m3 s

WD

Nm J D s s

J kg K

kg m3

ı

C

Die Temperaturdifferenz # D #2  #1 soll 15 °C nicht überschreiten, um Viskositätsänderungen des Schmierstoffs in Grenzen zu halten. Die spezifische Wärmekapazität des Öls kann den Tabellen im Teil V, Thermodynamik entnommen werden, zum Beispiel ist für Maschinenöl cÖl D 1675 J=.kg K/, die Dichte des Öls kann mit %Öl D 900 kg=m3 angesetzt werden. 43.3.4.23

Übergangsdrehzahl (nach Vogelpohl)

nü D 107 eff

43

F

eff V nach 7 Abschn. 43.3.4.13

43.3.5 43.3.5.1

Berechnung der Axial-Gleitlager Voll-Spurlager, Ring-Spurlager

Beim Voll-Spurlager mit ebener Spurplatte ist die Pressung beim Lauf hyperbolisch über der Spurfläche (Vollkreis) verteilt. Durch die in der Mitte theoretisch unendlich große Pressung tritt hier starker Verschleiß auf, der beim RingSpurlager durch eine zentrische Aussparung vermieden wird (. Abb. 43.34). Diese Lager haben praktisch nur geringe Bedeutung. Anwendung bei kleinen Dreh- oder Pendelbewegungen oder bei mittleren Drehzahlen und geringen Belastungen, Schwimmreibung ist wegen fehlender Anstellflächen nicht erreichbar.

(43.35)

V D   d2 b=4 .Lagerzapfenvolumen/ nü

F

min1

N

eff Ns m2

V m3

Bei nü geht die Flüssigkeitsreibung in Mischreibung über. Die Betriebsdrehzahl n soll mindestens zwei- bis dreimal größer sein als die Übergangsdrehzahl: n D .2–3/nü . 43.3.4.24

Hertz’sche Pressung

Wird das Lager auch im Stillstand mit der Lagerkraft F belastet, dann ist die Hertz’sche Pressung p0 (Walze gegen

. Abb. 43.34 Berechnung des Ring-Spurlagers

43

859 43.3  Gleitlager

. Tabelle 43.7 Richtwerte für die zulässige mittlere Flächenpressung pm zul bei kleinen Gleitgeschwindigkeiten Werkstoff für Lager

Stahl gehärtet

Stahl gehärtet

15

CuSn-Leg.

10

Gusseisen

8

E295, E335, Stahlguss

CuSn-Leg.

8

Stahl ungehärtet

Gusseisen

5

Sintermetall

3

CuSn-Leg.

3

Kunststoff

2,5

Berechnung der Flächenpressung:   4

Fa  16  104 dm b2 n 

pm zul -Werte in N=mm2

Welle

pm D

Nach Schiebel ergibt sich die Tragkraft bei Flüssigkeitsreibung

Fa  pm zul .D 2  d 2 /

Fa N dm b n 

dm ; b mm



n min

(43.38)

1

P

mittlerer Spurflächendurchmesser Spurflächenbreite, es soll sein b  0;3 dm Drehzahl Ölviskosität

43.3.6

Schmierung der Gleitlager

43.3.6.1 Schmierungsarten 2Ölschmierung

Vorherrschend bei kleinen bis höchsten Drehzahlen und Belastungen. Geschmiert wird vorwiegend mit Mineralölen. Zusätze von Molybdänsulfid oder auch Graphit verbessern die Schmiereigenschaften durch Erhöhung der Haftfähigkeit und Glättung der Gleitflächen.

(43.37) 2Fettschmierung Vorwiegend bei kleinen Drehzahlen und PendelbewegunN mm gen, stoßartigen Belastungen oder wenn Schwimmreibung nicht erreichbar ist, zum Beispiel bei einfachen Lagerungen F a Axialkraft; D Außen-, d Innendurchmesser der Ring- von Pressen, Hebezeugen, Landmaschinen, bei Gelenken spurplatte; man wählt das Bauverhältnis: d=D  0;5–0;6 und Führungen. Verwendet werden Gleitlagerfette. pm zul nach . Tab. 43.7 Wasserschmierung hat sich bei Holz-, Kunststoff- und Beim ruhenden Zapfen ist die Flächenpressung gleich- Gummilagern (Walzenlagern, Pumpenlagern) bewährt. mäßig verteilt; die Reibungskraft F R1 greift im SchwerTrockenschmierung mit Trockenschmiermitteln wie punkt der Ringfläche an. Beim drehenden Zapfen ver- Molybdänsulfid oder Graphit wird bei hohen Temperatuschiebt sich der Angriffspunkt der Reibungskraft F R2 zur ren, zur Notlauf- und einmaliger Schmierung verwendet, Mitte der Ringfläche zum Beispiel bei langsam laufenden, schwer oder nicht zugänglichen Lagern, Gelenken, Führungen. l2 D .D C d/=4 43.3.6.2 Schmierverfahren, 43.3.5.2 Segment-Spurlager Schmiervorrichtungen Durch Aufteilung der Ringfläche in Segmente mit „ange- 2Durchlaufschmierung stellten“ Flächen wird Schwimmreibung ermöglicht. Den Das Schmiermittel durchläuft die Gleitstelle nur einmal Druckverlauf über den Segmentflächen zeigt . Abb. 43.35. und wird meist nicht wieder verwendet. Anwendung nur bei gering beanspruchten, einfachen Lagern (Haushalts-, Büromaschinen) oder wo andere Schmierung nicht möglich ist (schwingende Lagerstellen, Gelenke). pm N mm2

Fa

D; d

2Vorrichtungen

. Abb. 43.35 Berechnung des Segment-Spurlagers

Offene Ölbohrungen oder Öler verschiedener Ausführungen, DIN 3410 für Handschmierung. Selbsttätige Schmierung durch Tropföler mit sichtbarer, regulierbarer Ölabgabe (. Abb. 43.36), ferner durch Dochtöler mit tropfenweiser Ölabgabe. Fettschmierung von Hand durch eine Staufferbüchse oder Schmierköpfe oder selbsttätig durch eine Fettbüchse, bei der eine federbelastete Scheibe das Fett nachdrückt.

860

Kapitel 43  Lager

an den Lagerenden (. Abb. 43.37), sonst werden die unter 7 Abschn. 43.2.8 beschriebenen Dichtungen verwendet.

43.3.8 43.3.8.1

. Abb. 43.36 Öl-Schmiervorrichtungen. a Einschraub-Deckelöler, b Einschraub-Kugelöler, c Einschlag-Klappdeckelöler, d Dochtöler, e Tropföler

2Umlaufschmierung

Gebräuchlichste Schmierverfahren für Gleitlager aller Art. Ständiger Umlauf des gleichen Öls durch Förderorgan. Vorwiegend wird die Ringschmierung bei Steh- und Flanschlagern mit waagerechten Wellen verwendet: feste mit der Welle umlaufende Schmierringe bei höheren Drehzahlen und größeren Lagern (. Abb. 43.37) oder lose Schmierringe bei kleineren Drehzahlen. Bei der Tauchschmierung tauchen zu schmierende Teile in Öl ein, z. B. bei Kurbellagern in Kurbelgehäusen oder Zahnradgetrieben. Umlaufschmierung durch eine Pumpe ist am sichersten und leistungsfähigsten; Anwendung bei hoch belasteten Lagern von Turbinen, Generatoren, Werkzeugmaschinen, auch als Zentralschmierung für ganze Maschinen. Das Schmiermittel ist immer der unbelasteten Lagerhälfte zuzuführen.

43.3.7

Lagerdichtungen

Dichtungen werden bei Gleitlagern vorwiegend gegen das Austreten von Öl eingesetzt; häufig genügen Ölfangrillen

43 . Abb. 43.37 Starres Stehlager mit festem Schmierring

Gestaltung der Gleitlager Lagerbuchsen, Lagerschalen

Buchsen (. Abb. 43.38a) werden in ungeteilte Lagergehäuse eingepresst; Abmessungen: d1  1;1d C 5 mm; Passungen: Außendurchmesser r6, Gehäusebohrung H7, genormte Lagerschalen siehe DIN 1850. Lagerschalen werden in Bohrungen geteilter Gehäuse eingelegt. Ausführung meist als Verbundlager, d. h. Zweistoff- oder Dreistofflager, zum Beispiel Dreistofflager (. Abb. 43.38b) mit einer Stützschale aus Stahl, einer Notlaufschicht aus PbSn-Leg. und einer Laufschicht aus Blei-Zinn-Lagermetall. 43.3.8.2

Ausführungsbeispiele für Radiallager

Für einfache Lagerungen genügen Augenlager, DIN 504, oder Flanschlager, DIN 502, mit oder ohne Buchse, meist für Fettschmierung vorgesehen. Ein starres Stehlager mit Ringschmierung durch einen festen Schmierring zeigt . Abb. 43.37. Öl wird durch den mit der Welle umlaufenden Schmierring (1) durch Ölabstreifer (2) in Seitenräume (3) gefördert und fließt durch Bohrungen (4) zwischen die Gleitflächen. Seitlich austretendes Öl wird durch Ölfangrillen (5) abgefangen und in den Vorratsraum zurückgeführt. Zum Ausgleich von Fluchtfehlern und zur Vermeidung von Kantenpressungen werden Pendellager verwendet, bei denen die Lagerschalen pendelnd im Lagergehäuse angebracht sind. Die Forderung nach geringstem, ein- und nachstellbarem Lagerspiel ist durch Mehrgleitflächenlager (MF-Lager) zu erfüllen. Das MGF-Lager nach Malcus (. Abb. 43.39) hat vier durch einen elastischen Ring verbundene Gleitklötze (1) mit Anstellflächen. Ein- und Nachstellen durch Schrauben (2). Umlaufschmierung durch Pumpe; Öleintritt bei (3), Ölaustritt bei (4). Schmierkeile halten eine Welle auch bei richtungsveränderlichen Lagerkräften in zentrischer Lage.

43

861 43.3  Gleitlager

a

b

. Abb. 43.38 Lagerbuchsen, Lagerschalen. a Buchse für Fettschmierung, b Dreistoff-Lagerschale

. Abb. 43.41 Einbau von Axial-Druckringen a bei senkrechter, b bei waagerechter Welle

43.3.9

Berechnungsbeispiele für ein Radialgleitlager

7 Beispiel 1 Mit den gegebenen Größen ist die Entwurfsberechnung für ein Radialgleitlager nach 7 Abschn. 43.3.4 durchzuführen. . Abb. 43.39 Mehrgleitflächenlager nach Malcus

43.3.8.3

Ausführungsbeispiele für Axiallager

Ring-Spurlager, im Prinzip nach . Abb. 43.34, haben wegen fehlender Anstellflächen praktisch keine Bedeutung. Anwendung nur bei kleinen Drehzahlen oder Schwenkbewegungen, zum Beispiel bei Säulen kleiner Wanddrehkrane. Für höhere Drehzahlen und Belastungen kommen Segmentlager infrage. Einen einbaufertigen Axial-Druckring aus (Caro-)Bronze zeigt . Abb. 43.40. Hydrodynamisch wirksame, feinkopierte Keilflächen (2) ermöglichen eine Schwimmreibung; Öl tritt in Nuten (1) ein, Rastflächen (3) stützen die Welle bei Stillstand ab. Ein Einbaubeispiel bei senkrechter Welle zeigt . Abb. 43.41a, Ölzufuhr bei (1) über eine Ringnut (2) durch Hohlschrauben (3). Einbau eines doppelseitigen Axial-Druckrings bei waagerechter Welle nach . Abb. 43.41b; Druckring (1) sitzt zwischen den mit der Welle fest verbundenen Stahl-Laufringen (2), die durch Distanzring (3) auf Abstand gehalten werden.

Gegeben: Lagerkraft Lagerdurchmesser Lagerbreite Wellendrehzahl Umgebungstemperatur Wärmeabfuhrzahl Werkstoffpaarung Ölsorte

F D 190:000 N d D 0;38 m b D 0;3 m n D 3 s1 D 180 min1 #U D 20ı C Nm W ˛ D 20 2 D 20 m K s m2 K Stahl/Lagermetall PbSn nach 7 Abschn. 43.3.4.3 ISO VG 100 DIN ISO 3448, mit VI D 50 nach 7 Abschn. 43.3.4.9.

Lösung: 1. Spezifische Lagerbelastung p pD

F  pzul bd F; b; d und pzul sind gegebene Größen

(43.9)

190:000 N 0;3 m  0;38 m N N p D 1;67  106 2 < pzul D 12;5  106 2 m m pD

2. Relative Lagerbreite ˇ ˇD

0;3 m b D D 0;789  0;8 d 0;38 m

(43.10)

3. Umfangsgeschwindigkeit v . Abb. 43.40 Axial-Druckring für eine Drehrichtung

v D  dn D    0;38 m  3

m 1 D 3;58 s s

(43.11)

862

Kapitel 43  Lager

h i 0;1943 /  0;8  106 eff D 900  10.10

4. Wärme abgebende Lageroberfläche AG AG D AL C AW

AL D 20 d b gewählt

AG D 3;724 m

AW D 10 d

2

2

(43.12)

gewählt

(43.14)

So D

D 0;0011 D 1;1  103

Bd

Ns 0;107 m CSo 2 D D 3;3 > 1 Ns eff 32;3  103 m 2

(43.21)

13. Reibungszahl 

6. Lagerspiel PsB PsB D

Ns m2

12. Sommerfeldzahl So

5. Relatives Lagerspiel B p p 4 v  103 D 0;8  4 3;58  103 B D 0;8  B

eff D 32;2  103

D 1;1  103  0;38 m

(43.15)

PsB D 0;418  103 m D 0; 418 mm

k D p

B

D

So

3  1;1  103 D 1;8  103 p 3;3

(43.24)

k D 3 angenommen

7. Richtungskonstante m 14. Wärmestrom (Reibungsleistung) PR

m D 3;996

PR D F v D 190:000 N  1;8  103  3;58

8. Hilfsfaktor W M     106 C 0;8 WM D lg lg %   51;9  103  106 C 0;8 WM D lg lg 900

(43.16)

% D 900

CSo D

kg m3

(43.18)

!



2 1;67  106 mN2  1;1  103 18;85

1 s

D 0;107

WX D m .lg TM  lg TX / C WM

Der Betrag der Temperaturdifferenz j#L  #eff j wird also

das heißt, es muss mit einer neuen effektiven Lagertemperatur #eff gerechnet werden. 16. Neue effektive Lagertemperatur #eff (43.19)

60 ı C C 36;4 ı C #eff alt C #L D 2 2 D 48;2 ı C

WX D 3;996 .lg 323;15  lg 333;15/ C 0;2472

#eff neu D

WX D 0;1943

#eff neu

mit

(43.29)

2. Iteration: Hilfsfaktor W X mit #eff D 48;2 ı C

m D 3;996

WX D m .lg TM  lg TX / C WM

TM D 50 ı C C 273;15 K D 323;15 K

WX D 0;257

TX D 333;15 K

Effektive Viskosität eff

WM D 0;2472

WX /

eff D % Œ10.10

11. Effektive Viskosität eff WX

eff D %Œ10.10

kg m3

(43.19)

WX D 3;996  Œlg 323;15  lg.48;2 C 273;15/ C 0;2472

TX D #eff C 273;15 K D 60 ı C C 273;15 K

% D 900

(43.27)

j#j D j36;4 ı C  60 ı Cj D 23;6 ı C 2ı C;

Ns m2

1. Iteration: 10. Hilfsfaktor W X mit #eff D 60 ı C

43

PR ˛ AG

#U D 20 ı C .gegeben/ Nm .gegeben/ ˛ D 20 s m2 K 1224 Nsm D 36;4 ı C #L D 20 ı C C Nm 20 sm2 K  3;724 m2

Ns m2

2 B

p

Nm D 1224 W s

PR D 1224

#L D #U C

9. Sommerfeldkonstante CSo CSo D

(43.25)

15. Lagertemperatur #L

WM D 0;2472  D 51;9  103

m s

/

 0;8  106 WX D 0;1943

 0;8  106

.100;257 /

(43.20)

eff D 900  Œ10

eff D 57  103

Ns m2

(43.20) 6

 0;8  10   Ns vorher 32;3  103 2 m

863 43.3  Gleitlager

. Tabelle 43.8 Übersicht über die Größen-Änderungen bei den Iterationen 1.–3. in Beispiel 1 1. Iteration

2. Iteration

ı

3. Iteration

Betriebstemperatur #eff

60 C

48,2 C

45,1ı C

Hilfsfaktor W X

0,1943

0,257

0,2737

effektive Viskosität eff

32;3  103 N s=m2

57  103 N s=m2

67;2  103 N s=m2

Sommerfeldzahl So

3;3 > 1

1;88 > 1

1;59 > 1

3

ı

3

Reibungszahl  bei k D 3

1;8  10

2;4  10

2;6  103

Reibungsleistung PR

1224 W

1633 W

1780 W

ı

ı

Lagertemperatur #L

36,4 C

42 C

43,9 ı C

Temperatur-Differenz |#|

23;6 ı C 2 ı C

6;2 ı C 2 ı C

1;2 ı C < 2 ı C

Die wichtigsten Größen-Änderungen von der 1. bis zur 3. Iteration sind:  die Betriebstemperatur #eff sinkt von 60 ı C auf 45,1 ı C  die effektive Viskosität eff nimmt von 32;3  103 N s=m2 auf 67;2  103 N s=m2 zu  die Sommerfeldzahl So bleibt bei allen Iterationen > 1 (Schwerlastbereich)  die Reibungszahl  steigt von 1;8  103 auf 2;6  103  die Reibungsleistung PR nimmt um ca. 45 % auf 1780 W zu  die Lagertemperatur #L erhöht sich von 36,4 ı C auf 43,9 ı C

Die 3. Iteration ergibt die folgenden Größen:

Sommerfeldzahl So So D

0;107 Nm2s CSo D D 1;88 > 1 .vorher 3;3/ eff 57  103 Nm2s

(43.21)

Reibungszahl  k D p

B

D

3  1;1  103 D 2;4  103 p 1;88

(43.24)

So .vorher 1;8  103 /

PR D 1633

m s

(43.25)

Nm D 1633 W s

Die Bedingung h0 vorh > h0 zul ist erfüllt. (43.27) 1633

20

2ˇ 0;418  103 m 2  0;789 PsB  D  4 So 1 C ˇ 4  1;59 1 C 0;789

h0 D 58  106 m D 58 *m > h0 zul  10 *m

PR ˛ AG

#L D 20 ı C C

Kleinste Schmierspalthöhe h0 h0.So>1/ D

Lagertemperatur #L #L D #U C

D 0;2737 mit #eff D 45;1 ı C D 67;2  103 N s=m2 D 1;59 > 1 D 2;6  103 D 1780 W D 43;9 ı C  44 ı C D 1;2 ı C

Anmerkung: Das Lager läuft im Schwerlastbereich (So > 1). Die Rechnung kann nun weitergeführt werden.

Wärmestrom (Reibungsleistung) PR PR D F v D 190:000 N  2;4  103  3;58

Hilfsfaktor W X Effektive Viskosität eff Sommerfeldzahl So Reibungszahl  Reibungsleistung PR Lagertemperatur #L Temperaturdifferenz |#|

Nm s m2 K

Nm s

 3;724 m2

D 42 ı C

Der Betrag der Temperaturdifferenzen j#j D j#L  #eff j wird jetzt j#j D j42 ı C  48;2 ı Cj D 6;2 ı C: Diese Temperaturdifferenz liegt noch über 2 ı C, also muss noch einmal gerechnet werden.

Erforderlicher Schmierstoffdurchsatz VPs VPs D 'h0 b v m VPs D 0;75  58  106 m  0;3 m  3;58 s 3 m 6 VPs D 46;7  10 s 3 l 10 l 6 D 168 VPs D 46;7  10 1 h h 3600 Übergangsdrehzahl nü nü D 107 

F eff V

D

190 000  107 min1 67;2  103  0;034

nü D 8;3 min1 n D 180 min1 9

43

864

Kapitel 43  Lager

7 Beispiel 2 Spiel- und Toleranzberechnungen nach . Abb. 43.42. Gegeben: Betriebs-Lagerspiel PsB D 0;418 mm D 418 *m aus Beispiel 1, ebenso der Durchmesser d D 380 mm und die Lagertemperatur #L D 44 ı C.

Lösung: Spieländerung durch Wärmedehnung d D 380 mm 1 für Stahl K 1 für Gusseisen K

˛W D 12  106 ˛G D 9  106

nach Teil V Thermodynamik, . Tab. 21.6

43

. Abb. 43.42 Spiel- und Toleranzberechnungen Anmerkung: Das Fertigungsspiel wird durch den Presssitz der Lagerbuchse verringert. Richtwert: Verkleinerung des Bohrungsdurchmessers ca. 70 % des Passungsübermaßes

865 43.3  Gleitlager

1 K #W D #L  #0 D 44 ı C  20 ı C D 24 ı C ˛L D 24  106

#L D #W D 24 ı C #G D #G  #0 D 15 ı C angenommen N für PbSn-Lagermetall EL D 3;1  104 mm2 N für Gusseisen EG D 12  104 mm2

Das mittlere Einbauspiel wird damit für die Passung H9/d9: PSE mittel D

PSE gr C PSE kl .490 C 210/ *m D 2 2

PSE mittel D 350 *m < PSE D 470 *m Die Passung H11/d9 in . Tab. 43.4 führt im Gegensatz zu H9/d9 zu einem mittleren Einbauspiel, das dicht beim Einbauspiel PSE D 470 *m liegt:

Annahmen:

PSE gr D 710 *m

Außendurchmesser der Lagerbuchse D 390 mm Außendurchmesser des Lagergehäuses D 450 mm

PSE kl D 210 *m PSE mittel D

Damit ergeben sich die Querschnittsflächen

  2 390  3802 mm2  0;6  104 mm2 4

  2 AG D 450  3902 mm2  3;96  104 mm2 4 AL D

Mit diesen Größen kann die Spieländerung PS nach . Abb. 43.42 berechnet werden:   AL EL ˛L #L C AG EG ˛G #G PS D d ˛W #W  AL EL C AG EG PS D 380 mm 12  106  C

1  24 ı C  ıC

N  24  106 ı1C  24 ı C mm2 C N N 0;6mm2  3;1 mm2 C 3;96 mm2  12 mm 2 ! N 6 1 ı 3;96 mm2  12 mm ı C  15 C 2  9  10 N N 2 2 0;6 mm  3;1 mm2 C 3;96 mm  12 mm 2

0;6  mm2  3;1

PS D 0;052 D 52 *m

.710 C 210/ *m D 460 *m  PSE D 470 *m 2

Mit diesem mittleren Einbauspiel soll die Rechnung nach . Abb. 43.42 weitergeführt werden. Mittleres relatives Einbauspiel E mittel

D

E mittel :

0;460 mm PSE mittel D D 1;2  103 d 380 mm

Dieser Wert liegt an der oberen Grenze der in . Abb. 43.42 angegebenen Richtwerte für das Lagermetall LgPbSn. Betriebsspiele PSE : PSE gr D 710 *m  52 *m D 658 *m PSE kl D 210 *m  52 *m D 158 *m Messbares Einbauspiel PsE mess : Mit den angenommenen Rautiefen RtW D RtL D 8 *m für feingedrehte Oberflächen nach . Abb. 43.42 wird

Die Spieländerung PS ist stark abhängig von den vorhandenen und angenommenen Temperaturdifferenzen. So wird zum Beispiel

PSE mess gr D .710  16/ *m D 694 *m

bei #G D 10 ı C

)

PS D 68 *m

PSE mess kl D .210  16/ *m D 194 *m

bei #G D 5 ı C

)

PS D 85 *m

Relatives Betriebsspiel

Hier wird mit PS D 52 *m weitergerechnet. B gr

Einbauspiel PSE :

1 ŒPSE mess gr  PS C .RtW C RtL / d 1 Œ0;710 mm  0;052 mm C 0;016 mm D 380 mm D

PSE D PSB C PS D 418 *m C 52 *m D 470 *m

B gr

Mittleres Einbauspiel PSE mittel : Es lassen sich mehrere Spieltoleranzfelder zusammenstellen. Bei der Auswahl sollte versucht werden, mit dem mittleren Einbauspiel PSE mittel möglichst nahe an das berechnete Einbauspiel heranzukommen. So ergibt sich beispielsweise für das Spieltoleranzfeld H9/d9 mit den Abmaßen nach 7 Abschn. 34.4, . Tab. 34.7 und der Rechnung nach 7 Abschn. 34.2.1

B gr

D 1;77  103

B kl

D

PSE gr D ES  ei

ES D C140 *m

es D 210 *m

PSE kl D EI  es

EI D 0

ei D 350 *m

PSE gr D 140 *m  .350 *m/ D 490 *m PSE kl D 0  .210 *m/ D 210 *m

B kl B kl

B:

1 ŒPSE mess kl  PS C .RtW C RtL / d 1 Œ0;194 mm  0;052 mm C 0;016 mm D 380 mm D 0;416  103

Mit den angenommenen Rautiefen ist auch die Bedingung nach 7 Abschn. 43.3.4.19 erfüllt: h0  RtW C RtL 58 *m > 16 *m 9

43

866

Kapitel 43  Lager

Normen (Auswahl) und Richtlinien

Gleitlager

Wälzlager

DIN 1495-3 Gleitlager aus Sinterwerkstoffen

DIN 611 Übersicht Wälzlager DIN 615 Schulterkugellager DIN 616 Wälzlager – Maßpläne DIN 620 Wälzlager; Messverfahren DIN 617 Nadellager DIN 625 Rillenkugellager DIN 628 Schrägkugellager DIN 630 Pendelkugellager DIN 635 Tonnen- und Pendelrollenlager DIN 711 Axial-Rillenkugellager DIN 720 Kegelrollenlager DIN 722 Axial-Zylinderrollenlager DIN 728 Axial-Pendelrollenlager DIN 981 Wälzlager; Nutmuttern DIN 3760 Radial-Wellendichtringe DIN 3771 Fluidtechnik; O-Ringe DIN 5406 Wälzlager – Muttersicherungen; Sicherungsbleche DIN 5412 Zylinderrollenlager DIN 5418 Einbaumaße: Rundungen und Schulterhöhen

43

DIN 5419 Filzringe DIN 51825 Schmierfette und Festschmierstoffe DIN ISO 3448 Flüssige Industrieschmierstoffe, ISO-Viskositätsklassifikation VDI-Richtlinie 2202 Schmierstoffe und Schmiereinrichtungen für Gleit- und Wälzlager

DIN 1850-3 Buchsen aus Sintermetall DIN 1850-5 und -6 Buchsen aus Duroplasten und Thermoplasten DIN ISO 3448 Flüssige Industrieschmierstoffe, ISO-Viskositätsklassifikation DIN ISO 4378-1 Gleitlager – Lagerwerkstoffe und Eigenschaften DIN ISO 4378-2 Reibung und Verschleiß DIN ISO 4378-3 Schmierung DIN ISO 4378-4 Berechnungskennwerte und Kurzzeichen DIN ISO 4379 Buchsen aus Kupferlegierungen DIN ISO 4381 Blei- und Blei-Zinn-Verbundlager DIN ISO 4382-1 und -2 Kupfer-Gusslegierungen und Kupfer-Knetlegierungen DIN ISO 6691 Thermoplastische Polymere für Gleitlager DIN ISO 8483 Verbundwerkstoffe für dünnwandige Gleitlager VDI-Richtlinie 2204-1 Auslegung von Gleitlagerungen; Grundlagen VDI-Richtlinie 2204-2 Berechnungen VDI-Richtlinie 2204-3 Kennzahlen und Beispiele für Radiallager VDI-Richtlinie 2204-4 Kennzahlen und Beispiele für Axiallager

867

Zahnräder Gert Böge und Wolfgang Böge

44.1

Allgemeines

Zahnräder dienen der unmittelbaren formschlüssigen Übertragung von Drehmomenten und Drehbewegungen zwischen parallelen, sich kreuzenden oder sich schneidenden Wellen. Je nach dem Verlauf der Zahnflanken unterscheidet man Geradzähne, Schrägzähne, Pfeilzähne, Kreisbogenzähne, Spiralzähne und Evolventenzähne. Zahnradgetriebe-Grundformen: 1. Stirnradgetriebe (. Abb. 44.1a bis c) bei parallelen Wellen (imax  8 je Stufe), 2. Kegelradgetriebe (. Abb. 44.1d) bei sich schneidenden, auch sich kreuzenden Wellen (imax  6), 3. Schneckengetriebe (. Abb. 44.1e) bei sich kreuzenden Wellen (imin  5 bis imax  60, Ausnahme: i  100), 4. Schraubradgetriebe (. Abb. 44.1f), ebenfalls bei sich kreuzenden Wellen (imax  5).

. Abb. 44.1 Grundformen der Zahnradgetriebe a bis c Stirnradgetriebe, d Kegelradgetriebe, e Schneckengetriebe, f Schraubradgetriebe

44.2

Verzahnungsgesetz

Die Übersetzung eines Zahnradpaars ist i D n1 =n2 D !1 =!2 D r2 =r1 D z2 =z1 n Drehzahl, ! Winkelgeschwindigkeit, r Teilkreisradius, z Zähnezahl; Index 1 bezogen auf antreibendes, Index 2 auf angetriebenes Rad. Gleichmäßiger Lauf beider Räder setzt i D konstant voraus (Ausnahme: Ellipsenräder, die Getriebe mit veränderlichem i ergeben). Nach . Abb. 44.2 ist B der augenblickliche Berührungspunkt zweier zunächst beliebig geformter Zahnflanken. B läuft als Punkt des Rads 1 mit der Umfangsgeschwindigkeit v1 um Mittelpunkt M1 als Punkt des Rads 2 mit der Umfangsgeschwindigkeit v2 um M2 (v1 ; v2 ? r01 ; r02 ). Die

. Abb. 44.2 Verzahnungsgesetz

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_44

44

Kapitel 44  Zahnräder

868

beiden Zahnflanken haben in B gemeinsam die Tangente t und die Normale n. Die Umfangsgeschwindigkeiten v1 und v2 werden in die Tangentialkomponenten w1 , w2 und in die Normalkomponenten c1 , c2 zerlegt. Sollen die Zahnflanken sich immer berühren, d. h. sich weder voneinander entfernen noch ineinander eindringen, dann muss c1 D c2 sein. Aus c1 D !1 rb1 bzw. c2 D !2 rb2 folgt mit Hilfe der ähnlichen Dreiecke CM1 N1 und CM2 N2 (. Abb. 44.2): r2 r b2 D r b1 r1 und mit c1 D c2 !1 r2 D D i D konstant !2 r1

. Abb. 44.3 Allgemeine Verzahnungsmaße

1 Teilkreis Das Verzahnungsgesetz lautet: Zwei Zahnflanken sind nur dann brauchbar, wenn die Bezugskreis für die Teilung pt gleich dem HerstellungsNormale auf den jeweiligen Berührungspunkt B die Ver- wälzkreis, auf dem das Werkzeug bei der Zahnradherstelbindungslinie der beiden Mittelpunkte M1 M2 im umge- lung im Abwälzverfahren abwälzt. Aus dem Teilkreisumfang d   D pt z folgt d D pt z= ; pt =  D m (Modul) kehrten Verhältnis der Winkelgeschwindigkeiten teilt. Kurz: Die jeweilige Eingriffsnormale muss immer gesetzt, ergibt den Teilkreisdurchmesser durch den Punkt C gehen. d; m z (44.1) dDmz In Punkt C ist mit c1 D c2 auch !1 r1 D !2 r2 , d. h. die mm 1 Kreise mit den Radien r1 , r2 rollen ohne zu gleiten aufeinander ab: Wälzkreise. Der gedachte Berührungspunkt Modulwerte für Stirn- und Kegelräder nach DIN 780, siehe . Tab. 44.1. beider Kreise ist der Wälzpunkt C. Die Moduln gelten im Normalschnitt; Reihe 1 ist geBei Zahnradgetrieben mit veränderlicher Übersetzung genüber Reihe 2 zu bevorzugen. (Ellipsenräder) wandert der Wälzpunkt C auf der Verbindungslinie der beiden Mittelpunkte auf und ab. 1 Zahnabmessungen Kopfhöhe ha D m; Fußhöhe hf D 1;16: : :1;3 m, normal 1 Folgerungen hf D 1;25 m; Zahnhöhe h D 2;25 m; damit ergeben sich Die unterschiedliche Größe von w1 und w2 besagt, dass Kopfkreisdurchmesser da und Fußkreisdurchmesser df neben der Wälzbewegung eine gleichzeitige Gleitbewegung der Flanken aufeinander erfolgt. Dadurch ist die da D d ˙ 2ha D d ˙ 2 m (44.2) Voraussetzung für hydrodynamische Flüssigkeitsreibung df D d  2hf D d  2;5 m (44.3) gegeben: ein keilförmiger Spalt und eine Relativbewegung (w D w2  w1 ) zueinander (siehe auch 7 Abschn. 43.3.2). obere Vorzeichen gelten bei Außen-, untere bei InnenverFällt B auf C, dann ist die Relativgeschwindigkeit w zahnung. gleich null, d. h. in dieser Zone tritt kurzzeitig eine reine Wälzbewegung auf, der Schmierfilm wird hier unterbrochen und damit die Zerstörung der Flanken eingeleitet. . Tabelle 44.1 Modulreihe für Stirn- und Kegelräder, Auszug aus DIN 780 (in mm)

44

44.3

Begriffe, allgemeine Verzahnungsmaße

Folgende Angaben beziehen sich auf evolventenverzahnte Geradstirnräder als Nullräder (. Abb. 44.3). Nach DIN 867, 868 und 3960 sind festgelegt: 1 Teilkreisteilung pt

Bogenlänge auf dem Teilkreis zwischen zwei aufeinander folgende Rechts- oder Linksflanken der Zähne.

Reihe 1 0,1

0,12

0,16

0,20

0,25

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

1,25

1,5

2

2,5

3

4

5

6

8

10

12

16

20

25

32

40

50

Reihe 2 0,11

0,14

0,18

0,22

0,28

0,35

0,45

0,55

0,65

0,75

0,85

0,95

1,125 1,375 1,75

2,25

2,75

3,5

4,5

5,5

7

9

11

14

18

22

28

36

45

55

70

ORIGINAL.

flender.com

.

871 44.4  Verzahnungsarten

44.4.2 44.4.2.1

Evolventenverzahnung Eigenschaften und Verwendung

Die Zahnflankenform wird durch eine Evolvente gebildet. Das ist die Kurve, die ein Punkt einer Geraden beschreibt, die auf einem Kreis (dem Grundkreis) abwälzt. Im Maschinenbau wird fast ausschließlich die Evolventenverzahnung verwendet. Sie lässt sich mit einfachen (geradflankigen) Werkzeugen im Abwälzverfahren herstellen, auch für die häufig erforderliche Profilverschiebung. Nachteilig gegenüber Zykloidenverzahnung sind größerer Verschleiß und geringere Belastbarkeit. . Abb. 44.4 Flankenspiel der Zähne

1 Konstruktion des Zahnstangengetriebes (. Abb. 44.6)

1 Kopfspiel c

Abstand zwischen Kopfkreis des einen und Fußkreis des anderen Rads. c D hf  ha D 0;25 m 1 Flankenspiel

Wegen Einbauungenauigkeiten, Wärmedehnung und Schmierung erforderliches Spiel zwischen den Zahnflanken zweier Räder. 1 Normalflankenspiel jn

Abstand der Zahnflanken zweier Räder auf der Eingriffslinie (. Abb. 44.4). 1 Drehflankenspiel jt

Auf den Teilkreis bezogenes Flankenspiel (Bogenstück), um das sich Rad 1 bei feststehendem Rad 2 verdrehen lässt. Der Achsabstand ad eines Nullradpaares oder eines V-Null-Getriebes mit d D m z ergibt sich aus ad D

44.4 44.4.1

d1 C d2 m .z1 C z2 / D 2 2

(44.4)

Verzahnungsarten

Zahnstange mit Bezugsprofil Kopfhöhe ha D m und Fußhöhe hf D 1;25 m. Die Eingriffslinie n durch den Wälzpunkt C unter ˛n D 20ı zur Profilmittellinie zeichnen. Um den Mittelpunkt M des Ritzels mit d D m z den Grundkreis mit dem Radius rb D r cos ˛n an die Eingriffslinie legen. Vom Normalpunkt N die Punkte 1, 2, 3 usw. in beliebigen Abständen auf n nach beiden Seiten abtragen. Die gleichen Abstände, auf den Grundkreis übertragen, ergeben 10 , 20 , 30 usw. Durch schrittweises Abwälzen der Eingriffslinie auf den Grundkreis erhält man die durch C gehende Evolvente. Der Verlauf der Fußflanke vom Grundkreis bis zum Fußkreis wird durch die relative Kopfbahn des erzeugenden Werkzeugs bestimmt (siehe . Abb. 44.9); bei z > 20 ist diese angenähert eine radial verlaufende Gerade. Die Fußrundung wird ebenfalls durch das Werkzeug bestimmt. Die zugehörige Gegenflanke wird zweckmäßig durch spiegelbildliches Übertragen von der Zahnmittellinie gezeichnet. Vorher wird die Zahndicke s D pt =2 auf den Teilkreis abgetragen. 44.4.2.2

Bezugsprofil, Konstruktion der Zahnflanken

Form und Abmessungen sind durch das Bezugsprofil nach DIN 867 festgelegt (. Abb. 44.5). Es entspricht dem Profil der Zahnstange und der Herstellungswerkzeuge (KammMeißel, Schneckenfräser). Halber Flankenwinkel gleich Eingriffswinkel ˛n D 20ı .

Zykloidenverzahnung 44.4.2.3

Die Zykloidenverzahnung, deren Zahnflanken sich aus Epizykloide (Kopfflanke) und Hypozykloide (Fußflanke) zusammensetzen, wird nur in Sonderfällen z. B. für Uhrenzahnräder und Zahnstangenwinden verwendet. Die Herstellung ist teurer und schwieriger als die der Evolventenverzahnung; die Verzahnung ist empfindlich gegen ungenauen Achsenabstand. Eingriffs- und Verschleißverhältnisse sind jedoch günstiger als bei Evolventenzähnen. Im Maschinenbau wird praktisch nur die Evolventenverzahnung verwendet.

Eingriffsstrecke, Eingriffslänge, Profilüberdeckung

Bei der Rechtsdrehung des Ritzels in . Abb. 44.6 beginnt der Eingriff, die Berührung zweier Zähne, in A (Schnittpunkt der Eingriffslinie mit der Kopflinie der Zahnstange) und endet in E (Schnittpunkt von n mit dem Kopfkreis des Ritzels). Der Eingriff verläuft längs der Eingriffsstrecke AE (Punktlinie). Die Zahnstange verschiebt sich dabei um die Eingriffslänge e D A0 E0 D AE= cos ˛n . Damit mindestens ein Zahnpaar ständig im Eingriff steht, muss e > pt oder die

44

872

Kapitel 44  Zahnräder

Die Gleichung gilt für Null- und V-Null-Getriebe. Für V-Getriebe ist statt ad der Achsabstand a und für sin ˛n ist sin ˛w , einzusetzen (siehe . Tab. 44.3). 44.4.2.4

Abwälzverhältnisse

Beim Eingriffsbeginn fallen Fußpunkt F und Kopfpunkt K1 in A zusammen (. Abb. 44.6). Während der ersten _

Eingriffsphase wälzen die Flankenteile FC und K1 C; wäh_

rend der zweiter Phase CK und CF1 aufeinander ab. Aus deren unterschiedlichen Längen geht hervor, dass neben der Abwälzbewegung noch eine Gleitbewegung stattfindet (siehe auch unter 7 Abschn. 44.2). Die außerhalb der durch Doppellinien gekennzeichneten „Arbeitsflanken“ liegenden Flankenteile sind also am Eingriff nicht beteiligt. Die Lage der Zähne am Beginn und Ende des Eingriffs ist durch Strichlinien dargestellt.

. Abb. 44.5 Bezugsprofil der Evolventenverzahnung

Profilüberdeckung ˛ D e=pt > 1 sein: ˛ D

AE AE D >1 pt cos ˛n   m cos ˛n

(44.5)

Eine Gefährdung der Eingriffsverhältnisse (˛ < 1) ergibt sich für die Außenverzahnung bei Zähnezahlen z < 14. Dann ist eine Profilverschiebung erforderlich (siehe 7 Abschn. 44.4.2.8). ˛ < 1;25 sollte vermieden werden. Die Profilüberdeckung ˛ wird zweckmäßig zeichnerisch bestimmt durch maßstäbliches Aufzeichnen der Kopf- und Grundkreise und Abgreifen der Strecke AE (. Abb. 44.7). Rechnerisch lässt sich ˛ bei unterschnittfreien Geradzahnrädern ermitteln aus: q q 2 2 2 2 ra1  rb1 ˙ ra2  rb2  ad sin ˛n ˛ D (44.6)   m cos ˛n obere Vorzeichen gelten bei Außen-, untere bei Innenverzahnung. ra Kopfkreisradius; rb Grundkreisradius; rb D r cos ˛n ; ad Achsabstand;   m D pt Teilung; ˛n Eingriffswinkel . Abb. 44.6 Evolventen-Zahnstangengetriebe

44

44.4.2.5

Außenverzahnung

Die Konstruktion der Zahnflanken erfolgt im Prinzip wie beim Zahnstangengetriebe, unter 7 Abschn. 44.4.2.2 beschrieben. Durch das Abwälzen der Eingriffslinie auf den Grundkreisen 1 und 2 entstehen die Flanken der Zähne des Rades 1 und 2 (. Abb. 44.7). Der Eingriff erfolgt längs der Eingriffsstrecke AE, der der Eingriffslänge e auf der Pro_

_

filmittellinie M entspricht. Flankenteil F1 C wälzt mit K2 C, _

_

Flankenteil CK1 mit CF2 ab. 44.4.2.6

Innenverzahnung

Die Zähne des Ritzels entstehen wie unter 7 Abschn. 44.4.2.2 beschrieben. Die Zähne des Hohlrads werden mit einem Schneidrad gleichen Bezugsprofils hergestellt. Deren Flankenform gleicht der eines außenverzahnten Rades gleicher Zähnezahl (. Abb. 44.8). Der Eingriff beginnt in A (Schnittpunkt der Eingriffslinie n mit

44

873 44.4  Verzahnungsarten

schneidet die Evolvente außerhalb des Grundkreises in F (. Abb. 44.9). Die Fußflanke von F bis zum Fußkreis ist daher am Eingriff nicht beteiligt. Dem Punkt F entspricht Punkt A auf der Eingriffslinie. Der Eingriff beginnt in A und endet in E. Die Eingriffslänge e ist gegenüber „normaler“ Verzahnung verkürzt. Gleichzeitig wird die Zahnwurzel geschwächt und damit die Bruchgefahr erhöht. Der Zahnunterschnitt beginnt, wenn der Normalpunkt N innerhalb der Kopflinie des Bezugsprofils liegt; der Grenzfall liegt vor, wenn N auf die Kopflinie in A1 fällt, d. h. ha D m D h ist. Aus der Ähnlichkeit des schraffierten Dreiecks mit Dreieck CMN folgt h D NC sin ˛n D r sin2 ˛n . Mit r D m z=2 und h D m wird die theoretische Grenzzähnezahl zg D

. Abb. 44.7 Evolventen-Außenverzahnung

der Kopflinie des gemeinsamen Bezugsprofils) und endet in E (Schnittpunkt von n mit dem Kopfkreis des Ritzels). Beim Eingriffsbeginn fallen der Fußpunkt F 1 des Ritzels und der Kopfpunkt K 2 des Hohlrads in A zusammen, beim Eingriffsende fallen K1 und F2 in E zusammen. Die Flankenteile außerhalb dieser Punkte sind also am Eingriff nicht beteiligt. Das Kopfstück des Hohlzahns von K2 bis zum Kopfkreis könnte wegfallen oder muss mit r D l (Länge des Kopfstücks) gerundet werden, um Eingriffsstörungen zu vermeiden. 44.4.2.7

Zahnunterschnitt, Grenzzähnezahl

Beim Unterschreiten einer Grenzzähnezahl zg tritt die sogenannte Unterschneidung der Zähne ein, d. h. die relative Kopfbahn des abwälzenden Zahnstangenwerkzeugs . Abb. 44.8 Innenverzahnung, Konstruktion und Eingriffsverhältnisse

2 2

sin ˛n

(44.7)

Für den genormten Eingriffswinkel ˛n D 20ı wird zg D 17. Der Unterschnitt wird durch die Verminderung der Profilüberdeckung jedoch erst unterhalb der praktischen Grenzzähnezahl z0g D 14 schädlich. 44.4.2.8

Profilverschiebung bei Geradverzahnung

Profilverschiebung  wird angewendet: 1. zur Vermeidung von Zahnunterschnitt, wobei  positiv sein muss, 2. zum Erreichen eines bestimmten Achsabstands, wobei  auch negativ sein kann. Bei positiver Profilverschiebung wird das Werkzeug gegenüber seiner Normallage abgerückt, bei negativer Verschiebung dagegen eingerückt. Man unterscheidet danach: 1. Nullräder, bei denen keine Profilverschiebung vorgenommen worden ist, 2. V-Räder mit Profilverschiebung; dabei haben V-PlusRäder positive, V-Minus-Räder negative Profilverschiebung.

874

Kapitel 44  Zahnräder

. Abb. 44.9 Entstehung von Zahnunterschnitt

. Abb. 44.10 Grenzzähnezahlen und Spitzengrenze der DIN-Geradverzahnung

Je nach Paarung der Räder unterscheidet man: 1. Nullgetriebe bei Paarung zweier Nullräder, 2. V-Null-Getriebe bei Paarung von V-Plus- mit V-MinusRad gleicher positiver und negativer Verschiebung, 3. V-Getriebe bei Paarung von V-Rad mit Nullrad oder von V-Rädern untereinander.

dicke wird immer kleiner, bis sich bei einer bestimmten Profilverschiebung n bzw. bei einem bestimmten Profilverschiebungsfaktor x die beiden Evolventenflanken in einer Spitze vereinigen. Die Zahnspitzengrenze der DIN-Geradverzahnung liegt bei zmin D 7 Zähnen. In . Abb. 44.10 ist die Grenze des Unterschnitts und die Spitzengrenze in Abhängigkeit von der Zähnezahl z und dem Profilverschiebungsfaktor x aufgetragen.

Zur Vermeidung von Unterschnitt ist nach . Abb. 44.9 eine positive Profilverschiebung um die Strecke n = ha – h erforderlich, sodass die Kopflinie des Bezugsprofils durch den Normalpunkt N geht. 1 Die Profilverschiebung  wird aus rechnerischen Grün- 1. den in den Profilverschiebungsfaktor x und den Modul m aufgespalten:  D xm

(44.8)

Mit h D r sin2 ˛n D .z m=2/ sin2 ˛n und ha D m wird x m D ha  h D m  .z m=2/ sin2 ˛n und daraus mit 2= sin2 ˛n D zg der Profilverschiebungsfaktor x D .zg  z/=zg : Für das DIN-Rad ist zg D 17, sodass sich der Mindestprofilverschiebungsfaktor xmin ergibt zu

44

Ablesebeispiele

Für z D 10 liegt nach . Abb. 44.10 der Faktor x etwa zwischen 0,41 und 0,68. Unterhalb x D 0;41 tritt schädlicher Unterschnitt auf, oberhalb x D 0;68 wird der Zahn spitz, bzw. die Zahnspitze liegt schon innerhalb des Kopfkreises. 2. Welche maximale positive Profilverschiebung  ist möglich für ein geradverzahntes Stirnrad mit z D 15 und m D 3 mm? Aus . Abb. 44.10 wird bei x  0;9 der Zahn gerade spitz. Damit wird max D xmax m D 0;9  3 *m D 2;7 mm: 44.4.2.10

Die geometrischen Größen bei V-Getrieben und V-Nullgetrieben

1 V-Plus-Räder (44.9) Der Teilkreisdurchmesser bleibt unverändert d D m z; ebenso der Grundkreisdurchmesser db D d cos ˛n . Kopf Es genügt, mit der praktischen Grenzzähnezahl zg0 D 14 und Fußkreisdurchmesser da , df vergrößern sich entsprezu rechnen. Damit wird der praktische Profilverschiebungs- chend der Profilverschiebung auf: faktor da D d C 2 m C 2 (44.11) 14  z xmin D (44.10) df D d  2;5 m C 2 (44.12) 17

xmin D

44.4.2.9

17  z 17

Zahnspitzengrenze

Bei positiver Profilverschiebung werden beide Flanken eines Zahns weiter nach außen gezogen, d. h. die Zahnkopf-

Die Zahndicke des Nullrads auf dem Teilkreis ist gleich der Zahnlücke: s D pt =2. Beim V-Plus-Rad wird der Zahn im Fuß dicker, die Zahndicke s auf dem Teilkreis wächst um

875 44.4  Verzahnungsarten

2 tan ˛n D 2xm tan ˛n : sD

1 V-Getriebe

pt C 2x m tan ˛n 2

(44.13)

Wegen der Verstärkung des Zahnfußes werden auch Räder mit mehr als 17 Zähnen positiv profilverschoben. 1 V-Minus-Räder

Der Teilkreisdurchmesser bleibt unverändert d D m z; ebenso der Grundkreisdurchmesser db D d cos ˛n . Kopf und Fußkreisdurchmesser da , df verkleinern sich entsprechend der Profilverschiebung auf: da D d C 2 m  2 df D d  2;5 m  2

(44.14) (44.15)

Der Zahn wird beim V-Minus-Rad im Fuß schwächer. Die Zahndicke s auf dem Teilkreis beträgt: sD

Die Herstellungsteilkreise berühren sich nicht. Teilkreis und Betriebswälzkreise sind verschieden. Der Achsabstand a ist daher gegenüber ad verschieden. Eine rein rechnerische Vergrößerung des normalen Achsabstands ad um den Betrag n1 C n2 , also a D ad C n1 C n2 würde eine Vergrößerung des Flankenspiels ergeben. Daher müssen die Räder bis zum theoretisch flankenspielfreien Eingriff wieder zusammengerückt werden. Diese Zusammenrückung ist in den Berechnungsgleichungen nach . Tab. 44.3 schon enthalten. Für den Achsabstand a des V-Getriebes bei flankenspielfreiem Zahneingriff gilt (siehe auch . Abb. 44.11): m cos ˛n a D rw1 C rw2 D .z1 C z2 / 2 cos ˛w m und mit der Rechengröße ad D .z1 C z2 ): 2 cos ˛o (44.17) a D ad cos ˛b

pt  2 x m tan ˛n 2

(44.16)1 Kopfkürzung Bei genauer Einhaltung des Kopfspiels c (z. B. c D 0;25m) müssen die Zähne beider Räder um den Betrag der Wieder1 V-Nullgetriebe einrückung Die Herstellungsteilkreise berühren sich wie beim Nullgetriebe im Wälzpunkt C. Auch der Eingriffswinkel bleibt der y D 1 C 2  .a  ad / gleiche. Damit bleibt auch beim V-Nullgetriebe der Achsabstand ad des Nullgetriebes erhalten. Eine Zusammenstel- gekürzt werden. Hierauf kann verzichtet werden, wenn lung der Berechnungsgleichungen für V-Nullgetriebe siehe z1 C z2  20 ist, da die Kürzung dann vernachlässigbar . Tab. 44.2. klein bleibt.

. Tabelle 44.2 Rechenschema zur Bestimmung der geometrischen Größen beim Geradzahn-V-Nullgetriebe bei gegebenen Zähnezahlen z1 , z2 und gegebenem Modul m (Außengetriebe) geometrische Größe

Formelzeichen

Berechnungsgleichung

Übersetzung

i

i D n1 =n2 D z2 =z1 D r2 =r1 D Mt2 =Mt1

Teilkreisradius

r

r D d=2 D m z=2

Teilkreisteilung

pt

pt D m  

Grundkreisradius

rb

rb D r cos ˛n

Grundkreisteilung

pb

pb D pt cos ˛n

Mindest-Profilverschiebungsfaktor bei z1 < 17

x

x D .17  z1 /=17

Profilverschiebung



1 D x1 m; 2 D 1 , wegen x2 D x1

Kopfkreisradius

ra

r a1 D r1 C m C 1 r a2 D r2 C m  1

Fußkreisradius

rf

r f1 D r1  m.1;25  x1 ) r f2 D r2  m.1;25 C x2 )

Achsabstand (Rechengröße)

ad

Profilüberdeckung



ad D r1 C r2 D m.z1 C z2 /=2 q q 2 2 2 2 ra1  rb1 ˙ ra2  rb2  ad sin ˛n ˛ D m   cos ˛n

für Zahnkopfhöhe des Werkzeugs hfP D 1;25 m

ad ist „normaler“ Achsabstand nach (44.4); x1 , x2 Profilverschiebungsfaktoren nach (44.10); m Modul; z1 , z2 Zähnezahlen; zu ˛ : obere Vorzeichen für Außenverzahnung, untere für Innenverzahnung

44

876

Kapitel 44  Zahnräder

Polarwinkel ' D inv ˛ D ˇ  ˛ (sprich Involut ˛). Winkel ', ˇ, ˛ im Bogenmaß. _

_

Mit ˇ D AT=rb und AT D BT D rb tan ˛ wird ˇ D rb tan ˛=rb D tan ˛ und mit inv ˛ D ˇ  ˛ auch: inv ˛ D tan ˛  arc ˛

(44.18)

Der Zahlenwert von inv ˛ ist also gleich der Radialprojektion der Evolventenkurve auf den Einheitskreis (r D 1). Diese Funktion lässt sich tabellarisieren (siehe . Abb. 44.13); zum Beispiel ist inv 20ı D 0;01490. Die für praktische Rechnungen erforderliche Genauigkeit bekommt man über die Involut-Funktion:     inv ˛ D tan ˛  arc ˛ im Bereich  < ˛ < 2 2 Beispiel: 18ı    inv 18ı D tan 18ı  D 0;01076043: : : 180ı Die Tabellenwerte sollen nur der Kontrolle dienen.

b) Anwendung der Evolventenfunktion . Abb. 44.11 Eingriffswinkel und Achsabstand a bei Nullgetrieben, b bei V-Getrieben

Die Evolventenfunktion und ihre Anwendung bei V-Getrieben a) Definition der Evolventenfunktion 44.4.2.11

Die Evolventenfunktion ermöglicht die genaue Berechnung der geometrischen Größen am Zahnrad, die für die Konstruktion, die Herstellung und die Messung wichtig sind wie Zahndicke, Lückenweite, Achsabstand, Spitzenradius, Pressungswinkel, Sehnenmaße usw. Nach . Abb. 44.12 ist der Pressungswinkel ˛ der spitze Winkel zwischen einer Tangente t an das Zahnprofil und dem Mittelpunktsstrahl durch den Berührungspunkt B. Mit der Evolventenfunktion des Winkels ˛ bezeichnet man den

44

. Abb. 44.12 Darstellung und Anwendung der Evolventenfunktion

Bestimmung der Zahndicke s0 auf beliebigem Radius r0 wie folgt: in . Abb. 44.12 ist Bogen a D rb (inv ˛  inv ˛n ), Bogen b D arw =rb , Bogen c D s  2b und s0 D cr0 =rw , sodass mit s D .pt =2/ C 2 x m tan ˛n nach (44.13) oder s D .  m=2/C2 x m tan ˛n die Zahndicke s0 auf beliebigem Radius r0 wird: s0 D c

r0 r0 D .s  2 b/ rw rw

und nach einigen Umformungen:     0 0 1   s D 2r C 2 x tan ˛n  .inv ˛  inv ˛n / z 2 (44.19) Der Pressungswinkel ˛ kann mit rw D r bestimmt werden aus rb r cos ˛n cos ˛ D 0 D (44.20) r r0

877

Minuten

44.4  Verzahnungsarten

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59

inv α für α º 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 0,00749 0,00903 0,01076 0,01272 0,01490 0,01735 0,02005 0,02305 0,02635 0,02997 0,03395 0,03829 0,04302 751 905 1 079 1 275 1 494 1 739 2 010 2 310 2 641 3 004 3 402 3 836 4 310 754 908 1 082 1 278 1 498 1 743 2 015 2 315 2 646 3 010 3 408 3 844 4 318 757 911 1 085 1 282 1 502 1 747 2 019 2 321 2 652 3 017 3 416 3 851 4 326 759 913 1 088 1 285 1 506 1 752 2 024 2 326 2 658 3 023 3 423 3 859 4 335 661 916 1 092 1 289 1 510 1 756 2 029 2 331 2 664 3 029 3 429 3 867 4 343 764 919 1 095 1 292 1 514 1 760 2 034 2 336 2 670 3 036 3 436 3 874 4 351 766 922 1 098 1 296 1 518 1 765 2 039 2 342 2 676 3 042 3 443 3 882 4 359 769 924 1 101 1 299 1 522 1 769 2 044 2 347 2 681 3 048 3 450 3 889 4 368 771 927 1 104 1 303 1 525 1 773 2 048 2 352 2 687 3 055 3 457 3 897 4 376 774 930 1 107 1 306 1 529 1 778 2 053 2 358 2 693 3 061 3 464 3 905 4 384 776 933 1 110 1 310 1 533 1 782 2 058 2 363 2 699 3 068 3 471 3 912 4 393 779 936 1 113 1 313 1 537 1 786 2 063 2 368 2 705 3 074 3 478 3 920 4 401 781 938 1 117 1 317 1 541 1 791 2 068 2 374 2 711 3 081 3 486 3 928 4 410 783 941 1 120 1 320 1 545 1 795 2 073 2 379 2 717 3 087 3 493 3 935 4 418 786 944 1 123 1 324 1 549 1 799 2 078 2 385 2 723 3 094 3 499 3 943 4 426 788 947 1 126 1 327 1 553 1 804 2 082 2 390 2 728 3 100 3 507 3 951 4 435 791 949 1 129 1 331 1 557 1 808 2 087 2 395 2 734 3 107 3 514 3 959 4 443 793 952 1 132 1 335 1 561 1 813 2 092 2 401 2 740 3 113 3 521 3 966 4 452 796 955 1 136 1 338 1 565 1 817 2 097 2 406 2 746 3 119 3 528 3 974 4 460 798 958 1 139 1 342 1 569 1 822 2 102 2 411 2 752 3 126 3 535 3 982 4 468 801 961 1 142 1 345 1 573 1 826 2 107 2 417 2 758 3 133 3 542 3 990 4 477 803 964 1 145 1 349 1 577 1 831 2 112 2 422 2 764 3 139 3 549 3 997 4 486 806 967 1 148 1 353 1 581 1 835 2 117 2 428 2 770 3 146 3 557 4 005 4 494 808 969 1 152 1 356 1 585 1 840 2 122 2 433 2 776 3 152 3 564 4 013 4 502 811 972 1 155 1 360 1 589 1 844 2 127 2 439 2 782 3 159 3 571 4 021 4 511 813 975 1 158 1 363 1 593 1 849 2 132 2 444 2 788 3 165 3 578 4 029 4 519 816 978 1 161 1 367 1 597 1 853 2 137 2 450 2 794 3 172 3 585 4 037 4 528 818 981 1 164 1 371 1 601 1 858 2 142 2 455 2 800 3 178 3 592 4 044 4 537 821 984 1 168 1 374 1 605 1 862 2 147 2 461 2 806 3 185 3 599 4 052 4 545 823 987 1 171 1 378 1 609 1 867 2 151 2 466 2 812 3 192 3 607 4 060 4 554 826 989 1 174 1 382 1 613 1 871 2 156 2 472 2 818 3 198 3 614 4 068 4 562 829 992 1 178 1 385 1 617 1 876 2 161 2 477 2 824 3 205 3 621 4 076 4 571 831 995 1 181 1 389 1 621 1 880 2 167 2 483 2 830 3 212 3 629 4 084 4 579 834 908 1 184 1 393 1 625 1 885 2 171 2 488 2 836 3 218 3 636 4 092 4 588 836 1001 1 187 1 396 1 629 1 889 2 177 2 494 2 842 3 225 3 643 4 099 4 597 839 1 004 1 191 1 399 1 634 1 894 2 181 2 499 2 848 3 231 3 650 4 108 4 605 841 1 007 1 194 1 404 1 638 1 898 2 187 2 505 2 855 3 238 3 658 4 116 4 614 844 1 010 1 197 1 407 1 642 1 903 2 192 2 510 2 861 3 245 3 665 4 124 4 623 847 1 013 1 201 1 411 1 646 1 907 2 197 2 516 2 867 3 252 3 672 4 132 4 631 849 1 016 1 204 1 415 1 650 1 912 2 202 2 521 2 873 3 258 3 680 4 139 3 640 852 1 019 1 207 1 419 1 654 1 917 2 207 2 527 2 879 3 265 3 687 4 148 4 649 854 1 022 1 211 1 422 1 658 1 921 2 212 2 532 2 885 3 272 3 695 4 156 4 657 857 1 025 1 214 1 426 1 663 1 926 2 217 2 538 2 891 3 279 3 702 4 164 4 666 860 1 028 1 217 1 430 1 667 1 930 2 222 2 544 2 898 3 285 3 709 4 172 4 675 862 1 031 1 221 1 433 1 671 1 935 2 227 2 549 2 904 3 292 3 717 4 180 4 684 865 1 034 1 224 1 437 1 675 1 940 2 232 2 555 2 910 3 299 3 724 4 188 4 692 868 1 037 1 227 1 441 1 679 1 944 2 238 2 561 2 916 3 306 3 731 4 196 4 701 870 1 040 1 231 1 445 1 684 1 949 2 243 2 566 2 922 3 312 3 739 4 204 4 710 873 1 043 1 234 1 449 1 688 1 954 2 248 2 572 2 929 3 319 3 746 4 212 4 719 876 1 046 1 237 1 452 1 692 1 958 2 253 2 578 2 935 3 326 3 754 4 220 4 728 878 1 049 1 241 1 456 1 696 1 963 2 258 2 583 2 941 3 333 3 761 4 228 4 736 881 1 052 1 244 1 459 1 700 1 968 2 263 2 589 2 947 3 340 3 769 4 236 4 745 884 1 055 1 248 1 464 1 705 1 972 2 268 2 595 2 954 3 347 3 776 4 244 4 754 886 1 058 1 251 1 467 1 709 1 977 2 274 2 601 2 960 3 353 3 783 4 253 4 763 889 1 061 1 254 1 471 1 713 1 982 2 279 2 606 2 966 3 360 3 791 4 261 4 772 892 1 064 1 258 1 475 1 717 1 986 2 284 2 612 2 972 3 367 3 798 4 269 4 780 894 1 067 1 261 1 479 1 722 1 991 2 289 2 618 2 979 3 374 3 806 4 277 4 789 897 1 070 1 265 1 483 1 726 1 996 2 294 2 624 2 985 3 381 3 814 4 285 4 798 899 1 073 1 268 1 487 1 730 2 001 2 300 2 629 2 991 3 388 3 821 4 294 4 807

. Abb. 44.13 Evolventenfunktion inv ˛ D tan ˛  arc ˛

44

878

Kapitel 44  Zahnräder

. Tabelle 44.3 Rechenschema zur Bestimmung der geometrischen Größen beim Geradzahn-V-Getriebe (Außengetriebe) geometrische Größe

Formelzeichen

Berechnungsgleichung

Übersetzung

i

i D n1 =n2 D z2 =z1 D r2 =r1 D rw2 =rw1 D M2 =M1

Teilkreisradius

r

r D d=2 D m z=2

Teilkreisteilung

pt

pt D m  

Grundkreisradius

rb

r b D r cos ˛n

Grundkreisteilung

pb

pb D pt cos ˛n

Wälzkreisradius

rw

rw D

Betriebseingriffswinkel

˛w

Mindest-Profilverschiebungsfaktor bei z1 < 17

x

x D .17  z1 /=17

Profilverschiebung



1 D x1 m; 2 D x2 m

Summe der Profilverschiebungsfaktoren

x1 C x2

x1 C x2 D

Achsabstand

a

a D rw1 C rw2 D

Rechengröße

ad

ad D r1 C r2 D m .z1 C z2 /=2

Kopfkreisradius

ra

r a1 D a C m .1  x2 /  r2 r a2 D a C m .1  x1 /  r1

Fußkreisradius

rf

Profilüberdeckung



r f1 D r1  m .1;25  x1 / für Zahnkopfhöhe des r f2 D r2  m .1;25  x2 / Werkzeugs hfP D 1;25m q q 2 2 2 2 ra1  rb1 ˙ ra2  rb2  a sin ˛w ˛ D m   cos ˛n

rb cos ˛w x1 C x2 ad inv ˛w D 2 tan ˛n C inv ˛n ; cos ˛w D cos ˛n z1 C z2 a

Die Gleichung (44.19) für s0 kann benutzt werden zur Berechnung der Zahndicke sa auf dem Kopfkreis mit dem Radius ra , indem für s0 D sa , für r0 D ra eingesetzt und cos ˛a D r cos ˛n =ra berechnet wird. Auf den Betriebswälzkreisen muss die Summe der Zahndicken sw1 und sw2 gleich der Teilung ptw sein: ptw D sw1 C sw2 . Damit ergeben sich die Gleichungen zur Bestimmung des Achsabstands a und der Summe der Profilverschiebungsfaktoren (44.23) und (44.24). Mit (44.19) wird     1   C 2 x1 tan ˛n  .inv ˛  inv ˛n / C ptw D 2rw1 z1 2     1   C 2rw2 C 2 x2 tan ˛n  .inv ˛  inv ˛n / z2 2

44

Mit 2 rw1 D z1 ptw und 2 rw2 D z2 ptw wird x1 C x2 tan ˛n D inv ˛  inv ˛n 2 z1 C z2

(44.21)

Diese Gleichung liefert bei gegebenen Profilverschiebungsfaktoren x1 , x2 den Betriebs-Eingriffswinkel ˛w aus inv ˛w D 2

x1 C x2 tan ˛n C inv ˛n z1 C z2

(44.22)

˛w wird aus der Evolventen-Funktionstabelle . Abb. 44.13 abgelesen.

in

inv ˛w  inv ˛n .z1 C z2 / 2 tan ˛n cos ˛n m .z1 C z2 / cos ˛n ; a D ad 2 cos ˛w cos ˛w

Der Betriebs-Wälzkreisradius rw ergibt sich wieder aus der bekannten Beziehung rw1 D rb1 = cos ˛w oder rw2 D rb2 = cos ˛w und damit der Achsabstand m cos ˛n a D rw1 C rw2 D .z1 C z2 / 2 cos ˛w cos ˛n a D a0 (44.23) cos ˛w Ist der Achsabstand a D rw1 C rw2 gegeben, kann nach (44.23) cos ˛w bestimmt und ˛w aus der Funktionstabelle abgelesen werden. Über die Evolventen-Funktionstabelle ist damit auch inv ˛w bekannt und mit (44.22) kann die Summe der Profilverschiebungsfaktoren bestimmt werden: x1 C x2 D

inv ˛w  inv ˛n .z1 C z2 / 2 tan ˛n

(44.24)

Für die Aufteilung der Summe x1 C x2 auf die beiden Räder gilt . Abb. 44.14 nach DIN 3992 – Empfehlungen für die Wahl der Profilverschiebung. Ablesebeispiel Gegeben z1 D 24, z2 D 108, damit i D 4;5, Summe x1 C x2 D C0;5. Man trägt über mittlerer Zähnezahl z D .z1 C z2 /=2 D .24 C 108/=2 D 66 den mittleren Verschiebungswert x D .x1 C x2 /=2 D C0;25 von der Nulllinie auf. Die den benachbarten L-Linien angepasste Gerade ergibt für z1 und z2 die Werte x1 D C0;36 und x2 D C0;14.

44

879 44.5  Geradstirnräder

. Abb. 44.14 Aufteilung der Summe der Profilverschiebungsfaktoren: Paarungslinien L bei i > 1 (Übersetzung ins Langsame), S bei i < 1 (Übersetzung ins Schnelle)

44.5 44.5.1

Geradstirnräder Verwendung, Eigenschaften

Verwendung bei kleineren bis mittleren Umfangsgeschwindigkeiten (vu0 < 5 m=s) für Universalgetriebe, Hebezeuge, Winden, Verschieberädergetriebe in Werkzeugmaschinen. Geradstirnräder erzeugen im Gegensatz zu Schrägstirnrädern keine Axialkraft und damit keine zusätzlichen Lagerbelastungen, sind jedoch bei hohen Drehzahlen hinsichtlich Laufruhe und Geräuschbildung ungünstiger.

44.5.2

Allgemeine Abmessungen, geometrische Größen, Profilverschiebung

Allgemeine Abmessung und Verzahnungsmaße siehe unter 14.3; Eingriffsstrecke, Eingriffslänge, Profilüberdeckung siehe unter 7 Abschn. 44.4.2.3; Zahnunterschnitt, Grenzzähnezahl siehe unter 7 Abschn. 44.4.2.7; Profilverschiebung, Spitzengrenze siehe unter 7 Abschn. 44.4.2.8 und 7 Abschn. 44.4.2.9; geometrische Größen bei V- und V-Nullgetrieben siehe unter 7 Abschn. 44.4.2.10.

44.5.3

Kraftverhältnisse

Die Zahnkraft F bt wirkt rechtwinklig zur Zahnflanke längs der Eingriffslinie. Komponenten sind die Umfangskraft F t und die Radialkraft F r (. Abb. 44.15). Aus dem Drehmo-

. Abb. 44.15 Kräfte am Geradzahn-Stirnrad

ment M und dem Teilkreisdurchmesser d ergibt sich die Umfangskraft (Tangentialkraft): Ft D

2M d1

Ft N

M d1 Nmm mm

(44.25)

Mit dem Eingriffswinkel ˛n D 20ı werden hiermit die Radialkraft F r und die Zahnkraft F bt : Fr D Ft tan ˛n  0;364Ft Ft  1;064Ft Fbt D cos ˛n

44.5.4

(44.26) (44.27)

Berechnung der Zähne

Die genaue Berechnung der Tragfähigkeit der Zähne kann nur eine Nachprüfung sein, da alle Verzahnungsdaten bekannt sein müssen. 44.5.4.1

Vorwahl der Hauptabmessungen

Vor der Nachprüfung werden die Hauptabmessungen der Zahnräder (Modul, Zähnezahl, Teilkreisdurchmesser, Breite) zunächst überschlägig mit Erfahrungsdaten festgelegt. Man unterscheidet folgende Fälle: a) Der Durchmesser dr der Welle für das Ritzel ist aus vorhergegangener Festigkeitsberechnung gegeben oder überschlägig bestimmt nach (40.5) in 7 Kap. 40. Der hierfür erforderliche, möglichst kleine Ritzel-Teilkreisdurchmesser ergibt sich aus: d1 

1;8 dr z1 z1  2;5

d1 ; dr mm

z1 1

(44.28)

880

Kapitel 44  Zahnräder

oder aus s 20:500 d1   H lim d1

3

M1

P1 H lim i C 1  i d n1 P1

mm Nm kW

. Abb. 44.16 Breitenverhältnis d . Kurve a: Schaltgetriebe und Getriebe mit kleinen Drehzahlen; Verzahnung und Wellenlagerung in mittlerer Ausführung; bei „fliegendem“ Ritzel; Kurve b: Getriebe mit mittleren Drehzahlen; Universalgetriebe; Verzahnung und Wellenlagerung in guter, handelsüblicher Ausführung; Kurve c: Schnelllaufende Getriebe mit hoher Lebensdauer; Verzahnung und Wellenlagerung mit hoher Genauigkeit; Kurve d: Schnelllaufende Getriebe mit höchster Lebensdauer; Verzahnung und Wellenlagerung mit höchster Präzision bei starr gelagerten Wellen

Bei der Ausbildung als Ritzelwelle (Welle und Ritzel aus einem Stück) wird d1 

44

1;1 dr z1 z1  2;5

(44.29)

Als Ritzelzähnezahl wählt man bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten (v > 5 m=s): z1  20: : :25; bei mittleren Umfangsgeschwindigkeiten (v D 1: : :5 m=s): z1  18: : :22; bei kleinen Umfangsgeschwindigkeiten (n < 1 m=s): z1  15: : :20. Zur Ermittlung von v D d1   n=60:000 wählt man zunächst d1  2 dr bzw.  1;25dr . Der Modul ergibt sich dann aus m D d1 =z1 ; gewählt wird der nächstliegende nach DIN 780, . Tab. 44.1. Zur Festlegung der Zahnbreite nimmt man aus b1  d d1 und b1  m m etwa den mittleren Wert. Breitenverhältnis d D b1 =d1 nach . Abb. 44.16. Breitenverhältnis m D b1 =m  10 bei gegossenen Zähnen; m  15 bei geschnittenen Zähnen, Lagerung auf Trägern, Sockeln, Ritzel fliegend; m  25 bei genau geschnittenen Zähnen, guter Lagerung in Getriebekästen; m  30 bei sehr guter Verzahnung und genauester starrer Lagerung. Zur Vermeidung von „Radversetzungen“ und zum Ausgleich von Einbauungenauigkeiten wählt man die Breite des Großrads b2  b1  5 mm. b) Wellendurchmesser sind noch unbekannt; nicht gebunden an bestimmten Achsenabstand; Übertragung größerer Leistungen. Man bestimmt den Teilkreisdurchmesser des treibenden Rades (meist des Ritzels) aus s 950 3 M1 H lim i C 1 d1    (44.30) H lim i d

H lim N mm2

(44.31) n1

min1

d; i

1

M 1 Drehmoment des treibenden Rads; P1 zu übertragende Leistung; i Übersetzung des Radpaars; d Breitenverhältnis nach . Abb. 44.16; H lim Hertz’sche Pressung des Ritzels nach . Tab. 44.4 (zur Vorwahl des Ritzelwerkstoffs . Tab. 44.6) n1 Drehzahl des treibenden Rades. Ritzelzähnezahl, Modul und Zahnbreite wählt man wie oben unter a). Bei der Wahl der Ritzelzähnezahl ist zu beachten, dass die Bedingungen nach (44.28) bzw. (44.29) erfüllt sind. Der Durchmesser der Ritzelwelle kann p dabei überschlägig ermittelt werden aus dr  0;65 3 M1 in mm (M 1 in Nmm). c) Achsenabstand a ist aus baulichen Gründen gegeben (häufig bei Feinmaschinen). Der Teilkreisdurchmesser des treibenden Rades (meist des Ritzels) wird dann d1 D

2a i C1

d1 ; a i mm 1

(44.32)

Bei Leistungsgetrieben sollen gleichzeitig die Bedingungen nach (44.30) bzw. (44.31) erfüllt sein. Gegebenenfalls ist der H lim -Wert und damit der Werkstoff des Ritzels entsprechend zu wählen. Für die Festlegung von Ritzelzähnezahl, Modul und Zahnbreite gelten die Angaben wie oben zu a) und b). Vielfach lässt sich jedoch der verlangte Achsenabstand nur durch entsprechende Profilverschiebung erreichen (siehe unter 7 Abschn. 44.4.2.11). 44.5.4.2

Vorwahl der Zahnradwerkstoffe

Der Werkstoff des Ritzels soll mindestens eine um 50 N=mm2 höhere Bruchfestigkeit haben als der des Rades. Gegebenenfalls ist der Werkstoff zu ändern, falls die Nachprüfung der Zähne dies erfordert. 44.5.4.3

Wahl der Verzahnungsqualität

Für die Toleranzen und damit für die Genauigkeit der Verzahnung sind nach DIN 3960 zwölf Qualitäten vorgesehen. Für deren Wahl sind insbesondere das Verwendungsgebiet und die Umfangsgeschwindigkeit maßgebend, Richtlinien für die Auswahl der Qualität siehe . Abb. 44.17. 44.5.4.4

Nachprüfung der Zähne

Nach Vorwahl und Festlegung der Verzahnungsdaten wird die Zahnfußbeanspruchung und die Flankenbeanspruchung (Hertz’sche Pressung) nachgeprüft. Für umfangreichere Berechnungen zum Tragfähigkeitsnachweis bei Zahnrädern sind die Normen heranzuziehen, insbesondere die

881 44.5  Geradstirnräder

. Tabelle 44.4 Werkstoffe und Festigkeitswerte für Zahnräder (Empfehlungen nach DIN 3990) Nr.

Werkstoff

Art der Behandlung Dauerfestigkeitswerte für

Rm N=mm2 1

Hertz’sche Pressung

F lim N=mm2

H lim N=mm2

EN-GJL-200

200

50

270

2

EN-GJL-250

250

60

210

3

EN-GJL-350

350

80

360

EN-GJS-400-15

800

200

360

5

EN-GJS-500-7

900

210

420

6

EN-GJS-600-3

1000

220

490

7

EN-GJS-700-2

1100

230

525

GE 240

410

130

280

9

GE 260

470

150

340

10

GE 300

520

170

420

450

170

290

4

8

11

Gusseisen mit Lamellengraphit

Zahnfußspannung bei Schwelllast

Gusseisen mit Kugelgraphit

Stahlguss

allgemeiner Baustahl, unlegiert, ungehärtet

12

E 295

550

190

340

13

E 355

650

200

400

14

E 360

800

220

460

600

170

440

15

C22 E

vergütet

16

C45 E

umlaufgehärtet

1000

270

1100

17

C45 E

badnitriert

1100

350

1100

18

C60 E

vergütet

900

220

620

19

34Cr4

vergütet

900

260

650

20

37Cr4

vergütet

950

270

650

21

37Cr4

umlaufgehärtet

1150

310

1280

22

42CrMo4

vergütet

1100

290

670

23

42CrMo4

umlaufgehärtet

1300

350

1360

24

42CrMo4

badnitriert

1450

430

1220

25

34CrNiMo6

vergütet

1300

320

770

C15 E

einsatzgehärtet

900

230

1600

26

Vergütungsstahl

Einsatzstahl

27

16MnCr5

1400

460

1630

28

20MnCr5

1500

480

1630

29

20MoCr4

1300

400

1630

30

15CrNi6

1600

500

1630

31

18CrNi8

1700

500

1630

32

17CrNiMo6

1700

500

1630

44

882

Kapitel 44  Zahnräder

. Abb. 44.18 Kräfte am Zahn

. Abb. 44.17 Richtlinien für die Wahl der Verzahnungsqualität. a nach Verwendungsgebiet, b nach Umfangsgeschwindigkeit, c nach Herstellungsverfahren

Umfangskraft am Teilkreis F t D 2M1 cS =d1 , worin M 1 (Nenn-)Drehmoment des Ritzels in Nmm, cS Betriebsfaktor nach . Tab. 44.5, Ritzel-Teilkreisdurchmesser d in mm, b Zahnbreite; m Modul; Y F Zahnformfaktor, abhängig von den Verzahnungsdaten, nach . Abb. 44.19; Y  Überdeckungsfaktor zur Berücksichtigung der Profilüberdeckung ist. Man setzt Y  D 1 bei „normaler“ Verzahnung (Qualität 8 . . . 12), rohen Zähnen und geringer Belastung, da hierbei nicht damit zu rechnen ist, dass mehrere Zahnpaare gleichzeitig die Umfangskraft übertragen; Y   0;8 bei genauer Verzahnung (Qualität 5 . . . 7) und höherer Belastung. FP ist die zulässige Zahnfußspannung; man setzt FP D Rm =v (bei langsam laufenden Rädern und handbetätigten Hebezeugen, Sicherheit v  2;5), FP D F lim = (bei schnelllaufenden Rädern, v  2). Entsprechende Festigkeitswerte siehe . Tab. 44.4. Die Nachprüfung soll immer für beide Räder durchgeführt werden.

Empfehlungen aus DIN 3990 (für Stirnräder), 3991 (für Kegelräder), 3996 (Zylinder-Schneckengetriebe) 1 Nachprüfung der Flankenbeanspruchung Die an den Zahnflanken auftretende Flächenpressung ist 1 Nachprüfung der Zahnfußbeanspruchung Der Zahnfuß ist am stärksten gefährdet, wenn die Zahn- für die Lebensdauer eines Getriebes von entscheidender

44

kraft F bt am Kopfpunkt des Zahns angreift (. Abb. 44.18). Gefährdeter Querschnitt A–B wird durch die Komponente F d auf Druck, durch das Moment M b D Fb l auf Biegung und zusätzlich durch F b auf Schub (vernachlässigbar) beansprucht. Werden F d und F b durch die Umfangskraft F t ausgedrückt und die konstanten bzw. wenig veränderlichen Verzahnungsdaten (˛n , ˇ, l, sf ) in Y F zusammengefasst, dann ergibt sich die Zahnfußspannung F D

Ft YF Y  FP bm F ; FP Ft b; m N N mm mm2

YF ; Y 1

(44.33)

. Tabelle 44.5 Beispiele für den Betriebsfaktor cs . Der Betriebsfaktor berücksichtigt die Betriebsart des Systems „Kraftmaschine – Getriebe – Arbeitsmaschine“, insbesondere Drehmomentenschwankungen von der Antriebsseite her und Stöße aus der Arbeitsmaschine. Er wird im Einvernehmen mit dem Abnehmer des Getriebes festgelegt Kraftmaschine (Antrieb)

Arbeitsmaschine (Abtrieb)

Betriebsfaktor cs

Turbine

Kreiselpumpe

1,1

Elektromotor

Werkzeugmaschine

1,25

Verbrennungsmotor

Schiffsschraube

1,4

Elektromotor

Walzwerksanlage

1,5

883 44.6  Schrägstirnräder

der Kraft durch mehrere Zahnpaare nicht zu rechnen, man setzt dann Z  D 1; bei genauer Verzahnung und höherer Belastung kann Z   0;8 gesetzt werden; der Zonenfaktor Z H ist abhängig von den Verzahnungsdaten und erfasst die Krümmung der Zahnflanken: s 2 cos ˇb 1 ZH D für Zahnräder (44.35) cos ˛t tan ˛wt s cos ˇb für Null-Kegelräder (44.36) ZH D 2 sin.2 ˛t / Eingriffswinkel im Stirnschnitt ˛t am Teilkreis nach tan ˛t D tan ˛n = cos ˇ (bei Geradverzahnung ist ˇ D 0 und damit ˛t D ˛n D 20ı ); Betriebseingriffswinkel im Stirnschnitt   mt .z1 C z2 / ˛wt D arccos cos ˛t 2ad

. Abb. 44.19 Ermittlung des Zahnformfaktors Y F

Bedeutung. Um eine fortschreitende „Grübchenbildung“ an den Flächen zu vermeiden und die Lebensdauer der Zähne nicht zu gefährden, darf die im Wälzpunkt auftretende Hertz’sche Pressung einen zulässigen Wert nicht überschreiten: s Ft u C 1 H D ZE Z ZH  HP b d1 u H ; HP N mm2

Ft

b; d1

u; ZH ; Z

N

mm

1

r

ZE N mm2

(44.34)

Umfangskraft am Teilkreis F t D 2M1 cS =d1 wie zu (44.33); b Zahnbreite (von beiden Rädern die kleinere); d1 Teilkreisdurchmesser des Ritzels, u D z2 =z1  1 Zähnezahlverhältnis gleich Verhältnis der Zähnezahl des Großrades zur Zähnezahl des Ritzels, bei i > 1 ist u D i; Z E Elastizitätsfaktor zur Berücksichtigung des E-Moduls der Werkstoffe der Räder nach . Tab. 44.6; Z  Überdeckungsfaktor zur Berücksichtigung der Länge der Berührungslinien: Bei „normaler“ Verzahnung (Qualität 8 . . . 12), rohen Zähnen und geringer Belastung ist mit gleichzeitiger Übertragung

Schrägungswinkel ˇb am Grundkreis nach arctan ˇb D .tan ˇb cos ˛t ) mit dem Schrägungswinkel ˇ am Teilkreis siehe 7 Abschn. 44.6.2. Zulässige Hertz’sche Pressung aus HP D H lim =v, wobei v  1;5 einzusetzen ist. H lim aus . Tab. 44.4. 44.6 44.6.1

Schrägstirnräder Verwendung, Eigenschaften

Die Zähne sind auf dem Radzylinder schraubenförmig gewunden und bilden am Teilkreis mit der Radachse den Schrägungswinkel ˇ. Bei der Paarung zweier Räder zum Stirnradgetriebe müssen die Zähne des einen Rads rechtsdie des anderen linkssteigend sein. Zwei Räder mit Zähnen gleichen Steigungssinnes ergeben ein Schraubradgetriebe. Verwendung bei höheren Drehzahlen und Belastungen, ruhiger, geräuscharmer Lauf; größerer Überdeckungsgrad gegenüber Geradstirnrädern; jedoch Axialschub, der durch Doppelschräg- oder Pfeilzähne aufgehoben werden kann.

. Tabelle 44.6 Richtwerte für den Elastizitätsfaktor Z E Werkstoff des Ritzels

Werkstoff des Rads

Elastizitätsfaktor ZE in

Stahl

Stahl

189,8

Kugelgraphitguss Stahl

EN-GJS-500-7

Stahlguss

GE 300

188,9

Kugelgraphitguss

EN-GJS-500-7

181,4

Grauguss

EN-GJL-250

163,5

Guss-Zinn-Bronze

G-SnBz 14

155

Kugelgraphitguss

EN-GJS-400-15

173,9

Duoplast-Schichtstoff (Hartgewebe)

57,2

p N=mm2

44

Kapitel 44  Zahnräder

884

. Abb. 44.21 Ersatz-Geradstirnrad

Sp D b tan ˇ: ges D ˛ C ˇ

Der Sprung Sp ist die auf die Zahnbreite bezogene, am Teilkreis gemessene Schrägstellung der Zähne (. Abb. 44.20).

. Abb. 44.20 Abmessungen der Schrägzahn-Stirnräder

44.6.2

44.6.4

Allgemeine Abmessungen

Schrägungswinkel üblich ˇ  10ı . . . 20ı . Im Normalschnitt rechtwinklig zur Flankenrichtung zeigt sich die normale Evolventenverzahnung mit dem Normaleingriffswinkel ˛n und der Normalteilung pn D mn   (mn Normalmodul gleich Normmodul). An der Stirnfläche des Rads wird die Stirnteilung pt D pn = cos ˇ gemessen, entsprechend Stirnmodul mt D mn = cos ˇ (. Abb. 44.20); Stirneingriffswinkel ˛t aus ˛t D .arctan ˛n = cos ˇ). Teilkreisdurchmesser d, Kopfkreisdurchmesser da , Grundkreisdurchmesser db und Achsabstand ad ergeben: mn z cos ˇ da D d C 2mn db D d cos ˛t d1 C d2 mn .z1 C z2 / D ad D 2 2 cos ˇ d D mt z D

44

44.6.3

(44.41)

(44.37) (44.38) (44.39) (44.40)

Eingriffsstrecke, Eingriffslänge, Profilüberdeckung

Für die Eingriffsstrecke g˛ und die Eingriffslänge e gelten sinngemäß die Angaben und Gleichungen unter 7 Abschn. 44.4.2.3 und in . Tab. 44.2, wobei ˛n D ˛t zu setzen ist. Die Gesamtüberdeckung ges ergibt sich aus der Profilüberdeckung ˛ nach (44.6), worin ˛n D ˛t zu setzen ist, und der Sprungüberdeckung ˇ D Sp=pt mit Sprung

Ersatz-Geradstirnrad, Grenzzähnezahl

Man führt zweckmäßig das Schrägstirnrad mit der Zähnezahl z auf ein Geradstirnrad, das Ersatz-Geradstirnrad zurück. Hierfür gelten dann sinngemäß die Angaben unter 7 Abschn. 44.4.2.7. Für das aus dem Normalschnitt entstehende Ersatzrad (. Abb. 44.21) ergibt sich die Ersatzzähnezahl z (44.42) zn D cos3 ˇ Wird zn D zg D 17 gesetzt, ergibt sich die Grenzzähnezahl bei Schrägstirnrädern zgS D 17 cos3 ˇ

44.6.5

(44.43)

Profilverschiebung, Zahnspitzengrenze

Bei Zähnezahlen z < zgS ist zur Vermeidung von Unterschnitt Profilverschiebung erforderlich. Zur Ermittlung der Profilverschiebung n und der Profilverschiebungsfaktoren xth und x gelten die unter 7 Abschn. 44.4.2.8 hergeleiteten Gleichungen (44.8), (44.9) und (44.10), wobei m D mn (Normalmodul) und z D zn zu setzen sind. Ebenso wie die Grenzzähnezahl liegt auch die Spitzengrenze mit größer werdendem Schrägungswinkel ˇ niedriger. Grenzzähnezahlen und Spitzengrenze sind in Abhängigkeit vom Schrägungswinkel in . Abb. 44.22 dargestellt.

44

885 44.6  Schrägstirnräder

wie für Geradstirnräder, jedoch soll m D b1 =mt  30 bei größeren Schrägungswinkeln (ˇ > 25ı ) nicht überschreiten. Den Schrägungswinkel ˇ bestimmt man so, dass die Sprungüberdeckung ˇ  1 . . . 1,2 beträgt (günstig für die Laufruhe, keine zu großen Axialkräfte). Aus ˇ D

Sp b1 tan ˇ D pt   mt

kann der Schrägungswinkel ˇ ermittelt werden: . Abb. 44.22 Grenz- und Mindestzähnezahlen bei der Schrägverzahnung

. Abb. 44.23 Kraftverhältnisse am Schrägzahn-Stirnradgetriebe

44.6.6

Die Schrägung der Zähne ergibt eine zusätzliche Axialkraft. Nach . Abb. 44.23 ergeben sich mit der Umfangskraft F t D 2M=d die Axialkraft F a und die Radialkraft F r :

44.6.7

(44.44) (44.45)

Berechnung der Zähne

Die Berechnung wird im Prinzip wie für Geradstirnräder unter 7 Abschn. 44.5.4 durchgeführt. 44.6.7.1

Vorwahl der Hauptabmessungen

a) Durchmesser d der Welle des Ritzels ist bekannt oder überschlägig bestimmt nach (40.5) in 7 Kap. 40. Man ermittelt den Ritzel-Teilkreisdurchmesser d1 nach (44.28) bzw. (44.29). Als Ritzelzähnezahl wählt man ein bis zwei Zähne weniger als bei Geradzähnen (siehe unter 7 Abschn. 44.5.4.1a). Der Stirnmodul ergibt sich aus mt D d1 =z1 . Die Zahnbreiten b1 und b2 wählt man

  ˇ mt b1

(44.46)

Mit ˇ ergibt sich der Normalmodul mn D mt cos ˇ. Für diesen wird der nächstliegende Norm-Modul nach . Tab. 44.1 gewählt und hiermit die endgültigen Radabmessungen nach 7 Abschn. 44.6.2 festgelegt. b) Wellendurchmesser noch unbekannt; nicht gebunden an bestimmten Achsenabstand; Übertragung größerer Leistungen. Man ermittelt den Ritzel-Teilkreisdurchmesser wie bei Geradstirnrädern nach (44.30) bzw. (44.31). Zur Ermittlung der sonstigen Baugrößen ist wie unter a) zu verfahren. Gleichzeitig sind die Hinweise unter 7 Abschn. 44.5.4.1b) zu beachten. c) Achsenabstand ist aus baulichen Gründen gegeben. Bestimmung des Teilkreisdurchmessers des treibenden Rades nach (44.32). Für die Festlegung der sonstigen Baugrößen gelten sinngemäß die Angaben zu 7 Abschn. 44.5.4.1c). 44.6.7.2

Kraftverhältnisse

Fa D Ft tan ˇ Ft tan ˛n Fr D cos ˇ

ˇ D arctan

Werkstoffe, Verzahnungsqualität

Für die Wahl der Werkstoffe und der Verzahnungsqualität sind die gleichen Gesichtspunkte wie für Geradstirnräder maßgebend, siehe unter 7 Abschn. 44.5.4.2 und 44.5.4.3. 44.6.7.3

Nachprüfung der Zähne

Die Tragfähigkeit der Zähne der Schrägstirnräder wird genauso geprüft wie die der Geradstirnräder: Nachprüfung der Zahnfuß-Tragfähigkeit nach (44.33) und der Flanken-Tragfähigkeit nach (44.34). An Stelle von m ist jeweils der Normalmodul mn , an Stelle von z die Ersatzzähnezahl zn zu setzen. 7 Beispiel Für den Werkzeugspindelantrieb einer Fräsmaschine ist das Schrägstirnradpaar der Eingangsstufe zu berechnen. Erforderliche Grundgrößen: Antriebsleistung P D 4 kW Antriebsdrehzahl n D 700 min1 Das Antriebsritzel ist auf die Motorwelle montiert. Motorwellen-Durchmesser dr D 38 mm Übersetzung i D 4;8

Kapitel 44  Zahnräder

886

Endgültige Abmessungen beider Räder:

Lösung: Vorwahl der Hauptabmessungen: Ritzel-Teilkreisdurchmesser d1 : d1 

1;8 d1 z1 z1  2;5

Tatsächlicher Stirnmodul mt : (44.37)

mn 4 mm D 4;09 mm D cos ˇ cos 12ı

Nach 7 Abschn. 44.5.4.1 wird die Ritzelzähnezahl z1 nach deren Umfangsgeschwindigkeit gewählt. Erfahrungswert für d1 : d1  2dr

Teilkreisdurchmesser d1 nach (44.37) für das Ritzel:

  2dr n   d1 n1  60 60 m 700  2;8 v     2  0;038  60 s

Teilkreisdurchmesser d2 nach (44.37) für das Rad: d2 D mt  z2

Ritzelzähnezahl gewählt z1 D 20 Zähne

d2 D 4;09 mm  96 D 392;64 mm

vD

d1 

1;8  38 mm  20 D 78;2 mm  80 mm 20  2;5

Stirnmodul mt aus (44.37): mt D d1 =z1 D 80 mm=20 D 4 mm Ritzelbreite b1 und Radbreite b2 aus 7 Abschn. 44.5.4.1: 1. Vorwahl Ritzelbreite b1 aus: b1 D

d

 d1

Breitenverhältnis u D i D 4;8W

d

d

nach . Abb. 44.16, Kurve b,

D 0;9

b1 D 0;9  80 mm D 70 mm 2. Vorwahl Ritzelbreite b1 : b1 D d

m  mt

 15

für geschnittene Zähne, Ritzel fliegend

b1 D 15  4 mm D 60 mm ausgeführt b1 D 65 mm (Mittelwert) Radbreite b2 : b2  b1  5 mm D 65 mm  5 mm D 60 mm Schrägungswinkel ˇ aus (44.46):

44

mt D

   ˇ  mt ˇ D arctan b1    1;1  4 mm D 12;006ı ˇ D arctan 65 mm ausgeführt ˇ D 12ı Normalmodul mn

d1 D mt  z1 D 4;09 mm  20 D 81;8 mm

z2 D i  z1 D 4;8  20 D 96

Achsabstand ad nach (44.40): d1 C d2 2 81;8 mm C 392;64 mm D 237;22 mm ad D 2 ad D

Werkstoff-Vorwahl nach . Tab. 44.4: Ritzel: Stahl E 360 mit Rm D 800 N=mm2 Rad: Stahlguss GE 360 mit Rm D 470 N=mm2 Wahl der Verzahnungsqualität nach . Abb. 44.17: Für Werkzeugmaschinen kommen Qualitäten bis 10 in Betracht. Umfangsgeschwindigkeit des Ritzels: vD

700 m   d1 n 1 D    0;0818  3 60 60 s

Für v D 3 m=s werden Qualitäten von 8 . . . 10 empfohlen. Ausgeführt wird Qualität 8. Nachprüfung der Zähne nach 7 Abschn. 44.5.4.4: Zahnfußbeanspruchung F1 des Ritzels: Ft1 YF Y2  FP b1 mn 2M1 cS Umfangskraft Ft1 D d1

F1 D

(44.33)

Drehmoment M 1 des Ritzels 9550  P n 9550  4 D 54;6  103 Nmm M1 D 700

M1 D

Betriebsfaktor cS nach . Tab. 44.5: cS  1;5 .E-Motor – Volllast, stoßfrei – Zahnrad – 8 h/ 2  54;6  103 Nmm  1;5 81;8 mm

mn D mt  cos ˇ D 4 mm  cos 12ı D 3;91 mm

Ft1 D

ausgeführt nach DIN 780, . Tab. 44.1: mn D 4 mm

Ft1  2000 N

44

887 44.6  Schrägstirnräder

Zahnbreite b1 D 65 mm Normalmodul mn D 4 mm

völlig ausreichend, ein Stahlguss mit geringerer Zahnfußspannung, zum Beispiel GE240, würde ausreichen.

Zahnformfaktor Y F nach . Abb. 44.19: x D 0

Nachprüfung der Flankenbeanspruchung nach 7 Abschn. 44.5.4.4: s uC1 F1  ZE  Z  ZH  (44.34) H D b  d1 u

zn1 D

20 z1 D D 21;4 3 cos ˇ cos3

(44.42)

YF D 2;9 Überdeckungsfaktor Y für Verzahnungsqualität 8: Y D 1 zulässige Zahnfußspannung FP nach (44.33) und . Tab. 44.4 für Stahl E 360: F lim D 220 N=mm2

Ft ¶ Ft1 D 2000 N b ¶ b2 D 60 mm .kleinste Breite!/ d1 D 81;8 mm u ¶ i D 4;8

N 220 mm N F lim 2 D D 110  2 mm2 N 2000 N  2;9  1 D 65 mm  4 mm mm2 N N D 22;3  FP D 110 mm2 mm2

FP1 D F1 F1

Auswertung: Die Zahnfußbeanspruchung für das Ritzel ist mit F1 D 22;3

N N

FP1 D 110 mm2 mm2

völlig ausreichend, ein Stahl mit geringerer Zahnfußspannung, zum Beispiel E 295, würde ausreichen. Zahnfußbeanspruchung F2 für das Rad: F2 D

Ft2 YF Y  FP2 b2 mn

Zonenfaktor Z H : s 2 cos ˇ 1 ZH D cos ˛t tan ˛wt tan ˛n ˛t D arctan nach 7 Abschn. 44.6.2 cos ˇ tan 20ı ˛t D arctan D 20;41ı cos 12ı   mt .z1 C z2 / ˛wt D arccos cos ˛t 2ad   4 mm  .20 C 96/  cos 20;41ı ˛wt D arccos 2  237;22 mm ˛wt D 23;57ı

(44.33)

Umfangskraft Ft1 D Ft2 D 2000 N Zahnbreite b2 D 60 mm Normalmodul mn D 4 mm

1 ZH D  cos 20;41ı

zn2

zn1 D 102

2  cos 12ı D 2;26 tan 23;57ı

Elastizitätsfaktor Z E : Z E D 188;9 – Stahl gegen Stahlguss (. Tab. 44.6). Überdeckungsfaktor Z : Z D 1 gewählt s

Zahnformfaktor Y F nach . Abb. 44.19: x D 0 96 z2 D D cos3 ˇ cos3

s

(44.35)

H D

4;8 C 1 2000 N   188;9  60 mm  81;8 mm 4;8

H D 300

r

N  1  2;26 mm2

N mm2

YF D 2;2

Hertz’sche Pressung für Stahl E 360 (. Tab. 44.4):

Überdeckungsfaktor Y für Verzahnungsqualität 8: Y D 1 zulässige Zahnfußspannung FP2 nach (44.33) und . Tab. 44.4 für Stahlguss GE260:

HP1 D HP1

F lim D 150 N=mm2 N 150 mm N F lim 2 D D 75  2 mm2 N 2000 N  2;2  1 D 60 mm  4 mm mm2 N N D 18;3  FP2 D 75 mm2 mm2

Hertz’sche Pressung für Stahlguss GE260 (. Tab. 44.4):

FP2 D F2 F2

Auswertung: Die Zahnfußbeanspruchung für das Rad ist mit F2 D 18;3

N N

FP2 D 75 mm2 mm2

N 460 mm H lim 2 D  1;5 N N D 307 < H D 300 mm2 mm2

N 340 mm H lim 2 D  1;5 N N D 227 < H D 300 mm2 mm2

HP2 D HP2

Auswertung: Sowohl beim Ritzel als auch beim Rad ist die Flankentragfähigkeit H > HP , es muss in beiden Fällen ein Werkstoff mit einem größeren H lim -Wert gewählt werden! 9

Kapitel 44  Zahnräder

888

44.7

Kegelräder Allgemeines

44.7.1

Mögliche Ausführungen mit Geradzähnen (nur bei kleineren Drehzahlen und Belastungen), Schräg- und Bogenzähnen. Die Kegelradachsen schneiden sich normalerweise in einem Punkt P(keine Achsversetzung), meist unter dem Achsenwinkel ı D 90ı .

Geradverzahnte Kegelräder

44.7.2 44.7.2.1

Geometrische Beziehungen

Übersetzung i D n1 =n2 D z2 =z1 D d2 =d1 D r2 =r1 . Mit den Teilkegelwinkeln ı1 und ı2 folgt aus . Abb. 44.24: sin ı1 D r1 =Ra

und

sin ı2 D r2 =Ra ;

hiermit: sin ı2 = sin ı1 D .r2 Ra /=.r1 Ra / D r2 =r1 D iI damit wird die Übersetzung iD Bei

n1 z2 d2 sin ı2 D D D n2 z1 d1 sin ı1

(44.47)

P ı D ı1 C ı2 D 90ı wird iD

1 D tan ı2 tan ı1

. Abb. 44.25 Abmessungen am Geradzahnkegelrad

(44.48)

Äußerer Teilkreisdurchmesser d D mt z; mt (Außen-)Modul gleich Normmodul nach . Tab. 44.1.

Teilkreisteilung pt D mt  , Kopfhöhe ha D mt , Fußhöhe hf D 1;2mt gemessen an der Außenfläche (. Abb. 44.25). Teilkegellänge gleich Spitzenentfernung Ra D d=.2 sin ı/  3b (. Abb. 44.24). Kopfwinkel a aus a D arctan ha =Ra D arctan mt =Ra ; der Kopfkegelwinkel wird damit ıa D ı C a . Fußwinkel f aus f D arctan hf =Ra D arctan 1;2mt =Ra ; der Fußkegelwinkel wird damit ıf D ı  f . Kopfkreisdurchmesser gleich größter Durchmesser des Radkörpers wird da D d C 2 ha cos ı; mittlerer Teilkreisdurchmesser dm D d  .b sin ı/. 44.7.2.2

Ersatzzähnezahl, Eingriffsverhältnisse

Zur Untersuchung der Eingriffsverhältnisse und Ermittlung der Grenzzähnezahl wird das Kegelrad auf ein Ersatz-Stirnrad zurückgeführt mit dem Teilkreisradius gleich Mantellinienlänge des Ergänzungskegels rr D r= cos ı; die zugehörige Ersatz-Zähnezahl ist entsprechend zn D

z cos ı

(44.49)

Mit zn D zg D 17 wird die Grenzzähnzahl bei geradverzahnten Kegelrändern zgK D 17 cos ı

44

44.7.2.3

(44.50)

Profilverschiebung, Zahnspitzengrenze

Wird bei einer Ritzelzähnezahl z1 < z0gK eine positive Profilverschiebung erforderlich, soll das Großrad möglichst die gleiche negative Verschiebung erhalten, also ein V-NullGetriebe verwendet werden. Teilkegelwinkel und damit die Übersetzung bleiben dann unverändert. Bei i  1 soll darum sein . Abb. 44.24 Geometrische Beziehungen am Kegelradgetriebe

z1 > z0gK

44

889 44.7  Kegelräder

Profilverschiebung und Profilverschiebungsfaktor ergeben sich aus (44.8), (44.9) und (44.10), wobei z D zn zu setzen ist. Die Zahnspitzengrenze liegt bei

das aufzusetzende Ritzel bzw. bei Ausführung als Ritzelwelle wählt man den mittleren Teilkreisdurchmesser dm1  2;5dr

zmin K D 7 cos ı: 44.7.2.4

Kraftverhältnisse

Die an dem Rädern angreifenden Kräfte werden auf die Mitte der Zähne bezogen (. Abb. 44.26). Für das Ritzel ergeben sich die Umfangskraft F tm , die P Axialkraft F a1 und die Radialkraft F r1 beim Achsenwinkel ı D 90ı . M1 rm 1 Fa1 D Ftm1 tan ˛n sin ı1 Fr1 D Ftm1 tan ˛n sin ı1 D Fa1

Ftm1 D

(44.51) (44.52) (44.53)

M 1 Drehmoment des Ritzels, Eingriffswinkel ˛n D 20ı , ı1 Teilkreiswinkel des Ritzels, i Übersetzung. Die am Gegenrad wirkenden Kräfte sind, wie aus . Abb. 44.26 ersichtlich: Ftm2 D Ftm1 I 44.7.2.5

Fa2 D Fr1

und Fr2 D Fa1

Berechnung der Zähne

Die Kegelräder werden zweckmäßig auf Ersatz-Geradstirnräder mit der Ersatz-Zähnezahl zn zurückgeführt und sinngemäß wie diese berechnet. P Nachfolgende Berechnung gilt für den Achsenwinkel ı D 90ı . a) Der Durchmesser dr der Welle für das Ritzel ist bekannt oder überschlägig bestimmt nach (40.5), 7 Kap. 40. Für . Abb. 44.26 Kraftverhältnisse am Geradzahn-Kegelradpaar P ı D 90ı

bzw. rm1  1;25dr

(44.54)

b) Bei unbekanntem Wellendurchmesser und größeren Drehmomenten bzw. Leistungen bestimmt man den mittleren Teilkreisdurchmesser des treibenden Rads (meist des Ritzels) aus s

dm1 dm1

M1 H lim cos2 ı1 i 2 C 1  i2 d s 20:500 3 P1 H lim cos2 ı1 i 2 C 1   H lim i2 d n1 950  H lim

dm1 ; dr mm

3

M1

P1

Nmm kW

H lim N mm2

d; i

1

(44.55)

n1

ı1

min1

ı

M 1 Drehmoment, P1 Leistung des treibenden Rads, ı1 Teilkegelwinkel, i Übersetzung; d Breitenverhältnis nach . Tab. 44.7, H lim Flankenfestigkeit nach . Tab. 44.4, n1 Drehzahl des treibenden Rads. Mit dm1 ergibt sich der äußere Teilkreisdurchmesser d1 D dm1 C .b sin ı1 / Breite der Zähne b D

(44.56) d dm1

 0;4Ra .

Der Außenmodul wird damit mt D d1 =z1 mit z1 nach . Tab. 44.7. Für mt wird der nächstliegende Norm-Modul nach . Tab. 44.1 gewählt und hiermit die Radabmessungen

890

Kapitel 44  Zahnräder

. Tabelle 44.7 Erfahrungswerte zur Kegelradberechnung Übersetzung i

1

2

3

4

5

6

Ritzelzähnezahl z1

30. . . 20

25. . . 18

22. . . 16

18. . . 14

14. . . 12

12. . . 10

0,25

0,4

0,55

0,7

0,85

0,85

Breitenverhältnis

d

D b=dm1

endgültig nach 7 Abschn. 44.7.2.1 festgelegt. Für die Wahl des Werkstoffs und der Verzahnungsqualität gelten die Angaben unter 7 Abschn. 44.5.4.2 und 44.5.4.3.

44.7.3.1

1 Nachprüfung der Zahnfußbeanspruchung

Für die Nachprüfung werden die Ersatz-Geradstirnräder zugrunde gelegt. Kräfte und Verzahnungsdaten beziehen sich auf den mittleren Teilkreisdurchmesser dm . Eingehende Tragfähigkeitsberechungen nach DIN 3991-1 . . . 4. Für die Zahnfußbeanspruchung gilt: F D

Ftm YF Yv  FP b mnm F ; FP N mm2

(44.57)

Ftm

b; mnm

YF ; Yv

N

mm

1

44.7.3

Umfangskraft am mittleren Teilkreis: F tm D 2M1 cS =dm1 ; cS Betriebsfaktor nach . Abb. 44.6; b Zahnbreite; mnm mittlerer Modul; Y F Zahnformfaktor, abhängig von zn , nach . Abb. 44.19; Y v Überdeckungsfaktor der Ergänzungsverzahnung, üblich ist Y v D 1, zulässige Biegespannung FP wie zu (44.33); mnm D dm =z. Die Nachprüfung ist für beide Räder durchzuführen.

Schräg- und bogenverzahnte Kegelräder Flankenformen, Eigenschaften

Den Verlauf der Flankenlinien an der aus der Abwicklung des Kegelmantels entstandenen Planverzahnung zeigt . Abb. 44.27. Schrägungswinkel ˇm ist gleich dem Winkel zwischen der Radialen und der Zahnflankentangente in Zahnmitte. Äußere Stirnteilung pta D mta  ; mittlere Stirnteilung ptm D mtm  ; mittlere Normalteilung im Normalschnitt durch die Zahnmitte pnm D mnm  , wobei der mittlere Normalmodul meist gleich dem Normmodul m ist. ' Sprungwinkel.

a

b

1 Nachprüfung der Flankenbeanspruchung

Für die im Wälzpunkt auftretende Hertz’sche Pressung gilt s H D

Ftm  b dm1 H ; HP N mm2

44

p u2 C 1 ZHv ZE Zv  HP u Ftm

b; dm1

u; ZHv ; Zv

N

mm

1

(44.58) r

ZE N mm2

F tm und b wie zu (44.57); dm1 mittlerer Teilkreisdurchmesser des Ritzels; Zähnezahlverhältnis u D z2 =z1 ; Z Hv Zonenfaktor nach (44.36); Z E Elastizitätsfaktor nach . Tab. 44.6; Z v Überdeckungsfaktor für Kegelräder wie zu (44.34); HP zulässige Pressung wie zu (44.34). Für geradverzahnte Räder mehr die oberen Werte für z1 , für schräg- und bogenverzahnte die unteren wählen.

c

d

. Abb. 44.27 Flankenformen schräg- und bogenverzahnter Kegelräder. a Schrägzähne, b Spiralzähne, c Evolventenzähne, d Kreisbogenzähne

44

891 44.8  Schneckengetriebe

Schräg- und bogenverzahnte Kegelräder laufen ruhiger, haben einen größeren Überdeckungsgrad und eine etwas höhere Zahnfestigkeit als geradverzahnte Kegelräder.

Ersatz-Zähnezahl, Eingriffsverhältnisse

44.7.3.2

Die Kegelräder werden auf Ersatz-Schrägstirnräder mit der Ersatz-Zähnezahl zn D z=.cos ı cos3 ˇm / zurückgeführt. Die Gesamtüberdeckung setzt sich aus der Profilüberdeckung ˛ der Ersatz-Schrägstirnräder und der Sprungüberdeckung ˇ zusammen: b  sin ˇm mnm    D ˛ C ˇ

ˇ D ges

44.7.3.3

Grenzzähnezahl, Profilverschiebung

Für schrägverzahnte Kegelräder ergibt sich die Grenzzähnezahl zgKS D 17 cos ı cos ˇ 3

(44.59)

Bei Bogenzähnen liegen je nach Herstellungsverfahren unterschiedliche Verhältnisse vor. Profilverschiebung zur Vermeidung von Zahnunterschnitt kommt praktisch kaum in Frage, da zg KS fast nie unterschritten wird. 44.7.3.4

Berechnung der Zähne

Sinngemäß wie unter 7 Abschn. 44.7.2.5. Dabei ist zns anstelle von zn und mnm anstelle von mm zu setzen.

Je nach Herstellungsverfahren unterscheidet man Aund N-Schnecken als gebräuchlichste Formen: A-Schnecke zeigt im Achsschnitt, N-Schnecke im Normalschnitt ein geradflankiges Trapezprofil.

44.8.2

Geometrische Beziehungen

44.8.2.1

Übersetzung i D n1 =n2 D z2 =z1 D M2 =.M1 g /; Index 1 für Schnecke, Index 2 für Schneckenrad, g Gesamtwirkungsgrad des Getriebes (siehe 7 Abschn. 38.4). Günstige Bauverhältnisse ergeben sich bei i und z1 : i

5 . . . 10

> 10 . . . 15

> 15 . . . 30

> 30

z1

4

3

2

1

44.8.2.2

44.8.1

Schneckengetriebe Eigenschaften, Ausführungsformen

Das Getriebe besteht aus einer meist treibenden Schnecke und einem getriebenen Schneckenrad. Übersetzung fast nur ins Langsame: imin  5, imax : : :100. Kreuzungswinkel der Achsen meist 90°. Schnecke und Schneckenrad können zylindrische oder globoide Form haben; Getriebe-Ausführungsformen zeigt . Abb. 44.28.

Abmessungen der Schnecke

Aus der Abwicklung eines Schneckengangs ergibt sich der Steigungswinkel m gleich dem Winkel zwischen der Zahnflankentangente am Mittenkreis und der Senkrechten zur Achse aus tan m D H=.dm1  ), Steigung H D z1 ta (. Abb. 44.29). Im Achsschnitt wird die Achsteilung pa D ma  , im Normalschnitt Normalteilung pn D mn   D pa cos m . Der Mittenkreisdurchmesser der Schnecke ergibt sich aus dm1 D

44.8

Übersetzung

z 1 ma z 1 mn D tan m sin m

(44.60)

ma Achsmodul, meist gleich Norm-Modul; mn NormalModul; Steigungswinkel m  15ı . . . 25ı üblich. Eingriffswinkel im Achsschnitt aus tan ˛a D tan ˛n = cos m mit Normaleingriffswinkel ˛n D 20ı . Bei der Ausführung als Schneckenwelle (. Abb. 44.29) soll bei einem Wellendurchmesser ds1 etwa sein: dm1  1;4ds1 C2;5ma , bei aufgesetzter Schnecke dp m1  1;8d1 C 2;5ma , Überschlägig rechnet man ds1  0;65 3 M1 in mm; M 1 Drehmoment der Schnecke in Nmm. Mit der Zahnkopfhöhe ha1 D ma und der Zahnfußhöhe hf1  1;2ma ergeben sich Kopf- und Fußkreisdurchmesser da1 und df1 (. Abb. 44.29). Damit möglichst alle Schneckengänge in der ganzen Länge zum Tragen kommen, soll die Schneckenlänge ausgeführt werden: L  2 ms 44.8.2.3

L; ms mm

(44.61)

Abmessungen des Schneckenrads

Das Schneckenrad entspricht einem globoiden Schrägstirnrad. Schrägungswinkel ˇ D m , Stirnteilung pt D pa entsprechend Stirnmodul ms D ma bei Kreuzungswinkel 90ı . Teilkreisdurchmesser . Abb. 44.28 Schneckengetriebe. a Zylinderschneckentrieb, b Globoidschnecken-Zylinderradtrieb, c Globoidschneckentrieb

d2 D ms z2 D

mn z 2 cos ˇ

(44.62)

892

Kapitel 44  Zahnräder

. Abb. 44.29 Geometrische Beziehungen am Schneckengetriebe

Zahnkopfhöhe, Zahnfußhöhe und damit Kopfkreis- und Fußkreisdurchmesser wie bei Schrägstirnrädern. Außendurchmesser d0a2  d2 C 3ms konstruktiv festlegen. Radbreite b  0;45.dm1 C 6ms /, normalerweise gleich Zahnbreite, konstruktiv festlegen. Achsabstand a D .dm1 C d2 /=2.

44.8.3

Wirkungsgrad

Bei einer treibenden Schnecke ist der Wirkungsgrad der Verzahnung Z D

44

z1 D 1W g  0;7 z1 D 2W g  0;8 z1 D 3W g  0;85 z1 D 4W g  0;9 Selbsthemmung bei m < %0

Eingriffsverhältnisse

Wird die Übersetzung i  5 bei z2  20: : :30 nicht unterschritten, besteht keine Unterschnittgefahr und Gefährdung der Eingriffsverhältnisse. Profilverschiebung daher nur ausnahmsweise, z. B. zum Erreichen eines bestimmten Achsenabstands.

44.8.4

Der Gesamtwirkungsgrad des Schneckengetriebes wird g D Z L mit dem Lagerungswirkungsgrad L  0;99 bei Wälzlagerung, L  0;97 bei Gleitlagerung der Wellen. Für den Entwurf wählt man bei

tan m tan .m C %0 /

(44.63)

(Keil-)Reibungswinkel %0 aus tan %0 D 0 D = cos ˛n ; bei Stahl-Schnecke und Gusseisen-Rad bei Fettschmierung: %0  6ı (0  0;1), sonst gilt bei Ölschmierung: vg in m=s

0,5

1

2

4

6

%0 



2,3°



1,4°

1,1°

vg Gleitgeschwindigkeit der Zahnflanken (vg D  dm1 n1 )

44.8.5

Kraftverhältnisse

Die Kraftwirkungen an einer treibenden Schnecke zeigt . Abb. 44.30. Mit der Umfangskraft am Teilkreis der Schnecke F t1 D 2M1 cS =dm1 , worin cS der Betriebsfaktor nach . Tab. 44.5 ist, ergeben sich aus dem Kräfteplan, . Abb. 44.30 die Axialkraft der Schnecke Fa1 D

Ft1 tan .m C %0 /

(44.64)

Aus dem Normalschnitt folgt F r1 D F0N1 tan ˛n . Wird F0N1 nach dem Kräfteplan durch F t1 ausgedrückt, ergibt sich die Radialkraft Fr1 D

Ft1 cos %0 tan ˛n sin.m C %0 /

(44.65)

Die Umfangskraft am Schneckenrad ist gleich, aber entgegengerichtet der Axialkraft an der Schnecke: F t2 D Fa1 . Ebenso ist F r2 D Fr1 . Aus . Abb. 44.30 ergibt sich die Axialkraft am Schneckenrad Fa2 D Ft1

44

893 44.8  Schneckengetriebe

. Abb. 44.30 Kraftverhältnisse am Schneckengetriebe

44.8.6

Berechnung der Zähne

Wegen der anders gearteten Bewegungsverhältnisse der Zahnflanken aufeinander kann die Berechnungsweise für Stirn- und Kegelräder nicht ohne weiteres für Schneckengetriebe angewandt werden. Man ermittelt auf Grund der Wälzfestigkeit der Zahnflanken den Teilkreisdurchmesser des Schneckenrads aus s s M z P2 z2 2 2  240  3 (44.66) d2  1;1  3 ks ks n2 d2

M2

P2

mm Nmm kW

ks N mm2

n2

z2

min1

1

Drehmoment des Schneckenrads M 2 D M1 ig ; vom Schneckenrad zu übertragende Leistung P2 D P1 g ; z2 Zähnezahl des Schneckenrads; n2 Drehzahl des Schneckenrads; ks Wälzfestigkeit nach . Tab. 44.8. Mit d2 wird der Stirnmodul gleich dem Achsmodul ms D ma D d2 =z2 ermittelt und der nächstliegende NormModul gewählt. Nach DIN 780 sind für Schneckengetriebe vorgesehen:

Sonstige Schnecken- und Schneckenradabmessungen nach 7 Abschn. 44.8.2.2 und 7 Abschn. 44.8.2.3 bestimmen. Vorwahl der Werkstoffe nach 7 Abschn. 44.8.7. Nach der Vorwahl der Getriebeabmessungen wird die Flanken-Tragfähigkeit, d. h. die Wälzpressung, geprüft: kD

2 M2 .cS / 19;5  106 P2 .cS / D  kzul 2 d2 b 2 yz d22 b 2 yz n2 k b2 yz M2 ; P2 ; d2 ; n2 cS N mm 1 wie zu (44.66) 1 mm2

Die zulässige Wälzpressung ergibt sich aus:

kzul D

ks yv yL v

kzul ; ks N mm2

ma D ms D 1 1;25 1;6 2 2;5 3;15 4 5 6;3 8 10 12;5 16 20 mm Mittelkreisdurchmesser dm1 der Schnecke in Abhängigkeit vom Wellendurchmesser d1 nach 7 Abschn. 44.8.2.2 festlegen und damit den Steigungswinkel m aus (44.60).

(44.67)

. Abb. 44.31 Zahnformfaktor yz

yv ; yL ;  1

(44.68)

894

Kapitel 44  Zahnräder

. Tabelle 44.8 Richtwerte für die Wälzfestigkeit ks von Schneckengetrieben Wälzfestigkeit ks in N=mm2

Werkstoff der Schnecke

der Zähne des Schneckenrads

Stahl, gehärtet und geschliffen, z. B. E355, E360, C15, 16MnCr5

CuSn-Legierungen, z. B. CuSn12Ni2-C

8

Al-Legierungen, z. B. CuZn25Al5Mn4Fe3-C

4

Perlitguss Stahl, vergütet (nicht geschliffen), z. B. E355, E360 42CrMo4

Gusseisen, EN-GJL-200

12

CuSn-Legierungen (w. o.)

5

Al-Legierungen (w. o.)

2,5

Zn-Legierungen (w. o.)

2

Gusseisen, z. B. EN-GJL-150

4

CuSn-Legierungen (w. o.)

4

Al-Legierungen (w. o.)

2

Gusseisen, z. B. EN-GJL-150

3,5

und CuSn-Legierungen. Bei hohen Drehzahlen und Belastungen für die Schnecke: Einsatzstähle und Vergütungsstähle wie C16E und 16Cr3, für das Schneckenrad: CuSnLegierungen wie CuSn12Ni2-C, für korrosionsbeständige Getriebe bei geringen Belastungen auch Al-Legierungen wie CuZn25, Al5MnFe3-C und Kunststoffe bei gehärteter Schnecke. 7 Beispiel

. Abb. 44.32 Geschwindigkeitsfaktor yv

b2 Zahnbreite des Schneckenrades; yz Zahnformfaktor nach . Abb. 44.31; ks Wälzfestigkeit nach . Tab. 44.8; yv Geschwindigkeitsfaktor nach . Abb. 44.32; yL Lebensdauerfaktor nach . Abb. 44.33; v Sicherheit, bei gleichmäßigem Lauf: v  1;25, (bei Wechsel- und stoßhaftem Betrieb: v  1;5). Eine Nachprüfung auf die Bruchfestigkeit der Zähne ist normalerweise nicht erforderlich. 44.8.7

44

Werkstoffe für Schnecke und Schneckenrad

Bei mäßiger Geschwindigkeit und Belastung für die Schnecke: E335 und E360, für das Schneckenrad: EN-GJL-200 . Abb. 44.33 Lebensdauerfaktor zur Berechnung der Schneckengetriebe

Für eine Abtriebsleistung P2 D 11 kW und eine Übersetzung n1 =n2 D 960=75 ist ein Schneckengetriebe für eine Lebensdauer von  8000 Stunden zu berechnen. Lösung: Festlegung der Zähnezahlen: Mit i D n1 =n2 D 960=75 D 12;8 wird nach 7 Abschn. 44.8.2.1 für die Schnecke z1 D 3 (3 gängig) gewählt. Zähnezahl des Schneckenrads z2 D i z1 D 12;8  3 D 38;4 festgelegt z2 D 38 Teilkreisdurchmesser des Schneckenrads nach (44.66): s P2 z 2 d2  240 3 k s n2 Leistung des Schneckenrads P2 D 11 kW Zähnezahl z2 D 38; Drehzahl n2 D 75

895 44.9  Gestaltung der Zahnräder aus Metall

Wälzfestigkeit ks D 5 N=mm2 ; für vorgewählten Schneckenwerkstoff E355 (Vergütungsstahl) und Radwerkstoff CuSn12Ni2-C bei vorliegender mäßiger Belastung. r 3 11  38 mm  250 mm d2  240 5  75 Hiermit wird der Stirnmodul (44.62) ms D d2 =z2 D 250 mm=38  6;6 mm

Mit den vorgewählten Daten wird die Flanken-Tragfähigkeit nach (44.67) geprüft: kD

2 M2  kzul d22 b2 yz

M 2 D 1;4  106 Nmm, d2 D 239;4 mm, b2 ¶ b D 50 mm (s. o.); Zahnformfaktor yz  0;4 für m  16ı nach . Abb. 44.31; damit wird kD

ausgeführt nach 7 Abschn. 44.8.6: ms D ma D 6;3 mm

2  1;4  106 N N  2;5 2 2 239;4  50  0;4 mm mm2

Zulässige Wälzpressung nach (44.68); Mittelkreisdurchmesser der Schnecke nach 7 Abschn. 44.8.2.2 bei der Ausführung als Schneckenwelle:

Wälzfestigkeit ks D 5 N=mm2 (s. o.)

dm1  1;4ds1 C 2;5ma Wellendurchmesser überschlägig ds1  0;65 7 Abschn. 44.8.2.1 wird M1 D M2 =.i g /

kzul D ks yv yL =:

p 3

M1 nach

11 M2 D 9550  103 P=n D 9550  103 75 M2 D 1400  103 Nmm für z1 D 3 wird nach 7 Abschn. 44.8.4 geschätzt g  0;85; damit M1 D 1400  103 Nmm=.12;8  0;85/  129  103 Nmm

Geschwindigkeitsfaktor yv  0;42 nach . Abb. 44.32 für vg D dm1   n1 =.60 cos m / vg D 0;065    960=.60  cos 16;21ı / D 3;4 m=s Lebensdauerfaktor yL  1;15 nach . Abb. 44.33 für Lh D 8000 h Sicherheit n D 1;25 gewählt bei angenommenem gleichmäßigem Lauf; damit wird kzul D 5

und p 3 ds1  0;65 129  103  35 mmI hiermit dm1  1;4  35 mm C 2;5  6;3 mm  64;8 mm ausgeführt dm1 D 65 mm Steigungswinkel gleich Schrägungswinkel aus (44.60): m D arctan

z1 ma 6;3 mm D 16;21ı D ˇ0 D arctan 3  dm 1 65 mm

Schneckenlänge nach (44.61): p p L  2 ms z2 C 1 D 2  6;3 mm  38 C 1 L  78;7 mm ausgeführt L D 80 mm Teilkreisdurchmesser des Schneckenrads nach (44.62): d2 D ms z2 D 6;3 mm  38 D 239;4 mm Radbreite gleich Zahnbreite b  0;8dm1  0;8  65 mm D 52 mm; ausgeführt b D 50 mm.

N N 1;15 N 2  0;42  < k D 2;5 2 2 mm 1;25 mm mm2

Mit den vorbestimmten Getriebedaten genügt die angenommene Werkstoffpaarung den Anforderungen nicht. Für die Schnecke wird neu gewählt: Einsatzstahl C15E, gehärtet und geschliffen; mit einem Schneckenrad aus CuSn12Ni2-C wird dann ks D 8 N=mm2 und damit kzul  3;1

N N > k D 2;5 mm2 mm2

Achsenabstand a a D .dm1 C d2 /=2 D .65 mm C 239;4/=2 D 152;2 mm 9

44.9

Gestaltung der Zahnräder aus Metall

Ritzel werden durchweg als Vollräder ausgeführt. Ritzelzähne möglichst etwas breiter als Radzähne, um „Versetzungen“ zu vermeiden (siehe auch unter 7 Abschn. 44.5.4.1). Bruchempfindliche Zahnenden seitlich abschrägen. Großräder werden meist als Gusskonstruktionen, bei Einzelstücken auch als Schweißkonstruktionen ausgeführt, und zwar mit Teilkreisdurchmessern bis d  8d (d Wellendurchmesser) als Scheibenräder, größere Räder mit Armen. Ausführungsbeispiele zeigt das . p Abb. 44.34. Anzahl der Arme zA  1=8 d  4; Armquerschnitt: b1  1;8m, b2  1;5m (Modul), h1  5b1 , h2  4b1 , Kranzdicke e  4m.

44

896

Kapitel 44  Zahnräder

. Abb. 44.34 Ausführung der Großräder. a Scheibenrad, b bis e Räder mit Armen

44.10

Schmierung der Zahnradgetriebe

Die Schmierung soll die unvermeidbare Zahnflankenreibung und damit Geräuschbildung, Erwärmung und Verschleiß verringern und den Getriebewirkungsgrad erhöhen. Vielfach genügen reine Mineralöle. Bei höheren Belastungen (Stoß, unterbrochener Betrieb, Bogenverzahnung) sind EP- Zusätze üblich (EP-Öle, EP: Extreme Pressure). Eine Auswahl von Schmierstoffen für Zahnradgetriebe gibt DIN 51509 Bl. 1 und 2 (Schmieröle und plastische Schmierstoffe). 44.11 44.11.1

Zahnräder aus Kunststoff Vor- und Nachteile, Verwendung

Vorteile gegenüber den Zahnrädern aus Metall: geräusch-

und schwingungsdämpfender Lauf, große Abriebfestigkeit und Zähigkeit, kleine Reibungswerte und geringes spezifisches Gewicht, gute Notlaufeigenschaften, Korrosionsbeständigkeit, elastischer Ausgleich von Eingriffsteilungsfehlern, leichte Bearbeitbarkeit.

Hartgewebe ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit, Festigkeit ca. 50 % geringer als Pressschichtholz. Gegenrad aus Metall. Polyamide besitzen eine hohe Elastizität und niedrige Dichte, hohe Geräuschdämpfung, da Polyamid-Räder gepaart werden können.

44.11.3

Berechnung der Kunststoff-Zahnräder

Teilkreisdurchmesser des auf die Welle zu setzenden Ritzels d1  2;5: : :3d (d Wellendurchmesser); Ritzelzähnezahl z1 um 4 bis 6 größer gegenüber der zu (44.28); Zahnbreite b über das Breitenverhältnis d für Kennlinien a und b nach . Abb. 44.16. Überschlägig kann für die so vorgewählten Hauptabmessungen nach . Abb. 44.35 die übertragbare Leistung P in kW je mm Zahnbreite b für eine Ritzelzähnezahl z1 D 20 ermittelt werden. Die übertragbare Leistung eines Rads wird dann 

P PDy b yD2

Nachteile geringere Belastbarkeit, höhere Werkstoffkos-

44

ten, teilweise starke Quellung durch Feuchtigkeit. Einsatzgebiete der Kunststoff-Zahnräder: Büromaschinen, Textil- und Druckereimaschinen, Haushaltsmaschinen, Spielzeuge.

44.11.2

 b

30 z C 10

(44.69) P y b kW 1 mm

(44.70)

y Zähnezahlfaktor zur Berücksichtigung anderer Ritzelzähnezahlen als 20, die dem P=b-Wert nach . Abb. 44.35 zugrunde gelegt wurden. Eine genaue Berechnung sollte immer nach Angaben des Kunststoff-Herstellers erfolgen.

Kunststoffsorten

Pressschichtstoffe zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit gegenüber den anderen Kunststoffen aus; sie sind empfindlich gegen Feuchtigkeit. Gegenrad aus Metall, da Gefahr von „Fressen“ besteht.

44.11.4

Gestaltung der Polyamid-Zahnräder

Vollräder für d < 3dw (dw Wellendurchmesser, siehe . Abb. 44.36), Scheibenräder für d  3dw

897 44.11  Zahnräder aus Kunststoff

. Abb. 44.35 Ermittlung der Leistung P in kW je cm Zahnbreite für Zahnräder aus Kunststoffen

44.11.5

Schmierung der Kunststoff-Zahnräder

Pressschichtstoffe: Fett- oder Trockenschmiermittel (z. B. Molybdänsulfid). Hartgewebe: Öl-, Fett- oder Trockenschmiermittel. Polyamide: Öl-, Fett- oder Trockenschmiermittel

Normen (Auswahl) und Richtlinien . Abb. 44.36 Ausführung und Abmessungen von Polyamid-Zahnrädern. a Vollrad, b Scheibenrad

Zahnkranzdicke Nabendurchmesser Wanddicke Nabenlänge

s1  2: : :2;5m; e  4;2: : :4;7m D  1;6: : :1;8dw s3  0;3: : :0;4dw L  1;8: : :2dw

DIN 780-1 Modulreihe für Stirn- und Kegelräder DIN 867 Bezugsprofile für Evolventenverzahnungen an Stirnrädern DIN 868 Erläuterungen und Größen für Zahnräder, Zahnradpaare und -getriebe

Kanten und Übergänge gut runden. Befestigung kleiner Räder mit Welle durch Kleben oder Aufspritzen (. Abb. 44.37). In die Nabe eingesetzte Metallbuchse erhöht die Nabenfestigkeit.

DIN 3960 Erläuterungen und Einflussfaktoren für Zahnräder mit Evolventenverzahnung

a

DIN 3962 Zulässige Einzelfehler der Verzahnungen

b

c

DIN 3961 Erläuterungen zu den Toleranzen für Stirnradverzahnungen

DIN 3963 Zulässige Sammelfehler der Verzahnungen DIN 3964 Toleranzen für die Einbaumaße: Abmaße von Achsabständen und Achslagetoleranzen von Gehäusen für Stirnradgetriebe . Abb. 44.37 Auf Wellen aufgespritzte Polyamid-Zahnräder a mit angefrästen Flächen, b mit Rändel, c mit angestauchten Lappen

DIN 3965-1 Erläuterungen zu den Toleranzen für Kegelradverzahnungen

44

898

44

Kapitel 44  Zahnräder

DIN 3966-1 Zeichnungsangaben für Stirnrad-Evolventenverzahnungen

DIN 3990-5 Tragfähigkeitsberechnung von Stirnrädern; Dauerfestigkeitswerte und Werkstoffqualitäten

DIN 3966-2 Zeichnungsangaben für Kegelradverzahnungen

DIN 3991-1 Tragfähigkeitsberechnung von Kegelrädern; Erläuterungen, Einflussfaktoren

DIN 3966-3 Zeichnungsangaben für Schneckenradverzahnungen

DIN 3996 Tragfähigkeitsberechnung von Zylinder-Schneckengetrieben; Erläuterungen, Einflussfaktoren

DIN 3969 Oberflächenrauheit von Zahnflanken – Oberflächenklassen

DIN 51509-1 Auswahl von Schmierstoffen für Zahnradgetriebe; Schmieröle

DIN 3971 Begriffe und Bestimmungsgrößen für Kegelräder und Kegelradpaare

DIN 51509-2 Auswahl von Schmierstoffen für Zahnradgetriebe; plastische Schmierstoffe

DIN 3990-1 Tragfähigkeitsberechnung von Stirnrädern; Erläuterungen, Einflussfaktoren

DIN ISO 2203 Darstellung von Zahnrädern in technischen Zeichnungen

899

Fördertechnik und Intralogistik Inhaltsverzeichnis Kapitel 45

Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik – 901 Johannes Sebulke

Kapitel 46

Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik – 927 Johannes Sebulke

Kapitel 47

Hebe- und Fördertechnik – 937 Johannes Sebulke

Kapitel 48

Stückgutförderung in der Intralogistik – 957 Johannes Sebulke

Kapitel 49

Stationäre Schüttgutförderer – 973 Johannes Sebulke

Kapitel 50

Mobile Schüttgutförderer – 989 Johannes Sebulke

IX

901

Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik Johannes Sebulke

1 Überblick über beide Fachgebiete

Die Fördertechnik befasst sich mit dem innerbetrieblichen Transport von Gütern hauptsächlich aus maschinenbaulicher Sicht. Die Fördertechik ist ein Teilbereich des Überbegriffs Logistik. In der Logistik haben nämlich bezüglich der innerbetrieblichen Warenströme neben den maschinenbaulichen auch organisatorische und betriebswirtschaftliche Aufgabenstellungen starkes Gewicht. Von der Wertschöpfungskette her werden die Lieferanten bis zur Produktion und die Distributionswege bis hin zum Endkunden nach der Produktion mit einbezogen. Die „Intralogistik“ ist der Teil der Logistik, der sich – wie die Fördertechnik – mit dem innerbetrieblichen Geschehen befasst. Der Fördertechniker muss Grundkenntnisse der Logistik haben, um richtig einschätzen zu können, in welchem Umfeld und unter welchen digitalen Bedingungen seine fördertechnische Anlage arbeiten wird. Deshalb wer-

LOGISTIK INTRALOGISTIK

den im Folgenden einige Begriffe der Intralogistik erläutert. Dabei werden Begriffe der Informationstechnologie, der Rechner- und Datenspeichertechnologie und der Telekommunikation angesprochen. Auch Schlagworte wie z. B. „Digitalisierung“, „Vernetzung“, „Industrie 4.0“, und „autonomes Fahren“ werden erklärt. 45.1

Begriffe und Methoden der Intralogistik

Die Intralogistik betrachtet den Weg der Güter in einem ganzheitlichen, gesamtunternehmerischen Zusammenhang. Dabei werden nicht nur die Materialströme berücksichtigt, sondern es werden auch die Ströme von Informationen, von Energie, von Dienstleistungen und die Finanzen mit einbezogen. Die Fördertechnik wird so zu einem Teilbereich der Logistik, wenn auch zu einem wichtigen.

termin-, mengen-, qualitäts- und kostengerechte Bereitstellung von

• Material • Informationen • Energie • Dienstleistungen durch Maßnahmen der ▪ Organisation ▪ Digitalisierung ▪ Vernetzung . Abb. 45.1 Die Fördertechnik ist ein wichtiger Teilbereich der Logistik

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_45

45

902

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

1 Räumlicher Geltungsbereich

Die Logistik betrachtet den gesamten Bereich, in dem ein Unternehmen oder eine Firma tätig ist. Bei einer weltweit agierenden Firma sind so die gesamten Warenströme, z. B. von einer Lieferfirma in Shenzen über den Produktionsstandort in Deutschland zu einem Abnehmer in Rio de Janeiro, mit in die Überlegungen einbezogen. Die Intralogistik bezieht sich auf den innerbetrieblichen Bereich. Die Läger und die Produktionsstätten können aber räumlich durchaus weit auseinander liegen (Beispiel: Ein zentrales Teilelager für viele Werkstätten). Auch die Zulieferer können weltweit verstreut sein. Betrachtet wird die Wertschöpfungskette von den Zulieferteilen über die Produktion bis hin zum versandfertig verpackten und adressierten Kundenpaket. 1 Inhaltlicher Geltungsbereich

Die Intralogistik befasst sich nicht nur mit dem Materialfluss, sondern ganz überragend auch mit der Steuerung des Informationsflusses. Bei jedem Bearbeitungsschritt, sei es beim Einkauf, in der Produktion, bei der Kommissionierung oder beim Versand, müssen nicht nur die benötigten Materialien zur Verfügung stehen, sondern auch alle erforderlichen Informationen. Ferner müssen alle Informationen über das Werkstück, z. B. Rohmaterial, Bearbeitungszustand, Ort, dem Informationssystem gemeldet werden, um für Steuerungs- und Lenkungsaufgaben verfügbar zu sein. ! Hinweis Zur Produktionslogistik, die sich mit allen Waren- und Informationsströmen befasst, die direkt die Produktion betreffen, siehe Abschnitt „Produktionslogistik“ in diesem Handbuch.

1 Wichtige Randbedingungen

„Just in time“: Alles, was zum nächsten Arbeitsschritt erforderlich ist, ob Material, Information, Energie oder Dienstleistung, muss zum richtigen Augenblick am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Klassisch hat man sich beim Material mit größeren Pufferlagern beholfen. Die Tendenz geht aber zu immer kleineren Lagermengen. Denn Lagerbestände kosten Geld. Aber der Kunde will schnell beliefert werden. Dieser Spagat ist eine der Aufgabenstellungen für die Logistik. 1 Die Logistik im 21. Jahrhundert1

45

Die Ansprüche der Käufer sind immer höher geworden: Die Produkte werden immer differenzierterer („Individualisierung der Produkte“), die Bestellmengen werden immer kleiner („Atomisierung der Bestellmengen“), die Liefertermine immer kürzer. Die Fertigungstiefe wird vielfach reduziert, die weltweiten Zulieferungen nehmen zu. Für In1

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einige Aspekte aus den Vorlesungen „Grundlagen der Logistik“ von Herrn Univ. Prof. Dr.-Ing.: Robert Schulz, Leiter des Instituts für Fördertechnik und Logistik (IFT) an der Uni Stuttgart (2019).

2 Kapazitäten (Lagern, Fördern, Handhaben)

11 Kosten 1

3 Kapazitäten (Bearbeiten)

10 Qualität

4 Sorten (Teilevielfalt)

9 Service

5 Wege

6 Bestände

7 Durchlaufzeiten

8 Termine

. Abb. 45.2 Klassischer Aufgabenrahmen der Intralogistik: 1 Symbol für das gesamte Unternehmen; 2 Lagertechnik, auch automatisiert, für Rohmaterial und Fertigwaren; 3 Produktion; 4 Reduzierte Teilevielfalt z. B. durch Baukastentechnik, siehe 7 Abschn. 45.2.3; 5, 6, 7, 8 Beachtung kurzer Wege, geringer Bestände, kurzer Durchlaufzeiten und Einhaltung der Termine; 9, 10, 11 Wichtigste zu beachtende Randbedingungen geringe Kosten, hohe Qualität und guter Service (Jünemann, 1989)

dustrie und Handel bedeutet das eine enorme Ausweitung der Produktvielfalt mit entsprechend erhöhten Anforderungen an die logistischen Prozesse. Durch die geringere Fertigungstiefe und die hohen weltweiten Zulieferungen/Auslieferungen hat sich die Logistik in mehrere Teilbereiche aufgegliedert. Die Beschaffungslogistik und die Distributionslogistik müssen dabei die Weltmärkte berücksichtigen. Nur die Produktionslogistik bezieht sich auf die lokalen Fertigungsstätten, aber auch diese können mehrere Fertigungsstandorte umfassen. Die Grenzen zwischen „Intralogistik“ und „Gesamtlogistik“ sind also fließend geworden. In . Abb. 45.3 ergänzen könnte man noch die Logistik der Ersatzteilversorgung, die bei der explodierenden Teilevielfalt immer komplexer wird. Alle Teilbereiche der Logistik werden im „Supply Chain Management“ zusammengefasst. Supply Chain Management ist die integrierte, prozessorientierte Planung und Steuerung der Waren-, Informations-und Geldflüsse entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Kunden bis zurück zum Rohstofflieferanten. . Abb. 45.4 zeigt die verschiedenen Ebenen (D „Dimensionen“) logistischer Systeme. Diese werden in der . Abb. 45.4 von unten nach oben immer komplexer, der Digitalisierungsanteil wird von unten nach oben immer höher. Material-Lager, Fördertechnische Anlagen und Materialflusssysteme sind aus logistischer Sicht „Insellösungen“, die aber durchaus sinnvoll sein können und schon großen wirtschaftlichen Nutzen bringen können. Bei der Produktionslogistik werden alle Logistikvorgänge der Firma von allen mit der Produktion in Verbindung stehenden Lägern einem Gesamtoptimum zugeführt. Die innerbetriebliche Intralogistik umfasst zudem die der Produktion nachgeschalteten Warenlager- und Verteilzentren. Die Standortübergreifende Logistik – gegliedert in die Beschaffungslogistik und die Distributionslogistik – umfasst weltweit mehrere Standorte der Wertschöpfungskette, sei es bezüglich der Produktion, bezüglich der Zulieferungen oder der Warenverteilung.

903 45.1  Begriffe und Methoden der Intralogistik

. Abb. 45.3 Teilbereiche der modernen Logistik [1]

. Abb. 45.4 Dimensionen logistischer Systeme [1]

Komplexe Logistiksysteme, wie die Supply Chain, siehe in Analogie vielleicht technisches Bauteile mit dem CAD weiter oben, sind bereits Gegenwart, auch wenn nicht alle (Computer Aided Design) in einem Zuge konstruiert werden. Subsysteme voll automatisiert sind. Logistiksysteme werden iterativ (D in vielen DurchSupersysteme sind allumfassende Zukunftssysteme, die die Systeme der Lieferanten C Systeme von Staat und Ge- gängen) geplant, bei denen man von der groben Zielsetzung sellschaft C Systeme der Kunden C Systeme der Konkur- Schritt für Schritt immer genauer wird, bis am Ende die renten C das System der eigenen Firma zusammenfassend Maschinen und Anlagen, die Softwarelösungen, die Datenüberdecken. Weltweit agierende Großkonzerne lassen uns erfassung und Datenübertragung genau definiert sind. Aus dem gesamten Planungswissen für logistische Systeme solschon ahnen, was damit gemeint ist. Zu beachten ist, dass bei einer Einführung der nächst- len hier nur zwei Aspekte herausgegriffen werden: höheren Dimension die jeweils untere funktionieren muss, d. h. die Regelkreise und die physische Wertschöpfung der1 Aufnahme des Istzustandes und Definition des jeweils untergeordneten Ebene müssen erwartungsgemäß Sollzustandes arbeiten, und die auszutauschenden Daten, Datenschnitt- Stellen wir uns hier der Einfachheit halber eine „Insellöstellen und Datenübertragungswege müssen fest vereinbart sung“ vor, ein Warenlager- und –verteilzentrum. Ist der sein. Planungsumfang abgegrenzt, erfolgt die sorgfältige Auf1 Zur Planung von Logistiksystemen

So komplexe Systeme, wie sie in der Logistik vorkommen, können nicht in einem Zuge geplant werden, so wie

nahme der Ist-Daten nach . Abb. 45.5. In der Regel stößt man bei dieser Ist-Aufnahme schon auf Schwachstellen, die man zweckmäßig sofort bereinigt, bevor man weitermacht („Bereinigtes Ist-Datengerüst“). Jetzt erst wird der

45

904

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

. Abb. 45.5 Ermittlung des Ist-Zustandes und Definition des Sollzustandes bei der Planung logistischer Systeme (IFT)

. Abb. 45.6 Planungshilfsmittel für logistische Systeme (IFT; ten Hompel, 2018)

Soll-Zustand endgültig definiert, der sich aus unternehmerischen Vorgaben und aus der Beurteilung von Trends, Prognosen und Zukunftsdaten ergibt. 1 Planungshilfsmittel (siehe . Abb. 45.6)

45

etwa so, wie bei FE-Berechnungen (D Finite ElementeBerechnungen) von Konstruktionsteilen Spannungsspitzen sichtbar werden. Man kann dann im System „virtuelle“ Veränderungen vornehmen (d. h. Veränderungen nur im Rechnersystem, noch nicht am realen Bauwerk o. ä.), und gleich einen neuen Rechnerdurchlauf starten und sehen, was sich verbessert hat. Simulationsverfahren erhöhen so die Planungssicherheit logistischer Systeme.

Es gibt mathematische, grafische, betriebswirtschaftliche und IT-gestützte Hilfsmittel. Es obliegt dem Planer, sich die Kenntnis über diese Hilfsmittel anzueignen und zu entscheiden, welche der Hilfsmittel im konkreten Fall zweck1 Die Logistik in der Zukunft (siehe . Abb. 45.7) mäßig angewandt werden sollten. Ein wichtiges IT-gestütztes Hilfsmittel bei der Planung Mit fortschreitender Digitalisierung stehen hohe Rechnervon Logistiksystemen ist die Simulation. Diese Berech- leistungen und Speichervolumina in praktisch unbegrenzter nungsmethode wird angewandt, wenn Logistiksysteme so Höhe zur Verfügung. Die für die Automatisierung erforvielen Einflussgrößen unterliegen, dass analytische mathe- derlichen Sensoren werden immer intelligenter, und die matische Verfahren nicht mehr greifen. Bei der Simulation Teilschritte, die Maschinen selbständig erledigen können, wird die in Planung befindliche Anlage vorab im Rechner werden immer größer (siehe 7 Abschn. 48.1.3 und 48.2.6). abgebildet. Alle Arbeitsstationen werden mit Leistungsan- So wandelt sich die Logistik auch von der Datensammgaben und allen gegenseitigen Abhängigkeiten im Rechner lung und zentralen Steuerung („Reaktive Logistik“) hin zur eingegeben. Dann wird dieses theoretische Modell mit vir- denkenden und selbständig handelnden Logistik („Aktive tuellen Materialströmen belastet (D der Materialstrom wird Logistik“, „Logistik 4.0“). Dieser Wandel soll an Hand von „simuliert“). Dabei werden dann Engpassstellen sichtbar, . Abb. 45.7 erläutert werden:

905 45.1  Begriffe und Methoden der Intralogistik

. Abb. 45.7 Logistik im Wandel (IFT)

Im Diagramm . Abb. 45.7 nimmt die Digitalisierung nach oben hin zu, während nach rechts die Zeitachse läuft: heute – mittelfristig – langfristig. Im linken unteren weißen Feld befinden wir uns heute. So ist uns die Automatisierung z. B. von Produktionszentren oder von Hochregallagern durchaus vertraut, und bekannt sind uns auch die Logistikzentren, die den gesamten Lagerbereiches zentral steuern. Im blauen Bereich finden derzeit die meisten Innovationen statt: Vielfach schon Realität ist die Transparenz der Lieferkette. D. h., es ist genau bekannt, wo sich jedes einzelne Teil gerade befindet und welchen Bearbeitungszustand es hat. Diese Informationen werden so gespeichert z. B. in einer Cloud (D IT-Struktur verteilt in einem Netzwerk mit verschlüsselten Zugriffsbereichen), dass jeder Mensch und jeder Rechner die für seine momentanen Aufgaben benötigten Informationen auch abrufen kann. Auch werden laufend neue Komponenten, wie Kameras, Detektoren, Sensoren (siehe 7 Abschn. 48.1.3) entwickelt, und schnelle Verarbeitungsprogramme dazu programmiert. Förderzeuge wie z. B. Regalbediengeräte oder Shuttles oder auch Bedienterminals werden mit dezentralen Rechnern ausgerüstet, sodass diese viele Aufgaben selbst erledigen können, Daten gleich bedienerfreundlich aufbereiten und darstellen können („Intelligente Produkte“), oder dass sich die Förderzeuge z. B. bezüglich des Fahrweges gegenseitig abstimmen, sei es direkt, oder über die Cloud („Internet der Dinge“). Logistiksysteme und Behälter werden „intelligent“, d. h., Behälter tragen z. B. Informationen für wichtige Aufgaben mit sich (siehe 7 Abschn. 48.2.6, Zielsteuerungen, Codierung, Transponder), oder sie werden z. B. an Hand der eingelegten Ware in Zukunft einmal ggf. selbst entscheiden können, welche Packstelle sie anlaufen sollen und welche Verpackung sie gleich mitbringen sollen, ggf. nach selbständiger Rückfrage in der Cloud („Internet der Dinge“).

Werden bei FTS (D Fahrerlosen Transportsystemen, siehe 7 Abschn. 48.1.3) die Start/Zielpunkte und die Wege dahin noch genau vorgegeben, so ist man bei dezentralen Steuerungen z. B. bestrebt, vom übergeordneten Rechner nur noch die gewünschte Ware, Zielort und Zielzeitpunkt zu übermitteln. Alles dazu nötige, wie Lagerort, Verfügbarkeitscheck, Transportzeitbedarf soll sich der Rechner am Förderzeug dann selbst holen können. Als Fernziel sind alle Förderzeuge miteinander vernetzt, und sprechen sich wegen des optimalen Weges miteinander ab, sodass z. B. Staus umfahren werden können. Der graue Bereich in . Abb. 45.7 zeigt die Entwicklungsrichtung in der Zukunft mit fortschreitender Digitalisierung an. Die Grafik . Abb. 45.7 veranschaulicht, dass dort die Digitalisierung auch am weitesten fortgeschritten sein wird. „Cyberphysische Systeme“ sind bereits jetzt Gegenstand intensiver Forschung und Entwicklung. Ein cyberphysisches System, engl. „cyber-physical system“ (CPS), bezeichnet ein Verbundsystem von umfangreicher Software („Cyber“), die über eine große Anzahl von Sensoren („physical“) das gesamte zu überdeckende Arbeitsfeld in Echtzeit erfassen. Auch in der Logistik und in der Produktion werden Cyberphysische Systeme angewandt. Die einzelnen Software-Komponenten arbeiten über Kabel, Funk oder über das Internet zusammen („Dateninfrastruktur“). Die einzelnen physischen Komponenten, wie Werkzeugmaschinen und Werkstücke, Regallager und Materialien jeder Fertigungsstufe, werden dabei durch umfangreiche Sensoren erfasst. Die Zusammenhänge aller Arbeitsschritte der gesamten Logistik- und Produktionskette (z. B. Arbeitspläne, Spanndrücke, spannbare Werkstücke, Verschleißzustände bei Werkzeugmaschinen, Verschleißgrenzen der Werkzeuge) müssen vorab digital erfasst werden („generische Referenzarchitektur“). Dann allerdings kann man die gesamte Produktions- und Logistikkette flexibel ändern,

45

906

45

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

weil alle Auswirkungen vorab rechnerisch durchgespielt verzichtbar. Aber man kann die Zusammenarbeit Mensch werden können. Sogar eine Abkehr von der Serienfertigung Rechner durch die Digitalisierung verbessern, z. B. indem hin zur Einzelfertigung in Montageinseln ist forschungs- man dem Staplerfahrer immer nur den aktuell nächsten mäßig angedacht, wenn man jedem Montageteam das je- Auftrag auf ein großes Display spielt, oder indem man mit weils als nächstes zu montierende Teil „Just in Time“ an einer VR-Brille (Virtual-Reality-Brille) in weit entfernte die Hand gibt. Voraussetzung für cyberphysische Systeme Lagerfächer schaut, ohne hinlaufen zu müssen, oder indem ist allerdings, dass man alle produktionstechnischen und lo- man in eine AR-Brille (Augmented Reality) Informationen gistischen Prozess in Algorithmen fasst, und dass man den einblendet, z. B. den genauen nächsten Lagerort angibt. „physischen Teil“, also alle Werkstücke und alle Arbeitsmittel, mittels Sensoren so beschreibbar macht, dass die Algorithmen die richtigen Entscheidungen treffen können. 45.2 Begriffe und Methoden Der „Digitale Schatten“ beruht auf einem ähnlicher der Fördertechnik Denkansatz: Hier wird die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens, inklusive Materialströmen und Produktion, in einem dynamischen digitalen Modell im Rech- Unter Fördertechnik versteht man die Technik des Fortner abgebildet. Man kann dann z. B. bei Störungen weit bewegens von Gütern in beliebiger Richtung, aber über verzweigte Auswirkungen im Rechner „voraussehen“ und begrenzte Entfernungen. Die Förderung kann also senkgeeignete Maßnahmen einleiten. Voraussetzung für „Digi- recht (z. B. Krane, Aufzüge), waagerecht oder schräg (z. B. tale Schatten“ aller Art ist, dass das digitale Modell der Förderbänder, Rolltreppen) erfolgen. Die Fördertechnik beWirklichkeit genau genug entspricht, und dass es ständig handelt fast immer Aufgaben des innerbetrieblichen Transmit aktuellen Daten aus dem gesamten Wertschöpfungs- portes (Rollenbahnen, Gabelstapler, Förderbänder). Dabei prozess „gefüttert“ wird. Von Systemen mit „Digitalem werden bei Förderbändern im Tagebergbau bis zu 20 km Schatten“ erwartet man sich eine hohe Wandlungsfähigkeit, Förderstrecke erreicht. Als Fördermittel werden die einzelnen Fördermaschida alle Veränderungen erst einmal digital getestet werden nen bezeichnet, mit denen das Material (oder die Personen) können, bevor man in die Realität eingreift. Autonom und selbstorganisiert sind weitertragende Be- bewegt werden. So sind Krane und Hängebahnen z. B. Förgriffe. In diesem Zusammenhang werden oft „Algorith- dermittel, ebenso wie Flurförderzeuge (z. B. Gabelstapler) men“ genannt, wie sie z. B. die sozialen Medien nutzen, um oder Rollenbahnen. Wesentliche Aufgaben der Fördermitautonom die Informationen zu bestimmen, die jeder einzel- tel sind Fördern (Transportieren), Verteilen, Sammeln und ne von uns zu sehen bekommt. „Autonom und selbstorga- Lagern von Material. Von Materialflusstechnik spricht man, wenn Fördernisiert“ sind digitale Steuerungsverfahren, die man sich in etwa anhand eines menschlichen Arbeitsteams in der realen mittel zu komplexen Systemen verbunden werden, in Arbeitswelt erklären kann, das – nur nach Zielsetzung – in welchen zusätzlich zu fördertechnischen Aufgaben auch gewissem Umfang autonom und selbstorganisiert arbeitet. andere Aufgaben übernommen werden, wie z. B. MateriWer einmal erfahren hat, wie viele nichttechnische Fakten albearbeitung/-montage/-prüfung, Mischen/Dosieren oder da hineinspielen, kann sich vorstellen, wir schwer Bereiche Verpacken/Versenden. Beispiele sind Hochregalanlagen für zu definieren sind, in denen Rechner autonom, d. h. nach Halb- und Fertigprodukte, Distributionszentren, integrierte eigenen Regeln, arbeiten. Insofern ist „plug & produce“ Produktionssysteme und verfahrenstechnischen Anlagen. (D sich selbständig organisierende Produktionssysteme für Materialflusstechnik ist also die Verkettung aller Vorgänge neue Produkte) und „plug & supply“ (D sich selbständig beim Gewinnen, Be- und Verarbeiten sowie bei der Verteiorganisierende Logistiksysteme für neue Aufgaben) noch lung von Gütern innerhalb festgelegter Bereiche. Die Materialflussautomatisierung befasst sich folgeein Fernziel. Die Vorstellung ist, dass ein neues Produkt, z. B. ein neues Automodell, in den Rechner eingegeben richtig mit der automatischen Ablaufsteuerung des gesamwird, der dann die gesamte Logistik- und Produktionskette ten Materialflusses. Zur Verkehrstechnik, also nicht mehr zur Fördertechselbsttätig einrichtet. Mit Vernetzung mit der Produktion ist eine Beeinflus- nik, gehören die Beförderung von Gütern und Personen sung der Produktion gemeint, wenn dies aus den Erkennt- über weitere Strecken, z. B. durch Eisenbahn, Schiff oder LKW. nissen der Supply Chain heraus sinnvoll erscheint. Von Logistik spricht man, wenn die gesamte ProDie „partielle Wertschöpfung“ würde das dynamische Gleichgewicht zwischen Eigenfertigung und Zukauf je blematik der Warenströme innerhalb und außerhalb eines Betriebes insgesamt abgedeckt werden soll (siehe nach logistischer Erfordernis beeinflussen. Abschließend darf nicht vergessen werden, dass der 7 Abschn. 45.1). Mensch bei aller Automatisierung seinen Platz behalten wird. So ist der Mensch z. B. bei der Kommissionierung,1 Besonderheiten der Fördertechnik (D verschiedene Teile aus verschiedenen Lagerfächern Die Fördertechnik integriert viele Gebiete des Maschizusammenstellen, schauen, ob alles richtig ist, welche Kar- nenbaus wie Antriebstechnik, Maschinenelemente, Stahltongröße es sein sollte, verpacken u. a. m.) nach wie vor un- bau und Steuerungstechnik bezüglich des organisierten

907 45.2  Begriffe und Methoden der Fördertechnik

Transports von Gütern über kurze Strecken. So vielfältig c) Nach Lastweg und Förderrichtung unterscheidet man: 4 waagerechte und schwach geneigte Förderer; wie die transportierten Güter – von Kohle bis zu Flugha4 stark geneigte Förderer; fengepäck – so vielfältig ist auch die Fördertechnik. Um 4 senkrechte Förderer oder Hubförderer. trotz der Vielfalt nicht jede Förderanlage neu konstruieren zu müssen, wird in der Fördertechnik konsequent das Baukastenprinzip eingesetzt, wenn immer möglich: kombi- Nach Umfang und Schwierigkeitsgrad unterscheidet man nach . Abb. 45.1: nieren statt konstruieren. Komponenten (Bauteile oder Baugruppen für FörderIn der Fördertechnik ist der Bereitstellungs- oder Aussetzbetrieb häufig. So heben z. B. Krane nur dann mittel, die in Serie hergestellt werden können, aber für sich Lasten, wenn dies gerade gebraucht wird. Dies kann sel- allein meist noch keine Förderaufgaben erfüllen können; Anlagen (große, umfangreiche Fördermittel, wie z. B. ten sein (z. B. bei Montagekranen in Kraftwerken), oder es kann häufig sein (z. B. bei Verladeanlagen). Wegen die- Verladeanlagen, die nicht mehr in Serie gefertigt werden ser großen Unterschiede in der Belastung pro Zeiteinheit können); Fördertechnische Systeme (umfangreiche Fördermittel, ist das Denken in Beanspruchungsgruppen, Lastkollektiven und Laufzeitklassen typisch für die Fördertechnik (vgl. bei denen neben dem reinen Fördervorgang eine organisa7 Abschn. 47.1.2, . Tab. 47.1 sowie . Abb. 47.6, 47.8 torische Funktion – z. B. Sortieren, Verteilen, Kommissionieren, Lagern von Stückgut eine maßgebliche Bedeutung und 47.9). Der Transport bewegter, oft schwerer Güter birgt hat). Bei Fördersystemen ist praktisch immer vorab eieine hohe Unfallgefahr in sich. Deshalb gibt es in der För- ne Untersuchung des Materialflusses und der jeweiligen dertechnik neben Unfallverhütungsvorschriften und Vor- Zusatzfunktionen erforderlich, um das geeignetste Förderschriften der Berufsgenossenschaften (UVV, VBG) auch mittel oder die günstigste Kombination von Fördermitteln detaillierte genormte Berechnungs- und Gestaltungsvor- zu finden. Fördersysteme sind in der Regel Teil eines Geschriften, die bindend einzuhalten sind. Die wichtigsten samt-Logistikkonzeptes. sind in den Deutschen Industrie Normen (DIN) und in den Europäischen Normen (EN) enthalten. Das Internet ist auch für Normenrecherchen geeignet 45.2.2 Transportarbeit, Transportleistung (z. B. 7 http://www.beuth.de). Daneben sind die Homepages von Spezialfirmen hilfreich, die spezielle marktfä-1 Physikalische Transportarbeit hige Produkte beschreiben und oft auch die einschlägigen Mit Transportarbeit W wird diejenige Arbeit bezeichnet, Vorschriften nennen. die aufzuwenden ist, um eine bestimmte Last von einem Die Wirkungen von Kräften, Momenten und Ener- Punkt im Raum zu einem anderen zu bewegen: gien sind in der Fördertechnik noch sehr anschaulich. Man denke nur an das Einknicken eines fehlerhaft berechW D Fs D Fvt neten Baukrans! Deshalb ist die Fördertechnik ein ideales W F s v t P Lerngebiet für Technikstudenten: man erhält auf höchst m N m anschauliche Weise ein Gefühl für die physikalischen AusNm D J N m s DW s s wirkungen von technischen Maßnahmen. Für die Leistung gilt entsprechend: 45.2.1

Einteilung der Fördermittel

a) Nach der zeitlichen Arbeitsweise der Fördermittel unterscheidet man: aussetzend arbeitende Förderer (Unstetigförderer), wie z. B. Krane, Bagger; stetig arbeitende Förderer (Stetigförderer), z. B. Förderbänder. b) Nach den bedienten Freiheitsgraden unterscheidet man: 4 linienbedienende Fördermittel (1 Freiheitsgrad), z. B. Schachtförderanlage, Förderbänder, Kreisförderer, Hängebahn; 4 flächenbedienende Fördermittel (2 Freiheitsgrade), z. B. Elektrokarren (waagerechte Fläche), Regalförderzeuge (senkrechte Fläche); 4 raumbedienende Fördermittel (3 Freiheitsgrade), z. B. Laufkrane mit Katze, Turmdreh- und -Wippkrane, Gabelstapler.

P D

W D Fv t

Die Kraft F setzt sich zusammen aus a) der Kraft FR zur Überwindung der Roll- und Gleitreibung FR D m g  cos ˛ b) der Kraft FH für die Überwindung von Steigungen FH D m g sin ˛

FR ; FH ; FB N

g; a  m kg 1 s2 m

˛ > 0 Steigung; ˛ D 0 Ebene; ˛ < 0 Gefälle; ˛ D 90ı , d. h. sin ˛ D 1 Senkrechtförderung

45

908

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

c) der Beschleunigungskraft FB D m a Die Transportleistung P wird dann P D .FR C FH C FB / v In der Regel sind die drei Kraftanteile während des Fördervorganges nicht konstant. So tritt z. B. die Beschleunigungskraft nur beim Anfahren und Bremsen auf. Dann kann man für überschlägige Rechnungen die Förderstrecke in Abschnitte aufteilen, für die man die Teilkräfte kennt, und die Transportarbeit bzw. -leistung stückweise ermitteln. Oft überwiegt auch eine Teilkraft so stark, dass man die anderen vernachlässigen kann. 1 Technische Transportleistung

. Abb. 45.8 Auflösung eines Kranes in Baugruppen, Untergruppen und Einzelteile [7 www.demagcranes.com]

Bei stetigen und unstetigen Fördermitteln wird unter Transportleistung meist diejenige Menge an Fördergut verstanden, die das Fördermittel unter den vorgesehenen Betriebsbedingungen umschlagen bzw. befördern kann, z. B. t=h bei Gurtförderern oder Verladeanlagen. Anstelle der Fördergutmenge können auch andere charakteristische Größen treten, z. B. Paletten=h (Rollenförderer), Arbeitsspiele=h (Krane, Regalförderzeuge). 1 Arbeitsphysiologische Transportarbeit

Arbeitsphysiologische Transportarbeit ist die bei Handtransporten vom Körper aufzuwendende Energie. Bei der Schaufelarbeit haben z. B. die Einsticharbeit, die Beschaffenheit des Schaufelgutes und die Wurfhöhe den größten Einfluss. Handtransporte sind in Industrieländern weitgehend auf Lasten unter 10 kg und kurze Wege beschränkt. Beispiele dieser Handtransporte sind das Einspannen von Werkstücken in Werkzeugmaschinen, das Heben von Kisten auf Werktische und das Verladen und Verpacken von Kartons, soweit dieser Bereich noch nicht durch Kleinhebezeuge, Manipulatoren oder Industrieroboter mechanisiert oder automatisiert ist. 45.2.3

45

Die Baukastensystematik in der Fördertechnik

In der Fördertechnik wird kaum ein größerer Einsatzfall so dem anderen gleichen, dass man zwei Anlagen nach denselben Zeichnungen fertigen kann. Konstruktionszeiten, Rüst- und Umstellungszeiten der Fertigung sind hoch; der Kunde muss bei Einzelanfertigung lange Lieferzeiten in Kauf nehmen. In der Fördertechnik haben sich daher Baukastenprinzip, Standardisierung und die Konstruktion von Erzeugnisreihen durchgesetzt. Baukastenprinzip heißt, dass ein Erzeugnis so lange nach . Abb. 45.8 in Baugruppen, Untergruppen und Einzelteile „aufgelöst“ wird, bis die Erzeugnisteile genügend

. Abb. 45.9 Kopfträgerreihe für Laufkatzen und Laufkrane; Stufensprunge 'k und 'l ; [7 www.demagcranes.com]

oft verwendet und daher in Serie gefertigt werden können. Natürlich müssen die einzelnen Baugruppen miteinander kombinierbar sein. Der Konstrukteur kann dann die vom Kunden gewünschte Lösung weitgehend aus vorhandenen „Bausteinen“ zusammensetzen. Standardisierung von Erzeugnissen oder Bauteilen bedeutet, dass man das Erzeugnis oder das Bauteil nicht mehr für jeden speziellen Einsatzfall neu auslegt, sondern das Erzeugnis nur in einigen häufig vorkommenden, oft genormten Größen fertigt. Der Kunde kann sich dann z. B. ein kostengünstiges, in Serie gefertigtes Laufrad nach Liste aussuchen, und braucht sich kein teures in Einzelfertigung herstellen zu lassen. Eine Reihenbildung von Erzeugnissen oder Bauteilen liegt vor, wenn die Standardisierung in gesetzmäßigen Abstufungen erfolgt (. Abb. 45.9). Der Faktor, mit dem man die maßgebliche Größe (z. B. Hauptmaße, Drehmomente, Leistungen) einer Stufe multiplizieren muss, um die

909 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

Baugruppen selbst sind wieder in einfache Wiederholteile aufgelöst. 9

1 Komponenten der Fördertechnik

Dem Baukastenprinzip eng verwandt ist das Arbeiten mit Komponenten. Komponenten sind in der Fördertechnik maschinenbauliche und elektrotechnische Bauteile und Baugruppen, die der Hersteller fördertechnischer Anlagen komplett beziehen und für seine speziellen Zwecke einsetzen kann. So können z. B. Hersteller von Kranen oder sonstigen schienenbeweglichen Fördermitteln den Fahrantrieb nach . Abb. 45.10, bestehend aus speziell für Fahrantriebe ausgelegtem Motor und Getriebe, komplett beziehen und einfach auf die Laufradwelle aufflanschen. Für eine Greifer-Umschlagsanlage können der Greifer, Umlenkrollen, das komplette Hubwerk und die Fahrantriebe als Komponenten bezogen werden. Der Anlagenhersteller konzentriert sich in diesem Fall auf die kundenspezifische Auslegung, Konstruktion und Lieferung der neuen Gesamtanlage. 45.3

. Abb. 45.10 Beispiel eines kompletten Fahrantriebes, der in einer gestuften Baureihe zum Einbau in beliebige fördertechnische Anlagen zur Verfügung steht [7 www.demagcranes.com]

nächste Stufe zu erhalten, heißt Stufensprung '. Als Zahlenwerte für den Stufensprung nimmt man Normzahlen nach DIN 323. ! Hinweis Als Beispiel für die praktische Umsetzung von Baukastenprinzip, Standardisierung und Reihenbildung werden in 7 Abschn. 47.1.2 Elektroseilzüge ausführlich beschrieben.

Bauelemente der Fördertechnik

Es sind dies im wesentlichen Elemente der Seiltriebe, der Kettentriebe und der Lastaufnahmeeinrichtungen. Seile und Ketten können nur Zugkräfte aufnehmen. In den meisten Fällen wählt man als Zugorgane Seile wegen ihrer hohen Zugfestigkeit, Preisgünstigkeit und Sicherheit gegen plötzlichen Bruch. Ketten kommen als Huborgan wegen ihres hohen Eigengewichts nur für begrenzte Hubhöhen (bis ca. 10 m) in Frage. Man verwendet sie, wo Seile zu empfindlich sind (z. B. beim Eintauchen von Lasten in Bäder, bei starker Verschmutzung wie in Kettenkratzförderern), oder wo es auf geringe Umlenkradien ankommt (kompakte Kleinhebezeuge). Das Hauptanwendungsgebiet der Ketten in der Fördertechnik ist die Zugübertragung beim Antrieb von Fördermaschinen (z. B. Kreisförderer, Plattenförderer).

45.3.1 1 Nutzen des Baukastenprinzips für die Betreiber und Hersteller fördertechnischer Anlagen

Der Betreiber bekommt eine auf seinen Bedarf zugeschnittene Anlage, deren Bauteile aber in der Serie erprobt und bewährt sind. Die Ersatzteilhaltung ist geringer, die Austauschbarkeit ist größer, Kundendienst und Reparatur werden einfacher. 7 Anwendungsbeispiel

45.3.1.1

Bauelemente für Seiltriebe Drahtseile

Die Sicherheit gegen Lastabsturz, ein störungsfreier Betrieb und eine befriedigende Lebensdauer (D Aufliegezeit) der Seile setzen sachgemäße Behandlung, sorgfältige Pflege und regelmäßige Überwachung voraus. Nach Möglichkeit werden alle schädlichen Einwirkungen, wie z. B. Wasser, Dämpfe, Säuren, von den Seilen ferngehalten.

Anwendungsbeispiel für einen fördertechnischen Baukas-1 Drahtseilnormung ten . Abb. 47.5 in 7 Abschn. 47.1 zeigt Baugruppen eines Eine gute Übersicht über das Gebiet der Drahtseile bildet Elektrozugbaukastens, die sich zu den verschiedensten kun- die Normengruppe DIN EN 12385. Diese betrifft sowohl denspezifischen Elektrozügen zusammensetzen lassen. Die komplette Drahtseile als auch deren Bauteile, wie Dräh-

45

910

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

. Abb. 45.11 Seilbezeichnung nach DIN EN 12385-2 Ausgabe 209-01

. Abb. 45.12 Litzenkonstruktionen. Das Bild zeigt wichtige Litzenkonstruktionen mit Parallelverseilung

te, Litzen und Seileinlagen. Die Seilkonstruktionen und die Seilbezeichnungen werden hier definiert. Um die Herstellervielfalt der Drahtseile zu erfassen, wurden Seile mit ähnlichen Eigenschaften zu „Seilklassen“ zusammengefasst. Für diese Seilklassen werden dann einfache Berechnungsformeln – z. B. für die Mindestbruchfestigkeit – angegeben. Innerhalb der Seilklasse kann jeder Hersteller auf seine besonderen Qualitätskriterien hinweisen. DIN EN 12385 Teile 1–4 enthalten Informationen, die grundsätzlich für alle Drahtseile gelten. Die Teile 5 bis 10 gehen auf spezielle Anwendungsbereiche ein. Im Einzelnen beschreiben Teil 1 Teil 2 Teil 3

Allgemeine Anforderungen Begriffe, Bezeichnungen und Klassifizierung Informationen für den Gebrauch und die Instandhaltung. Teil 4 Litzenseile für allgemeine Hebezwecke Teil 5 Litzenseile für Aufzüge Teil 6 Litzenseile für Schachtförderanlagen des Bergbaus Teil 7 Verschlossene Spiralseile für Schachtförderanlagen des Bergbaus Teil 8 Zug- und Zug-Trag-Litzenseile für Seilbahnen zum Transport von Personen Teil 9 Verschlossene Tragseile für Seilbahnen zum Transport für Personen Teil 10 Spiralseile für den allgemeinen Baubereich

45

Die normgerechte Seilbezeichnung eines Drahtseils nach DIN EN 12385 Teil 2 ist in . Abb. 45.11 dargestellt. Diese Seilbezeichnung enthält die wichtigsten Angaben über das Drahtseil. Im Einzelnen haben die Werte in den Feldern a) bis g) folgende Bedeutung: a) Seilmaß/-form a1 Nenndurchmesser des Seils in mm a2 bezeichnet die Seilform. Ist im Feld a2 nichts angegeben, so handelt es sich um ein normales Seil mit rundem Querschnitt.

b) Seilkonstruktion und Litzenkonstruktion nach DIN EN 12385-2 . Tab. 45.1. b1 Anzahl der Litzen des Seils b2 Anzahl der Drähte in jeder Litze einschließlich der Seileinlage („Seele“) b3 bezeichnet die Litzenkonstruktion Die wichtigsten Seilkonstruktionen für die Fördertechnik sind runde, zweifach verseilte Parallel-Rundlitzenseile, einlagig und mehrlagig. Das heißt: 4 Das Gesamtseil und die Litzen haben beide einen runden Querschnitt (nicht etwa einen dreikantigen, flachen oder eine Sonderform) 4 Zweifach verseilt („geschlagen“) heißt, dass man in einem ersten Arbeitsgang die Litzen und Seileinlagen fertigt („verseilt“), um dann in einem zweiten Arbeitsgang die Litzen und Seileinlagen zum kompletten Seil zu verseilen. 4 Parallel ist ein Hinweis auf die Litzenkonstruktion und bedeutet, dass die Drähte jeder Litze nach Anzahl und/oder Durchmesser so gewählt sind, dass die Drähte untereinander Linienberührung haben und sich nicht überkreuzen. Dies erhöht die Biegsamkeit und vor allem die Verschleißfestigkeit der Drahtseile. Die wichtigsten parallel verseilten Litzenkonstruktionen sind in . Abb. 45.12 wiedergegeben. 4 Einlagig bzw. mehrlagig bezeichnet die Anzahl der Lagen von Drähten um die Seileinlage herum. Die in . Abb. 45.12 gezeigte Seale-Litze ist z. B. zweilagig. Bei der Seale-Litze (S) sind die äußeren Drähte in ihrem Durchmesser so groß gewählt, dass sie in den Zwischenräumen der inneren zu liegen kommen. Seale-Litzen sind abriebfest, aber steif. Bei der Filler-Litze (F) verwendet man Fülldrähte zwischen erster und zweiter Lage, was eine doppelte Drahtzahl außen ermöglicht. Filler-Litzen sind sehr biegsam, aber weniger abriebfest.

911 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

Bei der Warrington-Litze (W) liegen die gleich großen besondere Maßnahmen getroffen wurden. VerdichtunHauptdrähte der äußeren Lage in den Zwischenräumen der gen machen ein Seil kompakt und verschleißfest, ohne inneren. Der Durchmesserausgleich erfolgt außen durch dass es an tragendem Querschnitt verliert. Es gibt die entsprechende Zwischendrähte, die aber zur Tragfähigkeit einfache Verdichtung (nur die Litzen) und die doppelbeitragen. te Verdichtung (zusätzlich wird auch das Komplettseil Es gibt eine Reihe von Verbundkonstruktionen. Die nochmals verdichtet). Hochverdichtete Seile erzielen wichtigste ist die Warrington-Seale-Litze (WS). Bei dieser bei gleichem Nenndurchmesser 30–40 % höhere Minsind z. B. um eine zweilagige Warrington-Litze Hülldrähte destbruchkräfte. stärkeren Durchmessers geschlagen, um die Abriebfestigkeit zu erhöhen. 1 Auswahl der richtigen Drahtseile Verbundkonstruktionen (kein Bild) werden mit (N) be- DIN EN 12385 Teil 4 befasst sich speziell mit Rundlitzeichnet, z. B. Verbund-Warrington (NW). zenseilen für allgemeine Hebezwecke. Für die Seilauswahl c) Konstruktion der Seileinlage sind nicht nur Seildurchmesser und Seilkonstruktion, sonnach DIN EN 12385-2 dern noch eine Vielzahl von anderen Kriterien zu berückHier gibt es eine große Vielfalt, von Fasereinlagen (FC) sichtigen. Um die große Variantenvielfalt übersichtlich zu über Stahleinlagen (..W..). Für die Fördertechnik sollen machen und auch eine rechnerische Projektierung zu erhervorgehoben werden parallel verseilte Stahlseileinla- möglichen, wurden die Varianten in DIN EN 12385 in gen (PWRC) und solche mit Kunststoffummantelung Seilklassen geordnet (. Tab. 45.1). Die Seile einer Seilz. B. (EPIWRC) zur Herabsetzung der Reibung. klasse (Konstruktionsklasse) haben jeweils ähnliche Eigend) Seilfestigkeitsklasse schaften, und es gelten für alle Varianten einer Seilklasse Hiermit ist die Streckgrenze des Drahtwerkstoffes die gleichen Berechnungsfaktoren (. Tab. 45.2). Sowohl gemeint. Es gibt die Stufen (1570–)1770–1960– die Berechnungsfaktoren als auch die Berechnungsformeln 2160 N/mm2 . e) Drahtoberfläche Am häufigsten sind die Drahtoberflächen „blank“ (U), . Tabelle 45.1 Konstruktionsklassen (D Seilklassen) nach DIN und normalverzinkt (B(Zn)). Eine große Vielfalt anEN 12385 und typische Seilkonstruktionen dieser Klassen (IFT [5]) derer Oberflächenbehandlungen für besondere Einsatzzwecke ist möglich. Konstruktionsklasse Typische Seilkonstruktion (D Seilklasse) f) Schlagart und Schlagrichtung (siehe . Abb. 45.13 und 45.14) Einlagige Rundlitzenseile: Rechts bzw. links bezeichnen den Drehsinn der Litzen 6 7 6 7 des Seils. 8 7 8 7 Gleichschlag bedeutet, dass die Litze die gleiche Schlagrichtung hat wie das Seil. Kreuzschlag bedeu6 19 6 19 S tet, dass die Litze die gegensätzliche Schlagrichtung hat 6 19 F wie das Seil. Kreuzschlagseile sind drehungsärmer. 6 19 W Die häufigste Ausführung ist Kreuzschlag rechtsgängig 8 19 8 19 S (sZ). 8 19 F Gleichschlagseile sind biegsamer und liegen in den Ril8 19 W len der Rollen und Trommeln besser auf. Die Flächen6 36 6 26 SW pressung ist deshalb geringer, die Aufliegezeit größer. 6 31 SW Da aber das Gleichschlagseil sich in belastetem Zustand 6 36 SW 6 41 SW leichter aufdreht, wird es nur für geführte Lasten (z. B. Aufzüge) verwendet. Im Kranbau werden Kreuzschlag8 36 8 26 SW seile – in der Regel rechtsgängig – verwendet. 8 31 SW g) Ergänzungen 8 36 SW 8 41 SW Es können Ergänzungen angefügt werden, wie z. B. verdichtet (V) oder „drehungsarm“, wenn dafür noch 6 35 N 6 28 NW . Abb. 45.13 Gleichschlagseil, rechtsgängig

. Abb. 45.14 Kreuzschlagseil, rechtsgängig

6 33 NW 6 34 NW 6 35 NW Mehrlagige Rundlitzenseile: 18 7

18 7

34 7

34 7 36 7

45

912

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

. Tabelle 45.2 Berechnungsfaktoren nach DIN EN 12385 Teil 4 für Litzenseile aus Stahldraht für allgemeine Hebezwecke Seilklasse

K1

K2

K3

W1

W2

W3

C1

C2

C3

6 7

0,332

0,359

0,388

0,345

0,384

0,384

0,369

0,432

0,432

8 7

0,291

0,359



0,327

0,391



0,335

0,439



6 19

0,330

0,356



0,359

0,400



0,384

0,449



8 19

0,293

0,356



0,340

0,407



0,349

0,457



6 36

0,330

0,356



0,367

0,409



0,393

0,460



8 36

0,293

0,356



0,348

0,417



0,357

0,468



6 35N

0,317

0,345



0,352

0,392



0,377

0,441



18 7

0,328



0,328

0,382



0,401





0,433

34 7

0,318



0,318

0,390



0,401





0,428

K Faktoren zur Berechnung der Mindestbruchkraft nach Formel a) W Faktoren zur Berechnung des Seilgewichtes pro Meter nach Formel b) C Faktoren zur Berechnung des metallischen Querschnitts des Seils nach Formel c) Die Faktoren mit Index „1“ gelten für Litzenseile mit Fasereinlage oder Faserkern Die Faktoren mit Index „2“ gelten für Litzenseile mit unabhängig verseilter Stahlseileinlage Die Faktoren mit Index „3“ gelten für Litzenseile mit einer Litze als Einlage (einlagige Seile) und für drehungsarme Seile mit zentralem Kern [IFT, Pech et al. [6]].

werden in DIN EN 12385 angegeben. Für jede Seilklasse gibt es in der DIN EN 12385 noch ein spezielles Maßblatt, in welchem die gängigen Seilkonstruktionen, die Berechnungsfaktoren und die Mindestbruchkräfte für alle gängigen Seildurchmesser dieser Seilklasse angegeben werden (Beispiel: . Tab. 45.3). 1 Berechnungsformeln für Drahtseile nach DIN EN 12385

45

c) Metallischer Querschnitt des Seils Amet D C  d 2

Amet mm2

C d – mm

Amet Metallischer Querschnitt des Seils bzw. aller Drähte C Faktor C1 , C2 oder C3 nach DIN EN 12385, siehe . Tab. 45.2 d Nenndurchmesser des Seils

Die folgenden Berechnungsformeln gelten für unverdichtete Litzenseile bis zu einem Nenndurchmesser von 60 mm. a) Mindestbruchkraft des Seils 1 Hinweise für Auswahl, Betrieb, Instandhaltung und Prüfung von Drahtseilen Fmin Rr K d Rr DIN EN 12385 Teil 3 gibt viele nützliche Hinweise zur Fmin D  K  d2 kN N=mm2 – mm 1000 Auswahl der Drahtseile (Anhang B). So sollte z. B. bei häufiger Rollengängigkeit ein flexibles Seil gewählt werF min Mindestbruchkraft des Seils den, bei scheuernder Beanspruchung ein Seil mit mögSeilfestigkeitsklasse nach . Abb. 45.11, d. h. die Rr lichst dicken Außendrähten. Ist Korrosion die wichtigste Mindestbruchfestigkeit der Drähte zu erwartende Verschleißursache, muss das Seil z. B. aus K Faktor K 1 , K 2 oder verzinkten Drähten hergestellt werden. Seiltrommeln sind, K 3 nach DIN EN 12385, siehe . Tab. 45.2 wenn möglich, mit Rillen auszuführen und möglichst nur d Nenndurchmesser des Seils einlagig zu bewickeln. Es werden Aussagen über die Einlaufrichtung und die maximalen Seilablenkungswinkel des b) Rechnerisches Längenmasse (Masse pro Meter) Seils beim Auflauf auf die Trommel gemacht. Wird das Seil betriebsmäßig häufigen Biegewechseln unterworfen, sollte m0 W d die Lebensdauer (Aufliegezeit) nach Feyrer [4] berechnet m0 D W  d 2 kg kg=m mm werden. 2 m  mm Ein Drahtseil sollte im Betrieb möglichst gut gem0 Seilmasse schmiert werden, um die Biegsamkeit zu erhalten und W Faktor W 1 , W 2 oder W 3 nach DIN EN 12385, sieKorrosion zu vermeiden. he . Tab. 45.2 Drahtseile für Hebezeuge und Krane müssen in regeld Nenndurchmesser des Seils mäßigen Abständen nach ISO 4309 überprüft werden.

45

913 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

. Tabelle 45.3 Maßblatt aus DIN EN 12385 Teil 4 für die Konstruktionsklasse (D Seilklasse) 6 36. Es sind typische Beispiele für Seilund Litzenkonstruktionen, die Mindestbruchkräfte für Seilnenndurchmesser von 8 bis 60 mm und die für die gesamte Seilklasse geltenden Berechnungsfaktoren aufgeführt Konstruktion Beispiele für Querschnitt

Seilkonstruktion I

Litzenkonstruktion

Gegenstand

6 36 WS-IWCR

Anzahl

Anzahl

Litzen

6

Drähte

29 bis 57

Außenlitzen

6

Außendrähte

12 bis 18

Litzenlagen

1

Drahtlagen

3 bis 4

Anzahl der Außendrähte

Außendrahtfaktora

Drähte im Seil (ohne die Stahleinlage)

174 bis 342

Typische Beispiele

6 41 WS-IV1/C

Gegenstand

Seil

Litze

gesamt

je Litze

6 31 WS

1  6  6 C 6  12

72

12

0,064

6 36 WS

1  7  7 C 7  14

84

14

0,056

6 41 WS

1  8  8 C 8  16

96

16

0,050

6 49 WS

1888C816

96

16

0,050

6 46 WS

1  9  9 C 9  18

108

18

0,0455

K 1 D 0;330; K 2 D 0;356

Faktor für die Mindestbruchkraft Faktor für das rechnerische Längengewicht

W 1 D 0;367; W 2 D 0;409

a

C1 D 0;393; C2 D 0;460

Faktor für den metallischen Querschnitta

Nenndurchmesser des Seiles (Auswahl) in mm

Ungefähres rechnerisches Längengewichta in kg=100 m

Mindestbruchkraft in kN Seilfestigkeitsklasse 1770

Fasereinlage

Stahleinlage

Fasereinlage

1960 Stahleinlage

Fasereinlage

2160 Stahleinlage

Stahleinlage

1

2

3

4

5

6

7

8

8

23,5

26,2

37,4

40,3

41,4

44,7

49,2

10

36,7

40,9

58,4

63,0

64,7

69,8

76,9

12

52,8

58,9

84,1

90,7

93,1

16

94,0

100

111

105

150

161

166

179

197

20

147

164

234

252

259

279

308

26

248

276

395

426

437

472

520

32

376

419

598

645

662

715

787

40

587

654

935

1010

1040

1120

1230

52

992

1110

1580

1700

1750

1890

2080

60

1320

1470

2100

2270

2330

2510

2770

a

Nur zur Information

914

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

45.3.1.2

. Tabelle 45.4 Weiterführende Normen zu Faserseilen und Textilgurten Faserseile

ISO 9554 Allgemeine Festlegungen

Textilgurte

DIN EN 1492/1, /2 und /4 Textile Anschlagmittel

Hanfseile

DIN EN 1261 Hanfseile für allgemeine Verwendung

Polyamidseile (PA)

DIN EN ISO 1140 Anwendungsbereiche, Physikalische Eigenschaften

Polyesterseile (PES)

DIN EN ISO 1141 Anwendungsbereiche, Physikalische Eigenschaften

Polypropylenseile (PP, PPP2, PPP3)

DIN EN ISO 1346 Anwendungsbereich in der Meerestechnik

Polyethylen (PE), multifil, hochfest

DIN EN ISO 1969 Anwendungsbereiche, Physikalische Eigenschaften

Der Hauptvorteil der Faserseile gegenüber Drahtseilen ist das geringe Gewicht pro laufenden Meter. In der Fördertechnik werden daher Faserseile und Textilgurte hauptsächlich dort eingesetzt, wo Handarbeit stattfindet. Dies ist der Fall bei Anschlagmitteln (siehe 7 Abschn. 45.3.4). Man unterscheidet Naturfaserseile und Chemiefaserseile. Letztere können die Mindestzugkräfte von Stahlseilen erreichen (z. B. multifile, hochfeste Polyethylenseile, „Dyneema“-Seile für Forstseilwinden, siehe 7 Abschn. 47.1.3). Faserseile verlangen grundsätzlich mehr Sorgfalt im Betrieb. Sie dürfen nicht über scharfe Kanten, Grate oder Dornen jeder Art laufen. Bezüglich der sonstigen physikalisch-chemischen Eigenschaften der Faserseile und Textilgurte gibt es eine große Vielfalt. Einige weiterführende Normen sind in . Tab. 45.4 angeführt. 45.3.1.3

. Abb. 45.15 Wichtige Formen von Seilrollen nach DIN 15062. Form C: kugelgelagert, Form D: gleitgelagert, d1 , d2 , d5 und b3 kennzeichnende Maße in mm nach . Abb. 45.16 SeilrollenNenndurch- Achsdurchmesser Gesamtbreite messer d5

d2

45

Faserseile und Textilgurte

Seilrollen und Seiltrommeln

Seilrollen dienen zum Leiten und Umlenken der Seile. Die Rillenprofile für Seilrollen und Seiltrommeln sind nach DIN 15 061 Teil 1 (für Hebezeuge) und Teil 2 (für Krane) genormt. Geschmiedete oder gegossene Seilrollen (. Abb. 45.15) werden in Baureihen (siehe 7 Abschn. 45.2.3) serienmäßig hergestellt. Sie haben fast ausschließlich Wälzlagerung. Geschweißte Seilrollen werden, mit Gleitoder Wälzlagerung, hauptsächlich für Sonderkonstruktionen verwendet. Kennzeichnende Maße für Seilrollen nach DIN 15062 siehe . Abb. 45.16. Seiltrommeln dienen dem Antrieb und dem Speichern des Seils. In die Trommel sind in der Regel Rillen nach DIN 15 061 Teil 2 zur besseren Führung und Schonung des Seils eingefräst (. Abb. 47.3 in 7 Abschn. 47.1). Die Trommel wird also nur in einer Lage bewickelt. Ausnahmen bilden nur Handwinden, Forstwinden oder sonstige Maschinen, bei denen eine geringe Aufliegezeit des Seils aufgrund sonstiger Vorteile in Kauf genommen wird.

Empfohlene Seil-Nenndurchmesser-Bereiche

b3

d1

von

bis

von

bis

225

45

55

100

100

260

45

70

100

110

315

45

80

100

130

400

45

100

100

150

500

70

140

110

160

630

90

170

140

160

800

120

200

160

180

1000

150

260

150

210

1250

160

280

150

240

8

10

12

16

20

26

32

40

. Abb. 45.16 Kennzeichnende Maße für Seilrollen nach DIN 15062 und empfohlene Seildurchmesser dazu (Übersicht)

52

60

915 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

45.3.1.4

Seilendverbindungen Normengruppe DIN EN 13411/1-8

Für die Verbindung zweier Drahtseilenden oder das Anschließen eines Drahtseiles an ein festes Konstruktionsteil wurden im Hebezeugbau unterschiedliche Seilverbindungen entwickelt. Die älteste Art ist das Spleißen, die einfachste Art ist das Zusammenklemmen mit Drahtseilklemmen. Beide Arten werden jedoch nur für untergeordnete Einsätze verwendet. Meist kommt es auf hohe Festigkeit an, auf schnelle und leichte Lösbarkeit der Verbindung, auf gleichmäßige Krafteinleitung und auf Rollengängigkeit der Verbindung. In diesen Fällen sind Keilschloss- und Vergussbirnenverbindungen vorteilhaft. Keilschloss (. Abb. 45.17) Mit dem Keilschloss werden Seile mit tragenden Konstruktionsteilen verbunden. Unter Belastung zieht sich das um den Keil geführte Seil in die Tasche hinein und ergibt eine feste Verbindung. Durch einfaches Herausschlagen des Keils kann diese Verbindung wieder gelöst werden.

. Abb. 45.18 Schäkel für Seilverbindung mit Vergussbirnen. 1 Bügel, 2 Schäkelschloss mit Federmutter a, b, c, d, e, f, g, h, k Baumaße nach Herstellertabelle für verschiedene Seilrollendurchmesser [7 www. demagcranes.com]

Vergussbirnen In Vergussbirnen werden die Seilenden nach von den Herstellern genau angegebenen Verfahren aufgefächert und mit Spezialmaterial vergossen. Die Vergussbirnen zweier Seilenden werden mit Seilschäkeln nach . Abb. 45.18 verbunden und so ausgelegt, dass die Verbindungsstelle auch über Seilrollen laufen kann (. Abb. 45.19).

. Abb. 45.19 Rollengängige Seilverbindung mit Vergussbirnen und Schäkel [7 www.demagcranes.com]

45.3.2 45.3.2.1

Berechnung von Seiltrieben Die Flaschenzugübersetzung

Ein Flaschenzug besteht aus einer Kombination „fester“ und „loser“ Rollen, wobei die festen Rollen zur „festen Flasche“ und die losen Rollen zur „losen Flasche“ zusammengefasst werden. Wesentlich ist, dass die Last an mehr Strängen hängt, als angezogen werden (. Abb. 45.20). Die Flaschenzugübersetzung errechnet sich abhängig von der Lastaufhängung zu nL nA Anzahl der Stränge, an denen die Last hängt iFl D Anzahl der angezogenen Stränge

iFl D . Abb. 45.17 Seilschloss mit Keil (Keilschloss) [7 www.demagcranes. com]. 1 Seilschlossmantel, 2 Klemmkeil, 3 Seil, 3a Last tragendes Seilende, 3b loses Seilende, 4 Sicherheitsklemme: Diese Klemme verhindert den Verlust des Klemmkeils und damit das Lösen der Klemmverbindung, wenn das Seilende 3a auf Grund von Betriebsstörungen einmal ohne Vorspannung sein sollte

Ein Beispiel zeigt . Abb. 45.20. Die erforderliche Geschwindigkeit der Zugseile beträgt: vA D vH iFl

45

916

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

. Abb. 45.20 Doppelflaschenzug, bestehend aus zwei jeweils 6-strängigen Flaschenzügen n D 6 mit je drei losen Rollen, je zwei festen Rollen, je einer Trommel sowie einer festen Ausgleichsrolle zwischen den beiden Flaschenzügen. Zwischen Trommel und Flaschenzug befindet sich hier keine feste Seilrolle (i D 0)

vA Geschwindigkeit der angezogenen Seile, vH Geschwindigkeit des Hakens, iFl Übersetzung des Flaschenzugs. iFl D

Last an 12 Strängen D6 2 angezogene Stränge

oder je Einzelflaschenzug: iFl D

6 D6 1

Die Seilzugkraft F der angezogenen Seile beträgt, wenn G die Gewichtskraft an der Unterflasche aus deren Eigengewicht sowie der Nutzlast ist, FD

G 1  iFl S

S ist der nach DIN 15 020 Blatt 1 zu errechnende Wirkungsgrad des Seiltriebes. Nach dieser Norm gilt: S D .R /i 

1 1  .R /n  n 1  R

i Anzahl der festen Seilrollen zwischen Seiltrommel und Flaschenzug bzw. Last (z. B. bei Hubwerken von Auslegerkranen. In . Abb. 45.20 ist i D 0). n Anzahl der Seilstränge in einem Flaschenzug. Ein Flaschenzug ist die Gesamtheit aller Seilstränge und Seilrollen für ein auf eine Seiltrommel auflaufendes Seil (in . Abb. 45.20 ist n D 6).

. Tabelle 45.5 Gesamtwirkungsgrad von Flaschenzügen n

Gleitlagerung

Wälzlagerung

2

0,98

0,99

3

0,96

0,98

4

0,94

0,97

5

0,92

0,96

6

0,91

0,95

7

0,89

0,94

8

0,87

0,93

9

0,85

0,92

10

0,84

0,91

11

0,82

0,91

12

0,81

0,90

13

0,79

0,89

14

0,78

0,88

Für Ausgleichrollen braucht kein Wirkungsgrad berücksichtigt zu werden. Soll die Nutzlast mit einer Hubgeschwindigkeit v angehoben werden, so ist die an den angezogenen Seilen aufzubringende Leistung 1 Gv S G D Gewichtskraft D m  gI

P D

45

bei Gleitlagerung mit R D 0;96 bei Wälzlagerung mit R D 0;98 Mit diesen Werten sind die Wirkungsgrade nach . Tab. 45.5 errechnet.

G

P W D

Nm s

N

v m s

g D 9;81

S

m

1

kg

g m s2

Um die erforderliche Motorleistung zu ermitteln, ist diese Leistung noch durch die Wirkungsgerade von Trommel und Getriebe zu dividieren und mit einem Sicherheitsfaktor für dynamische Beanspruchungen zu multiplizieren. 45.3.2.2

Der Wirkungsgrad einer Seilrolle ist außer von der Art ihrer Lagerung (Gleitlagerung oder Wälzlagerung) auch vom Verhältnis Seilrollendurchmesser: Seildurchmesser (D : d), von der Seilkonstruktion und der Seilschmierung abhängig. Sofern keine genaueren Werte durch Versuche nachgewiesen sind, soll gerechnet werden

F

Berechnung der Seiltriebe nach DIN 15 020-1

!Hinweis Seit 2013 gibt es auch die DIN EN 13001-3-2:2015, in welcher noch besonders auf die Trägheits- und Gravitationskräfte eingegangen wird wenn dies von der EUMaschinenrichtlinie 2006/42/EG verlangt wird.

Der folgende Rechengang gilt grundsätzlich für Krane und Serienhebezeuge aller Art, bei denen die Seile über Seilrollen geführt und auf Seiltrommeln aufgewickelt werden. Für besondere Betriebsverhältnisse (z. B. Baggerbetrieb,

45

917 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

. Tabelle 45.6 Triebwerkgruppen nach Laufzeitklassen und Lastkollektiven nach DIN 15 020-1 Laufzeitklasse

Kurzzeichen

V006

mittlere Laufzeit je Tag in h, bezogen auf 1 Jahr

bis 0,125 über 0,125 über 0,25 über 0,5 über 1 über 2 über 4 über 8 über 16 bis 0,25 bis 0,5 bis 1 bis 2 bis 4 bis 8 bis 16

Nr. Benennung Erklärung

Triebwerkgruppe

Last1 kollektiv 2

3

V012

V2

V3

V4

V5

1 Em

1 Em

1 Dm

1Cm

1 Bm

1 Am

2m

3m

4m

mittel

etwa gleiche Häufigkeit 1 E m von kleinen, mittleren und größten Lasten

1 Dm

1Cm

1 Bm

1 Am

2m

3m

4m

5m

schwer

nahezu ständig größte Lasten

1 Dm

1Cm

1 Bm

1 Am

2m

3m

4m

5m

5m

d FS

V1

geringe Häufigkeit der größten Last

Die Lebensdauer der Seile hängt ferner ab von der Anzahl der Biegewechsel. Ein Biegewechsel liegt vor, wenn das Seil einmal von der Geraden in eine gekrümmte Bahn gelenkt wird und umgekehrt, z. B. Auflauf des Seiles auf eine Seilrolle D 1 Biegewechsel, Ablauf des Seils von einer Seilrolle D 1 Biegewechsel. Der erforderliche Seildurchmesser errechnet sich zu p

V05

leicht

Aufzüge, Schiffskrane, Bergwerke, Abspannseile) gelten besondere Rechenvorschriften. Die Einzeldrähte der Seile werden bei der Herstellung und im Betrieb auf Zug, Biegung und Verdrillung (Torsion) beansprucht. Die Berechnungsverfahren haben sich aus Versuchen und aus der Praxis entwickelt. Tragkraft und Aufliegezeit (D Lebensdauer) von Drahtseilen hängen im Wesentlichen ab 1. von der Zugfestigkeit der Einzeldrähte, 2. von der Betriebsweise des Seiltriebes, 3. von dem Durchmesser der Seiltrommeln, Seilrollen und Ausgleichsrollen, 4. von der Bemessung der Seilrillen, 5. der Seilkonstruktion.

d c

V025

mm

c mm p N

FS N

d Seildurchmesser, c Beiwert für die Betriebsweise, FS Seilzugkraft Der Beiwert c zur Berechnung des Mindestseildurchmessers ist in DIN 15020-1 abhängig von der Nennfestigkeit der Einzeldrähte (D Seilfestigkeitsklasse nach DIN EN 12385-2) und den Betriebsbedingungen angegeben. Für die in der Fördertechnik häufigen drehungsfreien bzw. drehungsarmen Drahtseile mit einer Drahtfestigkeit von 1960 N=mm2 beträgt der Beiwert c zum Beispiel c D 0;067, wenn nur eine leichte Beanspruchung

vorliegt (Triebwerkgruppe 1 Em nach . Tab. 45.6). Der Beiwert c steigt aber bis zu c D 0;15 an, wenn eine sehr schwere Beanspruchung vorliegt (Triebwerkgruppe 5m nach . Tab. 45.6). Die Triebwerksgruppe wird nach . Tab. 45.6 abhängig von der mittleren Laufzeit pro Tag (Zeile 2) und der durchschnittlichen Belastung (D Lastkollektiv) ermittelt. Man erkennt, dass ein Triebwerk, dass z. B. nur ca. 2–4 Std. am Tag in Betrieb ist und nahezu ständig die höchstzulässige Last transportiert, in die gleiche Triebwerksgruppe 3m eingestuft wird, wie ein Triebwerk, was viel länger in Betrieb ist (z. B. 8–16 Std.), aber dafür nur selten Höchstlast transportiert. Eine ausreichende Aufliegezeit des Seils wird erreicht, wenn Seiltrommeln, Seilrollen und Ausgleichsrollen zumindest den Durchmesser haben: Dmin D h1 h2 dmin

Dmin ; dmin mm

h1 ; h2 1

Dmin Rollen- und Trommeldurchmesser Beiwert nach DIN 15020, abhängig von der Machh1 art des Seils und von der Triebwerksgruppe (z. B. h1 D 12;5 bei 1 Em ) Beiwert, abhängig von der Anordnung der Seilh2 triebe; h2 D 1 für Seiltrommeln, h2 D 1–1,25 für Flaschenzüge je nach Anzahl und Gegen- oder Gleichsinnigkeit der Umlenkrollen. Für Seilrollen in

dmin

Greifern und Serienhebezeugen kann stets h2 D 1 gesetzt werden Seildurchmesser

Der Seilrillenradius r soll dem Seildurchmesser d möglichst gut angepasst sein; empfohlen wird die Berechnung durch die Gleichung r D 0;525  d

d r mm mm

918

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

Bei Hebezeugen der Triebwerksgruppen 1 Em , 1 Dm und 1 Cm ist durch Auflegen entsprechender Seile dafür zu sorgen, dass zusätzlich das Verhältnis der rechnerischen Seilbruchkraft zur rechnerischen Seilzugkraft nicht kleiner ist als 3,0.

45.3.3

Bauelemente für Kettentriebe

1 Kettencharakteristik (. Abb. 45.22)

Ketten haben den Vorteil der Handlichkeit, Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit nach allen Richtungen. Als Nachteil stehen gegenüber: großes Gewicht, geringe Elastizität, Empfindlichkeit gegen Stoß und Schlag. Man unterscheidet Rundgliederketten und Gelenkketten. 45.3.3.1

nungszustand beansprucht, da es nicht nur aus geraden, sondern auch aus gebogenen Abschnitten besteht. Ähnlich wie bei den Drahtseilen wurden daher die zulässigen Beanspruchungen in Forschung und Praxis ermittelt und als Erfahrungswerte in den DIN festgelegt.

Rundgliederketten (. Abb. 45.21)

. Tab. 45.7 gibt eine Übersicht der wichtigsten Normblätter. Ketten der Normalgüte aus S235 (einsatzgehärtet in verschleißfester Ausführung). Hochfeste Ketten aus Stählen mit Zusätzen von Mangan, Chrom, Nickel, Molybdän, Vanadin. – Ketten mit besonderen Werkstoffeigenschaften aus Sonderstählen (z. B. säure-, hitze-, korrosionsbeständig, antimagnetisch).

Werkstoff

Berechnung des Kettengliedes Jedes Kettenglied wird über seinen ganzen Umfang durch einen mehrachsigen Span-

Für die Beurteilung einer Kette werden folgende Kriterien herangezogen: Das Kraft-Verlängerungsschaubild lässt durch den Knick in der Kraftkurve die Kraft FR ablesen, mit der Ketten nach dem Vergüten belastet werden, damit sie maßhaltig bleiben. Bis zu dieser Belastung ist die Kette auch bei wiederholten Belastungen praktisch nur elastisch verformbar. Recklast

Bruchdehnung Die Bruchdehnung  ist die relative Ver-

längerung l=l der Kette, bei der sie bricht. Verfestigungsfähigkeit Sie drückt sich im Bereich der plastischen Verformung durch den Anstieg der Kraft von FR auf FB aus. In . Abb. 45.22 ist eine Kette von 17 mm Rundstahldurchmesser und 840 mm Länge mit einer Recklast von FR D 206 kN wiedergegeben, bis zu der sie sich nur elastisch verformt. Näherungsweise gilt in diesem Bereich das Hooke’sche Gesetz, d. h. mit Einführung eines ideellen Moduls der Kette EK kann gesetzt werden:

D EK D

. Abb. 45.21 Kenngrößen des Kettengliedes. b Breite, d Drahtdurchmesser, tK Teilung . Tabelle 45.7 Einige Normblätter für Rundstahlketten

45

DIN

Verwendungsart

685-1 bis -5

Rundstahlketten, Anforderungen, Prüfungen

685-100

Terminologische Festlegungen

DIN EN 818-7

Rundstahlketten für allgemeine Zwecke und Hebezeuge

5684-1 bis -3

hochfeste Rundstahlketten für Hebezeuge

762-1 u. -2 (2015)

Rundstahlketten für Kettenförderer

22252

hochfeste Rundstahlketten für den Bergbau

5685-1 u. -2

Rundstahlketten halb- und langgliedrig ohne Belastungsprüfung

691

Spannketten für Fahrzeuge

695, 5688-1 u. -3

Anschlagketten, Hakenketten, Ringketten

l EK l0

 Dehnung l Verlängerung l0 Ausgangslänge der Kette Die Grenze der elastischen Verformung ist von der Recklast abhängig. An den folgenden Entlastungskurven kann

. Abb. 45.22 Kraft-Verlängerungsschaubild einer 17-mm-Rundstahlkette

45

919

e2 mm

150

750

90

199

183

70

40

36

Plattenbreite

Plattenstärke

d2

e1

e2

g1

s

kN

mm

mm

mm

mm

mm

mm

mm

mm

400

90

80

50

36

160

144

85

12

Nietbolzen

Breite über Verbindungsbolzen

d1

Breite über

Bolzen-∅

b

. Abb. 45.24 Buchsenkette nach DIN 8164, 90 mm Teilung

und Rollenketten nach DIN 8182 und DIN ISO 606 (Ketten und Kettenräder für allgemeine Kettentriebe) verfügbar. 45.3.3.3

Kettenrollen und Kettentrommeln

Kettenrollen für unkalibrierte Gliederketten werden unverzahnt ausgeführt, wenn sie zur Umlenkung dienen. Der Rollendurchmesser – von Mitte bis Mitte Kette gemessen – beträgt D D 20: : :25d (d Kettendrahtdurchmesser). Die kalibrierten Ketten erfordern verzahnte Antriebsrollen, deren Durchmesser klein gewählt werden können, jedoch soll die Zähnezahl mindestens 5 betragen. Bezeichnet tk die Teilung, z die Zähnezahl, d die Kettendrahtdurchmesser, dann wird der Teilkreisdurchmesser D: s 2  2  d tk D,tk ; d z C DD mm 1 sin.90ı =z/ cos.90ı =z/

Plattenbreite Plattenstärke Anzahl der Platten pro Glied

Breite über Nietbolzen

e1 mm

Zapfen-∅

tk d1 d 2 b mm mm mm mm

Bolzen-∅

kN

Teilung

kN

garantierte Tragkraft MindestBruchkraft

Breite über Verbindungsbolzen

lichte Weite

Die Gelenk- oder Laschenketten werden nach ihrem Erfinder auch Gall’sche Ketten genannt. Gall-Ketten nach DIN 8150 werden aus geraden oder gekröpften Laschen gefertigt, die durch Bolzen gelenkig miteinander verbunden sind (. Abb. 45.23). Die Bolzen sind an beiden Enden abgesetzt und werden entweder vernietet oder versplintet. Sie laufen auf verzahnten Kettenrädern. Förderketten im schweren Einsatz bedürfen einer sorgfältigen Wartung und Verschleißkontrolle. Eine mindestens 5-fache Sicherheit wird bei der angegebenen Tragkraft garantiert. Kettengeschwindigkeiten von 0,3 bis 4,0 m=s, je nach Kettentyp. Als Kraftübertragungsketten für höhere Geschwindigkeiten (v > 4 m=s) sind Stahlgelenkketten in der Form von Buchsenketten nach DIN 8164 (mit gekröpften Gliedern)

Buchsen-∅

Gelenkketten (. Abb. 45.23 und 45.24)

lichte Weite

45.3.3.2

t

Mindest-Bruchkraft

man erkennen, dass der Bereich der elastischen Verformung durch Erhöhung der Recklast z. B. auf F 1 D 220 kN bzw. auf F 2 D 332 kN erhöht wird. Die Bruchlast beträgt FB D 338 kN und als Bruchdehnung wird bei der Einspannlänge von l0 D 840 mm, ı D l=l0 D 70=840 D 0;083 D 8;3 % ermittelt. In den DIN wurden die Anforderungen, denen Rundstahlketten in Bezug auf Werkstoffe, Bruchdehnung, Bruchkraft, Oberflächenhärte und Maßhaltigkeit genügen müssen, festgelegt. Die Aufliegezeit (Lebensdauer) wird durch die höchstzulässige Längung durch Verschleiß begrenzt. Diese beträgt z. B. für Hebezeugketten maximal 5 % über eine Teilung tK nach DIN 685 und maximal 2 % über eine Länge von 11tK bei motorischem Antrieb, bei Handantrieb 3 %.

Teilung

45.3  Bauelemente der Fördertechnik

g1 s mm mm

70

. Abb. 45.23 Gallkette nach DIN 8150, 90 mm Teilung

7

6

. Abb. 45.25 Ausführung von Kettenrollen. a als Umlenkrolle, b als Umlenkrolle und als Antriebsrolle, siehe auch 7 Abschn. 47.1, . Abb. 47.2

920

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

Bei großen Zähnezahlen z und kleinen Drahtdurchmessern d kann das zweite Glied unter der Wurzel vernachlässigt werden. Kettentrommeln für Gliederketten haben nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Oberfläche erhält eingedrehte Rillen für einlagiges Aufwickeln. Zwei Sicherheitswindungen müssen zusätzlich Platz haben.

45.3.4

45

Lastaufnahmeeinrichtungen und Ladehilfsmittel

jeweiligen Form weitgehend angepasst sein müssen2 . Bei den Haftgeräten handelt es sich um Lasthebemagnete und Vakuumheber. Bei Hebemagneten (. Abb. 45.31) werden die Haftkräfte elektromagnetisch erzeugt, beim Vakuumheber pneumatisch. 45.3.4.1

Lasthaken

Eine einfache und schnelle Lastaufnahme geschieht durch Einhängen der Lasthaken in Ösen der Anschlagmittel oder der zu transportierenden Güter. Anschlagketten in der Ausführung als Ring-, Haken- Kranz- oder Spreizketten sind dabei gebräuchliche Hilfsmittel, ebenso werden Anschlagseile aus Stahldraht als Öse-, Haken- oder Schlingseile verwendet. Abmessungen für Einfach- und Doppelhaken, Ösenhaken und Haken für Lastketten, sowie Angaben über Beanspruchung, Werkstoffe und Prüfungen siehe Normengruppe DIN 15 400–15 407.

Hier werden alle Konstruktionsteile, Hilfsgeräte oder Hilfsmittel zusammengefasst, die der geeigneten Verbindung des Transportgutes mit dem Fördermittel und der guten Transportierbarkeit dienen. Der Begriff „Lastaufnahmeeinrichtungen“ ist in DIN 15 002 festgelegt. Die Lastaufnahmeeinrichtungen gliedern Berechnungsgrundlage Der Haken wird im Zapfenquersich danach in Tragmittel, Lastaufnahmemittel und An- schnitt auf Zug, in den stark gekrümmten Teilen auf Bieschlagmittel. gung und Zug berechnet. Der Hakenquerschnitt wird als Tragmittel sind zum Hebezeug gehörende Hubeinrich- Trapez mit abgerundeten Ecken ausgeführt. Der Haken ist tungen zum Aufnehmen der Last einschließlich der Seil- drehbar gelagert. Als Gewinde wählt man Rundgewinde, und Kettentriebe, wie z. B. Lasthaken, Unterflasche, Seile. Sägen- oder Trapezgewinde. Die Hakenmutter ist zu siLastaufnahmemittel sind nicht zum Hebezeug gehö- chern. rende, zum Aufnehmen der Last dienende Einrichtungen, Um bei etwaiger Schlaffseilbildung ein Herausspringen die ohne besondere Um- oder Einbaumaßnahmen mit dem der Anschlagseile aus dem Haken zu vermeiden, kann dieTragmittel verbunden werden können, wie z. B. Magnete, ser karabinerartig mit einer Sperrklinke versehen werden. Greifer, Zangen oder Kübel. Bei Lasten über 15 t überwiegen Doppelhaken. In VerAnschlagmittel sind nicht zum Hebezeug gehörende, bindung mit einem Flaschenzug nimmt man Hakengeschirdie Verbindung zwischen Tragmittel und Nutzlast herstel- re oder Unterflaschen (. Abb. 45.26). lende Einrichtungen, wie z. B. Anschlagseile, -ketten oder DIN 15 408: Zweirollige Unterflaschen mit Einfach-gurte. oder Doppelhaken für Traglasten von 5–80 t je nach BauLadehilfsmittel sind Einrichtungen, mit deren Hilfe be- größe und Triebwerksgruppe. sonders Stückgut zu transportfreundlichen, meist genormDIN 15 409: Vierrollige Unterflaschen mit Einfachten Ladeeinheiten zusammengefasst werden kann, wie z. B. oder Doppelhaken für Traglasten von 20–250 t je nach BauPaletten, Container. größe und Triebwerksgruppe. Von der zweckmäßigen Konstruktion der Lastaufnahmeeinrichtungen und Ladehilfsmittel für die jeweiligen1 Schäkel (. Abb. 45.27) Einsatzfälle hängt die schonende Behandlung des Trans- Für größere Lasten (m  50 t) werden auch geschlossene portgutes, die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der För- Lastbügel (Schäkel) benutzt, die entweder aus einem Stück dereinrichtung weitgehend ab. Bei der Konstruktion sind geschmiedet oder aus Zugbändern mit Querstück zusamArt, Form, Größe, Gewicht, Oberflächenbeschaffenheit des mengesetzt sind. Alle Schäkel erschweren das Anschlagen Gutes bzw. der Verpackung von besonderer Bedeutung, der Last durch Seile oder Ketten, dafür haben sie den Voraußerdem die Lagerung (stehend – liegend – geordnet – teil, dass sie bei gleicher Tragkraft leichter sind als Haken. ungeordnet – verpackt – in Behältern) und die Umschlag45.3.4.2 Anschlagmittel, Brooken, Zangen menge. Die Last wird durch Kraftschluss oder Formschluss (. Abb. 45.28) aufgenommen, gelegentlich auch durch Haftschluss. Beim Anschlagmittel sind Anschlagseile (DIN EN 13 414-1 bis Kraftschluss werden Klemm- oder Spreizkräfte erzeugen- -3), Anschlagketten (DIN 5688) sowie hochfeste Textilgurde Geräte benutzt. Beim Anheben der Last schließen sich te (DIN EN 1492-1, -2 und -4). Zangen, Kübel, Gehänge die Backen des Gerätes fest um das Gut. Sobald der Gegenstand abgesetzt wird, öffnen sich die Backen. Beim 2 Unter Anschlagen versteht man die Tätigkeit, mit normalen oder speFormschluss wird das Gut allein durch Auflegen oder Anziellen Anschlagmitteln die zu transportierende Last sicher an die schlagen aufgenommen, wobei die Aufnahmemittel der Hebemaschine anzuhängen.

921 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

. Abb. 45.27 Ausführungen von Schäkeln, a einfacher Lastbügel, b mehrteiliger Lastbügel

. Abb. 45.28 Gehänge zur Lastaufnahme. a Anschlagketten, b Anschlagseile, c Anschlagkette, Textilgurt, Netzbrooke, d Zangen

. Abb. 45.26 Vierrollige Unterflasche nach DIN 15 409 (für zweirollige Unterflaschen nach DIN 15 408 gilt sinngemäß die gleiche Zeichnung)

sind einfache Lastaufnahmemittel. Diese gibt es in den verschiedensten Formen. Für Behälter und Kübel eignen sich selbstzentrierende Gehänge. Gehänge mit beweglichen Greifarmen werden oft mit einem Antrieb zur Ausführung der Greifbewegung gebaut.

Bei den Klemmen und Zangen wirken die Klemmkräfte zwischen zwei gegeneinander beweglichen Armen, an denen Klemmbacken angebracht sind. Für ein sicheres Arbeiten ist ein genügend großer Reibungswert zwischen Klemmbacken und Last erforderlich, dieser Wert * kann durch entsprechende Reibbeläge verbessert werden. Durch das Gewicht der Zange schließen sich die Backen, und durch das Gewicht der Last werden sie über eine Hebelübersetzung fest an das Fördergut gepresst. Für die verschiedenen Industriezweige gibt es Spezialausführungen, so dass für jeden Transportfall die optimale Konstruktion ausgewählt werden kann.

45

922

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

45.3.4.3

Greifer

Zweischalengreifer sind für Schüttgüter aller Art sind die erste Wahl. Die Beißkanten können mit Zähnen ausgestattet sein (z. B. Zweischalengreifer für Erdaushub) oder mit geraden Kanten (für lockeres Schüttgut und zum Greifbetrieb an Greifplätzen mit geradem Boden. Zweischalengreifer benötigen ein bestimmtes Eigengewicht, damit sie beim Aufsetzen das Fördergut gut trennen. Der bei weitem häufigste Einsatzfall sind Motor-Zweischalen-Greifer für das Be- und Entladen und den Lagerumschlag von Schüttgütern. Die Schließ- und Dichtungsleisten werden an das Fördergut angepasst. SchüttgutLagerkrane, Hafenkrane und Verladeanlagen für Fluss- und Seeschiffe, aber auch für Eisenbahnwaggons arbeiten mit Motor-Zweischalen-Greifern.

Greifer dienen dem Umschlag von Schüttgütern. Auf Grund ihres Antriebs unterscheidet man a) Motorgreifer oder Einseil-Greifer. Diese haben für die Öffnungs- und Schließbewegung ein eigenes Antriebsaggregat. Motorgreifer brauchen daher nur direkt in einen Kranhaken eingehängt werden, unabhängig davon, ob der Kranhaken selbst wiederum an nur einem Seil oder an einem Kran-Flaschenzug befestigt ist. Motorgreifer können an jedem Kran betrieben werden. Als Antriebseinheit benötigen Motorgreifer daher auch nur ein Windwerk, und sie können auch an einem Elektozug entsprechender Tragfähigkeit betrieben werden. Sie benötigen aber eine Energiezufuhr, die in der Regel über ein Stromversorgungskabel erfolgt. b) Mehrseilgreifer benötigen zur Funktion zwei Seile. Das1 Technik und Einsatztabellen von erste ist das Tragseil oder ein Flaschenzug zum Heben Motor-Zweischalengreifern und Senken der Last; das zweite ist ein Betätigungsseil Zweischalen-Motorgreifer werden mit Greiferinhalten von für die Öffnungs- und Schließbewegung des Greifers. 0,5. . . ca. 45 m3 gebaut. Je nach Einsatzfall werden sie mit Für einen Zweiseil-Greifer benötigt die Basismaschine Öffnungsrichtung in Richtung des Kranauslegers oder quer (Bagger oder Verladeanlage) also zwei voneinander undazu betrieben. abhängige Seilwinden. Die Funktion des Zweischalen-Motorgreifers soll an Hand von . Abb. 45.30 beschrieben werden: Zweiseilgreifer waren bei den Baggern die Regel, bevor Die Öffnungs- und Schließbewegung erfolgt dadurch, sich die Hydraulikbagger durchgesetzt haben. Wo es aber dass zwei Traversen, eine obere (9) und eine untere (6), um große Aushubtiefen geht, wo die Hydraulikbagger nicht durch zwei Hydraulikzylinder (7) gegeneinander bewegt mehr hinkommen, ist ein Zweiseilgreifer eine willkomwerden. Die an vier Lenkarmen (8) konstanter Länge bemene Lösung. Auch bei Arbeit im Schlamm, im Wasser festigten Greiferschalen (5) öffnen und schließen sich dann. oder sonstigen Arbeitsumgebungen, denen man empfindMan beachte, dass die Hydraulikzylinder senkrecht stehen, liche Hydromotoren und -zylinder nicht ständig aussetzen und zwar mit den Kolbenstangen nach oben, damit diese möchte, kann der Zwei-Seil-Greifer angesagt sein, da sich so weit wie möglich vom Fördergut entfernt sind. Die Kolbei diesem im Greifbereich nur rein mechanische Teile bebenstangen können seewasserbeständig beschichtet werden. finden. Betrieben werden die Zylinder durch eine komplette kleiJe nach Anzahl der Greifschalen unterscheidet man ne Hydraulikanlage (1), bestehend aus einem elektrischen Mehrschalengreifer und Zweischalengreifer. Mehrschalengreifer kommen z. B. für Stahlschrott oder für Müll zum Antriebsmotor, einer Hydraulikpumpe und einem HydrauEinsatz. (10) Aufhängung (9) Obere Traverse (8) Lenkarm (1) Antriebsaggregat (7) Hydraulikzylinder (2) Hydrauliktank

(6) Untere Traverse (5) Greiferschale

45

(3) Überlaufklappe

. Abb. 45.29 Schüttgutumschlag von Binnenschiffen zu Seeschiffen mit mehreren 2-Schalen-Motorgreifern (PEINER SMAG Lifting Technologies GmbH, Salzgitter)

(4) Stahldichtleiste

. Abb. 45.30 Zweischalen-Motorgreifer (PEINER SMAG Lifting Technologies GmbH, Salzgitter)

923 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

liktank (2). Der Richtungswechsel Öffnen/Schließen erfolgt durch Änderung der Drehrichtung des E-Motors. Daher bedarf es keines Schaltkabels zum Greifer. Eine umfangreiche Sensorik (Drucksensor, Thermostat, Verschmutzungsanzeige, Beschleunigungssensor u. a. m.) kann zur Erhöhung der Betriebssicherheit und ggf. zur Vernetzung mit einer Wartungszentrale eingebaut werden. Möchte man mit dem gleichen Greifer zwei Schüttgüter mit unterschiedlichen spezifischen Schüttgewichten fördern, so empfehlen sich „Überlaufklappen“ (3). Man legt dann den Greifer für das leichtere Schüttgut mit geschlossen Klappen aus, und öffnet die Klappen, wenn man das schwerere Schüttgut fördern möchtet: das maximale Füllvolumen des Greifers wird durch die geöffneten Klappen vermindert, und einer Überlastung des Greifers durch das schwerere Schüttgut wird vorgebeugt. Die Greifer werden nach der Baukastensystematik (siehe 7 Abschn. 45.2.3) in Baureihen gefertigt. Die einzelnen Baugrößen einer Baureihe sind entsprechend den Normzahlen nach DIN 323 gestuft. Der . Tab. 45.8 liegt die Normzahlreihe R10 (Stufensprung ' D 1;25) zugrunde. Nur bei 14 und 18 m3 sind Zwischengrößen nach der feineren Normreihe R20 (' D 1;12) eingefügt (fett hervorgehoben).

. Abb. 45.31 Lasthebemagnet (schematisch). 1 Innenpol, 2 Außenpol, 3 Abdeckplatte, 4 Spule, 5 Gehäuse, lFe Eisenlänge des Magnetfeldes, lL Luftspaltlänge

1 Auswahl eines Greifers

Bei der Auswahl müssen berücksichtigt werden: das Schüttgewicht des zu fördernden Schüttgutes, die Lukenmaße, die Leistungsdaten des Krans, und die technischen Daten des Greifers Aufgabe: Aus der Ladeluke mit den Maßen 3 3 m eines Binnenfrachters soll Sand an Land auf eine Lagerstätte gefördert werden. Zur Verfügung steht ein Seilkran mit max. 7 t Tragfähigkeit. Welcher Greifer darf höchstens ausgewählt werden? Lösung: a) Wegen der Lukengröße käme maximal ein Greifer der Baugröße 4 infrage (Maße D und E in . Tab. 45.8). Wegen des besseren Handlings wird Baugröße 2,5 ausgewählt b) Sand wiegt max. ca. 1,8 t/m3 (. Tab. 45.9b) Das Gewicht an der Öse beträgt dann Gges V Gges D 2;5  1;8 C 2;05 D 6;55 t m3 6;55 < 8 t (Spalte g) 6;55 < 7 t (max. Tragfähigkeit des Krans)

 t=m3

G 1

Der Greifer der Baugröße 2,5 ist also gut geeignet. 1 Lasthebemagnete

Zum Heben und Bewegen von Stahl- und Eisenteilen bieten sich die Lasthebemagnete (. Abb. 45.31) als selbsttätige Lastaufnahmemittel an. In Walz- und Hüttenwerken und in der Maschinen- und Stahlindustrie werden Lasthebe-

. Abb. 45.32 Anordnungsschema für einen Lasthebemagneten am Kranausleger

magnete für Umschlagarbeiten auch größerer und sperriger Stücke verwendet. Auch zur Förderung von Spänen sind Magnete gut geeignet. Rundmagnet mit 700–1000 mm ¿ mit einer Traglast von 4–30 t. Zum Transport von Blechen werden 2–50 Kleinmagnete in 1-, 2- oder 3-teiliger Anordnung an entsprechende Traversen gehängt. Heiße Stahlstücke werden noch bis 500 °C aufgenommen, bei 700 °C ist Stahl nicht mehr magnetisierbar, ebenfalls nicht kalter Stahl mit 7 % Mn-Gehalt. Die Leistungsfähigkeit von Lasthebemagneten hängt nicht nur von der gemessenen Abreißkraft, sondern auch stark vom Luftspalt zwischen Magnet und Last, und damit von der Art und der Zusammensetzung des Fördergutes ab (z. B. Bleche, Rohre, Schrott, Kleineisen, Gusstrauben). Einzelmagnete und Magnettraversen können an jeden Elektrozug oder Kran mit ausreichender Tragfähigkeit angehängt werden (. Abb. 45.32).

Bauarten

45

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

924

. Tabelle 45.8 Baureihe des Motor-Zweischalengreifer Typ MZGL-4 (PEINER SMAG Lifting Technologies GmbH, Salzgitter). a) Greiferinhalt bei normaler Füllung. Dieser ist die Baugrößenkennzahl in dieser Baureihe. b) Verminderter Greiferinhalt, wenn man vorgesehene Klappen öffnet. Erforderlich für höhere Schüttgewichte. c) Eigengewicht des Greifers; dieser muss bei allen Berechnungen von Seil und Kran mit einbezogen werden. d) Motorleistung bei 380V/50 Hz. e) Motorleistung bei 440V/60 Hz. Bei der höheren Motorleistung erfolgen die Öffnungsund Schließbewegungen schneller. f) Hauptmaße nach Skizze. g) Klasse und Tragfähigkeit der Aufhängeöse nach DIN 5688-3 (2007). Der hier angegebene Wert bezeichnet gleichzeitig das maximale Gewicht von Greifer und Traglast zusammen, das nicht überschritten werden darf

Greiferinhalt

Eigengewicht

Motorleistung

Maße nach Bild

Traglast

a)

c)

d)

e)

f)

g)

kg

kW

kW

A

B

C

D

E

F

G

DIN 5688-3

m

b) 3

m

3

1,00

0,60

1320

8,5

10,0

2200

2110

1510

1930

1390

410

1420

A 26 / 8 t

1,25

0,80

1350

8,5

10,0

2260

2130

1660

2030

1390

410

1420

A 26 / 8 t

1,60

1,00

1500

11,0

13,0

2260

2180

1760

2050

1540

410

1570

A 26 / 8 t

2,00

1,25

1850

15,0

18,0

2410

2290

1930

2240

1700

410

1730

A 26 / 8 t

2,50

1,60

2050

15,0

18,0

2430

2360

1970

2250

1850

410

1880

A 26 / 8 t

3,20

2,00

3050

18,5

22,0

2920

2820

2210

2690

2000

430



A 32 / 10 t

4,00

2,50

3550

18,5

22,0

3070

2900

2280

2880

2300

490



A 36 / 12 t

5,00

3,20

4800

22,0

26,0

3640

3250

2460

3180

2645

690

2780

A 45 / 20 t

6,30

4,00

5140

22,0

26,0

3680

3260

2680

3250

2645

690

2780

A 45 / 20 t

8,00

5,00

6790

28,0

33,0

3970

3650

2970

3480

2945

690

3110

A 45 / 25 t

10,00

6,30

8550

37,0

44,0

4310

3840

2960

3830

3245

770

3420

A 51 / 32 t

12,50

8,00

11.400

45,0

54,0

4530

4180

3290

4090

3490

770

3730

A 51 / 32 t

14,00

9,00

11.900

45,0

54,0

4600

4200

3480

4230

3490

770

3730

A 51 / 32 t

16,00

10,00

14.400

55,0

66,0

4830

4540

3540

4200

4015

900

4220

A 63 / 52 t

18,00

12,00

15.000

55,0

66,0

4920

4560

3750

4370

4015

900

4220

A 63 / 52 t

1 Vakuumheber

45

Vakuumheber (D Saugheber) sind Haftgeräte, bei denen die Haftkräfte pneumatisch erzeugt werden. Im Heber wird durch eine Pumpe ein Vakuum zwischen Saugteller und Last erzeugt. Der atmosphärische Druck bewirkt dann, dass der Heber gegen das Gut gepresst wird. Vakuumheber sind besonders zur Aufnahme von Glas, Holzplatten und Kunststoffen geeignet, aber auch für Metalle, die durch Magnete nicht aufnehmbar sind. Eine exakte Aussage, ob ein bestimmtes Gut, z. B. Schaumgummi, durch Vakuumheber aufgenommen werden kann, ist nur nach Probeversuchen möglich.

45.3.4.4

Frachtbehälter, Paletten, Container

Seit langem werden Schüttgüter und flüssige Stoffe in genormten Behältern, wie z. B. Fässern, transportiert. Man ist aber auch bestrebt, Stückgüter der verschiedensten Arten in oder auf genormten Ladehilfsmitteln zu transportieren. Die Ladeeinheit soll sich für den innerbetrieblichen Transport, für die Lagerung und für den außerbetrieblichen Transport auf Lkw, Bahn oder Schiff eignen. Kleinere Ladeeinheiten sollen miteinander zu größeren kombinierbar sein (Modulsystem). Förder-, Transport- und Umschlagseinrichtungen werden dann nur noch für die genau festgelegten Ladeeinheiten konzipiert. Man erzielt dadurch

45

925 45.3  Bauelemente der Fördertechnik

. Tabelle 45.9 Schüttgewichte einiger Massengüter für die Greiferauslegung a) Kohle

b) Sand, Kies, Chemikalien

c) Erze

Material

t=m3

Material

t=m3

Material

t=m3

Kohle

0,8

Sand und Kies

1,6–1,8

Minette

1,8

Fein- und Nusskohle

0,85–1,0

Kalkstein, kleinstückig bis 30 mm

1,6–2,0

Erze fein bis mittelgrob

2,0–2,5

Schlammkohle, lose und trocken

1,0

Zement

1,7

Steinschotter

1,8

Lignit und Braunkohle

0,75

Zement-Klinker

1,8

Basaltschotter

2,0

Staubkohle

0,7

Kalk, gebr. stückig

1,2

Martinschlacke ohne Eisen

2,1

Braunkohle-Briketts

0,8

Kalk, gelöscht

1,2

Kalkstein über 50 mm

2,0

Holzkohle

0,2

Formsand

1,6

Gipsstein

1,9

Koks, bis Faustgröße

0,45

Gips

1,25

Quarz

1,8–2,4

Koksasche

0,7–0,9

Steinsalz, lose geschüttet

1,2

Erze schwer

2,5–3,5

Kesselasche

1,0

Rohphosphat

1,5

Schwefelkies, grob

3,5

Schlackensand

0,9

Ammoniak

0,9

Basaltsplit

3,2

Kali

1,2

Kalkstein, grob

2,0

Soda

1,0

Magnesit

2,2

Kunstdünger

1,0

Schwerspat

2,5–3,0

Zinkblende

1,8–2,0

einen großen Rationalisierungseffekt und eine Vereinfachung und Beschleunigung aller Lager- und Transportvorgänge. Man kann die Behälter unterteilen in stapelbare Behälter für Stückgut, Paletten, Container, Schüttgutbehälter. Stapelbehälter sind so konstruiert, dass sie formschlüssig aufeinander gestellt werden können. Größere Stapelbehälter dienen in der Fertigung dem Transport und der Lagerung von Kleinteilen (Zahnräder, Wellen, Rohteile u. a.). Die Behälter werden von Gabelstaplern oder Kranen aufgenommen und von einer Bearbeitungsstelle zur anderen transportiert. Paletten (. Abb. 45.33) sind Plattformen genormter Größen (DIN EN 13 382 und DIN 15 141), die stapelbare Güter aufnehmen können. Paletten haben stets Füße mit einer Höhe von ca. 100 mm, so dass sie von den Gabeln von Flurförderzeugen, Krangehängen oder Regalförder-

. Abb. 45.33 Flachpalette; dargestellt ist eine „Vierwegpalette“, die ihren Namen daher hat, dass sie von allen vier Seiten durch die Gabeln eines Förderzeuges aufgenommen werden kann, im Gegensatz zur „Zweiwegpalette“

zeugen leicht unterfahren und angehoben werden können. Die häufigsten Grundflächenmaße von Paletten sind 800 1000 mm, 800 1200 mm und 1000 1200 mm. Die Größe 1000 1200 mm passt am besten in die meisten bisher gebauten Transport- und Lagersysteme sowie in die Verkehrsträger Bahn-, Lkw und Schiff. Flachpaletten lassen sich in beladenem Zustand nur dann aufeinander schichten, wenn das Fördergut dem Druck der darüber gestapelten Paletten standhält, ansonsten werden sie zweckmäßig in Regalen untergebracht. Sonderpaletten sind solche mit Zusatzeinrichtungen, wie z. B. Seitenwänden für nicht stapelfähige Kleinteile, Stahlrungen für Stangenmaterial oder Spezialhalterungen z. B. für die Aufnahme von Pkw-Austauschmotoren. Sonderpaletten werden meist stapelbar ausgeführt. Paletten sind meist aus Holz, oft aber auch aus Stahl, Aluminium, Presspappe oder Kunststoff. Container sind Großfrachtbehälter, die in allen Einzelheiten und Abmessungen den ISO- Empfehlungen entsprechen, und in der Reihe 1 der DIN 15 190-101 und -102, in Bezug auf ihre Abmessungen und die konstruktive Ausführung festgelegt wurden. Der größte Container hat die Außenmaße b l h D 2435 12:190 2435 mm und 30,48 t zulässige Bruttomasse. Der nächstkleinere Container hat 25,4 t zulässige Bruttomasse und den gleichen Querschnitt 2435 2435 mm; er ist aber nur halb solang, so dass zwei kleinere Container den gleichen Platzbedarf haben wie ein großer.

926

Kapitel 45  Grundlagen der Fördertechnik und der Intralogistik

Container sind robust gebaut und genügend widerstandsfähig, um wiederholte Verwendung durch mehrere Verkehrs- und Fördermittel ohne Umladen des Inhalts zu gestatten. Sie haben Einrichtungen zum leichten Umschlagen von einem Beförderungsmittel in das andere. Für bestimmte Fördergüter gibt es Spezialcontainer, so z. B. Isoliercontainer mit wärmedämmenden Schichten an den Wänden, jedoch ohne Kühlaggregat. Kühlcontainer mit ein- oder angebauten Kühlaggregaten mit eigenem Antrieb. Open-Top-Container, oben offener Container zum Beladen mit schwerem Stückgut von oben. Er kann mit Planen abgedeckt werden. Pa-Behälter sind Container, die auch ohne Krane durch Rollböcke umgesetzt und verladen werden können. Sie eignen sich besonders für den kombinierten Verkehr BahnLkw. Tank-Container zum Transport von Flüssigkeiten oder Gasen.

45

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Schulz, R.: Grundlagen der Logistik. Vorlesungsmanuskripte an der Uni Stuttgart, IFT – Institut für Fördertechnik und Logistik, http:// www.uni-stuttgart.de/ift (2019) 2. Scheffler, M.: Grundlagen der Fördertechnik. Buchreihe Fördertechnik und Baumaschinen. Springer-Vieweg, Wiesbaden (1994) 3. DIN-, EN-, ISO-Normen und DIN-Taschenbücher. Beispiele DINTaschenbuch Nr. 59, Drahtseile. Beuth Verlag, Berlin. http://www. beuth.de 4. Feyrer, K.: Drahtseile. Bemessung, Betrieb, Sicherheit. 3. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg (2018) 5. Wehking, K.-H. et al.: Laufende Seile. Bemessung und Überwachung. TAE-Reihe Kontakt und Studium, Band 673, 5. überarbeitet Aufl. Expertverlag, Renningen (2018) sowie weitere Veröffentlichungen des IFT Institut für Fördertechnik und Logistik. http://www.uni-stuttgart. de/ift 6. Pech, A., Kolbitsch, A., Zach, F.: Tragwerke. Tragkonstruktionen kompakt unter Berücksichtigung europäischer Konstruktionsnormen und der aktuellen Bauweisen im Massiv- und Skelettbau. Springer, Berlin, Heidelberg (2008)

927

Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik Johannes Sebulke

46.1

Antriebe

Alle Antriebsarten, wie 4 Handantriebe 4 Elektromotoren 4 Pneumatische Antriebe 4 Hydraulische Antriebe 4 Verbrennungsmotoren 4 Dampfmaschinen 4 Hybridantriebe werden in der Fördertechnik verwendet. Ihre Auswahl richtet sich nach den jeweiligen Betriebsbedingungen und den lokalen Möglichkeiten (z. B. Stromanschluss). Zwischen Antriebsmotor und der angetriebenen Welle ist in der Regel ein mechanisches Getriebe oder ein hydraulischer Drehmomentwandler zwischengeschaltet, um die Drehzahl zu mindern und das Antriebsmoment zu erhöhen (Hand-, Elektro-, Verbrennungsmotor-, pneumatische Antriebe). Bei Verbrennungsmotoren muss zusätzlich eine betriebsmäßig lösbare Kupplung zwischengeschaltet werden, da diese Motoren nicht aus dem Stand heraus unter Last anlaufen können. Dampfmaschinen arbeiten in der Regel direkt auf die anzutreibende Welle. Bei hydrostatischen Antrieben bilden Hydraulikpumpe und Hydraulikmotor zusammen ein „hydraulisches Getriebe“, das Drehzahl und Drehmoment wandelt (siehe 7 Abschn. 46.1.4).

46.1.1

Handantriebe

Handantriebe werden bei seltenem Betrieb und bei kleinen Betätigungskräften verwendet. Typische Anwendungen sind Lauf- und Hubwerksantriebe von Kleinhebezeugen und Antriebe von Winden und Hebeböcken. Handantriebselemente sind Kurbeln, Ratschen, Handräder und für über Flur befindliche Fördergeräte Haspelketten. Die aufzubringende Handkraft an der Kurbel oder Haspelkette soll 200 N nicht überschreiten. . Abb. 46.1 zeigt ein Kettenhebezeug mit Handantrieb (siehe auch 7 Abschn. 47.1, . Abb. 47.2).

. Abb. 46.1 Kettenhebezeug für Traglasten bis 10 t; Hub- und Fahrantrieb durch Haspelketten

46.1.2

Elektrische Antriebe

Elektromotoren sind einfach, robust und betriebssicher. Die Energiezuführ erfolgt über Kabel aus dem Stromnetz, oder über mitgeführte Akkus (D Akkumulatoren oder Batterien). Die Ansteuerung erfolgt über Kabel oder schnurlos über Funk. Elektromotoren kann man wirtschaftlich als Einzelantriebe einsetzen, d. h. Laufräder, Drehwerk und Hubwerke erhalten separate Motoren. E-Motoren sind besonders unempfindlich gegenüber dem in der Fördertechnik häufigen Aussetzbetrieb, können gut regelbar hergestellt werden und können unterschiedliche, für die jeweiligen Einsatzfälle besonders geeignete Drehzahl-Drehmoment-Charakteristiken erhalten. Der E-Motor ist stets sofort betriebsbereit. Er ist leicht umsteuerbar und hat einen guten Wirkungsgrad in allen Lastbereichen. Der E-Motor lässt sich einfach mit anderen Funktionselementen, wie Bremsen oder Getrieben, kombinieren. In der Fördertechnik verwendet man vorwiegend Drehstrommotoren mit und ohne Schleifringläufer, Gleichstrom-Reihenschlussmotoren und Gleichstrom-Nebenschlussmotoren.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_46

46

928

Kapitel 46  Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik

Nach Möglichkeit wird der Drehstrom- Asynchronmotor mit Kurzschlussläufer eingesetzt, da dieser am einfachsten gebaut ist und das für ihn erforderliche Drehstromnetz fast überall zur Verfügung steht. Ein geeigneter Antrieb für schwere Hubwerke ist der Gleichstrom-Reihenschlussmotor, da dieser seine Drehzahl der Momentenbelastung selbsttätig anpasst. Der Antrieb ist aber nur wirtschaftlich, wenn sich wegen einer größeren Anzahl von Gleichstromverbrauchern der Aufbau eines eigenen Gleichstromnetzes lohnt (Hütten- und Walzwerke, Großhäfen). 1 Drehstrom-Asynchronmotoren

Drehstrommotoren haben eine feste Nenndrehzahl, die von der Netzfrequenz und der Polpaarzahl des Motors abhängt nn D

60 f p

nn min

1

f

p

Hz 1

Der Gleichstrom-Reihenschlussmotor wird dort eingesetzt, wo dieses Regelverhalten erwünscht ist. Bei Hafenkranen z. B. werden durch einen Gleichstrom-Reihenschlussmotor leichtere Lasten schneller gehoben, die Spielzeit verkürzt sich. Wo es auf momentunabhängige Geschwindigkeiten ankommt, oder wo eine bestimmte Drehzahl nicht überschritten werden soll, kann der Gleichstrom-Reihenschlussmotor nur mit zusätzlichen Regel- bzw. Sicherheitsmaßnahmen betrieben werden. Beim Gleichstrom-Nebenschlussmotor bleibt die Drehzahländerung auch bei größeren Schwankungen des abverlangten Momentes klein. Der Motor kann nicht unzulässig hohe Drehzahlen annehmen („durchgehen“). Der Motor wird ebenfalls mit Widerständen oder einer elektronischen Regelung geregelt. Die Drehmoment-Drehzahlcharakteristik ist dem oberen Ast der Kennlinie des Drehstrom-Asynchronmotors ähnlich. Anwendung findet der Gleichstrom-Nebenschlussmotor in Fällen, bei denen es auf eine möglichst momentunabhängige gleichmäßige Drehzahl ankommt, wie z. B. bei Einzelfahrantrieben von Kranen in Werken mit Gleichstromnetz.

nn Nenndrehzahl, f Frequenz, p Polpaarzahl Drehstrommotoren können polumschaltbar gemacht werden, wodurch man verschiedene Abtriebsdrehzahlen erhält. Die wirkliche Drehzahl liegt um den Schlupf unter der Nenndrehzahl. Dieser beträgt, abhängig vom Motormoment, bis etwa 7 %. 1 Getriebemotoren Beim Einschalten haben die Motoren eine sehr hohe Stromaufnahme. Das Anzugsmoment beträgt dann etwa Elektromotoren, besonders die häufigen Drehstrom-Asyndas 1,5–3,5-fache des Nennmoments. Bei übersynchronen chronmotoren, geben bei wirtschaftlicher Auslegung nur Drehzahlen infolge durchziehender Last wirkt der Motor ganz bestimmte, eng begrenzte Drehzahlen und Drehmoals Bremse. Drehstromasynchronmotoren werden überall mente an den Motorwellen ab. Der Motor wird daher oft eingesetzt, wo die Drehzahl unabhängig vom abverlangten mit einem Zahnradgetriebe und gegebenenfalls auch mit eiMoment etwa konstant sein soll. Beispiele sind der Antrieb ner Bremse zu einer kompletten Einheit kombiniert. Als Bremse empfiehlt sich eine Kegelreibungsbremse von Stetigförderern, Elektrozügen, Kranfahrantrieben. oder eine elektrisch gelüftete Scheiben- oder DoppelbaWenn das ruckartige Anlaufverhalten stört, kann man ckenbremse. dieses durch mechanische Maschinenelemente (RutschDie Hersteller bauen Getriebe- und Getriebebremsmokupplungen, Fliehkraftkupplungen oder hydrodynamische toren nach der Baukastensystematik (7 Abschn. 45.2.3, Anlaufkupplungen) dämpfen. Man kann die Drehstrommo. Abb. 45.10). Dem Konstrukteur fördertechnischer Matoren auch mit einer elektronischen Regelung betreiben. schinen steht auf diese Weise eine variantenreiche Vielzahl Dann kann man das gute Anzugsverhalten mit einer sanften an Antriebseinheiten zur Verfügung, aus der er entspreRegelbarkeit von Stromaufnahme, Drehmoment und Drehchend dem speziellen Einsatzfall die geeignetste nach zahl verbinden. 4 Motorund Getriebetyp Bei Drehstromasynchronmotoren mit Schleifringläufern kann die Drehzahl-Momentenkennlinie durch abge- 4 Leistung, Einschaltdauer und Betriebsverhältnissen stufte Widerstände verändert werden. Der Motor kann dann 4 Drehmoment und Drehzahl weich anlaufen und ist trotzdem ähnlich robust wie der 4 Konstruktions- und Befestigungselementen (Füße, Flansch u. a.) auswählt. Kurzschlussläufer, er ist daher als Fördermittelantrieb sehr umfassend verwendbar. 1 Gleichstrommotoren

46

Beim Gleichstrom-Reihenschlussmotor ist die Drehzahl stark vom abverlangten Moment abhängig: 4 hohes Moment ergibt niedrige Drehzahl, 4 kleines Moment ergibt hohe Drehzahl. (Bei völlig fehlender Momentenbelastung wird die Drehzahl theoretisch 1, d. h. der Motor „geht durch“.)

46.1.3

Pneumatische Antriebe

Druckluftantriebe werden in zwei Formen in der Fördertechnik eingesetzt. a) Druckluft dient als Fördermedium (siehe 7 Abschn. 49.5), d. h. sie wird in feinkörniges Fördergut (z. B. Getreide) eingeblasen, um dieses fließfähig zu

929 46.2  Steuerungen

machen. Das Luft-Fördergutgemisch wird dann durch Rohre geleitet, wodurch ein schneller und sauberer Umschlag erzielt wird. b) Druckluft dient nur zur Energieübertragung und treibt über Turbinen Fördermaschinen für vielfältige Zwecke an.

Hydraulikzylinder werden eingesetzt, wo die Förderhöhen noch mit diesen bewältigt werden können (Hubtische, Hubstapler, kleine Autohebebühnen), oder wo die feinfühlige Regelbarkeit den Ausschlag gibt (z. B. Hydraulikkrane im Mobilbereich).

Der Antrieb nach b) erfolgt weich; die Antriebsmaschinen sind sehr kompakt. Pneumatische Antriebe werden bevorzugt in explosionsgefährdeten Räumen eingesetzt, wo man Elektromotoren wegen der Gefahr der Funkenbildung vermeiden möchte, wie z. B. im Bergbau oder beim Umgang mit gefährlichen Chemikalien.

46.1.5

46.1.4

Hydrostatische Antriebe

Hydrostatische Antriebe bestehen aus einer Hydraulikpumpe (die von einer nicht hydraulischen Kraftmaschine angetrieben werden muss), den Übertragungsleitungen und dem eigentlichen Hydraulikmotor. Hydrostatische Antriebe sind feinfühlig regelbar. Die Motoren sind sehr kompakt. Die Leitungen lassen sich als Rohre oder druckfeste Schläuche verlegen, die Pumpe kann, wo gerade Platz ist, angeordnet werden. Sperrventile in den Leitungen ersparen separate Standbremsen. Hydrostatische Systeme erfordern eine hohe Sorgfalt bezüglich der Dichtheit aller Leitungen und Bauteile bei der Fertigung und bei der Wartung. Auch sind hydrostatische Systeme in der Anschaffung teurer als einfache Elektroantriebe. Hydrostatische Antriebe treten oft an die Stelle mechanischer Kraftübertragungssysteme, wie z. B. bei hydrostatischen Fahrantrieben von Baggern und Autokranen. Mobile Fördergeräte haben in der Regel zwei hydrostatische Arbeitskreise, die Arbeitshydraulik und die Fahrhydraulik (7 Abschn. 46.2, . Abb. 46.3). Die Arbeitspumpe und die Fahrpumpe werden gemeinsam vom Dieselmotor angetrieben. Die Fahrpumpe treibt den Fahrmotor oder die Fahrmotoren (z. B. bei Einzelradantrieb). Die Arbeitspumpe versorgt alle Arbeitszylinder und alle sonstigen Arbeitsantriebe, wie z. B. Seilwinde, Zapfwellenantrieb, Förderband. Sowohl Pumpen als auch Motoren sind meist hinsichtlich Ihres Schluckvolumens/Umdrehung (V s ) regelbar. So entsteht ein hydrostatisches Getriebe: V sPumpe klein, V sMotor groß: 1. Gang V sPumpe groß, V sMotor klein: Schnellgang. Aus Energiespargründen wird meist das Lastfühlverfahren („Load sensing“) verwendet. Sensorgesteuert wird die Pumpe dabei hinsichtlich Druck und Volumen nur soweit ausgesteuert, wie auf der Lastseite momentan gerade Bedarf ist. Ansonsten hält die Pumpe nur einen geringen Bereitschaftsdruck („Stand-by-Druck“) vor.

Dampfmaschinen, Verbrennungsmotoren, Hybridantriebe

Dampfmaschinen werden wegen der Nachteile, Unsauberkeit, lange Anlaufzeit, großer Raumbedarf, kaum noch verwendet. Ausnahmen sind, wo Kohle billig zur Verfügung steht, wo Arbeitskräfte billig sind, oder wo Mangel an sonstigen Energiequellen dazu zwingt. Verbrennungsmotoren werden hauptsächlich in mobilen Fördergeräten eingebaut, die unabhängig von ortsgebundenen Energiequellen arbeiten sollen (Autokrane, mobile Förderbänder). Wegen ihrer schlechten Regelbarkeit (Gefahr des Abwürgens) werden Verbrennungsmotoren bei größeren Fördergeräten nur zum Antrieb von Hydraulikpumpen oder Generatoren eingesetzt, die dann besser regelbare hydraulische oder elektrische Einzelantriebe mit Energie versorgen. Wichtige Beurteilungskriterien von Verbrennungsmotoren sind neben der Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie und der Nennleistung der Kraftstoffverbrauch in g=kWh und die Einhaltung der jeweils aktuellen ImmissionsschutzRichtlinien (siehe 7 Abschn. 50.3). Treibstoffe sind meist Dieselöl oder Treibgas. Es gibt aber auch schon mobile Forstfahrzeuge, die mit reinem, naturbelassenem Rapsöl fahren (Welte, Deutz), Flurförderer mit Wasserstoff als Energieträger und mit Brennstoffzellen (Linde Material Handling), und mit Hybridantrieb, bei dem man während des Betriebes von Dieselbetrieb auf Elektrobetrieb umschalten kann, oder bei denen man bei Lastspitzen den Elektroantrieb zuschalten kann („Mild Hybrid“). 46.2

Steuerungen

Direkte Steuerungen durch elektrische Drucktaster oder Hydraulikhebel werden in einfachen Fällen angewandt, so z. B. bei Kranen in der Endmontage im Maschinenbau oder bei Ladekranen an Lkw. In der Regel sind Förderelemente oder -maschinen in Fördersysteme eingebunden, so dass die einzelnen Förderbewegungen aufgrund vielfältiger Bedingungen und Sensorsignale erfolgen müssen. Deshalb ist die elektronische Steuerung bei einer Förderanlage die Regel. Der Einsatz der Elektronik kann dabei verschiedene Schwerpunkte haben, und zwar: a) die genaue Vorgabe der Förderbewegung für jedes zu fördernde Teil. Beispiele sind Warensortieranlagen

46

930

Kapitel 46  Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik

. Abb. 46.2 Prinzipbild der Steuerung einer automatischen Anlage zur Herstellung von Stahlstababschnitten, die aus Einzelstablager, Regalförderzeug, Rollenförderer, Sägeautomat und Abschnittsortieranlage besteht

46

(7 Abschn. 48.2, . Abb. 48.21) oder automatische Regallager (7 Abschn. 47.2, . Abb. 47.23), bei denen die Förderbewegungen je Teil von einem Leitrechner nach bestimmten Kriterien vorbestimmt werden. Hier werden Ablaufsteuerungen eingesetzt. b) die gute Dosierbarkeit der Förderbewegung durch den Bediener. Dies ist besonders in der Mobilhydraulik wichtig. Der Bediener eines Autokrans will die Förderbewegung z. B. eines zu montierenden Windkraftpropellers selbst millimetergenau bestimmen. Er will dies feinfühlig und sicher tun, ohne sich um den Kran, den Motor oder Einzelheiten der Hydraulik kümmern zu müssen. Hier kommen spezielle Mikroprozessorsteuerungen zum Einsatz. c) selbstlernende Systeme, KI, Vernetzung. In großen Warenverteilsystemen, z. B. von Internet-Versandfirmen, können als Beispiel so viele fahrerlose Flurförderzeuge von einem Senderfach zu einem Zielfach unterwegs sein, dass es unmöglich ist, diese einzeln zu steuern. Hier kommen selbstlernende, vernetzte Steuerungssysteme zum Einsatz. Selbstlernend heißt hier z. B., dass das Fahrzeug selbst feststellt, ob der Weg frei ist, oder ob es wegen Staus einen Umweg durch einen anderen Regalgang nehmen sollte. Vernetzt heißt hier, dass jedes Fahrzeug seine Positionsdaten und seinen Wunschweg ständig an den Leitsoftware („die Cloud“) funkt, und dass jedes Fahrzeug abfragen kann, welche Fahrzeuge in der Nähe sind und wohin diese fahren. Daraus wird dann der beste Weg für die eigene Aufgabe errechnet. Von KI (D Künstlicher Intelligenz) spricht man in etwa ab dann, wenn die Software eigene Handlungsalternativen entwickelt, und ggf. die Kriterien dafür eigenständig erarbeitet. (Z. B. Badesachen bevorzugt abfertigen, wenn es heiß ist!).

46.2.1

Ablaufsteuerungen

. Abb. 46.2 zeigt als Beispiel das Prinzip einer ausgeführten Steuerung einer Anlage, die aus einem Stahlstablager, einer automatischen Förderanlage und einem Sägeautomat besteht. Bei dieser Anlage kann man „just in time“ Sägezuschnitte aus Stabstahl „bestellen“. Bei diesem Beispiel ist die gesamte Steuerung auf einem Industrie-PC realisiert. Den Kern bilden drei Softwareteile: a) die Vorverarbeitungssoftware speichert die Maße der pro Auftrag gewünschten Abschnitte und sortiert diese nach einer vorgegebenen Strategie (z. B. so, dass möglichst wenig Stangenreste verbleiben). b) die Maschinensoftware umfasst die maschinentypischen Abläufe und Parameter, wie z. B. die Sägetechnologie, Vorschubgeschwindigkeiten je nach Stahlfestigkeit und Querschnittsform, typische Förderabläufe der Rollenförderer und des Regalförderzeuges. c) die SPS-Software (SPS D SpeicherProgrammierbare Steuerung, siehe Teil XIV Steuerungstechnik) steuert den Ablauf, wenn der Befehl erteilt wird, einen ganz bestimmten Stahlstab aus einem ganz bestimmten Fach zu holen, die Teile Nr. 1–x abzusägen, in eine vorgewählte Box zu legen und den Stab wieder in das Fach zurückzulegen. Neben dem Echtzeitkern des Rechners gibt es die Ebene der Außenkommunikation (Aus- und Eingabedisplay, Speichermedien, Schnittstellen) und die Ebene der Innenkommunikation des Rechners (zu Säge, Förderer, Lager, Sensoren, Stellglieder, hier realisiert durch einen LichtleiterFeldbus).

931 46.2  Steuerungen

. Abb. 46.3 Typische Mikroprozessorsteuerung für mobile Fördergeräte wie Flurförderzeuge, Autokrane und Forstspezialfahrzeuge [Linde Material Handling]

46.2.2

Mikroprozessorsteuerungen

Die . Abb. 46.3 zeigt als Beispiel eine Mikroprozessorsteuerung, wie sie im Mobilbereich für Autokrane, Gabelstapler, Radlader und Forstspezialfahrzeuge mit Rückekran typisch ist. Diese Fahrzeuge haben einen einzigen Dieselmotor sowohl für den Fahrantrieb als auch für den Antrieb der Arbeitsgeräte gemeinsam. Wegen der guten Möglichkeiten der Regelung und der Leistungsverzweigung sind diese Fahrzeuge oft mit hydrostatischen Pumpen und Motoren ausgestattet. Der Mikroprozessor erhält über Fahr- und Bremspedal, Potentiometer oder Joysticks proportionale Signale über die gewünschte Motordrehzahl, Fahrtrichtung, und den momentanen Leistungsbedarf der

einzelnen Arbeitsbewegungen, wie z. B. Kranarm, Greifer, Drehwerk, die der Bediener im Moment gerade betätigt. Zusätzlich erhält er vom Dieselmotor dessen Ist-Drehzahl. Die Leistungskennlinie des Dieselmotors ist in dem Rechner bereits eingegeben. Ausgabegrößen des Mikroprozessors sind proportionale Signale an die Stellglieder der Hydraulikpumpen und Hydraulikmotoren, und an Hydraulikventile für die einzelnen Arbeitszylinder des Krans. Die Anfahrrampen und andere Einstellwerte werden im Prozessor pro Fahrzeugtyp (oder auch pro Fahrer) hinterlegt. Wesentlich ist die Funktion der Grenzlastregelung. Sinkt die Drehzahl des Dieselmotors durch zu hohe Lastabnahme unter einen vorher festgelegten Wert, so werden die Fahr- und/oder Arbeitsgeschwindigkeiten zurückgeregelt,

46

932

Kapitel 46  Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik

bevor der Motor überlastet wird und stehenbleibt („abgewürgt wird“). So werden gefährliche Situationen sicher vermieden. Oft sind zwei spezialisierte Mikroprozessorsteuerungen vorgesehen, die über einen CAN-Bus kommunizieren und sich die Arbeit wie folgt teilen:

auf den gewünschten Wert zu vermindern (Stillstand oder begrenzte Senkgeschwindigkeit), wenn der Antrieb abgeschaltet wird. Rücklaufsperren haben die Aufgabe, ein Rückdrehen der Sperrwelle gegen Antriebsrichtung von vornherein auszuschließen.

Steuerung I: Antriebsmanagement, Steuerung II: Regelung der Arbeitsbewegungen über Joysticks und Elektro-Proportionalventile.

46.3.1

46.2.3

AS-, HMI- und Sicherheitssysteme

Die hohen preiswert verfügbaren Rechnerleistungen lassen es zu, dass Mikroprozessoren neben der reinen Maschinensteuerung immer mehr Zusatzaufgaben übernehmen, die die Fördermaschine leichter bedienbar und sicherer machen. AS-Systeme sind „Assistive Systeme“ (in der KfzBranche „Fahrer-Assistenz-Systeme“ genannt), die dem Bediener so viel Aufgaben wie möglich abnehmen. Beispiele sind die Grenzlastregelung bei Dieselantrieben, die bei Überlastgefahr des Dieselmotors die Verbraucher so herunter regeln, dass der Fahrer den Motor praktisch nicht mehr „abwürgen“ kann, oder die Parallelführung des Greifers bei Hydraulikkranen, die alle Knickarme und Teleskope automatisch so steuert, dass sich Greifer und Last waagerecht bewegen, wenn der Bediener nur einen Hebel nach vorn schiebt. Oder die Anti-Pendel-Steuerung bei Kranen, die den Kran bei Stopp der Kranfahrt automatisch so hin und her bewegt, dass die Last sofort ruhig hängt. HMI-Systeme sind Human-Machine-Interfaces. Diese Systeme erleichtern die Kommunikation MenschMaschine. Hierzu gehören die Sprachsteuerung genauso wie AR-Brillen (D Augmented-Reality-Brillen), die dem Fahrer wichtige Informationen in sein Gesichtsfeld einblenden, ohne dass er das Arbeitsfeld aus den Augen lassen muss. Oder Displays, die dem Gabelstaplerfahrer immer die nächsten Auftragsdaten einblenden, sodass er kein Papier mehr wälzen muss. Sicherheitssysteme sind z. B. Überlastanzeigen oder abschaltungen bei Kranen, bzw. Lastmomentüberwachungen bei Autokranen. Bei der Entscheidung, welche dieser Systeme man einsetzt gilt die Regel: Jedes Assistenz-, HMI- oder Sicherheitssystem muss selbst mindestens um eine Zehnerpotenz sicherer arbeiten, als die Funktion es tut, die es zu überwachen oder zu erleichtern gilt.

46 46.3

Reibungsbremsen

Nach dem Verwendungszweck unterscheidet man Regelbremsen, Haltebremsen und Stoppbremsen, nach der Bauart Trommelbremsen, Bandbremsen, Scheibenbremsen und Lamellenbremsen. Bremsen bilden einen wichtigen Bestandteil aller Fördermaschinen und sind sorgfältig zu entwerfen und auf Sicherheit zu berechnen, um Unfälle im Betrieb zu vermeiden. 46.3.1.1

Trommelbremsen

Für Trommel- und Scheibenbremsen gelten DIN 15 431, 15 434-1 und -2; 15 435-1 bis -3, 15 436 und 15 437. Trommelbremsen werden in der Fördertechnik mit außenliegenden Bremsbacken gebaut. Die Bremsbacken sind mit einem meist aufgeklebten Bremsbelag (  0;3) für eine zulässige Temperatur von mindestens 150 °C ausgerüstet. Die Konstruktion der Norm-Bremsen erlaubt die Kombination mit allen auf dem Markt befindlichen Bremslüftgeräten. Die Bremskraft wird durch eine Feder – innenoder außenliegend – hervorgerufen. Beim Lüften heben sich die Bremsbacken um einen Lüftweg von der Bremsscheibe ab. Beim Abschalten des Bremslüfters schließt die Bremse wieder selbsttätig. Meistens werden Trommelbremsen mit elektrohydraulisch arbeitenden Bremslüftgeräten („Eldrogeräten“) eingesetzt (. Abb. 46.4).

Bremsen und Rücklaufsperren

Bremsen sind in der Fördertechnik Geräte zur Reduzierung der Fördergeschwindigkeit. In Hebezeugen haben Bremsen z. B. die Aufgabe, die Senkgeschwindigkeit der Last

. Abb. 46.4 Trommelbremse nach DIN 15 435-2 bis -3 mit außenliegenden Bremsbacken und selbsttätiger Bremsbelagverschleiß-Nachstellung für Fördereinrichtungen [Siegerland-Bremsen]

933 46.3  Bremsen und Rücklaufsperren

Das Gerät besteht im Prinzip aus der Bremsfeder, die die Bremse im Ruhezustand geschlossen hält, sowie einem gegen die Federkraft arbeitenden Hubkolben mit zugehöriger Pumpe mit elektrischem Antriebsmotor zum Lüften der Bremse. Wird der Motor abgeschaltet, gleitet der Kolben in seine Ausgangsstellung zurück. Das Öl dämpft dabei den Rückgang des Kolbens so, dass die Bremse zwar sofort, aber sanft und stoßfrei schließt. 1 Berechnung von Doppelbackenbremsen (. Abb. 46.5)

Stets muss das abzubremsende Moment MB an der Welle kleiner sein als das größtmögliche Bremsmoment: MB < 2FB

d  D FB d  2

l2 l1 l4 FH D Fz l3 MB 1 Fz >   d  Fz M B N Nm

. Abb. 46.5 Berechnungsskizze für Trommelbremsen MB abzubremsendes Moment; FB , FN , Fz Kräfte; l1 , l2 , l3 , l4 Hebellängen; d Bremsscheibendurchmesser

FB D FH

l1 l3  l2 l4  d; l1 ; l2 ; l3 ; l4 1 m

Fz erforderliche Kraft der Bremsfeder; MB abzubremsendes Moment an der Bremswelle,  Reibungszahl; l1;2;3;4 Hebellängen nach . Abb. 46.5. Das abzubremsende Moment MB muss aus den statischen und dynamischen Kräften und Momenten der Förderanlage oder -maschine berechnet werden. Nach DIN 15 434-1 sind ferner nachzuprüfen 4 die Flächenpressung p an den Bremsbelägen, 4 die Gleitgeschwindigkeit v1 an den Bremsbelägen, 4 der im speziellen Einsatzfall erreichbare Reibungswert . Alle drei Größen werden zum Parameter .p  v1  /zul zusammengefasst. Als Richtwert gilt nach DIN 15 434-1: Bremsscheibendurchmesser d1 in mm

Zulässiger Wert .p  v1  /zul N W  ms  1 D mm 2 mm2

200

0,75

250

0,8

315

0,9

400

1,0

500

1,1

630

1,25

710

1,35

7 Beispiel Bei einer Förderanlage soll das Bremsmoment der Trommelbremse (. Abb. 46.4) nach DIN 15 434 auf 4000 Nm erhöht werden.

Fragen: 1. Welche technischen Daten der Bremse müssen bekannt sein? 2. Welche Bremskraft muss die im Bremslüftgerät eingebaute Bremsfeder mindestens haben? Lösung: Die erforderlichen technischen Daten sind (vgl. . Abb. 46.4 und 46.5): Trommeldurchmesser: d1 D d D 630 mm Reibungszahl:  D 0;3 Hebellängen: l1 D h2 D 354 mm l2 D h2 C h3 D 354 C 425 l2 D 779 mm l3 D h4 D 69 mm l4 D e4 D 348 mm Dann gilt nach den . Abb. 46.4 und 46.5 für die Bremskraft Fz : Fz 

4000 1 0;354 0;069    D 1906 N  2000 N 0;630 0;3 0;779 0;348

Die Bremsfeder muss also für eine Zugkraft von mindestens 2000 N ausgelegt sein. Die Lösekraft des Eldrogerätes muss ca. 20 % über der max. Bremsfederkraft liegen. 9

!Hinweis Im Anschluss an die Berechnung muss nach DIN 15 434-1 noch überprüft werden, dass die zulässigen Werte für die Flächenpressung und der zulässige Wert (p  v1  ) nicht überschritten werden.

Das für eine Fördermaschine erforderliche Bremsmoment ist sorgfältig entsprechend dem jeweiligen Einsatzfall aus Lastmoment und Verzögerungsmomenten nach DIN 15 434-1 zu berechnen. Es gilt MB erf D ML C MR C MT

46

934

Kapitel 46  Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik

MB erf , erforderliches Bremsmoment in Nm; ML Moment der ruhenden Last und der Widerstände, z. B. aus Reibung () und Wind (C), bezogen auf die Bremswelle, in Nm; MR , MT , Verzögerungsmomente aus umlaufenden Massen (Rotation) und aus geradlinig bewegten Massen (Translation) in Nm. Bei Hubwerksbremsen gilt für das Lastmoment ML D

S dT  2i

mit S

dT i



Summe der an der Seiltrommel angreifenden Seilkräfte nach DIN 15 020-1 (7 Abschn. 45.3, . Abb. 45.20), in N Trommeldurchmesser in m Gesamtübersetzung zwischen Bremse und Trommel; sind Trommel und Bremse auf derselben Achse fest verbunden, gilt i D 1 mechanischer Wirkungsgrad des Getriebes zwischen Trommel und Bremse. Der Wirkungsgrad steht im Zähler und vermindert das rechnerische Lastmoment, da die durch den Wirkungsgrad berücksichtigten Widerstände beim Bremsen helfen.

Für das Verzögerungsmoment MR für die rotierenden Massen und MT für die geradlinig bewegten Massen gilt: MR D

X

J

! tB

MT D

S v dT     g tB 2 i

mit P J Summe der Trägheitsmomente aller rotierenden Massen, die mit abzubremsen sind, reduziert auf die Bremsenwelle in kg m2 (siehe Teil III Mechanik, 7 Abschn. 10.4.2.5 Reduktion von Trägheitsmomenten). ! Winkelgeschwindigkeitsdifferenz in 1=s bzw. v Hubgeschwindigkeitsdifferenz in m=s vor und nach dem Bremsvorgang. Bei Bremsungen bis zum Stillstand ist für ! die Winkelgeschwindigkeit der Bremstrommelwelle bei Beginn des Bremsvorganges und für v die Senkgeschwindigkeit der Last einzusetzen. tB Bremszeit in s. Man erkennt, dass das Verzögerungsmoment MR um so größer ist, je kürzer die zulässige Bremszeit ist.

46

46.3.1.2

. Abb. 46.6 Skizzen verschiedener Bandbremsen. a einfache Bandbremse, b Differenzialbandbremse, c drehrichtungsunabhängige Bandbremse, MB abzubremsendes Moment; ˛ Umschlingungswinkel; F1 , F2 Bremsbandzugkräfte; FZ Handhebelzugkraft; d, l3 , l4 , x geometrische Abmessungen

die eine bessere Abführung der Reibungswärme ermöglicht. Der Bandzug vergrößert sich, wie in . Abb. 46.6a dargestellt, über den Umschlingungswinkel von F1 auf F2 . Für die Zugkräfte F1 und F2 gelten die Beziehungen F1 D

2 MB 2 MB 1 e˛  ˛ F2 D  ˛ d .e  1/ d .e  1/ F1 ; F2 MB d e;  ˛ N Nm m 1 rad

Bandbremsen

Bandbremsen sind weich steuerbar und einfach im Aufbau. Ihr Nachteil ist eine Biegebelastung der Welle. Bandbremsen werden hauptsächlich als Haltebremsen eingesetzt. Als Betriebsbremse wird meist die Scheibenbremse eingesetzt,

MB e  ˛

abzubremsendes Moment Basis der natürlichen Logarithmen (e D 2;718) Reibungszahl Umschlingungswinkel im Bogenmaß

935 46.3  Bremsen und Rücklaufsperren

. Abb. 46.7 Berechnungsskizze für Scheiben- und Kegelreibungsbremsen

Aus dem Momentengleichgewicht um den Drehpunkt P ergibt sich für die Zugkraft Fz am Handhebel Fz D

2 MB 1 1   ˛ .l3  x e ˛ / d l4 .e  1/

mit x D 0 für . Abb. 46.6a, () Minuszeichen für . Abb. 46.6b und (C) Pluszeichen für . Abb. 46.6c. Fz Handzugkraft, d Bremsscheibendurchmesser, l4 , l3 , x Hebellängen nach . Abb. 46.6. Man kann den Abstand x nach . Abb. 46.6b so groß wählen, dass die Bremse selbsttätig sperrt, ohne dass noch eine Zugkraft Z aufgebracht werden muss. Wenn die Bremse in beiden Drehrichtungen gleich gut arbeiten soll, so wird eine Anordnung nach . Abb. 46.6c mit x D l3 gewählt, bei der F1 und F2 an gleichen Hebelarmen angreifen. 46.3.1.3

Scheibenbremsen, Kegelbremsen (. Abb. 46.7)

Bei diesen Bremsen werden stets drehende, mit der Bremswelle drehfest verbundene Bremsscheiben axial gegen stehende, mit dem Gehäuse verbundene Gegenflächen gedrückt. Bei Kegelreibungsbremsen wird die Welle samt Bremsteller axial verschoben und in einen Innenkegel gepresst. Die Kegelreibungsbremse erreicht bei sonst gleichen Abmessungen ein größeres Bremsmoment als eine Flachscheibenbremse, da der Kegelwinkel die axiale Bremskraft verstärkt. Bei Scheibenbremsen wird eine mit der Bremswelle fest verbundene Scheibe durch eine oder mehrere Bremszangen gehalten. Die Bremszangen werden zweckmäßig symmetrisch angeordnet, um die Welle nicht mit Biegemomenten zu belasten. Scheibenbremsen sind vergleichsweise unempfindlich, einfach in ihrem Aufbau und haben eine große, die Reibungswärme ableitende Fläche. Sie eignen sich daher auch zum Betrieb im Freien und zu Dauerbremsungen. Die axiale Anpresskraft F, die durch die Bremsfedern z zwischen Bremsbelägen und Reibflächen erzeugt wird, muss sein: F 

2 MB 1 1    sin ˛ d  n

F MB d ; n ˛ ı N Nm m 1

MB d  n

˛

abzubremsendes Gesamtmoment mittlere Reibflächendurchmesser Reibungszahl an den Bremsflächen Anzahl der Reibflächen; bei Scheibenbremsen n D 2 je Bremszange, bei Kegelreibungsbremsen stets n D 1 Kegelwinkel; ˛ D 90ı , sin ˛ D 1 bei Scheibenbremsen; ˛  20ı , sin ˛  0;34 bei Kegelreibungsbremsen

46.3.2

Rücklaufsperren

Rücklaufsperren sind mechanische, selbsttätig eingreifende Maschinenteile, die ein Zurückdrehen der Sperrwelle unter dem Einfluss eines Lastmomentes verhindern, wenn der Antrieb abgeschaltet oder unterbrochen wird. Nach ihrer Wirkungsweise unterscheidet man Zahn(Klinken-)Gesperre und stufenlos arbeitende Freiläufe. Die Zahngesperre (. Abb. 47.2, Pos. 9) haben besonders geformte Zahnräder, in deren Lücken die Sperrklinke einrastet. Zahngesperre arbeiten formschlüssig, aber naturgemäß nicht stufenlos. Weiterhin verursachen sie während der gesamten Leerlaufzeit ein Klickergeräusch. Sie werden daher nur für Handantriebe sowie für langsame Einsatzfälle verwendet. Bei den reibungsschlüssigen Rücklaufsperren unterscheidet man Klemmkörperfreiläufe (. Abb. 46.8) und Rollenfreiläufe (. Abb. 46.9). Die Klemmkörperfreiläufe werden aus den konzentrisch angeordneten Innen- und Außenringen und den dazwischen befindlichen, leicht angefederten Klemmkörpern gebildet. Letztere gleiten bei „Freilaufbetrieb“ auf dem Innenring. Im „Mitnahmebetrieb“ verklemmen sie sich zwischen Innen- und Außenring, so dass Drehmoment übertragen werden kann. Damit der Freilauf auch klemmt und nicht durchrutscht, muss der Tangens des Abstützwinkels der Klemmkörper („Klemmwinkel “) stets kleiner sein als der Reibungswert . tan  < 

46

936

Kapitel 46  Antriebe und Bremsen in der Fördertechnik

. Abb. 46.8 Klemmkörper-Freilauf als Rücklaufsperre für Fördereinrichtungen [RINGSPANN]. 1 Außenring (drehfest mit dem Gehäuse des Getriebes oder der Fördereinrichtung verbunden), 2 Klemmkörper; die Klemmkörper sind in Leerlaufposition gezeichnet, bei der sie unter Einwirkung der Fliehkraft vom stillstehenden Außenring abheben um Verschleiß zu vermeiden. Bei Stillstand gelangen sie unter der Einwirkung der nicht gezeichneten Anfederung wieder in Eingriff, so dass ein Zurückdrehen der Welle in Richtung a ausgeschlossen ist. 3 Innenring, mit der zu sperrenden Welle verbunden; a gesperrte Drehrichtung, b freie Drehrichtung

. Abb. 46.9 Rollenfreilauf als Rücklaufsperre für Fördereinrichtungen [RINGSPANN]. 1 Außenring, 2 Klemmrollen, 3 Innenring mit Klemmrampen (Innenstern), 4 Klemmrampen, a gesperrte Drehrichtung, b freie Drehrichtung

46

Da Rücklaufsperren an Fördereinrichtungen den größten Teil ihrer Betriebszeit in Freilaufrichtung laufen, spielen die Maßnahmen zur Vermeidung von Verschleiß und damit zur Erhöhung der Lebensdauer eine große Rolle. Bei Rücklaufsperren ist meist Fliehkraftabhebung möglich. Man unterscheidet: 4 Fliehkraftabhebung bei umlaufendem Außenring. Der Schwerpunkt der Klemmkörper ist so gelegt, dass sie unter der Einwirkung der Fliehkraft vom stillstehenden Innenring abheben. Dadurch wird Gleitverschleiß unterbunden. 4 Fliehkraftabhebung bei umlaufendem Innenring (. Abb. 46.8). Die Klemmkörper laufen mit dem Innenring um und stützen sich an einem speziell ausgebildeten Käfig so ab, dass sie vom stillstehenden Außenring abheben. Diese Konstruktion ermöglicht eine elegantere Bauweise, da der drehende Innenring direkt mit der Welle und der stehende Außenring direkt mit dem Gehäuse verbunden werden kann.

. Abb. 46.10 Rücklaufsperre in Aufsteckbauweise mit Drehmomentabstützung [RINGSPANN]. Obere Bildhälfte: Ausführung mit Rollenfreilauf nach . Abb. 46.9. Untere Bildhälfte: Ausführung mit Klemmkörpern nach . Abb. 46.8. Die Buchstaben sind für den Einbau wichtige Baugrößenmaße nach Herstellertabelle

Wo Fliehkraft, z. B. wegen geringer Drehgeschwindigkeit im Leerlauf, nicht angewandt werden kann, wird der Außenring nicht rund, sondern leicht polygonal geschliffen. Die Klemmkörper stehen dadurch bei ihrem langsamen Wandern am Umfang manchmal „steiler“, manchmal „flacher“. Die Berührungslinie wandert dadurch auf dem Klemmkörper, das Verschleißvolumen wird größer, die Lebensdauer erheblich länger. Bei Rollenfreiläufen verklemmt sich eine Rolle zwischen dem runden Außenring und dem mit „Klemmrampen“ versehenen Innenring („Innenstern“) (. Abb. 46.9). Klemmrollenfreiläufe werden eingesetzt, wenn Fliehkraftabhebung nicht möglich ist, oder wenn umfangreiche Branchenerfahrungen mit dieser Bauart vorliegen. Die in . Abb. 46.10 gezeigte Ausführung einer Rücklaufsperre verfügt über eine eigene Lagerung, eigene Dichtungen und damit über eine eigene Ölversorgung mit Ölstandschauglas. Sie ist daher besonders für Sonderkonstruktionen geeignet. Für den Anbau an Seriengetriebe gibt es eine anflanschbare Bauform, bei der die Lagerung und der Ölkreislauf des Getriebes mitbenutzt werden. Dadurch kann dann die Funktion: „Rücklauf sperren“ kostengünstiger realisiert werden.

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Griemert, R., Römisch, P.: Fördertechnik. Auswahl und Berechnung von Elementen und Baugruppen, 11. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015)

937

Hebe- und Fördertechnik Johannes Sebulke

47.1 47.1.1

Hebezeuge Handhebezeuge

47.1.2

Elektroseilzüge und Windwerke

Elektroseilzüge, meist kurz „Elektrozüge“ genannt, sind Hebemaschinen nach . Abb. 47.3 und 47.4, bei denen die Baugruppen Seiltrommel, Getriebe, Antriebsmotor und Bremse in einer kompakten Einheit kombiniert sind. Elektrozüge werden durchweg nach dem Baukastenprinzip in vielen Varianten hergestellt (. Abb. 47.5), und werden angepasst an die geforderte Traglast, Hubgeschwindigkeit und die Betriebsbedingungen geliefert. Der Elektrozug wird für Traglasten von 160 bis 80.000 kg hergestellt. Er kann auch mit einem Feingang ausgerüstet werden. Größere Elektrozüge sind das Herzstück vieler Anlagen, wie z. B. Standard-Laufkrane, Hängekrane und Hängebahnen.

Unter dem Sammelbegriff „Handhebezeuge“ werden solche Kleinhebezeuge zusammengefasst, die meist Handantrieb haben, aber auch mit Motorantrieb ausgeführt sein können. Handhebezeuge erfüllen vielfältige Aufgaben in Montage, Reparatur und in Fällen, wo große Lasten nur selten zu heben sind (7 Abschn. 46.1.1). Die gebräuchlichsten Kleinhebezeuge einfacher Art sind Winden: Zahnstangenwinden – genormte Bauweise für 1,5 t, 3 t, 5 t, 10 t, 15 t und 25 t Tragfähigkeit (. Abb. 47.1). Schraubenwinden – die Last wird durch eine Schraubenspindel gehoben. Die Betätigung erfolgt mit einem Handhebel, oft un-1 Prinzip eines Elektroseilzuges ter Zwischenschaltung einer Ratsche. Bei TeleskopwinDas Prinzip des Elektrozuges soll an Hand von . Abb. 47.3 den sind mehrere Schraubenspindeln ineinandergebaut. Die erklärt werden: Tragfähigkeit beträgt bis ca. 6000 kg. Der Antrieb ist als ein Aggregat aus Elektromotor und Hebeböcke – für schwere Lasten von 20–300 t. Die Last Bremse, hier nach dem Verschiebeläufer-Prinzip, gebaut wird hydraulisch oder durch Spindeln angehoben bei Hub(vgl. 7 Abschn. 46.3.1.3, . Abb. 46.7). Das Drehmoment höhen bis zu ca. 3 m. des Elektromotors wird durch eine axialelastische KuppHandhebezeuge sind ferner Kettenhebezeuge mit Flalung (4) auf das Getriebe übertragen. Ein geschlossenes schenzügen nach . Abb. 47.2. In allen Fällen, in denen Getriebegehäuse (5) nimmt alle Zahnräder auf, die im ÖlKettenhebezeuge häufiger gebraucht werden, werden Elekbad laufen. Die tragende Verbindung zwischen Motor und troantriebe verwendet. Getriebe wird durch Trageflansche (11) und ein Mantelgehäuse aus Stahlblech hergestellt. Der Elektrozug kann auch mit einem Feinhubwerk nach . Abb. 47.3 ausgerüstet werden. In diesem Fall wirkt die Bremse des Haupthubmotors als Kupplung zum Feingang. Eine aus dem Getriebe herausgeführte Hohlwelle (6) treibt die Seiltrommel (7) an. Durch verschiedene Seilabläufe kann der Elektrozug praktischen Betriebsfällen angepasst werden. Als Hubmotor für Elektrozüge im unteren Traglastbereich wird vorwiegend der Drehstrom-Asynchron-Kurzschlussläufer verwendet. Über etwa 10 kW Nennleistung werden die Elektrozüge oft mit Schleifringläufermotoren ausgestattet, um das Stromnetz nicht durch zu hohe An. Abb. 47.1 Zahnstangenwinde für 1,5–10 t Traglast, Hub ca. laufströme zu belasten. 300–350 mm, Kurbeldruck 250 N, bei 10 t Traglast 500 N, g, k, l, t, r Abmessungen je nach Baugröße der Baureihen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_47

47

938

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.2 Kettenzug mit Handantrieb [Yale]

47

939 47.1  Hebezeuge

1 Einteilung der Elektroseilzüge nach DIN 15 020

Die Berechnungsregeln nach DIN 15 020 bezwecken eine Dimensionierung aller Bauteile nach der späteren betrieblichen Beanspruchung, die durch Traglast und Laufzeit charakterisiert wird.

Diese wichtigen Einflüsse auf die Nutzungsdauer, mittlere Traglast und Laufzeit, müssen daher sowohl bei der Herstellung als auch bei der Auswahl durch den Betreiber berücksichtigt werden. Nur so erhält man für den jeweiligen Einsatzfall den wirtschaftlichsten Elektrozug mit ausreichender Sicherheit und Lebensdauer.

. Abb. 47.3 Prinzipskizze eines Elektroseilzugs in gestreckter Bauweise [Demag Fördertechnik]. 1 Verschiebeläufer-Bremsmotor (siehe 7 Abschn. 46.3, . Abb. 46.7), 2 Kegelreibungsbremse (siehe 7 Abschn. 46.3, . Abb. 46.7), 3 Bremsfeder, 4 Kupplung, axial verschiebbar, 5 Getriebe, 6 Hohlwelle zur Seiltrommel, 7 Seiltrommel mit Seilrillen, 8 Seilführungsring, 9 Seilbefestigung mit Seilkeil für festes Seilende, 10 Seil auf der Seiltrommel, 11 Befestigungsflansche

Harter Dauereinsatz – schwerer Elektrozug; seltener, leichter Einsatz – leichter Elektrozug. Derartige „Betriebsfestigkeitsüberlegungen“ sind für die gesamte Fördertechnik von Bedeutung.

Zwischen den wichtigsten Einflüssen auf die Lebensdauer besteht näherungsweise folgender rechnerischer Zusammenhang L

1 q3t

L

q

Jahre kg

t h Jahr

L Lebensdauer, q mittlere Belastung, t Laufzeit pro Jahr Ein Elektrozug, der jedes Jahr nur die halbe Zeit t im Einsatz ist als ein anderer, wird also auch entsprechend weniger verschleißen und kann also bei gleicher Lebensdauer (L D 10) entsprechend leichter konstruiert und damit billiger sein. Andererseits braucht man die mittlere Belastung q nur um 20 % (d. h. auf das 0,8-fache) zu senken, um einen sonst gleichen Zug doppelt solang benützen zu können (0;83 D 0;5). 1 Auswahl von Elektrozügen nach Laufzeitklassen und Belastungsarten . Abb. 47.4 Elektroseilzug vom Typ DR in kompakter, U-förmiger Bauweise zur Erzielung eines geringen Anfahrmaßes. Alle in den . Abb. 47.3 und 47.5 gezeigten Baukastenmöglichkeiten sind grundsätzlich auch hier realisiert. Der Kurzschlussläufermotor hat hier eine zylindrische Bauweise. Die Bremse ist eine elektronisch gesteuerte Scheibenbremse. In die Lasttraverse ist eine elektromechanische Überlastsicherung eingebaut. [7 www.demagcranes.com]

Laufzeitklassen V0;25 . . . V5 . . Tab. 47.1 zeigt in den einzelnen Spalten, welche Zeit ein Elektroseilzug im Mittel je Tag oder Jahr laufen muss, um der entsprechenden Laufzeitklasse zugeordnet zu werden. Meist wird die mittlere Laufzeit je Tag geschätzt und danach die Laufzeitklasse bestimmt.

47

940

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Tabelle 47.1 Bestimmung der Laufzeitklasse für Serienhebezeuge Laufzeitklasse

V0,25

V0,5

V1

V2

V3

V4

V5

mittl. Laufzeit je Tag (Stunden)

bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 2

2 bis 4

4 bis 8

8 bis 16

über 16

Rechenwert

0,32

0,63

1,25

2,5

5,0

10

20

mittl. Laufzeit je Jahr (Stunden)

80

160

320

630

1250

2500

5000

. Abb. 47.5 Verschiedene, jeweils miteinander kombinierbare Baugruppen des Elektroseilzugs nach . Abb. 47.3, die eine gute Anpassung des Hebezeuges an die jeweiligen Einsatzfälle ermöglichen [Demag Fördertechnik]

Belastungsarten und Lastkollektive. Als nächstes müssen die Belastungsarten des vorliegenden Anwendungsfalles abgeschätzt werden. Eine Hilfestellung gibt . Abb. 47.6.

Kann man die Belastungsart nicht schätzen, so muss man aus Messwerten das „Lastkollektiv“ des entsprechenden Einsatzfalles ermitteln und daraus die Belastungskennzahl k (kubischer Mittelwert der Belastung) errechnen. Ein Lastkollektivdiagramm gibt an, wie häufig, verteilt auf die gesamte Laufzeit, die Belastung des Hebezeugs mit Höchstlast, mittlerer bzw. kleiner Last ist. Elektroseilzuggruppen (D Triebwerksgruppe, Beanspruchungsgruppe). Mit den nunmehr ermittelten Laufzeitklassen bzw. Belastungsarten kann man nach . Abb. 47.8 die Elektroseilzug-Gruppe bestimmen. Die Hersteller geben für jeden Elektroseilzugtyp die zulässigen Traglasten in den einzelnen Gruppen an. Die Betreiber sind so in der Lage, je nach Laufzeit und Betriebsbedingungen den jeweils für sie wirtschaftlichsten aus dem Programm auszuwählen (. Abb. 47.9).

1 Windwerke

47 . Abb. 47.6 Hilfestellung zur Festlegung der Belastungsart (D des Belastungskollektivs) des Hebezeugs im jeweils vorliegenden Anwendungsfall [7 www.demagcranes.com]

Windwerke sind Hebemaschinen nach . Abb. 47.10, bei denen die Hauptbaugruppen Antriebsmotor – Bremse – Getriebe – Seiltrommel nicht in einer Maschine kombiniert, sondern „offen“ hintereinander geschaltet sind. Windwerke werden nicht serienmäßig hergestellt, sondern stets für Sonderfälle gebaut, die in Bezug auf Traglast, Hubgeschwindigkeit, Hakenweg oder Lebensdauer von den Elektroseilzügen nicht abgedeckt werden. Im Überschneidungsbereich sind bei normalen Einsatzfällen meist Elektroseilzüge wirtschaftlicher. Es können aber auch hier besondere Einsatzbedingungen wie Mehrseilgreiferbetrieb den Einsatz eines Windwerkes erzwingen.

941 47.1  Hebezeuge

. Abb. 47.7 Kranbaukasten DMR, mit welchem man Elektrozüge sowohl in gestreckter Form (Pos. 1 C 2) als auch in U-Form (Pos. 1 C 3) zusammensetzen kann. Dazu kommen mehrere Anbaumöglichkeiten für den Fahrantrieb (Pos. 5) und verschiedene Bauformen der Katze [7 www. demagcranes.com]

Belastungsart

Laufzeitklasse

V025

V05

V1

V2

V3

V4

V5

1

leicht

1Dm

1Cm

1Bm

1Am

2m

3m

4m

2

mittel

1Cm

1Bm

1Am

2m

3m

4m

5m

3

schwer

1Bm

1Am

2m

3m

4m

5m

4

sehr schwer

1Am

2m

3m

4m

5m

. Abb. 47.8 Festlegung der Beanspruchungsgruppen 1 Dm bis 5m von Hebezeugen nach Laufzeit und Belastung. Die fett umrandeten Gruppen 1Am –4m sind für Serienhebezeuge üblich. Bei schwererer Beanspruchung (5m und schwerer) sind Windwerke in Erwägung zu ziehen. Die leichteren Gruppen haben nur in nicht-industriellen Bereichen Bedeutung

Tragfähigkeit in t

Beanspruchungsgruppe

bei Einscherungsart: 1/1 2/1 4/1

6/1

8/1

1Am

2m

3m

4m

2/2

4/2

0,5

1

8/2 2

--

--

--

--

--

DMR 3

0,63

1,25

2,5

--

--

--

--

DMR 3

--

0,8

1,6

3,2

--

--

--

DMR 3

--

DMR 5

1

2

4

--

--

DMR 3

--

DMR 5

--

1,25

2,5

5

--

--

--

DMR 5

--

--

1,6

3,2

6,3

--

--

DMR 5

--

--

DMR 10

2

4

8

12,5

--

--

--

DMR 10

--

2,5

5

10

16

--

--

DMR 10

--

--

3,2

6,3

12,5

20

25

DMR 10

--

--

DMR 20

4

8

16

25

32

--

--

DMR 20

--

5

10

20

32

40

--

DMR 20

--

--

6,3

12,5

25

40

50

DMR 20

--

--

--

. Abb. 47.9 Beispiel eines Elektrozugprogramms nach . Abb. 47.4 [7 www.demagcranes.com]. DMR 3, DMR 5, DMR 10 und DMR 20 sind die 4 Baugrößen des Herstellers, vgl. 7 Abschn. 45.2.3. Einscherungsart: 4/1 heißt z. B., dass die Last an 4 Strängen hängt, von denen einer angezogen wird, vgl. . Abb. 45.20 in 7 Abschn. 45.3.2. Je nach Einscherungsart hebt der DMR 20 in Gruppe 1 Am z. B. zwischen 6,3 und 50 t. Die Tragfähigkeit ist von der Triebwerkgruppe abhängig. So hebt der DMR 10 in 1/1-Einscherung z. B. in Gruppe 1 Am 3,2 t, und in Gruppe 4m nur noch

1,6 t. Die Tragfähigkeitsstufung wurde nach geometrischen Stufensprüngen vorgenommen, vgl. . Abb. 45.9 in 7 Abschn. 45.2.3. Die Auswahl erfolgt nach Einscherungsart, Tragfähigkeit und Beanspruchungsgruppe. Ist z. B. die häufige Einscherungsart 4/1 möglich und benötigt man eine Tragfähigkeit von 12,5 t und liegt die schwere Triebwerkgruppe 4m vor, so muss man die Baugröße DMR 20 wählen. Hat man nur die Triebwerkgruppe 3m vorliegen, so muss man auch die Baugröße DMR 20 wählen, man kann aber die dann höhere Tragfähigkeit von 16 t ausnutzen

47

942

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.10 Laufkatze mit offenem Windwerk

47.1.3

Seilwinden für den Forsteinsatz

47.2

Forstseilwinden sind neben dem spezialisierten Kran („Rückekran“) das Hauptarbeitsgerät an Forstspezialmaschinen („Rückeschleppern“). Auch für diese Winden gilt grundsätzlich die DIN 15 020-1. Die wichtigste gemeinsame Unfallverhütungsvorschrift sieht aber wegen der grundverschiedenen Einsatzbedingungen auch sehr abweichende Sicherheitsvorschriften vor. Deshalb sind in . Tab. 47.2 die Hauptunterschiede aufgeführt.

Krane und Hängebahnen

Fest aufgehängte Hebezeuge können die Last nur auf einer senkrechten Linie zwischen oberster und unterster Hakenstellung befördern. Hebezeuge, die an einer verfahrbaren Katze befestigt sind, können die senkrechte Fläche unter der Fahrschiene bedienen. Krane der verschiedensten Bauarten können einen dreidimensionalen Raum bedienen. Durch den Wandschwenkkran nach . Abb. 47.11 z. B. kann eine Last gehoben, sowie zu jedem Punkt innerhalb des gezeichneten Halbkreisraumes transportiert werden, der nach oben von der obersten Hakenstellung begrenzt wird.

. Tabelle 47.2 Unterschiede zwischen Elektroseilzügen und Windwerken gegenüber Seilwinden für den Forsteinsatz bzgl. der Sicherheitsvorschriften nach DIN 15 020-1 Elektroseilzüge, Windwerke

Seilwinden für den Forsteinsatz

sind Hebezeuge

sind Bodenzugwinden, also keine Hebezeuge

stationärer Einsatz

mobiler Einsatz in schwierigem, oft steilem Gelände

Seilwicklung einlagig auf einer Trommel (. Abb. 47.3). Seilwicklung mehrlagig auf einer Trommel ohne Rillen. Dadurch bei gleichem AnDadurch bei gleichem Antriebsmoment auch gleiche triebsmoment höchste Seilkraft nur in der ersten Seillage, dann sinkende Seilkraft, Seilkraft über die gesamte Seillänge je mehr Seillagen aufgewickelt werden, da der wirksame Trommelradius steigt. (Ausnahme: Konstantzugwinde, bei der das Antriebsmoment proportional zum Füllgrad der Trommel hochgeregelt wird)

47

Antrieb immer unlösbar gekuppelt mit der Seiltrommel, Seil immer fest verbunden mit Seiltrommel. Die Last darf auf keinen Fall abrauschen

Die Last muss vollständig lösbar von der Seiltrommel sein. Seil ist nur leicht an der Seiltrommel angeklemmt. Bei Gefahr soll eher der Baumstamm samt Seil abrauschen, als dass der Schlepper oder gar der Bediener mitgerissen wird

Trommel mit Rillen (. Abb. 47.3). Dadurch geringer Seilverschleiß

Trommel ohne Rillen, Aufhaspelung. Höherer Seilverschleiß, aber geringerer Platzbedarf pro Meter Seillänge

Seilstärke- und Seilqualität liegen definitiv fest, nach Auswahl der Gruppe nach FEM/DIN 15 020. Erstabnahme und dann nur noch Verschleißprüfungen durch den Service

Seilstärke und -qualität kann vom Betreiber bei Bedarf geändert werden. Änderung und neue Windeneinstellung muss nach UVV-Regeln vorgenommen und im Windenprüfbuch dokumentiert werden. Dabei muss die maximale Windenzugkraft so eingestellt werden, dass sie auch in der ersten Seillage 50 % der Mindestbruchkraft des aufgelegten Seils nicht überschreitet

943 47.2  Krane und Hängebahnen

. Abb. 47.11 Arbeitsraum eines Wandschwenkkrans, der durch den Schwenkradius und die oberste Hakenstellung begrenzt wird

47.2.1

Berechnung von Kranen und deren Tragwerken

Für Krane und deren Tragwerke müssen prüffähige Berechnungen angefertigt werden. Diese müssen stets folgende Angaben enthalten: 4 Art und Arbeitsweise des Krans 4 Zeichnung des Krans mit allen Hauptmaßen 4 Vorgesehene Schwere und Häufigkeit der Beanspruchung und daraus abgeleitete Festlegung der Lastannahmen, Hubklassen und Lastkombinationen 4 Zeichnung der tragenden Querschnitte an der Stelle der höchsten Beanspruchung, mit Werkstoffangaben 4 Die Berechnungen selbst (D die Sicherheitsnachweise) für die vorgeschriebenen Lastkombinationen nach DIN EN 13001-3-1. 1 Grundregeln und Normen

Für die Auslegung, Konstruktion und Berechnung von Kranen und deren Tragwerken gilt die Normengruppe DIN EN 13001 (siehe . Tab. 47.3). Die gesamte Normengruppe 13001 spezifiziert die allgemeinen Bedingungen, die bei der Konstruktion und Be-

rechnung anzuwenden sind, damit Gefahren bei Kranen und deren Tragwerkskonstruktionen vermieden werden. Dabei werden sowohl die betrieblichen Belastungen als auch solche durch vorhersehbaren Missbrauch (z. B. Überladung) betrachtet. Die DIN EN 13001-2 zeigt auf, wie diese allgemein formulierten Gefahren zahlenmäßig anzusetzen sind (z. B. Windkräfte, Trägheitskräfte). Ferner wird festgelegt, welche Belastungen gleichzeitig auftreten können und daher in ein und dieselbe Rechnung aufzunehmen sind (z. B. können Hublasten und Fahrbahnstöße gleichzeitig auftreten). DIN EN 13001-3-1 gibt an, welche Sicherheitsnachweise (Berechnungen) dann durchgeführt werden müssen (z. B. Zugspannungen, Knicklasten), und welche Festigkeitswerte bei welchen Werkstoffen dann angewendet werden dürfen. Nur die beiden genannten DIN EN 13001-2 und 13001-3-1 sollen im Folgenden weiter betrachtet werden.

Es bleibt aber immer in der Verantwortung des Projektingenieurs, die wirklichen Belastungen des zu berechnenden Krans sorgfältig zu ermitteln und festzulegen. Hier sind sowohl eine genaue Kenntnis der späteren Betriebsbedingungen, als auch gute Kenntnisse der Technischen Mechanik und des Stahlbaus [2] gefragt.

Die Normen verwenden zur Berücksichtigung von Risiken folgende Methoden: 4 Beiwerte zur rechnerischen Erhöhung der statischen Last (z. B. zur Berücksichtigung von dynamischen Beanspruchungen) 4 Beiwerte zur Verminderung der höchstzulässigen Spannungswerte bei einzelnen Berechnungen Die Beiwerte sind meist nach der Häufigkeit und Schwere der Beanspruchung gestaffelt.

. Tabelle 47.3 Wichtige Normen für Entwurf, Konstruktion, Sicherheitsnachweis und Bau von Kranen und deren Tragwerken DIN EN 13001-1:2015

Krane-Konstruktion, Teil 1. Allgemeine Prinzipien und Anforderungen

DIN EN 13001-2:2014

Kransicherheit-Konstruktion allgemein – Teil 2. Lasteinwirkungen

DIN EN 13001-2:2019-06

Bei den Lasteinwirkungen sind die Anforderungen der EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG eingearbeitet

DIN EN 13001-3-1:2019-3

Kransicherheit – Konstruktion allgemein – Teil 3-1. Grenzzustände und Sicherheitsnachweise von Stahltragwerken

DIN EN 13001-3-2:2015-10

Kransicherheit-Konstruktion allgemein – Teil 3-2. Grenzzustände und Sicherheitsnachweise von Drahtseilen in Seiltrieben

DIN EN 13001-3-3:2014

Kransicherheit-Konstruktion allgemein – Teil 3-3. Grenzzustände und Sicherheitsnachweise von LaufradSchiene-Kontakten

DIN EN 13001-3-7:2019-05

Kransicherheit – Konstruktion allgemein – Teil 3-7: Grenzzustände und Sicherheitsnachweise für Verzahnungen und Getriebe

DIN EN 13001-3-5:2017-02

Krane-Konstruktion allgemein – Teil 3-5. Grenzzustände und Sicherheitsnachweise von geschmiedeten Haken

47

944

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

DIN EN 13001 Teil 2 behandelt folgende Gefahren: a) Starrkörperinstabilität des Krans oder seiner Teile (Kippen oder Verschieben) b) Überschreitung der Festigkeitsgrenzwerte (Fließen, Bruch, Ermüdung) c) Überschreitung der Temperaturgrenzwerte (z. B. Ausbeulen oder Knicken) d) Elastische Instabilität des Krans oder seiner Teile (z. B. Knicken) e) Überschreiten der Verformungsgrenzwerte (Verbiegen) Um diese Gefahren rechnerisch erfassen zu können, müssen als erstes die Lasteinwirkungen (die vorkommenden Lasten) spezifiziert werden: 1 Lasteinwirkungen

Die statischen Belastungen aller Bauteile durch die Traglast bei allen Positionen von Kran und Katze werden von der Norm als bekannt vorausgesetzt. Dann unterscheidet DIN EN 13001-2 noch folgende Lastkategorien (Gruppen von Lasteinwirkungen): Regelmäßige Lasten Regelmäßige Lasten treten bei norma-

lem Betrieb häufig auf. a) Beschleunigung aus Anheben und Gravitation, auf die Masse des Kranes wirkend b) Trägheit und Gravitation, vertikal auf die Hublast wirkend c) Lasten aus Fahren über Unebenheiten d) Lasten aus Beschleunigung aller Kranantriebe (Massenkräfte) e) Lasten aus Weggrößen (z. B. Fahrbahnstöße)

47

Für die Lasten aus Wind in Betrieb nennt die Norm Beiwerte entsprechend der Windgeschwindigkeit der Beaufort-Skala. Schnee- und Eislasten sind nach den örtlichen Gegebenheiten zu ermitteln. Dabei ist nicht nur das Zusatzgewicht, sondern auch die vergrößerte Windangriffsfläche zu berücksichtigen! Auch etwaige Lasten aus großer Wärmeeinwirkung sind für den Einzelfall zu ermitteln (z. B. Baukran in Zentralafrika). Für die Schräglaufkräfte zeigt die Norm eine vereinfachte Berechnungsmethode auf, abhängig von der Radlagerung des Krans/der Katze. Außergewöhnliche Lasten Außergewöhnliche Lasten treten auch selten auf und werden daher in der Regel ebenfalls nicht zur Betriebsfestigkeitsrechnung herangezogen. a) Lasten aus dem Anheben einer Last vom Boden unter außergewöhnlichen Verhältnissen (z. B. Feingang defekt, Last wird mit maximaler Geschwindigkeit angehoben) b) Lasten aus Wind, wenn der Kran außer Betrieb ist (z. B. Orkan) c) Prüflasten d) Lasten aus Pufferstoß e) Lasten aus Kippkräften (z. B. wenn der Kran mit einem Hindernis kollidiert) f) Lasten aus Not-Aus g) Lasten aus dynamischer Abschaltung durch Hubkraftbegrenzungseinrichtungen h) Lasten aus dynamischer Abschaltung durch Hubmomentbegrenzungseinrichtungen i) Lasten aus unbeabsichtigtem Verlust der Hublast j) Lasten aus Triebwerks- oder Komponentenversagen k) Lasten aus externer Anregung des Krantragwerks (z. B. Erdbeben) l) Lasten aus Montage und Demontage

Die anzuwendenden Beiwerte sind nach Steifigkeitsklassen (früher „Hubklassen“ genannt) und nach „Hubwerksantriebsklassen“ gestaffelt. Die Steifigkeitsklassen gehen von HC1 (elastisches Tragwerk, kleine Erhöhungsbeiwerte für die Gewichtskraft) bis HC4 (starres Tragwerk, große Erhöhungsbeiwerte Auch für diese Einwirkungen werden Erhöhungsbeiwerte für die Gewichtskraft) angegeben. Zu beachten ist, dass diese Lasten zwar nicht Die Lasterhöhungsbeiwerte für die Hubwerksantriebs- in die Betriebsfestigkeitsrechnung eingehen, in die anderen klassen sind gestaffelt von HD1. . . HD5. Sie sind groß bei Berechnungen (Spannungen, Knicken, Beulen u. a.) aber ruckartigem Anheben ohne Feingang (HD1) und werden durchaus. stetig kleiner, je feinfühliger der Anhub realisiert wird. Bei automatischem ruckfreiem, sanften Anhub sind die Erhö-1 Lastkombinationen hungswerte D 0 (HD5). Hier gibt die Norm an, welche Lasten wann in welche Berechnung einbezogen werden müssen, und welche BeiNicht regelmäßige Lasten Nicht regelmäßige Lasten treten werte dann anzuwenden sind. An Hand von . Tab. 47.4 und 47.5 soll die Norm erklärt selten auf. Sie werden daher in der Betriebsfestigkeitsrechwerden: nung in der Regel vernachlässigt. In Spalte 1 finden wir die oben beschriebenen Lasta) Lasten aus Wind in Betrieb. kategorien: Regelmäßige, nicht regelmäßige, und außergeb) Schnee- und Eislasten. wöhnliche Lasten. In den Spalten 2 und 3 sind diese Lasten c) Lasten aus Wärmewirkungen weiter aufgeschlüsselt. d) Lasten aus Schräglauf

Regelmäßige Lasten

3

3

Wetterbedingte Lasten aus Wind 4.2.3.1 Einflüsse in Betrieb

9

4.2.4.5

Kippkräfte

Antriebskräfte durch Not-Halt

Antriebskräfte durch Triebwerksversagen

Externe Schwingungsanregung des Krantragwerks

16

17

18

19

6

7

8

9

10

11 12 13 14 15 16

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

27

1,1

Widerstandsbeiwert m

21



1,48























1























1



(5

(5 –



(3

(2 –

(1

(1























1























1



(5

1,1

















1,16

1,16

1,22

1,22

b

1,22

1,16

(4 (5

1,22

a









1

1



1,34

















1

1

1

1



(5



(2

(1

















1

1

1

1



(5



(3

(1

















1

1

1

1

(5





1

1

















1

1

1

1



(5

(4



















1

1

1

1

1





(4





1,1



1,1

1,1

1,1

1,1

1,1

1,1

1,1



1,05

1,1

1,16

b

1,1



1,1

a

1

(1



1,22























1



















1



1

1



1





























1



(7 –





(6











1







1

1











1







1

1









1

1



(5



(2C W –

(1









(5













1











1























1







(L (9

1

















1







1

1

1



(5 –



















1







1

1



















1







1

1





















1

1









1

945

a Die Teilsicherheitsbeiwerte sind nach DIN EN 13001-2:2014-12, Tabelle 9, anzunehmen, unter Berücksichtigung der in der Tabelle dargestellten variablen Beiwerte. b Die auf die Lasten aufgrund von Weggrößen aufzubringenden Teilsicherheitsbeiwerte müssen nach 4.3.5 angenommen werden.



Globaler Sicherheitsbeiwert f , nur für die „Methode der zulässigen Spannungen“







20

4.2.4.11

4.2.4.10

4.2.4.6



4.2.4.4 –



4.2.4.3









4.2.3.4

4.2.3.3

4.2.3.2



b

4.2.4.2

Lasten aus Wärmewirkungen

Schnee- und Eislasten

4.2.2.6

1,34

1,22

1.34

a

13 Außer- Lasten aus Wind außer Betrieb gewöhn14 liche Prüflasten Lasten 15 Pufferstoß

12

11

Nicht regelmäßige 10 Lasten

Schräglauf

Weggrößen

8

Alle Bewegungen

4.2.2.5

Ohne Hubbewegungen

Beschleunigungswirkungen aus Antrieben

6

4.2.2.4

Fahren über Unebenheiten

7

5

BetrefLastkombinationen A Lastkombinationen B Lastkombinationen C fender Abschnitt Beiwert p A1 A2 A3 A4 Beiwert p B1 B2 B3 B4 B5 Beiwert p C1 C2 C3 C4 C5 C6 C7 C8 C9 C10 C11

4

FallbeschleuMasse des Krans 4.2.2.1 nigung und Masse der Hub- 4.2.2.2 Stoßwirkungen last

Lasten fi

2

5

4

2

Lastkategorien

1

1

. Tabelle 47.4 Auszug aus DIN EN 13001-2-2014 Lasten, Lastkombinationen und Teilsicherheitswerte für den allgemeinen Sicherheitsnachweis (D die Berechnung) von Kranen und deren Tragwerken

47.2  Krane und Hängebahnen

47

946

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Tabelle 47.5 Lasten, Lastkombinationen und Teilsicherheitsbeiwerte

47

Lastkombination

Betreffender Abschnitt

Beschreibung

A1

4.2.2.2

Heben und Bewegen von Lasten; nur Beschleunigungen der Bewegungen, die regelmäßig während der Hubbewegung auftreten, sind zu berücksichtigen

A2

4.2.2.3

Plötzliche Freigabe eines Teils der Hublast; Wirkungen aus anderen Bewegungen als der Hubbewegung werden wie in A1 kombiniert

A3

4.2.2.5

Hängende Last oder hängendes Lastaufnahmemittel; mit angehängter Last oder angehängtem Lastaufnahmemittel ist jede Kombination von Beschleunigungs- oder Verzögerungskräften, die entsprechend seines beabsichtigten Normalbetriebes und seiner Steuerung von jedem beliebigen Antrieb einschließlich des Hubwerkantriebes oder von deren Abfolge beim Positionieren hervorgerufen wird, zu berücksichtigen

A4

4.2.2.4

Fahren mit Last auf unebener Fahrbahn oder unebenem Gleis, ohne die Wirkungen der Hubbewegung

B1 bis B4

4.2.3.1

Die Lastkombinationen sind äquivalent zu den Lastkombinationen A1 bis A4, aber zusätzlich müssen Wind in Betrieb und Lasten aus anderen wetterbedingten Einwirkungen berücksichtigt werden

B5

4.2.3.4

Kran bei normalem Einsatz, Fahren auf unebener Fahrbahn mit konstanter Geschwindigkeit und Schräglauf, mit Wind in Betrieb und Lasten aus anderen wetterbedingten Einwirkungen

C1

4.2.4.1

Kran in Betrieb, Anheben einer Last vom Boden mit außergewöhnlicher Hubgeschwindigkeit unter Anwendung von (2C , siehe DIN EN 13001-2:2014-12, Tabelle 3

C2

4.2.4.2

Kran außer Betrieb, einschließlich Wind außer Betrieb und Lasten aus anderen wetterbedingten Einwirkungen

C3

4.2.4.3

Kran unter Prüfbedingungen; Wirkungen aus unterschiedlichen Bewegungen werden je nach Relevanz für das Prüfverfahren kombiniert; Windlasten, wie in 4.2.4.3 für die Prüfbedingungen festgelegt

C4

4.2.4.4

Kran mit Hublast in Kombination mit Pufferkräften

C5

4.2.4.5

Kran mit Hublast in Kombination mit Kippkräften

C6

4.2.4.6

Kran mit Hublast in Kombination mit Lasten aus NOT-AUS. Werte des Beiwerts (5 müssen für NOT-AUS-Situationen relevant sein

C7

4.2.4.7 4.2.4.8

Lasten aus dem Betrieb des Überlastschutzes; Lasten nach 4.2.4.7 und 4.2.4.8 müssen getrennt berücksichtigt werden und wenn sie relevant sind. Bei der Standsicherheit des Krans sind nur Lasten nach 4.2.4.8 zu berücksichtigen

C8

4.2.4.9

Kran mit unbeabsichtigtem Verlust der Hublast

C9

4.2.4.10

Kran mit Hublast in Kombination mit Lasten aus Triebwerksversagen

C10

4.2.4.11

Kran mit Hublast in Kombination mit Lasten aus externer Schwingungsanregung des Krantragwerks

C11

4.2.4.12

Kran während Montage, Demontage und Transport

In Zeile 1 von . Tab. 47.4, Spalten 5 bis 27, werden drei Gruppen von Lastkombinationen unterschieden, nämlich die Lastkombinationen A, B und C. A Regelmäßige Lasten und normaler Einsatz B regelmäßige und nicht regelmäßige Lasten kombiniert Wie A, jedoch zuzüglich Lasten aus Wind, Eis und Schnee C Verschiedene Kombinationen von regelmäßigen, nicht regelmäßigen und außergewöhnlichen Lasten, die vorkommen können.

In Zeile 2 von . Tab. 47.4, Spalten 5 bis 27, werden die Lastkombinationen A, B und C weiter aufgeschlüsselt in die Lastkombinationen A1 bis A3, B1 bis B5 und C1 bis C11. Die Bedeutungen dieser weiter aufgeschlüsselten Lastkombinationen sind in . Tab. 47.5 näher beschrieben. Hinweis: Die frühere noch weitere Aufschlüsselung in Stabilitätsklassen S1 und S2 ist in dieser Tabelle nicht mehr vorgesehen. Jede Spalte A1 bis A4, B1 bis B5, C1 bis C11 in . Tab. 47.4 kennzeichnet einen Berechnungssatz. Dabei

47

947 47.2  Krane und Hängebahnen

sind alle Felder der Spalte, in welchen eine Zahl steht, in die Berechnung einzubeziehen. Die erste Berechnung wird also nach A1 erfolgen. Dabei sind nur die regelmäßigen Lasten zu berücksichtigen (Spalte 6, Zeilen 3 bis 21). Als Beispiel herausgegriffen sei ferner die Berechnung für Wind außer Betrieb C1 (Spalte 17, Zeilen 3 bis 20). Hier erhalten die regelmäßigen Lasten überhaupt keine Erhöhung, es sind aber die Auswirkungen der Windlasten außer Betrieb (Spalte 17, Zeile 13) rechnerisch zu überprüfen. Durch diese Lastkombinationstabellen wird zwar die Anzahl der Berechnungen erhöht, aber es wird vermieden, dass zu viele Lasten gleichzeitig berücksichtigt werden, wodurch der Kran zu schwer würde. 1 Sicherheitsnachweise nach DIN EN 13001-3-1

Die DIN EN 13001-3-1 baut direkt auf der DIN EN 13001-2 auf. In die Norm wurden die Anforderungen der EU-Maschinenrichtlinie eingearbeitet. Die Norm bezieht sich auf die mechanische Konstruktion und auf den Theoretischen Sicherheitsnachweis (D die Berechnung). Die Norm betrachtet folgende Gefahren: a) Überschreiten der Festigkeitsgrenzwerte (Fließen, Bruch, Ermüdung) b) Überschreiten der Temperaturgrenzwerte des Werkstoffes und seiner Komponenten c) Vermeiden der Instabilität des Krans oder seiner Teile (Knicken, Beulen) Die Norm umfasst die Hauptgruppen: Dokumentation – Nachweis der statischen Festigkeit – Nachweis der Ermüdungsfestigkeit – Nachweis der elastischen Stabilität. Für alle Berechnungsfälle werden Grenzwerte der Bemessungsspannung (zul. Spannung) ermittelt. Dokumentation Die Dokumentation zum Sicherheitsnach-

weis muss umfassen: 4 Bemessungsannahmen und Berechnungsmodelle 4 anwendbare Lasten und Lastkombinationen 4 Werkstoffsorten und Werkstoffgüte 4 Schweißnahtgüte nach DIN EN ISO 5817:2014-06 4 Werkstoffe der Verbindungselemente 4 relevante Grenzzustände 4 Ergebnisse aus den Berechnungen des Sicherheitsnachweises und Ergebnisse von Prüfungen Werkstoffe Die EN empfiehlt die Verwendung von Stahl

nach den Normen, die in . Tab. 47.6 aufgeführt sind. Die Normen geben für alle Werkstoffe der Tabelle die zulässigen Grenzwerte für die Bemessungsspannung an, und zwar sowohl für Normalspannungen als auch für Schubspannungen, beides aufgeschlüsselt nach Stahlsorten und Bauteildicken. Für Schraubverbindungen sollen Schrauben nach DIN EN ISO 898-1:2013 verwendet wer-

Schraubverbindungen

. Tabelle 47.6 Empfohlene Werkstoffnormen für Krane und deren Tragwerke Norm

Werkstoffgruppe

Fließgrenze in N=mm2

a)

EN 10025-1 und 2

unlegierte Baustähle

195–295

b)

EN 10025

Schweißbare Feinkornbaustähle

295–400

b1)

EN 10025-3

normalgeglüht

b2)

EN10025-4

thermomechanisch behandelt (M)

c)

EN 10025-6

Hochfeste Baustähle, gehärtet

400–960

d)

EN 10149-1

Hochfeste Baustähle für Kaltverformung

315

d1)

EN 10149-2

thermomechanisch behandelt (M)

d2)

EN 10149-3

normal geglüht (N)

. Tabelle 47.7 Empfohlene Stahlbauschrauben nach DIN EN ISO 898-1 Güteklasse (Schraubenqualität) Fließgrenze in N=mm2 Bruchfestigkeit in N=mm

2

4.6

5.6

8.8

10.9

12.9

240

300

640

900

1080

400

500

800

1000

1200

den, siehe . Tab. 47.7. Je nach Bedarf können die Güteklassen 4:612:9 ausgewählt werden. Die entsprechenden Festigkeitswerte können dann auch für die Berechnungen herangezogen werden: Die Schrauben müssen durch ein kontrolliertes Verfahren angezogen werden, damit mit Sicherheit die vorgesehene Vorspannung erreicht wird. Die Druckflächen der Schrauben und der durch Reibungsschluss verbundenen Stahlteile müssen sauber und eben sein. Je nach Oberflächenbeschaffenheit der Reibungsschlussflächen und Gefährdungspotenzial der Schraubverbindung gibt die Norm Sicherheitsbeiwerte an. Für Schweißverbindungen gelten die Begriffe nach EN ISO 17659 und die Bewertungsgruppen nach EN ISO 5817. In der Regel müssen lasttragende Schweißverbindungen mindestens die Bewertungsgruppe C oder höher (B, A) aufweisen. Wenn die Verteilung der Spannungen über die Schweißnaht nicht gleichmäßig ist, darf im Sinne der Norm dann rechnerisch trotzdem von einer gleichmäßigen Belastung ausgegangen werden, wenn die Schweißnahtlänge nicht mehr als das 150-fache der Schweißnahtdicke a beträgt. Eigenspannungen der Schweißnaht brauchen bei Bauteilen, die statischen Einflüssen ausgesetzt sind, nicht berücksichtigt werden.

Schweißverbindungen

948

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.12 Kranbauformen (schematisch)

1 Sicherheitsnachweise (Berechnungen)

I. Die der Berechnung zugrunde gelegten Lasten müssen an Hand von EN 13001-2 aus den relevanten Lasten, Lastkombinationen und Teilsicherheitsbeiwerten ermittelt werden (siehe 7 Abschn. 47.2.1) II. Die zulässigen Grenzwerte der Bemessungsspannungen (zul. Spannungen) müssen im Detail nach EN 13001-2-3 festgelegt werden. Diese Grenzwerte liegen stets deutlich unter der Fließgrenze. III. Die Bemessungsspannungen (die rechnerisch ermittelten tatsächlich auftretenden Spannungen) müssen stets kleiner sein als die Grenzwerte der Bemessungsspannungen nach II. Dann sind für Bauteile und Verbindungen folgende Nachweise durchzuführen a) statischer Festigkeitsnachweis Für jede Beanspruchungsart: Schweißnähte – Schraubverbindungen – Bolzenverbindungen werden in der Norm umfangreiche, fallabhängige Beiwerte zur Ermittlung der Grenzwerte der Bemessungsspannung angegeben. Die sorgfältige Berechnung nach den Regeln der Technischen Mechanik muss dann nachweisen, dass bei keiner Lastkombination die Grenzwerte der Bemessungsspannungen oder –kräfte überschritten werden.

oder Bruch, Lastabsturz, Unfall) umfangreiche Sicherheitsfaktoren festgelegt. Mit diesen Sicherheitsfaktoren erfolgt dann eine quasi-statische Berechnung. c) Festigkeitsnachweis für Anschlüsse Dieser Nachweis ist

nach EN 1993-1-8 und nach den Regeln des Stahlbaus durchzuführen. d) Nachweis der elastischen Stabilität von Stäben und Platten Hier wird eine Berechnung der Knickfestigkeit für

alle druckbelasteten Stäbe nach Euler gefordert, wobei auf die Euler‘schen Knickfälle (Teil III, 7 Kap. 11 Festigkeitslehre) zurückgegriffen wird. Für die wichtigsten Bauteile, wie Rohre, I-Träger, Hohlprofile und Kastenträger werden die Berechnungsparameter zur Ermittlung des Grenzwertes der zulässigen Druckkraft angegeben. Die höchste wirklich vorkommende Druckkraft je Stab darf diesen Grenzwert nicht überschreiten. Für Platten, z. B. bei Kastenträgern, wird eine „Zulässige Imperfektion“ angegeben, z. B. eine zulässige Beulung schon vor der eigentlichen Beanspruchung. Dann wird wieder ein zulässiger Grenzwert der Bemessungsspannung ermittelt. Dieser muss größer sein als die Bemessungsspannung (D rechnerisch wirklich auftretende Spannung), für deren Berechnung ein Rechenverfahren angegeben wird.

b) Nachweis der Ermüdungsfestigkeit (Dauerfestigkeit, Betriebsfestigkeit) Dieser Nachweis dient zur Vermeidung

47

des Risikos von Brüchen oder Rissen an Bauteilen unter zyklischer Belastung (d. h. bei Kranen unter regelmäßigen Lasten bei normalen Betriebsbedingungen). Eine wertvolle Hilfe bieten hier Finite-Elemente-Berechnungen, welche etwaige Spannungskonzentrationen an gefährdeten Stellen erkennen lassen. Die Norm behandelt aber nur das Nennspannungsverfahren. Bei diesem werden an Hand umfangreicher Einschätzungen von Knotenpunkten, Unstetigkeiten, Eigenspannungen, metallurgischen Bedingungen, Spannungsverläufen (Häufigkeit hoher Spannungen über der Zeit an bestimmten Bauteilen) und nicht zuletzt der Schadensfolgen (z. B. nebensächlicher Schaden,

47.2.2

Kranbauformen

Krantragewerke werden fast ausschließlich in Vollwandbauweise ausgeführt („Kastenträger“). Für das Schweißen von Kranen sind DIN EN 13001-3-1 und DIN EN 1993-1 bis 12 maßgebend. . Abb. 47.12 zeigt die gebräuchlichsten in Industriebetrieben und Werkstätten verwendeten Kranbauformen. Sie haben geringe Bauhöhen und kurze seitliche Anfahrmaße der Katzen. Die Krane werden als Ein- und Zweiträgerkrane gebaut.

949 47.2  Krane und Hängebahnen

Wenn die Anforderungen an das Hubwerk über die Leistungen des Elektrozuges hinausgehen, werden die Krane mit Windwerken ausgerüstet (7 Abschn. 47.1, . Abb. 47.10 und 47.13). Die Hubmotoren können bei Bedarf mit einem Feingang oder regelbar ausgeführt werden. Krane haben Flur- oder Führerhausbedienung. Sie können auch mit einer Fernsteuerung oder mit einer automatischen Steuerung ausgerüstet werden.

47.2.4

. Abb. 47.13 Einträger-Laufkran mit Vollwand-Kastenträger und Hängekatze

47.2.3

Laufkrane

. Abb. 47.13 zeigt einen Kran in Kastenbauweise. Maschinelle Schweißverfahren ermöglichen die Serienfertigung von Standard-Kastenträgerkranen, die sich durch folgende Vorteile auszeichnen: geringes Leistungsgewicht, dadurch geringe Belastung des Gebäudes, geringer Aufwand für Wartung und formschönes Aussehen. Zweiträger-Laufkrane werden für Traglasten bis zu 63 t und Spannweiten bis zu 30 m mit Zweischienenkatzen ausgeführt. Die Hubgeschwindigkeit wird durch das eingebaute Hubwerk bestimmt. Die Kranfahrgeschwindigkeit beträgt 10–80 m=min. Meist wird je ein Laufrad auf jeder Kranseite durch je einen Getriebe-Bremsmotor separat angetrieben (. Abb. 47.13). . Abb. 47.14 Säulendrehkran für ein Lastmoment von ca. 200 kN m, maximale Ausladung A D 8 m, maximale Traglast 6,3 t [7 www.demagcranes.com]

Konsolkrane, Säulendrehkrane, Wandschwenkkrane

Zur Entlastung der Laufkrane werden oft Konsolkrane eingesetzt, die unterhalb der Laufkrane arbeiten, dadurch bleibt die Halle von Stützen frei. Konsolkrane werden in Vollwandträgerbauweise ausgeführt. Zur Bedienung von Werkzeugmaschinen und ähnlichen Einsatzzwecken eignen sich auch Wandschwenkkrane (. Abb. 47.11) und Säulendrehkrane (. Abb. 47.14).

47.2.5

Hängekrane, Hängebahnen

Charakteristisch ist die Aufhängung der Hängekrane und Hängebahnen an der Hallenkonstruktion nach . Abb. 47.15. Durch die Kombination von Hängebahnen mit Hängekranen lassen sich ausgedehnte Förderanlagen zusammenbauen. Einen besonderen Vorteil bieten Hängekran-/Hängebahnsysteme durch die Überfahrmöglichkeit von Katzen (. Abb. 47.16) auf Krane und Anschlussbahnen (. Abb. 47.17). Die Hängebahnen lassen sich an De-

47

950

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.15 Hängebahnaufhängungen [7 www.demagcranes.com]. a Klemmbefestigung für I-Profile, b Bügelschrauben, c Bodenplatte für Betondecken

. Abb. 47.17 Skizze eines Hängekran-Hängebahn-Systems

. Abb. 47.18 Doppelkardanische Aufhängung für Hängebahnträger [7 www.demagcranes.com]. Durch die doppelkardanischen Bahnaufhängungen mit je einem oberen und unteren Kugelgelenk werden die eigentlichen Verbindungselemente, die Hängestangen, nur auf Zug beansprucht

. Abb. 47.16 Elektroseilzuglaufkatze in gestreckter Bauweise für Hängekrane und Hängebahnen [7 www.demagcranes.com]. 1 Obergurt, 2 Fahrbahnaufhängung, 3 Fahrbahn („Wulstschiene“), 4 Fahrbahn (Walzprofil), 5 Hängekatze, 6 Reibradfahrantrieb, 7 Druckknopftaster

47

ckenkonstruktionen der verschiedensten Art anbringen. Bewährte Aufhängungen sind Klemmbefestigungen für I-Profile; (. Abb. 47.15a), Bügelschrauben (. Abb. 47.15b) und Bodenplatten (. Abb. 47.15c) für Betondecken und Schraubbügel für Stahl- und Betonkonstruktionen (. Abb. 47.18). Die Hängebahn wird in Abständen von 1–10 m mit Hängestangen an der Decke befestigt Die Hängestange ermöglicht eine allseitige Pendelbewegung, sie wird nur auf Zug beansprucht. Man kann die Hängebahn aber auch ohne

Hängestange direkt an die Obergurtkonstruktion oder Betondecke schrauben (Deckenkrane); dies kommt vor allem für leichtere Einsatzfälle in Frage. Die Hängebahnträger werden in geometrisch abgestuften Größen gebaut. Sie sind Schweißkonstruktionen oder Spezial-Walzprofile. Bis zu einer Geschwindigkeit von 63 m/min ist das Steuern von Laufkatzen vom Flur erlaubt, während bei höheren Geschwindigkeiten die Unfallverhütungsvorschriften eine Führerhausbedienung vorschreiben. Gegenüber anderen flurfreien Fördermitteln können Hängekatzen von einem Hauptförderstrang über Schiebeweichen in andere Bahnen verfahren, so dass ein System entsteht, mit dem beliebig viele Ziele außerhalb der Kranfahrbahn erreichbar sind (. Abb. 47.16 und 47.17). Mit Hängebahnen und Hängekranen kann ein vollautomatisiertes Materialflusssystem unter Anwendung von Programmsteuerungen erreicht werden.

951 47.2  Krane und Hängebahnen

47.2.6

Portalkrane

Portalkrane werden hauptsächlich in Außenbereichen eingesetzt. . Abb. 47.12 zeigt einen Portalkran und einen Halbportalkran. Halbportalkrane kommen für die Maschinen- und Arbeitsplätze der seitlichen Hallenbereiche in Frage. Ihre Anordnung unterhalb der Hallenkrane schließt eine gegenseitige Behinderung aus. Sie werden meistens in Vollwandträger-Konstruktion ausgeführt. 47.2.7

Mobile Krane

Kleinere Mobilkrane werden zum Verladen und Stapeln, bei Montagen und Kurztransporten für die Lasten bis ca. 10 t bei ca. 5 m Hubhöhe (verfahrbar) oder 30 t und ca. 33 m Hubhöhe bei Lastmomenten ca. 850 kN m (abgestützt) eingesetzt, hauptsächlich in Fabrikhallen und Lagerplätzen an den Stellen, an denen kein ortsfester Kran zur Verfügung steht. Straßen- oder gar geländegängige Mobilkrane („Autokrane“) (. Abb. 47.19) werden in Baureihen bis zu Traglasten von 1200 t und bis zu Hubhöhen von 200 m und Lastmomenten von ca. 200.000 kN m gebaut. Der Einsatzbereich dieser Großkrane sind Großbaustellen (z. B. Windkraftanlagen). Autokrane haben ein gelände- und straßengängiges mehrachsiges Fahrwerk, welches in Arbeitsstellung des Kranes durch vier hydraulische Ausleger abgestützt wird. Sie haben entweder Gittermastausleger, die sich zu verschiedenen Höhen aufbauen lassen, oder hydraulisch ausfahrbare Ausleger. Die Tragkraft beträgt: ML a F ML a kN kN m m

F 

oder

F ML t tm

a m

F Tragkraft, ML typbedingtes maximales Lastmoment des Fahrzeugkranes, a Ausladung des Auslegers. Meist sind zwei unabhängig voneinander arbeitende Hubwerke, ein Haupt- und ein Hilfshubwerk, vorhanden. Die Bedienung erfolgt über elektronisch angesteuerte Proportionalventile, wodurch alle Bewegungsabläufe gleichzeitig feinfühlig gesteuert werden können (vgl. 7 Abschn. 46.2.2). 47.2.8

Stapelkrane, Regalförderzeuge und „shuttles“

Stapelkrane und Regalförderzeuge sind Fördergeräte, die an spezielle Aufgaben in der Lager- und Materialflusstechnik angepasst sind. Sie dienen dem Zweck, spezielle

Fördergüter, wie z. B. Drahtbunde, oder Ladeeinheiten, wie z. B. Paletten oder Langgutkassetten, in die Lagerplätze von Regallagern ein- und auszulagern. Stapelkrane (. Abb. 47.20) sind in Bezug auf die Kranträger und das Kranlaufwerk entweder wie ein Zweiträger-Laufkran oder wie ein Zweiträger-Hängekran ausgebildet. Die Katze (Stapelkatze) ist jedoch mit einer starren oder teleskopierbaren Säule zur Führung des Hubwagens ausgerüstet. Am Hubwagen ist ein auf den entsprechenden Einsatzfall zugeschnittenes Lastaufnahmemittel angebracht. . Abb. 47.20 zeigt als Beispiel einen Stapelkran mit Hubgabel zum Transport von Drahtbunden. Die Katze verfährt auf den (im Bild geschnittenen) Trägern eines Zweiträger-Laufkranes. Der an der Hubsäule der Katze geführte Hubwagen ist hier mit einer Krankanzel ausgerüstet. Regalförderzeuge oder Regalbediengeräte sind in der Lagertechnik verwendete Geräte, die es gestatten, hohe Regallager („Hochregallager“) zu bauen und die Regale zu beschicken („zu bedienen“). . Abb. 47.21 zeigt schematisch die erhebliche Vergrößerung der nutzbaren Regalflächen bei Einsatz von Regalbediengeräten. Regalförderzeuge verfahren auf einer Bodenschiene zwischen den Regalen. Sie werden im oberen Regalbereich an einer Schiene geführt. Sie bestehen je nach Einsatzzweck aus einer oder zwei Säulen (. Abb. 47.22) und einem Hubwagen. Der Hubwagen trägt bei den Regalförderzeugen eine seitlich ausschiebbare Teleskopgabel. Mit dieser werden die Ladeeinheiten in die Regale eingelagert bzw. diesen entnommen. In der Regel ist der Hubwagen, auch bei automatischen Geräten, mit einem Fahrerstand ausgerüstet, um das Regalförderzeug auch manuell steuern zu können (z. B. bei Servicebetrieb). . Abb. 47.22 zeigt einige Beispiele von ausgeführten Regalbediengeräten und die zugehörigen Leistungsdaten. Kommissioniergeräte sind Regalbediengeräte, die der Zusammenstellung von bestimmten Lageraufträgen („Kommissionen“) für Kunden oder Fertigungsstellen dienen. Bei Handkommissionierung fährt der Bedienungsmann mit dem Hubwagen zu den Regalfächern, denen er dann die angeforderte Warenmenge entnimmt. Wenn alle gewünschten Regale abgefahren sind, erscheint der Bedienungsmann mit dem Regalförderzeug und der komplett zusammengestellten Kommission wieder am Regalausgang. EinsäulenRegalförderzeuge dienen meist nicht der direkten Kommissionierung, sondern der Beschickung von Hochregallagern. Diese bestehen aus meist mehreren Regalgängen mit Regalfächern für bestimmte Ladehilfsmittel, meist Paletten. Regalbediengeräte übernehmen die Ladeeinheiten am Regaleingang und befördern sie zu dem vorbestimmten Regalplatz. Anschließend können sie einem beliebigen anderen Regalplatz eine auszulagernde Palette entnehmen und wieder zum Regalausgang befördern.

47

952

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.19 Arbeitsbereich eines Autokranes mit einem Hubmoment von 7440 kN m (D 85 % des Kippmomentes) und dementsprechend abhängig von der Ausladung und der Auslegerlänge einem Traglastbereich von 3,3 bis 200 t [Liebherr]

47

953 47.2  Krane und Hängebahnen

. Abb. 47.20 Stapelkran, aufgebaut aus Zweiträger-Laufkran und Stapelkatze mit Führungsrohr, Bedienungskanzel und Lastaufnahmegabel, als Lager- und Transportmittel in einer Drahtbeizerei. 1 Drahtbundlager, 2 Kranfahrbahn, 3 Zweiträger-Laufkran (die Träger sind im Bild geschnitten), 4 Stapelkatze mit 5 Katzfahrwerk, 6 Katzhubwerk, 7 Führungssäule, 8 Hubwagen, 9 Krankanzel, 10 Hubgabel mit Drahtbund

Zweisäulen-Regalförderzeuge kommen hauptsächlich zum Einsatz, wenn großvolumige, lange Fördergüter, wie z. B. Stangenmaterial in Langgutkassetten, aus- und eingelagert werden müssen. 1 „Shuttle“-Systeme in der Lagertechnik

In der einerseits globalisierten, andererseits aber auch immer mehr individualisierten Welt ist die effiziente Lagerung

von Waren und deren zielgenaue Bereitstellung von immer größerer Bedeutung. Die Veränderung der Geschäftsmodelle tut ein Übriges: Die Kunden erhöhen die Bestellfrequenz, gleichzeitig sinkt das Bestellvolumen z. B. Online-Bestellungen). Die Intralogistiksysteme müssen diesen Anforderungen mit zunehmender Dynamik begegnen. Die Fortschritte in der Informationstechnologie und in der Automatisierungstechnik machen dies möglich. Ein Ergebnis davon ist die Lagerund Distributionstechnik mit „Shuttles“. Ein „Shuttle“ ist ein Trägerfahrzeug, das sich innerhalb des Lagers auf Schienen unterhalb oder neben den Lagerregalen frei bewegen kann, und das eine Palette oder eine andere Ladeeinheit aufnehmen kann. Die Fernsteuerung erfolgt über den Leitrechner per Funk oder per WLAN. Jedes Shuttle hat einen eigenen Elektroantrieb. Dieser wird meist von Akkus gespeist, die sich an bestimmten „Dockingstations“ selbsttätig wieder aufladen. An den Zielorten kann das Shuttle die Ladeeinheit selbstständig aufnehmen bzw. absetzen. Die Stahlkonstruktion der Hochregallager wird dadurch vereinfacht, weil Rollenförderer oder ortsfeste Antriebe entfallen. Die Shuttles können per Hub- oder Verschiebestation die Regalzeilen und sogar die Regalgänge wechseln, und/oder tief in die einzelnen Regalfächer hineinfahren. So kann man die Anzahl der Shuttles dem Bedarf anpassen oder die Shuttles bei Bedarf auf Teilbereiche des Lagers konzentrieren. Auf Grund dieser vielen Möglichkeiten der Shuttles gibt es auch eine fast unbegrenzte Anzahl an Einsatzmöglichkeiten. Einige davon sollen im Folgenden erläutert werden:

. Abb. 47.21 Nutzbare Regalhöhen bei Verwendung eines Flurregals, eines Leiterregals, bei mehrgeschossiger Bauweise sowie im Vergleich dazu bei Benutzung eines Regalförderzeuges

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954

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Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.22 Beispiele aus einer Baureihe von Regalförderzeugen (D Regalbediengeräten) [7 www.demagcranes.com]. a Kommissioniergerät mit manueller Steuerung von der Führerkabine aus, Traglast: 500 kg, Gerätehöhe: bis 12 m, Hubgeschwindigkeit: bis 16 m=min, Fahrgeschwin-

digkeit: 10–80 m=min, b Einsäulengerät und c Zweisäulengerät zum Ausund Einlagern von Ladeeinheiten für automatischen und manuellen Betrieb, Traglast: bis 4000 kg, Gerätehöhe: bis 40 m, Hubgeschwindigkeit: bis 40 m=min, Fahrgeschwindigkeit: bis 160 m=min

2Tiefere Lagerregale mit Mehrfachbelegung der Regale

diese entsprechend ein oder lässt sie in ruhigen Zeiten von den Shuttles umsortieren. Hier denkt man eher an weniger tiefe Regale von ggf. 2 bis 5 Paletten pro Fach.

In einem konventionellen Hochregallager nach . Abb. 47.23 kann jedes Regalförderzeug in jedem Gang links und rechts jeweils 1 Palette pro Fach mit seiner Verschiebegabel ein- und auslagern. Nutzt man statt der 2Kanallager Verschiebegabel selbständige Shuttles, so können diese Dies sind FIFO-Lager (D First-In-First-Out-Lager) nach auch tiefer in die Regalfächer hineinfahren und somit fünf . Abb. 47.24. Die Paletten, die zuerst eingelagert werden, oder noch mehr Paletten in das gleiche Regalfach hinein sollen auch zuerst ausgelagert werden. In . Abb. 47.24 beladen. Dadurch wird das Lager dichter, d. h. es kann mehr sorgt das rechte Regalförderzeug die Einlagerung, das linke die Auslagerung. Jedes Lagerfach in . Abb. 47.24 kann 11 Ladeeinheiten aufnehmen bei weniger Raumbedarf. Das Shuttle ist hier ein flacher Förderwagen unter der Ladeeinheiten aufnehmen. Den Transport innerhalb der RePalette, der die Palette auf flachen Schienen an weiter galfächer übernehmen drei frei bewegliche Shuttles. Auf hinten im Regalfach gelegene Stellplätze befördert und Rollenförderer im Gang kann dadurch verzichtet werden, dort absetzt. Das Regalbediengerät kann die Shuttles zwi- auf Gefällestrecken ebenso. Die Umsetzung von einem Reschen den Regalfächern umsetzen. Auf diese Weise sind galfach zum anderen erfolgt durch die Regalförderzeuge. nur so viel Shuttles erforderlich, wie es für den vorgese- Im Beispiel nach . Abb. 47.24 werden auf der Einlagehenen Lagerumsatz erforderlich ist. Die Shuttles arbeiten rungsseite drei Shuttles eingesetzt, weil die Anlieferung mit Akku-Betrieb und mit einer berührungslos arbeitenden stoßweise erfolgt, und auf der Auslagerseite nur zwei, weil Ladestation auf dem Regalförderzeug oder an einer vorge- die Auslagerung kontinuierlicher erfolgt. sehenen Docking Station (D Aufladestelle für den Akku). Für die Beschickung eines Lagers mit Mehrfachbelegung 2Hochregallager nur mit Shuttle-Betrieb der Fächer gibt es zwei Strategien: a) Jedes Fach nimmt In einem Hochregallager ähnlich . Abb. 47.23 verfahPaletten mit gleicher Ladung auf, wobei die Reihenfolge ren dann in den einzelnen Gängen keine Regalförderzeuge der Ein-/Auslagerung unerheblich ist. b) Der Lagerrechner mehr, sondern nur noch Shuttles. Für diese ist auf jedem merkt sich, in welcher Reihenfolge die Paletten vorrau- „Stockwerk“ ein Fahrweg installiert. Vor jedem Regalgang sichtlich wieder ausgelagert werden müssen, und lagert sind Hubstationen, die die Shuttles samt Ladung auf das

955 47.2  Krane und Hängebahnen

. Abb. 47.23 Vollautomatisches Hochregallager mit Regalförderzeugen und Rollenförderern [7 www.demagcranes.com]

richtige Stockwerk befördern. Zwischen den Regalgängen sind Verfahrstationen, die es erlauben, bei Bedarf mehrere Shuttles auf einen Teilbereich des Lagers zu konzentrieren. 2Kletterfähige Shuttles

Die bislang geschilderten Lager mit Shuttles benötigen alle Regalförderzeug, das die Shuttles samt Ladung auf die richtige Ebene und vor den richtigen Regalgang bringt. Das vom Fraunhhofer-Institut entwickelte Shuttle-Lager mit dem Handelsname „Rack Racer“ kommt ohne Regalförderzeuge und ohne Hubstationen aus. Vielmehr kann

das Shuttle diagonal klettern und so ohne Umladung jedes Speicherfach des Lagers erreichen. Grundprinzip: Das Lager hat keine Fahrschienen mehr, sondern an der gesamten Regalwand in regelmäßigen Abständen angebrachte Tragbolzen. Das Shuttle hat dafür keine Räder, sondern Raupenelemente, die so lang sind, dass sie das Shuttle immer am nächsten Tragbolzen abstützen können, bevor sie den vorherigen Tragbolzen verlassen. Werden die Raupenelemente schräg gestellt, dann erreichen Sie den nächsten Tragbolzen auf der nächsthöheren Ebene, und das Shuttle „klettert“ diagonal nach oben. Ist

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956

Kapitel 47  Hebe- und Fördertechnik

. Abb. 47.24 Kanallager mit zwei Regalbediengeräten und 5 Shuttles [Dambach-Lagersysteme GmbH & Co.KG]

die gewünschte Ebene erreicht, werden die Raupenelemente wieder gerade gestellt, und das Shuttle fährt an der waagerechten Fachzeile entlang. Tief in das Regalfach hineinfahren kann dieses Shuttle allerdings nicht mehr. Das Shuttle hat als Energiespeicher einen Lithium-Ionen-Akku. Statt einer Ladestation gibt es eine Akku-Wechsel-Station. Das Shuttle fährt diese an, schiebt in einem Arbeitsgang den leeren Akku hinaus und einen vollen hinein, und weiter geht es. Der Vorteil des Rack Racer-Konzeptes ist, dass ein Shuttle jetzt eine Ladeeinheit vom Packplatz oder Arbeitsplatz direkt ohne Umladen in ein Lagerfach bringen kann oder sinngemäß eines holen kann. Auch können mehrere Shuttles gleichzeitig in einem Lager arbeiten. Der Leitrechner sorgt für kollisionsfreies Arbeiten. Diese Lagerart ist äußerst flexibel. Denn alle Änderungen in der Lagerbelegung, in den Aus-und Einlagerungskonzepten, u.a.m. werden an der Software vorgenommen. An der Hardware von Lager und Shuttle ändert sich bei einer Umnutzung nichts. Das Rack Racer Shuttle wiegt selbst 52 kg und

47

. Abb. 47.25 Das „Rack Racer-Shuttle“ kann selbständig diagonal auf eine andere Regalebene steigen. Regalförderzeuge entfallen dadurch (Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik)

kann max. 25 kg tragen. Damit ist der Rack Racer für große Lager mit kleineren Behältern geeignet. Die Bedeutung von Kleinladungsträgern nimmt in der Logistik immer weiter zu. Denn die Warenströme von kleinen und kleinsten Mengen werden durch den wachsenden E-Commerce incl. Retourenabwicklung immer häufiger. In der Produktion gehen die Bestrebungen zur Reduzierung von Bestands- und Bestellmengen in die gleiche Richtung („Atomisierung der Warenströme“).

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Pech, A., Kolbitsch, A., Zach, F.: Tragwerke. Vol. 1–17 der Buchreihe „Baukonstruktionen“. Auslegung, Konstruktion und Berechnung von Tragwerken aus Stahl oder Beton, in Skelett-, Massiv- und Vollwandbauweise, die zur Aufnahme externer Lasten bestimmt sind. Springer, Wien, New York (2007) 2. Eurocode-Normen-Handbücher 0–9 für europaweit einheitliche Grundlagen für Entwurf, Bemessung und Ausführung von Bauwerken. Eurocode 3 (entspricht Normenreihe DIN EN 1993): Stahlbau; die Berechnung und Bemessung von Bauwerken aus Stahl. Beuth Verlag Berlin. http://www.beuth.de

957

Stückgutförderung in der Intralogistik Johannes Sebulke

Hinweis 1 Die Stückgutfördertechnik hat für die Intralogistik eine große Bedeutung. Die Grundlagen der Intralogistik sind in 7 Abschn. 45.1 beschrieben. Hinweis 2 Zum Zusammenhang Intralogistik und Förder-

technik siehe . Abb. 45.1. Hinweis 3 Anlagen zur Stückgutförderung, wie z. B. Stapelkrane, Hochregallager und Shuttle-Lager siehe 7 Abschn. 47.2.8.

48.1

Flurförderzeuge

Als Flurförderzeuge bezeichnet man Fahrzeuge zur Beförderung von Stückgut, wie Karren oder Schlepper und Gabelstapler, die keine eigene Transportebene besitzen, wie z. B. Krane oder Kreisförderer, sondern die auf dem normalen Hallenfußboden (D Flur) fahren. Flurförderer verlangen daher meist nur vergleichsweise geringe Anlageinvestitionen. Flurförderzeuge kann man einteilen in angetriebene und nicht angetriebene, in gleisgebundene und gleislos verfahrbare, in Flurförderzeuge für reine Transportaufgaben (Wagen) und solche mit eigenen Lastaufnahmeeinrichtungen und Zusatzfunktionen (Gabelstapler), in handbediente (z. B. Elektrowagen) und automatisch gesteuerte (z. B. durch im Boden verlegte Induktionsleitungen). Die Flurförderzeuge ohne Eigenantrieb können durch Hand- oder Schleppkettenantrieb oder durch Schlepper fortbewegt werden. Für kurze Entfernungen, kleine Lasten und zeitlich ungeregelt anfallende Transporte verwendet man von Hand gezogene oder geschobene Fahrzeuge. Näheres siehe DIN 4902.

48.1.1

Flurförderer ohne eigene Lastaufnahmeeinrichtung

Karren sind von Hand bewegte Förderzeuge, mit einem Rad (Schubkarren) oder mit zwei Rädern z. B. „Sackkarren“ für Säcke, Kisten, Sauerstofflaschen und Ähnliches.

Handwagen sind Flurförderzeuge mit drei oder vier Rädern, die für kleine Lasten und für Gelegenheitsbetrieb (z. B. in der Werkstattinstandhaltung) oder für Schleppzüge (Gepäcktransport auf Bahnhofbahnsteigen) Verwendung finden. Die Lenkung erfolgt meist durch Deichsel und Drehschemel. Die Ladefläche ist meist eben, als seitliche Begrenzungen können je nach Einsatzfall Klappen, Gitter oder feststehende Wände angebracht sein. Elektrowagen sind vierrädrige Plattformwagen mit oder ohne Zusatzaufbau mit Fahrerstand oder Fahrersitz für Lasten bis 5 t. Elektrowagen werden meist für innerbetriebliche, unregelmäßig anfallende Transportaufgaben herangezogen. Seltener werden „fahrplanmäßige“ Materialflussaufgaben übernommen. Wegen der Abgasfreiheit können Elektrowagen auch in geschlossenen Räumen eingesetzt werden. Die Transportentfernung sollte durchschnittlich mindestens etwa 100 m betragen: darunter arbeiten Gabelstapler wirtschaftlicher. Dieselwagen sind grundsätzlich genauso aufgebaut, wie die eben beschriebenen Elektrowagen. Der Dieselwagen (mit Schaltgetriebe oder mit stufenlosem hydrostatischen Getriebe) findet nur noch auf dem freien Werksgelände Verwendung. Elektroschlepper sind kleine, wendige, vier- oder dreirädrige Fahrzeuge ohne nennenswerte eigene Ladefläche. Sie werden dort eingesetzt, wo es wegen großen Transportaufkommens zweckmäßig ist, Schleppzüge zu bilden. Beispiel: Gepäckförderung auf Bahnhöfen mit handgelenkten Schleppern, oder Stückguttransport in Flurfördersystemen in Lagerzentren durch automatisch gesteuerte Schlepper. . Abb. 48.1 zeigt einen Überblick über ein komplettes Programm an Flurförderzeugen mit und ohne eigener Lastaufnahmeeinrichtung.

48.1.2

Flurförderer mit eigener Lastaufnahmeeinrichtung

Flurförderer mit eigener Lastaufnahmeeinrichtung sind Gabelhubwagen, Gabelstapler und Portalhubwagen. Die eigene Lastaufnahmeeinrichtung kann eine heb- und senkbare Ladefläche sein, die ein Unterfahren der Last erlaubt, aber

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_48

48

958

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

. Abb. 48.1 Beispiel eines Produktprogramms an Flurförderzeugen [JUNGHEINRICH]

. Tabelle 48.1 A Flurförderzeuge für die Lager- und Systemtechnik mit Hand- bzw. Elektroantrieb, mit Deichsel bzw. mit Fahrerstandplatz oder kleinem Fahrerhaus. Jeder Typ wird in mehreren Baugrößen und vielen Varianten hergestellt Typ

Traglast Q in t

Hubhöhe h3 in m

A1

Handgabelhubwagen

1,0–3,0 t

0,1–0,7 m

A2

Elektro-Niederhubwagen

1,6–3,0 t

0,1–0,5 m

A3

Elektro-Hochhubwagen

1,0–2,0 t

1,6–2,9 m

A41=2

Schubmaststapler

1,0–2,5 t

5,3 m

A5

Hochregalstapler

1,0–1,5 t

3,5–5,5 m

Nicht gezeigt sind weitere Bauausführungen, wie z. B. „Kommissionierer“ (Kombinationen aus Gabelstapler und Elektrotransportwagen).

48

1 Flurförderzeuge für die Lager- und Systemtechnik (. Abb. 48.1)

Hier sollen nur die nicht schienengebundenen Flurförderzeuge angesprochen werden (Regalförderzeuge siehe 7 Abschn. 47.2.8). Wenn Paletten handgesteuert 1–2 m hochgehoben oder aufeinander gestapelt werden müssen, sind Elektro-Niederhubwagen oder Elektro-Hochhubwagen erforderlich. Bei diesen sind sowohl die Fahr- als auch die Hubbewegung elektrisch angetrieben. Oft fährt der Fahrer stehend mit. Bei Schubmaststaplern sind die Vorderräder unter den Lastschwerpunkt, also unter die Gabel vorgeschoben. Dadurch kann der Stapler bei gleicher Traglast kürzer gebaut werden. Voraussetzung für diese Staplerkonstruktion ist jedoch, dass die Lasten mit den Vorderrädern unterfahren werden können. Kommissionierer sind Kombinationen aus Gabelhubwagen und Elektrotransportwagen. Man kann im Lagergang Paletten aufnehmen oder mit Kommissionsware füllen, dann wie mit einem Elektrowagen zum Packplatz fahren und die Palette einfach absetzen. Der Fahrerstand kann auch auf der Hubgabel angeordnet werden, sodass der Kommissionierer bequem auch höher gelegene Fächer erreichen kann. Hochregalstapler sind Palettenstapler für das Beschicken von Lagerregalen vom Flur aus, z. B. in Baumarktlagern. Auch hier gibt es Ausführungen, bei denen der Fahrer mit dem Fördergut mit hoch fährt, um den Be- und Entladevorgang besser einsehen zu können. Hochregalstapler grenzen an das Anwendungsgebiet der Regalförderzeuge (siehe 7 Abschn. 47.2.8).

auch eine Gabel, ein Dorn, eine Zange, ein Manipulator oder ein drehbarer Schüttkübel. Flurförderzeuge mit eigener Lastaufnahmeeinrichtung finden Verwendung, wenn die Be- und Entladezeiten gegenüber den reinen Transportzeiten erheblich ins Gewicht fallen. Dies ist in der Regel bei Transportwegen unter 100 m der Fall. Ferner, wenn neben der Transportaufgabe auch andere Funktionen erfüllt werden sollen, wie z. B. Stapeln von Behältern, Paletten und sonstigen Ladeeinheiten, Be- und Entladen von anderen Fördermitteln oder Fahrzeugen. Die große Mannigfaltigkeit derartiger Flurförderer sowie ihre Fertigung nach dem Baukastenprinzip und in Baureihen ermöglichen eine gute Anpassung des Flurför1 Stapler für verschiedene Einsatzzwecke derzeuges an den jeweiligen Einsatzfall. Gabelhubwagen mit Handbedienung bestehen aus Hier finden sich die bekanntesten Gabelstaplertypen wieeinem Kopfteil, welches den Hubmechanismus, die Deich- der. sel und ein lenkbares Rad enthält, sowie einer flachen, Das häufigste Lastaufnahmemittel ist eine Gabel für rollenunterstützten Gabel. Mit dieser Gabel können Palet- die Aufnahme von Paletten. Es gibt aber auch andere ten und geeignet konstruierte Behälter bis 2 t unterfahren Lastaufnahmemittel, wie Dorne, Plattformen, Behälter, für werden. Anschließend wird die Gabel durch Heben und Sonderzwecke. Senken der Deichsel über eine mechanische oder hydrauEine kennzeichnende Konstruktionsbaugruppe von Galische Kraftübertragung gehoben, so dass die Last auf dem belstaplern ist das Hubgerüst. In der Regel läuft der HubGabelhubwagen verfahren und an anderer Stelle wieder ab- wagen mit der Gabel auf einem Rollenwagen in zwei zu gesenkt werden kann. Für Hub- und Fahrbewegung kann einander gekehrten Spezial-U-Profilen, die zum Hubgerüst auch ein batteriegespeister, elektromotorischer Antrieb vor- verbunden sind. Das Hubgerüst kann zur Erreichung großer gesehen werden (Elektro-Geh-Gabelhubwagen). Hubhöhen auch zwei- bis dreifach teleskopartig ineinander

959 48.1  Flurförderzeuge

c

. Abb. 48.3 Tragfähigkeitsdiagramm eines Gabelstaplers nach VDI 2198 [JUNGHEINRICH]

Tragfähigkeitsdiagramm (. Abb. 48.3). Letzteres zeigt anschaulich, dass die Tragfähigkeit sinkt, wenn der Lastschwerpunkt das Konstruktionsmaß c D 500 mm (siehe . Abb. 48.2 und 48.3) überschreitet. . Abb. 48.2 Kennzeichnende Maße eines Gabelstaplers nach VDI 2198 [JUNGHEINRICH] . Tabelle 48.2 B Stapler für verschiedene Einsatzzwecke. Jeder Typ wird in mehreren Baugrößen und Varianten angeboten Typ

Traglast Q in t

Hubhöhe h3 in m

B13=4

Elektrostapler (in 3-Radund 4-Rad-Ausführung)

1,0–3,0 t

3,0–3,7 m

B2

Diesel-/Treibgasstapler

1,6–9,0 t

2,9–3,5 m

Nicht gezeigt sind eine Vielzahl von Spezialkonstruktionen bis 40 t Tragfähigkeit und bis zu 10 m Hubhöhe, z. B. Containerstapler für Containerterminals oder Querstapler für Langgutlager.

geschoben werden. Es kann ca. 5ı nach vorn geneigt werden, zum leichteren Aufnehmen der Last, und bis zu 15ı nach hinten, um die Schwerpunktlage bei aufgenommener Last zu verbessern. Wichtige Eigenschaften des Hubgerüstes sind Stabilität, Verwindungssteifigkeit, Spielfreiheit und gute Durchsicht des Fahrers. Mit der Hubhöhe steigt der Abstand der Last von der Aufstandsbasis, und damit steigen die Massenkräfte beim Anfahren und Bremsen. Entsprechende Sorgfalt durch den Konstrukteur und den Fahrer sind geboten. Die Technischen Daten eines Gabelstaplers werden in einer Tabelle nach VDI 2198 dargestellt sowie in einer zugehörigen Maßzeichnung (. Abb. 48.2) und dem

Stapler für verschiedene Einsatzzwecke unterscheidet man hauptsächlich nach der Antriebsart. Elektrostapler zeichnen sich, wie der Name sagt, durch einen elektrischen Antrieb aus. Alle Möglichkeiten der elektronischen Regelung hinsichtlich feinfühliger Bewegungen und sparsamen Energieverbrauchs werden genutzt. Elektrostapler finden dort Verwendung, wo die Batteriekapazität für eine Schicht ausreicht, wo das Gewicht keine zu große Rolle spielt oder ganz einfach in geschlossenen Räumen, in denen abgasfrei gearbeitet werden muss. Stapler in explosionsgeschützter Ausführung sind Elektrostapler, die so speziell ausgestattet werden müssen, dass sie meist in einer separaten Produktreihe zusammengefasst werden. Diesel- und Treibgasstapler zeichnen sich durch einen verbrennungsmotorischen Antrieb aus, der mit Dieselöl bzw. Treibgas betrieben wird. Dem Motor ist meist eine Hydrostatik nachgeschaltet (siehe 7 Abschn. 46.2.2, . Abb. 46.3), da sich die Leistungsverzweigung vom Motor auf Fahrwerk und/oder Hubwerk so am elegantesten bewerkstelligen lässt. Zudem sind Anfahren, Bremsen, Reversieren und Arbeitsbewegungen elektronisch feinfühlig regelbar. Das Bremsen erfolgt hydrostatisch und damit ohne Verschleiß der mechanischen Bremsen. Eine Vielzahl von Sonder- und Sicherheitsfunktionen lässt sich in die Steuerung integrieren. Große Sonderstapler mit verbrennungsmotorischem Antrieb sind z. B. Querstapler und Containerstapler. Gabelstaplertypen

48

960

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

Querstapler sind auf das Bewegen von Langgütern spezialisiert. Ein typischer Einsatzfall sind Holzlager für Balken oder Bretter. Dem Einsatzfall entsprechend verwendet man hier einen verbrennungsmotorischen Antrieb und Luftreifen. Containerstapler gibt es in zwei Ausführungen, und zwar mit Hubgerüst und mit Kranarm. Beide können einzelne Container umsetzen und aufeinander stapeln. Sie können daher viele Aufgaben wirtschaftlich erledigen, für die sich Containerterminals, – große spezialisierte Portalkrananlagen, die ganze Containerblocks bedienen können –, noch nicht lohnen.

48.1.3

48.1.3.1

Funkfernsteuerungen z. B. von Baukranen oder von Forstseilwinden sind seit langem bekannt. Die gleiche Technik kann man zur Führung von fahrerlosen Fahrzeugen, -hier von Flurförderzeugen-, einsetzen. Die Übertragungsfrequenzen können von 50 kHz (Tiefstfrequenzbereich) bis hinauf zu einigen Gigahertz (Höchstfrequenzbereich) reichen. Wichtig hierbei ist, dass es sich hier aber „nur“ um ein Datenübertragungssystem handelt, das z. B. die Sensorsignale vom Fahrzeug zum Leitrechner und die Fahrsignale zurück zum Fahrzeug sendet. Die eigentliche Fahrstrategie, und die Frage, wie viel Intelligenz man im Fahrzeug und wie viel im Leitrechner anordnet, bleiben von der FunkDatenübertragung unberührt.

Fahrerlose Transportsysteme (FTS) 48.1.3.2

Flurfahrzeuge, die automatisiert verfahren, sind Teil eines „Fahrerlosen Transportsystems FTS“. Für die Automatisierung der FTS steht eine große Vielfalt von Sensoren zur Verfügung. Voraussetzung für jede Automatisierung ist die klare Zielfindung, welche Arbeitsschritte automatisiert werden sollten. Je wiederkehrender und je variantenärmer die zu automatisierenden Arbeitsschritte sind, desto einfacher wird die erforderliche Sensortechnik sein. Soll z. B. ein Flurförderer oft von A nach B fahren, so kann man z. B. einfache Induktionsschleifen verlegen. Ändern sich die Umgebung und/oder die Aufgaben oft, so sind aufwendige Systeme nötig bis hin zu selbst lernenden Systemen und KI (Künstlicher Intelligenz). Oft greift man wegen unsicherer Zukunftserwartungen oder wegen zu hoher Kosten einer Vollautomatisierung erst mal ganz pragmatisch zu Teilautomatisierungen. Man sucht und hebt z. B. eine Palette mit einem Gabelhubwagen von Hand, und schickt den beladenen Hubwagen dann fahrerlos zu dem ausgewählten Zielpunkt. Die Teilautomatisierung senkt die Einstiegsschwelle in die Automatisierung erheblich. Viele Flurförderzeuge kann man daher von Automatikbetrieb auf Handbetrieb umschalten. Alle vorausgedachten Tätigkeiten werden automatisch erledigt, aber wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, kann der Mensch noch eingreifen. . Abb. 48.4 Schemabild einer Datenfunkübertragung von einem Leitrechner zu diversen fahrerlosen Fahrzeugen (Götting KG)

48

Datenfunk bei FTS

Optische Spurführung

Der gewünschte Fahrweg wird einfach durch kontrastreiche Strichmarkierungen auf der Fahrbahn gekennzeichnet. Diese können aufgeklebt oder aufgemalt sein. Die Spurerkennung erfolgt mit modernen Kameras und Bildverarbeitungssystemen. Je nach Anforderungen können auch Unterbrechungen der Leitspur überbrückt werden. Will man den Fahrweg verändern, so muss man die Strichmarkierungen am Fußboden ändern; eine Umprogrammierung der Steuerung ist dafür nicht erforderlich. 48.1.3.3

Magnetband-Spurführung

Bei dieser Spurführungstechnik wird ein Magnetband auf dem Fußboden aufgeklebt. Dieses ist robust, wartungsfrei und unempfindlich gegenüber Verschmutzungen. Am Fahrzeug wird ein digitaler Magnetfeldsensor angebracht. Dieser detektiert das Magnetfeld über dem Magnetband in vertikaler und horizontaler Richtung und ermittelt so kontinuierlich die aktuelle Abweichung quer zur Fahrtrichtung. Diese wird als analoge Ausgangsspannung ausgegeben. Der Sensor kann über drei unabhängige Erfassungssysteme verfügen. Dadurch kann der Sensor Abzweigungen erkennen und diesen folgen. Der Erfassungsbereich ist abhängig von der Montagehöhe des Sensors und der Art des Magnetbandes. Je größer die Abweichung des Fahrzeugs von der

961 48.1  Flurförderzeuge

. Abb. 48.5 Schemabild einer optischen Spurführung entlang einer am Boden markierten Linie mit einem Kamera-Sensor (Götting KG)

. Abb. 48.7 Schemabild einer induktiven Spurführung entlang eines im Boden eingelassenen stromdurchflossenen Leiters mittels eines Magnetfeldsensors (Götting KG)

. Abb. 48.6 Digitaler Magnetfeldsensor für eine magnetische Spurführung entlang eines am Boden verlegten Magnetbandes (Götting KG)

Fahrspur, desto größer ist die im Sensor erzeugte Spannung. 48.1.3.4

Leitdraht-Spurführung

Hier werden frei bewegliche fahrerlose Fahrzeuge entlang eines stromdurchflossenen Leitdrahtes geführt. Der Stromdurchfluss erzeugt ein Induktionsfeld, welches vom Fahrzeug ertastet wird. Diese Systeme werden daher oft auch „Induktive Spurführungssysteme“ genannt. Im Gegensatz zur optischen Spurführung und zur Spurführung mit Magnetband haben diese induktiven Verfahren den Vorteil, dass sie unempfindlich gegen Öl, Schmutz, Reifenabrieb usw. sind, da die Führungsdrähte ja „unterflur“ verlegt sind. Sie haben sich daher in Häfen und in Industrieanlagen durchgesetzt. Leitfrequenz, Stromstärke sowie seitlicher Abstand und Höhe zum Leitdraht können über einen größeren Bereich variiert werden. Einige Sensoren verfügen über einen Mikrorechner, der den Leistungsumfang und Komfort des Gerätes wesentlich erhöht. Die meisten Spurführungssysteme werden für Flurförderer für den innerbetrieblichen Transport verwendet. Grundsätzlich ist das System aber auch für Außeneinsätze geeignet ( z. B. für Tunnelreinigungsfahrzeuge). Das System besteht typischerweise aus dem Leitdraht im Boden, einem Frequenzgenerator (das ist die Wechselstromquelle für den im Leitdraht fließenden Strom), und aus dem Induktionssensor am Fahrzeug. Für jede Anlage ist eine sorgfältige technische Auslegung erforderlich, um auf die speziellen Gegebenheiten des Kunden eingehen zu können.

. Abb. 48.8 Schemabild einer Positionierung eines Fahrzeugs mittels eines im Boden eingelassenen Transponders und eines Lesegerätes am Fahrzeug (Götting KG)

48.1.3.5

Transponder-Positionierung

Transponder ist eine Wortzusammenfassung aus „Transmitter“ und „Responder“. Diese Geräte können also Signale empfangen und zurücksenden. „Passive Transponder“ benötigen dabei keine eigene Stromversorgung, sondern sie beziehen die benötigte Energie ausschließlich aus dem Feld der Sende-/Empfangseinheit. Die Transponder werden durch das Lese-/Positioniergerät am Fahrzeug aktiviert und setzen dann ihr Identifikationssignal ab. Das Fahrzeug wird dabei genau in seiner Position erfasst. Mit den Transpondern werden so besondere Positionen eines Fahrzeugs entlang eines linien- oder schienengeführten Systems bestimmt, z. B. zum Umladen von Containern oder zum Befüllen von Kesselwagen an Füllstationen. Transpondersignale können aber auch im Leitrechner zu „Virtuellen Fahrspuren“ verbunden werden, auf denen dann gleislose Flurförderzeuge quasi-autonom fahren können. 48.1.3.6

Laserscanner zur Lokalisation

Bei einem Laserscannersystem werden im Fahrbereich des Flurförderers an geeigneten Stellen Reflexmarken angebracht. Diese erkennt der Laserscanner des Fahrzeugs nach Richtung und Entfernung. Aus den Messdaten kann durch „Lasertriangulation“ die genaue Position des Fahrzeugs errechnen werden. Damit kann man dann das Fahrzeug quasiautonom den vorprogrammierten Weg abfahren lassen. Ein Laserscannersystem ermöglicht eine sehr flexible

48

962

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

. Abb. 48.10 Optisches System „E.L.S.“, das permanent die Umgebung abscannt, damit sich das Fahrzeug einen freien Weg suchen kann. E.L.S.-Systeme reagieren auch auf Veränderungen des Umfeldes (Götting KG)

. Abb. 48.9 Laserscanner, der auf dem Flurförderer montiert wird, der in der Fahrzone angebrachte Reflexmarken abscannt, um daraus die genaue Position des Flurförderers errechnen zu können (Götting KG)

Fahrzeugführung. Denn die anhand der Reflexmarken vorgenommene Fahrspurprogrammierung kann jederzeit geändert werden. In Verbindung mit hinderniserkennenden Sensoren (Ultraschall oder optische Systeme) ist es zudem möglich, beim Auftauchen eines Hindernisses das Fahrzeug über alternative Wege zum Ziel zu führen. Die Positioniergenauigkeit ist so hoch, dass sie in der Regel ohne Zusatzmaßnahmen auch für höhere Anforderungen, z. B. für eine automatische Lastübergabe ausreicht. 48.1.3.7

E.L.S.-Extended Localization System

Dies ist ein optisches System zur Positionsbestimmung und Orientierung des Fahrzeugs. Fahrzeuge mit einem E.L.S. brauchen keine physischen Leitlinien wie Magnetklebebänder, Fahrdrähte, und auch keine festen Ortsmarken. Vielmehr wird mit Lidar-Sensoren (D Light Detection And Ranging) die Umgebung ständig abgescannt. Die LidarSensoren funktionieren ähnlich wie ein Radar, nur werden Laserimpulse verwendet. Das System erstellt im Rechner eine Karte der Umgebung und kann diese grafisch auf einem Display anzeigen. Da die Umgebung ständig abgetastet wird, ist das System tolerant gegenüber Änderungen der Umgebung. Das Lidar-System ist für flächen- oder linienbewegliche Flurförderer geeignet. Als max. Fahrgeschwindigkeit werden derzeit 4 m=s (D ca. 13 km=h) angegeben. Das E.L.S. ist ein Meilenstein auf dem Weg zum autonomen Fahren, bei dem man dann einfach das Fahrzeug in die geplante Umgebung schicken und „lernen lassen“ wird, seinen Weg selbst zu suchen. 48.1.3.8

48

Satellitennavigation

Die Satellitennavigation im Außenbereich wird oft „GPSNavigation“ genannt. Korrekt heißt es GNSS – Globales NavigationsSatellitenSystem). Nicht so bekannt ist, dass auch in großen Hallen die lokale Funkortung noch mög-

. Abb. 48.11 Satellitengestütztes Navigationssystem ähnlich den GPS, welches unter bestimmten Bedingungen auch innerhalb von Fabrikhallen funktioniert (Götting KG)

lich ist. Zudem kann man Sender in den Hallen anbringen, die künstliche Signale ähnlich den Satellitensignalen aussenden und so eine genaue Positionsbestimmung bis zu wenigen Zentimetern ermöglichen. 48.1.3.9

Vergleich der Steuerungssysteme für FTS

Welches Steuerungssystem ausgewählt werden sollte, hängt vom jeweiligen Einsatzfall ab. Die gemeinsame Voraussetzung für den Einsatz automatisch fahrender Flurförderzeuge und Fahrerloser Transportsysteme ist eine ebene, barrierefreie Hallenfläche. Diese kann natürlich durch Aufzüge auf mehrere Ebenen erweitert werden. Der Antrieb erfolgt durch Elektromotoren. Die Energiespeicherung erfolgt meistens mit Akkus. Meist sind es Lithium-IonenAkkus, da diese eine höhere Energiedichte (D Energiespeichervermögen pro Raumeinheit) haben als Blei-Akkus. Supercaps (D Superkondensatoren) finden als Energiespeicher dort Verwendung, wo Energie schnell gespeichert und auch schnell wieder abgegeben werden soll (z. B. beim Anfahren und Bremsen), oder bei sehr häufigen Schaltvorgängen. Dem Vorteil der Schnelligkeit steht der Nachteil einer nur geringen Energiedichte gegenüber. Supercaps müssen also viel häufiger aufgeladen werden. Das Aufladen geht allerdings in Sekundenschnelle. Vielfach fahren die Flurförderer selbsttätig ihre Ladestationen an, wenn gerade Zeit dazu ist, oder wenn die Vorratsenergie zu gering

963 48.1  Flurförderzeuge

geworden ist. Die Ladestationen arbeiten entweder konduktiv, d. h. mit elektrisch leitendem Kontakt, oder induktiv berührungslos. Die Fahrwege können, wie weiter oben beschrieben, durch Induktivverfahren vorgegeben werden (im Boden eingelassene Leitdrähte), aber auch durch optische oder magnetische Spurführungen (Aufkleben eines Leitbandes auf den Fahrweg). Aber auch Satellitennavigation, und lasergestützte Systeme können eingesetzt werden. Statt Leitrechnern wird auch schon dezentrale „Schwarmintelligenz“ eingesetzt. Bei dieser hat jedes Fahrzeug einen Rechner und kommuniziert mit den anderen Fahrzeugen, wann wo Bedarf an wie viel Fahrzeugen besteht. Die Aufträge erhält der Leitrechner für das FTS vom Materialflussrechner, der wiederum Teil eines Logistigsystems sein kann. Denn bei jeder Steuerungsart hat das Materialflusssystem die Aufgabe, „in time“ (D zum richtigen Zeitpunkt) Materialien aus dem Lager zusammenzustellen, abzuholen und an den Arbeitsplatz zu bringen, und nach der Bearbeitung wieder einzulagern. 48.1.3.10

. Abb. 48.12 KATE Fahrzeug, hier mit Hubtisch und KTL (D Kleinladungsträger) (Götting KG)

Beispiele für ausgeführte FTS-Anlagen

Fahrerlose Flurförderzeuge und fahrerlose Transportsysteme gibt es in großer Vielzahl. Im Folgenden sollen nur zwei Beispiele angeführt werden: 2Fahrerlose Hubstapler

Grundsätzlich können alle hallengeeigneten Hubstapler für den fahrerlosen Betrieb umgerüstet werden. Automatische Hubstapler können z. B. selbstständig Paletten den Regalen entnehmen, zum Zielort bringen, und andere Paletten wieder einlagern. Meist bleibt das Fahrerhaus erhalten, um den Stapler ggf. auch manuell steuern zu können. Bei Wegfall des Fahrerhauses ergeben sich sehr kompakte, rein automatisch fahrende Spezialfahrzeuge. 2Fahrerloses Transportsystem KATE (D Kleine Automatische Transporteinheit)

KATE ist ein Beispiel für ein marktgängiges fahrerloses Transportsystem. KATE-Fahrzeuge transportieren automatisch und flexibel Lasten bis ca. 50 kg, z. B. in Kleinladungsträgern (KLT) oder auf Plattformen. Dank der direkten Anbindung an eine leistungsfähige Leitsteuerung können sie einzeln oder im Verbund eingesetzt werden. Lässt man sie pater-noster-ähnlich ständig den gleichen Weg abfahren, so können sie in gewissen Fällen auch Stetigförderer ersetzen. Das Herzstück der KATE-Fahrzeuge ist ein Fahr-Lenkmodul, das die optische Spurführung, die Transponderantenne, die WLAN Kommunikation, die Hinderniserkennung und die Antriebe in einem kompakten Drehschemel zusammenfasst. Daher kann die Form des fahrerlosen Fahrzeugs frei dem Einsatzzweck angepasst werden und auch ganz anders aussehen als in . Abb. 48.12. Bei gleichem Fahr-Lenkmodul, und damit bei gleicher Ansteuerung,

. Abb. 48.13 Das Fahr-Lenkmodul, Herzstück des FTS-Fahrzeugs „KATE“. Erläuterung im Text. (Götting KG)

könnte das Fahrzeug z. B. auch als Schlepper ausgebildet sein und antriebslose Wagen ziehen (. Abb. 48.14). Die Nutzlast des hier vorgestellten Beispielfahrzeugs beträgt max. 50 kg, im Schlepperbetrieb max. 100 kg. Die Fahrgeschwindigkeit reicht bis 1 m=s (D 3;6 km=h). Leichte Steigungen können bewältigt werden. Energiespeicher sind wahlweise Akkus oder Supercaps, die Energieladung erfolgt wahlweise konduktiv oder induktiv. Die Kommunikation zum Leitrechner erfolgt über WLAN. Die Spurführung funktioniert bei diesem Beispiel optisch mit einer aufgeklebten oder aufgemalten, kontrastreichen Spur am Fußboden. Entlang der Fahrspuren befinden sich Transponder-Marken, die Aktionen auslösen (z. B. Stopp, Start, Abbiegen). Der Personenschutz entspricht DIN EN ISO 13849-1 Stufe PLd. Mannigfache Anpassungen, wie Ladeplattformen, Lade-/Hubvorrichtungen, Übergabeeinrichtungen an Rollenförderer u. a. m. sind möglich.

48

964

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

48.2

Stetigförderer für Stückgut

Stetigförderer, mit denen Stückgüter befördert werden können, sind Rutschen und Gliederbandförderer sowie Rollenförderer und Kreisförderer.

48.2.1

. Abb. 48.14 Fahrerloses Fahrzeug „KATE“ im Einsatz als Schlepper (Götting KG)

Lager 1

Lager 2

Lager 3

Lager 4

Band 3

Band 2

Band 1

. Abb. 48.15 Beispiel eines FTS (D Fahrerloses Transportsystem) mit KATE (Götting KG)

48

Das FTS in . Abb. 48.15 wurde z. B. für 4 Läger und drei Arbeitsbänder ausgelegt. Mehrere Zusatzspuren ermöglichen das Entgegenkommen von Fahrzeugen und dienen als Pufferlager für gerade nicht benötigte Fahrzeuge. Die Fahrzeuge, die Zusatzeinrichtungen und die Spurführung lassen sich variantenreich an den jeweiligen Bedarfsfall anpassen. Gesteuert wird das hier beschriebene automatische KATE-FTS mit einer „TransportControl“ genannten Leitsteuerungs-Software der Firma GS Fleetcontrol. Installiert wird die Leitsteuerungssoftware auf einem Server des Betreibers. Zugreifen und die Abläufe steuern kann man von jedem PC oder Handy aus, insofern man eine Zugangsberechtigung hat. Die Anlage wird auf einem PC auch visuell dargestellt, siehe . Abb. 48.15. Schnittstellen zum Datenaustausch mit übergeordneten Rechnern, oder einfach nur mit Torsteuerungen oder Brandmeldeanlagen, sind vorgesehen.

Rollenförderer

Rollenförderer sind Förderanlagen, bei denen in gleichmäßigen Abständen Rollen angebracht sind, über die das (rollenlose) Stückgut gefördert wird. Man unterscheidet einfache Rollgänge, über die das Stückgut geschoben werden muss, Gefällerollbahnen und angetriebene Rollenbahnen. Für leichtere Stückgüter werden Röllchenbahnen und Kugelrolltische eingesetzt. Auf Rollenförderern und den kleineren Röllchenbahnen werden Fördergüter meist in Ladehilfsmitteln, wie Paletten, Behältern oder Kisten befördert. Die Beladung von Paletten soll stabil sein und durch Umreifungen, Schrumpffolien o. a. gesichert werden. Bauart Rollenförderer werden fast ausschließlich nach dem Baukastensystem in kompletten Baugruppen gefertigt. Das ermöglicht eine einfache Anpassung der Förderanlage an den speziellen Einsatzfall. . Abb. 48.16 zeigt als Beispiel ein Rollenbahnstück für DIN-Paletten, das als komplette Baugruppe in Serie hergestellt wird. Es kann leicht abgewandelt mit und ohne Antrieb, als Gefällestrecke, als Gefällestrecke mit Bremse und als Stauförderer Verwendung finden. Mit anderen Baugruppen, wie z. B. Drehtischen und Verschiebehubwagen, lassen sich umfangreiche Fördersysteme aufbauen. Anwendung Palettenförderer finden hauptsächlich in der Lagertechnik Verwendung. Leichte Rollenförderer und Röllchenförderer kommen z. B. beim innerbetrieblichen Materialfluss in der Fertigung und in Versandhäusern zum Einsatz. Schwere Rollenbahnen werden z. B. in der Schwerindustrie zur Beförderung von Brammen und Walzwerkserzeugnissen eingesetzt.

48.2.2

Rutschförderer für Stückgut

Bei Rutschförderern wird das Fördergut nicht getragen, sondern es gleitet auf einer Förderbahn. Das Fördergut wird von der Schwerkraft oder von Mitnahmeelementen einer Zugkette vorwärtsbewegt. Verschleiß und erforderliche Antriebskraft sind wegen der Gleitreibung hoch. Trotzdem sind Rutschen die einfachsten Fördermittel und daher in vielen Fällen wirtschaftlich.

965 48.2  Stetigförderer für Stückgut

. Abb. 48.16 Rollenbahnstück als Beispiel einer kompletten Baugruppe für Rollenfördersysteme

Rutschen werden eingesetzt 4 wenn starkes Gefälle überwunden werden muss, man das Fördergut jedoch wegen der Aufprallwucht nicht einfach fallen lassen kann (z. B. Wendelrutschen für Stück- und Schüttgut), 4 wenn bei einer durch eine Bremskette kontrollierten Abwärtsförderung die Reibung erwünscht ist, um die Bremsleistung herabzusetzen (Bremsförderer), 4 bei rauem Betrieb und kurzen Förderlängen, wie z. B. die Abbaustreckenförderung im Kohlebergbau. Schwerkraftrutschen sind auf abfallende Förderstrecken beschränkt. Nachteilig ist, dass die Rutschgeschwindigkeit nicht genau kontrolliert werden kann. Sie ist außer vom Gefällewinkel auch noch abhängig vom Reibungswert  zwischen Fördergut und Rutsche; dieser schwankt mit dem Material, dem Feuchtigkeitsgrad und der Rutschgeschwindigkeit. Er kann nur durch Versuche bestimmt werden. Schwerkraftrutschen finden meist nur als Zubringer von oder zu anderen Stetigförderern Verwendung. 7 Beispiel Eine Stückgutrutsche für würfelförmige Pakete mit der Masse m D 30 kg hat einen Gefällewinkel von ˛ D 25ı und überwindet eine Höhe von h D 3 m. Die mittlere Reibungszahl zwischen Paketen und Rutsche wurde bei normalen Betriebsbedingungen zu  D 0;25 gemessen. 1. Welche maximale Geschwindigkeit erreicht das Paket? 2. Wieweit rutscht es über das Ende der Gefällestrecke hinaus? 3. Mit welcher Energie prallen die Pakete höchstens aufeinander, falls sich ein Stau bildet und immer neue Pakete; nachrutschen? Lösung: 1. Die das Paket beschleunigende Kraft F ist gleich der Hangabtriebskraft minus Reibungskraft F D m g.sin ˛    cos ˛/ D m g cos ˛.tan ˛  /:

Die Beschleunigung beträgt aD

   F D g  sin ˛ 1  : m tan ˛

Es tritt also nur dann ein Rutschen ein, wenn die Rutschbedingung  < tan ˛ erfüllt ist. Die maximale Geschwindigkeit vmax tritt dann am Ende der Rutsche auf. Zur Berechnung der Endgeschwindigkeit können die Fallgesetze herangezogen werden, wenn man die Fallbeschleunigung durch die hier vorhandene reale Beschleunigung g0 ersetzt    a Dg 1 sin ˛ tan ˛

g0 D

Dann gilt: vmax vmax

r    D 2gh 1  tan ˛ s   m 0;25 m D 2  9;81 2  3 m  1  D 5;2 s 0;465 s

m 2. Das Paket rutscht soweit, bis die Bewegungsenergie v 2 2 durch die Reibungskraft (m g ) aufgezehrt ist. m 2 v D mgx 2 max xD



2 2 5;2 ms vmax D D 5;5 m 2g 2  9;81 sm2  0;25

3. Die Aufprallenergie beträgt W D

m 2 v : 2

Sie ist dann am größten, wenn das herabrutschende Paket im Augenblick seiner größtmöglichen Geschwindigkeit auf das vorhergehende aufprallt. Dies ist der Fall, wenn der Rückstau gerade das Ende der Rutsche erreicht hat. Die Aufprallenergie beträgt dann Wmax D

m 2 30 kg   5;2 D 406 N m D 406 J 9 2 s

48

966

48.2.3

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

Kreisförderer

Kreisförderer sind meist in Fertigungsbetrieben und Sortieranlagen anzutreffen. Sie bestehen aus einer über Flur angebrachten endlosen, in einer Schiene mit Fahrwerken geführten Zugkette, und den Lastgehängen, die entweder an denselben Fahrwerken angebracht sind (Einschienenkreisförderer), oder aber an gesonderten, in einer zweiten Schiene laufenden Fahrwerken („Power-andfree“-Kreisförderer, Schleppkettenkreisförderer). Kreisförderer sind endlos verlegt. Jedes Gehänge kommt also nach einer bestimmten Zeit wieder an den Ausgangsort zurück, es wird „im Kreis herum gefördert“. Es kann grundsätzlich an jeder Stelle der Förderstrecke eine Be- oder Entladestelle vorgesehen werden. Beim Einschienenkreisförderer (. Abb. 48.17 und 48.18) sind Lastfahrwerk und Zugkette fest verbunden. Einschienenkreisförderer eignen sich für gleichmäßig anfallende Förderaufgaben mit stets gleichen Wegen wie z. B. das Durchfahren von Tauchbädern und Lackierstraßen oder das Beschicken von Montagestraßen. Die Fördergeschwindigkeit beträgt ca. 0,25 m/s. Bei Schleppkreisförderern (“Power-and-free“ Förderern) (. Abb. 48.19) läuft nur die Zugkette allein mit eigenen Fahrwerken und eigener Schiene dauernd um. Die Lastgehänge laufen mit gesonderten Fahrwerken in darunter angeordneten Schienen und können daher beliebig angekoppelt oder gelöst und auf Nebenbahnen geschoben werden. Der Schleppkreisförderer ist also eine Kombination von Kreisförderketten (Power) und Rollgehängen (Free) und gestattet besonders freizügige, kombinierte Förderwege (. Abb. 48.20). Er fördert Stückgüter jeder Art und ist durch die in eigener Bahn (Freebahn) laufenden Lastgehänge besonders für hohe Nutzlasten bis ca. 5 t (je nach Zahl der tragenden Achsen) geeignet.

48

. Abb. 48.17 Fahrwerk für Einschienenkreisförderer mit Steckkette [Dematic GmbH]. Tragrolle (T); Rollenbügel (B); das Anschlussstück (A) steckt in einem Innenglied der Kette und wird mit den Rollenbügeln verschraubt. Ein Auge an der Unterseite des Anschlussstückes ermöglicht die Befestigung des Lastaufnahmemittels (Lastenträger)

. Abb. 48.18 Fahrwerk eines Einschienenkreisförderers mit einer Rohrschiene und einer Rundstahlkette als Zugelement [Dematic GmbH]

Mitnehmernocken an der Kette, die in Mitnehmerklinken der Freewagen eingreifen, stellen eine formschlüssige, trennbare Verbindung zwischen Schleppkreisförderer (Powerbahn) und Lastengehänge (Freewagen) her. Führungsbahn Die Führungsbahn des Schleppkreisförderers (Powerbahn) besteht je nach Ausführungsart aus einem I-Profil (T), aus zwei Winkelschienen oder einem Schlitzrohr. Als Führungsbahn (. Abb. 48.19) (F) für den Förderwagen (W) des Lastengehänges dienen meist in geringem Abstand zueinander laufende, mit ihren Schenkeln nach innen gekehrte U-Profile. Beide U-Profile werden durch Bügel miteinander verbunden. Der Förderer kann horizontale und vertikale Bögen durchlaufen. Der kleinste Radius hierfür ist ca. 3,0 m. Die Freebahn hat alle Möglichkeiten einer antriebslosen Hängebahn, wie z. B. Abzweigen in beliebiger Richtung, auch Kurven und Drehscheiben oder Absenken von Teilstrecken der Freebahn einschließlich Gehängen, Wiegen des Fördergutes, ohne es vom Gehänge abzunehmen. Auch lassen sich Lastengehänge in Freebahnen speichern und durch geeignete Zielsteuerungen wieder wahlweise in den Förderkreislauf einbeziehen. Die Lastaufnahmemittel werden dem jeweiligen Fördergut und dem Einsatzzweck angepasst und können jede beliebige Form annehmen z. B. Haken, mehrstöckige, plattformähnliche Traggestelle, Regale, Aufhängerahmen für eine Karosserie u. Ä. Schalenkreisförderer für Kommissionieranlagen nach den . Abb. 48.21 und 48.24. Dieser ist im Prinzip ein Einschienenkreisförderer, der aber statt eines Gehänges oben offene, kippbare Schalen trägt. Wesentlicher Bestandteil des Schalenkreisförderers ist eine automatische Zielsteuerung, mittels der man jeder Schale, in welche man in der Greifzone (. Abb. 48.21) eine Ware legt, gleich den Befehl mitgeben kann, diese Ware an einer ganz bestimmten Packrutsche des Versandes abzukippen.

967 48.2  Stetigförderer für Stückgut

. Abb. 48.19 Schleppkreisförderer mit separaten Fahrwerken und Schienen für Schleppkette und Fahrwerk [Dematic GmbH]. R Rollen des Schleppkettenfahrwerkes; T Schleppkettenschiene; N Mitnehmernocken; M Mitnehmerklinke; L Laufrollen; W Förderwagen (Freewagen); G Fahrwerk der Schleppkette; K Schleppkette; B Bolzen; A Auge zum Anbringen des Lastaufnahmemittels

. Abb. 48.20 Schematische Darstellung des Materialflusses durch Schleppkreisförderer (Power and Free). P angetriebene Strecke, F Warteschleife ohne Antrieb

Schleppkettenförderer verfügen wie Schleppkreisförderer über eine stetig umlaufende Zugkette. Die Zugkette kann je nach Verwendungszweck unterflur, seitlich oder Überflur angebracht werden. Die geschleppten Lasten können flurverfahrbare Wagen, Baumstämme oder Brammen auf Rollgängen oder Gleisfahrzeuge sein. Schleppketten können in flexibler Weise gerade, in Bogenstücken, auf Gefälle- und Steigungsstrecken verlegt werden.

. Abb. 48.21 Schalenkreisförderer in einer Kommissionieranlage [Dematic GmbH]

48

968

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

Das System kann mit Weichen, Staustrecken und einer automatischen Zielsteuerung versehen werden, so dass jeder Wagen an jeder Stelle des Systems angekuppelt werden kann und dann selbsttätig das vorgewählte Ziel anläuft.

48.2.4

48

Plattenbandförderer und Wandertische

Der Plattenbandförderer unterscheidet sich in seinem konstruktiven Aufbau vom Trogbandförderer dadurch, dass er als Tragelemente Stahlplatten verwendet. Diese werden der Form und der äußeren Beschaffenheit des Fördergutes angepasst. Dadurch ist es möglich, mit diesem Förderer Kisten, Fässer, Ballen, Säcke, Werkstücke oder auch Gepäck zu transportieren. Vollkommen glatte Platten werden bei waagerechtem Verlauf der Förderstrecke verwandt. Bei ansteigender Förderung über eine begrenzte Neigung werden Mitnehmer (Bleche, Stege quer zur Förderrichtung) auf den Tragplatten befestigt. Der Plattenbandförderer wird nicht nur zum Transport der verschiedenen oben genannten Güter eingesetzt, sondern er kann auch als Fließband in der Produktion verwendet werden. Im letzten Falle können Vorrichtungen, die zur Bearbeitung von Werkstücken notwendig sind, auf den Stahlplatten befestigt werden. Bei entsprechender Konstruktion laufen diese Vorrichtungen unter dem Fördergerüst wieder an den Ausgang des Förderweges zurück und stehen zur neuen Werkstückaufnahme zur Verfügung. Die Aufnahme des Fördergutes kann an jeder beliebigen Stelle der Transportstrecke erfolgen. Unter Berücksichtigung entsprechender Sicherheitsvorschriften lässt sich der Plattenbandförderer auch in einem Kanal verlegen, so dass Plattenoberkante und Fußboden auf gleicher Höhe sind. Dieser längs laufende Transporteur kann dann überschritten und bei besonders stabiler Konstruktion auch überfahren werden. Für Schüttgüter aller Art können Plattenbandförderer als Abzugsbänder für die Entleerung von Bunkern eingesetzt werden. Das Abzugsband beschränkt sich in seiner Länge nur auf die Funktion des Abziehens und übergibt anschließend das Fördergut nachgeschalteten Fördereinrichtungen leichterer Bauart. Durch den Einbau eines einstellbaren Absperrschiebers im Bunkerauslauf und bei Verwendung eines stufenlos regelbaren Getriebes am Förderer lässt sich die Fördermenge den betrieblichen Bedingungen entsprechend regulieren. Soll der Plattenbandförderer z. B. einen Ofen zum Trocknen des Fördergutes durchlaufen, so werden für die auftretenden maximalen Temperaturen entsprechende Spezialkonstruktionen für Ketten- und Tragelemente verwandt. Wandertische (. Abb. 48.22) werden hauptsächlich in der Fließfertigung zum Fortbewegen der Arbeitsstücke von einem Arbeitsplatz zum anderen in Bearbeitungsund Montagewerkstätten, in Gießereien (als Form-, Gieß-,

. Abb. 48.22 Prinzipskizze von Wandertischen, a vertikal umlaufend, b horizontal umlaufend

Kühl- und Ausklopfstrecke) und für viele andere Fertigungszwecke z. B. in der Automobilindustrie, ElektroIndustrie usw. verwendet. Es gibt horizontal und vertikal umlaufende Wandertische. Waagerecht umlaufende Wandertische ermöglichen die Ausnutzung der gesamten Tischlänge, und die Linienführung kann an die Fertigungsbedingungen genau angepasst werden. Entsprechend ausgelegte Aufgabe- und Abgabestationen erlauben es, andere Förderer an Wandertische anzuschließen. Durch die mögliche Bewegung des Fördergutes im geschlossenen Kreislauf lassen sich diese Wandertische bei relativ kleiner Gesamtlänge auch für langwierige Fertigungsvorgänge (z. B. beim Abkühlen oder Trocknen der Arbeitsstücke auf dem Tisch) sowie als bewegliche Lager verwenden.

48.2.5

Hochgeschwindigkeitsförderer für Stückgut

Dieses von der Uni Stuttgart-IFT entwickelte Förderersystem läuft auf einer fest installierten Schiene, hat aber einzelne Fahrzeuge oder Züge. Lässt man diese regelmäßig hintereinander laufen, erhält man einen Quasi-Stetigförderer. Das System kann aber noch viel mehr: Die Schiene kann waagerecht verlegt werden, aber auch in Kurven oder Steigungen wie bei einem Fahrgeschäft. Zur Antriebsübertragung ist eine Zahnstange mit verlegt. Der minimale Kurvenradius beträgt 3 m, Steigungen bis zu 45ı sind möglich. Das Herzstück des Fahrzeugs ist ein Zugwagen, in dem der E-Motor mit Getriebe und Antriebsstrang, die Steuerung, und alle Elektronikelemente zur Fernsteuerung und zur Datenübertragung zu einem kompakten Modul vereinigt sind. Dieses Modul kann direkt eine Ladung tragen, oder es kann als Lokomotive einen Zug aus mehreren Mitlaufwagen ziehen. Die Mitlaufwagen sind für die Größe einer Europalette als Ladeeinheit ausgelegt. Die Nutzlast je Zug beträgt max. 1,5 t. Ladungssicherungssysteme sind vorgesehen, diese werden den Anforderungen je nach Kurven- und Geschwindigkeitsverlauf angepasst.

969 48.2  Stetigförderer für Stückgut

. Abb. 48.23 Hochgeschwindigkeitsfördersysten für Stückgut. Oben: Fahrschiene mit Zugwagen und zwei Mitlaufwagen. Unten: Einzelheiten des Zugwagens (IFT Uni Stuttgart)

Mitlaufwagen Schienensystem Elektrokomponenten

Antriebsstrang • Struktur Radschild und Anbindung Mitlaufwagen • Notbremssystem Getriebeeinheit

Die herausragenden Eigenschaften des Systems sind seine hohe Geschwindigkeit von bis zu 17 m=s (D 61,2 km=h) und seiner hohen Beschleunigungsfähigkeit von 7 m=s2 , d. h. die Endgeschwindigkeit kann in nur 2,5 s erreicht werden. Einsatzbereiche Gebraucht werden diese Hochgeschwindigkeitsförderer z. B. in großflächigen Fabrikgeländen, wo fest verlegte Förderer einfach zu langsam sind, und wo Flurförderer zu lange Be- und Entladezeiten und eine zu große Verkehrsdichte bedingen würden. Zudem kann man z.B. die Anlieferung aus dem Zentralgelände in verkehrsgünstige Randzonen oder verlagern und so den Zulieferverkehr ganz aus dem Zentralgelände heraushalten. Der Hochgeschwindigkeitsförderer kann dann jede Palette direkt zu dem Produktions- oder Lagerort bringen, wo diese aktuell gebraucht wird. Zwischenumladungen entfallen.

48.2.6

Zielsteuerungen für Stückgutfördersysteme

Zielsteuerungen werden in vielfältiger Weise in den verschiedensten Fördersystemen eingesetzt. Sie sollen am Beispiel eines Stückgutfördersystems erläutert werden. Bei Stückgutfördersystemen gibt es immer mehrere Ausschleusstellen und meist mehrere Einschleusstellen. Es sind dies z. B. mehrere Verladerampen, mehrere Regalgänge, mehrere Fertigungsmaschinen, die beschickt werden müs-

. Abb. 48.24 Schale eines Kippschalenkreisförderers für Kommissionierungen, als Beispiel für eine direkte Zielsteuerung mit direkter Codierung, mit mitfahrendem Zieladressenträger (Codierfahne) und stationärer Leseeinrichtung (Codeleser). Fahrschienen- und Fahrwerkskonstruktion ähnlich . Abb. 48.18

sen, oder mehrere Packtische. Die Anzahl der möglichen Aus- und Einschleusstellen ist unbegrenzt. Eine Paketsortieranlage kann 100 Ausschleusstellen bei einer Sortierleistung von ca. 5000 Paketen/Stunde haben. Die Förderwege haben dann eine Vielzahl von Weichen, Verzweigungen, Übergängen, an denen ein Fördergut gesteuert in eine andere Bahn gelenkt werden kann. Bei Plattenbändern und Schalenkreisförderern geschieht die Ablenkung meist durch Kippen der Platten oder Schalen (. Abb. 48.24). Bei Rollenförderern kommen Querförderer, Drehtische, Hubwagen und Verschiebewagen in Frage. Zielsteuerungen leiten jedes Fördergut zur vorbestimmten Ausschleusstelle.

48

970

Kapitel 48  Stückgutförderung in der Intralogistik

1 Besonderheiten bei Materialflusssystemen

In Materialflusssystemen haben Zielsteuerungen nicht nur die Aufgabe, ein bestimmtes Fördergut von A nach B zu dirigieren, sondern auch die Aufgabe, den Materialflussrechner mit stets aktuellen Daten zu versorgen, welches Fördergut sich wann wo befindet. Man ist bestrebt, dem Fördergut nicht nur seine Zieldaten, sondern auch Bestandsdaten mitzugeben. (z. B. wie viel Teile sind auf einer Palette, welchen Bearbeitungszustand haben diese, handelt es sich um Rohmaterial, Halbzeuge, Fertigteile, verpackt oder unverpackt, Anlieferdatum u. v. m.). Diese Daten werden entweder als Code (verschlüsselte, durch Codeleser abrufbare Information) auf dem Fördergut oder dem Ladehilfsmittel direkt angebracht (. Abb. 48.24), oder sie werden im Rechner parallel zum Förderfluss mitgetaktet und nach erfolgter Ausschleusung dem übergeordneten Rechner übermittelt. Auf diese Weise bezieht man die auf Fördersystemen oft erheblichen Materialmengen in die Lagerbestandsführung mit ein, und kann so die Gesamtlagerbestände und die Materialdurchlaufzeiten weiter senken. Man unterscheidet „indirekte“ und „direkte“ Zielsteuerungen. Die direkten Zielsteuerungen können eine „indirekte“ oder „direkte“ Codierung haben. 48.2.6.1

Indirekte Zielsteuerung

Bei einer indirekten Zielsteuerung verbleiben sowohl die Zieldaten als auch die Bestandsdaten im Rechner, und werden „mit dem Fördergut mitgetaktet“. Das Fördergut selbst trägt keinen Code. Ort und Zeit werden über geeignete Sensoren (z. B. Näherungsschalter, Lichtschranken, etc.) ermittelt, auch etwaige Weichen werden danach gestellt. Nach erfolgreicher Übergabe oder Einlagerung erfolgt ein Weiterreichen der Daten an den übergeordneten Rechner.

Vorteil Bei direkten Zielsteuerungen ist die Betriebssicherheit erheblich höher als bei indirekten, da nach Störungen jedweder Art die kennzeichnenden Daten einfach von jedem Fördergut wieder abgelesen werden können. Nachteil Die Fördergeschwindigkeit ist aber stärker be-

Vorteil Die indirekte Zielsteuerung ermöglicht hohe För-

grenzt, da Strichcodes oder elektronische Datenträger nur bis zu einer bestimmten Fördergeschwindigkeit gelesen werden können. Die direkte Zielsteuerung arbeitet mit direkter oder indirekter Codierung.

dergeschwindigkeiten und damit kurze Materialdurchlaufzeiten.

48.2.6.3

Nachteil Manuelle Eingriffe (z. B. das Herausnehmen von

Ware aus dem Förderstrom) können dazu führen, dass die gesamte Anlage fehlerhaft arbeitet. Die indirekte Zielsteuerung wird häufig im innerbetrieblichen Bereich bei nicht zu hoher Komplexität des Fördersystems angewandt. 48.2.6.2

48

. Abb. 48.25 Funktionsprinzip eines Strichcode-Lesegerätes. Der Laserstrahl wird über rotierende Spiegel über den Strich-Code gelenkt. Das zur Empfangsfotodiode zurück gelenkte, noch analoge Lichtsignal wird im Empfangsverstärker zu einem Digitalsignal umgewandelt. [Institut für Fördertechnik und Logistik, Uni Stuttgart]

Direkte Zielsteuerung

Bei einer direkten Zielsteuerung wird am Fördergut oder Ladehilfsmittel ein Code angebracht, mit welchem der Steuerungsrechner den Zielort eindeutig ablesen oder bestimmen kann, egal, wo im Fördersystem sich das Fördergut gerade befindet. Codes und Codeleser gibt es in großer technischer Mannigfaltigkeit. Am bekanntesten ist der Strich-Code mit optoelektronischen Strich-Code-Lesegeräten (. Abb. 48.25). Der Code kann aber auch aus mehreren Riegeln, aus einer Reflektorleiste, aus einem Magnetstreifen, einem Elektronik-Chip oder einem Funkmodul bestehen.

Indirekte Codierung

Bei einer direkten Zielsteuerung mit indirekter Codierung dient die am Fördergut angebrachte Codierung nur zur Kennzeichnung der Ware. Ein Postpaket würde z. B. nur einen Code mit der identifizierenden Auftragsnummer tragen. Im Rechner sind dann alle Daten zu dieser Auftragsnummer hinterlegt, auch das Ziel (z. B. der Packtisch für Postleitzahl X). Der Rechner liest z. B. vor jeder Weiche diese Auftragsnummer, und stellt die Weiche entsprechend dem zugeordneten Ziel. Vorteil Diese Steuerung kann auch dann noch fehlerfrei arbeiten, wenn Ware aus dem Warenfluss von Hand entnommen wird, oder nach einem Totalausfall der Anlage. Nachteil Nur, solange die im Rechner abgelegten Daten zugänglich sind, die dem an der Ware angebrachten Codes (z. B. Auftragsnummer) ein Ziel zuordnen, arbeitet die direkte Zielsteuerung mit indirekter Codierung fehlerfrei. Bei Datenverlust fällt die Anlage aus.

971 Literaturhinweise, Informationsquellen

48.2.6.4

Direkte Codierung

Kann an dem am Fördermittel aufgebrachten Code das Ziel eindeutig abgelesen werden, spricht man von einer direkten Zielsteuerung mit direkter Codierung (. Abb. 48.24). Bei einem Postpaket würde in diesem Fall beispielsweise die gesamte Adresse der Empfangsstation in Form eines Strich- oder Matrix-Codes abgebildet werden. Vorteil Bezüglich der Ausfallsicherheit in einem Materialflusssystem bietet die direkte Zielsteuerung mit direkter Codierung das höchste Maß an Sicherheit. Auch nach einem Totalausfall der Anlage kann anhand der an den Fördergütern aufgebrachten Zielinformationen die Anlage neu angefahren werden, selbst wenn Daten im Rechner gelöscht wurden. Bringt man zusätzlich die gesamte Zielinformation in Textform (also für den Menschen lesbar) an der Ware an, kann im Notfall auch „von Hand“ sortiert und transportiert werden. Nachteil Hoher Aufwand an Lesegeräten und Datenmengen, limitierte Fördergeschwindigkeit.

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Martin, H., Römisch, P., Weidlich, A.: Materialflusstechnik. Konstruktion und Berechnung von Transport-, Umschlag- und Lagermitteln, 8. Aufl. Vieweg, Wiesbaden (2004) 2. Hompel, M., Schmidt, Th., Dregger, J.: Materialflusssysteme für die Förder- und Lagertechnik, 4. Aufl. Springer-Vieweg, Berlin, Heidelberg (2018) 3. Martin, H.: Transport- und Lagerlogistik. Systematik, Planung, Einsatz und Wirtschaftlichkeit, 10. Aufl. Springer-Vieweg, Wiesbaden (2016) 4. Schulz, R.: Grundlagen der Logistik. Vorlesungsmanuskripte an der Uni Stuttgart, IFT – Institut für Fördertechnik und Logistik, http:// www.uni-stuttgart.de/ift (2019) 5. Jünemann, R.: Materialfluß und Logistik. Systemtechnische Grundlagen mit Praxisbeispielen. Springer, Berlin, Heidelberg (1989) 6. Gudehus, T.: Logistik. Grundlagen – Strategien – Anwendungen, 4. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg (2012) 7. Jünemann, R., Beyer, A.: Steuerung von Materialfluß- und Logistiksystemen. Informations- und Steuerungssysteme, Automatisierungstechnik, 2. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg (1998) 8. Follert, G., Albrecht, T.: Zellulare Transportsysteme – Shuttlesysteme für den flexiblen Einsatz. Eine Entwicklung des Fraunhofer Institutes. http://www.iml-fraunhofer.de (2014) 9. Götting KG: Sensoren zur Spurführung von fahrerlosen Transportsystemen. www.goetting.de. Internetauftritt der Firma Götting Funk- und Sensortechnik, Lehrte (2019)

48

973

Stationäre Schüttgutförderer Definition, Einteilung, Hauptanwendungen Johannes Sebulke

In diesem Kapitel werden stationäre Schüttgutförderer be-1 Einteilung der Stetigförderer handelt, da diese Stetigförderer (für Schüttgut) sind. Als Im Folgenden werden die Stetigförderer nach ihren kennStetigförderer bezeichnet man Fördermaschinen für Schütt- zeichnenden Konstruktionselementen eingeteilt (Gurtföroder Stückgüter, die kontinuierlich (D stetig) Fördergüter derer – Gliederbandförderer – Rutschförderer – Becherauf vorher festgelegten Wegen befördern können. Stetigför- werke – Schaufelradanlagen – pneumatische Förderer – derer haben also keine Arbeitsspiele, wie z. B. Krane oder Rollenförderer). Bagger, die nach dem Absetzen der Last leer zurückfahren Außerdem sind folgende Einteilungen manchmal müssen, um die nächste Last aufzunehmen. Förderbänder zweckmäßig: und Rolltreppen sind Beispiele für typische Stetigförderer, 4 nach dem Fördergut (Schüttgutförderer – StückgutförGreifer- und Aufzugsanlagen sind typische Unstetigförderer), derer. Becherwerke zählen zu den Stetigförderern, da sie 4 nach der Beförderungsart, z. B. tragend (Gurtförderer, durch den engen Becherabstand und die kontinuierlich Plattenförderer), schiebend (Rutschförderer, Kratzförlaufenden Antriebe einen fast gleichmäßigen Förderstrom derer), in Fremdmedien (pneumatische und hydraulierzeugen. Stetigförderer sind aber auch alle Förderer, die sche Förderer). Rohrleitungen benutzen, um flüssige, gasförmige oder feste Stoffe zu fördern, wie Pipelines oder pneumatische Förderer. 49.1 Gurtförderer und deren Berechnung Stetigförderer finden überall dort wirtschaftlich Verwendung, wo große Mengen etwa gleichartiger Fördergüter auf gleichbleibenden Wegen gefördert werden müssen. Gurtförderer transportieren meist Schüttgüter, wie z. B. Die Fördermenge je Zeiteinheit (Förderstrom) ist bei Ste- Kohle oder Erz. Gurtbandanlagen werden für Förderläntigförderern unabhängig von der Förderlänge, wenn der gen von wenigen Metern bis zu Längen von über 100 km Anlaufvorgang einmal abgeschlossen ist. gebaut; letztere werden aus Einzelanlagen von bis zu Stetigförderer übernehmen neben der Förderaufgabe 12 km Länge zusammengesetzt. Förderleistungen bis zu etoft auch Zusatzfunktionen, wie z. B. Trocknen, Mischen wa 50.000 t=h sind möglich. (Bandförderer, Schneckenförderer pneumatische Förderer), Gurtbandanlagen werden immer eingesetzt, solange Zwischenlagern durch Aufstau des Fördergutes und Vertei- nicht besonders raue Betriebsbedingungen oder heiße oder len auf verschiedene Förderziele (Stückgutförder- und Ver- scharfkantige Förderguter den Einsatz von aufwändigeren teilanlagen). Stetigförderer werden in großer Vielfalt für Gliederbandförderern (7 Abschn. 49.2) erfordern. die verschiedensten Einsatzgebiete gebaut. Im Tage- und Die Bänder laufen endlos über die Antriebstrommeln Untertagebergbau übernehmen Stetigförderer den Abtrans- und Umlenkrollen mit einer Spannvorrichtung. Die Laport des Abbaugutes zu den Lager- oder Verteilplätzen. Bei gerung erfolgt auf einem Rahmen aus Stahlprofilen. Das großen Schüttgutumschlagsanlagen machen Stetigförderer Oberband wird von in gleichmäßigen Abständen verteilten den Greiferanlagen Konkurrenz. mehrteiligen Bandrollen getragen, während der Rücklauf Bei der Fließbandfertigung werden Stetigförderer für des abgedeckten Unterbandes über breite Tragrollen erden Materialfluss eingesetzt. In großen Lageranlagen für folgt. Die Anwendung dieser Bänder ist auf gradlinige Schütt- oder Stückgut sind Stetigförderer wesentliche Sys- Förderwege bis 18ı aufwärts und etwa 8ı abwärts betembestandteile. schränkt. Stückgutstetigförderer werden auch für Förder- und Der Förderer besteht aus dem eigentlichen Gurt, den Verteilungsaufgaben, wie z. B. Paket-Sortieranlagen der Antriebsstationen sowie dem Bandgestell mit Tragrollen Post, Kommissionierzentren für den Großhandel oder Ak- und Umkehre. Zur Schonung der Bänder ist eine sorgfältenförderung in Verwaltungsgebäuden eingesetzt. tige Ausrichtung aller Rollen erforderlich.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_49

49

974

49

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

. Abb. 49.1 Gummigurtförderer, waagerecht gelagert. 1 Antrieb, 2 Gurtspannanlage, 3 Gurtgeradlauf-Einrichtung, 4 Gurtreinigung, 5 Traggerüst, 6 Bandumkehre, 7 Aufgabestelle, 8 Antriebsmotor

. Abb. 49.2 Doppeltrommelantrieb. a Schema der Seitenansicht, b Schema mit Einzelantrieb der Trommeln über Getriebe und Elektromotor, hier unter Zwischenschaltung einer Turbokupplung

1 Kraftübertragung auf den Gurt

Die von der Antriebstrommel auf den Gurt übertragbare Kraft ist abhängig a) vom Trommeldurchmesser, b) von der Größe des umspannten Bogens auf der Antriebstrommel, c) von der Reibungszahl zwischen Gurt und Antriebstrommel, d) von der Spannung des auflaufenden Gurtbandes. Wenn der Trommeldurchmesser durch die Konstruktion vorgegeben ist, so kann der Umschlingungswinkel ˛ an der Antriebstrommel vergrößert und der Reibungswert  durch Reibbeläge erhöht werden, um die notwendige Spannkraft zu erzeugen. Ferner kann eine geeignete Spannanlage – besonders beim Anfahren – den Schlappgurt aus dem Antrieb ziehen und für die richtige Vorspannung sorgen. Lässt sich trotz dieser Überlegungen die nötige Umfangskraft mit einer Antriebstrommel (. Abb. 49.1) nicht mehr übertragen, so werden zwei oder drei Antriebstrommeln verwendet (. Abb. 49.2 und 49.3). Bei Zwei- oder Mehrtrommelantrieb genügen Gurte geringerer Zugfestigkeit, Antriebstrommeln mit kleinerem Durchmesser und kleinere Getriebeeinheiten. Besonders haben sich Zweitrommelantriebe mit gleichen Einzelantriebsleistungen durch ihre Robustheit und ihre einfache elektrische Installation bewährt. Unterschiede der Umfangsgeschwindigkeiten der beiden Trommeln je nach dem

. Abb. 49.3 Arten bewährter Gurtführung. a Eintrommel-Antrieb mit direktem Abwurf, b Eintrommel-Antrieb mit Schwenkarm und Abwurfausleger, c Eintrommel-Antrieb mit Abwurfausleger, d Zweitrommel-Kopfantrieb mit Schwenkarm und Abwurfausleger, e Zweitrommel-Kopfantrieb mit direktem Abwurf, f Eintrommel-Kopfantrieb mit Eintrommel-Umkehrantrieb, g Zweitrommel-Kopfantrieb mit Eintrommel-Umkehrantrieb

verschieden großen Dehnschlupf des Bandes beim Umlauf um die Trommeln werden durch eine Turbokupplung oder durch den Schlupf des Elektromotors abgebaut. Elektromotor und Getriebe können auch raumsparend in den Trommeln untergebracht werden. Diese Trommeln nennt man dann Elektrotrommeln. Vor dem Auflauf des Gurtes auf die erste Antriebstrommel sind meist Reinigungseinrichtungen erforderlich.

975 49.1  Gurtförderer und deren Berechnung

. Abb. 49.5

Füllquerschnitt eines flachen Gurtes ˇ  15ı

. Abb. 49.4 Gurtausführungen. a Gurt mit Gewebezugträger; b Gurt mit Stahlseilzugträger

Fördergurte (. Abb. 49.4) müssen zugfest, verschleißarm und unfallsicher sein. Synthetische Fasern oder Stahleinlagen werden mit einem festen Stoffgewebe verbunden, so dass ein Zerreißen der einzelnen Lagen oder ein Zersetzen des Materials praktisch ausgeschlossen ist. Die Tragdecke der Fördergurte wird auf die spezifischen Erfordernisse des jeweiligen Einsatzfalls abgestimmt. Die Gummi-Industrie liefert Fördergurte a) mit Gewebezugträger (nach DIN 22 102-1 bis 3) vorwiegend mit vollsynthetischen Polyester/PolyamidGewebeeinlagen 4 in Normalausführung, 4 in temperaturbeständiger Ausführung (bis 200 °C), 4 in ölbeständiger Ausführung, 4 in lebensmittelverträglicher Ausführung. Fördergurte für den Steinkohlenbergbau sind in der Normengruppe DIN 22 109 beschrieben. Es gibt Fördergurte mit Gewebezugträger auch in folgenden Ausführungen: 4 schwer entflammbarer (DIN EN ISO 340), 4 mit aufvulkanisierten Profilen für die Steilförderung, 4 mit Taschen als Elevatorgurte. b) mit Stahlseilzugträger (nach DIN 22 131-3) für Anlagen mit großen Achsabständen und hohen Förderleistungen. 1 Berechnungsgrundlagen

Die Berechnungsgrundlagen für Bandförderer sind in DIN 22 101 festgelegt. Die wichtigsten Gesichtspunkte sind die Ermittlung der Förderleistung, der Antriebsleistung und der Bauteildimensionierung (Festigkeitsrechnung). Der theoretische Füllquerschnitt A errechnet sich aus den schraffierten Vieleckflächen nach den . Abb. 49.5 und 49.6. Für Muldungswinkel 20ı    40ı und Gurtbreiten 650 mm  B  3000 mm kann der theoretische Füllquerschnitt A direkt aus DIN 22 101 entnommen werden. Dann ergibt sich: theoretischer Volumenstrom IV D A v

. Abb. 49.6 Füllquerschnitt eines gemuldeten Gurtes. A D A1 C A2 . Für die nutzbare Gurtbreite b in Abhängigkeit der Gurtbreite B gilt: b D 0;9  B  50 mm für B  2000 mm, b D B  250 mm für B > 2000 mm

Nennvolumenstrom IV;N D '  'St IV Nennmassenstrom Im N D IV;N   Nennstreckenlast infolge aufliegender Förderlast mL;N D '  'St  g A IV ; IV;N Im;N mL;N v  ' 'St

in m3 =s in kg=s in N=m Fördergeschwindigkeit in m=s Schüttdichte der Förderlast in kg=m3 effektiver Füllungsgrad Abminderungsfaktor bei Steigung

Der Füllungsgrad ' ist eine von den Eigenschaften der Förderlast (z. B. Stückigkeit, max. Kantenlänge) und den Betriebsverhältnissen der Gurtförderanlage (Gleichmäßigkeit der Materialaufgabe, Geradlauf des Bandes, Reservekapazität bestimmte Größe. (Meist ist 0;7  '  1;1). Der Abminderungsfaktor 'St berücksichtigt die verminderte Fördermenge bei steigender oder fallender Förderung. Die von den Trommeln auf den Fördergurt zu übertragende Umfangskraft F wird wie folgt errechnet F D .FH C FN / C FSt C FS .FH C FN / Bewegungswiderstandskraft zur Überwindung der Reibung der Anlage in N Steigungswiderstandskraft bei geneigter FörFSt derung in N Sonderwiderstandskraft in N. FS

49

976

49

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

Die Bewegungswiderstandskräfte (FH CFN ) errechnen sich zu .FH C FN / D

L C f Œm0R

C

.2m0G

C

m0L /

cos ı  g

L m0R

Förderlänge in m Streckenlast infolge der drehenden Tragrollenteile von Ober- und Untertrum gemeinsam in kg=m m0G Streckenlast infolge Fördergurt in kg=m m0L Streckenlast infolge Förderlast bei gleichmäßiger Verteilung auf der Förderstrecke in kg=m cos ı Neigungsfaktor f fiktiver Reibungswert f  0;020 (normal), f  0;017 bei günstigen und f  0;027 bei schweren Betriebsbedingungen g Fallbeschleunigung in m=s2 (D 9;81 m=s2 ) C Beiwert zur globalen Berücksichtigung von Nebenwiderständen (falls diese nicht in Einzelrechnung erfasst werden) nach folgender Tabelle: L in m C

80 1;92

100 1;78

200 1;45

300 1;31

L in m C

700 1;14

1000 1500  2000 1;09 1;06 1;05

500 1;2

Bei Steigungen oder Gefälle kommt die Hangabtriebskraft ˙FSt dazu: FSt D m0L  g  L  cos ı  m0L  g H

Schüttdichte der Förderlast  D 1800 kg=m3 Fiktiver Reibungswert der Rollen f D 0;027 Nennmassenstrom Im;N D 116;67 kg=s Mechanischer Wirkungsgrad des Antriebs  D 0;82 Gurtgemuldete Breite B D 0;8 m Muldenwinkel ˇ D 20ı Bandgeschwindigkeit v D 1;2 m=s Streckenlast durch Fördergurt mq D 14;5 kg=m Masse einer Rolle im Obertrum mRO1 D 24;6 kg Masse einer Rolle im Untertrum mRU1 D 11;8 kg

Hubhöhe H in m, CH bei Steigungen, H bei Gefälle.

Rollenabstand im Obertrum

Ferner können noch Sonderwiderstände FS an den seitlichen Tragrollen auftreten. Diese sind ggf. nach DIN 22 101 zu berechnen. Die erforderliche Antriebsleistung beträgt dann

Rollenabstand im Untertrum

lRO D 0;8 m

F

P P D Fv

WD

Nm s

N

v m s

lRU D 2;5 m keine Sonderwiderstände FS D 0;0 N Waagerechte Förderung ı D 0;

cos ı D 1

7 Beispiel Berechnung der Antriebsleistung eines steigend verlegten Gurtförderers mit einem Eintrommelantrieb am Kopf der Bandanlage. Für die Rechnung werden folgende Daten zugrunde gelegt:

Lösung: Streckenlast aus Tragrollen: Obertrum: kg mRO1 24;6 D 30;75 D lRO 0;8 m

Förderlänge

mRO D

L D 250 m

Untertrum:

Förderhöhe H D 20 m

mRU D

kg mRU1 11;8 D 4;72 D lRU 2;5 m

977 49.2  Gliederbandförderer

2. Massenguttransport mit großen Förderleistungen in Aufwärtsförderung bei mehr als 18ı Neigung, wofür übliche Gurtförderanlagen nicht ausreichen. 3. Steilförderung bis zu 60ı Neigung mit Kastenbandförderern. Auch sehr feinkörniges und staubartiges Fördergut kann kontinuierlich in gut dichtenden Zellen aufwärts gefördert werden. 4. Bunkeraustragevorrichtungen bei üblichen Bunkerverschlüssen oder zum Abziehen des Materials aus langen Schlitzbunkern, wobei die Förderanlage für die starken Belastungen des sich auf der Austragevorrichtung abstützenden Fördergutes ausgelegt werden muss. 5. Rundförderung an Materialbearbeitungsplätzen, gegebenenfalls mit zwischengeschaltetem, automatischem Abwurf. 6. Erfüllung von Sonderaufgaben durch Spezialbänder, beispielsweise gleichzeitige, gegenläufige Förderung im Über- und Untertrum zur Einsparung einer zweiten, zusätzlichen Förderanlage. Einschaltung einer oder mehrerer Zwischenentladungen in der Förderstrecke. Vorübergehende Bunkerung von Material als Pufferung bei kontinuierlicher Zuförderung und stockender Abförderung im Untertagebetrieb. Materialkühlung während des Transportes. 7. Förderung unter sehr rauen Betriebsbedingungen, wo Robustheit und Unempfindlichkeit die wichtigsten Betriebseigenschaften des Fördermittels sein müssen, wie z. B. im Bergbau oder bei Feuerungsanlagen.

Gesamt: m0R D mRO C mRU D 35;47 kg=m Streckenlast aus Fördergut: m0L D

116;7 kg Im;N D D 97;25 v 1;2 m

Die Bewegungswiderstandskräfte betragen mit C D 1;38 (aus Tabelle interpoliert): .FH C FN / D 250  1;38  0;027  Œ35;47 C .2  14;5 C 97;25/  9;81 .FH C FN / D 14:778 N Die Zugkraft im Band für die Hubarbeit beträgt: FSt D 97;25  9;81  20 D 19:080 N Die Gesamtzugkraft im Band, die der an der Antriebstrommel zu übertragenden Kraft entspricht, beträgt: F D 14:778 N C 19:080 N D 33:858 N Die erforderliche Antriebsleistung beträgt PM D F  v 

1 1 D 33:851  1;2   0;82

PM D 49:548 Nm=s , 50 kW 9

49.2

Gliederbandförderer

1 Berechnung des Förderstroms von Gliederbandförderern (DIN 22 200)

Während die bisher beschriebenen Gurtbänder sowohl für die Kraftübertragung als auch für die Aufnahme des Fördergutes das gleiche Bauteil, den Gurt, benutzen, besitzen Gliederbandförderer hierfür zwei verschiedene, miteinander verbundene Bauteile. Stahlgelenkketten oder Rundstahlketten übernehmen die Kraftübertragung, während an den Ketten befestigte Transportglieder das Fördergut tragen. Transportglieder sind Stahlplatten (Großplattenbänder, Kurzplattenbänder, Wandertische), Stahlplatten mit seitlich hochgezogenen Wänden (Trogbandförderer) und Querstegen zur Steilförderung. Die konstruktive Ausführung von Gliederbandförderern ist je nach dem speziellen Einsatzfall außerordentlich mannigfaltig. Anwendungsgebiete für Gliederbandförderer sind besonders: 1. Transport von schwierigem Fördergut z. B. scharfkantige Stücke (Schrott, Stahlblechabschnitte), verschleißendes Fördergut (Schlacken, Koks), heißes Feingut (Sinterrückgut, Schwefelkiesabbrände). glühendes Material (Sinteragglomerat, geschäumte Schlacke), schwere Einzelteile (Gussstücke, Knüppel, Masseln) mit Großplattenbändern.

m P D A v S

m P kg s

A m2

v m s

S kg m3

A Füllquerschnitt des Tragbandes. Dieser kann bei Steigungswinkeln bis ˛ D 15ı als Produkt aus der lichten Breite B und der lichten Höhe h des Tragbandes berechnet werden, also A D B h. v Fördergeschwindigkeit (0,6–0,8 m=s bei Laschenketten; 1,2–1,5 m=s bei Rundgliederketten). S Schüttdichte des Fördergutes ( 0;85–0;9/ t=m3 bei Steinkohle). Ist mit einer ungleichförmigen Beladung zu rechnen, so ist dies durch einen Ausnutzungsfaktor ' D 0;5–1,0 zu berücksichtigen. Steigungen von ˛ ı werden durch Term 0;02.65ı  ˛ ı / berücksichtigt. Damit wird m P D B h ' v S für ˛ D 0–15ı Steigung m P D 0;02.65ı  ˛ ı /B h ' v S für ˛ D 15–40ı Steigung Bei Gliederbandförderern für Stückgut muss der Förderstrom aus den Abmessungen und dem Gesamtgewicht der

49

978

49

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

. Abb. 49.7 Trogbandförderer mit mitlaufenden Rollen

je Zeiteinheit transportierten Stücke oder Ladeeinheiten aufsummiert werden. 1 Antriebsstationen

Für die Anordnung der Motoren gilt das gleiche wie bei den Gurtförderern, d. h. die Antriebe werden so vorgesehen, dass die Bänder gezogen werden. Bei waagerechten und ansteigenden Bandanlagen kommen die Antriebe an das Abwurfende. Bei Abwärtsbetrieben in Bandanlagen wird der Antrieb so lange am Abwurfende aufgestellt, als die Bewegungswiderstände größer sind als die Hangabtriebskraft. Überwiegt letztere, so muss der Förderer abgebremst werden, und der Antrieb wird am Aufgabeende angeordnet. Im Gegensatz zu den Gurtförderern ist bei Gliederbandförderern das Eigengewicht und damit die belastungsunabhängige Leerlaufleistung von erheblicher Bedeutung. Als Antriebsmotoren benutzt man Drehstrom-Kurzschlussläufermotoren mit einer elektronischen, hydraulischen oder mechanischen Sanftanlaufschaltung. Der weiche Anlauf schont Band und Getriebe und setzt die Stromspitzen herab. Bei längeren Gliederbandförderern baut man oft Zwischenantriebe ein. Dies ermöglicht, die Zugkettenstränge schwächer zu dimensionieren. Die Antriebsleistung wird nach DIN 22 200 analog den Gleichungen für Gurtbandförderer aufgestellt und erfasst Leerlauf-, Transport- und Hubleistung. 1 Trogbandförderer

Das Hauptanwendungsgebiet des Trogbandförderers (. Abb. 49.7) ist die Streckenförderung unter Tage. Er ist unempfindlicher und in der horizontalen und vertikalen Richtung wendiger und anpassungsfähiger als der Gummigurtförderer. Im Gegensatz zu Kratzerförderern, bei denen das Fördergut auf einer stillstehenden Rinne glei-

tet, wird das Fördergut beim Trogbandförderer auf einer aus einzelnen Stahltrögen gebildeten gelenkigen, endlosen Bandmatte transportiert. Die Fördergeschwindigkeit beträgt 0,6–2,0 m=s. !Hinweis Plattenbandförderer und Wandertische siehe 7 Abschn. 48.2.4

49.3

Kratzförderer und Schwingrinnen

Das Anwendungsgebiet für Kratzförderer in Doppel- und Einkettenausführung ist hauptsächlich die Grundstoffindustrie. Eine feststehende Stahlblechrinne (Trog) dient als Unterlage für das Fördergut, das sich auf dieser gleitend bewegt, geschoben oder durch Querrippen gebremst wird. Die Querrippen, oder Stege sind in regelmäßigen Abständen an einer oder zwischen zwei Stahlketten befestigt, die endlos zwischen der Antriebstrommel und der Umkehrtrommel der Anlage laufen. Meist ist das Obertrum im Eingriff mit dem Fördergut, während das Untertrum leer zurückläuft. Es kann aber auch umgekehrt sein (. Abb. 49.8). Die Geschwindigkeit von Kratzförderern beträgt ca. 0,4–0,8 m=s. Bremsförderer finden Verwendung, wenn eine Abwärtsförderung von Schüttgütern dosiert und kontrolliert geschehen muss. Es werden hauptsächlich Stauscheibenbzw. Einkettenförderer verwendet. Das Fördertrum der endlosen Stahlgliederkette gleitet in einer muldenförmigen Rinne. Die Antriebstrommel liegt am oberen Ende des Förderers, die Umkehrtrommel mit Spannvorrichtung wird unten vorgesehen. Auf der Kette sind in regelmä-

979 49.4  Becherwerke

. Abb. 49.8 Beispiel eines Kettenkratzerförderers (Trogkettenförderers) für Förderleistungen von 28 bis 56 m3 =h, für den Transport von staubförmigen und körnigen Gütern in der verfahrenstechnischen Industrie. Eine Besonderheit sind die Gummiförderketten mit Stahleinlagen und Mitnehmern aus Kunststoff, die eine gelenklose Bauweise, Korrosionsfreiheit, Geräuscharmut und staubdichte Förderung ermöglichen [Wiese-Förderanlagen]

ßigen Abständen Stauscheiben quer zur Förderrichtung befestigt. Die Förderkette mit den Stauscheiben muss nun vom Antrieb gebremst werden, wenn der Hangabtrieb des Fördergutes größer ist als der Reibungswiderstand von Fördergut und Kette. Wenn die Hangabtriebskraft des Fördergutes kleiner ist als die Reibungskraft, das heißt, wenn die Bedingung: m g sin ˛  .mK K C m B / cos ˛  g m; mK kg

g m s2



˛

1

ı

m Fördergutmasse Kettenmasse mK B , K zugeordnete Reibungswerte erfüllt ist, muss die Stauscheibenkette vom Motor angetrieben werden. Dies ist etwa bei einem Neigungswinkel von ˛  20–25ı je nach Größe der Reibungswerte K und B der Fall. Die Fördergeschwindigkeit beträgt etwa 0,5–0,7 m=s. Die Förderleistung liegt bei ca. 50–100 t=h. Eine Schwingrinne besteht aus einem trogförmigen Behälter, der das zu fördernde Schüttgut aufnimmt, aus der schrägen Abstützung unter dem Winkel ˇ (. Abb. 49.9) und aus dem Schwingantrieb. Als Schwingantriebe findet man Unwucht-Motoren, elektromagnetische Schwinger und gelegentlich auch Kurbelantriebe. Der Schwingantrieb versetzt die Rinne in der in . Abb. 49.9 eingezeichneten Richtung in Schwingungen, wodurch das in der Rinne befindliche Fördergut (meist Schüttgut) in Förderrichtung in Bewegung versetzt wird. 1 Wirkungsweise

Aus der Schwingfrequenz f, dem Schwingweg s und dem Winkel ˇ lässt sich die vertikale Komponente av der Schwingbeschleunigung ermitteln.

. Abb. 49.9 Wirkungsweise einer Schwingrinne. ˇ Anstellwinkel der Rinne, s Rinnenweg

Während des Vorschwingens erteilt die Rinne dem Fördergut den vertikalen Impuls m av t (t D Vorschwingzeit). Sie „wirft“ das Fördergut nach oben. Gleichzeitig wird das Fördergut mit der Kraft F1 v D m.g C av / an den Rinnenboden gepresst. Daher kann dem Fördergut gleichzeitig aufgrund der Reibungskraft FR D  F1 v D  m.g C av / der waagerechte Impuls in Förderrichtung  m.g C av / t erteilt werden. Das Fördergut wird also insgesamt schräg in Förderrichtung hochgeworfen. Beim Zurückschwingen wirkt auf das Fördergut nur die Fallbeschleunigung g, wenn die Rinne schneller zurückgezogen wird, als das Fördergut in freiem Fall folgen kann (a > g). Die Frequenz der Schwingrinne wird so gewählt, dass das Fördergut dann wieder auf den Rinnenboden auftrifft, wenn die Rinne in unterster Stelle ist und der nächste Wurfvorgang beginnt. Schwingrinnen werden für kurze Förderstrecken gebaut, meist bis 20 m Förderlänge. Ihr Haupteinsatzgebiet liegt dort, wo die Schwingbewegung gleichzeitig für Zusatzaufgaben ausgenutzt werden kann, wie Sieben, Mischen oder Lockern des Fördergutes. 49.4

Becherwerke

Becherwerke (. Abb. 49.10) dienen zur vertikalen Förderung von trockenen, frei fließenden Schüttgütern. Es werden staubende Güter (Kohlenstaub, Mehl), feinkörnige (Korn, Granulate) und gröbere bis 32 mm Korngröße gefördert. Müssen Körnungen bis 150 mm oder klebrige oder nasse Schüttgüter gefördert werden, so sind dem Fördergut angepasste Sondermaßnahmen, z. B. bezüglich der Becherform, zu treffen. Es werden Förderhöhen bis zu ca. 150 m und Förderleistungen bis zu ca. 1000 m3 =h realisiert. Die vertikale Förderung der Fördergüter erfolgt über Elevatorbecher, welche in einem im regelmäßigen Abstand an einem endlos geschlossenen Fördergurt oder an einer Förderkette als Zugorgan geschraubt sind. Vorrangig werden Gurtbecherwerke (. Abb. 49.10) eingesetzt, da diese ruhiger laufen, geringeren Verschleiß

49

980

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

49

. Abb. 49.11 Becherausbildung bei Becherwerken [Russig Fördertechnik]. a Becher an Fördergurt über Distanzgummis befestigt. Man beachte, dass nur die obere Schraubverbindung die Becher trägt, die untere dient nur der Abstützung. So werden Materialeinklemmungen zwischen Gurt und Becher vermieden, die die Standzeit des Gummigurts beeinträchtigen würden. b Becher an Rundstahlkette für heiße, grobe und scharfkantige Fördergüter

49.5

. Abb. 49.10 Becherwerk für die Senkrechtförderung von Schüttgütern. Gezeigt ist eine Ausführung mit Fördergurt als Trag- und Zugorgan für die Becher [Russig Fördertechnik]

haben, und kostengünstiger herzustellen sind. Kettenbecherwerke werden hauptsächlich dann eingesetzt, wenn Temperaturen über 180 ı C und/oder Körnungen über 80 mm und/oder scharfkantige Fördergüter vorliegen. Der mit den Elevatorbechern (. Abb. 49.11) bestückte Elevatorgurt läuft endlos um zwei Umlenktrommeln, wovon die obere durch einen Getriebemotor angetrieben wird. Die Fördergeschwindigkeit beträgt in der Regel ca. 1–1,8 m=s. Becherwerke sollten immer leer angefahren, und vor dem Abstellen leer gefahren werden. Am Becherwerksfuß wird das Fördergut über einen Trichter (Schurre) aufgegeben. Die senkrechte Förderung erfolgt in einem nach außen staubdicht abgeschlossen Gehäuse. Am Becherwerkskopf erfolgt die Abgabe des Fördergutes aus den Elevatorbechern durch eine Nutzung sowohl der Schwerkraft als auch der Fliehkraft. Nur bei Fördergütern, die zum Anbacken bzw. zum Kleben neigen, sind ggf. Sondermaßnahmen zu treffen (Vibration, Ausblasen oder einfach häufige Reinigung). Becherwerke lassen sich gut in verfahrenstechnische Anlagen integrieren.

Pneumatische Förderanlagen

Pneumatische Förderer nennt man Anlagen, bei denen das Fördergut in Rohrleitungen vom Luft- oder Gasstrom frei fliegend mitgerissen oder vorwärtsgeschoben wird. Befördert wird meist staubförmiges, feinkörniges oder mittelkörniges Gut bis etwa 10 mm Korndurchmesser, seltener gröbere Korngrößen. Pneumatische Förderer werden bei Be- und Entladeanlagen für Schüttgüter in Häfen, in der Zementindustrie, in der Bauindustrie, in der chemischen Industrie, in der Glasindustrie und in der Lebensmittelindustrie verwendet. Ein besonderer Vorteil der pneumatischen Förderanlagen besteht darin, dass es einfach möglich ist, Verzweigungen vorzunehmen, d. h. das Fördergut mit Hilfe von Weichen zu verschiedenen Bunkern oder Verarbeitungsstellen zu leiten. Bei aggressiven Fördergütern kann die Förderleitung aus Edelstahl, Kunststoff, Glas oder anderen Stoffen hergestellt werden. Die pneumatische Förderung ist ferner wegen ihrer geschlossenen Rohrleitungen sauber und staubfrei, was besonders bei feinkörnigem Fördergut sehr wichtig ist. Dazu kommt, dass pneumatische Förderanlagen elegant an die verschiedenen Räume angepasst werden können. Rohrleitungen kann man waagerecht, senkrecht, gekrümmt, gerade, über oder unter Flur verlegen und hat damit größere Gestaltungsfreiheit als bei anderen Fördersystemen. In der verfahrenstechnischen Industrie werden Schüttstoffe in Straßen- oder Bahntankfahrzeugen oder Containern angeliefert, die durch pneumatische Förderer leicht und sauber be- und entladen werden können. Bei pneumatischen Förderern ist es auch in einfacher Weise möglich, noch zusätzlich einen Teilprozess des Verfahrens in die Förderanlage zu legen, wie z. B. Wiegen, Dosieren, Kühlen, Aufheizen, Trocknen, Mahlen oder Sieben des Fördergutes.

981 49.5  Pneumatische Förderanlagen

49.5.1

Grundlagen der pneumatischen Förderung

Für die in den Rohren strömende Luft gelten die Gesetze der Strömungs- und Thermodynamik kompressibler Medien. Werden Schüttgüter in den Luftstrom eingebracht, so ändern sich diese Gesetze abhängig von den Schüttguteigenschaften, der Aufgabeart, Förderart und Fördermenge auf vielschichtige Weise. Das Fließverhalten von Schüttgütern hängt nämlich von sehr viel mehr Einflussgrößen ab, als es bei Flüssigkeiten der Fall ist. Von Einfluss sind: a) Korngröße, Kornform, Korngrößenverteilung; je kleiner die Korngröße, desto größer ist das Verhältnis der angeblasenen Fläche zum Gewicht, desto besser ist die Förderbarkeit; je kugelähnlicher und glatter die Kornform, desto geringer gegenseitiges Verhaken; je länglicher (D fischiger), desto schlechter, da die Anblasfläche des Kornes bei Längslage im Rohr so klein werden kann, dass es liegen bleibt; je gleichmäßiger die Korngrößen des gesamten Fördergutes, desto genauer lassen sich die gewünschten Strömungsverhältnisse herstellen. b) Das Schüttgewicht; es bestimmt die je Volumeneinheit zu überwindenden Massen- und Gewichtskräfte. c) Die Härte der Körner; sie erlaubt eine Abschätzung, ob sich die Körner des Schüttgutes durch Zerkleinern und Verformen während des Fördervorganges ändern werden. Ferner beeinflusst die Härte den zu erwartenden Verschleiß der Förderrohre und sonstiger Fördereinrichtungen. d) Sondereigenschaften, z. B. elektrostatische Aufladung bei Kunststoffen, hygroskopisches (D feuchtigkeitsanziehendes) Verhalten, chemische Instabilität wie Oxydationsneigung u. a. m.

Einflussgrößen ändert. Trotzdem kann man grundsätzlich erkennen: die Leerlaufkennlinie (keine Beladung, Massenstrom mS D m P D 0 t=h) entspricht dem Bernoulli’schen Gesetz, dem die Flugförderung (. Abb. 49.13) desto besser gehorcht, je größer die Fördergeschwindigkeit ist. Mit hohem Druckabfall, aber niedriger Geschwindigkeit, arbeiten die Schubförderungen. Dazwischen sind verschiedene Zustände möglich. Eingezeichnet in . Abb. 49.12 sind ferner die Anlagenkennlinien für verschiedene Belastungszustände (Massenströme) der Anlage: mS D m P D 0 t=h

Keine Beladung, reine Gasströmung P D 10–50 t=h Beladene Anlage, Massenströme mS D m 10 bis 50 t=h Man beachte, dass die Anlagenkennlinien für alle Massenströme in diesem Beispiel ein Druckminimum im Bereich der Flugförderung aufweist. Dieses Druckminimum kennzeichnet den Betriebspunkt dieser Anlage mit dem geringsten Energieaufwand, d. h. mit dem höchsten Wirkungsgrad.

1 Das Zustandsdiagramm für die pneumatische Förderung

In einem Druckverlust-Geschwindigkeitsdiagramm werden die Zustände dargestellt, die das Schüttgut-Luftgemisch haben kann (. Abb. 49.12). Das Diagramm ändert sich sofort, wenn man eine der oben beschriebenen

. Tabelle 49.1 Erklärung zu den Bereichen a) bis d) in den . Abb. 49.12 und 49.13 –

v D 0 m=s

Ruhezustand (Schüttung, Rohrverstopfung) Keine Förderung, auch nicht bei Druckerhöhung

a) b)

v  5–15 m=s

Schubförderung und Pfropfenförderung bei langsamer Geschwindigkeit und bei hohen Drücken

c)

v  20 m=s

Instabiler Bereich. Zwischenzustände zwischen Schub- und Flugförderung („Strähnenförderung“)

d)

v  >25 m=s

Flugförderung

. Abb. 49.12 Zustandsdiagramm eines Schüttgut-Gasgemisches (Beispiel). Die Druckdifferenz p in MPa in der Förderleitung ist über der Strömungsgeschwindigkeit aufgetragen [Zeppelin Silos & Systems GmbH]. a), b), c), d) Strömungszustände nach . Abb. 49.13

. Abb. 49.13 Grundsätzliche Strömungszustände in pneumatischen Förderleitungen. a Schubförderung, b Pfropfenförderung, c Instabiler Bereich („Strähnenförderung“), d Flugförderung

49

982

49

49.5.2

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

Einteilung der pneumatischen Förderer

Aufbau und Betrieb pneumatischer Förderanlagen lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten gliedern: a) nach dem Förderprinzip in Schubförderer, Pfropfenförderer und Flugförderer . Abb. 49.14 Schemata verschiedener pneumatischer Fördersysteme [NEUERO Industrietechnik für Förderanlagen], a einfache Saugförderanlage, b einfache Druckförderanlage, c kombinierte Saug-/Druckförderanlage

b) nach der Art der Fördergutaufnahme und der Druckbzw. Unterdruckerzeugung in 4 Saugförderanlagen 4 Druckförderanlagen 4 kombinierte Saug-/Druckförderanlagen . Abb. 49.14 zeigt den grundsätzlichen Aufbau dieser drei Anlagentypen.

983 49.5  Pneumatische Förderanlagen

c) nach dem Betriebsdruck in Förderer mit Niederdruck bis 1 bar Mitteldruck 1 bis 3,5 bar Hochdruck über 5 bar d) nach dem Fördergut, z. B. Getreideförderer, Zementförderer, Perlrußförderer. Bei der Freiflugförderung bewegen sich die Gutteilchen einzeln oder in Form von Gutwolken bei hoher Geschwindigkeit des Fördermittels durch die Rohrleitung. Bei Schubförderung wird das Gut in dichter Packung, durch die das Fördermittel strömt, durch die Leitung geschoben. 49.5.3

Ausgeführte Anlagen

1 Saug- und Druckförderanlagen

Ausgeführte Anlagen arbeiten in der Regel nach den in . Abb. 49.14 gezeigten Prinzipien. Bei der Saugförderung (. Abb. 49.14a) erzeugt ein Saugventilator in der Nähe des Förderziels die Luftströmung in der Förderleitung. Die Materialannahme erfolgt hier besonders einfach durch eine Saugdüse. Das macht dieses Anlagenprinzip für Umschlaganlagen für Massengüter, wie Getreide oder Ölsaat, besonders interessant. Druckförderanlagen (. Abb. 49.14b) ermöglichen eine Verteilung des Fördergutes auf verschiedenen Empfangsstationen. Die Fördergutaufgabe muss aber über eine Zellenradschleuse (. Abb. 49.15c) erfolgen. Wenn das Fördermittel Schutzgas erfordert, kann dieses über einen geschlossenen Kreislauf zurückgeführt werden. Wenn ankommende Silofahrzeuge entladen werden müssen, empfiehlt sich eine kombinierte Saug- DruckFörderanlage nach . Abb. 49.14c. Dann kann man das Silofahrzeug auf einfache Weise entladen. Danach können alle Vorteile einer Druckförderanlage genutzt werden, wie Verzweigungen (Rohrumschalter in . Abb. 49.14b) oder die Integration in eine verfahrenstechnische Anlage. In . Abb. 49.15 sind die wichtigsten maschinenbaulichen Komponenten von pneumatischen Förderanlagen nach . Abb. 49.14 zusammengestellt. Die bisher beschriebenen Anlagen, ob Saug- oder Druckförderanlagen, arbeiten hauptsächlich im Bereich der Flugförderung, wie es für Umschlaganlagen oft günstig ist. 1 Pfropfenförderanlagen

Im Bereich der industriellen Verfahrenstechnik werden hauptsächlich Druckförderanlagen eingesetzt, die nach dem Prinzip der Schubförderung oder der Pfropfenförderung arbeiten. Besondere Bedeutung hat die Pfropfenförderung mit Luftinjektionen, da hiermit auch backendes, nicht fließfähiges Fördergut über längere Strecken sicher, schonend und energetisch sparsam befördert werden kann.

. Abb. 49.15 Wichtige Komponenten der pneumatischen Anlagen nach . Abb. 49.14 [NEUERO Industrietechnik für Förderanlagen]. A) Druckerzeuger, Luftstromerzeuger. A1 Turbogebläse, A2 Drehkolbengebläse. B) Abscheider zum Trennen des Fördergutes vom Fördergas. B1 Filterabscheider (mit Zellradschleuse), B2 Zentrifugalabscheider („Zyclonabscheider“). C Zellradschleuse

In . Abb. 49.16 wird die prinzipielle maschinenbauliche Ausführung einer Pfropfenförderanlage mit Luftinjektionen (PULS-PNEU-Verfahren) beschrieben. . Abb. 49.17 zeigt das Schaubild einer ausgeführten Förderanlage, in die verfahrenstechnische Arbeitsschritte, wie Dosieren, Wiegen, Mischen, Verteilen integriert sind.

49.5.4

Vergleich der pneumatischen Förderverfahren

In . Tab. 49.2 werden die Verfahren der pneumatischen Förderung – Flugförderung – Schubförderung – Pfropfenförderung gegenübergestellt und mit einander verglichen. Für jedes Verfahren werden die Vor- und Nachteile sowie typische Fördergüter, Branchen und Auslegungsdaten angegeben.

49

984

49

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

. Tabelle 49.2 Vergleich der pneumatischen Förderverfahren Typische Kenngrößen

Strömungszustände (. Abb. 49.12 und 49.13) Flugförderung Schubförderung Pfropfenförderung (Dünnstromförderung) (Dichtstromförderung) mit Luftinjektionen

Fördergüter

Verfahren

Branchen

Granulate geringer Härte, z. B. Getreide, Ölsaat







Grobkörniges Pulver, z. B. Gries u. ähnliches







Feines Pulver, trocken







Feines Pulver, backend, abrasiv, vorgemischt







Saugverfahren







Druckverfahren







Kombinierte Saug-Druckverfahren







Verladeanlagen, Massenschüttgüter











Lebensmittelindustrie, Industrielle Vorratshaltung

Auslegungsdaten

Fördergeschwindigkeiten

Förderdrücke

Beladungen kg Fördergut pro kg Luft

Verfahrenstechnische Anlagen, Pharmaindustrie, Chemie







Förderwege

< 10:000 m

< 1000 m

< 300 m

Rohrdurchmesser

100–500 mm

50–150 mm

10–100 mm

Leistungen

< 150 t=h

< 100 t=h

< 30 t=h

hoch

12–40 m=s





mittel



5–20 m=s



gering



3–10 m=s

3–10 m=s

Niederdruck

0,2–1 bar





Mitteldruck

< 3 bar

1–3,5 bar

< 3;5 bar

Hochdruck





< 8 bar

niedrige Beladung

5–20 kg=kg < 30 kg=kg

mittlere Beladung < 80 kg=kg

hohe Beladung Druckerzeugung

Turbogebläse







Drehkolbengebläse







Trennung Luft–Fördergut

Zentrifugalabscheider





Filterabscheider

häufig, sehr gut geeignet, , weniger häufig, weniger gut geeignet, – Nicht geeignet Zusammenfassung Flugförderung

Schubförderung

Pfropfenförderung

Hauptvorteile

C einfache Anlage C hohe Umschlagsleistung C hohe Förderlänge C hohe Stabilität und C Betriebssicherheit

C geringer Energieverbrauch C kleine Korngrößen ab 0,1 mm, solange trocken und luftdurchlässig C Zusatzaufgaben integrierbar (Wiegen, dosieren, Mischen)

C geringer Energieverbrauch C auch für abriebempfindliche, backende Fördergüter C Zusatzaufgaben integrierbar (Wiegen, dosieren, Mischen)

Hauptnachteile

 hoher Energieverbrauch  hohe Trennleistung nötig (Zentrifugalabscheider, Entstauber)  hoher Abrieb (Fördergut)  hoher Anlagenverschleiß

 geringe Förderlänge  Druckniveau höher

 geringere Förderlänge als Flugförderung  hoher Regelaufwand  höherer Anlagenpreis

985 49.6  Schaufelradlader

. Abb. 49.16 Pfropfenförderverfahren mit Luftinjektionen [solids system-technik GmbH]

. Abb. 49.17 Pneumatische Druckförderanlage nach dem Prinzip der Pfropfenförderung mit Luftinjektionen, in welche verfahrenstechnische Arbeitsschritte integriert sind [solids system-technik GmbH]

49.6

Schaufelradlader

Schaufelradlader sind stetig arbeitende Massengutumschlaggeräte, die an Lagerplätzen und im Braunkohlenbergbau eingesetzt werden; sie arbeiten stets im Verbund mit anderen Stetigförderern, meist mit Gurtförderern. Schaufelradlader können auf Gleisen oder auf Raupenfahrwerken verfahren werden. Als Lastaufnahmegerät dient ein kontinuierlich umlaufendes Rad mit ca. 5 bis 15 m Durchmesser, welches an seinem Umfang Schürfkübel

. Abb. 49.18 Beispiel eines Standard-Schaufelradladers [MAN]. Auslegerlänge: 22 m, Schaufelrad: Zellenrad, Schaufel-Inhalt: 250 l, Durchmesser des Schaufelrades: 5,0 m, Rückladeleistung für Erz und Kohle: 800 t=h, Beladeleistung für Erz und Kohle: 2000 t=h, Bandbreite: 1200 mm, Installierte Leistung: 250 kW

49

986

Kapitel 49  Stationäre Schüttgutförderer

49.7

49

Verladeanlagen und Hafenkrane

Für den Umschlag von Rohstoffen, wie Erz, Kalk, Kies, Kohle, Koks u. a. mehr oder zum Verladen von Fertigprodukten und Containern werden große Verladebrücken konstruiert. Sie können Straßen, Flüsse, Eisenbahngleise und Lagerplätze überspannen und sind je nach Einsatzfall mit Greifern, Becherwerken oder pneumatischen Förderern ausgerüstet. 1 Konstruktionsmerkmale

. Abb. 49.19 Beispiel einer Massengutumschlagsanlage für Erz, Kohle, Bauxit, Phosphat o. ä. mit Schaufelradladern [MAN]. 1 Förderband, 2 Trafostation, 3 Schiffsbelader, 4 Schubschiff, 5 Schiffsentlader, 6 Seeschiff, 7 Kaiförderband, 8 Kaimauer, 9 Förderbandübergabe, 10 Lagerplatz, 11 Waggonbeladestation, 12 Kombinierter Schaufelradlader

(„Schaufeln“) trägt. Das Schaufelrad ist an einem Ausleger angebracht, der gehoben, gesenkt und nach links und rechts geschwenkt werden kann. Das Schaufelrad übergibt das aufgenommene Schüttgut an Gurtförderer, die es über den Ausleger an ein fest installiertes, von der Auslegerstellung unabhängiges Gurtbandsystem zum Weitertransport übergeben. Schaufelradgeräte leisten bis zu 15.000 t=h; sie zeichnen sich trotz dieser hohen Leistung durch niedrigen Wartungsaufwand und geringen Personalbedarf aus. . Abb. 49.19 zeigt eine Massengutumschlagsanlage für Schüttgüter, bei der Schaufelradlader. Förderbandsysteme sowie Be- und Entladeanlagen Verwendung finden. Die Seeschiff-Entlader geben das Schüttgut auf die Bandanlage, die zu den Halden oder den BinnenschiffBeladern führt, so dass beide Förderwege bedient werden können. Die kombinierten Schaufelradgeräte, auf Schienen verfahrbar, sind so ausgelegt, dass sie zum Einlagern und Rückverladen jeden Punkt der Halde erreichen. Man kann durch eine zusätzliche Schiebebühne oder Quergleise die Anzahl der kombinierten Schaufelradlader auf ein Minimum beschränken.

Die tragenden Stahlbauteile werden als geschweißte Vollwandkonstruktionen ausgeführt. Die Brückenlast ruht im Allgemeinen auf Laufrädern, die sich auf Räder der Pendelstütze und Räder der festen Stütze verteilen. Jede Stütze hat ihren eigenen Fahrantrieb, der meist die Hälfte aller Räder antreibt (. Abb. 49.20, 49.21 und 49.22). Die größeren Verladebrücken sind mit einer Sicherung gegen Schrägfahren ausgerüstet. Die Schrägstellung der Brücke tritt durch das Zurückbleiben einer Stütze dann auf, wenn der Kran oder die Laufkatze über einer Stütze steht und diese stärker belastet als die andere, oder wenn beim Abschalten unterschiedliche Massenkräfte auf beiden Seiten abzubremsen sind. Jede Brückenstütze hat Sturmsicherungen, die automatisch einfahren und sich an der Fahrschiene festklemmen, wenn der Sturm die Brücke abzutreiben droht. . Abb. 49.20a–d zeigt ausgeführte Verladeanlagen. Da Kastenträger nicht nur auf Biegung, sondern auch auf Verdrehung (Torsion) beansprucht werden können, wurden Einträger-Winkelkatzen (. Abb. 49.22) entwickelt. Die Brücke besteht nur noch aus einem einzigen Träger in Kastenbauweise, der mit der festen Stütze drehund biegesteif und mit der losen Pendelstütze durch ein Kugelgelenk verbunden ist, so dass sich ein statisch bestimmtes System ergibt. Bei Verladebrücken für Schiffe ist der über Wasser befindliche Teil der Verladebrücke meist klappbar, um Masten und Schornsteine der Schiffe ohne Ummanövrieren überfahren zu können (. Abb. 49.20d). Die Winkelkatze hat zwei oben angetriebene Laufräder mit Führungsrollen und zwei untere Laufräder. Sie verfährt seitlich neben dem Träger. Die Oberseite des Trägers bleibt so für den Anbau des senkrechten Pfeilers (Pylon), für elektrische Leitungen und für Begehungen zu Wartungszwecken frei (. Abb. 49.22). Der Greifer kann mit einer Drehvorrichtung für Längs- und Quergreifen ausgestattet werden. Die Verladeanlagen sind mit Fahrwerks-, Katz und Hubantrieben mit geregelten Gleichstromantrieben (WardLeonhard-Satz) ausgerüstet. Das Führerhaus ist eine Vollsichtkanzel, die unter der Unterkante des Trägers angeordnet werden kann, um dem Bedienungsmann eine bessere Übersicht über den Arbeitsbereich des Greifers zu geben. Verladebrücken werden bis etwa 80 t Tragfähigkeit gebaut.

987 Literaturhinweise, Informationsquellen

. Abb. 49.21 Teilansicht des Fahrantriebes einer Verladeanlage [MAN]

. Abb. 49.20 Verladeanlagen [MAN]. a Erzverladebrücke in Fachwerkbauart mit innenlaufender Katze, Tragfähigkeit 16 t, b Erzverladebrücke in Einträgerbauweise mit obenlaufender Katze (ohne Kragarm), Tragfähigkeit 20 t, c Erzverladebrücke mit festem Kragarm in Einträgerbauweise mit Zweischienen-Winkelkatze, Tragfähigkeit 12 t, d 32-t-Verladebrücke in Einträgerbauweise mit hochklappbarem Ausleger und ZweischienenWinkelkatze, Tragfähigkeit 32 t

Die in . Abb. 49.22 gezeigte Verladeanlage hat eine Umschlagkapazität von 1200 t=h. 1 Hafenkrane

Unter Hafenkranen versteht man für Be- und Entladung von Schiffen mit Stückgütern allgemeiner Art vorgesehene Krane, die mit einem Hubseil mit Haken arbeiten. Der Hafenkran besteht aus den Hauptbaugruppen Portal mit Fahrwerk, Drehwerk, Ausleger und Hubwerk. Das Portal kann auf Schienen verschiedener Höhe fahren, um Lkw oder Eisenbahn die Durchfahrt zu gestatten. Die Laufräder sind einzeln angetrieben und können durch Schienenzangen gegen Windkräfte gesichert werden. Für das Drehwerk werden Kugeldrehkränze großen Durchmessers verwendet.

. Abb. 49.22 Feste Stütze mit Pylon und Winkellaufkatze der Verladebrücke nach . Abb. 49.20d [MAN]

Die Ausleger sind meist mit einer Vorrichtung ausgestattet, die bei Veränderung der Ausladung einen waagerechten Lastweg gewährleistet (Wippausleger, Schwinghebelseilausgleich). Als Antriebsmotoren für Fahr-, Dreh- und Windwerk dienen Gleichstromreihenschluss- oder auch Drehstrommotoren.

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Siegel, W.: Pneumatische Förderung. Grundlagen, Auslegung, Anlagenbau, Betrieb. Vogel Verlag- und Druck KG, Würzburg (1991)

49

989

Mobile Schüttgutförderer Definition und Hauptanwendungsgebiete Johannes Sebulke

Schon ein Schubkarren zeigt die typischen Merkmale eines de je nachdem, ob das Material nass oder trocken ist. Trotz mobilen Schüttgutförderers (Fachbegriff „Unstetigförde- der Streubreite geben die genannten Größen eine wichtige rer für Schüttgut“): Ein Arbeitsspiel besteht aus Beladen Orientierung für die Konstruktion und den Einsatz der mo– Transportieren – Entladen – Rückfahrt. Ein Unstetig- bilen Schüttgutförderer. förderer wird an der Ladestelle beladen oder er nimmt hier seine Last selbst auf, er fährt zur Abladestelle, wird1 Bodenklassen dort entladen, und fährt leer wieder zurück. Hier sol- Für das Lösen und für den Transport von Erd- und Gelen nur Schüttgutförderer für den innerbetrieblichen Mas- steinsmassen ist die Bodenbeschaffenheit wichtig. Diese senguttransport im Tagebau und an Großbaustellen an- wird nach DIN 18300:2016-09 durch verschiedene Bogesprochen werden. Beim Stichwort Massenguttransport denklassen definiert. Diese sind die erste und wichtigste denkt man erst einmal an die stationären Schüttgutförderer Festlegung für die Auswahl der geeignetsten Förderma(7 Kap. 49), und hier besonders an die Förderbandanlagen schinen. . Tab. 50.1 zeigt die Definition der Bodenklasim Braunkohlentagebau oder bei Massengutumschlagsanlagen (. Abb. 49.2, 7 Kap. 49). Wenn aber entweder . Tabelle 50.1 Bodenklassen (Bkl) 1–7 nach DIN 18300:2016-09. der Beladeort oder der Entladeort zu oft wechseln, oder Einteilung aus Sicht der bodenmechanischen Eigenschaften beim sich durch den Abbau ständig verändern, dann müssen Lösen, Fördern und Verdichten des Materials mobile Schüttgutförderer eingesetzt werden. Man denkt Klasse 1 Oberboden (Mutterboden) hier an den Erztagebau, bei welchem Gestein gebrochen enthält anorganische Stoffe wie Ton-/Sand-/Kiesgemiund abtransportiert werden muss; oder an den Autobahnsche, aber auch Humus und Bodenlebewesen bau, wo ganze Hügel abgetragen und Senken aufgefüllt werden müssen. Folgerichtig sind diese mobilen SchüttKlasse 2 Fließende Bodenarten Böden von flüssiger, breiiger Beschaffenheit, die das gutförderer auch unter der EN ISO 6165:2013-02 (D) – Wasser schwer abgeben Erdbaumaschinen subsumiert [6]. Je nach Transportentfernung unterscheidet man hier Radlader („Load & Carry“) Klasse 3 Leicht lösbare Bodenarten Nichtbindige oder schwachbindige Sand- und Kiesgeund Muldenkipper, und bei letzteren wiederum Schwermische mit höchstens 30 % Beimischungen von Steinen Lkw und Dumper [2]. 63 mm. Ferner ausgeprägt plastische Tone

Klasse 6

Leicht lösbarer Fels und vergleichbare Bodenarten Felsarten, die stark klüftig, brüchig, bröckelig, schiefrig, weich oder verwittert sind, und vergleichbare verfestigte Bodenarten

Klasse 7

Schwer lösbarer Fels Felsarten mit hoher Gefügefestigkeit, die wenig klüftig oder verwittert sind. Aber auch festgelagerter Tonschiefer und Schlackenhalden von Hüttenwerken, sowie Steinbrocken von über 600 mm Durchmesser

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_50

50

990

50

Kapitel 50  Mobile Schüttgutförderer

. Tabelle 50.2 Raumgewichte und Schüttgewichte einiger Materialien nach [2]

. Tabelle 50.3 Entsprechungswerte von Rauminhalten und Kugelgrößen

Material

Raumgewicht in t=m3

Schüttgewicht in t=m3

Rauminhalt in m3

Kugeldurchmesser in m

0,01

0,300

Eisenerz

3,10

2,60

0,10

0,600

Basalt

2,90

1,71

1,00

1,250

Gneis

2,80

1,75

Marmor

2,70

1,64

Quarzit

2,70

1,64

. Tabelle 50.4 Korngrößen einiger Materialien nach DIN EN ISO 14688-2

Granit

2,65

1,61

Korndurchmesser in mm

Materialart

Kalkstein

2,50

1,56

bis 0,002

Ton

Dolomit

2,40

1,50

0,002–0,06

Schluff

Gips

2,20

1,42

0,06–2,00

Sand

Kies, nass

2,10

1,87

2,00–63,00

Kies

Sand, nass

2,05

1,83

über 63

Steine

Kies, naturdicht

2,00

1,79

Ton, gewachsen

2,00

1,60

Sand–Kies, trocken

1,90

1,70

Kies, trocken

1,70

1,42

Sand, trocken

1,60

1,43

Kohle

1,40

0,90

Mutterboden

1,35

0,96

Hackschnitzel

0,85

0,45

1 Korngröße

sen 1–7. Auch, wenn an einer Baustelle oder in einem Steinbruch verschiedene Bodenklassen gemischt vorkommen, sind diese für die Kalkulation der Erdbewegungsarbeitenden von großer wirtschaftlicher Bedeutung. 1 Raumgewicht

Das Raumgewicht, auch Rohdichte genannt, ist das Gewicht des Materials in t=m3 in dem Zustand, wie es in der Natur angetroffen wird, also inklusive Poren, Rissen, Wasser- oder Gaseinschlüssen. Besonders der Wassergehalt, der wiederum von der Korngröße beeinflusst wird, kann das Raumgewicht also stark verändern. Ggf. sind mehrere Messungen an Probenentnahmen erforderlich. 1 Schüttgewicht

Dies ist das Gewicht in t=m3 in gelöstem Zustand. Im Steinbruch also das Gewicht des Materials, so wie es nach dem Sprengen oder Brechen vorliegt; an Großbaustellen das Materialgewicht, so wie es vom Bagger oder Radlader aufgenommen wird. Eine gute Schulung des räumlichen Vorstellungsvermögens für Raum- und Schüttgewichte bietet . Tab. 50.3. Daraus geht z. B. hervor, dass eine Kugel von 0,6 m Durchmesser nur einen Rauminhalt von 0,1 m3 hat.

Bei der Gewinnung und beim innerbetrieblichen Transport sind die Korngrößen wichtig für die Wasseraufnahme, und damit für die Raum- und Schüttgewichte. Für die Materialaufnahme durch Radlader und das Entladen von Schwer-Lkw oder Dumpern ist das Verbacken und Kleben bei bestimmten Wassergehalten und kleinen Korngrößen zu beachten. Für die spätere Verarbeitung des Materials ist die Korngröße auch eine wichtige bauphysikalische Größe. In Steinbrüchen wird das Material daher meist schon innerbetrieblich direkt mobilen oder ortsfesten Brechanlagen zugeführt, die dann bestimmte, vom Markt verlangte Korngrößen herstellen. 7 Beispiel Es sollen 1000 m3 Kalkstein der Bodenklasse 6 gebrochen und gefördert werden. Dazu steht ein Radlader mit einem nutzbaren Schaufelinhalt von 4,0 m3 und maximal 11 t Tragkraft zur Verfügung, sowie ein Schwer-Lkw von 45 t Nutzlast und 20 m3 nutzbarem Muldenvolumen. a) Wie viele Ladespiele des Radladers sind erforderlich? b) Wie viele Fahrten des Schwer-Lkw sind erforderlich? Lösung: zu a) Das Raumgewicht von Kalkstein beträgt nach . Tab. 50.2 2,5 t=m3 . Die zu transportierende Fördermenge hat also ein Gesamtgewicht von 1000 m3  2;5 t=m3 D 2500 t Die Lastspiele des Radladers müssen sowohl nach Gewicht als auch nach Volumen berechnet werden. Zu verwenden ist der ungünstigere der errechneten Werte. a1 nach Gewicht: 2500 t=11 t D 227;27. Das entspricht 228 Lastspielen a2 nach Volumen: 1000 m3 =4;0 m3 D 250. Das entspricht also genau 250 Lastspielen.

991 50.3  Der Antriebsstrang

Weiterzurechnen ist mit der größeren Zahl, also mit 250 Lastspielen. Je Lastspiel wird der Radlader folgende Mengen aufnehmen: Volumen: 1000 m3 =250 D 4;0 m3 je Lastspiel Radlader D zulässiges Nutzvolumen pro Schaufel Gewicht: 2500 t=250 D 10;0 t je Lastspiel Radlader < 11 t zulässiges Gewicht pro Schaufel b) Der Schwer-Lkw kann je Fahrt folgende Anzahl Schaufelladungen aufnehmen: b1 nach Volumen: 20 m =4;0 m D 5;0 ¶ 5 Schaufeln b2 nach Gewicht: 45 t=10;0 t D 4;5 ¶ 4 Schaufeln. 3

3

Aus Gewichtsgründen darf der Muldenkipper also nur 4 Schaufeln je Lastspiel aufnehmen. Das Gewicht je Ladung beträgt dann 4  10 D 40;0 t < zul. Nutzlast von 45 t Die Anzahl der erforderlichen Transportfahrten ist 2500 t=40 t D 62;5 ! 63. Es sind also 63 Transportfahrten nötig. Kontrolle: Die Anzahl der Ladespiele des Radladers beträgt 62,5 LKW-Fahrten  4 Schaufeln/Fahrt D 250 Lastspiele, wie weiter oben unter a2 berechnet. O. K. 9

50.2

Bodentragfähigkeit, Fahrwiderstand

. Tabelle 50.6 Rollwiderstände RWs bei verschiedenen Untergründen Untergrund des Fahrweges

Spez. Rollwiderstand RWs in kN=t Gesamtgewicht

Beton, Asphalt u. ä.

0,200

feste, glatte Straße, sich unter Last etwas verformend; Schotter- oder Erddecke (Fahrspur bis 2 cm)

0,300

unbefestigter Weg, nachgiebig, Fahrspuren bis 5 cm

0,500

loser Sand oder Kies

1,000

weiche, schlammige, ausgefahrene Piste

1,00–2,00

rechtem Untergrund bodenbedingt der Fortbewegung entgegenwirkt. Berechnung des gesamten Fahrwiderstandes RWg siehe weiter unten in 7 Abschn. 50.5, „Kräfte bei der Fahrbewegung“. Der gesamte Fahrwiderstand hängt von vielen Faktoren ab, so z. B. vom Reifendruck, vom Wirkungsgrad des Antriebsstranges, und vom Untergrund. Alle Fahr- und Rollwiderstände werden bei mobilen Förderern bezogen auf das Gesamtgewicht des Fahrzeuges in kN=t angegeben. Richtwerte siehe . Tab. 50.6. 50.3

Der Antriebsstrang

1 Motoren Da alle mobilen Schüttgutförderer durchweg außerhalb öffentlicher, befestigter Straßen im Einsatz sind, ist der Die hier angesprochenen mobilen Schüttgutförderer sind Zustand des Fahrweges oder der Fahrspur von großer Be- in unerschlossenem Gelände im Außeneinsatz tätig. Der deutung. Dieser bestimmt die Fahrzeugauswahl und die Antrieb erfolgt daher ausschließlich durch Dieselmotoren. zulässige Zuladung. Die wichtigste kennzeichnende Größe . Abb. 50.1 zeigt eine typische Kennlinie eines Dieselmofür den Fahrweg ist die Bodenantragfähigkeit. Die Reifen- tors. Über der Drehzahl sind die Leistung in kW, das Drehdrücke sollten die zulässigen Bodentragfähigkeiten nicht moment in Nm und der spezifische Verbrauch in g=kWh wesentlich überschreiten, da die Fahrwiderstände ansons- aufgetragen. Man erkennt in Kurve a), dass die Nennleisten bis zum Steckenbleiben ansteigen können. Mit Rollwi- tung nur bei der höchsten Drehzahl erreicht wird, wo das derstand RWs ist diejenige Kraft gemeint, die auf waage- Drehmoment niedrig und der spezifische Verbrauch hoch ist. Ferner, dass aber das für die Durchzugskraft wichtige höchste Drehmoment schon bei etwa 1500 U=min liegt, einer Drehzahl, bei der der Motor nur ca. 80 % seiner Nenn. Tabelle 50.5 Spezifische Bodentragfähigkeiten nach [2] leistung abgibt. Zudem liegt der für niedrige Emissionen so wichtige Punkt des niedrigsten spezifischen Verbrauchs bei Material bzw. Untergrund Tragfähigkeit in bar einer noch niedrigeren Drehzahl, nämlich bei 1400 U=min. (1 bar D 10 N=cm2 ) Gebraucht werden aber besonders beim Anfahren ein hoFels, kompakt 24,1 hes Drehmoment, eine hohe Leistung, und ein niedriger Kies, kompakt, naturfest 7,6 Verbrauch. Ist von der Motorphysik kein befriedigender Kompromiss möglich, so sind geeignete Getriebe einzusetFels, zerkleinert 4,8 zen. Ton, trocken 3,8 Die zulässigen Abgasemissionen für Stickoxide und für Sand, kompakt, trocken 3,8 Rußpartikel wurden seit 1996 stufenweise gesenkt. Schon 2014 wurden die zulässigen Emissionen mit Abgasstufe Sand, lose 1,9 Stufe IV (D TIER 4 final) auf einen Bruchteil der früher Ton, weich 1 erlaubten Werte gesenkt (. Abb. 50.2). Dazu werden die

50

992

Kapitel 50  Mobile Schüttgutförderer

Motoren mit einer Abgasnachbehandlungsanlage ausgerüstet, die aus einem SCR-Katalysator (Selective Catalytic Reduction) zur Verminderung des Ausstoßes an Stickoxiden, und einem Partikelfilter zur Verminderung des Rußpartikelausstoßes besteht. Ab 2020 gilt die noch strengere Abgasstufe V für alle Motoren in mobilen Arbeitsmaschinen. Um die strengen Abgasvorschriften erfüllen zu können, müssen die Motoren mit möglichst konstanter Drehzahl und möglichst im Bereich des besten Wirkungsgrades betrieben werden. Um auch bei den bei mobilen Schüttgutförderern häufigen Anfahrvorgängen die volle Motorleistung nutzen zu können, haben alle mobilen Schüttgutförderer ein stufenloses oder quasistufenloses Übersetzungsgetriebe.

50

1 Getriebe

. Abb. 50.1 Motorkennlinie eines Dieselmotors mit 165 kW bei 2300 U=min. a Verlauf der Motorleistung (kW) über der Drehzahl (U=min), b Verlauf des Drehmomentes (N m) über der Drehzahl, c Verlauf des spezifischen Kraftstoffverbrauchs (g=kWh) über der Drehzahl

0,6 0,54 1996

2008

2004

Stufe II

Stufe I

10

e [NOk] Stickoxid 6,6 6

9,2

Feinstaubpartikel g/kWh

. Abb. 50.2 Senkung der zulässigen Emissionen von Dieselmotoren von Stufe I (1996) bis Stufe VI (2014). Ab 2020 gilt die noch strengere Abgasvorschrift Stufe V

Schaltgetriebe (blaue Linie in . Abb. 50.3) werden bei mobilen Schüttgutförderern nicht eingesetzt, weil bei diesen beim Gangwechsel der Kraftfluss unterbrochen werden muss. Eingesetzt werden Lastschaltgetriebe und stufenlose Getriebe, als da sind, hydrostatische Getriebe, leistungsverzweigte Getriebe (D CVT-Getriebe) und Hybridgetriebe. Bei Lastschaltgetrieben (schwarze Linie in . Abb. 50.3) wird durch Reibkupplungen der nächste Gang schon in Eingriff gebracht, bevor der vorherige ganz ausgekuppelt ist („Überschneidung“ der Gangstufen). So wird eine Kraftflussunterbrechung vermieden. Der Nachteil ist, dass trotzdem leicht Schaltstöße entstehen. Der Vorteil ist, dass Lastschaltgetriebe mit einer Wandlerüberbrückung bei konstanter Fahrt rein mechanisch und damit mit gutem Wirkungsgrad laufen. Lastschaltgetriebe sind daher besonders bei den Schwer-LKW und Dumpern anzutreffen.

Stufe IIIA p/kWh

2011 Stufe IIIB 2

4

2014 Stufe IV 0,4

0,2

0,02 0

993 50.4  Radlader, Load & Carry

. Abb. 50.3 Funktionsverhalten von Schaltgetrieben, lastschaltgetrieben und Stufenlosgetrieben

. Abb. 50.4 Grundschema eines hydrostatischen Fahrantriebs mit Verstellpumpe, Verstellmotor und nachgeschaltetem mechanischem Getriebe mit den Fahrbereichen I und II. Innerhalb jedes Fahrbereiches erfolgt der Antrieb stufenlos

Leistungsverzweigte Getriebe (z. B. ZF-Eccom) verzweigen die Leistung auf einen mechanischen Zweig mit mehreren Gängen, und auf einen hydraulischen Zweig. Vorrangig wird der sparsame mechanische Zweig benutzt. Der hydraulische Zweig dient zum vollhydrostatischen Anfahren und für stufenlose Zwischengeschwindigkeiten. Leistungsverzweigte Getriebe sind sparsam und werden dort eingesetzt, wo bei häufigem Anfahren die Vorteile der Hydrostatik genutzt werden sollen, wo man aber bei Schnellfahrt auf die Sparsamkeit der mechanischen Getriebe zurückgreifen möchte (Load & Carry, Forstspezialfahrzeuge), oder wo man die Fahrgeschwindigkeiten bei der Arbeitsfahrt stufenlos vorwählen möchte (Ackerschlepper). Hybridgetriebe nutzen zwei Energieressourcen, zum einen den Dieselöltank für die Grundlast und zum anderen einen wieder aufladbaren hydraulischen oder elektrischen Energiespeicher (Hydrospeicher, Akkus oder Superkondensatoren) für die Spitzenlast. Hybridgetriebe werden vor allem bei Radladern eingesetzt. Bei den häufigen Verzögerungsvorgängen wird dabei die kinetische Energie wiedergewonnen („rekuperiert“), indem man hydrostatisch oder elektrisch bremst und die gewonnene Energie in Akkus, Superkondensatoren oder Hydrospeichern speichert. Beim Losbrechen des Haufwerks oder beim Anfahren wird diese Energie dann gleich wieder eingespeist. Der Dieselmotor wird so von Spitzenlasten entlastet („phlegmatisiert“). Er kann gleichmäßiger durchlaufen und z. B. im Betriebspunkt des geringsten Energieverbrauchs betrieben werden. Das ergibt einen sparsamen Treibstoffverbrauch. Zusätzlich werden die mechanischen Bremsen geschont, was deren Lebensdauer deutlich verlängert.

50.4

Hydrostatische Getriebe bestehen aus einer Verstellpumpe und einem Verstellmotor. (Siehe auch 7 Abschn. 46.2, . Abb. 46.3). Verstellt wird jeweils die gepumpte Menge bzw. das sog. „Schluckvolumen“, beides gemessen in cm3 pro Umdrehung. Hydrostatische Getriebe sind vollständig stufenlos (rote Linie in . Abb. 50.3). Der Motor läuft konstant am vorgewählten Betriebspunkt (sparsamster Verbrauch oder höchstes Drehmoment oder höchste Leistung, siehe . Abb. 50.1). Der Verstellbereich von hydrostatischen Getrieben ist aber begrenzt. Deshalb muss meist ein mechanisches Schaltgetriebe (I–II in . Abb. 50.4) nachgeschaltet werden, um zwei unterschiedliche Fahrgeschwindigkeitsbereiche abdecken zu können. Auch haben hydrostatische Getriebe bei hohen Drehzahlen einen schlechten Wirkungsgrad. Der Vorteil des hydrostatischen Getriebes ist, dass man bereits bei geringer Motordrehzahl das maximale Fahrmoment an den Rädern erreichen kann. Daher sind hydrostatische Getriebe eher bei Radladern anzutreffen, die eine hohe Einschubkraft beim Einfahren in das Haufwerk benötigen.

Radlader, Load & Carry

Radlader sind gegenüber Hydraulik- oder Seilbaggern sehr mobil. Das gilt sowohl für das Arbeitsspiel des Beladens selbst, als auch für das Umsetzen z. B. von einer Abbaustelle des Steinbruches zu einer anderen. Meist ausgeführt als Knicklenker, sind sie sehr wendig. Als Getriebe finden Lastschaltgetriebe und hydrostatische Getriebe, und leistungsverzweigte Getriebe („CVT-Getriebe“) Verwendung. Zum Zweck der Treibstoffeinsparung werden auch Hybridantriebe gebaut. Bei diesen wird die kinetische Energie bei den häufigen Bremsvorgängen wiedergewonnen (rekuperiert) und in Akkus oder Superkondensatoren oder in hydraulischen Energiespeichern gespeichert, siehe 7 Abschn. 50.3. Radlader werden in Nenngrößen von 3 bis 200 t gebaut, was etwa Schaufelgrößen von 0,4 bis 36 m3 entspricht (. Abb. 50.5). Wegen der großen Mobilität werden Radlader nicht nur zum Beladen, sondern auch zum Materialtransport eingesetzt, wenn sich Be- und Entladevorgänge von Transportern nicht lohnen. Ein typisches Beispiel ist der Gesteinstrans-

50

Kapitel 50  Mobile Schüttgutförderer

994

. Tabelle 50.7 Baureihen und Kenndaten von Radladern für den Load & Carry-Betrieb [Zeppelin Cat]

50

Gruppe

Typenreihe

Motorleistung

Kipplast

Ausbrechkraft

Schaufelvolumen

Einsatzgewicht

t

Cat-Zeppelin

kW

t

kN

m3

t

5–7

906-8 H2

55

3,41–3,77

51

0,75–1,2

5,6–6,4

7–16

910M-938M

74–140

5,1–10,0

k.A.

1,5–2,9

8,2–16,4

24–26

966. . . XE*

222–232

14,7–15,9

178–202

4,6–5,0

23,8–26,2

**

18–36

950. . . –982

151–292

11,1–21,5

154–260

3,1–6,5

18,9–35,6

40–240

986K–994K

335–1377

25,0–138,0

297–1400

5,0–24,5

43,7–240,0

Sonderausführungen mit Großschaufeln für leichtes Haufwerk möglich * mit stufenlosem, leistungsverzweigtem Getriebe ** auch mit Stufenlosgetriebe lieferbar

. Abb. 50.5 Großradlader 994H mit 1176 kW Motorleistung. Nutzlast 35 t, Gesamtgewicht 195 t. Max. Schaufelvolumen 14 bis 36 m3 . Mit Knicklenkung und Allradantrieb. Max. Fahrgeschwindigkeit ca. 25 km=h [Zeppelin-Cat]

port von der (fortschreitenden) Abbruchstelle zum (stationären) Brecher. Die wirtschaftliche Förderentfernung hängt von vielen Faktoren ab, wie Wegbeschaffenheit, Steigung, Maschinengröße, und kann bis 150 m betragen. 1 Kipplast, Nutzlast, Ausbrechkraft, Füllgrad

. Abb. 50.6 Radlader 966 M von CAT-Zeppelin. Baumaße nach Herstellertabelle

Die statische Kipplast ist also eine durch die Konstruktion festgelegte Kennzahl. Die Nutzlast darf nach SAE-Norm J818 und ISO 7546 nur 50 % der Kipplast des einsatzbereiten Radladers betragen. Das heißt, dass auf ebener Aufstandsfläche immer ein Sicherheitsfaktor 2 vorhanden sein muss. Die Nutzlast ist also eine betrieblich einzuhaltende Größe. Es empfiehlt sich, je nach spezifischem Gewicht des Fördergutes die Schaufelgröße so festzulegen, dass bei normalem Arbeiten die Nutzlast eingehalten wird. Es können aber auch Messsysteme installiert werden, die abhängig von den Hydraulikdrücken und der Geometrie der Tragarme das Gewicht der aktuellen Last messen und dem Fahrer anzeigen. Die Gewichte jedes Arbeitsspiels können digital gespeichert, nach verschiedenen Kriterien aufsummiert und ausgewertet werden [5]. In Transportstellung muss die Schaufel mindestens so weit angehoben werden, dass vor den Vorderrädern ein Böschungswinkel von ca. 15ı frei bleibt.

Mobile Schüttgutförderer fahren auf verschiedenen Untergründen von ganz verschiedener Tragfähigkeit (. Tab. 50.5). So könnte es zu Querneigungen und mannigfachen Kippgefahren kommen. Diese entziehen sich aber einer Berechnung. Daher hat die Betriebsleitung vor Ort dafür zu sorgen, dass die Fahrwege der Radlader tragfähig und ohne Querneigung sind. Die Normen (SAE J732; ISO 7131; ISO 14397) beziehen sich auf Radlader, die auf ebenem, tragfähigem Untergrund arbeiten. Die Radlader für Erdbewegungen haben durchweg ein Knickgelenk. Wenn dieses voll eingeknickt ist, ist der Radlader am instabilsten. Die statische Kipplast ist dasjenige im Schwerpunkt der Nutzlast in der Schaufel 2Schaufelfüllung angenommene Gewicht der Nutzlast, bei dem bei maxi- Im normalen Betrieb wird der Fahrer mit der Schaufel immaler Auslenkung des Knickgelenkes und bei maximaler mer so viel Material wie möglich aufnehmen. Es wird sich Ausladung des Hubarmes mindestens ein Hinterrad des also immer Haufwerk über der Schaufelkante befinden, auf festem, ebenem Boden stehenden Radladers abhebt. welches einen mehr oder weniger steilen Böschungswin-

995 50.5  Schwer-Lkw

. Tabelle 50.8 Schaufelfüllgrade von Radladern bei verschiedenen Materialien nach [2] Fördergut

Füllgrad in %

Feuchte Erde, ggf. mit Fels gemischt

100–130

b) Kies, naturdicht 4 Raumgewicht: 2;00 t=m3 4 Schüttgewicht: (klein roh): 1;79 t=m3 4 Schaufelfüllgrad ca. 95 % Die Volumina einer Schaufelfüllung betragen

Gebrochenes Felsmaterial

85–100

Sand, Kies, trocken

85–95

a) Va D Vs  130 % D 4;6 m3  130 % D 5,98 m3

Ton, trocken

70–90

b) Vb D Vs  95 % D 4;6 m3  95 % D 4,37 m3 Va ; Vs ; Vb

kel zu den Schaufelkanten bildet. Die Schaufelfüllung wird dann zu 100 % definiert, wenn der Böschungswinkel zu allen Kanten der Schaufel 1 : 2 beträgt (tan 12 D 26;5ı ). Ist der Böschungswinkel z. B. bei bindigem Erdreich größer, so ist die Beladung > 100 %, ist er kleiner, z. B. bei rieselfähigem Sand, so ist die Beladung < 100 %. . Tab. 50.8 gibt Anhaltswerte für Schaufelfüllgrade bei verschiedenen Materialien. Die Ausbrechkraft ist nach SAE732 diejenige Hubkraft, die der Radlader 101 mm hinter der Spitze des Schneidmessers der in das Haufwerk eingeschobenen Ladeschaufel in senkrechter Richtung nach oben aufbringen kann. Die Ausbrechkraft kann durch die Hubhydraulik oder durch das Einkippen der Schaufel erzeugt werden.

m3 Die Gewichte einer Schaufelfüllung betragen a) Ga D Va  a D 5;98 m3  0;96 t=m3 D 5,74 t b) Gb D Vb  b D 4;37 m3  1;79 t=m3 D 7,82 t Ga D Gs ; Gb

a ; b

t

t=m3

Die Ausnutzung der Nutzlast beträgt a) Aua D Ga =NR D 5;74 t=7;95 t D 0;722  72 % b) Aub D Gb =NR D 7;82 t=7;95 t D 0;98  98 % Die Ausnutzung der Nutzlast ist also gut.

7 Beispiel Zur Verfügung steht der größte Radlader aus der Gruppe „24-26“ mit den Leistungsdaten nach . Tab. 50.7. Der Radlader ist mit einer Schaufel mit 4,6 m3 Schaufelvolumen ausgestattet. Die Kipplast beträgt 15,9 t. Zu bewegen sind a) 200 m3 Mutterboden und b) 1200 m3 naturgebundener Kies. Aufgabe: 1. Welche Nutzlast hat der Radlader? 2. Um wie viel % wird die Nutzlast bei a) und b) bei üblicher Schaufelfüllung über- oder unterschritten? 3. Wie ist die errechnete Ausnutzung der Nutzlast zu bewerten? Lösung: Zu 1.: Die Leistungsdaten des Radladers werden . Tab. 50.7 für die Gruppe, Gruppe 24–26 t (Zeile 3) entnommen. Die Nutzlast NR des Radladers beträgt 50 % der Kipplast KR : NR D KR  50 % D 15;9  50 % D 7;95 t

NR t

KR t

Der Radlader hat 7,95 t zulässige Nutzlast Zu 2.: Die Daten des Fördergutes und die der üblichen Schaufelfüllung sind den . Tab. 50.2 und 50.8 zu entnehmen. a) Mutterboden 4 Raumgewicht: 1;35 t=m3 4 Schüttgewicht: (klein roh): 0;96 t=m3 4 Schaufelfüllgrad ca. 130 %

NR ; Ga ; Gs ; Gb t Die zulässige Nutzlast wird bei a) nur zu 72 % ausgenutzt. Bei b) besteht Vollausnutzung. Zu 3.: Da unter a) mit nur 74 % der Nutzlast nur 200 m3 abgetragen werden müssen, danach aber unter b) die 6-fache Menge bei voller Nutzlast, ist der Radlader für die Aufgabe gut geeignet. 9

50.5

Schwer-Lkw

Trotz des Ausdrucks „Lkw“ sind diese Schwer-Lkw (siehe . Abb. 50.7) nicht für den Straßenverkehr zugelassen, sondern nur für den innerbetrieblichen Transport in Steinbrüchen, im Tagebau und im Erdbau bestimmt. Schwer-Lkw werden auch oft „Muldenkipper“ genannt. Der Ausdruck „Lkw“ leitet sich hier von der für Erdtransporter ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit von bis zu 79 km=h her. Der Rahmen, die Mulde, die Achsen, die Federung und nicht zuletzt die Kabinenaufhängung müssen der Belastung aus hohen Massen und gleichzeitig hohen Geschwindigkeiten standhalten. In der Regel werden 2 Achsen verbaut, und es werden eine Achsschenkellenkung und ein Lastschaltgetriebe verwendet. Starke, hydraulische Bremssysteme sind ein Muss. Sind häufig Gefällestrecken zu befahren, so sollte ein gekühlter Retarder (hydraulische Getriebebremse, die die Bremsenergie in Wärme umwandelt) vorgesehen

50

996

Kapitel 50  Mobile Schüttgutförderer

1 Die Kräfte bei der Fahrbewegung

Hier muss man unterscheiden zwischen der verfügbaren Zugkraft, der erforderlichen Zugkraft und der nutzbaren Zugkraft. Die verfügbare Zugkraft Fv wird von der Konstruktion des Antriebsstranges bestimmt. Sie hängt ab von der Motorleistung P , dem Gesamtwirkungsgrad  des Antriebsstranges und dem Übersetzungsverhältnis des gewählten Ganges. Der Zugkraftverlauf entspricht im mittleren Bereich in etwa der u. a. Funktion, wenn man gesamt  0;8 annimmt. Im Anfahrbereich und bei hoher Geschwindigkeit sind die Abweichungen je nach Antriebsart groß (siehe 7 Abschn. 50.3).

50

. Abb. 50.7 Schwer-Lkw (Mining Truck) Typ 797F mit 2983 kW Motorleistung. Muldenkapazität bis 267 m3 , Nutzlast 363 t. Max Fahrgeschwindigkeit 68 km=h. Lastschaltgetriebe mit 7 Vorwärtsgängen und 1 Rückwärtsgang [Zeppelin-Cat]

werden. Auch eine zusätzliche Motorkompressionsbremse erhöht die Dauerbremsleistung. Mit diesen Bremssystemen können dann bergab höhere Geschwindigkeiten gefahren werden, ohne dass die Betriebssicherheit beeinträchtigt wird. Der Reifendruck beträgt 6–7 bar. Wegen der Schnellfahrt verzichtet man auf einen Allradantrieb. Im Erdbau beträgt die Nutzlast ca. 30 bis 90 t. Im Tagebergbau werden Schwer-Lkw mit bis zu 363 t Nutzlast angetroffen. Die wirtschaftliche Transportentfernung liegt bei 1000–5000 m, insofern ein breiter, fester und nicht zu holpriger Fahrweg vorhanden ist. Die Motorleistungen betragen bei Schwer-Lkw bis ca. 2800 kW, die Nutzlasten bis zu 363 t. Näheres siehe (. Tab. 50.9)

P  v Verfügbare Leistung Fahrgeschw. WirkungsZugkraft grad P v  Fv kN kW km=h –

Fv D 3;6 

Genauere Ergebnisse kann man den Zugkraft-Fahrgeschwindigkeitsdiagrammen entnehmen, die die Hersteller für jeden Fahrzeugtyp bereitstellen (. Abb. 50.8). Für die erforderliche Zugkraft Fe gelten grundsätzlich die physikalischen Gleichungen so wie sie unter 7 Abschn. 45.2.2 angegeben sind. Da bei Erdbewegungsarbeiten die Untergründe und damit die Reibungswerte sehr unterschiedlich sind, und sich die Steigungen in der Regel auf 10 % beschränken, rechnet man hier mit Erfahrungswerten wie folgt: Die erforderliche Zugkraft Fe errechnet sich aus den Kräften zur Überwindung des Rollwiderstandes RWg und der Steigung RWs. Fe RW; RWg; RWs; RWst kN kN

Fe D RWg C RWst

. Tabelle 50.9 Baureihe Schwer-Lkw und kennzeichnende Daten [Zeppelin-CAT] Gruppe

Typenreihe

Motorleistung

Höchstgeschwind. Nutzlast

Muldenvolumen

Zul. Gesamtgewicht

t

Cat-Zeppelin

kW

km=h

m3

t

40–100

770G

379

74

40

25,2

71,2

772G

446

79,0

50,0

31,1

91,0

773G

568

67,5

58,0

35,1

113,0

775G

607

67,5

65,0

41,9

124,0

777G

755

65,9

100,0

60,2

180,9

785D

979

55,0

133,0

78,0

249,5

789D

1566

53,0

206,0

108,0

324,5

793F

1848

60,0

226,0

176,0

386,0

795F AC

2535

64,0

317,0

213,0

570,2

797F

2830

68,0

363,0

267,0

623,7

133–363

Das Einsatzgewicht ist ausrüstungsabhängig.

t

997 50.5  Schwer-Lkw

. Abb. 50.8 Zugkraft-Fahrgeschwindigkeitsdiagramm des Schwer-Lkw 775G nach . Tab. 50.9 mit einer Zugkraft bis zu 450 kN

Gesamtgewicht in Tonnen 15

30

45

60

75

90

105

120

500 B

L 450 400 1

Zugkraft in kN

350 30 %

300

25 %

250

Gesamt-Fahrwiderstand (Steigungs- + Rollwiderstand)

0

L = Leer B = Beladen

hydrodynamischer Antrieb Wandler

mechanischer Antrieb

20 %

200 1 3

150

2 2

100

3

3 4

50

4

1 15 % 1

2

10 %

4 5 6

5% 7

0 0

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Geschwindigkeit in km/h

Der Rollwiderstand RWg D RWk C RWs setzt sich zusammen aus a) einem fahrzeugspezifischen Rollwiderstand RWk, so wie er auf ebener, fester Fahrbahn auftritt. Wenn Reifendrücke und der gesamte Antriebsstrang in ordnungsgemäßem Zustand sind, kann man hierfür den folgenden konstanten Wert, bezogen auf das Gesamtgewicht in t, ansetzen: RWk D 0;2 kN=t D konstant b) einem bodenabhängigen Wert RWs, der u. a. davon abhängt, wie tief die Reifen in den Untergrund eindringen. Überschlägig gilt: RWs  0,06 kN je Zentimeter Spurtiefe: Für den Wert RWst zur Überwindung der Steigung hat sich als brauchbarer Erfahrungswert, bezogen auf das Gesamtgewicht in t, ergeben: RWst D 0,1 kN/t je % Steigung Für Betriebsüberlegungen ermittelt man für die gesamte erforderliche Zugkraft eine „äquivalente Steigung. Dafür gilt: 0,1 kN/t Zugkraft  1 % äquivalente Steigung

Die erforderliche Zugkraft Fe kann also nur berechnet werden, wenn das betriebsmäßig vorhandene Gesamtgewicht, die Steigung und die Spurtiefe des voll beladenen Fahrzeugs bekannt sind. Die nutzbare Zugkraft Fn hängt von der Reibungszahl  zwischen den Antriebsrädern und dem Untergrund ab, der hier Bodenschlusskoeffizient genannt wird. Fn D Ga   Nutzbare Gewicht auf den BodenschlussZugkraft Antriebsrädern koeffizient Ga  Fn kN kN 1 Bei allradgetriebenen Fahrzeugen kann man also das Gesamtgewicht einsetzen. Bei nicht-allradgetriebenen Schwer-Lkw kann man näherungsweise davon ausgehen, dass sich in beladenem Zustand ca. 2=3 des Gesamtgewichtes auf die Hinterachse wirken. In jedem Fall ist zu beachten: Gewichtskraft in kN D Gewicht in t 9;81 kN=t (Anhaltswert: 1 t  10 kN). 7 Beispiel Ein Schwer-Lkw Typ Zeppelin-CAT 775G mit einem Leergewicht von 46 t soll auf einem Schotterfahrweg mit 10 %

50

998

50

Kapitel 50  Mobile Schüttgutförderer

Steigung pro Arbeitsspiel 62 t trockenes Sand-Kies-Gemisch befördern. 1. Reicht die Muldenkapazität aus? 2. Ist die Beladung zulässig? 3. Wie hoch ist die erforderliche Zugkraft in kN? 4. Kann das Fahrzeug diese erforderliche Zugkraft aufbringen? 5. Kann die erforderliche Zugkraft auf den Boden übertragen werden? 6. Wie groß ist die äquivalente Steigung für alle Fahrwiderstände pro t Gesamtgewicht? 7. Wie hoch ist die Fahrgeschwindigkeit? Lösung: Die Technischen Daten des Schwer-Lkw werden der . Tab. 50.9 aus der Gruppe < 100 t für die Typenreihe 775G (Zeile 4) entnommen. Zu 1.: Aus . Tab. 50.2 ergibt sich das Schüttgewicht von trockenem Sand-Kiesgemisch zu 1,70 t=m3 . 62 t=1;70 t=m3 D 36;47 m3  41;9 m3 verfügbares Muldenvolumen. Die Muldenkapazität reicht also aus. Zu 2.: Das Gesamtgewicht beträgt 46 t C 62 t D 108 t  124 t zul. Gesamtgewicht. Die Beladung ist also zulässig. Zu 3.: Fe D RWg C RWst RWg D RWk C RWs RWk D 0;2 kN=t  108 t D 21;6 kN Für Schotterwege beträgt der nach . Tab. 50.6 der spezifische Rollwiderstand  D 0;3 kN=t Gesamtgewicht RWs D 108 t  0;3 kN=t D 32;4 kN RWg D 21;6 kN C 32;4 kN D 54 kN RWg D erforderliche Zugkraft auf der Ebene RWst D 0;1 kN=.t  %/  108 t  10 % D 108 kN Fe D 54 kN C 108 kN D 162 kN Kontrolle: Fe D 108  .0;2 kN=t C 0;3 kN=t C 0;1 kN=t  10/ Fe D 162 kN Die erforderliche Gesamtzugkraft Fe beträgt also 162 kN. Zu 4.: Gemäß dem Zugkraft-Fahrgeschwindigkeitsdiagramm . Abb. 50.8 kann der Schwer-Lkw 775G diese Zugkraft aufbringen. Zu 5.: Auf die Hinterachse wirken 2=3 des Gesamtgewichtes. Der Bodenschlusskoeffizient beträgt nach . Tab. 50.10 für Schotterfahrwege  D 3;6 kN=t. Dann gilt Fn D 108 t  2=3  3;6 kN=t D 259;2 kN  162 kN Die auf den Boden übertragbare Nutzkraft von 259,2 kN ist also höher als die erforderliche Nutzkraft von 162 kN.

. Tabelle 50.10 Bodenschlusskoeffizienten für Schwer-Lkw und Dumper Untergrund

Bodenschlusskoeffizient kN=t

Beton, Asphalt

9,00

Steinbruchsohle

6,50

fester Boden, trockener Ton

5,50

loser Boden, nasser Lehm, Kohle auf Halde

4,50

Schotterweg

3,60

trockener Sand, fest gefahrener Schnee

2,00

Zu 6.: 162 kN Gesamtzugkraft entsprechen 162=108 D 1;5 kN=t spezifische Zugkraft. Mit 0;1 kN=t Zugkraft 1 % Steigung ergibt sich eine äquivalente Steigung von 1;5=0;1 D 15 %. Zu 7.: Die Fahrgeschwindigkeit kann mit dem ZugkraftFahrgeschwindigkeitsdiagramm . Abb. 50.8 ermittelt werden wie folgt: Man wählt die äquivalente Steigung (15 %) und folgt dieser in Pfeilrichtung bis zum Schnittpunkt mit der senkrechten, gestrichelten Linie „Gesamtgewicht 108 t“. Dann waagerecht in Pfeilrichtung bis zur Fahrkurve gehen. Darunter findet man die erreichbare Geschwindigkeit von ca. 11 km=h. Bei der Lastfahrt ist eine Geschwindigkeit von ca. 11 km=h realisierbar. Überlegung: Könnte man die äquivalente Steigung nur um 5 %-Punkte verringern, wäre eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 17 km=h möglich (untere Linie) 9

50.6

Dumper

Lassen sich auf Dauer hohe Fahrwiderstände nicht vermeiden, z. B. auf wenig tragfähigen Böden, so muss man die Schwer-Lkw durch Dumper (siehe . Abb. 50.9) ersetzen. Diese haben meist drei Achsen, die alle angetrieben werden. Auffällig ist das Knickgelenk. Dieses gewährleistet mit einem Lenkeinschlag von 45ı eine gute Manövrierfähigkeit. Ferner können breite Niederdruckreifen auf allen Achsen verwendet werden, deren Druck nur etwa drei bar beträgt. Der Bodendruck bei einem 3-Achs-Dumper ist nur etwa halb so hoch wie bei einem 2-Achs-Schwer-Lkw. Daher ist der Dumper für Böden aus halbtrockenem oder weichem Ton, aus Mutterboden oder aus Sand prädestiniert. Die Endgeschwindigkeit von Dumpern liegt deutlich unter der von Schwer-Lkw. Daher sollen Dumper nur für kurze Förderentfernungen eingesetzt werden. Zwei-Achs-Dumper sind beweglicher, ihr Reifenverschleiß ist geringer. Allerdings ist ihr Bodendruck höher, und man spürt jede Unebenheit der Fahrbahn. Die wirtschaftlichste Förderentfernung liegt bei etwa bei 1000 m.

999 Literaturhinweise, Informationsquellen

Literaturhinweise, Informationsquellen

. Abb. 50.9 Dumper (Muldenkipper mit Knicklenkung) mit Breitreifen und Tandemachse hinten, Motorleistung 361–491 kW; Nutzlast 39,5 t, Muldenkapazität 24 m3 , max. Gesamtgewicht 74 t. Lastschaltgetriebe mit 7 Vorwärts- und zwei Rückwärtsgängen. Traktionskontrolle und automatische Allradzuschaltung bei rutschigem Boden. Fahrgeschwindigkeit bis 55 km=h [Zeppelin-Cat]

Drei-Achs-Dumper sind bei Kurvenfahrt nicht so beweglich. Wegen des Radierens bei Kurvenfahrt ist der Reifenverschleiß höher. Drei-Achs-Dumper haben aber einen geringeren Bodendruck, und sie sind unempfindlicher gegen Bodenunebenheiten. Die wirtschaftlichste Förderentfernung liegt hier bei etwa 3000 m.

1. Hofmann, M.: Baumaschinen-Erdtransportgeräte. Vorlesungsmanuskript an der Uni Stuttgart, IFT Institut für Fördertechnik und Logistik, http://www.uni-stuttgart.de/ift (2019) 2. Eymer, W., Oppermann, S., Redlich, R., Schümann, M.: Grundlagen der Erdbewegung, 2. Aufl. Kirschbaumverlag, Bonn (2012) 3. Kunze, G., Göhring, H., Jacob, K.: Erdbau- und Tagebaumaschinen, 2. Aufl. Vieweg+Teubner/Springer Fachmedien, Wiesbaden (2012) 4. DIN 18300:2016-09: VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Erdarbeiten. Lösen, Laden und Fördern. Eine wichtige Bestimmungsgröße ist dabei die Boden- und Felsklassifizierung nach der Gewinnbarkeit (2016) 5. Eichfähige Wägesysteme für Schüttgutförderer. Internetauftritt der Firma Pfreundt, Südlohn. http://www.pfreundt.de (2019) 6. Häfner, C.: Baumaschinen-Erdtransportgeräte. Vorlesungsmanuskript des IFT Institut für Fördertechnik und Logistik. http://www.unistuttgart.de/ift (Stand: 2015)

50

1001

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten 2

2

2

g

m s2

Fallbeschleunigung

Fläche

i

1

Übersetzung

Beiwerte nach diversen Normen (Erläuterungen im Text)

l

m, cm, mm

Länge

m

kg, t

Masse, Fördermenge

m P

kg kg t , , s h h

Förderstrom (Massendurchsatz) D Masse pro Zeiteinheit

A

m , cm , mm

c; C

1

E

N m2

Elastizitätsmodul

F

N

Kraft

G

N

Gewichtskraft

m0

kg t , m m

Masse pro Längeneinheit

J

kg m2

Trägheitsmoment (Massenmoment 2. Grades)

n

min1

Drehzahl

p

1

Polpaarzahl

L

h

Lebensdauer r

m, cm, mm

Radius

M

Nm

Drehmoment s

m, cm, mm

Weg

N

t

Nutzlast t

s, h

Zeit

P

W, kW

Leistung tk

m, mm

Kettenteilung

RWx

N

Zugkräfte

S

N

Seilzugkraft

v

m km , s h

Geschwindigkeit

T

s

Periodendauer

w

1

Widerstandsbeiwert

V

m3 , cm3 , mm3

Volumen

x

m

Weggröße

VS

cm3 Umdr.

Schluckvolumen bei hydrostatischen Pumpen und Motoren

˛

ı

Steigungswinkel Förderrichtung



1

Dehnung

Q

t

Tragfähigkeit



1

Wirkungsgrad

W

J D Nm D Ws

Arbeit, Energie



1

Reibungszahl, Bodenschlusskoeffizient

a

m s2

Beschleunigung



Dichte, Schüttgewicht, Raumgewicht

d

m, cm, mm

Durchmesser

kg t , m3 m3

'

1

Stufensprung, Beiwert

f

1 s

Frequenz

1

Beiwert

1003

Kraft- und Arbeitsmaschinen Inhaltsverzeichnis Kapitel 51

Dampfturbinen – 1005 Wolfgang Böge

Kapitel 52

Wasserturbinen – 1019 Wolfgang Böge

Kapitel 53

Windkraftanlagen – 1031 Dominik Surek

Kapitel 54

Pumpen – 1039 Dominik Surek

Kapitel 55

Verdichter – 1055 Dominik Surek

Kapitel 56

Verbrennungsmotoren – 1067 Klaus Schreiner

X

51

1005

Dampfturbinen Wolfgang Böge

51.1 51.1.1

Erzeugung der kinetischen Energie Dampfgeschwindigkeit

Der im Dampferzeuger unter Druck stehende Dampf besitzt potentielle Energie. Dieser Dampf strömt unter Druckminderung durch düsenförmige Leiteinrichtungen, wobei die potentielle Energie des Dampfes in kinetische Energie umgesetzt wird. Die Druckminderung von p1 auf p2 entspricht einer Enthalpieänderung von h D h1 h2 in kJ/kg. Aus der Beziehung Epot D Ekin erhält man mit m D 1 kg die Gleichung h D cS2 =2 und daraus die theoretische p Dampfgeschwindigkeit am Düsenaustritt cs D 2 h in m/s. Die Reibung des Dampfes an den Düsenwandungen verringert die Dampfgeschwindigkeit. Düsenreibzahl ' D 0;93 bis 0,98. Zusammengefasst wirkt am Düsenaustritt die Dampfgeschwindigkeit p c D ' 2 h

c m s

h J Nm m2 D D 2 kg kg s

' 1

(51.1)

Die Enthalpiewerte h1 und h2 entnimmt man der Dampftafel (. Abb. 51.1), nämlich h1 für p1 , T 1 und h2 für p2 , 1 T2 D T1 .p1 =p2 /  . Einfacher wird das Energiegefälle h aus der Entropietafel (. Abb. 51.1) als Differenz zwischen den beiden Drucklinien p1 und p2 abgelesen, beginnend mit der Temperatur t1 und dem Druck p1 wie auch . Abb. 51.2 zeigt. Die Dampfreibung innerhalb der Düse bedeutet Erwärmung und damit Entropiezunahme des Dampfes, wodurch sich die Enthalpiedifferenz h um hr D .1  ' 2 /h verkleinert und das Nutzgefälle hc D .' 2 h/ ist (. Abb. 51.2).

51.1.2

Kritisches Druckgefälle

Solange die Dampfströmung in der Düse nicht die Schallgeschwindigkeit für Dampf erreicht, darf der Düsenkanal stetige Querschnittsverkleinerung bis zum Dampfaustritt aufweisen, wie in . Abb. 51.3 für Einfachdüsen dargestellt ist. Bei großem Energiegefälle wird aber die Schallgrenze

überschritten. Dann muss eine erweiterte Düse (Lavaldüse) angewandt werden, deren Erweiterungswinkel höchstens 10° sein soll (siehe . Abb. 51.3, Lavaldüse). Bis zum engsten Querschnitt Amin wird das kritische Druckverhältnis pk =p1 verarbeitet und danach im Erweiterungsteil das restliche Druckgefälle von pk auf p2 . Das kritische Druckverhältnis ist für Heißdampf 0,546 und für Sattdampf 0,577. Man erkennt, dass Lavaldüsen nötig sind, wenn das verarbeitete Druckverhältnis p1 =p2 bei Heißdampf größer als 1,83 ist.

51.1.3

Düsenquerschnitt

Düsenkanäle haben meist Rechteckquerschnitt und werden nebeneinander als Düsensegment in die Gehäusewand der Turbine vor dem Laufrad eingebaut. . Abb. 51.4 lässt erkennen, wie die mittlere Bogenstrecke B des Segmentes durch z Kanäle in die Teilungsstrecke t D B=z aufgeteilt ist. Der Dampfeintritt in die Kanäle erfolgt unter 90° zur Gehäusewand (. . . axial). Die Kanalverengung entsteht durch Abwinkelung der Kanalwände auf den Austrittswinkel ˛1 (15° bis 22°). Unter diesem Winkel strömt der Dampf gegen die Schaufeln des Laufrades. Er gilt daher auch als Zuströmwinkel ˛1 . Mit der Kanalwanddicke s entsteht am Düsenende die Austrittweite ba D t sin ˛1  s. Bei einer Kanalhöhe l ergeben z Düsenkanäle den Austrittsquerschnitt A D l ba z

51.1.4

A 2

mm

l; ba

z

mm

1

(51.2)

Düsenbauart

Düsensegmente werden gegossen oder bei großem Druckgefälle aus Düsenbogen, Deckbogen und Anpressbogen zusammengebaut. Im Düsenbogen sind die Kanäle aus dem Vollen herausgefräst, so dass die Kanalwände stehen bleiben, die der Deckbogen abdeckt. Düsen- und Deckbogen werden in die Gehäusewand vom Anpressbogen durch Pressschrauben dampfdicht eingebaut. Das . Abb. 51.5 zeigt diese Bauart als Lavaldüsen mit Kleinstweite bmin und dem Erweiterungswinkel.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_51

1006

Kapitel 51  Dampfturbinen

51

. Abb. 51.1 Entropietafel für Wasserdampf

51

1007 51.2  Nutzung der kinetischen Energie

. Abb. 51.5 Lavaldüsensegment (dreiteilig) . Abb. 51.2 Energiegefälle h

. Abb. 51.3 Düsenarten

Vollumfang ergänzen, beispielsweise durch acht Einzelbögen zu je 45° Bogenwinkel. Bei unterkritischem Druckgefälle sind Einfachdüsen auf dem Vollumfang angeordnet, die dann auch Leitkanäle in den Zwischenböden mehrstufiger Turbinen genannt werden (vgl. Zoellyturbinen). Als Kanalwände dienen hier eingegossene Ni-St-Bleche zwischen Innen- und Außenring des Zwischenbodens oder eingesetzte Profilschaufeln mit Fuß. Um bei der Endmontage die Turbinenwelle mit den Laufrädern einlegen zu können, werden alle vollbeaufschlagten Düsenwände und Zwischenböden zweiteilig ausgeführt und in die beiden Gehäusehälften der Turbine eingebaut.

51.1.5

Dampfdurchsatz

Der Austrittsquerschnitt bestimmt mit der Dampfgeschwindigkeit das sekundlich durchströmende Dampfvolumen VP D A c1 in m3 =s. Hat der Dampf beim Ausströmdruck p2 das spezifische Volumen v, so ist die sekundlich verarbeitete Dampfmasse m P D D Vs =v in kg/s. Man erhält pro Stunde den Dampfdurchsatz

m P Dh D

3600 A c1 v

m P Dh kg h

A m2

c1 m s

v m3 kg

(51.3)

. Abb. 51.4 Einfachdüsensegment

51.2

Da Düsensegmente nur einen Teil des Laufradumfangs mit Dampf beströmen, spricht man von Teilbeaufschlagung. Ihr Nachteil ist, dass die nicht beströmten Schaufeln den Umgebungsdampf verwirbeln und Verlustarbeit entsteht (Ventilationsverluste). Wenn irgend möglich, sollen Laufräder vollbeaufschlagte Dampfströmung erhalten. Erreichbar ist dies, indem sich mehrere Einzelbögen zum

Der aus den Düsen austretende Dampf strömt auf die Schaufeln des Laufrades. Die Schaufeln bilden gekrümmte Kanäle mit konstanter Kanalweite, in denen die durchströmende Dampfmasse abgelenkt wird. Um konstante Kanalweite zu erhalten, werden Profilschaufeln verwendet, wie es in . Abb. 51.6 dargestellt ist. Der erzeugte Ablenkdruck wirkt als Triebkraft F am Radumfang und treibt die Rad-

Nutzung der kinetischen Energie

1008

Kapitel 51  Dampfturbinen

51 . Abb. 51.7 Schaufelbeiwerte

ten ergibt sich die relative Geschwindigkeit w1 unter dem Richtungswinkel ˇ1 , die der Dampf gegenüber der umlaufenden Eintrittskante des Radkanals hat. Die Kanalwand (Schaufelwand) muss baumäßig diesen Richtungswinkel ˇ1 am Kanalanfang haben, damit der Dampf ohne Strömungsstörung an die Wand mit w1 angleitet und stoßfreier Dampfeintritt in den Radkanal erfolgt.

51.2.2

. Abb. 51.6 Energienutzung im Radkanal

schaufeln mit der Umlaufgeschwindigkeit u an, wodurch sich die Triebleistung P D Fu ergibt. Der Druckzustand des Dampfes ist vor und hinter dem Laufrad gleich groß. Das Laufrad arbeitet als Gleichdruckrad, die Turbine gilt als Gleichdruckturbine. Der in . Abb. 51.6 aufgezeigte Geschwindigkeitsverlauf der Dampfströmung im Radkanal lässt die Energienutzung erkennen.

51.2.1

Dampfeintritt

Vor dem Radkanal hat der Dampf die Geschwindigkeit c1 und den Zuströmwinkel ˛1 zur Umlaufrichtung der Radkanäle, deren Eintrittskanten (Schaufelkanten) die Umlaufgeschwindigkeit u haben. Aus beiden Geschwindigkei-

Dampfaustritt

Im umlaufenden Radkanal wird der Dampf durch die Wandkrümmung abgelenkt. Während dieser Ablenkung sinkt die relative Dampfgeschwindigkeit durch Reibung der Dampfmoleküle auf w2 D w1 , Schaufelbeiwert D 0;95 bis 0,8 (je nach Größe des Ablenkungsgrades). Mit dieser Geschwindigkeit w2 verlässt der Dampf die umlaufende Kanalwand unter Wandneigungswinkel ˇ2 . Da die Kanalwand die Geschwindigkeit u hat, entsteht aus w2 und u hinter dem Radkanal die absolute Dampfgeschwindigkeit c2 unter dem Abströmwinkel ˛2 zur Umlaufrichtung geneigt, wie es die Austrittseite am Laufrad in . Abb. 51.6 zeigt. . Abb. 51.7 zeigt Reibzahlwerte j abhängig vom Ablenkgrad.

51.2.3

Triebkraft und Leistung am Radumfang

Die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt des Radkanals zeigen zwei Geschwindigkeitsdreiecke, die zusammengefasst den Geschwindigkeitsplan der Energienutzung ergeben, der in . Abb. 51.8 dargestellt ist, wobei oft beide Dreiecke nebeneinander gezeichnet werden. Betrachtet man in diesem Plan die Komponenten der Dampfströmung in Radlaufrichtung, so ist vor Radkanal c1u D c1 cos ˛1 und nachher c2u D c2 cos ˛2 als Komponente zu erkennen. Die in Radlaufrichtung wirkende Triebgeschwindigkeit des Dampfes nimmt während der Ablenkung im Radkanal um cu D c1u  c2u ab. Damit entsteht der Triebimpuls Ft D m cu in N s und mit der sekundlich durchströmen-

1009 51.2  Nutzung der kinetischen Energie

. Abb. 51.9 Bestlaufregel

die Umlaufgeschwindigkeit u D c1u =2 D .c1 =2/ cos ˛1 die Bestlaufbedingung ist.

51.2.5

Schaufelprofile

. Abb. 51.8 Geschwindigkeitsplan

den Dampfmasse m P D ist am Radumfang die Triebkraft P D .c1u  c2u / F Dm P D  cu D m F N

m PD kg s

c1u ; c2u m s

(51.4)

Bei der Umlaufgeschwindigkeit u des Radkanals (Schaufel) ist dann als sekundliche Triebarbeit des Dampfes am Radumfang die Umfangsleistung P D u .c1u  c2u / Pu D Fu D m m PD kg W s P

51.2.4

u; c1u ; c2u m s

(51.5)

Turbinengleichung, Bestnutzung

Jedes kg Dampfmasse gibt im Radkanal den Energiebetrag EP D u.c1u  c2u / in J/kg an das Laufrad der Turbine ab. Diese Gesetzmäßigkeit wird als allgemeine Turbinengleichung EP D u .c1 cos ˛1 ˙ c2 cos ˛2 / bezeichnet. Hierbei ist zu beachten, dass die Komponenten c1u und c2u gleiche oder gegensinnige Richtung haben, denn ihr Änderungsbetrag bestimmt die Größe des Triebimpulses und damit Radtriebkraft und Radleistung. Die beste Energienutzung am Laufrad entsteht dann, wenn der Zuströmwinkel ˛1 möglichst klein gehalten wird und der Abströmwinkel ˛2 D 90ı beträgt, damit der Abströmdampf keine Rotationsenergie enthält. Setzt man vereinfacht w2 D w1 und baut gleiche Wandwinkel ˇ1 D ˇ2 , so erreicht man 90° Abströmwinkel, wenn u D w2 cos ˇ2 D cos ˇ1 w1 ist. Dann wird auch c1u D 2u, wie es in . Abb. 51.9 der Geschwindigkeitsplan für Bestnutzung zeigt. Man erkennt, dass dafür

Durch die Dampfreibung im Radkanal wird w2 < w1 . Soll der Abströmwinkel 90° erreicht werden, so baut man vielfach unsymmetrisches Schaufelprofil mit ˇ2 < ˇ1 , um gute Laufbedingung c1u D uŒ1 C cos ˇ1 =.' cos ˇ2 / zu erhalten, wie es . Abb. 51.10 erkennen lässt. Hierbei wirkt die Bahnkraft F b unter Winkelneigung .ˇ1  ˇ2 /=2 zur Radlaufrichtung und hat neben der Triebkomponente F eine kleine Axialkomponente Fa D F tanŒ.ˇ1  ˇ2 /=2. Diesen Nachteil vermeidet man bei symmetrischem Schaufelprofil mit ˇ1 D ˇ2 nach . Abb. 51.11. Der dort aufgestellte Geschwindigkeitsplan zeigt, dass dann für den Bestnutzungslauf die Umlaufgeschwindigkeit ' u D c1u sein muss. 'C1 Eine weitere Maßnahme für Bestnutzung ist bei vollbeaufschlagten Rädern die Anwendung eines kleinen Druckgefälles im Laufradkanal, dessen Energiebetrag gerade die Reibverluste aufhebt, wodurch w2 D w1 erhalten wird und mit Symmetrieschaufel (ˇ1 D ˇ2 ) nach . Abb. 51.9 die Umlaufgeschwindigkeit u D .c1 =2/ cos ˛1 sein muss. Derartige Radkanäle haben Düsenform mit Verengungskanal,

. Abb. 51.10 Unsymmetrische Schaufel (ˇ2 kleiner ˇ1 )

51

1010

Kapitel 51  Dampfturbinen

kanalhöhe (Schaufellänge l) muss am Dampfaustritt größer als am Eintritt sein, da bei p20 das spezifische Volumen v20 größer als v2 beim Druckzustand p2 ist und die sekundlich durchströmende Dampfmasse m P D D Vse =v2 D Vsa =v20 beträgt. Mit der Radkanalzahl z und w1 D w2 muss dann b1 l 1 b2 l 2 D sein und demnach das Höhenverhältnis v2 v20 l2 b1 v20 D . Am Dampfaustritt sorgt das geradflankige Kal1 b2 v2 nalende für gute Dampfabströmung.

51

51.3

. Abb. 51.11 Symmetrische Schaufel (ˇ2 D ˇ1 )

Geschwindigkeitsstufung (Curtisrad)

Die Umlaufgeschwindigkeit bestimmt die Fliehkraftwirkung auf die Schaufeln und deren Festigkeitsbeanspruchung. Für bestes Schaufelmaterial gilt als erträglicher Höchstwert u D 300 m/s. Dafür kann die Dampfgeschwindigkeit c1 D 2u D 600 m/s durch ein Energiegefälle h D .6002 =2/ D 180 kJ=kg in der Düse erzeugt werden. In Lavaldüsen werden aber meist mehr als 419 kJ/kg als Energiegefälle verarbeitet, dessen Energiebetrag dann nur mehrstufig am Rad ausgenutzt werden kann. Man verwendet ein mehrkränziges Laufrad, das Curtisrad (Curtisturbine). Praktisch werden hauptsächlich zweikränzige Räder (2C-Räder) angewandt, selten dreikränzige. Zwischen den beiden Radkränzen greift der am Gehäuse befestigte Leitschaufelkranz ein, dessen Kanäle den Austrittsdampf des ersten Radkranzes wieder in Laufrichtung zum zweiten Radkranz umleiten. Als Nachteil entsteht in drei Kanälen mehr Reibverlust als bei einstufiger Energienutzung, wodurch Curtisräder einen schlechten Wirkungsgrad aufweisen. Es treten drei verschiedene Kanalreibzahlen 0 , m und 00 auf, deren Gesamtprodukt 0 00 ist. Für Symmetrieschaufeln erhält man g D m durch ähnliche Überlegungen wie am Einkranzrad nach . Abb. 51.11 hier beim 2 C-Rad die Bestlaufbedingung c1u =u D f . 0 ; 00 ; g /. Vorläufig geschätzte Reibzahlen bestimmen nach dieser Bestlaufbedingung die Umlaufgeschwindigkeit des 2 C-Rades für dessen Betriebswerte m P D, h, ', ˛1 . Die Schaufelprofile der Kränze werden unter Beachtung der wirklichen Kanalreibzahlen durch den Geschwindigkeitsplan ermittelt und der Strömungsverlauf im 2 C-Rad erkannt. Das Beispiel vom . Abb. 51.13 (Kleinturbine; n D 6000 1/min) zeigt die Anwendung der erkannten Zusammenhänge.

. Abb. 51.12 Überdruckschaufel (b1 größer b2 )

51.3.1 Übungsbeispiel (2 C-Rad) das Rad hat Überdruckschaufeln, wie es . Abb. 51.12 zeigt. Der Schaufelkranz des Rades erhält dann Labyrinthdichtung gegen Gehäusewand durch Laufkämme am1 Betriebswerte Deckband, damit der am Rad wirkende Überdruck sich dort Dampfmenge je Sekunde am Düsenausgang nicht ausgleicht (Spaltverluste werden klein gehalten). Der kg Überdruck auf die Radfläche AR erzeugt eine Axialkraft m PD D 1 0 Fa D .p2  p2 /AR , die zu berücksichtigen ist. Die Rads

1011 51.3  Geschwindigkeitsstufung (Curtisrad)

. Abb. 51.13 Zweikränziges Curtisrad zum Übungsbeispiel

Düsenaustrittsgeschwindigkeit p m c1 D ' 2 h D 869 s

Spezifisches Volumen v D 0;9

m3 kg

Gesamte Düsenaustrittsfläche

Enthalpiedifferenz

Ad D

kJ h D 419 kg Lavaldüsen mit Düsenreibzahl ' D 0;95 Zuströmwinkel ˛1 D 17ı Drehzahl n D 6000 min1 1 Düsensegment

Ausströmvolumen je Sekunde 3

m VP D m P D v D 0;9 s

VP D 1035 mm2 c1

Düsenzahl z D 15 (gewählt) Kanalwanddicke s D 2 mm (gewählt) Ad Kanalquerschnitt D 69 mm2 ; z Kanalhöhe ld D 7;2 mm Kanalweite ba D 9;6 mm ba C s Düsenteilung t D D 39;8 mm sin ˛1 Bogenlänge B D z t D 597 mm (vgl. . Abb. 51.4 und 51.5)

51

Kapitel 51  Dampfturbinen

1012

1 Laufkranz I

Umlaufkomponente

Zuströmgeschwindigkeit 0 c1u

51

0 c2u D w20 cos ˇ20  u D 385

m D 869 D Düsenaustrittsgeschwindigkeit c1 s

Abströmwinkel ˛20 aus

Umlaufkomponente 0 c1u

c10

D

cos ˛10

m s

c20 D

Kanalreibzahl der Laufkränze (geschätzt) D 0;8;

mit

g

f



D

0

0

00

c10 u 0 ; 00 ; m

00

m

D 0;85

4 U sin ˇ cos ˇ U D D 204;3; t a gewählt z 0 D 205

zD

g

und

mit

; g / D 5;35 m u D 155 s f.

;

t0 D

U D 7;56 mm Teilung z0

1 Kanaleintritt

Kanaleintrittsquerschnitt

Umfang U D

c20 u m D 436 cos ˛20 s

0 0 P D .c1u  c2u / D 446 N Triebkraft F 0 D m Ablenkbreite a D 10 min, Kranzbreite k D 1;1  a D 11 mm (gewählt) Schaufel- bzw. Kanalzahl

D 0;9

Kanalreibzahl im Leitkranz Umlaufgeschwindigkeit uD

˛20 D 28ı

Abströmgeschwindigkeit

0 D c10 sin ˛10 D 254 c1a

00

w20 sin ˇ20 D 0;53I c20 u

tan ˛20 D

m D 831 s

Axialkomponente

0

m s

u D 1;55 m n

VP B D 21;16 mm2

w10

Laufdurchmesser

t0

Kanalhöhe l10 D 8 mm, Kanalweite b 0 D 2;65 mm, Endwanddicke s D 0;3 mm

U D 0;494 m DD  

1 Kanalaustritt

Beaufschlagung

Kanalhöhe B 0;597 D D 0;385 ¶ 38;5 % U 1;55

l20

D

Profilwinkel (Symmetrieschaufel) ˇ10 D ˇ20 aus tan ˇ10 D tan ˇ10 D

c10 a c10 u  u

254 D 0;376I 831  155

c10 a m 0 D 721 sin ˇ1 s m 0 0 0 w2 D w1 D 577 s



w10 w20



v0 v

 D 11 mm

1 Leitkranz

ˇ10 D 20;6ı

Profilwinkel ˇ10 D ˇ20 D 20;6ı ergibt mit Umlenkung um 139,2° nach . Abb. 51.7 die Kanalreibzahl 0 D 0;8 (wie geschätzt) Relative Geschwindigkeiten w10 D

l10

Profilwinkel ˇm D ˛20 D 28ı ergibt mit Umlenkung um 124° nach . Abb. 51.7 Kanalreibzahl m D 0;85 (wie geschätzt) Zuströmgeschwindigkeit ce D c20 D 436

m s

Abströmgeschwindigkeit ca D

m ce

D 370

m s

Schaufelzahl zm D f .U; ˇm ; a/ D 257;3, gewählt zm D 250 mit tm D 6;2 mm Teilung

51

1013 51.4  Druckstufung (Zoellyturbine)

1 Kanaleintritt

1 Kanaleintritt 00 00 Kanalhöhe l1 m D 11;8 mm, Kanalweite bm D 2;65 mm, Kanalhöhe l1 D 15 mm, Kanalweite b D 2;3 mm, Endwanddicke s D 0;9 mm Endwanddicke sm D 0;5 mm 1 Kanalaustritt

1 Kanalaustritt

Kanalhöhe    00  l1 m v l2 m D D 14;3 mm v0 m 3 VP 0 D 0;99 ms am Eintritt nimmt durch Erwärmung zu auf 3 VP 00 D 1;015 ms

1 Laufkranz II

Zuströmgeschwindigkeit c100 D ca D 370 ms Zuströmwinkel ˛100 D ˛20 D 28ı 00 Umlaufkomponente c1u D c100 cos ˛100 D 327 ms 00 Axialkomponente c1a D c100 sin ˛100 D 174 ms c 00 Profilwinkel ˇ100 D ˇ200 aus tan ˇ100 D 00 1 a D 1;01 c1 u  u ˇ100 D 45ı ergibt mit Ablenkung von 90° nach . Abb. 51.7 die Kanalreibzahl 00 D 0;915 (statt wie geschätzt 00 D 0;9!) Relative Geschwindigkeiten w100 D

und w200 D 00 w100 D 225 ms Umlaufkomponente m s

(gegen Triebrichtung) Abweichwinkel ˛ von 90° aus tan ˛ D

c200 u D 0;026; w200 sin ˇ200

˛ D 1;5ı Abströmwinkel ˛200 D 90ı  ˛ D 88;5ı Abströmgeschwindigkeit c200 D

c200 u m D 157 sin ˛ s

00 00 Triebkraft F 00 D m P D .c1u  c2u / D 331 N 00 Schaufelzahl z D f .U; ˇ 00 ; a/ D 310 mit t 00 D 5 mm Teilung Kanaleintrittsquerschnitt

VP 00   D 34;6 mm2 B w100 00 t

Pu D .F 0 C F 00 / u D 120:435

Nm D 120;44 kW s

Wirkungsgrad

51.3.2

Die Dampfleistung wird ohne Berücksichtigung von Wärmeverlusten nach der Gleichung P0 D m P D h D .m P D =2/c02 ermittelt. Hinter der Düse ergibt sich die tatsächliche Dampfleistung aus P1 D .m P D =2/c12 . Daraus lässt sich der Düsenwirkungsgrad d D P1 =P0 D .c1 =c0 /2 D ' 2 bestimmen. Ebenso lässt sich der Kanal- oder Schaufelwirkungsgrad festlegen: s D

c100 a m D 246 sin ˇ100 s

00 c2a D w200 cos ˇ200  u D 4;07

Kanalhöhe l002 D 16;4 mm 3 Austrittsvolumen VPa D 1;02 ms 3 Spezifisches Volumen va D 1;02 mkg Leistung

Pu 2 Pu D P1 m P D c12

s

Pu

1

W

m PD kg s

c1 m s

(51.6)

Das Produkt beider Einzelwirkungsgrade ergibt den Gesamtwirkungsgrad am Radumfang, den UmfangswirkungsP D h. Teilbeaufschlagte Räder grad u D Pu =P0 D Pu =m haben Leistungsverluste Pv durch Ventilation, die durch Schutzringe (. Abb. 51.15) gering gehalten werden können. Vollbeaufschlagte Räder mit Überdruckwirkung in den Kanälen (. Abb. 51.12) haben Spaltverluste Ps , weil Dampf durch die Laufspalte an den Kranzkanälen vorbeiströmt. Die Leistungsverluste Pv;s betragen 3 bis 5 % von P0 und verschlechtern den Umfangswirkungsgrad auf den Innenwirkungsgrad i D .0;95 bis 0;97/u . 51.4

Druckstufung (Zoellyturbine)

Hohe Dampfgeschwindigkeit und großer Ablenkgrad im Radkanal erzeugt große Reibverluste und einen schlechten Wirkungsgrad (siehe 2 C-Rad, 7 Abschn. 51.3.1). Wird ein großes Energiegefälle in mehrere Teilgefälle unterteilt verarbeitet, so erhält man kleinere Dampfgeschwindigkeiten, kleinere Reibverluste und einen besseren Wirkungsgrad. Derartige Energieverarbeitung heißt Druckstufung. Sie findet Anwendung in der Zoellyturbine, die als Reihenschaltung mehrerer Gleichdruckturbinen angesehen werden kann. In jeder Stufe wird möglichst das gleiche Teilgefälle h verarbeitet, das in den düsenförmigen Leitkanälen des Zwischenbodens Energie erzeugt, die im nachfolgenden Gleichdruckrad triebmäßig ausgenutzt

1014

Kapitel 51  Dampfturbinen

. Abb. 51.14 Fünfstufige Gleichdruckturbine

51

wird. Die Leitkanäle jeder Folgestufe verarbeiten als Düse ihr Druckgefälle und die ungenutzte Abströmenergie der vorhergehenden Stufe. Bei gleichem Energierestbetrag in jeder Folgestufe ist die erzeugte Energie in diesen Folgestufen gleich groß. Einen Abströmverlust erhält nur die letzte Stufe. Das Übungsbeispiel nach . Abb. 51.14 zeigt die Zusammenhänge.

Profilwinkel ˇ1 mit u < tan ˇ1 D

c1 a ; c1 u  u

Übungsbeispiel (5 Gleichdruckstufen)

1 Betriebswerte

Dampfmenge je Sekunde m P D D 20 kgs kJ Summe der Teilenergiegefälle hg D 419 kg kJ Teilenergiegefälle h D 83;8 kg (5 Stufen) 1 Turbinendrehzahl n D 3000 min Düsenreibzahl ' D 0;96 bei einem Zuströmwinkel ˛1 D 17ı

1 Anfangsstufe

Düsenaustrittsgeschwindigkeit c1 D '

p m 2 h D 394 s

Umlaufkomponente c1u D c1 cos ˛1 D 376

m s

c1a D c1 sin ˛1 D 115

m s

.gewählt/

c1 a m D 176 tan ˇ1 s

u D 1;12 m  n Kanalreibzahl D 0;83 (geschätzt) Profilwinkel ˇ2 aus Laufdurchmesser D D

cos ˇ2 D

cos ˇ1 u D 0;918 .c1 u  u/

ˇ2 D 23ı (Bestlaufregel nach . Abb. 51.10) Ablenkung 127° nach . Abb. 51.7 für D 0;83 Relative Geschwindigkeiten c1 a m D 230 sin ˇ1 s m w2 D w1 D 191 s w1 D

Abströmgeschwindigkeit c2 D u tan ˇ2 D 75 ms Abströmwinkel ˛2 D 90ı Restenergie hr D

Axialkomponente

ˇ1 D 30ı

Umlaufgeschwindigkeit u D c1u 

51.4.1

c1 u und mit 2

c22 kJ D 2;81 2 kg



aus c2 D

p

 2 hr

P D c1u D 7520 N Triebkraft FI D m Umfangsleistung PuI D FI u D 1:323:520 W

1015 51.5  Überdruckstufung

1 Folgestufen

Austrittsgeschwindigkeit an der Zwischenbodendüse c10 D '

p m 2 .h C hr / D 400 s

0 D 382 ms (˛1 D 17ı ) Umlaufkomponente c1u 0 Axialkomponente c1a D 117 ms Umlaufgeschwindigkeit

u0 D c1u 

c1 a m D 179 .ˇ10 D 30ı / tan ˇ10 s

u0 D 1;14 m  n Profilwinkel ˇ20 D 23ı nach f .ˇ10 ; ; u; c1u / Relative Geschwindigkeiten

Laufdurchmesser D 0 D

c0 m w10 D 1 a 0 D 234 sin ˇ1 s m 0 0 w2 D w1 D 194 s Abströmgeschwindigkeit c20 D u tan ˇ20 D 76

m s

bei ˛2 D 90ı 0 Triebkraft FII D c1u m P D D 7640 N Umfangsleistung Pu II D FII u D 1:367:560 W Restenergie h0r D

c202 kJ D 2;888 2 kg

Austrittsgeschwindigkeit aus der folgenden Zwischendüse q

m c100 D ( 2 h C h0r D 400 s In den folgenden Stufen ergeben sich die gleichen Geschwindigkeiten!

51.4.2

Für alle Stufen erhält man den gesamten Umfangswirkungsgrad ug ug D

h .0;79 C 4  0;816/ D 0;8108 hg

Für Spalte und Radscheiben werden Leistungsverluste von 3 bis 4 % geschätzt, so dass mit einem Innenwirkungsgrad ig D 0;78 gerechnet werden kann. Zum Vergleich beträgt für das 2 C-Rad (Übungsbeispiel 1.3.1) der Innenwirkungsgrad i D 0;54. Damit ist erwiesen, dass durch Druckstufung eine bessere Energienutzung als bei Geschwindigkeitsstufung möglich ist. Allerdings ist der Bauaufwand der Druckstufung gegenüber C-Rädern wesentlich größer. 51.5

Überdruckstufung

Durch genügend große Stufenzahl wird der Druckunterschied an den Zwischenböden klein (ca. 20 bis 30 N/mm2 ). Dann können die Düsenkanäle ähnlich wie die Leitkanäle beim mehrkränzigen Curtisrad gebaut werden. Als düsenförmige Leitkränze greifen sie zwischen die Laufschaufelkränze, die alle auf einem gemeinsamen Trommelkörper sitzen. Die Zwischenböden mit ihren Labyrinthdichtungen werden ebenso wie die vielen Radscheiben eingespart, wie es das . Abb. 51.15 zeigt. Der kräftige Trommelkörper gestattet kleine radiale Laufspalte der Leit- und Laufschaufeln, deren Enden ohne Abdeckband zugeschärft werden, damit beim möglichen Anstreifen an Gehäuse- oder Trommelumfang nur geringer Abschliff entsteht. Zweckmäßig wird in den Laufschaufelkränzen ebenfalls Druckgefälle verarbeitet, wodurch eine mehrstufige Überdruckturbine entsteht, die bei mehrteiligen Turbinenanlagen als Parsonsteil bezeichnet wird. Das Energiegefälle wird meist im Leit- und Laufkranz gleich groß, als Reaktionsgrad (vgl. Wasserturbinen) also r D 0;5 festgelegt. Als Bestlaufregel gilt für Überdruckturbinen u D .0;8 bis 1/ c1u . Die Durchrechnung der Stufenprofile und Geschwindigkeitspläne ist ähnlich wie im Druckstufungsbeispiel 7 Abschn. 51.4.1, jedoch wird oft auf Abströmwinkel ˛2 D 90ı verzichtet und ˇ2 D ˛1 sowie ˇ1 D ˛2 angestrebt.

Wirkungsgrad

Der Wirkungsgrad der Zoellyturbine wird mit den im Übungsbeispiel ermittelten Werten bestimmt. Die Anfangsstufe hat den Umfangswirkungsgrad u u D

Pu I c1 u u D D 0;79 m P D h h

In jeder Folgestufe beträgt der Umfangswirkungsgrad 0u 0u D

c10 u u0 D 0;816 h

. Abb. 51.15 Trommelturbine (Überdruckstufung)

51

1016

Kapitel 51  Dampfturbinen

51

. Abb. 51.16 Labyrinthdichtungen

51.5.1

Ausgleichkolben

Der an jeder Laufkranzringfläche Ar wirkende Überdruck p erzeugt eine Kraft in Richtung des Druckgefälles. Die Summe dieser Kräfte und der Dampfkraftunterschied F a auf die Ringflächen des Trommelkörpers wirken an der P Welle als Axialkraft Fa D Ft C p Ar . Diese Kraft wird durch einen Ausgleichkolben aufgehoben, dessen Labyrinthdichtung meist das ganze Überdruckgefälle (p  pa ) absperrt. Seine wirksame Überdruckfläche F k wird so bemessen, dass die Kolbenkraft Fk D .p  pa /Ak die Axialkraft F a aufhebt, wie es in . Abb. 51.15 angedeutet ist. Vor dem Parsonsteil arbeitet ein teilbeaufschlagtes 2 C-Rad, dessen Ventilationsverluste durch einen Schutzring gemildert werden. 51.6

Labyrinthdichtung

Der Laufspalt zwischen Welle und Gehäuse (Zwischenboden) verlangt Abdichtung durch Labyrinthkammern. In die Welle werden Blechstreifen eingestemmt (Stemmdraht), deren zugeschärfte Kammschneiden in Ausdrehungen der Gehäusewand (oder Stopfbuchsenwand) hineinragen oder umgekehrt. Es entstehen viele Spaltkammern mit Dichtstellen. Aus dem Vollen hergestellte Dichtstellen sind sehr wirksam, aber teuer. Zwischenböden erhalten meist eingesetzte Kammschneiden gegenüber der glatten Laufradnabe. Eine kondensatorseitige Labyrinthdichtung wird mit Sperrdampf beschickt, der Außenluft nicht eintreten lässt (Vakuumhaltung des Kondensators). Das . Abb. 51.16 zeigt die wichtigsten Dichtungsbauformen. 51.7

. Abb. 51.17 Drosselungsvorgang im i; s-Diagramm

Drosselventil. . Abb. 51.17 zeigt den Vorgang als waagerechte Verlaufslinie in der i; s-Tafel. Das Energiegefälle der Turbine wird verkleinert, weil h0 < h wird. Sie ist unwirtschaftlich, denn der Energienutzungsgrad wird schlechter (th D h0 = h1 < h= h1 ). Bei der Mengenregelung (Füllungsregelung) sind die Eintrittsdüsen in mehrere Kammern angeordnet, die ihre Dampfzufuhr je über ein Kammerventil (Düsenventil) erhalten (. Abb. 51.18). Bei Volllast sind alle Ventile offen (voller Dampfdurchsatz), bei Teillast nur so viel, dass die zur Teilleistung erforderliche Dampfmasse zuströmen kann. Mit vier Kammerventilen kann in Stufen zu je 25 % Volllast heruntergeregelt werden. Kleinere Lastschwankungen zwischen den Laststufen werden von einem der Kammerventile als Drosselventil geregelt. Die Steuerung der Kammerventile geschieht hydraulisch. Bei plötzlicher Entlastung (Elektrizitätswerke) verhütet ein Sicherheitsregler unzulässige Drehzahlzunahme. Ein Fliehkraftbolzen (oder Ring) entriegelt die Sperrung des Hauptventils der Dampfzufuhr, das dann durch Federkraft zuschlägt (. Abb. 51.19).

Regelung

Konstante Drehzahlhaltung bei Laständerung verlangt die Regelung der Energiezufuhr. Man unterscheidet Mengenund Drosselregelung. Drosselung ist Dampfdruckabfall ohne Enthalpieänderung. Der Druckabfall entsteht in einem

. Abb. 51.18 Düsenkammern mit Regelventilen

1017 51.9  Turbinenanlagen

. Abb. 51.19 Sicherheitsregelung mit Schnellschlussventil

51.8

Radialturbinen

Die Dampfströmung ist radial senkrecht zur Welle gerichtet. Die mehrstufige Arbeitsart kann Gleichdruckstufung sein, ist aber meist als Überdruckstufung ausgeführt, weil dann die Zwischenböden fortfallen. Die Einfach-Radialturbine (Siemens) hat feststehende Leitkränze, die zwischen die Laufradkränze greifen. Die Durchströmung ist wechselnd innen- und außenläufig. Durch ein vorgeschaltetes Gleichdruckrad (oder 2 C-Rad) kann ein kleiner Betriebsdruck im Turbinengehäuse erreicht werden. Die Doppelt-Radialturbine (Ljungström) arbeitet mit gegenläufigen Radscheiben, deren Kränze gegenseitig ineinandergreifen. Beide Kranzgruppen sind gleichartig. Die Laufschaufeln einer Radscheibe sind gleichzeitig die Leitschaufeln für die andere Radscheibe. Durch den Gegenlauf der Scheiben verarbeiten zwei aufeinander folgende Kränze soviel Energiegefälle, wie sonst in vier Laufradkränzen üblicher Überdruckstufung verarbeitet werden. Man erkennt den wesentlichen Bauvorteil (. Abb. 51.20). 51.9

Turbinenanlagen

Großturbinen der Kraftwerke (Elektrizitätserzeugung) bestehen meist aus Hoch-, Mittel- und Niederdrückteil mit Kondensatoranlage und verarbeiten ein großes Energiegefälle. Erreicht der Dampf 8 bis 10 % Dampfnässe, so muss vor weiterer Nutzung Zwischenüberhitzung einsetzen. Sie erfolgt in einem mit Frischdampf beheizten Zwischenüberhitzer neben der Turbine oder im Zwischenüberhitzer des Kessels, wozu Hin- und Rücklaufrohre des Dampfes zwischen Turbine und Kessel erforderlich sind (Nachteil). Kondensatoranlagen entziehen durch Wasser-

. Abb. 51.20 Radialturbinen

rohrkühlung dem Abdampf die Verdampfwärme bei Unterdruck (Vakuum). Das entstehende Kondenswasser wird dem Dampferzeuger wieder zugeführt (Kreislaufbetrieb). Die Kühlwassermassen werden bei Frischwasserkühlung einem Flusslauf (oder Brunnen) entnommen. Ihre Kühlwirkung erreicht bis 0,03 bar Abdampfdruck im Kondensator. Bei Frischwassermangel muss das Kühlwasser in Kühltürmen rückgekühlt werden, wobei nur bis ca. 0,1 bar Abdampfdruck im Kondensator erreicht werden kann. Für Industriezwecke sind Gegendruck-, Entnahme- und Abdampfturbinen gebräuchlich. Gegendruckturbinen verarbeiten nur das obere Energiegefälle, der Rest dient anderen industriellen Heiz- und Wärmezwecken. Bei Entnahmeturbinen wird vor dem Mittel- oder Niederdruckteil Dampfströmung für andere Zwecke abgezweigt. Abdampfturbinen werden mit Abdampf niederen Druckes anderer Energie- oder Industriedampfanlagen gespeist.

51

1019

Wasserturbinen Wolfgang Böge

52.1

Stauanlagen

Gestaut wird durch Wehr oder Staumauer, wodurch nutzbarer Höhenunterschied der Energielage des Wassers entsteht. Diese Höhendifferenz wirkt als Wasserdruckgefälle in der Turbinenanlage. 52.1.1

Niederdruckanlage

Flussanlagen haben meist kleine Höhendifferenz und sind daher Niederdruckanlagen. Das Wasser fließt vom Einstaugebiet oberhalb des Wehrs durch den Obergraben zur Turbine und danach in den Untergraben ab. Bei natürlichen Gräben wird je nach Bodenbeschaffenheit 0,2 bis 1,0 m/s Zulaufgeschwindigkeit im Obergraben gewählt. Gemauerte oder betonierte Kanäle gestatten größere Werte, jedoch ist dann der größere Fallhöhenverlust zu beachten. Rechen und Kiesfang sorgen für Wasserreinheit. Überläufe (Übereich) vermeiden Überschwemmung bei Hochwasseranfall. Turbine und Obergraben können für Reparatur oder Kontrolle durch Haupt- und Leerlaufschütze wasserfrei gemacht werden. . Abb. 52.1 zeigt ein Anlagebeispiel. Bei Flussanlagen im Flachgelände liegt die Turbinenkammer direkt am Wehr ohne Obergraben. Wenn nötig, erhalten die Stauanlagen eine Schleusenkammer für den Schiffsverkehr mit Ober- und Unterkanal, wie im Anlagebeispiel vom . Abb. 52.2 zu erkennen ist. 52.1.2

Gute Lagerung, Bettung und Verankerung der Rohre sind erforderlich, besonders an Steilhängen mit großem Baugefälle. Die Linienführung der Rohrstrecke soll möglichst gerade sein. Längenänderungen an langen Rohrsträngen durch Temperaturschwankungen werden von Rohrstopfbuchsen aufgefangen.

. Abb. 52.1 Niederdruckanlage mit Obergraben

Hochdruckanlage . Abb. 52.2 Niederdruckanlage am Wehr

Anlagen mit Staumauer als Talsperre erschaffen einen Stausee. Solche Stauseeanlagen haben große Höhendifferenz und gelten als Hochdruckanlagen. Vom Stausee führt ein Kanal oder Stollen das Wasser zum Wasserschloss. Von diesem fließt das Wasser durch Rohrleitungen zur Turbine und danach in den Untergraben ab. . Abb. 52.3 zeigt eine derartige Anlage. Absperrorgane der Rohrleitungen sind Absperrschieber. Der Rohrquerschnitt wird für 1 bis 3 m/s Wassergeschwindigkeit ausgelegt, wobei für lange Rohrstrecken der auftretende Strömungswiderstand (Verlusthöhe) zu beachten ist. Die Rohrwandstärke wird für den auftretenden Wasserdruck bemessen.

. Abb. 52.3 Hochdruckanlage

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_52

52

1020

52.2

52

Kapitel 52  Wasserturbinen

Für die Spiralturbine nach . Abb. 52.5 errechnet sich die Fallhöhe H .p1 ¤ p2 / aus

Durchfluss, Höhenwerte

Wasserturbinen sind als Strömungsmaschinen dadurch gekennzeichnet, dass bei Betrieb die Schaufelkanäle des Triebrades stetig vom Treibwasser durchströmt werden. Das sekundlich durch die Turbine strömende Wasservolumen heißt Durchfluss oder Wasserstrom VP und wird in m3 /s gemessen. Die Fallhöhe H ergibt sich aus der Bernoulli’schen Druckhöhengleichung. p1 p2 c2 C 1 C z1 D C g 2g g p c z N m D Pa m m2 s

c22 C z2 2g g  m kg s2 m3

(52.1)

Nach . Abb. 52.4 errechnet sich die Fallhöhe H (p1 D p2 ) aus c12 c2  z2  2 2g 2g 2 2 c  c2 H D z1  z2 C 1 2g H D z1 C

p1 c2 c2 C 1  z2  2 g 2g 2g 2 2 p1 c  c2 C 1 H D z1  z2 C g 2g H D z1 C

52.3

Freistrahlturbinen

Sie arbeiten an Hochdruckanlagen mit großer Fallhöhe. In den Rohranlagen wirkt am unteren Rohrende die ganze Energiehöhe als Druckenergie auf den Rohrabschluss. Die dort angebaute Düse wandelt Druckenergie in Strömungsenergie um. Die Energie des so erzeugten freien Wasserstrahls wird durch Ablenkung an der umlaufenden Radschaufel ausgenutzt. Die Turbine arbeitet als Gleichdruckturbine, weil das Wasser vor und hinter der Schaufel gleichen Druck hat. Die Beaufschlagung ist partiell, weil nur einige Schaufeln vom Strahl gleichzeitig getroffen werden. Mehrdüsige Bauart ist möglich, wodurch größere Drehzahl und Beaufschlagung erhalten wird.

52.3.1

Turbinenleistung

In . Abb. 52.6 ist die Betriebslage der Turbine zwischen Ober- und Unterwasserspiegel dargestellt. Aus der Fallhöhe H und dem Durchfluss VP erhält man die theoretische Wasserleistung Pth D VP H  g in Watt. Der Turbinenwirkungsgrad berücksichtigt auftretende Verluste.

. Abb. 52.4 Turbine mit offenem Ober- und Unterwasserspiegel

. Abb. 52.5 Spiralturbine mit Rohrzufluss

. Abb. 52.6 Freistrahlturbine

1021 52.3  Freistrahlturbinen

Damit ist die Turbinenleistung an der Welle P

P D VP H  g

52.3.2

W

VP m3 s

 kg m3

H m

(52.2)

Düse, Düsennadel

52.3.3

Verarbeitet die Düse die Druckhöhe hD D p= g, so entsteht nach dem Energiesatz mit der Geschwindigkeitszahl '  0;98 die Strahlgeschwindigkeit c1 D '

p 2 g hD

c1 m s

g m s2

hD

'

m

1

(52.3)

Nach dem Strömungsgesetz wird mit dem Durchfluss VP der Strahlquerschnitt A1 D

VP c1

A1 m2

VP m3 s

d0 sein, dann sind obige Arbeitsbedingungen der Nadel erfüllt. Der Spitzenwinkel des Wandprofils beträgt ca. 60 bis 80°. Die Betätigung der Nadel erfolgt durch hydraulische Kräfte, die durch einen Fliehkraftregler eingeleitet und gesteuert werden.

c1 m s

(52.4)

Aus A1 D d21  =4 erhält man den Strahldurchmesser d1 . Die Düse enthält die Düsennadel. Sie regelt bei Lastschwankungen die Turbinenleistung und verhütet unzulässigen Drehzahlanstieg. Die Anordnung der Nadel in der Düse zeigt . Abb. 52.7 im Längsschnitt ebenso wie die Profilierung von Nadel und Düsenwand. Wird die Nadel vorgeschoben, so verkleinert sich der Austrittsquerschnitt des Wassers am Düsenmund und damit auch der Strahlquerschnitt. Der Durchfluss wird kleiner und dadurch die Leistung durch Mengenregelung der Last angepasst. Bei Vollöffnung für Vollleistung ragt die Nadelspitze aus den Düsenmund, so dass ringförmiger Austrittsquerschnitt vorliegt und der Strahldurchmesser d1 bei Volllast immer kleiner als der Munddurchmesser d0 ist. Düsenwand- und Nadelkopfprofil sind so geformt, dass bei allen Nadelstellungen des Regelhubes in der Düse der Querschnitt in Fließrichtung abnimmt, das Wasser also stets beschleunigt wird. Die Nadelspitze hat meist Kegelform. Ihr größter Kegeldurchmesser dk muss größer als der Munddurchmesser

. Abb. 52.7 Düsen- und Nadelprofil einer Freistrahlturbine

Radschaufel

Der freie Wasserstrahl trifft die umlaufende Radschaufel. Sie hat Doppelschalenform mit Trennschneide und wird auch Doppellöffel, Doppelbecher genannt. Der Strahldurchmesser d1 bestimmt die Schaufelgröße. Richtwerte sind: Breite b = Länge l  (3 bis 4) d1 ; Tiefe t  (0,9 bis 1,0) d1 ; Ausschnittbreite a  1,2 d1 . Die Schneide teilt den Strahl beim Wassereintritt. . Abb. 52.8 zeigt den dadurch auftretenden Geschwindigkeitswinkel ˇ1 beim Wassereintritt, der je nach Schneidenschärfe 6 bis 8° beträgt. Die Schaufelkrümmung erzeugt Wasserumlenkung. Wegen der nachfolgenden Schaufel am Rad wird nur auf 180ı  ˇ2 umgelenkt. Der Winkel ˇ2 wird je nach Bedarf 8 bis 15°, jedoch so klein wie möglich gestaltet.

52.3.4

Energienutzung

Der Geschwindigkeitsplan in . Abb. 52.9 zeigt die Verhältnisse der Energienutzung. Der Wassereintritt hat den Zuströmwinkel ˛1 D 0ı und den kleinen Ablenkwinkel ˇ1

. Abb. 52.8 Radschaufel der Freistrahlturbine

52

1022

Kapitel 52  Wasserturbinen

. Abb. 52.10 Strahlablenker der Freistrahlturbine

ein, wobei der Strahl allmählich vom Ablenker wieder frei gegeben wird. Nadel und Ablenker sind mechanisch oder hydraulisch gekoppelt und aufeinander abgestimmt.

52 . Abb. 52.9 Geschwindigkeitsplan der Freistrahlturbine

durch die Schneidenschärfe. Die Schaufelschneide und das Strahlwasser haben gleiche Bewegungsrichtung. Das Wasser verlässt die Schalenwand mit kleinem Winkel ˇ2 gegen u-Richtung. Die Komponenten wu1 und wu2 unterscheiden sich wenig von w1 und w2 . Vereinfacht betrachtet wird dann w1 D c1  u und mit w1 D w2 (ohne Reibzahl ) auch c2 D u  w1 D c1  2w1 . Die beste Energienutzung entsteht dann, wenn (vereinfacht) w D u D c1 =2 wird mit c2 D 0 (genauer mit c2 als Kleinstwert bei Winkel ˛2 D 90ı ). Wie bei Dampfturbinen wird im Geschwindigkeitsplan die Komponentendifferenz cu D cu1  cu2 in Triebrichtung erkannt und mit der sekundlichen Durchflussmasse erhält man die Radtriebkraft F

F D VP  cu

N

VP m3 s

 kg m3

cu m s

(52.5)

Pu

F

W

N

u m s

(52.6)

Die Radscheibengröße wird durch den Strahlkreisdurchmesser D1 festgelegt. Als Kleinstwert hierfür kann D1 min  10d1 gebaut werden. Im Geschwindigkeitsplan gilt als Umlaufgeschwindigkeit der Schaufel u D D1   n=60 bei der Raddrehzahl n.

52.3.5

Betriebsverhalten

Jede Ent- oder Überlastung der Turbine bei Vollstrahlbetrieb erzeugt eine Drehzahländerung und damit schlechtere Energienutzung des Strahlwassers am Rad. Bei Kleinturbinen für mechanische Arbeitsleistung wird dieser Nachteil manchmal geduldet und nur für längere Minderlastfahrt die Wassermenge durch Handverstellung der Nadel der Last angepasst. Bei Großanlagen, vor allem bei Elektrizitätserzeugung, muss eine gleichbleibende Drehzahl bei Laständerung gehalten werden. 52.3.6.1

Mit der Umlaufgeschwindigkeit u ist in allgemeiner Form die Radleistung Pu D F u

52.3.6

Regelbetrieb

Die Mengenregelung des Strahlwassers hält die Turbine für jede Last zwischen Leerlauf und Volllast auf konstanter Drehzahl. Die Strahl- und Umlaufgeschwindigkeit bleibt dabei erhalten, so dass im Geschwindigkeitsplan bei bester Energienutzung auch die Komponentendifferenz  cu gleich bleibt. Die Triebkraft am Radumfang F D VP   cu nimmt nur proportional mit dem Durchfluss VP ab. Die Regelung zeigt Triebmomentanpassung bei gleichbleibender Winkelgeschwindigkeit. Da hierbei kein zusätzlicher Energieverlust des Wassers auftritt, haben Freistrahlturbinen über weiten Lastbereich einen guten, fast gleichbleibenden Wirkungsgradverlauf, wie das Beispiel in . Abb. 52.11 erkennen lässt.

Strahlablenker

In . Abb. 52.10 ist die Wirkungsweise der Strahlablenker dargestellt. Bei plötzlicher Entlastung auf Leerlauf darf die Düsennadel nicht schlagartig den Durchfluss sperren, da hierdurch Wasserdruckstöße im Zuflussrohr und Düse entstehen und sie gefährden. Der sofort einschwenkende Ablenker leitet den Strahl (oder Teilstrahl) aus seiner Richtung derart ab, dass die Schaufeln nicht mehr getroffen werden. Nachfolgend regelt die Nadel langsam auf Neulast

. Abb. 52.11 Wirkungsgradverlauf der Freistrahlturbine

1023 52.3  Freistrahlturbinen

. Abb. 52.13 Schaubild für ungeregelte Über- und Entlastung einer Freistrahlturbine

. Abb. 52.12 Geschwindigkeitsplan für ungeregelte Über- und Entlastung einer Freistrahlturbine

52.3.6.2

Überlastung

Bei Überlastung durch größeres Lastmoment M’ als das Volllastmoment M sinkt die Drehzahl und die Leistung. In der Schaufel entsteht nicht mehr die beste Energienutzung. Das austretende Wasser hat noch Bewegungsenergie, c02 hat keinen Kleinstwert, wie der vereinfachte Geschwindigkeitsplan in . Abb. 52.12 erkennen lässt Das Verhältnis Überlast- zu Volllastmoment M0 =M entspricht dem Treibkraftverhältnis F0 =F und dem Verhältnis der Komponentendifferenz c0u =cu im Geschwindigkeitsplan. Mit dieser vereinfachten Betrachtung (w2 D w1 und ˇ1 D ˇ2 D 0) erhält man für das Drehzahl- und Leistungsverhältnis in Abhängigkeit vom Momentverhältnis nach . Abb. 52.13 die Gesetzmäßigkeiten: n0 M0 D2 n M  P0 M0 D M 0M 2 P M

(52.7a) (52.7b)

Man erkennt, dass bei zweifachem Volllastmoment Drehzahl und Leistung null wird. Praktisch tritt dieser Stillstand bereits bei M0 =M D 1;9 ein.

Durchgangsdrehzahl

. Abb. 52.14 Druckverlauf bei Abschaltung einer Freistrahlturbine

cherheitsgründen muss die Turbine (und der Generator) diese Drehzahl ertragen können, auch wenn eine Regelanlage vorhanden ist. 52.3.6.4

Abschaltdruck

Jede Durchflussänderung der Wasserströmung erzeugt Druckänderung im Wasser. Beim Abschaltvorgang entsteht Druckanstieg. Der Übergang vom Strömungsdruckzustand pe bis zum Ruhedruckzustand pe0 verläuft als Druckschwingung (. Abb. 52.14). Der größte hierbei auftretende Abschaltdruck pe max ist für Rohr- und Düsenfestigkeit maßgebend.

52.3.7

Übungsbeispiel (Freistrahlturbine)

1 Betriebswerte Wird die Turbine ohne Regelung entlastet, so entsteht Wasserdurchfluss VP D 18 m3 über 6 Düsen s ein Drehzahlanstieg mit Leistungs- und TriebmomentDruckgefälle in den Düsen 54 bar abnahme. Die Strahlenergie wird nur teilweise am Rad Drehzahl des Laufrades n D 360 min1 ausgenutzt, das vom Rad ablaufende Wasser hat noch Bewegungsenergie. Die Betriebsverhältnisse und deren Ge-1 Düsenwerte setzmäßigkeiten sind hierbei ähnlich wie bei Überlastung, Wasserstrom je Düse wie in den . Abb. 52.12 und 52.13 dargestellt wird. Die bei ungeregelter Entlastung auftretende HöchstdrehVP m3 VP1 D D3 zahl heißt Durchgangsdrehzahl nd . Sie liegt praktisch bei 6 s 1,9-facher Volllastdrehzahl, rechnerisch nach den vereinDüsenreibzahl ' D 0;97 fachten Gesetzmäßigkeiten bei zweifachem Wert. Aus Si52.3.6.3

52

Kapitel 52  Wasserturbinen

1024

Strahlgeschwindigkeit c1 D '

p p m m 2 g hD D 0;97 19;6  540 D 100 s s

Strahlquerschnitt A1 D

52

VP D 30:000 mm2 ; c1

Strahldurchmesser d1 D 196 mm 1 Laufradwerte

Umlaufgeschwindigkeit uD

c1 m D 50 2 s

Strahlkreisdurchmesser D1 D 2;653 m Löffelbreite b D 3;5 d1 D 686 mm Außenranddurchmesser Da D D1 C l D 3339 mm .l D b/ 1 Radleistung

. Abb. 52.15 Francisturbine, Langsamläufer

52.4.1

Leitrad

Relative Geschwindigkeiten w1 D .c1  u/ sin 82ı D 50;5

m .ˇ1 D 8ı / s

m 0 .' D 0;98/ s m D w2 cos ˇ2 D 48;8 .ˇ2 D 10ı / s

w2 D ' 0 w1 D 49;5 wu2

Vor dem Laufrad durchströmt das Wasser drehbare Leitschaufeln, die für die Zuströmrichtung unter Winkel ˛1 sorgen und zur Regelung der Durchflussmenge VP dienen. Ihre Kanäle zeigen schwache Düsenform, um den Fallhöhenanp teil h1 in Strömungsenergie umzuwandeln (c0 D 2 g h1 ). Die Zuströmung ist vollbeaufschlagt.

Umlaufkomponente cu2 D u  wu2 D 1;2

m s

Umlaufkomponentendifferenz c D c1  cu2 D 98;8

m s

Leistung am Radumfang P c u D VP  c u Pu D m Pu D 18:000  98;8  50 W D 88:920:000 W Wirkungsgrad D

52.4

Pu VP  g hD

52.4.2

Im Laufrad wird der größere Fallhöhenanteil hü verarbeitet. Die Laufradschaufeln bilden düsenförmige Strömungskanäle mit Ablenkkrümmung, so dass gleichzeitig Energie erzeugt und genutzt wird. Am Laufrad wirkt Überdruck, der den Fliehkraftdruck überwindet und Energiezunahme um VP =2.w22 w21 / erzeugt. Das Verhältnis hü =H heißt Reaktionsgrad. Die Turbine arbeitet als Überdruckturbine.

52.4.3

D 0;933

Francisturbinen

Sie arbeiten an Hoch- und Niederdruckanlagen bis zu kleinen Fallhöhen herunter (H D 1 bis 400 m) bei großem Durchfluss VP . An Hochdruckanlagen mündet der Rohrzufluss im Spiralgehäuse der Turbine, bei Niederdruck hat man einen offenen Zufluss (. Abb. 52.4 und 52.15).

Laufrad

Saugrohr

Durch das Saugrohr kann die Turbine über den Unterwasserspiegel hochgesetzt werden, ohne dass die wirksame Fallhöhe verloren geht. Es dient auch zum Rückgewinn hoher Austrittsenergie des Laufradwassers. Das Wasser wird von c3 auf c4 verlangsamt, indem der Rohrquerschnitt von A3 auf A4 erweitert wird. Für gute Strömung und gute Rückgewinnwirkung muss der Erweiterungswinkel kleiner als 12° sein. Große Querschnittsänderung A4 =A3 D c3 =c4 verlangt dann große Baulängen des Rohres, wodurch bei kleiner Saughöhe abgekrümmte Rohre mit langem waa-

1025 52.4  Francisturbinen

. Abb. 52.16 Abgekrümmtes Saugrohr

gerechten Auslaufteil notwendig sind (. Abb. 52.16). Als Saughöhe H s gilt die Entfernung vom Unterwasserspiegel bis zur Leitradunterkante oder bis zur Mitte vom Spiralgehäuse. 52.4.4

Energienutzung, Turbinengleichung

In . Abb. 52.17 ist ein Laufradkanal mit den Verhältnissen der Wasserströmung dargestellt. Der Wassereintritt am Rad erfolgt mit c1 unter den Zuströmwinkel ˛1 . Stoßfreier Wassereintritt verlangt Winkel ˇ1 bei Umlaufgeschwindigkeit u1 . Am Wasseraustritt wird wieder eine optimale Energienutzung erreicht, wenn das Wasser mit einem Kleinstwert c2 unter dem Winkel ˛2 D 90ı austritt. Winkel ˇ2 ist ca. 20° bis 30° bei normaler Bauart. Die im Radkanal zwischen Ein- und Austritt auftretenden Energiedifferenzen der sekundlichen Wassermasse ergeben summiert die Radleistung Pu . Es gilt: Pu D

Sie zeigt, dass bei vorliegender Fallhöhe H um so größere Umlaufgeschwindigkeit am Rad auftritt, je kleiner der Wert cu1 D c1 cos ˛1 wird. Dies erreicht man durch eine kleine Druckhöhe h1 im Leitrad und einen großen Überdruck hü im Laufrad. Erkenntnis: Überdruck erzeugt Schnellläufigkeit der Turbinen. Ist am Wasseraustritt der Abströmwinkel nicht 90°, so entsteht die Geschwindigkeitskomponente cu2 und es gilt als Turbinengleichung g h  D u1 cu1  u2 cu2 . Für die Durchströmung im Rad gilt VP D A1 cm1 D A2 cm2 , wobei A1 und A2 der Eintritts- bzw. Austrittsquerschnitt des Rades ist und cm1 bzw. cm2 die radialen Geschwindigkeitskomponenten (d. h. in Meridianrichtung) von c1 und c2 sind. Bei Anströmwinkel ˛2 D 90ı wird cm2 D c2 und cu2 D 0.

m P 2  .c1  c22 / C .u21  u22 / C .w22  w21 / (52.8) 2 52.4.5

oder umgestellt Pu D

. Abb. 52.17 Geschwindigkeitsplan der Francisturbine (Langsamläufer)

m P 2  .c1 C u21  w21 /  .c22 C u22  w22 / ƒ‚ … „ ƒ‚ … 2 „ Eintritt

Austritt

Das Austrittsdreieck zeigt c22 C u22  w22 D 0; am Eintrittsdreieck ist nach dem Cosinussatz c21 C u21  w21 D 2u1 c1 cos ˛1 ; dann ist mit c1 cos ˛1 D cu1 eingesetzt die Radleistung Pu D m P u1 cu 1

m P kg s

u; cu1 m s

Pu Nm DW s

(52.9)

P u1 cu1 D m P gH Wird Pu und  Pth gleichgesetzt, so ist m und gekürzt entsteht die allgemein gebräuchliche Turbinengleichung H g H  D u1 cu1

m

g m s2

u1 ; cu1 m s

 1

(52.10)

Radformen

Je näher die Schaufelflächen zur Radmitte gebaut werden, um so größere Raddrehzahl kann erreicht werden. Man unterscheidet drei Typen. Liegen die Flächen nur im radialen Strömungsgang, so spricht man vom Langsamläufer. Hier ist D1 größer als D2 , wie es . Abb. 52.15 bereits aufzeigt und wie auch in . Abb. 52.18 dargestellt ist. Beim Normalläufer liegen die Schaufelflächen im Umlenkteil der Strömung mit radialer Zuströmungsebene zur Eintrittskante der Schaufel (cm1 ) und mit axialer Abströmung cm2 von der Austrittskante. Die Raddurchmesser D1 , D2 und D3 sind annähernd gleich groß. Die Schaufelflächen sind doppelt gekrümmt, also schwerer herstellbar als beim Langsamläufer. Wird nur der untere Umlenkteil der Strömung durch Schaufelflächen besetzt, so entsteht der Schnellläufer. Die Eintrittsund Austrittskante der Schaufelflächen haben fast gleichen mittleren Durchmesser Dm . Sämtliche drei Bautypen sind in . Abb. 52.18 zum Vergleich dargestellt.

52

1026

Kapitel 52  Wasserturbinen

52 . Abb. 52.19 Geschwindigkeitsplan der Francisturbine bei Regelung für konstante Drehzahl

. Abb. 52.18 Radformen der Francisturbinen

Wird bei den Rädern der Austrittsquerschnitt A2 klein gestaltet, so erhält man kleine Raddurchmesser und damit eine hohe Drehzahl der Turbine. Aus A2 D VP =cm2 oder bei ˛2 D 90ı auch A2 D VP =c2 folgt, dass man kleine Durchmesser durch große c2 -Werte erreichen kann. Deshalb wird die Austrittsenergie des Wassers relativ groß gewählt, die dann im Saugrohr durch Verlangsamen wiedergewonnen wird. Richtwerte sind: c22 =2g D H=10 für Normalläufer, c22 =2g D H=5 für Schnellläufer und c22 =2g D H=20 für Langsamläufer.

52.4.6

Regelung

. Abb. 52.20 Wirkungsgradverlauf der Francisturbine

geschilderten Regelungsnachteile ergeben einen schlechteren Wirkungsgradverlauf bei Francisturbinen als bei Freistrahlturbinen. . Abb. 52.20 zeigt das Betriebsverhalten bei Durchflussregelung zwischen Leerlauf bis 1,5 fachen Volllastdurchfluss bei n = konstant. Man erkennt einen brauchbaren Wirkungsgradverlauf im Regelbereich von 0,6 bis 1;4VP (VP Volllastdurchfluss mit Bestnutzung). Für diesen Leistungsbereich werden Francisturbinen vorausgeplant und gebaut. Außerhalb dieses vorgesehenen Leistungsbereichs muss der schlechtere Wirkungsgrad geduldet werden.

Die Verdrehung der Leitschaufeln verkleinert den Austrittsquerschnitt des Leitrades und damit auch den Durchfluss VP D c0 A0 . Hierdurch entsteht Mengenregelung für die Lastanpassung. Dabei wird die Richtung von c1 zum Laufrad geändert und am Wassereintritt entsteht bei gleicher Raddrehzahl (u1 D konstant) eine kleinere Relativgeschwindigkeit w01 mit der Stoßkomponente ws , die entweder Bremswirkung hat oder Turbulenz im Radkanal erzeugt. Auch der Wasseraustritt erfolgt unter anderem Winkel ˛20 , wodurch c02 eine Rotationskomponente c0u2 er52.4.8 Übungsbeispiel (Francisturbine) hält. Diese Rotationsenergie des Austrittswassers lässt sich im Saugrohr nicht zurückgewinnen und ist Energieverlust. . Abb. 52.19 zeigt obige Folgeerscheinungen der Rege-1 Betriebswerte lung. Die Nachteile sind: Stoßeintritt und Turbulenz oder Wasserdurchfluss Bremswirkung, größere Austrittsverluste durch Rotationsenergieminderung, Wirkungsgradverschlechterung der m3 VP D 2 Turbine. s 52.4.7

Betriebsverhalten

Druckgefälle 14 bar, Turbinendruckhöhe h D 140 m Drehzahl des Turbinenrades n D 750 min1

Lastschwankungen im praktischen Betrieb verlangen Re-1 Laufradumrisse gelung der Turbine für konstante Betriebsdrehzahl. Die Wandwinkel am Wasseraustritt ˇ2 D 26ı (gewählt)

1027 52.5  Kaplanturbinen

Wasseraustrittsgeschwindigkeit   p c22 m aus c2 D 0;08 g h D 10;5 D 0;04 h s 2g

1 Leistung am Radumfang

Pu D m P u1 cu1 D 2:380:500 W Wirkungsgrad am Radumfang

Umlaufgeschwindigkeit D

c2 m D 21;5 u2 D tan ˇ2 s

1 Saugrohr

Laufraddurchmesser u2 D2 D D 0;548 m;  n

Saugrohrdurchmesser D3 D 500 mm (gewählt) mit A3 D 0;196 m2

gewählt D2 D 550 mm mit u2 D 21;6

m s

und c2 D 10;54

Saugrohrquerschnitt A4 D 1 m2 (gewählt) m s

Wasseraustrittsquerschnitt A2 D

Pu D 0;867 P V gh

VP D 0;189 m2 c2

Saugrohrgeschwindigkeiten VP m D 10;2 A3 s A3 m c4 D c3 D2 .ohne Saugrohrwirkungsgrad/ A4 s

c3 D

Austrittshöhe der Radkanäle b2 D

1;15 A2 D 0;126 m; D2  

mit 15 % Schaufelwandeinfluss aus 1;15A2 D D2   b2 ermittelt Relative Geschwindigkeit w2 D

c2 m D 24;1 sin ˇ2 s

52.5

Kaplanturbinen

Um den nachteiligen Stoßeintritt und die Rotationskomponente cu2 der Francisturbine bei Regelung zu vermeiden, werden die Schaufeln des Laufrades verstellbar gebaut. Hohe Drehzahl des Laufrades erreicht man mit großer Austrittsenergie des Wassers aus dem Laufrad (7 Abschn. 52.4.2). Es wird c22 =2g D 0;3 bis 0;4 H gewählt, wodurch für Verlangsamung des Wassers große Baulängen des Saugrohres auftreten können.

Geschwindigkeitszahl für die Leit- und Laufradkanäle ' D 0;93 (gewählt) Umlaufgeschwindigkeit u1 mit ˇ1 D 90ı und u1 D cu1 nach der Turbinengleichung u1 cu1 D ' 2 g h m u1 D 34;5 s Laufraddurchmesser D2 D 0;878 m Zuströmwinkel ˛1 D 16;8ı nach cm1 D c2 und tan ˛1 D

52.5.1

Leitrad

Das Leitrad hat gleiche Bauart und Regelwirkung wie bei Francisturbinen. Die Leitschaufeln führen das Wasser tangential in den schaufelfreien Umlenkraum, wo es zusätzliche Fallströmung erhält. . Abb. 52.21 lässt den Umlenkraum vor dem Laufrad erkennen.

cm 1 u1

Wassereintrittsgeschwindigkeit c1 D

cm 1 m D 36;3 sin ˛1 s

Relative Geschwindigkeit w1 D cm1 D 10;5

m s

Eintrittshöhe der Radkanäle b1 D b2

D2 D 79 mm D1

. Abb. 52.21 Kaplanturbine

52

1028

52.5.2

52

Kapitel 52  Wasserturbinen

Laufrad

52.5.4

Übungsbeispiel (Kaplanturbine)

Die flügelförmigen Schaufeln sind drehbar in der Radnabe1 Betriebswerte gelagert. Ihr Verstelltrieb wird durch die hohle Radwelle Wasserdurchfluss zugeführt. Die Gehäusedurchmesser sind meist fast gleich m3 dem Saugrohrdurchmesser D3 D2 D1 . Der NabenVP D 67 s durchmesser ist Dn D 0;3 bis 0;5Dk , worin Dk D Kugeldurchmesser des mittleren Gehäuseteils ist. Nutzgefälle 52.5.3

Doppelregelung

h D 3;5 m

1 Laufradumrisse Bei der Mengenregelung für Lastanpassung mit konstanter Wasseraustrittsgeschwindigkeit Drehzahl werden Leit- und Radschaufeln gleichzeitig ver  p stellt. Der geringere Durchfluss VP 0 verlangt am Rad bei konm c2 aus D 0;4 h c2 D 0;8 g h D 5;24 stantem u kleinere Werte c0m und c02 , weil VP 0 D A1 c0m D A2 c02 s 2g P kleiner ist als V D A1 cm1 D A2 c2 . Hierbei soll der Abströmwinkel ˛2 D 90ı erhalten bleiben, wie es in Wasseraustrittsquerschnitt . Abb. 52.22 dargestellt ist, damit im Saugrohr das Wasser keine Rotationsenergie aufweist, weil diese dort nicht VP A2 D D 12;79 m2 zurückgewonnen werden kann. Die genaue Abstimmung c2 beider Schaufelverstellungen auf diese guten Austrittsbedingungen ist anzustreben. Bauverhältnisse Durch diese Doppelregelung wird über weitem Lastbereich ein guter Wirkungsgradverlauf erzielt ähnlich D1 D D2 D D3 D Dk ; Dn D 0;444D3 .gewählt/ wie bei Freistrahlturbinen. Das angeführte Beispiel in . Abb. 52.23 zeigt zwischen 0,3 bis 1;6VP brauchbaren Re- Gehäusedurchmesser gelbereich mit guten Wirkungsgraden. s 

 4 A2   2 D 4;5 m aus A2 D D3  Dn2 D3 D   0;803 4

Nabendurchmesser Dn D 0;444D3 D 2 m Flügellänge lf D

D3  Dn D 1;25 m 2

Querschnittserweiterung auf . Abb. 52.22 Radschaufelverstellung bei Regelung der Kaplanturbine

A3 D 15;9 m2 über Baulänge ln D 2;2 m Saugrohrgeschwindigkeiten c3 D

VP m m D 4;21 ; c4 D 2 A3 s s

Saugrohraustrittsquerschnitt

. Abb. 52.23 Wirkungsgradverlauf der Kaplanturbine

A4 D

VP m D 33;5 c4 s

.gewählt/

1029 52.6  Spezifische Drehzahl

1 Geschwindigkeiten in Flügelmitte

52.6

Spezifische Drehzahl

Mittlerer Laufdurchmesser D3 C Dn D 3;25 m 2

DD

Flügelwinkel ˇ2 D 24ı (gewählt) Umlaufgeschwindigkeit uD

m  c2  c2 aus tan ˇ2 D D 11;78 tan ˇ2 s u

Raddrehzahl uD

u D 69 min1  D

Geschwindigkeitszahl ' D 0;95 .gewählt/ Umlaufkomponente cu1 D

30;9 m D 2;62 u s

aus der Turbinengleichung u cu1 D ' 2 g h D 30;9

m2 s2

Zuströmwinkel ˛1 D 63;5ı nach cm1 D c2

und

tan ˛1 D

cm 1 cu 1

Wassereintrittsgeschwindigkeit cm 1 m D 5;85 sin ˛1 s

c1 D

nq D 0: : :9I H D 2000 m 4 Düsen

Flügelwinkel ˇ1 D 30ı .nach tan ˇ1 D

Die Turbinenarten unterscheiden sich hauptsächlich durch die Radschaufelformen, die als Doppelschalen, einfach oder doppelt gekrümmte Blattflächen und als Flügel auftreten. Zur Kennzeichnung der Turbinenart benutzt man diejenige Drehzahl der Turbine, die an 1 m Fallhöhe mit einem Durchfluss VP D 1 m3 =s arbeitet. Diese Drehzahl heißt spezifische Drehzahl nq . Räder für andere Fallhöhen und anderen Durchfluss sind formähnlich, haben aber andere Abmessungen und andere Drehzahlen. Ihr Zusammenhang mit der spezifischen Drehzahl zeigt das Ähnlichkeitsgesetz, dem folgende Überlegungen zu Grunde liegen. Mit Abnahme der Fallhöhe H auf 1 m nimmt bei gleichbleibender Leitradöffnung der Turbine der Fallhöhenanteil h1 proportional mit H auf h01 D h1 =H ab. Der Geschwindigkeitsplan in . Abb. 52.24 lässt erkennen, dass p dadurch alle Geschwindigkeitswerte im Verhältnisp 1 W H abnehmen und die Turbinendrehzahl auf n0 D n= H absinkt. p Der Durchflusspsinkt ebenfalls auf VP 0 D VP = H , weil cm auf c0m D cm = H abnimmt. Die Leistung ändert sich p ebenfalls und ergibt sich aus P0 D P= H . Soll nun an 1 m Fallhöhe bei gleichem c0m der Durchfluss VP 0 auf den Wert VPq D 1 m3 =s abnehmen, müssen die Strömungsquerschnitte geändert werden. Für den Wassereintritt wird A0 D VP 0 =c0m auf A0q D VPq =c0mp verändert. Aus A0 =Ap 0q D D2 =D2q D n2q =n02 folgt nq D n= H sowie VP 0 D VP = H . Eingesetzt ergibt sich daraus das Ähnlichkeitsgesetz s nq ; n H VP VP n (52.11) p  nq D p m3 H H min1 m s Richtwerte sind: Freistrahlturbine, 1 Düse

cm 1 D 0;572/ u  cu 1

nq D 9: : :18I

Relative Geschwindigkeiten cm 1 m D 10;5 ; sin ˇ1 s c2 m D 12;9 w2 D sin ˇ2 s

w1 D

1 Leistung am Radumfang

Pu D m P u cu1 D 2:067:861 W Wirkungsgrad am Radumfang D

Pu D 0;899 P V gh

. Abb. 52.24 Geschwindigkeitsplan einer Francisturbine bei Fallhöhenänderung mit Bestnutzung

52

1030

Kapitel 52  Wasserturbinen

Die Stelle kleinsten Druckes in der Strömung liegt meist am Laufradaustritt. Hier muss der Druck noch so groß sein, dass sich die Strömung nicht von der Schaufel- oder Führungswand ablöst, weil sonst Kavitation entstehen würde. Dieser sogenannte Haftdruck h0 wird für die Turbinenarten durch Versuch ermittelt. Auf 1 m Fallhöhe umgerechnet erhält man die Thoma’sche Kavitationszahl D h0 =H. Übersichtstabelle (Richtwerte):

Francisturbine, Langsamläufer nq D 15: : :45I c22 =2g D H=20 Francisturbine, Normalläufer nq D 45: : :75I c22 =2g D H=10

52

Francisturbine, Schnellläufer Spezifische Drehzahl nq in min1

nq D 75: : :120I c22 =2g D H=4 Kaplanturbine nq D 130: : :300I c22 =2g D H=2 52.7

Kavitation

An kleinen Fallhöhen erhöht die Saugwirkung die Strömungsgeschwindigkeit, sodass ein kleiner Bauquerschnitt mit hoher Turbinendrehzahlperreicht wird. Für 2 m Fallhöhe ist ohne Saugwirkung v D 2 g 2 D 6;3 ms , kann aber theop p retisch auf v 0 D 2 g .2 C B/ D 2 g .2 C 10/ D 15;5 ms gesteigert werden, wenn der Luftdruck 1 bar beträgt. Ausnutzungsgrenze der Saugwirkung ist der Dampfdruck pD des Wassers, der von der Wassertemperatur abhängig ist. Übersichtstabelle: Temperatur # in °C

0

Dampfdruck pD in Pa

611 1228

10

20

30

40

50

2337

4241

7374

12.340

Sinkt durch Saugwirkung der Wasserdruck unter Dampfdruck, so entstehen Dampfblasen, die nachfolgend an Stellen mit höheren Druck in der Strömung schlagartig kondensieren und zusammenbrechen (Schlaggeräusch!). Diese Erscheinung heißt Hohlraumbildung oder Kavitation. Sie erzeugt Energieverlust und Wandzerstörung.

Kavitationszahl 

15

0,03

30

0,05

60

0,1

90

0,2

120

0,3

150

0,4

180

0,6

210

0,8

240

1,0

270

1,2

Mit dem Luftdruck pL , dem Saugdruck pS und dem Dampfdruck pD wird am Laufradaustritt der kleinstmögliche Druck pmin D pL   g Hs   ghD . Daraus ergibt sich die anwendbare Fallhöhe aus H D pL = g  Hs  hD . Bei einem mittleren Luftdruck pL D 1 bar und hD sehr klein wird angenähert H D 10  Hs . Daraus folgt, dass schnellläufige Turbinen mit großer Kavitationszahl nur für kleinere Fallhöhen geeignet sind. 7 Beispiel Kaplanturbine mit nq D 150 min1 , D 0;4 und Hs D 0 kann mit maximal H D 1= D 25 m Fallhöhe arbeiten. Durch die Saughöhe H s verringert sich die maximale Fallhöhe weiter. 9

1031

Windkraftanlagen Dominik Surek

bis 34 m=s wird der Windrotor abgeschaltet. Die zulässige Maximalgeschwindigkeit liegt aus Festigkeitsgründen etwa bei c1 D 80 m=s. Die aktive Blattverdrehung (Pitchregelung) stellt eine Blattwinkelregelung dar, wobei die Profilnase in die Anströmung gedreht wird. Sie benötigen für die Drehzahlreduzierung keine mechanische Bremse. Diese wird nur für Wartungsarbeiten benötigt. Bei der Stallregelung sind die Windräder so ausgelegt, dass die Strömung vor Erreichen des maximalen Drehmomentes des Generators abreißt. Anlagen mit Stallregelung besitzen eine schlechtere Netzverträglichkeit und verursachen Geräusche. Heute wird vorrangig die aktive Blattverdrehung (Pitchregelung) verwendet. Nur Windturbinenanlagen mit Leistungen PT > 1 MW werden mit einer Stallregelung ausgerüstet. Wie in . Abb. 53.3 gezeigt wird, ist die Masthöhe h und der Rotordurchmesser seit 1994 stetig bis auf Werte von h D 160 m und d D 130 m und damit auch die Turbinenleistung auf Werte von PT D 7;8 MW angestiegen [1]. Dabei wurde an der Form der Schaufelprofile und des Windrades nichts verändert, jedoch an der Leistungsgröße und an der Anordnung von Windparks.

Windrad 2

c1

800

d3

d2

h 1000 m

3

1 d1

Windturbinenanlagen nutzen die kinetische Energie des Windes bei Geschwindigkeiten von c D 4 m=s bis 25 m=s in Nabenhöhe des Windrades zur Stromerzeugung. Die oben genannten Windgeschwindigkeiten liegen im Grenzschichtbereich der ebenen Strömung (. Abb. 53.1), die bei Höhen von h D 100 m bis 1000 m liegen und in Großstädten mit Skylines bis 2000 m. Die größten Windturbinentürme erreichen gegenwärtig Nabenhöhen von h D 160 m und Windraddurchmesser von d D 130 m, d. h. mit Flügellängen von L D 65 m. Die Windturbinen werden vorrangig mit 3 Schaufeln ausgeführt. Windturbinen mit einer und zwei Schaufeln waren Versuchsgeräte. Die Drehzahl von Windturbinen für Leistungen von PT D 2 MW betragen n D 12 bis 20 min1 . Das Windrad entzieht dem Wind mit der Anströmgeschwindigkeit c1 nach Betz die Geschwindigkeitsdifferenz c2 D .2=3/ c1 . Der Rest der Windgeschwindigkeit wird für die Abströmung des Windes im Leebereich c3 D c1 =3 benötigt. Durch den Entzug der Geschwindigkeit im Laufrad bläht sich der Abströmdurchmesser auf d3 > d1 auf, der bei der Installation von Windturbinen zu beachten ist (. Abb. 53.2) [1]. Um die Windturbinen bei starkem Wind von c1 > 25 m=s zu schützen, werden die Laufschaufeln durch Pitch- oder StallAnlagen aus dem Wind gedreht, so dass die Strömung an den Schaufeln abreißt und das Windrad in die Ruhestellung gelangt. Bei der Windgeschwindigkeit c1 D 25 m=s

c2 = 2/3 c1

c3 = c1/3

p2o

600

p(x)

400

p0

x p(x)

200 160

c1

p2u

0 25

c m/s

. Abb. 53.1 Grenzschichtbereich einer ebenen Strömung

. Abb. 53.2 Aufweitung der Stromröhre infolge Energienetzug in der Strömung durch den Rotor einer Windturbine und Druckverlauf in der Stromröhre [1]

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_53

53

1032

Kapitel 53  Windkraftanlagen

d = 127 m P = 7.580 kW h = 135 m

h

PT 8 MW 7

d = 80 m P = 2.500 kW h = 100 m

160

d = 112 m P = 5.000 kW h = 120 m

m 140 120

6

53

5

d = 45 m P = 600 kW h = 60 m

100

h

4

80

3

60

2

40

PT

1

20

Jahre . Abb. 53.3 Entwicklung der Baugrößen, Rotordurchmesser und Nennleistung von Windturbinen

53.1

Berechnung von Windturbinen

Die Leistung von Windturbinen liegt bei Werten von PT D 400 kW bis 7,8 MW. Die Windleistung beträgt: PW D

m P 2    d 2 3 c D Ac 3 D c 2 2 2 4 P m P c  A 3 W kg=s m=s kg=m m2

d m

(53.1)

Die reale Windleistung beträgt mit dem Leistungsbeiwert nach Betz cP D 16=27 D 0;59 [2]. "   "  2 ## 1 c3  c3 3 PT D A c1 1C  1 2 2 c c 1 1 „ ƒ‚ … ƒ‚ … Windleistung „ Leistungsbeiwert cP

 PT D   R2 c13 cp 2 . Abb. 53.5 Flügel mit NACAProfilen mit 20 m Länge für eine Windkraftanlage

(53.2)

. Abb. 53.4 a Profilumströmung und b Ablösung der Strömung am Rotorblatt

Der reale Leistungsbeiwert ist nur von der Auslegungsschnelllaufzahl  D u2 =c1 abhängig. Er beträgt: cPR D cP Prof: Tip . Es werden vorrangig NACA-Profile verwendet (. Abb. 53.4). An der Flügelnabe werden dicke Profile, z. B. NACA 63-221 mit 20 % Dicke, in der Flügelmitte schlankere Profile, z. B. NACA 63-215 und am Flügelende schlanke Profile, z. B. NACA 63-210 mit 10 % Dicke verwendet oder NACA 4415, NACA 23215 um die hohen Luftkräfte auf den Flügel aufnehmen zu können. Dabei sind die Vorschriften nach IEC [3] und dem Germanischen Lloyd [4] für die Zertifizierung zu berücksichtigen. In . Abb. 53.5 sind die Flügel mit NACA-Profilen und der Länge 20 m zur angelieferten Montage einer Windkraftanlage gezeigt. Im unmittelbaren Nabenbereich von rN =rA D 0;075 sind die Flügel nur mit Rücksicht auf die Flügelfestigkeit gestaltet. Erst danach beginnt der Übergang zur Profilierung mit 1,60 m Profillänge und der Dicke von 20 % (0,32 m). Am Außenradius ist die Profillänge kurz mit einer Dicke von 120 mm. . Abb. 53.7 zeigt das Laufrad der Windkraftanlage mit drei Schaufeln im Betrieb in zwei Ansichten. Die Seitenansicht des Laufrades zeigt die Durchbiegung der Flügel ab dem Radienverhältnis von r=ra D 0;5 infolge der Axialkraft der Windgeschwindigkeit entsprechend (53.3). Teilweise werden auch Göttinger-Profile verwendet. Zu beachten sind auch die Windgeschwindigkeitsklassen von 1 bis 9, die Häufigkeitsverteilungen der mittleren Windgeschwindigkeiten nach Rayleigh darstellen (. Abb. 53.6).

53

1033 53.2  Leistungsbeiwert und Schnelllaufzahl

. Abb. 53.6 Messungen im Tauernwindpark – Häufigkeit von Windgeschwindigkeitsklassen nach einer Rayleigh Verteilung [1]

1,0

theoretischer Leistungsinhalt der Luftströmung

cPR

0,59

theoretischer Leistungsbeiwert cp = 0,59 Drallverlust Profilwiderstand

endliche Blattzahl

Rotorblattzahl 3 2 1 5

10

15

20

λ

25

. Abb. 53.8 Leistungsinhalt der zuströmenden Luft und cP -Werte in Abhängigkeit der Rotorblattzahl [5] . Abb. 53.7 Rotor einer Windkraftanlage von 43 m Durchmesser in der a Zentralprojektion und b in der Seitenansicht mit der Durchbiegung der Flügel im Außenbereich r=ra D 0;5

Windleistung: PW D

53.2

Leistungsbeiwert und Schnelllaufzahl

In . Abb. 53.8 ist der Verlauf des Leistungsbeiwertes in Abhängigkeit der Schnelllaufzahl  bei c3 =c1 D 1=3 mit cP D 0;429 bei einem Rotorflügel und cP D 0;47 für ein bis drei Rotorblätter dargestellt. Die wirkende Schubkraft des Windrades F S beträgt: c1 C c3 FS D m P .c1  c3 / D mc P 2 D A .c1  c3 / 2

 FS D A c12  c32 (53.3) 2 7 Beispiel Die theoretische Windleistung beträgt für eine Windenergieanlage mit drei 25 m langen Schaufeln bei einer Windgeschwindigkeit von c1 D 20 m=s, der Luftdichte von  D 1;22 kg=m3 und einem Leistungsbeiwert nach Betz von cp D 0;59: A D   r2 D    252 m2 D 1963;50 m2

 1;22 kg m3 A c13 D  1963;50 m2  203 3 3 2 2m s D 9581;86 kW

Theoretische Turbinenleistung PT D PW cp D 9581;86 kW  0;59 D 5653;30 kW Die Schubkraft bei der Zuströmgeschwindigkeit beträgt c1 D 20 m=s und die Schubkraft bei der Abströmgeschwindigkeit beträgt c3 D 1=3 c1 D 6;667 m=s.   c3 P .c1  c3 / D  VP c1 1  FS D m c1   c 3 FS D    r 2 c12 1  c1 FS D 1;22

 2  kg 1 2 2 m  1963;50 m  20  1  m3 s2 3

FS D 638:790;51 N D 638;79 kN ist von der Laufradnabe und vom Mast aufzunehmen. 9

1034

Kapitel 53  Windkraftanlagen

Getriebe Nabe

Mechanische Bremse

Hydraulikaggregat

Getriebe

Hydraulikaggregat

Rotorbremse Rotorwelle mit Lager

Generator Gehäuse

Rotornabe

Nachführmotoren

Schaltschränke Generator

Plattform Nachführbremse Blattverstellmechanismus

53

Windrichtungsnachführung

Turm

. Abb. 53.9 Bauform einer Windturbine N3127 der Firma SÜDWIND

 Mit .c12  c22 / D p2O  p2U beträgt die Schubkraft 2 FS D A .p2O  p2U / (. Abb. 53.2) Bei Windrädern mit horizontaler Welle erfolgt der Energieentzug entsprechend (53.2) durch die rotierenden Flügel. Dabei wird der Anströmgeschwindigkeit des Windes die Geschwindigkeit von c1  c3 D c2 D 2=3 c1 entzogen. Der Betz’sche Leistungsbeiwert wird nur von einer idealen Windturbine erreicht. Bei realen Windturbinen wird der Leistungsbeiwert cP durch die Verluste verringert. Am Windrad treten folgende Verluste auf: 4 Profilverluste, die durch den Profilwiderstand entstehen 4 Verluste die durch die Umströmung der Profilenden von der Druck- zur Saugseite entstehen (Tip-Verluste als Verwirbelung der Strömung) 4 und die Drallverluste als Strömungsverluste an den Rotorflügeln Durch die Leistungsverluste werden nur Leistungsbeiwerte von cP D 0;32 bis 0,50 erreicht. Der reale Leistungsbeiwert cP ist von der Schnelllaufzahl , der Gleitzahl " D cA =cW und der Schaufelzahl z abhängig. Dabei sind cA der Auftriebsbeiwert und cW der Widerstandsbeiwert der Profile. Der Leistungsbeiwert von Windturbinen wird häufig in Abhängigkeit der Schnelllaufzahl  dargestellt (. Abb. 53.8). Die Schnelllaufzahl stellt den Quotienten der Umfangsgeschwindigkeit des Rotors u2 am Außenradius zur Anströmgeschwindigkeit c1 dar [1]. D

u2 !r D c1 c1

 –

u2 c1 ! r m=s m=s Hz m

(53.4)

Die Schnelllaufzahl  nimmt Werte von  D 1;0 bis 20 an, wobei Turbinen mit  D 2 bis 9 als Langsamläufer mit Schaufeln von z D 18 bis 24 und  D 10 bis 20 Schnellläufer mit z D 2 oder 3 Schaufeln gelten. Die Schnelllaufzahl  kann in Abhängigkeit der Durchmesserzahl ı D 0;25 =' 0;5 im Cordierdiagramm dargestellt werden. Weil Windturbinen nur die dynamische Energie der Windströmung c22 =2 D .c21  c23 /=2 nutzen, stellen sich sehr große Schnelllaufzahlen  bei der konstanten Durchmesserzahl ı D 10 ein.

. Abb. 53.10 Gondel einer Windkraftanlage der Firma MAN

Den Aufbau einer Windturbinenanlage auf dem Mast von h D 120 m bis 160 m mit der Montageplattform zeigt . Abb. 53.9 mit der Laufradnabe, dem Getriebe, dem Generator, dem Hydraulikaggregat, der mechanischen Bremse, mit dem Gehäuse, den Nachführmotoren für die Richtungseinstellung und den Nachführbremsen der Firma Südwind. . Abb. 53.10 zeigt den Blick in die Gondel einer Windkraftanlage der Firma MAN, einen Aufbau mit Getriebe, Rotorbremse und Generator. Im rechten Teil des Bildes sind das Hydraulikaggregat und die Steuerschränke sichtbar. Windturbinen werden auch mit Spezialgeneratoren ohne Getriebe ausgeführt (. Abb. 53.18). Dafür werden Generatoren mit Außenläufer verwendet. 53.3

Getriebe für Windturbinen

Als Getriebe in Windturbinen werden vorwiegend zweioder dreistufige Planetengetriebe mit elastischen Kupplungen zum Generator oder mit Stirnradgetriebe eingebaut. Windkraftanlagen werden vorrangig zur Stromerzeugung eingesetzt, wobei nahezu ausschließlich Drehstromgeneratoren mit und ohne Frequenzumrichter für den drehzahlvariablen Betrieb genutzt werden. Bedeutsam ist die Polzahl für die geforderte Betriebsdrehzahl. Bei netzgeführten Asynchrongeneratoren werden vorrangig vier-, sechs- oder achtpolige Bauarten eingesetzt. Durch die Netzregelung mit 50 Hz liegt die übersynchrone Drehzahl etwas über der synchronen Drehzahl. In Abhängigkeit der Generatorleistung ist bei PT < 1 MW eine drehzahlunabhängige Kühlung notwendig, damit die Temperatur der Wicklung 150 ı C nicht übersteigt. 53.4

Windturbinen im Offshore-Bereich

In . Abb. 53.11 ist eine Offshore-Windenergieanlage mit drei Turbinen und einem Betreuungsschiff dargestellt [6]. In . Abb. 53.12 ist der Baugrund, die Wellenbelastung

1035 53.5  Dynamische Belastung von Windturbinen

und die Windbelastung einer Windturbinenanlage im Offshore Bereich dargestellt. In . Abb. 53.13 sind vier unterschiedliche aber bewährte Tragkonstruktionen von Offshore-Windkraftanlagen für die Mastgründung dargestellt. Sie sind als Monolitische, Tripode, als Jacket Gründungen und als Tripile Tragkonstruktionen ausgeführt. Die Tragkonstruktion ist bei Offshore Anlagen zu beachten, bei denen die Rotordurchmesser ebenfalls 40 m bis 100 m betragen [6]. 53.5

. Abb. 53.11 Offshore-Windenergieanlage im Feld „alpha ventus“ [6]

Dynamische Belastung von Windturbinen

Durch den Wind, die Windböen und die Rotorbewegung werden der Turm, die Rotornabe, das Rotorblatt und die Gerätegondel statisch und dynamisch beansprucht und zu Schwingungen im Frequenzbereich von f D 0;01 bis ca. 10 Hz angeregt (. Abb. 53.14). Dabei kennzeichnet man folgende Bereiche: fW D 0;01 Hz bis 0,14 Hz, Durchlaufzeiten von Böen 2 bis 20 s Rotordrehfrequenz fR D 0;25 Hz bis 0,68 Hz Blattspitzengeschwindigkeit u D 85 m=s bis 95 m/s Rotordurchmesser d2 D 35 m bis 100 m Schaufeldurchgangsfrequenz fS D 3 f D 0;75 Hz bis 2,05 Hz für z D 3 Winderregungsfrequenz

. Abb. 53.12 Strukturberechnung von Offshore-Windenergieanlagen mit Jacket-Unterstruktur [6]

Höhere Frequenzen treten bei Torsionsschwingungen im Antriebsstrang auf, besonders bei Getriebeausführungen. Schwingungsanregungen treten auf durch: 4 Gewichtskräfte und Gewichtsanregung als Wechselbiegemoment M D g ! rS sin ! t 4 Fliehkräfte und Massenunwucht als stationäre Zugbeanspruchungen F D ! 2 m rS sin.! t/

. Abb. 53.13 Tragstrukturkonzepte von Offshore-Windenergieanlagen. a Monopile, b Tripod, c Jacket und d Tripile [6]

53

1036

Kapitel 53  Windkraftanlagen

53 . Abb. 53.16 Abströmung von Windrädern in einem Windpark [8]

FS(t)

. Abb. 53.14 Rotordrehfrequenz und Schaufeldurchgangsfrequenz c∞

A 0

π /3

2π /3

π

4π /3

5π/3

2 π ωt

d b A Ablösepunkt

l

Γ

. Abb. 53.15 Kármánsche Wirbelstraße hinter einem umströmten Körper (Mast)

4 Aerodynamische Belastung des Flügels durch cA - und cW -Wertänderung 4 Turmvorstau des Windes und durch Kármán’sche Wirbel bei Anström-Reynoldszahlen von RG D c d= D 40 bis 2 cot 105 (. Abb. 53.15 und 53.16) 4 Schräganströmung und aerodynamische Unwucht 4 Fluktuierende Belastung durch turbulente Strömung und Böen 4 Transiente aerodynamische Belastung 4 Turm-Gondel-Schwingungen in horizontaler Richtung mit Feder- und Dämpfungsglied mit m xR C d xP C c x D FS .t/ (. Abb. 53.14) 4 Die Axialkraftbelastung variiert ebenfalls durch den Mastdurchgang der Rotorblätter von ˛ D 120ı bei drei Flügeln (. Abb. 53.14) 4 Eigenschwingungen für fehlende Erregung mit FS .t/ D 0 4 Rotorblattschwingung

. Abb. 53.17 Schubverlauf über dem Drehwinkel bei einem Dreiflügler – Auswirkungen des Turmvorstaus

Die Rotornaben werden aus hochwertigen Stahl und die Schaufeln aus glasfaser- oder kohlefaserverstärktem Kunststoff gefertigt. In . Abb. 53.14 ist die Frequenz der Schwingungsbelastung durch die Winderregung, und die Rotorfrequenz sowie die Frequenz des Schaufeldurchganges am Mast dargestellt. Es ist die dreifache Frequenz der Rotordrehfrequenz fz D 3 f. Die Schubbelastung des Mastes durch die Anströmung und den Flügelbelastungsdurchgang ist in . Abb. 53.17 dargestellt [7]. 53.6

Betriebsführung und Regelung von Windturbinen

Die größten auftretenden Windgeschwindigkeiten betragen bis 83 m=s D 300 km=h. Dabei würden sich die Schaufelspitzen bis zu 1 m aus der Rotorebene durchbiegen. Der Turbinenbetrieb wird bis zu Windgeschwindigkeiten von c1 D 25 m=s zugelassen. Bei höheren Windgeschwindigkeiten wird die Turbine durch Drehen der Schaufeln abgeschaltet. Windturbinen müssen für den Anfahrvorgang, für den Leistungsbetrieb mit Energieeinspeisung in

1037 Literaturhinweise, Informationsquellen

. Tabelle 53.1 Regelbereiche für Windturbinen Start ı

Teillastbetrieb ı

ı

ı

Volllastbetrieb ı

ı

Abschalten

Schaufelblattwinkel 

0 bis 5

5 bis 10

10 bis 15

25ı

Geschwindigkeitsbereich in m=s

c D 4 bis 9

c D 9 bis 11,4

c D 11;4 bis 25

c > 25 bis 34

Betriebsart

Trudeln

Einlaufbetrieb

aktive Blattverdrehung (Pitchen)

Abschalten

das elektrische Netz und für den Schutz bei zu starkem Wind mit Geschwindigkeiten von c1  25 m=s entsprechend . Tab. 53.1 geregelt werden. Die Regelung kann erfolgen durch Drehen der Flügel um ihre Längsachse, Pitchregelung genannt und Gier- und Umrichterregelung mit einem synchronen Ringgenerator (. Abb. 53.18). Die günstigste Regelung ist die Drehung der Flügel um die Längsachse, d. h. Verstellung des Anströmwinkels. Dafür gibt es eine spezielle Pitcheinrichtung (. Abb. 53.18). Das entstehende Regelkennfeld in Abhängigkeit des Pitchwinkels  und der Schnelllaufzahl , ist in . Abb. 53.19 gezeigt.

Literaturhinweise, Informationsquellen

. Abb. 53.18 Windturbine mit Außenringgenerator und Schaufelblattverstellung (Pitchmotor) [10]

. Abb. 53.19 Pitch-Regelung: Schaufelwinkel , ˛ Anstellwinkel der Schaufel, cP --Verlauf für Schaufelwinkel  D 0ı bei c1  11;4 m=s und  D 5ı bis 25ı für c1 D 11;4 m=s bis 25 m/s

1. Gasch, R., Twele, J.: Windkraftanlagen, Grundlagen, Entwurf, Planung und Betrieb. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2013) 2. Betz, A.: Wind-Energie und ihre Ausnutzung durch Windmühlen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (1926). Reprint: Öko-Buchverlag, Kassel (1982) 3. Faddoul, J. R.: Test Evaluation of a laminated Wood Wind Turbine Blade Concept NASA TM-81719 (1981) 4. Germanischer Lloyd: Vorschriften und Richtlinien IV; Nichtmaritime Technik, Teil 1 Windenergie, Richtlinie für die Zertifizierung von Windkraftanlagen (1993) 5. Hau, E.: Windkraftanlagen, 5. Aufl. Springer Vieweg, Berlin (2014) 6. Schaumann, P., Bechtel, A.: Konstruktions- und Planungsaspekte von Offshore-Windenergieanlagen. VDI Bautechnik, Jahresausgabe 2013/2014, S. 81. Springer VDI (2013) 7. Häusler, V., Harte, R., Jäppelt, U.: Zur Novellierung der Richtlinie für Windenergieanlagen. VDI Bautechnik, Jahresausgabe 2013/2014, S. 74. Springer VDI (2013) 8. Steiness, C.: http://ict-aeolus.eu/ 9. Künz, D., Wachsmut, R.: Rotorblatt in Faserverbundbauweise für die Windkraftanlage AEOLUS II BMFT Forschungsbericht MBBUE 0013-92-PUB (1992) 10. VCI: Die unglaubliche Welt der Chemie. Beilage zu Welt der Wunder 09 (2014)

53

1039

Pumpen Dominik Surek

Pumpen werden in verschiedenen Bauarten zur Förderung von Wasser, von Flüssigkeiten verschiedener Art wie z. B. Säuren, Laugen, Säfte, von Flüssigkeits-Gas- und Flüssigkeits-Feststoffgemische wie z. B. Slurry eingesetzt. Sie werden in Abhängigkeit der Hauptparameter Volumenstrom VP , Förderhöhe H und Drehzahl n entsprechend . Abb. 54.1 als Hubkolbenpumpen, Membranpumpen, Drehkolbenpumpen, Ein- und Mehrspindelpumpen, Exzenterschneckenpumpen und Kreiselpumpen gebaut. Die Kreiselpumpen werden als Radial-, Diagonal- oder Axialpumpen und als Seitenkanalpumpen (. Abb. 54.26) gebaut. In allen Pumpen wird eine mechanische Arbeit EP D m P Y D  VP Y D VP p D g  VP H an das Fluid als hydraulische Energie VP p übertragen. Diese übertragene hydraulische Energie bzw. die Hauptparameter sind von der Pumpenbauart abhängig. In . Abb. 54.2 ist das Kennfeld der Pumpenbauarten in Abhängigkeit des Volumenstroms VP , und der Förderhöhe bzw. der Druckerhöhung pD angegeben. Dabei entspricht die Förderhöhe von 10 m für Wasser mit der Dichte von  D 103 kg=m3 einem Druck von p0 D g  H D 98;1 kPa. Die wichtigste Einteilung der Pumpen erfolgt in Abhängigkeit der Bauart.

4 oszillierende Verdrängerpumpen, Förderung erfolgt pulsierend – Hubkolbenpumpen – Membrankolbenpumpen 4 rotierende Verdrängerpumpen – Drehkolbenpumpen – Exzenterschneckenpumpen – Ein- und Mehrspindelpumpen – Klauenpumpen 4 Kreiselpumpen (. Abb. 54.23) – Radialpumpen – Diagonalpumpen – Axialpumpen – Seitenkanalpumpen – Peripheralpumpen Die nächste wesentliche Einteilung erfolgt nach dem Förderfluid: Wasser, Abwasser, Dickstoff, Papierstoff, Schlamm, Lebensmittel, chemische und pharmazeutische Produkte Nach Anwendungsbereichen: Industrie, Chemie und Verfahrenstechnik, Klärwerke, Erdöl und Erdölprodukte, Heizung, Laboreinrichtungen

. Abb. 54.1 Pumpenbauarten. a Hubkolbenpumpe (Quintuplexpumpe nach API 674); b Membranpumpe; c Drehkolbenpumpe; d Schraubenspindelpumpe; e Exzenterschneckenpumpe; f Kreiselpumpe

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_54

54

Kapitel 54  Pumpen

. Abb. 54.2 Pumpenkennfeld für Verdränger-, Dosier- und Kreiselpumpen in Abhängigkeit des Volumenstromes VP und der Förderhöhe H bzw. der Druckerhöhung pD

1W H

1 MW

1 GW

pD

10000

105

m

kPa

1000

54

1 kW

10

mehrstufige Kreiselpumpen

4

100

103

10

102

Triplex Prozesspumpen

Prozess- und Dosierpumpen

rotierende Verdrängerpumpen

Laborpumpen

1040

Seitenkanalpumpen

Kreiselpumpen

Dosierpumpen

Diagonalpumpen Axialpumpen

1

10 10

-6

10-5

10-4

Die Verdrängerpumpen sind der Natur entlehnt und damit die ältesten Pumpen. Sie arbeiten auch in jedem lebenden Organismus als Verdrängerpumpen. Das menschliche Herz stellt technisch betrachtet eine pulsierende Zweikammerpumpe dar. Eine wichtige Einteilung erfolgt in selbstansaugende und nicht selbstansaugende Pumpen, wobei alle Hubkolben- und Membrankolbenpumpen selbstansaugend sind. Die maximale theoretische Saughöhe beträgt entsprechend dem Atmosphärendruck 10 m. Die praktisch garantierte Saughöhe liegt bei maximal 7,8 m.

54.1 54.1.1

Hauptparameter von Pumpen Volumenstrom oder Durchsatz

Volumenstrom oder Durchsatz in m3 =h, m3 =s, l/s, l/min oder ml/h für Laborpumpen. Der Volumenstrom beträgt VP D m=. P Der Volumenstrom besteht aus dem effektiv geförderten Volumenstrom und dem Leckvolumenstrom in Spaltflächen der Pumpen. Damit wird ein innerer und äuße

rer Dichtheitsgrad definiert  D VPS =VPi D VPS = VPS C VPsp . Er beträgt  D 0;92 bis 0,98.

54.1.2

Förderhöhe oder Nutzförderhöhe oder Druckerhöhung

Die Förderhöhe einer Pumpe besteht aus der Saughöhe H S und der Druckhöhe H D (. Abb. 54.5). H D HS C HD

(54.1)

10-3

10-2

10-1

1

10

102

103

V&

104

105 m3/h

Die praktisch erreichbare Saughöhe ist abhängig von der Art der Flüssigkeit, von der Flüssigkeitstemperatur und von der Strömungsgeschwindigkeit am Ende der Saugleitung. Bei Wassertemperaturen über 70 ı C kann das Wasser nicht mehr angesaugt werden. Das Wasser muss der Pumpe zulaufen, weil sonst eine Verdampfung des Wassers einsetzt. Außer der nutzbaren Saughöhe H S und der Druckhöhe H D müssen von der Pumpe auch die Druckverluste in der Saug- und Druckleitung in den Rohrbögen, den Armaturen und in den Volumenstrommessgeräten, in Düsen und Diffusoren aufgebracht werden. Diese Druckverluste betragen:  2 n  X ci d (54.2) Hv D 1 C i L 2g iD1 Die Förderhöhe der Pumpe setzt sich also aus der geodätischen Höhe, den Drücken im Druck- und Saugbehälter, den Geschwindigkeitsänderungen und den Druckverlusten zusammen. c 2  cS2 pD  pS (54.3) C D C Hv H D hgeo C g 2g Darin sind pD der statische Druck im Druckbehälter und pS der statische Druck im Saugbehälter, cD und cS die mittleren Strömungsgeschwindigkeiten im Aus- und Eintrittsquerschnitt der Pumpenanlage. 54.2

Nutzleistung und Wirkungsgrad der Pumpe

Die Nutzleistung einer Pumpe ergibt sich aus dem Massestrom m P D  VP und der in der Pumpe übertragenen spezifischen Nutzarbeit Y D g H D p= P Y D g  VP H D VP p PN D m

(54.4)

54

1041 54.3  Anlagenkennlinien

Die Leistung tritt als hydraulische Leistung im Fluid auf. Die mechanische Leistung zum Antrieb der Pumpe, die als Kupplungs- oder Wellenleistung bezeichnet wird, muss größer sein als die Nutzleistung, um alle Leistungsverluste in der Pumpe abzudecken. Das sind die hydraulischen und die mechanischen Verluste, die Radseitenreibungsverluste, die Wirbel- und Wandreibungsverluste, die inneren und äußeren Spaltverluste in den Dichtflächen zwischen den bewegten und den ruhenden Gehäuseteilen, die Ventilverluste, die Lagerreibungsverluste PK D PN CPh CPvol C PR C Pm . Das Verhältnis der Nutzleistung zur Kupplungsleistung stellt den Pumpenwirkungsgrad dar: P D

PN g  VP H D PK PK

(54.5)

Dieser Pumpenwirkungsgrad setzt sich zusammen aus dem hydraulischen-, dem volumetrischen-, dem Radreibungsund dem mechanischen Wirkungsgrad P D h vol R m

(54.6)

Wird der Antriebsmotor in die Leistungsbilanz mit den elektrischen und mechanischen Motorverlusten einbezogen so erhält man den Aggregatwirkungsgrad als: AG D P M D h vol R m M

(54.7)

Der Motorwirkungsgrad M wird für den Nennpunkt und den Betriebsbereich vom Motorhersteller angegeben und er kann der Motordokumentation entnommen werden. Bei Hubkolbenmaschinen lassen sich der hydraulische und der mechanische Verlust und damit auch die Wirkungsgrade nicht trennen. Für Kreiselpumpen können folgende Wirkungsgradbereiche angegeben werden. Der hydraulische Wirkungsgrad beträgt: h D 0;82 bis

ηK %

80 70 n ≥ 200 min-1

60 50

n ≤ 100 min-1

40 30 20 10 0

10

102

103

104

η 105 mPa s 106

. Abb. 54.3 Kupplungswirkungsgrad rotierender Verdrängerpumpen [1]

54.3

Anlagenkennlinien

Jede Anlage und Pumpenanlage mit den zugehörigen Verbindungsrohrleitungen verfügt über eine Anlagenkennlinie HA D f .VP ; d / (. Abb. 54.4), die vor der Auslegung und der Auswahl der Pumpen bekannt sein muss. Die Anlagenkennlinie errechnet sich aus der Bernoulli’schen Gleichung und lautet: HA D

c 2  cS2 pD  pS C D C Hgeo C HV g 2g

Da in den meisten Anlagen offene Behälter oder Becken vorhanden sind, werden sie vom Umgebungsdruck pb beaufschlagt, sodass der erste Term in (54.8) entfallen kann und die Gleichung für die Anlagenkennlinie lautet: HA D

cD2  cS2 C Hgeo C HV 2g

0;95

0;98

Motorwirkungsgrad von Motorgröße abhängig: M D 0;82 bis 0;95 Kupplungswirkungsgrad Funktion von Bauart und Größe: K D 0;82 bis

0;95

Der Kupplungswirkungsgrad von rotierenden Verdrängerpumpen ist in . Abb. 54.3 dargestellt.

(54.9)

Mit den Geschwindigkeiten in der Druck- und Saugleitung kann mit der Kontinuitätsgleichung schließlich der dynamische Höhenanteil der Anlagenkennlinie berechnet werden

Mechanischer Wirkungsgrad: m D 0;95 bis

(54.8)

. Abb. 54.4 Anlagenkennline einer Pumpenanlage [1]

1042

Kapitel 54  Pumpen

mit: cD D

VP 4 VP VP 4 VP D und c D D (54.10) S AD AS    dD2    dS2

Die Anlagenkennlinie setzt sich aus dem statischen Anteil Hst D .pD  pS /=.g / C Hgeo und aus dem dynamischen P c2 Anteil einschließlich den Druckverlustanteilen niD1 i i 2g zusammen

E D VP .pD  pS / D A s .pD  pS /   E D dK2 s .pD  pS / 4

cD2  cS2 c 2  cS2 X c 2 &i C HV D D C 2g 2g 2g iD1 n

Hdyn D

54

Hdyn D

54.4

cD2

 2g

cS2

C

n X iD1

&i

P2

8V g  2 dD4

der Druck im Zylinder wird bei sehr geringem Kolbenweg erhöht bis das Druckventil öffnet und die Flüssigkeit in die Druckleitung und den Druckbehälter ausströmt. In der inneren Totlage schließt das Druckventil durch den Druck in der Druckleitung. Der Druck im Zylinder sinkt von D bis A unter den Ansaugdruck und der Ansaugvorgang beginnt erneut. Dabei entsteht das in . Abb. 54.6 dargestellte Indikatordiagramm, das die bei dem Hubzyklus geleistete Arbeit darstellt.

(54.11)

Hubkolbenpumpen und Verdrängerpumpen

Bei Hubkolbenpumpen arbeitet ein Tauchkolben, der vom Kurbeltriebwerk über einen Kreuzkopf angetrieben wird in einem Zylinder, der wechselnd vom Saug- und Druckventil abgeschlossen wird (. Abb. 54.5). Der Tauchkolben bewegt sich zwischen der äußeren und der inneren Totlage, die vom Kurbeltriebwerk bestimmt wird. Der Kolben wird im Gehäuse abgedichtet, um größere Leckverluste zu vermeiden. Bei der Kolbenbewegung von der inneren zur äußeren Totlage (Saughub) wird die Flüssigkeit aus dem Saugbehälter bei geöffnetem Saugventil angesaugt. Bei Umkehr der Kolbenbewegung und der ersten Drucksteigerung schließt das feder- oder massebelastete Saugventil und

(54.12)

Die Förderung der Flüssigkeit aus der Pumpe in den Druckbehälter nach Öffnen des Druckventils im Punkt C erfolgt durch die Kolbenbewegung zum Punkt D. Weil die Förderflüssigkeit inkompressibel ist, wird die Druckhöhe von Hubkolbenpumpen theoretisch nicht begrenzt sondern nur durch die Festigkeit des Pumpenzylinders und des Antriebs. Dadurch ergibt sich die steile Kennlinie von Hubkolbenpumpen (. Abb. 54.7). Der Volumenstrom VP von Hubkolbenpumpen kann nur durch Drehzahländerung variiert werden.

. Abb. 54.6 Indikatordiagramm einer Hubkolbenpumpe. p Druck; s Hub in mm

. Abb. 54.5 Anlage einer Hubkolbenpumpe

. Abb. 54.7 Betriebskennlinien von Pumpen. Kreisel-, Hubkolben-, rotierende Verdrängerpumpe [2]

1043 54.6  Rotierende Verdrängerpumpen

54.6 54.6.1

. Abb. 54.8 Ventilbauarten für Hubkolbenpumpen [3, 4]. a Plattenventil mit kegeligen Sitzflächen; b Klappenventil; c Kugelventil

Als Ventile werden vorwiegend Hubventile als massebelastete oder federbelastete Ventile verwendet oder seltener Klappenventile. Hubventile werden ausgeführt als Plattenventile, Klappenventile oder Kugelventile (. Abb. 54.8).

54.5

Membranpumpen

Membranpumpen (. Abb. 54.9) gehören zu den Hubkolbenpumpen bei denen zwischen dem Kolben- und dem Arbeitsraum eine Membran aus Kunststoff oder Gummi eingespannt ist, um den Arbeitsraum vom Kolbenraum hermetisch zu trennen. Das geschieht, um den Triebwerksraum vor der Förderflüssigkeit zu schützen oder Verluste an der Kolbendichtung zu vermeiden wie z. B. bei Dosierpumpen. Dadurch unterliegen Membranpumpen einem geringen Verschleiß und eignen sich auch zur Förderung dickflüssiger Fluide wie z. B. Lebensmittel, pharmazeutische Produkte, sand- und schlammhaltiges Wasser in Klärwerken. Membranpumpen erstrecken sich über einen Volumenstrombereich von 0,2 l/h bis 10 m3 =h und Drücke bis 800 kPa. Durch die hermetische Abdichtung des Arbeitsraumes vom Triebwerksraum besitzen sie eine hohe Ansaugfähigkeit bis zu Saughöhen von HSgeo D 7;8 m.

. Abb. 54.9 Membranpumpe

Rotierende Verdrängerpumpen Schraubenspindelpumpen

Schraubenspindelpumpen werden als Zwei- oder Mehrspindelpumpen bis zur Fünfspindelpumpe (. Abb. 54.10) gebaut. Die Schraubenspindeln greifen ineinander und dichten zwischen den Spindeln und am Gehäuse durch enge Spalte ab. Sie fördern das Fluid in den Spindelzwischenräumen volumetrisch. Schraubenspindelpumpen werden für Fluide und zähe Fluide mit kinematischen Viskositäten von  D 106 m2 =s bis 15  103 m2 =s und 0,1 m2 =s eingesetzt zur Schmierölversorgung in Verbrennungsmotoren und anderen Maschinen zur Rohölförderung oder als Pipelinepumpen. Sie werden gebaut für Volumenströme bis 5000 m3 =h und teilweise darüber und für Drücke bis 28 MPa. Die Hauptspindel wird vom Asynchronmotor oder vom Hydraulikmotor angetrieben und alle anderen Förderspindeln (ein bis vier) werden vom Gewinde der Hauptspindel angetrieben. Sie werden auch entsprechend API 614 für hohe technische Anforderungen gebaut. Die Pumpen sind selbstansaugend bis zu geodätischen Höhen von Hgeo D 8;5 m WS bei Antriebsdrehzahlen bis 3600 min1 . Kleine Pumpen mit Spindeldurchmessern von 15 mm und Verdrängervolumenströme von VP D 1;5 cm3 =h erreichen Drehzahlen bis 24:000 min1. Spindelpumpen können auch als Multiphasenpumpen eingesetzt werden mit einem Gasvolumengehalt bis 97 %.

54.6.2

Exzenterschneckenpumpen

Exzenterschneckenpumpen beruhen auf dem Förderprinzip von Mohno. Eine Gewindespindel aus Stahl rotiert bei dieser Pumpe exzentrisch in einem Stator mit dop-

. Abb. 54.10 Fünfspindelige Schraubenspindelpumpe

54

1044

54

Kapitel 54  Pumpen

. Abb. 54.11 Gelenkbauarten. a Bolzengelenk; b Kardangelenk; c und d Hygienegelenk

pelter Gewindesteigung. Der elastische Stator besteht aus Kunststoff (Elastomer oder thermoplastischem Elastomer verschiedener Shorehärte) (. Abb. 54.1e). Entsprechend dem geforderten Druck werden die Pumpen ein- oder mehrstufig ausgeführt. Zwischen Rotor und Stator besteht ein geringer Arbeitsspalt oder der Rotor besitzt bei hohen Drücken ein Übermaß gegenüber dem Stator. Dabei erhöht sich das erforderliche Anfahrdrehmoment, das bei Exzenterschneckenpumpen ohnehin relativ groß ist und bei der Antriebsauslegung zu berücksichtigen ist. Exzenterschneckenpumpen werden für viskose und hochviskose Fluide eingesetzt, in der Öl- und Gasindustrie, im Offshorebetrieb, in der Abwassertechnik und in Kläranlagen zur Abwasser- und Schlammförderung. Die exzentrische Bewegung des Rotors erfordert besondere Antriebsgelenke, die eine Bewegung aus der zentrischen in die exzentrische Rotation ermöglichen. Dafür werden Bolzenoder Kardangelenke (. Abb. 54.11) oder gelegentlich auch ein Biegestab verwendet. Die Rotorquerschnitte sind rund, elliptisch ausgeführt für langlochähnliche oder dreieckige örtliche Statorquerschnitte. In den Betriebskennlinien steigt der Fördervolumenstrom linear mit der Drehzahl, er sinkt mit steigendem Förderdruck ebenso wie der Leistungsverlauf. Durch die hohe Reibungsleistung zwischen Rotor und Stator beträgt der mechanische Wirkungsgrad der Pumpen nur m D 0;75 bis 0,88 und Kupplungswirkungsgrade bis  D 0;86.

54.7

Zahnradpumpen

Zahnradpumpen fördern das Fluid in den Zahnlücken am Außenumfang. Es sind also Pumpen mit äußerer Arbeitsübertragung und mit pulsierender Förderung. Durch die große Zahl der Zähne wird die Pulsation gedämpft. Zahnradpumpen werden mit Außenverzahnung oder Innenverzahnung ausgeführt. Außenverzahnte Pumpen (. Abb. 54.12) werden geradeverzahnt, schrägverzahnt oder mit Pfeilverzahnung mit Schrägungswinkeln

. Abb. 54.12 Zahnradpumpe mit Außenverzahnung und Innenlagerung

bis 6ı ausgeführt. Sie werden für Volumenströme von VP D 1 l=h bis 10 m3 =h und darüber gebaut mit Differenzdrücken bis ca. 100 MPa, zur Ölversorgung von Maschinen und Anlagen, in der Ölhydraulik, in der Lebensmittelindustrie für viskose und hochviskose Polymere z. B. in der Gummiindustrie für Lösungsmittel mit dynamischen Viskositäten  D   D 1 mPa s bis 104 Pa s eingesetzt. In der Regel werden sie durch die steile Betriebskennlinie mit einem Überdruckventil ausgerüstet. Es wird so angeordnet, dass das rückströmende Fluid zur Saugseite der Pumpe strömt. Eine Volumenstromregelung über das Überdruckventil ist nicht möglich, weil sich die Pumpe dadurch schnell erwärmen würde. Es gibt folgende Bauformen für Zahnradpumpen: 4 Pumpe mit zwei außenverzahnten Rädern mit Fluid geschmierten Gleitlagern Einsatz: Ölhydraulik, Schmierölversorgung, Verfahrenstechnik 4 Pumpe mit zwei außenverzahnten Rädern und außerhalb des Arbeitsraumes angeordneten Lagern Einsatz: Lebensmittelindustrie 4 Pumpe mit einem außenverzahnten treibenden Ritzel, einem innenverzahnten getriebenen Zahnrad und fluidgeschmierten Gleitlagern Einsatz: Hochdruckbetrieb bis 100 MPa 4 Pumpe mit innenverzahntem Rad fliegend auf der Antriebswelle angeordnet und außenliegendem Ritzel, das auf einem Zapfen am Gehäusedeckel gelagert ist Einsatz: Niederdruckanwendungen

54.8

Flügelzellenpumpen

In einem runden oder oval geformten Gehäuse ist ein Rotor exzentrisch oder zentrisch angeordnet, in dem radial oder geneigte verschiebbare Platten angeordnet sind. Die im Rotorschlitz beweglichen Platten (Flügel) werden durch die

54

1045 54.10  Strahlpumpe, Injektor, Ejektor, Treibmittelpumpe oder Jetpumpe

. Abb. 54.13 Dreifach wirkende Flügelzellenpumpe

Zentrifugalkraft bei Rotation an das Gehäuse gedrückt und teilen so den sichelförmigen Arbeitsraum in Teilarbeitsräume, deren Größe sich bei der Rotordrehung verringert und so eine Druckerhöhung bewirkt. Um eine höhere Dichtwirkung besonders bei höheren Arbeitsdrücken und eine druckunabhängige Dichtwirkung am Gehäuse zu erreichen, werden die Flügel mitunter mit Bohrungen versehen, um einen Druckausgleich zu erreichen. Die Anpresskraft an das Gehäuse kann auch durch eingebaute Federn vergrößert und konstant gehalten werden. Durch die Drucksenkung bei Vergrößerung des Arbeitsraumes wird die Flüssigkeit angesaugt und bei der anschließenden Arbeitsraumverkleinerung zwischen dem Umfangswinkel ' D   bis 2  in den Druckstutzen ausgeschoben (. Abb. 54.13). Die Größe des Arbeitsraumes wird durch das Radienverhältnis von Gehäuse und Rotor rG =rR , durch die Exzentrizität e und die Rotorbreite bestimmt. Flügelzellenpumpen werden in der Ölhydraulik zur Druckölversorgung für Volumenströme von VP D 0;2 m3 =h bis 18 m3 =h bei Drehzahlen von n D 1000 bis 2950 min1 bei Förderdrücken von p D 16 MPa und bis 25 MPa eingesetzt. Weitere Einsatzbereiche sind Industrie, verfahrenstechnische Industrie und die Lebensmittelindustrie. 54.9

Schlauchpumpen

Schlauchpumpen sind selbstansaugende, hermetisch dichte und ventillose Verdrängerpumpen bei denen die Förderflüssigkeit im Schlauch durch Einzel- oder mehrfache Verdrängerrollen transportiert wird (. Abb. 54.14). Sie werden zur Förderung und zur Dosierung mit mittlerer Dosiergenauigkeit  1,5 % eingesetzt. Auf Grund der guten Selbstansaugfähigkeit bis zu geodätischen Saughöhen von hS D 8 m benötigen Schlauchpumpen keine Zulaufhöhe und müssen auch nicht bei der Inbetriebnahme evakuiert werden. Die Förderung erfolgt in einem elastischen Schlauch, der in dem Winkel von ˛ D   an der Außen-

. Abb. 54.14 Schlauchpumpe mit zwei Verdrängerrollen [5]

wand des Gehäuses anliegt und danach aus dem Gehäuse in die Druckleitung herausführt. Zentrisch im Gehäuse ist ein Rotor mit zwei um ˛ D 180ı oder drei um 120ı versetzten Verdrängerrollen oder Gleitschuhen angeordnet. Nach Abschluss des Ansaugvorganges wird die Förderflüssigkeit durch die Verdränger im Arbeitsraum volumetrisch von der Saugseite- zur Druckseite gefördert. Zur Vermeidung von Rückströmungen im Arbeitsraum von der Druckzur Saugseite muss der Arbeitsraum auf der Saugseite vor Freigabe des druckseitigen Arbeitsraumes abgeschlossen werden. Der geförderte theoretische Volumenstrom ist vom Schlauchquerschnitt A D   d2 =4, vom Gehäuseradius rA und von der Drehzahl abhängig und beträgt. VPth D n VP D n   rA rS2 .   2˛/

(54.13)

Der Liefergrad erreicht Werte von  D 0;82 bis 0,96. 54.10

Strahlpumpe, Injektor, Ejektor, Treibmittelpumpe oder Jetpumpe

Strahlpumpen werden als Flüssigkeits-, Dampf- und Gasstrahlpumpen gebaut und vorwiegend in der Verfahrenstechnik und als Speisewasserpumpen eingesetzt. Die Dampfstrahlpumpen werden auch als Injektoren oder Jetpumpen bezeichnet (. Abb. 54.15). Der Treibstrahl hohen Druckes von p D 600 bis 800 kPa wird in der Treibdüse beschleunigt und saugt einen Förderstrahl (Wasser, Dampf, Luft oder Gas) aus einem tiefer gelegenen Behälter an, der vom Treibstrahl in der Mischkammer beschleunigt wird, um im anschließenden Diffusor zur Drucksteigerung verzögert wird. Sie arbeiten ohne mechanischen Antrieb und sind dadurch sehr betriebssicher. Strahlpumpen bestehen aus dem Treibstrahlanschluss, dem Saugstrahlanschluss der Düsenvorkammer, der Treibdüse, der Fangdüse

1046

Kapitel 54  Pumpen

54

. Abb. 54.15 Dampfstrahl-Vakuumpumpe

oder Mischkammer und dem Diffusor. Strahlpumpen sind einfach aufgebaut und im Betrieb sehr wartungsarm und zuverlässig. Der Treibstrahl erzeugt im Saugraum einen Unterdruck, sodass die Pumpen selbstansaugend sind. Die Arbeitsübertragung vom Treibstrahl erfolgt durch Impulsaustausch an das Förderfluid (Wasser, Dampf oder Gas). Ein Ejektor ist eine Strahlpumpe, die einen Unterdruck erzeugt. Er wird in der Vakuumtechnik und als Saugpumpe eingesetzt. Ein Injektor ist eine Strahlpumpe zur Überdruckerzeugung. Wird Dampf als Treibmedium verwendet, so kann dieser in der Mischkammer kondensieren, wodurch die Arbeitsübertragung vergrößert wird und teilweise ein höherer Enddruck als der Treibmitteldruck erreicht wird, z. B. bei Brenner-Injektoren. Mit einem Treibmittel hoher Dichte können große Verdichtungsverhältnisse erreicht werden (Vakuumtechnik). Noch höhere Verdichtungsverhältnisse werden mit mehrstufigen Injektorpumpen durch Reihenanordnung erreicht. Die Berechnung erfolgt durch Anwendung von Energie-, Impuls- und Masseerhaltungssatz. Strahlpumpen erreichen mit Werten von  D 0;32 bis 0,38 deutlich geringere Wirkungsgrade als andere Pumpen. 54.11

. Abb. 54.16 Axialkolbenpumpe mit feststehender Schrägscheibe

kolbenpumpen sind die Zylinderbohrungen radial angeordnet und die Tauchkolben werden durch einen exzentrisch gelagerten Innenring gegenüber dem Außengehäuse bewegt. Die Exzentrizität des Innenrings ist einstellbar, so dass bei konstanter Drehzahl eine stufenlose Volumenstromverstellung erfolgen kann. Bei einigen Bauformen wird der Volumenstrom von einem zentral angeordneten Steuerkörper, um den sich der Rotor dreht, stufenlos verändert. Im Rotor sind auch die Saug- und Druckkanäle angeordnet. Die Axial- und Radialkolbenpumpen können sowohl als Pumpe als auch als Hydraulikmotor besonders in exgeschützten Bereichen eingesetzt werden. Diese Pumpen werden vorrangig in der Ölhydraulik als Pumpe oder Motor eingesetzt für Drücke von pD D 25 MPa bis 50 MPa und Volumenströme von VP D 5 l=min bis 250 l/min. Sie erreichen hohe Wirkungsgrade bis zu  D 0;92 und besitzen ein gutes Kennfeld, weil bei geringen Antriebsdrehzahlen ein hohes Drehmoment erreicht wird. Sie werden als außen- oder innenbeaufschlagte Pumpen durch eine Hohlwelle ausgeführt. Der Verstellexzenter zur Bewegung der Tauchkolben kann von einem innen-

Axial- und Radialkolbenpumpen

In der Ölhydraulik werden für die hohen Drücke bis pD D 50 MPa und bis 100 MPa und geringe Volumenströme Hubkolbenpumpen mit mehreren axial oder radial angeordneten Verdrängern (Tauchkolben) eingesetzt. Der Antrieb der Kolben von der rotierenden Welle erfolgt je nach Bauart über Taumelscheiben, Schwenktrommel (. Abb. 54.16) oder Schrägscheiben von denen die 6 bis 12 Tauchkolben in Axialrichtung betätigt werden. Bei Radial-

. Abb. 54.17 Radialkolbenpumpe mit 7 Zylindern

1047 54.13  Kreiselpumpe

liegenden Exzenter auf der Welle oder von einem außen liegenden Exzenter erfolgen. Axialkolbenpumpen erreichen ein geringes Bauvolumen und die größte spezifische Energiedichte Y =m P aller Pumpenbauarten. Einsatzbereiche sind Werkzeugmaschinen, Pressen, Druckgussmaschinen, Bagger, Traktoren, Mähdrescher und Automatikgetriebe für die Fahrzeugoberklassen. In . Abb. 54.17 ist eine Radialkolbenpumpe dargestellt.

54.12

. Abb. 54.19 Herzpumpe (Impellapumpe)

Sonderbauarten . Abb. 54.20 Lage der Pumpe im Modell eines Herzens [7]

Für die Behälterfüllung und Entleerung von Öl, Farben und Lack sowie vielen anderen Flüssigkeiten werden kleine Kreiselpumpen oder Membran- bzw. Doppelmembranpumpen mit einer langen Welle und einem langen Druckrohr von 0,8 m bis 1,5 m Länge mit denen Transportfässer vollständig entleert werden können, eingesetzt. Sie werden von einem vertikal angeordneten Asynchronmotor über eine Welle angetrieben (. Abb. 54.18). Am Druckstutzen wird ein Schlauch angeschlossen oder es wird ein Volumenstrommessgerät zum Dosieren oder zum Messen des entnommenen Volumens angeordnet. In modernen Behälterpumpen werden der Antriebsmotor und auch das Volumenstrommessgerät in die Behälterpumpe integriert. Spezialpumpen sind z. B. Schlauchpumpen für die Dialyse oder andere Blutpumpen zur Unterstützung der Pumpleistung des Herzens nach Herzoperationen. Die Impellapumpen mit Außendurchmessern von 4 mm und 6,4 mm bei einer Statorlänge von 12 mm oder 18 mm (. Abb. 54.19) werden in die Herzkammer eingeführt und fördern bis zu 5 l/min Blut bei einer Antriebsdrehzahl von 51.000 min1 . Die bürstenlosen DC-Motoren besitzen den Vorteil der eisenlosen Wicklung und die elektronische Kommutierung. Die Einwegpumpen besitzen eine dreiphasige Wicklung

und einen zweipoligen Permanentmagnetmotor mit einem elektronischen Kommutierungssystem. Um die Lage des Rotors zu erkennen, wird die rückwirkende Motorspannung gemessen und ausgewertet. Für die Platzierung der Pumpe im Herzen werden Drucksensoren mit 0,3 mm Dicke am Motorgehäuse angebracht (. Abb. 54.20). Diese Pumpen zeichnen sich durch ihre Kompaktheit, die hohe Zuverlässigkeit, einen hohen Wirkungsgrad und ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis aus. Diese elektronisch kommutierten Miniaturpumpen werden auch häufig in der Automatisierungstechnik eingesetzt.

54.13 54.13.1

. Abb. 54.18 Verschiedene Bauarten von Behälterpumpen [6]

Kreiselpumpe Konstruktiver Aufbau und Hauptbauteile

Der Aufbau und die Hauptbauelemente von ein- und mehrstufigen Kreiselpumpen sind in . Abb. 54.21 und 54.22 dargestellt. Eine einstufige Kreiselpumpe besteht aus dem radialen Laufrad, dem Spiralgehäuse, mit Saug- und Druckstutzen, dem Gehäuse, der Welle, dem Lagerträger mit den Wälzlagern und aus der Wellendichtung meist als Gleitringdichtung ausgeführt und den inneren Dichtungen (Spalt- oder Labyrinthdichtungen) zwischen Laufrad und Gehäuse. Mehrstufige Kreiselpumpen in . Abb. 54.22 mit vier Stufen besitzen als Leiteinrichtung nach jeder

54

1048

Kapitel 54  Pumpen

c. Kraftwerkspumpen und Kesselspeisepumpen d. Heizungsumwälzpumpen für die Industrie und für kommunale Bereiche e. Hygienepumpen für die Getränke-, Pharma- und Lebensmittelindustrie f. Pumpenanlagen

54

. Abb. 54.21 Einstufige Industrienormkreiselpumpe

In . Abb. 54.23a ist eine hermetische Chemienormpumpe als Magnetkupplungspumpe dargestellt. Für die Kupplungsmagnete werden seltene Erden wie z. B. Neodym oder Samarium verwendet. In dem Bild ist der Rotor mit dem Laufradschnitt und dem Lagerträger und mit zwei Wälzlagern gezeigt. Der Antrieb des Rotors der hermetisch gekapselten Kreiselpumpe erfolgt über die Magnetkupplung, die mit Permanentmagneten ausgerüstet ist.

54.13.3

Berechnung von Kreiselpumpen

Die Berechnung der radialen-, diagonalen- und axialen Kreiselpumpen erfolgt mit Hilfe der Eulergleichung für Turbomaschinen. Sie lautet: . Abb. 54.22 Vierstufige Gliederkreiselpumpe

Stufe einen unbeschaufelten Leitring oder ein beschaufeltes Leitrad, eine Umlenkung für den Volumenstrom und einen beschaufelten Rückführkanal zur nächsten Stufe. Die mechanische Arbeit wird vom Elektromotor an das Laufrad übertragen. Auf diesem Strang wirkt ausschließlich die mechanische Arbeit. Erst das R Laufrad überträgt die mechanische Arbeit W D M D p dA bzw. die LeisR tung Pm D ! M D ! p dA in die hydraulische Leistung P D  Y VP . Da Kreiselpumpen vorrangig inkomPh D Y m pressible Flüssigkeiten mit konstanter Dichte fördern, kann für die hydraulische Leistung mit Y D g H, H Förderhöhe geschrieben werden: PN D g  H VP . PN in Flüssigkeiten ist um die Leistungsverluste PV , die bei der Arbeitsübertragung in der Pumpe entstehen, geringer als die mechanische Leistung PN D Pm  PV . Die Verlustleistung PV besteht aus dem hydraulischen Verlust Ph , dem volumetrischen Verlust Pvol , dem Radreibungsverlust PR und den mechanischen Verlusten in den Lagern und Dichtungen PV D Ph C Pvol C PR C Pm . 54.13.2

Einsatzbereiche

Die wichtigsten ein- und mehrstufigen Kreiselpumpen sind in . Abb. 54.23 für die folgenden Einsatzbereiche dargestellt. a. Industrienormkreiselpumpen Chemienormkreiselpumpen und Prozesspumpen b. Pumpen für Kläranlagen und Abwassertechnik, Diagonalpumpen

Y D u2 cu2  u1 cu1 oder mit der Förderhöhe H D Y =g   u1 u2 cu1 H D cu2  g u2   r1 ! r2 H D cu2  cu1 g r2

(54.14)

Die Euler’sche Gleichung wird aus dem Drehmomentsatz oder aus der Strömungskinematik im Laufrad abgeleitet. Die in der Pumpe übertragene hydraulische NutzleisP Y D  g VP H : tung beträgt mit PN D m   r1 PN D g  VP H D g  VP ! r2 cu2  cu1 : (54.15) r2 Die Kupplungsleistung kann mit dem Kupplungswirkungsgrad K bestimmt werden. PK D

g  VP ! r2 .cu2  PN D K K

r1 r2

cu1 /

:

(54.16)

Der Kupplungswirkungsgrad ergibt sich aus dem hydraulischen Wirkungsgrad K , dem Wirkungsgrad der Radseitenreibung R , dem volumetrischen Wirkungsgrad vol und dem mechanischen Wirkungsgrad m entsprechend (54.7). Er ist von der Pumpenbaugröße und von der spezifischen Drehzahl abhängig und ist in . Abb. 54.24 dargestellt. Damit können die Kennlinie und die Leistungskennlinie einer Kreiselpumpe vorausberechnet werden. In . Abb. 54.25 ist der Dichtheitsgrad vol und der mechanische Wirkungsgrad m in Abhängigkeit des Volumenstromes angegeben.

1049 54.13  Kreiselpumpe

. Abb. 54.23 Kreiselpumpenbauarten [2]] a Magnetkupplungspumpe zur Förderung von Säuren, b Diagonalpumpe mit Lagerträger für die spezifische Drehzahl von nq D 54 min1 , c Kesselspeisepumpe, d Heizungsumwälzpumpen, e Einstufige Hygienekreiselpumpe, f Pumpenanlage

Q

. Abb. 54.25 Dichtheitsgrad vol und mechanischer Wirkungsgrad m einstufiger Kreiselpumpen bei reiner Flüssigkeitsförderung . Abb. 54.24 Pumpenwirkungsgrad einstufiger Kreiselpumpen für Reinwasser

Die Form der Laufräder wird mit der spezifischen Drehzahl nq oder der Schnelllaufzahl charakterisiert (. Abb. 54.26). p VP Die spezifische Drehzahl ist definiert als nq D n 3=4 H und die Schnelllaufzahl kann mit der Energieübertragungszahl D 2Y=u22 und der Lieferzahl ' D cm2 =u2 definiert werden als D ' 0;5 = 0;75 .

In . Abb. 54.27 sind der Meridianschnitt und die Zirkularprojektion mit der räumlich gekrümmten Schaufel eines radialen Laufrades dargestellt, das mit der Grundberechnung und der nachfolgenden 3D-Simulationsrechnung bestimmt worden ist. Für Abwasserpumpen in Abwasserpumpstationen und Kläranlagen, die feststoffbeladene Fluide fördern, werden mit Rücksicht auf den freien Durchgang spezielle Laufradformen entsprechend . Abb. 54.28 eingesetzt.

54

1050

Kapitel 54  Pumpen

. Abb. 54.26 Laufradformen im Meridianschnitt von Radial-, Diagonallaufrädernund Axiallaufrädern verschiedener spezifischer Drehzahlen und Axialpumpen

54

. Abb. 54.27 a Meridianschnitt und b Zirkularprojektion eines radialen Pumpenlaufrades [2]

. Abb. 54.29 Kennlinienverlauf einer Mehrkanalpumpe für n D 1450 min1

. Abb. 54.28 a Ein- und b Dreikanallaufräder; c Freistromlaufräder; d Inducerlaufrad; e Diagonallaufrad [1]

54.13.4

Kavitation und zulässige geodätische Saughöhe

Kavitation stellt eine Gasblasenbildung in der Flüssigkeit oder im Flüssigkeits-Feststoffgemisch dar durch lokales Verdampfen der strömenden Flüssigkeit in Bereichen, in denen der statische Druck den Sättigungsdruck der Flüssigkeit unterschreitet, sodass die Flüssigkeit örtlich verdampft. Strömt dieses Flüssigkeits-Dampfgemisch oder die Dampfblasenwolke in Bereiche höheren statischen Druckes, der über dem Sättigungsdruck der Flüssigkeit liegt, so kondensiert der Dampf plötzlich und die Dampfblasen brechen unter hoher Druckentwicklung zusammen. Radial- und Diagonalpumpen sind in der Lage die Förderflüssigkeit aus tief gelegenen Behältern anzusaugen. Die theoretische geodätische Ansaughöhe hS ist vom barometrischen Umgebungsdruck pb abhängig und beträgt

hs D pb =.g /. Der barometrische Umgebungsdruck auf den Flüssigkeitsspiegel im Saugbehälter drückt die Flüssigkeit beim Evakuieren der Saugleitung durch die Pumpe nach oben. Beträgt der barometrische Druck pb D 100 kPa und die Dichte der Flüssigkeit  D 1000 kg=m3 , so erreicht die Saughöhe den theoretischen Wert von hs D 10;19 m. Die tatsächliche geodätische Ansaughöhe wird um die dynamische Druckhöhe hdyn D c2s =.2 g/, die Reibungsverlusthöhe hr D Yr =g und die Haltedruckhöhe hh D Yh =g vermindert, sodass die tatsächliche Ansaughöhe beträgt: hs D

pb  pt cs2 Yh  hr  g 2g g

(54.17)

Der Kavitationsbeginn in Strömungen ist von den Flüssigkeitseigenschaften wie z. B. der Oberflächenspannung der Flüssigkeit, der Schallgeschwindigkeit, der Wärmeleitfähigkeit, dem Gehalt an gelösten Gasen, dem Anteil an Kavitationskeimen (ungelöster Gasanteil) und den anlagentechnischen Einflüssen, wie Strömungsquerschnitte, Wandrauigkeit, Grenzschichten, Strömungsablösung und Turbulenz in der Strömung abhängig [8]. Bei Eintritt von Kavitation in der Pumpe fällt die Pumpenkennlinie ab (. Abb. 54.29).

1051 54.13  Kreiselpumpe

. Abb. 54.30 Bezugsebene für NPSH-Angaben für Pumpen und Anlagen [8]

. Abb. 54.32 Kennfeld der einstufigen Radialpumpe für n D 960 min1 . Abb. 54.31 NPSH-Kennlinien einer Diagonalpumpe mit schräger Austrittskante [2]

Die Bezugsebene für die Saughöhe und den NPSHWert (Net Positiv Suction Head; Haltedruckhöhe) liegt bei Radialpumpen stets in der Wellenmitte des Laufrades (. Abb. 54.30). Die NPSH-Kennlinien einer Diagonalpumpe hoher spezifischer Drehzahl und schräggestellter Austrittskante für den Originaldurchmesser und eine Abdrehstufe ist in . Abb. 54.31 dargestellt. 54.13.5

Pumpen- und Anlagenkennlinien

Die Kennlinien von Strömungsmaschinen werden durch die Änderung der übertragenen Arbeit bei Veränderungen des Volumenstroms bestimmt. Da Strömungsmaschinen vorwiegend durch Antriebsmaschinen mit konstanter Drehzahl angetrieben werden, erfolgt die Kennliniendarstellung H D f .VP ; n D const./ bzw. in der dimensionslosen Form D f .'; n D const./. Zur Charakterisierung einer Maschine gehören weiterhin die Darstellung des Wirkungsgrades  D f .'; n D const./, der Kupplungsleistung PK D f .'; n D const.) und spezieller Größen für Pumpen wie z. B. des NPSH erf -Wertes oder der zulässigen Saughöhe NPSH erf D f .'; n D const./ bzw. Hs D .'; n D const./.

An Kennlinien werden folgende Forderungen gestellt: 1. Erfüllung der geforderten Parameter Y p0 , VP , 2. stabiler Verlauf im gesamten oder wenigstens in einem möglichst großen Bereich, 3. erreichen eines hohen Wirkungsgrades in einem weiten Kennlinienbereich, 4. optimale Anpassung an die geforderten Betriebsbedingungen. Kennlinien können mit Hilfe der Euler’schen Gleichung betrachtet werden. Sie stellen die ideale Kennlinie dar. Wird der Volumenstrom einer Kreiselpumpe mit konstanter Gittergeometrie ˇ und konstanter Umfangsgeschwindigkeit geändert, so stellen sich neue Größen für die Meridiangeschwindigkeit cm , die absolute Abströmgeschwindigkeit und den absoluten Abströmwinkel vom Laufrad ˛2 ein. Kennlinien von Strömungsmaschinen erstrecken sich über alle vier Quadranten des kartesischen Koordinatensystems und stellen im ersten Quadranten den Pumpenbetrieb dar, den wir nachfolgend betrachten werden. Im zweiten Quadranten den Turbinenbetrieb und im dritten und vierten Quadranten den Bremsbetrieb für hydrodynamische Bremsen in Strömungsgetrieben. Die Pumpenkennlinien im ersten Quadranten unterscheiden sich in Abhängigkeit der Pumpenbauart (. Abb. 54.26) für Radialpum-

54

1052

Kapitel 54  Pumpen

H

54 V

. Abb. 54.35 Kennlinie für die Parallelschaltung von zwei unterschiedlichen Kreiselpumpen mit den Kennlinien I, II und der resultierenden Kennlinie III . Abb. 54.33 Kennfeld einer halbaxialen Rohrgehäusepumpe mit Vordrallregler für den Winkelbereich ˛ D 50° bis 120°

. Abb. 54.36 Betriebspunkte einer Kreiselpumpe in einer Anlage ohne und mit statischem Anteil

. Abb. 54.34 Kennfeld einer vertikalen Axialpumpe mit Drehzahlverstellung

pen (. Abb. 54.32), für Diagonalpumpen (. Abb. 54.33) und für Axialpumpen, wobei die Arbeitskennlinien von Axialpumpen wegen einer Instabilität und Rotating Stall bei einem Mindestvolumenstrom begrenzt werden müssen (. Abb. 54.34). In der chemischen Industrie und auch in Kläranlagen variieren die Volumenströme zeitlich stark, sodass es sinnvoll und aus energetischen Gründen erforderlich ist mehrere Pumpen für unterschiedliche Volumenströme parallel zu schalten, die in Abhängigkeit des Volumenstrombedarfs betrieben werden. . Abb. 54.35 zeigt die Kennlinien von zwei Radialpumpen unterschiedlicher Volumenströme und die resultierende Kennlinie. Dabei ist zu beachten, dass sich der Volumenstrom parallel geschal-

teter Radialpumpen nicht verdoppelt oder verdreifacht bei drei parallel geschalteten Pumpen, sondern entsprechend der Anlagenkennlinie (. Abb. 54.4) vergrößert wird. Die sorgfältig ermittelte Anlagenkennlinie bestimmt also den Betriebspunkt der Pumpen in der Anlage. Der Arbeitspunkt A (Betriebspunkt) einer Kreiselpumpe stellt sich immer im Schnittpunkt der Pumpenkennlinie mit der Anlagenkennlinie (Rohrleitungskennlinie) ein (. Abb. 54.36). Werden in Pumpenanlagen zeitlich unterschiedliche Drücke oder Förderhöhen bei etwa gleichem Volumenstrom benötigt, können gleiche Radialpumpen in Serie geschaltet werden. Die Pumpen werden je nach Bedarf zu und abgeschaltet. Die Leistung vergrößert sich entsprechend der Zahl der Pumpen. In . Abb. 54.34 ist das Arbeitskennfeld einer drehzahlgeregelten Axialpumpe dargestellt.

1053 Literaturhinweise, Informationsquellen

54.13.6

Regelung von Kreiselpumpen

Kreiselpumpen verfügen über folgende Stellgrößen: 1. Stellgrößen in der Pumpe, die eine Veränderung der Kennlinie bewirken: Drehzahländerung n, Leitschaufelverstellung ˛ und Laufschaufelverstellung ˇ. 2. Stellgrößen, die in die Rohr- oder Anlagenkennlinie eingreifen, wie Veränderung des Widerstands in der Saug- oder Druckleitung, Änderung des Massestromes durch Bypass zum Saugbehälter, Änderung des Massestromes mit Entspannung in der Rekuperationsturbine, Aussetzregelung durch Abschalten oder totale Drosselung in der Saugleitung. Die Anwendung der verschiedenen Regelungsarten ist von der Kennlinie der Maschine, der Kennlinie der Anlage und des Verbrauchersystems sowie der Antriebsmaschine abhängig. Die Regelung mittels direkter Stellgrößen sowie der Widerstandsänderung in der Saug- oder Druckleitung werden angewandt, wenn die Maschinen im stabilen Kennlinienbereich arbeiten. Im labilen Arbeitsbereich der Kennlinie werden besonders die unter 2. genannten Stellgrößen genutzt. 54.13.6.1

Drehzahländerung

Da Ansaugvolumenstrom VPS , Enddruck pD und Drehzahl n einer Maschine entsprechend der Kennlinie gekoppelt sind, kann die Drehzahl dem jeweils geforderten Volumenstrom angepasst werden. Weil bei Drehzahländerung eine Förderhöhenänderung (H/Hn D .n=nn /2 ) eintritt, ist das Verfahren nur dann anwendbar, wenn mit abnehmendem Volumenstrom ein wesentlich verminderter Druck bzw. bei zunehmendem Volumenstrom auch ein steigender Druck zugelassen ist. Das entspricht der Anlagenkennlinie (. Abb. 54.34). Sie kann jedoch auch für konstanten Druck eingerichtet werden. Drehzahländerung kann von der regelbaren Antriebsmaschine, z. B. Dampf- oder Gasturbine bewirkt werden, Elektromotoren mit Frequenzumrichter oder regelbarem Getriebe. Das Verfahren ist sehr wirtschaftlich, angewandt in Abwasser- und Kläranlagen. Die Pumpenparameter verändern sich nach folgenden Beziehungen:  2   VP n n H pu un n 3 D I D I D nn Hn nn pun u nn VPn (54.18) 54.13.6.2

Leitschaufelverstellung

Während das Fluid dem Laufrad im Auslegungspunkt allgemein drallfrei zuströmt, wird das Vorleitrad von Axialpumpen bei kleinerem geforderten Volumenstrom so verstellt, dass ein positiver Eintrittsdrall r1 cu0 – in Umlaufrichtung des Rades – entsteht. Dadurch wird die En-

ergieübertragung in der Maschine entsprechend der EulerGleichung Yid D u2 cu3  u1 cu1 , d. h. die Drucksteigerung, vermindert und eine sehr wirtschaftliche und gute Anpassung an die Forderungen des Verbrauchers und häufig auch eine Verschiebung der Abreißgrenze zu kleinen Lieferzahlen erreicht. Angewandt bei Axial- und Diagonalpumpen von etwa ı D 20ı bis ı D C30ı . 54.13.6.3

Drosseln in der Saugleitung

Durch teilweises Schließen eines einstellbaren Absperrorgans in der Saugleitung bzw. im Einlauf wird der Widerstand erhöht und damit der Ansaugvolumenstrom und der Saugdruck gemindert, sodass auch der Förderdruck sinkt. Diese Regelungsart ist durch die Drucksenkung mit zusätzlichen Verlusten verbunden. Bei Pumpen ist die Kavitationsgefahr zu beachten. 54.13.6.4

Abblasen durch Umführungsleitung mit Rekuperationsturbine, Bypass

Um die großen Verluste beim Abblasen in die Umführungsleitung zu vermindern, wird bei größeren Abblaseströmen eine Rekuperationsturbine in die Umführungsleitung eingeschaltet, in der beim Entspannen Arbeit geleistet wird. Die Turbine wird fest oder auskuppelbar mit der Pumpe verbunden. Nachteil: hohe Anlagenkosten, höhere Leistungsaufnahme bei voller Entnahme des Förderstroms durch den Verbraucher, wenn die Turbine mitläuft. 54.13.6.5

Aussetzregelung

Erfolgt die Massestromentnahme periodisch mit größeren Zeiten kleiner oder sehr geringer Entnahme, so kann in Abhängigkeit von der Periodenlänge der Fördervorgang durch totales Drosseln in der Saugleitung unterbrochen oder die Maschine stillgesetzt werden. Voraussetzung für diese sehr einfache und ökonomische Regelung ist ein Speicherbehälter oder ein Versorgungsnetz mit genügend großem Volumen. Anwendung bei Pumpen, z. B. Hauswasserversorgungsanlagen mit Druckkessel und druckabhängiger Schaltung.

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Surek, D.: Pumpen für Abwasser- und Kläranlagen – Auslegung und Praxisbeispiele. Springer Vieweg, Wiesbaden (2014) 2. Surek, D.: Kompendium Kreiselpumpen. bookboon.com (2013) 3. Küttner, K.-H.: Kolbenmaschinen. B. G. Teubner, Stuttgart (1993) 4. Eifler, W., Schlücker, E., Spicher, U., Gotthard, W.: Küttner Kolbenmaschinen, 7. Aufl. Vieweg + Teubner, Stuttgart (2009) 5. Ingenieur Verlag Nagel: delta p 4 (Sep/Okt 2012) 6. DdV media international: Pumpe DE 4, 26 (2014) 7. DdV media international: Pumpe DE 5, 22 (2014) 8. Surek, D.: Fachwissen des Ingenieurs – Kraft- und Arbeitsmaschinen – Kältemaschinen, Kapitel Pumpen und Verdichter. Fachbuchverlag, Leipzig (1975)

54

1055

Verdichter Dominik Surek

Kompressoren werden als Hubkolbenverdichter, rotierende Verdrängerverdichter und als Turboverdichter zu Verdichtung von Luft und technischen Gasen gebaut und betrieben. Die rotierenden Verdrängerverdichter werden eingeteilt in Drehkolbenverdichter (Rootsverdichter), Kreiskolbenverdichter, Schraubenverdichter, Drehschieberverdichter, Seitenkanalverdichter, Ein- und Doppelzahnverdichter und Flüssigkeitsringverdichter (. Abb. 55.1). Verdichter werden im Druckbereich oberhalb des Umgebungsdruckes bis p D 400 MPa und unterhalb der Atmosphärenlinie als Vakuumverdichter bis zu Drücken von p D 1012 Pa eingesetzt. Die Verdichtung der Gase erfolgt bei polytroper Zustandsänderung mit Temperaturerhöhung und erfordert deshalb eine Nachkühlung oder bei mehrstufiger Verdichtung eine Zwischenkühlung. Idealisierte Verdichtungsvorgänge können isentrop (s D konst.) oder adiabat oder isotherm (T D konst.) erfolgen. Hubkolbenverdichter erfordern Triebwerksanordnungen bestehend aus der Kurbelwelle, der Kolbenstange oder einer Pleuelstange und Kolbenstange und dem Kolben, der in einem Zylinder mit den Saug- und Druckventilen arbeitet. Das Triebwerk kann stehend oder liegend angeordnet werden. In . Abb. 55.2 sind einige stehende und liegende Triebwerksanordnungen dargestellt. Es sind die Ein- und Mehrzylinderanordnungen in Reihen-, V- oder W-Bauart.

55.1

Arbeitsdiagramm im Kolbenkompressor (Indikatordiagramm)

Der Verdichtungsvorgang in einem Hubkolbenverdichter verläuft zyklisch mit folgenden vier Arbeitsabläufen. 4 4–1 Ansaugvorgang in der Nähe des Atmosphärenzustandes bei einstufigen Hubkolbenverichtern bei geöffnetem Saugventil 4 1–2 polytrope Kompression 4 2–3 Ausschieben des Gases aus dem Zylinder bei geöffnetem Druckventil und pD konst. 4 3–4 Rückexpansion des im Zylinder und im schädlichen Raum verbliebenen Gases In . Abb. 55.3b sind auch die Zustandsänderungen des Arbeitsdiagrammes im T -s-Diagramm dargestellt. Ein zyklisches Arbeitsspiel besteht also aus der Masseänderung im Zylinder durch Füllen mit Gas und das Entleeren des Zylinders sowie die Zustandsänderung des Gases infolge der Arbeitsübertragung durch die Kolbenbewegung mit Kompression und Expansion des Restgasvolumens. Durch den Ein- und Ausströmvorgang des Gases tritt eine wechselnde Wärmeübertragung von der Zylinderwand an das Gas beim Einströmen und zu Beginn der Verdichtung die als Gasaufheizung bezeichnet wird und

. Abb. 55.1 Bauarten von Verdichtern, a liegender Hubkolbenverdichter, b stehender Membranverdichter, c Drehkolbenverdichter, d Schraubenverdichter, e Seitenkanalverdichter, f Turbo-Getriebeverdichter

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_55

55

1056

Kapitel 55  Verdichter

. Abb. 55.2 Bauformen zweistufiger Hubkolbenverdichter: 1) Reihenverdichter; 2) V-Verdichter; 3) W-Verdichter; 4) Boxerverdichter

55 die Kühlung des Gases durch die Zylinderwand in der Endphase der Kompression ein. Trotz dieser Strömungsund Wärmeaustauschvorgänge können die Verdichtungsvorgänge in erster Näherung als einheitliche zeitabhängige thermodynamische Vorgänge betrachtet werden. Der zeitabhängige statische Druckverlauf im Zylinder kann leicht experimentell mit Hilfe eines Indikators in Abhängigkeit des Kolbenweges oder des Kurbelwinkels (. Abb. 55.4) ermittelt werden und er ergibt das Weg- oder Kurbelwinkelabhängige p-- bzw. das p-˛K -Diagramm, das auch Indikatordiagramm genannt wird. Im T-s-Diagramm wird deutlich, dass während der polytropen Verdichtung mit nK und während des Ausschiebens eine Wärmezufuhr zum Gas erfolgt und während der Rückexpansion und des Ansaugens eine Wärmeabfuhr bei der Rückexpansion mit dem Polytropenexponenten nEx (. Abb. 55.3). In . Abb. 55.5a ist das Indikatordiagramm für Volllastbetrieb dargestellt. . Abb. 55.5b zeigt das Indikatordiagramm für einen Teillast- und Nullbetrieb des Hubkolbenverdichters, durch Drosseln (teilweises Verschließen) oder vollständiges Verschließen der Saugleitung. . Abb. 55.3 a p-v-Diagramm eines Hubkolbenverdichters, b Zustandsänderungen des Hubkolbenverdichters im T -s-Diagramm

Dem verlustfrei arbeitenden Hubkolbenverdichter mit Masseänderung im Zylinder beim Ladungswechsel und reversibler Zustandsänderung sind im ausgeführten Verdichter irreversible thermodynamische Vorgänge überlagert, die sich auf den Druckverlauf im p-v-Diagramm auswirken. Die Kompression des Gases im Zylinder beginnt unmittelbar nach dem Schließen des Saugventils in der unteren Totlage des Kolbens. Sie endet beim Öffnen des Druckventils und dem Gasausschieben. Der Druck beim Ausschieben des verdichteten Gases ist stets größer als der Druck im Druckbehälter pD , damit das federbelastete Druckventil und die Trägheitskraft des Ventils überwunden werden können. Die Kompressionslinie 1–2 weicht durch den zeitveränderlichen Wärmestrom zwischen dem Gas und der aufgeheizten Zylinderwand von der polytropen Zustandsänderung mit dem Exponenten nK D ln.p2 =p1 /= ln.v2 =v1 / ab. Im ersten Teil der Verdichtung nach dem Füllvorgang des Zylinders wird dem Gas von der erhitzten Zylinderwand Wärme zugeführt (nK > ), wobei die Entropie ansteigt. Nachdem die Gastemperatur die Temperatur der Zylinderwand erreicht hat, wird die Zylinderwand vom Gas weiter aufgeheizt und der Polytropenexponent sinkt ab (nK < ) [1]. Bei schnelllaufenden Verdichtern wird die Zeit für die Wärmeübertragung verkürzt und die Zustandsänderung nähert sich der Isentropen. Das Ausschieben des Gases aus dem Zylinder beginnt mit dem Öffnen des Druckventils und endet mit dem Schließen des Druckventils im oberen Totpunkt. Der Duckverlust im Druckventil steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit im Ventilquerschnitt und damit auch etwa mit dem Quadrat der Kolbengeschwindigkeit. Während des Ausschiebens des Gases aus dem Zylinder erfolgt wiederum eine Wärmeabgabe vom Gas an die Zylinderwand und die übrigen durchströmten Kanäle, sodass die Gastemperatur TD weiter absinkt. Die Rück-

55

1057 55.2  Steuerung des Gasstroms im Zylinder

bei der Verdichtung aus und verändern somit die Arbeitsübertragung und das Indikatordiagramm. Beim Ausströmen des Gases aus dem Arbeitszylinder tritt wiederum ein Druckverlust im Druckventil und in den Ausströmkanälen und eine erste Kühlung des Gases ein, bevor das Gas zur wirksamen Kühlung in den Wärmeüberträger als Zwischenkühler oder Nachkühler strömt, der als Plattenwärmetauscher oder als Rohrbündelwärmetauscher ausgeführt werden kann. Bei der Verdichtung wird durch die Temperaturerhöhung auch eine Trocknung des feucht angesaugten Gases erreicht, sodass bei mehrstufiger Verdichtung die absolute Feuchte des Gases, die als Masseverhältnis des Wasserdampfanteils zum trockenen Gas mit steigender Stufenzahl abnimmt. Die absolute Feuchte des Gases beträgt:

. Abb. 55.4 Druckverlauf im doppeltwirkenden Zylinder eines Hubkolbenverdichters nach Hoerbiger

expansion des im Schadraum des Zylinders verbleibenden Gases beginnt nach Schließen des Druckventils und endet, wenn der Druck im Zylinder den Saugdruck unterschreitet und das Saugventil im Punkt 4 öffnet. Der Polytropenexponent der Rückexpansion des Gases beträgt nEx D ln.p3 =p4 /= ln.v3 =v4 /. Sie verläuft bis zu dem Punkt an dem das Saugventil öffnet. Der Ansaugvorgang endet in der unteren Totlage des Kolbens beim Schließen des Saugventils. Die Aufheizung wird durch das Temperaturverhältnis T S =T1 charakterisiert und stellt die Ursache für den Gaseintrittsverlust dar, weil die Dichte des Gases durch die Temperaturerhöhung verringert und dadurch ein geringerer Massestrom in den Zylinder gelangt. Neben dieser Gasaufheizung beim Einströmen des Gases treten weitere Verluste auf durch die Leckströmungen über den Kolben von der Druck- zur Saugseite des Zylinders, die Verluste in den Stopfbuchspackungen und die Verluste in den Ventilen. Diese Verluste werden Undichtheitsverluste genannt. Diese Leckströmungen wirken sich auch auf den Zustandsverlauf

a

xD

55.2

pv  Rtr m Pf D m P tr .ps  pv /  Rf

(55.1)

Steuerung des Gasstroms im Zylinder

Der Ein- und Austrittsmassestrom im Zylinder wird mit selbsttätigen Ventilen gesteuert, die als Ein- und Austrittsventile bezeichnet werden und als druckgesteuerte Ringoder Plattenventile ausgeführt sind (. Abb. 55.6). Der Ventilring oder die Ventilplatte ist federbelastet und liegt gasdicht auf dem Ventilsitz der als konzentrischer Kreisring ausgebildet ist. Die Ventilringe werden aus rostfreien Stahl oder aus Kunststoff gefertigt und mit Schraubenfedern auf den Ventilsitz gedrückt, damit das Ventil bis zum Verdichtungsenddruck den Zylinderraum dicht abschließt. Durch eine Druckdifferenz über dem Ventil wird es in kurzer Zeit im ms-Bereich abhängig von der Verdichterdrehzahl geöffnet und ebenso rasch geschlossen. Die

b

. Abb. 55.5 a p-v-Diagramm eines Hubkolbenverdichters, b Indikatordiagramm beim Drosseln bzw. Verschließen der Saugleitung

1058

Kapitel 55  Verdichter

sich mit der Drehzahl und auch mit dem Saugdruck. Dadurch ist die Drehzahl ein geeigneter Stellparameter für den Volumenstrom. Er kann beim Antrieb mit regelbaren Gleichstrommotoren oder Verbrennungsmotoren erfolgen. Weitere Stellparameter sind Drosseln in der Saugleitung (. Abb. 55.5, verlustbehaftet), Bypass zum Saugstutzen, Innerer Bypass, Offenhalten des Saugventils, Vergrößerung des Schadraumes durch Zuschalträume im Zylinder oder zeitweißes Stillsetzen des Verdichters. Sie wird meist bei Antrieb durch Elektromotoren in Verbindung mit einer Abschaltautomatik verwendet, die auch den Kühlwasserstrom ab- und wieder zuschaltet und ein lastfreies Anfahren des Verdichters durch Anheben des Saugventils ermöglicht [3]. 2Stufenlose Massestromregelung

55

Die Saugventile werden über das Hubende hinaus für eine einstellbare Zeit offen gehalten, sodass ein Teil des angesaugten Gases in die Saugleitung zurückgeschoben werden kann. Diese Regelung kann bis zum Leerlauf des Verdichters durch Offenhalten der Saugventile erfolgen. Die Betätigung der Saugventile kann elektromagnetisch, durch Druckluft oder Drucköl erfolgen. 55.4

Membranverdichter

. Abb. 55.6 a Druckgesteuertes Ringventil, b Druckgesteuertes Plattenventil [2]

Öffnungszeiten betragen für n D 1200 min1 ca. t D 10 bis 35 ms. Das Saug- und Druckventil öffnet und schließt bei jeder Umdrehung des Verdichters, d. h. für Drehzahlen von n D 200 min1 bis 1450 min1 mit Frequenzen von f D 6;67 Hz bis 24,17 Hz. Die Öffnungs- und Schließzeiten betragen t D 14 ms bis 80 ms für das Saugventil und 6 ms bis 44 ms für das Druckventil. Der Ventilhub beträgt h D 0;1 mm bis 1,0 mm und er wird durch den Ventilhubfänger begrenzt. In . Abb. 55.6b ist eine halbe Ventilplatte dargestellt. Die Durchströmfläche des Ventils, die Spaltfläche genannt wird ASp D lSp hmax ergibt sich aus der gesamten Ventilspaltlänge lSp und dem maximalen Ventilhub. Der Ventilspaltquerschnitt ist mit Rücksicht auf die schwingungsfreie Ventilbewegung und auf das Öffnungsverhältnis h=hmax begrenzt. Die Schließgeschwindigkeit der Ventilplatte auf dem Ventilfänger soll c D 3 m=s bis 3,5 m=s nicht überschreiten. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit beträgt 0,2 m=s bis 3,4 m=s. Die Kolbenstange wird durch mehrgliedrige Packungen abgedichtet. 55.3

Bei Membranverdichtern ist der ölgefüllte Arbeitsraum des Kolbens durch eine elastische Stahl-, Kunststoff- oder Gummimembran vom Förderraum getrennt, sodass der Verdichter hermetisch dicht abgeschlossen ist. Das Arbeitsprinzip entspricht dem eines Hubkolbenverdichters. Eine Prinzipskizze des Membranverdichters ist in . Abb. 55.1b dargestellt. 55.5

Rotierende Verdrängerverdichter

Zu den rotierenden Verdrängerverdichtern gehören die ein- und zweiwelligen Drehkolbenverdichter wie Zellenverdichter, Drehkolbenverdichter und auch Wälzkolbenverdichter, die nach dem Erfinder Roots-Verdichter genannt werden. Da das Druckverhältnis dieser Verdichter D p0 =pS D 1 bis 25 beträgt, werden sie auch mit Ausnahme des Schraubenverdichters mit Verdichtungsverhältnissen von 20 auch als Gebläse bezeichnet. 55.5.1

Drehkolbenverdichter (Wälzkolbenverdichter)

Regelung der Hubkolbenverdichter

Ist die Entnahme des verdichteten Gases oder der Luft vom Kompressor oder vom Druckbehälter nicht konstant, so muss der Volumenstrom des Verdichters geregelt werden. Der Fördervolumenstrom und die Nutzleistung verändern

Bei dieser Bauart rotieren zwei gerade oder gedrillte Rotoren mit geringem radialen Spiel zwischen den lemniskatenförmigen Rotoren und geringem Axialspiel in einem Gehäuse. Die Drehkolben fördern das Gas ohne innere Verdichtung vom Saugstutzen im peripheren Arbeitsraum zum

1059 55.5  Rotierende Verdrängerverdichter

. Abb. 55.7 Funktionsprinzip eines Drehkolbenverdichters

Druckstutzen, in dem beim Gasausstoß die Verdichtung erfolgt. Diese äußere Verdichtung ist stark verlustbehaftet und durch die Druckschwingung mit einer hohen Schallemission verbunden. Die beiden Drehkolben werden durch ein außenliegendes Zahnradpaar geführt so dass die Verdränger berührungsfrei und gegenläufig rotieren und auch schmierungsfrei betrieben werden können (. Abb. 55.7). Durch ihren einfachen Aufbau und die hohe Betriebssicherheit werden Drehkolbenverdichter bevorzugt in der Industrie eingesetzt. Drehkolbenverdichter werden für den Druckbetrieb und für den Vakuumbetrieb im Grob- und Mittelvakuumbereich eingesetzt. Sie eignen sich besonders auch für Vakuumkombinationen z. B. mit Drehschieberverdichtern. Sie werden für Druckverhältnisse bis D pD =pS D 2;5 eingesetzt.

55.5.2

Schraubenverdichter

Schraubenverdichter arbeiten mit zwei Schrauben, wobei nur die Hauptschraube angetrieben wird. Sie arbeiten mit innerer Verdichtung mit Druckverhältnissen bis

D pD =pS D 4 bis 20 bei Verdichtungsendtemperaturen von 100 ı C und Volumenströmen VP D 8;5 m3 =h bis 60 m3 =h. Schraubenverdichter werden als stationäre und mobile Anlagen gefertigt. Der angetriebene Hauptrotor besitzt vier und der Nebenrotor sechs Zähne. Der berührungslose synchrone Lauf der Rotoren wird durch ein Zahnradpaar mit dem erforderlichen Übersetzungsverhältnis erreicht (. Abb. 55.8). Das Gas tritt von unten in den Rotorraum und strömt axial in die Lückenräume ein. Bei Drehung der Rotoren öffnen sich die Zahnlückenräume fortschreitend von der Saugseite zur Druckseite hin. Nach der Füllung der Zahnlückenräume wird durch weiteres Drehen der Ansaugraum abgeschlossen und das eingeschlossene Gas wird bis zur Oberseite in der Stirnwand des Gehäuses transportiert. Durch den nachfolgenden Eingriff der Zähne werden die Zahnlückenräume verkleinert und das eingeschlossene Gas verdichtet. Die Verdichtung erfolgt bis die Zahnspitzen und Zahnflanken die Steuerkanten am Druckstutzen überstreichen. Von diesem Zeitpunkt wird das Gas durch die weitere Verkleinerung des Zahnlückenvolumens in den Druckstut-

. Abb. 55.8 Schraubenverdichter [Firmenschrift Dr. Busch]

zen ausgeschoben. Dieser Verdichtungs- und Fördervorgang wiederholt sich in jeder nachfolgenden Zahnlücke der beiden Rotoren, so dass eine stetige Förderung erfolgt.

55.5.3

Zellenverdichter, Rotationsverdichter

Der Zellenverdichter stellt einen Einwellenverdichter dar, bei dem ein geschlitzter Rotor mit 12 bis 16 Schlitzen exzentrisch gelagert ist. Die beweglichen Schieber in den Schlitzen werden bei Rotation durch die Fliehkraft an das Gehäuse gedrückt, so dass der sichelförmige Arbeitsraum in Teilräume geteilt wird (. Abb. 55.9). Bei der Vergrößerung der sichelförmigen Arbeitsräume wird die Luft angesaugt und bei Raumverkleinerung verdichtet. Zellenverdichter werden sowohl für den Druckbereich als auch im Grobvakuumbereich z. B. in Melkanlagen eingesetzt, da diese Verdichter bei der richtigen Schieberauswahl aus Kunststoff (Polytetraflouretylen oder Polycarbonat) auch schmierungsfrei betrieben werden können, was beim Einsatz im Lebensmittelbereich vorausgesetzt werden muss.

. Abb. 55.9 Zellenverdichter für kleine und mittlere Druckverhältnisse

55

1060

Kapitel 55  Verdichter

. Abb. 55.10 Seitenkanalverdichter der Firma skv-tec GmbH [5]

55.5.4

Seitenkanalverdichter

Getriebeverdichter (. Abb. 55.13 und 55.14) mit unterschiedlicher Drehzahl für jede Stufe bis zu 10 Stufen. Turboverdichter können nach dem Druckverhältnis eingeteilt werden: Ventilatoren in axialer und radialer Bauart bis p

D D D 1;35, Axialverdichter als NiederdruckverdichpS 3 3 ter für Volumenströme bis VP D 600:000 mh D 166;67 ms , radiale Mitteldruckverdichter bis D 12, radiale Hochdruckverdichter bis D 70 und Drücke bis pD D 6;5 MPa und Getriebeverdichter mit D 35 bis 70 bei 10 Stufen. Bei allen Bauarten erfolgt die Arbeitsübertragung im radialen oder axialen Laufrad durch Strömungsvorgänge an das Gas, ebenso wie bei Kreiselpumpen, entsprechend der Eulergleichung für Turbomaschinen:

55 Seitenkanalverdichter (. Abb. 55.10), auch als Seitenkanalgebläse bezeichnet, fördern das Gas mit einem Laufrad mit 22 bis 24 Schaufeln in einem peripher angeordneten Seitenkanal. Damit wird eine Druckerhöhung bis zum Druckverhältnis von pD =pS D 1;2 bis 2,0 erreicht. Am Übergang von der Druckseite zur Saugseite wird der Seitenkanal durch einen Unterbrecher abgesperrt. Seitenkanalverdichter werden für Volumenströme von VP D 20 m3 =h bis 900 m3 =h bei Drehzahlen von n D 1450 min1 bis 16.000 min1 gebaut. Zur Senkung der Schallemission werden sie mit je einem saug- und druckseitigen Schalldämpfer ausgerüstet.

55.6

Y D

  r1 P D .u2 cu2  u1 cu1 / D u2 cu2  cu1 (55.2) m P r2

Die Energiegleichung kann aus dem Drehmomentsatz abgeleitet werden und sie stellt den Drallunterschied am

Turboverdichter, Kreiselverdichter

Bauarten von Turboverdichtern sind nach der Laufradausführung Radial- (. Abb. 55.11) und Axialverdichter (. Abb. 55.12), ein- und mehrstufig, entsprechend der Zahl der Laufräder, Einwellen- oder Mehrwellenverdichter als . Abb. 55.12 Sechsstufiger Axialverdichter [7]

. Abb. 55.11 Fünfstufiger Radialverdichter [7]

. Abb. 55.13 Einwellenverdichter

1061 55.6  Turboverdichter, Kreiselverdichter

Daraus kann auch die spezifische Nutzarbeit für einen Turboverdichter mit Axialrädern für r2 D r1 ; u1 D u2 ; cm1 D cm2 und cu D cu3  cu0 ermittelt werden. Die Turbinenhauptgleichung kann mit Hilfe der Lieferzahl ' D cm =u2 und der Energieübertragungszahl D 2Y=u22 auch in der dimensionslosen Form als D f .'; cm ; r/ und mit dem Strömungswinkel ˛ am Austritt und am Eintritt angegeben werden.   r3 cos ˛3 r0 cm0 cot ˛0 D 2 ( cm3 =cm2   (55.4) r2 r3 cm3

Nützlich für die Einordnung der dimensionslosen Kennzahlen von Strömungsmaschinen, der Energieübertragungszahl , der Lieferzahl ', der Schnelllaufzahl D ' 0;5 = 0;75 und der Durchmesserzahl ı D 0;25 =' 0;5 , die eine Aussage über die Maschinengröße enthält, ist das Cordierdiagramm für Strömungsmaschinen (. Abb. 55.16), in dem die Laufradformen für a) Turbinen und b) für Kompressoren und Pumpen dargestellt sind. Dieses Diagramm wurde von Cordier 1953 entwickelt. Turboverdichter erreichen Saugvolumenströme von VP D 2000 m3 =h bis 600.000 m3 =h bei Laufraddurchmessern von Radialverdichtern bis 2300 mm. Die Drehzahlen betragen n D 1450 min1 für Ventilatoren bis 90.000 min1 bei Turbomolekularpumpen für den Vakuumbereich. In den . Abb. 55.17 und 55.18 ist ein radiales und ein axiales Laufrad mit dem Schaufelprofil und den Geschwindigkeitsdreiecken der Ein- und Austrittsströmung gegenübergestellt. Turboverdichter werden eingesetzt zur Luft- und Gasverdichtung z. B. als Chlorgas-, Stickstoffund Sauerstoffverdichter, als Axialverdichter zur Luftzerlegung oder als Kältemittelverdichter. Die Verdichtung erfolgt polytrop mit Polytropenexponenten von n D 1;28 bis 1,40. Bei der Vorauslegung kann die Verdichtung mitunter durch eine isentrope oder adiabate Verdichtung angenähert werden. Das verdichtete Gas wird bei mehrstufiger Verdichtung zwischengekühlt und am Ende der Verdichtung durch einen Nachkühler geführt. Die Kühlung erfolgt mit Wasser in Röhren- oder Plattenkühlern. Durch die Zwischenkühlung des Gases wird die Verdichtung an die isentrope oder isotherme Verdichtung angenähert und Antriebsleistung eingespart. Die erforderlichen Kühlwasserströme betragen bei der Luftverdichtung von pS D 100 kPa auf p0 D 600 kPa für:

Anschaulich geordnet wird die dimensionslose Eulergleichung in dem Diagramm D f .'; ='; ˇ3 / für vorwärts und rückwärts gekrümmte Schaufeln (. Abb. 55.15) [7].

Turboverdichter 10 m3 Kühlwasser für 1000 m3 Luft Hubkolbenverdichter ca. 3 m3 Kühlwasser für 1000 m3 Luft

. Abb. 55.14 Mehrwellenverdichter, sechstufiger Getriebeverdichter

Laufrad zwischen Aus- und Eintritt dar. Die übertragene Leistung beträgt: P D !M D mY P Dm P .u2 cu2  u1 cu1 /   r1 P Dm P u2 cu1  cu1 r2

. Abb. 55.15 Darstellung der dimensionslosen Eulergleichung für vorwärts und rückwärts gekrümmte Schaufeln

(55.3)

ψ

φ

55

1062

Kapitel 55  Verdichter

σ φ

. Abb. 55.17 Zirkularprojektion eines radialen Laufrades mit Geschwindigkeitsdreiecken

a

55 b

δ . Abb. 55.16 Cordierdiagramm für Strömungsmaschinen, a beschleunigte Strömung (Turbinen), b verzögerte Strömung (Pumpen, Kompressoren)

Die Einsparung an spezifischer Nutzarbeit durch eine zweimalige Zwischenkühlung des Gases ist im h-s-Diagramm in . Abb. 55.19 dargestellt. Durch die Zwischenkühlung des Gases wird das Gas bei nahezu konstantem Druck vor der weitern Verdichtung auf ein geringeres Enthalpieniveau geführt und damit die erforderliche Verdichterarbeit verringert. Durch eine große Zahl von Zwischenkühlern könnte die Verdichtung auch an eine isotherme Verdichtung angenähert werden. Die Kühlung erfolgt meist nach zwei Stufen in außen angeordneten Zwischenkühlern. Das ist besonders einfach bei Getriebeverdichtern bei denen die Stufen ohnehin durch Rohrleitungen verbunden sind. Häufig werden die Zwischenkühler in das Verdichtergehäuse integriert. Infolge des geringen Stufendruckverhältnisses von Turboverdichtern von St D 1;2 bis 1,4 benötigt der Turboverdichter bei einem Gesamtdruckverhältnis von D 6 eine weit größere Stufenzahl i als der Hubkolbenverdichter bei gleichen Gesamtdruckverhältnis. Das Stufendruckverhältnis ergibt sich aus:

St D

p i pD =pS

. Abb. 55.18 Axialmaschine mit dem abgewickelten ebenen Schaufelgitter mit Geschwindigkeitsdreiecken a schematische Darstellung einer Axialmaschine b abgewickeltes ebenes Schaufelgitter mit Geschwindigkeitsdreiecken

(55.5)

In . Abb. 55.20 sind die erforderlichen Verdichterstufen i in Abhängigkeit des Gesamtdruckverhältnisses pD =pS für einen Radialverdichter mit dem Stufenverhältnis von St D 1;25, und für einen Hubkolbenverdichter mit

St D 2;0 und St D 2;5 dargestellt.

. Abb. 55.19 Zustandsverläufe in einem sechsstufigen Radialverdichter

1063 55.6  Turboverdichter, Kreiselverdichter

p p

p p . Abb. 55.20 Erforderliche Stufenzahl i für Turboverdichter und Hubkolbenverdichter in Abhängigkeit des Gesamtdruckverhältnisses pD =pS

Dieses Bild zeigt, dass der Hubkolbenverdichter auch weiterhin seine Existenzberechtigung behalten wird auch wenn die Turboverdichter in den letzten Jahrzehnten in höhere Druckbereiche vorgedrungen sind. Die ausgeführten radialen Laufräder mit der variablen Laufradbreite infolge der ansteigenden Gasdichte und den Radialdiffusoren sind in dem abgedeckten fünfstufigen Radialverdichter in . Abb. 55.11 erkennbar. Die Schaufelteilung des sechsstufigen Axialverdichters zeigt die . Abb. 55.12.

55.6.1

V V . Abb. 55.22 Kennfeld eines Axialverdichters mit Vordrallregelung

p

p

Kennlinien von Turboverdichtern

Die Kennlinien von Turboverdichtern sind durch den ansteigenden Druck bei sinkendem Volumen- oder Massestrom mit einem Optimalbereich für den Wirkungsgrad und die Pumpgrenze gekennzeichnet. In . Abb. 55.21 ist die Kennlinie eines Axialverdichters der eines Hubkolbenverdichters gegenübergestellt. Die Axialverdichter werden in der Regel mit Leit- oder Laufschaufelverstellung ausgeführt, so dass sich Betriebskennfelder für die Vordrall-

Pumpgrenze

. Abb. 55.21 Kennlinien eines drehzahlvariablen Hubkolbenverdichters und Axialverdichters mit Drehzahlregelung [9]

VV . Abb. 55.23 Kennfeld eines Axialverdichters mit Drehzahlregelung

(. Abb. 55.22) oder Drehzahlregelung (. Abb. 55.23) einstellen, mit dem größere Betriebsbereiche und höhere Wirkungsgrade erreicht werden können. In . Abb. 55.24 ist das Kennfeld eines mehrstufigen Axialverdichters mit Drehzahlverstellung und mit der Pumpgrenze und der Abblasgrenze angegeben.

p

. Abb. 55.24 Betriebskennfeld eines Axialverdichters mit der Pumpund der Abblasgrenze

55

1064

Kapitel 55  Verdichter

55.6.2

Regelung von Turboverdichtern

Druckluftmotoren, Druckluftwerkzeuge, Farbspritzanlagen erfordern meist einen konstanten Druck aber oft einen veränderlichen Volumenstrom, dem die Verdichter durch unterschiedliche Regelverfahren angepasst werden sollen. Das am häufigsten angewandte Regelverfahren ist die Drehzahlregelung. Da sich bei Turboverdichtern beim Unterschreiten eines Mindestvolumenstromes Rotating stall einstellt, der zum Pumpen führt, werden alle Turboverdichter mit einer Pumpgrenzregelung ausgestattet. 55.6.2.1

55

Pumpgrenzregelung

Die Pumpgrenzregelung bei Turboverdichtern soll verhindern, dass ein Mindestvolumenstrom unterschritten wird. Der Mindestvolumenstrom stellt jenen druckabhängigen Sollwert der Pumpgrenzregelung dar, der die Regellinie für die Pumpverhütung ergibt. Diese Regellinie verläuft im Kennfeld der Turboverdichter ca. 10 % rechts von der Pumpgrenze. Das ist die Abblasgrenzlinie in . Abb. 55.24. Beim Überschreiten dieser Regelkennlinie wird durch Öffnen eines Abblaseventils bei Luftkompressoren oder eines Umblaseventils bei Gasen der Volumenstrom wieder erhöht, so dass der Betriebspunkt zu größerem Volumenstrom verschoben wird. Für längeren Umblasbetrieb wird ein Umblaskühler benötigt, da sonst das angesaugte Gas zu stark aufgeheizt würde und die Gasdichte abnimmt. Dadurch würde das Pumpen des Verdichters begünstigt. Axialverdichter reagieren besonders empfindlich auf Pumpstöße. Sie werden deshalb durch Mess- und weitere Regeleinrichtungen vor diesem Betriebszustand geschützt. Bei Fehlanpassung des Verdichters an die Betriebsbedingung tritt ein Rotating stall auf, wobei einzelne Laufradschaufeln einen Strömungsabriss erfahren. Dabei rotiert der Strömungsabriss im Laufrad entgegen der Rotordrehrichtung. Die Strömung reißt nicht auf jeder Schaufel ab. 55.6.2.2

Drehzahlregelung

Bei veränderlichem Volumenstrom auf der Anlagenkennlinie kann der Druck durch eine Drehzahländerung (neue Betriebskennlinie) konstant gehalten werden. Zu beachten ist aber, dass mit zunehmendem Volumenstrom die Strömungsgeschwindigkeit des Fördergases ansteigt und der Druckverlust im Druckstutzen und in der Druckleitung mit dem Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit zunimmt. Der Verdichter muss aber mit zunehmendem Volumenstrom entsprechend der Anlagenkennlinie einen höheren Druck erzeugen, was bei der Drehzahlregelung gelingt (. Abb. 55.23). Die Drehzahlregelung erfordert Antriebsmaschinen mit variabler Drehzahl, wie z. B. Gleichstrommotoren, Asynchronmotoren mit Frequenzumrichter oder Dampf- oder Gasturbinen. Drehzahlregelung ist einfach und sehr wirtschaftlich.

. Abb. 55.25 Verstellbare Vorleitschaufeln (Drallregler) eines Axialverdichters [8]

55.6.2.3

Vordrallregelung

Ist der Axialverdichter mit einem verstellbaren Vorleitrad (Dralldrossel) ausgerüstet, so kann der Volumenstrom durch die Winkelverstellung des Vorleitrades erfolgen (. Abb. 55.22 und 55.25). Durch eine Winkelverstellung des Vorleitrades von ˛ D 6ı bis 1ı kann der Volumenstrom VP =VP D 0;55 bis 1,15 bei hohem Wirkungsgrad verändert werden. Die Vordrallregelung ist sehr wirtschaftlich. 55.6.2.4

Ab- bzw. Umblasregelung

Die Ab- bzw. Umblasregelung wird meist mit der Pumpgrenzregelung gekoppelt, um den Verdichter vor Pumpstößen zu schützen. Ab- und Umströmen verringert den Wirkungsgrad des Verdichters stark, weil ein Teilstrom des Gases über ein druckgesteuertes Ventil nutzlos in den Saugstutzen oder in die Atmosphäre gefördert wird. Deshalb wird dieses Regelverfahren nicht zur Leistungsregelung eingesetzt, sondern es dient dem Schutz des Verdichters. Falls ein Verdichter bei normalen Anlagenbedingungen mit teilgeöffnetem Pumpenschutzventilen betrieben werden kann, ist der Verdichter nicht richtig an die Anlage angepasst. 55.6.2.5

Aussetzerbetrieb oder Leerlaufregelung

Verfügt der Verdichter über keine der o. g. Regeleinrichtungen, so kann er bei steigendem Druck in der Anlage selbsttätig abgeschaltet und bei abgesunkenem Druck wieder zugeschaltet werden. Dabei sind kleine aber auch größere Druckschwankungen unvermeidbar. Die Größe und Zeitdauer der Druckschwankungen ist von der Speicherfähigkeit des Druckgasnetzes und der Größe der Abnahmeveränderung abhängig. Die Druckschwankungen sind umso geringer, je flacher die Verdichterkennlinie verläuft. Die Leerlaufregelung wird oft bei Turboverdichtern angewandt, die dicht an der Pumpgrenze arbeiten müssen (. Abb. 55.24).

1065 Literaturhinweise, Informationsquellen

Literaturhinweise, Informationsquellen 1. Eifler, W., Schlücker, E., Spicher, U., Gotthard, W.: Küttner Kolbenmaschinen, 7. Aufl., S. 150ff. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2009) 2. Küttner, K.-H.: Kolbenmaschinen. B. G. Teubner, Stuttgart (1993) 3. Frenkel, M. I.: Kolbenverdichter; Verlag Technik, Berlin (1969) 4. Rainer, P. M.: Strategie der Maschinentechnik zur Vorbereitung und Durchführung eines T&I der Total Raffinerie Mitteldeutschland GmbH. Tagungsband: 9. Tagung „Technische Diganostik 2010“. Selbstverlag An-Institut Fluid- und Pumpentechnik, Merseburg (2010). ISBN: 978-39811266-8-6 5. skv-tec GmbH: Produktverzeichnis Seitenkanalverdichter, Igensdorf (2014) 6. MAN TURBO AG: Leading Technology – Erfahrung und Innovation, Prospekt. TURBO 940 d 0208 2,0 ba (2008) 7. Surek, D.: Kompendium Kreiselpumpen. Bookboon (2013) 8. MAN GHH.: Prospekt Axialkompressoren. M472d 01914 br 9. Surek, D.: Fachwissen des Ingenieurs – Kraft- und Arbeitsmaschinen – Kältemaschinen, Kapitel Pumpen und Verdichter. Fachbuchverlag, Leipzig (1975)

55

1067

Verbrennungsmotoren Klaus Schreiner

56.1 56.1.1

Überblick über Verbrennungsmotoren Der Verbrennungsmotor als Energieumwandlungsmaschine

Verbrennungsmotoren sind Energieumwandlungsmaschinen. Sie wandeln die chemische Energie, die in Kraft- oder Brennstoffen enthalten ist, in mechanische Energie um. Aus thermodynamischen Gründen kann die im Kraftstoff enthaltene Energie (Heizwert) nicht vollständig in mechanische Energie umgewandelt werden. Deswegen haben Verbrennungsmotoren genauso wie beispielsweise Kraftwerke immer einen Wirkungsgrad, der deutlich kleiner als 100 % ist. Das bedeutet, dass ein Teil der im Kraftstoff enthaltenen Energie in Form von Abwärme und Abgasenergie an die Umgebung abgegeben werden muss (vergleiche . Abb. 56.1). Selbst wenn man Verbrennungsmotoren verlustfrei, also ohne Reibungsverluste, ohne Ladungswechselverluste und mit einer idealen Verbrennung bauen könnte, hätten sie trotzdem einen sogenannten thermischen Wirkungsgrad

Kraftstoff Abwärme

Luft

Verbrennungsmotor

Abgas

. Tabelle 56.1 Effektive Wirkungsgrade von Motoren: Die großen Zahlenwerte sind im Bestpunkt des Motors zu erreichen. Im Leerlauf des Motors ist der effektive Wirkungsgrad gleich Null Motor

Wirkungsgrad in %

Thermodynamisch idealer Motor

60–70

Großer Schiffsdieselmotor

0–52

Lkw-Motor

0–45

Pkw-Diesel-Motor

0–42

Pkw-Otto-Motor

0–37

von nur 60 bis 70 % (vergleiche . Tab. 56.1). Mithilfe der sogenannten Vergleichsprozesse kann man diese Zahl berechnen. Die drei wichtigsten dieser Prozesse heißen Gleichraumprozess, Gleichdruckprozess und Seiligerprozess [32]. Diese haben mit realen Motoren aber wenig zu tun. Letztlich sind es idealisierte Prozesse, die man mit den Methoden der Thermodynamik herleiten und mit einem Taschenrechner einfach berechnen kann. Reale Motoren simuliert man mit aufwendigen Tools, um den effektiven Wirkungsgrad zu berechnen. Dieser berücksichtigt alle Verluste im Innern des Motors und bezieht die an der Kupplung verfügbare Leistung auf die im Kraftstoff enthaltene Heizleistung. Kritiker der Verbrennungsmotoren argumentieren gerne damit, dass Elektromotoren deutlich höhere Wirkungsgrade erreichen. Man muss dabei aber berücksichtigen, dass die Bereitstellung von elektrischer Energie häufig auch nur Wirkungsgrade in der Größenordnung von 50 % aufweist.

56.1.2

Rotation der Kurbelwelle effektiver Wirkungsgrad =

Nutzen mechanische Arbeit an der Kurbelwelle = Aufwand im Kraftstoff enthaltene Energie

. Abb. 56.1 Der Verbrennungsmotor ist eine Energieumwandlungsmaschine, die einen Teil der im Kraftstoff enthaltenen Energie in Rotationsenergie umwandelt. Der Rest der Energie befindet sich in der Abwärme und im Abgas

56.1.2.1

Kraftstoff benötigt Luft Stöchiometrie der Kraftstoffverbrennung

Für die chemische Reaktion der Verbrennung wird Sauerstoff benötigt. Diesen entnimmt man der Luft, die Sauerstoff mit einem Massenanteil von ca. 23 % enthält. Die Stöchiometrie der chemischen Reaktion legt fest, wie viel Sauerstoff man zur Verbrennung des Kraftstoffes benötigt. Für die heute üblichen Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel liegt die stöchiometrische Luftmenge (Mindestluft-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_56

56

1068

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.2 Das zur Verbrennung von Kraftstoff benötigte Luftvolumen ist etwa 10.000-mal größer als das Kraftstoffvolumen (45 m3 sind 45.000 Liter)

56

menge) bei einem Zahlenwert von etwa 14,6 (vergleiche 7 Abschn. 56.2.1.1). Das bedeutet, dass zur Verbrennung von 1 kg Kraftstoff mindestens 14,6 kg Luft benötigt werden. Mithilfe der Dichte kann man diese Massen in Volumina umrechnen. Daraus ergibt sich, dass man zur Verbrennung von 1 dm3 Kraftstoff etwa 10 m3 Luft benötigt. Das Luftvolumen ist also etwa 10.000-mal größer als das Kraftstoffvolumen (vergleiche . Abb. 56.2). Man kann sich gut vorstellen, dass damit das Hauptproblem der Motorentechnik nicht darin liegt, den Kraftstoff in den Zylinder zu bekommen, sondern die Luft. Wenn man die Leistung eines Verbrennungsmotors steigern möchte, indem man mehr Kraftstoff verbrennt, dann muss man entsprechend auch mehr Luft in die Zylinder des Motors bringen. Und das ist eines der großen Probleme der Verbrennungsmotoren. 56.1.2.2

Verschiedene Kraftstoffe

Die heutigen Verbrennungsmotoren verwenden als Kraftstoff meistens Benzin oder Diesel. Benzin ist ein Kraftstoff, der sich (im regulären Motorbetrieb) nicht von alleine entzündet. Deswegen kann man ihn vor dem Zylinder des Verbrennungsmotors (vergleiche 7 Abschn. 56.1.7.1) sehr frühzeitig mit der Luft mischen, was zu einem gleichmäßigen, homogenen Gemisch führt. Das Gemisch wird im Zylinder mit einem Zündfunken (vergleiche 7 Abschn. 56.1.7.1) entflammt und verbrennt relativ leise und schadstoffarm. Solche Motoren nennt man nach dem Erfinder des Prinzips auch Ottomotoren. Dieselkraftstoff ist ein Kraftstoff, der sich in heißer Luft von alleine entzündet. Deswegen darf man ihn erst dann mit der Luft mischen, wenn die Verbrennung beginnen soll (Dieseldirekteinspritzung, vergleiche 7 Abschn. 56.1.7.2). Somit ist die Zeit für die Gemischbildung sehr kurz (vergleiche . Abb. 56.10), was zu einem inhomogenen Gemisch führt. Der Vorteil des Prinzips ist, dass die Verbrennung gleichzeitig an vielen Stellen im Brennraum von alleine beginnt. Das ist zwar laut, aber sehr effizient. Der Nachteil des Dieselmotors ist, dass durch das inhomogene Gemisch sehr viel schädlicher Ruß entstehen kann. Hinzu kommt, dass die Schadstoffe im Dieselabgas (speziell die Stickoxide) nicht

so einfach wie beim Ottomotor (3-Wege-Katalysator, vergleiche 7 Abschn. 56.7) gereinigt werden können. Benzin ist also ein Kraftstoff, der nicht von alleine anfangen darf zu brennen. Wenn er das tut, dann ist die Verbrennung sehr heftig (Klopfen) und schädlich für den Motor. Diesel ist ein Kraftstoff, der chemisch so zusammengesetzt ist, dass er bei entsprechender Temperatur von alleine anfängt zu brennen. Diese Verbrennung ist zwar heftig, aber nicht so heftig wie die Selbstzündung von Benzin. Damit Diesel von alleine anfängt zu brennen, muss man die Luft stark erhitzen. Das geschieht durch das hohe Verdichtungsverhältnis (vergleiche 7 Abschn. 56.1.3.3), das bei heutigen Dieselmotoren in der Größenordnung von 16 liegt. Damit Benzin nicht von alleine anfängt zu brennen, darf man die Luft nicht zu stark erhitzen. Deswegen haben Ottomotoren heute Verdichtungsverhältnisse von maximal etwa 13. Gerade im mobilen Einsatz ist es wichtig, dass die Energie platzsparend und bei geringem Gewicht gespeichert wird. . Abb. 56.3 zeigt, wie viel Energie man in einem Volumen von 1 m3 und bei einem Gewicht von 1 kg speichern kann. Die spezifisch leichteste Energie findet man im Diagramm ganz rechts. Die spezifisch kleinvolumigste Energie findet man ganz oben. Wenn man von der Kernenergie absieht, dann sind flüssige Kraftstoffe wie Benzin und Diesel die leichtesten und platzsparendsten Kraftstoffe, die es gibt. Sie befinden sich in . Abb. 56.3 dort, wo das Erdöl eingetragen ist. Die heutigen modernen Lithium-Akkus sind etwa 25-mal schwerer als Benzin und Diesel und sie benötigen etwa 10-mal so viel Platz. (Man beachte die doppel-logarithmische Skalierung der Koordinatenachsen im Diagramm.) Die im Bild genannte „Ultimative Batterie“ ist das Ziel der Batterientechnologie, das aber noch lange nicht erreicht ist. Das Problem von Gasen als Kraftstoffen ist ihr großer Volumenbedarf. Nur wenn man Gase unter einem sehr hohen Druck oder bei sehr niedrigen Temperaturen speichert, sind sie für den mobilen Einsatz praktikabel. Allerdings sind derartige Tanksysteme teuer und schwer. Gase (insbesondere Methan) haben aber den Vorteil, dass ihr Kohlenstoff-Wasserstoff-Verhältnis günstiger ist als bei Benzin oder Diesel. Deswegen produzieren sie weniger Kohlendioxid als diese flüssigen Kraftstoffe (vergleiche 7 Abschn. 56.8).

56.1.3

Prinzip des Hubkolbenmotors

Die Energieumwandlung erfolgt heute meistens in 4-TaktHubkolbenmotoren. Das bedeutet, dass ein Kolben in einem Zylinder oszilliert und nacheinander vier verschiedene Takte durchläuft. Die Linearbewegung des Kolbens wird über einen Kurbeltrieb in die Rotation der Kurbelwelle übertragen (vergleiche . Abb. 56.4). Die Kurbelwelle selbst gibt die Rotationsenergie über die Kupplung zum Antriebsstrang weiter. Das gesamte variable Volumen, das

1069 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.3 Volumenbedarf und Gewicht von alternativen Energieträgern: Rechts sind die leichtesten und oben die platzsparendsten Energieträger zu finden [37]

der Kolben während seiner Längsbewegung durchläuft, heißt Hubvolumen des Zylinders. Bei einem Mehrzylindermotor ergibt sich das Motorhubvolumen als Summe der einzelnen Zylinderhubvolumina. 56.1.3.1

. Abb. 56.4 Der Kurbeltrieb eines Hubkolbenverbrennungsmotors zeigt den Zusammenhang zwischen dem Kolbenweg s und dem Kurbelwinkel ' [32]

4-Takt-Verfahren

Die Verbrennung des Kraftstoffes mit dem Sauerstoff der Luft führt zu einem großen Druckanstieg, der wiederum zu einer Volumenausdehnung führt. Diese drückt den Kolben im Zylinder nach unten. Man nennt diesen Vorgang auch den Verbrennungs- oder Expansionstakt. In der Nähe der tiefsten Position des Kolbens im Zylinder (unterer Totpunkt UT) öffnen die Auslassventile. Die Aufwärtsbewegung des Kolbens (Ausschiebetakt) schiebt das Abgas durch die Auslasskanäle in Richtung Auspuff. Wenn der Kolben in der Nähe des oberen Totpunktes ist, schließen die Auslassventile und die Einlassventile werden geöffnet. (Falls für eine gewisse Zeit die Ein- und die Auslassventile gleichzeitig geöffnet sind, nennt man das eine Ventilüberschneidung.) Der sich nach unten bewegende Kolben erzeugt im Zylinder einen Unterdruck, der dann zum Ansaugen der Frischladung führt (Ansaugtakt). Mit dem Begriff „Ladung“ benennt man das angesaugte Volumen. Dieses enthält immer Luft, manchmal (bei der Saugrohreinspritzung) ist es auch ein Kraftstoff-Luft-Gemisch. Nach dem Ansaugtakt bewegt sich der Kolben wieder in Richtung oberer Totpunkt (OT). In dieser Phase sind die Einlassventile geschlossen und die angesaugte Ladung wird auf einen hohen Druck verdichtet (Kompressionstakt). Gleichzeitig steigt dabei die Temperatur der Ladung. Das begünstigt die

56

1070

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.5 Das 4-TaktVerfahren benötigt zwei Motorumdrehungen für die vier Teilprozesse

Starke Druckerhöhung durch die Verbrennung

60 50 40 30

Druckerhöhung durch die Kompression

Druckabsenkung durch die Expansion

20 10 0 -180

-90

0

90

180

270

360

450

540

Kurbelwinkel in grad Luft komprimieren

Druck im Zylinder in bar

56

70

Druck im Zylinder in bar

. Abb. 56.6 Der Druck im Zylinder ändert sich während eines Arbeitsspiels auf eine charakteristische Weise in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel

Verbr. u. Expansion

Abgas ausschieben

Luft ansaugen

5 Starke Druckabsenkung, um Frischladung ansaugen zu können

4 3 2

Druckabsenkung beim Ausströmen der Abgase

1 0 -180

-90

0

90

180

270

360

450

540

Kurbelwinkel in grad

darauf folgende Verbrennung im Verbrennungstakt. Alle vier Takte gemeinsam werden Arbeitsspiel genannt (vergleiche . Abb. 56.5). Während dieser vier Takte ändert sich der Druck im Zylinder sehr. Man stellt diese Druckänderung häufig in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel (. Abb. 56.6) oder in Abhängigkeit vom Zylindervolumen (. Abb. 56.7) dar. Bezüglich Gemischbildung und Verbrennung unterscheiden sich Otto- und Dieselmotoren sehr. . Abb. 56.8 zeigt die vier Takte und zusätzlich die Kraftstoffeinspritzung und die Verbrennung, Man erkennt, dass die Verbrennung durch einen Zündfunken unmittelbar vorher ausgelöst wird. In der kurzen Zeitspanne zwischen Zündzeitpunkt und Verbrennungsbeginn (Zündverzug) werden die chemischen Reaktionen vorbereitet, die dann zur Verbrennung führen. Die Einspritzung des Kraftstoffes in das Saugrohr erfolgt häufig in der Phase, in der die Einlassventile geschlossen sind. Manchmal, insbesondere bei hoher Last und kleiner Drehzahl (vergleiche . Abb. 56.9) wird auch in der Einlassphase eingespritzt, damit der Kraftstoff flüssig

in den Zylinder gelangt und dort durch die Verdampfung abkühlend und klopfverhindernd wirkt. Bei hoher Drehzahl und hoher Last benötigt man nahezu das gesamte Arbeitsspiel, um die große benötigte Kraftstoffmasse in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit einspritzen zu können. Beim direkteinspritzenden Ottomotor darf die Einspritzung in den Zylinder erst beginnen, wenn die Auslassventile geschlossen sind. Sonst bestünde die Gefahr, dass unverbrannter Kraftstoff in das Abgassystem gelangt und den Katalysator schädigt. Weil weniger Zeit für die Einspritzung zur Verfügung steht als beim Saugrohr-Einspritzer, müssen die Einspritzdrücke höher sein. Zuweilen wird der Kraftstoff in mehreren Portionen in den Brennraum eingespritzt, um die Verbrennung günstig zu beeinflussen. Der Dieselmotor ist ein Selbstzünder. Deswegen darf der Kraftstoff erst dann in den Zylinder gelangen, wenn er wirklich auch brennen soll (. Abb. 56.10). Beim direkteinspritzenden Dieselmotor erfolgt die Einspritzung am Ende der Kompressionsphase und dauert häufig noch an, wenn die Verbrennung schon begonnen hat.

56

1071 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.7 Der Druck im Zylinder ändert sich während eines Arbeitsspiels auf eine charakteristische Weise in Abhängigkeit vom aktuellen Zylindervolumen

Druck im Zylinder in bar

70 60

Starke Druckerhöhung durch die Verbrennung

50 40 30 20

Druckabsenkung durch die Expansion

10

0 0 Druckerhöhung durch die Kompression

0,4 0,6 0,8 relatives Volumen im Zylinder

4

1

1,2

1

1,2

Druckabsenkung beim Ausströmen der Abgase

Starke Druckabsenkung, um Frischladung ansaugen zu können

5 Druck im Zylinder in bar

0,2

3 2 1 0 0

0,2

0,4 0,6 0,8 relatives Volumen im Zylinder

Arbeitsspiel Gemisch ansaugen

Gemisch komprimieren

Verbr. u. Expansion

Abgas ausschieben

Saugrohr-Einspritzung

Saugrohr-Einspritzung Verbrennung Zündung

Kurbelwinkel, Zeit

. Abb. 56.8 Der 4-Takt-Ottomotor mit Saugrohreinspritzung kann während fast des ganzen Arbeitsspiels einspritzen. Kurz vor dem oberen Totpunkt löst ein Zündfunke die Verbrennung aus Arbeitsspiel Luft ansaugen

Gemisch komprimieren

Verbr. u. Expansion

Abgas ausschieben

Direkt-Einspritzung Verbrennung Zündung Kurbelwinkel, Zeit

. Abb. 56.9 Der 4-Takt-Ottomotor mit Direkteinspritzung spritzt während des Ansaugtakts und eventuell auch noch während der Kompression ein. Kurz vor dem oberen Totpunkt löst ein Zündfunke die Verbrennung aus Arbeitsspiel Luft ansaugen

Luft komprimieren

Verbr. u. Expansion

Abgas ausschieben

Einspritzung Verbrennung Kurbelwinkel, Zeit

. Abb. 56.10 Der 4-Takt-Dieselmotor mit Direkteinspritzung spritzt nur relativ kurz ein. Die durch Selbstzündung ausgelöste Verbrennung beginnt unmittelbar nach dem Einspritzbeginn

1072

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.11 Definition des Verdichtungsverhältnisses als Verhältnis von Maximalvolumen zu Minimalvolumen

56

56.1.3.2

2-Takt-Verfahren

Man kann erkennen, dass sich beim 4-Takt-Motor die Kurbelwelle während eines Arbeitsspiels zweimal dreht. Der 4-Takt-Prozess „gönnt sich“ gewissermaßen eine komplette Umdrehung, um die Abgase auszuschieben und die Frischladung anzusaugen. Dieses Prinzip führt zu einem fast vollständigen Ausschieben der Abgase und ermöglicht somit die Füllung des Zylinders mit möglichst viel frischer Ladungsmasse. Beim 2-Takt-Motor erfolgt der Ladungswechsel am Ende der Expansionsphase in kürzester Zeit in der Nähe des unteren Totpunktes, indem Einlass- und Auslassschlitze gleichzeitig geöffnet werden. Man kann sich gut vorstellen, dass bei einem derart schnellen Ladungswechsel der Zylinder nicht vollständig von den Abgasen befreit wird. Gleichzeitig kann es zum Durchspülen kommen: Ein Teil der angesaugten Frischladung geht direkt in den Abgastrakt (Spülverluste). Dies ist besonders auch deswegen negativ, weil die meisten 2-Takt-Motoren keinen eigenen Schmierölkreislauf haben, sondern ein KraftstoffÖl-Gemisch tanken und auch verbrennen. Dieses Schmieröl verschlechtert die Schadstoffemissionen zusätzlich. Wegen all dieser Nachteile sind die Schadstoffemissionen von 2-Takt-Motoren viel schlechter als die von 4-Takt-Motoren. Sie können prinzipbedingt die heutigen strengen Emissionsvorschriften kaum erfüllen. Deswegen werden im Straßenverkehr die 2-Takt-Motoren immer mehr durch 4-TaktMotoren ersetzt. Prinzipbedingt könnten 2-Takt-Motoren aber eine höhere spezifische Leistung als 4-Takt-Motoren haben, weil sie jede Motorumdrehung einen Verbrennungsvorgang haben, während der 4-Takt-Motor nur jede zweite Umdrehung arbeitet. Bei großen Schiffsmotoren, die mit Motordrehzahlen von maximal 100/min betrieben werden, sind die 2-Takt-

Motoren aber immer noch im Einsatz. Die kleinen Drehzahlen geben dem Ladungswechsel relativ viel Zeit, sodass die Abgase nahezu vollständig aus dem Zylinder entfernt werden können. Hinzu kommt, dass bei diesen Motoren ein Auslassventil im Zylinderkopf verwendet wird. Die angesaugte Frischladung strömt von unten in den Zylinder ein und schiebt gewissermaßen die Abgase vor sich her nach oben zum Auslassventil. Diese sogenannten „Langsamläufer“ sind mit effektiven Wirkungsgraden von deutlich über 50 % die effizientesten Energieumwandlungsmaschinen, die es weltweit gibt. Sie werden in Tank- und in Containerschiffen eingesetzt. 56.1.3.3

Verdichtungsverhältnis

Das Verdichtungsverhältnis " beschreibt, um welchen Faktor das angesaugte Ladungsvolumen bei der Aufwärtsbewegung des Kolbens vom UT zum OT verkleinert wird (vergleiche . Abb. 56.11). Je mehr das Volumen verkleinert wird, umso stärker steigen der Druck und die Temperatur der Ladung an. Typische Zahlenwerte für das Verdichtungsverhältnis sind in 7 Abschn. 56.1.2.2 zu finden. 56.1.3.4

Nachteil des Hubkolbenprinzips durch den bewegten Kolben

Ein großes Problem des Hubkolbenprinzips ist der oszillierende Kolben. Bei seiner Auf- und Abbewegung wird der Kolben ständig beschleunigt und wieder abgebremst (vergleiche . Abb. 56.12). Das führt gemäß dem Newtonschen Gesetz zu extrem großen Massenkräften und sich daraus ergebenden Momenten, die sich als Schütteln und Vibrieren des Hubkolbenmotors äußern. Man unterscheidet zwischen Kräften und Momenten erster und zweiter Ordnung. Die

56

1073 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.12 Kolbenweg, Kolbengeschwindigkeit und Kolbenbeschleunigung in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel während einer Umdrehung: Beim handelsüblichen Pkw-Ottomotor liegen die Kolbenbeschleunigungen bei Maximaldrehzahl in einer Größenordnung von etwa der 2000-fachen Erdbeschleunigung

Kolbenweg / mm

100 75 50 25 0

Kolbenbeschl. / (m/s**2)

Kolbengeschw. / (m/s)

50 25

0 -25

2000-fache Erdbeschleunigung

-50 30000

20000 10000 0 -10000 -20000 0

90

180

270

360

Kurbelwinkel / grad

Kräfte und Momente erster Ordnung wiederholen sich bei jeder Kurbelwellenumdrehung. Die der zweiten Ordnung wiederholen sich doppelt so schnell, also jede halbe Kurbelwellenumdrehung. Um diese Kräfte und Momente zu kompensieren, benötigt man eine größere Anzahl von Zylindern, die aber nicht gleichzeitig, sondern in gewissen Zündabständen nacheinander arbeiten. So können sich die Kräfte und Momente gegenseitig ausgleichen. Die kleinste Anzahl von Zylindern, bei denen ein vollkommener Massenausgleich möglich ist, ist sechs. Beim 6-Zylinder-Reihenmotor und beim 6-Zylinder-Boxermotor kompensieren sich die Massenkräfte und -momente aller Zylinder gegenseitig. Beim 6-ZylinderV-Motor ist das nicht der Fall. Bei diesem V6-Motor und auch bei kleineren Zylinderzahlen oder auch beim V8-Motor benötigt man sogenannte Massenausgleichswellen (vergleiche . Abb. 56.13). Diese rotieren mit einfacher oder doppelter Kurbelwellendrehzahl. Sie erzeugen eine Unwucht, die (je nach Zylinderzahl) die Massenwirkungen erster oder zweiter Ordnung teilweise oder vollständig kompensieren.

Drehzahl-Ungleichförmigkeit

. Abb. 56.13 Zwei gegenläufige Massenausgleichswellen rotieren mit doppelter Motordrehzahl und kompensieren beim 4-Takt-Reihenmotor die Massenkräfte 2. Ordnung [23]

Beim 4-Takt-Verfahren gibt der Zylinder nur während eines Viertels des Arbeitsspiels Arbeit ab. In der restlichen Zeit wird Arbeit benötigt, insbesondere in der Kompressionsphase. Das bedeutet, dass ein Ein-Zylinder-Motor eine relativ hohe Drehzahlungleichförmigkeit aufweist. Während eines Arbeitsspiels wird die mittlere Drehzahl des Motors von einer Drehzahlanhebung im Verbrennungstakt und einer Drehzahlabnahme während der anderen Takte

überlagert. Je mehr Zylinder gemeinsam und nacheinander ihre Arbeit an eine gemeinsame Kurbelwelle abgeben, umso laufruhiger ist der Motor. Deswegen werden gerade bei hochwertigen Fahrzeugen gerne Motoren mit sechs, acht oder zwölf Zylindern eingesetzt. . Abb. 56.14 zeigt den sogenannten Tangentialkraftverlauf bei einem Ein-

56.1.3.5

1074

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

starke Beschleunigung der 1-Zyl.Kurbelwelle durch die Verbrennung 25

20

Mittelwert Tangentialkraft / kN

15

10

5

Mittelwert Mittelwert

0

1-Zylinder-Motor -5 4-Zylinder-Motor 12-Zylinder-Motor 180

270

360 Kurbelwinkel / °

450

540

Abbremsung der 1-Zyl.-Kurbelwelle durch die Kompression

630

720

Beschleunigung der 1-Zyl.-Kurbelwelle durch die Kolbenabbremsung

. Abb. 56.14 Tangentialkraftverlauf während eines Arbeitsspiels beim 1-Zylinder-, 4-Zylinder- und 12-Zylinder-Motor: Beim 12-Zylinder-Motor befindet sich die mittlere Tangentialkraft auf einem 12-mal höheren Niveau als beim 1-Zylinder-Motor. Gleichzeitig ist die relative Ungleichförmigkeit deutlich geringer . Abb. 56.15 Die Temperatur im Zylinder ändert sich während eines Arbeitsspiels auf eine charakteristische Weise in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel

Temperatur im Zylinder in K

56

Abbremsung der -10 1-Zyl.-Kurbelwelle 0 90 durch die Kolbenbeschleunigung

3000

Temperaturabsenkung durch die Expansion

2500

2000

Starke Temperaturerhöhung durch die Verbrennung

Starke Temperaturabsenkung durch die einströmende kalte Frischladung

1500

1000

Temperaturabsenkung beim Ausströmen der Abgase

500

0 -180

Temperatur-90 0 erhöhung durch die Kompression

zylinder-, einem Vierzylinder- und einem ZwölfzylinderMotor. Die Höhe der mittleren Tangentialkraft bestimmt das Drehmoment des Motors. Die Schwankung der Tangentialkraft um diesen mittleren Wert herum bestimmt die Drehzahlungleichförmigkeit. Wie groß der Einfluss auf die Drehzahl ist, hängt vom Massenträgheitsmoment des Motors und der angebauten Teile des Antriebsstrangs ab. Diese Drehzahlungleichförmigkeit unterscheidet den Verbrennungsmotor wesentlich von seinen Konkurrenten

90

180

270

360

450

540

Kurbelwinkel in grad

„Elektromotor“ oder „Gasturbine“. Diese geben ihr Moment kontinuierlich an den Verbraucher ab und weisen somit eine große Laufruhe auf. 56.1.3.6

Vorteil des Hubkolbenprinzips

Der bewegte Kolben ist nicht nur ein Nachteil des Hubkolbenprinzips (Massenkräfte, vergleiche 7 Abschn. 56.1.3.4). Der bewegte Kolben hat auch einen großen Vorteil. Durch ihn ist es möglich, dass im gleichen Raum, nämlich dem Zylinder, nacheinander sehr

1075 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.16 Verschiedene Zylinderanordnungen: 1: Reihenmotor, 2: V-Motor, 3: VR-Motor, 4: Boxermotor, 5: V-VR-Motor (auch W-Motor genannt), W-Motor. Am weitesten verbreitet sind Reihen- und V-Motoren [6]

heiße Prozesse (Verbrennung) und relativ kalte Prozesse (Ansaugen der Frischladung) durchgeführt werden. Die hohen Verbrennungstemperaturen in einer Größenordnung von ca. 3000 K können die Materialien nicht zerstören, weil bereits wenige Millisekunden später kalte Frischladung den Brennraum wieder kühlt (vergleiche . Abb. 56.15). Letztlich kühlt sich ein Hubkolbenmotor gewissermaßen fast von alleine. Die einfachen Verbrennungsmotoren von Kleinkrafträdern oder Rasenmähern besitzen deswegen auch nur wenige Kühlrippen, um die Abwärme an die Umgebungsluft abzuführen. Dieses einfache Prinzip der Selbstkühlung ist einer der Gründe, warum der Hubkolbenmotor bis heute nicht durch andere Energieumwandlungsmaschinen ersetzt wurde. 56.1.3.7

Konstruktive Details von Hubkolbenmotoren

Die folgenden Bilder zeigen einige konstruktive Details von Verbrennungsmotoren. . Abb. 56.16 zeigt typische Zylinderanordnungen. Reihenmotoren werden im Pkw-Bereich nur bis zu sechs Zylindern verwendet. Sie werden sonst zu lang. V-Motoren haben den Vorteil, dass ihre Baulänge relativ kurz ist. Allerdings werden sie dadurch breiter. Boxermotoren haben eine sehr geringe Bauhöhe und sind damit besonders für sportliche Fahrzeuge mit einem tiefen Schwerpunkt geeignet. VR- und W-Motoren sind sehr kompakt. Allerdings sitzen die einzelnen Zylinder so nahe beieinander, dass die gleichmäßige Kühlung der Zylinder eine große Herausforderung darstellt. . Abb. 56.17 zeigt in einem Querschnitt durch einen Hubkolbenverbrennungsmotor wichtige Bauteile wie Kolben, Pleuelstange und Kurbelwelle. . Abb. 56.18 zeigt den Längsschnitt durch einen Dieselmotor. Man kann insbesondere die Kröpfungen der Kurbelwelle und die Nockenwelle erkennen. Weitere konstruktive Details werden im 7 Abschn. 56.3 behandelt.

. Abb. 56.17 Querschnitt durch einen Hubkolbenverbrennungsmotor: Man beachte, dass in dieser Prinzipskizze weder Zündkerze noch Einspritzdüse zu sehen sind [22]

56.1.4

56.1.4.1

Luftversorgung des Verbrennungsmotors Der Verbrennungsmotor als Luftpumpe

Verbrennungsmotoren kann man sich gewissermaßen als „Luftpumpe“ vorstellen. Wenn ein Verbrennungsmotor ein Hubvolumen von beispielsweise 2 dm3 hat, dann saugt er im Idealfall 2 dm3 Luft oder Kraftstoff-Luft-Gemisch pro Arbeitsspiel an. Diesem Luftvolumen entspricht ge-

56

1076

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.18 Längsschnitt durch einen Dieselmotor [28]

56

mäß der Stöchiometrie ein bestimmtes Kraftstoffvolumen. Wenn dieses mit einem gewissen Wirkungsgrad verbrennt, dann ergibt sich das zu dieser Motorgröße passende effektive Motordrehmoment, das der Motor abgeben kann. Wenn man dieses Moment vergrößern möchte, dann muss man mehr Kraftstoff verbrennen. Und dieser benötigt mehr Luft. Den Ladungswechsel, also das Ausschieben der Abgase und das Ansaugen der Frischladung, kann man mit mehreren Methoden optimieren. Zunächst einmal sollte man dafür sorgen, dass die Ein- und Auslassventile eine möglichst große Öffnungsfläche haben. Das führt zu den heute gebräuchlichen 4-Ventil-Konzepten. Zusätzlich muss man den Zeitpunkt, wann die Ventile öffnen und schließen, an den jeweiligen Betriebspunkt anpassen. Heute verändert man diese Steuerzeiten, indem man die Einlass- und gegebenenfalls auch die Auslassnockenwelle während des Motorbetriebs verdreht (vergleiche 7 Abschn. 56.4). Auch die Längen der Ansaug- und Abgasleitungen spielen eine große Rolle. In diesen Rohren bilden sich durch die Ansaugvorgänge der einzelnen Zylinder Druckwellen aus, die den Ladungswechsel begünstigen oder benachteiligen können (vergleiche . Abb. 56.19). Der Zylinder muss die Ladung selbst aus der Umgebung ansaugen und die Abgase in die Umgebung ausschieben. Die Druckwellen im Ansaugrohr schieben die Frischladung gewissermaßen in den Zylinder hinein, was diesem den Ansaugvorgang erleichtert. In gleicher Weise sorgen Unterdruckwellen im Abgassystem dafür, dass der Zylinder die Abgase leichter ausschieben kann. Manche Ottomotoren verfügen heute über eine während des Betriebs änderbare Ansaugrohrlänge. Alternativ dazu kann man versuchen, die Druckwellen durch Resonanzeffekte zu manipulieren. 56.1.4.2

Erhöhung der Luftmasse durch Aufladung

Eine mittlerweile sehr weit verbreitete Methode der Vergrößerung der Luftmasse im Zylinder ist die Aufladung. Bei dieser lässt man den Motor die Luftmasse nicht ansaugen, sondern man drückt sie mit Überdruck in den Zylinder.

. Abb. 56.19 Dynamische Effekte auf der Ansaug- und auf der Abgasseite führen dazu, dass besonders viel Ladung in den Zylinder gepresst wird bzw. dass die Abgase aus dem Zylinder gesaugt werden

Dazu benötigt man einen Verdichter. Dieser wird entweder vom Motor direkt angetrieben (sogenannte Kompressoraufladung oder mechanische Aufladung) oder man koppelt den Verdichter mit einer Abgasturbine. Diese entnimmt dem Abgas Energie und gibt sie an den auf der gemeinsamen Welle sitzenden Verdichter weiter (sogenannte Abgasturboaufladung) (vergleiche . Abb. 56.20). Letztlich kombiniert man bei einem aufgeladenen Motor zwei „Luftpumpen“ miteinander: den Verdichter und den Hubkolbenmotor. Beide weisen ein unterschiedliches Strömungsverhalten auf. Das bedeutet, dass man die Kombination „Hubkolbenmotor mit Aufladung“ nur für einen Betriebspunkt optimieren kann. Je weiter der aktuelle Betriebspunkt vom Auslegungspunkt entfernt ist, umso schlechter arbeitet diese Kombination. Um die Aufladung im gesamten Motorbetriebsbereich möglichst gut anpassen zu können, benötigt man die Möglichkeit zur Beeinflus-

1077 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.20 Bei der mechanischen Aufladung (Kompressoraufladung) wird der Verdichter (Kompressor) vom Motor angetrieben. Bei der Abgasturboaufladung (ATL) treibt eine Turbine, die die Abgasenergie nutzt, den Verdichter an [32]

sung der Aufladung. Die heute gebräuchlichen Maßnahmen sind das Wastegate (eine Bypassleitung um die Turbine herum), die variable Turbinengeometrie (eine Veränderung der Anströmrichtung der Turbinenschaufeln) und die Kombination von mehreren Turboladern. Im Schiffsmotorenbereich gibt es diese sogenannte Registeraufladung mit bis zu zehn Turboladern schon seit Jahrzehnten. Im Fahrzeugbereich kombiniert man heute bis zu drei Turbolader. Weitere Details zur Aufladung sind in 7 Abschn. 56.6 zu finden.

weise 20 m=s betragen soll. Daraus ergibt sich, dass die maximal mögliche Drehzahl mit zunehmender Motorgröße abnimmt (. Tab. 56.2). Die großen Zweitakt-Dieselmotoren von Containerschiffen und Öltankern haben Kolbendurchmesser von bis zu einem Meter, Kolbenhübe von mehreren Metern und maximale Drehzahlen von weniger als 100=min. Ein möglichst breites nutzbares Drehzahlband stellt eine große Herausforderung für die Entwickler von Motoren dar. 56.1.5.2

56.1.5

56.1.5.1

Nutzbarer Drehzahlbereich und Motorkennfeld Drehzahlbereich

Die meisten Verbrennungsmotoren werden innerhalb eines gewissen Drehzahlbereiches betrieben. Lediglich die Motoren zum Antrieb von Generatoren zur Stromversorgung rotieren nur bei einer bestimmten Drehzahl, um für eine konstante Frequenz des Wechselstroms zu sorgen. Bei Pkw-Motoren liegt die kleinste Drehzahl bei etwa 800=min. Die größte beträgt bei Dieselmotoren etwa 5000=min und bei Ottomotoren etwa 6000=min, teilweise aber auch deutlich mehr. Nach unten hin ist der Drehzahlbereich durch den Wunsch nach einer ausreichenden Laufruhe des Motors und die für die Verbrennung notwendige Turbulenz der angesaugten Luft begrenzt. Nach oben hin spielt die mittlere Geschwindigkeit des Kolbens eine wesentliche Rolle. Während der Auf- und Abbewegung läuft der Kolben wegen der ständigen Beschleunigung und Abbremsung natürlich nicht mit einer konstanten Geschwindigkeit. Man kann aber eine mittlere Kolbengeschwindigkeit definieren. Sie besagt, dass der Kolben während einer Kurbelwellenumdrehung zweimal den Kolbenhub als Weg zurücklegt. Die Erfahrung sagt, dass diese mittlere Kolbengeschwindigkeit nicht größer als beispiels-

Motorkennfeld

Der Betriebspunkt eines Verbrennungsmotors wird in erster Linie durch die aktuelle Drehzahl und das vom Motor abgegebene Drehmoment festgelegt. (Hinzu kommen noch viele andere Größen wie beispielsweise Kühlwassertemperatur oder Zylinderabschaltung. Auf diese Größen geht 7 Abschn. 56.9 noch ein.) Die wichtigste Betriebslinie ist dabei die Volllastlinie. Sie beschreibt das im nutzbaren Drehzahlbereich maximal mögliche Motormoment in Abhängigkeit von der Drehzahl. Das absolut größte Moment liegt dabei meistens im mittleren Drehzahlbereich. Die maximal mögliche Motorleistung ergibt sich aus dem Moment bei der Nenndrehzahl. Die maximal mögliche Drehzahl kann geringfügig höher sein. Die größten Anforderungen an die sogenannte Kennfeldbreite haben Land-Fahrzeuge. Sie müssen einen großen Geschwindigkeits- und damit Drehzahlbereich abdecken. Dabei müssen gleichzeitig Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge sowie Berg- und Talfahrten möglich sein. . Abb. 56.21 zeigt die Begrenzungslinien des Motorkennfeldes eines Pkw. Die waagerechte Achse zeigt die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges im höchsten Gang. Über die Getriebeübersetzung kann man diese in Drehzahlen umrechen. Die linke Begrenzung des Kennfeldes ist durch die Leerlaufdrehzahl gegeben. Die rechte Begrenzung ergibt sich aus der maximalen Drehzahl. Nach oben wird das Kennfeld durch die Volllastlinie begrenzt. Diese

56

1078

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Tabelle 56.2 Die Tabelle zeigt Größenordnungen für die maximale Drehzahl, das Hub-Durchmesser-Verhältnis und die mittlere Kolbengeschwindigkeit bei verschiedenen Motortypen. Die Kolbendurchmesser und die Zylinderhubvolumina ergeben sich dann durch einfache Rechnung Motortyp

max. Drehzahl in 1=min

Hub-DurchmesserVerhältnis

mittlere Kolbengeschwindigkeit in m=s

Rennmotor

18.000

0,5

25

83

0,23

Zylinderhubvolumen in dm3

Pkw-Ottomotor

6000

1

18

90

0,57

Lkw-Dieselmotor

3000

1,1

14

127

1,78

mittlerer Schiffsmotor

2000

1,2

12

150

3,18

100

2,5

8

960

1737

großer Schiffsmotor . Abb. 56.21 Das Kennfeld eines Pkw-Verbrennungsmotors wird durch die Leerlaufdrehzahl, die maximale Drehzahl und die Volllastlinie begrenzt. Hier wird der 1,4-Liter-Ottomotor im Opel Astra GTC im 5. Gang gezeigt

Beschleunigung von 50 km/h auf 80 km/h

150

8 % Steigung Bergfahrt bei 80 km/h

Leerlaufdrehzahl

max. Drehzahl Volllastlinie

MMotor in Nm

56

Kolbendurchmesser in mm

100

50 Momentenbedarf auf ebener Strecke im 5. Gang

0 0

0

wird bei Vollgasbeschleunigungen und bei Vollgas-Bergfahren erreicht. Durch ein Schaltgetriebe mit immer mehr Gängen versucht man, den Motor in einem für ihn günstigen Bereich zu betreiben. Bei Schiffsmotoren spielt die Kennfeldbreite im Allgemeinen eine deutlich kleinere Rolle. Lediglich schnelle Boote mit einem Übergang von der Verdrängerfahrt zur Gleitphase haben höhere Anforderungen an das Motorkennfeld. . Abb. 56.22 zeigt das Kennfeld eines 6-Zylinder-TDIMotors von Audi. Man kann die Volllastkurve und den möglichen Drehzahlbereich erkennen. Im Kennfeld sind Linien konstanten Motorwirkungsgrades eingezeichnet. Die Entwickler von Verbrennungsmotoren geben den Wirkungsgrad häufig nicht in Prozent gemäß 7 Abschn. 56.1.1 an. Sie verwenden stattdessen lieber den sogenannten effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch mit der Einheit g=(kWh) (vergleiche 7 Abschn. 56.2.2.4). Diese Größe gibt an, welchen Kraftstoffmassenstrom (in g=h) man be-

50

2000

100 v in km/h 4000 n in 1/min

150

200

6000

nötigt, um eine effektive Motorleistung von einem Kilowatt bereitzustellen. Die Größe kann man in grober Näherung als den Kehrwert des effektiven Wirkungsgrades verstehen. Der Wert von 199 g=(kWh) entspricht einem effektiven Wirkungsgrad von 42,3 %. . Abb. 56.23 zeigt ähnliche Ergebnisse für den Ottomotor in der A-Klasse von Mercedes. Hier wird ein bester effektiver spezifischer Kraftstoffverbrauch von 240 g=(kWh) erreicht. Das entspricht einem effektiven Wirkungsgrad von etwa 36 %. Der effektive Mitteldruck, der auf der senkrechten Achse aufgetragen ist, ist proportional zum Motordrehmoment. Näheres zu dieser wichtigen Kenngröße ist im 7 Abschn. 56.2.2.3 zu finden. Aus beiden Kennfeldern kann man erkennen, dass der beste Wirkungsgrad bei einer moderaten Drehzahl und fast Volllast erreicht wird. In diesem Betriebspunkt werden Motoren aber nur bei der Beschleunigung oder bei der Bergfahrt betrieben. Beim typischen Stadtverkehr befinden sich die Betriebspunkte eher bei kleiner Last. Dort wird der

1079 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.22 Im Kennfeld des 3-Liter-6-Zylinder-TDI-Motors von Audi ist deutlich der Bereich des besten Wirkungsgrades mit einem effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch von 199 g=(kWh) zu erkennen. Im Effizienzmodus wird das Motorkennfeld elektronisch begrenzt, sodass dem Fahrer nicht das volle Motormoment zur Verfügung steht [5]

Motorwirkungsgrad aber schlecht und im Leerlauf nimmt er einen Wert von null an. Die große Herausforderung der heutigen Motorenentwicklung ist es, den Motor nicht nur in einem Betriebspunkt zu optimieren, sondern ihn im kompletten Kennfeldbereich bestmöglich zu betreiben. Dazu wird eine Motorelektronik benötigt, die den Motor in seinem kompletten Kennfeldbereich über geeignete Aktoren immer wieder an die aktuellen Betriebsbedingungen anpasst (vergleiche 7 Abschn. 56.1.9 und 7 Abschn. 56.9). Eigentlich wäre es gut, in einem Pkw zwei Motoren einzubauen: einen schwachen für die Stadtfahrt und einen leistungsstarken für die Autobahnfahrt. Dann müsste sich der schwache Motor im Stadtverkehr „anstrengen“ und

hätte einen guten Wirkungsgrad. Dieses Prinzip von zwei Verbrennungsmotoren in einem Pkw gibt es bislang aber nicht. Drei Entwicklungsrichtungen gehen aber genau in diese Richtung: 4 Manche Motoren werden heute mit einer Zylinderabschaltung (vergleiche 7 Abschn. 56.4) angeboten. Wenn nur wenige Zylinder eines Motors arbeiten, dann müssen sich diese mehr „anstrengen“ und haben deswegen einen besseren Wirkungsgrad. 4 Andere Fahrzeuge werden mit einem sogenannten Hybridantrieb (vergleiche 7 Abschn. 56.1.10) angeboten. Auch hier werden zwei Motoren verwendet: ein Verbrennungsmotor und ein Elektromotor. Beispielsweise

. Abb. 56.23 Der 2-Liter-Ottomotor in der A-Klasse von Mercedes weist einen besten effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch von 240 g=(kWh) bei einer Drehzahl von etwa 2500=min auf [21]

56

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

würde man den Verbrennungsmotor nur dann einsetzen, wenn eine hohe Last benötigt wird. Im Stadtverkehr würde man dann nur elektrisch fahren. Das setzt aber einen entsprechend starken Elektromotor und ausreichend Batteriekapazität voraus. 4 Eine dritte Idee für „zwei Motoren in einem Pkw“ sind aufgeladene Motoren (vergleiche 7 Abschn. 56.1.4.2 und 7 Abschn. 56.6). Wenn man einen Turbomotor so auslegt, dass der Turbolader im Stadtverkehr, wo er ohnehin kaum zur Leistungsentfaltung beiträgt, „nicht stört“, dann hat man im Stadtverkehr einen schwachen Saugmotor und bei der Autobahnfahrt einen starken Turbomotor.

56.1.6

Nicht genutztes Potenzial des Hubvolumens, weil die Drosselklappe teilweise geschlossen ist

Wegen der Thermodynamik nicht in Arbeit umwandelbare Energie Im Kraftstoff enthaltene Energie

1080

Verlustquellen im Verbrennungsmotor

Verbrennungsverluste Wandwärmeverluste Ladungswechselverluste Reibungsverluste

Effektive Arbeit des Motors

56 Verbrennungsmotoren könnten im Bestfall einen Wirkungsgrad in einer Größenordnung von etwa 60 % erreichen (vergleiche 7 Abschn. 56.1.1). In der Realität liegt der effektive Wirkungsgrad deutlich niedriger. Heutige Pkw-Ottomotoren haben einen besten effektiven Wirkungsgrad von etwa 37 %. Pkw-Dieselmotoren erreichen im Bestpunkt einen Wert von etwa 43 %. Langsam laufende Schiffsmotoren erreichen Wirkungsgrade von deutlich über 50 %. In der Realität werden Fahrzeuge häufig im Teil- und Schwachlastbereich eingesetzt. Dort ist der Wirkungsgrad deutlich niedriger. Wenn ein Pkw mit laufendem Motor vor der roten Ampel steht, dann ist der effektive Wirkungsgrad gleich null. Ein kleiner effektiver Wirkungsgrad ist immer ein Zeichen für große Verluste im Umfeld des Verbrennungsmotors. Die vier wichtigsten Verlustquellen im Zylinder des Verbrennungsmotors sind die Verbrennungsverluste, die Wandwärmeverluste, die Ladungswechselverluste und die Reibungsverluste (vergleiche . Abb. 56.24). Hinzu kommen außerhalb des Zylinders beim Ottomotor vor allem die Drosselklappenverluste. 56.1.6.1

Verbrennungsverluste

Die Verbrennungsverluste entstehen, weil die reale Verbrennung niemals so ablaufen kann, wie es die Vergleichsprozesse fordern. Die perfekte Verbrennung wäre entweder unendlich schnell (Gleichraumverbrennung) oder sie würde langsam anfangen, immer heftiger werden und dann schlagartig enden (Gleichdruckverbrennung) [32]. Die reale Verbrennung benötigt Zeit und klingt am Ende immer langsam aus. Je länger sie dauert, umso weniger wird die von ihr freigesetzte Energie in mechanische Arbeit umgewandelt. Die Energie heizt dann vielmehr das Abgas auf. Deswegen gehen die Verbrennungsoptimierungen häufig in die Richtung, die Verbrennung möglichst heftig ablaufen zu lassen. Das führt dann aber zu einem lauten Verbrennungsgeräusch. Die Verbrennung benötigt immer auch Turbulenzen im Brennraum. Bei großen Drehzahlen ent-

. Abb. 56.24 Qualitative Darstellung einer typischen Verlustanalyse in einem Betriebspunkt eines Ottomotors mit Drosselklappe

stehen diese alleine schon durch das schnelle Einströmen der Frischladung. Bei kleinen Drehzahlen verwendet man teilweise Turbulenzgeneratoren (enge Querschnitte durch beispielsweise Drall- oder Tumbleklappen oder durch sich nur wenig öffnende Ventile). 56.1.6.2

Wandwärmeverluste

Die Wandwärmeverluste entstehen dadurch, dass das heiße Verbrennungsgas immer auch Wärme an die Zylinderwände abgibt. Diese Wärme wird dann an das Kühlwasser und an das Motoröl weitergegeben. Diese Wärmeverluste kann man nicht verhindern, weil der hohe Temperaturunterschied zwischen den Verbrennungsgasen (bis zu 3000 ı C) und den Zylinderwänden (ca. 100 bis 400 ı C) immer einen Wandwärmestrom verursacht. Bei modernen Motoren versucht man, die Temperaturniveaus der Kühlmedien so zu wählen (vergleiche 7 Abschn. 56.3.12), dass wenigstens andere Verlustquellen verkleinert werden. So strebt man im Schwachlastgebiet hohe Temperaturen der Kühlmedien an, weil dann die Reibungsverluste kleiner werden. Bei hoher Last strebt man kleinere Temperaturen an, um so mehr Luftmasse (größere Dichte) in den Zylinder zu bringen. Die Wärmeverluste sind bei kleinen Drehzahlen relativ groß, weil dann die Wärme mehr Zeit hat, über die Zylinderwände in die Kühlmedien zu fließen. Nach dem Kaltstart des Motors ist das wichtigste Ziel, den Motor und die Abgasreinigungsanlage so schnell wie möglich auf die normale Betriebstemperatur zu bringen. 56.1.6.3

Ladungswechselverluste

Die Ladungswechselverluste haben zwei wesentliche Ursachen. Zum einen entstehen sie, weil für das Ausschieben der Abgase und für das Einströmen der Frischladung nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Je größer die Drehzahl ist,

1081 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

umso größer sind auch die Ladungswechselverluste. Zum anderen entstehen sie, weil es für den Zylinder „anstrengend“ ist, die Frischladung anzusaugen und die Abgase auszustoßen. Zum Ansaugen muss im Zylinder ein Unterdruck entstehen, um die Frischladung aus der Umgebung trotz der Strömungsverluste im Luftfilter, in den Rohrleitungen, in der eventuell vorhandenen Drosselklappe und durch die engen Ventilkanäle hindurch ansaugen zu können. Zum Ausstoßen muss im Zylinder ein Überdruck herrschen, um trotz der Strömungsverluste an den Auslassventilen vorbei, in den Rohrleitungen, im eventuell vorhandenen Rußfilter und im Schalldämpfer die Abgase gegen den herrschenden Außenluftdruck in die Umgebung ausschieben zu können. Sowohl für das Ansaugen als auch für das Ausschieben muss der Zylinder Arbeit aufwenden, die die an der Kupplung verfügbare Arbeit verringert. Die Ladungswechselverluste kann man beispielsweise minimieren, indem man möglichst große Ventilöffnungsflächen verwendet. Bei heutigen Motoren hat sich die 4-Ventil-Technik als optimaler Kompromiss zwischen großer Ventilöffnungsfläche und nicht zu großem Bauaufwand durchgesetzt. Zudem kann man die Ladungswechselverluste minimieren, indem man die Druckschwingungen (vergleiche 7 Abschn. 56.1.4.1 und 56.4) insbesondere auf der Frischluftseite nutzt und optimale Ventilsteuerzeiten und Saugrohrlängen in Abhängigkeit von der Motordrehzahl einstellt. 56.1.6.4

Reibungsverluste

Die Reibungsverluste entstehen, weil beim Betrieb des Motors viele Bauteile aneinander reiben. Je höher die Motordrehzahl ist, umso höher sind auch die Relativgeschwindigkeiten der Reibungspartner und umso höher sind die Reibungsverluste. Die wichtigsten Reibungsquellen sind die Grundlager der Kurbelwelle, die Kolbenringe der Zylinder, die Lagerungen der Pleuelstangen und die der Nockenwellen. Hinzu kommen die Antriebsmomente der sogenannten Hilfsaggregate wie Einspritzpumpe, Ölpumpe, Kühlwasserpumpe, Lichtmaschine und Klimakompressor. Heute versucht man, die Reibungsverluste zu minimieren, indem man alle Reibungspartner optimiert. Auch kleinste Reibungsverbesserungen werden gesucht und umgesetzt, weil der relativ hohe Kraftstoffverbrauch von Pkw gerade im Stadtverkehr wesentlich von den Reibungsverlusten bestimmt wird. 56.1.6.5

Drosselklappe

Eine weitere wesentliche Verlustquelle ist die Drosselklappe (. Abb. 56.25), die auch heute noch häufig bei Ottomotoren eingesetzt wird. Die homogene Verbrennung des Benzins verlangt, dass das Mischungsverhältnis von Kraftstoff und Luft ungefähr stöchiometrisch ist. Der 3-WegeKatalysator (vergleich 7 Abschn. 56.7.1), der bei vielen Ottomotoren zur Reduzierung der Schadstoffemissionen eingesetzt wird, verlangt sogar eine sehr genaue Einhaltung des stöchiometrischen Mischungsverhältnisses. Das

. Abb. 56.25 Elektronische Drosselklappe [KSPG AG]

hat wesentliche Auswirkungen auf den Betrieb des Ottomotors. Wenn nämlich der Motor im Teillast- oder im Schwachlastgebiet betrieben werden soll, dann darf nicht viel Kraftstoff verbrannt werden. Wenig Kraftstoff verlangt aber auch wenig Luft. Das bedeutet, dass die Zylinder des Ottomotors daran gehindert werden müssen, sich vollständig mit Frischladung zu füllen. Konkret tut man das, indem man in das Ansaugsystem von Ottomotoren eine Drosselklappe montiert. Diese kann den Rohrquerschnitt kontinuierlich verändern. Im Schwachlastgebiet ist die Drosselklappe weitgehend geschlossen. Bei der Motorhöchstleistung ist sie natürlich vollständig geöffnet. Wenn die Drosselklappe weitgehend geschlossen und dadurch der effektive Rohrquerschnitt sehr klein ist, dann muss der saugende Zylinder mehr Saugarbeit (vergleiche 7 Abschn. 56.1.6.3) aufbringen, um die gewünschte Luftfüllung zu erreichen. Die Ladungswechselverluste nehmen zu und der effektive Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors nimmt ab. Letztlich behindert die Drosselklappe den Verbrennungsmotor beim „Einatmen“, sie hält ihm gewissermaßen „den Hals zu“. 56.1.6.6

Alternativen zur Drosselklappe

Die Drosselklappe verursacht einen schlechten Wirkungsgrad des Ottomotors gerade im Stadtverkehr. Schon lange versucht man, Alternativen zur Drosselklappe zu finden. Am besten wären vollvariable Ventile, die man zu jedem beliebigen Zeitpunkt öffnen und schließen kann. Dann würde man im Schwachlastgebiet die Drosselklappe nicht schließen, sondern den Motor nur kurze Zeit Ladung ansaugen lassen. Sobald die richtige Ladungsmasse im Zylinder ist, werden dann die Einlassventile geschlossen. Derartige vollvariable Ventilsteuersysteme gibt es aber noch nicht in Serienlösung. Das hydraulische Multiair-System von Fiat kommt dem Wunsch bislang am nächsten. Heutige Ottomotoren haben häufig eine verdrehbare Einlassnockenwelle (vergleiche 7 Abschn. 56.4). Diese kann im Betrieb so verdreht werden, dass die Einlassventile entweder früher

56

1082

56

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

öffnen und früher schließen oder später öffnen und später schließen. Bei einem frühen Schließzeitpunkt vor dem unteren Totpunkt wird der Zylinder nicht vollständig gefüllt (Miller-Zyklus). Bei einem sehr späten Schließzeitpunkt nach dem unteren Totpunkt wird ein Teil der angesaugten Ladung wieder in das Saugrohr zurückgeschoben. So verbleibt auch weniger Ladung im Zylinder (Atkinson-Zyklus). Die Methode der verdrehbaren Nockenwelle reicht aber im Gegensatz zu den vollvariablen Ventilen nicht aus, um auf die Drosselklappe verzichten zu können. Eine zweite Lösungsmöglichkeit, auf die Drosselklappe zu verzichten, sind Ventile mit reduziertem Ventilhub (vergleiche 7 Abschn. 56.4). Wenn man die Ventile nicht richtig öffnet, dann hat das eine ähnliche Wirkung wie eine nur wenig geöffnete Drosselklappe. Der Vorteil von kleinen Ventilhüben ist, dass dann große Turbulenzen im Brennraum entstehen, die wiederum die Verbrennung verbessern. Auf dem Markt gibt es zurzeit die Valvetronic von BMW, bei der man den Ventilhub stufenlos verstellen und so auf die Drosselklappe verzichten kann. (Diese Motoren verfügen trotzdem über eine Drosselklappe, um beispielsweise die Abgasrückführung (vergleiche 7 Abschn. 56.7.1) realisieren zu können.) Nicht ganz so fortschrittlich, aber deutlich einfacher in der Mechanik sind Systeme mit zwei oder drei Nocken auf der Nockenwelle. Diese haben unterschiedliche Maximalhübe. Auf diese Weise kann man den Maximalhub der Einlassventile in zwei oder drei Stufen ändern (vergleiche . Abb. 56.79 und 7 Abschn. 56.4). Eine dritte Variante, auf die Drosselklappe zu verzichten, ist die Benzindirekteinspritzung mit Ladungsschichtung (vergleiche 7 Abschn. 56.5.1). Bei diesem System saugt der Ottomotor ungedrosselt (genauso wie ein Dieselmotor) eine volle Luftmenge an. Den Kraftstoff spritzt man so spät in den Zylinder, dass er keine Zeit mehr hat, sich gleichmäßig mit der gesamten Luftfüllung zu vermischen. Durch eine geschickt realisierte Einspritzung sorgt man dafür, dass sich die kleine Kraftstoffmenge in der Nähe der Zündkerze konzentriert. Auf diese Weise wird der Zündkerze „vorgetäuscht“, dass sich ein zündfähiges (nahezu stöchiometrisches) Gemisch im Zylinder befindet. Die Verbrennung kann ausgelöst werden. Dass im Brennraum überschüssige Luft vorhanden ist, stört die Zündkerze dann nicht. Allerdings kann man den 3-WegeKatalysator des Ottomotors nicht „austricksen“. Die Abgasreinigungsanlage merkt, dass das Gemisch wegen des Luftüberschusses nicht stöchiometrisch war, und verlangt nach einer sehr aufwendigen Reinigung der Stickoxide in einem NOx -Speicherkatalysator.

56.1.7 56.1.7.1

Verbrennung Ottomotorische Verbrennung

Beim Ottomotor wird ein homogenes Kraftstoff-Luft-Gemisch während der Kompressionsphase auf eine hohe

. Abb. 56.26 Zündkerze [Robert Bosch GmbH]

Temperatur gebracht. Ein Zündfunke, der zwischen den Elektroden der Zündkerze (. Abb. 56.26) überspringt, entflammt das Gemisch und löst die Verbrennung aus (Fremdzündung). Die Zündkerze verlangt, dass das KraftstoffLuft-Gemisch zwischen den beiden Elektroden weitgehend stöchiometrisch ist. Anderenfalls lässt sich das Gemisch nicht entflammen. Von dieser Zündkerze aus breitet sich die Flamme im ganzen Brennraum aus. Den Zeitpunkt, wann der Funke überspringt, muss man geschickt wählen. Je früher (also noch deutlich vor dem oberen Totpunkt) man zündet, umso höher ist der Maximaldruck im Zylinder (Verbrennungshöchstdruck), umso besser ist der Wirkungsgrad des Motors und umso höher ist die Motorleistung (vergleiche . Abb. 56.27). Dieses gilt aber nicht im Schwachlastgebiet des Motors, in dem der Zündzeitpunkt zur Erzielung eines ruhigen Motorlaufs eher spät (also in der Nähe des oberen Totpunktes) gewählt werden muss. Wenn man den Zündzeitpunkt bei hoher Leistung zu früh wählt, dann kommt es zu unerwünschten Selbstzündungen im Zylinder. Dieses Klopfen muss unbedingt vermieden werden, weil es den Motor stark mechanisch und thermisch belastet und zur Zerstörung führen kann. Bei modernen Ottomotoren sorgt eine sogenannte Klopfregelung (vergleiche 7 Abschn. 56.5.1) dafür, dass der Zündzeitpunkt immer optimal gewählt wird. Den Kraftstoff und die Luft kann man vor dem Zylinder (Saugrohreinspritzung) oder im Zylinder (Benzindirekteinspritzung) mischen (vergleiche 7 Abschn. 56.1.3.1). Die Benzindirekteinspritzung wird bei modernen Motoren häufig verwendet, weil bei ihr der Kraftstoff erst im Zylinder verdampft und dabei den Zylinder kühlt. Das hilft, die Klopfgefahr zu reduzieren. Bei beiden Methoden ist es wichtig, die Luft und den Kraftstoff möglichst homogen zu vermischen. Die einzige Ausnahme ist die Verbrennung mit der sogenannten Ladungsschichtung, die im 7 Abschn. 56.1.6.6 behandelt wurde. 56.1.7.2

Dieselmotorische Verbrennung

Beim Dieselmotor ist die Verbrennung prinzipiell anders. Der Dieselmotor saugt immer ungedrosselt eine volle Ladung Luft an. Er benötigt also keine Drosselklappe. Je mehr Dieselkraftstoff man in diese Luft einspritzt, umso höher ist die vom Motor abgegebene Leistung. Allerdings darf man

56

1083 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.27 Motorwirkungsgrad und Verbrennungshöchstdruck (Maximaldruck) in Abhängigkeit vom Zündzeitpunkt: Man kann die Begrenzung des Betriebsbereiches durch die Klopfgefahr und durch die Bauteilfestigkeit erkennen

Bauteilfestigkeit begrenzt den Maximaldruck

Maximaldruck im Zylinder

Motorwirkungsgrad

Maximaldruck im Zylinder

Klopfgefahr

frühest möglicher Zündzeitpunkt wegen der Klopfgefahr Motorwirkungsgrad

früher

nicht zu viel Kraftstoff einspritzen, sonst fängt der Motor an zu rußen. Der in den Zylinder eingespritzte Kraftstoff (Dieseldirekteinspritzung) entzündet sich von ganz alleine. Es wird keine Zündkerze benötigt. Das bedeutet, dass man den Kraftstoff nicht zu einer Zündquelle bringen muss. Vielmehr entzündet sich der Kraftstoff dort, wo ein zündfähiges Gemisch vorliegt. Weil das an vielen Stellen der Fall ist, beginnt die dieselmotorische Verbrennung schlagartig im ganzen Brennraum. Das sorgt für eine sehr effiziente Verbrennung, die allerdings auch laut ist. Dieses dieseltypische „Nageln“ kann man verhindern, indem man zuerst eine nur kleine Kraftstoffmenge einspritzt (Voreinspritzung oder Piloteinspritzung). Diese verbrennt relativ leise, wenn sie klein genug ist. Sobald sie brennt, wird die große Haupteinspritzmenge in den dann heißen Zylinder eingespritzt. Diese zweite Stufe der Dieselverbrennung ist dann recht leise. Auch beim Dieselmotor muss man den Verbrennungsbeginn optimal einstellen. Bei zu später Verbrennung sinken der Wirkungsgrad und die Leistung. Bei einer zu frühen Verbrennung steigt der Druck im Zylinder so stark an, dass Motorkomponenten wie beispielsweise die Zylinderkopfdichtung, die Kolbenringe oder die Lagerung mechanisch zerstört werden könnten. Den Verbrennungsbeginn legt man beim Dieselmotor dadurch fest, dass man den Einspritzzeitpunkt variiert. (. Abb. 56.27 gilt sinngemäß auch für den Dieselmotor, wenn man den Zündzeitpunkt durch den Einspritzzeitpunkt ersetzt.) Denn die Verbrennung beginnt fast unmittelbar nach dem Einspritzbeginn. Die Zeitspanne zwischen Einspritzbeginn und Verbrennungsbeginn nennt man Zündverzug. In dieser Phase zerfallen die eingespritzten Kraftstofftropfen, sie verdampfen, vermischen sich mit Luft und zünden dann von alleine (Selbstzündung).

Zündzeitpunkt

später

Alle modernen Dieselmotoren sind sogenannte Common-Rail-Motoren. Bei ihnen wird der Kraftstoff „auf Vorrat“ auf einen hohen Druck gebracht und in einem Behälter gespeichert (Common Rail). Bei Bedarf bedienen sich sogenannte Injektoren und spritzen Kraftstoff in den jeweiligen Zylinder ein. Bei konventionellen Dieselmotoren (beispielsweise Pumpe-Düse- oder Pumpe-LeitungDüse-Systeme) wurde früher der Druck nur dann erzeugt, wenn der Kraftstoff auch benötigt wurde. Der große Nachteil dieser konventionellen Systeme war, dass dann bei kleinen Drehzahlen auch nur ein kleiner Einspritzdruck bereitgestellt wurde. Common-Rail-Systeme können auch bei kleinen Drehzahlen hohe Einspritzdrücke erzeugen. Und das tut dem dieselmotorischen Brennverfahren gut. Hohe Drücke führen zu einer sehr guten Zerstäubung des Kraftstoffes, zu kleineren Tröpfchen und damit zu einer besseren Ausnutzung der komprimierten Luft im Brennraum. So kann man die Rußbildung besser verhindern.

56.1.8 56.1.8.1

Abgasemissionen Schadstoffe im Abgas von Verbrennungsmotoren

Bei heutigen Verbrennungsmotoren werden im Allgemeinen Kraftstoffe verwendet, die aus verschiedenen Kohlenwasserstoffverbindungen bestehen. Diese verbrennen (vergleiche . Abb. 56.28) mit dem Sauerstoff der Luft zu Wasser (H2 O) und Kohlendioxid (CO2 ). Die Kohlendioxidemission kann also nur verringert werden, indem man entweder weniger Kraftstoff verbrennt oder einen Kraftstoff verwendet, der relativ wenig Kohlenstoff enthält (beispielsweise Erdgas, vergleiche 7 Abschn. 56.8). In Pkw-

1084

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.28 Kraftstoff, Luft und Abgasbestandteile: Die „normalen“ Abgaskomponenten müssen im Abgas enthalten sein. Die Schadstoffe kann man durch geeignete Maßnahmen weitgehend verhindern oder nachträglich beseitigen

Kraftstoff (z.B. Cetan) H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

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H

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N N N

N

N

N

O

Wasser N

O

Stickstoff

H

Schadstoffe Kohlenmonoxid C

O

O H

Prospekten werden immer der streckenbezogene Kraftstoffverbrauch in l=(100 km) und die CO2 -Emissionen in g=km angegeben. Eigentlich könnte man auf eine der beiden Angaben verzichten, weil man die Zahlen ineinander umrechnen kann. Der europäische CO2 -Grenzwert von 2020 (95 g CO2 pro km) entspricht einem Benzinverbrauch von 4,1 l=(100 km) und einem Dieselverbrauch von 3,6 l=(100 km). Weil bei der Verbrennung Kohlendioxid entstehen muss, zählen die Verbrennungsmotorenentwickler dieses nicht zu den Schadstoffen. Schadstoffe sind Abgasbestandteile, die bei der Verbrennung entstehen können, deren Entstehung man aber durch geeignete Maßnahmen (weitgehend) verhindern kann. Gegebenenfalls kann man die Schadstoffe auch nach dem Zylinder in einer sogenannten Abgasnachbehandlungsanlage (vergleiche 7 Abschn. 56.7) reinigen. Die vom Gesetzgeber limitierten Abgasschadstoffe sind unverbrannte Kohlenwasserstoffverbindungen (Sammelbezeichnung HC), Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (Sammelbezeichnung NOx ) und Rußpartikel (Sammelbezeichnung PM).

Emissionsgesetzgebung

In den wichtigsten Regionen der Welt gibt es gesetzliche Regelungen für den Ausstoß von Schadstoffen aus Verbrennungsmotoren. Diese Regelungen unterscheiden sich sehr, sodass beispielsweise die europäischen Vorschriften anders sind als die US-amerikanischen. Das bedeutet für die Motorenhersteller individuelle Entwicklungsaufwendungen für die verschiedenen Regionen. Beispielsweise unterscheidet der europäische Gesetzgeber bei Pkw-Antrieben zwischen Otto- und Dieselmotoren: Ottomotoren dürfen mehr HC und CO emittieren als Dieselmotoren, während diese mehr NOx ausstoßen dürfen als Ottomotoren. Diese unterschiedlichen Emissionsgrenzwerte sind technikfreundlich und be-

N

N

Stickstoff

O Restsauerstoff N

N

Kohlendioxid

H

O H

C

H H

N

O

O

O

H

Ruß C

N

N

Stickoxide wie NO N

N

C

C

N

O N

N

„Normales“ Abgas

56.1.8.2

H

Sauerstoff

Luft N

56

H

N

H

H

H

C

C

C

C

H C H H

H

H

H H

H

unverbrannte Kohlenwasserstoffe wie Methan oder Isopentan

rücksichtigen die Stärken und Schwächen der beiden Konzepte. Die US-amerikanische Gesetzgebung unterscheidet diesbezüglich nicht und hat ottomotorfreundliche Grenzwerte. Das bedeutet, dass sich Dieselmotoren auf dem USamerikanischen Markt sehr schwer tun. Letztlich benötigen Dieselmotoren dort viel mehr Technikaufwand als Ottomotoren, um die Vorschriften einzuhalten. Innerhalb der Regionen wird unterschieden, für welchen Einsatz die Motoren verwendet werden. Die Vorschriften für die Bestimmung der Schadstoffemissionen und die zulässigen Grenzwerte hängen von der Anwendung ab. Bei Pkw muss jedes Fahrzeugmodell auf einem Rollenprüfstand ein bestimmtes Fahrprofil absolvieren. Das bedeutet, dass ein Motor, der beispielsweise in einem VW Golf zertifiziert wird, erneut auf den Rollenprüfstand muss, wenn er in einem VW Polo eingesetzt wird. Bei Industriemotoren werden die Motoren selbst auf dem Motorenprüfstand untersucht. Der Motor erhält die Zulassung unabhängig beispielsweise vom Schiffstyp, in den er eingebaut wird. Der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ, vergl. . Abb. 56.29), der in Europa zur Ermittlung der Schadstoffemissionen verwendet wird, ist sehr umstritten. Ihm wird vorgeworfen, dass er nicht dem realen Fahrverhalten entspricht. Zudem wird den Fahrzeugherstellern vorgeworfen, sie würden die Fahrzeuge so abstimmen, dass sie zwar in diesem konkreten Fahrprofil die gesetzlichen Vorschriften einhalten, bei einer anderen Fahrweise aber nicht emissionsarm seien. Deswegen werden schon seit langem zwei Alternativvarianten diskutiert. Zum einen soll versucht werden, einen realistischeren Fahrzyklus zu definieren. Diese World Harmonized Light Vehicles Test Procedure (WLTP, vergleiche . Abb. 56.30) wird zurzeit noch diskutiert und soll weltweit verwendet werden. Al-

56

1085 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

140 Geschwindigkeit in km/h

. Abb. 56.29 Der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) legt die Fahrzeuggeschwindigkeit sowie die Getriebeschaltpunkte während einer Testzeit von knapp 20 Minuten fest. Die mittlere Fahrzeuggeschwindigkeit beträgt hierbei 33,3 km=h

4-mal Stadtzyklus

Überland-Zyklus

120 100 80 60 40 20 0 200

140

350

120

300

100

250

80

400

600 Zeit in s

800

1200

optimaler Wirkungsgrad von ca. 37 %

200

60

1000

Astra GTC 2.0 Turbo

MMotor in Nm

Geschwindigkeit in km/h

0

150

40

100

20

50

0 0

200

400

600

800 1000 1200 1400 1600 1800 Zeit in s

. Abb. 56.30 Der Fahrzyklus WLTP soll mehr dem realen Fahrverhalten von Pkw entsprechen als der NEFZ [MTZ 9 (2013)]

lerdings wollen die US-amerikanischen Behörden diesen Fahrzyklus nicht anwenden. Zum anderen wird diskutiert, ob man die Schadstoffemissionen nicht im realen Betrieb messen sollte. Bei diesen Real Driving Emissions treten aber zwei Problempunkte auf. Der erste Punkt ist, dass Abgasmessgeräte benötigt werden, die man in Fahrzeuge einbauen kann. Die heute allgemein üblichen Geräte sind aber so groß wie ein Schaltschrank und benötigen beispielsweise Wasserstoff als Betriebsgas. Die ersten mobilen Geräte sind mittlerweile verfügbar. Der zweite Problempunkt hängt mit den Messbedingungen zusammen. Es ist logisch, dass die Schadstoffemissionen ebenso wie der Kraftstoffverbrauch sehr stark von der Fahrweise abhängen. Damit stellt sich die Frage, wie man Grenzwerte für Real Driving Emissions festlegen soll, wenn die Messergebnisse von der Fahrweise abhängen und letztlich kaum reproduzierbar sind. Mit dem NEFZ werden in Europa nicht nur die Schadstoffemissionen, sondern auch die Kraftstoffverbräuche der

Astra GTC 1.4

0 schlechtester Wirkungsgrad von 0 %

-50 0

1500

3000 n in 1/min

4500

6000

. Abb. 56.31 Betriebspunkte im Kennfeld zweier unterschiedlich stark motorisierter Opel Astra GTC während des NEFZ: Man kann erkennen, dass sich der starke Motor „nicht anstrengen“ muss und deswegen im Kennfeldbereich mit schlechtem Wirkungsgrad betrieben wird

Pkw ermittelt. Dabei taucht eine weitere Herausforderung auf. . Abb. 56.31 zeigt die Betriebspunkte im Kennfeld zweier Verbrennungsmotoren, die ein Opel Astra GTC während des NEFZ anfährt. Man kann erkennen, dass ein relativ großer Betriebsbereich des Motorkennfeldes des leistungsschwachen 1,4-Liter-Motors angefahren wird. Der leistungsstarke 2-Liter-Turbo-Motor muss sich im NEFZ „nicht anstrengen“ und wird nur im unteren Teillast- und Schwachlastbereich betrieben. Dort haben Verbrennungsmotoren aber einen schlechten Wirkungsgrad. Das bedeutet, dass der leistungsstarke Antrieb einen höheren Kraftstoffverbrauch aufweist. Diese Problematik wurde bereits im 7 Abschn. 56.1.5.2 angesprochen. Der europäische Gesetzgeber limitiert nicht den Kraftstoffverbrauch, sondern die CO2 -Emissionen der Pkw (ver-

1086

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.32 Schwere Pkw produzieren aus physikalischen Gründen mehr CO2 als leichte Fahrzeuge. Der europäische Gesetzgeber berücksichtigt das in den 2020er Grenzwerten. Allerdings ist die Steigung der gestrichelten Linie nicht so groß, wie es die Fahrzeugindustrie gerne hätte [24]

56

gleiche 7 Abschn. 56.1.8.1). Ursprünglich war vorgesehen, den CO2 -Grenzwert auf 95 g=km ab dem Jahr 2020 für alle Pkw unabhängig vom Fahrzeuggewicht festzulegen. Das widerspricht aber der physikalischen Logik, dass ein schweres Fahrzeug auch mehr Energie beispielsweise beim Beschleunigen benötigt. . Abb. 56.32 zeigt die CO2 -Emissionen aktueller Fahrzeuge in Abhängigkeit vom Fahrzeuggewicht. Man kann eine deutliche Abhängigkeit erkennen. Der europäische Gesetzgeber lässt ab 2020 aber nur die durch die gestrichelte Linie dargestellte Gewichtsabhängigkeit zu. Das bedeutet, dass schwere Fahrzeuge erheblich mehr technischen Aufwand betreiben müssen, um die Vorschriften einzuhalten, als leichtere Pkw. Wenn der mittlere CO2 -Ausstoß einer Fahrzeugflotte größer ist als der erlaubte Grenzwert, dann muss der Hersteller hohe Strafsteuern bezahlen. Diese liegen (umgerechnet auf eine Fahrstrecke von 200.000 km) in einer Größenordnung von 500 EUR pro Tonne CO2 . Diese Strafe ist wesentlich höher als die aktuellen Preise für CO2 -Zertifikate für Industrieabgase, die 2015 bei ca. 5 EUR pro Tonne CO2 liegen (vergleiche [32]). Eine Möglichkeit, um auch mit schweren Fahrzeugen die CO2 -Grenzwerte einzuhalten, ist die Nutzung von sogenannten Plug-in-Hybrid-Antrieben (vergleiche 7 Abschn. 56.1.10).

56.1.9

Motorelektronik

Moderne Motoren sollen in jedem Betriebspunkt und bei jeder möglichen Umgebungsbedingung optimal laufen.

Das setzt voraus, dass man während des Motorbetriebs gewisse Parameter beeinflussen und ändern kann. Die wichtigsten Größen sind die Einspritzung (Dauer und Zeitpunkt) sowie beim Ottomotor der Zündzeitpunkt und die Steuerung der Drosselklappe. Hinzu kommen Beeinflussungen des Ladungswechsels, der Verbrennung, der Aufladung, des Kühlsystems, der Abgasreinigungsanlage, der Kühlwasserpumpe und vieler anderer Teilsysteme. Dazu werden Aktoren (oder auch Aktuatoren genannt) benötigt, die elektronisch von der Motorelektronik (ECU – Engine Control Unit) angesteuert werden. Damit die Motorelektronik weiß, in welchem Betriebszustand sich der Motor gerade befindet, werden viele Sensoren für die Motordrehzahl, für den Luftmassenstrom, für das Luftverhältnis  (Lambdasonde) und für verschiedene Temperaturen und Drücke benötigt (vergleiche . Abb. 56.33 und 56.34). Die genaue Festlegung (Applikation) der Parameter in den Steuergerätefunktionen ist ein sehr aufwendiger Vorgang, der große Erfahrung benötigt. Letztlich stellt man den Motor so ein, dass er die gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Abgasemissionen erfüllt und darüber hinaus sparsam und leistungsstark ist (vergleiche . Abb. 56.33). Die Motorelektronik enthält einige Zehntausend Variablen (sogenannte Labels), die selbst wieder aus vielen Zahlenwerten bestehen können. Bevor ein Motor in Betrieb genommen werden kann, müssen viele dieser Labels mit sinnvollen Zahlenwerten bedatet werden. Deswegen ist der Applikationsprozess sehr aufwendig. Die Arbeit des Applikateurs wird heute teilweise von Computern übernommen. Man betreibt den Motor automatisch auf dem Prüfstand und überlässt es einem intelligenten Programm (Design of Ex-

1087 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.33 Typische Sensoren, Steuergerätefunktionen und Aktoren einer Motor-ECU

Sensoren

Funktionen

Aktoren

• Fahrpedal • Motorlast (Luftmenge und Drosselklappenwinkel) • Drehzahl, Kurbelwinkel, Nockenwinkel • Umgebung: Druck und Temp. • Aufladung: Druck und Temperatur • Kühlmitteltemp. • λ-Sonden-Signal • Klopfsensor • Abgastemperatur • Kupplungsposition • Kraftstoffdruck • Batt.spannung • Fahrzeuggeschwindigkeit • Getriebestufe • CAN-Bus •…

• Start • Nachstart • Warmlauf • Übergangsverhalten • Leerlaufregler • λ-Regelung • Klopfregelung • Ladedruckregelung • Aktivkohlefilter-Regeneration • Abgasrückführung • Sekundärluftsteuerung • Nockenwellen-, Ventilverstellung • Saugrohrumschaltung • Fahrbarkeitsfunktionen (Antiruckel, Lastwechseldämpfung, …) • Tempomat-Funktionen • Schutzfunktionen (Drehzahl, Geschwindigkeit, Drehmoment, Leistung, Abgastemperatur, Wegfahrsperre, …) • Einspritzabschaltung • Mengenbegrenzung • Notlauf •…

• Zündspulen • Einspritzventile • Drosselklappe • Nockenwellensteuerung • Einlasskanalabschaltung • Abgasrückführung • SaugrohrUmschaltung • Lüfter • Kraftstoffpumpe • Sekundärluft • Abgasklappe • TurboladerBypass • Tankentlüftung • Hauptrelais • Armaturenbrett (Drehzahlmesser, Leuchten) • λ-SondenHeizung •…

periments: DoE), die optimale Einstellung des Motors zu finden. Die heutige Motorelektronik hat eine Fülle von Aufgaben zu erledigen. Sie muss den Motor nicht nur so betreiben, dass die Drehmomentwünsche des Fahrers erfüllt werden. Sie muss beispielsweise auch dafür sorgen, dass die Schadstoffemissionen unterhalb der gesetzlich erlaubten Grenzen liegen. Die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte steht teilweise im Widerspruch zu den Fahrerwünschen nach einem hohen Drehmoment und günstigen Kraftstoffverbrauchswerten. Durch eine Manipulation des Datensatzes in der Motorelektronik könnte man beispielsweise die Leistung erhöhen, würde dabei aber eventuell die Emissionsgrenzwerte überschreiten. Da diese Schadstoffemissionen im Betrieb des Fahrzeuges nicht mehr gemessen werden können, bietet sich hier eine Spielwiese für Chip-Tuner, die teilweise seriös, teilweise aber auch unseriös Motoren manipulieren. Um das zu verhindern, sind in der Motorelektronik Diagnosefunktionen (On-Board-Diagnose) enthalten. Diese versuchen, Manipulationen und auch Schäden an emissionsrelevanten Bauteilen zu erkennen und sie gegebenenfalls dem Fahrer zu melden.

56.1.10

Alternative Antriebe

Der Verbrennungsmotor (insbesondere der im Pkw) ist zurzeit sehr umstritten. In der Öffentlichkeit wird immer wieder gefordert, ihn durch modernere Antriebe zu ersetzen.

Die am meisten genannte Alternative ist der Elektromotor (E-Mobilität). Zum Elektrofahrzeug ist zu sagen, dass es aus heutiger Sicht (im Jahr 2016) noch nicht konkurrenzfähig zum Verbrennungsmotor ist. Die Hauptprobleme der Elektromobilität sind: 4 Die aufladbaren Batterien sind noch zu teuer. 4 Die aufladbaren Batterien sind noch zu schwer. 4 Es ist noch nicht sichergestellt, dass die Lebensdauer der Batterien so groß ist wie die des Fahrzeuges. Als Alternative zu reinen Elektrofahrzeugen bieten sich sogenannte Hybridfahrzeuge an. Sie kombinieren zwei Antriebsmaschinen und zwei Energiespeicher. Heute versteht man darunter meistens die Kombination von Verbrennungsmotor (mit Kraftstofftank) und Elektromotor (mit aufladbarer Batterie). (Die Probleme mit den Antriebsbatterien sind die gleichen wie beim reinen Elektrofahrzeug. Allerdings müssen die Batterien im Hybridfahrzeug nicht so groß sein.) Die möglichen Vorteile von Hybridfahrzeugen sind: 4 Bei ihnen ist eine Start-Stopp-Funktion sehr einfach zu realisieren. 4 Manche können elektrisch bremsen (rekuperatives Bremsen) und somit Energie rückgewinnen und in die Batterien einspeisen. 4 Manche Hybridfahrzeuge können beide Motoren gleichzeitig zum Beschleunigen verwenden und dadurch besonders gut beschleunigen (Boost-Funktion). 4 Bei manchen Hybridantrieben versucht man, den Verbrennungsmotor nur in der Nähe seines Optimums zu betreiben. Den dann vorhandenen Leistungsüberschuss nutzt man zum Aufladen der Batterie.

56

1088

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

56

. Abb. 56.34 Komponenten für die elektronische Steuerung und Regelung eines Ottomotors [29]

4 Die Abgas- und Geräusch-Emissionen sind bei reinem E-Betrieb sehr klein. 4 Die für die Elektromotoren benötigte Hochspannung (in einer Größenordnung von 500 V) an Bord der Fahrzeuge kann für weitere elektrische Energieverbraucher (beispielsweise für eine elektrische Klimaanlage, elektrisch beheizte Abgasnachbehandlungssysteme oder elektrisch unterstützte Turbolader) genutzt werden. Das trägt zur Gesamtoptimierung des Fahrzeuges bei.

Natürlich haben Hybridfahrzeuge auch Nachteile: Sie sind schwerer und insbesondere auch aufwendiger und damit teurer als herkömmliche Fahrzeuge. Hinzu erfordert die Hochspannungstechnik entsprechende Sicherheitsvorkehrungen im Fahrzeug und auch in der Kfz-Werkstatt. Es gibt mittlerweile eine große Vielfalt von Hybridfahrzeugen auf dem Markt. Sie unterscheiden sich wesentlich und nicht jedes kann alle oben genannten Vorteile umsetzen. Eine mögliche Einteilung besteht darin, die Leistung der beiden Motoren zu vergleichen (vergleiche

1089 56.1  Überblick über Verbrennungsmotoren

Mildes Hybridsystem: Der E-Motor dient nur zum Anfahren und eventuell zum Fahren bei kleinen Geschwindigkeiten.

Normales Hybridsystem: Der Fahrer bzw. eine Elektronik kann zu jeder Zeit entscheiden, ob das Fahrzeug mit dem V-Motor oder mit dem E-Motor fährt. Die elektrische Reichweite wird von der Batteriegröße bestimmt.

Extremes Hybridsystem: Der Verbrennungsmotor dient nur zur Stromerzeugung (Range-Extender). Die elektrische Leistung ist größer als die des V-Motors. Das bedeutet, dass die maximale Reisegeschwindigkeit von der V-Motor-Leistung festgelegt wird. Nur wenn die Batterien geladen sind, kann die höhere E-Motor-Leistung kurzzeitig für eine höhere Geschwindigkeit genutzt werden.

. Abb. 56.35 Einteilung der Hybridsysteme nach den Leistungen der beiden Motoren

. Abb. 56.35): Beim kostengünstigen milden Hybridsystem ist der Elektromotor relativ schwach. Er dient zum Anfahren und eventuell auch zum Fahren bei kleiner Geschwindigkeit. Beim normalen Voll-Hybrid-System sind beide Motoren ungefähr gleich stark. Der Fahrer bzw. eine Elektronik kann dann selbst entscheiden, ob die gewünschte Geschwindigkeit elektrisch oder verbrennungsmotorisch erreicht wird. Die extreme Hybrid-Variante mit einem kleinen Verbrennungsmotor als Range-Extender kann nur so lange schnell fahren, wie die Batterien die elektrischen Fahrmotoren versorgen können. Wenn die Batterien weitgehend entladen sind, kann das Fahrzeug nur so schnell fahren, wie der Verbrennungsmotor Energie nachliefern kann. Pkw werden so ausgelegt, dass diese Reisegeschwindigkeit bei beispielsweise 130 km=h liegt. Ganz allgemein ist zu vermuten, dass sich die Hybridtechnik insbesondere in schweren Fahrzeugen durchsetzen

250 CO2 Emissionen im NEFZ [g/lm]

. Abb. 56.36 CO2 -Emissionen eines konkreten Pkw im NEFZ in Abhängigkeit vom Strom-Mix: In der Schweiz tragen Elektroautos zur CO2 -Reduzierung bei. In China sind sie wegen der vielen Kohlekraftwerke für mehr CO2 als die Benzinfahrzeuge verantwortlich [Soltic]

wird. Denn wie im 7 Abschn. 56.1.8.2 schon erwähnt wurde, verlangt der europäische Gesetzgeber, dass der Kraftstoffverbrauch (gemessen als CO2 -Emissionen) bis 2020 auf ca. 95 g CO2 pro Kilometer sinkt. Schwere Fahrzeuge dürfen je nach Gewicht geringfügig mehr verbrauchen. Allerdings reicht dieses Zugeständnis nicht aus, um die für das Beschleunigen eines schweren Fahrzeuges benötigte Energie aufzubringen. Deswegen bietet die EU folgenden Ausweg an: Elektrofahrzeuge sind in der EU definitionsgemäß CO2 -frei. Das entspricht zwar nicht der Realität, ist politisch aber so gewollt. Denn auch die meisten Methoden, um Strom zu erzeugen, sind nicht CO2 -neutral. Die Befürworter der Elektromobilität argumentieren, dass die E-Fahrzeuge auch Ökostrom tanken sollen. Die Gegner der Elektromobilität argumentieren, dass mehr Elektrofahrzeuge dazu führen, dass gerade die alten (Kohle-)Kraftwerke

200

150

100 Betrieb 50

0

vorgelagerte Prozesse

56

1090

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.37 Korrekturfaktor für die CO2 -Emissionen bei Plug-in-Hybridfahrzeugen: Bei einer elektrischen Reichweite von beispielsweise 40 Kilometern zählt der Kraftstoffverbrauch nur zu knapp 40 %. Und wenn das Fahrzeug im Verbrennungsmotorenbetrieb 10 l=(100 km) verbraucht, elektrisch aber 100 km weit fahren kann, dann steht im Prospekt: 2 l=(100 km) [32]

56

nicht abgeschaltet werden. Deswegen müsste man deren CO2 -Emissionen den Elektrofahrzeugen anlasten. . Abb. 56.36 zeigt die CO2 -Emissionen eines konkreten Pkw als Benzinvariante und als reines Elektrofahrzeug in Abhängigkeit von der Methode der Stromerzeugung. Man kann erkennen, dass beispielsweise in China dieses Fahrzeug im Elektrobetrieb mehr CO2 verursacht als im verbrennungsmotorischen Betrieb. Man muss bei dieser Darstellung beachten, dass sie für ein bestimmtes Fahrzeug im NEFZ gilt. Man kann sie nicht einfach auf ein beliebiges anderes Fahrzeug oder auf andere Fahrzyklen übertragen. Das Bild stellt aber gut die Grundtendenz der Problematik dar. Doch zurück zu den schweren Hybridfahrzeugen. Wenn diese als Plug-in-Hybride ausgestattet werden, sie also ihre Batterien an der Steckdose aufladen können, dann muss man eine Methode festlegen, wie die CO2 -Emissionen im realen Fahrbetrieb bestimmt werden. Denn wenn das Fahrzeug jeden Tag immer nur wenige Kilometer weit fährt und nachts die Batterien aufgeladen werden, dann ist es ein reines Elektrofahrzeug. Wenn es dagegen auf der Langstrecke betrieben wird, dann ist es fast ein reines Verbrennungsmotorfahrzeug. Die europäische Gesetzgebung hat die Methode festgelegt, wie man in einem solchen Fall die CO2 -Emissionen bestimmt. Zunächst werden sie im reinen verbrennungsmotorischen Betrieb auf dem Rollenprüfstand ermittelt. Danach werden sie rechnerisch korrigiert. Je größer die Batterie und damit die elektrische Reichweite des Fahrzeuges ist, umso weiter darf man sie nach unten korrigieren. . Abb. 56.37 zeigt den Korrekturfaktor in Abhängigkeit von der elektrischen Reichweite. Bei einer elektrischen Reichweite von 40 km werden die CO2 -Emissionen auf einen Wert von knapp 40 % nach unten korrigiert. Mit einer entsprechend großen Batterie kann man so jedes schwere Fahrzeug auf einen CO2 -Wert von weniger als 95 g=km herunterrechnen.

56.2

Verbrennungsmotorische Berechnungen

56.2.1 56.2.1.1

Stöchiometrie Mindestluftmenge

Bei den in Verbrennungsmotoren verwendeten Kraftstoffen handelt es sich im Allgemeinen um Kohlenwasserstoff-Verbindungen. (Nur vereinzelt werden Experimente mit reinem Wasserstoff gemacht.) Die einfachste HC-Verbindung ist Methan: CH4 . Methan verbrennt mit dem Sauerstoff der Luft zu Wasser (H2 O) und Kohlendioxid (CO2 ): CH4 C 2 O2 ! CO2 C 2 H2 O

(56.1)

Unter Verwendung der Molmassen (M C D 12 g=mol, M H D 1 g=mol, M O D 16 g=mol) kann man eine stöchiometrische Massenbilanz aufstellen: 16 g C 64 g D 44 g C 36 g

(56.2)

Zur Verbrennung von 16 g Methan werden also 64 g Sauerstoff benötigt. Dabei ergeben sich 44 g Kohlendioxid und 36 g Wasser. Üblicherweise wird der Sauerstoff der Luft entnommen, in der er mit einem Massenanteil von 23,01 % enthalten ist. Die 64 g Sauerstoff entsprechen also 278,1 g Luft. Die Mindestluftmenge von Methan ergibt sich somit zu Lmin D

mL 278;1 g D D 17;38 mB 16 g

(56.3)

Kraftstoff wird üblicherweise mit einem tiefgestellten Buchstaben B (wie Brennstoff) abgekürzt. Typische Zahlenwerte für die Mindestluftmenge handelsüblicher Kraftstoffe sind 14,5 für Benzin und 14,6 für Dieselkraftstoff.

56

1091 56.2  Verbrennungsmotorische Berechnungen

. Tabelle 56.3 Typische Kenngrößen von Otto- und Dieselmotoren in verschiedenen Anwendungen Motor

nmax 1/min

Vh dm3

vm m/s

pe;max bar

"

pmax bar

e;opt

e;nenn

be;opt be;nenn g/(kWh) g/(kWh)

Ottomotoren Pkw (ohne Aufladung)

6000–8000

0,3–0,5

20

13

13

60

0,37

0,30

230

290

Pkw (mit Aufladung)

6000

0,3–0.5

20

20

11

120

0,37

0,30

230

290

Pkw (mit Aufladung)

5000

0,3–0.5

15

22

16

200

0,42

0,37

200

230

Lkw (mit Aufladung)

1800–3000

1–2

13

24

16

220

0,45

0,40

190

210

größere Schnellläufer

1000–2500

2–20

15

30

16

180

0,45

0,45

190

190

200–1200

10–300

10

25

15

200

0,50

0,50

170

170

100–2000

8

18

15

200

0,52

0,52

160

160

Dieselmotoren

Mittelschnellläufer Langsamläufer (2-Takt)

56.2.1.2

< 100

Heizwert

56.2.2

Bei der Verbrennung wird Energie freigesetzt. Diese kann man sich als eine Art innerer Wärmequelle QB im Zylinder vorstellen. QB ergibt sich als Produkt der verbrannten Kraftstoffmasse und des Heizwerts H U des Kraftstoffes: QB D m B  H U

(56.4)

Der Heizwert kann als die spezifische Reaktionsenthalpie der stöchiometrischen Gleichung verstanden werden. Typische Zahlenwerte für die Heizwerte handelsüblicher Kraftstoffe sind 42,0 MJ=kg für Benzin und 42,8 MJ=kg für Dieselkraftstoff. 56.2.1.3

Luftverhältnis

Wenn der Kraftstoff nicht mit der stöchiometrischen Luftmenge, sondern mit Luftüberschuss (mageres Gemisch) oder mit Luftmangel (fettes Gemisch) verbrannt wird, dann verwendet man zur Kennzeichnung des Gemisches das Luftverhältnis : D

mL mB  Lmin

(56.5)

Motorenentwickler verwenden gerne Kenngrößen, um die Eigenschaften eines Verbrennungsmotors zu charakterisieren. Durch die Verwendung von Kenngrößen kann man Motoren verschiedener Hersteller, Anwendungen und Größen gut miteinander vergleichen. . Tab. 56.3 zeigt wichtige Kenngrößen unterschiedlicher Motoren. Die folgenden Abschnitte gehen auf diese Kenngrößen näher ein. 56.2.2.1

Hubvolumen

Die wichtigste geometrische Größe eines Verbrennungsmotors ist das Motorhubvolumen V H . Es ergibt sich als Produkt des Zylinderhubvolumens V h und der Zylinderzahl z: VH D z  Vh

(56.6)

Das Zylinderhubvolumen selbst lässt sich aus dem Zylinder-Durchmesser (der Bohrung D) und dem Kolbenhub s berechnen (vergleiche . Abb. 56.4): Vh D 56.2.2.2

Benzin muss immer mit einem Luftverhältnis zwischen etwa 0,7 und 1,3 gezündet werden, damit die Verbrennung ausgelöst wird. Der 3-Wege-Katalysator verlangt darüber hinaus ein Luftverhältnis von 1. Dieselkraftstoff ist diesbezüglich weniger empfindlich. Er kann mit nahezu beliebigen Luftverhältnissen brennen. Allerdings neigt die dieselmotorische Verbrennung zur Rußbildung, wenn das Luftverhältnis kleiner als etwa 1,3 wird. Deswegen werden Dieselmotoren im Allgemeinen mit einem (deutlichen) Luftüberschuss betrieben.

Kenngrößen

   D2  s 4

(56.7)

Leistung und Drehmoment

Die Leistung eines Verbrennungsmotors P kann mit der aus der Physik bekannten Gleichungen für rotierende Maschinen aus dem Drehmoment M und der Drehzahl n berechnet werden: P D2 nM

(56.8)

Dabei muss man unterscheiden, wo die Leistung gemessen wird. Die Leistung, die den Kolben im Zylinder nach unten drückt, ist die innere Leistung Pi . Die effektive Leistung

1092

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

an der Kupplung des Motors ist Pe . Die Differenz zwischen beiden ist die durch Reibung und sonstige Verluste im Motor verursachte Reibleistung Pr . In gleicher Weise kann man auch von einem inneren Moment M i , einem effektiven Moment M e und einem Reibmoment M r sprechen. Beim effektiven Moment lässt man häufig auch den Index e weg. 56.2.2.3

Mitteldruck

Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Leistung eines Motors proportional zur Motorgröße (dem Motorhubvolumen) und der Drehzahl ist: Pe n  VH

56

(56.9)

Die Proportionalitätskonstante hat die Einheit eines Druckes, weswegen man sie auch als effektiven Mitteldruck pe bezeichnet. (Viele Bücher verwenden die nicht normgerechte, aber allgemein übliche Abkürzung pme .) Das führt dann zur Gleichung Pe D i  n  pe  VH

(56.10)

Die Gleichung enthält noch die Taktzahl i. Für sie gilt: i D 1 beim 2-Takt-Motor i D 0;5 beim 4-Takt-Motor Damit bringt man zum Ausdruck, dass beim 4-Takt-Motor die Drehzahl „nur zur Hälfte zählt“, weil der Motor nur jede zweite Umdrehung eine Verbrennung aufweist. Der effektive Mitteldruck ist eine der wichtigsten Kenngrößen eines Verbrennungsmotors. Er beschreibt die Qualität eines Motors als eine auf das Motorhubvolumen und die Motordrehzahl bezogene Leistung. Die Motorenfachleute nutzen diese Größe gerne auch als inneren Mitteldruck pi und als Reibmitteldruck pr . Für viele Motoren gilt, dass der Reibmitteldruck in einer Größenordnung von 1 bis 2 bar liegt. Damit kann man die Reibungsverhältnisse unabhängig von der Motorgröße abschätzen. Den inneren Mitteldruck pi kann man auch anders herleiten und verstehen. In . Abb. 56.7 wurde bereits der Druckverlauf während eines Arbeitsspiels im Zylinder eines 4-Takt-Motors dargestellt. Die Thermodynamik sagt, dass die Fläche, die vom Kreisprozess im p-V-Diagramm umschlossen wird, gleich der Arbeit des Prozesses ist. Dabei muss man den Umlaufsinn der Fläche berücksichtigen. Flächen, die in Uhrzeigerdrehung umlaufen werden, geben Arbeit ab und sind damit für einen Verbrennungsmotor wertvoll. Die Ladungswechselfläche, die in der Gegenrichtung umlaufen wird, stellt für den Verbrennungsmotor den Ladungswechselverlust dar. Man kann im p-V-Diagramm eine Rechteckfläche konstruieren, die genauso groß ist wie die vom Kreisprozess umschlossene Fläche. Diese Fläche hat als waagerechte Abmessung das Zylinderhubvolumen. Die senkrechte Abmessung hat die Dimension

eines Druckes und ist der schon oben erwähnte innere Mitteldruck (vergleiche . Abb. 56.38). (Die Messtechnik, mit der man den Druckverlauf im Innern eines Zylinders misst, heißt Zylinderdruckindizierung. Deswegen sagt man zum inneren Mitteldruck häufig auch indizierter Mitteldruck.) Thermodynamisch kann man das so formulieren: Die innere oder indizierte Arbeit W i ergibt sich zu I Wi D p  dV D pi  Vh (56.11) !Hinweis In der Thermodynamik wird die innere Arbeit eigentlich mit einem negativen Vorzeichen versehen, weil abgegebene Arbeiten definitionsgemäß ein negatives Vorzeichen haben. Die Motorenentwickler lassen das Minuszeichen aber weg. Denn sonst müsste man thermodynamisch richtig, aber umgangssprachlich eigenartig beispielsweise sagen: Der Verbrennungsmotor hat eine Leistung von minus 100 Kilowatt.

56.2.2.4

Wirkungsgrad und Kraftstoffverbrauch

Die nächste Gruppe von Kenngrößen sind die Wirkungsgrade . Sie beschreiben das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand (vergleiche 7 Abschn. 56.1.1). Beim Verbrennungsmotor liegt der Nutzen in der mechanischen Leistung Pe . Der Aufwand steckt im Kraftstoffmassenstrom m P B unter Berücksichtigung des Heizwertes H U : e D

Pe m P B  HU

(56.12)

Wenn man statt der effektiven Leistung die innere Leistung Pi verwendet, erhält man den inneren Wirkungsgrad i . Das Verhältnis dieser beiden Wirkungsgrade ist der mechanische Wirkungsgrad m : m D

Pe e D Pi i

(56.13)

In der Motorenentwicklung verwendet man häufig statt dem effektiven Wirkungsgrad eines Motors den effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch be : be D

m PB 1 D Pe e  HU

(56.14)

Die Kenngröße ist sehr leicht zu verstehen, denn sie drückt aus, welchen Kraftstoffmassenstrom man benötigt, um eine bestimmte effektive Leistung zu erzielen. Die gebräuchliche Einheit für be ist demnach g=(kWh). In gleicher Weise kann man auch einen indizierten oder inneren spezifischen Kraftstoffverbrauch definieren: bi D

m PB 1 D Pi i  HU

(56.15)

56

1093 56.2  Verbrennungsmotorische Berechnungen

. Abb. 56.38 p-V-Diagramm eines realen 4-Takt-Motors: Die vom Kreisprozess umschlossene Fläche ist die innere Arbeit. Man kann sie auch als Rechteckfläche mit den Abmessungen Zylinderhubvolumen und innerer Mitteldruck pi darstellen [32]

Typische Bestwerte für den effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch bei Pkw-Motoren sind 200 g=(kWh) bei Dieselmotoren und 230 g=(kWh) bei Ottomotoren. Bei Pkw gibt man noch eine ganz andere Art von Kraftstoffverbrauch an, nämlich den streckenbezogenen Kraftstoffverbrauch V S in der Einheit l=(100 km): VS D

VPB vPkw

(56.16)

Er ergibt sich aus dem Kraftstoffvolumenstrom VPB und der Fahrzeuggeschwindigkeit vPkw . Genaugenommen hat diese Größe mit dem Verbrennungsmotor nur indirekt zu tun. Denn sie berücksichtigt das ganze Fahrzeug und hängt natürlich beispielsweise auch vom Luft- und vom Rollwiderstand ab. 56.2.2.5

Luftaufwand und Liefergrad

Im 7 Abschn. 56.1.4.1 wurde der Verbrennungsmotor als „Luftpumpe“ bezeichnet. Im Idealfall saugt der Motor pro Arbeitsspiel so viel Ladung an, wie im Motorhubvolumen Platz ist. Multipliziert mit der Luftdichte L ergibt sich dann der Luftmassenstrom m P L;ideal : m P L;ideal D i  n  L  VH

(56.17)

Die Luftdichte kann man mit der thermischen Zustandsgleichung für ideale Gase (vergleiche [32]) aus dem Luft-

druck p, der Lufttemperatur T und der Gaskonstanten für Luft R berechnen:  p  (56.18) L D R  T vor Zyl Der Zustand „vor Zylinder“ entspricht beim ungedrosselten Motor näherungsweise dem Umgebungszustand. Beim gedrosselten Motor entspricht er dem Zustand nach der Drosselklappe und beim aufgeladenen Motor dem Zustand der Ladeluft. Im realen Fall wird der Motor weniger Ladung ansaugen, als es dem Idealfall entspricht. Denn die Ventile öffnen nur eine relativ kleine Fläche des Zylinderquerschnittes. Und bei hohen Drehzahlen reicht die Zeit oft kaum aus, um den Zylinder vollständig mit Luft zu füllen. Deswegen kann man einen Wirkungsgrad des Ladungswechsels definieren, der beschreibt, wie gut der reale Massenstrom dem ideal möglichen entspricht. Dieser Wirkungsgrad des Ladungswechsels heißt in der englischsprachigen Literatur „volumetrischer Wirkungsgrad“, was man gut verstehen kann. In der deutschen Literatur wird er als Luftaufwand a bezeichnet: a D

m P Ladung durch den Motor m P L;ideal

(56.19)

Bei manchen Motoren sind die Einlass- und die Auslassventile kurzzeitig gemeinsam geöffnet (Ventilüberschnei-

1094

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

dung, vergleiche 7 Abschn. 56.1.3.1). Dann kann es zum Durchströmen der Ladung kommen, sodass angesaugte Ladung direkt in den Abgaskanal gelangt. Dann verbleibt im Zylinder nicht so viel Ladung, wie durch die Einlassventile angesaugt wurde. Der Liefergrad l beschreibt diesen Effekt, indem er die tatsächlich im Zylinder vorhandene Ladungsmasse berücksichtigt: l D

56

m P Ladung im Zylinder i  n  mLadung im Zylinder D m P L;ideal m P L;ideal (56.20)

Moderne Motoren haben im Allgemeinen 4-Ventil-Technik (zwei Einlass- und zwei Auslassventil pro Zylinder) und optimierte Ansaug- und Abgassysteme. Deswegen sind die heutigen Luftaufwandzahlen recht hoch und liegen häufig in einer Größenordnung von 0,9 bis 1,0. Bei einer besonders guten Abstimmung der Ansaugsysteme (vergleiche 7 Abschn. 56.1.4.1 und 7 Abschn. 56.4) können durch dynamische Effekte a -Werte von bis zu 1,1 erreicht werden: Der Motor saugt also mehr Ladung an, als es dem mittleren Druck vor Zylinder entspricht. Das ist gewissermaßen eine leichte Aufladung durch geschickte Ausnutzung der Druckdynamik. 56.2.2.6

Mittlere Kolbengeschwindigkeit

Die Geschwindigkeit des Kolbens ändert sich ständig mit der Kurbelwellenumdrehung. Man kann aber eine mittlere Kolbengeschwindigkeit vm (vergleiche 7 Abschn. 56.1.5.1) dahingehend definieren, dass der Kolben während einer Motorumdrehung zweimal den Kolbenhub s zurücklegt: vm D 2  s  n

(56.21)

Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist ein Maß für die Belastung insbesondere der Bauteilgruppe Kolbenringe/Kolben/Laufbuchse. Typische Zahlenwerte sind etwa 20 m=s bei Pkw-Motoren und 10 m=s bei langsamlaufenden Schiffsdieselmotoren. 56.2.2.7

56.2.3

Motorsimulation

Experimente an Verbrennungsmotoren werden üblicherweise auf Motorprüfständen durchgeführt. Diese sind aufwendig und erfordern eine zum Teil sehr teure Messtechnik. So kostet beispielsweise die Abgasmessanlage zur Bestimmung der gasförmigen Schadstoffkonzentrationen ca. 300.000 EUR. Schon lange versucht man deswegen, einen Teil der Prüfstandsarbeiten durch Simulationen zu ersetzen. Die einfachen thermodynamischen Berechnungen, die zu den bekannten Gleichraum- und Gleichdruckprozessen führen, sind viel zu ungenau. Komplizierte thermodynamische Berechnungen sind aufwendig und erfordern eine Kalibrierung der Modelle durch Messwerte. Besonders komplex ist die Kalibrierung der Modelle für die Verbrennung. Letztlich gelingt es noch keinem Verbrennungsmodell, alle Änderungen, die an einem Motor vorgenommen werden können (Zündzeitpunkt bei Ottomotor, Einspritzbeginn, Voreinspritzung und Einspritzdruck beim Dieselmotor, Luftbewegungen und Turbulenzen im Brennraum, Hydraulik der Einspritzanlage, . . . ), so zu berücksichtigen, dass die Verbrennung richtig vorausberechnet wird. Deswegen ist es immer notwendig, die Verbrennung im Innern des Zylinders zu messen, um die Verbrennungsmodelle der Simulationstools zu kalibrieren. Die Standardmethode hierfür ist die Methode der Zylinderdruckindizierung mit anschließender Druckverlaufsanalyse [32]. Man misst dazu mit einer aufwendigen Messtechnik den Druck im Zylinder des Motors mit einer hohen zeitlichen Auflösung und wertet ihn thermodynamisch aus. Als Ergebnis erhält man den sogenannten Brennverlauf, der die zeitliche Energiefreisetzung durch die Verbrennung beschreibt. Neben der thermodynamischen Simulation werden Verbrennungsmotoren auch mit 3D-Strömungssimulationen berechnet. Hierbei geht es vor allem um die Strömungsverhältnisse im Ansaugsystem, im Zylinderkopf, im Zylinder und im Abgassystem. Mit hydraulischen Simulationen werden vor allem die Einspritzanlage sowie die Schmieröl- und Kühlkreisläufe untersucht. Mechanische Simulationen untersuchen die Belastungen und die Haltbarkeit der Bauteile.

Hub-Bohrung-Verhältnis

Wenn man (vielleicht bei einer sportlichen Motorauslegung) die Drehzahl erhöhen möchte, dann muss man den Kolbenhub entsprechend reduzieren, um die mittlere Kolbengeschwindigkeit und damit den Verschleiß nicht anwachsen zu lassen. Der kleinere Kolbenhub würde das Zylinderhubvolumen verringern und muss mit einem größeren Zylinderdurchmesser D kompensiert werden. Dadurch ändert sich das Hub-Bohrung-Verhältnis s/D. PkwBenzinmotoren haben hier üblicherweise Werte von etwa 1. Sportliche Motoren haben Werte kleiner 1 („Kurzhuber“) bis hinunter zu 0,5 bei Rennmotoren. Dieselmotoren haben Werte leicht größer 1 („Langhuber“) bis hin zu 4 bei langsamlaufenden Schiffsdieselmotoren.

56.3

Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

Verbrennungsmotoren bestehen aus den Hauptbaugruppen Kurbeltrieb (Kurbelwelle, Pleuelstange und Kolben), Motorgehäuse und Ventiltrieb. Hinzu kommen die Baugruppen und Aggregate, die für den Betrieb erforderlich sind, wie Kraftstoffsystem, Abgasanlage, Motorelektrik, Kühl- und Schmiersystem. . Abb. 56.39 zeigt die Hauptbaugruppen des 1,0-l-Dreizylinder-TSI-Motors von Volkswagen. . Abb. 56.40 zeigt den Querschnitt durch einen Dieselmotor.

1095 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.39 Hauptbaugruppen des 1,0-l-Dreizylinder-TSI-Motors von VW [8]

. Abb. 56.40 Querschnitt durch einen Dieselmotor [Mahle GmbH]

56

1096

56.3.1

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

Kolben

Der Kolben ist das zentrale Bauteil, das die durch die Verbrennung freigesetzte Energie in Arbeit umwandelt. 1 Aufgaben

Der Kolben 4 dichtet den Verbrennungsraum gegen das Kurbelgehäuse ab. 4 nimmt den bei der Verbrennung entstehenden Gasdruck auf und gibt ihn als Kraft an die Pleuelstange weiter. 4 nimmt einen Teil der durch die Verbrennung freigesetzten Wärme auf und leitet diese an die Laufbuchse und an das Schmieröl weiter. 4 unterstützt die Luftbewegung und damit die Gemischbildung im Brennraum.

56

. Abb. 56.41 Deformation von Kolben und Bolzen unter der Gaskraft [25]

1 Belastungen

Der Kolben wird durch den Gasdruck sehr großen Kräften ausgesetzt. Hinzu kommen die Massenträgheitskräfte durch die oszillierende Bewegung des Kolbens. Weil die Kolbenkraft an die im Allgemeinen schräg stehende Pleuelstange abgegeben wird, verbleibt eine Restkraft, die den Kolben an die Zylinderwand drückt. Durch die Pendelbewegung der Pleuelstange ändert diese Seitenkraft während eines Arbeitsspiels ihre Größe und ihre Richtung. Durch die Seitenkraft schlägt der Kolben während eines Arbeitsspiels eventuell mehrfach an die Zylinderwand. Dieses Verschleiß hervorrufende Phänomen kann abgemildert werden. Dazu versetzt man die Kolbenbolzenachse um etwa 1 mm von der Symmetrieachse (Desachsierung). Alternativ kann man auch die Zylinderachse gegenüber der Kurbelwelle etwas versetzen. Zusätzlich zu den Gas- und Massenkräften wird der Kolben auch durch Reibungskräfte belastet. Diese sind nicht unerheblich und erhöhen den Kraftstoffverbrauch des Motors gerade im Schwachlastgebiet. Durch die hohen Massenkräfte und durch die thermische Belastung deformiert sich der Kolben auf eine charakteristische Weise (vergleiche . Abb. 56.41). Dem begegnet man, indem man den Kolben unsymmetrisch (oval statt rund und ballig statt zylindrisch) fertigt. Im kalten Zustand hat der Kolben dann im Zylinder ein relativ großes Spiel, das im betriebswarmen Zustand kleiner wird. 1 Werkstoffe und Herstellung

Aufgrund der hohen Belastungen sollen Kolben und ihre Werkstoffe folgende Eigenschaften haben: 4 eine geringe Dichte 4 eine hohe Festigkeit 4 eine gute Wärmeleitfähigkeit 4 eine geringe Wärmeausdehnung 4 eine geringe Reibung 4 einen geringen Verschleiß

. Abb. 56.42 Größenvergleich von Stahlkolben und Aluminiumkolben [KSPG AG]

4 einen geringen Ölverbrauch 4 wenig Laufgeräusch Um das zu erreichen, verwendet man als Werkstoff meistens Aluminium-Silizium-Legierungen. Sehr hoch belastete Kolben werden aus Stahl hergestellt (vergleiche . Abb. 56.42). Die Dichte von Stahl ist zwar deutlich größer als die von Aluminium. Durch die höhere Festigkeit von Stahl kann dieser Nachteil aber weitgehend ausgeglichen werden. Durch die immer weitere Anhebung der Verbrennungshöchstdrücke ist zu erwarten, dass der Anteil von Stahlkolben in den nächsten Jahren noch steigen wird. Kolben werden meistens gegossen, bei hohen Belastungen aber auch geschmiedet (gepresst). Die Lauffläche (Kolbenschaft) wird häufig beschichtet, um ein besseres (Einlauf-)Verhalten und weniger Reibung zu erzielen. Hierzu verwendet man eine galvanisch aufgetragene Eisen-

1097 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.43 Leichtbaukolben eines Ottomotors (Mahle) [6]

56.3.2

Kolbenringe

Kolben enthalten im Allgemeinen mehrere Nuten, in denen Kolbenringe eingebaut sind. 1 Aufgaben

Die oberen Kolbenringe (Verdichtungsringe) sollen 4 den Brennraum gegen das Kurbelgehäuse abdichten 4 Wärme vom Kolben auf die Laufbuchse übertragen

. Abb. 56.44 Pkw-Diesel-Kolben mit gekühltem Ringträger [2]

Die unteren Kolbenringe (Ölabstreifringe) sollen den Schmierölverbrauch der Kombination Kolben-Kolbenringe-Laufbuchse so einstellen, dass der Ölverbrauch nicht zu hoch wird und gleichzeitig die Reibung und der Verschleiß minimiert werden.

oder Zinnschicht sowie Kunstharzbeschichtungen, die ver-1 Gestaltung schiedene Materialien wie Grafit, Titanoxid oder Molybdän Kolbenringe sind elastisch und liegen unter radialer Vorspannung an der Zylinderwand an. Ihre Dichtwirkung enthalten können. wird aber nicht durch diese Elastizität, sondern durch Verformungen durch den Gasdruck erreicht (vergleiche 1 Gestaltung . Abb. 56.45). Um eine hohe Dichtwirkung und zugleich . Abb. 56.43 zeigt wichtige Bezeichnungen an Kolben. eine geringe Reibung und einen geringen Verschleiß zu erKolben werden insbesondere bei hohen Drehzahlen reichen, haben die Kolbenringe an der Lauffläche spezielle großen Beschleunigungen ausgesetzt. Um die Kräfte klein geometrische Anschrägungen (Trapez- oder Nasenminuzu halten, ist man bestrebt, die Kolbenmasse möglichst getenringe, vergleiche . Abb. 56.46). Als Ölabstreifringe ring zu halten. Das geschieht in erster Linie durch eine kommen Dachfasen-, Ölschlitz-, Schlauchfeder- und Lamöglichst geringe Kompressionshöhe. (Das ist die Bauhömellenringe zum Einsatz. Die Ölabstreifringnut ist mit he zwischen Kolbenbolzenmitte und Kolbenoberkante.) Da Bohrungen versehen, durch die das Öl auf die KolbenKolben stark thermisch belastet werden, muss ihre Temschaftinnenseite gedrückt wird (Kolbenbolzenschmierung). peratur teilweise mit Zusatzmaßnahmen abgesenkt werden. Eine Möglichkeit ist es, den Kolben von unten mit Schmier1 Werkstoffe und Herstellung öl anzuspritzen. Dieses kühlt dann die Kolbenunterseite. Kolbenringe bestehen meistens aus vergütetem Gusseisen Besser ist es, in den Kolben Kühlkanäle einzugießen und oder aus hochlegiertem Stahl. Ihre Lauffläche ist oft bedas Schmieröl über entsprechende Bohrungen in diese schichtet (Molybdän, Chrom, Phosphat, Zinn). Kühlkanäle zu spritzen. Dadurch wird der Kolben von innen gekühlt. . Abb. 56.44 zeigt einen Dieselmotor-Kolben mit eingegossenem Kühlkanal. 56.3.3 Kolbenbolzen Um den Verschleiß der sehr stark beanspruchten Nut des obersten Kolbenrings zu begrenzen, wird teilweise ein Ringträger in den Kolben eingegossen. Diesen kann man in Der Kolbenbolzen überträgt die Kräfte vom Kolben auf . Abb. 56.44 ebenfalls erkennen. die Pleuelstange. Um die oszillierenden Massenkräfte klein

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1098

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

Gasdruck

Gasdruck

Federkraft

Reibkraft

durch Schleifen und Kurzhubhonen (Superfinish) feinbearbeitet werden. Nach der Bolzenlagerung unterscheidet man Klemmpleuel und schwimmende Lagerung, bei der sich der Bolzen frei in der Bolzenaugen- und Pleuelbohrung drehen kann. Sicherungs- oder Drahtsprengringe sichern in axialer Richtung (vergleiche . Abb. 56.47). Die Lagerung ist fresssicher und verschleißarm. Die Schmierung erfolgt über die Ölbohrung im Pleuel. Beim Klemmpleuel (vergleiche . Abb. 56.47) sitzt der Kolbenbolzen mit Schrumpfsitz in der Pleuelstange und hat eine Spielpassung in der Bolzennabe. Axiale Sicherungselemente können entfallen.

Gasdruck

56.3.4 Massenkraft

56

Reibkraft

Bewegungsrichtung des Kolbens

Pleuelstange

Die Pleuelstange (auch: der Pleuel) verbindet den Kolben mit der Kurbelwelle.

. Abb. 56.45 Kräfte am Kolbenring: Die Dichtwirkung ergibt sich1 Aufgaben durch den Gasdruck, der von oben und von hinten den Kolbenring an die Die Pleuelstange Ringnut und an die Laufbuchse drückt [2]

4 überträgt die Kolbenkräfte auf die Kurbelwelle. 4 wandelt die oszillierende Bewegung des Kolbens in eine Rotationsbewegung um.

zu halten, muss seine Masse möglichst gering sein (Hohlbohrung). Die Belastung des Kolbenbolzens ändert sich während des Arbeitsspiels sehr schnell. Er wird auf Flä-1 Gestaltung chenpressung, Biegung und Ovalverformung (Durchmes- Die Pleuelstange besteht aus dem Pleuelkopf mit einer servergrößerung quer zur Belastungsrichtung) beansprucht, Gleitlagerbuchse für den Kolbenbolzen, I- oder H-förmiweswegen er eine hohe Wechselfestigkeit und Zähigkeit gem Pleuelschaft und dem gerade- oder schräg geteilten aufweisen muss. Wegen der nur geringen Relativbewe- Pleuelfuß mit Pleueldeckel (vergleiche . Abb. 56.48). Beigung (Drehbewegung) zwischen Kolben und Bolzen bzw. de Bohrungen werden auch Pleuelaugen genannt. Das Bolzen und Pleuel liegen zudem ungünstige Schmierver- obere Pleuelauge ist das kleine, das untere das große. hältnisse vor. Als Werkstoffe werden Einsatzstähle und Ungeteilte Pleuel mit Wälzlagern werden für EinzylinderNitrierstähle verwendet, die nach dem Oberflächenhärten motoren mit zusammengesetzter Kurbelwelle verwendet. . Abb. 56.46 Kolbenringbauarten. Links: Kompressionsringe. Rechts: Ölabstreifringe [nach [18]]

1099 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.47 Kolbenbolzenlagerung (Spiel übertrieben dargestellt). Links: Schwimmende Lagerung. Rechts: Klemmpleuel [15]

. Abb. 56.49 Gewichtsoptimierte Pleuelstange des 1,4-l-TSI-Motors von Volkswagen [35]

1 Werkstoffe und Herstellung

. Abb. 56.48 Komponenten des Systems Kolben – Kolbenbolzen – Pleuelstange [6]

Pleuelstangen werden aus legiertem Vergütungsstahl (gesenkgeschmiedet), aus schmiedegesinterten legiertem Stahlpulver oder Temperguss und Kugelgrafitguss hergestellt. Das große Pleuelauge wird durch Cracken getrennt. Die körnige Struktur der Bruchstelle liefert einen unverwechselbaren Passsitz mit gutem Verzahnungseffekt. Deswegen kann man auf sonst notwendige Passhülsen verzichten. Der Pleuellagerdeckel wird mittels Passdehnschrauben, Dehnschrauben und Passhülsen oder durch Kerbverzahnung zwischen Lagerdeckel und Pleuelfuß passgenau verschraubt.

Die Schmierung der Pleuelbuchse wird entweder durch Tropföl (Senkung im Pleuelauge) oder durch Druckölschmierung über längs durchbohrte Pleuel oder Ölspritzdüsen ausgeführt (Hochleistungsmotoren). Das Gewicht und die Gestaltung des Pleuels beeinflussen wesentlich das Laufverhalten des Motors. Deswegen1 Belastung wird eine Gewichtsminimierung immer wichtiger (verglei- Die Pleuelstange wird durch den Verbrennungsdruck auf che . Abb. 56.49). Knickung und Druck, durch die Massenträgheitskräfte des

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1100

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.50 Funktionselemente einer Kurbelwelle

Ölkanal

Kurbelzapfen

56

Hohlradien

Wellenzapfen

Kurbelkröpfung

Kurbelwange mit Gegengewicht

Flansch

Kolbens im oberen Totpunkt auf Zug und durch die Fliehkräfte bei höheren Drehzahlen auf Biegung beansprucht.

56.3.5

Kurbelwelle

Die Kurbelwelle ist das zentrale Bauteil im Innern des Kurbelgehäuses. 1 Aufgaben

Die Kurbelwelle 4 wandelt die Kräfte, die vom Kolben und der Pleuelstange exzentrisch auf sie einwirken, in ein Drehmoment um. 4 gibt den größten Teil dieses Drehmoments auf der Kupplungsseite (KS) an die Kupplung ab. . Abb. 56.51 Gegossene Kurbelwelle eines Vierzylindermotors [2] 4 gibt einen Teil des Drehmoments auf der Kupplungsgegenseite (KGS) an die dort angeschlossenen Hilfsaggregate ab. Das sind im Allgemeinen die KühlwasDas statische und das dynamische Auswuchten der Kurserpumpe, die Ölpumpe und der Generator sowie der belwelle erfolgt durch Anbohren der Ausgleichsgewichte. Ventiltrieb und andere Verbraucher (zum Beispiel Klimakompressor). 1 Werkstoffe und Herstellung Kurbelwellen werden gegossen (vergleiche . Abb. 56.51) 1 Gestaltung oder geschmiedet. In den letzten Jahren hat wegen der Die Kurbelwelle (vergleiche . Abb. 56.50) besteht aus Steigerung der Drehmomente der Anteil der geschmiedeKröpfungen (Kurbelzapfen zwischen zwei Wangen), an de- ten Wellen zugenommen. Gegossene Kurbelwellen werden nen die Pleuelstangen angeschlossen sind. Zwischen den aus Kugelgrafitguss (schwingungsdämpfend) hergestellt. Kröpfungen wird die Kurbelwelle mit Gleitlagern im Kur- Im Gesenk geschmiedete oder (bei Großmotoren) freibelgehäuse gelagert. Die Gestalt wird von der Zylinderan- formgeschmiedete (günstiger Faserverlauf) Kurbelwellen ordnung (Reihen-, V- oder Boxermotor), der Zylinderan- werden aus Vergütungsstahl oder Nitrierstahl hergestellt. zahl, der Lage und Anzahl der Hauptlager, vom Kolbenhub und der Zündfolge (Einspritzfolge) des Motors bestimmt. 1 Belastung Die Lager der Kurbelwelle liegen bei Otto- und Die- Kurbelwellen werden auf Torsion, Biegung (Massenträgselmotoren meist hinter jeder Kurbelwellenkröpfung. Die heits- und Pleuelstangenkräfte) und durch WechselbeanKurbelwangen können so angeordnet sein, dass für je- spruchung der mechanischen Drehschwingungen beanden Kurbelzapfen ein oder zwei Gegengewichte vorhanden sprucht. Diese setzen sich aus den umlaufenden Massensind. Zur Ölversorgung sind Pleuellagerzapfen und Kur- kräften von Kurbelwange und Kurbelzapfen, den oszilliebellagerzapfen durch diagonale Bohrungen miteinander renden Massenkräften des Kolbens und der Pleuelstange verbunden. und aus dem Pleuelstangenanteil an den rotierenden und

1101 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.53 Power-Cell-Unit: Bei der Power-Cell-Unit liefert der Hersteller die komplette Kombination von Kolben, Ringen, Kolbenbolzen, Pleuelstange und Laufbuchse [Mahle GmbH]

. Abb. 56.52 Kurbelwellen von 12-Zylinder-Motoren. Links: W12-Motor. Rechts: V12-Motor. Man kann in den Wangen die Bohrungslöcher erkennen, mit denen die Kurbelwelle ausgewuchtet wurde. Weiterhin kann man die Bohrungen vom Hauptlager zu den Pleuellagern erkennen. Über diese Bohrungen wird Schmieröl zu den Pleuellagern geführt [9]

Schwungrad gegenüberliegenden Seite sind Drehschwingungsdämpfer angeordnet, die als Viskose-, Feder- oder Gummidämpfer in die Riemenscheibe oder das Steuerzahnrad integriert sind. Durch die Trägheit ihrer Dämpfungsmassen werden die Drehschwingungen der Kurbelwelle gedämpft, indem die Dämpfungselemente elastisch verformt werden. Zweimassenschwungräder entkoppeln Drehschwingungen von Kurbelwelle und Schwungrad zum Getriebe und vermeiden Resonanzschwingungen an Getriebe und Aufbau (Dröhngeräusche). Das Schwungrad ist hierzu in eine Primärmasse (Motorseite) und Sekundärmasse (Getriebeseite) aufgeteilt, die über ein Feder-Dämpfer-System drehbar miteinander verbunden sind. Weil die Resonanzfrequenzen dieses Systems nicht im Betriebsbereich des Motors liegen, werden vom Motor erzeugte Drehschwingungen nicht auf das Getriebe übertragen.

oszillierenden Massenkräften zusammen. Die Größe der verbleibenden Massenkräfte und -momente ist von der Anordnung der Kurbelwellenkröpfungen und der Zündabstände abhängig. Ein vollkommener Massenausgleich ergibt sich bei 6-Zylinder-Reihen-, 6-Zylinder-Boxer- und V12-Viertaktmotoren (. Abb. 56.52). Kurbelwellen von 4-Zylinder-Reihenmotoren sind durch die um 180 ı KW versetzten Kröpfungen, durch die gegenläufige Bewegung der Kolbenpaare 2 und 3 sowie 1 und 4 und durch die Ausgleichsgewichte mit statischer 56.3.6 Zylinderrohr und dynamischer Auswuchtung für Kräfte und Momente 1. Ordnung ausgeglichen (vergleiche . Abb. 56.51). Das Zylinderrohr wird auch Zylinderbuchse oder LaufMassenkräfte 2. Ordnung (vergleiche 7 Abschn. buchse genannt. Es bildet gemeinsam mit dem Zylinder56.1.3.4) werden durch die oszillierenden Massen des Kurkopf (oben) und dem Kolben (unten) den Verbrennungsbeltriebwerks und durch die ungleichförmigen Gaskräfte raum (vergleiche . Abb. 56.53). des Viertaktverfahrens hervorgerufen. Die Massenkräfte 2. Ordnung laufen mit der doppelten Kurbelwellen1 Aufgaben drehzahl um und können nicht durch Auswuchten oder Das Zylinderrohr Ausgleichsgewichte an der Kurbelwelle beseitigt werden. 4 führt den Kolben. Zum Ausgleich von Massenkräften dienen die zunehmend 4 ist Gleitbahn für die Kolbenringe. verwendeten Ausgleichssysteme mit Massenausgleichs4 leitet die Verbrennungswärme ab. wellen, die mit entgegengesetzter Drehrichtung und 4 nimmt den Verbrennungsdruck auf. doppelter Kurbelwellendrehzahl umlaufen (vergleiche 4 bildet den seitlichen Abschluss des Brennraums. . Abb. 56.13). 1 Gestaltung 1 Drehschwingungsdämpfer Das Zylinderohr ist häufig in das Kurbelgehäuse integriert Durch die Ungleichförmigkeit des Verbrennungsablaufs (vergleiche . Abb. 56.54). Es kann aber auch als separates wird die Kurbelwelle in Drehschwingungen versetzt, die Bauteil in das Gehäuse eingebaut werden: sich bei den kritischen Drehzahlen aufschaukeln und zum Nasse Zylinderrohre (Wanddicke 5 bis 8 mm) werden Bruch der Kurbelwelle führen können. Auf der dem direkt vom Kühlwasser umspült und sind bei Laufflächen-

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1102

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.54 Grundformen wassergekühlter Zylinderrohre [nach [25]]

56

. Abb. 56.55 Zylinderkurbelgehäuse mit eingegossenen Graugussbuchsen beim 3-Zylinder-Motor vom VW up! [3]

verschleiß ohne Motorausbau leicht zu wechseln (Bohrung durch Plasmaspritzen können verschleißfeste Legierungen fertig bearbeitet). Die Abdichtung zum Wasserraum erfolgt aufgetragen werden. über Gummidichtringe, zum Zylinderkopf über die Zylinderkopfdichtung. Nasse Zylinderrohre können aber auch1 Belastung bei der Herstellung des Kurbelgehäuses mit eingegossen Das Zylinderohr ist im Betrieb Gas-, Massen- und Einspannkräften ausgesetzt. Hinzu kommen thermische Bewerden (vergleiche . Abb. 56.55). Trockene Laufbuchsen (Wanddicke 1,5 bis 2 mm) wer- lastungen durch die Temperaturunterschiede zwischen Verden in die Zylinderbohrung eingepresst und sind nicht vom brennung und Wasserkühlung. Die Kolben und die Kolbenringe belasten die Zylinderrohre mechanisch durch die Kühlwasser umspült. Reibung. 1 Werkstoffe und Herstellung

Zylinderrohre werden wegen seiner guten Laufeigenschaften vor allem aus Gusseisen mit Lamellengrafit (Schleuderoder Sandguss) hergestellt. Die Lauffläche wird gehont. Dadurch werden Motoreinlaufzeit und Verschleiß verringert. Das Honbild beeinflusst den Ölhaushalt der Zylinderlauffläche. Insbesondere muss die Oberfläche eine Restmenge an Öl halten, sodass beim Motorstart nach einem längeren Motorstillstand noch genügend Schmierwirkung vorhanden ist. Bei Aluminium-Zylinderblöcken mit integrierten Laufbuchsen kann die Oberfläche auch durch elektrochemisches Ätzen bearbeitet werden. Ebenso ist eine galvanische Beschichtung möglich. Durch Lichtbogendrahtspritzen oder

56.3.7

Kurbelgehäuse

Motorgehäuse bestehen aus dem Kurbelgehäuse inklusive dem Zylinderblock (Zylinderkurbelgehäuse) oder den Einzelzylindern, dem Zylinderkopf (7 Abschn. 56.3.8), der Zylinderkopfhaube, der Zylinderkopfdichtung (7 Abschn. 56.3.9) und der Ölwanne. Das Gehäuse dient auch als Anbauteil für die Motoraufhängung und die Nebenaggregate (Starter, Generator usw.). Das Kurbelgehäuseoberteil mit der Kurbelwellenlagerung wird bei wassergekühlten Motoren mit dem Zylinderblock meist in einem Stück gegossen (Zylinderkurbelgehäuse).

1103 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.57 Zylinderkurbelgehäuse von V8-Motoren in Open-DeckBauweise (links) und in Closed-Deck-Bauweise (rechts) [15] . Abb. 56.56 Bed-Plate-Kurbelgehäuse vom Porsche Carrera GT [Mahle GmbH] 1 Werkstoffe und Herstellung

1 Aufgaben

Kurbelgehäuse werden im Allgemeinen in einem Stück gegossen. Als Werkstoffe verwendet man Gusseisen mit Lamellengrafit (Grauguss), Gusseisen mit Vermikulargrafit (GGV) und Aluminium-Legierungen. (BMW arbeitet als erster Hersteller mit einem Magnesium-AluminiumVerbundkurbelgehäuse (vergleiche . Abb. 56.58).) Grauguss verfügt über eine hohe Steifigkeit und Festigkeit, eine geringe Wärmeausdehnung, eine gute Geräuschdämpfung und ein gutes Lauf- und Verschleißverhalten. Gusseisen mit Vermikulargrafit verfügt über eine höhere Festigkeit und Steifigkeit, wodurch höhere Verbrennungshöchstdrücke oder dünnere Wandstärken möglich sind. AluminiumLegierungen haben eine geringe Dichte und eine gute Wärmeleitfähigkeit. Allerdings ist der Werkstoff für die Zylinderlaufbahnen weniger geeignet, weswegen diese beispielsweise beschichtet werden (zum Beispiel Nikasilbeschichtung).

Das Zylinderkurbelgehäuse 4 nimmt die Kurbelwelle auf und lagert sie. 4 stellt im Zylinderblock das Gehäuse für die Zylinder dar. 4 schließt nach unten mit der Ölwanne und in Längsrichtung mit Radialwellendichtringen für den Kurbelwellendurchtritt ab. 4 enthält die Ölschmierung und die Kühlwasserversorgung der Zylinder. 4 enthält ein System zur Kurbelgehäuseentlüftung. 4 nimmt die Gas- und Massenkräfte in den Kurbelwellenlagerungen und in den Verschraubungen der Zylinderkopfschrauben auf. 4 enthält Anschlüsse zur Befestigung von Nebenaggregaten (beispielsweise Ölpumpe oder Kühlwasserpumpe) und zur Motorlagerung 1 Belastung Wegen der großen Zug- und Druckkräfte sowie der Biege1 Gestaltung und Torsionsspannung muss das Kurbelgehäuse eine hohe Das Kurbelgehäuse ist häufig in Höhe der Kurbelwellen- Festigkeit und Formsteifigkeit aufweisen. lager geteilt. Die Kurbelwelle wird dann von unten in das Kurbelgehäuse eingebaut. Die Kurbelwellen-Gleitlager werden mit entsprechenden Lagerdeckeln befestigt. Bei hochbelasteten Motoren werden die einzelnen Lagerdeckel öfter durch ein gemeinsames Bed-Plate ersetzt (vergleiche . Abb. 56.56). Dieses Bed-Plate enthält alle Lagerschalen und erhöht die Steifigkeit des Gesamt-Kurbelgehäuses. Nach unten hin wird das Kurbelgehäuse durch die Ölwanne abgeschlossen. Diese nimmt beim Viertaktmotor die Ölfüllung auf. Sie wird aus Stahlblech oder Aluminium-Guss hergestellt. Zylinderkurbelgehäuse mit flüssigkeitsgekühlten Zylindern werden meist in Closed-Deck-Ausführung (vergleiche . Abb. 56.57) hergestellt. Die Abdichtfläche der Zylinder zum Zylinderkopf ist um die Zylinderbohrung herum geschlossen. Bei der Open-Deck-Ausführung ist der Kühlflüssigkeitsmantel an der Zylinderkopfdichtfläche um die Zylinderbohrungen herum offen. Sie erfordert Metall-Zy- . Abb. 56.58 Kurbelgehäuse von BMW in Magnesium-AluminiumVerbundbauweise [6] linderkopfdichtungen.

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Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

56

. Abb. 56.59 Kurbelgehäuseentlüftung beim TSI-Motor von VW: Das vom Öl befreite Kurbelgehäusegas wird je nach den Druckverhältnissen entweder vor dem Kompressor oder nach der Drosselklappe der Frischluft beigemischt [16]

4 trägt durch die Geometrie der Gaswechselkanäle und der Wand auf der Brennraumseite wesentlich zur VerDie Kurbelgehäuseentlüftung (. Abb. 56.59) verhindert brennungsbeeinflussung und Gemischbildung bei. ein Entweichen von am Kolben vorbeistreichenden unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Leckageströmungen an 4 ist thermisch hoch belastet und wird deswegen mit Kühlwasser gekühlt. den Kolbenringen (Blow-by-Gase) und von Öldämpfen (Kurbelwangenmitriss) in die Atmosphäre. Das Öldampf- 4 enthält Bohrungen für die Zündkerze (Ottomotor) und die Einspritzdüse (direkteinspritzende Diesel- und OtGasgemisch wird aus dem Kurbelgehäuse angesaugt, der tomotoren). Ölanteil in einem Ölabscheider (Prallblech oder Zyklon oder Zentrifuge) getrennt und die Gase dem Ansaugsystem 1 Belastungen zugeführt. Der Zylinderkopf wird durch die Verbrennungstemperatur und den Verbrennungsdruck thermisch und mechanisch hoch belastet. Innerhalb des Zylinderkopfes gibt es durch 56.3.8 Zylinderkopf die unterschiedlichen Wärmeströme sehr große Temperaturgradienten. Deswegen muss durch eine sehr gute WärDer Zylinderkopf schließt den Verbrennungsraum nach meleitfähigkeit darauf geachtet werden, dass nicht allzu oben hin ab. Er ist mit dem Kurbelgehäuse mit langen große thermische Spannungen entstehen. Eine DeformatiZylinderkopfschrauben verschraubt. Zwischen Kurbelge- on der Dichtflächen durch die hohen mechanischen Belashäuse und Zylinderkopf befindet sich eine Zylinderkopf- tungen im Zylinderkopf muss vermieden werden. dichtung. 1 Gestaltung 1 Aufgaben Bei kleineren Motoren wird häufig ein Zylinderkopf für mehrere in Reihe stehende Zylinder (. Abb. 56.60) verDer Zylinderkopf wendet. Bei größeren Industriemotoren besitzt hingegen 4 dichtet den Brennraum nach oben hin ab. 4 enthält Kanäle für die Frischladung und das Abgas. Die- eher jeder Zylinder einen eigenen Zylinderkopf. Die meisse werden durch Tellerventile geöffnet und geschlossen. ten modernen Motoren besitzen eine Wasserkühlung des 1 Kurbelgehäuseentlüftung

1105 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.60 Zylinderkopf mit zweiteiligem Wassermantel und Ventiltrieb beim V6-TDI-Motor von Audi [14]

Zylinderkopfes. Bei einfachen Motoren findet man noch1 Belastungen luftgekühlte Zylinderköpfe. Die Zylinderkopfdichtung wird sehr stark chemisch, thermisch und mechanisch belastet. 1 Werkstoffe und Herstellung Der Zylinderkopf muss eine große Formsteifigkeit und ei-1 Gestaltung ne gute Wärmeleitung sowie eine geringe Wärmedehnung Bei Metall-Weichstoff-Zylinderkopfdichtungen ist auf eiaufweisen. Wegen seiner komplexen Geometrie und der nem Metallgitter als Trägerblech beidseitig eine Weichvielen Hohlräume wird er durch Gießen hergestellt. Meis- stoffauflage aus wärmebeständigem Kunststoff aufgetens wird bei Pkw-Motoren eine Aluminium-Legierungen bracht. Metalleinfassungen verstärken die Durchgangsverwendet. Bei Lkw-Motoren kommt häufig Grauguss zum öffnungen für Brennraum, Wasser- und Ölkanäle und Einsatz. Verschraubungen. In hochbelasteten Otto- und Dieselmotoren werden Metall-Mehrschicht-Zylinderkopfdichtungen (. Abb. 56.61) verwendet. Sie bestehen aus mehreren La56.3.9 Zylinderkopfdichtung gen Stahlblech, haben ein geringeres Setzverhalten und bessere Dauerhaltbarkeit als Metall-Weichstoffdichtungen. Die Zylinderkopfdichtung befindet sich zwischen Zylinder- Sie ermöglichen eine geringere Vorspannung der Zylinderkopfverschraubung (geringerer Verzug). Die Abdichtkopf und Kurbelgehäuse. funktion erfolgt im Wesentlichen durch Sicken in den Federstahllagen. Am Umfang des Brennraums werden die 1 Aufgaben Motorbauteile durch sogenannte Stopper elastisch vorgeDie Zylinderkopfdichtung 4 verhindert den Austritt von Verbrennungsgasen aus dem spannt (. Abb. 56.62). Die Stopper wurden bislang häufig durch Umfalzen hergestellt. In letzter Zeit werden die StopBrennraum. 4 verhindert den Verlust von Kühlmittel und Schmieröl per zunehmend durch Prägung hergestellt. beim Übertritt vom Kurbelgehäuse in den Zylinderkopf. 4 muss bei allen Betriebsbedingungen zuverlässig abdichten. Sie muss die Rauigkeiten und Welligkeiten 56.3.10 Ventiltrieb der Dichtflächen von Zylinderkopf und Kurbelgehäuse ausgleichen. Sie muss die durch thermische und mechanische Belastungen hervorgerufenen Relativbe- Zur Steuerung des Ladungswechsels werden bei modernen wegungen ausgleichen. Motoren fast ausschließlich Tellerhubventile (vergleiche

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1106

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.61 Zylinderkopfdichtung eines 6-Zylinder-Reihenmotors [ElringKlinger AG, Dettingen/Erms]

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. Abb. 56.63 und 56.64) verwendet. Diese werden durch eine oder häufig zwei rotierende Nockenwellen, die im Zylinderkopf gelagert sind, betätigt. Zwischen der Nockenwelle und dem Tellerventil kann sich zur Übertragung der Bewegung ein Hebelmechanismus befinden. Alle Bauteile zusammen werden als Ventiltrieb oder als Motorsteuerung bezeichnet. 1 Aufgaben

Der Ventiltrieb 4 soll die Ein- und Auslassöffnungen zum richtigen Zeitpunkt öffnen und schließen. 4 soll möglichst schnell große Strömungsquerschnitte für die Frischladung und die Abgase freigeben. 1 Ventile

Die Ventile werden in kürzester Zeit geöffnet und wieder geschlossen. Dabei werden sie stark beschleunigt und wie. Abb. 56.62 Details einer modernen Zylinderkopfdichtung [ElringKlinger AG]

der abgebremst (beispielsweise 2500-fache Erdbeschleunigung bei einer Drehzahl von 6000=min). Das führt zu enormen Massenkräften, die quadratisch mit der Drehzahl zunehmen. Zudem sind insbesondere die Auslassventile thermisch hoch belastet. Bei der Auslegung des Ventiltriebs muss deswegen auf eine ausreichende Festigkeit der Bauteile geachtet werden. Insbesondere darf es nicht zum Abheben der Ventile beispielsweise von der Nockenwelle kommen. Deswegen werden die Ventile mit starken Federkräften gegen die Nockenwelle gepresst und am Ende des Vorgangs wieder geschlossen. Die Ventilfedern müssen die Ventile bei Unterdruck während des Ansaugvorgangs dicht schließen, die Reibungskräfte beim Schließen überwinden und während der Ventilöffnungszeit die Trägheitskräfte der beschleunigten Ventil- und Steuerungsteilmassen abfangen. Die Ventilteller sollten so groß wie möglich gestaltet werden, um die Gasdurchtrittsgeschwindigkeit niedrig zu halten und die Füllung zu verbessern. Dabei dürfen aber Mindeststegbreiten zwischen den Ventilen im Zylinderkopf nicht unterschritten werden. Einlassventile (Betriebstemperatur ca. 500 ı C) werden meist als Einmetallventil aus hochlegiertem Stahl mit gehärteten Sitzflächen und Schaftenden hergestellt. Der Tellerdurchmesser ist oft größer als bei Auslassventilen (bessere Zylinderfüllung). Auslassventile werden thermisch hoch belastet (Betriebstemperatur ca. 800 ı C) und sind als Bimetallventile (Kopfstück aus warmfestem hochlegiertem Stahl mit Schaft aus einem weniger hoch legierten Stahl) durch Reibschweißen stumpf verschweißt. Die Auslassventile werden gekühlt, indem sie Wärme über den Ventilschaft an die Ventilführung und damit an den Zylinderkopf abgeben. Austauschbare Ventilführungen aus Kupfer-Zink-Legierungen werden in Aluminium-Zylinderköpfen eingepresst und ermöglichen eine gute Wärmeableitung. Eine Ventilschaftabdichtung verhindert zu großen Öltransport in den Verbrennungsraum.

1107 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.63 Anordnung der Komponenten im Zylinderkopf [19]

gleich kompensiert werden. Ist das Ventilspiel zu klein, so schließt das Ventil nicht bei Betriebstemperatur (Leistungsverlust, Verbrennen des Ventiltellers, Flammenrückschlag in den Ansaugkanal). Ist das Ventilspiel zu groß, so wird infolge kürzerer Öffnung die Füllung verschlechtert (Leistungsverlust, geräuschvoller Lauf). Das Ventilspiel wird durch Einstellschrauben (Schwing- und Kipphebelbetätigung) oder Ausgleichsscheiben zwischen Tassenstößel und Nockenwelle eingestellt. Bei modernen Motoren erfolgt der Ventilspielausgleich durch hydraulische Elemente. Diese sind an den Motorölkreislauf angeschlossen und gleichen über ein Öldrucksystem mit Spielausgleichsfeder das Spiel aus. Die Ventile sollen sich im Betrieb leicht drehen. Dadurch sinkt die thermische Belastung. Ablagerungen durch Verbrennungsrückstände (Öl, Kraftstoff) werden vermindert. Die Drehbewegung kann durch einen leichten seitlichen Versatz zwischen Nocken- und Stößelmitte erreicht werden. Zuweilen werden auch Ventildrehvorrichtungen verwendet, die die Ventile aktiv bei jeder Betätigung etwas drehen.

Um die Wärmeübertragung vom Ventilteller zum Ven-1 Nockenwellen tilschaft zu intensivieren, werden Auslassventile immer Moderne Motoren besitzen eine oder häufig zwei (jeweils häufiger hohl angefertigt (vergleiche . Abb. 56.65). Der für die Einlass- bzw. die Auslassventile) Nockenwellen, die Innenraum ist teilweise mit Natrium gefüllt, das bei 97 ı C im Zylinderkopf gelagert werden (vergleiche . Abb. 56.66 schmilzt und durch die Schüttelwirkung Wärme vom Ven- und 56.67). tilteller zum Ventilschaft transportiert. Dadurch sinkt die Die Übertragung des Nockenhubes auf den Ventilhub Ventiltemperatur um etwa 100 K. erfolgt über Schwinghebel (auch Schlepphebel genannt), Auslassventil-Sitzflächen werden oft mit Hartmetall ge- Kipphebel oder direkt über einen Stößelantrieb (vergleiche panzert oder gehärtet. Zudem werden Ventilsitzringe aus . Abb. 56.68). Zunehmend eingesetzte RollenschwingheGusseisen oder Sintermetall in Aluminium-Zylinderköpfe bel oder Rollenkipphebel reduzieren deutlich die Reibleiseingeschrumpft. tung im Ventiltrieb. Kipp- und Schwinghebel werden aus Im Betrieb dehnen sich die Ventile aus. Damit sicheres Stahlblech oder Leichtmetall gepresst oder geschmiedet. Schließen gewährleistet wird, muss die Längenänderung Tassenstößel aus Stahl werden durch Kalt- oder Warmfließdurch ein Ventilspiel oder durch hydraulischen Spielaus- pressen hergestellt. Die Ventiltriebsteile haben häufig eine . Abb. 56.64 Bezeichnungen im Ventiltrieb eines Pkw [Mahle GmbH]

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Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.65 Evolution vom klassischen Vollventil (links) über das gekühlte Hohlventil zu den beiden natriumgekühlten Ventilen EvoThermVentil und TopTherm-Ventil [Mahle GmbH]

sehr komplizierte Form. Deswegen werden sie zunehmend durch Sinterung hergestellt. Die Nockenwelle selbst bestimmt Öffnen und Schließen der Ventile zum richtigen Zeitpunkt, die Dauer der Öffnung und den Öffnungshub. Sie läuft bei Viertakt-Ottound -Dieselmotoren mit der halben Kurbelwellendrehzahl um und besitzt entsprechend der Zündfolge angeordnete Ein- und Auslassnocken. Nockenwellen werden aus legiertem Stahl geschmiedet oder aus Schalenhartguss, Temperguss und Kugelgrafitguss hergestellt. Die Lagerstellen und Nocken sind oberflächengehärtet. Teilweise werden die Nocken auch separat aus einsatz- oder induktiv gehärteten Stählen hergestellt. Anschließend werden sie mit einer Welle kraft- oder reibschlüssig verbunden (sogenannte „gebaute“ Nockenwellen, vergleiche . Abb. 56.69). Der Antrieb der Nockenwelle erfolgt auf der Stirnseite des Verbrennungsmotors (Kupplungsgegenseite) durch die Kurbelwelle. Dabei muss beim 4-Takt-Motor die Nockenwellendrehzahl halb so groß wie die Kurbelwellendrehzahl sein. Im Allgemeinen werden heute Zahnriemenoder Kettenantriebe verwendet. Ganz selten findet man den platzsparenden, aber teuren Antrieb über einen Zahnradsatz. Der Vorteile der Kette (. Abb. 56.70) ist, dass mit ihr große Momente übertragen werden können. Der Zahnriemen hingegen läuft leiser und ist preiswerter. Allerdings muss der Zahnriemen bei Pkw häufig nach 100.000 Kilometern gewechselt werden, was eine recht aufwendige Servicemaßnahme ist.

56.3.11

. Abb. 56.66 Bei älteren Motoren wurde nur eine zentral liegende Nockenwelle verwendet, die die Einlass- und Auslassventile über Kipphebel antreibt. Das Ventilspiel wird durch hydraulische Elemente ausgeglichen [25]

Lagerungen

Im Verbrennungsmotor werden an verschiedenen Stellen Lagerungen benötigt. Das sind beispielsweise die Kurbelwellen- und Nockenwellenlager sowie die Lagerungen der Pleuelstange auf der Kurbelwelle beziehungsweise auf dem Kolbenbolzen. Hinzu kommen viele andere Stellen. Nach Möglichkeit verwendet man Wälzlager, weil sie reibungsärmer sind. Aber noch immer werden für die Kurbelwellenund die Pleuellager geteilte Gleitlager verwendet. Diese sind leichter zu montieren, preiswerter und unempfindlicher gegenüber Verschmutzungen und Stoßbelastungen.

1 Anforderungen

Die Anforderungen an die Gleitlager sind sehr hoch. Sie sollen 4 eine hohe Tragfähigkeit aufweisen. 4 gute Notlauffähigkeiten aufweisen. 4 nur geringe Reibung verursachen. 4 verschleißfest sein. 4 eine gute Wärmeleitfähigkeit aufweisen. 4 leise laufen. . Abb. 56.67 Zwei obenliegende Nockenwellen beim Eco-Boost-Dreizylindermotor von Ford [11]

Gleitlager werden durch Motoröl geschmiert. Dazu pumpt die Ölpumpe Öl in die Lager. Zu Beginn der Drehbewegung

1109 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.68 Bei obenliegenden Nockenwellen werden die Ventile durch Schwinghebel (Schlepphebel) oder Kipphebel oder Stößel angetrieben [25]

56.3.12

Kühlsystem

1 Aufgaben

Das Motorkühlsystem hat die Aufgabe, 4 überschüssige Wärme vom Motor abzuführen, um die Schmierfähigkeit des Öls zu erhalten, die Warmfestigkeit der Motorbauteile nicht zu überschreiten und um den Verbrennungsprozess kontrolliert ablaufen zu lassen. 4 den Motor nach dem Kaltstart möglichst schnell auf die optimale Betriebstemperatur zu erwärmen. . Abb. 56.69 Gebaute Nockenwelle für einen Nfz-Motor [Mahle1 Kühlkreislauf GmbH] Etwa ein Drittel

sind der Zapfen und die Lagerschale noch nicht vollständig getrennt, was zu Mischreibung führt. Mit steigender Drehzahl bildet sich durch hydrodynamische Effekte ein Schmierfilm, der die Welle anhebt. In der Fachpresse finden sich immer wieder Ideen, wie man die Kurbelwellengleitlager durch reibungsärmere Rollenlager ersetzen könnte. Bislang gingen diese Ideen aber noch nicht in die Serie ein. 1 Gestaltung und Werkstoffe

Gleitlager werden meist als Mehrschichtlager ausgeführt. Zweischichtlager bestehen aus einer Stützschale und einer Gleitschicht. Bei Dreischichtlagern liegt dazwischen noch eine Tragschicht. Wegen der extrem hohen spezifischen Belastungen der Kurbelwellen- und Pleuellager in neueren Dieseldirekteinspritzer-Konstruktionen (Verbrennungshöchstdrücke von neuerdings mehr als 200 bar) werden herkömmliche Mehrschichtlager durch Sputterlager (. Abb. 56.71) ersetzt. Diese besitzen durch spezielle Beschichtungsverfahren eine höhere Tragfähigkeit und eine größere Lebensdauer. Als Lagerwerkstoffe werden Nichteisen-Metall-Legierungen (zum Beispiel mit Blei, Zinn, Zink und Kupfer), Sintermetalle oder Kunststoffe verwendet.

der durch die Verbrennung freigesetzten Kraftstoffenergie muss in Form von Wärme abgeführt werden. Ein Teil dieser Energie wird unmittelbar bei der Verbrennung als Wärme freigesetzt. Der Rest stammt aus der mechanischen Energie: Durch Reibung wird ein Teil der mechanischen Energie wieder in thermische Energie umgewandelt und ebenfalls dem Kühlsystem zugeführt. Die optimale Betriebstemperatur des Verbrennungsmotors liegt in einem Bereich von 80 ı C bis 120 ı C. Hohe Temperaturen verbessern die Gemischaufbereitung. Zudem lassen sie das Schmieröl dünnflüssiger werden. Bei zu hohen Temperaturen verliert es aber seine Schmierfähigkeit. Niedrige Temperaturen helfen, die angesaugte Frischluft nicht zu sehr zu erwärmen. Dadurch steigt die Zylinderfüllung. Moderne Kühlsysteme passen die Betriebstemperatur des Motors in jedem Kennfeldpunkt optimal an. Besonders aufwendige Kühlsysteme bestehen aus mehreren Kühlkreisläufen. Dadurch kann man beispielsweise im Kurbelgehäuse eine höhere Temperatur (weniger Reibung) und im Zylinderkopf eine niedrigere Temperatur (höhere Füllung) einstellen. Bei den Kühlsystemen unterscheidet man zwischen Flüssigkeitskühlung (mit einem umlaufenden Kühlmittel) und Luftkühlung (durch Fahrtwind oder ein Gebläse). Die Luftkühlung wird heute nur noch selten angewendet (beispielsweise bei Kleinkrafträdern), weil sie keine große

56

1110

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.70 Steuerkettentrieb eines V6-Motors von Audi [2]

56 . Abb. 56.71 Schematischer Aufbau eines konventionellen Sputterlagers (links) und eines neuartigen Lagers mit Direktsputterbeschichtung (rechts) [7]

Wärmemenge abführen kann. Allerdings ist sie sehr einfach, preiswert und robust. Um den Wärmeübergang zu verbessern, wird bei der Luftkühlung die Oberfläche von Zylinderkopf und Zylinder durch Kühlrippen vergrößert. Bei der Flüssigkeitskühlung zirkuliert ein Kühlmittel (im Allgemeinen Wasser mit einem zusätzlichen Gefrierschutz). Das Wasser wird durch eine Kühlmittelpumpe durch das Kühlsystem gepumpt. Früher hat man auch eine sogenannte Umlaufkühlung verwendet. Bei dieser nutzt man den Effekt aus, dass warmes Wasser durch seine kleinere Dichte nach oben steigt und so eine Zirkulation auslöst. Allerdings ist diese Art der Kühlung kaum steuerbar und deswegen für moderne Motoren nicht geeignet.

. Abb. 56.72 zeigt den Kühlkreislauf des 6-ZylinderTDI-Motors von Audi. Eine mechanische angetriebene Wasserpumpe pumpt das Kühlwasser durch das Zylinderkurbelgehäuse. Das erwärmte Wasser wird im Hauptwasserkühler durch den Fahrtwind gekühlt. Falls der Motor nach dem Kaltstart seine Betriebstemperatur noch nicht erreicht hat, wird der Wasserkühler umgangen. Dazu öffnet ein Thermostatventil die entsprechende Bypassleitung. Ein Teil des Kühlwassers strömt nicht durch das Kurbelgehäuse, sondern wird für andere Kühlaufgaben verwendet. Dazu strömt es durch den Zylinderkopf, den Kühler der Abgasrückführung (vergleiche 7 Abschn. 56.7.1) und den Motorölkühler (vergleiche 7 Abschn. 56.3.13). Die Tem-

1111 56.3  Bauteile und Funktionsgruppen von Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.72 Kühlkreislauf des V6-TDI-Motors von Audi [12]

peratur des Kühlwassers kann bis zu 120 ı C betragen. 56.3.13 Schmiersystem Damit dabei das Wasser nicht siedet, wird im System ein erhöhter Druck eingestellt. Im Bild nicht dargestellt ist der Ausgleichsbehälter. Dieser sorgt dafür, dass sich das Kühl-1 Aufgaben wasser bei Druck- und Temperaturänderungen ausdehnen Das Schmiersystem hat die Aufgabe 4 die Reibung und den Verschleiß zwischen den bewegten kann. Motorteilen zu verringern. 4 die Reibungswärme der Lager und ein Teil der Verbren1 Kühlwasserpumpe nungswärme abzuführen. Die Kühlwasserpumpe pumpt die Kühlflüssigkeit mit ei4 die Feinabdichtung zwischen Kolben, Kolbenringen nem hohen Volumenstrom durch das gesamte Kühlsystem. und Zylinderwandung vorzunehmen. Im Allgemeinen wird das Wasser etwa 10-mal pro Minute 4 den Motor vor Korrosion zu schützen. umgewälzt. Die Pumpe wird dazu über einen Zahnriemen 4 metallische Abriebteile von den Lagern abzuführen. von der Kurbelwelle angetrieben. Moderne Motoren möch4 Ruß und Fremdstoffe in Schwebe zu halten. ten zur Einsparung von Energie die Pumpe nicht stärker als 4 die Motorgeräusche zu dämpfen. notwendig laufen lassen. Dazu gibt es zwei Möglichkei4 Die Leistungsaufnahme der Ölpumpe klein zu halten. ten: Bei der mechanisch von der Kurbelwelle angetriebenen 4 Das Öl schnell auf Betriebstemperatur zu bringen, die Pumpe kann die Verbindung durch ein Reibrad getrennt maximale Öltemperatur aber zu begrenzen. und dadurch die Pumpe ausgeschaltet werden. Zunehmend werden elektrisch angetriebene Pumpen verwendet. Diese kann man einfach und schnell optimal auf den Kühlbedarf1 Belastungen einstellen. Das Schmieröl ist hohen thermischen und mechanischen Elektronische Kühlsysteme regeln die Kühlmitteltem- Belastungen ausgesetzt. Hinzu kommen die Belastungen peratur in Abhängigkeit vom jeweiligen Motorlastzustand. durch den Kontakt mit der Luft, dem Kraftstoff, den VerEin elektrisch beheizter Thermostat und gesteuerte Küh- brennungsgasen und mit Verunreinigungen. Das kann zur lerlüfterstufen regeln kennfeldgesteuert im gesamten Last- Ölverschlammung, zur Ölverdünnung oder -verdickung und Leistungszustand des Motors eine optimale Betriebs- und zur Ölalterung führen. Zudem wird Öl verbraucht, temperatur. Vorteile: Verbrauchsreduzierung im Teillast- indem es vom Ölfilm auf der Zylinderbuchse und den Venbereich, Reduzierung der Schadstoffe im Abgas, Leis- tilführungen abgetragen und im Zylinder verbrannt wird. tungserhöhung bei Volllast (angesaugte Luft wird weniger Deswegen muss der Ölstand im Motor regelmäßig kontrolerwärmt). liert und eventuell Öl nachgefüllt werden. In festgelegten

56

1112

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.73 Schmierölkreislauf (Druckumlaufschmierung) des V6-Motors von Audi [6]

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Abständen müssen das Öl durch neues ersetzt und der Ölfilter gewechselt werden. 1 Motoröl

Motoröl wird häufig aus Mineralöl hergestellt. Durch zusätzliche Additive wird die Schmiereigenschaften an die jeweilige Anwendung angepasst. Neuerdings werden vermehrt vollsynthetische Öle eingesetzt, die gerade bei hochbelasteten Motoren bessere Schmiereigenschaften und eine höhere Einsatzdauer ermöglichen. Die Viskosität (Zähflüssigkeit) des Schmiermittels ist für die Wirksamkeit der Schmierung von Bedeutung. Das Öl darf bei niedrigen Temperaturen nicht zu zähflüssig sein (hoher Reibungswiderstand), muss bei hohen Temperaturen jedoch noch zähflüssig genug sein, damit der Schmierfilm nicht unterbrochen wird. Nach ihrer Viskosität werden Motor- und Getriebeöle in Viskositätsklassen eingeteilt. Verschiedene Normen gibt es von der SAE (Society of Automotive Engineers), dem API (American Petroleum Institute) und der Vereinigung der europäischen Automobilindustrie (ACEA). Generell gilt, dass man immer die Vorgaben der Motorenhersteller berücksichtigen sollte. 1 Schmiersysteme

Die Druckumlaufschmierung (. Abb. 56.73) ist die meistverwendete bei Viertaktmotoren. Das Öl wird von der Öldruckpumpe aus der Ölwanne angesaugt. Das Über-

drucksicherheitsventil innerhalb des Pumpengehäuses begrenzt den maximalen Öldruck (4 bis 8 bar) und leitet das überschüssige Öl in den Ansaugkanal der Pumpe zurück. Das Öl gelangt zum Ölfiltergehäuse mit eingebautem Ölkühler. Von dort aus geht es zum Ölhauptkanal im Motorgehäuse. Hier ist ein Öldruckschalter angebracht, der abfallenden Öldruck über eine Warnleuchte anzeigt. Bei manchen Motoren gibt ein Öldruckgeber über eine Öldruckanzeige den Öldruck an. Vom Hauptkanal gelangt das Öl durch Querbohrungen zu den Kurbelwellenhauptlagern und über die Kurbelwellenschrägbohrungen zu den Pleuellagern. Hier tritt das Öl meist seitlich aus und das Schleuderöl schmiert die Zylinderwandungen und die Kolbenbolzenlager. Hochleistungsmotoren erhalten längs durchbohrte Pleuel oder Ölspritzdüsen (. Abb. 56.74), die für die Schmierung und die Kolbenkühlung sorgen. Vom Hauptölkanal führt ein Ölkanal zum Zylinderkopf und schmiert dort die Nockenwellenlagerstellen und die Stößel (Hydrostößel) oder Kipphebellagerstellen. Ventile und Ventilführungen werden durch Spritzöl der Nockenwellenschmierung versorgt. Vom Steigkanal werden Ölströme für die Kettenspanner, Steuerketten oder Steuerräder abgezweigt. Die Einspritzpumpen von Dieselmotoren und Abgasturbolader sind meist in den Kreislauf einbezogen. Ein Ölrückhalteventil im Steigkanal verhindert Ölrückfluss nach dem Motorabstellen.

1113 56.4  Variable Motorsteuerung

. Abb. 56.74 Ölspritzdüse für einen 6-Zylinder-Motor von BMW [33]

Bei der Trockensumpfschmierung befindet sich das Öl . Abb. 56.75 Variable Ölpumpe [SHW AG] in einem separaten Öltank außerhalb des Motors. Durch eine Rückförderpumpe wird das von den Schmierstel- 15 % der umlaufenden Ölmenge. Der Rest geht ungefiltert len zurückfließende Öl sofort in den Tank geleitet. Eine zu den Schmierstellen. Das gesamte Öl wird erst im Verlauf Druckölpumpe saugt aus diesem Behälter an und arbeitet mehrerer Umläufe gefiltert. Daher ist sehr feine Filterung weiter wie bei der Druckumlaufschmierung. Die Trocken- möglich. sumpfschmierung wird bei Sportwagen, Motorrädern und Geländefahrzeugen verwendet, um bei schnellen Kurven-1 Ölkühler fahrten oder starker Schräglage des Motors eine ausreiÖlkühler (meist im Hauptstrom) haben die Aufgabe, bei chende Schmierung zu gewährleisten. thermisch hochbelasteten Motoren (zum Beispiel mit AbZur Kontrolle der ausreichenden Ölmenge werden Peilgasturbolader) durch ausreichende Kühlung für die Erhalstäbe oder in der Ölwanne angebrachte elektrische Öltung der Schmierfähigkeit zu sorgen. Im Normalfall ist die standsgeber verwendet. Ölwanne durch ihre Anordnung im Fahrtwind zur Kühlung ausreichend. Ölkühler werden als Luftölkühler oder als 1 Ölpumpe Wärmetauscher (kühlwassergekühlt) gebaut. In der WarmÖlpumpen dienen zur Förderung des Ölstroms und zum laufphase wird dadurch die Betriebstemperatur des Motors Aufbau des Öldrucks im Motorschmiersystem. Sie werden schneller erreicht. Nach Öffnung des Kühlwasserthermoüber Ketten oder Stirnräder von der Kurbelwelle angetrie- states findet eine Umkehrung des Wärmeaustausches (Kühben. Moderne Motoren verfügen zunehmend über regelbare lung des Schmiermittels durch das Kühlmittel) statt. Ölpumpen (vergleiche . Abb. 56.75). Bei diesen wird der Öl-Volumenstrom an die jeweilige Fahrsituation angepasst. Teilweise werden bei modernen Motoren sogar 56.4 Variable Motorsteuerung betriebspunktabhängig die für die Kolbenkühlung verwendeten Ölspritzdüsen zu- und abgeschaltet. Auf diese Weise Im 7 Abschn. 56.1.5.2 wurde bereits erläutert, dass die werden das Antriebsmoment der Ölpumpe und damit die große Herausforderung der modernen Motorenentwickmechanischen Verluste des Motors und somit der Kraftlung ist, den Verbrennungsmotor im gesamten Kennstoffverbrauch minimiert. feldbereich optimal einzustellen. Hierfür benötigt man entsprechende Eingriffsmöglichkeiten (Aktoren) und eine 1 Ölfilter Motorelektronik, die diese optimal ansteuert (vergleiche Ölfilter entfernen Metallabrieb, Verbrennungsrückstände 7 Abschn. 56.9). Auf diese Weise lässt sich der Motor und Verunreinigungen aus dem Ölstrom. Nach der Anord- optimal hinsichtlich Kraftstoffverbrauch und/oder Drehnung der Filter im Ölstrom unterscheidet man zwischen moment und/oder Schadstoffemissionen einstellen. Neben Hauptstrom- und Nebenstrom-Ölfilter. Hauptstromfilter fil- den die Verbrennung beeinflussenden Stellgrößen Eintern den gesamten von der Ölpumpe kommenden Ölstrom spritzzeitpunkt und Einspritzdauer (Otto- und Dieselmotor) bei jedem Umlauf. Das ist eine sichere und häufig ange- sowie Zündzeitpunkt (nur Ottomotor) ist es vor allem die wendete Filteranordnung mit einer mittelfeinen Filterwir- Luftversorgung, die einen wesentlichen Einfluss auf das kung. Um bei einem verstopften Ölfilter trotzdem einen Betriebsverhalten des Motors hat. Im 7 Abschn. 56.1.4.1 funktionierenden Ölkreislauf zu haben, ist ein Umgehungs- wurde erklärt, dass man durch eine variable Saugrohrlänge, ventil notwendig. Nebenstromfilter filtern nur etwa 5 bis durch variable Ventilsteuerzeiten und durch einen variablen

56

1114

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

Schwingrohre 1

5

3

6

2

4

Klappe im Sammler

Sammler

Resonanzrohr Übersprechrohr

Klappe im Übersprechrohr Drosselklappe Kleine Drehzahlen: Beide Klappen zu Milere Drehzahlen: Klappe im Übersprechrohr offen Große Drehzahlen: Beide Klappen offen

56

. Abb. 56.76 Resonanzaufladung bei einem 6-Zylinder-Reihenmotor [nach [4]]

Ventilhub die Luftversorgung der Zylinder beeinflussen kann. Im Folgenden werden hierfür konstruktive Lösungen gezeigt. Eine variable Saugrohrlänge kann beispielsweise erreicht werden, indem man das lange Saugrohr spiralförmig gestaltet und durch entsprechende Bypassklappen die Luft auf einem langen oder auf einem kurzen Weg zum Zylinder leitet. Diese Bauweise benötigt recht viel Platz und wurde beispielsweise bei V6-Saugmotoren verwendet. Aktuell nutzt man eher Resonanzeffekte (vergleiche . Abb. 56.76). Durch das Öffnen und Schließen von Klappen kann man die Größe von Hohlräumen verändern. Damit ändert sich das Schwingungsverhalten der Luft in diesen Hohlräumen. Bei einer günstigen Abstimmung schwingt die Luft im Sammler so, dass der Druck vor dem Zylinder lokal gerade dann erhöht ist, wenn die Einlassventile des jeweiligen Zylinders öffnen. Variable Ventilsteuerzeiten sind ebenfalls eine beliebte Methode, um die Zylinder mit mehr Luft zu versorgen. Eigentlich müsste man die Einlassventile am Ende des Einlassvorgangs dann schließen, wenn der Kolben im unteren Totpunkt angelangt ist und das Zylindervolumen maximal ist. Es zeigt sich aber, dass man die Einlassventile noch offen lassen kann, wenn sich der Kolben schon wieder nach oben bewegt. Er möchte dabei die angesaugte Frischladung wieder aus dem Zylinder schieben. Die gerade bei großen Drehzahlen hohe Dynamik der aus dem Saugrohr in den Zylinder einströmenden Luft schafft es aber, trotz der Aufwärtsbewegung des Kolbens noch für eine gewisse Zeit Luft in den Zylinder zu schieben. Erst wenn es zu einer Strömungsumkehr kommt und der Kolben wirklich die Zylinderladung wieder ausschiebt, muss man die Ventile schließen. Das bedeutet, dass insbesondere bei großen Drehzahlen die Einlassventile noch lange nach dem unteren

. Abb. 56.77 Beim Flügelzellen-Nockenwellen-Versteller kann man die Position der Nockenwelle verändern, indem man Öldruck in die Hohlräume links und rechts der beweglichen Flügel leitet. Die Nockenwelle ist am inneren Flügelrad befestigt. Der Antrieb erfolgt außen über das Kettenrad [SHW AG]

Totpunkt geöffnet bleiben dürfen. Bei kleinen Drehzahlen muss man sie schon früher schließen. Diese Variabilität im Zeitpunkt „Einlass schließt“ wird erreicht, indem man die komplette Einlassnockenwelle relativ zur ihrem kurbelwellenseitigen Antrieb verdreht. Das geschieht heute im Allgemeinen mit einem Flügelzellen-NockenwellenVersteller (. Abb. 56.77). Dieser kann die Position der Einlassnockenwelle in einem gewissen Verstellbereich beliebig festlegen. Bei der Verdrehung der Nockenwelle nimmt man in Kauf, dass sich nicht nur der Zeitpunkt „Einlass schließt“, sondern gleichzeitig auch der Zeitpunkt „Einlass öffnet“ ändert. Bei modernen Motoren wird zuweilen auch die Auslassnockenwelle verstellt, um in der Ladungswechselposition „oberer Totpunkt“ sowohl die Einlass- als auch die Auslassventile für eine gewisse Zeit gleichzeitig offen halten zu können (Ventilüberschneidung). In dieser Phase strömt Frischluft direkt in das Abgassystem und hilft, das restliche Abgas besser aus dem Zylinder zu spülen. Man kann dieses „Scavenging“ auch verwenden, um bei einem Turbomotor das Abgassystem mit mehr Massenstrom zu versorgen und so den Turbolader auf einer höheren Drehzahl zu halten. Dadurch wird das sogenannte Turboloch verkleinert. Allerdings wird der Motor dann mit einem Luftüberschuss betrieben, welcher den 3-Wege-Katalysator des Ottomotors bezüglich der Stickoxid-Beseitigung wirkungslos macht. Wenn der Ventilhub kontinuierlich variabel eingestellt werden kann (vergleiche . Abb. 56.78), kann man beim Ottomotor auf die Drosselklappe verzichten und den Drosseleffekt direkt beim Zylinder erreichen. Das hat den Vorteil, dass die durch die Drosselung hervorgerufenen Turbulenzen im Zylinder auftreten und dort die Verbrennung positiv beeinflussen. BMW hat ein derartiges System mit dem Namen Valvetronic im Serieneinsatz. FIAT vari-

1115 56.5  Gemischbildung und Verbrennung bei Otto- und bei Dieselmotoren

. Abb. 56.78 Bei vollvariablen Ventilen können der Hub und die Steuerzeiten der Einlass- und der Auslassventile kontinuierlich verändert werden [10]

iert bei den Multiair-Motoren die Steuerzeit und den Hub der Einlassventile hydraulisch. Wenn der Aufwand für eine kontinuierliche Änderung des Ventilhubs zu groß ist, kann man Nockenwellen verwenden, die pro Ventil zwei Nocken mit unterschiedlichen Maximalhüben anbieten. Durch eine geeignete mechanische Lösung betätigt der kleine oder der große Nocken das jeweilige Ventil. So lassen sich zwei verschiedene Ventilhübe einstellen. Beispielsweise verwenden Porsche (VarioCam Plus) und Honda (VTEC) derartige Systeme schon lange. Bei VW wird ein solches System verwendet, um einen Nullhub zu erreichen. So kann man im Betrieb des Motors die Ventile eines Zylinders komplett stilllegen und damit eine Zylinderabschaltung realisieren (vergleiche 7 Abschn. 56.1.5.2 und . Abb. 56.79).

. Abb. 56.79 Zylinderabschaltung bei VW [13]

56.5

56.5.1

Gemischbildung und Verbrennung bei Otto- und bei Dieselmotoren Ottomotor

Bei Ottomotoren wird die Verbrennung durch einen Zündfunken zwischen den Elektroden einer Zündkerze (. Abb. 56.80) ausgelöst.

. Abb. 56.80 Moderne Zündkerze eines Ottomotors: Die fünf scharfen Kanten der Poly-V-Dachelektrode werden vom Zündfunken ständig wechselnd angesteuert. Dadurch hält die Zündkerze bis zu 60.000 km [FederalMogul Motorparts]

56

1116

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.81 Drei verschiedene Möglichkeiten der ottomotorischen Einspritzung: Moderne Motoren verwenden häufig die Benzindirekteinspritzung [26]

56

Ab diesem Zeitpunkt läuft die Verbrennung selbstständig. Eine Flammenfront bewegt sich ausgehend von der Zündkerze durch den Brennraum und erfasst nach und nach den kompletten Kraftstoff, bis die Flammenfront an den Brennraumwänden ankommt und die Verbrennung endet. Damit die Verbrennung zwischen den Elektroden der Zündkerze ausgelöst werden kann, muss dort ein Luftverhältnis innerhalb der Zündgrenzen von Benzin (0;7 <  < 1;3) vorliegen. Der häufig verwendete 3-Wege-Katalysator fordert darüber hinaus, dass das Luftverhältnis bei 1 (stöchiometrisches Gemisch) liegt (Lambda-Regelung, vergleiche 7 Abschn. 56.9). Wenn man den Kraftstoff und die Luft in diesem Verhältnis mischt und dem Gemisch genügend Zeit für die Homogenisierung gibt, dann liegt natürlich auch zwischen den Elektroden der Zündkerze ein stöchiometrisches Gemisch vor. Am einfachsten ist die sogenannte Saugrohreinspritzung. Man spritzt den Kraftstoff in das Saugrohr jedes Zylinder unmittelbar vor dem Einlassventil (. Abb. 56.81). Man nennt das eine Einzeleinspritzung oder eine MultiPoint-Einspritzung, weil jeder Zylinder über eine eigene Einspritzdüse verfügt. Früher kannte man die Zentraleinspritzung oder Single-Point-Einspritzung mit nur einer zentralen Einspritzdüse und einer anschließenden Aufteilung des Gemischs auf die verschiedenen Zylinder. Bei dieser einfachen Art der Einspritzung ist aber nicht gewährleistet, dass sich der Kraftstoff gleichmäßig auf die

einzelnen Zylinder aufteilt. Dies ist aber notwendig, damit die Schadstoffemissionen des Motors minimiert werden können. Die Multi-Point-Saugrohreinspritzung ist relativ einfach zu realisieren, weil der Kraftstoff in die noch nicht komprimierte Luft eingespritzt wird, die höchstens auf Ladedruckniveau (Absolutdruck von maximal 2,5 bar) ist. Zudem hat die Einspritzung relativ lange Zeit (maximal nahezu das komplette Arbeitsspiel, vergleiche . Abb. 56.8). Bei der modernen Direkteinspritzung wird der Kraftstoff wie bei einem Dieselmotor direkt in den Zylinder eingespritzt. Das hat den Vorteil, dass der Kraftstoff erst im Zylinder verdampft und diesen dadurch kühlt, was die Klopfgefahr verringert. Allerdings muss der Kraftstoff dann mit einem hohen Druck (bis zu 200 bar) in die schon teilweise komprimierte Luft eingespritzt werden. Zudem ist die mögliche Zeitspanne für die Einspritzung deutlich kürzer, weil frühestens nach dem Schließen des Auslassventils mit der Einspritzung begonnen werden kann. Spätestens zum Zündzeitpunkt muss sie abgeschlossen sein. Wenn der Einspritzvorgang früh genug stattfindet, dann hat das Kraftstoff-Luft-Gemisch noch einigermaßen Zeit, um sich homogen zu vermischen und somit für ein stöchiometrisches Gemisch zwischen den Elektroden der Zündkerze zu sorgen. Falls die Homogenisierung nicht gelingt, kommt es zu einem schlechten Motorlauf und zu Rußemissionen des Ottomotors. Einige hochwertige Motoren verwenden

1117 56.5  Gemischbildung und Verbrennung bei Otto- und bei Dieselmotoren

deswegen eine Saugrohreinspritzung und eine Direkteinspritzung gemeinsam. Ganz wenige Motoren (zum Beispiel Daimler im Mercedes M276) nutzen die Benzindirekteinspritzung, um das Problem der hohen Ladungswechselverluste durch die Drosselklappe (vergleiche 7 Abschn. 56.1.6.5 und 56.1.6.6) zu verringern. Bei der sogenannten Benzindirekteinspritzung mit Ladungsschichtung saugt der Zylinder bei voll geöffneter Drosselklappe eine volle Ladung Luft an. Die im Schwachlastgebiet kleine notwendige Kraftstoffmenge spritzt man so spät und so geschickt in der Nähe der Zündkerze ein, dass der Kraftstoff keine Zeit für die Homogenisierung mit der Luft hat. Er konzentriert sich vielmehr in der Nähe der Zündkerze und sorgt dort für ein nahezu stöchiometrisches und damit zündfähiges Gemisch. Die überschüssige Luft (mageres Gemisch) wirkt bei der sich anschließend ausbreitenden Flammenfront nicht störend. Auf diese Weise kann man den Ottomotor entdrosseln und gerade im Stadtverkehr den Kraftstoffverbrauch deutlich senken. Allerdings kann bei dem mageren Motorbetrieb der 3-Wege-Katalysator die Stickoxid-Emissionen nicht reduzieren. Solche Motorkonzepte benötigen zusätzlich einen sogenannten NOx -Speicherkatalysator, der die Stickoxide sammelt und der bei Bedarf durch einen sehr fetten Motorbetrieb gereinigt werden muss. Diese Technik ist dermaßen aufwendig und teuer, dass sie nur in wenigen Motoren verwendet wird. Ottomotoren leiden unter einer hohen Klopfgefahr. Klopfen bedeutet, dass an einer Stelle im Brennraum die Verbrennung durch Selbstzündung ausgelöst wird, bevor die Flammenfront angekommen ist. (Klopfen bedeutet nicht, dass die Verbrennung vor dem Auslösen des Zündfunkens durch Selbstzündung beginnt. Diesen unschädlichen Vorgang nennt man Glühzündung.) Das führt dann lokal zu hohen Drücken und Temperaturen, die Bauteile des Motors (zum Beispiel Kolbenringe, Kolben oder Zylinderkopfdichtung) mechanisch und thermisch zerstören können. Das Klopfen muss unbedingt verhindert werden. Das geschieht, indem man dafür sorgt, dass sich die Flamme im Brennraum schnell ausbreitet und so eine Selbstzündung vor dem Eintreffen der Flammenfront verhindert wird. Folgende Randbedingungen sorgen für eine geringe Klopfneigung: 4 kleine Brennraumraumabmessungen (Es gibt keine Ottomotoren mit großen Zylinderdurchmessern.) 4 zentrale Lage der Zündkerze (Das geht am besten mit einer 4-Ventil-Technik.) 4 hohe Oktanzahl des Kraftstoffes 4 fettes Gemisch (Dann arbeitet der 3-Wege-Katalysator aber nicht mehr.) 4 später Zündzeitpunkt, niedriges Verdichtungsverhältnis, wenig Ladedruck (Dadurch sinkt aber die Effizienz des Motors.) Die Forderung nach hohen Motormitteldrücken und sparsamen Motoren erfordert einen frühen Zündzeitpunkt

mit einer entsprechend hohen Klopfgefahr (vergleiche . Abb. 56.27). Deswegen besitzen moderne Ottomotoren eine sogenannte Klopfregelung. Ein Klopfsensor erkennt die sich anbahnende Klopfgefahr anhand eines Körperschallsignals zylinderselektiv. Die Motorelektronik reagiert sofort und legt den Zündzeitpunkt nach spät. Das ist zwar nicht effizient, schützt aber den Motor. Nach einer kurzen Pause tastet sich die Motorelektronik durch eine schrittweise Nach-früh-Legung des Zündzeitpunktes wieder an die Klopfgrenze heran. So wird versucht, den Motor optimal einzustellen, aber ohne dass es zum Klopfen kommt.

56.5.2

Dieselmotor

Die dieselmotorische Verbrennung funktioniert prinzipiell anders als die ottomotorische. Beim Ottomotor wird ein vorhandenes und homogenes Kraftstoff-Luft-Gemisch durch einen Zündfunken an einer ganz bestimmten Stelle entflammt und so die Verbrennung ausgelöst. Beim Dieselmotor, der ein Selbstzünder ist, darf der Kraftstoff erst dann in den Brennraum eingespritzt werden, wenn die Verbrennung beginnen soll. Zunächst saugt der Dieselmotor ungedrosselt eine komplette Zylinderfüllung Luft an und komprimiert diese. Kurz vor dem oberen Totpunkt wird dann fein zerstäubter Kraftstoff in den Brennraum eingespritzt. Nach kurzer Zeit (Zündverzug) beginnt die Verbrennung an vielen Stellen im Brennraum gleichzeitig. Dadurch, dass der Kraftstoff kaum Zeit hat, sich mit der Luft gleichmäßig zu vermischen, liegt ein inhomogenes Gemisch vor, das zur Rußbildung neigt. Je feiner der Kraftstoff zerstäubt ist, umso geringer ist die Neigung zur Rußbildung. Deswegen spritzt man den Kraftstoff mit einem hohen Druck durch mehrere (zum Beispiel acht) sehr feine Einspritzdüsenlöcher (mit einem Durchmesser von beispielsweise 0,1 mm). Weil der Druck der komprimierten Luft in der Nähe des oberen Totpunktes ohnehin schon deutlich über 100 bar liegen kann, wird ein umso höherer Einspritzdruck benötigt. Bei heutigen Dieselmotoren wird mit ca. 2000 bar eingespritzt. Ein Ende der Anhebung des Einspritzdruckes scheint aber noch nicht erreicht zu sein. Weil sich der Kolben während der Einspritzung in OTNähe befindet, ist der Brennraum sehr klein. Damit die Einspritzstrahlen nicht auf den kalten Kolbenboden treffen, was zu hohen HC-Emissionen führen würde, benötigt jeder Dieselmotorkolben eine sogenannte Kolbenmulde (vergleiche . Abb. 56.82). Für die Auslegung der Geometrie dieser Mulde benötigt der Verbrennungsentwickler ein sehr großes Know-how. Es gibt in der Historie des Dieselmotors viele verschiedene Einspritzsysteme. Ihnen allen ist gemeinsam, dass der Einspritzdruck über eine hydraulische Pumpe erzeugt wird. Für diese gilt, dass bei langsamer Bewegung des Pumpenkolbens der Einspritzdruck nur gering ist. Nur bei schneller Bewegung entsteht der hohe Druck, der die

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1118

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.82 Die Einspritzdüse spritzt den Kraftstoff mit hohem Druck durch mehrere Einspritzdüsenlöcher in den Brennraum ein. Die Kolbenmulde sorgt dafür, dass die Kraftstoffstrahlen nicht auf den kalten Kolben auftreffen. Die Glühkerze erhöht beim Kaltstart die Brennraumtemperatur, um günstige Bedingungen für die Selbstzündung zu erzielen [Robert Bosch GmbH]

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Rußbildungsgefahr reduziert. Die Antriebsleistung der dieselmotorischen Einspritzpumpe ist so hoch (etwa 1 bis 2 % der Motorleistung), dass die Pumpe nur direkt vom Motor angetrieben werden kann. Eine elektrische Pumpe scheidet aus. Das bedeutet, dass bei kleinen Motordrehzahlen auch nur ein kleiner Einspritzdruck bereitgestellt werden kann. Aber gerade bei kleinen Drehzahlen und hoher Last neigen die Dieselmotoren zum Rußen. Das einzige System, das in der Lage ist, schon bei kleinen Motordrehzahlen einen hohen Einspritzdruck bereitzustellen, ist das Common-Rail-System (. Abb. 56.83). Deswegen hat es sich bei allen modernen Dieselmotoren durchgesetzt. Die Grundidee dabei ist, dass die Hochdruckpumpe gewissermaßen überdimensioniert ist. Sie kann schon bei kleinen Drehzahlen einen sehr hohen Einspritzdruck bereitstellen. Damit der Druck bei großen Drehzahlen nicht zu sehr steigt, kann der Zulauf der Hochdruckpumpe gedrosselt werden (Saugdrossel). Der Kraftstoff wird auf Vorrat auf einen hohen Druck komprimiert und in einem Behälter zwischengespeichert. Aus dieser Common-Rail bedienen sich die magnetventilgesteuerten Injektoren der einzelnen Zylinder und spritzen zum richtigen Zeitpunkt die richtige Kraftstoffmenge ein. Wenn dann die ersten Kraftstofftröpfchen in den Brennraum eingespritzt wurden und verdampft sind, fangen sie von alleine an zu brennen. Weil die Einspritzung aber eine große Anzahl von feinzerstäubten Tropfen eingespritzt hat, beginnt die Verbrennung an vielen Stellen im Brennraum nahezu gleichzeitig. Das ist sehr effizient und mit ein Grund für die hohen Wirkungsgrade des Dieselmotors.

. Abb. 56.83 Common-Rail-System eines 4-Zylinder-Reihenmotors: Die Hochdruckpumpe versorgt das Rail, aus dem sich die vier Injektoren bedienen. Im Vordergrund ist die dazu notwendige Elektronik abgebildet [Robert Bosch GmbH]

Allerdings ist diese Selbstzündungsverbrennung im direkteinspritzenden Dieselmotor auch sehr laut – das typische Diesel-Nageln. Im Pkw konnte sich die Direkteinspritzung erst durchsetzen, als es gelungen war, das Nageln durch eine sogenannte Voreinspritzung zu reduzieren. Dabei wird zunächst eine nur sehr kleine Einspritzmenge

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1119 56.6  Aufladung von Verbrennungsmotoren

(Voreinspritzung oder Piloteinspritzung) eingespritzt. Diese verbrennt heftig, aber nicht besonders laut, weil es nur wenig Kraftstoff ist. Sobald dieser Kraftstoff brennt, wird die Haupteinspritzung vorgenommen. Jetzt dringen die Einspritzstrahlen in einen schon heißen Brennraum ein und verbrennen sehr leise. Heutige Dieseleinspritzsysteme können die Einspritzmenge in fünf oder mehr Portionen einspritzen und so die Verbrennung gestalten. Sehr späte Einspritzvorgänge helfen dabei, die Abgastemperatur auf ein hohes Niveau zu bringen, um beispielsweise den Dieselpartikelfilter regenerieren zu können. Ottomotoren können nur bei Luftverhältnissen  zwischen etwa 0,7 und 1,3 betrieben werden. Dieselmotoren dagegen kommen mit fast jedem Luftverhältnis zurecht. Die Ursache hierfür liegt in der Selbstzündung der kleinen Einspritztropfen. Auch für Dieselkraftstoff gilt nämlich, dass er sich nur bei Luftverhältnissen zwischen etwa 0,7 und 1,3 selbst entzündet. Dieses Luftverhältnis tritt aber immer irgendwo auf. Dort, wo ein Dieseltropfen noch flüssig und damit noch nicht verdampft ist, liegt ein Luftverhältnis  = 0 vor. In größerer Entfernung vom Tropfen liegt reine Luft mit einem Luftverhältnis  ! 1 vor. Zwischen diesen beiden Extremen liegen beliebige Kraftstoff-Luft-Mischungsverhältnisse vor. Irgendwo wird auch   1 und damit zündfähiges Gemisch sein. Dort beginnt die Verbrennung. Beim Ottomotor muss man also dafür sorgen, dass sich zwischen den Elektroden der Zündkerze zündfähiges Gemisch befindet. Beim Dieselmotor muss man nur dafür sorgen, dass der Kraftstoff möglichst fein zerstäubt ist und dass die Luft in die Kraftstoffstrahlen eindringt. Dann bildet sich automatisch irgendwo ein zündfähiges Gemisch. Wenn allerdings der Kraftstoff nicht fein genug zerstäubt wird oder er nicht gleichmäßig im Brennraum verteilt wird, dann bilden sich lokal Ansammlungen von Kraftstofftropfen, in die keine Luft eindringen kann. Dort entsteht dann Ruß.

56.5.3

Vergleich Ottomotor – Dieselmotor

Dieselmotoren haben üblicherweise einen besseren Kraftstoffverbrauch als Ottomotoren. Die Ursachen sind: 4 Die Ladungswechselverluste sind geringer, weil die Drosselklappe fehlt. 4 Ein hohes Verdichtungsverhältnis ist möglich, weil der Dieselmotor nicht klopft. 4 Die Verbrennung ist heftiger und kürzer, was letztlich auch effizienter ist. 4 Dieselkraftstoff hat einen größeren volumetrischen Heizwert als Benzin. 4 Die Kompression von reiner Luft statt eines KraftstoffLuft-Gemisches und das hohe Luftverhältnis führen aus thermodynamischen Gründen zu günstigeren Stoffwerten und damit zu einem besseren Wirkungsgrad.

. Tabelle 56.4 Vergleich zwischen typischen Otto- und Dieselmotoren für Pkw Ottomotor

Dieselmotor

Zündung

Fremdzündung Selbstzündung

Verdichtungsverhältnis

10–13

15–20

Verdichtungsenddruck in bar

12–60

30–150

Verdichtungsendtemperatur in °C

400–600

700–900

Verbrennungshöchstdruck in bar

40–120

65–200 (220)

max. effektiver Wirkungsgrad in % 37

43

max. Abgastemperatur in °C

700–1200

500–800

maximale Drehzahl in 1=min

6000

4500

Allerdings hat der Dieselmotor eine geringere Hubraumleistung, weil er wegen des Zeitbedarfs für Gemischbildung, Zündung und Verbrennung nicht bei hohen Drehzahlen betrieben werden kann. Zudem wird der maximal mögliche Mitteldruck durch die Rußgefahr begrenzt. Weitere Nachteile des Dieselmotors sind die höhere spezifische Masse wegen der hohen Verbrennungshöchstdrücke und höhere Fertigungskosten insbesondere wegen der Einspritzanlage und der Abgasnachbehandlungsanlage. Der große Nachteil des Ottomotors ist die Klopfgefahr, die auch dazu führt, dass der Ottomotor nur relativ schwach aufgeladen werden kann (maximale Ladeüberdrücke von etwa 1,5 bar). Dieselmotoren werden in Pkw mit Ladeüberdrücken bis zu 3 bar beaufschlagt. Bei Motoren mit größerem Zylinderhubvolumen spielen die Nachteile des Dieselmotors eine kleinere Rolle, da große Motoren ohnehin eine kleinere Drehzahl haben müssen (wegen der mittleren Kolbengeschwindigkeit). Außerdem wären in einem großen Ottomotor die Flammenwege von der Zündkerze bis zur Brennraumwand zu lang. Deswegen werden größere Motoren immer als Dieselmotoren konzipiert. . Tab. 56.4 fasst die wesentlichen Unterschiede zwischen Otto- und Dieselmotoren in Pkw zusammen. 56.6

Aufladung von Verbrennungsmotoren

Durch die Aufladung wird der Druck der Umgebungsluft vor dem Motor von einem Verdichter deutlich erhöht. Dadurch saugt der Verbrennungsmotor eine deutlich höhere Luftmasse in das Zylinderhubvolumen. Durch die größere Masse kann mehr Kraftstoff verbrannt werden. So steigt das abgegebene Motordrehmoment und damit die Motorleistung. Im 7 Abschn. 56.1.4.2 wurden bereits die beiden am meisten verwendeten Grundprinzipien der Aufladung vorgestellt: die Kompressoraufladung und die Abgasturboaufladung (. Abb. 56.20).

1120

56

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

Bei der Kompressoraufladung wird der Verdichter direkt von der Kurbelwelle angetrieben. Dadurch reduziert sich die Wellenleistung des Verbrennungsmotors. Allerdings ist die benötigte Verdichterleistung deutlich geringer als die Mehrleistung, die durch die Aufladung erzielt wird. Der große Vorteil der Kompressoraufladung ist, dass der Verdichter unmittelbar auf Drehzahländerungen des Motors reagiert und nahezu ohne Verzögerung die benötigte Luftmasse zur Verfügung stellt. Bei der Abgasturboaufladung wird der Verdichter von einer Abgasturbine angetrieben. Diese entnimmt dem Abgasmassenstrom einen Teil seiner Energie. Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, dass die Turbine dem Motor nur die ohnehin wertlose Abgasenergie entzieht und das System damit effizient ist. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass die Turbine ein Strömungshindernis ist. Somit wird den Zylindern das Ausschieben der Abgase erschwert, wodurch die Ladungswechselverluste steigen. (Die Turbine hält dem Motor gewissenmaßen den Auspuff zu.) Alles in allem entzieht der Abgasturbolader (ATL) dem Verbrennungsmotor aber weniger Leistung als die Kompressoraufladung. Der große Nachteil der Abgasturboaufladung ist, dass der Turbolader nicht unmittelbar auf eine Drehzahländerung des Motors reagiert. Erst muss die Abgasenergie am ATL ankommen und dann muss dieser auch noch beschleunigt werden. Dies führt zu einer Verzögerung bei der Lastannahme des Motors, was Autofahrer als „Turboloch“ wahrnehmen. Um den Turbolader nicht nur in einem Auslegungspunkt des Motors, sondern in einem großen Kennfeldbereich möglichst optimal einstellen zu können, besitzen moderne Turbomotoren eine Bypass-Leitung (Wastegate) um die Turbine herum. Der Querschnitt dieser Leitung kann im Betrieb des Motors variiert und so der Bypass-Massenstrom eingestellt werden. Noch besser als das Wastegate ist die variable Turbinengeometrie (VTG). Bei dieser kann man die Strömungsverhältnisse innerhalb des Turbinengehäuses beeinflussen. Allerdings sind die dafür benötigen beweglichen Leitschaufeln thermisch so empfindlich, dass man diese Technik im Allgemeinen nur bei Dieselmotoren einsetzen kann. (Ottomotoren haben deutlich höhere Abgastemperaturen.) Bislang verwendet nur Porsche die VTG-Technik bei einem Ottomotor. Es ist aber zu erwarten, dass die VTG-Technik in Zukunft auch bei Ottomotoren vermehrt eingesetzt wird. Um die Aufladung im gesamten Motorkennfeld optimal einstellen zu können und um beim Turbomotor das Turboloch zu reduzieren, verfügen moderne Motoren häufig über mehr als nur einen Verdichter. Man spricht dann von der zweistufigen (oder bei dem BMW-Motor M550d auch dreistufigen) Aufladung. Zwei Turbolader (vergleiche . Abb. 56.84) werden so kombiniert, dass sie nacheinander arbeiten. Der Hochdruck-ATL ist von den Abmessungen her klein und kann deswegen gerade im Schwachlastgebiet schnell beschleunigt werden. Das reduziert das Turbo-

. Abb. 56.84 Zweistufige Abgasturboaufladung beim 6-Zylinder-Motor von BMW [17]

loch deutlich. Allerdings ist der HD-ATL zu klein, um den für die Nennleistung benötigten Luftmassenstrom zur Verfügung stellen zu können. Dafür ist der NiederdruckATL zuständig. In diesem Betriebspunkt muss der HDATL durch Bypass-Leistungen so geschützt werden, dass er nicht in Überdrehzahl gerät. Im mittleren Leistungsbereich arbeiten beide Turbolader gemeinsam, sodass die Luft zweistufig verdichtet wird. VW setzt in manchen TSI-Motoren eine Alternative ein. Hier werden ein Kompressor und ein Turbolader kombiniert (. Abb. 56.85). Der Kompressor ist der „kleine“ Verdichter, der bei größeren Motorleistungen geschützt werden muss. Das erfolgt durch Bypass-Leitungen und Stilllegen des Kompressorantriebs durch eine Magnetkupplung. Moderne Pkw-Dieselmotoren erzielen Ladeüberdrücke von bis zu 3 bar. Das ist bei Ottomotoren nicht möglich. Bei diesen steigt durch die Aufladung die Klopfgefahr, sodass heutige aufgeladene Pkw-Ottomotoren Ladeüberdrücke von maximal 1,5 bar erreichen. Für alle aufgeladenen Motoren gilt, dass man das Verdichtungsverhältnis reduzieren muss, damit die Drücke in der Kompressionsphase nicht zu sehr ansteigen. Reduzierte Verdichtungsverhältnisse verringern aber den effektiven Motorwirkungsgrad und verschlechtern die Kaltstartfähigkeiten. Deswegen darf man das Verdichtungsverhältnis nicht zu stark absenken, wodurch die Ladedrücke auf die oben genannten Bereiche beschränkt sind.

56

1121 56.7  Schadstoffemissionen

. Abb. 56.85 Zweistufige Aufladung beim TSI-Motor durch eine Kombination von Kompressor und Turbolader [16]

56.7

Schadstoffemissionen CO

Bei der Verbrennung von Kraftstoff im Zylinder eines Verbrennungsmotors entstehen neben den natürlichen Reaktionsprodukten H2 O und CO2 prinzipiell noch viele weitere Komponenten. Der Gesetzgeber hat einige davon (CO, HC, NOx und Rußpartikel) zu Schadstoffen erklärt und deren Emission limitiert. Grundsätzlich gilt, dass man die Schadstoffe entweder im Zylinder oder nach dem Zylinder in einer Abgasnachbehandlungsanlage minimieren kann. Im Zylinder kann man entweder die Entstehung verhindern oder die entstandenen Komponenten im Laufe des Verbrennungsprozesses teilweise wieder abbauen. Im Allgemeinen versucht man, die Rohemissionen, die den Zylinder verlassen, möglichst gering zu halten, damit die nachfolgende Abgasreinigungsanlage nicht zu groß wird.

56.7.1

Abgasreinigung beim Ottomotor

Bei Ottomotoren minimiert man die Entstehung von Schadstoffen durch die Wahl eines geeigneten Zündzeitpunktes, eines optimalen Turbulenzniveaus im Zylinder und durch ein stöchiometrisches Gemisch. Die dann noch vorhandenen Schadstoffe werden nach dem Zylinder in einem sogenannten 3-Wege-Katalysator in CO2 , H2 O und Stickstoff

CO2

N2

Oxidation

Reduktion

NOx

H2O HC ungiftig

. Abb. 56.86 Chemische Reaktionen im 3-Wege-Katalysator: Der Sauerstoff der Stickoxide NOx wird zur Oxidation von CO und HC-Verbindungen verwendet

(N2 ) umgewandelt. . Abb. 56.86 zeigt, dass in Anwesenheit des Katalysators die Stickoxide ihren Sauerstoff an CO und an die HC-Verbindungen abgeben. Diese oxidieren zu den normalen Reaktionsprodukten Wasser und Kohlendioxid. Die Stickoxide verwandeln sich in unschädlichen Stickstoff. Der 3-Wege-Katalysator (Eigentlich sollte man ihn 3Komponenten-Katalysator nennen.) konvertiert die Schadstoffe nur dann weitgehend, wenn das Kraftstoff-Luft-Verhältnis exakt stöchiometrisch gehalten wird und wenn der Katalysator eine Temperatur von mindestens etwa 300 ı C (Light-off-Temperatur) hat (. Abb. 56.87). Nach dem Kaltstart eines Ottomotors ist das nicht der Fall. Deswegen versucht man bei modernen Ottomotoren, den Kaltstart-

1122

56

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.87 Konvertierungsrate eines Katalysator in Abhängigkeit von der Temperatur: Nur bei Temperaturen oberhalb der Light-off-Temperatur (ca. 300 ı C) beseitigt der Katalysator einen großen Teil der Schadstoffe

vorgang so kurz wie möglich zu halten. Dazu verwendet man Kühlsysteme, die man elektronisch beeinflussen kann (vergleiche 7 Abschn. 56.3.12). Beispielsweise wird das Kühlwasser erst dann durch Fahrtwind gekühlt, wenn es seine Betriebstemperatur erreicht hat. Oder man schaltet die Kühlwasserpumpe erst dann ein, wenn ein Kühlbedarf besteht. Oder man platziert den Katalysator möglichst nahe am Auslasskrümmer, damit der Weg und damit der Wärmeverlust vom Zylinder zum Katalysator klein wird. Gerne wird auch eine Abgasrückführung (AGR oder EGR: Exhaust Gas Recirculation) durchgeführt. (. Abb. 56.88 zeigt das an einem Dieselmotor. Bei Ottomotoren sieht das im Prinzip genauso aus.) Bei dieser mischt man einen Teil der Abgase in die angesaugte Frischluft und führt sie erneut in den Brennraum. In der so

verdünnten Luft werden weniger Stickoxide gebildet. Häufig wird das rückgeführte Abgas zuvor noch gekühlt, um die angesaugte Luft nicht unnötig aufzuheizen. Bislang wurde meistens eine sogenannte Hochdruck-Abgasrückführung realisiert. Bei dieser entnimmt man das Abgas unmittelbar nach dem Zylinder und mischt es der Frischluft unmittelbar vor dem Zylinder bei. Diese sehr einfache Methode hat den Nachteil, dass Luft und Abgas nur wenig Zeit für eine homogene Vermischung haben. Deswegen kann man nur Abgasrückführraten von maximal etwa 40 % realisieren. Besonders problematisch ist die HochdruckAbgasrückführung bei turboaufgeladenen Motoren (vergleiche 7 Abschn. 56.6 und 56.9). Ein gut ausgelegter Turbolader stellt einen hohen Ladedruck bei wenig Abgasgegendruck bereit. Die Hochdruck-Abgasrückführung benötigt aber ein gerade umgekehrtes Druckgefälle, damit sie von alleine funktioniert. Deswegen werden moderne Euro-6-Motoren zunehmend (häufig zusätzlich) mit einer Niederdruck-Abgasrückführung ausgeführt. (. Abb. 56.93 zeigt das an einem Dieselmotor.) Bei dieser entnimmt man das Abgas dem Auspuff und mischt es nach dem Luftfilter der Ansaugluft bei. Hier stimmt das Druckgefälle und es gibt auch eine lange Mischstrecke über Verdichter und Ladeluftkühler bis hin zu den Zylindern. Allerdings benötigt dieser lange Weg auch entsprechend viel Reaktionszeit, sodass diese Methode nicht schnell auf Änderungen des Motorbetriebspunktes reagieren kann.

56.7.2

Abgasreinigung beim Dieselmotor

Beim Dieselmotor minimiert man die Schadstoffentstehung im Zylinder durch eine sorgfältig Abstimmung der Kolbenmuldengeometrie, des Einspritzdruckes und des

. Abb. 56.88 Turboaufgeladener Dieselmotor mit Hochdruck-Abgasrückführung [36]

1123 56.7  Schadstoffemissionen

. Abb. 56.89 Rußfilter mit einseitig verschlossenen Röhren: Beim Durchtritt durch die poröse Wand werden die Rußpartikel zurückgehalten [Robert Bosch GmbH]

. Abb. 56.90 Rußfilter mit vorgeschaltetem Oxidationskatalysator: Dort wird NO2 gebildet, das im Rußfilter gleich wieder zerfällt und Sauerstoff für die Oxidation des Rußes freisetzt [Robert Bosch GmbH]

-einspritzverlaufs sowie der Einspritzstrahlen (Anzahl, Spritzwinkel, Einspritzlochdurchmesser) und der Turbulenzen im Brennraum. Diese Brennverfahrensabstimmung ist ein sehr aufwendiger Prozess. Beim Dieselmotor ist die Abgasreinigung wesentlich komplizierter als beim Ottomotor. Die Komponenten CO und HC kann man zwar mit einem Oxidationskatalysator (Oxikat) recht einfach zu ungiftigen Endprodukten konvertieren. Anders sieht es bei den Rußpartikeln und den Stickoxiden aus.

Moderne Motoren beseitigen den Ruß in einem sogenannten Dieselpartikelfilter (DPF, auch Rußfilter genannt) (vergleiche . Abb. 56.89). Der DPF hält den Ruß zurück, muss aber öfter gereinigt werden. Dieser Reinigungsvorgang ist sehr einfach, wenn der DPF eine Mindesttemperatur von 600 ı C erreicht. Diese wird im Stadtverkehr aber bei Weitem nicht erreicht. Lediglich bei schneller Autobahnfahrt kann man eine derart hohe Abgastemperatur erreichen. Damit der Dieselpartikelfilter trotzdem beispielsweise auch im Stadtverkehr gereinigt werden kann,

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1124

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

56

. Abb. 56.91 SCR-Technik zur Beseitigung der Stickoxide im Abgas [Robert Bosch GmbH]

verwendet man verschiedene innermotorische Methoden. Für alle gilt, dass dabei die Verbrennung im Motor verschlechtert wird. Das führt dann zu einer hohen Abgastemperatur, aber auch zu einem deutlich erhöhten Kraftstoffverbrauch. Bei manchen Motoren wird zusätzlich nochmals Dieselkraftstoff in das Abgassystem eingespritzt. Dieser Kraftstoff verbrennt ähnlich wie in einer Ölheizung und erwärmt den Partikelfilter. Zuweilen wird auch ein Oxidationskatalysator vorgeschaltet (vergleiche . Abb. 56.90), in dem Stickstoffmonoxid (NO) zu Stickstoffdioxid (NO2 ) oxidiert wird. Dieses zerfällt sofort wieder und setzt im DPF Sauerstoff frei, der dann den Ruß oxidiert. Wegen der großen Fülle von DPF-Regenerationsmöglichkeiten kann man vermuten, dass die optimale Methode wohl noch nicht gefunden wurde. Die Stickoxide verringert man wie beim Ottomotor mit Abgasrückführung (vergleiche 7 Abschn. 56.7.1), mit einem NOx -Speicherkatalysator oder mit der sogenannten SCR-Technik. Der NOx -Speicherkatalysator sammelt (ähnlich wie der Rußfilter) die Stickoxide und muss von Zeit zu Zeit gereinigt werden. Dazu betreibt man den Verbrennungsmotor sehr fett. Bei der selektiven katalytischen Reduktion (SCR) (vergleiche . Abb. 56.91) wird dem Abgas eine wässrige Harnstofflösung (Handelsname AdBlue) zugemischt. Diese zersetzt sich in Ammoniak, welches die Stickoxide reduziert. Die SCR-Technik ist sehr aufwendig und teuer. Wenn sie aber einmal in einem Fahrzeug installiert ist, dann kann man mit viel AdBlue auch viel Stickoxid beseitigen. Heutige Motoren werden im Allgemeinen verbrennungsmäßig schlecht eingestellt, damit nicht viele Stickoxide entstehen. Das führt dann zu einem erhöhten

Kraftstoffverbrauch und auch zu einer erhöhten Rußentstehung. Bei Verwendung der SCR-Technik kann man den Motor wieder sauber und sparsam einstellen. Die dabei entstehende große Stickoxidmenge wird mit entsprechend viel AdBlue gereinigt. Der AdBlue-Tank muss aber öfter aufgefüllt werden. Spediteure haben die Erfahrung gemacht, dass die Mehrkosten für AdBlue nicht so hoch sind wie die Kraftstoffersparnis. Das SCR-System lohnt sich also auch finanziell. Bei Pkw sieht die ökonomische Bilanz nicht so gut aus, weil Pkw deutlich weniger Kilometer fahren (ca. 200.000 km) als Lkw (ca. 1.000.000 km) und sich so die Investitionskosten beim Pkw nicht amortisieren. Dennoch bieten Pkw-Hersteller zunehmend SCR-Systeme an, weil sich so der Zielkonflikt zwischen niedrigen NOx-Emissionen und niedrigen Kraftstoffverbräuchen entschärfen lässt.

56.8

Alternative Kraftstoffe

Die meisten modernen Motoren werden mit Otto- oder Dieselkraftstoff betrieben. Alternativ dazu kann man als Kraftstoff beispielsweise Erdgas, Flüssiggas oder Biokraftstoffe (zum Beispiel Bio-Ethanol, Bio-Diesel oder reines Pflanzenöl) verwenden. Der große Vorteil von Gasen besteht darin, dass sie sich besser als Flüssigkeiten mit Luft vermischen lassen. Dadurch entstehen weniger Schadstoffkomponenten im Abgas. Der Nachteil von Gasen ist, dass sie im Tank mehr Platz für den gleichen Energieinhalt benötigen als Flüssigkeiten.

1125 56.8  Alternative Kraftstoffe

. Abb. 56.92 Beim CWtL-Prozess wird überschüssiger Strom dazu verwendet, flüssige Kraftstoffe synthetisch herzustellen [20]

Flüssiggas ist ein Gemisch aus Propan und Butan. Es wird auch als Autogas, Campinggas oder LPG (Liquified Petrol Gas) bezeichnet und befindet sich beispielsweise in Gasfeuerzeugen. Flüssiggas wird bei einem nur kleinen Überdruck gespeichert. Deswegen ist die Anfertigung von Tanksystemen auch unproblematisch. Im Nachrüstbereich gibt es Flüssiggastanks, die die Form eines Reserverads haben und an der entsprechenden Stelle im Kofferraum eingebaut werden. Flüssiggas ist schwerer als Luft. Deswegen sammelt es sich bei einer Leckage am tiefsten Punkt, weswegen besondere Sicherheitsrichtlinien beachtet werden müssen. Flüssiggas ist ein Produkt der Erdölraffinerie. Deswegen ist Flüssiggas auch kein alternativer Energieträger, mit dem man die Erdölvorräte schonen könnte. Erdgas besteht fast vollständig aus Methan. Es wird in Druckgasbehältern bei einem Druck von ca. 200 bar gespeichert. Das erfordert besondere konstruktive Maßnahmen. Erdgastanks sind entweder aus Stahl und damit sehr schwer. Oder sie sind aus einem Verbundmaterial (zum Beispiel innen Aluminium und außen faserverstärkter Kunststoff) und damit teuer. Trotz des hohen Drucks benötigt Erdgas bei gleicher Energiemenge etwa das vierfache Volumen von flüssigen Kraftstoffen. Damit nimmt es im Fahrzeug wertvollen Raum weg. Da Flüssiggas und insbesondere Erdgas ein günstigeres Wasserstoff-Kohlenstoff-Verhältnis als Benzin und Diesel aufweisen, entsteht bei der Verbrennung dieser Gase weniger Kohlendioxid und mehr Wasser als bei der Verbrennung von flüssigen Kraftstoffen. Da in der Europäischen Union die CO2 -Emissionen von Fahrzeugen immer wichtiger werden, haben Autohersteller ein großes Interesse daran, möglichst viele Gasfahrzeuge zu verkaufen. Denn dadurch sinkt der Flottenverbrauch hinsichtlich der CO2 -Emissionen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts hat die Europäische Union den Einsatz von Biokraftstoffen sehr begünstigt. Der Grund liegt im sogenannten (nahezu) ge-

schlossenen CO2 -Kreislauf: Das CO2 , das bei der Verbrennung im Fahrzeug entsteht, hat die Pflanze während ihres Wachstums über die Fotosynthese der Luft entnommen. Lediglich bei der Bewirtschaftung der Felder und der Herstellung der Kraftstoffe aus der Biomasse entsteht etwas zusätzliches Kohlendioxid. Insofern könnten Biokraftstoffe helfen, die CO2 -Emissionen deutlich zu senken. Allerdings stehen die für Biokraftstoffe benötigten Pflanzen immer in Konkurrenz zu Lebensmitteln. Denn letztlich können Ackerflächen nur einmal verwendet werden: entweder energetisch (zum Beispiel für Biokraftstoffe oder Holz zum Heizen), stofflich (zum Beispiel für Holz für den Möbelbau) oder für Nahrungsmittel. Insbesondere dort, wo man die biologische Grundlage der Biokraftstoffe auch essen könnte (Weizen, Mais, Raps), ist es zu einem Preis-Konkurrenzkampf gekommen. Denn die Kraftstoffindustrie ist eher bereit, hohe Preise für diese Rohstoffe zu bezahlen, als es hungrige Menschen können. Das alles spricht nicht gegen den Einsatz von Biokraftstoffen, wohl aber für eine sinnvolle Regulierung, sodass die Nahrungsmittelpreise nicht unnötig steigen. In den letzten Jahren hat man sich zunehmend mit sogenannten synthetischen Kraftstoffen beschäftigt. Das sind flüssige Kraftstoffe, die in chemischen Anlagen aus einem Synthesegas hergestellt werden. Dieses Synthesegas kann Erdgas, Biogas oder auch ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlendioxid sein. Der Vorteil dieser Kraftstoffe liegt darin, dass man den Syntheseprozess genau steuern und so die Zusammensetzung der flüssigen Kraftstoffe festlegen kann. Damit kann man High-Tech-Kraftstoffe mit genau spezifizierten Eigenschaften herstellen. Allerdings ist dieser chemische Prozess so teuer, dass er sich bei den heutigen niedrigen Rohölpreisen finanziell noch nicht lohnt. Die Mineralölindustrie hat aber erste chemische Anlagen in der Nähe von Erdölförderstellen gebaut. Dort nutzen sie das Erdgas, das bei der Förderung von Erdöl in großen Mengen an die Erdoberfläche tritt und bislang ungenutzt abgefackelt wird.

56

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Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

Mit der Power-to-Gas-Technik könnte man eine Verbindung zwischen Straßenverkehr und regenerativer Stromproduktion schaffen. Moderne Fotovoltaik- oder Windkraftanlagen liefern je nach Wetter und Tageszeit zuweilen Strom, für den es keinen Verbraucher gibt. Eine Stromspeicherung ist extrem aufwendig und teuer. In der Power-toGas-Technik wird dieser Strom dazu verwendet, um mit Hilfe von Elektrolyse Wasser in die Komponenten Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Den Wasserstoff könnte man gemeinsam mit Kohlendioxid aus der Luft zu Methan reagieren lassen. Dieser Prozess ist sehr attraktiv, momentan aber noch zu teuer. Gleiches gilt für den CWtLProzess (Carbon-Dioxide-and-Water-to-Liquid), bei dem flüssiger Kraftstoff synthetisch hergestellt wird (vergleiche . Abb. 56.92).

56

56.9

Motorelektronik

Die hohen Anforderungen an moderne Verbrennungsmotoren bezüglich Emissionen, Kraftstoffverbrauch und Leistung lassen sich ohne den Einsatz von Motorsteuergeräten nicht erfüllen. . Abb. 56.93 zeigt beispielhaft den großen Umfang an Sensoren und Aktoren bei einem High-endDieselmotor. Es handelt sich dabei um einen zweistufig aufgeladenen (vergleiche 7 Abschn. 56.6) Dieselmotor mit Hoch- und Niederdruck-Abgasrückführung, Dieselpartikelfilter und SCR-Technik (vergleiche 7 Abschn. 56.7).

Die Motorelektronik (Engine Control Unit – ECU) hat die Aufgabe, in jedem Betriebspunkt des Verbrennungsmotors alle Aktoren so anzusteuern, dass der Motor optimal läuft. Dazu werden Betriebsinformationen über den Ist-Zustand des Motors (Sensorwerte) und Strategien (Funktionen in der ECU-Software) für die Festlegung der Aktorsignale benötigt. Im Folgenden werden einige wenige Details näher vorgestellt. Umfangreiche Informationen sind den Büchern [2, 6] und [27] zu entnehmen. Man kann in . Abb. 56.93 deutlich den Drehzahlsensor erkennen. Dieser informiert die ECU über die aktuelle Position der Kurbelwelle. Bei diesem Drehzahlsensor handelt es sich um eine Zahnscheibe mit beispielsweise 60 Zähnen, wobei zwei davon fehlen (. Abb. 56.94). Der induktive Sensor erkennt die Zahnflanken und sendet so alle 6 ı KW ein Signal an die ECU. Die große Zahnlücke dient zur Identifizierung beispielsweise des oberen Totpunktes des 1. Zylinders. Da beim 4-Takt-Motor der OT sowohl während der Verbrennung als auch während des Ladungswechsels auftritt, wird ein zweiter Sensor an der mit halber Motordrehzahl rotierenden Nockenwelle benötigt (Phasengeber). Dieser kann zwischen diesen beiden Totpunkten unterscheiden. Mit dieser Kenntnis kann die ECU den Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt über die Injektoren einspritzen. Bei modernen Motoren ist es notwendig, dass alle Zylinder gleichmäßig arbeiten. Nur so können eine bestmögliche Laufruhe, minimale Schadstoffemissionen und eine lange Haltbarkeit gewährleistet werden. Da es übli-

. Abb. 56.93 Sensoren und Aktoren an einem High-end-Dieselmotor mit zweistufiger Aufladung, variabler Turbinengeometrie, Ladeluftkühler, Hochdruck- und Niederdruck-AGR sowie AGR-Ventilen [36]

1127 56.9  Motorelektronik

. Abb. 56.94 Induktiver Drehzahlgeber [29]

cherweise in Fahrzeugen keine zylinderspezifischen Sensoren gibt, versucht die ECU, aus dem Drehwinkelsignal auf die gleichmäßige Drehmomententfaltung der Zylinder zu schließen. Immer dann, wenn in einem Zylinder die Verbrennung stattfindet, steigt die Motordrehzahl geringfügig an. Durch die Beobachtung dieses Signals können beispielsweise auch Zündaussetzer erkannt werden. Bei modernen Euro-6-Dieselmotoren werden teilweise Zylinderdrucksensoren in den Zylinderkopf eingebaut. Diese Messtechnik (Zylinderdruckindizierung) ist von Versuchsmotoren her bekannt. Ein Quarzdruckaufnehmer sitzt so im Zylinderkopf, dass er Zugang zum Brennraum hat und dadurch den Druckverlauf in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel misst. Diese Prüfstandsmesstechnik ist sehr teuer und kann in Serienmotoren nicht verwendet werden. Neuerdings gibt es aber einfachere Zylinderdruckaufnehmer (. Abb. 56.95), die in die Glühstiftkerzen des Dieselmotors integriert sind und so den Druck in jedem Zylinder messen. In . Abb. 56.93 ist auch eine Drosselklappe zwischen Ladeluftkühler und Zylinder zu erkennen. Nachdem im 7 Abschn. 56.1.6.5 erklärt wurde, dass die Drosselklappe beim Ottomotor für den schlechten Wirkungsgrad im Teillastgebiet mit verantwortlich ist, wundert es, dass auch Dieselmotoren neuerdings über eine Drosselklappe verfügen. Diese dient dazu, die Hochdruckabgasrückführung (vergleiche 7 Abschn. 56.7) zu ermöglichen. Wenn nämlich der Turbolader optimal arbeitet, dann erzeugt er mehr Ladedruck, als er Abgasdruck vor der Turbine aufstaut. Dann ist aber aufgrund des falschen Druckgefälles keine Abgasrückführung mehr möglich. In diesem Fall vernichtet die Drosselklappe einen Teil des Ladedrucks, um die HD-AGR zu ermöglichen. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Maßnahmen zur Emissionsreduzierung (hier: NOx ) zu einem Mehrverbrauch führen können. Ein Chip-Tuner könnte auf die Idee kommen, die Abgasrückführung stillzulegen, indem er die beiden AGRVentile blockiert. In diesem Fall würden der Kraftstoffverbrauch sinken und die NOx -Emissionen steigen, was man aber nicht erkennen oder einfach messen kann. Um Manipulationen wie diese zu entdecken, ist in der Motorelektronik die sogenannte On-Board-Diagnose (OBD)

. Abb. 56.95 Die intelligente Drucksensor-Glühkerze PSG von Beru misst während des Motorbetriebs den zeitlichen Verlauf des Druckes im Zylinder. Damit kann die Motorelektronik die Verbrennung im Zylinder beurteilen [Federal-Mogul Motorparts]

enthalten. Diese hat die Aufgabe, alle emissionsrelevanten Bauteile zu überwachen. Wenn alle Komponenten noch so wie im Originalzustand funktionieren, dann werden wohl auch die im Betrieb nicht mehr messbaren Schadstoffemissionen in Ordnung sein. Wenn die OBD Fehlfunktionen, Schäden oder Manipulationen erkennt, greift sie zu entsprechenden Maßnahmen. Im einfachsten Fall erfolgt ein Eintrag im Fehlerspeicher der ECU. Beim nächsten Kundendienst wird dieser ausgelesen und entsprechende Reparaturen sind möglich. Wenn die Probleme größer sind, informiert die OBD den Fahrer über die Diagnose-Kontrollleuchte und bittet ihn, eine Werkstatt aufzusuchen. Bei schwerwiegenden Problemen fährt die OBD den Motor in einen Notbetrieb mit reduzierter Motorleistung oder legt ihn komplett still. Der Fahrer wird dann „freiwillig“ eine Werkstatt aufsuchen. Der 3-Wege-Katalysator des Ottomotors verlangt, dass die Verbrennung genau bei einem Luftverhältnis  D 1

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Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

. Abb. 56.96 Lambda-Regelung beim Ottomotor

Luftmassenstromsensor

Vorkatalysator

Hauptkatalysator

Abgas

Motor Ungebungsluft Lambdasonden Kraftstoff Einspritzventile

Motorelektronik (ECU) weitere Sensoren

56

abläuft. Dazu misst die Motorelektronik mithilfe eines Luftmassenmessers den Luftmassenstrom, der sich aufgrund der Position der Drosselklappe ergibt (vergleiche . Abb. 56.96). Aus diesem Luftmassenstrom wird unter Verwendung der Mindestluftmenge die benötigte Kraftstoffmenge berechnet. Aus dem Kennfeld der Einspritzdüse ergibt sich dann eine Einspritzzeitdauer. Nach der Verbrennung misst eine Lambdasonde im Abgasstrom nach den Zylindern, ob das Luftverhältnis wirklich genau auf dem Wert Eins lag. Wenn das Luftverhältnis nicht genau dem Sollwert entspricht, reagiert die ECU unmittelbar und ändert im nächsten Arbeitsspiel die Einspritzzeitdauer und damit die Einspritzmenge. Die im Bild dargestellte zweite Lambdasonde überwacht übrigens die Wirksamkeit des 3-Wege-Katalysators. Das ist eine wichtige Kontrolle im Rahmen der On-Board-Diagnose. Moderne Abgasnachbehandlungsanlagen müssen von Zeit zu Zeit regeneriert werden. Beispielsweise muss der Dieselpartikelfilter je nach Beladungszustand gelegentlich auf eine Regenerationstemperatur von 600 ı C gebracht werden. Wenn der Fahrer nicht gerade sehr schnell auf der Autobahn fährt, liegen die Abgastemperaturen moderner Dieselmotoren deutlich niedriger. Die Motorelektronik muss dann in den Verbrennungsprozess eingreifen und die Abgastemperatur künstlich erhöhen. Das geschieht beispielsweise durch eine Nacheinspritzung von zusätzlichem Kraftstoff. Diese darf aber nicht zu einer Änderung des vom Fahrer gewünschten Drehmoments führen. Sonst würde das Fahrzeug seine Fahrweise ändern. Die moderne Motorelektronik „denkt“ deswegen in Motordrehmoment (vergleiche . Abb. 56.97). Sie interpretiert die Fahrpedalstellung im Fahrzeug als Drehmomentwunsch des Fahrers. Sie berücksichtigt aber auch weitere Anforderungen, die sich beispielsweise aus der Fahrdynamik, dem Bauteilschutz oder dem Kaltstartverhalten ergeben. Wenn die Motorelektronik so in den Prozess eingreift, dass sich das für den Fahrer spürbare effektive Drehmoment des Motors ändern würde, dann berücksichtigt sie das durch

aufwendige Kompensationsberechnungen. Diese drehmomentenbasierte Denkweise der Motorelektronik erfordert ein sogenanntes elektronisches Fahrpedal (E-Gas), das den Wunsch des Fahrers aufnimmt, aber nicht unmittelbar in den Motorbetrieb eingreift. Bei Ottomotoren gibt es mehrere Möglichkeiten, um das Wunschdrehmoment am Motor einzustellen. Üblicherweise öffnet die ECU die Drosselklappe entsprechend weit und die Einspritzung spritzt so viel Kraftstoff ein, dass sich ein stöchiometrisches Gemisch ergibt. Man könnte aber auch bei zu weit geöffneter Drosselklappe und dadurch zu viel Motordrehmoment das Drehmoment wieder absenken, indem man die Verbrennung verschlechtert. Das geschieht durch einen zu späten Zündzeitpunkt (vergleiche 7 Abschn. 56.1.7.1). Natürlich hat der Motor dann einen schlechten Kraftstoffverbrauch. Der Vorteil dieser Maßnahme liegt aber darin, dass der Verbrennungsmotor auf diese Momentenrücknahme durch einen verspäteten Zündzeitpunkt unmittelbar und schnell reagiert (sogenannter „schneller Pfad“, vergleiche . Abb. 56.97). Die Beeinflussung des Drehmoments mit der Drosselklappe („langsamer Pfad“) ist vergleichsweise träge. Denn der Zylinder „bemerkt“ erst dann eine Änderung der Drosselklappenstellung, wenn das Saugrohr zwischen der Drosselklappe und dem Zylinder entsprechend entleert ist. Und das kann je nach Saugrohrvolumen mehrere Arbeitsspiele dauern. Diese träge Reaktion wird vom Fahrer gespürt. Die momentenbasierte Struktur der Motorelektronik (vergleiche . Abb. 56.98) wird in den kommenden Jahren eine noch größere Bedeutung als bisher haben. Bei Hybridfahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor kann man teilweise auswählen, ob das Wunschmoment durch den V-Motor oder durch den E-Motor bereitgestellt wird. Hierfür werden intelligente Programme in der Fahrzeugelektronik benötigt, die je nach Ladezustand der Batterie, Betriebstemperatur des Verbrennungsmotors, Fahrprofil und Fahrweise die verbrauchs- oder emissionsgünstigste Wahl treffen.

1129 56.9  Motorelektronik

Motormodell mit Momentenstruktur Fahrerwunsch

Drosselklappenwinkel

Externe Momentanforderungen • Geschwindigkeitsregelung • Geschwindigkeitsbegrenzung • Getriebesteuerung • Fahrdynamik • Fahrkomfort

Beeinflussung der Ansaugleitungen

Luftsystem

Beeinflussung der Ventile

Langsamer Pfad Drehmomentkoordinator Koordination der Moment- und Wirkungsgradanforderungen

Interne Momentanforderungen

Beeinflussung der Aufladung

DrehmomentUmsetzung

Einspritzdauer

• Start • Leerlaufregelung • Drehzahlbegrenzung • Bauteilschutz

Einspritzzeitpunkt

Kraftstoffsystem

Einspritzausblendung

Schneller Pfad Wirkungsgradanforderungen Zündsystem

• Start • Katalysator-Aufheizen

Sensoren und Eingangssignale

Momentanforderung

Sollmomente

Zündzeitpunkt

Umsetzung

Aktoren

. Abb. 56.97 Drehmomentbasierte Systemstruktur der Motorelektronik: Die ECU „denkt“ in Motormoment und stellt die Aktor-Signale so ein, dass nach Möglichkeit der Fahrwunsch erfüllt wird [nach [29] und [27]] Momentenmodell von Verbrennungsmotor und Antriebsstrang zur Simulation des kompletten Antriebsstrangs

Luftmasse Motor Kraftstoffmasse

inneres Moment aus Verbrennung +

inneres Moment +

-

effektives Moment + -

Kupplungsmoment + -

Getriebemoment +

-

Antriebsmoment -

Zündzeitpunkt Ladungswechselverluste

Reibungsverluste

Nebenaggregateverluste

Kupplungsverluste

Getriebeverluste

Inverses Momentenmodell von Verbrennungsmotor und Antriebsstrang zur Festlegung der Aktor-Stellgrößen

. Abb. 56.98 Die ECU modelliert den kompletten Antriebsstrang momentenbasiert. Wenn man von links nach rechts (vorwärts) denkt, dann kann man aus den Aktorsignalen das Antriebsmoment berechnen. Wenn man von rechts nach links (rückwärts) denkt, dann kann man die zum Wunschdrehmoment passenden Aktorsignale ermitteln [nach [30] und [27]]

56

1130

Kapitel 56  Verbrennungsmotoren

Literaturhinweise, Informationsquellen

56

1. Andert, J., Köhler, E., Niehues, J., Schürmann, G.: Range Extender von KPSG – Ein neuer Wegbereiter der Elektromobilität. MTZ 05 (2012) 2. Basshuysen, R., Schäfer, F.: Handbuch Verbrennungsmotor. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 3. Becker, N.: Der neue 1,0-l-Dreizylinder-MPI-Motor für den up! ATZ extra – Der neue VW up! (2011) 4. Biba, S., Lang, H., Müller, P., Valecka, M.: Die Resonanzsauganlagen für die neuen 2,5- und 3-l-Ottomotoren von BMW. MTZ Juli/August (2006) 5. Bischoff, M., Eiglmeier, C., Werner, T., Zülch, S.: Der neue 3,0-l-TDI-Biturbomtor von Audi – Teil 2: Thermodynamik und Applikation. MTZ Februar (2012) 6. Braess, H.-H., Seiffert, U.: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. Springer Vieweg, Wiesbaden (2013) 7. Damm, K., Pucher, K., Skiadas, A., Witt, M.: Sputterlager für hochaufgeladene Dieselmotoren. MTZ 05 (2015) 8. Eichler, F., Demmelbauer-Ebner, W., Persigehl, K., Wendt, W.: Der 1,0-l-Dreizylinder-TSI-Motor im modularen Baukasten von Volkswagen. MTZ 11 (2014) 9. Endres, H., Szengel, R., Metzner, T., Becker, N., Uphoff, K.: Der neue W12-6,0-l-Motor für den VW Phaeton. VW Phaeton – Sonderausgabe von ATZ und MTZ 07 (2002) 10. Flierl, R., Hosse, D., Temp, A., Werth, C.: Restgassteuerung am Verbrennungsmotor mit variablen Steuerzeiten durch Zusatzventilhub. MTZ 02 (2014) 11. Friedfeldt, R., Zenner, T., Ernst, R., Fraser, A.: Dreizylinder-Ottomotor mit Direkteinspritzung und Turboaufladung. MTZ 5 (2012) 12. Fröhlich, A., Riegger, R., Rossi, D., Streng, C.: Zweite Generation des 3,0-l-Dieselmotors. ATZ extra – Der neue Audi A6 01 (2011) 13. Indra, F.: Zylinderabschaltung für alle Hubkolbenmotoren? MTZ 10 (2011) 14. Knirsch, S., Weiss, U., Fröhlich, A., Helbig, J.: Die neue V6-TDI-Motorengeneration von Audi. MTZ 09 (2014) 15. Köhler, E., Flierl, R.: Verbrennungsmotoren. Springer Vieweg, Wiesbaden (2011) 16. Krebs, R., Szengel, R., Middendorf, H., Fleiß, M., Laumann, A., Voeltz, S.: Neuer Ottomotor mit Direkteinspritzung und Doppelaufladung von Volkswagen – Teil 1: Konstruktive Gestaltung. MTZ 11 (2005) 17. Langen, P., Hall, W., Nefischer, P., Hiemsch, D.: Der neue zweistufig aufgeladene Sechszylinder-Dieselmotor im BMW 740D. MTZ 04 (2010)

18. MAHLE GmbH: Zylinderkomponenten – Eigenschaften, Anwendungen, Werkstoffe. Vieweg+Teubner, Wiesbaden (2009) 19. Mahle GmbH: Ventiltrieb – Systeme und Komponenten. Springer Vieweg, Wiesbaden (2013) 20. Maus, W., Jacob, E., Brück, R., Hirth, P.: Nachhaltigkeit verfügbarer Kraftstoffe – eine Fiktion? MTZ 06 (2012) 21. Merdes, N., Pätzold, R., Ramsperger, N., Lehmann, H.-G.: Die neuen R4-Ottomotoren M270 mit Turboaufladung. ATZ extra – Die neue A-Klasse von Mercedes-Benz (2012) 22. Merker, G. P., Teichmann, R.: Grundlagen Verbrennungsmotoren. Springer Vieweg, Wiesbaden (2014) 23. Neukirchner, H., Arnold, O., Dittmar, A., Kiesel, A.: Die Entwicklung von Massenausgleichseinrichtungen für Pkw-Motorem. MTZ Mai (2003) 24. Pischinger, S.: Entwicklung beim Pkw-Motor – spannender denn je. MTZ Jubiläumsausgabe (2014) 25. Pischinger, S.: Verbrennungskraftmaschinen I. RWTH Aachen, Aachen (2015) 26. Pischinger, S.: Verbrennungskraftmaschinen II. RWTH Aachen, Aachen (2015) 27. Reif, K.: Automobilelektronik – Eine Einführung für Ingenieure. Springer Vieweg, Wiesbaden (2014) 28. Reif, K.: Dieselmotor-Management kompakt. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 29. Reif, K.: Motorsteuerung lernen – Elektronische Steuerung von Ottomotoren. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 30. Reif, K.: Motorsteuerung lernen – Ottomotor-Management kompakt. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 31. Reif, K.: Motorsteuerung lernen – Zündsysteme für Ottomotoren. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 32. Schreiner, K.: Basiswissen Verbrennungsmotor. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 33. Schwarz, R., Adolph, J.: Optimierung von Ölspritzdüsen zur Kolbenkühlung. MTZ März (2001) 34. Soltic, P.: Halbierung der PW CO2 Emissionen bis 2025 – geht das? Vortrag auf der Tagung „CO2 -arme Treibstoffe der Zukunft“, EMPA, Dübendorf (Schweiz), 28. Februar (2013) 35. Szengel, R., Middendorf, H., Möller, N., Bennecke, H.: Der modulare Ottomotorbaukasten von Volkswagen. MTZ 06 (2012) 36. Zimmermann, M., Bleile, T., Heiber, F., Henle, A.: Komplexitätsbeherrschung von Motorsteuerungs-Funktionalitäten. MTZ 01 (2015) 37. Züttel, A.: Storage of Renewable Energy by Reduction of CO2 with Hydrogen. Chimia 5, 267 (2015)

1131

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten A

m2 , mm2

Fläche, Querschnitt

s

m, mm

Wanddicke, Kolbenhub

a

l

Hubverhältnis

Tc

K

Verdichtungsendtemperatur

B

kg=h

Kraftstoffverbrauch

t

ºC

Temperatur

beff

g=kWh

effektiver spezifischer Kraftstoffverbrauch

t

s

c

kJ=kg K

spezifische Wärmekapazität

Ventilöffnungszeit, UnterbrecherkontaktSchließzeit

c

m=s

Wassergeschwindigkeit

u

m=s

Umfangsgeschwindigkeit (Kreisbahn)

d

mm

Zylinderdurchmesser

V

cm3

Volumen

f

l=min

Zündfunkenfrequenz

VP

m3 =s

Volumenstrom, Durchsatz

g H o ,H u

m=s2

Fallbeschleunigung

kJ=kg

Verbrennungswärme, unterer Heizwert

cm

3

Verdichtungsraum

cm

3

Zylinderhubraum

Vb

cm

3

Verbrennungsraum

VH

cm3

Motorhubraum



m3 =kg

spezifisches Volumen

Vc Vh

H, h

m

Fallhöhe

h

kJ=kg

spezifische Enthalpie

k

kJ=m2 h K

Wärmedurchgangskoeffizient

L

m3 =kg

Luftbedarf

m

m=s

mittlere Kolbengeschwindigkeit

Lr

kg=m2 h

Rostbelastung

w

m=s

relative Geschwindigkeit

l

mm

Kanalhöhe, radiale Schaufelhöhe

z

l

Anzahl, Stückzahl, Zylinderzahl

M

kg=kmol

Molekülmasse

z

l=min

Schmieröl- oder Kühlwasserumlaufzahl

M

Nm

Motordrehmoment

˛

°

Winkel

m

kg

Masse, Ladungsmasse

˛

kJ=m2 h K

Wärmeübergangskoeffizient

m P

kg=s

Massenstrom, Ladungsdurchsatz

ˇ

°

Winkel

m PB

kg=h

Brennstoffdurchsatz



°

Zündabstandswinkel

n

l

Polytropenexponent, Luftüberschusszahl



l

Wirkungsgrad, Liefergrad

Omin

m3 =kg

Sauerstoffmindestbedarf

e

l

effektiver Wirkungsgrad

P

kW, W

Leistung

eff

l

Nutzwirkungsgrad

PH

kW=dm3

Hubraumleistung

g

l

Gütegrad

p

Pa, bar

Druck

m

l

mechanischer Motorwirkungsgrad

peff

bar

effektiver Kolbendruck, Mitteldruck

i

l

indizierter Wirkungsgrad

pi

bar

indizierter Mitteldruck



l

Adiabatenexponent

Q

kJ, J

Wärmemenge



l

Verdichtungsverhältnis

QP

kJ=s, W, kW Wärmestrom



l

Luftverhältnis

qr

kJ=m2 h

Rostwärmebelastung



kJ=m2 h K

Wärmeleitfähigkeit

3

qf

kJ=m h

Feuerraumwärmebelastung

c

l

Ladedruckverhältnis

r

kJ=kg

spezifische Verdampfungswärme

˚

kJ=kg

Wärmemengenverbrauch

r

m, mm

Kurbelradius



l

Thoma’sche Kavitationszahl

S

kJ=K

Entropie

'

l

Düsenreibwert

s

kJ=kg K

spezifische Entropie

'

l

Kanal- oder Schaufelreibwert

1133

Fertigungsverfahren Inhaltsverzeichnis Kapitel 57

Spanlose Fertigung – 1135 Wolfgang Böge und Marcus Kampf

Kapitel 58

Zerspantechnik – 1189 Wolfgang Böge und Lutz Barfels

XI

1135

Spanlose Fertigung Wolfgang Böge und Marcus Kampf

57.1

Urformen

Unter Urformen versteht man das Fertigen eines festen Körpers aus formlosem Stoff. Formlose Stoffe sind Gase, Flüssigkeiten, Pulver, Granulate und Späne. 1 Einzelne Urformverfahren

Gießen: Stoff in flüssigem oder breiigem Zustand wird in eine geometrische Form gebracht. Sintern: Formloser Stoff in festem Zustand (Pulver) wird gemischt und durch Pressen und nachfolgende Wärmebehandlung in eine geometrische Form gebracht.

57.1.1

. Tabelle 57.1 Abkühlungsschwindung gegossener Metalle Gusswerkstoff

Abkühlungsschwindung in %

Gießtemperatur in ı C

GJL

1

1300–1500

GJS ungeglüht

1,2

1300–1450

GJS geglüht

0,5

1300–1450

GS

2

1500–1700

G-Al

0,5–1,3

650–830

G-Mg

0,4–1,4

620–740

G-Zn

0,5–1,2

390–430

G-Cu

1–2

920–1300

Gießverfahren . Tabelle 57.2 Bearbeitungszugaben für Gussteile

Beim Gießen wird ein Hohlraum – die Form – mit flüssigem oder teigig-plastischem Metall gefüllt. Der Hohlraum entspricht in allen Einzelheiten der beabsichtigten äußeren Körperform des Gussstückes. Um das zu erreichen, ist zu beachten: a) Das flüssig vergossene Metall zieht sich beim Erkalten zusammen, es schwindet. Deshalb muss die Form um die Abkühlungsschwindung größer sein als das kalte Werkstück (. Tab. 57.1). b) Flächen des Gussteiles, die nachfolgend spangebend zu bearbeiten sind, erhalten eine Bearbeitungszugabe (. Tab. 57.2). c) Wanddicken des Gussteiles sollen so gleichmäßig dick gewählt werden, dass eine gleichschnelle Abkühlung des Werkstückes an allen Stellen gewährleistet ist. Bei ungleichmäßiger Abkühlung können erhebliche Spannungen und Hohlstellen (Lunker) im zuletzt abkühlenden Teil entstehen. d) Die Form muss steigend zu füllen sein, denn bei Kaskadensprüngen zerstört das fallende Metall die Formwandungen. Die formbildende Masse kann mineralisch (Sandform) oder metallisch (Kokille) sein. Die gießfertige Form wird gefüllt: a) Beim Standguss durch die Schwerkraft des flüssigen Metalls,

Werkstoff

Zugabe in mm zum Schleifen

Drehen, Fräsen bis 800 mm

über 800 mm

GG

0,1–1

2–5

6–20

GT

0,3–1

2–3



GS



3–8

3–30 a

Metallguss

0,3

2–3

4–10

a Zusätzlich sind die Maßabweichungen nach . Tab. 57.4 zu berücksichtigen

b) beim Schleuderguss durch die Fliehkraft des flüssigen Metalls, c) beim Druckguss durch äußeren Druck auf das flüssige oder teigige Metall.

57.1.2

Modelle und Kokillen

Modelle werden aus leicht bearbeitbaren Werkstoffen hergestellt. Sie sollen glatte Oberflächen mit Aushebeschrägen haben und müssen als Modell erkennbar sein (DIN EN 12890). Diesen Anforderungen genügen:

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_57

57

1136

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

Gipsmodelle für ein- bis dreimaliges Einformen mittelgroßer Teile oder für wiederholtes Einformen kleiner Massenteile. Holzmodelle, je nach Modellqualität bis zu 50 Einformungen ohne Instandsetzung. Metallmodelle für häufig wiederholtes Einformen (Serienfertigung). Styropormodelle für Einzelabguss. Der Formwerkstoff verbrennt beim Einguss ohne Rückstand. 57.1.2.1

Holzmodelle

Verwendete Hölzer sollten gesunden Wuchs mit wenigen Ästen haben. Mittlere Holzqualität ist ausreichend, wenn der Härteunterschied zwischen Frühjahrs- und Herbstringen klein ist. Vor dem Verleimen soll das Holz auf 6 bis 10 % Feuchtigkeitsgehalt getrocknet sein. Die Auswahl der Holzqualität und fasergerechtes Verleimen bestimmen die Modellgüteklasse. DIN EN 12890 unterscheidet drei Güteklassen:

57

Güteklasse I:

Sehr gute Holzmodelle für serienweise Abgüsse Güteklasse II: Gute Holzmodelle für 10 bis 30 Abgüsse Güteklasse III: Brauchbare Holzmodelle für 1 bis 5 Abgüsse Dicke Holzklötze bekommen beim Austrocknen Schwindrisse, deshalb werden dickwandige Modelle abgesperrt verleimt. Einzelbrettdicke abgesperrter Klötze 12 bis 40 mm. Im Modell ist so viel Hohlraum vorzusehen, wie die Festigkeit des Modells zulässt. Abzurundende Körperkanten lassen sich gut einformen, deshalb werden am Modell alle scharfen Übergänge gerundet. Hohlkehlen bis R D 8 mm lassen sich billig aus Kitt herstellen, Hohlkehlradien R D 8–12 mm formt man am Modell durch Leder- oder Kunststoffeinlagen. Hohlradien R  12 mm lassen sich nur durch Holzleisten formen; sie sollten wegen der hohen Herstellungskosten für das Modell möglichst vermieden werden. Nach der Werkstattzeichnung wird eine Modell-Vorderansicht gefertigt (. Abb. 57.1), aus dem die Modellteilung und der Verleimungsaufbau ersichtlich sind.

. Abb. 57.1 Geteiltes Kernmodell. a Werkstattzeichnung, b ModellVorderansicht. Teilfuge liegt außerhalb der Scheibenmitte, Rippen verstärken den Flansch der unteren Modellhälfte

Es wird unterschieden nach Naturmodell und Kernmodell. Ein Naturmodell gleicht dem Gusskörper. Es ist nur um die Abkühlungsschwindung und die Bearbeitungszugabe größer. Hohlräume im Gusskörper werden durch Kerne geformt. Kernmodelle können ungeteilt oder geteilt (. Abb. 57.1) ausgeführt sein. 57.1.2.2

Kerne

Zylindrische Kerne werden von langen, auf einer Kerndrehmaschine hergestellten Kernstangen abgeschnitten (billigstes Herstellverfahren). Nicht zylindrische Kerne, auch solche, die nur einen dünneren Teil haben, müssen im Kernkasten geformt werden. Für jeden nicht zylindrischen Hohlraum im Gussteil ist ein besonderer Kernkasten zu bauen. 57.1.2.3

Schablonen

Rotationssymmetrische Körper oder lange Körper gleichen Querschnittes werden mit profilierten Brettern – Schablonen genannt – eingeformt, um teure Modelle zu sparen. . Abb. 57.2 zeigt die Formherstellung eines rotationssymmetrischen Körpers mittels Schablone, die an einer Säule (Rohr oder Stahlwelle) drehbar befestigt ist. Zur Herstellung langer Körper gleicher Querschnitte wird die Schablone – hier Ziehbrett genannt – an Ziehleisten geführt (. Abb. 57.3). Werden statt der geraden Ziehleisten gebogene verwendet, können auch Rohrkrümmer oder ähnliche Formen aus der Formmasse herausgearbeitet werden.

. Abb. 57.2 Schablonenformerei für Rotationskörper. a Werkstattzeichnung, b mit Schablone I geformte Innenkontur im Unterkasten, c mit Schablone II geformte Außenkontur im Oberkasten

1137 57.1  Urformen

. Abb. 57.3 Schablonenformerei mit Ziehleisten. a Werkstattzeichnung, b Einformen der Außenkonturen mit Ziehbrett I, Ziehleisten und Randscheiben, c Einformen der Innenkonturen mit Ziehbrett II, Ziehleisten und Randscheiben

Vorgesehene Verrippungen müssen mit Hilfsmodellen – das sind keine vollen Modelle – von Hand eingeformt werden. 57.1.2.4

Metallmodelle

Metallmodelle werden nach Muttermodellen aus Holz oder Gips gegossen und allseitig auf Modellmaß mit Bearbeitungszugabe spangebend bearbeitet, damit das Tochteroder Arbeitsmodell den Einformforderungen in allen Einzelheiten entspricht. Bei der Herstellung der Muttermodelle ist die Schwindung des Modellwerkstoffes und die Schwindung des Fertigungsgusses zu berücksichtigen. Für die Modellherstellung sind alle gießbaren Metalle geeignet. Bevorzugt werden Aluminium-Gusslegierungen, die für alle Modellgrößen geeignet sind. Sie sind leicht, stabil und gut bearbeitbar. Gusseisen wird verwendet für kleine Modelle, wenn die Modelloberflächen maschinell zu bearbeiten sind, Stahlguss für Maschinenformerei größerer Modelle. 57.1.2.5

Kokillen

. Abb. 57.4 Kokillenguss. Stahlkokille für eine Hartgusswalze

57.1.3

Formerei

Die in der Formerei hergestellte Sandform muss standfest gegen den Druck des flüssigen Metalles, beständig gegen die hohen Gießtemperaturen und gasdurchlässig für die Luft aus dem Formraum und sich entwickelnde Gase sein. Zur Formherstellung werden Form- und Formhilfsstoffe zum Modellsand (Formmasse) gemengt. Der Modellsand soll bildsam und feinkörnig sein. Bildsamer Modellsand passt sich gut der Modellform an, feinkörniger Modellsand liefert glatte Gussstückoberflächen (Korngröße 0,5 mm für allgemeine Zwecke; 0,2 mm und kleiner für glatte Gussstückoberflächen). Kernsand für Hohlräume muss den Anforderungen wie Modellsand entsprechen und zusätzlich nach dem Guss rieselförmig zerfallen. Formstoffe: feuerfester Sand (Quarzsand), Ton und Lehm. Formhilfsstoffe: Steinkohlenstaub, Holzkohlenstaub, Graphit und Formpuder. Zum Modellsand der Graugießerei wird 35 % Neusand, 8 bis 30 % Ton, 5 bis 15 % Steinkohlenstaub und aufbereiteter Altsand mit Wasser angemengt. Für Kleinteile wählt man Modellsand mit Tongehalt bis 15 % und gießt, wenn die Form noch feucht ist, Guss in grüne Formen oder Nassguss. Formen für große Gussstücke müssen wegen des hohen Tongehalts trocken sein: Trockenguss. Die normale Trockenzeit von 8 bis 10 Tagen wird auf 4 bis 6 Stunden abgekürzt durch Trocknen in Trockenöfen oder mittels Warmluft. Beim schnellen Trocknen wird die Form rissig und gasdurchlässig, behält aber ihre Standfestigkeit.

Kokillen eignen sich gut zur Hartgussherstellung, weil die Gießmasse außen schnell abkühlt. . Abb. 57.4 zeigt die Herstellung einer Hartgusswalze in einer meist wassergekühlten Stahlkokille. Auch ohne Wasserkühlung bildet sich eine dünne, harte Haut am Gussstück, die durch nachträgliches Erwärmen und anschließende langsame Abkühlung normalisiert werden muss, falls sie die weitere Bearbeitung stört. Vorteile des Kokillengusses: Maßgenaue Werkstücke mit kleinen Bearbeitungszugaben, glatte saubere Oberflä- 2Herdformerei chen ohne anhaftende Sandkörner, wichtig für hydraulische Zum Einformen einteiliger Modelle für Gussstücke mit Bremsanlagen z. B. in Fahrzeugen. untergeordnetem Verwendungszweck z. B. Roststäbe in

57

1138

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

Großkesseln, Maschinenfundamentplatten und Ausgleichsgewichte. a) Offene Herdformerei. Das Modell formt man in der Formsandaufschüttung (bis 1,5 m hoch) auf dem Fußboden der Gießerei, dem Herd ein, formt von Hand einen Einguss und Überlauf und gießt. Die Oberfläche der Gussstücke kühlt an der Luft schnell ab, wird dabei hart, blasig und uneben. b) Geschlossene Herdformerei. Die im Herd eingedrückte Form wird mit einem sandgefüllten Kasten abgedeckt. Das Gussstück kühlt gleichmäßig ab, die Gussstückoberfläche wird brauchbar, enthält aber Blasen. Vorteil der beiden Verfahren: kostengünstige Gussstücke. 2Kastenformerei

57

Zum Einformen geteilter Modelle mit und ohne Kerne, für saubere Abgüsse, bequemer durchführbar als Herdformerei. Formkästen sind Rahmen ohne Deckel und Boden aus Gusseisen gegossen oder aus Stahlblech gefertigt, in Sonderfällen auch Holzrahmen (Brandgefahr). Sandleisten halten die Formmasse im Kasten fest. Für jede Modellhälfte ist ein Formkasten nötig, weil die Modellteilfuge in der Trennebene der Kästen liegen muss. Das Einformen von Einguss, Steiger und Schlackenfang bedingt zusätzliche Formerarbeit (. Abb. 57.3). 2Gussputzerei

Von den ausgepackten Gussstücken werden in der Gussputzerei Steiger und Einguss abgeschlagen; anhaftender Formsand und vorhandener Gießgrat wird entfernt. 57.1.3.1

Zementformerei

Der Modellsand wird aus Quarzsand und 12 % Portlandzement unter Zugabe von etwa 10 % Wasser angemengt. Diese Formmasse trägt man etwa 3 cm dick auf das Modell auf. Die Former müssen mit Gummihandschuhen arbeiten, weil Zement ätzt. Vorteile der Zementformerei: Die Gussstücke haben sehr glatte, sandfreie Oberflächen, modellgetreue Maße, die Bearbeitungszugaben können kleiner gehalten werden als beim Sandformguss (Zementmasse legt sich gut an das Modell, quillt wenig auf). Schadstellen der Form lassen sich leichter ausbessern als bei Sandformen, Füllsand braucht nicht aufgestampft werden, mischen der Formmasse dauert nur 5 Minuten. 57.1.3.2

Maskenformerei (Croning-Verfahren)

Dieses Verfahren wird angewendet, wenn bei Serienabgüssen hohe Anforderungen an die Werkstückoberfläche bezüglich Gestalttreue und Oberflächengüte gestellt werden oder wenn kleine Bearbeitungszugaben und kleine Maßtoleranzen einzuhalten sind, z. B. bei Werkzeugmaschinengehäusen, Bremstrommeln für Kraftfahrzeuge, Armaturengehäusen und Kühlrippenzylinder für Motoren.

. Abb. 57.5 Herstellen einer Formmaske. Modell und Modellplatte müssen heizbar sein

Um eine Formmaske herzustellen (. Abb. 57.5), sind Metallmodelle nötig, die mit den Einlaufkanälen auf eine metallische Modellplatte verschraubt sind (bei kleinen Modellen wird die Modellplatte mit Einlaufkanälen und Modellen aus einem Stück gearbeitet). Mittels Pressstempel und Pressrahmen wird die Formmaskenmasse – das ist feingemahlener Quarzsand mit feinkörnigem Kunststoff – fest gegen die beheizte Modellplatte gedrückt. Infolge der Wärmewirkung verklebt die Kunststoffmasse den Quarzsand zu einer scharf ausgeprägten, formhaltenden Schicht von etwa 5 mm Dicke zur Formmaske. Nicht verklebte Formmaskenmasse wird vor dem Herausnehmen der Formmaske aus dem Pressrahmen abgeschüttet und wieder verwendet. Die verklebte Formmaske wird im Ofen getrocknet, damit die Kunststoffmaske feuerfest gasdurchlässig wird. Soll das Gussstück in einem allseitig maskengeformten Hohlraum gegossen werden, sind mindestens zwei Formmasken nötig. Hohlräume im Gussstück können durch Formmaskenkerne gestaltet werden. Es lassen sich kleine Bearbeitungszugaben ( ˛, ˛ D 30ı bis 45ı

L D l1 C lb C l2   rf ˛ ı lb D 180ı rf D r C x

(57.9) (57.10) (57.11)

l1 ; l2 gegebene Fertigungslängen; x Abstand der neutralen Faser vom Innenradius; x D s=2, wenn Biegewinkel

57

1155 57.3  Umformen

. Abb. 57.42 Zuschnittlänge L für Biegeteile . Abb. 57.45 Doppelbiegeteil ı

ı

˛  30 ; x D s=3, wenn Biegewinkel ˛ > 30 ; r Innenbiegeradius  Blechdicke s; ˇ Innenwinkel D 180ı  ˛. Wenn die Bemaßung vom Winkelscheitel bis zu den Werkstückenden (. Abb. 57.43) angegeben ist, wird die Zuschnittlänge L D l3 C l4  v1

(57.12)

l3 , l4 gegebene Fertigungsmaße vom Winkelscheitel bis zu den Werkstückenden; v1 Verkürzung der gegebenen Maßsumme l3 C l4 .   ˇı 2 .r C s/ (57.13)   rf 1 v1 D tan .ˇ=2/ 180ı Fertigungsradius rf nach (57.11), x D s=2, wenn ˇ  150ı ; x D s=3, wenn ˇ < 150ı . Wenn die Bemaßung von den Bogentangenten bis zu den Werkstückenden (. Abb. 57.44) angegeben ist, wird die Zuschnittlänge L D l5 C l6  v2

(57.14)

l5 , l6 gegebene Fertigungsmaße von den Bogentangenten bis zu den Werkstückenden; v2 Verkürzung der gegebenen Maßsumme l5 C l6 ,   ˇı v2 D 2.r C s/   rf 1  (57.15) 180ı

Fertigungsradius rf nach (57.11), x D s=2, wenn ˇ  150ı ; x D s=3, wenn ˇ < 150ı . b) Doppelbiegeteil (U-Stanzen). Nach . Abb. 57.45 beträgt die Zuschnittlänge L D l7 C lb1 C l8 C lb2 C l9

l7 ; l8 ; l9 gegebene Fertigungslängen; lb1 Länge des Bogens 1; lb2 Länge des Bogens 2. Bogenlänge lb nach (57.10), Fertigungsradius rf nach (57.11), aber x D s=3, wenn ˇ > 90ı ; x D s=4, wenn ˇ  90ı . 7 Beispiel Für das skizzierte Biegeteil nach . Abb. 57.46 ist die Zuschnittlänge L zu berechnen. Lösung: Es liegt ein einfaches Biegeteil mit einem Biegewinkel ˛ D 180ı  45ı D 135ı vor. Die neutrale Faser liegt s=3 vom Innenradius entfernt, weil ˛ > 30ı ist. Nach (57.11) wird der Fertigungsradius rf D r C x D r C s=3 D .12 C 9=3/ mm D 15 mm: Die Bogenlänge lb wird nach (57.10): lb D

. Abb. 57.43 Biegeteil mit Maßangabe bis Winkelscheitel

(57.16)

  rf ˛ ı    15 mm  135ı D D 35;4 mm ı 180 180ı

und die Zuschnittlänge nach (57.9): L D l1 C lb C l2 D .40 C 35;4 C 60/ mm L D 135;4 mm 9

. Abb. 57.44 Biegeteil mit Maßangabe bis Bogentangente

. Abb. 57.46 Biegeteil

1156

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

liegt, da der Innenwinkel ˇ < 150ı ist, im Abstand s/3 vom Innenradius. Nach (57.11) wird der Fertigungsradius rf D r C s=3 D .12 C 9=3/ mm D 15 mm

. Abb. 57.47 Biegeteil

Nach (57.15) wird die Verkürzung   ˇı v2 D 2.r C s/   rf 1  180ı   45ı v2 D 2  21 mm     15 mm 1  180ı v2 D .42  35;4/ mm D 6;6 mm

57

7 Beispiel

L D l5 C l6  v2 D .61 C 81  6;6/ mm

Das skizzierte Biegeteil in . Abb. 57.47 ist vom Winkelscheitel bis zu den Werkstückenden bemaßt. Zu berechnen ist die Zuschnittlänge L.

L D 135;4 mm 9

Lösung: Aus der Bemaßung ist zu schließen, dass die Lage des Biegeteils zum Winkelscheitel wichtig ist, folglich muss nach (57.12) gerechnet werden. Die neutrale Faser liegt in s/3, da ˇ < 150ı . Nach (57.11) wird der Fertigungsradius rf D r C x D r C s=3 D .12 C 9=3/ mm D 15 mm Nach (57.13) ist die Verkürzung   2 .r C s/ ˇı   rf 1  tan .ˇ=2/ 180ı   45ı 2 .12 mm C 9 mm/   15 mm 1  v1 D tan .45ı =2/ 180ı v1 D

v1 D 66;1 mm:

7 Beispiel Welche Zuschnittlänge L ist für das U-Stanzteil der . Abb. 57.49. erforderlich? Lösung: Da beide Biegewinkel 90ı sind, liegt die neutrale Faser im Abstand s/4 vom Innenradius. Die beiden unterschiedlich großen Fertigungsradien rf1 und rf2 ergeben sich nach (57.11) für Bogen 1:   1;6 s rf1 D r1 C D 3 C mm D 3;4 mm 4 4 für Bogen 2:   1;6 s mm D 4;4 mm rf2 D r2 C D 4 C 4 4 Nach (57.10) erhält man für Bogen 1:

Zuschnittlänge L D l4 C l5  v1 D .90;6 C 110;6  65;8/ mm L D 135;4 mm: 9

  rf1 ˛ ı    3;4 mm  90ı D D 5;34 mm ı 180 180ı  5;3 mm

lb1 D lb1

für Bogen 2: 7 Beispiel Zu berechnen ist die Zuschnittlänge L für das in . Abb. 57.48 dargestellte Biegeteil. Lösung: Die Bemaßung ist von den Bogentangenten ausgehend vorgenommen, diese Maße sind unbedingt einzuhalten. Es muss nach (57.14) gerechnet werden. Die neutrale Faser

. Abb. 57.48 Biegeteil

  rf2 ˛ ı    4;4 mm  90ı D D 6;92 mm ı 180 180ı  6;9 mm

lb2 D lb2

L D l7 C lb1 C l8 C lb2 C l9 L D .8 C 5;3 C 5 C 6;9 C 10/ mm D 35;2 mm 9

. Abb. 57.49 U-Stanzteil

1157 57.3  Umformen

. Abb. 57.50 Die Größen für die Berechnung der Biegekraft Fb .

Berechnung der Biegekräfte Mit den Bezeichnungen nach . Abb. 57.50 wird die Biegekraft Fb D

2 lb s 2 Rm " 3 la Fb lb s la N

mm

. Abb. 57.52 Rollstanzen im Werkzeug-Unterteil

(57.17) Rm N mm2

" 1

Der Beiwert " berücksichtigt die Wirksamkeit des Schlages. Man wählt " D 2;5 beim Biegen von Werkstücken mit geringen Dickentoleranzen (˙0,1 mm) und " D 3;5 beim Biegen warmgewalzten Flachmaterials oder bei abgenutzten Werkzeugen zum Biegen maßhaltiger Stücke.

. Abb. 57.53 Durchziehen nach dem Lochen, dl Lochdurchmesser, di Innendurchmesser D Stempeldurchmesser, dz Durchzugdurchmesser D di C 2  0;65s, s Werkstoffdicke

7 Beispiel Zu berechnen ist die erforderliche Pressenkraft für das Biegen des in . Abb. 57.51 dargestellten Blechwinkels aus 1,5 mm dickem Ziehblech mit Rm D 330 N=mm2 in einer vorhandenen Biegestanze mit einer Auflageweite la D 30 mm. Lösung: Die Dickenabweichung des Ziehbleches wird zu ˙0,1 mm angenommen. Dieser Wert ist den Lieferbedingungen zu entnehmen. Dann ist nach (57.17) mit " D 2;5: 2 lb s 2 Rm " Fb D 3 la 2  25 mm  1;52 mm2  330 Fb D 3  30 mm

(57.18) N mm2

 2;5

D 1031 N

Nach . Tab. 57.9 sind 3ı Aufbiegung zu erwarten. 9

57.3.1.2

Rollen

Blechkanten werden gerollt, wenn man einen verstärkten Rand oder ein Scharnierauge fertigen will. Vor dem Rollen soll die Rollkante angekippt sein. . Abb. 57.51 Biegeteil

. Abb. 57.54 Durchziehen ohne Lochung, di Innendurchmesser, dz Durchzugdurchmesser, s Werkstoffdicke

Die neutrale Faser liegt in der Mitte des gerollten Teiles. Die Zuschnittlänge des Rollrandes wird nach (57.10) ermittelt (. Abb. 57.52). Die Größe des Biegewinkels ermittelt man nach genauer Zeichnung oder durch Versuche. 57.3.1.3

Durchziehen

Weiche Werkstoffe (Stahl bis 500 N/mm2 Zugfestigkeit) werden zum Einschneiden von Gewinde oder zur Ausbildung einer Lagerstelle mit kleinem Durchmesser vorgelocht und dann der überschüssige Werkstoff aus der Blechebene herausgezogen (. Abb. 57.53). Durchziehen ohne Vorlochen ist möglich (. Abb. 57.54).

Stechen Beim Stechen wird mit einseitig abgeschrägtem Schneidstempel das Blech in einem nicht geschlossenen Linienzug getrennt (. Abb. 57.55). Meist führt der Stempel gleich-

57

1158

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Abb. 57.57 Streckziehen (schematisch)

. Abb. 57.55 Stechen von Verbindungslappen und Verbinden zweier Bleche durch Lappen . Abb. 57.58 Halteränder zum Streckziehen in der Großserienfertigung

57

. Abb. 57.56 Falzverbindung a mit Lötnaht, b mit eingelegter Dichtung

zeitig die Verformung des ausgetrennten Steges durch. Das Werkstück ist gegen Verschieben beim Schnitt zu sichern. Der Stempel muss sehr eng geführt sein, wenn ein Ausweichen, besonders bei dünnen Stempeln, vermieden werden soll. 57.3.1.4

Falzen

Falzen ist das Verbinden dünner Bleche durch Ineinanderhaken umgebogener Ränder (. Abb. 57.56). Falzbar sind alle Bleche von 0,28 bis 1,25 mm Dicke, deren Werkstoff um 180ı ohne Rissbildung zu biegen ist. Dabei darf der Abkantknick bei Zink- und Elektronblechen nicht parallel zur Walzrichtung liegen, bei Stahlblechen kann er beliebig zur Walzfaser liegen. Falzverbindungen sind staubund regenwasserdicht (Dacheindeckungen). Durch Löten des fertigen Falzes oder durch Dichtungszwischenlagen aus Gummi oder Papier wird die Falzverbindung so dicht, dass sie höchsten Ansprüchen auf Luft- und Wasserdichtheit genügt (Konservendosen). Falzverbindungen kann man von Hand, maschinell oder vollautomatisch herstellen. 57.3.1.5

Streckziehen

Aus Blech zu formende Großteile geringer Stückzahl (etwa 200 im Monat) sind durch Streckziehen wirtschaftlich herstellbar. Das in Klauen eingespannte Blech wird durch den Formklotz gestreckt, wenn er mit der Streckziehkraft F z nach oben bewegt wird (. Abb. 57.57). Beim Strecken passt sich das Blech den erhabenen Formen des Formklotzes an. Den Vertiefungen des Formklotzes wird das Blech durch Nachstrecken von außen oder durch Einpoltern von Hand angeformt.

Streckziehanlagen sind billig. Formklötze aus druckfestem Holz (Buche, Nussbaum), Einspannklauen und Aufspannrahmen können in einfach eingerichteten Werkstätten gefertigt werden, während man für die Erzeugung der Streckziehkraft handelsübliche Hydraulikzylinder und -pumpen mit Hand-, Fuß- oder elektrischem Antrieb verwendet. Es ist jedoch zu empfehlen, Streckzieharbeiten von geschulten Fachkräften ausführen zu lassen. Gute Schmierung zwischen Formklotz und Blech muss die Reibung niedrig halten, sonst reißt das Blech in den Zonen der größten Streckung. Streckziehen wird in der Großserienfertigung auf Doppelpressen durchgeführt (Fahrzeugkarosserieteile). Die Einspannklauen sind hier durch Halteränder ersetzt (. Abb. 57.58). 57.3.1.6

Tiefziehen

Durch Tiefziehen werden Blechzuschnitte aller Metalle, Plattenzuschnitte aus plastischen oder thermoplastischen Kunststoffen, Papier oder Pappe zu Hohlkörpern mit prismatischen Wandungen geformt (. Abb. 57.59). Tiefziehen ist nur für Großserien (etwa ab 1000 Stück) wirtschaftlich, weil immer ein Ziehsatz nach . Abb. 57.60 erforderlich ist. Tiefgezogenen Körpern gibt man durch Ausbauchen und Einziehen (7 Abschn. 57.3.1.7) der prismatischen Wandung zweckvollere Formen. Bei jedem Tiefziehen ist das Zieh- oder Schlagverhältnis einzuhalten, dessen Größe von der Ziehfähigkeit des Werkstoffs abhängt (Größe der Ziehverhältnisse sie-

. Abb. 57.59 Tiefziehteile

1159 57.3  Umformen

. Abb. 57.62 Luftkissen für konstante Faltenhaltekraft . Abb. 57.60 Aufbau eines Ziehsatzes

1 Die drei Tiefziehverfahren

a) Das Topfziehen oder verlustlose Tiefziehen. Die gezogene Topfwandung hat die Dicke des Ausgangswerkstoffes (. Abb. 57.63), dadurch ergibt sich für das Topfziehen: Oberfläche des Rohteils D Oberfläche des Fertigteils:

. Abb. 57.61 Weiterzug eines gezogenen Topfes, ohne und mit Faltenhalter. Zentrierung: ohne Faltenhalter im Ziehring, mit Faltenhalter durch den Faltenhalter

he . Tab. 57.10). Der erste Umformvorgang eines ebenen Zuschnitts zu einem Topf heißt: Anschlagzug; die weiteren Umformungen zu Töpfen mit kleinerem Durchmesser, aber größerer Wandhöhe: Weiterzug oder -schlag. Das Ziehverhältnis m für den Anschlagzug wird als Quotient „neuer Durchmesser“ d zu „Ausgangsdurchmesser“ D ausgedrückt: Das Weiterschlagverhältnis m1 kann für alle Durchmesserverkleinerungen gleichgroß angenommen werden (in Wirklichkeit wird das Weiterschlagverhältnis nach jeden Schlag größer und nähert sich dem Wert 1) und durch den Quotienten „neuer Durchmesser“ zum „zugehörigen Ausgangsdurchmesser“ ausgedrückt werden: m1 D

d1 d3 d4 d2 D D D ::: D d d1 d2 d3

Für einen Topf mit zylindrischer Hohlwandung nach . Abb. 57.64 errechnet sich der Zuschnittdurchmesser D für die Ausgangsronde (kreisrunde Blechscheibe) zum Ziehen eines Topfes mit dem Fertigdurchmesser df und der Fertighöhe hf zu: q D D df2 C 4 df hf (57.20) Die Zahl der erforderlichen Züge beeinflusst die Zuschnittberechnung nicht.

. Abb. 57.63 Werkstoffverdickung während des Zuges. s Ausgangswerkstoffdicke, s1 Werkstoffverdickung im Ziehbogen, s1 D 1;5 bis 1;66s

(57.19)

Weiterzüge können mit und ohne Faltenhalter erfolgen (. Abb. 57.61). Um die Faltenhaltekraft F f über den gesamten Ziehweg konstant zu halten, verwendet man Öldruck- oder luftkissengesteuerte Faltenhalter (. Abb. 57.62).

. Abb. 57.64 Zuschnittberechnung für verlustloses Tiefziehen

57

1160

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Tabelle 57.10 Tiefziehverhältnisse und Faltenhalterdruck für Bleche bis 2 mm Dicke und Tiefziehen mit Faltenhalter Anschlagzugverhältnis mD

m1 D

Anzuwendender Faltenhalterdruck

d1 d2 ... D d d1

p in N=mm2

Karosserieblech

0,55

0,75

2

Tiefziehblech

0,58

0,78

2,5

0,6

0,8

2,8

0,6



3

nichtrostender Stahl mit 12–14 % Cr

0,55

0,8

3

Weißblech

0,6

0,88

3

Kupferblech, weich

0,5

0,85

2

Messingblech CuZn37

0,55

0,8

2

Messingblech CuZn28

0,63

0,75

1,8

Zinkblech

0,65

0,85

1,5

Zink-Legierung Zn-Cu

0,6

0,85

1,5

Aluminium 99,5 %

0,53

0,8

1,2

Al-Cu-Legierungen

0,55

0,9

1,5

Al-Mg-Legierungen

0,5

0,8

1,2

Ziehblech Stahlblech bis Rm D 500 N=mm

57

d D

Weiterzugverhältnis

2

. Tabelle 57.11 Fehler beim Tiefziehen Fehler

Ursachen

Änderungsvorschlag

Doppelungen im Werkstoff

Oxid- oder Sandeinschlüsse im Werkstoff

Vor dem Umformen Ultraschallprüfung durchführen. Blechqualität verbessern

Betonte Walzstruktur (Textur) führt zu Zipfelungen

Walzen des Bleches ergibt Zeilenstruktur. Mechanische Eigenschaften des Werkstoffs stark abhängig von der Walzrichtung

Normalglühen des Bleches bei 900 bis 950 ı C ergibt sehr feines Gefüge. Walzstruktur geht verloren. Die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs sind nach dem Glühprozess richtungsunabhängig

Blechdickenabweichungen

Abgenutzte Walzen

Gewünschte maximale Blechdickenabweichung vorschreiben

Bodenreißer (häufiger Fall)

Ziehverhältnis zu groß

Zugabstufung wählen: Durch größere Anzahl der Züge vermindert sich der Verformungsgrad pro Zug! Blechqualität verbessern

Bodenabriss (seltener Fall)

Ziehwerkzeug falsch ausgelegt

Werkzeuggestaltung generell überarbeiten

Ziehriefen in der Oberfläche des Ziehteils

Übermäßiger Verschleiß des Ziehwerkzeugs

Hartverchromen der dem stärksten Verschleiß ausgesetzten Werkzeugoberflächen (Stempel, Matrize)

Die Größe der Ziehpresse bestimmt man nach überschlägig errechneter Zugkraft F z und der ebenso bestimmten Faltenhaltekraft F f :

Fz  s U Rm z

Fz

s; U

N

mm

Rm N mm2

Ff  Af p

z 1

Rm Zugfestigkeit, z Tiefzieh-Korrekturfaktor, siehe . Tab. 57.12.

(57.21)

s U ist die in Umformung befindliche Fläche, vereinfacht aus Stempelumfang U und Blechdicke s ermittelt,

Ff

Af

N

mm

p N mm2

(57.22)

Af niederzuhaltende Fläche in mm2 , für den Anschlagzug  =4.D2 d2 /, D Rondendurchmesser, d Durchmesser des 1. Topfes, p Faltenhalterdruck, Werte für p siehe . Tab. 57.10.

1161 57.3  Umformen

. Tabelle 57.12 Tiefziehkorrekturfaktoren für die Tiefziehverhältnisse m oder m1 Tiefziehverhältnis m oder m1

Tiefziehfaktor z

Umformfaktor p

0,5

1

0,8

0,55

0,9

0,8

0,6

0,83

0,8

0,65

0,7

0,74

0,7

0,6

0,7

0,75

0,5

0,67

0,8

0,4

0,65

0,9

0,2

0,64

1,0

0,1

0,64

Lösung: a) Zur Ermittlung der Anzahl der Züge muss der Ausgangsdurchmesser D der Ronde bekannt sein. Er errechnet sich nach (57.20) zu: q D D df2 C 4df hf p D D .252 C 4  25  50/ mm2 D 75 mm Für den Anschlagzug kann nach . Tab. 57.10 für Ziehblech m D 0;6 gewählt werden. Damit wird der Topfdurchmesser d des Anschlagzuges nach (57.18):

Zugkraft F z und Faltenhaltekraft F f ergeben die von der Presse aufzubringende Gesamtziehkraft Fges D Fz C Ff

(57.23)

Die Gesamtziehkraft F ges wirkt nur während des Nutzhubes der Presse, also nur dann, wenn die Wandhöhe h geformt wird. Daraus ergibt sich die annähernd aufzubringende Nutzarbeit W zu: W  Fges h p

W Fges Nm N

h p m 1

(57.24)

p Umform-Korrekturfaktor ist vom Ziehverhältnis m abhängig, Werte für p siehe . Tab. 57.12. Für bestimmte Ziehaufgaben kann es nötig sein, den erforderlichen Kraftaufwand genau zu kennen, z. B. bei der Klärung von Beanstandungen nach aufgetretenen Bodenreißern. In solchen Fällen setzt man Messdosen zwischen Ziehstempel und Pressenstößel, die die Stößelkraft genau anzeigen. 7 Beispiel Zu berechnen ist der Zuschnittdurchmesser D der Ausgangsronde für verlustloses Tiefziehen eines Topfes aus 0,8 mm dickem Tiefziehstahlblech mit dem Fertigdurchmesser df D 40 mm und der Fertighöhe hf D 60 mm. Lösung: Nach (57.20) ist unter Vernachlässigung der geringen Wanddicke s D 0;8 mm: DD

q p df2 C 4df hf D .402 C 4  40  60/ mm2

7 Beispiel Aus 1 mm dickem Ziehblech mit Rm D 320 N=mm2 Festigkeit sollen Töpfe mit einem Fertigdurchmesser df D 25 mm und einer Fertighöhe hf D 50 mm tiefgezogen werden. a) Wieviel Züge (Schläge) sind erforderlich? b) Welche Stößelkraft F ges muss die Presse haben?

d D m D D 0;6  75 mm D 45 mm Für die Weiterzüge wird aus . Tab. 57.10 mit dem für Ziehblech angegebenen Weiterzugverhältnis m1 D 0;8 gerechnet. Damit ergeben sich nach (57.19): d1 D m1 d D 0;8  45 mm D 36 mm d2 D m1 d1 D 0;8  36 mm D 28;8 mm d3 D m1 d2 D 0;8  29 mm D 23;2 mm Der geforderte Fertigdurchmesser df ist in vier Zügen zu fertigen mit den gerundeten Ziehdurchmessern 45, 36, 30, 25 mm. b) Die aufzubringende Gesamtziehkraft F ges ist nach (57.23): F ges D Fz C Ff . Die Ziehkraft F z wird nach (57.21) ermittelt, der fehlende Tiefzieh-Korrekturfaktor z für das angewendete Anschlagziehverhältnis m D 0;6 aus . Tab. 57.12 entnommen zu: z D 0;83. Fz D UsRm z D 45 mm     1 mm  320

N  0;83 mm2

Fz D 37:548;3 N Nach (57.22) wird die Faltenhaltekraft Ff  Af p ermittelt. Die niederzuhaltende Fläche beträgt Af D  =4.D2  d2 / D  =4.7;52  4;52 / cm2 Af D 28;3 cm2 : Der Faltenhalterdruck ist in . Tab. 57.10 für Ziehblech mit p D 2;8 N=mm2 ausgewiesen. Mit diesen Werten ergibt sich die Faltenhaltekraft Ff  Af p D 2830 mm2  2;8

N D 7924 N mm2

und

D D 105;8 mm

Fges D Fz C Ff D 37:548;3 N C 7924 N D 45:472;3 N

Auszuführen ist der Zuschnittdurchmesser

Für die Herstellung der verlangten Töpfe im Tiefziehverfahren ist eine Ziehpresse mit 50.000 N Stößelkraft einzusetzen. 9

D D 106 mm: 9

57

1162

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

b) Polierziehen wird angewendet, um im Tiefziehverfahren geformte Hohlwandungen zu glätten und maßhaltige Oberflächen zu bekommen. Die polierten Außenoberflächen der Hohlwandungen erhält man, wenn ein Ziehsatz verwendet wird, dessen Ziehspalt genau der Ausgangswanddicke des Werkstoffes entspricht. c) Tiefziehen mit Wandschwächung. Aus gut ziehfähigen Metallen (Stahlblech in Tiefzieh- oder Karosseriegüte, Aluminium, weiches Messing, Kupfer) wird im verlustlosen Tiefziehen ein dickwandiger Topf mit niedriger Wandhöhe hergestellt. Die niedrige Wandhöhe zieht man durch einen Ziehsatz, dessen Ziehspalt kleiner als die Wanddicke s ist. Hierbei kann man beim ersten Zug die Wanddicke um 30 %, bei allen Weiterzügen um 25 % vermindern. 57.3.1.7

57

Ausbauchen und Einziehen

Die Hohlwandungen tiefgezogener Töpfe werden durch Ausbauchen oder Einziehen von der geraden Ausbildung in beliebige Gebrauchsformen gebracht. Man baucht aus mit Gummikissen oder Druckflüssigkeit (. Abb. 57.65) oder mit Spreizwerkzeugen (. Abb. 57.66). Man zieht ein mit Stempel und Einziehringen (. Abb. 57.67). Die formgebende Matrize ist geteilt, um das Auspacken der fertigen Werkstücke zu ermöglichen oder zu erleichtern. Ausbauchmatrizen sollen wegen des häufigen Bewegens von Hand so leicht wie möglich sein. Eingezogene Wandungen steigen am Einziehring hoch und vergrößern die Wandhöhe. 57.3.1.8

Drücken

Durch Drücken können nur kreisrunde, in Ausnahmefällen ovale Rotationskörper aus tiefziehfähigem Stahl- oder Weißblech (bis 1 mm dick), Aluminiumblech (bis 4 mm dick), Kupfer-, Messing- oder Zinkblech (bis 2 mm dick) hergestellt werden.

. Abb. 57.66 Ausbauchen mit Spreizkernen

57.3.1.9

Sicken

Eine Sicke soll die Steifheit eines ebenen Bleches erhöhen. Sicken werden auf Sickenmaschinen eingewalzt (gesickt). Breite und Höhe der Sicken passt man dem Verwendungszweck und der Dehnung des Werkstoffes an. 57.3.1.10

Fließpressen

Beim Fließpressen wird Werkstoff unter hohem Druck zum Fließen gebracht und durch eine vom Pressstempel und Werkzeug gebildete Öffnung gepresst. Kaltfließpressen liegt vor, wenn die Umformung unterhalb der Rekristallisationstemperatur stattfindet. Dabei verzerren sich die einzelnen Kristalle. Der Formänderungswiderstand des Werkstoffs vergrößert sich. Warmfließpressen liegt vor, wenn die Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur stattfindet. Dabei verzerren sich die Kristalle nicht und der Formänderungswiderstand bleibt gleich.

Fließpressverfahren Beim Rückwärtsfließpressen – auch indirektes Fließpressen genannt – fließt der Werkstoff gegen die Bewegungs. Abb. 57.67 Einziehen tiefgezogener Töpfe

. Abb. 57.65 Ausbauchen mit Gummikissen oder Druckflüssigkeit

1163 57.3  Umformen

. Abb. 57.71 Hydrostatisches Fließpressen

. Abb. 57.68 Rückwärtsfließpressen

richtung des Stempels (. Abb. 57.68). Er wird in Form einer Platine in das Werkzeugunterteil gelegt. Während der Stempel auf die Platine drückt, steigt der Werkstoff in entgegengesetzter Richtung empor. Die so erreichbaren Wanddicken sind im Verhältnis zum Durchmesser sehr klein. Beim Vorwärtsfließpressen – auch direktes Fließpressen genannt – fließt der Werkstoff in Richtung der Stempelbewegung. Als Rohling ist ein Napf erforderlich. Der Stempel drückt auf die Stirnseite des Napfes und presst den Werkstoff durch die Matrizenöffnung (. Abb. 57.69). Das Koldflo-Verfahren ist eine Kombination aus direktem und indirektem Fließpressen. Hier bewegen sich zwei Stempel gegeneinander. Als Rohlinge werden Näpfe eingelegt. Dieses Verfahren wird häufig beim Fließpressen von Stahl eingesetzt (. Abb. 57.70). . Abb. 57.69 Vorwärtsfließpressen

Beim hydrostatischen Fließpressen wird grundsätzlich vorwärts gepresst (. Abb. 57.71). Die Druckkraft wird über eine Flüssigkeit (Hydrauliköl in besonderer Zusammensetzung) auf das Werkstück übertragen. Vorteile gegenüber einer mechanischen Kraftübertragung: Geringere Reibung zwischen Werkstück und Werkzeug. Durch kleinere Matrizenöffnungswinkel verläuft der Umformprozess gleichmäßiger. Es können Rohlinge mit einem größeren Verhältnis von Länge zum Durchmesser umgeformt werden. Nachteilig können sich die Abdichtungsschwierigkeiten an den Stempelführungen infolge der hohen Pressdrücke auswirken. Müssen spröde Werkstoffe wie z. B. Chrom, Molybdän oder Beryllium verarbeitet werden, kann hydrostatisch mit Gegendruck fließgepresst werden (. Abb. 57.72). Da hier der Flüssigkeitsdruck allseits auf das Werkstück wirkt, ist die Gefahr des Aufreißens während des Umformvorganges geringer als beim normalen hydrostatischen Fließpressen. Gegenüber der mechanischen Kraftübertragung macht die Bestimmung der erforderlichen Fließpresskraft gro-

. Abb. 57.70 Fließpressen nach dem Koldflo-Verfahren

. Abb. 57.72 Hydrostatisches Fließpressen mit Gegendruck

57

1164

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Abb. 57.74 Stauchvorgang

. Abb. 57.73 Fließkurven einiger Werkstoffe bei 20 ı C

ße Schwierigkeiten. Die Druckflüssigkeit muss für jeden Fließpressvorgang neu eingefüllt werden und der Umformvorgang selbst läuft sehr langsam ab.

57

Fließpressbare Werkstoffe Alle Werkstoffe mit einem guten Formänderungsvermögen sind zum Fließpressen geeignet. Neben den Nichteisenmetallen lassen sich auch bestimmte Stahlsorten fließpressen. In der Praxis wird für jeden Werkstoff eine Fließkurve ermittelt. Als Kriterien werden neben der Härte, der Streckgrenze und der Bruchdehnung vor allem die Fließspannung kf und der Umformgrad ' herangezogen (. Abb. 57.73). In einem Werkstoff wird die Fließspannung kf erreicht, wenn eine bleibende Formänderung erzielt wird: kf D

kf N mm2

F A

F

A

N mm

2

(57.25)

Der Umformgrad ' – auch logarithmische Formänderung genannt – ergibt sich aus dem logarithmischen Verhältnis der Ausgangs- zur Augenblickshöhe: ' D ln

h1 h0

(57.26)

Grenzen des Verfahrens Werkstoffe, bei denen die größte

Formänderung unter 25 % liegt, sollten nicht fließgepresst werden. Werkstoffe, die Fließpresswerkzeuge mit einer Flächenpressung > 2500 N=mm2 belasten würden, sollten nicht fließgepresst werden, da die Wirtschaftlichkeit dieser Werkzeuge nicht mehr gegeben ist.

Nichteisenmetalle Das Fließpressen von NE-Metallen ist problemlos und sehr weit verbreitet. Hauptsächlich werden Werkstoffe wie Aluminium, Kupfer, Blei, Zinn, Zink und deren Legierungen verarbeitet.

bei der auftretenden Druckbeanspruchung gleiten können, ohne dass der Zusammenhang der gleitenden Schichten verlorengeht. Spröde, also für das Fließpressen ungeeignete Werkstoffe lassen sich durch Kegelstauchproben aussondern. Die chemische Zusammensetzung des Stahles hat einen großen Einfluss auf seine Kaltverformbarkeit. Mit steigendem Kohlenstoffgehalt und zunehmenden Legierungsbestandteilen nimmt das Formänderungsvermögen ab. Die Umformgrenze liegt bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,45 %. Bei warmfließpressbaren Stählen wird die Warmformänderungsfähigkeit durch den gleichen Versuchsablauf wie bei den kaltfließpressbaren Stählen festgestellt: Stauchprobe, Warmfließkurve und Analyse der chemischen Zusammensetzung. Niedriglegierte Nickel -und Manganstähle sowie Stähle mit geringem Kohlenstoffgehalt haben gegenüber hochlegierten Stählen eine gute Warmformbarkeit.

Rechnerische und praktische Fließkraftermittlung Eine rechnerische Kraftermittlung ist nur bei sehr einfachen Fließvorgängen möglich. Für kompliziert geformte Fließpressteile werden auf Versuchsmaschinen Kraft-WegDiagramme erstellt und ausgewertet.

Rechnerische Kraftermittlung Fließpresskraft für das Rückwärtsfließpressen (siehe . Abb. 57.68): F D Ad1

kf 'rm F

F N

kf N mm2

A

'rm ; 'g ; F

mm2

1 (57.27)

Fließpresskraft für . Abb. 57.69): von Vollkörpern F D Ad1

das

kf 'g F

Vorwärtsfließpressen

(siehe

(57.28)

von Hohlkörpern

Eisenmetalle Stahl kann unterhalb der Rekristallisationstemperatur (kalt) fließgepresst werden, wenn die einzelnen Kristallite

F D .Ad1  Ad 2 /

kf 'g F

(57.29)

1165 57.3  Umformen

. Abb. 57.75 Pressenkennlinie und Fließpresskraft

'g logarithmische Formänderung 'g D ln

Ad1 Ad2

(57.30)

'rm mittlerer radialer Formänderungsgrad 'rm D ln

d0  0;16 d1  d

(57.31)

F Formänderungswirkungsgrad für Rückwärtsfließpressen F D 0;3 bis 0;7 für Vorwärtsfließpressen F D 0;4 bis 0;6

Praktische Kraftermittlung Zunächst muss der für die Fertigung eines bestimmten Fließpresswerkstücks zweckmäßigste Pressentyp festgelegt werden. Anschließend wird die maximal auftretende Fließpresskraft und ihr Kraftangriffspunkt auf dem Stempelweg ermittelt. Die so aufgenommenen Werte werden mit der Presskraftkennlinie der vorher festgelegten Presse überlagert. Das Kraft-Weg-Diagramm (. Abb. 57.75) zeigt dass die maximale Presskraft innerhalb der Grenzkurve der Pressenkennlinie liegt. Da jedoch ungefähr 50ı vor dem unteren Totpunkt des Stempels eine Kraftspitze auftritt, die über die Grenzkurve der Presse hinausgeht, kommt eine Verwendung dieses Pressentyps nicht in Betracht.

Werkzeugkonstruktion Werkzeug-Werkstoffe 57.3.1.11

Beim Fließpressen mit den unter 7 Abschn. 57.3.1.10 beschriebenen Werkstoffen ist eine Druckspannung d zul  2500 N/mm2 zulässig. Diese zulässige Druckspannung kann noch erhöht werden, wenn durch Pressvorgänge wie Setzen, Stauchen oder Kalibrieren eine Verfestigung der Werkzeug-Werkstoffe auftritt. Auswahl geeigneter Werkzeug-Werkstoffe:

. Abb. 57.76 Stempel- und Matrizenkonstruktion

Stempel- und Matrizenkonstruktion Durch hohe Druckkräfte besteht für den Stempel Knickgefahr. Deshalb sollte die Napftiefe oder die abzusteckende Länge nicht größer als das 2,5 bis 3fache des Stempeldurchmessers sein. Der zylindrische Teil des Stempels wird beim Rückwärtsfließpressen möglichst kurz gehalten und geht über einen Kegel in den Schaft über (. Abb. 57.76). Beim Vorwärtsfließpressen werden Stempel und Schaft getrennt gefertigt, da der Stempel als eigentliches Verschleißteil sehr oft ausgewechselt werden muss. Um ein optimales Fließen des Werkstoffes erreichen zu können, beträgt der Pressbüchsenwinkel mindestens 45ı . Für beide Verfahren wird die Pressbüchse mit ungefähr 30’ konisch geschliffen, um Armierungen besser aufpressen zu können.

Vorspannung von Fließpresswerkzeugen Bei der Umformung durch Fließpressen treten sehr hohe Drücke in axialer und in radialer Richtung auf. Der axiale Druck wird von der Presse aufgenommen, der radiale Druck wirkt auf die Pressbüchse. Bei schwer pressbaren Werkstoffen wird die nach außen wirkende positive Radialspannung so groß, dass eine entgegengesetzt gerichtete negativ wirkende Radialspannung geschaffen werden muss. Die Resultierende beider Spannungen darf während des Fließvorganges eine positive Radialspannung von 2500 N=mm2 nicht überschreiten. Eine negative Radialspannung (Vorspannung) kann durch Teilung der Matrize und Aufschrumpfen äußerer Ringe auf die Pressbüchse erreicht werden (. Abb. 57.77). 57.3.1.12

Stempeldruckplatte Fließpressstempel Pressbüchse Gegenstempel Pressbüchsen-Druckplatte

X210Cr12 X210Cr46 X210Cr46 oder 50NiCr13 X210Cr46 X145Cr6

Schmierung

Der Schmierung kommt beim Fließpressen große Bedeutung zu. Günstige Schmierverhältnisse lassen die Umformkräfte sinken, die Standzeit vergrößern und die Oberfläche des Werkstückes verbessern. Normale Öle und Fette können nicht verwendet werden, weil die große Flächen-

57

1166

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Abb. 57.78 Ober- und Untergesenk

57 . Abb. 57.79 Füllvorgänge beim Gesenkschmieden

. Abb. 57.77 Fließpresswerkzeuge mit Armierungen

pressung den Öl- oder Fettfilm abquetscht, so dass sich die Wirkflächen berühren können. Auch Ölzusätze, meist Sulfid-, Phosphid- oder Nitridverbindungen, die bei hohen Temperaturen Salze bilden und so ein Verschweißen von Metallen verhindern, sind nicht sehr wirkungsvoll. Molybdändisulfid MoS2 ist eine chemische Verbindung von Molybdän und Schwefel. MoS2 wird wegen seiner besonders guten Schmiereigenschaften auch beim Fließpressen von Stahl verwendet.

57.3.2

Schmieden

Durch Schmieden können Werkstücke getrennt, umgeformt und auch gefügt werden. Zum Trennen gehören die Verfahren Abschneiden, Lochen, Abschroten, Einschroten und Schlitzen. Durch Dornen, Durchlochen, Hohldornen oder Massivlochen werden Hohlräume erzeugt. Querschnittsveränderungen erreicht man durch Recken, Breiten, Stauchen oder Anstauchen. Mehrere Schmiedeteile einer Baugruppe können durch Schrumpfen oder Schweißen gefügt werden. Beim Warmschmieden werden die Rohteile so weit erwärmt, dass nach dem Schmieden keine bleibende Verfes-

tigung des Werkstoffs auftritt. Bei Stahl muss bis oberhalb der Rekristallisationstemperatur (850 bis 1200 ı C) erwärmt werden. Kaltgeschmiedet wird beim Kalibrieren, Prägen oder Stauchen. Die Umformung von meist kleineren Teilen aus Stahl oder Nichteisenmetallen findet bei Raumtemperatur statt. 57.3.2.1

Freiformschmieden

Frei geformte Schmiedewerkstücke haben sehr große Fertigungstoleranzen und müssen meist spanend nachbearbeitet werden. Durch das Freiformen werden nur einzelne Werkstücke hergestellt oder Gesenkschmiedeteile vorgeformt. Freiformschmiedeteile können Massen zwischen 1 kg und 250 t haben. 57.3.2.2

Gesenkschmieden

Beim Gesenkschmieden wird der Werkstoff über mehrere Stufen in eine allseitig geschlossene Form geschlagen. Die Form besteht aus einem Ober- und einem Untergesenk (. Abb. 57.78). Der auf Schmiedetemperatur erwärmte Werkstoff des Rohlings wird umgeformt und fließt in die Richtung der Gratbahn, wo er sehr schnell abkühlt. Dadurch wird verhindert, dass weiterer Werkstoff nachfließen kann. Also erhöht sich in der letzten Umformphase der Druck im Gesenk sehr stark und es können die letzten Feinheiten wie z. B. kleinere Radien ausgeformt werden. Die Umformung kann durch Stauchen oder Steigen des Werkstoffs erfolgen (. Abb. 57.79).

1167 57.3  Umformen

57.3.2.3

Stauchkraft und Staucharbeit

Eine der wichtigsten Größen zur Ermittlung der für die Umformung erforderlichen Stauchkraft und Staucharbeit ist die Fließspannung kf (siehe 7 Abschn. 57.3.1.10). Sie ist beim Schmieden abhängig vom Werkstoff des Schmiedeteils, der Umformtemperatur und der Werkzeuggeschwindigkeit  kf D kf0

v h1

n

kf ; kf0 N mm2

v m s

h1

n

m

1

(57.32)

. Abb. 57.80 Stauchen eines Rohlings mit Kreisquerschnitt

kf0 Fließspannung bei festgelegten Umformtemperaturen nach . Tab. 57.13. v Werkzeuggeschwindigkeit (entspricht Umformgeschwindigkeit) h1 Endhöhe des Schmiedeteils nach der Stauchung n Formänderungsexponent Wie die . Tab. 57.13 zeigt, ist kf0 abhängig von der Größe der Formänderung ' (7 Abschn. 57.3.1.10). Die Fließspannungen für unterschiedliche Werkstoffe weichen stark voneinander ab. Deshalb können die Werte für C45 nicht auf andere Stähle übertragen werden. Stauchkraft für einen kreisförmigen Querschnitt (. Abb. 57.80)  n   v 1 d1 Ferf D A kf0 1C (57.33) h1 3 h1 Stauchkraft für einen rechteckförmigen Querschnitt (. Abb. 57.81)  n   v 1 l1 1C (57.34) Ferf D b1 l1 kf0 h1 3 h1 A v h1 ; b1 ; d1 ; l1 ; n kf ; kf0 N m mm2 m 1 mm2 s F erf A v h1 d1 b1 l1 n 

Stauchkraft Querschnittsfläche des Werkstücks, Werkzeuggeschwindigkeit Höhe nach dem Stauchvorgang Durchmesser nach dem Stauchvorgang Breite nach dem Stauchvorgang Länge nach dem Stauchvorgang Formänderungsexponent Gleitreibzahl

Staucharbeit für das Stauchen eines prismatischen Körpers mit Kreisquerschnitt     v n  d1 d0 h0 C  Werf D V kf0 ln (57.35) h1 h1 4;5 h1 h0 kf0 V v h0 ; h1 ; d0 ; d1 ; n Werf N m N mm mm3 m 1 mm2 s

. Abb. 57.81 Stauchen eines Rohlings mit Rechteckquerschnitt

7 Beispiel Ein zylindrisches Werkstück aus C45 soll durch Hammerschmieden von einer Ausgangshöhe von 13,5 cm auf eine Endhöhe von 10 cm gestaucht werden. Der Durchmesser des Rohlings beträgt 10 cm. Bei Stauchbeginn beträgt die Schmiedetemperatur 900 ı C. Um die für diesen Schmiedevorgang erforderliche Pressmaschine auswählen zu können, müssen folgende Fragen gelöst werden: 1. Mit welcher Fließspannung muss bei einer Auftreffgeschwindigkeit von 5 m/s des Hammers und gleichbleibender Umformtemperatur gerechnet werden? 2. Wie groß ist die mittlere Werkzeuggeschwindigkeit bei einer Werkstückhöhe von 11,75 cm? 3. Welche erforderliche Umformarbeit ist bei einer geschätzten Reibungszahl  D 0;35 für den Stauchvorgang aufzubringen? 4. Wie groß wird die erforderliche Stauchkraft? Lösung: 1. Fließspannung kf Fließspannung kf nach (57.32) bei v D 5 m=s und gleichbleibender Umformtemperatur:  kf D kf0 D

v h1

n

mit kf0 D 173 N=mm2 nach . Tab. 57.13 bei ' D ln.h0 =h1 / D ln 1;35 D 0;3001 und # D 900 ı C Formänderungsexponent n D 0;11 bei ' D 0;3 kf D 173

N  mm2



5 m=s 0;135 m

0;11 D 257;4

N mm2

57

1168

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Tabelle 57.13 Fließspannung kf0 und Formänderungsexponent n 700 ı C

'

Fließspannung kf0 in

N mm2

750 ı C von C45 für

v h0

800 ı C

900 ı C

1000 ı C

1100 ı C

D 1 s1 bei veränderlicher Temperatur in ı C

0,05

250

180

179

106

79

56

0,1

252

209

203

132

95

66

0,2

256

239

234

160

108

74

0,3

255

251

249

173

111

76

0,4

259

256

249

174

109

76

ı

Formänderungsexponent n bei veränderlicher Temperatur in C 0,05

0,078

0,102

0,08

0,089

0,1

0,175

0,1

0,085

0,103

0,082

0,103

0,125

0,168

0,2

0,086

0,099

0,086

0,108

0,128

0,167

0,3

0,083

0,097

0,083

0,11

0,162

0,18

0,4

0,083

0,103

0,105

0,134

0,173

0,188

57 2. Mittlere Werkzeuggeschwindigkeit vm bei h D 11;75 cm ' D ln

13;5 cm D 0;1388 11;75 cm

kf0 D 140 N=mm2 bei ' D 0;1388 und # D 900 ı C aus . Tab. 57.13 kf D

257;4 N=mm2  140 N=mm2 2

D 208;3 N=mm2

173 N=mm  v n  v n kf m m kf D kf0 I D h h kf0 ln kf  ln kf0 vm D D 3;59905 ln h n vm D 36;56354 m=sI vm D 4;3 m=s h 3. Umformarbeit W erf nach (57.35) 

Werf

 h0 D Vkf ln C h1 4;5



d1 d0  h1 h0



Volumen des Schmiedeteils V D A h0 D 78;54 cm2  13;5 cm D 1060;3 cm3 : Die Grundfläche A1 des Werkstücks nach dem Stauchvorgang ergibt sich aus A1 D V=h1 D 106;03 cm2 . Damit lässt sich der dann wirksame Durchmesser d1 berechnen: r d1 D

4A1 D 11;62 cm  

Mit diesen Werten kann nun die erforderliche Umformarbeit errechnet werden: Werf D 1060;3 cm3  25:740 N=cm2    0;35 11;62 cm 10 cm 13;5 cm C    ln 10 cm 4;5 10 cm 13;5 cm Werf D 9;085  106 N cm D 9;085  104 N m Werf D 9;085  104 J 4. Stauchkraft F erf nach (57.33)   d1 Ferf D A1 kf0 1 C 3h1 Ferf D 106;03 cm2  25:740 N=cm2   0;35  11;62 cm Ferf D 1 C 10 cm Ferf D 3;84  106 N 9

57.3.2.4

Konstruktionshinweise

Stark unterschiedliche Wandstärken sollten vermieden werden, da sonst bei Abkühlung Spannungsrisse auftreten können. Um Kerbrisse auszuschließen, müssen scharfe Übergänge vermieden werden. Schmiedewerkstücke mit Rippen oder geringen Wanddicken können nur im Gesenk geschmiedet werden. Gesenkschmiedewerkstücke müssen nach DIN EN 10254 mit Aushebeschrägen versehen werden. Hinterschneidungen wegen der erheblichen höheren Werkzeugkosten vermeiden.

1169 57.4  Fügen

57.3.3

Oberflächenbehandlung von Umformwerkzeugen

Beim Umformen tritt Reib- und Adhäsionsverschleiß auf. Auf Werkzeugen und Werkstücken bilden sich Riefen. Die Riefenbildung kann verringert werden, wenn das Werkzeug mit einer verschleißfesten, eisenfreien Schicht überzogen wird. Je höher der Schmelzpunkt und die Härte der Schicht, desto geringer ist der abrasive Verschleiß bzw. die Neigung zur Riefenbildung.

Nach Reparaturen oder Werkzeugänderungen kann nicht nachbeschichtet werden; eine Neuanfertigung ist erforderlich. Das Verfahren ist ungefähr 300 % teurer als das Nitrieren. 57.4

Fügen

Vorteile Durch engen Verbund der Nitrierschicht mit dem

Einzelteile werden zu Baugruppen lösbar oder unlösbar gefügt. Zum lösbaren Fügen erforderliche Verbindungsmittel wie Schrauben, Bolzen oder Keile sind im Teil VIII Maschinenelemente erläutert. In der Regel lassen sich lösbare Verbindungen ohne Schädigung der Einzelteile oder der Verbindungsmittel wiederholt trennen und fügen. Durch Schweißen, Löten, Kleben, Nieten oder Falzen entstehen unlösbare Verbindungen, deren Trennen das Zerstören der Einzelteile oder Verbindungsmittel erfordert.

Grundwerkstoff können auch Werkzeuge mit engen Radien oder Kanten behandelt werden. Nitrieren ist ein billiges Beschichtungsverfahren.

57.4.1

1 Nitrieren (Gasnitrieren)

Bildung der Nitrierschicht bei 450 bis 550 ı C. Schichtdicken liegen zwischen 50 *m und 150 *m. Härte der Nitrierschicht: 1000 bis 1400 HV 0,05.

Nachteile Änderungen oder Reparaturen an nitrierten Werkzeugen sind nur unter erhöhtem Aufwand möglich, z. B. muss nach Schweißarbeiten am Werkzeug nachnitriert werden.

1 Hartverchromen

Bildung der Chromschicht bei 50 ı C. Schichtdicken liegen zwischen 30 *m und 40 *m. Härte der Chromschicht: 1100 HV.

Schweißen

Beim Schweißen wird mit oder ohne Anwendung von Schweißzusätzen ein stofflicher Zusammenhalt geschaffen, der dem Fügeteilwerkstoff vergleichbare mechanische Gütewerte aufweist. Nach dem physikalischen Ablauf beim Schweißen unterscheidet DIN EN 14610 das Schmelzschweißen und das Pressschweißen.

Schmelzschweißen Grundlagen 57.4.1.1

1 Wärmewirkung und Schweißnahtbildung Vorteile Beim Hartverchromen treten keinerlei Gefügeoder Maßveränderungen auf. Das Verfahren ist fast unabhängig von der Größe und der Geometrie des Werkzeugs. Nachteile An kleinen Radien oder scharfen Kanten kann die Chromschicht abblättern. Nach Reparaturen oder Änderungen am Werkzeug kann – nach einer Entchromung – wieder verchromt werden. Das Verfahren ist ungefähr 60 % teurer als das Nitrieren.

1 Titancarbidbeschichtung

Bildung der TiC-Schicht bei 1100 ı C. Schichtdicken liegen zwischen 6 *m und 12 *m. Härte der TiC-Schicht: 4100 HV 0,05. Vorteile Sehr gute Haftung am Grundwerkstoff des Werk-

zeugs. Der Verschleiß ist durch die große Härte von Titancarbid sehr gering. Nachteile Es können nur kleine Werkzeuge oder Werk-

zeugeinsätze beschichtet werden (Ofengröße).

Durch Erwärmen der Fügestelle werden die Schweißteilkanten auf- und dann ineinander geschmolzen. An der Fügestelle erfolgt das Einformen des flüssigen Schweißgutes durch Oberflächenspannung, Schlacke oder Zwangsformung zur Schweißnaht, die vom festen Werkstoffufer ausgehend durch Kristallisation entsteht. Gleichzeitig mit der Nahtbildung bewirkt der Wärmeabfluss aus dem Schweißgut eine starke Wärmebeeinflussung des angrenzenden Grundwerkstoffs. Dadurch werden in dieser Wärmeeinflusszone Eigenschaftsänderungen verursacht, von denen die Gussstruktur und die Kornvergröberung zu den unerwünschten Erscheinungen zählen (. Abb. 57.82). Auch können Kohlenstoffgehalte über 0,22 % bei den unlegierten Stählen in Verbindung mit raschem Auskühlen der Fügestelle zu erhöhtem Martensitanteil und damit zu verschlechterten Zähigkeitswerten führen. Hinweise zur Schweißeignung ausgewählter Baustähle nach DIN EN 10025 enthält der Teil IV Werkstofftechnik, . Tab. 57.24. Die mit dem Kristallisieren und Abkühlen der Schweißnähte einhergehende Schrumpfung wird durch angrenzende Werkstoffbereiche behindert. Auf diese Weise stellen sich in der Schweißnaht erhebliche Zugspannungen ein (. Abb. 57.83).

57

1170

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

Die sich in der Stumpfnaht einstellenden Zugspannungen rufen im angrenzenden Werkstoff Druckspannungen längs und quer zur Schweißnaht hervor. In . Abb. 57.83 sind nur die Längsspannungen dargestellt. Die auch vorhandenen Dickenspannungen sind vernachlässigbar klein. 1 Schweißnahtvorbereitung

. Abb. 57.82 Gefügeaufbau einer einlagigen Schweißnaht an unlegiertem Stahl mit ca. 0,2 % Kohlenstoff

57

Das vollständige Durchschweißen stumpf gestoßener Bleche ist mit Verfahren geringerer Leistungsdichte (G, E) nur möglich, wenn die zu fügenden. Werkstückkanten vollständig über die gesamte Blechdicke angeschmolzen werden. Wünschenswert ist das Schweißen einer I-Naht, weil dann oft ohne zusätzlichen Schweißzusatz und mit geringerer Wärmeeinbringung gearbeitet werden kann. Reicht die Prozessenergie für das Durchschweißen nicht aus, müssen die Werkstückkanten, auch Fugenflanken genannt, eine spezielle Form erhalten (. Abb. 57.84) und die Schweißnaht wird in mehreren Lagen gefertigt. Weitere Einzelheiten zur Wahl der Fugenformen enthält die DIN EN ISO 9692-1.

1 Energiequellen zum Schweißen

. Abb. 57.83 Längsspannungen an einer Stumpfnaht

Schweißgeeignete Werkstoffe bauen die Spannungen teilweise durch plastische Verformung ab. In dünnwandigen, schmelzgeschweißten Konstruktionen können die entstehenden Schrumpfspannungen erhebliche Verwerfungen bewirken. Mit der Wahl der Querschnittsform (z. B. X-Naht statt V-Naht), zweckmäßigem Nahtaufbau oder durch festes Einspannen beim Schweißen (plastischer Spannungsabbau) lassen sich die Schrumpfungen kontrollieren. Durch Richten können Verformungen korrigiert und durch Wärmebehandlung die beim Schweißen auftretenden Gefügeveränderungen eingeschränkt oder beseitigt werden.

Bezeichnung

Symbol

I-Naht

II

V-Naht

V

DV-Naht

X

Blechdicke t in mm t≤4 t≤8 t ≤ 20/100 3 ≤ t ≤ 10 3 ≤ t ≤ 40 t > 10

. Abb. 57.84 Fugenformen zum Schmelzschweißen von Stahl

Beim Gasschweißen wird heute fast ausschließlich als Brenngas Acetylen (C2 H2 ) und als Oxidationsmittel Sauerstoff genutzt. Gelegentlich empfohlene andere Brenngase (H2 , Propan, Butan, Stadtgas und Gemische) haben punktuell Zweckmäßigkeit bewiesen, sich aber in der Breite nicht durchgesetzt. Alle Gase werden an Kleinabnehmer in Druckgasflaschen geliefert. Großabnehmer beziehen Acetylen in Flaschenbündeln oder Gascontainern, den Sauerstoff in flüssiger Form (Vergasung beim Nutzer). Für das Lichtbogenschweißen werden Wandler benötigt, die aus der Netzenergie die hohen Spannungen und niedrigen Ströme zu schweißtechnisch geeigneten Kleinspannungen bei hohen Schweißströmen formen. Für das Wechselstromschweißen verwendet man fast ausschließlich Transformatoren, für das Gleichstromschweißen Transformatoren mit nachgeschaltetem Gleichrichter, als Kompakteinheit auch als Schweißgleichrichter bezeichnet. Das Steuern des Schweißstromes kann durch primäroder sekundärseitig vom Transformator geschaltete Leistungstransistoren erfolgen (primär oder sekundär getaktete Schweißstromquellen). Die jüngste Generation am Markt, Inverterstromquellen, nutzt das in der Elektrotechnik bekannte Umrichterprinzip (. Abb. 57.85).

Schweißverfahren G, E, WIG MIG, MAG La / EB G, WIG MIG, MAG E, MIG, MAG

Darstellung

57

1171 57.4  Fügen

. Abb. 57.85 Stromquellen für das Lichtbogenschweißen. a Schweißtransformator, b Einfacher Schweißgleichrichter, c Sekundär getaktete Stromquelle, d Inverterstromquelle (primär getaktet)

. Abb. 57.87 Aufbau eines Injektorbrenners. Das Sauerstoffventil wird zur Inbetriebnahme des Brenners zuerst geöffnet. Der aus der Druckdüse austretende Gasstrahl erzeugt einen Unterdruck und saugt das Acetylen an. Dann wird der Brenner gezündet. Das Schließen der Ventile erfolgt in umgekehrter Reihenfolge

Schweißen von Stahl und Stahlguss sowie zum Löten und Wärmebehandeln eignet. Mit reduzierender Atmosphäre (Acetylenüberschuss) schweißt man Aluminium und Gusseisen und die oxidierende Flamme (O2 -Überschuss) kann beim Werkstoff Messing vorteilhaft sein.

Gasschmelzschweißen (G)

1 Verfahrensprinzip

Beim Gasschmelzschweißen erwärmt eine BrenngasSauerstoffflamme die zu schweißenden Werkstoffe bis auf Schmelztemperatur und schützt gleichzeitig die Schweiß-1 Anwendungsbereich zone vor dem Zutritt der atmosphärischen Gase Stick- Abmessungen: maximale Blechdicke s D 6 mm (bis stoff und Sauerstoff (. Abb. 57.86). Die verwendeten Ga- 10 mm möglich, aber unwirtschaftlich); se werden erst im Schweißbrenner zu einem brennbaren Werkstoffe: unlegierter und niedrig legierter Stahl, Gemisch zusammengeführt. Die Ausströmgeschwindigkeit Stahlguss, Gusseisen, Nichteisenmetalle; des zündfähigen Gemisches aus der Düse des Mischrohres Erzeugnisse: Dünnblechschweißen, Reparatursektor, (. Abb. 57.87) muss größer als die Zündgeschwindigkeit Rohrleitungsbau, Installationstechnik, Baustellenarbeiten. eingestellt sein, um so das Zurückschlagen der Flamme in den Schweißbrenner zu unterbinden. Das Mischen von1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte Acetylen und Sauerstoff zu etwa gleichen Teilen ergibt Das Gasschweißen wurde aus wirtschaftlichen Gründen eine chemisch neutrale Flamme, die sich besonders zum von neueren Schweißverfahren im Anwendungsumfang zurückgedrängt. Wesentliche Gründe dafür sind auch die mit der erheblichen Wärmeeinbringung verbundene Grobkornbildung, der Verzug der Werkstücke und die geringe Schweißgeschwindigkeit vS (. Tab. 57.14).

Lichtbogenhandschweißen (E)

1 Verfahrensprinzip

Zwischen einer abschmelzenden Elektrode und dem Werkstück brennt ein elektrischer Lichtbogen, dessen Wärme-

. Tabelle 57.14 Leistungsdaten beim Gasschweißen . Abb. 57.86 Gasschmelzschweißen. Brenngas und Sauerstoff sind in farblich gekennzeichneten Flaschen gespeichert. Rückschlagsicherungen in den Gasleitungen verhindern mögliche Flammenrücktritte aus dem Brenner über die Schläuche bis zu den Gasflaschen. Der Zusatzwerkstoff (Schweißzusatz) wird manuell zugeführt

Blechdicke s in mm

2

4

6

Fugenform (nach . Abb. 57.84)

I-Naht

V-Naht V-Naht

vS in cm/min

8,5

5,6

Abschmelzleistung an Stahl

0,3 kg/h

4,3

1172

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Tabelle 57.15 Leistungsdaten beim Lichtbogenhandschweißen

. Abb. 57.88 Lichtbogenhandschweißen

. Abb. 57.89 Lagentechniken beim Schmelzschweißen. a Strichraupen, b Lagenraupen

57

Blechdicke s in mm

2

5

10

Fugenform (nach . Abb. 57.84)

II

V-Naht V-Naht

Anzahl der Lagen (nach . Abb. 57.89) 1

2

3

vS in cm/min

28

16 a

3a

Abschmelzleistung an Stahl

bis maximal 4,0 kg/h

a

Mittelwert aus den Lagenschweißungen

schmelzleistungen gekennzeichnet. Wegen der nur mäßigen Gütewerte des Schweißgutes und der Warmrissempfindlichkeit werden sie kaum noch angewendet. 4 Rutil umhüllte Elektroden (Kennzeichnung R) Ausgezeichnete Schweißeigenschaften bei zufrieden stellenden mechanischen Gütewerten. Allzweckelektrode. 4 Basisch umhüllte Elektroden (Kennzeichnung B) Beste mechanische Gütewerte. Aufwändigere Verarbeitung. 4 Zellulose umhüllte Elektroden (Kennzeichnung C) Gute Spaltüberbrückbarkeit, spezielle Fallnahtelektrode.

entwicklung die Elektrode ab- und die zu fügenden Werkstücke anschmelzt (. Abb. 57.88). Das aus Werkstück- und Elektrodenwerkstoff gebildete Schweißgut kristallisiert beim Erkalten zur Schweißnaht. Das Lichtbogenhandschweißen wird fast ausschließlich manuell und überwiegend mit Gleichstrom ausgeführt, Wechselstromschweißen ist beim Verwenden geeigneter1 Anwendungsbereich Schweißelektroden möglich. Zum Zünden des Lichtbogens Abmessungen: Blechdicke s D 2 bis 100 mm; wird die Elektrode kurzzeitig am Anfang der Schweißnaht Werkstoffe: un-, niedrig- und hochlegierter Stahl, Stahlauf das Werkstück „getupft“. Dabei sinkt im Kurzschluss guss, Gusseisen, bedingt Nichteisenmetalle; die Spannung bis nahe null ab und es fließt der KurzErzeugnisse: Verbindungs-, Auftrags- und Reparaturschlussstrom. Alle Schweißstromquellen gestatten diesen schweißungen in allen Bereichen der Metallverarbeitung. Kurzschlussbetrieb zum Zweck des Zündens. Nach dem Abheben der Elektrode bildet sich der elektrische Licht1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte bogen aus. Die Höhe des einzustellenden Stromes wird Das Lichtbogenhandschweißen wird heute vorzugsweihauptsächlich von der zu schweißenden Blechdicke und se beim Schweißen hoch legierter Stähle angewendet. der konkreten Schweißaufgabe bestimmt. Kleinere Ströme Es ist nach dem Metall-Schutzgasschweißen das wichstellt man bei dünnen Blechen, Wurzel-, Heft- und Zwangstigste Schweißverfahren in der industriellen und besonders lagenschweißungen ein, höhere Werte gelten für dickere der handwerklichen Fertigung. Größere Anwendungsfelder Bleche, Füll- und Decklagen oder für das Auftragsschweisind der Schiffbau (Hellingfertigung), der Rohrleitungsßen. Die Fülllagen können auch zur Wärmebehandlung bau (Pipelinebau), der Stahlbau (hohe Verfahrensflexibiligenutzt werden. So kann z. B. die nächste Lage das Gefüge tät) und der Energieanlagenbau. Lichtbogenhandschweißen der vorhergehenden verfeinern (. Abb. 57.89). In Abhänwird auch häufig dann bevorzugt, wenn auf der Baustelgigkeit der Blechdicke, der Fugenform und der erforderlile Spalte zu überbrücken sind oder wenn verschlissene chen Anzahl der Lagen können unterschiedliche SchweißSchichten aufgetragen werden sollen (Auftragsschweißen). geschwindigkeiten erreicht werden (. Tab. 57.15). Der Werkstoffübergang erfolgt grundsätzlich von der Elektrode zum Werkstück (auch beim Überkopfschweißen). Die Schutzgasschweißen (SG) Tropfengröße und damit die Feinschuppigkeit der Naht Bei den Schutzgasschweißverfahren übernimmt ein Gas steigt mit der Stromstärke an und wird darüber hinaus sehr oder ein Gasgemisch den Schutz von Vorder- und ggf. auch stark von der chemischen Charakteristik der Elektroden- Rückseite der Schweißstelle vor den Wirkungen der Atumhüllung und deren Dicke beeinflusst. Es werden vier mosphäre (Stickstoffaufnahme, Oxidation). Verschiedene Elektrodengrundtypen unterschieden (. Tab. 57.16): Gaszusammensetzungen sowie die Art der Schweißelektro4 Sauer umhüllte Elektroden (Kennzeichnung A) sind de und die Brennerkonstruktion führten zur Entwicklung durch sehr dünnflüssiges Schweißgut und hohe Ab- sehr leistungsfähiger Schweißverfahren (. Abb. 57.90).

1173 57.4  Fügen

. Tabelle 57.16 Eigenschaften von Stabelektrodentypen Merkmal

Elektrodentyp (A) sauer umhüllta

(R) Rutil umhüllt

(B) basisch umhüllt

(C) Zellulose umhüllt

sehr klein (d) bis klein (m)

klein (d) bis mittel (m)

mittel bis groß

mittelgroß

Schlackenentfernbarkeit sehr gut

leicht

gut

keine Schlacke

Schweißguteigenschaft

mittel

gut

sehr hoch

gut

Nahtschuppung

glatt, feingezeichnet

glatt (d)

deutlich

gering überwölbt, mittelschuppig

Werkstofffluss

schnell fließend („heiß gehend“) geringer als A

zähflüssig („kalt gehend“)

mittel bis zähflüssig

Stromart/Polung

D .C; //

D .//

D .C/

D .C; //

Vorzugseignung

leichte Handhabung bei Kehlnähten in w-Position

Universalelektroden mit gu- rissfeste, kaltzähe Nähte ter Abschmelzcharakteristik im Kessel-, Behälter- und Pipelinebau

Tropfengröße

Fallnahtschweißung

(m) mitteldick umhüllt, (d) dick umhüllt, a werden als reiner A-Typ nicht mehr angeboten

. Abb. 57.90 Einteilung der Schutzgasschweißverfahren (vereinfacht nach DIN EN 14610)

a) Metall-Schutzgas-Schweißen (MSG)

1 Verfahrensprinzip

Beim Metall-Schutzgas-Schweißen (. Abb. 57.91) besteht der Schweißzusatz aus einem auf Korbspulen aufgewickelten Schweißdraht, den ein Vorschubmechanismus mit konstanter Elektrodenvorschubgeschwindigkeit vE dem Lichtbogen zuführt. Unmittelbar vor dem Lichtbogen wird über einen Schleifkontakt (1) der Schweißstrom in den Schweißdraht

. Abb. 57.91 MAG-Schweißen. Dargestellt ist das teilautomatische Schweißen, bei dem der Schweißbrenner von Hand geführt wird. Das Verfahren wird verbreitet auch mit Schweißrobotern praktiziert

geleitet. Typische Drahtdurchmesser sind dE D 0;8  1;6 mm (2). Die konzentrisch zum Draht angeordnete Düse gewährleistet den Schutzgaskegel (3), vorzugsweise aus CO2 C Ar-Mischgas, über dem Lichtbogen und dem Schweißbad (4) sowie über den schützenswerten Werkstückbereichen (5). Im Bild nicht dargestellte Prozesseinrichtungen wie Stromquelle oder Gasversorgung sind mit dem Schweißbrenner über Schutzgaszufuhr (6), Kühlwasserzu- und -abfuhr (7), Steuer- und Messleitungen (8), Schweißstromzufuhr (9), Prozess START/STOP (10) und Polklemme (11) verbunden. Wegen der bei einer Drahtvorschubgeschwindigkeit vE um 9 m/min kurzen Verweilzeit des Drahtes im Bereich der Strom durchflossenen freien Elektrodenlänge lE („stick out“) ist dessen Erwärmung gering. Die dadurch möglichen hohen Schweißströme gestatten größere Abschmelzleistungen und ein tieferes Eindringen des Lichtbogens in das Werkstück als beim E-Schweißen. Das Schutzgas kann völlig oder in seiner wesentlichen Wirkung inert sein (MIG) oder mit dem Werkstoff reagieren (MAG). Aktive Gaskomponente ist vorzugsweise CO2 . Der O2 -Anteil im Schutzgas führt zur Oxidation von Legierungselementen. Dieser Verlust wird durch entsprechend hohe Legierungsgehalte im Schweißdraht kompensiert. Zum Schutzgasschweißen bewährte Gase und Gasgemische und ihre Wirkung beim Schweißen sind in DIN EN ISO 14175 aufgeführt.

57

1174

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

1 Anwendungsbereich MAG

57

gen US > 40 V unter Verwendung spezieller Mischgase (Ar-He-CO2 -O2 ) brennt. Das sehr leistungsfähige VerfahAbmessungen: Blechdicke s D 0;8 bis 20 mm; Werkstoffe: un- und niedrig legierte Stähle, Kessel-, ren empfiehlt sich für dicke Bleche an Maschinen-, SchiffRöhren und Schiffbaustähle, auch hoch legierte Stähle, kei- und Stahlbaukonstruktionen. Fülldrahtschweißen (MAG) nutzt mit Pulver gefüllte ne Nichteisenmetalle; Erzeugnisse: Gegenwärtig universellstes Schweißver- Schweißdrähte. Die Pulver übernehmen den Umhüllungen fahren mit größtem Anwendungsumfang. Mit der Kurz- beim E-Schweißen vergleichbare Funktionen. Eine neuere, lichtbogentechnik können Karosseriebleche repariert, mit zukunftsträchtige Variante ist das Fülldrahtschweißen ohne der Impulstechnik Maschinenbauteile, Fahrzeugrahmen Schutzgas (selbstschützende Drähte). Das Schweißen ohne oder Stahlbauten spritzerfrei geschweißt werden. Mit dem Gasversorgung ist vor allem auf Baustellen von Bedeutung. Hochleistungsschweißen lassen sich wirtschaftlich dicke Bleche z. B. für Erdbaumaschinen, Chemieanlagen oder b) Wolfram-Inertgas-Schweißen (WIG) Meerestechnik verbinden. 1 Verfahrensprinzip Beim Wolfram-Inertgas-Schweißen (. Abb. 57.92) brennt 1 Anwendungsbereich MIG ein elektrischer Lichtbogen unter inertem Gasschutz zwischen einer nicht abschmelzenden Wolframelektrode (5) Abmessungen: Blechdicke s D 3 bis 20 mm; Werkstoffe: niedrig und hoch legierte Stähle, Alumini- und dem Werkstück (7). Der Lichtbogen schmilzt die zu um, Magnesium, Kupfer, Nickel und andere Nichteisenme- schweißenden Werkstückkanten auf und den ggf. seitlich zugeführten Schweißzusatz (6) ab. Das Inertgas (2) zum talle; Erzeugnisse: Charakteristisches Verfahren für Hoch- Schutz von Wolframelektrode und Schweißnaht entströmt leistungsschweißungen an Leichtmetallkonstruktionen im einer konzentrisch um die Elektrode angeordneten Düse und wird dem Brenner über ein Schlauchpaket ebenso Schienenfahrzeug- und Schiffbau. zugeführt wie Kühlwasser (3) und Schweißenergie (4). Ist die Elektrode verschmutzt oder angeschmolzen, wird 1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte sie gewechselt (1). Zuverlässiges berührungsfreies Zünden Aus dem Schutzgasschweißen ging eine Vielzahl von Verdes Lichtbogens erreicht man durch dem Schweißprofahrensvarianten mit ganz speziellen Anwendungsbereizess überlagerte Hochspannungsimpulse und Elektroden chen hervor. Dazu zählen: mit geringem Thoriumoxidgehalt (radioaktiv). Die DIN EN Kurzlichtbogentechnik (MAG) für das Schweißen dünISO 6848 enthält thoriumfreie Wolframelektroden mit verner Bleche (s D 0;8 mm–3 mm), Wurzel- und Zwangsgleichbaren Schweißeigenschaften. lagenschweißen. Ein stetiger Wechsel von Kurzschluss Das WIG-Schweißen wird mit Gleichstrom (Stahlund Lichtbogenausbildung gestattet einen stabilen Lichtschweißung) oder Wechselstrom (Al, Mg) ausgeführt. Mabogen bei Arbeitswerten bis herunter zu 19 V und 100 A nuelles Schweißen und maschinelle Techniken sind in Ge(. Tab. 57.17). brauch. Impulstechnik (MAG und MIG) nutzt einen geringen Grundstrom, kombiniert mit überlagerten Schweißstrom-1 Anwendungsbereich impulsen. Wichtigste Ziele der Impulstechnik sind das Abmessungen: Verbindungsschweißen an Blechen mit spritzerfreie Schweißen und ein gesteuerter Wärmeeintrag. s D 0;5 bis 10 mm, Wurzelschweißen an dicken Blechen; Die Impulstechnik erfordert spezielle SchweißstromquelWerkstoffe: un-, niedrig und hoch legierte Stähle, Al, len. Mg, Cu, Ni, Ti und andere NE-Metalle; „T.I.M.E.“-Schweißen (MAG) ist ein patentiertes VerErzeugnisse: Verfahren für Präzisionsschweißungen fahren, bei dem die Elektrodenvorschubgeschwindigkeit in allen Bereichen der Metallverarbeitung, Luft- und bis 45 m/min gesteigert wird und der Lichtbogen mit Schweißstromstärken I S über 400 A und Schweißspannun-

. Tabelle 57.17 Leistungsdaten beim MAG-Schweißen von Stahl Blechdicke s in mm

2

5

10

Fugenform (nach . Abb. 57.84)

II

II

V-Naht

Anzahl der Lagen (nach . Abb. 57.89) 1

1

2

vS in cm/min

40

100

16 a

Abschmelzleistung an Stahl

bis maximal 4,0 kg/h

a

Mittelwert aus den Lagenschweißungen

. Abb. 57.92 WIG-Schweißen

57

1175 57.4  Fügen

. Abb. 57.93 Technologische Angaben zum WIG-Schweißen

Raumfahrt, Schienen- und Straßenfahrzeuge, Behälterbau, Schankanlagen, Elektroanlagen, Haushaltgeräte. Dargestellt ist das manuelle Schweißen, bei dem der Schweißbrenner von Hand geführt wird. Die Zufuhr des Schweißzusatzes erfolgt von der Seite. Maschinelle Brennerführung und Zufuhr des Schweißzusatzes werden bei langen Schweißnähten und Präzisionsschweißungen praktiziert. 1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte

1. Schweißen von Al, Mg und deren Legierungen: Diese Werkstoffe sind wegen der ihrer Oberfläche stets anhaftenden Oxidschicht für die Lichtbogenausbildung nicht hinreichend leitfähig. Erforderlich sind daher 4 vorherige mechanische und/oder chemische Oxidbeseitigung, 4 spezielle Fugen- und Elektrodenform sowie 4 Schweißen mit Wechselstrom. Beim Wechselstromschweißen reißen die aus dem Schmelzbad austretenden Elektronen während der positiven Halbwelle die Oxidhäute auf, belasten dabei aber thermisch die Elektrode. Diese ist daher nicht spitz, sondern abgerundet (. Abb. 57.93). Geschweißt wird mit einfach aufgebauten Schweißtransformatoren (preiswert) oder transistorisierten Stromquellen (7 Abschn. 57.4.1.1) mit rechteckförmigem Stromverlauf und ggf. einstellbarer Phasenbalance, die kleinere positive Halbwellen ermöglicht. Dadurch können die thermische Elektrodenbelastung gesenkt und der Schweißprozess stabiler geführt werden.

. Tabelle 57.18 Leistungsdaten beim WIG-Schweißen von Stahl Blechdicke s in mm

2

5

10

Fugenform (nach . Abb. 57.84)

II

II

V

Anzahl der Lagen (nach . Abb. 57.89) 1

1

3

vS in cm/min

20

12

2a

Abschmelzleistung an Stahl

bis maximal 0,5 kg/h

a

Mittelwert aus den Lagenschweißungen

Vereinzelt wird auch mit Gleichstrom unter Helium als Schutzgas geschweißt. Wegen dessen höherer Ionisationsspannung wird der Lichtbogen heißer und die Oxidhaut thermisch zerstört. Die schwierigere Prozessführung begrenzt das Verfahren auf das mechanisierte Schweißen (. Tab. 57.18). 2. Schweißen von hoch legiertem Stahl: Zum Schweißen hoch legierter Stähle, vorzugsweise der Chrom-Nickel-Stähle, ist das WIG-Schweißen seit seiner Entwicklung das bevorzugte Verfahren. Der inerte Argonschutz, verbunden mit zusätzlichem Schutz der Nahtrückseite (Wurzel), ermöglicht in weiten Grenzen anlauffarbenfreie Schweißnähte. Geschweißt wird mit Gleichstrom, Elektrode am Minuspol. Zumischen von Wasserstoff mit 2 % bis 5 % wird in einigen Fällen des maschinellen Schweißens praktiziert. Wasserstoff wirkt als Wärmeträger, fördert die Benetzung und damit das zuverlässige Schweißen dünner

1176

57

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

Bleche (z. B. beim Längsnahtschweißen dünnwandiger Rohre) und gestattet metallisch blanke Nähte durch seine reduzierende Wirkung. 3. Schweißen weiterer NE-Metalle: Nichteisenmetalle und ihre Legierungen, die schmelzmetallurgisch hergestellt wurden, lassen sich in der Regel auch mit dem WIG-Verfahren schweißen. Zu diesen Werkstoffen zählen Cu und seine Legierungen, Ni und Ni-Legierungen, Titan und Tantal. Dabei gilt, dass der inerte Gasschutz besonders bei den reaktionsfreudigen Werkstoffen durch zusätzliche Maßnahmen sicher gewährleistet werden muss. Das können Vorund Nachlaufbrausen, gasdurchströmte Vorrichtungen, Schweißzelte oder Vakuumkammern sein, die nach dem Evakuieren mit dem Schutzgas gefüllt werden. Das Beschicken der Kammern erfolgt durch Schleusen und das Schweißen über Manipulatoren. Die Geräteentwicklung zum an sich sehr einfachen Verfahren hat heute ein Anspruchsniveau, zu dem folgende Merkmale zählen: 4 wahlweise HF- oder Liftarc-Zündung (HF: Hoch- . Abb. 57.94 Plasmaschweißen frequente Hochspannungsimpulse zünden berührungsfrei, Liftarc: selbständiges Zurückziehen der schweißen wurde aus dem WIG-Verfahren heraus entwiElektrode bei Kurzschlusszündung), ckelt und gestattet schmalere Schweißnähte und höhere 4 programmierbare Schweißparameter mit Startstromwahl mit Anstieg zum Nennstrom (Up- Schweißgeschwindigkeiten. Wegen der hohen Präzision und den hohen Schweißgeschwindigkeiten wird überwieSlope-Zeit), mit Absenkstrom bei Schweißende zur Kraterfüllung gend maschinell geschweißt. In der Regel kommt das Plasmaschweißen ohne Zu(Down-Slope-Zeit) sowie mit Gasvor- und -nachströmzeit (Schutz von Werkstück satzwerkstoff aus, die Fugenflanken werden als I-Naht vorbereitet. Das Verwenden von Schweißzusatz, z. B. zum und Elektrode), Ausgleich von Toleranzen, ist möglich. 4 Kontrolle weiterer Prozessfunktionen Schutzgaswahl und Durchflusskontrolle 1 Anwendungsbereich Kühlwasserüberwachung. Abmessungen: Verbindungsschweißen an Blechen mit Plasmaschweißen (Pl) s D 0;1 bis 10 mm; Werkstoffe: un-, niedrig- und hochlegierte Stähle, Cu, 1 Verfahrensprinzip Wird ein elektrischer Lichtbogen in den Randzonen ge- Ni, Ti und andere NE-Metalle; Al, Mg und deren Legiekühlt, verliert er dort seine Leitfähigkeit, der Strompfad rungen ungebräuchlich; Erzeugnisse: Längs- und Rundnahtschweißungen an wird eingeschnürt und der Lichtbogen nadelförmig. In der Schweißtechnik bezeichnet man dieses Phänomen als Plas- Rohren und Blechsektionen, Behälterbau. malichtbogen. Er erzeugt beim Schweißen sehr schmale Nähte. . Abb. 57.94 zeigt schematisch die konstruktiven1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte Details des Plasmabrenners. Die Wolframelektrode sitzt Der Plasmalichtbogen lässt sich mannigfaltig variieren. So hinter der Plasmadüse (3) und zwischen beiden brennt per- gingen aus dem klassischen Verfahren Varianten hervor wie manent ein Hilfslichtbogen kleiner Energie. Dieser erzeugt 1. Mikroplasmaschweißen: ein Hilfsplasma, das durch das Plasmagas aus der DüBeim Mikroplasmaschweißen lassen stabile Lichtbögen se gedrückt wird und die Lichtbogenstrecke vorionisiert. von 1 A Stromstärke Präzisionsschweißungen an FeinSo kann das Arbeitsplasma durch Zuschalten des Hauptblechen und Folien bis unter 0,1 mm Dicke zu. Mit dem schweißstromes jederzeit berührungsfrei gezündet werden. Verfahren werden Hüllrohre für Kernbrennstäbe oder Als Plasmagas wird Argon verwendet. Schlitzrohre mit 0,15 mm Wanddicke geschweißt sowie Das Fokussierungsgas, das gleichzeitig den Schutz der Wellrohrkompensatoren und Druckmessdosen hergeSchweißstelle übernimmt, kann bei der Stahlschweißung stellt. Ferner können auch Erzeugnisse aus Draht wie ein Ar + H2 -Mischgas sein. Andere Brennerkonstruktionen Zahnprothesen, Drahtnetze (Papierindustrie) oder Thermoelemente mit dem Verfahren gefertigt werden. und Gaskompositionen sind in Gebrauch. Das Plasma-

1177 57.4  Fügen

. Tabelle 57.19 Leistungsdaten beim Plasmaschweißen Blechdicke s in mm

2

5

10

Fugenform (nach . Abb. 57.84)

II

II

II

Anzahl der Lagen (nach . Abb. 57.89) 1

1

2

vS in cm/min

90

50

40a

Abschmelzleistung an Stahlb

bis maximal 0,5 kg/h

a b

Mittelwert aus den Lagenschweißungen bei Kaltdrahtzufuhr, Steigerung durch Heißdraht möglich

2. Plasmaschweißen mit Bogenablenkung: Der Plasmalichtbogen übt bei steigender Energie, die für höhere Schweißgeschwindigkeiten gebraucht wird, auch einen höheren Druck auf das Schmelzbad aus und durchbricht dieses. Um das zu vermeiden und bei hohen Geschwindigkeiten dünne Bleche zu schweißen, lenkt man den Lichtbogen in Schweißrichtung magnetisch aus (Schweißen von Blechsektionen im Schienenfahrzeugbau) (. Tab. 57.19). 3. Plasmaschweißen mit Stichlocheffekt: Ab etwa 3 mm Blechdicke kann durch Energiesteigerung der Plasmastrahl das Werkstück durchstechen, es bildet sich ein schlüssellochförmiger Durchbruch, der mit dem Plasmastrahl in Schweißrichtung wandert und hinter dem die Fugenflanken zusammenfließen. Die Wärme wird vom Plasmastrahl nicht an die Blechoberfläche, sondern an die Stichlochflanken abgegeben. Dadurch kann die Schweißgeschwindigkeit gegenüber dem Wärmeleitungsschweißen (WIG, Mikroplasma) deutlich gesteigert werden. 4. Plasmaauftragsschweißen: Durch seitlich zugeführten Schweißdraht oder direkt durch den Brenner geförderte Pulver lassen sich verschlissene Schichten auftragen oder spezielle Hartstoffschichten (Ni-Basis mit Cr, Co, W oder Wolframcarbid) erzeugen.

Laserschweißen (La) 1 Verfahrensprinzip

. Abb. 57.95 Laserschweißen

abgeführt werden und ist Ursache für den durchweg sehr schlechten Verfahrenswirkungsgrad aller Laser. Während bislang die geometrischen Abmessungen der Laserresonatoren vom klassischen Kristallstab beim Festkörperlaser (rund) oder Entladungsrohr (rund) beim Gaslaser bestimmt waren, gewinnen kompakte Konstruktionen, genannt SlabLaser (Slab D Platine, Platte), an Bedeutung. Von den heute existierenden zahlreichen Lasertypen werden zum Schweißen CO2 -Gaslaser, Neodym: YAGLaser und Halbleiterlaser verwendet. Diese drei Lasertypen haben außerordentlich verschiedene Eigenschaften, woraus auch ganz spezifische Einsatzfelder resultieren (. Tab. 57.20). Wegen der hohen Präzision des Laserstrahls wird das Verfahren fast ausschließlich mechanisiert ausgeführt, andere Entwicklungen (Kehlnahtschweißen mit handgeführtem Schweißkopf an Leichtbauprofilen oder manuelles Laserpunktschweißen in der Dentaltechnik) sind bekannt.

Beim Laserschweißen wird die in einem Lasermedium (Kristall, Gasentladung, Halbleiter) erzeugte energiereiche Strahlung durch ein Linsensystem auf die Schweißstelle1 Anwendungsbereich gebündelt. Das Laserlicht ist monochromatisch, kohärent Abmessungen: Verbindungsschweißen an Blechen mit und parallel und gestattet daher bei seiner Fokussierung s D 0;1 bis 10 mm nach oben gegenwärtig durch LaserleisEnergiedichten über 106 W/cm2 . Damit können alle tech- tung und die damit verbundenen Anlagenkosten begrenzt; nischen Werkstoffe geschmolzen oder verdampft werden. Werkstoffe: un-, niedrig- und hochlegierte Stähle, Mg, In jedem Fall muss die Energie des Laserstrahls zunächst Cu, Ni, Ti und andere Nichteisenmetalle. Metall-Keramikeinmal als elektrische Energie dem Lasergenerator zuge- Verbindungen; führt werden. Im Fall des Festkörperlasers (. Abb. 57.95) Erzeugnisse: Präzisionsschweißungen im Feingeräteerfolgt die erste Umwandlung in Licht über die Blitz- bau, Maschinenbauteile, Behälter- und Anlagenbau, Stralampen und schließlich die zweite Umwandlung in das ßen- und Schienenfahrzeugbau, neuerlich auch StahlLaserlicht. Die bei diesem Vorgang entstehende erhebli- und Schiffbau mit dem Schweißen von Dickblechen und che Verlustwärme muss durch ein wirksames Kühlsystem Schweißnahtlängen über 10 m.

57

1178

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Tabelle 57.20 Ausgewählte Verfahrensmerkmale von Laserschweißverfahren Arbeitsgröße

Einheit

Diodenlaser

Nd:YAG

CO2 -Gaslaser

Wellenlänge

*m

0,32–32

1,06

10,6

max. Ausgangsleistung

kW

4

6

25

max vS

m/min

1

5

10

Energieübertragung



Lichtwellenleiter

Lichtwellenleiter

Spiegelsystem

schweißbare Blechdicke am Beispiel CrNi-Stahl

mm

1

4,0

10

1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte

57

Die Anwendungsgrenzen für das Laserschweißen sind wegen der schnellen Geräteweiterentwicklung unscharf. Bei Präzisionsbauteilen ist das Verfahren meist durch mechanische Grenzwerte eingeschränkt. So beträgt die zulässige Abweichung von der spaltfreien Anlage beim Stumpfschweißen etwa 10 % der Blechdicke, das sind bei einem 0,1 mm dicken Blech 10 *m. Im oberen Leistungsbereich beträgt die maximale Schweißgeschwindigkeit etwa 10 m/min (. Tab. 57.21). 1. Diodenlaser: Das schon seit längerem bekannte Prinzip des Diodenlasers konnte erst Ende der 90er Jahre zu nennenswerten Ausgangleistungen geführt und damit für schweißund schneidtechnische Aufgaben nutzbar gemacht werden. Der große Brennfleck von 2 mm 4 mm schränkt seine Verwendbarkeit für Präzisionsaufgaben ein, die erzielbare Energiekonzentration von 5  105 W/cm2 ist aber für das Schweißen vieler Aufgaben vollkommen ausreichend. Der Diodenlaser ist für das Kunststoffschweißen besonders geeignet, obwohl einige Kunststoffe (amorphe) von dem nahe dem Infrarot liegenden Strahl durchdrungen werden. Der Diodenlaser ist besonders klein und kompakt (so erzielt man 2 kW Strahlleistung aus einem 30 cm 18 cm 13 cm Gehäuse) und ist daher problemarm im technologischen Prozess integrierbar. Auch sein elektrischer Wirkungsgrad von 40–50 % (Nd:YAG 3 %) weist neue Wege in der Laserschweißtechnologie. Anwendung: Kleinteileschweißen, Schankanlagen, CrNi-Stahlbleche, Elektroblech, Behälter aus chromatiertem Al.

. Tabelle 57.21 Leistungsdaten beim Laserschweißen Blechdicke s in mm

2

5

10

Fugenform (nach . Abb. 57.84)

II

II

II

Anzahl der Lagen (nach . Abb. 57.89) 1

1

1

vS in cm/min

100

1000

Abschmelzleistung an Stahl a

750 a

bis maximal 0,5 kg/h

Bei Kaltdrahtzufuhr, Steigerung durch Heißdraht möglich

2. Nd:YAG-Festkörperlaser: Der YAG-Laser erfordert im Gegensatz zum CO2 -Laser kein Arbeitsgas und sein Licht lässt sich durch Lichtwellenleiter (LWL) an die Schweißstelle führen. Das Licht des YAG-Lasers mit 1,06 *m Wellenlänge wird von metallischen Werkstoffen wesentlich besser absorbiert als das des CO2 -Lasers. Daher wird er vor allem wegen des günstigen Strahlhandlings durch LWL für das Schweißen an kleineren Bauteilen bei geringstem Wärmeeintrag bevorzugt. Sein Wirkungsgrad ist wegen des lichtgepumpten Kristalls gering. 3. CO2 -Gaslaser: Der CO2 -Laser gestattet wegen seiner energetisch günstigsten Konstruktion die höchsten Ausgangsleistungen. Das umgewälzte und zu kühlende Prozessgas muss anteilig erneuert werden, der Verbrauch beträgt z. B. bei einem 8 kW-Laser 60 l/h (80 % He, 26 % N2 , 2 % CO2 ). Hinzu kommt technologisch bedingtes Gas zum Schutz der Schweißstelle. Da der CO2 -Laserstrahl nicht über LWL geführt werden kann, sind aufwändige Spiegelsysteme erforderlich. Zum Schweißen von Dicken über 5 mm ist der CO2 -Laser gegenwärtig die einzige lasertechnische Lösung (. Tab. 57.21). Trotz des günstigeren elektrischen Wirkungsgrades ist der Gesamtwirkungsgrad auch einer CO2 -Laserschweißanlage gering. So werden für 6 kW Laserstrahlleistung etwa 100 kW Anschlussleistung benötigt.

Weitere Schmelzschweißverfahren Für besondere Bauteilgeometrien, z. B. sehr dick oder dünn, für spezielle Werkstoffe oder zum Schweißen mit besonders hoher Produktivität werden weitere Schmelzschweißverfahren in der industriellen und handwerklichen Praxis eingesetzt (. Tab. 57.22).

Pressschweißen Widerstandspunktschweißen (RP) 57.4.1.2

1 Verfahrensprinzip

Das Widerstandspunktschweißen wird vorzugsweise zum Verbinden von überlappt angeordneten Blechen und auch Drähten genutzt (. Abb. 57.96). Zwei mechanisch betätigte Elektroden (2) pressen die Bleche (1) aufeinander, bis ein definierter Widerstand erreicht ist. Über diesen erzeugt ein kurzer Stromimpuls an der Schweißstelle die Wider-

57

1179 57.4  Fügen

. Tabelle 57.22 Weitere Schmelzschweißverfahren (Auswahl) Verfahren

Prinzip

Anwendung

Aluminothermes Schweißen (AS)

Chemische Reaktion zwischen Al und Eisenoxid

Gieß-Schweißverfahren zum Schweißen von Schienen und Massivprofilen. In den mit speziellen Formteilen modellierten Schweißstoß fließt im Schmelztiegel erzeugter Stahl

Elektroschlackeschweißen (ES)

Stromdurchflossene Schlacke schmilzt Draht und Werkstoff auf

s  12 mm, alle Stähle und Stahlguss, steigende Nähte an Dickblechen im Stahl-, Behälter- und Schiffbau

Elektronenstrahlschweißen (EB)

Freier Elektronenstrahl trifft im Vakuum auf Werkstück

Wenige *m  s  100 mm. Alle Stähle, NE-Metalle außer solche mit Verdampfungsneigung (Zink). Höchste Präzisionsschweißungen auch an sehr dicken Bauteilen. Werkstücke müssen in eine Vakuumkammer. Einziges Verfahren zum Al-Schweißen bis 100 mm Dicke

Magnetisch bewegter Lichtbogen (MBS)

Lichtbogen zwischen Werkstück und Hilfselektrode

s  2 mm, alle Stähle, Cu und seine Legierungen. Spezielles Verfahren für das Schweißen von Massenteilen aus Dünnblech, automatischer Prozess bei sehr kurzer Schweißzeit

Unterpulverschweißen (UP)

Lichtbogenschutz unter einer Pulverschicht

s D 2 bis 100 mm, alle Stähle und Stahlguss, höchste Abschmelzleistung aller Schweißverfahren, hoch produktiv bei dicken Blechen und Schweißnähten über 100 cm Länge

. Abb. 57.96 Widerstandspunktschweißen

Arbeitswert für

hoch legierten Stahl

unlegierten Stahl Al und Legierungen

dE in mm

4 s

5 s

10 s

Is in kA

8 s

10 s

30 s

ts in Perioden

5 s

8s

7s

FE in kN

5s

2,5 s

2s

. Abb. 57.97 Arbeitsgrößen beim Widerstandspunktschweißen

standswärme (Joule’sche Wärme), die durch Wärmestau1 Anwendungsbereich vorwiegend zwischen den Blechen entsteht und dort zum Abmessungen: s D 0;4 bis 4 (8) mm Einzelblechdicke, Stumpf- oder Kreuzdrahtschweißungen mit Durchmessern Ausbilden der Schweißlinse (3) führt. Hinreichend große Elektrodenkräfte halten die Ble- von 3 bis 10 mm; Werkstoffe: Stahl und Nichteisenmetalle, sehr viel che bis zum Erkalten und Verfestigen der Schweißlinse unter Druck. Der Schweißstrom in Höhe mehrerer Werkstoffkombinationen, unverträgliche Werkstoffe lassen kA wird den beweglichen Elektroden über flexible Kup- sich mit zwischengelegter Folie schweißen; Erzeugnisse: Fahrzeug- und Flugzeugbau, Universalferbänder (4) zugeführt. Bei wachsender Bedeutung der Gleichstromschweißung wird heute noch fast ausschließ- verfahren in der Blechbearbeitung, Haushaltgeräte, Kreuzlich mit Wechselstrom geschweißt, der von speziellen drahtschweißen von Bewehrungsstahl im Bauwesen. einphasig angeschlossenen Schweißtransformatoren bereit1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte gestellt wird. Der Verlauf von Schweißstrom I S und Elektrodenkraft Neben dem klassischen Punktschweißen mit gegenüberF E beim Einzelpunktschweißen ist in . Abb. 57.97 dar- liegenden Elektroden sind bauteilbedingt Sonderkonstrukgestellt. Zum Schweißen werden stationäre Maschinen, tionen in Gebrauch, z. B. das einseitige Punktschweißen prozessintegrierte Schweißstationen oder mobile Schweiß- (. Abb. 57.98) oder das Kondensatorimpulsschweißen. Die zangen, besonders robotergeführte, benutzt. Die Schweiß- hohen Schweißströme (1 bis 1000 kA) werden heute überelektroden bestehen aus härtegesteigerten Cu-Legierungen wiegend primärseitig durch Thyristoren geschaltet, beim (CuCrZr) und werden wassergekühlt. Gleichstromschweißen wird das Umrichterprinzip ange-

1180

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Abb. 57.99 Buckelschweißen . Abb. 57.98 Verfahrensmerkmale beim Widerstandspunktschweißen

57

aus, so gilt die Verbindung als gut. Punktschweißverbindungen sollen vorzugsweise auf Schub, nicht auf Zug und niemals auf Abschälen beansprucht werden.

wendet. Die Schweißspannungen im Bereich von 3 bis 10 V bleiben aus Sicherheitsgründen klein und werden als Einstellgröße nicht verändert. Die Schweißzeit, all- Widerstandsbuckelschweißen (RB) gemein in Perioden der Netzfrequenz (Per) angegeben,1 Verfahrensprinzip wird sehr kurz eingestellt. Dadurch kann die Wärme aus Das Widerstandsbuckelschweißen (. Abb. 57.99) wurder Schweißzone nicht abwandern und die Elektrodenein- de aus dem Widerstandspunktschweißen entwickelt. Der drücke bleiben klein. Neben dem zuverlässigen Einstel- Schweißstrom wird an Stelle der punktförmigen Elektrolen der Elektrodenkräfte, blechdickenabhängig sind 0,5 bis den durch Plattenelektroden (1) vergleichbaren Werkstoffs 10 kN erforderlich, ist das Nachsetzverhalten der meist dem Bauteil zugeführt und über im Bauteil ausgeprägte pneumatischen Kraftsysteme eine ganz wesentliche Ma- Buckel (2) auf mehrere Schweißstellen gleich verteilt. Die schineneigenschaft. Zu geringe Elektrodenkräfte oder zu gleichzeitig zu schweißenden Buckel erfordern entsprelangsames Nachsetzen führen zu ausspritzendem Werk- chend höhere Ströme und Elektrodenkräfte bis zu 40 kN. stoff. Zu große Elektrodenkräfte bewirken anwachsende Die Buckel werden beim Schweißen in die Bleche zurückEindrücke der Schweißelektroden (. Tab. 57.23). Saubere gedrückt, daher sind hohe Anforderungen an trägheitsarme Werkstückoberflächen und gleichbleibende Werkstoffqua- Elektrodenkraftsysteme (4) zum raschen Nachsetzen der lität sind Voraussetzung für eine hohe Schweißpunktqua- Elektroden zu stellen. Der Schweißablauf wird über Prolität. Die Werkstücke müssen frei von Oxidschichten und zesssteuerungen (5) koordiniert und überwacht. Für den Verunreinigungen sein, sonst besteht die Gefahr des Kle- Buckelabstand und den Randabstand der Buckel zur Werkbens (Anschweißen) der Elektroden an der Werkstückober- stückkante gelten dem Punktschweißen vergleichbare Refläche. Weitere Verfahrensmerkmale zeigt . Abb. 57.98. geln (DVS-Merkblatt 2902-1). Um das Abfließen des Schweißstromes über benachbarte Schweißpunkte (Nebenschluss) einzuschränken, sind Min-1 Anwendungsbereich destabstände erforderlich. Punktschweißverbindungen wer- Abmessungen: s D 0;5 bis 5 mm Einzelblechdicke, Anden überwiegend technologischen Prüfungen unterzogen, schweißen massiver Teile an dünnere Bleche; zu denen die so genannte „Ausknöpfprobe“ zählt (DIN EN Werkstoffe: vorzugsweise Stahl und Aluminium, andeISO 17672). Über Abrollvorrichtungen oder mittels Meißel re Werkstoffe möglich; wird die Punktschweißung einer Schälbeanspruchung unErzeugnisse: Blechkonstruktionen, Anschweißteile im terworfen. Knöpft dabei der Schweißpunkt aus einem Blech Fahrzeugbau.

. Tabelle 57.23 Leistungsdaten beim Widerstandspunktschweißen Werkstoff

unlegierter Stahl C < 0;2 %

rost- und säurebeständiger Stahl

Aluminimum

Blechdicke s in mm

0,4

3

0,4

3,0

0,5

3

Elektrodenkraft in kN

1

7,5

1,6

12

2,25

6,6

Schweißzeit in Perioden

4

21

4

17

6

11

Schweißstrom in kA

5

19

2,8

18

27

49

1181 57.4  Fügen

Weitere Pressschweißverfahren

. Abb. 57.100 Konstruktionsformen beim Buckelschweißen

1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte

Das elektrische Widerstandsschweißen hat von allen Fügeverfahren die breiteste Variation erfahren und reicht vom Mikrokontaktieren (Bonden) in der Elektronik bis zum Abbrennstumpfschweißen von Ankerkettengliedern. Darüber hinaus sind auch die Grenzen zu anderen Fertigungsverfahren fließend. So bildet sich z. B. beim Aufschweißen elektrischer Silberkontakte auf kupferne Schaltmesser ein Eutektikum, das unter dem Schmelzpunkt beider Partner liegt. Definitionsgemäß ist dies ein eutektisches Löten und kein Schweißen. Den Anwendungsbereich weiterer Pressschweißverfahren mit nennenswerter praktischer Bedeutung für Bleche mit s > 1 mm zeigt . Tab. 57.25. 57.4.2

Die Schweißbuckel (DIN 8519) werden in vorgelagerten umformtechnischen Arbeitsgängen hergestellt oder sind bei Zulieferteilen, z. B. Anschweißmuttern, Bestandteil der Teilegeometrie. Neben dem wirtschaftlichen Vorteil, dass beim Buckelschweißen der Vorschub von Punkt zu Punkt entfällt und die Buckel gleichzeitig geschweißt werden, sind auch besonders günstige Konstruktionen möglich (. Abb. 57.100). Ausrüstungen zum Teilehandling, koordiniert durch übergeordnete Prozesssteuerungen, komplettieren Buckelschweißmaschinen zu hocheffektiven Fertigungseinrichtungen. Buckelschweißen wird auch an beschichteten Blechen durchgeführt, sofern die Beschichtung leitfähig ist (. Tab. 57.24).

. Tabelle 57.24 Leistungsdaten beim Buckelschweißen Blechdicke s in mm

1

3

5

Buckelhöhe in mm

0,75

1,25

1,75

Elektrodenkraft in kN

1,0

3,0

5,8

Schweißstrom in kA

5,5

10

14

Schweißzeit in Perioden

8

25

40

Thermisches und nichtthermisches Schneiden

57.4.2.1

Grundlagen

Alle Schmelzschweißverfahren können bei zweckentsprechender Parameterwahl den Werkstoff auch trennen. Aus dieser Tatsache heraus wurden durch spezielle Geräteentwicklungen die thermischen Schneidverfahren geschaffen. Nachfolgend wird auf die wesentlichsten Verfahren zum thermischen Schneiden nach DIN 2310-6 eingegangen. Werkstoffe lassen sich thermisch trennen, indem gesteigerte Wärmezufuhr die strukturellen Bindungskräfte aufhebt. Die Prozessenergie kann durch das Verbrennen des zu trennenden Werkstoffs gewonnen werden (Gasbrennschneiden) oder sie wird von außen zugeführt (Plasmaoder Laserschneiden). Neben der thermischen Energie ist bei allen thermischen Schneidverfahren die mechanische Energie eines Gasstrahls erforderlich, um die abgetrennten Werkstoffpartikel aus der Schnittfuge zu treiben. Wird die mechanische Strahlenergie drastisch erhöht, so kann ohne nennenswerte Wärmewirkung ebenfalls sehr effektiv geschnitten werden. Industriell genutzt wird dieses Prinzip beim Wasserstrahlschneiden (7 Abschn. 57.4.2.5).

. Tabelle 57.25 Weitere Pressschweißverfahren Verfahren

Prinzip

Anwendung

Pressstumpfschweißen Stoßstelle elektrisch oder durch Gasflamme Bedeutung hat nur noch das elektrische Stumpfschweißen, bei dem die erwärmt und durch Druck gefügt Erwärmung über einen Lichtbogen erfolgt; Anwendung: 1. Anschweißen von Bolzen mit und ohne Gewinde 2. Fügen von Hohl- und Vollprofilen Kaltpressschweißen

Fügen nur durch Druck ohne jegliche Wärme

Verfahren zum Herstellen schwieriger Werkstoffkombinationen, z. B. von Al-Cu- Verbindungen; Schweißen von Drähten in Drahtziehanlagen und Fügen von Fahrleitungsdrähten

Reibungsschweißen

Erwärmung durch rotierende und aneinander reibende Werkstücke

Hochproduktives Verfahren in der Massenfertigung von rotationssymmetrischen Teilen, z. B. geschmiedeter Gabelkopf mit Gelenkwelle, Reduzierung der Zerspanungsarbeit an Rundteilen

Ultraschallschweißen

Fügen ohne Wärme nur durch Ultraschallschwingungen

Anwendbar für Metalle und Kunststoffe (viele Werkstoffkombinationen), für kleinere Teile wegen begrenzter Energie, sehr verbreitet für Kunststoffteile, keine Beeinträchtigung der Werkstückoberfläche

57

1182

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

. Abb. 57.101 Autogenes Brennschneiden

57

. Abb. 57.102 Brennschneidplan – allgemeine Anforderungen

57.4.2.2 Autogenes Brennschneiden 1 Verfahrensprinzip

4 möglichst große Verbrennungswärme sowie 4 möglichst kleine Wärmeleitfähigkeit.

Beim Gasbrennschneiden (autogenes Brennschneiden) wird der Werkstoff zunächst durch eine Acetylen-Sauerstoffflam-1 Anwendungsbereich me auf Entzündungstemperatur vorgeheizt. Ein zusätzlicher Abmessungen: Blechdicke s > 5 mm (nach oben unbeSauerstoffstrahl aus der Zentrumsbohrung (. Abb. 57.101) grenzt); Werkstoffe: un- und niedrig legierter Stahl, Stahlguss; trifft auf das Werkstück, verbrennt den Werkstoff und treibt Erzeugnisse: Schrott- und Qualitätsschnitte in allen die Verbrennungsprodukte aus der Schnittfuge. Im weiteren Prozessablauf übernimmt die aus der Verbrennung Bereichen der Metallverarbeitung, Schweißkantenvorbereifreigesetzte Wärme überwiegend das Vorheizen. Wird die tung. Schneidgeschwindigkeit größer als der Wärmevorlauf, ist 1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte die Leistungsgrenze des Verfahrens erreicht. Das Verfahren setzt folgende Eigenschaften des zu Brennschneiden wird manuell, mechanisiert und auf CNCschneidenden Werkstoffs voraus: gesteuerten Brennschneidmaschinen ausgeführt. Beim Zu4 brennbarer Werkstoff, schneiden großer Blechtafeln gewährleisten Brennschneid4 Entzündungstemperatur < Schmelztemperatur, pläne (. Abb. 57.102) maximale Werkstoffausnutzung und 4 Schmelztemperatur des Oxids < Schmelztemperatur maßgenaue Teile durch Berücksichtigung des Wärmedes Werkstoffs, verzugs. Die dabei erreichbaren Schnittqualitäten werden

1183 57.4  Fügen

. Tabelle 57.26 Grenzwerte für das autogene Brennschneiden von Stahl Werkstoff

Schneideignung

Bemerkung

gut schneidgeeignet

bedingt schneidgeeignet

nicht schneidgeeignet

C-Stähle

max. 0,3 % C

von 0,3–2 % C

über 3 % C

Vorwärmen 250–400 ı C, Normalglühen

Mn-legierte Stähle

max. 1,3 % C

max. 1,3 % C

über 1,3 % C

Vorwärmen auf 300 ı C

max. 13 % Mn

13–18 % Mn

über 18 % Mn

max. 0,2 % C

max. 0,4 % C

max. 0,4 % C

max. 2,5 % Si

max. 3,8 % Si

über 3,8 % Si

max. 7 % Ni

max. 0,3 % C

über 0,3 % C

max. 35 % Ni

über 35 % Ni

über 1,5 % Cr

über 8 % Cr

Si-legierte Stähle

Ni-legierte Stähle

Cr-legierte Stähle

max. 1,5 % Cr

Verringern der Schneidgeschwindigkeit

Vorwärmen auf 260 ı C bis 315 ı C, Wärmenachbehandlung Vorwärmen auf 300 ı C und Wärmenachbehandlung, Cr-Stähle härten leicht

bis 10 % Ni

. Tabelle 57.27 Leistungsdaten beim autogenen Brennschneiden Blechdicke s in mm

3

5

10

300

0,8

0,8

0,70

0,1

0,4

0,4

0,4

0,9

0,5

0,5

0,5

1,1

Schneidsauerstoffverbrauch in m /h

0,4

0,5

1,2

33

Schnittfugenbreite in mm

0,8

0,9

2,0

6,0

Schneidgeschwindigkeit in m/min 3

Acetylenverbrauch in m /h 3

Heizsauerstoffverbrauch in m /h 3

durch Rechtwinkligkeit und Neigung sowie der gemittelten Rautiefe der Schnittflächen beschrieben und nach DIN EN ISO 9013 in Toleranzklassen eingestuft. Werden die Grenzen der Schneideignung nach . Tab. 57.26 überschritten, können Werkstoffe ggf. noch getrennt werden, indem mit Hilfe spezieller Schneidbrenner dem Sauerstoffstrahl mineralische Pulver oder Eisenpulver beigemischt werden. Diese unterstützen thermisch oder mechanisch den Trennvorgang und erweitern so den Einsatzbereich des Verfahrens (. Tab. 57.27). 57.4.2.3 Plasmaschneiden 1 Verfahrensprinzip

. Abb. 57.103 Plasmaschneiden

allgemeinen Baustählen und Aluminium Luft verwendet. Beim Plasmaschneiden schmilzt ein gebündelter elektri- Unter Anwesenheit von Luft verschleißen Plasmadüse und scher Lichtbogen den zu schneidenden Werkstoff auf. Der Kathode stärker als unter Argon und werden daher aus aus dem Plasmabrenner zentrisch austretende Gasstrahl Kupfer gefertigt und leicht auswechselbar gestaltet. bläst das Schmelzgut aus der Schnittfuge. Mit dem Plasmaschneiden lassen sich alle elektrisch leitfähigen Werkstoffe1 Anwendungsbereich trennen. Die an der Werkstückoberfläche durch den Plas- Abmessungen: Blechdicke s D 1 bis 100 mm; mabogen entwickelte Wärme wird durch den Gasdruck in Werkstoffe: un-, niedrig und hoch legierter Stahl, Stahldie Schnittfuge getrieben und mit deren Tiefe zunehmend guss, Gusseisen, Nichteisenmetalle; an die Fugenflanken abgegeben. Dadurch ist beim SchneiErzeugnisse: Schrott- und Qualitätsschnitte in allen den dickerer Bleche die Winkligkeit der Schnittfuge cha- Bereichen der Metallverarbeitung, Schweißkantenvorbereirakteristisch, . Abb. 57.103. Als Plasmagas wird bei hoch tung, einziges Schneidverfahren für Al und CrNi-Stahl bei legierten Stählen vorzugsweise Argon, beim Schneiden von Dicken über 20 mm.

57

1184

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte

Lichtbogenenergie und Gasausströmgeschwindigkeit sind beim Plasmaschneiden hoch und Lärm, UV-Strahlung sowie Gase, Rauche und Dämpfe wirken umweltbelastend. Daher werden industriell die zu schneidenden Bleche oft auf wassergefluteten Schneidtischen einige Zentimeter unter der Wasseroberfläche bearbeitet und so die Schadstoffe sowie Strahlung und Lärm gebunden. Das zunächst für nicht autogen schneidbare Werkstoffe genutzte Plasmaverfahren wird heute auch für dünnere unlegierte Stahlbleche wegen der gegenüber dem Gasbrennschneiden deutlich höheren Schneidgeschwindigkeit eingesetzt. Dem Gasbrennschneiden unterlegen ist die Schnittqualität des Plasmaverfahrens. Für die meisten Zuschnitte, besonders im Dünnblechbereich, kommt man jedoch ohne spanende Nachbearbeitung bei hinreichender Schnittqualität aus (. Tab. 57.28). 57.4.2.4 Laserschneiden 1 Verfahrensprinzip

57

Zum Schneiden werden Halbleiter-, Festkörper- und Gaslaser verwendet. Großtechnisch genutzt wird jedoch vorzugsweise der CO2 -Gaslaser, weil nur dieser gegenwärtig die zum Schneiden dickerer Bleche erforderlichen Leistungen ermöglicht. Zum Weiterleiten des CO2 -Laserstrahles . Abb. 57.104 Laserschneiden

. Tabelle 57.28 Leistungsdaten beim Druckluft-Plasmaschneiden an Baustahl, 40 kW Strahlleistung Blechdicke s in mm

3

5

8

10

Schneidgeschwindigkeit in m/min

5

4

3,5

3,0

Schnittfugenbreite in mm

3,5

4,5

5,5

6,5

erfordern CO2 -Laserschneidanlagen einen beträchtlichen mechanischen Aufwand für die mit den Vorschubmechanismen zu führenden Spiegelsysteme (. Abb. 57.104). Der Laser schmilzt und verdampft den Werkstückwerkstoff und ein Gasstrahl bläst die Schnittfuge frei. Als Schneidgas ist Sauerstoff gebräuchlich, weil sich durch die exotherme Reaktion die Schneidgeschwindigkeit beträchtlich steigern lässt. Der Gasstrahl hat ferner die Aufgabe, die sehr empfindliche Laseroptik vor Spritzern und Metalldampf zu schützen. Sollen die Schnittkanten oxidfrei sein, müssen Edelgase oder Stickstoff als Schneidgas eingesetzt werden. Das so genannte Sublimierschneiden, bei dem der Werkstoff vom festen Zustand unmittelbar in den dampfförmigen übergeht, wird vorzugsweise beim Bearbeiten von Kleinstbauteilen oder zum Bohren bei impulsförmigem Energieeintrag genutzt.

1185 57.4  Fügen

. Tabelle 57.29 Leistungsdaten beim Laserstrahlbrennschneiden an Baustahl, 1500 W Strahlleistung Blechdicke s in mm

1

3

5

10

Schneidgeschwindigkeit in m/min

10

5

3

1

Schnittfugenbreite in mm

0,1

0,25

0,4

0,6

1 Anwendungsbereich

Abmessungen: Blechdicke s D 0;1 bis 20 mm; Werkstoffe: Metalle, Nichtmetalle, Gläser, Kunststoffe, textile Werkstoffe; Erzeugnisse: Präzisionsschnitte in allen Industriebereichen.

1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte

. Abb. 57.105 Wasserstrahlschneiden

röhrchen (4.6) bündelt schließlich den Abrasivstrahl auf das Werkstück.

Mit dem Laserstrahl lassen sich die meisten Konstrukti1 Anwendungsbereich onswerkstoffe schneiden. Einschränkungen bestehen bei einzelnen Kunststoffen, Natursteinen und Baustoffen so- Abmessungen: Blechdicke s D 1 bis 40 mm an Stahl, bzw. wie bei beschichteten und extrem wärmeempfindlichen s D 1 bis 100 mm an Aluminium; Werkstoffe: Metalle, Nichtmetalle, Gläser, Kunststoffe; Werkstoffen. Der universellen Nutzung stehen nur die hoErzeugnisse: Präzisionsschnitte an wärmeempfindlihen Anlagenkosten und gegenwärtig noch ab etwa 20 mm Blechdicke aufwärts die Leistungsgrenze des Laserstrahls chen Werkstücken. entgegen. Das Laserschneiden wird fast ausnahmslos auf 1 Arbeitstechnik – Leistungskennwerte CNC-Anlagen ausgeführt, die technologische Kopplung mit mechanischen Trenn- und Umformverfahren (Stanzen, Das Wasserstrahlschneiden ermöglicht an Metallen ein Nibbeln, Biegen) in Bearbeitungszentren ist gebräuchlich grat- und anlauffarbenfreies Schneiden mit nahezu rechtund gestattet die Komplettbearbeitung von Blechteilen auf winkligen Schnittkanten bis etwa s D 10 mm. Beim einer Anlage. Geringe Schnittfugenbreite, hohe Schnittqua- Schneiden mit Abrasivstrahlen sind die Schnittflächen chalität und Schneidgeschwindigkeit favorisieren das Laser- rakteristisch rau, jedoch eben. Neben dem „kalten Schnitt“ ermöglicht das Verfahren schneiden fast immer bei hohen Stückzahlen und dünnen scharfe Außenkonturen (kein Anschmelzen schmaler Kanbis mitteldicken Blechen gegenüber allen anderen Schneidten) und das verzugsfreie Schneiden gehärteter Werkstoffe. verfahren (. Tab. 57.29). Problematisch beim Wasserstrahlschneiden ist der entstehende Schneidschlamm, der sich im Arbeitstisch an57.4.2.5 Wasserstrahlschneiden sammelt und mit Umweltauflagen entsorgt werden muss. 1 Verfahrensprinzip Neuere Anlagen verfügen über SchneidstoffaufbereitungsWasserstrahlen, die bei Drücken bis 4000 bar aus einer einrichtungen, die aus dem Schneidschlamm bis zu 80 % Schneiddüse mit einem Durchmesser von 0,3 mm und Fördes Abrasivmittels zurückgewinnen und dem Prozess direkt derströmen von 4 l/min austreten, zerstören technische wieder zuführen. An der Wasseraufbereitung mit dem Ziel Werkstoffe am Auftreffpunkt mit scharf abgegrenzten Kongeschlossener Prozesskreisläufe wird derzeit gearbeitet. turen. Bewegt man den Strahl über das Werkstück hinweg, Im Vergleich zu den thermischen Schneidverfahren hat entstehen präzise Schnittfugen mit etwa 1,2 mm Breite das Wasserstrahlschneiden nur eine geringe Schneidleis(. Abb. 57.105). Der Primärdruck einer Ölhydraulik (1) tung. An einem 10 mm dicken Baustahlblech lassen sich von etwa 200 bar wird im Druckübersetzer (2) auf den beim Trennen etwa 15 cm/min erzielen. Ist das Ziel ein Arbeitsdruck gebracht. Der Druckspeicher (3) formt den nacharbeitsfreier Qualitätsschnitt, so sinkt die Schneidgediskontinuierlichen Druck aus dem Kolbenverdichter zu eischwindigkeit auf 5 cm/min (. Tab. 57.30). nem weitgehend stoßfreien Arbeitsdruck um. Üblich sind bewegte Schneidköpfe (4), die den Strahl entlang der Werkstückkontur führen. Kunststoffe werden mit reinem Wasser . Tabelle 57.30 Leistungsdaten beim abrasiven Wasserstrahlgeschnitten. Zum Schneiden von Metallen erfolgt das Zuschneiden mischen von abrasiv wirkenden Pulvern (4.1). Das hoch Blechdicke s in mm 1 3 5 10 verdichtete Wasser (4.2) wird von der Schneiddüse (4.3) zum Strahl geformt, der in einer Mischkammer (4.4) nach Schneidgeschwindigkeit in m/min 0,5 0,3 0,2 0,15 dem Injektorprinzip das Abrasivmittel ansaugt und sich mit Schnittfugenbreite in mm 1 1,0 1,2 1,2 diesem zum Abrasivstrahl vereinigt (4.5). Ein Fokussier-

57

1186

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

57.4.3 57.4.3.1

Löten Grundlagen

Löten ist das Fügen von Werkstoffen durch ein Lot, dessen Schmelztemperatur unterhalb derjenigen beider Grundwerkstoffe liegt. Die zum Löten erforderliche Energie wird der Lötstelle von außen zugeführt oder durch Widerstandserwärmung an der Lötstelle erzeugt. Während der schmelzflüssigen Phase des Lotes bilden sich durch Diffusion von Lot- und Grundwerkstoffbestandteilen neue Legierungen im Lötspalt. Auf diese Weise kann die Festigkeit der Lötverbindung deutlich über der des Lotes liegen und beim Hartlöten jene des Grundwerkstoffs erreichen. Voraussetzung für einen sachgerechten Lötvorgang ist das zuverlässige Benetzen des Bauteilwerkstoffs durch das Lot. In Folge der Benetzung breitet sich das Lot aus, dringt

vollständig in die Lötspalte ein und haftet an der Werkstoffoberfläche. Neben dem richtigen Bemessen der Lötspalte (. Abb. 57.106) sind für das Benetzen metallisch reine Oberflächen (frei von Fetten und anderen Ablagerungen) sowie das Auflösen von Oxidschichten und das Absenken der Oberflächenspannung durch Flussmittel unerlässlich. Bei richtiger Kombination von Lot und Grundwerkstoff lassen sich fast alle metallischen Werkstoffe, auch Aluminium, löten. Typische Kombinationen sind in . Tab. 57.31 aufgeführt. Die DIN ISO 857-2 unterscheidet bei den Lötverfahren nach geometrischen, thermischen und technologischen Merkmalen. Die Unterscheidung nach der Löttemperatur in Weichlöten ( 450 ı C), Hartlöten (> 450 ı C) und Hochtemperaturlöten ( 1200ı C) orientiert sich dabei an charakteristischen Werkstofftemperaturen des Stahls.

. Abb. 57.106 Lötspalte

57

. Tabelle 57.31 Lote zum Hart- und Weichlöten Kombination von Grundwerkstoff/Flussmittel/Lot zum Fügen von Metallen

geeignet für

Lotgrundtyp

Zinnlot

Silberlot

Phosphorlot

Messinglot

Lot

LSn5050

LAg40Cd20

LCuPB

LMs60

Stahl/Hartmetall

C

C



C

Stahl/Cu

C

C



C

Stahl/Ms

C

C





Kupfer/Kupfer

C

C

C

C

Kupfer/Ms

C

C

C



Kupfer/Nickel

C

C



C

Ms/Ms

C

C

C



Ms/Nickel

C

C





1187 57.4  Fügen

Richtwerte für Zug- und Scherfestigkeit ausgewählter Hartlötverbindungen Hartlot nach DIN EN 17627

Arbeitstemperatur ºC

Zugfestigkeit in N/mm (Lötspalt 0,1 mm)

S235JR E295 E335

2

Konstruktive Empfehlungen

Abscherfestigkeit in N/mm2 (Lötspalt 0,1 mm)

18/8S235JR E335 Stahl

LAg40Cd

610

350

450

550

500

190

250

L-Ag30Cd

680

350

450

450

500

200

200

LAg44

730

350

450

500

500

200

250

L-Ag20Cd

750

350

400

400

450

150

250

LAg12

830

350

400

400

400

150

200

L-CuZn40

900

250-350

n.b. 200-240

260

Entlüftungsbohrung zum Entweichen der Flussmitteldämpfe. Diese drücken so das einschießende Lot nicht zurück.

Bei Rohr-Rohr-Verbindungen selbstzentrierend mit Normal- und Schubspannungen konstruieren. Ggf. mit Schäftung arbeiten

Vom eingelegten Lotformteil steigt das Lot auf und verdrängt das Flussmittel. Sichtkontrolle ist durch austretendes Lot möglich.

Lötgerecht gestalteter hoch beanspruchbarer Rohrflansch.

Rohre in Steckverbindungen nicht wesentlich tiefer als 1,5 s wählen. Darüber hinaus kein Sicherheitszuwachs

Universalkonstruktion für Ecken, Stützen, Rippen, Gehäuse. Nachteilig ist die Schälwirkung.

. Abb. 57.107 Konstruktive Empfehlungen für Hartlötverbindungen (Festigkeitswerte nach [4])

57.4.3.2

Weichlöten

Umfangreich genutzt wird das Weichlöten in der Elektrotechnik und der Elektronik. Für die Massenfertigung gibt es automatisierte Verfahrensabläufe auf erzeugnisspezialisierten Anlagen. Hocheffiziente Technologien wie die SMD-Technik (surface mounted devices) zur Bestückung von Leiterplatten sind ebenso in Anwendung wie das traditionelle Kolbenlöten, vorzugsweise auf dem Reparatursektor. Weichlötverbindungen übertragen nur geringe Kräfte, sind bedingt temperaturbeständig und neigen unter Last zum Kriechen. Wegen der einfachen Handhabung und der geringen Arbeitstemperatur ist das Weichlöten in der Installationstechnik (Wasserleitungen) und bei Klempnerarbeiten (Titanzink) ebenso verbreitet wie in der Dentaltechnik, bei der Herstellung von Schmuck und beim Bau wissenschaftlicher Geräte. 57.4.3.3

Hart- und Hochtemperaturlöten

Beim Löten über 450 ı C muss die Löttemperatur besonders sorgfältig auf den Grundwerkstoff abgestimmt werden, da mit einer starken Gefügebeeinflussung zu rechnen ist. Mit dem Hartlöten werden Festigkeitswerte erzielt (. Abb. 57.107), die denen des Schweißens vergleichbar sind. Die mit dem Hochtemperaturlöten ausgeführten Verbindungen (Verwendung von Nickelbasisloten) sind zudem warmfest. Werden Flussmittel eingesetzt, so ist beim Hartlöten deren durchgängig korrodierende Wirkung zu beachten. Rückstände dieser Flussmittel müssen nach dem Löten durch geeignete Nachbehandlung entfernt werden. Techniken dazu sind Bürsten, Waschen in warmem Wasser oder Beizen in 5–10 %-iger Schwefelsäure bei Schwermetallen bzw. in 10 %-iger Salpetersäure bei Leichtmetallen.

Flussmittelhersteller bieten zu diesem Zweck auch Reinigungsmittel an. Unabhängig von Lot, Grundwerkstoff und Lötverfahren ist folgender Ablauf beim Löten charakteristisch: 1. Vorbereiten der Werkstücke (Rauheit, Lötspalt), 2. Säubern der Werkstücke von Fremdschichten (mechanisches Säubern, Bad- oder Dampfreinigen, Ultraschallbäder), 3. Fixieren der Werkstücke (Lagefixierung und Lotdeponie), 4. Erwärmen der Werkstücke auf Arbeitstemperatur, 5. Aktivieren der Lötstelle durch Flussmittel, 6. Zuführen, Fließen und Binden des Lotes, 7. Abkühlen der Lötstelle (erschütterungsfreies Kristallisieren des Lotes), 8. Nachbehandeln und ggf. Prüfen. Als Wärmequellen werden zum Löten die klassische Gasflamme sowie Widerstands- und Induktionslötgeräte, Lötöfen, Lötbäder und zunehmend der Laserstrahl genutzt.

Normen DIN EN 14610 Schweißen und verwandte Prozesse – Begriffe für Metallschweißprozesse DIN EN ISO 9692-1 Schweißen und verwandte Prozesse – Arten der Schweißnahtvorbereitung – Teil 1: Lichtbogenhandschweißen, Schutzgasschweißen, Gasschweißen, WIG-Schweißen und Strahlschweißen von Stählen DIN EN ISO 9692-2 Schweißen und verwandte Verfahren – Schweißnahtvorbereitung – Teil 2: Unterpulverschweißen von Stahl

57

1188

Kapitel 57  Spanlose Fertigung

DIN EN ISO 9692-3 Schweißen und verwandte Verfahren – Empfehlungen für Fugenformen – Teil 3: Metall-Inertgasschweißen und Wolfram-Inertgasschweißen von Aluminium und Aluminium-Legierungen DIN EN ISO 9692-4 Schweißen und verwandte Prozesse – Empfehlungen zur Schweißnahtvorbereitung – Teil 4: Plattierte Stähle DIN EN ISO 14175 Schweißzusätze – Gase und Mischgase für das Lichtbogenschweißen und verwandte Prozesse

DIN EN ISO 9013 Thermisches Schneiden – Einteilung thermischer Schnitte – Geometrische Produktspezifikation und Qualität DIN EN ISO 857-2 Schweißen und verwandte Prozesse – Begriffe – Teil 2: Weichlöten, Hartlöten und verwandte Begriffe DIN EN 10025-1 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen; allgemeine technische Lieferbedingungen DVS-Merkblatt 2902-1 Widerstandspunktschweißen von Stählen bis 3 mm Einzeldicke – Übersicht

DIN EN ISO 6848 Lichtbogenschweißen und -schneiden – Wolframelektrode – Einteilung

Literaturhinweise, Informationsquellen DIN EN ISO 17672 Hartlöten – Lote

57

DIN 8519 Buckel für das Buckelschweißen von Stahlblechen – Langbuckel und Ringbuckel DIN 2310-6 Thermisches Schneiden – Teil 6: Einteilung, Prozesse

1. Fahrenwaldt, H.-J., Schuler, V., Twrdek, J.: Praxiswissen Schweißtechnik, 6. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2019) 2. Behnisch, H.: Kompendium der Schweißtechnik. DVS-Verlag, Düsseldorf (2002) 3. Richter, H.: Fügetechnik-Schweißtechnik. DVS-Verlag, Düsseldorf (2012) 4. Neumann, A., Richter, E.: Tabellenbuch Schweiß- und Löttechnik. DVS-Verlag, Düsseldorf (1989)

58

1189

Zerspantechnik Wolfgang Böge und Lutz Barfels

58.1

Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

58.1.1

58.1.1.1

Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik1 Bewegungen

Bei allen Zerspanvorgängen (Drehen, Hobeln, Fräsen, Bohren . . . ) sind die Bewegungen Relativbewegungen zwischen Werkstück und Werkzeugschneide. Man unterteilt in Bewegungen, die unmittelbar die Spanbildung bewirken (Schnitt-, Vorschub- und resultierende Wirkbewegung) und solche, die nicht unmittelbar zur Zerspanung führen (Anstell-, Zustell- und Nachstellbewegung). Alle Bewegungen sind auf das ruhend gedachte Werkstück bezogen (. Abb. 58.1). Schnitt- und Vorschubbewegung können sich aus mehreren Komponenten zusammensetzen, z. B. die Vorschubbewegung beim Drehen eines Formstücks aus Längs- und Planvorschubbewegung. Bei einem Einstellwinkel  D 45ı ist das Verhältnis der Kräfte etwa Fc W Fp W Ff D 5 W 2 W 1. Beim Drehen führt die umlaufende Bewegung des Werkstücks zur Schnittbewegung, die geradlinige (fortschreitende) Bewegung des Werkzeugs zur Vorschubbewegung. Die resultierende Bewegung aus Schnitt- und Vorschubbewegung heißt Wirkbewegung: sie führt zur Spanabnahme, beim normalen Drehen zur stetigen Spanabnahme. Die eingestellte Schnitttiefe ap bleibt dann bei einem Arbeitsvorgang konstant und damit auch der eingestellte Spanungsquerschnitt A D ap f (. Abb. 58.2). Diese günstigen Schnittbedingungen führten zu umfangreichen Forschungsergebnissen, die zum großen Teil auch auf andere Zerspanvorgänge übertragen werden können. Drehen wird deshalb hier ausführlich behandelt. Mit Hilfe der Anstellbewegung wird der Drehmeißel vor dem Zerspanen an das Werkstück herangeführt, durch die Zustellbewegung wird vor dem Schnitt die Dicke der abzunehmenden Werkstoffschicht festgelegt. Durch die Nachstellbewegung lassen sich die während des Schnitts auftretenden Veränderungen korrigieren (z. B. Werkzeugverschleiß, zu groß oder zu klein gewordene Schnitttiefe usw.).

. Abb. 58.1 Bewegungen, Geschwindigkeiten und Kräfte beim Drehen; Größenverhältnisse willkürlich angenommen; Kräfte in Bezug auf das Werkzeug

Entsprechend der Schnitt-, Vorschub- und der Wirkbewegung wird auch zwischen den zugehörigen Geschwindigkeiten unterschieden: Die Schnittgeschwindigkeit vc ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schneidenpunkts in Schnittrichtung (. Abb. 58.1). Beim Drehen ist vc die Umfangsgeschwindigkeit eines Punktes am Werkstückumfang. Mit dem Werkstückdurchmesser d und der Drehzahl n wird: vc D  d n

1

Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_58

vc m min

d

n

m min1

(58.1)

1190

Kapitel 58  Zerspantechnik

spankraft F sind an der Zerspanleistung beteiligt (siehe Schnittleistung, 7 Abschn. 58.1.1.3).

Schnitt- und Spanungsgrößen Schnittgrößen sind z. B. der Vorschub f und die Schnitttiefe ap , also solche Größen, die zur Spanabnahme unmittelbar oder mittelbar eingestellt werden müssen. Spanungsgrößen sind z. B. die Spanungsbreite b, die Spanungsdicke h und der Spanungsquerschnitt A. Im Gegensatz dazu nennt man diejenigen Größen, die die Abmessungen der tatsächlich entstehenden Späne enthalten, Spangrößen. Spanungsquerschnitt A, Schnitttiefe ap , Vorschub f, Spanungsdicke h, Spanungsbreite b und Einstellwinkel r der Hauptschneide hängen nach . Abb. 58.2 beim Drehen in folgender Weise voneinander ab: A D ap f D bh D mls h D f sin r

58

. Abb. 58.2 Schnittgrößen und Spanungsgrößen. f Vorschub, ap Schnitttiefe, b Spanungsbreite, h Spanungsdicke, A Spanungsquerschnitt, ls Schnittbogenlänge, m Bogenspandicke, Rth theoretische Rautiefe

Die Vorschubgeschwindigkeit vf ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schneidenpunkts in Vorschubrichtung. Beim Drehen stehen vf und vc rechtwinklig zueinander. Der Vorschubrichtungswinkel ist dann ' D 90ı (. Abb. 58.1). Mit dem Vorschub f und der Drehzahl n wird vf D f n

vf mm min

f

n

mm min1

(58.2)

Die Wirkgeschwindigkeit ve ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schneidenpunkts in Wirkrichtung: sie ist die resultierende Geschwindigkeit aus Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit. In den meisten Fällen ist (wie beim Drehen) das Verhältnis vf =vc so klein, dass ve D vc angesehen werden kann. So ist z. B. bei vc D 50 m/min und vf D f n D 0;1 mm  500 min1 D 0;050 m/min der Wirkrichtungswinkel   30 (mit tan  D vf =vc D 0;05=50 D 0;001). Das Beispiel gilt für das Drehen, also für ' D 90ı , sonst siehe (58.1). 58.1.1.2

Zerspangeometrie

Wichtigste Bezugsebene für die Zerspangeometrie ist die so genannte Arbeitsebene (. Abb. 58.1). Es ist diejenige gedachte Ebene, die Schnitt- und Vorschubrichtung des betrachteten Schneidenpunkts enthält. In ihr vollziehen sich alle an der Spanbildung beteiligten Bewegungen. Alle in der Arbeitsebene liegenden Kraftkomponenten der Zer-

bD

ap sin r

A mm

2

(58.3) (58.4)

f

ap ; h; b; m; ls

r

mm

mm

ı

(58.5)

Der Spanungsquerschnitt A ist der Querschnitt des abzunehmenden Spans rechtwinklig zur Schnittrichtung. Die im Schnitt befindliche Schnittbogenlänge ls ist angenähert: ls D f C

ap sin r

Denkt man sich die Schnittbogenlänge ls einschließlich des Schneidenbogens mit dem Radius r gestreckt, so lässt sich ein rechteckiger Spanungsquerschnitt vorstellen, dessen Länge ls und dessen Breite die sogenannte Bogenspandicke m ist (. Abb. 58.2): mD

ap f A D ls ls

in

mm2 Spanungsquerschnitt mm Schneidenlänge

Anders aufgefasst ist die Bogenspandicke m D A= ls in mm2 /mm die von 1 mm Schneidenlänge abgespante Fläche, vorstellbar als spezifische Schneidenbelastung. 7 Beispiel Gesucht: die Spanungsdicke h1 ; h2 für Vorschub f D 1 mm und r1 D 60ı ; r2 D 10ı . Lösung: h1 D f sin r1 D 1 mm  sin 60ı D 0;866 mm h2 D f sin r2 D 1 mm  sin 10ı D 0;174 mm Hinweis: Das axiale Widerstandsmoment W des Spanungsquerschnitts wächst mit der Spanungsdicke h quadratisch (W D bh2 =6), d. h. bei 3-fachem h entsteht ein 9-facher Aufbiegungswiderstand. 9

1191 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

7 Beispiel Gesucht: die Bogenspandicke m für Einstellwinkel r1 D 90ı , r2 D 45ı ; r3 D 5ı bei Vorschub f D 1 mm und Schnitttiefe ap D 3 mm. Lösung: ap 3 mm D 1 mm C D 4 mm sin r1 sin 90ı 3 mm ls2 D 1 mm C D 5;24 mm sin 45ı 3 mm ls3 D 1 mm C D 35;4 mm sin 5ı ls1 D f C

. Abb. 58.3 Bezeichnung der Schneiden und Flächen an einem Drehmeißel

Bogenspandicke mm2 A 3 mm2 D 0;75 D ls1 4 mm mm mm2 A 3 mm2 D 0;57 D m2 D ls2 5;24 mm mm 2 mm2 A 3 mm D 0;0847 m3 D D ls3 35;4 mm mm m1 D

Wird 0;75 mm2 =mm D 100 % gesetzt, ergibt sich für 0;57 mm2 =min D 76 % und für 0;0847 mm2 =min D 11;3 %, d. h. die spezifische Schneidenbelastung sinkt mit abnehmendem Einstellwinkel r . 9

Schneiden, Flächen und Winkel am Drehmeißel2 Die geometrische Grundform der Schneide an spanenden Werkzeugen ist der Keil. Er erscheint sowohl bei Hauptals auch bei Nebenschneiden. Schneiden und Flächen sind in . Abb. 58.3 dargestellt. Hauptschneide ist jede Schneide, deren Wirkfreiwinkel bei einer Vergrößerung des Vorschubs und damit Vergrößerung des Wirkrichtungswinkels  (. Abb. 58.1) kleiner wird. Der Keil der Hauptschneide weist während des Schnitts etwa in Richtung der Vorschubbewegung (Ausnahme z. B. beim Gleichlauffräsen). Alle anderen Schneiden sind Nebenschneiden. Die Grenze zwischen Haupt- und Nebenschneide bei gekrümmter Schneide liegt dort, wo der Einstellwinkel r gegen null geht. Spanfläche ist die Fläche am Schneidkeil, über die der Span abläuft. Die Breite der Spanflächenfase wird mit bf  bezeichnet (. Abb. 58.3). Freiflächen sind die Flächen am Schneidkeil, die den entstehenden Schnittflächen zugekehrt sind. Die Breite der Freiflächenfase wird mit bf ˛ bezeichnet (. Abb. 58.3). An der Schneidenecke treffen Haupt- und Nebenschneide zusammen. Sie ist bei Drehmeißeln meist mit dem Radius r gerundet (. Abb. 58.4). Die Winkel an der Schneide müssen in zwei verschiedenen Bezugssystemen gemessen werden. Man unterscheidet danach: 2

Nach DIN 6581.

. Abb. 58.4 Lage der Werkzeugwinkel an einem Drehmeißel ohne Fase

Wirkwinkel (im Wirkbezugssystem gemessen), sind von der Stellung Schneidwerkzeug zu Werkstück, den Schnittgrößen und der geometrischen Form des Werkstückes abhängig. Sie sind für die Beurteilung des Zerspanvorgangs wichtig. Werkzeugwinkel (im Werkzeug-Bezugssystem gemessen) sind maßgeblich für die Herstellung und Instandhaltung der Schneidwerkzeuge. Das Wirk-Bezugssystem hat als Hauptachse die Wirkrichtung (. Abb. 58.1) und besteht aus den drei rechtwinklig aufeinander stehenden Ebenen:

Die Wirk-Bezugsebene steht rechtwinklig zur Richtung der Wirkbewegung (. Abb. 58.1). Die Schnittebene ist die Tangentialebene an die momentan entstehende Schnittfläche, z. B. Hauptschnittfläche in . Abb. 58.1. Die Wirk-Messebene steht rechtwinklig auf den beiden anderen Ebenen.

Das Werkzeug-Bezugssystem hat als Hauptachse die Schnittrichtung (. Abb. 58.1) und besteht aus den drei rechtwinklig aufeinander stehenden Ebenen:

58

1192

Kapitel 58  Zerspantechnik

Die Werkzeug-Bezugsebene steht rechtwinklig zur Richtung der Schnittbewegung (. Abb. 58.1 und 58.4); bei Dreh- und Hobelmeißeln liegt sie parallel zur Auflagefläche der Werkzeuge, bei Fräsern und Bohrern geht sie durch die Drehachse und den betrachteten Schneidenpunkt, bei Räumwerkzeugen rechtwinklig zur Längsachse des Werkzeugs; in anderen Fällen muss sie bezüglich der zu erwartenden Schnittrichtung besonders festgelegt werden.

58

Die Werkzeug-Orthogonalkeilwinkelebene ˇ0 steht rechtwinklig auf den beiden anderen Elementen. Die Werkzeugwinkel an einem Drehmeißel ohne Fase zeigt . Abb. 58.4. Werte für Wirkwinkel können nicht als allgemein gültig angesehen werden. Richtwerte nach den Angaben der Werkzeughersteller oder aus Forschungsarbeiten. Die folgenden geometrischen Angaben beziehen sich auf die Werkzeugwinkel (Lage der Winkel) nach . Abb. 58.4, die physikalischen (technologischen) Hinweise dagegen auf die Winkel als Wirkwinkel: Orthogonalfreiwinkel ˛0 (. Abb. 58.4) – Freiwinkel genannt – ist der Winkel zwischen der Freifläche und der Werkzeug-Schneidenebene, bestimmt in der Werkzeug-Orthogonalebene. Er muss als Wirkwinkel immer positiv sein und beeinflusst die Reibung zwischen der Schnittfläche am Werkstück und der Freifläche am Werkzeug. Er ist um so größer zu machen, je sauberer die Schnittfläche sein soll, desgleichen bei weichen, plastischen Werkstoffen und je größer Drehdurchmesser d und Vorschub f sind, ˛0  4–6ı für Hartmetall und 6ı –8ı für Schnellschnittstahl (bei Stahlbearbeitung), Orthogonalkeilwinkel ˇ0 (. Abb. 58.4) – Keilwinkel genannt – ist der Winkel zwischen Frei- und Spanfläche, gemessen in der Werkzeug-Orthogonalebene. Er beeinflusst die Schneidfähigkeit der Werkzeugschneide. Große Keilwinkel führen bei spröden Werkstoffen zu dicken Spänen. Kleinere Keilwinkel ergeben eine geringere Zerspankraft (Keil dringt leichter ein), schlechtere Wärmeabfuhr (Wärmestau), damit höhere Schneidentemperatur und geringere Standzeit, die Schneide hakt leichter ein. Deshalb: ˇ0  40–50ı für weiche, dehnbare Werkstoffe; ˇ0  55–75ı für zähfeste Werkstoffe (Baustahl); ˇ0  75–85ı für spröde, hochfeste Werkstoffe. Orthogonalspanwinkel 0 (. Abb. 58.4) – Spanwinkel genannt – ist der Winkel zwischen der Spanfläche und der Werkzeug-Bezugsebene, bestimmt in der Werkzeug-Orthogonalebene. Er ist der wichtigste Winkel an der Schneide und beeinflusst den Spanablauf, die Spanbildung (Reißspan, Fließspan) und die Zerspankraft. Je größer 0 , um so besser läuft der Span ab (Vibrieren wird vermieden) und um so geringer ist die Zerspankraft. Kleine Spanwinkel ergeben mehr schabende Wirkung, verringern aber

. Abb. 58.5 Positiver und negativer Spanwinkel 0 (schematisch dargestellt)

die Bruchgefahr an der Schneidenecke. Negative Spanwinkel nach . Abb. 58.5 (nur an Hartmetallschneiden) sind bei hohen Schnittgeschwindigkeiten und sogenanntem unterbrochenen Schnitt (z. B. bei Gusshaut) und bei festen Werkstoffen wie Mangan-Hartstahl oder Hartguss günstig. Sie erhöhen in diesen Fällen die Standzeit erheblich, setzen jedoch starre, kräftige Maschinen mit hoher Antriebsleistung voraus. Wie die schematische Darstellung in . Abb. 58.5 zeigt, trifft der Span bei 0 die Spanfläche in größerer Entfernung von der Schneidenspitze. Eine mögliche Auskolkung K ist weniger gefährlich. Für die Werkzeug-Winkel ˛0 ; ˇ0 ; 0 gilt immer: ˛0 C ˇ0 C 0 D 90ı : Eckenwinkel "r (. Abb. 58.4) ist der Winkel zwischen zwei zusammengehörigen Haupt- und Nebenschneiden, bestimmt in der Werkzeug-Bezugsebene. Er beeinflusst die Standzeit. Bei kleinem "r kann die Wärme nicht genügend gut nach hinten abfließen, weil der Querschnitt zu klein ist. Die Temperatur der Schneidenecke kann unzulässig hoch ansteigen. "r D 90ı hat sich bei Vorschüben f < 1 mm bewährt. Bei größerem f kann "r entsprechend größer gewählt werden. Schneidenwinkel r ist der Winkel zwischen der Werkzeug-Schneidenebene und der Hauptachse des Werkzeugs. Einstellwinkel r ist der Winkel zwischen der Arbeitsebene und der Schnittebene, bestimmt in einer Ebene rechtwinklig zur Schnittrichtung (. Abb. 58.1). Beim Einstechmeißel ist r D 0ı , er beeinflusst die Verteilung der Zerspankraft-Komponente in der Ebene rechtwinklig zur Schnittrichtung (. Abb. 58.1), die Spanform und damit die Standzeit. . Abb. 58.6 soll schematisch, ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Kraftgrößen, in Verbindung mit dem folgenden Beispiel die Verhältnisse erläutern.

1193 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Abb. 58.6 Vorschubkraft F f und Passivkraft F p in Abhängigkeit vom Einstellwinkel r (schematisch dargestellt)

7 Beispiel Gegeben: Schnitttiefe ap D 3 mm, Vorschub f D 1 mm; damit Spanungsquerschnitt A D ap f D 3 mm2 D konstant für die drei Fälle der . Abb. 58.6. r1 D 90ı , r2 D 45ı , r3 D 15ı . Gesucht: Spanungsdicke h, Schnittbogenlänge ls , Bogenspandicke m, Spanungsbreite b und Widerstandsmoment W für die drei Spanungsquerschnittformen. Lösung: h1 D f sin r1 D 1 mm  sin 90ı D 1 mm ap 3 mm D 1 mm C D 4 mm sin r1 sin 90ı A mm2 D D 0;75 ls1 mm ap D D 3 mm sin r1 b1 h21 D 0;5 mm3 D 6 D f sin r2 D 1 mm  sin 45ı D 0;707 mm

ls1 D f C m1 b1 W1 h2

ap 3 mm D 1 mm C D 5;24 mm sin r2 sin 45ı A mm2 D D 0;57 ls2 mm ap D D 4;24 mm sin r2 b2 h22 D 0;35 mm3 D 6 D f sin r3 D 1 mm  sin 15ı D 0;258 mm

ls2 D f C m2 b2 W2 h3

ap 3 mm D 1 mm C D 12;6 mm sin r3 sin 15ı A mm2 m3 D D 0;24 ls3 mm ap D 11;6 mm b3 D sin r3 b3 h23 D 0;13 mm3 9 W3 D 6 ls3 D f C

ı

r D 90 : Span ist dick und schmal, die Schnittbogenlänge ls klein, das Widerstandsmoment W sehr groß und damit der Verformungswiderstand groß, d. h. auch große Reibung auf der Spanfläche, hohe Erwärmung und geringere Stand-

zeit. Da die Passivkraft Fp D 0 ist (keine durchbiegende Komponente), wählt man große Einstellwinkel für dünne oder dünnwandige Werkstücke die sich leicht durchbiegen, jedoch nur für solche Fälle. Der Werkstattbrauch, immer mit großem r zu arbeiten, führt zu hohen Werkzeugkosten, weil die spezifische Schneidenbelastung bei r D 90ı am größten ist. r D 15ı : Span ist dünn und breit, die Schnittbogenlänge ls also groß, das Widerstandsmoment W klein (nur 26 % von r D 90ı ) und damit der Verformungswiderstand klein, d. h. geringere Reibung und Erwärmung und größere Standzeit. Durch die größere Trennlänge wird jedoch die Zerspankraft erhöht. Kleine Einstellwinkel deshalb z. B. für das Schruppdrehen von Hartgusswalzen (r  5ı ). Die Passivkraft F p wird groß, dadurch ist eine größere Durchbiegung des Werkstücks möglich, eventuell Maßungenauigkeit, Rattermarken. Angenommen: 0;5 mm3 D 100 %, dann sind 0;35 mm3 D 70 % und 0;13 mm3 D 26 %. !Hinweis Nicht dargestellt und berücksichtigt wurde die Veränderung der Zerspankraft und damit der Schnittkraft, die ebenso wie die Passivkraft mit kleiner werdendem r ansteigt. Die Vorschubkraft wird zwar mit kleiner werdendem r ebenfalls kleiner, sinkt aber nicht ganz auf null ab. Vorteilhaft sind Einstellwinkel r D 45–75ı .

Neigungswinkel s ist der Winkel zwischen der Hauptschneide und der Werkzeug-Bezugsebene (. Abb. 58.4), bestimmt in der Werkzeug-Schneidenebene. s ist positiv, wenn die Schneidenecke der Hauptschneide in Schnittrichtung vorauseilt, anderenfalls ist er negativ. Eine geneigte Schneide beeinflusst die Spanablaufrichtung und vermindert durch Entstehung eines ziehenden Schnitts die Belastung des Schneidkeils. Bei spanender Bearbeitung mit unterbrochenem Schnitt ist ein negativer s sinnvoll, weil der immer wiederkehrende Anschnitt dann nicht an der Schneidenecke erfolgt. Geneigte Schneiden bewirken bei positivem s eine Verringerung und bei negativem s eine Vergrößerung der Passivkraft F p .

Werkzeugstellung und Wirkwinkel Gegenüber der Normalstellung verändert jede andere Stellung des Werkzeugs die Schneidenwinkel. . Abb. 58.7 zeigt den Einfluss einer Schneidenüberhöhung h auf Freiwinkel ˛0 und Spanwinkel 0 beim Außendrehen (beim Innendrehen sind die Verhältnisse umgekehrt): Meißelstellung über Mitte: Wirk-Freiwinkel ˛00 D ˛0  '

und 00 D 0 C '

Meißelstellung unter Mitte: Wirk-Freiwinkel ˛00 D ˛0 C '

und 00 D 0  '

58

1194

Kapitel 58  Zerspantechnik

. Abb. 58.9 Winkel an einer Hartmetallschneide

. Abb. 58.7 Einfluss der Schneidenüberhöhung h auf Freiwinkel ˛0 und Spanwinkel 0

!Hinweis Der über die Hauptschneide hinaus verlängerte Radius, die Normale N (bzw. N’), bildet mit der zugehörigen Tangente T (bzw. T) immer einen Winkel von 90ı , der die Winkel ˛0 C ˇ0 C 0 D 90ı einschließt. Beim Innendrehen gilt: Meißel über Mitte: ˛00 größer, 00 kleiner; Meißel unter Mitte: ˛ 0 kleiner,  0 größer.

die Standzeit kleiner. Zur Standzeiterhöhung trotz größerer Spanwinkel wird deshalb der eigentliche Schneidkeil an der Spitze durch eine Fase verstärkt (. Abb. 58.9). Es wird f 0 < 0 gemacht; bei zerspantechnisch schwierigen Arbeiten wird f 0 D 0ı oder sogar negativ empfohlen, ebenso ˛f 0 < ˛0 ; gewöhnlich wählt man die 90ı -Fase mit ˛f 0 D 0ı und f 0 D 0ı . Die Fase wird zweckmäßig geläppt. bf ˛0 D 0;5–2f I ˛f etwa 2ı kleiner als ˛0 . Für das Nachschleifen der Freifläche ˛10  2ı größer als ˛0 . 58.1.1.3

58

7 Beispiel Bei welcher Schneidenüberhöhung h wird der Wirk-Freiwinkel ˛00 D 0ı , wenn der Winkel ˛0 D 5ı in Normalstellung beträgt und Durchmesser d D 15 mm ist? Lösung: Bei ˛00 D 0ı ist Winkel ' D Winkel ˛0 und damit hD

d 15 mm sin ˛0 D  sin 5ı D 0;65 mm 9 2 2

Meistens wird h D 1 bis 2 d=100 eingestellt (über Mitte) und damit ˛0 um 1ı bis 2ı verkleinert und 0 um 1ı bis 2ı vergrößert. Beim Ein- und Abstechen ist die Schneide genau auf Mitte zu stellen. Bei Schrägstellung des Drehmeißels nach . Abb. 58.8 ändern sich die Wirkwinkel trotz genauer Mittenstellung der Schneide in der angegebenen Weise.

Winkel an der Hartmetallschneide Mit zunehmendem Spanwinkel 0 nehmen Schnittkraft und damit Antriebsleistung beträchtlich ab. Andererseits wird

Kräfte und Leistungen3

Die beim Schnitt auftretenden Widerstände (Verformung, Reibung) erzeugen die Zerspankraft F, die nach . Abb. 58.1 in Richtung auf das Werkzeug wirkend betrachtet wird. Jede in einer beliebigen Richtung oder in einer beliebigen Ebene (Arbeitsebene, Wirk-Bezugsebene . . . ) gesuchte Komponente der Zerspankraft F ergibt sich durch Projektion von F auf diese Richtung oder auf diese Ebene. Für die Praxis sind besonders von Bedeutung die Komponenten in der Arbeitsebene und in der Ebene rechtwinklig zur Schnittrichtung (. Abb. 58.1): Schnittkraft F c , Vorschubkraft F f und Passivkraft F p . Beim Drehen ist F c meist groß gegenüber F f und F p . Die Schnittkraft F c wird mit Schnittkraftmessgeräten bestimmt und daraus für Vergleiche die spezifische Schnittkraft kc angegeben. Die spezifische Schnittkraft kc ist diejenige Schnittkraft, die erforderlich ist, um einen Span mit der Spanungsdicke h abzuheben. Daraus lässt sich mit kc und Spanungsquerschnitt A bzw. Schnitttiefe ap und Vorschub f die Schnittkraft F c berechnen: Fc D kc A D kc ap f Fc N

kc N mm2

A mm2

ap

f

mm mm

(58.6)

kc wächst mit der Festigkeit des Werkstoffs, bei Stahl also mit zunehmendem C-Gehalt. Phosphor und Schwefel dagegen verringern kc (Automatenstähle). Von größtem Einfluss ist die Form der Schneide: Großer Spanwinkel 0 setzt kc stark herab, Verringerung des . Abb. 58.8 Einfluss der Schrägstellung des Drehmeißels auf Freiwinkel ˛0 und Spanwinkel 0

3

Siehe auch DIN 6584.

1195 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

Einstellwinkels r vergrößert kc wegen der wachsenden Trennlänge. Zunehmende Schnittgeschwindigkeit verringert kc etwas bis zu einem Grenzwert, umgekehrte Veränderung nur bei Magnesium- und Zinklegierungen. Schmiermittel setzen kc herab, im Gegensatz zu Kühlmitteln. Mit wachsendem Spanungsquerschnitt (Vorschub) fällt kc bei den verschiedenen Werkstoffen verschieden stark ab (. Tab. 58.1). Auch das Verhältnis f =ap beeinflusst kc : Je kleiner f =ap ist, um so größer wird kc . ! Hinweis Die angegebenen Veränderungen setzen voraus, dass alle anderen Einflussgrößen konstant gehalten werden.

Neben den Richtwerten aus . Tab. 58.1 kann die spezifische Schnittkraft kc rechnerisch ermittelt werden: kc11 KV K KWS KWV Kks Kf hz

kc D

(58.7)

Darin sind: h Spanungsdicke nach (58.4), z Spanungsdickenexponent und K Korrekturfaktoren. kc11 heißt Hauptwert der spezifischen Schnittkraft und ist die spezifische Schnittkraft bei 1 mm2 Spanungsquerschnitt (1 mm Spanungsdicke  1 mm Spanungsbreite). Richtwerte für kc11 und Spanungsdickenexponent z in . Tab. 58.2, Korrekturfaktoren K in . Tab. 58.3. Nach der allgemeinen Leistungsdefinition ist Leistung P D F  v. Damit ergibt sich für den Zerspanvorgang mit der Schnittgeschwindigkeit vc die Schnittleistung Fc vc 60:000 kc Avc Pc D 60:000 Pc Fc

Pc D

kW

N

(58.8)

vc m min

kc N mm2

A (58.9)

mm2

kc Avc 60:000 vc D  d n

Pm D

kW

kc N mm2

Lösung: Die an der Maschine einstellbare Drehzahl deckt sich meistens nicht mit der der gewählten Schnittgeschwindigkeit entsprechenden Drehzahl. Hier ist nD

140 m vc D D 248 min1  d min     0;18 m

Eingestellt wird die nächstniedere Drehzahl n D 224 min1 (Lastdrehzahlen siehe Teil XII Werkzeugmaschinen). Damit wird die tatsächlich vorhandene Schnittgeschwindigkeit vc D  d n D    0;18 m  224 min1 D 127 m/min Die spezifische Schnittkraft beträgt nach . Tab. 58.1: kc D 4350 N=mm2 Mit dem Spanungsquerschnitt A D ap f wird nach (58.10) die Schnitttiefe ap D

5;5  0;8  60:000 P  60:000 mm D mm  3 mm 9 kc vc f 4350  127  0;16

7 Beispiel Es wird angenommen, dass im vorhergehenden Beispiel die Vorschubkraft F f etwa 50 % der Schnittkraft F c beträgt. Zu berechnen ist die Vorschubleistung F f . Lösung: Mit kc D 4350 N=mm2 , ap D 3 mm, f D 0;16 mm, n D 224 min1 wird die Schnittkraft Fc D kc ap f D 4350 N=mm2  3 mm  0;16 mm

Ist die Motorleistung Pm in kW angegeben, rechnet man unter Berücksichtigung des Wirkungsgrads  der Drehmaschine ( D 0;6–0,95) mit der zugeschnittenen Größengleichung:

Pm

7 Beispiel Welche Schnitttiefe ap kann maximal eingestellt werden, wenn auf einer Drehmaschine mit Pm D 5;5 kW Antriebsleistung bei 80 % Wirkungsgrad mit einer Schnittgeschwindigkeit von 140 m/min und einem Vorschub f D 0;16 mm bei einem Einstellwinkel r D 45ı eine Welle aus E 360 und d D 180 mm Durchmesser bearbeitet werden soll?

(58.10)

Fc D 2088 N Vorschubkraft Ff D 0;5 Fc D 1044 N Vorschubleistung Pf D Ff  vf D 1044 N  224 min1  0;16 mm

A mm2

vc m min

d

Pf D 37:417 Nmm/min

n

m min1

(58.11)

! Hinweis Die sich als Produkt aus Vorschubkraft F f und Vorschubgeschwindigkeit vf D f n ergebende Vorschubleistung Pf ist wegen der geringen Vorschubgeschwindigkeit vf vernachlässigbar klein (siehe Beispiel).

Pf D 0;00062 kW D 0;624 W  0;6  103 kW Die Vorschubleistung ist demnach vernachlässigbar klein. 9

58.1.1.4

Wahl der Schnittgeschwindigkeit

Die Vielzahl der Einflussgrößen macht es unmöglich, allgemein gültige Angaben über die „richtige“ Schnittgeschwindigkeit vorzulegen. Richtwerttabellen über einzustellende

58

670

770

770

630

600

730

600

590

850–1000 4530

C 45 E

C 60 E

16 Mn Cr 5

16 Cr Ni 6

34 Cr Mo 4

42 Cr Mo 4

50 Cr V 4

15 Cr Mo 5

Mn-, CrNi-,

500–700

GE 260

2440

3010

1360

1380

1360

Temperguss

Gu Sn-Gussleg.

Cu Sn Zn-Gussleg.

Cu Zn-Knetleg.

Al-Gussleg.

490

2570

EN-GJL-250

Mg-Gussleg.

1800

EN-GJL-150

300–420

2720

300–500

GE 240

3010

3720

Hartguss

4500

6600

600–700

1000–1400 4780

3880

5000

5450

4300

5680

4720

3690

3450

5680

Mn-Hartstahl

Nichtrost. St.

CrMo- u. a. leg. St.

720

E 360

3620

620

E 335

4470

3010

520

bis 500

S275 JR

45

ı

0,063

475

1270

1310

1270

2860

2280

2410

1700

2860

2590

3550

6210

4270

4520

4270

3715

4650

5100

4070

5260

4410

3500

3300

5260

3430

4180

2860

70

ı

470

1250

1300

1250

2820

2240

2360

1670

2820

2560

3500

6100

4200

4450

4200

3660

4560

5000

4000

5150

4320

3450

3260

5150

3380

4100

2820

90

ı

455

1220

1280

1220

2760

2180

2300

1630

2760

2510

3420

5950

4120

4350

4100

3590

4440

4880

3900

4980

4200

3380

3200

4980

3300

3980

2760

45

ı

0,1

435

1140

1210

1140

2630

2040

2150

1530

2630

2390

3240

5600

3910

4120

3870

3430

4170

4580

3670

4610

3910

3200

3080

4610

3130

3690

2635

70

ı

430

1120

1200

1120

2600

2000

2110

1510

2600

2360

3190

5500

3850

4050

3800

3390

4100

4500

3610

4510

3830

3150

3040

4500

3080

3610

2600

90

ı

420

1090

1180

1090

2550

1950

2060

1480

2550

2320

3130

5370

3770

3960

3710

3320

3980

4370

3530

4350

3720

3100

2990

4350

3010

3500

2550

45

ı

0,16

405

1020

1110

1020

2430

1830

1910

1390

2430

2210

2990

5060

3580

3760

3440

3175

3690

4080

3345

4015

3470

2960

2870

4010

2870

3260

2435

70

ı

400

1000

1100

1000

2400

1800

1870

1370

2400

2180

2940

4980

3530

3700

3450

3130

3610

4000

3290

3920

3400

2920

2840

3920

2830

3190

2400

90

ı

390

980

1080

980

2360

1750

1820

1340

2360

2140

2880

4860

3460

3610

3380

3070

3500

3890

3220

3800

3300

2860

2800

3800

2780

3100

2360

45

ı

0,25

365

910

1010

910

2270

1630

1690

1270

2270

2030

2730

4580

3300

3410

3200

2935

3260

3620

3055

3505

3090

2730

2690

3500

2650

2880

2265

70

ı

spezifische Schnittkraft kc in N/mm2 bei Vorschub f in mm und Einstellwinkel r

E 295

Zugfestigkeit Rm in N/mm2

58

Werkstoff

. Tabelle 58.1 Richtwerte für den Hauptwert der spezifischen Schnittkraft kc beim Drehen

360

900

1000

900

2240

1600

1660

1250

2240

2000

2680

4500

3250

3350

3150

2900

3190

3550

3000

3410

3020

2700

2660

3410

2620

2830

2240

90

ı

350

880

980

880

2200

1560

1610

1220

2200

1960

2620

4400

3180

3280

3080

2850

3100

3450

2940

3300

2930

2650

2620

3300

2580

2740

2200

45

ı

0,4

335

810

930

810

2090

1490

1500

1160

2090

1890

2480

4150

3040

3120

2900

2720

2880

3220

2795

3070

2720

2530

2530

2060

2470

2550

2085

70

ı

330

800

920

800

2060

1460

1470

1140

2060

1860

2450

4080

3000

3100

2850

2680

2820

3150

2750

3000

2660

2490

2500

2990

2440

2500

2060

90

ı

320

780

900

780

2030

1420

1430

1120

2030

1820

2400

3980

2940

3030

2780

2630

2730

3060

2670

2900

2580

2450

2460

2900

2400

2430

2030

45

ı

0,63

305

710

860

720

1950

1340

1320

1050

1950

1740

2280

3770

2820

2890

2640

2505

2550

2860

2505

2665

2410

2330

2370

2670

2300

2280

1945

70

ı

300

710

850

710

1920

1320

1300

1040

1920

1720

2240

3700

2780

2850

2600

2470

2500

2800

2460

2590

2360

2300

2340

2600

2270

2240

1920

90

ı

300

700

840

700

1890

1290

1280

1020

1890

1690

2200

3620

2730

2800

2550

2420

2430

2720

2400

2520

2300

2260

2310

2520

2220

2180

1890

45ı

1

285

660

790

660

1820

1220

1190

960

1820

1620

2090

3410

2610

2660

2420

2325

2270

2550

2280

2315

2140

2160

2240

2310

2130

2040

1810

70ı

280

650

780

650

1800

1200

1160

950

1800

1600

2060

3360

2580

2620

2380

2290

2220

2500

2240

2260

2100

2130

2220

2260

2110

1990

1800

90ı

1196 Kapitel 58  Zerspantechnik

1197 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Tabelle 58.2 Richtwerte für die spezifische Schnittkraft kc11 und den Spanungsdickenexponent z für die Spanungsdicke h D 0;05–2;5 mm Werkstoff

kc11 in N/mm2

z

S235JR

1780

0,17

S275JR

1990

0,26

E335

2110

0,17

E360

2260

0,30

C15, C15E

1820

0,22

C35, C35E

1860

0,20

C45, C45E

2220

0,14

C60, C60E2130

2130

0,18

16MnCr5

2100

0,26

34CrMo4

2240

0,21

GE240

1600

0,17

EN-GJL-200

1020

0,25

EN-GJL-250

1160

0,26

. Tabelle 58.3 Korrekturfaktoren K 2;023

Schnittgeschwindigkeits-Korrekturfaktor K V für m vc D 20–600 min

m min m KV D 0;070 für vc  100 min vc m KV D 100:000 für vc D 100 min

SpanwinkelKorrekturfaktor K

K D 1;09  0;0150ı für langspanende Werkstoffe, z. B. Stahl

SchneidstoffKorrekturfaktor KWS

KWS D 1;05

für Schnellarbeitsstahl

KWS D 1;0

für Hartmetall

Werkzeugverschleiß-Korrekturfaktor KWV

KWV D 1;3–1;5 für Drehen, Hobeln und Räumen

KV D

vc0;153 1;380

K D 1;03  0;0150ı für kurzspanende Werkstoffe wie Gusseisen

KWS D 0;9–0;95 für Schneidkeramik

KWV D 1;25–1;4 für Bohren und Fräsen KW V D 1

Kühlschmierungs-Korrekturfaktor Kks

Kks D 1

bei scharfer Schneide für trockene Zerspanung

Kks D 0;85 für nicht wassermischbare Kühlschmierstoffe Kks D 0;9

WerkstückformKorrekturfaktor Kf

für vc  100

Kf D 1

für Kühlschmier-Emulsionen für konvexe Bearbeitungsflächen, z. B. Außendrehen

Kf D 0;85 für ebene Bearbeitungsflächen, z. B. Hobeln und Räumen Kf D 1;2

für konkave Bearbeitungsflächen, z. B. Innendrehen, Bohren und Fräsen

Schnittgeschwindigkeiten sind mit größter Umsicht auszuwerten, weil sie nur für ganz bestimmte Fälle gelten. Richtwerte siehe . Tab. 58.4, die für die verschiedenen Werkstoffe nach Vorschub gestufte Mittelwerte ohne Kühlung (keine Bestwerte) angibt. Darüber hinaus sollten die neuesten Richtwerttabellen der Schneidstoffhersteller ausgewertet werden. vc60 ist die Schnittgeschwindigkeit bei 60 min Standzeit, entsprechend vc240 für 240 min Standzeit. Man wählt vc60 für einfache, leicht auswechselbare Drehmeißel; vc240 für einfache Werkzeugsätze mit gegenseitiger Abhängigkeit (z. B. auf Revolvermaschinen); vc480 für kompliziertere Werkzeugsätze, deren Auswechseln wegen der gegenseitigen Abhängigkeit und Genauigkeit der Schneiden längere Zeit erfordert (z. B. auf Vielschnittmaschinen, Drehautomaten). Gleiche Überlegungen gelten im Hinblick auf die Instandhaltung der Werkzeuge. Allgemein gilt: Höhere Schnittgeschwindigkeit gibt zeitgünstiges Zerspanen und niedrigere Schnittgeschwindigkeit kostengünstigeres.

Einflüsse auf die Schnittgeschwindigkeit vc Standzeit T ist die Zeitspanne in Minuten, in der die Schneide Schnittarbeit verrichtet, bis zum nötigen Wiederanschliff. Sie hat größte wirtschaftliche Bedeutung. T ist bei gleichem Werkstoff um so kleiner, je höher vc gewählt wird, z. B. nur wenige Minuten bei vc  2000 m/min. Verschiedenartige Werkstoffe erfordern zu gleicher Standzeit T verschiedene Schnittgeschwindigkeiten vc . Alle Betrachtungen dieser Art setzen voraus, dass die übrigen Schnittbedingungen konstant gehalten werden (Werkstoff-, Werkzeug- und Einstellbedingungen). Ändert sich auch nur eine der Bedingungen, muss auch vc geändert werden, um zur gleichen Standzeit T zu kommen. Werkstoff Bei bestimmter Standzeit ändert sich vc für jeden Werkstoff in Abhängigkeit vom Spanungsquerschnitt unterschiedlich. Eine Verdoppelung des Spanungsquerschnitts setzt z. B. bei CuZn-Legierungen vc stärker herab als bei Gusseisen. Schnittgeschwindigkeitstabellen für verschiedene Werkstoffe ohne Angabe der zugehörigen Spanungsquerschnitte sind also nutzlos. Schneidstoff Bei bestimmter Standzeit kann vc vergrößert werden, wenn der Schneidstoff eine höhere zulässige Schneidentemperatur besitzt. Stufung: Werkzeugstahl, Schnellstahl, Hartmetall, Diamant. Spanungsquerschnitt A Die Schnittgeschwindigkeit wird sowohl von der Größe als auch von der Form (Verhältnis f =ap ) des Spanungsquerschnitts beeinflusst. Je größer der Spanungsquerschnitt A, um so kleiner muss vc werden, bei gleicher Standzeit T. Je kleiner f =ap , um so größer kann bei gleicher Standzeit T die Schnittgeschwindigkeit vc sein. Mit f =ap hängt der Einstellwinkel r zusammen. Bei gleicher Standzeit T kann vc um so größer sein, je kleiner r ist. Trotzdem wird häufig mit r D 90ı gearbeitet, was zu hohem Schneidstoffverbrauch führt.

58

HSS

HM

Keramik

HM

140

W HM

EN-GJL-250

Keramik

HSS

HM

Keramik 95

90

85

212

85

190

125

450

200

80

400

180

118

190

75

170

112

100

180

28

75

150

125

280

140

265

28

140

335

35,5

170

400

45

180

W HM

132

450

300

150

280

140

355

170

425

180

20

HM

315

160

450

300

150

500

375

180

560

450

190

HSS

L

Keramik 140

160

315

160

400

190

475

200

45ı

265

170

160

190

200

90ı

W HM

180

170

200

212

70ı

0,16

25

HM

180

212

224

45ı

90ı

45ı

70ı

0,1

0,063

400

170

22,4

71

355

140

14

95

400

250

18

132

400

250

20

132

450

315

25

160

500

375

31,5

170

70ı

160

20

67

132

12,5

90

236

16

125

236

18

125

300

22,4

150

355

28

160

90ı

150

20

67

118

16

90

224

20

125

224

25

125

280

28

150

335

35,5

160

45ı

0,25

355

140

16

63

315

112

11,2

85

355

212

14

118

355

212

18

118

400

265

20

140

450

315

25

150

70ı

132

14

60

106

10

80

200

12,5

112

200

16

112

250

18

132

300

22,4

140

90ı

Schnittgeschwindigkeit vc in m/min bei Vorschub f in mm und Einstellwinkel r a;b

HSS

L

Keramik

W HM

L

Keramik

W HM

L

Keramik

L

850–1000

700–850

700–850

HSS

HM

W HM

L

Schneidstoffc

EN-GJL-150

Mn-, Cr Ni-, Cr Mo- und andere legierte Stähle

C 60

E 360

C 45

E 335

600–700

500–600

E 295

C 35

Zugfestigkeit Rm in N/mm2

58

Werkstoff

. Tabelle 58.4 Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit vc beim Drehen

125

14

60

95

12,5

71

190

16

106

190

20

106

236

25

132

280

28

140

45ı

0,4

315

118

11,2

56

280

90

9

67

315

180

11,2

100

315

180

14

100

355

224

18

125

400

265

20

132

70ı

112

10

53

85

8

63

170

10

95

170

12,5

95

212

16

118

250

18

125

90ı

106

11

53

75

10

63

160

124

95

160

16

95

200

20

118

236

25

125

45ı

0,63

280

100

9

50

250

71

7,1

60

280

150

9

90

280

150

11,2

90

315

190

14

112

355

224

18

118

70ı

95

8

47,5

67

6,3

56

140

8

85

140

10

85

180

12,5

106

212

16

112

90ı

90

9

47,5

60

8

56

132

11

85

132

12,5

85

170

16

106

200

20

112

45ı

1

85

7,1

45

56

5,6

53

125

8

80

125

9

80

160

11,2

100

190

14

106

70ı

80

6,3

42,5

53

5

50

118

7

75

118

8

75

150

10

95

180

12,5

100

90ı

1198 Kapitel 58  Zerspantechnik

L

L

Cu Sn-Leg. DIN EN 12 163

Al-Gussleg. DIN EN 1 706a 100

95

212

450

375

265

112

16

560

160

70

ı

85

200

425

355

250

15

150

90

ı

75

200

112

450

75

355

53

250

26,5

15

140

45

ı

0,16

800

750

800

750

710

750

850

112

224

475

400

280

17

170

45

ı

0,1

HSS

118

224

450

375

280

17

90

ı

1600 1500 1400 1400 1320 1250 1250

125

HSS

236

475

400

300

125

18

70

ı

HM

250

500

425

315

HM

HSS

HM

HSS

HM

HSS

HM

Keramik

19

45

ı

0,063

67

180

100

400

67

315

47,5

224

23,6

13,2

125

90

ı

56

180

90

400

63

335

47,5

224

21,2

13,2

118

45

ı

0,25

53

170

85

375

60

315

45

212

90

20

123

450

112

70

ı

50

160

80

355

56

300

42,5

200

19

11,8

106

90

ı

42,5

160

67

355

50

300

423

200

17

11,8

100

45

ı

0,4

710

670

670

630

600

630

1180 1120 1120 1060 1000 1000

71

190

106

425

71

335

50

236

100

25

14

500

132

70

ı

Schnittgeschwindigkeit vc in m/min bei Vorschub f in mm und Einstellwinkel r a;b

600

950

40

150

63

335

47,5

280

40

190

80

16

11,2

400

95

70

ı

560

900

37,5

140

60

315

45

265

37,5

180

15

10,6

90

90

ı

600

900

31,5

140

50

335

40

265

37,5

180

13,2

10,6

85

45

ı

0,63

560

850

30

132

47,5

315

37,5

250

353

170

71

12,5

10

355

80

70

ı

530

800

28

125

45

300

35,5

236

33,5

160

11,8

9,5

75

90

ı

600

800

25

125

37,5

300

31,5

250

31,5

160

10,6

9

71

45ı

1

560

750

23,6

118

35,5

280

30

236

30

150

10

8,5

67

70ı

530

710

22,4

112

33,5

265

28

224

28

140

9,5

8

63

90ı

Die eingetragenen Werte gelten für Schnitttiefe ap bis 2,24 mm. Über 2,24 bis 7,1 mm sind die Werte um 1 Stufe der Reihe R10 um angenähert 20 % und über 7,1 bis 22,4 mm um 1 Stufe der Reihe R5 angenähert 40 % zu kürzen. b Die Werte vc müssen beim Abdrehen einer Kruste, Gusshaut oder bei Sandeinschlüssen um 30–50 % verringert werden. c Die Standzeit T beträgt für gelötete Drehmeißel (L) aus HM D 240 min; aus HSS D 60 min; für Wendeschneidplatten (W) aus HM und Keramik D 15 min.

a

L

L

Cu Sn Zn-Leg. DIN EN 1982

Mg-Gussleg. DIN EN 1 753b

HSS

HM

Keramik

W HM

L

L

300–420

HSS

HM

W HM

L

Zugfestig- Schneidkeit Rm stoffc in N/mm2

Cu Sn-Leg. DIN EN 1982

Leg. Gusseisen DIN EN 12513

EN-GJL-600-15

Werkstoff

. Tabelle 58.4 (Fortsetzung)

58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide 1199

58

1200

Kapitel 58  Zerspantechnik

r D 90ı ist nur dann zulässig, wenn bei kurzer Drehlänge anschließend ohne Umspannen plangedreht werden soll. In Richtwerttabellen werden die Schnittgeschwindigkeiten in Abhängigkeit vom Vorschub f aufgetragen, weil die Schnitttiefe im Allgemeinen die vc -Werte weniger beeinflusst.

58

Maschinenleistung Sie kann um so eher ausgenutzt werden, je niedriger vc und je größer A gewählt werden, weil der geringeren Schnittgeschwindigkeit vc ein größerer Spanungsquerschnitt A entspricht, der außerdem wegen der absinkenden spezifischen Schnittkraft kc noch weiter vergrößert werden kann. Kühlung und Schmierung erhöhen bei gleicher Standzeit T die nutzbare Schnittgeschwindigkeit unter Umständen erheblich. a) Schneidenkühlung mit Kühlmittel wie Soda- und Seifenwasser sowie Bohrölemulsionen (bis 1:10 verdünnt, Menge ca. 10 l/min) erhöhen die Standzeit (5–10-fach) oder vc (um 40 %) durch Einhaltung bestimmter Schneidentemperaturen; besonders beim Schruppen mit Schnellstahl zweckmäßig. Bei Hartmetallen besteht Gefahr der Rissbildung infolge ungleichmäßiger Abkühlung der Schneidflächen. b) Schmierung und Kühlung mit Schneidölen (Rüböl, Sonderöle usw. verringern den Kraftbedarf und den Verschleiß an der Schneide, erhöhen die Oberflächengüte, schützen Werkstück und Maschine gegen Rosten, besonders zu empfehlen für harte und zähe Werkstoffe, für Schlichtarbeiten, für das Drehen mit Formstählen, für das Gewindeschneiden, für die Zahnflankenbearbeitung und für Arbeiten auf Automaten und Revolverdrehmaschinen.

! Hinweis Unterbrochene Schnitte haben auch Kühlwirkung. Öle begünstigen die Bildung der Aufbauschneide. Für Kupfer und Kupferlegierungen dürfen wegen der hierbei auftretenden Fleckenbildung keine mit Schwefel behandelten Öle verwendet werden. Bei Magnesiumlegierungen darf wegen der Brandgefahr kein Wasser verwendet werden.

58.1.1.5

Berechnung der Hauptnutzungszeit

Die Hauptnutzungszeit ist eine reine Schnittzeit, Rücklaufzeiten werden als Nebenzeiten berücksichtigt. Hauptnutzungszeit th beim Langdrehen (. Abb. 58.10) L i nf L D ls C la C lw C lü th D

(58.12)

. Abb. 58.10 Zur Berechnung der Hauptnutzungszeit beim Längsdrehen

. Abb. 58.11 Zur Hauptnutzungszeitberechnung beim Plandrehen

d, d1 d2 vc n f L la lü ls i

Außendurchmesser (mm) Innendurchmesser (mm) Schnittgeschwindigkeit (m/min) Drehzahl Vorschub (mm) Vorschubweg (mm) Anlaufweg (mm) Überlaufweg (mm) Schneidenzugabe (mm) Anzahl der Schnitte (mm)

7 Beispiel Eine Welle aus E 360 mit lw D 350 mm; d D 90 mm soll mit Einstellwinkel r D 60ı , Vorschub f D 0;63 mm, Schnitttiefe ap D 5 mm mit Schneidstoff HM (L) nach . Tab. 58.4 in einem Schnitt langgedreht werden. Der Wirkungsgrad beträgt  D 0;8. Gesucht: Schnittgeschwindigkeit vc240 , einzustellende Drehzahl n, spezifische Schnittkraft kc , Schnittkraft F c , erforderliche Antriebsleistung Pm , Hauptnutzungszeit th . Lösung: Schnittgeschwindigkeit vc240 ,  D 70ı nach . Tab. 58.4. vc240 D 90 m/min

(58.13) Einzustellende Drehzahl

Hauptnutzungszeit th beim Plandrehen (. Abb. 58.11) L i nf Da  Di d1  d2 LD D C la C ls C lü 2 2 th D

nD

(58.14)

90 m vc240 D D 318 min1  d min  0;09 m   

eingestellt ne D 315 min1 nach Maschinenkarte.

(58.15)

Spezifische Schnittkraft kc D 2670 N=mm2 nach . Tab. 58.1.

58

1201 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

Mit n D Anzahl der Doppelhübe je min (DH=min) und L D Hublänge in mm ergeben sich außerdem die zugeschnittenen Größengleichungen:

Schnittkraft Fc D kc ap f D 2670 N=mm2  5 mm  0;63 mm Fc D 8410;5 N Erforderliche Antriebsleistung Pm D

kc ap f vc   60:000

vm D

kc ap f d ne   60:000  1000 2670  5  0;63  90     315 kW Pm D 0;8  60:000  1000

Pm D

nD

2Ln 1000 vm 1000 2L

vm m min

L

n

mm min1

(58.17)

Herleitung der Gleichung Mit ta D Zeit für einen Arbeitshub in min, tr D Zeit für einen Rückhub in min, tL D Zeit für einen Doppelhub in min, L D Hublänge in mm wird:

Pm D 15;606 kW Hauptnutzungszeit

L L 2L I tr D I tL D I tL D ta C tr vma vmr vm L L 2L tL D C D und daraus: vma vmr vm vma vmr vm D 2 vma C vmr

ls C la C lw C lü L iD i nf ne s   3 C 4 C 350 C 3  1 min th D 315  0;63

ta D

th D

th D 1;81 min 9 7 Beispiel

7 Beispiel

Ein Flansch mit 850 mm Außen- und 200 mm Innendurchmesser soll mit einer Drehzahl n D 15 min1 und mit einem Vorschub f D 0;25 mm plangedreht werden. Die Schnitttiefe beträgt ap D 3 mm, der Einstellwinkel r D 45ı . Zu bestimmen ist die Hauptnutzungszeit th für la D 5 mm und lü D 3 mm.

Bestimmt werden soll die mittlere Geschwindigkeit vm einer Langhobelmaschine, wenn für einen Doppelhub eine Zeit von 14,6 s mit der Stoppuhr gemessen wurde (Zeit für einen Arbeitshub, einen Rücklauf und zwei Umsteuerungen). Hublänge L D 2200 mm.

d1  d2 C la C ls C lü   2 850  200 C 5 C 3 C 3 mm D 336 mm LD 2   336 L th D iD  1 min D 89;6 min 9 nf 15  0;25

Lösung:

LD

14;6 min D 0;243 min 60 2  2200 m 2L m D D 18;1 9 vm D tL 1000 0;243  1000 min min tL D

7 Beispiel

58.1.2 58.1.2.1

Hobeln und Stoßen

Bestimmt werden soll die mittlere Geschwindigkeit vm , wenn mit der Stoppuhr die Anzahl der Doppelhübe in einer Minute aufgenommen wurde: n D 4;1 min1 ; L D 2200 mm.

Bewegungen4

Im Gegensatz zum Drehen ist die Schnittbewegung bei Maschinen mit hin- und hergehender Bewegung nicht gleichförmig (Hobel-, Stoß- und Räummaschinen). Die mittlere Rücklaufgeschwindigkeit vmr ist meist größer als die mittlere Geschwindigkeit beim Arbeitshub vma , z. B. beim Antrieb durch die schwingende Kurbelschleife (vm W vma etwa 1,4–1,8). Außerdem sind die Geschwindigkeiten in Hubmitte größer als gegen Ende des Hubes. Beschleunigung und Verzögerung durch Umsteuern und An- und Auslauf sind besonders bei kleinen Hublängen zu berücksichtigen. Es wird mit der mittleren Geschwindigkeit vm gerechnet: vm D 2

vma vmr vma C vmr

Lösung: vm D

58.1.2.2

Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

Zerspangeometrie5

Die Spanabnahme ist beim Drehen, Hobeln und Stoßen gleichartig, es gelten daher die im entsprechenden Kapitel für Drehen gemachten Angaben. Zweckmäßige Winkelwerte: Freiwinkel ˛0 D 8ı ; Spanwinkel 0 meist 20ı , Neigungswinkel 0 D 10ı . Vorschübe beim Schruppen bis 3 mm=DH (bei SS-Stahl höher), beim Breitschlichten bis 10 mm=DH.

(58.16) 5

4

2  2200  4;1 m m 2Ln D D 18 9 1000 1000 min min

Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen, Kräfte und Leistungen beim Drehen.

1202

Kapitel 58  Zerspantechnik

Werkstoff

Zugfestigkeit Rm in N/mm2

S 235 JR

bis 500

3 000 2 800 2 720 2 650 2 500 2 430 2 360 2 240 2 180 2 120 2 060 2 000 1 950 1 900

E 295, C 35

500 ... 600

E 335 C 45 E 360

600 ... 700 600 ... 700 700 ... 850 700 ... 850

4 000 3 450 3 450 5 000

C 60 42 Cr Mo 4 50 Cr V 4 16 Cr Ni 6 34 Cr Mo 4 16 Mn Cr 5 Mn-, Cr Ni-, Cr Mo- und andere leg. Stähle Nichtrost. Stahl GE 240 GE 260 EN-GJL-150 EN-GJL-250 EN-GJMB-350-10 EN-GJMW-450-7 Hartguss

3 750 3 350 3 350 4 750

3 650 3 250 3 250 4 500

3 350 3 150 3 150 4 120

3 150 3 000 3 070 3 870

3 000 2 900 3 000 3 550

2 800 2 800 2 900 3 350

2 650 2 650 2 720 3 150

2 500 2 570 2 650 2 900

2 360 2 430 2 570 2 720

2 240 2 360 2 500 2 500

2 060 2 300 2 430 2 360

1 950 2 240 2 360 2 240

1 850 2 180 2 300 2 060

3550 3 450 3 350 3 150 3 070 3 000 2 800 2 720 2 570 2 500 2 430 2 300 2 240 2 180

600 ... 700 600 ... 700 600 ... 700 700 ... 850 700 ... 850

5 000 4 620 5 000 4 120 4 370

850 ... 1000

4 370 4 000 3 870 3 650 3 550 3 350 3 250 3 070 3 000 2 800 2 650 2 570 2 430 2 360

4 750 4 370 4 750 3 870 4 120

4 500 4 120 4 500 3 750 3 870

4 250 3 870 4 120 3 550 3 650

4 000 3 650 3 870 3 450 3 350

3 750 3 550 3 550 3 250 3 150

3 550 3 150 3 350 3 070 3 000

3 350 3 000 3 150 3 000 2 800

3 150 2 800 2 900 2 800 2 650

3 000 2 650 2 720 2 650 2 500

2 800 2 500 2 500 2 500 2 360

2 650 2 360 2 360 2 430 2 240

2 500 2 240 2 240 2 300 2 120

2 360 2 120 2 060 2 180 2 000

1 000 ... 1400 4 620 4 370 4 250 4 000 3 870 3 650 3 550 3 350 3 250 3 070 3 000 2 900 2 720 2 650 600 ... 700

Mn-Hartstahl

58

spezifische Schnittkraft kc in N/mm2 bei Vorschub f in mm/DH und Einstellwinkel κ r 0,16 0,25 0,4 0,63 1 1,6 2,5 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º

300 ... 500 500 ... 700

4 370 4 250 4 000 3 870 3 650 3 550 3 450 3 350 3 150 3 070 3 000 2 800 2 720 2 650 6 300 2 650 3 000 1 750 2 360 2 240

6 000 2 570 2 800 1 650 2 240 2 120

5 600 2 430 2 720 1 600 2 060 2 000

5 300 2 360 2 650 1 500 1 950 1 900

5 000 2 240 2 500 1 400 1 850 1 800

4 870 2 180 2 430 1 360 1 750 1 750

4 620 2 060 2 300 1 280 1 700 1 650

4 500 2 000 2 240 1 210 1 600 1 600

4 250 1 950 2 180 1 180 1 500 1 500

4 000 1 900 2 120 1 120 1 400 1 450

3 750 1 850 2 060 1 060 1 280 1 360

3 650 1 800 1 950 1 030 1 210 1 280

3 450 1 750 1 900 970 1 150 1 250

3 350 1 700 1 850 950 1 090 1 180

3 650 3 450 3 350 3 150 3 070 2 900 2 800 2 650 2 500 2 430 2 300 2 240 2 120 2 060

Cu Sn Zn- Leg.

1 250 1 180 1 170 1 060 1 000

Al- Gussleg. Cu Sn -Leg.

3 000 2 800 2 720 2 650 25 00 2 430 2 300 2 240 2 180 2 120 2 060 1 950 1 900 1 850

950

900

850

820

780

750

710

690

650

. Abb. 58.12 Richtwerte für die spezifische Schnittkraft kc beim Hobeln

58.1.2.3

Kräfte und Leistungen6

Es gelten die entsprechenden Angaben 7 Abschn. 58.1.1 Drehen (siehe . Abb. 58.12). 58.1.2.4

unter

Wahl der Schnittgeschwindigkeit

Es gelten die entsprechenden Angaben unter 7 Abschn. 58.1.1 Drehen (siehe . Abb. 58.13). Mit den üblichen Bauarten der Hobelmaschinen sind höhere Werte als vc D 60–80 m=min nicht erreichbar; bei Waagerechtund Senkrechtstoßmaschinen etwa vc D 25–30 m=min. 58.1.2.5

Berechnung der Hauptnutzungszeit th (. Abb. 58.14)

2LB B iD i 1000vm f nf L D lw C la C ls C lü B D bw C ba C bs C bü vma vmr vm D 2 vma C vmr la D .10–30/ mm th D

6

ap tan s für s < 0ı sin r ls D 0 für ls  0ı ba D .3–5/ mm bs D ap cot r ls D

Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen, Kräfte und Leistungen beim Drehen.

L B ap f n vm vma vmr i

Hublänge (mm) Hobelbreite (Vorschubweg) (mm) Schnitttiefe (mm) Vorschub (mm=DH) Anzahl der Doppelhübe je min (min1 ), bei Stoßmaschinen gleich der Drehzahl der Antriebskurbel mittlere Geschwindigkeit des Tisches oder Stößels (m/min) mittlere Geschwindigkeit beim Arbeitshub (m/min) mittlere Rücklaufgeschwindigkeit (m/min) Anzahl der Schnitte 7 Beispiel Auf einer Langhobelmaschine wird eine rechteckige Platte aus E 295 bearbeitet. B D 1000 mm, Hublänge des Tisches mit An- und Überlauf L D 2200 mm, Vorschub f D 1;6 mm=DH, Einstellwinkel r D 45ı , mittlere Arbeitsgeschwindigkeit vma D 12 m=min, mittlere Rücklaufgeschwindigkeit vmr D 36 m=min, Schnitttiefe ap D 10 mm, Schnittzahl i D 2.

1203 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

Werkstoff S 235 JR C22 E 295 C 35 E 335 C 45 E 360 C 60 42 Cr Mo 4 50 Cr V 4 16 Cr Ni 6 34 Cr Mo 4 16 Mn Cr 5 Mn-, Cr Ni-, Cr Mo- und andere leg. Stähle Nichtrost.

Zugfestigkeit SchneidRm stoff b) in N/mm2 P 30 bis 500 SS P 30 500 ... 600 SS P 30 600 ... 700 SS P 30 700 ... 850 SS 600 ... 700

P 30 SS

12

10

10

8

42 10

40 8

36 8

33 7

30 7

28 5,6

25 5,6

24 4,5

28 6 17 4,5 17

25 6 16 4,5 16

24 5 15 3,6 15

20 5 14 3,6 14

19 4,5 12 3 12

18 4,5 12

17 4 11

4,5

4

700 ... 850 850 ... 1 000 1 000 ... 1 400 600 ... 700

Stahl

Schnittgeschwindigkeit vc in m / min bei Vorschub f in mm / DH und Einstellwinkel κ r a) 0,16 0,25 0,4 0,63 1 1,6 2,5 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 45º 60º 75 70 67 63 63 60 56 53 25 20 22 18 18 14 14 11 12 10 10 8 63 60 56 53 50 47 45 42 40 37 22 18 18 14 16 12 12 10 10 8 8 6 53 50 47 45 42 40 37 36 18 14 14 12 12 10 10 8 8 6 6 5 42 40 36 33 30 28 25 24 16 12 12 10 10 8 8 6 6 5 5 4

P 30 SS P 30 SS P 30

P 30 P 30 GE 240 300 ... 500 SS P 30 GE 260 500 ... 700 SS K 20 53 50 EN-GJL-150 SS K 10 36 33 EN-GJL-250 SS K 10, K 20 40 EN-GJMB-350-10 P 10, S S P 20 50 47 EN-GJMW-450-7 SS Hartguss K 10 15 14 Cu Sn ZnK 20 335 315 Leg. SS Al- Gussleg. K 20 200 190 SS 47 45 Gu Sn- Leg. K 20 250 236 SS 53 50

7

30 8 18 5,6 5,6 18

Mn-Hartstahl

22

18

16 50 20 32 12 37 18 45 18 12,5 315 40 180 36 224 47,5

12 47 18 30 11 33 17 42 17 12 300 37 170 33 212 45

8 7,5 7 6 6 5,6 5,3 5 4,5 33 32 30 28 26 25 24 22 21 20 16 16 12 12 10 10 8 8 26 25 24 22 21 20 19 18 16 12 10 10 8 8 7 7 6 6 47 45 45 42 42 40 40 37 14 12 11 10 8 7 7 6 5,6 28 26 26 25 25 24 22 20 9 8 7 6 5,6 5 5 4,5 4 32 28 26 24 22 20 19 14 13 11 10 8 7,5 7 6 5,6 40 37 36 33 32 30 14 13 11 10 8 7,5 7 6 5,6 12 11 10 9,5 9 8,5 8 7,5 300 280 265 250 236 224 212 32 30 25 23 20 19 18 17 16 160 150 140 132 125 118 112 106 100 26 25 20 19 16 15 200 190 180 170 160 150 140 132 125 42,5 40 37,5 36 32 30 28 26,5 25

4 20 6 15 4,5 5 3 5 5

15 95 118 23

a) Die v -Werte gelten für Schnitttiefen bis 2,24 mm. Über 2,24 ... 7,1 mm sind die Werte um 1 Stufe der Reihe R10 (d.h. um 20 %) und c

über 7,1 ... 22,4 mm um 1 Stufe der Reihe R 5 (d.h. um etwa 40 %) zu vermindern.

b) Standzeit für Hartmetall (P 20, P 30, K 10 und K 20) 240 min und für Schnellarbeitsstahl (S S) 60 min.

. Abb. 58.13 Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit vc beim Hobeln

Zu bestimmen sind Schnittkraft, Schnittleistung und Hauptnutzungszeit. Lösung: a) Schnittkraft F c wie beim Drehen aus der spezifischen Schnittkraft kc und Spanungsquerschnitt A D ap f I

kc D 2;24  103 N/mm2

b) Schnittleistung Pc aus der Schnittkraft F c und der mittleren Geschwindigkeit vm : vma vmr mittlere Geschwindigkeit vm D 2 vma C vmr m 12  36 m D 18 vm D 2 12 C 36 min min Schnittleistung

Spanungsquerschnitt

Pc D Fc vm D 35;84  103 N 

A D ap f D 10 mm  1;6 mm D 16 mm2

Hauptnutzungszeit

Schnittkraft (siehe . Abb. 58.12) Fc D kc A D 2;24  103 N/mm2  16 mm2 Fc D 35;84  103 N

th D

18 m 60 s

2  2200  1000 2LB iD  2 min 1000 vm f 1000  18  1;5

th D 326 min 9

58

1204

Kapitel 58  Zerspantechnik

. Abb. 58.15 Räumnadel (schematisch) nach DIN 1 415 . Abb. 58.14 Kenngrößen zur Hauptnutzungszeitberechnung beim Hobeln

58.1.3 58.1.3.1

58

Räumen Bewegungen7

Verzahnte stangenförmige (Innenräumer, Räumnadel) oder plattenförmige (Außenräumer) Werkzeuge, deren Zähne vom Anschnitt nach hinten ansteigen, werden durch die Bohrung des Werkstückes gezogen, gestoßen oder an der Außenfläche des Werkstücks vorbeibewegt. Dadurch wird am vorgearbeiteten Werkstück das gewünschte Innen- oder Außenprofil mit vorgeschriebener Maßtoleranz (meist ISOQualität 7) und Oberflächengüte hergestellt. Die Vorschubbewegung entfällt, sie liegt durch die Konstruktion des Werkzeugs fest. Das Profil wird meist in einem Hub gewonnen; nur bei sehr großer Spantiefe wird die gesamte Zerspanarbeit auf mehrere Werkzeuge aufgeteilt. Bei schraubenförmigem Profil (Steigungswinkel 45 bis 90ı ) kreisen Werkzeug oder Werkstück beim Durchziehen. Bei Steigungswinkeln von 45–70ı ist eine zwangsläufige Drehung erforderlich, darüber hinaus kann ohne zwangsläufige Drehung geräumt werden. 58.1.3.2

Zerspangeometrie8

Eine Räumnadel mit festen Zähnen nach DIN 1415 zeigt . Abb. 58.15. Das Werkzeug wird am Schaft vom Zugorgan der Räummaschine aufgenommen und in der Ringnute verriegelt. Der Zubringerkopf der Maschine nimmt das Endstück auf. Die Aufnahme am Werkzeug zentriert das Werkstück, das Führungsstück führt es beim Durchgang der letzten Schneiden. Die Zähne der Räumnadel sind wie Fräserzähne ausgebildet (. Abb. 58.16); ebenso wie dort müssen große, gut gerundete Spankammern die Aufnahme des Spanvolumens ohne Zwängen sichern, da freier Spanablauf selten möglich ist. Das Spanvolumen ist mindestens dreimal größer als das Ursprungsvolumen. Die Zahnteilung t ist außer von Werkstoff, Profil und Zahntiefe hauptsächlich von der ErpRäumlänge l abhängig. p fahrungswert: t D .1;7–1;8/  l; sonst t D 3  lhx mit h Spanungsdicke in mm/Zahn, Räumlänge l in mm und Werkstofffaktor x D 3–5 für bröckelige Späne, x D 5–8 7 8

Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts. Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen, Kräfte und Leistungen beim Drehen.

. Abb. 58.16 Zähne der Räumnadel, t Zahnteilung, l Räumlänge, h Spanungsdicke, f z Fasenbreite, ap Schnittbreite

für langspanenden Werkstoff. Außerdem sollen mindestens zwei Zähne im Eingriff sein, mehrere Werkstücke können hintereinander gespannt werden, jedoch steigt die Durchzugskraft mit der Zähnezahl. Schräg zur Zugrichtung verlaufende Zähne arbeiten ruhiger. Spannuten bei breiten Zähnen teilen die Späne auf. Beim Schruppen soll die Zahnteilung gleichmäßig sein, beim Schlichten um ˙20 % schwankend. Freiwinkel ˛0 wird beim- Schruppen 2–3ı , beim Schlichten 0,5ı und für zylindrische Endzähne (Kalibrierzähne) ebenfalls 0,5ı gewählt. Spanwinkel 0 siehe . Tab. 58.5. Die Fasenbreite f z beträgt für Schruppen 0–0,1 mm, für Schlichten 0,1 mm, für zylindrische Endzähne 0,2–0,3 mm. 58.1.3.3

Schnittkraft (Räumkraft)

Die Schnittkraft F c wird um so größer, je größer Spanungsquerschnitt A und spezifische Schnittkraft kc sind. kc - Werte in . Tab. 58.5. Mit Spanungsdicke h (je Zahn), Schnittbreite b der Spanschicht und Anzahl der im Schnitt stehenden Zähne ze D l=t wird der Spanungsquerschnitt A D b h ze D b h

A

l t

mm

2

b; h; l; t

z

mm

1

(58.18)

Damit ergibt sich die Schnittkraft Fc D A kc D b h ze kc Fc D b h kc

l t

Fc

A

N

mm2

kc N mm2

(58.19)

Die erforderliche Durchzugskraft F max der Maschine ist um den Faktor 1,3 (für Fasenreibung) größer. Ergibt sich

1205 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Tabelle 58.5 Mittelwerte für Räumen Werkstoff

Spanungsdicke h in mm=Zahn für Räumen

Schlichträumen

Schruppräumen

Schnittgeschwindigkeit in m=min

Stahl S 275 JR–E 335

0,025–0,06

0,004–0,015

bis 0,1

4–8

15–20

4000

Stahl E 335–E 360

0,03–0,065

0,004–0,015

bis 0,12

3–6

12–15

5000

Gusseisen

0,05–0,12

0,004–0,015

bis 0,25

4–8

4–8

2300

Cu-Legierung

0,03–0,1

0,004–0,015

bis 0,2

5–10

0–5

2000

Al-Legierung

0,025–0,1

0,004–0,015

bis 0,2

8–15

15–25

1160

durch Kraftmessung ein größerer Faktor, ist das Werkzeug zu schärfen. Fmax D 1;3Fc

(58.20)

Der gefährdete Querschnitt Agef des Räumwerkzeuges wird auf Zug beansprucht. Mit z D Fmax =Agef und Fmax D 1;3 b h ze kc wird die Zugspannung b h ze kc  zzul Agef z ; kc b; h; l; t z Agef N mm 1 mm2 mm2

(58.21)

Da die Zahnteilung t D l=z ist, wird auch

58.1.3.4

b h kc l Agef zzul

(58.22)

Wahl der Schnittgeschwindigkeit

Die Schnittgeschwindigkeit vc ist wegen des schwierigen Zerspanvorgangs bei allen Werkstoffen niedrig und zwar um so niedriger, je geringer die Zerspanbarkeit des Werkstoffs, je verwickelter das zu räumende Profil und je größer die Räumlänge l ist. Richtwerte aus . Tab. 58.5. Standzeit und Oberflächengüte werden durch geeignete Schneidflüssigkeit stark beeinflusst: Erprobung ist zweckmäßig. Schneidöle lassen höhere Standzeit, Emulsionen bessere Oberfläche erwarten. Für schwierige Profile und Werkstoffe werden geschwefelte Schneidöle empfohlen. Räumwerkzeuge besitzen gegenüber anderen Zerspanwerkzeugen höhere Standzeit und Lebensdauer wegen der niedrigeren Schnittgeschwindigkeit und wegen des geringeren Arbeitsaufwands je Zahn. 58.1.3.5

Berechnung der Hauptnutzungszeit th

Mit der Hublänge L und der mittlerer Geschwindigkeit vm wird die Hauptnutzungszeit 2L th D vm 1000 Ermittlung von vm Stoßen.

vm (58.23) m min mm min siehe 7 Abschn. 58.1.2, Hobeln und th

L

spezifische Schnittkraft kc in N=mm2

7 Beispiel Die Innennute einer Buchse aus Gusseisen (Schnittbreite b D 12 mm, Tiefe 3,7 mm, Länge l D 100 mm) wird auf einer Waagerecht-Räummaschine hergestellt. Hublänge L D 1000 mm; va D 3 m/min; vr D 4 m/min. Zu bestimmen sind spezifische Schnittkraft kc , Zahnteilung t, Schnittkraft F c , Durchzugskraft F max und Hauptnutzungszeit th .

z D 1;3

terf D 1;3

Spanwinkel in ı

Lösung: a) Spezifische Schnittkraft kc D 2300 N/mm2 nach . Tab. 58.5 b) Spanungsdicke h D 0;12 mm nach . Tab. 58.5 c) Zahnteilung p p t D 3 hlx D 3 0;12 mm  100 mm  4 D 20;8 mm d) Zähnezahl ze je Räumlänge l: ze D

100 mm l D D4 t 20;8 mm

e) Spanungsquerschnitt A D bhze D 12 mm  0;12 mm  4 A D 5;76 mm2 f) Schnittkraft Fc D Akc D 5;76 mm2  2300 N/mm2 Fc D 13;2  103 N g) Durchzugskraft Fmax D 1;3Fc D 1;3  13;2  103 N Fmax D 17;2  103 N h) Mittlere Geschwindigkeit des Räumwerkzeugs vm D 2

va vr 34 m/min D 3;43 m/min D2 va C vr 3C4

i) Hauptnutzungszeit th D

2  1000 2L D min D 0;59 min 9 vm 1000 3;43  1000

58

1206

Kapitel 58  Zerspantechnik

. Abb. 58.17 Wälzfräsen mit Walzenfräser, dargestellt in der Arbeitsebene

58.1.4

Fräsen

58 58.1.4.1

Bewegungen9

Es gelten die unter 7 Abschn. 58.1.1 Drehen dargelegten Grundbegriffe der Zerspantechnik in Verbindung mit den . Abb. 58.17, 58.18 und 58.22. Beim Fräsen führt die umlaufende Bewegung des Werkzeugs (des Fräsers) zur Schnittbewegung mit der Schnittgeschwindigkeit vc und die geradlinige (fortschreitende) Bewegung des Werkstücks (des Tischs) zur Vorschubbewegung mit der Vorschubgeschwindigkeit vf . Die resultierende Bewegung ist wieder die Wirkbewegung mit der Wirkgeschwindigkeit ve (. Abb. 58.22); sie führt zur Spanabnahme und ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schneidenpunkts in Wirkrichtung. Im Gegensatz zum Drehen mit ' D 90ı ändert sich beim Fräsen der Vorschubrichtungswinkel ' während des Schneidvorgangs des einzelnen Zahns laufend (. Abb. 58.17 und 58.18). Beim Gegenlauffräsen ist ' < 90ı , beim Gleichlauffräsen dagegen ist ' > 90ı , wie . Abb. 58.22 deutlich zeigt. Der Wirkrichtungswinkel  ist wieder der Winkel zwischen Wirk- und Schnittrichtung. Im allgemeinen Fall (' 7 90ı ), wie beim Fräsen ist sin '  D arctan v c C cos ' vf

(58.24)

Beim Drehen ist ' D 90ı und damit  D arctan vf =vc (siehe 7 Abschn. 58.1.1). Auch beim Fräsen ist in den meisten Fällen das Verhältnis vf =vc so klein, dass mit ve D vc gerechnet werden kann. 9

Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

. Abb. 58.18 Stirnfräsen mit Walzenstirnfräser bei symmetrischer Einstellung des Werkzeugs

Mit Fräserdurchmesser d, Fräserdrehzahl n und Vorschub f je Fräserumdrehung, Zahnvorschub f z und Zähnezahl z werden Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit errechnet: vc D  d n

vf D nf D nfz z

58.1.4.2

vc m min vf mm min

d

n (58.25)

m min1 f

fz

mm mm

z 1

(58.26)

Zerspangeometrie10

Es gelten grundsätzlich die beim Drehen angegebenen Begriffsbestimmungen. Wichtigste Bezugsebene ist auch hier die Arbeitsebene, in der sich alle an der Spanbildung beteiligten Bewegungen vollziehen. Sowohl beim Wälzfräsen (mit Walzen-, Scheiben-, Schaft- und Formfräsern) als auch beim Stirnfräsen (mit Walzstirnfräsern und Messerköpfen) wird die Zerspanarbeit durch die Umfangszähne aufgebracht, die Stirnzähne reiben und glätten nur. Wälzfräsen mit scheibenartigen Hartmetall bestückten Messerköpfen wird deshalb auch als Umfangsfräsen bezeichnet. Beim Wälzfräsen (. Abb. 58.17) entsteht ein kommaförmiger Span mit ungleichförmiger Querschnittsbelastung der Schneide. Der 10 Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

58

1207 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

Schnittwiderstand wächst im Gegensatz zum Drehen von null bis auf einen Höchstwert und fällt dann plötzlich wieder auf null ab, entsprechend dem laufend veränderten Vorschubrichtungswinkel ' (beim Drehen ist ' D 90ı D konstant). Die Schnittkraftschwankungen werden vermindert durch schräge Zähne, wenn zugleich mehrere Zähne im Eingriff stehen und Zähnezahl z, Fräserdurchmesser d und Neigungswinkel s im bestimmten Verhältnis zur Schnittbreite ap stehen. Der Neigungswinkel lässt sich bestimmen aus: ap z ap z s D arc cot (58.27) cot s D d  d  Allgemein gilt: Für harte Werkstoffe und Schlichten kleinerer Schneidenwinkel und feinere Zahnteilung, für Maschinenbaustähle bis 700 N/mm2 Zugfestigkeit größere Schneidenwinkel und größere Zahnteilung, für Leichtmetalle große Schneidenwinkel und große Zahnteilung. Beim Gegenlauffräsen reibt der Zahn vor dem Eindringen in den Werkstoff, wodurch er leichter abstumpft. Die während des Reibungsweges entstehende erhebliche Wärmemenge muss durch reichliches Kühlen abgeführt werden. Beim Gleichlauffräsen dringt der Zahn sofort in das volle Material ein. Moderne Walzfräsmaschinen arbeiten im Gleichlauf, besonders Verzahnungsmaschinen. Über die Kräfte beim Gegen- und Gleichlauffräsen orientiert . Abb. 58.22. Der Vorschubrichtungswinkel ' beim Wälzfräsen (. Abb. 58.17) lässt sich bestimmen aus: d  ae 2ae D1 cos ' D 2 d d 2

(58.28)

ae ae ' sin D 2 D d 2 d 2

' ae D arcsin 2 d

(58.31)

Schnitt- und Spanungsgrößen Zu den beim Drehen gemachten Angaben kommen noch folgende Begriffsbestimmungen hinzu: Zahnvorschub f z ist der Vorschubweg zwischen zwei unmittelbar nacheinander entstehenden Schnittflächen, also der Vorschub je Zahn oder je Schneide (. Abb. 58.17). Mit z Anzahl der Zähne des Fräsers und f Vorschubweg je Fräserumdrehung ist der Zahnvorschub fz D

f z

fz f z mm mm 1

(58.32)

Der Schnittvorschub f c ist der Abstand zweier unmittelbar nacheinander entstehenden Schnittflächen, gemessen in der Arbeitsebene und rechtwinklig zur Schnittrichtung (. Abb. 58.17 und 58.18). Annähernd wird mit Zahnvorschub f z und Vorschubrichtungswinkel ' der Schnittvorschub

oder mit Hilfe der geometrischen Beziehung p ae .d  ae / ' sin D q 2 ae .d  ae / C .d  ae /2 und nach einigen Umformungen aus r ae ' sin D 2 d

Spanes ist ähnlich, sodass wesentliche Erkenntnisse vom Drehen übernommen werden können. Allerdings ändert sich beim Stirnfräsen wie beim Wälzfräsen der Schnittvorschub f c fortlaufend; beim Stirnfräsen jedoch geringfügiger als beim Wälzfräsen. Daher ist beim Stirnfräsen die Querschnittsbelastung der Schneide gleichmäßiger als beim Walzen. Infolge des größeren Vorschubrichtungswinkels ' sind beim Stirnfräsen mehr Zähne im Eingriff. Die spezifische Spanungsleistung ist größer als beim Wälzfräsen; Stirnfräsen ist daher wirtschaftlicher. Die Entscheidung zwischen Gegen- und Gleichlauffräsen ist beim Stirnfräsen nicht nötig, weil nach . Abb. 58.18 im gleichen Schnitt sowohl gegen- als auch gleichläufiges Fräsen auftritt, jedenfalls solange die Fräserachse zwischen Eintritts- und Austrittsebene (A–B) liegt. Der Vorschubrichtungswinkel ' beim symmetrischen Stirnfräsen lässt sich bestimmen aus:

fc D fz  sin ' (58.29)

Für '  60ı ergibt sich der Vorschubrichtungswinkel ' in Grad auch aus r 360ı ae ı (58.30) ' D   d Beim Stirnfräsen (. Abb. 58.18) ist der Spanungsquerschnitt wie beim Drehen ein Rechteck oder Parallelogramm. Auch der Schlankheitsgrad des abgenommenen

(58.33)

Beim Drehen und Hobeln ist ' D 90ı und damit auch fc D fz und mit (58.32) mit z D 1 auch fc D fz D f. Schnitttiefe ap bzw. Schnittbreite ae ist die Tiefe bzw. Breite des Eingriffs der Hauptschneide rechtwinklig zur Arbeitsebene gemessen (. Abb. 58.17 und 58.18). Arbeitsebene ist die gedachte Ebene, die Schnitt- und Vorschubbewegung des betrachteten Schneidenpunktes enthält (. Abb. 58.17 und 58.22). Beim Wälzfräsen entspricht ap der Breite des Eingriffs (Schnittbreite) nach . Abb. 58.18. Beim Stirnfräsen

1208

Kapitel 58  Zerspantechnik

entspricht ap der Tiefe des Eingriffs (Schnitttiefe) nach . Abb. 58.18. Schnittbreite ae ist die Größe des Eingriffs der Schneide (des Zahns) je Umdrehung, gemessen in der Arbeitsebene und rechtwinklig zur Vorschubrichtung (. Abb. 58.17 und 58.18). Spanungsquerschnitt A ist der Querschnitt des abzunehmenden Spans rechtwinklig zur Schnittrichtung. In den meisten Fällen gilt A D ap  fc D bh

(58.34)

b Spanungsbreite h Spanungsdicke

Der Spanungsquerschnitt A ergibt sich immer als Produkt aus der Schnitttiefe bzw. Schnittbreite ap und dem Schnittvorschub f c . Da f c in der Arbeitsebene (bzw. parallel zu ihr) gemessen wird, muss die Schnitttiefe rechtwinklig zur Arbeitsebene gemessen werden. Die Schnittbreite darf nicht mit der Schnitttiefe verwechselt werden; sie steht rechtwinklig zur Schnitttiefe und rechtwinklig zur Vorschubrichtung (siehe . Abb. 58.18).

Wichtige Bezugsgröße für die mittlere spezifische Schnittkraft kc ist die so genannte Mittenspanungsdicke hm (. Abb. 58.17). Für Wälz- und Stirnfräsen gilt bei ae =d  0;3 r ae (58.35) sin w hm D fz d r vf ae hm D sin w nz d hm ; ae ; d fz vf n z w (58.36) mm mm mm min1 1 ı min Darin ist beim Wälzfräsen w D 90ı  s , mit s D Neigungswinkel. Die Mittenspanungsdicke lässt sich mit (58.33) als Schnittvorschub f c berechnen, wenn für ' der maximale Vorschubrichtungswinkel eingesetzt wird (. Abb. 58.17): hm D fc sin w D fz sin

' sin w 2

(58.37)

7 Beispiel Wälzfräsen im Gleichlauf mit Fräserdurchmesser d D 110 mm ergibt nach . Tab. 58.9 die Zähnezahl 8. Für eine Schnittbreite ap D 60 mm ergibt sich aus cot s D

hm D 0;0312 mm Vorschubrichtungswinkel r r 360ı 360ı ae 4 mm D  22ı 'D   d   110 mm 2ae D 0;927 aus cos ' D 1  d ' D 22ı Vorschubweg je Fräserumdrehung

! Hinweis

58

Lösung: Mittenspanungsdicke r r ae 4 mm hm D fz sin w D 0;2 mm sin 55ı d 110 mm

ap z 60 mm  8 D D 1;4 d  110 mm   

ein Neigungswinkel s  35ı . Tab. 58.8 gibt für Stahl den Zahnvorschub fz D 0;1 bis 0,25 mm an; gewählt für Schnitttiefe ae D 4 mm wird Zahnvorschub fz D 0;2 mm.

f D fz  z D 0;2 mm  8 D 1; 6 mm ' Spanungsquerschnitt bei : 2 A D ap  fc D ap  hm D 60 mm  0;031 mm D 1; 86 mm2 9

Flächen und Winkel am Fräserzahn Es gelten die unter 7 Abschn. 58.1.1.2 dargelegten Begriffe. Beim Stirnfräsen lassen sich die Begriffe vom Drehmeißel leicht auf die Schneide des Zahnes übertragen. Grundsätzlich wird nach . Abb. 58.19 unterschieden zwischen Fräsern mit geschliffener oder gefräster Freifläche und Fräsern mit hinterdrehter Freifläche (Formfräser). Letztere haben vielfach Spanwinkel von 0ı , der beim Scharfschleifen eingehalten werden muss, weil sonst Profilverzerrung auftritt. Steigungshöhe h beim Formfräser ist die Höhe der Hinterdrehkurve, die wegen konstantem Steigungswinkel eine logarithmische Spirale ist. Nach . Abb. 58.19 ergibt sich aus dem Dreieck ABC: tan ˛0 D hz=d  und daraus hD

 d tan ˛0 z

Beim schrägverzahnten Walzenfräser sind die Zähne um den Neigungswinkel s gegenüber der Fräserachse geneigt. Steigungswinkel w D 90ı  s . Das Abwicklungsdreieck . Abb. 58.20 zeigt h d  h tan w D d  cot s D

(58.38) (58.39)

Wegen der Neigung der Zähne ist zwischen den Schneidwinkeln im Normalschnitt (Index n) und im Stirnschnitt (Index s) zu unterscheiden (. Abb. 58.21). Für Spanwinkel  und Freiwinkel ˛ gilt: tan n D tan s cos s tan ˛s tan ˛n D cos s Bei Fräsern mit geraden Zähnen ist s D 0ı .

(58.40)

1209 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Abb. 58.19 Fräser mit geschliffener hinterdrehter Freifläche

solange sie festigkeitsmäßig den Schnittwiderstand aufnehmen. Neigungswinkel s D 20–40ı , je nach Werkstoff. Für Messerköpfe mit Hartmetallschneiden ˛0 D 3–8ı , 0 D 6–15ı , Schneidenneigungswinkel s D 7ı für leicht und 12ı für schwer bearbeitbare Stähle. Richtwerte für den Zahnvorschub f z siehe . Tab. 58.8, für Zähnezahl z siehe . Tab. 58.9. Je kleiner die Fräserzähnezahl, umso kleiner ist der Kraftaufwand, umso größer ist der Zahnvorschub f z und umso niedriger ist die spezifische Schnittkraft. . Abb. 58.20 Neigungswinkel s und Steigungswinkel w beim schrägverzahnten Fräser

. Abb. 58.21 Freiwinkel ˛ und Spanwinkel  (Werkzeugwinkel) im Normal- und Stirnschnitt

Wahl der Werkzeugwinkel Freiwinkel ˛0 und Spanwinkel 0 hängen vom zu bearbeitenden Werkstoff und Fräserart ab. Wirtschaftlich ist bei SS-Werkzeugen die Beschränkung auf Freiwinkel ˛0 D 5–8ı und Spanwinkel 0 D 10–15ı . Beim Gleichlauffräsen etwa doppelt so große Werte. Formfräser werden normal mit Spanwinkel 0 D 0ı ausgeführt. Zerspanungstechnisch besser ist ein kleiner positiver Spanwinkel 0 D 2–5ı bei entsprechend korrigiertem Profil. Spanwinkel 0 ¤ 0ı müssen auf dem Fräser vermerkt und beim Scharfschleifen eingehalten werden, um Profilverzerrungen zu vermeiden. Formfräser können so oft an der Spanfläche nachgeschliffen werden (. Abb. 58.19),

58.1.4.3

Kräfte und Leistungen11

. Abb. 58.22 zeigt die in der Arbeitsebene liegenden Geschwindigkeiten und Kräfte am einzelnen Fräserzahn beim Gegenlauf- und Gleichlauffräsen mit Walzenfräser. Die Kräfte sind in Bezug auf das Werkzeug eingetragen. Ein Vergleich mit . Abb. 58.1 aus 7 Abschn. 58.1.1 zeigt den Unterschied zwischen Drehen und Fräsen. Beim Drehen ist der Vorschubrichtungswinkel ' D 90° D konstant und damit die Stützkraft F st identisch mit der der Schnittkraft F c . Beim Fräsen dagegen ist ' < 90ı beim Gegenlauffräsen, ' > 90ı beim Gleichlauffräsen. Bei einem Zahneingriff ändert sich ' laufend während des Schneidens. Es erscheint die Stützkraft F st als Projektion der (meist räumlich liegenden) Zerspankraft F (siehe . Abb. 58.1 aus 7 Abschn. 58.1.1) auf eine in der Arbeitsebene liegende Senkrechte zur Vorschubrichtung und die Schnittkraft F c als Projektion von F auf die Schnittrichtung. Die Resultierende von Stütz- und Vorschubkraft ist die Aktivkraft F a . Sie ist zugleich die Projektion der Zerspankraft F auf die Arbeitsebene. Die Wirkkraft F e ist die Projektion der Zerspankraft F auf die Wirkrichtung, d. h. auf die in der Arbeitsebene liegende Wirklinie der Wirkgeschwindigkeit ve ; Fc und F e sind zugleich Komponenten der Aktivkraft F a (. Abb. 58.22). Die Stützkraft F st versucht beim Gegenlauffräsen das Werkstück von seiner Unterlage abzuheben („Ansaugen“ des Fräsers), beim Gleichlauffräsen dagegen presst die Stützkraft F st das Werkstück auf den Tisch und den Tisch auf seine Führung. Der Fräser versucht dabei auf das Werkstück zu „klettern“. 11 Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

58

1210

Kapitel 58  Zerspantechnik

. Abb. 58.23 Passivkraft F p (Axialkraft) und Neigungswinkel s , beim Fräser mit schrägen Zähnen

zur resultierenden Aktivkraft F a zusammengesetzt werden: q (58.41) Fa D Ff2 C Fst2 Obwohl der Betrag der Komponenten gemessen werden kann, ist der Angriffspunkt der Schnittkraft noch nicht bekannt. Dazu wird das Drehmoment M gemessen. Daraus ergibt sich mit dem Fräserdurchmesser d die mittlere Schnittkraft Fc .D Umfangskraft/ zu Fc D

58

d 2M M D Fc d 2 Fc M d N Nmm mm

(58.42)

Aus der Schnittleistung Pc und der Schnittgeschwindigkeit vc lässt sich F c ebenfalls berechnen: Fc D 60:000

. Abb. 58.22 Kräfte, Leistungsflächen und Geschwindigkeiten in der Arbeitsebene beim Wälzfräsen im Gegen- und Gleichlauf; Kräfte in Bezug auf den Fräser; Größenverhältnisse willkürlich angenommen; Pe Wirkleistung, Pc Schnittleistung, Pf Vorschubleistung

Vorsicht bei dünnwandigen oder schlecht zu spannenden Werkstücken. Die Vorschubkraft F f wirkt beim Gegenlauffräsen der Vorschubrichtung entgegen, beim Gleichlauffräsen dagegen in Vorschubrichtung. Die Wirkleistung Pe ist damit auch beim Gegenlauffräsen gleich der Summe aus Schnittleistung Pc und Vorschubleistung Pf , beim Gleichlauffräsen dagegen ist die Wirkleistung Pe die Differenz der beiden Leistungen (. Abb. 58.22). Das ergibt beim Gleichlauffräsen eine Ersparnis bis zu 15 % von der Gesamtleistung. Der gleiche Richtungssinn von Vorschubkraft und Vorschubgeschwindigkeit beim Gleichlauffräsen macht eine spielfreie Anordnung der Tischvorschubspindel und wegen Keilwirkung („Klettern“ des Fräsers) sicheres Festspannen von Werkstück und Spannvorrichtung erforderlich. Zur Bestimmung der Kräfte werden Vorschubkraft F f und Stützkraft F st mit Messgeräten bestimmt. Sie können

Pc vc

Fc

Pc

N

kW

vc m min

(58.43)

Damit lässt sich auch die auf den Fräsermittelpunkt M wirkende Radialkraft F r berechnen (in . Abb. 58.22 nicht eingetragen): q (58.44) Fr D Fa2  Fc2 Bei Fräsern mit Neigung der Schneiden ergibt sich die Zerspankraft F aus den drei Komponenten in Richtung des räumlichen Achsenkreuzes q (58.45) F D Fst2 C Ff C Fp2 Die Passivkraft F p (siehe . Abb. 58.17) ist nach . Abb. 58.23 aus der Schnittkraft F c und dem Neigungswinkel s bestimmt: Fp D Fc tan ı

(58.46)

Die mittlere Schnittleistung Pc an der Frässpindel ist abhängig von der spezifischen Schnittkraft kc , von Schnittbreite ae und Schnitttiefe ap sowie von der Vorschubgeschwindigkeit vf : Pc D

kc ap ae vf 6  107 Pc kc N kW mm2

ap ; ae mm

vf mm min

(58.47)

58

1211 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Tabelle 58.6 Richtwerte für spezifisches Spanungsvolumen V spez Werkstoff

Vspez in

E 295

cm3 kW min

Werkstoff

Vspez in

14–18

EN-GJL-250

20–30

E 335

12–16

Sphäroguss

20–25

E 360

10–12

Cu Zn-Leg

35–50

Ni-Stahl

10–12

Al-Knetleg.

45–65

cm3 kW min

Die Antriebsleistung Pm ist um den Wirkungsgrad  größer als Pc   D 0;6–0;9I Pm D Pc =. Die spezifische Schnittkraft kc ist abhängig vom zu fräsenden Werkstoff, von der Zerspangeometrie und von der Mittenspanungsdicke hm . Die spezifische Schnittkraft kc kann mit (58.1) in 7 Abschn. 58.1.1 Drehen bestimmt werden, ebenso ein Mittelwert der Schnittkraft F c nach (58.6) in 7 Abschn. 58.1.1. Für den Spanungsquerschnitt A ist dann (58.11) aus diesem p Kapitel zu verwenden. Es ist hm D fz ae =d d. h. je größer d, um so kleiner hm , damit ist aber auch kc größer, also ungünstiger. Eine vereinfachte Berechnung der Schnittleistung Pc ist möglich mit Richtwerten für das spezifische (zulässige) Spanungsvolumen V spez in cm3 /kW min. V spez ist dasjenige Spanungsvolumen in cm3 , das mit 1 kW Leistung in einer Minute erzielt werden kann: ap ae vf (58.48) Vspez D 1000  Pc ap ; ae vf Pc Vspez cm3 mm mm kW kW min min Darin ist das Spanungsvolumen V je Minute: Vspez D

ap ae vf 1000

(58.49)

und damit die Schnittleistung Pc D

V Vspez

Pc kW

V cm3 min

Vspez cm3 kW min

(58.50)

Richtwerte für das spezifische Spanungsvolumen V spez siehe . Tab. 58.6. 58.1.4.4

Wahl der Schnittgeschwindigkeit und Grundregeln für Fräsen

Richtwerte siehe . Tab. 58.7 mit Bemerkungen. Durch zu hohe Schnittgeschwindigkeit vc werden die Schneiden übermäßig erwärmt und die Standzeit vermindert. Grundregeln Schnittgeschwindigkeit vc beim Schruppen klein, beim Schlichten größer (siehe . Tab. 58.7); Vor-

. Tabelle 58.7 Richtwerte für Schnittgeschwindigkeiten vc in m/min mit Schnellarbeitsstahl und Hartmetall beim Gegenlauffräsen Werkzeug

Stahl

Werkstoffe Al-Leg. Gusseisen ausgehärtet

Mg-Leg.

Walzen- und Walzenstirnfräser

10–25

10–22

150–350

300–500

hinterdrehte Formfräser

15–24

10–20

150–250

300–400

Kreissägen

35–40

20–30

200–400

300–500

Messerkopf mit SS

15–30

12–25

200–300

400–500

Messerkopf mit HM

100–200

30–100

300–400

800–1000

Niedere Werte für Schruppen; für Stirnfräser etwas höhere Werte als für Walzenfräser zulässig; Frästiefe 3 mm bzw. 5 mm bei Walzen- bzw. Stirnfräser, bei Messerkopf bis 8 mm. Höhere Werte für Schlichten. Für Gewindefräsen: Langgewinde 1;3 Wert für hinterdrehte Formfräser, Kurzgewinde 1;5 Wert für hinterdrehte Formfräser. Für Gleichlauffräser Werte 1;75.

. Tabelle 58.8 Richtwerte für Zahnvorschub f z in mm für Schnellarbeitsstahl und Hartmetall beim Gegenlauffräsen Werkzeug

Stahl

Werkstoffe Al-Leg. Gusseisen ausgehärtet

Mg-Leg.

Walzen- und Walzenstirnfräser

0,1–0,25

0,1–0,25

0,05–0,08

0,1–0,15

hinterdrehte Formfräser

0,03–0,04 0,02–0,04

0,02

0,03

Messerkopf mit SS

0,3

0,1–0,3

0,1

0,1

Messerkopf mit HM

0,1

0,15–0,2

0,06

0,06

Die Werte gelten für Frästiefen: 3 mm bei Walzenfräsern, 5 mm bei Walzenstirnfräsern, bis 8 mm bei Messerköpfen, bei Kreissägen für 3 mm Blattbreite bei 10 mm Schnitttiefe, Werte für Messerköpfe mit HM bei Stahl und Gusseisen verdoppeln, wenn die Maschinenleistung hoch genug ist.

schubgeschwindigkeit vf beim Schruppen stabiler Werkstücke durch die Maschinenleistung und zulässige Schnittkräfte, beim Schlichten durch die Oberflächengüte begrenzt, siehe . Tab. 58.8; Wälzfräsen möglichst vermeiden, Stirnfräsen ist wirtschaftlicher, dem Drehen ähnlich; auf guten Rundlauf der Fräser achten; Fräser dicht am Spindelkopf oder am Fräsdornstützlager befestigen; mit Kühlflüssigkeit „schwemmen“; möglichst kleiner Fräserdurchmesser und großer Fräsdorndurchmesser; Schneidenwinkel richtig wählen; Fräser oft schärfen.

1212

Kapitel 58  Zerspantechnik

Schnittleistung

. Tabelle 58.9 Richtwerte für Zähnezahlen an Schnellstahlfräsern Werkzeug

Pc D

Fräserdurchmesser d in mm 10 40 50 60 75 90 110 130 150 200 300

Walzenfräser

6

6

6

6

8

8

10

10

Walzenstirnfräser

8

8

8 10 12 12

14

16

8

8 10 12 12

14

16

Antriebsleistung Pm D

2;31 Pc D kW D 2;9 kW  0;8

Mittlere Schnittkraft

Scheibenfräser

18

Fc D 6  104

hinterdreht Formfräser

8

10 10 10 12 14

16

18

Pc 2;31 D 6  104  N D 8680 N 9  16

Berechnung der Hauptnutzungszeit th Wälzfräsen und Stirnfräsen 58.1.4.5

Schaftfräser

4

6

Messerköpfe

8

10

10

12

L L iD i vf nf vf D nf f D fz z h beim Wälzfräsen iD ae h iD beim Stirnfräsen ap vc n D 318 p d la D ae .d  ae /

(58.53)

für Wälzfräsen nach . Abb. 58.24 q   la  0;5 d  d 2  ap2

(58.54)

16

th D

Zähnezahlen gelten für normale Werkstoffe. Bei zähen und harten Werkstoffen obige Werte etwa 1;5; bei Leichtmetallen etwa 0;8

7 Beispiel

58

V 32;4 kW D 2;31 kW D Vspez 14

Es soll Werkstoff E 335 mit Walzenfräser von 110 mm Durchmesser, z D 8 Zähne (. Tab. 58.9) gefräst werden. Gewählt: m min fz D 0;25 mm vc D 16

Schnitttiefe ae D 3 mm, Schnittbreite ap D 120 mm. Lösung: Fräserdrehzahl vc 16 m nD D D 46;3 min1  d min     0;11 m

für Stirnfräsen ae ap d h i la lü L n f fz vf vc z

eingestellt n D 45 min1 Vorschub je Fräserumdrehung f D fz z D 0;25  8 mm D 2 mm Vorschubgeschwindigkeit vf D f n D 2  45

mm mm D 90 min min

eingestellt vf D 90

mm min

Mittenspanungsdicke r r ae 3 D 0;25  mm hm D fz d 110

Schnitttiefe (mm) Schnittbreite (mm) Fräserdurchmesser (mm) Werkstoffzugabe (mm) Anzahl der Schnitte (mm) Fräseranschnittweg (mm) Fräserüberlaufweg (mm) Arbeitsweg D la C l C lü (mm) Fräserdrehzahl min1 Vorschub (mm) Zahnvorschub (mm) Vorschubgeschwindigkeit (mm/min) Schnittgeschwindigkeit (m/min) Zähnezahl des Fräsers

hm D 0;0412 mm  0;040 mm Spanungsvolumen V D

ap ae vf 3  120  90 cm cm D D 32;4 1000 1000 min min 3

Spezifisches Spanungsvolumen (. Tab. 58.6) Vspez D 14

cm3 kW min

3

. Abb. 58.24 Fräseranschnittweg la beim Wälzfräsen

(58.51)

(58.52)

58

1213 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

Nutenfräsen t L C i vf1 vf2 t iD L ae LDl d tn D

(58.55) (58.56) (58.57)

(58.56) und (58.57) für Schaftfräser, sonst wie beim Walzen l vf 1 vf 2 t

Nutenlänge (Außenmaß) (mm) Tiefenvorschubgeschwindigkeit (mm/min) Längsvorschubgeschwindigkeit (mm/min) Nutentiefe (mm)

. Abb. 58.25 Fräseranschnittweg la beim Abwälzfräsen

Kurzgewinde mit Rillenfräser L g vf L D 3;7d1 th D

Rundfräsen ae  d1 .1;2–1;25/  d1 C  vf1 vf2 vf2 p la D ae .d  ae /

th D

(58.58)

Zahnradfräsen

ae Schnitttiefe (mm) vf 1 Radialvorschubgeschwindigkeit (mm/min) vf 2 Rundvorschubgeschwindigkeit (Umfangsgeschwindigkeit des Werkstücks) (mm/min) d1 Werkstückdurchmesser (mm) la Fräseranschnittweg (mm) d Fräserdurchmesser (mm)

Gewinde- und Schneckenfräsen Langgewinde mit Scheibenfräser L g vf  d1 l LD h th D

(58.60) (58.61)

LD

 d1 l D cos ˛h

l

q  2 d12 C h2 h

(58.62)

für große Steigung tan ˛ D

h d1  

L Arbeitsweg D 7=6 mal Schraubganglänge bei Berücksichtigung des Anschnitts (mm)

(58.59)

für tangentialen Anschnitt

für kleine Steigung

(58.64)

(58.63)

d1 Gewindedurchmesser (genauer mit d2 Flankendurchmesser) (mm) g Gangzahl des Gewindes h Steigung (mm) l Gewindelänge (Zeichnungsmaß) (mm) vf Umfangsvorschubgeschwindigkeit am Durchmesser d (mm/min) L Arbeitsweg (Länge der Schraubenlinie) (mm) ˛ Steigungswinkel der Schraubenlinie

Teilverfahren, wie Langfräsen Wälzfräsverfahren (wie . Abb. 58.25) Lz Li D f ng fn p la D h .d  h/ vc n D 318 d

th D

(58.65) (58.66) (58.67)

d g h l la L m n f i

Fräserdurchmesser (mm) Gangzahl des Fräsers Zahnhöhe (mm) Breite des Zahnrads (mm) Fräseranschnittweg (mm) Arbeitsweg des Wälzfräsers in Zahnrichtung (mm) Modul des Zahnrads (mm) Fräserdrehzahl min1 Vorschub je Zahnradumdrehung (mm) D z=g Übersetzungsverhältnis von Zahnradrohling/ Frässchnecke vc Schnittgeschwindigkeit des Wälzfräsers (m/min) z Zähnezahl des Zahnrads

Schneckenradfräsen (Wälzverfahren) Radialfräsen (Tauchfräsen) th D

af z fr n g

(58.68)

Axialfräsen th D

aw z fa n g

(58.69)

1214

g fa fr af aw la

Kapitel 58  Zerspantechnik

Gangzahl des Wälzfräsers Axialvorschub je Radumdrehung (mm) Radialvorschub je Radumdrehung (mm) Radialzustellung (mm) Axialzustellung (mm) Fräseranschnittweg (mm)

Spanungsvolumen V D

Schnittleistung Pc D

7 Beispiel Eine Fläche mit 600 mm Länge und 180 mm Breite (Fräsbreite) soll mit einem Stirnmesserkopf mit 200 mm Durchmesser in drei Schnitten gefräst werden. Werkstoff EN-GJL-250. SSWerkzeug. Schnitttiefe ap D 5 mm.

58.1.5 58.1.5.1

Gesucht: Hauptnutzungszeit th und erforderliche Schnittleistung Pc überschlägig. Lösung: Schnittgeschwindigkeit (nach . Tab. 58.7) vc D 20

m min

Zahnvorschub (nach . Tab. 58.8)

58

fz D 0;2 mm Drehzahl des Messerkopfs n D 318

vc 20 D 318  D 31;8 min1 d 200

Zähnezahl des Messerkopfs z D 12 nach . Tab. 58.9.

Vorschubgeschwindigkeit vf D nf D 31;8  2;4

mm mm D 76;3 min min

Fräseranschnittweg q

la D 0;5 d  d 2  ae2 p

la D 0;5  200  2002  1802 mm D 56;5 mm Arbeitsweg L D la C l C lü D 56;5 mm C 600 mm C 3;5 mm L D 660 mm Hauptnutzungszeit th D

L 660  3 min D 26 min iD vf 76;3

Spezifisches Spanungsvolumen (nach . Tab. 58.6) Vspez D 30

cm3 kWmin

V 68;7 kW D 2;28 kW 9 D Vspez 30

Bohren Bewegungen

Die umlaufende Bewegung des Werkzeugs führt zur Schnittbewegung, seine in Achsrichtung fortschreitende Bewegung ergibt die Vorschubbewegung. Beide Bewegungen stehen wie beim Drehen unter dem Vorschubrichtungswinkel ' D 90ı (. Abb. 58.26). Beide Bewegungen ergeben wieder die unter dem Wirkrichtungswinkel  zur Schnittrichtung geneigte Wirkbewegung. Entsprechend der Schnitt-, Vorschub- und Wirkbewegung ist auch hier zu unterscheiden zwischen Schnittgeschwindigkeit vc , Vorschubgeschwindigkeit vf und Wirkgeschwindigkeit ve . Mit Bohrerdurchmesser d, Drehzahl n und Vorschub f wird vc D  d n vf D nf

Vorschub je Fräserumdrehung fz D fz z D 0;2  12 mm D 2;4 mm

5  180  76;3 cm3 cm3 D 68;7 1000 min min

(58.70) vc m min

d

n

m min1

vf mm min

f mm

(58.71)

Bei dem meist sehr kleinen Verhältnis vf =vc kann auch hier ve D vc gesetzt werden. Alle Bewegungen liegen wiederum in der sogenannten Arbeitsebene (. Abb. 58.26). Bohren ist auch der Sammelbegriff für Senken, Reiben, Gewindeschneiden, Bohren mit dem Drehmeißel u. a., sodass eine Vielzahl von Werkzeugen und Maschinen zu diesem Zerspanvorgang gehören, z. B. Ständer-, Reihen-, Radial-, Koordinaten-, Gelenkspindel-, Vielspindel-, Sonderbohrmaschinen, Horizontalbohrwerke, Lehrenbohrwerke, Tieflochbohrmaschinen, CNC-Fräsmaschinen. 58.1.5.2

Zerspangeometrie12

Das Bohren mit dem Spiralbohrer ist Schruppen mit der Stirnseite eines zweischneidigen Werkzeugs (z D 2); daher sind nur geringe Anforderungen an die Formgenauigkeit und Maßhaltigkeit der Bohrungen und an die Oberflächengüte möglich. Höhere Oberflächengüte wird durch anschließendes Reiben erreicht. Die Bezeichnungen und Lage der Schneiden, Flächen, Werkzeugwinkel, Geschwindigkeiten und Kräfte zeigt . Abb. 58.26. Der Zerspanvorgang an den beiden 12 Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

58

1215 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Abb. 58.26 Flächen, Schneiden, Werkzeugwinkel, Geschwindigkeiten und Kräfte am Spiralbohrer

Hauptschneiden ähnelt dem Drehen. Jede Hauptschneide wird bei vertikal stehendem Werkzeug schräg nach unten (in Wirkrichtung) unter dem Wirkrichtungswinkel  vorgeschoben. Mit Vorschub f und Werkzeug-Durchmesser d wird tan  D f =.d ). Der Werkzeugspanwinkel 0 des Spiralbohrers liegt durch den Neigungswinkel fest. Da dieser zur Bohrermitte hin abnimmt, wird auch 0 zur Seele hin kleiner. Der Wirkspanwinkel hängt außerdem vom Wirkrichtungswinkel  ab, wie bei jedem Zerspanvorgang. Mit kleiner werdendem Durchmesser d (zur Bohrermitte hin) wird  immer größer. Dadurch verändern sich Wirkfreiwinkel ˛0 und Wirkspanwinkel 0 . Sollen beide Winkel an jeder Durchmesserstelle gleich groß sein, muss der Hinterschliffwinkel an der Freifläche zur Mitte hin größer werden. Üblich ist ein Hinterschliffwinkel von 6ı am Außendurchmesser, zur Spitze hin auf über 20ı ansteigend. Exakte Ausführung ist daher nur auf SpiralbohrerSchleifmaschinen möglich, nicht von Hand. Spitzenwinkel und Neigungswinkel sind für die verschiedenen Werkstoffe aus der Erfahrung heraus festgelegt worden, z. B. für Stahl D 118ı Spitzenwinkel. Der Querschneidenwinkel ist abhängig von der Art des Hinterschliffs. Günstig ist ein Winkel D 55ı . Jede andere Lage der Querschneide vergrößert die Vorschubkraft Ff , ohne das Drehmoment wesentlich zu verändern. Die ungünstigen Zerspanverhältnisse unter der Querschneide (mehr „Reiben“ als „Schneiden“) erfordern bei Stahl und zähen Werkstoffen Ausspitzen der Bohrerspitze, sodass die Querschneide verkürzt wird. Dadurch kann die Vorschubkraft F f (Axialkraft) bis auf ein Drittel verringert werden. Für zähe und harte Werkstoffe ist eine Verjüngung des Bohrers zum Schaft hin nötig, etwa 0,1–0,15 mm auf

100 mm Länge, sonst besteht die Gefahr des Anfressens der Fasen, der Bohrer knirscht. Der Spanungsquerschnitt A für eine Hauptschneide ergibt sich auch beim Bohren aus Schnitttiefe ap und Vorschub f. A D ap fs D

d f df  D 2 2 4

(58.72)

Die obige Gleichung ergibt sich wieder aus der für alle Zerspanvorgänge gültigen Begriffsbestimmung der Schnitttiefe als derjenigen Tiefe des Eingriffs der Hauptschneide, die rechtwinklig zur Arbeitsebene gemessen wird. Nach . Abb. 58.26 ist demnach ap D d=2, und mit fs D fz sin ' wird bei ' D 90ı , fc D fz D f =2 (siehe 7 Abschn. 58.1.4). Für beide Hauptschneiden wird dann 2A D df =2. Der Spanungsquerschnitt A je Hauptschneide ergibt sich auch aus der Berechnung des minütlich gebohrten Spanungsvolumens V. Mit Vorschubgeschwindigkeit vf D nf und Bohrerdurchmesser d ist das Spanungsvolumen V D

d 2  d 2  vf D nf 4 4

(58.73)

Außerdem ist V auch das Produkt aus dem je Hauptschneide erzeugten Spanungsquerschnitt A und der am halben Bohrerdurchmesser herrschenden Schnittgeschwindigkeit vcm . d V D 2 Avcm D 2 A  n 2

vcm D

 d n 2

(58.74)

Werden beide Gleichungen gleichgesetzt, so ergibt sich für den Spanungsquerschnitt A je Hauptschneide:  d 2 d nf D 2 A n 4 2

!

AD

df 4

1216

Kapitel 58  Zerspantechnik

In . Abb. 58.26 wurden von der die Hauptschneide und die Bohrerachse enthaltenden Werkzeug-Bezugsebene ausgehend die Ansichten des Werkzeugs in den anderen Ebenen entwickelt. Siehe auch . Abb. 58.4, 7 Abschn. 58.1.1 und Erläuterungen unter 7 Abschn. 58.1.1 Drehen. 58.1.5.3

Kräfte und Leistungen13

Für das Bohren ins Volle mit ausgespitzten Spiralbohrern geben die Bohrmaschinenhersteller die Bohrleistungen und Kräfte an. Drehmomente und Vorschubkräfte werden mit Hilfe besonderer Messeinrichtungen durch Versuche bestimmt. Der Berechnung liegen folgende vom Drehen hergeleitete Überlegungen zugrunde. Mit der spezifischen Schnittkraft kc beim Bohren wird wie beim Drehen die Schnittkraft Fc D 2Akc D 2 Fc D

58

df kc 2

df kc und daraus 4 Fc d f N

mm mm

Fc d Fc d  D 2 2 4

Pf D

Ff n f 6  107

Pf

Ff

kW

N

n min

f 1

mm

(58.79)

Da die Vorschubgeschwindigkeit vf D nf meist sehr klein ist, kann die Vorschubleistung Pf vernachlässigt werden. Die Antriebsleistung kann dann unter Berücksichtigung des Wirkungsgrads  allein aus der Schnittleistung berechnet werden (Pan D Pc =). Eine Übersicht über die prozentualen Anteile von Drehmoment M und Vorschubkraft F f gibt die folgende Zusammenstellung: Anteil in % mit steigendem Vorschub

kc N mm2

(58.75)

Richtwerte für die spezifische Schnittkraft kc beim Bohren siehe . Abb. 58.27. Die Vorschubkraft F f lässt sich nicht in gleicher Weise wie die Schnittkraft F c bestimmen, weil der Spanungsquerschnitt unter der Querschneide geometrisch schwer zu erfassen ist und F f stark von der Geometrie der Querschneide abhängt. Man rechnet deshalb mit versuchsmäßig aufgestellten Gleichungen, z. B. für E 295 in Abhängigkeit p 3 vom Bohrerdurchmesser d in mm: Ff D 108d d . Greift die Schnittkraft F c nach . Abb. 58.26 je zur Hälfte an der Mitte der Hauptschneiden an, so ergibt sich das für die Schnittleistung Pc maßgebende Drehmoment (Bohrmoment): M D

Die Vorschubleistung Pf ergibt sich aus der Vorschubkraft F f und der Vorschubgeschwindigkeit vf D nf zu

M

Fc

d

Nmm

N

mm

M

Ff

Hauptschneiden

70–90

50–40

Querschneiden

10–5

45–58

Fasen- und Spanreibung

20–5

5–2

Der erhebliche Anteil der Querschneide an der Vorschubkraft muss durch Ausspitzen oder Vorbohren vermindert werden. 58.1.5.4

Wahl von Schnittgeschwindigkeit und Vorschub

Richtwerte für allgemeine Bohrarbeiten . Tab. 58.10 und 58.11 entnommen. 58.1.5.5

(58.76) th D

werden

Berechnung der Hauptnutzungszeit th (Maschinenlaufzeit) L L iD i vf nf

(58.80)

Mit (58.75) ergibt sich auch für gestufte Drehzahlreihe df d d 2 kc f M D kc D 2 4 8

(58.77) th D

Aus der allgemeinen Beziehung: Leistung P D Drehmoment M Winkelgeschwindigkeit ! kann die zugeschnittene Größengleichung für die Schnittleistung Pc entwickelt werden: Mn Fc vcm Pc D D 6 9;55  10 6  104 M n Fc Pc kW Nmm min1

N

(58.78) vcm m min

13 Normen siehe Literaturhinweise am Ende des Abschnitts.

d  L  i vc f

(58.81)

für stufenlosen Antrieb L Arbeitsweg D la C lw C lü (einschließlich An- und Überlauf) (mm) n Drehzahl (min1 ) f Vorschub (mm) vc Schnittgeschwindigkeit (m/min) d Bohrerdurchmesser (mm) i Schnittzahl vf Vorschubgeschwindigkeit (mm/min)

60º

0,063

45º

90º

30º

45º

0,1 60º 90º

30º

60º

0,16 45º

90º

30º 60º

0,25 45º

90º

30º

45º

0,4 60º 90º

30º 60º

0,63 45º 90º

30º

45º

1 60º

90º

4 650 4 300 4 100 4 000 4 200 3 900 3 700 3 610 3 800 3 530 3 370 3 290 3 450 3 220 3 080 3 000 3 150 2 940 2 820 2 750 2 880 2 670 2 530 2 460 2 600 2 400 2 300 2 240

6 000 5 450 5 150 5 000 5 300 4 880 4 620 4 500 4 750 4 370 4 120 4 000 4 250 3 890 3 660 3 550 3 780 3 450 3 250 3 150 3 350 3 060 2 890 2 800 2 980 2 720 2 580 2 500

600

730

600

590

34 Cr Mo 4

42 Cr Mo 4

50 Cr V 4

15 Cr Mo 5

850 ... 1 000 4 900 4 530 4 310 4 200 4 420 4 100 3 900 3 800 4 000 3 710 3 440 3 450 3 620 3 380 3 220 3 150 3 300 3 080 2 920 2 850 3 000 2 780 2 660 2 600 2 720 2 550 2 440 2 380

4 120 3 880 3 740 3 660 3 810 3 590 3 450 3 390 3 520 3 320 3 200 3 130 3 260 3 070 2 950 2 900 3 010 2 850 2 740 2 680 2 790 2 630 2 520 2 470 2 580 2 420 2 340 2 290

5 460 5 000 4 700 4 560 4 850 4 440 4 210 4 100 4 330 3 980 3 730 3 610 3 860 3 500 3 300 3 190 3 400 3 100 2 910 2 820 3 000 2 730 2 580 2 500 2 650 2 430 2 290 2 220

4 800 4 500 4 300 4 200 4 400 4 120 3 940 3 850 4 030 3 770 3 610 3 530 3 690 3 460 3 320 3 250 3 390 3 180 3 060 3 000 3 120 2 940 2 840 2 780 2 890 2 730 2 630 2 580

520

490

475

470

480 455

. Abb. 58.27 Richtwerte für die spezifische Schnittkraft beim Bohren

Mg-Gussleg.

435

430

440

420

405

400

410

390

370

920

360

900

380

950

350

335

820

880

980

1 480 1 360 1 280 1 250 1 320 1 220 1 150 1 120 1 180 1 090 1 030 1 000 1 060

Al-Gussleg.

300 ... 420

820 940

880 980

950

1 500 1 380 1 320 1 300 1 350 1 280 1 220 1 200 1 250 1 180 1 120 1 100 1 150 1 080 1 020 1 000 1 050

900

1 480 1 360 1 280 1 250 1 320 1 220 1 150 1 120 1 180 1 090 1 030 1 000 1 060

Cu Sn Zn-Gussleg.

Cu Sn Zn-Knetleg.

920

330

800

920

800

340

320

780

900 850

780

850 960

305

730

870

730

300

710

850

710

310

750

880

750

300

700

840

700

285

670

800

670

280

650

780

650

Cu Sn-Gussleg.

980

2 650 2 440 2 300 2 240 2 370 2 180 2 060 2 000 2 120 1 950 1 850 1 800 1 900 1 750 1 650 1 600 1 700 1 560 1 500 1 460 1 530 1 420 1 350 1 320 1 390 1 290 1 230 1 200

3 200 3 010 2 880 2 820 2 950 2 760 2 650 2 600 2 710 2 550 2 450 2 400 2 500 2 360 2 280 2 240 2 320 2 200 2 100 2 060 2 150 2 030 1 960 1 920 2 000 1 890 1 830 1 800

Temperguss

950

2 800 2 570 2 430 2 360 2 500 2 300 2 180 2 110 2 240 2 060 1 930 1 870 2 000 1 820 1 710 1 660 1 760 1 610 1 520 1 470 1 560 1 430 1 340 1 300 1 380 1 280 1 200 1 160

970

1 940 1 800 1 710 1 670 1 760 1 630 1 550 1 510 1 590 1 480 1 400 1 370 1 440 1 340 1 280 1 250 1 310 1 220 1 170 1 140 1 200 1 120 1 060 1 040 1 090 1 020

GE 260

EN - GJL - 250

2 920 2 720 2 610 2 560 2 670 2 510 2 410 2 360 2 460 2 320 2 220 2 180 2 270 2 140 2 040 2 000 2 090 1 960 1 900 1 860 1 930 1 820 1 750 1 720 1 790 1 690 1 630 1 600

3 200 3 010 2 880 2 820 2 950 2 760 2 650 2 600 2 710 2 550 2 450 2 400 2 500 2 360 2 280 2 240 2 320 2 200 2 100 2 060 2 150 2 030 1 960 1 920 2 000 1 890 1 830 1 800

500 ... 700

GE 240

EN - GJL - 150

3 950 3 720 3 570 3 500 3 640 3 420 3 270 3 190 3 340 3 130 3 010 2 940 3 070 2 880 2 750 2 680 2 810 2 620 2 500 2 450 2 560 2 400 2 300 2 240 2 350 2 200 2 110 2 060

300 ... 500

Hartguss

7 150 6 600 6 270 6 100 6 440 5 950 5 650 5 500 5 800 5 370 5 100 4 980 5 240 4 860 4 620 4 500 4 740 4 400 4 180 4 080 4 290 3 980 3 800 3 700 3 890 3 620 3 440 3 360

600 ... 700

Mn-Hartstahl

Nichtrost. St.

Cr Mo - u.a leg.St. 1 000 ... 1 400 5 150 4 780 4 560 4 450 4 670 4 350 4 150 4 050 4 250 3 960 3 790 3 700 3 880 3 610 3 440 3 350 3 520 3 280 3 160 3 100 3 220 3 030 2 910 2 850 2 970 2 800 2 680 2 620

Mn-, Cr Ni

5 150 4 720 4 450 4 320 4 590 4 200 3 950 3 830 4 080 3 720 3 500 3 400 3 610 3 300 3 120 3 020 3 210 2 930 2 750 2 660 2 840 2 580 2 440 2 360 2 510 2 300 2 160 2 100

630

16 Cr Ni 6

6 300 5 680 5 320 5 150 5 500 4 980 4 660 4 510 4 820 4 350 4 060 3 920 4 200 3 800 3 550 3 410 3 660 3 300 3 100 3 000 3 200 2 900 2 700 2 590 2 800 2 520 2 340 2 260

3 950 3 690 3 530 3 450 3 610 3 380 3 230 3 150 3 300 3 100 2 980 2 920 3 040 2 860 2 750 2 700 2 810 2 650 2 550 2 490 2 600 2 450 2 350 2 300 2 400 2 260 2 180 2 130

770

770

670

C 45, C 45 E

C 60, C 60 E

6 300 5 680 5 320 5 150 5 500 4 980 4 660 4 500 4 820 4 350 4 060 3 920 4 200 3 800 3 550 3 410 3 660 3 300 3 100 2 990 3 200 2 900 2 700 2 600 2 800 2 520 2 340 2 260

3 600 3 450 3 320 3 260 3 380 3 200 3 100 3 040 3 150 2 990 2 890 2 840 2 940 2 800 2 700 2 660 2 750 2 620 2 540 2 500 2 580 2 460 2 380 2 340 2 420 2 310 2 250 2 220

720

E 360

16 Mn Cr 5

4 900 4 470 4 220 4 100 4 350 3 980 3 730 3 610 3 850 3 500 3 300 3 190 3 400 3 100 2 900 2 830 3 000 2 740 2 580 2 500 2 650 2 430 2 300 2 240 2 360 2 180 2 060 1 990

3 850 3 620 3 460 3 380 3 540 3 300 3 150 3 080 3 230 3 010 2 890 2 830 2 950 2 780 2 670 2 620 2 730 2 580 2 480 2 440 2 530 2 400 2 310 2 270 2 350 2 220 2 140 2 110

520

620

E 295

3 200 3 010 2 880 2 820 2 950 2 760 2 650 2 600 2 710 2 550 2 450 2 400 2 500 2 360 2 280 2 240 2 320 2 200 2 100 2 060 2 150 2 030 1 960 1 920 2 000 1 890 1 830 1 800

30º

bis 500

Rm in N/mm2

spezifische Schnittkraft kc in N/mm2 bei Vorschub f in mm und Einstellwinkel κr

E 335

S 275 JR

Werkstoff

Zugfestigkeit

58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide 1217

58

1218

Kapitel 58  Zerspantechnik

. Tabelle 58.10 Richtwerte für allgemeine Bohrarbeiten (Werkzeuge aus Schnellarbeitsstahl) Werkstoff

Arbeitsstufe

Art des Werkzeugs

Gusseisen Bohren ins Volle Spiralbohrer bis ENSenker GJL-250 Senken

E 335

58

Vorschübe f in mm

28–18 20–16

Werkzeugdurchmesser in mm 5

6,3

8

10

12,5 16

20

25

31,5 40

0,16 0,18

0,2

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4

0,25 0,28

0,28 0,32 0,32 0,36 0,36 0,4

0,4

50

0,45 0,5

63

80

0,56 0,63

0,45 0,45 0,5

0,5

Abflachen

Abflächmesser 12,5–10 oder Zapfensenker

0,5

0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1

Reiben

Reibahle

12,5–10

0,8

0,8

0,9

0,9

1,0

1,0

1,12 1,12 1,25 1,25 1,4

Ausbohren, Schruppen

Bohrstange

20















Ausbohren, Schlichten

Bohrstange

25









0,18 0,2

Feinbohren

31,5









0,16 0,18 0,18 0,2

Bohren ins Volle Spiralbohrer

28–25

0,11 0,12

0,14 0,16 0,18 0,2

Senken

Senker

22,4

0,36 0,36

0,4

Abflachen

Abflächmesser 12,5–10 oder Zapfensenker

0,05 0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1

0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2

Reiben

Reibahle

8–6,63

0,4

0,45

0,5

0,56 0,63 0,71 0,8

0,9

1,0

Ausbohren, Schruppen

Bohrstange

31,5













0,28 0,32 0,32 0,36 0,36

Ausbohren, Schlichten

Bohrstange

40









0,14 0,16 0,18 0,2

50









0,12 0,14 0,16 0,18 0,2

56–35,5

0,12 0,14

0,16 0,18 0,2

31,5

0,36 0,36

0,4

Feinbohren CuZn-, Bohren ins Volle Spiralbohrer CuSn-LeSenker gierungen Senken

LeichtmetallAl-Leg.

Schnittgeschwindigkeit vc in m/min

0,4

0,4



1,4

0,2



0,5

0,45

0,56 0,56 0,63 0,63 0,7

1,1

1,25 1,4

1,6

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,22 0,22 0,25 0,26

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4

0,45 0,45 0,5

0,45

0,32 0,22 0,25 0,25

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4 0,5

1,6

0,28 0,32 0,32 0,36 0,36

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4

0,45 0,45 0,5



0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2

0,45 0,5

0,56 0,56 0,63 0,63 0,63

Abflächen

Abflächmesser 25–20 oder Zapfensenker

0,05 0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1

Reiben

Reibahle

14

0,8

0,8

0,9

1,0

1,0

1,12 1,12 1,25 1,25 1,25 1,4

Ausbohren, Schruppen

Bohrstange

50













Bohren ins Volle Spiralbohrer

160–125

0,16 0,18

0,2

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4

Senken

Senker

80–63

0,25 0,28

0,28 0,32 0,32 0,36 0,36 0,4

Abflächen

Abflächmesser 50–28 oder Zapfensenker

0,05 0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1

Reiben

Reibahle

25

0,8

0,8

0,9

0,9

1,0

1,0

1,12 1,12 1,25 1,25 1,4

Ausbohren, Schruppen

Bohrstange

140–125













0,25 0,25 0,28 0,28 0,32 0,32 0,36

Ausbohren, Schlichten

Bohrstange

80–63









0,14 0,16 0,18 0,2

140–125









0,12 0,14 0,16 0,18 0,2

Feinbohren



0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 1,4

1,6

0,28 0,28 0,32 0,32 0,36 0,36

0,4

0,45 0,5

0,56 0,63

0,45 0,45 0,5

0,5

0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 1,4

1,6

0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,2

0,22 0,22 0,22

58

1219 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Tabelle 58.11 Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit vc und den Vorschub f beim Bohren Werkstoff

S 235 JR, C22

Zugfestigkeit Rm in N/mm2

bis 500

Schneidwerkzeug

Schnittgeschwindigkeit vc in m/min

Vorschub f in mm bei Bohrerdurchmesser bis 4

>4–10

>10–25

>25–63

SS

35–30

0,18

0,28

0,36

0,45

P 30

80–75

0,1

0,12

0,16

0,2

SS

30–25

0,16

0,25

0,32

0,40

P 30

75–70

0,08

0,1

0,12

0,16

SS

25–20

0,12

0,2

0,25

0,32

P 30

70–65

0,06

0,08

0,1

0,12

SS

20–15

0,11

0,18

0,22

0,28

P 30

65–60

0,05

0,06

0,08

0,01

SS

18–14

0,1

0,16

0,02

0,25

P 30

40–30

0,025

0,03

0,04

0,05

SS

14–12

0,09

0,14

0,18

0,22

P 30

30–25

0,02

0,025

0,03

0,04

SS

12–8

0,06

0,1

0,16

0,2

P 30

25–20

0,016

0,02

0,025

0,03

SS

30–25

0,16

0,22

0,32

0,45

P 30

80–60

0,03

0,05

0,08

0,12

SS

25–20

0,12

0,18

0,25

0,36

P 30

60–40

0,025

0,04

0,06

0,1

SS

35–25

0,16

0,25

0,4

0,5

K 20

90–70

0,05

0,08

0,12

0,16

SS

25–20

0,12

0,2

0,3

0,4

K 10

40–30

0,04

0,06

0,1

0,12

SS

25–18

0,1

0,16

0,25

0,4

K 10

60–40

0,03

0,05

0,08

0,12

Cu Sn Zn-Leg.

SS

75–50

0,12

0,18

0,25

0,36

Cu Sn-Guss-Leg.

K 20

85–60

0,06

0,08

0,1

0,12

Cu Zn-Guss-Leg.

SS

60–40

0,1

0,14

0,2

0,28

K 20

100–75

0,06

0,08

0,1

0,12

SS

200–150

0,16

0,25

0,3

0,4

K 20

300–250

0,06

0,08

0,1

0,12

S 275 JQ E 295, C 35

500–600

E 335, C 45

600–700

E 360, C 60

700–850

Mn-, Cr Ni- Cr Mo- und andere legierte Stähle

700–850

850–1000

1000–1400

GE 240

GE 260

EN-GJL-150

EN-GJL-250

Temperguss

Al-Guss-Leg.

SS Schnellarbeitsstahl P 30, K 10, K 20 Hartmetalle

300–500

500–700

1220

Kapitel 58  Zerspantechnik

Zu bestimmen sind Hauptnutzungszeit und Schnittleistung. Lösung: Drehzahl n D 318 

22 vc D 318  min1 D 233 min1 d 30

einstellbar sind n D 250 min1 nach Drehzahlreihe. Arbeitsweg

. Abb. 58.28 Arbeitsweg L beim Bohren

L D la C lw C lü D .10 C 45 C 2/ mm D 57 mm Stoff



r ı

ı

cot r

la D ap cot r

Stahl und Gusseisen

118

59

0,6

1 3

.d  di /

Alu-Leg.

140ı

70ı

0,365

1 5

.d  di /

Mg.-Leg.

100ı

50ı

0,839

1 2

.d  di /

Marmor

80ı

40ı

1,192

2 3

.d  di /

Hartgummi

30ı

15ı

3,732

2 .d  di /

Hauptnutzungszeit th D

Die spezifische Schnittkraft beträgt nach . Abb. 58.27 für die gegebenen Größen: kc D 1529 N/mm2 und damit nach (58.75) die Schnittkraft Fc D

58

57 L D min D 0;57 min  0;6 min nf 0;4  250

Zur Bestimmung des Arbeitsweges L (. Abb. 58.28) sind folgende Zuschläge für An- und Überlaufweg bei durchgehenden Bohrungen zu machen: Arbeitsvorgang

An- und Überlaufweg

Bohren mit Spiralbohrer ins Volle

1 Bohrerdurchmesser C 2 mm 3

Senken oder Aufbohren

1 Werkzeugdurchmesser C 2 mm 10

Reiben mit Maschine

Länge des Führungsteils der Reibahle

Gewindeschneiden mit Maschine

Länge des Gewindeteils des Bohrers

Ausbohren mit Meißel

3–4 mm

N d f 30 mm  0;4 mm kc D  1520 D 9120 N 2 2 mm2

Mit (58.76) beträgt das Drehmoment (Bohrmoment) M D Fc 

30 mm d D 9120 N  D 68:400 Nmm 4 4

und damit die Antriebsleistung Pc D

Bei der Drehzahlermittlung sind für die kleinen Bohrerdurchmesser die hohen, für die großen Bohrerdurchmesser die niedrigen Schnittgeschwindigkeiten zugrunde zu legen. Beim Bohren tiefer Bohrungen sind die Vorschübe nach der Aufstellung in . Tab. 58.12 herabzusetzen. 58.1.6

7 Beispiel Mit einem Spiralbohrer (Einstellwinkel r D 60ı  halber Spitzenwinkel D 118ı ) ist eine Grundbohrung mit 30 mm Durchmesser und 45 mm Tiefe aus dem Vollen in Gusseisen EN-GJL-250 zu bohren. Der Vorschub soll f D 0;4 mm bei ca. 22 m/min Schnittgeschwindigkeit betragen.

Mn 68:400  250 kW D kW D 1;79 kW 9 9;55  106 9;55  106

Hartbearbeitungen durch Drehen, Bohren und Fräsen

Lange Zeit dachte man bei der spanabhebenden Bearbeitung gehärteter Stähle nur an eine Schleifbearbeitung. Die Entwicklung der hoch- bzw. superharten

. Tabelle 58.12 Herabsetzung der Vorschübe beim Bohren tiefer Bohrungen Bohrerdurchmesser

Bohrtiefe bis zum

Bohrtiefe vom

Bohrtiefe über

bis 20 mm

 5-fachen Bohrerdurchmesser

5–8-fachen Bohrerdurchmesser

8-fachen Bohrerdurchmesser

bis 32 mm

 4-fachen Bohrerdurchmesser

4–6,3-fachen Bohrerdurchmesser

6,3-fachen Bohrerdurchmesser

bis 50 mm

 3;15-fachen Bohrerdurchmesser

3,15–5-fachen Bohrerdurchmesser

5-fachen Bohrerdurchmesser

bis 80 mm

 2;5-fachen Bohrerdurchmesser (1-facher Vorschubwert)

2,5–4-fachen Bohrerdurchmesser (0,8-facher Vorschubwert)

4-fachen Bohrerdurchmesser (0,5-facher Vorschubwert)

1221 58.1  Zerspanen mit geometrisch bestimmter Schneide

. Tabelle 58.13 Vor- und Nachteile der Hartbearbeitung mit geometrisch bestimmter Schneide Vorteile

Nachteile

 hohe Formflexibilität  Trockenbearbeitung möglich  hohes Zerspanvolumen  kein Schleifbrand und keine Risse  geringerer Energieverbrauch  geringere Maschineninvestitionen

 Schneidenausbrüche senken  Prozesssicherheit  kein „Ausfunken“ möglich, da Mindestschnitttiefe erforderlich  hohe Passivkräfte erfordern steife Maschinen  Bildung von martensitischen Weißschichten  Oberflächentopologien unterschiedlich (Drall beim Drehen)

Schneidstoffe CBN (Kubisches Bornitrid, siehe auch 7 Abschn. 15.3.3.16 „Schneidstoffe“ und 7 Abschn. 18.2 „Keramische Werkstoffe“) und PKB (Polykristallines kubisches Bornitrid) führte seit den 1980er Jahren zur Zerspanung dieser Werkstoffe mit geometrisch bestimmten Schneiden. Seit dieser Zeit wird die Bearbeitung gehärteter Werkstoffe mit einer Härte über 50 HRC als Hartbearbeitung oder Hartzerspanung bezeichnet. Sie wird sowohl beim Drehen als auch beim Bohren und Fräsen eingesetzt. Die größte Bedeutung hat hier das Hartdrehen. Während das Hartdrehen bis vor einigen Jahren beinah ausschließlich in der Einzel- und Kleinserienfertigung eingesetzt wurde, wird es heute zunehmend auch für Großserien und in der Massenfertigung angewendet. In der Regel bestehen Vorteile für den Einsatz des Hartdrehens dann, wenn in einer Aufspannung mehrere unterschiedliche Geometrieoder Formelemente (konisch, zylindrisch, . . . ) bearbeitet werden müssen. Bei der Bearbeitung in einer Aufspannung sind sehr gute Lagegenauigkeiten der Funktionsflächen erreichbar. Weiterhin sind Hartdrehprozesse für die Innenund die Außenkonturbearbeitung von großer Bedeutung. Vor- und Nachteile der Bearbeitung gehärteter Bauteile durch das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Hartdrehen gegenüber Schleifverfahren können wie folgt zusammengefasst werden, siehe . Tab. 58.13. 58.1.6.1

. Abb. 58.29 Hartdreh-Teilefamilie „Sitzventil-Verschlusskolben“ [Till Hydraulik, Helmstedt]

so Leckagen verhindert. Technologisch stellen diese Verschluss-kolben eine Teilefamilie dar. Aufgrund ähnlicher Geometrie und Abmessung können sie auf denselben Maschinen mit ähnlichen Fertigungsfolgen bearbeitet werden können. . Abb. 58.30 zeigt die beiden Kernkomponenten einer solchen Verschlusskolben-Sitz-Kombination. Charakteristisch für die Teilefamilien sind die teilweise unterschiedlichen Kegelgeometrien in Verbindung mit zylindrischen Führungsflächen. Die Dichtheit eines Sitzventils wird hierbei insbesondere von der Einhaltung engster Form-, Maßund Lagetoleranzen ( 0;2) 4 Beim langsamen Bewegen Neigung zu Stick-slipErscheinungen (Ruckgleiten) 4 Auftreten von Verschleiß 4 Keine Spielfreiheit, ausgenommen Dach- und V-Führungen 61.2.2.1

Reibungs- und Bewegungsverhalten von Gleitführungen

Dieses hängt von folgenden Faktoren ab: 4 Gleitgeschwindigkeit x 0 4 Belastung F 4 Oberflächengüte der aufeinander gleitenden Flächen 4 Anzahl, Form und Anordnung der Schmiertaschen 4 Art und Zusammensetzung des Schmiermittels 4 Werkstoffpaarung 4 Bauform der Führungsbahnen 4 Gleitweg (Verschleiß)

Reibung bei monotoner Bewegung In . Abb. 61.14 ist die Reibungszahl  als Funktion der Gleitgeschwindigkeit x 0 zwischen zwei aufeinander gleitenden Flächen dargestellt. In Abschnitt I, Kurve oben links (geringe Geschwindigkeit nach dem Stillstand) sind die Rauigkeitsspitzen noch ineinander verhakt, Skizze I im Bild oben rechts. Der Schmierspalt ist sehr klein gegenüber den Rautiefen beider Flächen. Mit Vergrößerung der Gleitgeschwindigkeit schließt sich das Gebiet der Mischreibung an, Skizze II im Bild oben

rechts. Dort ist der Flüssigkeitsfilm teilweise unterbrochen, da x 0 noch nicht ausreicht, um ein hydrodynamisches Verhalten zu erreichen. Dies ist das Arbeitsgebiet der Gleitführungen an Werkzeugmaschinen. Erst bei großen Gleitgeschwindigkeiten tritt Flüssigkeitsreibung auf, Skizze III im Bild oben rechts. Diese entsteht bei Werkzeugmaschinen nur in Ausnahmen, z. B. bei Arbeitstischführungen von Langhobelmaschinen, da diese eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit benötigen. Im Bereich der Mischreibung gelten folgende Beziehungen: ges

  FHy FHy FR C fl D tr 1  FN FN FN

(61.4)

dabei ist FN D FG C F FHy D 6  bG lG2 kp

(61.5) 0

x h20

(61.6)

Es bedeuten: FG F FN FR F Hy tr fl  ges x0 h0 bG lG

Gewichtskraft [N] äußere Belastung [N] Normalkraft [N] Reibungskraft [N] Flüssigkeitstragkraft [N] Reibungszahl für trockene Reibung ( 0;2–0,4) Reibungszahl für Flüssigkeitsreibung ( 0;002) dynamische Schmiermittelviskosität [Ns=mm2 ] wirksame Reibungszahl bei Mischreibung Gleitgeschwindigkeit [mm/s] Schmierfilmhöhe [mm] Breite des Gleiters [mm] Länge des Gleiters [mm]

61

1265 61.2  Geradführungen in Werkzeugmaschinen

. Tabelle 61.1 Konstante für seitliche Leckverluste bei hydrodynamischen Gleitführungen bG = lG

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

1,0

0

0,04

0,06

0,11

0,15

0,2

0,44

Konstante für seitliche Leckverluste (siehe . Tab. 61.1) Konstante für Spaltform  0;025

kp

Bei der Auslegung des Schlittenantriebes muss beachtet werden, dass nach längeren Schlittenstillstandszeiten eine größere Startreibkraft zur Überwindung der Haftreibung erforderlich ist. 61.2.2.2

Stick-slip-Bewegungen

Die Ausgangsbedingungen für das Entstehen des Stickslip-Effektes sind Mischreibung und kleine Gleitgeschwindigkeiten x 0 . Das Kennzeichen dieses Effektes sind ein periodisch wechselndes Haften und Gleiten des Arbeitsschlittens trotz einer kontinuierlichen Antriebsbewegung. Die Auswirkungen sind meist eine Verschlechterung der Oberflächengüte, Fehler beim Positionieren des Schlittens und damit eine Beeinträchtigung der Arbeitsgenauigkeit und erhöhter Werkzeugverschleiß. In . Abb. 61.15 sind die Verhältnisse beim Stick-slipEffekt dargestellt. Es bedeuten: m x x0 x0 x00 0 x0g kA cA

g k p1 p2 tH tHE tG FV

Masse des Schlittens [kg] Weg des Schlittens unter Stick-slip-Bedingungen [mm] Gleitgeschwindigkeit des Schlittens [mm/s] Weg des (unendlich steifen) Antriebes Geschwindigkeit des Antriebes Grenzgeschwindigkeit Dämpfungsfaktor [kg/s] Ersatzfedersteife von Gewindespindel, Mutter, Spindelbefestigung mit Axiallager und Lageraufnahme [N/mm] Erdbeschleunigung [mm/s2 ] Reibungszahl der Bewegung Reibungszahl beim Gleitvorgang Reibungszahl beim Haften des Schlittens Zeit des Haftens [s] Zeit des Haftens nach dem Einschalten [s] Zeit des Gleitens [s] Vorschubkraft [N]

Ablauf Im Stillstand haftet der Schlitten mit der Reibungszahl p2 . Nach dem Einschalten des Antriebs A wird von diesem die Geschwindigkeit x00 vorgegeben. Das elastische Antriebssystem, durch die Ersatzfedersteife cA dargestellt, spannt sich gegen die ruhende Masse m, bis die Kraft F V

so groß geworden ist, dass die Reibungskraft überwunden wird. Bei der nunmehr zu schnellen Schlittenbewegung wirkt die Reibungszahl p1 . Dieser Vorgang wird Einschaltsprung genannt. Dieser geht nach wenigen Perioden in den stabilisierten Laufsprung über (im Bild unter 3) dargestellt. Aus dem Ersatzmodell 2) ergibt sich unter Vernachlässigung der Dämpfungskraft kA x 0 : m  x 00 C cA .x0  x/ D m  g  k m

x mm kg s2

cA N mm

x0

x

g mm mm mm s2

k

(61.7)



0 , Von großer Bedeutung ist die Grenzgeschwindigkeit x0g bei deren Unterschreitung der Stick-slip-Effekt auftritt:

k  g 0 D q x0g cA m

m

cA N kg mm

g mm s2

k –

0 x0g mm s

(61.8)

0 zu einem niedrigen Geschwindigkeitswert zu verUm x0g schieben, sind folgende Maßnahmen erforderlich: 4 Einsatz geeigneter Werkstoffpaarungen 4 Einsatz legierter Gleitbahnöle 4 Hohe Steife des Vorschubantriebes 4 Hohe Dämpfung in den Gleitfugen 4 Geringe Massen des Arbeitsschlittens einschließlich Spanneinrichtungen, Werkstücke oder Werkzeuge 4 Geringe Belastungen

Bei der Werkstoffpaarung Stahl oder Gusseisen gegen Epoxydharz oder analoge Kunststoffe wird die Grenzgeschwindigkeit weit herabgesetzt. 61.2.2.3

Konstruktive Ausführung von Gleitführungen

Werkstoffe und Werkstoffpaarungen Zur Anwendung kommen: 4 Grauguss bis 50 HB mit guten Notlaufeigenschaften 4 Wälzlagerstahl und Einsatzstähle, gehärtet auf 50 ˙ 4 HRc, Einsatz in Leistenform oder Blechstreifen, geringer Verschleiß, schlechte Notlaufeigenschaften 4 Kunststoff, meist Epoxydharz oder Teflon, ergibt keinen Fressverschleiß, setzt die Grenzgeschwindigkeit des Auftretens von Stick-slip erheblich herab. Beim eingesetzten Kunststoff ist darauf zu achten, dass die Neigung zum „Quellen“ in Grenzen bleibt.

1266

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.15 Der Stick-slip-Effekt (das Ruckgleiten)

61 Mögliche Werkstoffpaarungen (Bettführung/Schlittenführung) sind: Gusseisen/Gusseisen, Gusseisen gehärtet/Gusseisen, Stahl gehärtet/Gusseisen, Gusseisen/Stahl gehärtet, Gusseisen/Kunststoff, Stahl gehärtet/Kunststoff.

Bearbeitung Die Endbearbeitung der Führungsbahnen kann je nach Werkstoff und dessen Zustand durch Umfangsschleifen, Stirnschleifen, Feinfräsen, Schaben (Schlitten-Unterseite), Feinhobeln erfolgen. Beim Einsatz von Epoxydharz für die Schlittenunterseiten-Führung ist das Abformen gegen den metallischen Gleitpartner durch Gießen bei einer Dicke von 1,5–2 mm eine geeignete Technologie. Die zu beschichtende Fläche kann gehobelt oder gefräst werden, muss aber unbedingt fettfrei sein. Für metallische Führungsbahnoberflächen sollte die Rautiefe Rz zwischen 1,6 und 10 *m liegen.

Schmierung In . Abb. 61.16 sind unter 1) oben links die günstigste Form und die Abmessungshinweise dargestellt. Es gilt: 4 Die Schmiertaschen sollten quer zur Bewegungsrichtung liegen (keine zickzackförmigen Nuten anwenden) 4 Jeweils am Führungsbahnende sollte eine Tasche angeordnet sein

4 Der Taschenabstand sollte kleiner als der minimalste Schlittenweg sein 4 Die Schmiermittelzufuhr sollte zu jeder Tasche direkt über eine Bohrung erfolgen. Wenn nicht möglich, soll nur eine Längsnut als Verbindungsnut vorgesehen werden.

Spieleinstellung Hier liegen die Erfahrungswerte für kleine und mittlere Werkzeugmaschinen bei einem Spiel s  10 *m, bei großen Werkzeugmaschinen bei s  80 *m. Zur Führungseinstellung werden eine 2) oder zwei Keilleisten 3) oder Druckleisten mit Druck- und Zugschrauben angewendet. Zur Spieleinstellung im Umgriff können auf einfache Weise Beilagen 4) oder ebenfalls Druckleisten mit Druckund Zugschrauben 5) zum Einsatz kommen.

Führungsbahnschutz Dem Schutz bzw. der Abdeckung von Führungsbahnen kommt bei Einsatz an Werkzeugmaschinen eine erhebliche Bedeutung zu. Dies ergibt sich besonders durch die in den letzten Jahren erhebliche Steigerung der Zerspanleistung, die breiter werdende Anwendung der Hochgeschwindigkeitszerspanung und den Einsatz von Kühlschmiermitteln mit hohem Druck und großem Förderstrom besonders beim Schleifen. Möglichkeiten des Schutzes sind:

1267 61.2  Geradführungen in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.16 Schmiertaschengestaltung, Spieleinstellung und Führungsbahnschutz . Abb. 61.17 Beispiele ausgeführter Schlitten-Gleitführungen

4 Abstreifer bei offenliegenden Führungsbahnen, . Abb. 61.16, unter 6), z. B. an konventionellen Drehmaschinen 4 Faltenbälge oder Rollos 4 Teleskopabdeckung mit Blechen aus nichtrostendem Stahl als sicherste, wenn auch aufwendige Lösung.

Beispiele von Gleitführungen In . Abb. 61.17 sind eine Flachführung als Schmalführung 1) und eine Schwalbenschwanzführung 2) dargestellt.

61.2.3 61.2.3.1

Wälzführungen Prinzip

Zwischen den Führungsflächen des bewegten (Arbeitsschlitten) und des feststehenden Teils (Bett, Gestell, Kasten) befinden sich Wälzkörper. Diese können 4 Kugeln 4 Rollen 4 Nadeln

61

1268

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.18 Bauarten von Wälzführungen [Fotos oben rechts: Schneeberger AG, Roggwil, Schweiz]

61

sein. Wälzführungen finden wegen ihrer Vorteile zunehmend Anwendung an Werkzeugmaschinen, besonders an CNC-Maschinen. Günstig dabei ist, dass Wälzführungen ähnlich wie bei Kugelgewindetrieben von spezialisierten Zulieferfirmen einbaufertig angeboten werden. Weitere Vorteile sind 4 Hohe Positioniergenauigkeit, da Reibungszahl   0;05. Dadurch kein Auftreten von Stick-slip! 4 Meist Fettschmierung „for life“ ausreichend 4 Sehr geringer Verschleiß 4 Durch Vorspannung spielfreies Arbeiten auch unter voller Belastung und Steifigkeitserhöhung Als Nachteile gelten 4 Geringe Dämpfung 4 Empfindlichkeit gegen Verschmutzung und Späne, deshalb meist Anwendung der Abdeckung mittels Teleskopblechsystem 4 Aufwand für Vorspannung und Klemmung erforderlich

Geometrischer Grundaufbau Den Aufbau von 4 Kreuzrollenführungen 4 Rollen- oder Nadelführungen 4 Kugelführung zeigt . Abb. 61.18, unter 1) und 2). In . Abb. 61.18 ist unter 1] die Kreuzrollenführung dargestellt, welche sich durch hohe Steife und Führungsstabilität auszeichnet. Das Prinzip wird durch Rollen bestimmt, deren Breite geringer als der Durchmesser ist. Dabei liegt die Achse der ersten Rolle unter dem Winkel 45ı , die der zweiten unter 135ı , der dritten wieder unter 45ı usw. Bei Vorspannung beider Führungsleisten können seitliche Kräfte aus allen Richtungen aufgenommen werden. Unter 2] und 3] sind Rollen- und Nadelführung sowohl als Flach- als auch als V-Führung gezeigt. Die unter 4] gezeigte Kugelführung weist eine hohe Genauigkeit auf, ist aber nicht so hoch belastbar im Vergleich zu Flach- und Kreuzrollenführungen.

61

1269 61.2  Geradführungen in Werkzeugmaschinen

Führungen für begrenzte Weglänge Unter 3) ist in . Abb. 61.18 das Grundprinzip einer Wälzführung für begrenzte Weglänge dargestellt. Die Abbildungen unter 1) bis 3) auf der rechten Seite zeigen Führungsleisten für begrenzte Weglänge als Kreuzrollen-, Rollen und Nadelführungen.

Geeignete Beziehung des Verhältnisses Last : Verformung für Zylinderrollen bei Werkzeugmaschinen (hohe Steifigkeit): 1=a  F dW lWeff D lW  sD b 10 .69:970=fN/ lWeff i s

Führungen für unbegrenzte Weglänge

lw

mm N

Das Grundprinzip einer Wälzführung mit unbegrenzter Weglänge ist unter 4) in . Abb. 61.18 dargestellt. Es basiert auf Wälzkörper-Umlaufeinheiten, bei denen die Wälzkörper in einer umlaufenden endlosen Kette geführt werden (ähnlich den Gleisketten bei Traktoren etc.).

Bewegungs- und Verlagerungsverhalten Entscheidend dafür sind: 4 Qualität der beiden Führungsflächen, besonders hinsichtlich Form- und Lageabweichungen sowie der Oberflächengestalt 4 Maß- und Formgenauigkeit der Wälzkörper (Aussortieren auf gleiche Maßgruppen erforderlich) 4 Präzise Führung der Rollen und Nadeln im Käfig 4 Höchste Parallelität der Führungsflächen 4 Weiches Ein- und Auslaufen der Wälzkörper an den Führungsbahnenden (bei begrenzter Weglänge)

Verformungsverhalten und Vorspannung Kugel zwischen zwei Platten (. Abb. 61.19)  23  F aK kK D 1 s D kK 9;81 dK3

(61.9)

lWeff

i

mm mm



(61.11)

In den Formeln bedeuten: s Verformung kK werkstoffabhängige Deformationskonstante für die Kugel kR werkstoffabhängige Deformationskonstante für die Rolle lW Länge der Zylinderrolle aR werkstoffabhängige Konstante D 0;6 für Stahlrolle zwischen Stahlplatten dK Kugeldurchmesser dW Zylinderrollendurchmesser [mm] aK werkstoffabhängige Konstante, 4,07 für Stahlkugel zwischen Stahlplatten F Belastung a Exponent 1,1 bis 1,2 b Exponent 0,7 i Anzahl der Wälzkörper in der Belastungszone f N Nachgiebigkeitsfaktor des Grundkörpers, bei Werkzeugmaschinen zwischen 1,6–2,6

Vorspannung der Wälzführung (. Abb. 61.20) Es bedeuten: FV FB F Bmax s sB

Zylinderrolle zwischen zwei Platten   F 0;9 aR s D kR ; kR D 0;8 9;81 lW dk s F lw mm *m N

F

Vorspannkraft [N] Belastung [N] max. Belastung [N] Verformung [*m] Verformung bei Belastung durch F B [*m]

(61.10)

mm

F

B

F

Verformungsverhalten und Vorspannung

F

V

B

Tragführung

F

F

V

F

B max

s 2 s 2

Umgriff

F

B

FV sB

. Abb. 61.19 Verformungsverhalten einer Kugel zwischen zwei Platten nach Palmgren

s

. Abb. 61.20 Vorspannung einer Wälzführung

F

V

1270

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

1) Im Normalfall wirkt die Stellschraube auf die Schiene

Kugelführungswagen Profilschiene

2) Für höhere Genauigkeit und Steifigkeit kann eine Zwischenplatte verwendet werden

. Abb. 61.22 Kugelumlaufeinheit KUE [INA, Homburg]

3) Für sehr hohe Genauigkeit und Steife werden die kegligen Leisten 1 und 2 benutzt

1 2

. Abb. 61.23 Fettschmierungsmöglichkeit für eine Kugelumlaufeinheit [THK, Tokio, Japan]

. Abb. 61.21 Vorspannungsmöglichkeiten für eine Kreuzrollenführung mit „begrenzter“ Weglänge [THK, Tokio, Japan]

61

Es gilt: bei FB > FBmax erfolgt die völlige Entlastung des Umgriffs. Damit tritt Spiel in der Führung auf, was mit Positionierfehlern und Genauigkeitsverlusten sowie Rattererscheinungen bei der Zerspanung einhergeht.

Konstruktive Ausführung von Wälzführungen Führungen mit begrenzter Weglänge In . Abb. 61.21 sind verschiedene Vorspannmöglichkeiten von Kreuzrollenführungen mit „begrenzter“ Weglänge dargestellt. Je nach geforderter Steife und Genauigkeit können die Ausführungen 1), 2) oder 3) mit steigendem Kostenaufwand zur Anwendung kommen. Wälzführungen mit „unbegrenzter“ Weglänge . Abb. 61.22 zeigt den konstruktiven Aufbau einer Kugelumlaufeinheit für unbegrenzte Weglänge. Die Profilschiene wird auf der Basis (Bett, Untersatz) aufgepasst und verschraubt. Beim Hersteller (im Beispiel INA) kann der Werkzeugmaschinenproduzent die Kugelumlaufeinheit nach Größe, Genauigkeitsklasse, Vorspannungsklasse, Länge der Profil- oder Führungsschiene und Anzahl der Führungswagen pro Schiene bestellen. In jedem Falle sollten die Angaben und Berechnungsvorschriften des Wälzführungsherstellers beachtet werden. Gleiches gilt für alle Wälzführungen.

. Abb. 61.24 Rollenumlaufschuh LRU [THK, Tokio, Japan]

Ein Beispiel für die Schmierungsmöglichkeiten einer Kugelumlaufeinheit wird in . Abb. 61.23 gezeigt. Es können sowohl Fett- als auch Ölschmierung, vorteilhaft über Zentralschmierung, zur Anwendung kommen. Auch die Möglichkeit einer „for life“-Fettschmierung ist gegeben. In . Abb. 61.24 ist ein Rollenumlaufschuh dargestellt. Die Ausführungsarten dieser Rollenumlaufschuhe unterscheiden sich im Wesentlichen nach der Art ihrer Montage und Befestigung. Bei der gezeigten Ausführung erfolgt die Befestigung durch Verschraubung mit den vier Bohrungen im Tragkörper. Analog zu den Kugelumlaufeinheiten . Abb. 61.22 werden für höhere Belastungen Rollenumlaufeinheiten, . Abb. 61.25 durch die Zulieferindustrie (meist Wälzlagerproduzenten) hergestellt. Auch hier sind die Berechnungsund Montagevorschriften des Herstellers in vollem Umfang einzuhalten.

61

1271 61.2  Geradführungen in Werkzeugmaschinen

Rollenführungswagen

Rollenumlaufschuhe Führungs (Profil)schiene

. Abb. 61.25 Kompakte Rollenumlaufeinheit [INA, Homburg] . Abb. 61.27 Wälzgeführter Fräsmaschinentisch [nach INA Homburg]

. Abb. 61.26 Statische und dynamische Tragzahl im Vergleich zwischen Kugel- und Rollenführung gleicher Größe [INA Homburg]

Der Unterschied in den Tragzahlen und damit der Belastbarkeit zwischen Kugel- und Rollenumlaufeinheiten wird in . Abb. 61.26 anschaulich demonstriert. Das Beispiel einer Rollenführung für einen Fräsmaschinentisch ist in . Abb. 61.27 dargestellt. In dieser Konstruktion sind die wesentlichen Grundsätze für eine ideale Führung vereinigt: 4 Aufbau als Schmalführung, dadurch hohe Führungsgenauigkeit 4 Hoch belastbare Wälzführung mit Rollenumlaufschuhen, dadurch „unbegrenzte“ Weglänge 4 Hohe Arbeitsgenauigkeit und Steife durch Vorspannung der Rollenumlaufschuhe über Keilzustellung 4 Der Nachteil jeder Wälzführung – zu geringe Dämpfung – wird durch den Einbau von Dämpfungsleisten mit Squeeze-Film-Dämpfer kompensiert

. Abb. 61.28 Dämpfungsverhalten von Wälzführungen ohne und mit Squeeze-Film-Dämpfer (Prinzip unten) [INA Homburg]

Den positiven Einfluss eines Squeeze-Film-Dämpfers zeigt das Diagramm der Nachgiebigkeit als Funktion der Belastungsfrequenz in . Abb. 61.28 oben. Dessen Funktionsweise geht aus dem unteren Bild hervor. Der Dämpfer besteht aus einem definierten, ölgefüllten Spalt mit einer Höhe von 0,02–0,03 mm mit Ölimpulsschmierung ohne metallische Berührung zur Führungsschiene. In der Schwingungsgleichung mxR C d xP C cx D F .t/

(61.12)

ist der Dämpfungsfaktor d D

b3 l h3

(61.13)

1272

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

Strömung im Spalt ist der Durchflussstrom Q: Q

Rollenwagen

Q l min

Dämpfungsschlitten

Rollenwagen

Daraus ist erkennbar, dass die Breite des Dämpfers wesentlich für die Größe der Dämpfung ist, . Abb. 61.28 unten. Auch Rollenumlaufeinheiten mit Führungs-(Profil)Schiene können mit einem gesonderten Dämpfungsschlitten ausgestattet werden, die nach dem vorgenannten Prinzip arbeiten, . Abb. 61.29.

h

l

(61.15)



bar mm mm mm Pa  s

Vor- und Nachteile hydrostatischer Führungen Vorteile 4 Völlige Verschleißfreiheit, vorausgesetzt eine ständige Funktion der Ölversorgung ist gewährleistet 4 Sehr kleine Reibungszahlen (m < 0;001) 4 Kein Stick-slip-Effekt, dadurch kleinste Geschwindigkeiten mit gleichförmiger Bewegung möglich 4 Hohe Führungsgenauigkeit bei durchschnittlichem Bearbeitungsaufwand 4 Große Dämpfung quer zur Bewegungsrichtung 4 Aufnahme hoher Belastungen

Hydrostatische Führungen

Prinzip Das Prinzip . Abb. 61.30 entspricht weitgehend dem des hydrostatischen Lagers. In eine von beiden Gleitflächen sind Taschen eingearbeitet. Der Ölstrom wird in die Tasche gepumpt und strömt durch den Spalt h, die Abströmlänge l über Steg und den Umfang der Stegmittellinie b ab. Dabei entsteht der Taschendruck pT . Die hydrostatische Taschenkraft ist: Z F D p  dA; (61.14)

Nachteile 4 Hoher Aufwand für das Ölversorgungssystem (fällt bei Großwerkzeugmaschinen mit hohem Gesamtanlagewert anteilig nicht so ins Gewicht) 4 Bei geforderter hoher thermischer Stabilität und Arbeitsgenauigkeit sind Ölkühlungssysteme erforderlich 4 Geringe Dämpfung in der Bewegungsrichtung

A

dabei ist p der hydrostatische Druck und A die Effektivfläche (. Abb. 61.30b). Unter der Voraussetzung laminarer . Abb. 61.30 Hydrostatische Führung – Funktionsprinzip (a) und Abströmverhältnisse bei Öltaschen (b)

b

Als günstig haben sich erwiesen: 4 Taschentiefen je nach Größe der Führung zwischen 0,5 und 5 mm, 4 4 bis 8 Taschen pro Führungsbahn, 4 Mindestspalt hmin D 30–80 *m je nach Werkzeugmaschinen-Größe, 4 BT =LT D 0;2–0,6, l=BT D 0;2–0,4.

. Abb. 61.29 Gedämpftes Rollenführungssystem mit integriertem Dämpfungsschlitten [INA Homburg]

61

pT

 ist die dynamische Viskosität des Öls.

Profilschiene

61.2.4

pT  b  h3 12  l

a

b A

p

b

Öldruckverlauf

T

F Q

l LT

h

Öltasche

l

BT

1273 61.2  Geradführungen in Werkzeugmaschinen

F

F

F

Regeldrosseln

Konstantdrosseln VDM

Pumpe VDÜ

VDÜ

Pumpe

p = konst.

Q

h c

h c

Q

Q

h

h

c

Q

c

h

Pumpe

p = konst.

c = sehr groß h

Q c

Q

F

F

F

. Abb. 61.31 Möglichkeiten der Ölversorgung von hydrostatischen Führungen

Ölversorgungsysteme für hydrostatische Führungen 1) System „Eine Ölpumpe pro Tasche“, . Abb. 61.31 links Der vereinfachte Schaltplan für dieses System ist in . Abb. 61.31 links dargestellt. Der Pumpenförderstrom QP entspricht dem Taschendurchflussstrom Q und ist konstant. Das im Pumpenkreislauf eingebaute Druckbegrenzungsventil ist so eingestellt, dass es nur als Sicherheitsventil wirkt. Die Kennlinien für Taschendurchflussstrom Q, Spalthöhe h und Steife c sind im unteren Diagramm zu sehen.

Vorteile 4 Geringer Aufwand, Spalthöhe und Steife sind nicht temperaturabhängig Nachteile 4 Geringere, von der Belastung abhängige Steife, erhöhte Wärmeerzeugung durch Drosseln und VDÜ 3) System „Gemeinsame Pumpe mit Regeldrosseln“, . Abb. 61.31 rechts Gleicher Aufbau wie bei 2), nur dass hier durch den Einsatz von Regeldrosseln die Spalthöhe mit wachsender Belastung F konstant bleibt.

Vorteile 4 Hohe Steife und vollständige Nutzung der Pumpenleistung zur Erzeugung der Tragkraft

Vorteile 4 Sehr große Steife der Führung unabhängig von der Belastung. Höhenlage des Schlittens bleibt konstant.

Nachteile 4 Hoher Aufwand, wobei dieser durch den Einsatz von Mehrstrompumpen reduziert werden kann 4 Spalthöhe und Steife sind temperaturabhängig (Änderung der Viskosität des Öls)

Nachteile 4 Hoher Aufwand für Regeldrosseln, da Regelkreis, Gefahr der Instabilität 4 Erhöhte Wärmeerzeugung durch Drosseln und VDÜ

Konstruktive Gestaltung 2) System „Gemeinsame Pumpe mit Konstantdrosseln“, . Abb. 61.31 Mitte Hier erfolgt eine Ölstromteilung. Das Druckbegrenzungsventil wirkt als Überströmventil VDÜ und ein Teil des Ölstromes läuft ständig über dieses Ventil zurück in den Behälter. Der Druck p ist konstant und entspricht dem an der Federvorspannung des VDÜ eingestellten Wert.

Konstruktionsseitig werden bei hydrostatischen Führungen für Tische und Schlitten Flach-Flach-Führungen als Schmalführungen mit Umgriff bevorzugt. Mögliche Taschenformen sind in . Abb. 61.32 oben gezeigt. Die Taschen können entsprechend dem Bild unten links aneinander gereiht oder, wie unten rechts dargestellt, mit einer Abströmnut zwischen jeder Tasche angeordnet werden.

61

1274

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.32 Öltaschengestaltung hydrostatischer Führungen

Konstruktive Gestaltung

BT

Q3

Q2

Q2

Q1

Q1 LT

LT

BT

Q3 Q4

Q2 Q1 LT

LT

Abströmnut

Abfluss

Zufluss

Kunststoffdichtung

61

. Abb. 61.33 Konstruktive Ausführung einer hydrostatischen Führungsbahn als Flachführung

Bei der Konstruktion einer hydrostatischen Führungsbahn, . Abb. 61.33, ist neben der Bohrung für den Ölzufluss eine weitere Bohrung für den Abfluss des Öles vorzusehen. Diese sollte einen größeren Durchmesser aufweisen, um einen zusätzlichen Staudruck zu vermeiden. Zur Abdichtung der Führungsbahn gegen Ölaustritt sind Kunststoff-Lippendichtungen in Anwendung, deren Dichtwirkung durch den hydrostatischen Druck erzielt wird. Zum Erreichen völliger Reibungsfreiheit sind auch Labyrinthdichtungen unter zusätzlicher Nutzung von Sperrluft einsetzbar.

61.2.5

Aerostatische Führungen

Aerostatische Führungen sind analog zu den hydrostatischen Führungen aufgebaut. Da die Luft frei abströmen kann, gibt es keine Aufwendungen hinsichtlich Abdichtungen. Sie finden ihre Anwendung bei Präzisionsmaschinen, z. B. zum Feinstdrehen von Nichteisenmetallen. Da es für die Luftaufbereitung heute bereits kostengünstige Lösungen gibt, vergrößert sich der Einsatz dieser Führungsbauart zunehmend.

61.3 61.3.1

Antriebe in Werkzeugmaschinen Einteilung, Aufgaben, Anforderungen

An Werkzeugmaschinen ist eine Vielzahl von Antrieben vorhanden. Man unterscheidet in Haupt-, Neben- und Hilfsantriebe, die folgende Aufgaben erfüllen: 4 Hauptantriebe erzeugen in spanenden Werkzeugmaschinen die Schnittbewegung und damit die einmalige Spanabnahme (auch als Hauptbewegung bezeichnet). In umformenden oder schneidenden Werkzeugmaschinen wird durch deren Hauptantrieb die Umformbewegung oder die Schneidbewegung erzeugt. 4 Nebenantriebe (früher auch als Vorschubantriebe bezeichnet) sind bei spanenden Maschinen verantwortlich für die Erzeugung der Vorschubbewegung, also der Aufrechterhaltung der Spanabnahme sowie anderer Bewegungen, die durch diese Achse ausgeführt werden müssen (z. B. Positionieren, Zustellen, Messbewegungen, Bewegungen für den Werkzeug- oder Werkstücktransport). 4 Hilfsantriebe fungieren als bewegungserzeugende Elemente für den Kühlmittelfluss, die Schmierung, die Hydraulik, die Werkzeug- oder Werkstückspannung sowie deren Transport und vieles andere mehr. Wesentlich produktivitätsbestimmend sind bei einer Werkzeugmaschine der Haupt- und der Nebenantrieb. Deren Eigenschaften müssen bei der Maschinenentwicklung bzw. bei der Maschinenanwendung gut mit den fertigungstechnischen Erfordernissen abgestimmt werden. Aufgrund der Bedeutung dieser Antriebe werden im Weiteren ihr Aufbau und ihre Wirkungsweise näher betrachtet. Die durch Haupt- und Nebenantriebe zu realisierenden Be-

1275 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.34 Funktionsprinzipien für Haupt- und Nebenantriebe in Werkzeugmaschinen

wegungen können vielfältige Eigenschaften besitzen. In Abhängigkeit vom Fertigungsverfahren werden die Bewegungen durch das Werkstück und/oder das Werkzeug ausgeführt, sind rotierend oder translatorisch, erfolgen mit konstanter oder veränderlicher Geschwindigkeit und verlaufen kontinuierlich oder schrittweise. Die verschiedenen Aufbauprinzipien solcher Antriebe sind in . Abb. 61.34 dargestellt. Bei der Anwendung von Motorspindeln, Linearmotoren und Torquemotoren entfallen mechanische Baugruppen zur Übertragung der Bewegung. Sie werden . Abb. 61.35 Modularer Baukasten für Werkzeugmaschinenantriebe (Siemens AG)

deshalb als Direktantriebe bezeichnet und bevorzugt eingesetzt. Die Hersteller von Steuerungen und Antriebssystemen für Werkzeugmaschinen haben modulare Baukästen entwickelt, mit denen die vielfältigen Anforderungen an Hauptund Nebenantriebe in Werkzeugmaschinen erfüllt werden können. Ein solches System ist in . Abb. 61.35 dargestellt. Die Maschine wird bedient mit Hilfe der NC-Steuerung, die maschinenspezifische Software bezogen auf die Fertigungsprozesse beinhaltet. Diese Steuerung gibt entspre-

61

1276

a

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

b

c

. Abb. 61.36 Drehmomenten- und Leistungs-Drehzahlanforderungen bei a Universalmaschinen, b schweren Maschinen und c Feinbearbeitungsmaschinen

chende Anweisungen an die Leistungseinheiten (Umrichter), die ihrerseits die Antriebe mit Strom versorgen.

61.3.2

61

Hauptantriebe für drehende Bewegungen

Insbesondere die Hauptantriebe in spanenden Werkzeugmaschinen müssen drehende Bewegungen der Werkzeuge oder Werkstücke realisieren. Typisch für die Auslegung des Hauptantriebes für Maschinen mit einem breiten technologischen Einsatzbereich (Universalmaschinen) ist ein Kompromiss zwischen maximaler Antriebsleistung PEck bei hohen Drehzahlen und maximalem Drehmoment M d;Eck an der Hauptspindel bei niedrigen Drehzahlen (. Abb. 61.36). Die Hauptspindeldrehzahl zwischen beiden Bereichen wird als Eckdrehzahl nEck bezeichnet. Mit dieser Auslegung ist sowohl eine gute Auslastung der installierten Motorleistung, als auch eine vertretbare Dimensionierung der mechanischen Bauteile entsprechend dem Drehmoment gegeben. Hauptantriebe „schwerer“ Werkzeugmaschinen sind durch niedrige Drehzahlen und ein hohes Drehmoment gekenn. Abb. 61.37 Steuerung und Regelmodul für den Hauptantrieb einer Drehmaschine (Bosch Rexroth)

zeichnet. Im Gegensatz dazu werden in Feinbearbeitungsmaschinen oft hohe Drehzahlen und geringe Drehmomente benötigt. In der Regel werden in Hauptantrieben Asynchronoder Synchronmotoren mit dazu gehörenden Steuerungen eingesetzt (. Abb. 61.37). Besonders bei Bedarf eines hohen Drehmomentes, d. h. bei geringen Drehzahlen und großen Leistungen, ist der Einsatz von stufenlos stellbaren Gleichstrommotoren sinnvoll. Die Anwendung hydraulischer oder pneumatischer Antriebs- bzw. Übertragungselemente erfolgt nur in Ausnahmefällen – z. B. in explosionsgeschützten Räumen, bei extrem hohen Drehzahlen und kleinen Durchmessern. Die Rotation der Motorwelle kann direkt über eine Kupplung bzw. einen Riemen (Keilrippenriemen oder Zahnriemen) auf die Hauptspindel (. Abb. 61.38) übertragen werden. Bei Anwendung eines Riemens ist die Rückseite der Hauptspindel frei, z. B. für die Aufnahme einer Spanneinheit, der Riementrieb kann zur Anpassung von Drehzahl und Drehmoment genutzt werden. Als Direktantriebe oder Motorspindeln werden Konstruktionen bezeichnet, bei denen die Motorwelle der Hauptspindel entspricht (vgl. 7 Abschn. 61.4). Hierzu bieten die Motorenhersteller Bausatzmotoren an, die aus einem Rotor und einem Stator bestehen und in die Konstruktion der Hauptspindelbaugruppe (. Abb. 61.39) integriert werden können. Die Drehzahlen der genannten Motoren können mit Hilfe der Steuerung in vorgegebenen Bereichen stufenlos geregelt werden. Hierbei wird ein bestimmter Verlauf von Drehmoment und Leistung in Abhängigkeit von der Motordrehzahl (. Abb. 61.40) nutzbar. Diese frequenzgesteuerten Asynchronmotoren können mit Drehzahl Null betrieben werden. Dabei steht ein entsprechendes Drehmoment als Haltemoment zur Verfügung. Dieses Drehmoment

61

1277 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.38 Aufbauvarianten für Hauptantriebe spanender Werkzeugmaschinen (Siemens AG) . Abb. 61.39 Bausatzmotor, bestehend aus Rotor und Stator, für die Hauptspindel einer Drehmaschine (Bosch Rexroth)

ist abhängig von der Schaltungsart (Stern- oder Dreieckschaltung) und kann bis zur jeweiligen Nenndrehzahl nNY bzw. nN genutzt werden. Pnenn;Mot 2   nN Pnenn;Mot D 2   nNY

Md;N;Mot D Md;NY;Mot

(61.16)

Ab einer Drehzahl größer Null bis zur Nenndrehzahl erhöht sich die verfügbare Leistung bis auf Nennleistung. Im Drehzahlbereich oberhalb der Nenndrehzahl wird durch die Steuerung die zur Verfügung stehende Leistung konstant gehalten. Die maximal mögliche Drehzahl mit dieser konstanten Leistung ergibt sich durch die jeweilige Spannungsgrenze im Starkstromteil. In . Abb. 61.40 ist das Leistungs-Drehzahlverhalten bei den beiden Betriebsarten S1-Betrieb und S6-Betrieb eingezeichnet. S1-Betrieb ist ein Dauerbetrieb unter Volllast. Dieser ist für Werkzeugmaschinen nicht typisch. Betrachtet man beispielsweise die Fertigung eines gehäuseförmigen Werkstückes auf einem Bearbeitungszentrum, ergeben sich anteilig Prozesse mit unterschiedlichen Drehzahlen und Belastungen, Zeiten, in denen die Hauptspindel beschleunigt bzw. gebremst wird und natürlich auch Zeiten ohne Belastung des Motors, z. B. beim Wechsel des Werkstückes oder des Werkzeugs. Ein solcher Belastungszyklus entspricht annähernd dem S6-Betrieb, einem Aussetzbetrieb mit 40 % Einschaltdauer. Bei den bisher beschriebenen Lösungen müssen die Parameter des Motors (Drehzahl, Leistung und Drehmo-

ment) gut mit den an der Maschine geforderten übereinstimmen. Dies betrifft sowohl die absoluten Größen der einstellbaren Drehzahlen, als auch die Größe der Nenndrehzahl, die gemeinsam mit der Nennleistung das Nennmoment bestimmt. Md;nenn;Mot D

Pnenn;Mot 2   nnenn;Mot

(61.17)

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Nennleistung des Motors um den Wirkungsgrad des Gesamtantriebs gemindert an der Hauptspindel zur Verfügung steht. Bei Direktantrieben und beim Einsatz einer Kupplung zwischen Motor und Hauptspindel wird die Nenndrehzahl des Motors zur Eckdrehzahl an der Hauptspindel (. Abb. 61.36) und das Drehmoment an der Hauptspindel entspricht dem Nennmoment des Motors gemindert um den Wirkungsgrad des Gesamtantriebs. nEck;Hsp D nnenn;Mot Pnenn;Mot   Md;Eck;Hsp D 2   nnenn;Mot

(61.18)

Wird ein Riementrieb oder eine Zahnradübersetzung zwischen Motor und Hauptspindel eingesetzt, berechnen sich die Eckdrehzahl und das Drehmoment an der Hauptspindel wie folgt: nnenn;Mot i Pnenn;Mot    i D 2   nnenn;Mot

nEck;Hsp D Md;Eck;Hsp

(61.19)

1278

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

a

b

. Abb. 61.40 Drehmomenten- und Leistungs-Drehzahlverhalten (a) und zwei Motorspindeln (b) (Siemens AG) . Abb. 61.41 Zweistufiges Getriebe im Hauptantrieb einer Drehmaschine

61

Ist die oben genannte Übereinstimmung nicht gegeben bzw. aus konstruktiven oder wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll, wird ein mechanisches Getriebe zwischen Motor und Hauptspindel angeordnet. Damit ist es möglich, die Bereiche der Motordrehzahlen, z. B. den Bereich mit konstanter Leistung, auf andere Drehzahlen an der Hauptspindel zu verlegen oder ihn mehrfach an der Hauptspindel anzuordnen. Ein Beispiel (S1-Betrieb) dazu wird in . Abb. 61.41 gezeigt. Der Antrieb erfolgt über einen Riementrieb von einem stufenlos stellbaren Motor mit ca. 41 kW Nennleistung. Unter Berücksichtigung des Wirkungsgrades stehen damit 37 kW an der Hauptspindel zur Verfügung. Wird der Zweiradblock (auf der zweiten Welle von unten) nach links geschoben, werden die Drehzahlen der Riemenscheibe Eins-zu-Eins auf die Hauptspindel übertragen. Das Leistungsverhalten des Motors steht damit an der Hauptspindel zur Verfügung und entspricht im Diagramm der Kurve rechts. Bei der Hauptspindeldrehzahl von 1360 min1 , die aus der Nenndrehzahl des Motors und der Übersetzung

des Riemens resultiert, ergibt sich das Drehmoment an der Hauptspindel von 260 Nm. Befindet sich der Zweiradblock in der rechten Stellung, wie im Bild gezeichnet, werden die Drehzahlen der Riemenscheibe mit einer Gesamtübersetzung von 4,5 auf die Hauptspindel übertragen. Die Kurve der verfügbaren Leistung bleibt in der Größe erhalten und verschiebt sich auf Hauptspindeldrehzahlen, die um den Faktor 4,5 kleiner sind. Gleiche Leistung ermöglicht bei geringerer Drehzahl entsprechend höhere Drehmomente. Die Eckdrehzahl an der Hauptspindel ist 300 min1 . Im dargestellten Beispiel wurden insbesondere der Drehzahl-Stellbereich (Quotient aus maximal und minimal einstellbarer Drehzahl) des Motors mit konstanter Leistung zweimal an der Hauptspindel angeordnet, das Drehmoment an der Hauptspindel erhöht und die Nenndrehzahl des Motors auf den technologisch gewünschten Wert der Eckdrehzahl übersetzt. Dieser Aufbau ist gegenüber einem Direktantrieb teurer, erhöht aber den Einsatzbereich der Maschine wesentlich.

1279 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.42 Getriebe mit zwei (a) und drei (b) schaltbaren Übersetzungen

a

b

. Abb. 61.43 Hauptantrieb eines Bearbeitungszentrums (Heckert, Chemnitz)

. Abb. 61.44 Schwenkbarer Spindelkopf mit zwei integrierten Antrieben (Reiden Technik AG, Schweiz)

61

1280

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

Mit der heute zur Verfügung stehenden Steuerungsund Antriebstechnik ist in spanenden Werkzeugmaschinen maximal ein Verdreifachen der Drehzahl-Stellbereiche erforderlich. Es werden demzufolge ausschließlich die in . Abb. 61.42 dargestellten Getriebe effektiv eingesetzt. In . Abb. 61.43 ist die Realisierung einer Losradkonstruktion als Hauptantrieb eines Bearbeitungszentrums dargestellt. Alternativ zu den dargestellten Schaltgetrieben, ist es auch möglich, zwei Motoren in einem Hauptantrieb anzuordnen. Ein breiter Einsatzbereich von niedrigen Drehzahlen mit hohem Drehmoment, bis zu hohen Drehzahlen mit hohen Leistungen, ist damit realisierbar. In dem in . Abb. 61.44 gezeigten Spindelkopf sind zwei Motoren integriert. Die Hauptspindel mit Werkzeugaufnahme, im Bild links senkrecht zu sehen, ist als Motorspindel ausgeführt. Ausgelegt für einen Drehzahlbereich von 20 bis 16.000 min1 und einem maximalen Drehmoment von 83 Nm, können damit Hochgeschwindigkeitsbearbeitungen vorgenommen werden. Die Drehbewegung des zweiten Motors, im Bild links schräg angeordnet, kann über die Kegelradpaarung und eine entsprechende Kupplung auf die Hauptspindel übertragen werden. In einem kleinen Drehzahlbereich von 20 bis 3.000 min1 steht dann ein maximales Drehmoment von 291 Nm zur Verfügung.

61.3.3

61

Hauptantriebe für geradlinige Bewegungen in spanenden Werkzeugmaschinen

Geradlinige Schnittbewegungen werden in spanenden Werkzeugmaschinen mit Hilfe von Kurbelschwinge, schwingender Kurbelschleife oder Schubkurbel aus der rotierenden Bewegung einer Motorwelle erzeugt. Beispiele sind: 4 Kurbelschwinge Sie hat ein analoges Verhalten. Am Beispiel (. Abb. 61.45, oben) der Stößelhubbewegung einer ZahnradWälzstoßmaschine ist das Wirkprinzip zu erkennen. Mittels Hubscheibe, Koppel und Schwinge wird die Hubbewegung erzeugt und über Zahnsegment und Umfangszahnstange auf die Stoßspindel und das Schneidrad übertragen. 4 Schwingende Kurbelschleife Dies ist der hauptsächlich gewählte Antrieb für Kurzhub-Stoßmaschinen (Shaping-Maschinen . Abb. 61.45, unten). Hublänge und Hublage sind leicht einstellbar. 4 Schubkurbel Diese wird überwiegend als Stößelantrieb in Kurbelpressen (. Abb. 61.46) angewandt, aber auch in Superfinishmaschinen (Feinziehschleifen) als Oszillationsantrieb für das Werkzeug (Honstein). Hierbei muss die

. Abb. 61.45 Ungleichförmig übersetzende Getriebe, typisch für Stoßmaschinen

Bewegung mit Frequenzen größer 500 Doppelhübe/min erfolgen, um die gewünschten Fertigungsbedingungen zu realisieren. Durch einen sinusförmigen Verlauf der Beschleunigung wird dabei die benötigte Laufruhe erreicht.

61.3.4

Hauptantriebe in schneidenden und umformenden Werkzeugmaschinen

Reversierende, geradlinige Bewegungen werden auch in schneidenden und umformenden Werkzeugmaschinen zur Realisierung der Umform- oder Schneidbewegung benötigt. Neben hydraulischen Antrieben, Antrieben mit Spindel-Mutter-Getrieben oder der Nutzung des freien Falls bei Hämmern, dominieren mechanische Antriebe auf Basis

61

1281 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.46 Funktionsschema des Motor-Schwungrad-Kurbel-Antriebs einer Presse

. Abb. 61.47 Kompakte Kupplungs-Bremskombination zwischen Schwungrad und Exzenterwelle eines Pressenantriebes (Schuler AG)

von Elektromotor, Schwungrad und Kurbelmechanismen. Hierbei treibt während des Betriebes ein Drehstrommotor über einen Riementrieb oder ein Zahnradgetriebe permanent eine Schwungscheibe (. Abb. 61.46) an. Eine weitere Getriebestufe übersetzt die Drehzahl der Schwungscheibe auf die gewünschte Hubzahl der Presse. Dieser Teil des Antriebs wird als Primärantrieb bezeichnet. Der Sekundärantrieb besteht aus der Kupplungs-Bremskombination und dem Kurbelmechanismus. Zur Ausführung der Hubbewegung des Stößels wird die Kupplung zwischen Abtriebswelle des Primärantriebes und Kurbelwelle geschlossen und gleichzeitig die Bremse an der Kurbelwelle gelöst. Dabei erfolgen das Schließen der Kupplung und das Öffnen der Bremse in der Regel pneumatisch oder magnetisch. Bei Ausfall oder Abschalten der Energie, werden immer durch Federn die Kupplung geöffnet und die Bremse geschlossen. Dieser Mechanismus ist oft in einer kompakten Einheit, der Kupplungs-Bremskombination (. Abb. 61.47), angeordnet. Die Drehbewegung der Kurbelwelle wird über einen Pleuel in die geradlinige Bewegung des Stößels gewandelt. Die Anordnung von zwei Pleueln auf einer Kurbelwelle, sowie von zwei Kurbelwellen im Sekundärantrieb, ist möglich (. Abb. 61.48). Damit führen außermittig am Stößel angreifende Umformkräfte zu geringerem Kippen des Stößels.

Abhängig von der eingeschalteten Betriebsart wird die Hubbewegung wie folgt ausgeführt: 4 Betriebsart „Einzelhub“ Bei Bedienung durch eine Person müssen zwei Taster (Zwei-Handbedienung) gedrückt werden, dann bewegt sich der Stößel vom oberen Totpunkt zum unteren und zurück. Danach bleibt er im oberen Totpunkt stehen, auch bei weiterhin gedrückten Tastern. Werden während der Abwärtsbewegung einer oder beide Taster losgelassen, muss der Stößel sofort stehen bleiben. Während der Aufwärtsbewegung hält der Stößel erst im oberen Totpunkt. Wird die Presse durch mehrere Personen bedient, sind entsprechend viele Taster gleichzeitig zu drücken. Beispielsweise bei jeweils zwei Personen zum Einlegen und Herausnehmen der Platine sind acht Taster gleichzeitig zu bedienen. 4 Betriebsart „Dauerhub“ Nach dem Einrichten der Presse und deren automatischer Zu- und Abführeinrichtungen für Platinen oder Bandmaterial, ist der Arbeitsraum gegen Hineingreifen zu sichern. Dies kann beispielsweise mechanisch oder durch Lichtschranken erfolgen und ist durch ein entsprechendes Signal von der Steuerung zu erfassen. Erst jetzt kann der Bediener die Presse mit Hilfe eines Schalters einschalten. Der Hub wird solange ausgeführt, bis die Presse ausgeschaltet wird. Danach hält der Stößel im oberen Totpunkt an. Wird während des Dauerhubes die Arbeitsraumsicherung verletzt, wird die Bewegung des Stößels, wie bei Betriebsart „Einzelhub“, unterbrochen. 4 Betriebsart „Einrichtbetrieb“ Diese Betriebsart darf nur von speziell geschultem Personal angewandt werden. Beim Drücken ausgewählter Taster bewegt sich der Stößel mit langsamer Geschwindigkeit und kann jederzeit durch Loslassen des Tasters angehalten werden. In diesem Zusammenhang wird hiermit ausdrücklich auf die Einhaltung entsprechender Arbeitsschutzanweisungen hingewiesen. Die in . Abb. 61.49 dargestellte Presse ist eine Exzenterpresse. Der Antrieb ist ähnlich wie oben beschrieben aufgebaut. Im Gegensatz zu Kurbelpressen, die eine unveränderliche Hubgröße haben, kann bei Exzenterpressen die Hubgröße verändert werden. Dazu befindet sich auf dem exzentrischen Stirnzapfen der Exzenterwelle eine Exzenterbuchse. Diese kann auf dem Stirnzapfen relativ zu ihm gedreht werden. Je nach Lage addieren oder subtrahieren sich die Exzentrizität von Wellenzapfen und Exzenterbuchse. Durch den Primärantrieb steht an der Kurbel- bzw. Exzenterwelle ein annährend konstantes Antriebsmoment MK zur Verfügung (. Abb. 61.50). Daraus resultiert eine mögliche Kraft F am Stößel. F D

MK    R  sin ˛ ˙ sin ˛ 2

(61.20)

1282

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.48 Kurbelpressen mit a oberem Zweipunkt- und b Vierpunktantrieb sowie mit c Unterantrieb

a

b

c

. Abb. 61.49 Anordnung des Antriebs innerhalb des Aufbaus einer Exzenterpresse (Smeral, Tschechien)

61

Wobei das Plus für drückende und das Minus für ziehende Pleuel gilt. Das Schubstangenverhältnis  entspricht dem Quotient aus Kurbelradius R und Pleuellänge l. An realen Pressen ist der Kurbelradius gegenüber dem Pleuel verhältnismäßig klein. Für überschlägige Rechnungen kann  gleich Null gesetzt werden, womit sich die Gleichung weiter vereinfacht. F D

MK R  sin ˛

F D

C sin ˛

(61.21)

Fasst man den Quotienten aus Kurbelmoment und Kurbelradius zur Maschinenkonstante C zusammen, kann man die Stößelkraft als Funktion des Kurbelwinkels ˛ wie in . Abb. 61.50 darstellen. Der Kurbelwinkel ist als Winkel vor unterem Totpunkt (uT) angegeben. Mit kleiner werdendem Kurbelwinkel steigt die Kraft stark an und würde theoretisch im unteren Totpunkt unendlich groß werden. Durch entsprechende Einrichtungen zwischen Pleuel und Stößel wird diese Kraft auf die Nennkraft F nenn begrenzt. Der Kurbelwinkel vor unterem Totpunkt, an dem diese Kraft das erste Mal erreicht wird, wird als Nennkurbelwinkel ˛nenn bezeichnet. Typisch für Kurbelpressen ist ˛nenn D 30ı . Die im Diagramm blau gezeichnete Linie ist die Grenze der möglichen Stößelkraft als Funktion des Kurbelwinkels. Das Diagramm wird als Pressenauslastungsdiagramm bezeichnet und genutzt, um zu prüfen, ob eine Fertigungsaufgabe mit der Presse realisiert werden kann. Dafür sind drei Bedingungen zu erfüllen:

4 Die Prozesskraft darf nicht größer als die Nennpresskraft der Maschine sein. 4 Die Prozesskraft darf bei einem Kurbelwinkel größer als der Nennkurbelwinkel die aus dem Kurbelmoment resultierende Kraft am Stößel nicht überschreiten. 4 Das im Prozess benötigte Arbeitsvermögen darf das durch die Presse zur Verfügung gestellte Arbeitsvermögen nicht überschreiten. Dabei ist zwischen den Betriebsarten Einzelhub und Dauerhub zu unterscheiden. Die Beziehung zwischen Kurbelwinkel und Stößelweg h vor unterem Totpunkt ist bei Vernachlässigen des Schubstangenverhältnisses: h D R  .1  cos //

(61.22)

Die aus dem Kurbelmoment resultierende Kraft F M am Stößel berechnet sich für einen Stößelweg h vor unterem Totpunkt nach folgender Gleichung: FM D

Fnenn  Hmax p 4  H h  h2

(61.23)

Bei Exzenterpressen ist H der eingestellte Hub, also zweimal der eingestellte Kurbelradius, und H max der maximal mögliche Hub. Bei Kurbelpressen entsprechen beide Werte dem Hub.

1283 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.50 Momente und Kräfte an der Schubkurbel (a) und Pressenauslastungsdiagramm (b)

a

oT MK

H

0 R

α h H h R l α β FT FR FPl FN F

-

r α

D

A

uT FT φ F =F Gesamthub AB Pl Arbeitshub J Kurbelradius FR K Pleuellänge Kurbelwinkel I FN Pleuelwinkel E Tangentialkraft C Radialkraft β Pleuelkraft Normalkraft F FAB = FPl Stößelkraft

b

B

Bezüglich des Arbeitsvermögens werden Exzenter- und Kurbelpressen mit Schwungradantrieb so ausgelegt, dass das Arbeitsvermögen im Dauerhub sich berechnet nach:

a

b

WD D Fnenn  hnenn mit hnenn D R  .1  cos ˛nenn /

(61.24)

Das Arbeitsvermögen im Einzelhub ist doppelt so groß. Wie oben ausgeführt, werden der Antriebsmechanismus und damit die gesamte Presse gegen Überschreiten der Nennkraft durch Einrichtungen zwischen Pleuel und Stößel geschützt. Dies sind beispielsweise Bruchplatten und Kippgesperre (. Abb. 61.51) oder hydropneumatische Überlastsicherungen (. Abb. 61.52). Entstehen bei einem Kurbelwinkel, der größer als der Nennkurbelwinkel ist, Kräfte am Stößel, die eine momentenmäßige Überlastung zur Folge haben, schützt die kraftschlüssige Kupplung zwischen Primär- und Sekundärantrieb den Antrieb. Während des Umformvorganges wird im Schwungrad gespeicherte Energie für den Prozess genutzt. Die Drehzahl des Schwungrades verringert sich auf einen zulässigen Wert. Nach dem Durchlaufen des unteren Totpunktes, bis zum Beginn des nächsten Umformprozesses, wird das Schwungrad wieder auf die Nenndrehzahl beschleunigt. Die maximal aus dem Schwungrad zu entnehmende Energie entspricht den oben genannten Arbeitsvermögen. Erfordert der Umformprozess eine höhere Energiemenge, wird

. Abb. 61.51 Mechanische Überlastsicherung a mit Bruchplatte und b mit Kippgesperre a – Deckplatte, b – Schließplatte, c – Kugelpfanne, d – Druckbolzen, e – Kniehebel, f – Tellerfedern, g – Bruchplatte . Abb. 61.52 Hydropneumatische Überlastsicherung

das Schwungrad nicht wieder vollständig beschleunigt und somit immer langsamer. Dabei steigt die Belastung des Motors und er erwärmt sich überdurchschnittlich. Gegen diese arbeitsmäßige Überlastung ist der Motor mit einem Überhitzungsschutz ausgestattet.

61

1284

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.53 Prinzipieller Aufbau eines Nebenantriebes für geradlinige Bewegung – NC(Numerical Control)-Achse

. Abb. 61.54 Typische Umwandlungsgetriebe: a Kugelgewindetrieb, b Trapezgewindespindel-Mutter-Trieb (NEF), c Rollengewindetrieb (SKF Linearsysteme GmbH), d Ritzel-Zahnstangen-Trieb (Wittenstein AG)

61.3.5

61

a

b

c

d

Nebenantriebe (Vorschubantriebe)

Nebenantriebe erzeugen Vorschubbewegungen von Werkstücken oder/und Werkzeugen, aber auch Positionierbewegungen: 4 als geradlinige Bewegung (z. B. bei Drehmaschinen) 4 als kreisende Bewegung (z. B. bei Verzahnmaschinen) 4 mit kontinuierlicher Bewegung (z. B. bei Fräsmaschinen) 4 mit intermittierender Bewegung (z. B. bei Stoßmaschinen) 4 als unabhängige Vorschubbewegung (Vorschubgeschwindigkeit in mm/min, z. B. in Fräsmaschinen) 4 als von der Schnitt- oder Hauptbewegung des Werkstückes oder Werkzeugs abhängige Vorschubbewegung (Vorschubgeschwindigkeit in mm/Umdrehung des Werkstückes oder Werkzeugs) Nebenantriebe in spanenden Werkzeugmaschinen werden als NC(Numerical Control)-Achsen aufgebaut. Dabei spielt es keine Rolle, welche Art der Bewegung realisiert wird. Am Beispiel eines Nebenantriebes für geradlinige Bewegung (. Abb. 61.53) soll die Funktion erläutert werden. Die stufenlos einstellbare Drehzahl eines frequenzgesteuerten Drehstrommotors wird über ein Übertragungselement (Kupplung, Riementrieb oder Zahnradstufe) auf die Welle eines Umwandlungsgetriebes übertragen. Dieses Getriebe wandelt die Drehbewegung in eine geradlinige Bewegung um. Typische Getriebe dafür sind (. Abb. 61.54):

4 Kugelgewindetrieb (auch Wälzschraubtrieb), typisch für NC-Achsen in Werkzeugmaschinen 4 Trapezgewindespindel-Mutter-Trieb, für einfacheWerkstattmaschinen 4 Rollengewindetrieb, für extreme Kräfte z. B. in umformenden Werkzeugmaschinen 4 Ritzel-Zahnstangen-Trieb, für Bewegungen über große Distanz und mit geringerer Genauigkeit Das Abtriebselement des Umwandlungsgetriebes ist mit der zu bewegenden Baugruppe (hier Maschinenschlitten) verbunden. Die Position dieser Baugruppe wird in der Regel direkt mit Hilfe eines linearen Messsystems ermittelt und der Wert durch Integration in Geschwindigkeit und Beschleunigung umgerechnet. Innerhalb der folgenden drei kaskadenartig angeordneten Regelkreise werden diese Istwerte mit den vorgegebenen Sollwerten verglichen und der Motor entsprechend angesteuert (vgl. 7 Abschn. 61.5). Der mechanische Aufbau zweier Nebenantriebe für geradlinige Bewegung ist in . Abb. 61.55 dargestellt. Auf den Gewichtsausgleich für den Spindelstockschlitten links im Bild soll besonders hingewiesen werden. Auf Grund der besonderen Bedeutung des Kugelgewindetriebs für NC-Achsen in Werkzeugmaschinen wird im Weiteren etwas näher auf dessen Auslegung eingegangen. Das Grundprinzip des Kugelgewindetriebs ist in . Abb. 61.56 dargestellt. Zwischen Gewindespindel und Mutter werden die Außen- und die Innengewindebahn als Kugelführung wie bei einem Wälzlager genutzt. Damit

1285 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.55 Mechanischer Aufbau zweier Nebenantriebe für geradlinige Bewegung (Butler Newall)

. Abb. 61.56 Prinzip des Kugelgewindetriebes [Gamfior SpA. Turin, Italien]

interne Kugelrückführung

Kugelgewindespindel

liegt rollende Reibung vor. Die Bedingung für einen spielfreien Lauf als Voraussetzung für hohe Präzision bei der Positionierung ist die Vorspannung des Systems derart, dass bei maximaler äußerer Belastung kein Spiel auftreten kann. Die geometrischen Beziehungen ergeben sich aus . Abb. 61.56 oben zu: Schmiegung sD

r1  0;96–0;98 r2

r2 s r1  mm mm

(61.25)

dabei sind r1 D Radius der Kugel, r2 D Radius des Gewindeprofils [mm]. Der Druckwinkel ˛ D 45ı , das Verhältnis iD

d1 D 0;8–0;85; P

wobei d1 Kugeldurchmesser [mm], P Gewindesteigung [mm].

Kugelgewindemutter

externe Kugelrückführung mit Ablenkung und Führungsnut

Auf die Kugeln wirken die Axiallast F A und die Vorspannkraft F V . Unter Berücksichtigung des Druckwinkels entsteht die Normalkraft F N . Zur Vorspannung gibt es zwei Möglichkeiten, . Abb. 61.57 Mitte und unten. In der Mitte ist eine Mutter dargestellt, in der von vornherein bei der Fertigung die Vorspannung durch das Shiften über zwei Gewindegänge (Steigung P) in der Mitte der Mutter um den Shiftbetrag 2P C sv erreicht wird. Bei der zweiten Ausführung, . Abb. 61.57, unten, werden zwei Doppelmuttern planseitig durch Schleifen nachgesetzt und gegenseitig axial verspannt. Danach erfolgt die Fixierung über einen Schrumpfring mittels HydraulikMontage. Wenn der Kugelgewindetrieb gleichzeitig Messbasis für den Lageistwert ist, werden an die Fertigung der Gewindespindel hohe Anforderungen gestellt. Maximale Steigungsfehler von 5 *m=300 mm Länge sind Standard. Darüber hinaus erfolgt eine elektronische Korrektur der Steigungsfehler mittels Vermessung und elektronischer Korrektur (˙ Zählung) über die CNC-Steuerung der Werkzeugmaschine.

61

1286

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

2) Einfluss der Art der Lage3) Einfluss der Art der Lagerrung der Gewindespindel im aufnahme der GewindespinGestell (Bett, Kasten u. ä.) del im Gestell (Bett, Kasten auf die Axialverschiebung u. ä.) auf die Axialverschiebung

. Abb. 61.58 Einflüsse auf die Axialverschiebung ıA unter Last beim Wälzschraubtrieb

61

. Abb. 61.57 Kräfte und Vorspannmöglichkeiten beim Kugelgewindetrieb KGT [nach FAG]

In . Abb. 61.58 ist unter 1) die Axialverschiebung unter Last dargestellt. Das Diagramm zeigt die Kraft (Last) F als Funktion der Axialverschiebung ı. Dabei stellt die Kurve F AI die Verschiebung in Abhängigkeit der Belastung in einer Richtung dar (Axiallast – rechte Mutter), die Kurve F AII zeigt die Funktion bei Belastung in der Gegenrichtung (Axiallast – linke Mutter). Beide Kurven kreuzen sich im Vorspannpunkt. Dieser entspricht der Vorspannkraft FV mit der Vorspannungsverschiebung ıV=2 . Die Axiallast F A darf nur so groß werden, dass die zugeordnete Axialverschiebung ıA den Wert ıV=2 in beiden Richtungen nicht überschreitet. Andernfalls würde Spiel entstehen und eine präzise Positionierung wäre nicht mehr möglich. Die Bilder 2) und 3) in . Abb. 61.58 zeigen, welchen Einfluss die axiale Lagerung der Gewindespindel im Maschinengestell auf die Axialverschiebung hat. Werden an diesen Stellen konstruktionsseitig nur geringe Steifen vor-

gesehen, so sind Positionsfehler des Arbeitsschlittens unter Last vorprogrammiert. Die Berechnungen von Lebensdauer, zulässiger statischer Belastung und zulässiger Drehzahl entsprechen weitgehend denen der Wälzlager. Die Lebensdauer ergibt sich zu 

3 ca LD  106 FA fw L ca Fa Umdr:

fw

(61.26)

daN daN –

Mit ca Dynamische Tragzahl F A Axiallast fw Faktor für Betriebsbedingungen: 1 bis 1,2 bei vibrations- und erschütterungsfreien Bewegungen 1,2 bis 1,5 bei normalen Bewegungen 1,2 bis 2,5 bei Bewegungen mit Vibration und Erschütterungen

61

1287 61.3  Antriebe in Werkzeugmaschinen

dabei sind: ls Weg (Hub) nI Anzahl der Zyklen der Mutter pro min P Steigung Die zulässige statische Axiallast bei Stillstand der Spindel ergibt sich aus: FA 

coa fs

FA

coa

fs

daN daN 1–3

(61.28)

dabei sind: fs coa

statischer Sicherheitsfaktor, bei normaler Bewegung 1–2, bei Vibrationen 2–3 statische Tragzahl

Die zulässige Drehzahl nzul D 0;8nkr fko nzul min

nkr 1

fko 1

min

(61.29)

0;32–2;24

mit r nkr D

. Abb. 61.59 Möglichkeiten des Einbaus von Wälzschraubtrieben und Steife-Verhalten [Gamfior SpA, Turin, Italien]

Die Lebensdauer in Arbeitsstunden ist: LP 2 ls nI 60  103 Lh P ls n I

Lh D

h

(61.27) 1

mm m min

. Abb. 61.60 Aufbau eines Nebenantriebs für geradlinige Bewegung mit Linearmotor

g f

nkr min1

f

g mm mm s2

(61.30)

nkr kritische Drehzahl, g Erdbeschleunigung, f max. Durchbiegung bei Eigengewicht der Spindel als Streckenlast mit Korrekturfaktor f ko 0,32 bei einseitig eingespannter Gewindespindel 1,00 bei beidseitig frei aufliegender Spindel 1,55 bei einseitig eingespannter, ansonsten frei aufliegender Spindel 2,24 bei beidseitig eingespannter Spindel In . Abb. 61.59 sind diese Fälle an Hand von verschiedenen Lagerungsmöglichkeiten der Gewindespindel dargestellt.

1288

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.62 Schema zum Aufbau einer Hauptspindelbaugruppe ohne Umbauteile

. Abb. 61.61 Aufbau von zwei Nebenantrieben für drehende Bewegungen mit Torquemotoren

Einbaufall 5) reduziert den Korrekturfaktor f ko auf den Wert 0,32 und setzt damit die zulässige Drehzahl erheblich herab. Außerdem zeigt das Diagramm im Bild unten, dass die Steife des Systems mit wachsendem Schlittenweg nach rechts erheblich abnimmt, während bei beidseitiger Axiallagerung der Gewindespindel die Steife ein Minimum in der Wegmitte aufweist. Die besten Werte werden mit der axial vorgespannten Spindel, Einbaufall 4), erzielt. Nebenantriebe können auch als Direktantriebe, d. h. ohne Drehzahlanpassung und Umwandlungsgetriebe, ausgeführt werden. Für geradlinige Bewegungen werden dafür Linearmotoren (. Abb. 61.60) und für drehende Bewegungen Torquemotoren (. Abb. 61.61) eingesetzt.

61 61.4 61.4.1

Hauptspindelbaugruppe Aufgaben, Anforderungen und prinzipieller Aufbau

Hauptantriebe in spanenden Werkzeugmaschinen erzeugen die rotierende Bewegung des Bauteils Hauptspindel und damit die Schnittbewegung. In Abhängigkeit vom jeweiligen zu realisierenden Fertigungsverfahren werden sie auch als Werkstückspindeln (z. B. bei Drehmaschinen) oder als Werkzeugspindeln (z. B. bei Fräs- und Bohrbearbeitungszentren, Rund- und Flachschleifmaschinen) bezeichnet. Im Gegensatz dazu bezeichnet man Spindeln (Wellen), die eine rotierende Vorschubbewegung erzeugen, als Arbeitsspindeln (z. B. die Werkstückspindel bei Rundschleifmaschinen). Auf Grund ihrer Bedeutung beziehen sich die weiteren Ausführungen auf Hauptspindeln und die sie umgebenden Bauteile, also auf die Hauptspindelbaugruppe. Diese hat die Aufgaben: 4 das Bauteil Hauptspindel um eine in ihrer Lage vorgeschriebenen Drehachse zu führen, 4 das jeweilige Spannmittel für Werkstück oder Werkzeug aufzunehmen,

4 die Leistungsübertragung zwischen Antriebselement und Spannmittel entsprechend der geforderten Drehzahlen und Drehmomente zu gewährleisten, 4 die Bearbeitungskräfte in das Gestell weiterzuleiten und 4 die Zuführung von Medien (z. B.: Kühlschmierstoff) zu realisieren. Damit ergeben sich ausgesprochen hohe Anforderungen an Konstruktion und Fertigung der Hauptspindelbaugruppe. Entsprechend der zu realisierenden Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Werkzeugmaschine sind 4 eine gewünschte Koaxialität von Einspannachse des Spannmittels und Spindelachse während der gesamten Nutzungsdauer zu gewährleisten, 4 zulässige Laufabweichungen (kleine Axial-, Radialoder Kippbewegungen) zu sichern, 4 möglichst geringe Reibung in den Lagerstellen (Erwärmung, Verschleiß) zu gewährleisten sowie 4 ein gutes statisches, dynamisches und thermisches Verhalten zu realisieren. Dies alles natürlich bei vertretbarem Aufwand für Fertigung und Montage. Der prinzipielle Aufbau einer Hauptspindelbaugruppe ist in . Abb. 61.62 schematisch dargestellt. Das Bauteil Hauptspindel mit dem Spindelflansch zur Aufnahme des Spannmittels für Werkstück oder Werkzeug ist zweifach radial gelagert. Um den Kragarm und thermische Einflüsse auf die Lage des Spindelflansches möglichst klein zu halten, wird die axiale Lagerung nach dem vorderen Radiallager angeordnet. Auf Grund der Bedeutung dieser Lagerstelle für die Genauigkeit des Systems wird sie als Hauptlager bezeichnet. Das zweite Radiallager bezeichnet man als Nebenlager. Alle Lagerstellen können Elemente zum Einstellen des Lagerspieles besitzen und sind mit Dichtungen versehen. Für den Antrieb gibt es vier prinzipielle Lösungen. 1. Die Anordnung eines Zahnrades (Bodenrad) direkt auf dem Bauteil Hauptspindel. Nachteilig ist dabei, dass die Antriebskräfte die Hauptspindel und ihre Lagerung verformen und damit die radiale Lage des Spindelflansches beeinflussen.

61

1289 61.4  Hauptspindelbaugruppe

. Abb. 61.63 Prinzipieller Aufbau einer Hauptspindelbaugruppe

. Abb. 61.64 Bezogene radiale Verlagerung am Spindelflansch als Funktion des Lagerabstandes

2. Die Lagerung des Antriebselementes (Zahnrad, Riemenscheibe) im Spindelstock, sodass die Zahnrad- oder Riemenkräfte direkt ins Gestell eingeleitet werden. Die Drehbewegung wird über ein Vielkeilprofil querkraftfrei auf das Bauteil Hauptspindel übertragen. 3. Anschluss der Antriebswelle über eine Kupplung an die Hauptspindel (nicht dargestellt). Hierbei ist zu beachten, dass ggf. die Anordnung von Spanneinrichtungen oder Werkstückzufuhr behindert wird. 4. Aufbau einer Motorspindel (. Abb. 61.79) mit Anordnung des Antriebsmotors zwischen Haupt- und Nebenlager. Diese kompakte Lösung muss in der Regel mit entsprechenden Kühleinrichtungen betrieben werden. Zur Hauptspindelbaugruppe gehören weiterhin die Umbauteile zur Aufnahme der Lagerungen und Dichtungen (z. B. Spindelhülse), ggf. eine Pinole und deren Führung, sowie Einrichtungen zur Zu- bzw. Durchführung von Betriebsmedien und Mess- und Überwachungseinrichtungen. Eine mögliche konstruktive Umsetzung des beschriebenen Aufbaus der Hauptspindelbaugruppe ist in . Abb. 61.63 dargestellt. Innerhalb der Hauptspindel ist die Spanneinrichtung für den Werkzeugadapter, hier ein Steilkegel, angeordnet. Das Hauptlager besteht aus drei und das Nebenlager aus zwei Spindellagern. Insgesamt wird

damit keine Fest-Los-Lagerung, wie in . Abb. 61.62 angedeutet, sondern eine Stützlagerung realisiert. Bei der Auslegung des Abstandes zum zweiten Radiallager (Nebenlager) ist, neben der Durchbiegung der Spindel, auch die elastische Verformung der Lager zu beachten (. Abb. 61.64). Es ist:    a 2 1 y aC1 2 1 a2 l a3 C C C (61.31) D F 3EIa 3EIl l cv l ch „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … .y=F / der Spindel

.y=F / der Lagerung

Die Formel zeigt, dass die Auskraglänge a klein und die Steife des vorderen Lagers groß sein muss, um eine geringe Durchbiegung, bezogen auf die Spindelnase, oder eine hohe Steife zu erreichen. Beim Lagerabstand lopt tritt ein Durchbiegungsminimum oder ein Steifemaximum auf. In Abhängigkeit von den Spindel- und Lagerungsparametern gilt: lopt  2  .5/ a

lopt a mm mm

(61.32)

Als Werkstoffe für Arbeitsspindeln werden eingesetzt: C45E und C60E (DIN EN 10083) sowie 16MnCr4 und 20MnCr5 (DIN EN 10084). Der Spindelflansch wird bestimmt durch die vorgesehene Aufnahme der Adapter für Werkstücke bzw. Werkzeuge.

1290

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.65 Werkstückspindelkopf mit Kurzkegel und Plananlage nach DIN ISO 702-1, DIN ISO 702-3, DIN ISO 702-2 mit aufgespanntem Kraftspannfutter [Forkardt, Erkrath]

. Abb. 61.66 Werkzeugspindelkopf mit Steilkegelschaft 7 : 24 für Werkzeuge nach DIN ISO 7388-3/DIN 2080

Aufnahmen für Werkstückspanner Die Arbeits- oder Werkstückspindel ist mit einem Spindelkopf, . Abb. 61.65, ausgebildet, der aus einem Kurzkegel zur Zentrierung und einem Flansch mit Planfläche hoher Ebenheit und Laufgenauigkeit besteht. Die Tolerierung der Flächen muss so gewählt werden, dass mit der Aufspannung des Futters die Planfläche und der Zentrierkegel zum Tragen kommen. Damit werden hohe Spanngenauigkeit und Steife erreicht.

Aufnahmen für Werkzeugspanner

61

4 Steilkegel 7:24 Steilkegelwerkzeuge werden in Bearbeitungszentren verwandt, wo ein automatischer Werkzeugwechsel installiert ist. Auch für manuellen Werkzeugwechsel mit Kraftspannung werden sie an Fräsmaschinen, Waagerecht-, Bohr- und Fräswerken u. a. eingesetzt. Bei automatischem Werkzeugwechsel wird durch Anzugsbolzen und Zange der Schaft zentriert. Das Drehmoment wird über Mitnehmersteine übertragen, . Abb. 61.66 und 61.67. 4 Metrischer (Kegelwinkel 1°250 2500 56) und MorseInnenkegel (1ı 260 4300 bis 1ı 260 2600 ) selbsthemmend nach DIN 228 insbesondere für Bohrmaschinen oder als Innenaufnahme an Drehmaschinen-Hauptspindeln. 4 Zylindrische Bohrung mit koaxialem Präzisionsgewinde für die Schleifdornaufnahme an Innenschleifspindeln (nicht genormt) und für Schleifspindelköpfe von Außenrund-Schleifmaschinen. 4 Steilkegel 1:5 für Schleifspindelköpfe von Außenrundschleifmaschinen. 4 Hohlschaftkegel (HSK) nach DIN 69893 für rotierende Werkzeuge. Die innere Kontur der Hauptspindel wird im Wesentlichen durch das Werkzeug- bzw. Werkstückspannsystem vorgegeben. In . Abb. 61.68 und 61.69 sind zwei prin-

. Abb. 61.67 Steilkegelschaft für Werkzeuge mit Steilkegel 7 : 24 für automatischen Werkzeugwechsel (DIN ISO 7388-1). Die Trapezrille 7 ermöglicht die Betätigung durch einen Werkzeugwechsler. Ein Werkzeugdatenträger ermöglicht die Kennung des jeweiligen Werkzeuges für den Datenspeicher der CNC-Steuerung der Werkzeugmaschine [Deckel, München]

zipielle Werkzeugspannsysteme abgebildet. Dabei ist die Aufnahme mit Hilfe eines Steilkegels als klassisch zu bezeichnen. Bei hohen Drehzahlen kommt es zur Aufweitung des Kegels an der Spindel und zum tieferen Einzug durch die wirkenden Federkräfte. Wird die Spindel angehalten, klemmt dann der Kegel und der automatische Werkzeugwechsel wird erschwert bzw. unmöglich. Auf Grund dieser Tatsache wurde der Hohlschaftkegel (HSK) entwickelt. Der Einzug des Kegels wird durch Planflächen begrenzt. Weitet sich der Kegel an der Spindel, wird der Hohlschaft mit Hilfe der Spannkraft auch geweitet und somit die Anlage gewährleistet. Bei Stillstand der Spindel und Lösen der Spannkraft gehen die elastischen Verformungen zurück und der Werkzeugwechsel erfolgt ohne Schwierigkeiten.

1291 61.4  Hauptspindelbaugruppe

. Abb. 61.68 Hauptspindel mit einem Spindelflansch zur Aufnahme von Adaptern mit Steilkegel und entsprechendem Spannsystem (OTT-JAKOB GmbH & Co.)

. Abb. 61.69 Hauptspindel mit einem Spindelflansch zur Aufnahme von Adaptern mit Hohlschaftkegel und entsprechendem Spannsystem (CyTec Zylindertechnik GmbH)

61.4.2

Lagerbauarten für Hauptspindeln

In der Regel werden Hauptspindeln wälzgelagert. Verbunden damit sind Vorteile wie keine erhöhte Anlaufreibung, keine Einlaufzeit notwendig, das Lagerspiel ist einstellbar, geringer Wartungsaufwand sowie sichere Dimensionierung und damit Gewährleistung für das Kaufteil. Die Nachteile bezüglich Aufwands für Montage, Empfindlichkeit gegenüber Schwingungs- und Stoßbelastung sowie schlechtes Dämpfungsverhalten können in der Regel akzeptiert werden. Von den in . Abb. 61.70 gezeigten Wälzlagerarten werden insbesondere die Spindellager (zum Teil als Hybridlager mit Kugeln aus Keramik) für hohe Drehzahlen und zweireihige Zylinderrollenlager in Kombination mit Axialrillenkugellagern für schwere Drehmaschinen eingesetzt. Wälzlager werden grundsätzlich verspannt und demzufolge mit negativem Spiel betrieben. Damit werden die geforderten Genauigkeiten und Steifigkeiten der Lagerstellen erreicht. Insbesondere bei Hauptspindeln, die mit annähernd konstanter Drehzahl betrieben werden, z. B. Schleifspindel, kann der Einsatz hydrodynamischer Gleitlager vorteilhaft sein. In der Regel werden Mehrflächengleitlager (. Abb. 61.71) angewandt, in denen sich mehrere hydrodynamische Schmierkeile am Umfang ausbilden und die Welle nahezu mittig lagern. Die Tragfähigkeit der Schmierkeile

ist von der Relativbewegung, also der Drehzahl abhängig und sollte deshalb nur geringen Schwankungen unterliegen. Nachteilig ist die Anlaufreibung. Hydrostatische und aerostatische Gleitlager werden bei Forderungen nach extremer Genauigkeit, hohen Drehzahlen und moderaten aufzunehmenden Kräften eingesetzt. Gegenüber hydrodynamischen Gleitlagern haben sie die Vorteile, dass keine Festkörperreibung auftritt und die Tragfähigkeit drehzahlunabhängig ist. Erfolgt die Öl- bzw. Luftzufuhr geregelt, kann der Lagerspalt konstant gehalten werden, was die hohe Genauigkeit sichert. In . Abb. 61.72 ist ein hydrostatisches Gleitlager (Radiallager) abgebildet. Man erkennt deutlich die vier Öltaschen mit der Bohrung für die Ölzuführung. Der Einsatz von Magnetlagerungen an Hauptspindeln ist derzeit unbedeutend. 61.4.3

Ausgeführte Hauptspindelbaugruppen

Arbeitsspindel für ein CNC-Bearbeitungszentrum Die Antriebsleistung für die in . Abb. 61.73 gezeigte Arbeitsspindel beträgt 20 kW, der Drehzahlbereich liegt bei 11 bis 2240 1/min. Der Antrieb erfolgt über ein schrägverzahntes Radpaar auf die Spindel. Dieses Beispiel stellt die klassische Wälzlagerung für einen großen Drehzahlbereich und hohe radiale und axiale Belastungen dar, wie sie vor al-

61

1292

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.70 Wälzlagerarten für Hauptspindeln

. Abb. 61.71 Hydrodynamische Mehrflächengleitlager: a Mackensen-Lager, b Lagerschale eines Kippsegmentlagers

a

b

61

. Abb. 61.72 Hydrostatische Gleitlager

lem beim Fräsen auftreten. Die definierte Vorspannung der Radial-Zylinderrollenlager (DIN 5412) wird erreicht über eine Mutter und die Innenkegelfläche im Verhältnis 1:12 des Innenrings, durch die dieser bei axialer Verschiebung geweitet wird. Um zu vermeiden, dass durch den Monteur eine zu große Vorspannung eingestellt wird, befindet sich im Bild links vor dem Lager-Innenring ein Distanzring, der auf eine der gewünschten Vorspannung entsprechende Breite geschliffen und plan geläppt wurde. Das doppelreihige Axial-Schrägkugellager besitzt zwei Innenringe und dazwischen ebenfalls einen Distanzring, dessen Breite die axiale Vorspannung bestimmt. Positiv ist, dass nur eine Bohrung für das vordere Radiallager und das Axiallager

. Abb. 61.73 Arbeitsspindel als Werkzeugspindel zum Fräsen, Bohren u. a. für ein CNC-Bearbeitungszentrum [nach FAG]

herzustellen ist und der Radiallager-Außenring gleichzeitig den Zentriersitz für die vordere Abdeckkappe bildet, in welcher eine Labyrinthdichtung gegen das Eindringen von Kühlschmiermittel und eine zweite gegen das Auslaufen von Schmieröl aus dem Spindelkasten (Öl-Umlaufschmierung) angebracht ist.

1293 61.4  Hauptspindelbaugruppe

. Abb. 61.74 Werkstückspindel mit Lagerung für eine CNC-Drehmaschine [nach FAG]

Arbeitsspindel für eine CNC-Drehmaschine Die Antriebsleistung der Arbeitsspindel in . Abb. 61.74 beträgt 25 kW. Der Drehzahlbereich ist mit 31,5 bis 5000 1/min groß bei einer sehr hohen oberen Grenzdrehzahl. Durch den Einsatz von drei Spindellagern als vorderes Hauptlager wird eine ausreichende Steife und hohe Laufruhe erreicht. Durch „Freistellen“ des dritten (linken) Spindellagers in radialer Richtung und damit nur zur Aufnahme der Axialkräfte entsteht eine geringere Wärmeentwicklung. Die Vorspannung wird über Distanzringe unterschiedlicher Breite zwischen den Lagern erreicht. Als hinteres Lager kann ein doppelreihiges Zylinderrollenlager mit leichter Vorspannung verwendet werden, da eine geringere Belastung vorliegt. Das integrierte Spannfutter verringert den Kragarm um ca. 30 % gegenüber einem normalen Spannfutter. Die Schmierung erfolgt „for life“ mit einem Spezial-Wälzlagerfett (FAG-Arcanol). Die Abdichtung gegen Eindringen von Kühlschmiermittel übernehmen wiederum Labyrinthe.

Planscheibenlagerung einer Senkrecht-Drehmaschine (Karussell) Die Antriebsleistung für die Planscheibe, . Abb. 61.75, beträgt 55 kW, der Drehzahlbereich liegt bei 4 bis 300 1/min. Die radiale Führung und die axiale Gegenführung übernimmt ein Radial-Schrägkugellager. Hauptstützlager ist ein Axial-Rillenkugellager.

. Abb. 61.75 Planscheibenlagerung einer Karusselldrehmaschine [nach FAG]

mit erforderliche hohe Steife wird erreicht durch große Spindeldurchmesser, einen verstärkten Spindelkern zwischen den Lagern und durch die Anordnung von vier Hochpräzisions-Spindellagern auf der Schleifscheibenseite (. Abb. 61.76). Die Drehzahl liegt im Durchschnitt bei 3.500 bis 4.000 1/min. Die Lagervorspannung des vorderen und hinteren Lagerpaketes übernehmen auch hier Distanzringe, wobei der innere Ring um wenige *m (je nach Größe der Vorspannkraft) gegenüber dem äußeren Ring in seiner Breite zurückgesetzt wird. Die Schmierung erfolgt „for life“ durch Fett.

Schleifspindel für Außenrundschleifmaschinen

Werkzeugspindeleinheit zum Bohrungsschleifen

Von Außenrundschleifmaschinen wird einerseits eine hohe Zerspanungsleistung beim Schruppschleifen gefordert, andererseits die Sicherung enger Formtoleranzen und guter Oberflächengüten beim Fertigschleifen. Die da-

Riemengetriebene Schleifspindeln (. Abb. 61.77) werden bis maximal 30.000 Umdrehungen pro Minute eingesetzt. Darüber hinaus ergeben sich ungünstige Umschlingungswinkel des Flachriemens an der auf der Schleifspindel

61

1294

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.76 Werkzeugspindeleinheit für Außenrundschleifmaschinen [Weiss Spindeltechnologie GmbH, Schweinfurt]

61

. Abb. 61.77 Riemengetriebene Schleifspindeleinheit zum Innenrundschleifen [Weiss Spindeltechnologie GmbH, Schweinfurt]

sitzenden Riemenscheibe, da diese sehr klein gewählt werden muss, um die erforderliche Übersetzung beim meist verwandten Drehstrom-Asynchronmotor mit Drehzahl 3000 Umdrehungen pro Minute als Antrieb zu erreichen. Zur Sicherung, des hochtourigen Laufs muss das System Spindel-Lagerung steif und sehr genau sein. Um Veränderungen u. a. durch thermische Einflüsse zu begegnen, werden beide Lagerpakete über eine Druckfeder, die auf das hintere Lagerpaket wirkt, axial vorgespannt. Die Lagerpakete in sich erhalten die Vorspannung wiederum über Distanzringe unterschiedlicher Breite. Die Schmierung erfolgt in der Regel „for life“ mit Fett.

Motorspindeleinheit für die Hartfeinbearbeitung kurzer, vorwiegend runder Teile (im Futter spannbar) (. Abb. 61.78) In zunehmendem Maße finden Motorspindeln als Werkstück- und Werkzeugspindeln Anwendung im Werkzeugmaschinenbau. Die Vorteile liegen auf der Hand: 4 Wegfall mechanischer Getriebe 4 Querkraftfreie Arbeitsspindel, damit Reduzierung von Relativschwingungen zwischen Werkstück und Werkzeug auf ein Minimum, besonders wichtig bei Präzisionsmaschinen 4 Stufenlose Drehzahleinstellung und Regelung

4 Anwendung hoher Schnittgeschwindigkeiten durch hohe Drehzahlen und leistungsstarke Motoren, z. B. beim Hochgeschwindigkeits(HSC)-Fräsen 4 Leichte Verfahrbarkeit der Spindeleinheit in den kartesischen Koordinaten durch deren kompakten Aufbau Die in . Abb. 61.78 gezeigte Spindeleinheit besitzt als Antrieb einen stufenlos stellbaren Drehstrom-Synchronmotor (Siemens AG). Da dieser bei Belastung relativ kalt bleibt und ein zusätzliches Kühlsystem vorhanden ist, wird eine hohe thermische Steife erreicht. Der Motor ist bei dieser Spindel hinter den beiden Hauptlagern angeordnet. Dadurch wird ein drittes Lager am Spindelende benötigt. Zusätzliche Sperrluft sorgt für eine einwandfreie Abdichtung gegen Eindringen besonders von Schleifhilfsstoff (Hartfeindrehen erfolgt trocken).

Motorspindel In . Abb. 61.79 und 61.80 sind Motorspindeln für Bearbeitungszentren abgebildet. Die Hauptspindel ist gleichzeitig Motorwelle und trägt den Rotor. Die Lagerung erfolgt über Spindellager, die als Stützlagerung ausgeführt und in Tandem-O-Tandem-Anordnung aufgebaut ist. Der Stator des Motors ist in der Spindelhülse montiert. Auf Grund der Wärmeentwicklung am Stator wird die Hülse grundsätzlich

1295 61.4  Hauptspindelbaugruppe

. Abb. 61.78 Werkstückspindeleinheit für Hartbearbeitungsmaschinen zum Hartfeindrehen und Schleifen in einer Aufspannung [Weiss Spindeltechnologie GmbH, Schweinfurt]

. Abb. 61.79 Motorspindel für ein Bearbeitungszentrum mit Steilkegelaufnahme für die Werkzeuge

mit Wasser gekühlt und damit die thermische Stabilität gewährleistet. Die Motorspindel für Hochgeschwindigkeitsbearbeitung (. Abb. 61.80) besitzt zusätzlich zur Kühlung der Spindelhülse eine Kühlung am Spindelflansch für das Hauptlager und innerhalb der Hauptspindel (Welle). Die Bearbeitung mit Drehzahlen bis 40.000 min1 ist möglich. Als Beispiel soll das Fräsen mit einem Werkzeugdurchmesser von 0,3 mm genannt werden, bei dem eine Rautiefe Ra < 0,15 *m erreicht wird. Für extrem hohe Drehzahlen gibt es Motorspindeln mit Turbinenantrieb (. Abb. 61.81). Anstelle des Elektromotors befindet sich eine Turbine, die in diesem Fall mit Kühlschmierstoff oder Druckluft betrieben werden kann. Bei einer Rundlaufgenauigkeit von 5 *m werden beim Betrieb mit 4 Kühlschmierstoff mit 10 bis 60 bar Drehzahlen von 40.000 bis 75.000 min1 und 4 Druckluft mit 3 bis 7 bar Drehzahlen von 35.000 bis 60.000 min1 erreicht.

. Abb. 61.80 Motorspindel für HSC-Bearbeitung (High Speed Cutting) (DMG MORI AG)

. Abb. 61.81 Motorspindel mit Turbinenantrieb (Paul Horn GmbH)

61

1296

61.5 61.5.1

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

Steuerung von Werkzeugmaschinen Mechanisch gesteuerte Automaten

Erste mechanisch gesteuerte Automaten für die Dreh- und Ergänzungsbearbeitung wurden bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Sie wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts technisch weiter ausgebaut und haben auch heute, im Zeitalter der CNC-Technik, dort wo ausgesprochene Großserien- und Massenfertigung vorliegt, ihre Bedeutung noch nicht verloren. Hauptelement dieser Automaten ist die Steuerkurve, als Kurvenscheibe oder Kurventrommel eingesetzt. In ihr ist sowohl der Weg als auch die Geschwindigkeit des von ihr angetriebenen Werkzeugschlittens gespeichert. Die Übertragung erfolgt mit direkten mechanischen Mitteln ohne zusätzliche Verstärkung, . Abb. 61.82.

Einspindel-Revolverdrehautomaten

61

In . Abb. 61.83 ist der Getriebeplan eines EinspindelRevolverdrehautomaten mit Hilfssteuerwelle dargestellt. Die Hilfssteuerwelle besitzt eine konstante, höhere Drehzahl, um die Schaltvorgänge der Hilfsbewegungen, die von auf der Hauptsteuerwelle sitzenden Nocken ausgelöst werden, in kurzer Zeit auszuführen. Auf der Hauptsteuerwelle, die sich pro WerkstückOperativzeit einmal um 360ı dreht, sitzen die Kurve für den Revolverschlitten und die Seitenschlittenkurven. Die Schlittengeschwindigkeit wird durch den Kurvenanstieg bestimmt, der Weg durch Anfangs- und Endpunkt eines Kurven-Abschnittes. Die Schaltung des Revolverkopfes erfolgt über ein Malteserkreuzgetriebe. Nach dem . Abb. 61.82 Steuerkurvensatz für einen Einspindelautomaten

Schalten wird der Revolverkopf wieder automatisch verriegelt. Über Wechselräder kann die für die Fertigung geeignete Drehzahl der Hauptsteuerwelle von der Hilfssteuerwelle abgeleitet werden. Der Maschinenaufbau ist rein mechanisch und damit kostengünstig und robust. Hauptproblem ist, dass für jedes neue Zeichnungsteil ein neuer Kurvensatz benötigt wird und die Umrüstung längere Zeit benötigt. Die Kurvenkonstruktion und -herstellung kann aber heute sehr rationell über ein CAD-CAM-Programm online auf einem CNC-Fräszentrum erfolgen, so dass nach wie vor bei Vorhandensein großer Serien eine rationelle Fertigung möglich ist.

Mehrspindeldrehautomaten Da beim Mehrspindeldrehautomaten die Fertigungszeit für ein Werkstück nicht größer ist als die der längsten Bearbeitungsoperation am Werkstück, gilt der Mehrspindler genau wie die Taktstraße bei der Fertigung prismatischer Teile (Motorenzylinderblöcke u. a.) als die derzeit produktivste Werkzeugmaschine in der spanenden Fertigung runder Teile. Durch den relativ komplizierten Aufbau (Spindeltrommel und deren Lagerung, Aufnahmen der Arbeitsspindeln in der Trommel, Präzision der Trommelschaltbewegung u. a.) kann meist nur eine mittlere Arbeitsgenauigkeit erreicht werden. Aber in der Weichbearbeitung von Automobilteilen, Standard-Wälzlagerringen, Normteilen etc. wird der konventionelle, kurvengesteuerte Mehrspindel-Drehautomat weiterhin mit großem Erfolg eingesetzt. Auch hier können durch den Einsatz der CNC-Technik für die Werkzeugschlittenbewegungen und von Motorspindeln für die Werkstückaufnahme (C-Achse) die Bearbei-

1297 61.5  Steuerung von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.83 Getriebeschaltplan eines konventionellen Einspindel-Revolverdrehautomaten mit Hilfssteuerwelle [Index, Esslingen] . Abb. 61.84 Mehrspindeldrehautomat für Stangenbearbeitung mit 6 Spindeln MS 32P [Index Werke GmbH & Co, KG, Esslingen]

tungsgenauigkeit und die Flexibilität erheblich gesteigert werden. . Abb. 61.84 zeigt eine moderne Konstruktion eines CNC-Sechsspindelautomaten mit 6 Motorspindeln, in der Trommel gelagert, und einer pinolengeführten Synchronspindel zur Aufnahme des Werkstückes für die Bearbeitung der Werkstückrückseite.

61.5.2

Programmsteuerungen

WZM oder Baueinheiten ohne CNC-Steuerung, aber mit automatischer Ablauffolge, werden häufig dort verwendet, wo in größeren Abständen umgerüstet werden muss, beispielsweise in Taktstraßen und Fertigungslinien. Für

61

1298

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.85 Nockensteuerung über Endschalter oder Näherungsinitiatoren

61

geringe Anforderungen hinsichtlich Positioniergenauigkeit oder für Schaltkommandos wie „Umschalten von Eilgangauf Arbeitsgeschwindigkeit“ eines Werkzeugschlittens ist dieser mit Nockenbahnen ausgerüstet. Die Nocken betätigen über direkten Kontakt oder berührungslos elektrische oder elektronische Schalter, . Abb. 61.85. Die logische Verknüpfung erfolgt heute in der Regel über die speicherprogrammierte Steuerung (SPS). Von dieser werden entsprechende Kommandos an Aktoren gegeben (Magnetventile, Kupplungen, Motoren u. a.). Von einer SPS können auch einzelne CNC-Achsmodule angesteuert werden, wenn diese innerhalb der Folgesteuerung aus Gründen der Präzision oder der Kompliziertheit des Bewegungsablaufs gebraucht werden. Bei Anwendung hydraulischer Antriebe werden häufig Anschlagsteuerungen angewandt. Ein hydraulisch betätigter Arbeitsschlitten fährt gegen einen präzise einstellbaren Anschlag und wird durch den Öldruck gegen diesen gedrückt. Über den Druckanstieg kann zusätzlich ein Druckschalter betätigt werden, wodurch der nächste Teilschritt des automatischen Ablaufs eingeleitet werden kann. 61.5.3

Numerische Steuerungen

Definition Numerische Steuerungen werden als NC- oder CNCSteuerungen bezeichnet. NC ist die Abkürzung für – Numerical Control –. Dies bedeutet: Steuern mit Ziffern oder Zahlen, d. h. die direkte Eingabe eines Positionswertes eines Werkzeugschlittens als Zahlenfolge ist möglich.

Alle Bewegungen und Positionen, die zur Bearbeitung eines Werkstückes erforderlich sind, einschließlich der Arbeitsspindeldrehzahlen, Vorschubgeschwindigkeiten und

Hilfsfunktionen, wie Handhabung und Speicherung der Werkzeuge und Werkstücke, werden durch das NC-Programm der Steuerung vorgegeben. Bei Maschinen mit NC-Steuerungen wird das NC-Programm stets in der Arbeitsvorbereitung erstellt und mittels Datenträger (in der Regel Lochstreifen) der NC-Maschine zugeführt. Seit Ende der siebziger Jahre zunehmend und heute ausschließlich werden numerische Steuerungen als CNCSteuerungen ausgeführt. CNC ist die Abkürzung für – Computerized Numerical Control – d. h. diese Steuerungen besitzen Mikrorechner, die einschließlich weiterer Steuerungsbaugruppen, z. B. PLC (Programmable Logic Controler D SPS), in die Steuerungshardware der Maschine integriert sind. Wesentlicher weiterer Bestandteil ist die Bedientafel mit dem Display, heute meist als Farbbildschirm in der Anwendung, einschließlich der Tastatur, mit dessen Hilfe auch eine werkstattorientierte Programmierung an der Maschine möglich ist. Die möglichen Steuerungsarten sind in . Abb. 61.86 dargestellt. Am einfachsten ist die Punktsteuerung, die u. a. bei CNC-Koordinatenbohrmaschinen ausreichend ist. Die Streckensteuerung wird besonders bei einfachen CNCDrehmaschinen angewandt, bringt aber heute wegen des geringen Preisunterschiedes zu Bahnsteuerungen keinen Effekt mehr.

Steuerungsarten Da sich heute immer mehr der Trend durchsetzt, auf einem Bearbeitungszentrum alle Bearbeitungen an einem Werkstück komplett durchzuführen, hat sich die 3-Achsen-Bahnsteuerung weitgehend durchgesetzt. Dabei stehen die Bewegungen der einzelnen Achsen zueinander in funktioneller Abhängigkeit. Der Interpolator rechnet für einen kleinen Wegabschnitt die zu koordinierende Bewegungsfolge nach Richtung und Geschwindigkeit. Bei modernen Steuerungen können höhere Interpolationsverfahren, wie Spline- und Polynom-Interpolation, zur Anwendung kommen. Die 5-Achsen-Bahnsteuerung wird durch die Interpolation der beiden Schwenkachsen A und C bei der Herstellung sehr komplizierter, räumlicher Flächen mit Hinterschnitten, wie sie im Formenbau vorkommen, genutzt. Auch kann die Werkzeugkontur ständig den günstigsten Winkel zur Oberflächentangente einnehmen.

Aufbau und Funktion von CNC-Steuerungen . Abb. 61.87 zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer CNC-Steuerung. Generell gilt: Die CNC-Steuerung stellt Lage- und Geschwindigkeits-Sollwerte für die NC-Achsen sowie Ausgabewerte für Schaltbefehle zur Verfügung. In einem Umrichtersystem mit Regler und Leistungsmodul erfolgt die Regelung des Servomotors einer CNC-

1299 61.5  Steuerung von Werkzeugmaschinen

. Abb. 61.86 Steuerungsarten (die Bahnsteuerungen 3) bis 6) werden durch Interpolatoren koordiniert)

Achse nach dessen Führungsgrößen „Lagesollwert“ und „Drehzahlsollwert“, wobei über Messsysteme Lage- und Drehzahl-Istwert erfasst und dem Regelsystem zugeführt werden. Eine PLC in der Steuerung erteilt entsprechend des NC-Programms zum programmierten Zeitpunkt die gewünschten Schaltbefehle, welche über ein Leistungsteil (Leistungstransistoren, Relais, Motorschalter etc.) an die ausführenden Organe geleitet werden. Moderne CNC-Steuerungen bestehen aus einem kompakten digitalen Komplettsystem, . Abb. 61.88. Das dargestellte System CNC 840D mit digitalen Antrieben „SIMODRIVE 611 digital“ ist ein „offenes“ System für Werkzeugmaschinenhersteller-Applikationen, beispielsweise mittels Visual Basic Programmierung unter Nutzung einer Windows-Oberfläche über ein MMC-Kommunikationsmodul. Die Steuerungsaufgaben werden über eine NCU (Numerical Control Unit)-Baugruppe durchgeführt, die aus einem hochintegrierten Mehrprozessorensystem besteht, welches CNC-CPU, PLC-CPU und Mikroprozessoren für Kommunikationsaufgaben enthält. Dieses System kann in einer NCU-Box im Einschub des Umrichtersystems eingegliedert werden. Bis zu acht interpolierende Achsen und die 5-Achsen-Bearbeitung sind möglich. Die Steuerung kann mechanische Störgrößen wie Reibung und mechanische Spindelsteigungsfehler kompensieren. Die Systemsoftware kann über eine Speicherkarte mit Adapter auf einfache Weise ausgetauscht werden.

Auch Messtasterfunktion, Digitalisierung einer Oberflächengestalt, elektronisches transportables Handrad und Fernbediengerät sind bei solchen Steuerungen heute üblich. Bedienerführung Die modernen CNC-Steuerungen verfügen heute über eine Bedienerführung mittels grafischer und numerischer Bildschirmunterstützung (Benutzeroberfläche). Dies gibt es bereits seit längerer Zeit beispielsweise für CNC-Schleifmaschinen, wo zum Einrichten des Programms das Know-how des Einrichters erforderlich ist. Eine DIN-Programmierung ist dort nicht oder nur mit viel Aufwand möglich. Auch bei anderen Fertigungsverfahren führt sich die Bedienerführung immer mehr ein. Ein wesentlicher Bestandteil solch einer Bedienerführungssoftware sind wiederkehrende Unterprogramme, sog. Makros. Ein solches Makro ist beispielsweise der Abrichtzyklus an Schleifmaschinen. Er wird über eine Kennung aufgerufen und mit den erforderlichen Parametern versehen.

Programmierung numerischer Werkzeugmaschinen Die Programmierung von CNC-Werkzeugmaschinen wird gesondert im Teil XV behandelt.

Die numerische Achse Die numerische Achse bildet die Gesamtheit eines Vorschub- oder/und Positionierantriebes, ausgehend von den

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1300

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

Messsystem

. Abb. 61.88 Kompaktes digitales Komplettsystem SINUMERIK 840D [Siemens AG, Motion Control Systeme, Erlangen]

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. Abb. 61.87 Grundsätzlicher Aufbau einer CNC-Steuerung

durch die CNC-Steuerung bereitgestellten Lage- und Drehzahlsollwerten über die Umrichter, Regler und Leistungsmodulen bis zum Servomotor, dem Kugelgewindetrieb und seiner Lagerung, den Messsystemen zur Erfassung des momentanen Lageistwertes und der Istdrehzahl sowie der Qualität der Schlittenführung hinsichtlich Steife und Reibungsverhaltens. Alternativ dazu tritt an Stelle des Servomotors (heute als Drehstrom-Synchronmotor) der Linearmotor mit einem linearen Lagemesssystem.

Forderungen 4 Hohe Dynamik des Systems, um eine präzise Positionierung des Arbeitsschlittens zu erreichen 4 Hohe Beschleunigung bis zum Erreichen des EilgangSollwertes 4 Schnelle Verzögerung beim Umschaltpunkt auf Arbeitsgeschwindigkeit 4 Schnelle Verzögerung beim Einfahren in eine gewünschte Schlittenposition

4 Präziser Stopp des Schlittens beim Erreichen der gewünschten Position (< 1 *m), d. h. geringster Zeitverlust bei höchster Positioniergenauigkeit 4 Die Schlittengeschwindigkeit muss stufenlos stell- oder regelbar sein. Sie muss über das NC-Programm vorgegeben werden können. 4 Die Bewegungen sollen sowohl linear oder bei Rundvorschüben und C-Achsen-Positionierung auch als Kreisbewegung ausführbar sein. 4 Die numerische Achse muss in ihrer Gesamtheit, einschließlich der Regelkreise, eine hohe statische und dynamische Steife aufweisen, um z. B. Kraftschwankungen aus dem Bearbeitungsprozess problemlos aufzunehmen. 4 Es dürfen keine Schwingungserscheinungen auftreten. 4 Die Umkehrspanne darf Werte um 0,1–1 *m je nach Qualitätsforderungen nicht überschreiten. Im Diagramm . Abb. 61.89 sind idealer und realer Verlauf eines von einer numerischen Achse ausgeführten Zustellvorgangs beim Einstechschleifen dargestellt. Je näher der reale Verlauf dem idealen folgt, desto besser ist die Qualität der numerischen Achse einschließlich all ihrer Komponenten.

1301 61.5  Steuerung von Werkzeugmaschinen

Der reale Geschwindigkeitsverlauf zeigt in der Gegen0 überstellung ein leichtes Überschwingen bei sr1 und ein 0 aperiodisches Verhalten durch zu starke Dämpfung bei sr2 . Durch zu große Differenz zwischen idealem und realem Verlauf kommt es durch unterschiedliches Erreichen der Fertigmaßposition zum Positionsfehler.

Der Regelkreis einer numerischen Achse

. Abb. 61.89 Idealer und realer Verlauf eines Zustellvorgangs mittels CNC-Achse beim Einstechschleifen

Analoge Regelung Um den genannten Forderungen zu genügen, werden an den Regelkreis einer numerischen Vorschubachse bei analoger Vorschubregelung erhebliche Anforderungen gestellt. In der Regel werden Lageregelkreise mit unterlagerter Geschwindigkeits- und Stromrückführung angewendet. Ein solcher Regelkreis ist in . Abb. 61.90 dargestellt. Der zur Anwendung kommende Drehstromservomotor ist ein dauermagneterregter Synchronmotor mit Magnetmaterial aus seltenen Erden im Motorläufer, Schutzart IP 64, IP 67 und Wartungsfreiheit. Über ein Gebersystem werden Motordrehzahl und Rotorlage erfasst. Der Synchronmotor hat keine Kommutationsgrenze. Im Mikroprozessor des Drehzahlreglers ist der Regelalgorithmus implementiert. Der Lagesollwert oder die Führungsgröße kommt von der Steuerung als Impulskette, wobei die Zahl der Impulse ein Maß für den zu verfahrenden Weg und die Impulsfrequenz ein Maß für die Solldrehzahl sind. Der Lageregler besitzt meist P-Verhalten. Die Lage-Regelab-

. Abb. 61.90 Analoge Vorschubregelung mit Drehstromservomotor als Lageregelkreis mit unterlagerter Geschwindigkeits- und Stromrückführung [Siemens AG, Motion Control Systeme, Erlangen]

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1302

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

4 Hohe Steifigkeit der im Kraftfluss liegenden mechanischen Elemente 4 Spielfreiheit der mechanischen Übertragungselemente (Kugelgewindetrieb, Führungen u. a.) bei allen vorkommenden Belastungen 4 Das Verhältnis der Eigenfrequenzen des mechanischen Übertragungssystems zum Regelkreis sollte sein: !0 Mechanik > 2!0 Regelkreis

. Abb. 61.91 Drehstromservomotor mit feststehender Kugelgewindespindel und einem als Kugelgewindemutter ausgebildeten Hohlläufer des Motors [GE FANUC Automation, Oshinomura, Japan]

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weichung bildet den Sollwert für den Drehzahlregler. Die Drehzahl-Regelabweichung bildet dann den Sollwert für den Stromregler, welcher meist eine Regelcharakteristik mit PID-Verhalten besitzt. Das dem Sollwert möglichst fehlerfreie Folgen des Lageistwertes wird realisiert durch 4 Hohe Kreisverstärkung des Regelkreises (Kv -Faktor) 4 Hohe Dämpfung zur Vermeidung von Instabilitäten und Erscheinungen des Überschwingens 4 Geringe Zeitkonstanten des Antriebes 4 Kleine Massenträgheitsmomente der rotierenden Teile – oder – keine rotierenden Teile 4 Hohe mechanische Eigenfrequenz

Ein Beispiel dafür, wie aufbauend auf einer analogen Vorschubregelung und dem rotatorischen Prinzip dessen wesentliche Nachteile bezüglich der vorstehenden Faktoren vermieden werden können, ist der in . Abb. 61.91 gezeigte Servomotor. Durch das Prinzip „feststehende Spindel – Motor am Schlitten angeflanscht – Motorläufer ist zugleich Gewindemutter“ werden die Flächenmomente 2. Grades der rotierenden Bauteile auf ein Mindestmaß reduziert und die Spindel kann durch die damit mögliche Vergrößerung ihres Durchmessers sehr steif gestaltet werden.

Vorschubregelung im digitalen Komplettsystem Am Beispiel der Vorschubregelung im digitalen System „SINUMERIK 840D/SIMODRIVE 611 digital“, . Abb. 61.92 wird deren Funktionsweise erläutert. Die Regelung des digitalen Vorschubmoduls basiert auf einem leistungsfähigen Signalprozessor, mit dem die achsspezifische Strom- und Drehzahlregelung ausgeführt wird. Über einen Kommunikationsbaustein wird der Datenverkehr zur Lageregelung abgewickelt.

. Abb. 61.92 Vorschubregelung im digitalen System „SINUMERIK 840D/SIMODRIVE 611 digital“ [Siemens AG, Motion Control Systeme, Erlangen]

1303 61.5  Steuerung von Werkzeugmaschinen

Vorschubschlitten

Kabelschleppkette Linearmesssystem

Gleiter oder Primärteil Wälzführung Bettbaugruppe

Magnetplatte oder Sekundärteil

. Abb. 61.93 Aufbau eines Linearmotorantriebes für einen Vorschubschlitten [GE FANUC Automation, Oshinomura, Japan]

Die Regelung ist optimal auf spezifische DrehstromServomotoren mit sinusförmiger Stromvorgabe und damit hervorragender Laufruhe sowie deren steife Konstruktion abgestimmt. Neben der hohen Regeldynamik werden parametrierbare Filter zur Dämpfung mechanischer Resonanzen eingesetzt. Der Maschinen-Kv (Kreisverstärkungsfaktor) wird durch die digitale Regelung erheblich erhöht.

Vorschubregelung in digitalen Systemen mit Linearmotor Linearmotoren sind die technisch perfekte Lösung für Vorschubschlitten mit digitaler Antriebsregelung. Entscheidende Vorteile sind 4 Reduzierung der mechanischen Baugruppen 4 Wegfall rotierender Bauteile und Baugruppen 4 Vermeidung von nachteiligen Elastizitäts-, Spiel- und Reibungseffekten 4 Wegfall von Eigenschwingungen im Antriebsstrang 4 Vorschubkräfte zwischen 1000 bis 15.000 N 4 Beschleunigung ohne zusätzliche Last bis 27 g 4 Spitzengeschwindigkeiten bis 4 m/s 4 Berührungsfreie Bewegung (Luftspalt zwischen Gleiter und Magnetbahn ca. 1 mm) Linearmotoren sind in der Regel dauermagneterregte Drehstrom-Synchronmotoren. Die im Primärteil entstehende Verlustwärme kann über eine integrierte Flüssigkeitskühlung abgeführt werden. Als Magnetmaterial kommen seltene Erden zur Anwendung. Den Aufbau eines Linearmotorantriebes zeigt . Abb. 61.93.

Wegmesssysteme zur Lageistwerterfassung Einteilung der Wegmesssysteme 4 Nach der Messwertabnahme in: – rotatorisch – oder – translatorisch – 4 Nach der Messwerterfassung in: – digital – oder – analog – 4 Nach dem Messverfahren in: – inkremental – oder – absolut –

. Abb. 61.94 Inkrementale und absolute Maßbildung

In . Abb. 61.94 sind die Unterschiede zwischen der inkrementalen und absoluten Maßbildung dargestellt. Die inkrementale Maßbildung entspricht der Eintragung von Kettenmaßen in einer Konstruktionszeichnung (. Abb. 61.94 oben). Bei der absoluten Maßbildung werden alle Maße von einem Ausgangspunkt P0 festgelegt (. Abb. 61.94 unten). Analoge Messwerterfassungen, z. B. auf induktiver Basis (Resolver) finden heute nur noch für untergeordnete Zwecke Anwendung. Inkrementale Systeme Das häufig zur Anwendung kommende digital-inkrementale Messprinzip ist in . Abb. 61.95 als translatorischer Maßstab dargestellt. Die Abtastplatte besitzt vier Abtastfelder und reduziert eine Teilungsperiode des Maßstabes auf ein Viertel. Die weitere Unterteilung der Abtastsignale erfolgt über eine elektronische Interpolationsschaltung. Durch codierte Referenzmarken werden Nachteile des inkrementalen Messverfahrens weitgehend aufgehoben. . Abb. 61.96 zeigt ein nach gleichem Prinzip wirkendes Wegmesssystem mit rotatorischer Messwertabnahme als inkrementaler Drehgeber. Drehgeber werden in der Regel beim Einsatz von Servomotoren mit Kugelgewindetrieb angewendet. Der Anbau dieser Drehgeber erfolgt entweder an der Kugelgewindespindel direkt oder am bzw. im Servomotor. Da Fehler im Kugelgewindetrieb nicht erfasst werden, hängt die Genauigkeit der Lageistwerterfassung von der Qualität und der thermischen Steife der Kugelgewindespindel ab. Ansonsten sind solche Systeme kostengünstig und erfüllen häufig die an die CNC-Werkzeugmaschine gestellten Anforderungen. Absolute Systeme Der Positionswert steht hier unmittelbar nach dem Einschalten zur Verfügung und kann jederzeit von der Steuerung abgerufen werden (. Abb. 61.97). Der einfachste Code ist der Dual-Code, . Abb. 61.98a. Hier ist dieser für die Zahlen 0 bis 30 mit fünf Spuren dargestellt. Mittels der V-Abtastung . Abb. 61.98c können

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1304

Kapitel 61  Baugruppen von Werkzeugmaschinen

a

b

. Abb. 61.95 Digital-inkrementales Messprinzip auf photoelektrischer Basis mit Glasmaßstab und translatorischer Messwertabnahme im Durchlichtverfahren (a). Der Maßstab besitzt codierte Referenzmarken zur Ermittlung der aktuellen Position und zum Suchen des Referenzpunktes (b) [Dr. Johannes Heidenhain GmbH, Traunreut]

. Abb. 61.98 Absolute Messverfahren – Code-Arten a Dual-Code, b Gray-Code, c V-Abtastung (An , Bn phasenversetzte Abtaststellen) [Dr. Johannes Heidenhain GmbH, Traunreut]

61 . Abb. 61.96 Inkrementaler Drehgeber mit integrierter Kupplung, Teilscheibe und Referenzmarke [Dr. Johannes Heidenhain GmbH, Traunreut] . Abb. 61.97 Dual-codierte Scheibe mit 12 Spuren – digitalabsolutrotatorisch [Zeiss, Jena]

Probleme an den Intervallkanten verhindert werden. Bis auf die feinste Spur werden in allen Spuren zwei Signale A und B abgelesen. Der Gray-Code, . Abb. 61.98b, benötigt weniger Aufwand an der Abtaststelle durch Überlappen der einzelnen Spuren. Das in . Abb. 61.99 dargestellte absolute Messverfahren benötigt nur wenige Teilungsspuren auf dem Maßstab, was durch die Interpolation der Signale aus jeder Spur erreicht wird. In jeder Spur werden mit vier Ablesefenstern und einer größeren Anzahl von Strichen zwei

. Abb. 61.99 Absolutes Messverfahren mit wenigen Teilungsspuren [Dr. Johannes Heidenhain, Traunreut]

Signale erzeugt, die sicher 256fach interpoliert werden können und mit der Information der feinsten Spur synchronisiert werden. Der im Ergebnis gewonnene absolute Positionswert wird über einen Bus an die Steuerung übertragen. Mit sieben Teilungsspuren kann eine Messlänge von >3 m absolut in Messschritten von 0,1 *m gemessen werden.

1305 61.5  Steuerung von Werkzeugmaschinen

Konstruktiver Aufbau von translatorischen Messsystemen Während der Aufbau rotatorischer Messsysteme relativ robust ausgeführt werden kann, sind bei translatorischen Systemen erhebliche Maßnahmen zur Sicherung der Genauigkeit und einer einwandfreien Funktion unter den Bedingungen der Produktion (Späne, Kühlschmiermittel, Staub, Temperatureinflüsse) erforderlich, . Abb. 61.100. Besonders den Dichtungsmaßnahmen ist große Aufmerksamkeit zu schenken.

. Abb. 61.100 Gekapseltes, photoelektrisches Längenmesssystem mit Messschritten von 1 oder 0,5 *m [Dr. Johannes Heidenhain, Traunreut]

61

1307

Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl) Andreas Hirsch und Werner Bahmann

In den letzten Jahrzehnten hat sich die klassische, vorwiegend auf die Anwendung eines Fertigungsverfahrens ausgerichtete Werkzeugmaschine (Drehmaschine, Fräsmaschine, Bohrmaschine, Schleifmaschine usw.) zum Bearbeitungszentrum (BAZ) zur Komplettfertigung entwickelt, . Abb. 62.1.

Gründe für eine solche Entwicklung 4 Die Komplettbearbeitung des Werkstückes in einer Aufspannung sichert höchste Qualität, insbesondere in den Lage- und Formtoleranzen. 4 Der Lager-, Handlings- und Transportbedarf der Werkstücke in der Produktion wird erheblich reduziert.

. Abb. 62.1 Entwicklung der Produktivität bei der Weichbearbeitung von Futterteilen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_62

62

1308

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

4 Die Zahl der Fertigungsplätze (Werkzeugmaschine einschließlich Werkstück- und Werkzeugspeicher sowie Handhabeeinrichtungen) wird reduziert. 4 Die Flexibilität in der Produktion erhöht sich. 4 Die Zahl der Bedienkräfte verringert sich. 4 Die Kosten sinken. Voraussetzungen für diese Entwicklung 4 Die Entwicklung der CNC-Steuerungs- und Antriebstechnik, besonders Mikrorechner, digitale Antriebe und Messsysteme höchster Präzision

4 Die Entwicklung leistungsfähiger Fertigungsverfahren und Werkzeuge mit hohen Standzeiten (CBN-Werkzeuge, Schneidkeramik, HSC-Fräsen, Lasertechnik) 4 Hohe statische, dynamische und thermische Steife der Gestellbaugruppen, wodurch die zeitparallele Bearbeitung mit gleichen oder unterschiedlichen Fertigungsverfahren möglich wird 62.1

62.1.1

. Abb. 62.2 Arbeitsraum des Komplettbearbeitungs-Zentrums TNS 26 [Traub, Reichenbach/Fils]

62

. Abb. 62.3 Bearbeitungsmöglichkeiten auf einem Komplett-Bearbeitungszentrum [TNS 30, Traub, Reichenbach/ Fils]

Weichbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen Bearbeitung von Futterteilen

Der in . Abb. 62.2 dargestellte Arbeitsraum eines CNCStangenbearbeitungszentrums (max. Werkstückdurchmesser 26 mm) zeigt die Arbeitsspindel als numerische Achse C1 und die Gegenspindel C2 zur Werkstückaufnahme für die Bearbeitung der Werkstückrückseite. Beide Spindeln sind mit Zangenspannung ausgerüstet. Die Gegenspindel ist zur Übernahme des auf der Vorderseite bearbeiteten Werkstückes in der numerischen Achse Z3 fahrbar. Die beiden Werkzeugrevolverköpfe mit je 12 Werkzeugaufnahmen sind in den CNC-Achsen X1 , Z1 bzw. X2 , Z2 fahrbar, der Revolverkopf 1 dazu noch in einer Y-Achse. Mit dieser Konstellation können nahezu alle an einem Werkstück

1309 62.1  Weichbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen

notwendigen Grund- und Ergänzungsbearbeitungen durchgeführt werden. Einen Überblick über die Bearbeitungsmöglichkeiten eines solchen Zentrums für Futterteile gibt . Abb. 62.3. Durch die Anwendung von rotierenden Werkzeugen in Längs-(Z)- oder Quer-(X)-Richtung und lage- und geschwindigkeitsgeregelter Arbeitsspindel (C-Achse) sind auch komplizierte Werkstückformen herzustellen, ohne dass die Maschine gewechselt werden muss.

Manuelle Handhabung der Werkstücke Die Komplettbearbeitung auf einem Bearbeitungszentrum bringt große Nutzeffekte für den Anwender. Mit dem 6-Achsen-CNC-Komplettbearbeitungszentrum „Multiplex“, . Abb. 62.4, liegen durch die Anwendung solcher progressiver Lösungen wie 4 Bedienerführung beim Programmieren (WOB) 4 Anwendung eines Werkzeugmessfühlers (Tool Eye, registriert die Werkzeugmessdaten nach Berührung

. Abb. 62.4 6-Achsen-CNC-Komplettbearbeitungszentrum „Multiplex“, Aufbau und Nutzeffekte am Beispiel der Zwei-Seiten-Bearbeitung [YAMAZAKI MAZAK Corp., Japan]

62

1310

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.6 Doppelspindliges Pick-up Bearbeitungszentrum HESSAPP DVT 300 [Thyssen Hüller Hille GmbH, Werk Hessapp, Taunusstein] . Abb. 62.5 Fertigungszelle zur Komplett-Bearbeitung von Futterteilen [Traub, Reichenbach/Fils]

4

4

62

4 4

im CNC-Speicher) mit erforderlicher Einrichtzeit pro Werkzeug von 30 s automatische Übergabe des Werkstückes zwischen den beiden Spannfuttern bei laufenden Spindeln zur Werkstück-Rückseitenbearbeitung, dadurch neben der Zeiteinsparung hohe Präzision hinsichtlich Koaxialität, Rund- und Planlauf zwischen beiden Einspannungen erhebliche Reduzierung der Werkstückbearbeitungszeit durch kürzere Nebenzeiten, höhere Eilganggeschwindigkeiten u. a. wegfallende Zwischentransportzeiten wegfallende Werkstückspannoperationen

die Einsparungen an Fertigungszeit, Platzbedarf, Arbeitskräftebedarf, Ausrüstungskosten und Produktionskosten sehr hoch.

Ein solches Senkrecht-Bearbeitungszentrum ist in . Abb. 62.6 dargestellt. Die Arbeitsspindel 1 zur Bearbeitung der Werkstückvorderseite wird zusätzlich zur Nutzung des „Pick up“-Prinzips eingesetzt, d. h. das Spannfutter der Spindel greift sich das zu bearbeitende Werkstück von einem Werkstückspeicher. Die Arbeitsspindel 1 führt die Bewegungen sowohl in X- als auch in Z-Richtung aus. Der Werkzeugrevolver zur Bearbeitung der Werkstückvorderseite ist ortsfest am Bett angebracht. Nach der Bearbeitung fährt Spindel 1 in die Achsposition der Gegenspindel 2 und übergibt das Werkstück in deren Spannfutter. Ein zweiter Arbeitsschlitten trägt einen Werkzeugrevolver und führt mit diesem die Bewegungen in X- und Z-Richtung zur Bearbeitung der Werkstückrückseite aus. Nach der Komplettbearbeitung wird das fertige Werkstück mittels Greifer aus dem Spannfutter entnommen

Automatische Handhabung und Speicherung der Werkstücke und Werkzeuge bei der Komplettbearbeitung von Futterteilen Bei Bearbeitungszentren mit waagerechten Arbeitsspindelachsen muss die automatische Werkstückhandhabung von und zu einem Werkstückspeicher in der Regel über Robotertechnik erfolgen. Bei Futterteilen bietet sich ein Portalroboter für diese Aufgabe an (geringer zusätzlicher Platzbedarf, da dieser über der Maschine angeordnet werden kann). Die Werkstücke werden auf Paletten gespeichert und getaktet abgearbeitet. Der Aufbau einer Fertigungszelle für Futterteile ist relativ aufwendig wegen der umfangreichen Peripherie, wie . Abb. 62.5 zeigt. Eine Umgehung dieses Aufwandes ist möglich, wenn die Bearbeitung der Werkstücke gleichgerichtet zu deren Speicherachse durchgeführt wird, d. h. die Arbeitsspindelachse steht senkrecht.

. Abb. 62.7 Komplettbearbeitungszentrum INDEX GSC65 mit zusätzlichem Werkzeugspeicher [INDEX-Werke, Esslingen]

1311 62.2  Hartbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen

. Abb. 62.8 Möglichkeiten zur Wellenfertigung auf dem Bearbeitungszentrum [INDEX-Werke Esslingen]

und auf einem Fertigteilspeicher oder Transportband abgelegt. Mit diesem Konzept kann der in einer waagerecht orientierten Fertigungszelle benötigte, mit mehreren CNCAchsen ausgerüstete Portalroboter eingespart werden.

62.1.2

Wellenbearbeitung

Zur Wellenbearbeitung werden CNC-Drehzentren mit bis zu vier numerischen Achsen, X1 , Z1 für Revolverkopf 1 und X2 , Z2 für Revolverkopf 2, dazu wahlweise mit numerischer C-Achse sowie den Reitstock zur Wellenabstützung eingesetzt. Die Möglichkeit des Ausbaus zur Fertigungszelle mit Portalroboterbeschickung und Werkstückspeicher ist gegeben. Moderne Komplettbearbeitungszentren (. Abb. 62.7) eignen sich sowohl für die Fertigung von Futterteilen unter Nutzung der Gegenspindel als auch durch deren automatischen Austausch mit einem Reitstock zur Wellenfertigung, . Abb. 62.8. Weitere Möglichkeiten zur Wellenabstützung sind im Bild rechts dargestellt. Bei hohem Werkzeugbedarf durch kleinere Serien mit wechselndem Teilesortiment kann ein zusätzlicher Werkzeugspeicher eingesetzt werden. 62.2

Hartbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen

Die Bearbeitung gehärteter Teile erfordert eine hohe Präzision der Fertigung, da die erzeugten Flächen in der Regel als Funktionsflächen dienen, beispielsweise bei Wälzlagern. Besonders einsatzgehärtete und vergütete Flächen werden in zunehmendem Maße angewendet, so an Getrieberädern und -wellen im Maschinen- und Fahrzeugbau, in der Hydraulik- und Pneumatikgerätefertigung, der Verkehrssowie der Luft- und Raumfahrttechnik u. a. Kennzeichnend sind nachstehende Forderungen: 4 Maßtoleranzen in den Klassen IT 5 bis 7, bei Wälzlagerringen P4 und P5

4 Formabweichungen < 2–3 *m, häufig bei der Kreisform < 1 *m 4 Oberflächenrauigkeiten Rz < 1,5–2 *m, bei Wälzlagern Ra < 0,3 *m, bei Laufbahnen < 0,01 *m 4 Rund-, Planlauf- und Koaxialitätstoleranzen < 1–2 *m Bevorzugte Fertigungsverfahren zur Hartbearbeitung sind 4 Schleifen 4 Hartfeindrehen 4 Läppen und Superfinishen (Feinziehschleifen) zur Verbesserung der Oberflächengüte geschliffener oder hartfeingedrehter Flächen 4 Fräsen 62.2.1

Hartbearbeitung von Futterteilen

Konventionelle Hartbearbeitung Vor der Einführung der CNC-Technik im Schleifmaschinenbau (1983 bis 85) war die Schleifbearbeitung aufwendig und musste in mehreren Schritten auf verschiedenen Maschinen durchgeführt werden, z. B.: 4 Schleifen einer Bohrung und einer Planfläche auf der Innenrundschleifmaschine 4 Umspannen des Werkstückes auf einen Spanndorn und Schleifen der Außenzylinderflächen. 62.2.1.1

Schleifzentren zur Komplettbearbeitung

Durch Nutzung der CNC-Steuerungs- und Antriebstechnik bei Schleifmaschinen konnte in den letzten beiden Jahrzehnten die Entwicklung zur Schleifbearbeitung einer Futterteil-Vorderseite komplett mit Einbeziehung von ein bis zwei von ihrer Lage her geeigneten, an der Rückseite liegenden Planflächen in einer Aufspannung vollzogen werden. Bei der Gestaltung solcher Schleifzentren sind folgende Bedingungen zu beachten: 4 Beim Bohrungsschleifen verschiedener Durchmesser und zum Schleifen von innenliegenden Planflächen sind mehrere Motorschleifspindeln mit unterschiedlicher Spindeldrehzahl erforderlich, um mit optimalen

62

1312

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

Schleifzentren für zeitliche Nacheinanderbearbeitung

. Abb. 62.9 Aufbau eines CNC-Schleifzentrums für Futterteile [Voumard Machines Co, La Chaux-de-Fonds, Schweiz]

62

Schleifscheiben-Umfangsgeschwindigkeiten und ausreichender Schleifdorn- und Spindelsteife zu arbeiten. 4 Eine langsam laufende Schleifspindel mit einer Schrägeinstech-Außenschleifscheibe und einem Außendurchmesser 350–400 mm wird zum effektiven Schleifen von zylindrischen Außenflächen und Planflächen benötigt. 4 Die Bearbeitung der einzelnen Flächen kann nacheinander oder die Außenbearbeitung zeitparallel zur Innenbearbeitung erfolgen. 4 Die beim Schleifen erforderliche Arbeitsgenauigkeit verlangt Weginkremente der CNC-Achsen von 0,1 *m und kleiner. Dies bedeutet den Einsatz von Linearmesssystemen höchster Genauigkeit.

. Abb. 62.10 Schleifbearbeitung eines Schaltrades (a), Schleifzentrum (Draufsicht – b) [Buderus GmbH, Ehringshausen]

a

. Abb. 62.9 zeigt den Aufbau eines CNC-Schleifzentrums für die Bearbeitung von Futterteilen. Die Hauptachse X führt die Zustellbewegung beim Schleifen von Bohrungen, Außenzylinder- und Kegelflächen, die Pendel- oder Oszillationsbewegung beim Planflächenschleifen sowie die Positionierung auf die verschiedenen Durchmesser der zu bearbeitenden Zylinder- und Kegelflächen aus. Die Hauptachse Z führt die Zustellbewegung beim Planflächenschleifen, die Pendel- oder Oszillationsbewegung beim Schleifen von Bohrungen, Außenzylinder- und Kegelflächen sowie die Positionierung auf die verschiedenen Längspositionen der zu bearbeitenden Zylinder- und Kegelflächen aus. Die C-Achse dient der Drehzahländerung der Werkstückspindel zur Anpassung des Geschwindigkeitsverhältnisses, die B-Achse zum automatischen Schwenken des Werkstückspindelstockes für das Schleifen langer schlanker Kegelflächen (Kurzkegel werden über Interpolation von X- und Z-Achse erzeugt), die D-Achse für das Schwenken des Abrichters und als Option eine U-Achse als Hilfsachse für Handlings- und Spannfunktionen. Zur optimalen Bearbeitung der verschiedenen Werkstückdurchmesser können vier verschiedene Motorschleifspindeln über den Revolverflachtisch zum Einsatz kommen. Die Revolvertischachse ist im Beispiel als Schaltachse ausgebildet. Sie kann aber auch zur numerischen B1-Achse erweitert werden. Die Schleifoperationen erfolgen bei diesem Maschinenkonzept zeitlich nacheinander. Es befindet sich also immer nur ein Werkzeug im Eingriff. Auf der Werkstück-Rückseite liegende Planflächen können nur unter Anwendung sogenannter „Pilzschleif-

b

1313 62.2  Hartbearbeitung von rotationssymmetrischen Teilen

. Abb. 62.11 Schleifzentrum SIU 3 P-CNC zur zeitparallelen Bearbeitung von Außen- und Innenflächen von Futterteilen [SCHAUDT MIKROSA BWF GmbH, Werk Berlin]

körper“ bearbeitet werden, . Abb. 62.10. Damit ist es immerhin möglich, Flächen mit hohen Rund- und Planlauftoleranzen in einer Aufspannung zu bearbeiten. Das Schleifzentrum ist relativ einfach aufgebaut (b). Beide Schleifeinheiten sind auf einem Querschlitten (X-Achse) angeordnet. Auf einen Revolvertisch kann verzichtet werden, was sich kostengünstig auswirkt.

Im Bild unten ist die Bearbeitung eines Kfz-Schaltrades dargestellt. Vordere und hintere Planfläche sowie die Synchronkegelfläche werden hartfeingedreht, die Bohrung wird geschliffen, auch die Endbearbeitung der Synchronkegelfläche erfolgt aus anwendungstechnischen Gründen durch Schleifen.

Schleifzentren für zeitliche Parallelbearbeitung

62.2.2

Eine Produktivitätssteigerung besonders in der Großserienund Massenfertigung ist möglich, wenn die Außenflächenbearbeitung zeitparallel zur Bohrungs- und Innenplanflächenbearbeitung erfolgt. Dazu wird ein Schleifzentrum mit 4 CNC-Hauptachsen (X1 , Z1 /X2 , Z2 ) benötigt. Ein solches Schleifzentrum ist in . Abb. 62.11 dargestellt. Neben den vier Hauptachsen für Außen- und Innenschleifeinheit sowie der Werkstückspindelachse C wird eine weitere Achse Z3 zur Aufnahme längerer Werkstücke unter Nutzung einer Lünette angewandt. Die numerischen Schwenkachsen B und B1 komplettieren dieses Zentrum.

Hartfeindrehen und Schleifen mit einem flexiblen Bearbeitungszentrum In den letzten Jahren hat das Hartfeindrehen mit Schneiden aus kubischem Bornitrid (CBN) an Bedeutung gewonnen. Besonders kurze Zylinderflächen und Planflächen sind produktiver durch Hartfeindrehen zu bearbeiten, während große Zylinderflächen und insbesondere lange Bohrungen genauer und produktiver durch Schleifen herzustellen sind. Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung des in . Abb. 62.12 gezeigten Bearbeitungszentrums zum Hartfeindrehen und Schleifen von Futterteilen in einer Aufspannung. Durch den Einsatz eines Linearmotorantriebes für die X-Achse sind die Nebenzeiten zum Wechsel zwischen Hartdreh- und Schleifstation sehr gering (ca. 1–2 s).

62.2.2.1

Hartbearbeitung von wellenförmigen Teilen Klein- und Mittelserienfertigung

Die Komplettfertigung in einer oder zwei Aufspannungen erfolgt heute im Wesentlichen auf CNC-Außenrundschleifmaschinen mit Nacheinanderbearbeitung im Pendelschleifen oder Geradeinstich und Aufnahme der Werkstücke zwischen Spitzen. Die Maschinen besitzen meist neben den beiden CNCHauptachsen X und Z eine numerische Schwenkachse für den Schleifspindelstock zum Wechsel zwischen Zylinderund Kegelschleifen. 62.2.2.2

Großserien- und Massenfertigung

Schleifen Hier kommen im Wesentlichen CNC-Komplettbearbeitungszentren zum Schrägeinstechschleifen oder, soweit es die Werkstückgestalt zulässt, spitzenlose Schleifautomaten zur Anwendung. Mittels Diamantabrichtrollen wird die Werkstückkontur in die Schleifscheibe abgerichtet. Mit derartigen Maschinen wird eine sehr hohe Produktivität erreicht, aber die Umrüstzeiten und -kosten sind sehr hoch. Ein Bearbeitungsbeispiel einer CNC-SchrägeinstechSchleifmaschine ist in . Abb. 62.13 dargestellt.

62

1314

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.12 Flexibles, multifunktionales Bearbeitungszentrum „STRATOS M“ [SCHAUDT MIKROSA BWF GmbH, Werk Berlin]

62

Hartfeindrehen und Schleifen auf einem Wellenbearbeitungszentrum

. Abb. 62.13 Arbeitsbeispiel einer Wellen-Komplettbearbeitung auf einer CNC-Schrägeinstech-Schleifmaschine mit einer durch eine Diamant-Abrichtrolle profilierten Schleifscheibe

Auch bei der Wellenbearbeitung werden die Vorteile des Plan-Hartfeindrehens zum Bearbeiten der Schultern in der Länge auf Maß genutzt. Damit ist es möglich, anschließend alle Durchmesser mit einer Satzscheibe im Geradeinstich zu schleifen. Auch eine kombinierte Weich-Hartbearbeitung ist möglich, . Abb. 62.14. Durch die Anordnung der Werkstückträger über den Werkzeugträgern erfolgt ein freier Spänefall nach unten. Die großen Entfernungen zwischen Hartdreh- und Schleifstation werden durch einen Linearmotorantrieb und hohe Geschwindigkeiten der Z-Achse schnell überbrückt.

1315 62.3  Bearbeitung von Teilen mit prismatischer Gestalt

. Abb. 62.15 Bearbeitungsrichtungen an einem Werkstück mit prismatischer Grundform

In . Abb. 62.15 ist ein prismatisches Teil dargestellt, bei welchem nur die Aufspannfläche bereits bearbeitet ist (sechste Seite). Je nach Fertigungsaufgabe kann es unterschiedliche Lösungen geben.

62.3.1

Mehrseiten-Bearbeitung prismatischer Teile

Großserien- und Massenfertigung

. Abb. 62.14 Arbeitsraum des kombinierten Dreh- und Schleifzentrums HSC 400 DS [EMAG KARSTENS GmbH Maschinenfabrik, Neuhausen]

62.3

Bearbeitung von Teilen mit prismatischer Gestalt

Bei prismatischen Teilen muss davon ausgegangen werden, dass eine Basis, meist als bearbeitete Fläche, vorhanden ist, welche als Auflage auf dem Arbeitstisch oder in der Spannvorrichtung dient, damit das Werkstück gespannt werden kann. Diese Auflage muss zunächst auf einem Bearbeitungszentrum oder bei Eignung auch aus rationellen Gesichtspunkten über Mehrstückspannung z. B. auf einer Bettfräsmaschine bearbeitet werden können. Damit bleibt in der Regel für die weiteren Seiten des Prismas die Möglichkeit, diese in einer Aufspannung je nach Fertigungsaufgabe auf einem Bearbeitungszentrum mit hoher Genauigkeit, besonders hinsichtlich Form- und Lageabweichungen, komplett zu fertigen. Komplizierte Oberflächenformen, wie im Werkzeugbau (u. a. Tiefziehwerkzeuge für Karosserieteile), werden heute auf Fünf-Achsen-Bearbeitungszentren hergestellt.

4 Anwendung einer Sondermaschine mit fünf Bearbeitungseinheiten, bei denen alle Bearbeitungen z. B. über Mehrspindelbohrköpfe gleichzeitig durchgeführt werden 4 Anwendung einer Taktstraße mit Wendestationen, besonders dort, wo auch Fräsarbeiten notwendig sind, die weitere Bearbeitungseinheiten fordern Vorteil: höchste Produktivität Nachteil: geringste Flexibilität

Mittel- und Kleinserienfertigung 4 Anwendung von CNC-Bearbeitungszentren, je nach Werkstücksortiment mittels modularem Konzept bis zur Fünf-Seiten-Bearbeitung wählbar. Ein solches modulares Maschinenkonzept zeigt . Abb. 62.16. Die Bearbeitungszentren verschiedener Größen und Palettenabmessungen können mit Dreh- oder Teiltischen ausgerüstet werden. Damit ist die Vier-Seiten-Bearbeitung bereits möglich (Bild unten links). Zur Komplettierung als Fertigungszelle wird werkstückseitig ein Linearspeicher mit Palettentransportwagen und Spannplatz eingesetzt (Bild unten). Werkzeugseitig können drei verschiedene Arbeitsspindelausführungen zur Anwendung kommen: 4 Horizontale Arbeitsspindel für hohe Leistung und hohe Drehzahlen (Bild rechts oben)

62

1316

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.16 Modulares Maschinenkonzept eines Großbearbeitungszentrums für die optimale Anpassung an die Fertigungsaufgabe [Heckert, Chemnitz]

4 Horizontale Pinolenspindel zur Bearbeitung langer Bohrungen oder tiefliegender Flächen 4 Schwenkbarer Horizontal/Vertikal-Spindelkopf für die Fünf-Seiten-Bearbeitung

62

Komplettiert wird das Maschinenkonzept durch ein Kettenmagazin für 60 oder 80 Werkzeuge beziehungsweise ein Kassettenmagazin für maximal 238 Werkzeuge.

a

Zur Fünf-Seiten-Bearbeitung wird ein zwischen horizontaler und vertikaler Bearbeitungsrichtung schwenkbarer Arbeitsspindelkopf benötigt, dessen Schwenkprinzip in . Abb. 62.17 dargestellt ist. Durch eine unter 45ı liegende Schwenkachse wird bei einer Schwenkbewegung um 180ı ein Wechsel der Arbeitsspindellage um 90ı erreicht. Schwenk- und Aushubbewegung aus einer HirthVerzahnung werden hydraulisch betätigt, im Bild links. Die

b

. Abb. 62.17 Prinzip des Horizontal/Vertikal-Kopfes für die Fünf-Seiten-Bearbeitung (a) und ein Beispiel für dessen konstruktiven Aufbau (b) [Heckert, Chemnitz]

1317 62.3  Bearbeitung von Teilen mit prismatischer Gestalt

Werkzeugmagazin

. Abb. 62.18 Bearbeitungszentrum CWK 1600 zur Vier-Seiten-Bearbeitung prismatischer Teile [Heckert, Chemnitz]

Hirth-Verzahnung sichert eine präzise Position bei hoher Steife. Leistung und maximale Drehzahl sind durch das Übertragungsprinzip gegenüber einer nicht schwenkbaren Arbeitsspindel geringer, erreichen aber Werte über 20 kW und über 4000 1/min. . Abb. 62.18 zeigt ein Vier-Seiten-Bearbeitungszentrum aus dem in . Abb. 62.16 dargestellten, modularen Konzept. Über einen CNC-Rundtisch ist jede beliebige Winkelstellung einstellbar. Die Werkstückauf- und -abspannung kann während der Bearbeitung erfolgen. Unter Nutzung eines schnellen Wechsels des CNC-Programms und eines ausreichenden Werkzeugsortiments im Magazin ist eine hohe Effektivität und Produktivität auch bei kleinen Serien gegeben.

62.3.2

Fünf-Achsen-Bearbeitung

Die Fünf-Achsen-CNC-Bahnsteuerung mit funktioneller Abhängigkeit der drei Linearachsen X, Y, Z und der Schwenkachsen A und C über Interpolation ermöglicht die Bearbeitung komplizierter, räumlicher Flächen, insbesondere im Werkzeugbau. Besonders in den letzten Jahren wurden progressive Lösungen für die Einbeziehung der Schwenkachsen A und C entwickelt. Der in . Abb. 62.19 gezeigte Zweiachs-Schwenkkopf besitzt für beide Achsen je einen Rundmotor (TorqueMotor) mit Einzelpolwicklungen. Dieser ermöglicht höchste Leistungsdichte und durch den Wegfall mechanischer Übertragungselemente eine hohe Dynamik auf kleinstem Raum. Drehmomente von 1000 Nm und Winkelgeschwindigkeiten von 360ı pro Sekunde sind möglich.

. Abb. 62.19 Getriebeloser, direkt angetriebener Zweiachs-Schwenkkopf CyMill mit Motor-Arbeitsspindel CySpeed [Cytec Zylindertechnik GmbH, Jülich]

Damit werden bei Fahrständer-Bauweise sämtliche fünf CNC-Achsen über das Werkzeug realisiert. Eine weitere Alternative für die Fünf-Achsen-Bearbeitung sind Hexapod-Lösungen, . Abb. 62.20. Hexapode bestehen aus Stäben, Gelenken und dem Rahmen. Dabei können die Stäbe ihre Länge verändern und dadurch die Plattform mit dem Werkzeugträger in 6 Freiheitsgraden bewegen. Hohe Dynamik und hohe Steife werden erreicht. Die max. Vorschubgeschwindigkeit in den Stäben des dargestellten Zentrums liegt bei 30 m/min, die Beschleunigung bei 10 m/s2 , die Arbeitsspindeldrehzahl bei maximal 30.000 1/min. Die NC-Programmierung kann in herkömmlicher Weise erfolgen (X, Y, Z, A, B).

62.3.3

Höhere Flexibilität in der Großserienfertigung prismatischer Teile

Auch in der Großserienfertigung (Motoren- und Fahrzeugbau u. a.) hat sich die dort übliche Taktstraße gewandelt, . Abb. 62.21 und 62.22. Sie enthält neben den üblichen Bearbeitungseinheiten mit Mehrspindelbohrköpfen u. ä. CNC-Fahrständermodule (X, Y, Z) sowohl mit Revolverkopf als auch mit Werkzeugmagazin und horizontaler Arbeitsspindel. Damit können z. B. Motorblöcke mit gleicher Grundausführung wie die Zylinderbohrungen, aber unter-

62

1318

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

a

b

. Abb. 62.20 Hexapod-6X-Fräszentrum. a Aufbau, b Arbeitsraum [Mikromat Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG, Dresden] . Abb. 62.21 3-Achs HPC-Module (X, Y, Z) in Fahrständer-Bauweise in verschiedenen Ausführungen für Taktstraßen und Sondermaschinen [Werkzeugmaschinenfabrik Vogtland GmbH, Plauen]

. Abb. 62.22 Flexible Taktstraße „HPC Flexline“ (Draufsicht) [Werkzeugmaschinenfabrik Vogtland GmbH, Plauen]

62

schiedlichen Details auf der gleichen Taktstraße bearbeitet werden. 62.3.4

Bearbeitung gehärteter prismatischer Teile

Diese Werkstücke kommen in großer Zahl und Universalität im Werkzeugbau vor. Weitere Teile sind z. B. Turbinenschaufeln. Die Basis dieser Fertigung bilden u. a. CNCBearbeitungszentren zum Flachschleifen, . Abb. 62.23 oder für die Hartbearbeitung von größeren Bohrungen Ko-

ordinatenschleifzentren mit Planetenschleifspindeln. Auch diese Flachschleifzentren werden in den meisten Fällen in der Fahrständer-Bauweise aufgebaut.

62.4

Herstellung von Verzahnungen

In . Abb. 62.24 ist eine Auswahl von Verzahnungsarten dargestellt. Es zeigt die Vielfalt der herzustellenden Formen und damit die Breite der Verfahren, Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen. Da Zahnradgetriebe in großem Umfang im Automobilbau, in der Energie- und Förder-

1319 62.4  Herstellung von Verzahnungen

. Abb. 62.23 Profilschleifzentrum BLOHM PROFIMAT RT mit Fahrständerbauweise und Rundtakttisch zum gleichzeitigen Be- und Entladen der Werkstücke während des Schleifens [Blohm Maschinenbau GmbH, Schleifring-Gruppe, Hamburg]

. Abb. 62.25 Möglichkeiten der Fertigung von Stirnrädern

4 Genauigkeit der Übertragung (Verzahnungsfehler, Umfangsgeschwindigkeit) 4 Laufruhe (Verzahnungsfehler, Umfangsgeschwindigkeit)

62.4.1 . Abb. 62.24 Verzahnungsarten – Grundformen. a Stirnradpaar, geradverzahnt, b Stirnradpaar, schrägverzahnt, c Innenstirnradpaar, geradverzahnt, d Zahnstange-Radpaar, e Kegelradpaar, geradverzahnt, f Kegelradpaar, schrägverzahnt, g Stirnrad-Schraubenräderpaar, h Schnecke-Schneckenrad, i Kegel-Schraubräderpaar (nach Decker)

technik sowie im Schiffbau eingesetzt werden, ist auch die Anzahl der benötigten Fertigungseinrichtungen zur Verzahnungsherstellung groß. Die Zahnradpaarungen unterscheiden sich nach: 4 Lage der Achsen (parallel, gekreuzt, senkrecht aufeinander stehend (schneidend oder axial versetzt)) 4 Übersetzungsverhältnisse (Zähnezahlen) 4 Zu übertragende Drehmomente (Modul, Zahnbreite)

Grundlagen der spanenden Verzahnungsherstellung

Am Beispiel der Fertigung von Stirnrädern sind die Möglichkeiten der Verfahren in . Abb. 62.25 beschrieben. Für geringere Anforderungen hinsichtlich Übertragungsgenauigkeit und Belastbarkeit ist die Weichbearbeitung ohne zusätzliche Feinbearbeitung oft ausreichend. Bei höheren Anforderungen ist meist eine Wärmebehandlung (Härten, Vergüten) erforderlich, so dass der daran anschließenden Hart- oder Hartfeinbearbeitung vor allem im Fahrzeug- und Maschinenbau eine erhebliche Bedeutung zukommt. Den Hauptanteil an der Weichbearbeitung nehmen die spanenden Verfahren mit geometrisch bestimmten Schnei-

62

1320

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.27 Arbeitsraum der Wälzfräsmaschine S 500 [MAG Modul, Chemnitz]

62.4.2 . Abb. 62.26 Erzeugung der Zahnflanke als Evolvente beim Wälzverfahren

62

den ein. Auch Walzen als umformendes Verfahren nimmt an Bedeutung zu. Den Hauptanteil an der Fein- und Feinstbearbeitung gehärteter oder vergüteter Verzahnungen nehmen spanende Verfahren mit geometrisch unbestimmten Schneiden ein. Bezüglich der Erzeugung der Verzahnungsgeometrie wird im Wesentlichen unterschieden zwischen: 4 wälzenden Verfahren und 4 Formverfahren

Wälzende Verfahren Bei den Wälzverfahren zur Herstellung einer Evolventenverzahnung erfolgt die Abwälzbewegung des Werkzeuges auf dem Wälzkreiszylinder des zu erzeugenden Zahnprofils (. Abb. 62.26). Translatorische und rotatorische Wälzbewegung sind in der Maschine miteinander gekoppelt. Die meisten Wälzverfahren arbeiten kontinuierlich. Vorteil: Das Werkzeug kann bei gleichem Modul für alle zu erzeugenden Werkstückzähnezahlen zur Anwendung kommen. Die Kopplung der beiden Bewegungen muss mit hoher Präzision erfolgen. Dies wird erreicht durch: 4 Getriebezug bei konventionellen Verzahnmaschinen 4 Elektronisches Wälzmodul bei CNC-gesteuerten Verzahnmaschinen

Formverfahren Unterschiedliche Zähnezahlen, unterschiedliche Moduln, unterschiedliche Profil-Verschiebungen beeinflussen die Form des Werkzeuges.

Verzahnmaschinen mit geometrisch bestimmten Schneiden zur Bearbeitung von Zylinderrädern

Wälz- und Formfräsmaschinen In . Abb. 62.27 ist der Arbeitsraum einer Wälzfräsmaschine dargestellt. Die Werkstücktischachse steht senkrecht. Die Fräserachse ist um den Winkel  geschwenkt. Die Beziehungen zwischen Werkstück und Werkzeug sind in . Abb. 62.28 dargestellt. Die Bearbeitung erfolgt kontinuierlich. Der Wälzfräser entspricht einer zylindrischen Evolventenschnecke mit Spannuten und hinterarbeiteten Schneidzähnen. Das Werkstück entspricht dem Schneckenrad und wird dementsprechend im vorgegebenen Verhältnis zur Fräserdrehung gedreht. Die Vorschubbewegung erfolgt beim Axialfräsen in Richtung der Zahnbreite b. Beim kontinuierlichen tangentialen Verschieben oder „Shiften“ des Fräsers entsteht das Diagonalfräsen. Der Schwenkwinkel  ist die Summe aus Schrägungswinkel b0 einer zu erzeugenden Schrägverzahnung und dem Steigungswinkel 0 der Fräserschnecke. Es bedeuten: Fräser:

Werkstück:

DF zF 0 dW zW b ˇ0

mn Bearbeitung:  sA hZ

Außendurchmesser Gangzahl Steigungswinkel Außendurchmesser Zähnezahl Werkstückbreite Schrägungswinkel bei Schrägverzahnung Normalmodul Schwenkwinkel der Fräserachse Axialvorschub Zahntiefe

1321 62.4  Herstellung von Verzahnungen

. Abb. 62.28 Beziehungen Wälzfräser-Werkstück

Die wesentlichen Bewegungen zur Erzeugung der Verzahnung werden durch 3 CNC-Achsantriebe erzeugt, die zueinander in funktioneller Abhängigkeit stehen. Es sind dies: B-Achse Werkzeugantrieb, Drehbewegung des Fräsers C-Achse Werkstückantrieb, Drehbewegung des Werkstücktisches Z-Achse Axialantrieb des Werkzeugschlittens Am Eingabeterminal der CNC-Steuerung werden die Werkstück-Zähnezahl zW , die Fräsergangzahl zF und ein Vorschubfaktor udz , welcher aus Normalmodul und Schrägungswinkel des Werkstückes sowie einer Maschinenkonstante gebildet wird, eingegeben. Daraus wird der Sollwert für die C-Achse gebildet. Über die Differenzbildung mit dem Istwert von C erfolgt der Antrieb, wobei die Istwerte der Messsysteme der Achsen B und Z über die Rückführung den C-Sollwert beeinflussen. Bei hoher Dynamik der Antriebe und entsprechender Präzision der Messsysteme und der mechanischen Komponenten kann eine hohe Genauigkeit der Verzahnung erreicht werden.

. Abb. 62.29 Wälzmodul einer CNC-Wälzfräsmaschine [nach Gleason-Pfauter, Ludwigsburg]

In . Abb. 62.29 ist der Aufbau einer CNC-Wälzfräsmaschine gezeigt. Die CNC-Technik ist heute die Basis der Verzahnmaschinen. Diese sind dadurch flexibler geworden und lassen sich unter Zuhilfenahme entsprechender Hilfseinrichtungen leichter auf andere Werkstücke umstellen.

. Abb. 62.30 CNC-Achskonfiguration der Wälzfräsmaschine S 300 [MAG Modul, Chemnitz]

62

1322

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.31 Motorfräskopf für Wälzfräser mit Bohrung. Im Bild links: Wälzfräser, im Bild rechts: Stufenlos stellbarer AC-Motor und Spanneinrichtung [Gleason-Pfauter Maschinenfabrik, Ludwigsburg]

trieben sind wesentliche Merkmale der Maschinengestaltung. Mit Shifting (Y) wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem durch kontinuierliches oder in gewissen Zeitabständen erfolgtes Verschieben des Werkzeuges tangential zum Werkstück eine gleichmäßige Belastung aller Fräserzähne und damit gleichmäßiger Verschleiß erzielt wird. . Abb. 62.31 zeigt den konstruktiven Aufbau eines Standard-Motorfräskopfes für Wälzfräser mit Bohrung als Baueinheit. Ausgerüstet mit Werkstückspeicher, . Abb. 62.32 oben, und automatischem Werkstückwechsel beispielsweise über Doppelgreifer, . Abb. 62.32 unten, wird die CNCWälzfräsmaschine zur Fertigungszelle ergänzt. Auch in flexible Maschinensysteme lässt sie sich integrieren.

Profil- oder Formfräsen Mittels Profilfräser (Form einer Zahnlücke) können Verzahnungen auf Universalfräsmaschinen (mittels Teilkopf) oder Bearbeitungszentren, aber auch auf Wälzfräsmaschinen im Einzelteilverfahren hergestellt werden. Eine Zahnlücke wird längs gefräst, danach erfolgt die Teilung zur nächsten Lücke. Das erfordert eine hohe Teilgenauigkeit. Das Verfahren ist weniger produktiv, gewährt aber eine hohe Flexibilität bei kostengünstigem Werkzeug im Gegen-

62

. Abb. 62.32 Einrichtungen zur automatischen Werkstückzuführung einschließlich Gleitkettenspeicher an der CNC-Wälzfräsmaschine GP 130 [Gleason-Pfauter, Maschinenfabrik, Ludwigsburg]

In . Abb. 62.30 ist die CNC-Achskonfiguration einer Wälzfräsmaschine dargestellt. Ein spielfreier, stufenloser Fräskopfantrieb (B) über digitale CNC-Schnittstellen der 6-Achsen-Bahnsteuerung Sinumerik 840 D, ein Werkstücktisch-Direktantrieb, beruhend auf dem Synchronprinzip als Torque-Motor sowie Linearschlitten mit Servoan-

. Abb. 62.33 Prinzip des Wälzstoßens

1323 62.4  Herstellung von Verzahnungen

. Abb. 62.34 Achskonfiguration der Baureihe CNC-Wälzstoßmaschinen mit „Elektronischer Schrägführung“ P 400 ES, P 600 ES, P 600/800 ES [GleasonPfauter, Maschinenfabrik GmbH, Ludwigsburg]

satz zum teuren Wälzfräser. Außerdem kann der Zerspanprozess pro Lücke mit hoher Abtragsleistung durchgeführt werden.

Wälzstoßmaschinen Wälzstoßen ist vergleichbar mit der Wirkungsweise eines Zahnradpaares bei der Übertragung der Drehbewegung. In . Abb. 62.33 ist das Wirkprinzip dargestellt. Das Schneidrad besitzt hinterschliffene Zähne mit Evolventenform. Mittels eines Hubantriebs erfolgt die Stoßbewegung und der Rückhub. Dabei werden Doppelhubzahlen bis zu 2500 pro Minute erreicht. Beachtet werden muss, dass am Ende des Arbeitshubes ein Abheben des Werkzeuges notwendig ist, um eine Beschädigung des Schneidrades beim Rückhub zu vermeiden, . Abb. 62.33 unten. Werkzeug und Werkstück drehen sich dabei entsprechend des Übersetzungsverhältnisses. Der Radialvorschub stellt das Schneidrad radial zum Werkstück zu. Hauptvorteil des Wälzstoßens: Es ist nur ein geringer Werkzeugüberlauf erforderlich, so dass beispielsweise Getrieberadblöcke mit mehreren Verzahnungen problemlos bearbeitet werden können. Den Aufbau einer vollflexiblen Wälzstoßmaschine modernster Bauart zeigt . Abb. 62.34. Alle Verzahnungs-, Werkzeug- und Technologiedaten einschließlich des zu stoßenden Schrägungswinkels bei Schrägverzahnungen werden nur noch numerisch über ein Dialogprogramm eingegeben. Das umständliche Wechseln von Schrägführungsbuchsen entfällt. Damit ist es auch möglich, mehrere Verzahnungen mit unterschiedlichen Schrägungswinkeln und Richtungen in einer Aufspannung herzustellen. Da-

. Abb. 62.35 Wälzstoßen von drei verschiedenen Verzahnungen (schräge Innen- und Außenverzahnung sowie eine Nut) in einem Werkstück [Gleason-Pfauter, Maschinenfabrik GmbH, Ludwigsburg]

zu dient auch die NC-positionierbare Werkzeugabhebung A2. Als CNC-Steuerung werden die Siemens 840 D einschließlich der Simodrive Digitalantriebe eingesetzt. Die Stoßspindel ist hydrostatisch gelagert und besitzt einen spielfreien Direktantrieb. In . Abb. 62.35 ist die Bearbeitung eines Werkstückes mit einem Tandemwerkzeug in einer Aufspannung dargestellt. Die Bearbeitung umfasst das Wälzstoßen einer Innen-Schrägverzahnung (unteres Schneidrad), einer Außen-Schrägverzahnung (mittleres Schneidrad) und einer Nut (oberes Schneidrad). Für die Werkzeugspannung ist eine Hohlschaftkegelaufnahme vorgesehen.

62

1324

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

das laufende Schabrad eingefädelt. Während des Prozesses wird das Werkstück mit einem Drehmoment beaufschlagt, wodurch eine Drehrichtungsumkehr nicht erforderlich ist, . Abb. 62.37. Die Schabemaschinen sind als CNC-Maschinen aufgebaut und meist noch mit integrierter Entgrateinheit ausgerüstet.

62.4.3

. Abb. 62.36 Prinzip des Zahnradschabens. Das Schabrad als Werkzeug besitzt in den Zahnflanken eingearbeitete Nuten als Schneidkanten. [Gleason-Hurth, GmbH, München]

Schabmaschinen Das Prinzip zeigt . Abb. 62.36. Durch die schräge Achskreuzung ergibt sich bei der Drehbewegung des Radpaares eine zur Spanabnahme führende, resultierende Gleitbewegung. Durch das leistungsfähige Power-Shaving-Verfahren von Gleason-Hurth wird die Zykluszeit der Bearbeitung halbiert. Das mit einem eigenen Spindelantrieb rotierende Werkstück wird drehzahlsynchronisiert in

62

. Abb. 62.37 Vorteile des Power-Shaving-Verfahrens mit drehmomentgeregeltem Werkstück gegenüber dem Tauchschaben. [Gleason-Hurth GmbH, München]

Verzahnmaschinen mit geometrisch unbestimmten Schneiden zur Bearbeitung von Zylinderrädern und Zylinderschnecken

Wälzschleifmaschinen Das in . Abb. 62.38 gezeigte Verfahren wird heute auf der Basis von CNC-Wälzschleifmaschinen in der Klein-, Mittel- und Großserienfertigung eingesetzt. Das Prinzip beruht auf einer CNC-geregelten Wälzkopplung zwischen der Drehbewegung einer zylindrischen Schleifschnecke mit Zahnstangenprofil und der Drehbewegung des Werkstückes. Bezüglich der Flexibilität spielen die Abrichtverfahren und der Maschinenaufbau eine wesentliche Rolle. Letzterer ist in . Abb. 62.39 dargestellt. Die Schleifspindel B1 trägt die zylindrische Schleifschnecke. Ein wesentliches Merk-

1325 62.4  Herstellung von Verzahnungen

. Abb. 62.38 Kontinuierliches Wälzschleifen mit zylindrischer Schleifschnecke [Reishauer AG, Wallisellen, Schweiz]

mal dieser Maschine ist der um die Achse C1 komplett um 180ı in die Abrichtposition schwenkbare Werkzeugträger. Das Abrichtaggregat kann leicht den Anforderungen entsprechend eingerichtet werden. . Abb. 62.40 zeigt die verschiedenen Abrichtmöglichkeiten, die je nach geforderter Flexibilität und Produktivität . Abb. 62.40 Abrichtverfahren mit Diamantrollen auf der Wälzschleifmaschine RZ 400 [Reishauer AG, Wallisellen, Schweiz]

. Abb. 62.39 Aufbau und Achskonfiguration der Verzahnungswälzschleifmaschine RZ 400 [Reishauer AG, Wallisellen, Schweiz]

62

1326

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.41 Diskontinuierliches Profilschleifen eines Schrägzahnrades auf der Profilschleifmaschine Helix 400 [Höfler Maschinenbau GmbH, Ettlingen]

. Abb. 62.43 Arbeitsprinzip des kontinuierlichen Profilschleifens [Reishauer AG, Wallisellen, Schweiz]

. Abb. 62.42 Aufbauprinzip einer CNC-Profilschleifmaschine für die Bearbeitung großer Zahnräder [Kapp-NILES Werkzeugmaschinen GmbH, Berlin]

62 zur Anwendung kommen können. Die Kosten der Diamantrollen sind ein entscheidender Faktor bei der Auswahl.

Profilschleifmaschinen Diskontinuierliches Profilschleifen . Abb. 62.41 zeigt das Bearbeitungsprinzip. Eine Schleifscheibe mit dem Profil einer Zahnlücke bearbeitet die Zahnflanken und den Zahngrund. Nach der Bearbeitung erfolgt die Weiterteilung zum nächsten Zahn. Unter den Bedingungen des Hochleistungsschleifens auch mit CBNSchleifscheiben kann die Produktivität bei ausreichender Flexibilität auf CNC-Profilschleifmaschinen durchaus hoch sein, . Abb. 62.42. Kontinuierliches Profilschleifen Werkzeugbasis dieses Verfahrens ist eine globoide Schleifschnecke. Das Aufbauprinzip ist in . Abb. 62.43 dargestellt. Mit einer entsprechenden Einrichtung erfolgt ein automatisches Einzentrieren der Verzahnung des Werkstückes in das Profil der laufenden Schleifschnecke. Danach werden zunächst die linken Zahnflanken mittels Drehvorschub j des Werkstückes geschliffen. Daraufhin er-

. Abb. 62.44 Kontinuierliches Profilschleifen und Honen in einer Maschine RZF mit einer Werkstückspannung [Reishauer AG, Wallisellen, Schweiz]

folgen das Rückstellen links und anschließend das Schleifen der rechten Flanken. Das Profilieren der Schleifscheibe erfolgt ähnlich mittels eines werkstückspezifischen, diamantbeschichteten Zahnrades als Profilierwerkzeug. Auf der CNC-Maschine RZF erfolgt nach dem Schleifen noch das Honen als Feinstbearbeitung der Verzahnung in einer Werkstückaufspannung, . Abb. 62.44. Das kontinuierliche Profilschleifen hat eine hohe Produktivität und wird für die Produktion großer Serien eingesetzt. Honmaschinen Der Materialabtrag auf der Werkstückflanke erfolgt über einen innenverzahnten, abrasiven Honring, der im Honkopf eingespannt ist, . Abb. 62.45. Durch den Achskreuzungswinkel entsteht beim Kämmen mit dem Werkstück eine Schleifbewegung. Die Geometrie des Honrings wird re-

1327 62.4  Herstellung von Verzahnungen

. Abb. 62.46 Wälzfräsen von Spiralkegelrädern im Zyklo-Palloid-Verfahren [Klingelnberg GmbH, Hückeswagen]

. Abb. 62.45 Zahnrad-Spheric-Leistungshonmaschine ZH 200 [Gleason-Hurth, München]

gelmäßig mit diamantbelegten Abrichtrollen unter Verwendung eines elektronischen Getriebes erzeugt. Flankenkorrekturen können allein durch Maschinenbewegungen realisiert werden. 62.4.4

Verzahnmaschinen zur Kegelradherstellung

Kegelradfräsmaschinen Teilverfahren Gerad- oder schrägverzahnte Kegelräder können auf Teilwälzfräsmaschinen hergestellt werden. Dabei verkörpern zwei ineinander greifende Scheibenfräser einen Zahn eines Planrades, das in das zu erzeugende Kegelrad eingreift. Jede Zahnlücke wird durch Wälzen fertiggefräst. Danach erfolgt die Weiterteilung zur nächsten Zahnlücke. Kontinuierliche Verfahren Spiralkegelrad-Wälzfräsmaschinen ermöglichen die kontinuierliche Bearbeitung von Kegelrädern. Am Bei-

. Abb. 62.47 Aufbau der Spiralkegelrad-Verzahnmaschine Oerlikon C 42 [Klingelnberg AG, Zürich, Schweiz]

spiel des Zyklo-Palloid-Verfahrens (Klingelnberg) wird in . Abb. 62.46 die Arbeitsweise gezeigt. Voraussetzung ist der Einsatz eines mehrgängigen Stirnmesserkopfes als Werkzeug. Über die CNC-Steuerung wird der Zusammenhang zwischen Gangzahl (Anzahl der Messergruppen) des Fräsers, Werkstückzähnezahl, Messerkopf- und Werkstückbewegung hergestellt. Die Flankenform der Zähne entspricht einer verlängerten Epizykloide, . Abb. 62.46. Eine Weiterentwicklung stellt die in . Abb. 62.47 gezeigte Maschine dar. Durch steifen Maschinenaufbau können hohe Schnittgeschwindigkeiten, beispielsweise bei der Trockenbearbeitung, zur Anwendung kommen. Die traditionelle Wälztrommel wurde durch CNC-Linearachsen ersetzt, um beliebige mathematische Funktionen zu realisieren. Die C-Achse als Rotationsachse führt dabei die Grundwinkelbewegung durch. Digitale Antriebe und direkte Messsysteme sichern hohe Positioniergenauigkeiten. Die Maschine ist nur eine aus einem Spiralkegel-

62

1328

Kapitel 62  Spanende Bearbeitungszentren (Auswahl)

. Abb. 62.48 Arbeitsraum der Spiralkegelrad-Wälzschleifmaschine G 27 [Klingelnberg AG, Zürich, Schweiz]

rad-Wälzfräsmaschinen-Baukasten mit gleichen Komponenten.

Kegelradschleifmaschinen Am Beispiel des Spiralkegelrad-Wälzschleifens wird die Verfahrensweise gezeigt. Eine moderne Konzeption mit

62

senkrechter Schleifspindel zum ungehinderten Abfluss der Späne ist in . Abb. 62.48 dargestellt. Sämtliche Antriebseinheiten liegen oberhalb des Arbeitsraums. Das Profilieren der Schleifscheibe erfolgt CNC-bahngesteuert mittels Diamant-Abrichtrolle, welche sämtliche Profilmodifikationen erlaubt.

1329

Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl) Andreas Hirsch und Werner Bahmann

Aus dem großen Gebiet der Maschinen zur Realisierung der Umform- und Schneidtechnik wird auf die in der Praxis am häufigsten in der Anwendung befindlichen eingegangen.

Diese Einordnung wird deshalb der üblichen Einteilung der Umformmaschinen nach Maschinenart und Funktion nur teilweise gerecht. 63.2

63.1

Maschineneinteilung 63.2.1

Die Gliederung der Fertigungsverfahren nach DIN 8580 in Umformen DIN 8582 und Schneiden anteilig in DIN 8588 bietet schon seit längerem keine Kompatibilität zu den hinter den Verfahren stehenden Maschinen oder Fertigungszentren. Unter Berücksichtigung der heute in der Industrie, besonders im Automobil- und Maschinenbau sowie in der Elektrotechnik/Elektronik zum Einsatz kommenden Verfahrensintegrationen und Differenzierungen wurde das nachstehende Zuordnungsbild entwickelt, . Abb. 63.1. a

Werkzeugmaschinen zum Massivumformen Pressen und Hämmer

Hauptanwendungsgebiet dieser Maschinen ist das Schmieden, sowohl als Gesenkschmieden von Stahl mit unterschiedlichsten Legierungen bis Aluminium sowie für weitere Prozesse der Warm- und Halbwarmumformung.

Mechanische Schmiedepressen . Abb. 63.2 zeigt eine mechanische Schmiedepresse. Sie ist automatisierbar und kann auch im Durchlaufbetrieb

b

. Abb. 63.1 Einordnung der Werkzeugmaschinen der Umform- und Schneidtechnik, bezogen auf die Bearbeitungsgebiete „Massivumformen“ (a) und „Blechbearbeitung“ (b) als Hauptbestandteil der modernen Produktion im Maschinen- und Fahrzeugbau

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_63

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Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.2 Aufbau einer Schmiedepresse „Maximapresse/Baureihe MP“ (SMS EUMUCO GmbH, Leverkusen)

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eingesetzt werden. Der Ständer (1) ist aus Stahlguss in Monoblock-Bauweise hergestellt. Die Exzenterwelle (11) aus hochlegiertem Vergütungsstahl wandelt die Drehbewegung des Antriebs über die Druckstange (Pleuel (3)) in eine Hubbewegung des Pressenstößels (2) um. Kupplung und Bremse sind auf der Exzenterwelle angeordnet und sichern die Presse direkt gegen Überlast ab. Das Kupplungs-Bremssystem (5) in Lamellenbauweise kann entweder elektropneumatisch oder elektrohydraulisch gesteuert werden. Die Kupplung arbeitet im Wechselspiel mit der Bremse. Der Gewichtsausgleich (6) der auf- und abwärts bewegten Teile erfolgt über einen pneumatischen Gewichtsausgleich. Der Werkzeugraum der Maschine kann über die Stößelverstellung (7) eingestellt werden. Die links im Bild dargestellte Maschinenvariante ist mit Vorgelege (8) und Pfeilverzahnungsübertragung (9) ausgerüstet. Deren Einsatz hängt von der benötigten Umformenergie ab.

Hydraulische Pressen und Hämmer Hydraulische Pressen werden in entsprechenden Modifikationen sowohl für das Warm- und Halbwarm-Massivumformen als auch für das Kalt-Massivumformen eingesetzt. Hydraulische Hämmer dienen ausschließlich zum Warm-Massivumformen. . Abb. 63.3 zeigt eine Übersicht über die Erzeugnis-Anpassung an die jeweiligen Fertigungsverfahren des Massiv-Umformens. Als Beispiel sei der relativ niedrige Arbeitsraum der Kalibrierpresse genannt, denn das Kalibrieren eignet sich besonders für flache Teile, im Gegensatz zur Kaltfließpresse. Moderne Roboter- und Manipulationstechnik erleichtert die Handhabung der Werkstücke sowohl beim Gesenkals auch beim Freiformschmieden. Der in . Abb. 63.4 dargestellte hydraulische Oberdruckhammer ist mit einem Schmiederoboter ausgerüstet.

. Abb. 63.3 Übersicht über die Erzeugnispalette „Hydraulische Pressen und Hämmer zum Massiv-Umformen“ eines Werkzeugmaschinen-Herstellers [LASCO Umformtechnik GmbH, Coburg]

1331 63.2  Werkzeugmaschinen zum Massivumformen

. Abb. 63.4 Hydraulischer Oberdruckhammer mit Schmiederoboter (im Bild vorn rechts) [LASCO Umformtechnik GmbH, Coburg]

Das ermöglicht eine Integration solcher Fertigungseinheiten in automatische Produktionslinien. Dieses Computerbild beinhaltet auch den „unter Flur“ befindlichen Teil des Hammerständers und zeigt die Aufstellung der Maschine auf Federdämpfungspaketen zur Isolierung gegen die Fortleitung der Bearbeitungsimpulse in die Umgebung der Anlage.

Spindelpressen Spindelpressen, heute meist direkt elektrisch angetrieben, sind hubungebundene Umformmaschinen. Sie kennen keinen kinematisch bedingten unteren Totpunkt (wie bei Kurbelpressen) und kein Blockieren unter Last. Spindelpressen können ein großes Kraft- und Energieangebot zu günstigen Kosten zur Verfügung stellen. . Abb. 63.5 zeigt einen Schnitt durch das Querhaupt einer direkt angetriebenen elektrischen Spindelpresse. Der frequenzgeregelte Umrichterantrieb beschleunigt das mit der Gewindespindel verbundene Schwungrad mittels elektrischer Energie und bremst im generatorischen Bremsbetrieb. Es ergeben sich ein geringer Stromverbrauch und kurze Hubzeiten. Durch computergesteuerte Regelung der Energie sind mehrere Schläge mit verschiedenen Energien im gleichen Gesenk möglich. Bei der gezeigten Maschine dient die Rutschkupplung zur Überlastsicherung. Einsatzgebiete: 4 Möglichkeit des Werkstückumformens mit vergleichsweise kurzem Hub 4 Geforderte hohe Wiederholgenauigkeit des Umformprozesses durch Konstanz der Energie 4 Umformen und Richten, Warm- oder Kaltkalibrieren, Prägen von Stahl, Aluminium und anderen NE-Metallen und hochlegierten Werkstoffen

. Abb. 63.5 Elektrischer Antrieb einer großen Spindelpresse SPR 2500 (25 MN Nennpresskraft, 500 kJ Bruttoenergie) über zwei symmetrisch am Schwungrad angeordnete Drehstrom-Asynchronmotoren [LASCO Umformtechnik GmbH, Coburg]

4 Präzisionsschmieden, auch im geschlossenen Gesenk 4 Pulverschmieden zum Nachverdichten gesinterter Rohlinge . Abb. 63.6a zeigt einen Teilschnitt durch eine Spindelpresse. Bei dieser Konstruktion ist das Pressengestell mehrgeteilt und durch Zuganker vorgespannt verbunden. Die Auffederung erreicht durch die Vorspannung nur 20 % einer einteiligen Gestellausführung. Die ausgeübte Presskraft wird über Dehnmessstreifen erfasst. Bei wiederholter Überlast wird das Aggregat abgeschaltet. In . Abb. 63.6b ist der Gesamtaufbau einschließlich Beschickungsroboter im Einsatz bei einem AutomobilZulieferer zu sehen. Die angewandte Gewindegeometrie schließt Selbsthemmung der Spindel aus.

63.2.2

Walzmaschinen zum Warm- oder Halbwarmumformen

Ringwalzmaschinen Eine Vielzahl von Profilen lassen sich auf Ringwalzmaschinen präzise warm walzen. Dazu zählen Wälzlagerringe, Eisenbahnradreifen, Ringe für die Luftfahrtindustrie u. a. m. In . Abb. 63.7c ist das Prinzip dargestellt: Über Dornwalzen wird der durch Zentrierrollen geführte Ring gegen die Hauptwalze gedrückt. Axialwalzen sorgen für die gewünschte Werkstückbreite. Die Ringwalzmaschinen sind mit moderner Steuerungstechnik ausgestattet, . Abb. 63.8. Auf dem Display ist die Bearbeitungssituation vorgegeben. Die entsprechenden

63

1332

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.6 Aufbau einer Spindelpresse. a Teilschnitt durch eine Spindelpresse. Das mehrteilige Pressengestell ist durch Zuganker vorgespannt. b Automatisierte Spindelpresse LASCO SPR 1250 mit Beschickungsroboter [LASCO Umformtechnik GmbH, Coburg]

. Abb. 63.7 Prinzip des Ringwarmwalzens. a Arbeitsraum einer Ringwalzmaschine, b Radial-Axial-Ringwalzmaschine, c Prinzip des Walzens eines Eisenbahn-Radreifens [SMS Eumuco GmbH, Leverkusen]

63

technologischen Werte werden über die Bedienerführung der CNC-Steuerung der Maschine übermittelt. . Abb. 63.9 zeigt eine automatische Systemlösung zur Ringherstellung. Die Teile werden aus dem Drehherdofen mittels Manipulator einer Ringrohlingpresse (hydraulische Schmiedepresse mit mehreren Umformstufen) zugeführt. Dort werden Rohlinge erzeugt, die als Ausgangswerkstücke für das Ringwalzen dienen.

Räderwalzmaschinen

. Abb. 63.8 Bedienoberfläche der CNC-Steuerung einer Ringwalzmaschine RAW [SMS Eumuco GmbH, Leverkusen]

Für das Walzen besonders von Eisenbahnrädern gelten analoge Bedingungen wie beim Ringwalzen, . Abb. 63.10. Durch die CNC-Steuerung aller Achsen ergeben sich auch hier minimale Programmwechselzeiten bei automatischer Einstellung der Walzsequenzen entsprechend der technischen Anforderungen.

1333 63.2  Werkzeugmaschinen zum Massivumformen

. Abb. 63.9 Systemlösung einer Anlage zur Ringproduktion. 1 Drehherdofen, 2 Manipulator, 3 Ringrohlingpresse, 4 Transporteinrichtung, 5 RadialAxial-Ringwalzmaschine [SMS Eumuco GmbH, Leverkusen]

. Abb. 63.10 a Prinzip des Vollrad-Warmwalzens, b Vollräderwalzmaschine DRAW 1400 mit 15 NC-Achsen [SMS Eumuco GmbH, Leverkusen]

Gesenk-Walzmaschinen

. Abb. 63.11 Funktionsprinzip des Axial-Gesenkwalzens [nach SMS Eumuco GmbH, Leverkusen]

Diese Maschinen gibt es sowohl für axiale als auch für radiale Bearbeitung. Das Funktionsprinzip des Axial-Gesenkwalzens ist in . Abb. 63.11 dargestellt. Das Untergesenk, welches um seine senkrechte Achse rotiert, nimmt den umzuformenden Rohling auf. Das Oberwerkzeug rotiert um eine geneigte Achse und walzt das Material durch axiale Zustellung in die Gravur. Nach der Fertigstellung wirft ein hydraulisch bestätigter Ausstoßer das Werkstück aus. Das Verfahren eignet sich besonders für die Herstellung von Aluminium-Felgen, Kupplungsringen, Radnaben und Tellerrädern.

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1334

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.12 Prinzip des Reckwalzens. a Reckwalzen mit Walzsegmentkonturen, b Arbeitsprinzip, c Automatische Reckwalzmaschine ARWS [SMS Eumuco GmbH, Leverkusen]

Reckwalzmaschinen

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Diese Maschinen dienen insbesondere zum Vorwalzen von Kurbelwellen, Achsen, Doppel-Pleueln u. a. aus runden oder quadratischen Ausgangsmaterialien als Ausgangsrohlinge für das Gesenkschmieden. Der auf Umformtemperatur erwärmte Materialabschnitt wird zwischen Ober- und Unterwalze in eine definierte Stellung geführt, . Abb. 63.12b. danach beginnt der Walzvorgang. Die Walzform wird durch die Konturen (. Abb. 63.12a) der Walzsegmente bestimmt. Der Aufbau einer Reckwalzmaschine ist in . Abb. 63.12c zu sehen. Über einen Riementrieb wird ein Schwungrad vom Hauptmotor angetrieben. Durch das Betätigen der Kupplung drehen sich Ober- und Unterwalze. Nach erfolgter Arbeit rückt die Kupplung aus und die Bremsung erfolgt. Der Quertransport des Materials erfolgt servoelektrisch mit programmierbarer Positionierung. Mittels einer Schwinghebel-Automatik (AS) wird die Drehbewegung der Oberwalze in die Linearbewegung des Zangenrohrs mit der Zange übertragen und das Werkstück in horizontaler Richtung durch den Walzspalt transportiert.

63.2.3

Kaltwalzmaschinen

Kaltwalzmaschinen werden im Wesentlichen eingesetzt zur Herstellung von 4 Geradverzahnungen, vorzugsweise an Getriebewellen 4 Schrägverzahnungen, auch bei Getriebewellen 4 Rändel 4 Gewinde 4 Ölnuten 4 Befestigungsrillen Das in . Abb. 63.13 dargestellte Arbeitsprinzip PRFS der Kaltwalzmaschine ROLLRAPID besteht aus der gegenläufigen Bewegung der zwei Walzbalken mit einem Zusammenspiel von CNC-gesteuerter Abstandsänderung dieser Werkzeuge/Zustellschlitten (Walzmodule) und der möglichen Richtungsumkehr der Walzschlitten im Walzprozess. Die Entkopplung des Walzvorschubes von der Werkzeuggeometrie bewirkt die Möglichkeit der sofortigen Maßkorrektur und Verfahrensanpassung im Walzprozess über die Menütechnik der CNC-Steuerung. Der große Hub der

1335 63.2  Werkzeugmaschinen zum Massivumformen

. Abb. 63.15 CNC-Kaltwalzmaschine ROLLRAPID [Profiroll Technologies GmbH, Bad Düben] . Abb. 63.13 Präzisionskaltwalzen nach dem Prinzip des Profiroll Reversing Forming Systems – PRFS [Profiroll Technologies GmbH, Bad Düben]

. Abb. 63.14 Kaltwalzmaschine ROLLRAPID. Extrem steifes Grundgestell in Form eines geschlossenen Maschinenrahmens. Dadurch wird die Schwachstelle einer einseitigen Aufbiegung bisheriger Kaltwalzmaschinen minimiert [Profiroll Technologies GmbH, Bad Düben]

Walzmodule (2 80 mm) ermöglicht ein leichtes Verfahren von mehrprofiligen Werkstücken mit großen Absätzen, beispielsweise Getriebewellen, zu den einzelnen Walzpositionen. Verzahnungen mit gleicher Zahngeometrie und verschiedenen Zähnezahlen lassen sich dadurch mit einem Werkzeug walzen. Das in . Abb. 63.14 gezeigte steife Maschinengrundgestell der ROLLRAPID sichert eine Minimierung der Zylinderformabweichungen am gewalzten Teil. Die grafische Bedienoberfläche der CNC-Steuerung zeigt dem Bediener typische Verfahrenskenngrößen wie Kraft und Moment an und bietet ein komplexes Prozessbild zur Analyse und Optimierung. Ein integriertes Prozessdaten-Management mit elektronischer Spureinstellung der Walzbalken bietet die Voraussetzung für den Schnellwechsel der Werkzeuge und die Neueinrichtung in weniger als 15 min. . Abb. 63.15 zeigt die Kaltwalzmaschine ROLLRAPID. Sie ist ausgelegt für maximale Verzahnungsdurchmesser von 70 mm und Werkstücklängen bis zu 1000 mm.

63

1336

63.3

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung

Analog der Entwicklung bei Werkzeugmaschinen der spanenden Fertigung entwickelt sich der Trend in der Blechbearbeitung – die Kombination der Fertigungsverfahren in einer Maschine oder in einem Fertigungssystem. Vorangetrieben wird dies besonders durch die Karosserieproduktion, aber auch die Gehäusefertigung in der Elektro- und Elektronikindustrie sowie im Maschinen- und Anlagenbau. Dabei wird in nahezu allen Bereichen eine hohe Flexibilität der Produktion gefordert.

63.3.1

Mechanische Pressen

. Abb. 63.17 Schneid- und Umformautomaten mit 8000 kN Presskraft in Reihenanordnung bei einem Automobilzulieferer [Müller Weingarten AG, Weingarten]

Kompakt-Exzenterpressen Die Exzenterpresse in . Abb. 63.16 erlaubt durch die Doppelständerkonstruktion und beidseitiger Lagerung der Exzenterwelle sehr hohe Drehzahlen bis 500 min1 und

garantiert dank vorgespannter Rollenführungen eine hohe Präzision. Ein großer automatischer Verstellbereich von Hub und Stößel ermöglicht kurze Umrüstzeiten. Die große Tischöffnung erlaubt den Einsatz eines pneumatischen Ziehkissens.

Schneid- und Umformautomaten Die in den . Abb. 63.17 und 63.18 dargestellten Schneidund Umformautomaten (bis 20.000 kN Presskraft) sind in der Standardausführung als Stanz-, Schneid- und Umformautomat mit universeller Antriebstechnik ausgerüstet. Das bedeutet einen sinusförmigen Verlauf des Hubes, der Geschwindigkeit und der Beschleunigung des Pressenstößels. Die Bleche werden über eine Transfer-Vorschubeinheit transportiert.

63

Transferpressen

. Abb. 63.16 AZ Einpleuelpresse mit Exzenterantrieb [Beutler Nova AG, Gettnau, Schweiz]

Die in den . Abb. 63.19 und 63.20 gezeigte Transferpresse transportiert die Werkstücke mit elektronischen Transfereinrichtungen über Antrieb mit Hebel und Transferschiene durch deren Heben – Transport des Teiles – Absenken in der nächsten Bearbeitungsstation. Die gezeigte Presse ist mit drei verschiedenen Stößeln versehen, wobei der erste ein Werkzeug, der zweite drei Werkzeuge und der dritte zwei Werkzeuge aufnehmen. Alle Stößel sind mit viergliedrigen Gelenkantrieben ausgerüstet. Dieser Antrieb lässt gegenüber dem Geschwindigkeitsverlauf der Standardpresse . Abb. 63.17 eine Geschwindigkeitsreduzierung auf ein Drittel bis zur Hälfte zu, was besonders für den Tiefziehvorgang von Bedeutung ist, um Rissbildungsgefahr im Blech zu vermeiden. Dadurch kann die Hubzahl erheblich gesteigert werden, was wiederum eine Produktivitätserhöhung bedeutet. Die gezeigte Presse besitzt einen automatischen Transferschienenwechsel und einen Werkzeugwechsel über selbstfahrende Schiebetische.

1337 63.3  Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung

. Abb. 63.18 Prinzipdarstellung des Schneid- und Umformautomaten (Zweipunkt-Presse mit Exzenter-Antrieb) aus . Abb. 63.17 [Müller Weingarten AG, Weingarten]. 1 Kopfstück, 2 Seitenständer, 3 Pressentisch, 4 Schwungrad mit Antriebsmotor, 6 Zwischenrad, 7 Exzenterrad, 8 Querwelle, 9 Kupplungs-Bremskombination, 10 Pleuel, 11 Stößel, 12 Druckpunkt, 13 Stößelverstellung, 14 Transfer-Vorschubeinheit,

16 Raumlenker, 17 Transferhebel, 18 Überlastsicherung, 20 Aufspannplatte, 21 Stößel-Gewichtsausgleich, 22 Stößel-Gleitführung, 24 Transferschienen, 25 Transfer-Schließkasten, 26 Antrieb Greiferschienenverstellung, 29 Schrottband, 30 Werkzeugspanner, 31 Kühl-Bremsaggregat, 32 Ölumlaufschmierung, 34 Kompressor

Die Produktionsleistung der Presse bei der Herstellung von mittleren und großen Automobilteilen (Tür- und Trägerelemente) eines Automobilzulieferers liegt bei max. 18 Teilen pro Minute.

Transfersysteme für Pressenlinien

. Abb. 63.19 Pressraum einer Transferpresse, Presskraft 37.000 kN [Müller Weingarten AG, Weingarten]

An modernen Anlagen werden zur Aufnahme und zum Transport der Blechteile meist Sauger eingesetzt. Zum Transport der Teile zwischen den Pressen können verschiedene Einrichtungen zur Anwendung kommen. 4 Swingarm-Technologie: Diese Transfertechnik wurde vom Hersteller speziell für neue Kompakt-Saugerpressen entwickelt. Durch die Trennung von Presse und Transfersystem kann jedem Pressteil sein eigenes frei programmierbares Bewegungsprofil zugeordnet werden. Das verbessert die Pro-

. Abb. 63.20 Multifunktionale Großteil-Transferpresse in Dreistößel-Ausführung für Karosserieteile mittlerer bis großer Abmessungen [Müller Weingarten AG, Weingarten]. 1 Stößel 1, 2 Stößel 2, 3 Stößel 3, 4 Gelenkantrieb, 5 Transferantrieb, 6 Transferhebel, 7 Transferschiene, 8 Schließkasten Heben/Senken, 9 Ziehwerkzeug, 10 hydraulisches Vierpunkt-Ziehkissen, 11 pneumatisches Ziehkissen, 12 Platinenstapel mit Hubwagen, 13 PlatinenEntstapel-Station, 14 Platinen-Sprüheinrichtung, 15 Doppelblech-Ablagewagen

63

1338

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.21 Prinzip einer Kompakt-Saugertransferpresse mit Swingarm-Transfer [Müller Weingarten AG, Weingarten]

. Abb. 63.23 Swivelarm-Transfer zwischen zwei Pressen mit Wendemodul für das Werkstück. a Werkstückentnahme mittels Sauger in Lage I, Wenden des Werkstückes während des Transportes um 180ı , Werkstückablage in Lage II, b Swivelarm mit Werkstück in Ausgangsposition [Müller Weingarten AG, Weingarten]

63

. Abb. 63.22 Prinzip einer Kompakt-Pressenstraße mit Speedbar-Transfer [Müller Weingarten AG, Weingarten]

duktivität der gesamten Anlage. Der Teiletransport folgt direkt von einer Umformstufe zur anderen. Das Prinzip ist in . Abb. 63.21 dargestellt. Über einen Servomotor wird der kurze Gelenkhebel bewegt. Je nach Motor-Drehrichtung fährt der Saugerbalken zur Teileentnahme in den Arbeitsraum ein und umgekehrt mit dem Teil wieder heraus. Der Saugerbalken wird dabei von einem Schwenkantrieb in der programmierten Position quer zur Transportrichtung gehalten. Ein weiterer Servomotor führt die Hubbewegung durch. Damit kann jedes beliebige Bewegungsprofil gefahren werden. 4 Speedbar-Technologie: Die Speedbar-Technologie als Linear-Transfer wurde vom Hersteller für Hochleistungs-Pressenstraßen hoher Flexibilität entwickelt. Die Speedbar-Module sind zwischen den Pressen eingebaut, . Abb. 63.22. Zwei Servomotoren bewegen über einen Zahnriementrieb die Teleskopschiene, wel-

. Abb. 63.24 Hydraulische Multifunktions-Monoblockpresse der ZEBaureihe (Teilschnitt). Presskraftbereich 1000 bis 10.000 kN, Tischbreiten 1250 bis 3400 mm [Müller Weingarten AG, Weingarten]

1339 63.3  Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung

. Abb. 63.25 Steuerungsschema einer Tryout-Multicurvepresse [Müller Weingarten AG, Weingarten]

che an einer Tragschiene hängend geführt ist. Ein weiteres Zahnriemensystem in der Teleskopschiene bewegt über ein Shuttle den angedockten Saugerbalken. Dieser kann während seiner Horizontalbewegung zusätzliche Positionsänderungen quer zur Transportrichtung durchführen. Ein Hubantrieb führt die Hub- und Senkbewegungen aus. Damit kann auch hier jedes gewünschte Bewegungsprofil ausgeführt werden. 4 Swivelarm-Technologie: In der Swivelarmvariante in . Abb. 63.23 oben wird das Ziehteil aus dem Stößel entnommen und beim Transport gewendet. Die Swivelarm-Technologie findet Anwendung bei großen Pressenabständen. Somit können mit diesem System auch bestehende Anlagen nachgerüstet werden. In der Bewegungsaddition werden Transportgeschwindigkeiten bis zu 10 m=s erreicht. Die Technologie eignet sich auch zur Platinenzuführung in die Kopfpresse und zur Fertigteilentnahme. 4 Robotereinsatz: Auch der Einsatz von Gelenkrobotern ist möglich, aber auch eine Kostenfrage.

63.3.2

Hydraulische Pressen

Multifunktions-Pressen Hydraulische Pressen sind aufgrund ihres Aufbaus flexibel und universell einsetzbar.

Die in . Abb. 63.24 gezeigte Presse eignet sich für die manuelle oder automatisierte Fertigung kleiner und mittlerer Automobilteile und Teile des Maschinen- und Anlagenbaus. Der Pressenkörper ist als Monoblock mit integrierten Führungsbahnen aufgebaut. Der Stößel besitzt eine große Höhe, um auch außermittige Belastungen gut aufnehmen zu können. Eine Stößelsicherung ist über den gesamten Hubbereich möglich. Ein Mehrpumpen-Einzelantrieb verhindert Totalausfall. Ölbehälter und Antriebsaggregat sind schwingungs- und temperaturisoliert am Pressenkörper angehängt. Im Pressentisch ist ein Ziehkissensystem eingebaut. Im Eckbereich des Tisches sind vier Schnittschlagdämpfer angeordnet.

Hydraulische Tryout-Pressen Diese Pressenbauart wurde für die Realsimulation von Umformwerkzeugen und schneller mechanischer Pressenantriebe zu deren Einarbeitung und Erprobung entwickelt. Dies ermöglicht eine Produktionsoptimierung der nachfolgenden Pressenanlagen. Um mechanische Pressenantriebe, die Umformgeschwindigkeiten von 500 bis 800 mm/s erreichen, simulieren zu können, sind Multicurvepressen mit einem schnellen Speicherantrieb ausgerüstet, . Abb. 63.25. Zu Beginn der Umformsimulation strömen aus der Speicheranlage große Volumenströme zu den vier Presszylindern und bewirken die erforderliche Beschleunigung des Stößels. Ein leistungsfähiges im Zentralsteuerblock integriertes Regel-

63

1340

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.26 Tryout-Prinzip des Einarbeitens eines PKWSeitenwandwerkzeuges [Müller Weingarten AG, Weingarten]

system regelt die Volumenströme so ein, dass exakt die Bewegungsabläufe des simulierten mechanischen Pressenantriebes erreicht werden. Damit können alle gängigen mechanischen Pressenantriebe, wie Exzenterantrieb, Kurbelantrieb, Hipro-Gelenkantrieb u. a. realitätsnah hinsichtlich des Weg/Druck-Zeitverhaltens simuliert werden. . Abb. 63.26 zeigt den Einarbeitungsweg eines Umformwerkzeuges. Die Multicurvepresse simuliert die Bewegungscharakteristik des Hipro-Multifunktionsantriebes der mechanischen Presse, auf der die PKW-Seitenwand künftig produziert werden soll.

Hydraulische Pressenstraßen

63

Die in . Abb. 63.27 gezeigte hydraulische Pressenstraße produziert mittlere Karosserieteile für verschiedene Automobilhersteller. Dies erfordert eine hohe Flexibilität der Produktion. Die Kopfpresse übernimmt den Tiefziehprozess. Ein Grund für die hohe Leistungsfähigkeit der Straße ist die optimierte Kommunikation zwischen Presse und Roboter. Sie reagiert auf Materialveränderungen, Werkzeugverschleiß u. a. mit einer automatischen Nachjustierung der einzelnen Parameter. Der Werkzeugtransport geschieht mittels selbstfahrender Flurförderer (in . Abb. 63.27 oben im Vordergrund).

63.3.3

Stanz- und Laserschneidmaschinen

Blechbearbeitungszentren zur Erzeugung komplexer Innen- und Außenkonturen Die Bearbeitungsvielfalt und die Produktivität der Bearbeitung ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorm gestiegen. Möglich wurde dies durch: 4 die Entwicklung der CNC-Technik, besonders die Schaffung von CNC-Achsen mit hoher Verfahrge-

. Abb. 63.27 a Hydraulische Pressenstraße mit 1 Kopfpresse (Presskraft 14.000 kN) und 4 Folgepressen (Presskraft 6300 kN), b Zum Teiletransport werden sechsachsige Gelenkroboter eingesetzt [Müller Weingarten AG, Weingarten]

1341 63.3  Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung

. Abb. 63.28 Blechbearbeitungszentrum TRUMATIC 3000 LASERPRESS zur Komplettbearbeitung durch Laserschneiden, Stanzen und Umformen [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

schwindigkeit bei ausreichender Präzision der Schlittenpositionierung, 4 die Entwicklung leistungsfähiger CO2 -Laser zum Schneiden von Stahlblech, besonders im Dünnblechbereich, 4 die Möglichkeit hoher Flexibilität der Produktion durch CNC-Steuerungen mit Bedienerführung und leistungsfähiger Benutzersoftware. In den . Abb. 63.28 und 63.29 ist ein modernes CNCKomplettbearbeitungszentrum zum Laserschneiden, Stanzen und Umformen dargestellt. Es können ebene Bleche bis maximal 4 mm Dicke mit maximaler Stanzkraft von 165 kN bearbeitet werden.

Stanzen und Umformen: 4 Der Stanzkopf, Ansicht a in . Abb. 63.29, mit Unterund Oberwerkzeug ist um eine numerische C-Achse drehbar mit 60 min1 , . Abb. 63.29b. Dadurch kann das Stanzwerkzeug gleiche Ausschnittformen in verschiedenen Winkellagen erzeugen. 4 Es können Umformvorgänge mit Umformhöhen bis zu 25 mm sowie das Gewindeformen und das Umformen von unten nach oben durchgeführt werden. 4 Das Linearmagazin umfasst maximal 19 Stanzwerkzeuge. Mit einem Multitool-Speicher können bis zu 190 Werkzeuge gespeichert werden. Die Werkzeugwechselzeit beträgt 3,1 s. 4 Bis zu 600 Hübe pro Minute sind beim Stanzen möglich. Laserschneiden: 4 Einsatz eines neuentwickelten diffusionsgekühlten CO2 -Lasers TCF 1. Mit 2 kW maximaler Leistung erreicht er die Schnittgeschwindigkeit herkömmlicher 3 kW CO2 -Laser. 4 Der gestreckte Laserkopf kann besonders nahe an Umformungen zur Ausübung von Schneidvorgängen heranfahren. 4 Schneidgeschwindigkeiten oder Laserleistung werden automatisch im Prozess aktiviert. 4 Eine Abstandsregelung APC steuert die Lage des Laserkopfes und regelt einen konstanten Abstand zum Blech.

. Abb. 63.29 Blechbearbeitungszentrum TRUMATIC 3000 LASERPRESS. a und b Bearbeitungssituation und Werkzeugaufbau zum Stanzen, c Bearbeitungssituation Laserschneiden, d CO2 -Laser TCF 1 im geöffneten Zustand außerhalb der Maschine [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH C Co. KG, Ditzingen]

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1342

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.30 Blechfertigungssystem mit Laser-Flachbettmaschine TRUMATIC L 3050 [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

. Abb. 63.31 Fünf AchsenCNC-Maschinensystem zum Laserschneiden, Laserschweißen und Oberflächenbehandeln TRUMPF LASERCELL 1005 [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

63

Der Arbeitsbereich der TRUMATIC 3000 L liegt mit Nachsetzen bei X Y D 2500 1250 mm, die Verfahrgeschwindigkeit der X-Achse bei 90 m/min und der Y-Achse bei 60 m/min. Bei simultaner Bewegung zum Positionieren ergibt sich eine Verfahrgeschwindigkeit von 108 m/min. Die Positionsabweichung Pa liegt bei maximal ˙0; 1 mm. Ein hochentwickeltes Programmiersystem ToPs mit übersichtlich strukturierter Bedienoberfläche und selbsterklärender Bedienreihenfolge bis hin zum Schachtelprozessor zur optimierten Blechtafelbelegung sichert höchste Flexibilität im Klein- und Mittelserienbereich. Eine Möglichkeit zur automatisierten Fertigung von Blechteilen zeigt . Abb. 63.30. Die Vorteile dieses Systems sind:

4 4 4 4

Bedienerfreie Fertigung Steigerung der Produktivität Kurze Durchlaufzeiten Optimale Nutzung der Ressourcen

Die Maschine ist mit Palettenwechsler ausgerüstet. Zeitgleich zur Produktion wird der nächste Schneidauftrag vorbereitet. Nach Beendigung des Schneidplans erfolgt der Palettenwechsel an der Maschine. Der SortMaster positioniert über drei NC-Achsen eine Saugerplatte auf das zu entnehmende Einzelteil auf dem Palettenwechsler, entnimmt das Fertigteil aus dem Restgitter und legt es auf eine programmierbare Position ab.

1343 63.3  Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung

Konstrukteur, Formen zu gestalten, die früher kaum zu realisieren waren. Laserschweißen, . Abb. 63.32 rechts, hat den Vorteil schmaler und tiefer Nähte, geringen Verzugs der gefügten Teile und Entfalls von Nacharbeit. Auch eine gezielte Härtung mit dem Laserstrahl ist in der gleichen Aufspannung möglich.

63.3.4

. Abb. 63.32 Werkstücke, bearbeitet auf der TRUMPF LASERCELL 1005 [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

Nach der Entnahme der Kleinteile durch den SortMaster nimmt der LiftMaster sort die Maxiteile auf und legt sie auf einem Doppelwagen ab. Danach wird das Restgitter auf einem Podest abgelegt. Der Liftmaster sort vereinzelt die nächste Blechtafel auf dem Doppelwagen, transportiert sie per Sauger auf den Palettenwechsler. Im Kompaktlager werden die Rohtafeln und die Fertigteile eingelagert und automatisch zum nächsten Arbeitsschritt bereitgestellt. Ein Fertigungsleitsystem überwacht den Prozess. Eine umfassende 3D-Bearbeitung erfordert die Anwendung von Fünf-Achsen-Bahnsteuerungen mit Interpolation der 3 Linear- und 2 Schwenkachsen X, Y, Z, B, und C. Eine Maschine mit dieser Steuerung ist die in . Abb. 63.31 dargestellte LASERCELL 1005. Die Verfahrgeschwindigkeiten der Linearachsen liegen zwischen 30 und 50 m/min, der Schwenkachsen bei 360ı =s. Sie ermöglicht das gratfreie Laserschneiden komplexer 3D-Teile aus Stahl, Aluminium oder Titan, welche erst nach dem Umformprozess mit Ausschnitten und Konturen versehen werden können. In . Abb. 63.32 links ist ein solches Teil dargestellt. Dies ermöglicht auch dem . Abb. 63.33 Hydraulische Abkantpresse TrumaBend V 1300 mit 1300 kN Presskraft [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

Biege- und Abkantmaschinen

Auch in der Biege- und Abkanttechnik wird eine hohe Flexibilität bei gleichzeitiger großer Produktivität und Sicherung der vorgegebenen Qualität gefordert. Einsatzgebiete sind neben dem Maschinen-, Fahrzeug- und Anlagenbau besonders die Fertigung von Gehäusen und Schrankteilen für die Elektro- und Elektronikindustrie.

Hydraulische Abkantpressen Bei der in . Abb. 63.33 gezeigten Abkantpresse wird die Presskraft über je 2 Hydraulikzylinder auf beide Seiten des Druckbalkens erzeugt. Die Balkeneilganggeschwindigkeit auf und ab beträgt 220 mm/s, die Arbeitsgeschwindigkeit ist zwischen 0,1 und 10 mm/s wählbar. Die große Zahl einsetzbarer Biegewerkzeuge ermöglicht vielfältige Geometrien ohne Nacharbeit.

CNC-Abkantpressen CNC-Abkantpressen TrumaBend V besitzen neben einem elektrohydraulischen Stößelantrieb mit Proportionalventiltechnik ein Stößel-Wegmesssystem mit Auffederungskompensation sowie eine sphärische Aufhängung und Schrägstellung des Druckbalkens (˙10 mm). Der Hinteranschlag für das Werkstück besitzt 2 CNCAchsen (X und R) in Richtung zum Werkstück mit Verfahrgeschwindigkeiten bis 500 mm/s und senkrecht dazu bis 300 mm/s. Eine Option bis zu 6 CNC-Achsen ist möglich,

63

1344

Kapitel 63  Umformende und schneidende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 63.34 Arbeitsraum einer CNC Abkantpresse TrumaBend V [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

etwa bei schräg zur Anschlagkante verlaufenden Biegelinien. Die Anschlagfinger können hier an jede beliebige Stelle im 3D-Arbeitsbereich positioniert werden. Winkelsensoren ACB, . Abb. 63.34, übernehmen das Messen und Regeln des gewünschten Biegewinkel-Sollwertes im Prozess. Dadurch wird die Produktivität bei gleichbleibender Qualität erhöht. Eine selbstzentrierende Oberwerkzeugaufnahme und hydraulische Werkzeugklemmung bringen zusätzlichen Produktivitätsgewinn. . Abb. 63.35 zeigt ein Arbeitsbeispiel eines auf einer TrumaBend gefertigten Werkstückes mit 13 Biegungen.

Automatische Abkant- und Biegezellen

63

Die automatische Abkant- und Biegezelle, . Abb. 63.36, sichert eine komplette automatische Fertigung durch die Anwendung des Handling-Roboters TRUMPF BendMaster in Kombination mit einer CNC-Abkantpresse. . Abb. 63.36 Automatische Biegezelle [TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Ditzingen]

. Abb. 63.35 Verkleidung der Bewegungseinheit einer Werkzeugmaschine. Material: 1,5 mm Al-Blech, Anzahl der Biegungen: 13

Der Bendmaster erfasst mittels Sensorkopf den Platinenstapel, seine Lage und Höhe, greift prozesssicher über mehrere Sauger das Blech, bewegt es in den Arbeitsraum und führt die Platine bei der Bearbeitung nach. Dabei erfolgt eine Synchronisation der Biegegeschwindigkeit der CNC-Abkantpresse TrumaBend V 170 mit dem Bendmaster. Danach erfolgt eine Ablage der Fertigteile im Stapel ineinander verschachtelt oder frei zueinander verdreht. Ein Umgreifen unter Nutzung einer Parkposition außerhalb des Pressentisches ist möglich.

1345

Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl) Andreas Hirsch und Werner Bahmann

In Anlehnung an DIN 8590 ist die Einteilung der abtragenden Verfahren in . Abb. 64.1 dargestellt. Da man in der Regel nur eines dieser Verfahren auf einer Maschine realisieren kann, werden abtragende Werkzeugmaschinen entsprechend klassifiziert. Als Beispiele solcher Maschinen werden Schneid- und Senkerodiermaschinen, Laserstrahlbearbeitungsmaschinen und Wasserstrahlschneidanlagen betrachtet. Zu beachten ist: Wird dem Werkzeug „Wasserstrahl“ ein abrasives Mittel zugesetzt, ist dieses Bearbeitungsverfahren auch dem Spanen mit geometrisch unbestimmter Schneide zuzuordnen. Bedingt durch die Eigenschaften der abtragenden Verfahren 4 Abtragvolumen pro Zeit bzw. Schneidgeschwindigkeit pro Zeit wesentlich geringer als bei spanenden Verfahren, 4 thermische Belastung des Werkstückes gering und der verhältnismäßig hohen Maschinen- und Anlagenkosten sowie deren beschränkte Einsatzfähigkeit werden diese Maschinen nur dann eingesetzt, wenn man mit umformenden oder spanenden Verfahren und Maschinen nicht zum Erfolg kommt. Dies ist vor allem der Fall bei 4 extrem harten oder spröden Werkstoffen (z. B. Hartmetalle, hochlegierte Stähle, Keramiken), 4 der Herstellung bestimmter Formelemente (z. B. kleinste Bohrungen, Hinterschnitte), 4 thermisch empfindlichen Werkstoffen (z. B. vergütete Werkstücke, Glas, textile Gewebe).

64.1

Erodiermaschinen

Auf diesen Maschinen wird die Funkenerosion als abtragendes Fertigungsverfahren realisiert. Voraussetzung für die Bearbeitung ist eine ausreichende elektrische Leitfähigkeit des zu bearbeitenden Werkstückwerkstoffes. Der Materialabtrag erfolgt durch elektrische Funkenentladungen, die örtlich getrennt und kurzzeitig zwischen Elektrode und Werkstück in einer nichtleitenden Flüssigkeit (Dielektrikum) erfolgen. Die Einzelentladung teilt man in Zünd-, Entlade- und Pausenphase (. Abb. 64.2) ein.

Zündphase Die Elektrode (C) als das Werkzeug wird in einen definierten Abstand (Arbeitsspalt) zum Werkstück () gebracht. Die anliegende elektrische Spannung bildet ein elektrisches Feld aus, das an den Stellen mit dem kleinsten Abstand leitfähige Partikel sammelt. Ist diese Brücke ausreichend leitfähig beginnt der Stromfluss. Negativ geladene Teilchen (Elektronen) werden in Richtung der positiven Elektrode und positive Teilchen (Ionen) zum negativen Werkstück beschleunigt.

Entladephase Mit dem jetzt möglichen höheren Stromfluss dehnt sich der Entladekanal weiter aus. Im Entladekanal zwischen Elektrode und Werkstück entsteht eine hohe Stromdichte, die zu einer intensiven partiellen Erwärmung führt. Der

. Abb. 64.1 Einteilung der abtragenden Fertigungsverfahren

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_64

64

Kapitel 64  Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

1346

a

b

c

. Abb. 64.2 Phasen der funkenerosiven Entladung zwischen Elektrode und Werkstück: a Zündphase, b Entladephase, c Pausenphase

Werkzeug positionieren

e

g f

a b

Werkzeug einsenken Arbeitsbehälter absenken

c d . Abb. 64.3 Arbeitsraum und Bewegungen beim funkenerosiven Senken: a – Werkzeug, b – Werkstück, c – Arbeitsbehälter mit Dielektrikum, d – Tisch, e – Spüldüse, f – Spülbewegung, g – Spülkanal

Werkstückwerkstoff wird aufgeschmolzen und zum Teil verdampft.

Pausenphase

64

Durch Abschalten der Energiezufuhr (Spannung) bricht die Plasmagasblase in sich zusammen. Die Schmelze wird herausgeschleudert, erstarrt im Dielektrikum und wird durch selbiges aus dem Arbeitsspalt herausgespült. Die Pausenphase muss so dimensioniert sein, dass die Ionisierung im Entladekanal vollständig aufgelöst wird. Die Bildung von Lichtbögen ist zu vermeiden. Diese Vorgänge wiederholen sich bis zu 100.000 mal in der Sekunde. . Abb. 64.4 Aufbauprinzip und Ansicht einer Maschine zum funkenerosiven Senken (AEG Elotherm)

64.1.1

Senkerodiermaschinen

Werkstück und Werkzeug (Elektrode mit negativer Form der herzustellenden Werkstückkontur) werden im Arbeitsbehälter vom Dielektrikum umspült. Während des Abtragprozesses wird in der Regel die Elektrode in Richtung des Werkstückes abgesenkt (. Abb. 64.3). Das Spülen des Arbeitsspaltes kann erfolgen durch 4 Hin- und Herbewegen der Elektrode in Einsenkrichtung (großflächige, nicht unterbrochene Elektroden) oder Rotation der Elektrode (rotationssymmetrische Flächen), 4 Ansaugen oder Durchdrücken von Dielektrikum durch die Elektrode direkt in den Arbeitsspalt (Elektrode ist ein oder mehrfach durchbohrt), 4 externe Erzeugung eines Flusses des Dielektrikums mit Hilfe von Düsen. Eine Senkerodiermaschine in Portalbauweise ist in . Abb. 64.4 dargestellt. Auf der Werkzeugseite sind zwei translatorische Bewegung und die Rotation des Werkzeugs angeordnet. Der Maschinentisch einschließlich des absenkbaren Behälters für das Dielektrikum führt eine Bewegung aus. Zu einer kompletten Anlage gehören außer der eigentlichen Maschine noch die NC-Steuerung für die Bewegung in den Maschinenkoordinaten, der Vorschubregelkreis zum sicheren Aufrechterhalten der richtigen Größe des Arbeitsspaltes, der Generator zur Spannungserzeugung für den Abtragvorgang und die Aufbereitungsanlage für das Dielektrikum. Werkstück- und Werkzeugwechselsysteme können vorhanden sein. Oft besitzen diese Maschinen auch eine Feuerlöscheinrichtung. Senkerodiermaschinen werden hauptsächlich eingesetzt für die Herstellung von Werkzeugen und Formen, aber auch für die Fertigung kleiner tiefer Bohrungen mit Durchmessern bis in den Mikrobereich. Das Erodierergebnis bewertet man nach der Abtragrate, der erzielten Oberflächenqualität, Form- und Maßgenauigkeit so-

1347 64.1  Erodiermaschinen

64.1.2

. Abb. 64.5 Arbeitsraum und Bewegungen beim Schneiderodieren: a – Gestell, b – Drahtrolle, c – Drahtführung mit Spüldüse, d – Spannungszuführung, e – Werkstück, f – Werkstückträger, g – Arbeitsbehälter, h – Kreuztisch

wie dem Elektrodenverschleiß. Beim Schruppen kann eine spezifische Abtragrate von bis zu 9 mm3 =A min erreicht werden. Für Schlichtprozesse sind spezifische Abtragraten kleiner 0,3 mm3 =A min üblich. Die Oberflächenqualitäten liegen im Bereich von Ra > 3 *m beim Schruppen, über 0;8 *m < Ra < 3 *m beim Schlichten und bis 0;2 *m < Ra < 0;8 *m beim Feinschlichten.

Schneiderodiermaschinen

Das Werkzeug (Elektrode) (. Abb. 64.5) ist bei diesem Verfahren ein Draht, der kontinuierlich mit dem Abstand des Arbeitsspaltes durch das Werkstück gezogen wird (Drahtvorschub). Diese Bewegung ist mit dem Abwickeln des Drahtes und seinem Zerhacken bzw. Aufwickeln verbunden. Das Werkstück und der geführte Draht befinden sich im Arbeitsbehälter und somit im Dielektrikum. Das Spülen im Spalt übernehmen oft Düsen, die den Draht umschließen und an Ein- und Austritt des Drahtes Dielektrikum zuführen. Den Verlauf des Schneidspaltes bestimmt die Relativbewegung zwischen Werkstück und Werkzeug. Sie wird gewöhnlich durch zwei Vorschubachsen ausgeführt, die den Arbeitsbehälter und das Werkstück oder die Drahtzuführung bewegen. Durch Verschieben der unteren Drahtführung gegenüber der oberen sind in der abgebildeten Maschine (. Abb. 64.6) Neigungen bis 30ı herstellbar. Der Einsatz dieser Maschinen erfolgt hauptsächlich bei der Herstellung von Elektroden, Stempeln und Matrizen für Schneidwerkzeuge und die Bearbeitung von Hartmetallwerkzeugen. Typische Geschwindigkeiten liegen im Bereich von 1 bis 3 mm/min. Soll die Bearbeitung in der Mitte eines Werkstückes beginnen, muss vor dem Schneidprozess eine Startlochbohrung hergestellt werden. Bei gut spanbaren Werkstoffen erfolgt dies durch Bohren. In der Regel sind die Werkstoffe dafür aber nicht geeignet, so dass spezielle Maschinen

Unterschiedliche Geometrien in 2 Ebenen

Konikschnitt . Abb. 64.6 Schneiderodieren (Mitsubishi) mit zwei Beispielen zur Konizität

Verschiedene Konizitäten

64

1348

Kapitel 64  Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

. Abb. 64.7 Drahteinfädeleinrichtung und Drahtführung bei einer Maschine zum Schneiderodieren (Mitsubishi)

Thermosymmetrie wurden durch FEM-Berechnungen optimiert und sind Voraussetzung für das Erreichen einer hohen Genauigkeit. Die Führung der Bauteile zueinander erfolgt über vorgespannte Kompaktwälzelemente. Die Maschine besitzt eine NC-Steuerung für die Bewegung in den Maschinenkoordinaten sowie zum sicheren Aufrechterhalten der richtigen Größe des Arbeitsspaltes und zum Regeln des Drahtvorschubs.

64.2

Laserbearbeitungsmaschinen

Die Laserstrahltechnologie wird bei einer Vielzahl von Bearbeitungsverfahren angewandt (z. B. Schneiden, Schweißen, Abtragen und Beschriften unterschiedlicher Materialien). Durchgesetzt hat sich diese Technologie auch bei der Oberflächenbearbeitung von Werkstücken, z. B. Härten, Beschichten und bei der Mikrobearbeitung. Bestimmte Verfahren des Rapid Prototyping arbeiten ebenfalls mit Laserstrahl. Die Besonderheiten des Laserlichtes sind, dass

64 . Abb. 64.8 Maschine zum Schneiderodieren (Mitsubishi)

oder Zusatzeinrichtungen zum Einsatz kommen. Sie basieren auf dem Prinzip des Senkerodierens. In diese Startlöcher muss dann der Draht eingefädelt werden. Spezielle Einrichtungen an den Schneiderodiermaschinen übernehmen diese Aufgabe. Mit Hilfe eines Strahles mit Dielektrikum und dem Messen des Rückpralldruckes sucht die Maschine die Mitte des Startloches (. Abb. 64.7). Ist diese gefunden, wird der Drahtvorschub freigegeben und der Draht durch den Strahl durch das Startloch gefädelt. Auf der Werkstückgegenseite übernehmen Rollen die Führung des Drahtes. In . Abb. 64.8 ist der Aufbau des Gestells einer Maschine zum Schneiderodieren dargestellt. Die Bauteile sind in Gusskonstruktion ausgeführt. Die Verrippung und die

. Abb. 64.9 Laserkopf mit a – Laserstrahl, b – Spiegel, c – Fokussierlinse, d – Schutzgas

1349 64.2  Laserbearbeitungsmaschinen

. Abb. 64.10 Besäumen eines Stahlteiles mit einem robotergeführten Laserkopf

4 die Strahlung nur in einem eng begrenzten Wellenlängenbereich emittiert wird 4 der Strahl ohne Aufweitung und relativ verlustarm über große Strecken übertragen wird 4 sich die Energiedichte durch Fokussieren stark erhöhen lässt. Diese ermöglichen eine gezielte Erhitzung eng begrenzter Zonen am Werkstück. Damit verbunden sind der Abtrag in engen Spalten mit hoher Genauigkeit sowie eine verzugs-

Laserstrahlquelle

Portal

Querschlitten

arme Bearbeitung. Innerhalb der Fertigungstechnik werden für die Materialbearbeitung Laser ab ca. 20 W angewandt. Dabei kommen zum Einsatz Nd:YAG-Festkörperlaser (ca. 1,06 *m Wellenlänge), CO2 -Gaslaser (ca. 10,6 *m Wellenlänge) und Diodenlaser. In die Laserbearbeitungsmaschine wird die Laserquelle integriert und der Laserstrahl über entsprechende Lichtleitsysteme zum Laserkopf (. Abb. 64.9) an die Bearbeitungsstelle geführt. Abhängig von der Bearbeitungsaufgabe müssen die notwendigen Relativbewegungen zwischen Laserkopf und Werkstück ausgeführt werden. Dazu werden Anlagen verwendet die lineare und/oder Schwenkachsen besitzen. Das Führen des Laserkopfes kann auch von Robotern oder Parallelkinematiken übernommen werden. In . Abb. 64.10 erkennt man einen entsprechenden Roboterarm. Er ist vorgesehen für das Schneiden und Schweißen an Werkstücken mit 3D-Struktur. Das Licht einer 2,5 kW Nd:YAK-Laserquelle wird hierbei über einen Lichtwellenleiter (Durchmesser 1 mm) zum Bearbeitungskopf geführt. Ein wichtiger Anwendungsbereich der Lasertechnologie ist das Schneiden von Blechen und Profilen. Eine Anlage zum Schneiden großer Bleche zeigt . Abb. 64.11. Das Portal mit dem Schneidkopf überstreicht eine Arbeitsbreite bis 2,5 m und eine Arbeitslänge bis 4 m. Der Antrieb des Portals erfolgt beiderseitig durch Linearmotoren. Sowohl die Portalbewegung (Y-Achse) als auch die Verschiebung des Schneidkopfes (X-Achse) werden als NC-Achsen mit Bahnsteuerung realisiert. Die Laserquelle (hier ein CO2 -Laser) ist außerhalb der Maschine angeordnet. Der Laserstrahl wird über Umlenkspiegel zum Schneidkopf geführt. Der Abstand des Schneidkopfes zum Werkstück wird mit Hilfe einer berührungslosen Abstandsregelung konstant gehalten. Dies ist Bedingung, um einen sauberen Schnitt zu realisieren.

Faltenbalg

Gasversorgung

Kühlaggregat

Schneidkopf

Filteranlage

Auflageleisten

Absaugung

Führung

Maschinenbett . Abb. 64.11 Laserschneidanlage (Trumpf)

Schutzkabine

64

1350

Kapitel 64  Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

a

b

. Abb. 64.12 a Laserschneidanlage (ADIGE) a – Maschinenbett, b – Tisch, c – Querträger, d – Ausleger, e – Pinole, f – Laserkopf, g – drehbare Werkstückaufnahme (z. B. Futter), h – Reitstock, b typische Werkstücke

64

Eine Laseranlage mit C-Gestell zeigt . Abb. 64.12. Diese Maschine mit X-Achse bis 2,5 m und Y-Achse bis 1,25 m besitzt neben der Auflagefläche für Bleche auch die Möglichkeit, Werkstücke schwenkbar aufzunehmen. Ist diese Schwenkeinrichtung als NC-Achse ausgeführt, können problemlos Rund-, Vierkant- und Rechteckrohre bearbeitet werden. Bei dem Einsatz von Werkzeugmaschinen, die energiereiche Strahlungen als Werkzeuge verwenden, ist besondere Aufmerksamkeit auf den Schutz des Bedienpersonales zu richten. Unter anderem ist auf den Schutz der Augen und der Haut vor Strahlungskontakt zu achten. Spezielle Einrichtungen für das Absaugen des entstehenden Staubes und seiner Entsorgung sind in die Maschinen zu integrieren. Bei der Bearbeitung brennbarer Werkstoffe ist Brandschutzvorsorge zu treffen.

64.3

Wasserstrahlschneidanlagen

Bei Wasserstrahlschneidanlagen wird ein Hochdruckwasserstrahl zum Trennen des Werkstückmaterials verwendet. In dem Wasserstrahl können Feststoffpartikel (abrasive Zusätze) enthalten sein, die die mechanische Wirkung verstärken. Dabei unterscheidet man in Suspensions- und Injektionsstrahl. Der Suspensionsstrahl (gemischter Strahl) entsteht, indem mit Hilfe einer Düse, die auf dem Injektorprinzip arbeitet, der Wasserstrahl das Abrasivmittel ansaugt und mit dem Wasser vermischt. Der Behälter mit dem Zusatzmittel befindet sich im Druckkreis des Wassers (bis max. 700 bar). Der so entstandene gemischte Strahl wird danach in der Schneiddüse fokussiert. Mit dieser Strahlart erreicht man hohe Energiedichten bei re-

. Abb. 64.13 Erzeugungsprinzip eines Wasserstrahls mit Abrasivmittel als Injektorstrahl

lativ breiten Schnittfugen (z. B. Schnitttiefe bis 1 m in Stahlbeton bei Schnittfugenbreite ca. 3 mm). Die Anwendung erfolgt überwiegend in großtechnischen und auch transportablen Anlagen für Schneid- und Zerlegeaufgaben. Für fertigungstechnische Aufgaben ist der Injektorstrahl besser geeignet. Er besteht aus ca. 10 % Wasser, 1 % Abrasivmittel und Luft. Er entsteht nach dem in . Abb. 64.13 dargestellten Injektorprinzip. Man kann relativ geringe Strahldurchmesser erzeugen, was sich positiv als schmale Schnittfuge (ca. 1 mm) auswirkt. Die Energiedichte ist geringer als beim Suspensionsstrahl. Übliche Wasserdrücke liegen bei 3000 bis 3500 bar bei Durchsätzen von 2 bis 4 l Wasser und 0,2 bis 1 kg Abrasivmittel pro Minute.

1351 64.3  Wasserstrahlschneidanlagen

. Abb. 64.14 Wasserstrahlschneidanlage (nach AWAC Tschechien) mit: a – Hochdruckpumpe, b – Wasseraufbereitung, c – Filtersystem, d – Kühler, e – Elektroabscheider, f – Wasserstrahlschneidmaschine mit Strahlfänger, g – CAD/CAMArbeitsplatz, h – NC-Steuerung, i – Behälter und Dosiereinrichtung für Abrasivmittel, j – Absetzbecken

Eine Wasserstrahlschneidanlage besteht aus (. Abb. 64.14): 4 den Einrichtungen zur Druckerzeugung einschließlich des Schneidkopfs, 4 der Wasseraufbereitungs- und der Entsorgungseinrichtung, 4 der Maschine mit der Führung des Druckkopfes, der Werkstückaufnahme, dem Strahlfänger, der Absaugeinrichtung, der Einhausung und der Steuerung.

a

Der Schneidkopf (. Abb. 64.15) besteht aus: 4 einer Saphirdüse (Innendurchmesser 0,2 bis 0,4 mm) zum Erzeugen des Wasserstrahls, 4 der Mischkammer mit seitlicher Zuführung des Abrasivmittels durch angesaugte Luft, 4 dem Fokus, in welchem die Teilchen des Abrasivmittels durch den Wasserstrahl auf eine Geschwindigkeit von bis zu 500 m/s beschleunigt werden, 4 der Fokussierdüse (Innendurchmesser 0,8 bis 1,5 mm, Bohrungslänge 40 bis 80 mm) zum Richten des Strahles.

b

. Abb. 64.15 Schneidkopf zum Wasserstrahlschneiden (Foto Flow) a Prinzipbild, b Realausführung

64

1352

Kapitel 64  Abtragende Werkzeugmaschinen (Auswahl)

a

b

. Abb. 64.16 Schneidkopf a senkrecht mit Spritzschutz und b geschwenkt (Flow) . Abb. 64.17 Wasserstrahlschneidmaschine mit zwei Schneidköpfen (Flow)

64 Um die Restenergie des Strahles beim Austritt aus dem Werkstück abzufangen, werden Strahlfänger (Catcher) eingesetzt. Dabei handelt es sich um Wasserbehälter, die mit Steinen, Stahlkugeln oder ähnlichem gefüllt sein können. Ausgeführte Maschine besitzen zum Führen des Schneidkopfes bis zu fünf NC-Achsen. Sie werden für eine Vielzahl von Werkstoffen (z. B. Gestein und Glas bis 120 mm, Metalle bis 80 mm) angewandt. Die Schneidgeschwindigkeit kann bei geringeren Materialstärken wesentlich erhöht werden. Die Qualität der Schnittflächen ist stark parameterabhängig. Maßgenauigkeiten besser 0,1 mm sind kaum erreichbar. Besonders bei konventionellen Wasserstrahlschneidanlagen sind bei hohen Trenngeschwindigkeiten deutliche Winkelfehler an der Schnittkante sowie starke Riefenbildung vorhanden.

Mit Hilfe der patentierten Technologie Dynamic Waterjet® können die beim Wasserstrahlschneiden typischerweise auftretenden Effekte wie Strahlnachlauf und Winkelfehler automatisch kompensiert werden. Eine entsprechende Kinematik ermöglicht es, den Schneidkopf zu neigen (. Abb. 64.16), um so die unerwünschten Nebeneffekte des Wasserstrahlschneidens zu kompensieren. Die notwendigen Berechnungen erfolgen intern in der Steuerung auf Basis komplexer mathematischer Modelle. Dadurch können mit wesentlich höheren Vorschüben und dicken Materialien Toleranzen im Bereich von weniger einem hundertstel Millimeter bei hohen Wiederholgenauigkeiten erreicht werden. Eine ausgeführte Wasserstrahlschneidmaschine, die mit zwei Wasserstrahlen gleichzeitig (max. bis zu 4 Schneidköpfe) arbeitet ist in . Abb. 64.17 dargestellt. Mit Hilfe

1353 64.3  Wasserstrahlschneidanlagen

des stufenlos regelbaren Hochdruckes bis 4000 bar und dem Zusatz eines Abrasivmittels können härteste Materialien (Metalle, Granit) geschnitten werden. Bei weichen Werkstoffen wird ein reiner Wasserstrahl verwendet. Die Maschine ist in Portalbauweise ausgeführt. Während der Bearbeitung ruht das Werkstück. Die Schneidköpfe werden bahngesteuert im geregelten Abstand und – wenn notwendig – unabhängig voneinander (am Portal und Abstand) über das Material geführt. Je Schneidkopf steht eine Hochdruckpumpe zu Verfügung. Besonders bei spröden Materialien wie Glas, Keramik, Stein, laminierten Kunststoffen sowie Kompositwerkstoffen besteht beim Anbohren die Gefahr des Einreißens oder Aufplatzens der Oberfläche unter der Wucht des auftreffenden Wasserstrahls. Hier kann das mechanische Einbringen eines Startloches sinnvoll sein. Dazu steht ggf. eine Bohreinheit zur Verfügung, die numerisch gesteuert diese Aufgabe übernimmt. Alternativ können

durch sofortiges Zuführen des Abrasivmittels zum Wasserstrahl solche mechanischen Beschädigungen vermieden werden. Die Arbeitsweise von Wasserstrahlmaschinen kann hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Umweltbelastung als weitestgehend bedenkenlos eingeschätzt werden. Es besteht keine Gefährdung durch Gase, Stäube oder Strahlung. Die Auslegung und Ausführung der Hochdruck führenden Teile muss mit besonderer Sorgfalt und unter Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen. Der Abrasivsand ist ein Naturprodukt und gesundheitlich unbedenklich. Beim Schneidprozess wird der Abrasivsand mit Partikeln des zu schneidenden Werkstoffs versetzt. Je nachdem welche Materialien geschnitten werden, kann der gebrauchte Abrasivsand umweltbelastend sein und muss dann entsprechend entsorgt werden. Soll er wieder verwendet werden, muss er vom Wasser und den Verunreinigungen getrennt und getrocknet werden.

64

1355

Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung Andreas Hirsch und Werner Bahmann

65.1

Definition der Feinstbearbeitung

Nach der VDI-Richtlinie 3220 sind Feinbearbeitungsverfahren alle formgebenden Fertigungsverfahren, deren Ergebnis eine Verbesserung von Maß, Form, Lage und Oberflächenqualität ist, wobei die erzielte Maßgenauigkeit mindestens der ISO-Qualität IT 7 (in den meisten Fällen IT 6) entspricht. In der Übersicht in . Abb. 65.1 ist gezeigt, dass der Begriff „Feinst- oder Präzisionsbearbeitung“ dann zur Anwendung kommt, wenn die erzielbare Rautiefe 0,1 *m  Rz  1 *m ist.

In der Regel sollten die weiteren Werte der Oberflächengestalt liegen bei: Arithmetischer Mittenrauwert 0,01 *m  Ra  0,1 *m Welligkeit (z. B. Wälzlager) 0,1 *m  Wt  1,5 *m Die geforderten und erreichbaren Form- und Lagetoleranzen fein- und feinstbearbeiteter Flächen sind in . Tab. 65.1 aufgeführt. Die Übersicht in . Abb. 65.1 zeigt, dass besonders die Fertigungsverfahren 4 Honen 4 Kurzhubhonen oder Superfinishen 4 Läppen 4 Glattwalzen (mit Einschränkung) zum Erreichen dieser Zielstellung bei der Bearbeitung von Stahl geeignet sind. Die ersten drei der genannten Verfahren basieren auf Werkzeugen, die mit geometrisch unbestimmten Schneiden arbeiten. Damit ist auch die Hartfeinstbearbeitung gegeben. Diese umfasst die meisten Anwendungsfälle in der Praxis. Auch mit dem Glattwalzen ist in der Form des Hartglattwalzens eine Hartbearbeitung unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

. Tabelle 65.1 Form- und Lagetoleranzen fein- und feinstbearbeiteter Flächen

. Abb. 65.1 Übersicht über die Fein- und Feinstbearbeitungsverfahren, bezogen auf erreichbare Rauigkeitswerte RZ in *m

Gefordert

Erreichbar

Rundheit

< 3 *m

< 1 *m bei 80 mm Durchmesser

Zylindrizität

< 2 bis 4 *m/50 mm

< 2 *m

Rund- und Planlauf von Funktionsflächen zueinander

< 2 bis 4 *m

< 2 *m bei Bearbeitung in einer Aufspannung

Neigung

< 5 bis 10 *m

< 5 *m

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_65

65

1356

65.2

65.2.1

Kapitel 65  Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung

Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch bestimmter Schneide Feindrehmaschinen

Das Fein- und Feinstdrehen wird unter Anwendung von Diamantwerkzeugen für die Bearbeitung von Nichteisenmetallen oder anderen Werkstoffen, wie technische Keramik, herangezogen. Auch für die Hartfeinstbearbeitung von Stahl ist das Feindrehen in Kombination mit dem Feinschleifen geeignet. Auf Bearbeitungszentrum kann das Hartdrehen beispielsweise von Bohrungen als Vorbearbeitungsprozess kombiniert werden mit einem anschließenden Fertig-Feinschleifen, bei dem mit einer hinsichtlich Körnung und Härte geeigneten Schleifscheibe nur noch wenige *m bis zum Erreichen des Endmaßes abgetragen werden. Damit sind Rautiefen Rz kleiner 1 *m durchaus erreichbar. Ausgesprochene Ultra-Feinstdrehmaschinen sind nach einem Grundsatz konstruiert: > Jegliche Relativschwingungen zwischen Werkstück und Werkzeug sind zu vermeiden.

65

In . Abb. 65.2 sind die Auswirkungen solcher Relativschwingungen auf die Gestaltabweichung des Werkstücks beim Drehprozess dargestellt. Es entstehen Wellen sowohl in Umfangs- als auch in Querrichtung, die neben der Welligkeit auch die Rauheit der Oberfläche negativ beeinflussen. Thermische Einflüsse können sich auf Maß und Form negativ auswirken. Aus den genannten Gründen haben sich nachstehende Konstruktionsmerkmale herausgebildet: 4 Aerostatisch gelagerte Synchronmotorspindeln als Werkstückträger 4 Aerostatische Gerad- und Rundführungen 4 Maschinengestelle aus Mineralguss oder Granit 4 Klimaraum als Aufstellort 4 Trocknung der Arbeitsluft für die Aerostatik

. Abb. 65.2 Umfangs- und Querwelle an einem unter der Einwirkung einer Relativschwingung zwischen Werkstück und Werkzeug gedrehten Werkstück (die Frequenz der Relativschwingung ist nicht ganzzahlig zur Drehfrequenz des Werkstückes während der Drehbearbeitung). a Umfangswelle, b Querwelle, U Umfangsrichtung, Q Querrichtung

65.2.2

Feinbohrmaschinen

Mit Feinbohrmaschinen oder den in Taktstraßen zur Anwendung kommenden Feinbohreinheiten werden in der Regel kleinste Rautiefenwerte Rz größer 1 *m erreicht, so dass zum Erreichen höherer Qualitäten noch eine zusätzliche Feinstbearbeitung erfolgen muss. 65.3

65.3.1

Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch unbestimmter Schneide Honmaschinen

Definition des Honens (DIN 8589 Teil 14) Honen: Spanen mit geometrisch unbestimmten Schneiden, wobei die vielschneidigen Werkzeuge eine aus 2 Komponenten bestehende Schnittbewegung ausführen, von denen mindestens eine Komponente hin- und hergehend ist, so dass die bearbeitete Oberfläche sich definiert überkreuzende Spuren aufweist.

Die Verhältnisse sind in . Abb. 65.3 dargestellt. Rundhonen: Profilhonen: Planhonen:

Honen zur Erzeugung kreiszylindrischer Oberflächen Honen, bei dem das Werkzeugprofil auf dem Werkstück abgebildet wird Honen zur Erzeugung ebener Flächen

Schraubhonen, Wälzhonen, Formhonen, beispielsweise bei Verzahnungsbearbeitung

a

b

. Abb. 65.3 Prinzip des Honens (Langhubhonen). vc Schnittgeschwindigkeit, vu Umfangsgeschwindigkeit, vh Hubgeschwindigkeit, ’ Honwinkel (a). b gehonte Oberfläche (Auflicht) [nach Nagel, Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH, Nürtingen]

1357 65.3  Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch unbestimmter Schneide

Langhubhonen:

Kurzhubhonen, Superfinishen, Feinziehschleifen:

Außenhonen: Innenhonen: 65.3.1.1

Honen, bei welchem die Schnittbewegung aus einer Drehbewegung und einer langhubigen Hin- und Herbewegung gebildet wird Honen, bei welchem die Schnittbewegung aus einer Dreh- und/oder Hubbewegung sowie einer überlagerten kurzhubigen Oszillationsbewegung gebildet wird Honen von Außenflächen Honen von Innenflächen

Superfinish-(Kurzhub-Hon)Maschinen

Realisieren die Bearbeitung runder Flächen an Werkstücken mit überwiegend runder Gestalt mittels der Verfahren: 4 Kurzhub-Außen- oder Innen-Rundhonen 4 Kurzhub-Außen- oder Innen-Profilhonen In der Industrie hat sich der Begriff Superfinishmaschinen eingebürgert und wird nahezu ausschließlich verwendet, auch in den nachfolgenden Ausführungen. In . Abb. 65.4 ist das Prinzip der Superfinishbearbeitung als Kurzhub-Außen-Rundhonen dargestellt. Links im Bild wird das Stein-Superfinishen gezeigt. Als Werkzeug dient ein Honstein, meist aus Edelkorund oder CBN. Die Korngröße richtet sich nach der Rautiefe der Vorbearbeitung und der zu erzielenden Rautiefe sowie nach der Bearbeitungszeit. Die Korngrößen für das Schrupp-Superfinishen liegen zwischen 6 und 10 *m, für das Fertig-Superfinishen zwischen 3 und 6,5 *m. Durch geeignete Bindung und Härte wird erreicht, dass das Korn nach Abnutzung selbst ausbricht, das heißt, der Honstein wird im Gegensatz zur Schleifscheibe nicht abgerichtet. Er schärft sich selbst. Der Honstein wird mit einem konstanten, meist hydraulisch oder pneumatisch erzeugten Druck zwischen 9 bis 40 N/cm2 gegen die rotierende Werkstückoberfläche gepresst. Dabei oszilliert er mit Frequenzen zwischen

. Abb. 65.5 Verbesserung der Parameter der Gestaltabweichung durch das Superfinishen [nach Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

2 und 85 Hz und Amplituden von 0,7–0,8 mm. Dadurch bewegt sich das einzelne Korn entlang einer Sinuslinie. Rechts in . Abb. 65.4 ist das Bandfinishen dargestellt. Superfinishbänder können zwischen 5 und 300 mm breit sein und eine Länge zwischen 1 und 300 m aufweisen. Der verschlissene Bandbereich wird entweder kontinuierlich oder getaktet erneuert. Die Bänder bestehen aus Gewebe, Papier oder Polyesterfilm, jeweils mit aufgebrachtem Schleifmittel (Korn mit Größen zwischen 0,3 bis 70 *m und Bindung). Das Finishband oszilliert in WerkstückAchsrichtung wie beim Honstein. Das Bandfinishen wird meist in der Automobil-Industrie angewandt, besonders in der Kurbel- und Nockenwellenfertigung. In . Abb. 65.5 ist die Verbesserung der einzelnen Parameter der Gestaltabweichung der bearbeiteten Werkstückoberfläche durch das Superfinishen dargestellt. Es muss aber gesagt werden, dass bei den Parametern Rundheit und Zylindrizität, aber auch bei Ebenheit und Geradheit eine hohe Vorbearbeitungsgenauigkeit beim Schleifen oder Hartfeindrehen gefordert wird, um den Erfolg der Superfinishbearbeitung zu erreichen.

Einheiten zur spitzenlosen Einstech-Bearbeitung mit Honsteinen

. Abb. 65.4 Prinzip der Superfinish-Bearbeitung mit Stein und Band. F Honstein-Anpresskraft, vu Werkstück-Umfangsgeschwindigkeit, n Kontaktwinkel, vs Vorschubgeschwindigkeit [nach Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

In . Abb. 65.6 ist das Prinzip des spitzenlosen EinstechSuperfinishens am Beispiel der Bearbeitung einer Getriebewelle dargestellt. Zur Bearbeitung werden hier vier pneumatisch angetriebene Superfinish-Anbaueinheiten angewendet. In . Abb. 65.7 ist eine solche Anbaueinheit für die Bearbeitung von Werkstücken auf einer Drehmaschine gezeigt. Die Einheit ist mit einer Möglichkeit zur Aufnahme in einer Position des Werkzeugrevolvers der Drehmaschine versehen.

65

1358

Kapitel 65  Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung

. Abb. 65.6 Spitzenlose Aufnahme einer Getriebewelle zwischen angetriebenen Tragwalzen. Die Bearbeitung von 4 Sitzen mittels 4 Superfinisheinheiten erfolgt zeitgleich. [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

. Abb. 65.7 Superfinish-Anbaueinheit beim Einsatz im Revolverkopf einer Drehmaschine [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

65

Maschinen zur spitzenlosen Durchlaufbearbeitung mit Honsteinen Durch Schrägstellung der Tragwalzen erfahren die Werkstücke eine Vorschubbewegung. Dadurch entsteht die Durchlaufbearbeitung, . Abb. 65.8. Die Verfeinerung der Werkstückoberfläche ergibt sich durch den nacheinander erfolgenden Eingriff von Werkzeugen mit feiner werdendem Korn. Erreichbare Durchlaufgeschwindigkeiten liegen zwischen 500 und 6500 mm/min. Diese Bearbeitungsart eignet sich besonders für Wälzkörper, wie Rollen, Nadeln und Kegelrollen, aber auch Nadelstangen, Kolbenbolzen, Kipphebelwellen u. a. m., . Abb. 65.9. Zur Erzeugung von leicht balligen Wälzkörpern werden Tragwalzen mit Sonderformen angewendet. Dadurch können die Werkstücke auf definierten Bahnkurven unter den Honsteinen durchgeführt werden. Damit lassen sich

. Abb. 65.8 Prinzip der spitzenlosen Durchlaufbearbeitung mit 8 Superfinisheinheiten. Der Transport entsteht durch die Schrägstellung der Tragwalzen [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

. Abb. 65.9 Spitzenlose Durchlauf-Superfinish-Maschine Supfina 470 mit 10 Stein-Führungen, Transportwalzen mit 900 mm Nutzlänge und automatischer Zu- und Abführung der Werkstücke [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

Mantellinien mit bis zu 1 *m konvexer Form definiert herstellen.

Maschinen zum Stein-Superfinishen von Wälzlagerringen . Abb. 65.10 zeigt das Prinzip des Superfinishens einer Laufbahn des Innenrings eines doppelreihigen Kegelrollenlagers. Die Bearbeitung erfolgt in senkrechter Lage der Werkstückachse. Der Ring wird über eine als Treiber ausgebildete Planscheibe angetrieben. Die Mitnahme wird über Druckrollen erreicht, die Achslage über Zentrierrollen. In . Abb. 65.11 ist das Prinzip des Superfinishens einer Kugellaufbahn dargestellt. Der oszillierende Honstein

1359 65.3  Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch unbestimmter Schneide

. Abb. 65.10 Superfinishen eines Kegelrollenlager-Innenrings. Antrieb des Werkstückes über Treiber, Druck- und Zentrierrollen [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

. Abb. 65.12 Superfinishautomat 725/2 NC zur Bearbeitung von Zylinder-, Kegel-, Tonnen-Rollenlager, Innen- und Außenringen mit einer oder mehreren Laufbahnen [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

. Abb. 65.11 Superfinishen der Laufbahn eines Kugellager-Außenrings

ist vorprofiliert und damit der Form der Laufbahn angepasst. Der in . Abb. 65.12 gezeigte CNC-Superfinishautomat ist mit Digitalantrieben für Linear- und Rotationsbewegung ausgerüstet. Druckrollen und Zentriereinrichtung für das Werkstück sind NC-gesteuert. Beliebige Laufbahn-Querformprofile, wie konkav, konvex, logarithmisch u. a., werden durch einen NC-gesteuerten Überlagerungshub erzeugt. Die Bearbeitung erfolgt liegend und kann einoder mehrstufig mittels Steinwendeeinrichtung durchgeführt werden, siehe . Abb. 65.10. Der Steinanpressdruck kann hydraulisch extrem variiert werden. Die Umrüstzeiten auf eine andere Werkstücktype liegen unter 9 min. Die automatische Be- und Entladung der Werkstücke erfolgt über Mehrfach-Greifer.

Band-Superfinish-Maschinen Den Aufbau einer Bandfinishstation mit umschließender Bearbeitung zeigt . Abb. 65.13. Über die Zangenhebel und die Bearbeitungsschalen erfolgt die Anpressung des

. Abb. 65.13 Bandfinishen mit Bearbeitungszangen. Das Werkstück wird von zwei Bearbeitungsschalen umfasst und damit von zwei Seiten gleichzeitig bearbeitet. Dabei oszilliert in der Regel der Werkstückträger. [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

Bandes. Harte Schalen werden bei der Mehrstufen-Bearbeitung für das Vorfinishen eingesetzt. Damit wird auch die Makrogeometrie positiv beeinflusst. Zur Fertigbearbeitung werden weiche Schalen verwendet. Zur Bearbeitung der Sitze an Kurbelwellen, . Abb. 65.14, werden so viele Bandfinisheinheiten wie erforderlich nebeneinander platziert. Die Oszillationsbewegung wird über das Werkstück ausgeführt. Bandsuperfinishen kann auch mit Anbaugeräten durchgeführt werden, . Abb. 65.15. Dabei erfolgt eine einseitige Bearbeitung, d. h. das Band umschließt das Werkstück nicht. Der Werkzeugeingriff liegt unter 50 %, siehe . Abb. 65.4 rechts.

65

1360

Kapitel 65  Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung

. Abb. 65.16 Kreuzschliff-Superfinish-Bearbeitung mit Topfscheiben. F n Normalkraft, vs Schnittgeschwindigkeit, vw Werkstückgeschwindigkeit, R Radius der sphärischen oder konvexen Fläche [nach Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

. Abb. 65.14 Arbeitsraum einer Bandsuperfinishmaschine zur gleichzeitigen Bearbeitung der Lagersitze von Kurbelwellen. Das Werkstück ist horizontal gelagert. [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

. Abb. 65.17 Aufbauprinzip der Kreuzschliff-Superfinishmaschine supfina 802 mit waagerechter Werkstückachse für die Bearbeitung von Stirnflächen rotationssymmetrischer Werkstücke [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

65 . Abb. 65.15 Bandsuperfinish-Anbaugerät zum Einsatz auf Dreh-, Schleif oder Fräsmaschinen. Anpressdruck und Oszillation erfolgen pneumatisch [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

Kreuzschliff-Superfinishmaschinen zur Bearbeitung planer, definiert konvexer (konkaver) oder sphärischer Flächen In . Abb. 65.16 sind die Möglichkeiten des KreuzschliffSuperfinishens dargestellt. Die Topfscheiben sind vorprofiliert und schärfen sich selbst. Hauptanwendungsgebiete sind Dicht- und Anlageflächen von Komponenten für Dieseleinspritzpumpen oder Stirnflächen von Zahnrädern, aber auch künstliche Hüftgelenke.

. Abb. 65.18 Ergebnisse der Planflächenbearbeitung des Werkstückes „Tassenstößel“ [Supfina Grieshaber GmbH & Co KG, Remscheid]

Die in . Abb. 65.17 dargestellte Maschine wird u. a. für die Bearbeitung von Tassenstößeln eingesetzt. Eine Druckrolle drückt das Werkstück gegen den als Ladeschieber ausgebildeten Gleitschuh. Durch Schränkung der Rollenachsen wird das Werkstück gegen den Axialanschlag gedrückt. Die Beladezeiten liegen unter einer Sekunde. Die Balligkeit von 7 *m, . Abb. 65.18, ist definiert erreicht durch die Konvex-Konkav-Einstellung an der Maschine und vom Kunden vorgegeben. Auch bei Kreuzschliff-Finishmaschinen kann der vertikale Aufbau ein großer Vorteil sein.

1361 65.3  Spanende Feinstbearbeitungsmaschinen für Werkzeuge mit geometrisch unbestimmter Schneide

a

b . Abb. 65.20 Kinematik des Langhubhonens, a links: mehrstufiges Honwerkzeug mit 4 Honleisten. b Auflichtaufnahmen gehonter Bohrungen [nach Nagel, Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH, Nürtingen]

Die Taktzeit D Bearbeitungszeit beträgt in der Regel 6 s. Genauigkeiten wie Ebenheit kleiner 0,5 *m und Rauheit Rz kleiner 0,1 *m sind erreichbar. 65.3.1.2

. Abb. 65.19 Vertikal-Kreuzschliffmaschine Microstar V 286. b Ausschnitt des Arbeitsraumes mit einem Werkzeugträger (Bearbeitungseinheit) [Thielenhaus Technologies GmbH, Wuppertal]

Die in . Abb. 65.19 dargestellte Maschine ist extrem platzsparend. Auf dem NC gesteuerten Rundtisch können bis zu 8 Werkstückspindeln und an einer Mittelsäule bis zu 6 Bearbeitungseinheiten angeordnet werden. Damit ist beispielsweise nachstehende Stationsfolge möglich: 1: Be- und Entladen 2: Vorfinish/Vorderseite 3: Fertigfinish/Vorderseite 4: Bürstentgraten 5: Wenden d. Teils 6: Vorfinish/Rückseite 7: Fertigfinish/Rückseite 8: Bürstentgraten

Langhub-Honmaschinen (vorzugsweise zum Innen-Rundhonen)

Langhub-Honmaschinen, im Folgendem kurz Honmaschinen genannt, werden in der Regel für die Bohrungs-Feinstbearbeitung prismatischer Werkstücke angewandt. Bei den Werkstücken handelt es sich besonders um Zylinderlaufbahnen von Kolbenmotoren, Pleuellager, Getriebegehäuse, Hydraulikblöcke u. a. m. . Abb. 65.20 zeigt das Prinzip. Über ein Werkzeug mit mehreren Honleisten, die an die zu bearbeitende Oberfläche gedrückt werden, erfolgt der Werkstoffabtrag durch dessen Langhubbewegung mit überlagerter Rotation. Die Honleisten liegen flächig an der Werksstück-Bohrung an. Durch die Bewegungen ergibt sich eine resultierende Schnittgeschwindigkeit vc zwischen 30 bis 50 m/min. Eine Orientierung des Honwerkzeuges in der Bohrung ist gegeben. Dadurch ergeben sich erhebliche Vorteile: 4 Große aktive Fläche während der Bearbeitung 4 Werkzeug richtet sich in der Bohrung aus 4 Werkzeug schärft sich selbst 4 Unterbrochener Schnitt ist möglich 4 Geringe Temperaturen in der Wirkzone 4 Hohe Lebensdauer der Werkzeuge Mittels meist hydraulisch betätigter Druckstange werden über einen Doppelkonus die Honleisten gegen die zu bearbeitende Fläche gedrückt, . Abb. 65.21. Rückholfedern

65

1362

Kapitel 65  Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung

. Abb. 65.21 Aufbau eines Mehrleisten-Honwerkzeuges mit pneumatischem Messsystem zur Inprozess-Messsteuerung [Nagel, Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH, Nürtingen]

sorgen für die Leistenrücknahme nach erfolgter Bearbeitung. Bei Erreichen des Fertigmaßes beendet die Messsteuerung den Honvorgang. Honmaschinen haben häufig einen senkrechten Aufbau. In . Abb. 65.22 ist eine Anlage zum Honen von gehärteten Zylinderlaufbuchsen gezeigt. Die Maschine hat zwei Arbeitsstationen zum Vor- und Fertighonen. Auch hier wird dies wie beim Superfinishen durch unterschiedliche Steinqualitäten erreicht.

65.3.2

65

Läppmaschinen

Der Läppvorgang ist das Aneinanderreiben zweier Flächen mit dazwischen liegendem Medium aus Läppflüssigkeit (Läpp-Öl) und Läppkorn (Siliziumkarbid, Borcarbid, Diamantpulver mit verschiedener Korngröße und Härte). Das Prinzip der Einscheiben-Läppmaschine mit drei Abrichtringen ist in . Abb. 65.23 dargestellt. Merkmale sind die drehende Arbeitsscheibe, meist bestehend aus Grauguss, und die darauf mitrotierenden drei oder vier Abrichtringe, welche in Rollengabeln geführt werden. Innerhalb der Abrichtringe befinden sich Werkstückhalter, meist Platten aus Kunststoff, die mit passenden Öffnungen für die jeweiligen Werkstücke versehen sind. Mit einer Druckplatte und pneumatischer Unterstützung werden die Werkstücke gegen die Arbeitsscheibe gedrückt. Die Abtragsraten beim Läppen liegen bei wenigen Mikrometern pro Minute, die Arbeitsgeschwindigkeit im Bereich zwischen 1 bis 50 m/min. Das Läppen mit geeignetem Korn und entsprechendem Arbeitsscheibenwerkstoff eignet sich besonders für die Ultrapräzisionsbearbeitung, wo Rautiefenwerte Ra kleiner 1 nm und Ebenheit kleiner 1 *m erreicht werden können. Dass moderne Steuerungs- und Automatisierungstechniken auch bei Läppmaschinen Eingang gefunden haben, zeigt . Abb. 65.24.

. Abb. 65.22 a Honbearbeitung von gehärteten Zylinderlaufbuchsen. Honmaschine mit Werkstückspeicher und automatischer Beschickung, b Honbearbeitung von gehärteten Zylinderlaufbuchsen. Arbeitsraum der Honmaschine mit zwei Arbeitsstationen [Nagel, Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH, Nürtingen]

1363 65.4  Umformende Feinstbearbeitungswerkzeuge

a

b

65.4

Umformende Feinstbearbeitungswerkzeuge

Glattwalzwerkzeuge werden in der Regel auf Standardwerkzeugmaschinen, beispielsweise Drehmaschinen, eingesetzt. Eigenständige Glattwalzmaschinen gibt es meist nur als Festwalzmaschinen in der Kurbelwellenfertigung. In . Abb. 65.25 ist die Umformung der Randschicht einer Werkstückbohrung dargestellt. Die Vorbearbeitung erfolgt durch Drehen, Schälen oder Reiben. Eine oder mehrere Rollen werden mit einer senkrecht zur Werkstückoberfläche gerichteten Kraft beaufschlagt. Durch die hohe Druckspannung in den Spitzen des Oberflächenprofils wird das Werkstoffvolumen der Profilberge in die Tiefe des Werkstoffes verdrängt. Dadurch werden die Profiltäler von unten aufgefüllt. In . Abb. 65.25 unten ist im linken Abschnitt die vorgedrehte Oberfläche mit einem Rautiefenwert Rz von ca. 20 *m zu sehen. Mit dem Glattwalzen können Rautiefenwerte Rz zwischen 1 bis 10 *m erreicht werden. Das Glattwalzen mit mechanischen ein- oder mehrrolligen Werkzeugen ist für Werkstoffhärten kleiner 45 HRC geeignet. Der weitere Vorteil des Glattwalzens liegt in einer Zunahme der Härte der Oberflächenrandschicht. Dies kann im Einsatz des Werkstückes verschleißhemmend wirken.

. Abb. 65.23 Arbeitsprinzip des Läppens. a Schnitt durch den Bearbeitungsvorgang. b Draufsicht auf den Arbeitsraum einer Läpp-Maschine mit 3 Abrichtringen und 3 unterschiedlichen Werkstücktypen [A. W. Stähli AG, Biel, Schweiz]

. Abb. 65.24 Läppmaschine DLM 700-3 CNC mit automatischem Werkstückwechsel [A. W. Stähli AG, Biel, Schweiz]

. Abb. 65.25 a Prinzip des Glattwalzens, b Profilschnitt der vorgedrehten Oberfläche links im Bild, rechts die glattgewalzte Oberfläche [ECOROLL AG, Werkzeugtechnik Celle]

65

1364

Kapitel 65  Werkzeugmaschinen zur Feinstbearbeitung

Werkzeuge zum Hart-Glattwalzen Stähle mit Härten kleiner 65 HRC können mit einem hydrostatischen Glattwalzwerkzeug „ballpoint“ bearbeitet werden. Die Mikroumformung der Werkstückoberfläche geschieht hier durch eine Hartstoffkugel mit einer speziellen Oberflächenbehandlung, . Abb. 65.26. Die Kugel wird mit Druckflüssigkeit gegen die Werkstückoberfläche gedrückt, während sie auf dem Druckpolster schwimmt. Ein automatisches Nachführsystem sorgt unter allen Betriebsbedingungen für einen optimalen Dichtspalt zwischen Kugel und Sitz. Die Walzkraft bleibt aufgrund der automatischen Nachführung konstant. Als Druckflüssigkeit kann Kühlschmierstoff verwendet werden. Durch Druckänderung zwischen 100 und 400 bar kann die Walzkraft den Erfordernissen der zu erzielenden Rautiefe angepasst werden.

65

a

b

. Abb. 65.26 Hydrostatisches Hart-Glattwalzwerkzeug „ballpoint“. a Wirkungsprinzip, b Anwendung der Werkzeugeinheit „ballpoint“ auf einer Dreh-Maschine. Die Einheit ist dabei in einer Revolverkopfposition mittels VDI-Schaft eingespannt [ECOROLL AG, Werkzeugtechnik Celle]

1365

Programmierung von Werkzeugmaschinen Inhaltsverzeichnis Kapitel 66

Grundlagen für die Programmierung – 1367 Lutz Barfels

Kapitel 67

Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten – 1381 Lutz Barfels

Kapitel 68

Manuelles Programmieren – 1389 Lutz Barfels

Kapitel 69

CAD in der Praxis – 1415 Susanna Labisch

XIII

1367

Grundlagen für die Programmierung Lutz Barfels

66.1

Einleitung

In den 1950er Jahren wurde am Bostoner MIT (Massachusetts Institute of Technology) die Grundlage der modernen CNC-Technik gelegt. Für die spanende Herstellung von Rotorprofilen für Hubschrauber auf Basis vorab berechneter Konturverläufe wurden erstmalig Steuerungen auf Basis diskreter elektronischer Bauelemente entwickelt. Mit der Einführung integrierter elektronischer Schaltkreise (ICs) begann diese Technologie schrittweise Einzug in die Werkzeugmaschinenindustrie zu halten. Neben der Entwicklung der Hardware wurde die Programmierung und die Entwicklung von entsprechenden Programmiersprachen ein für die Akzeptanz dieser Technologie entscheidende Größe. Wurden anfangs die erforderlichen Informationen über Lochkarten eingelesen erfolgt der Datenaustausch heute zwischen zentralen Datenspeichern und Maschinensteuerungen über Netzwerke. Informationen, die die Abläufe an einer Werkzeugmaschine bzw. allgemeiner einer Fertigungseinrichtung steuern, bestehen aus Ziffern und Zahlen, was zum Begriff der numerischen Steuerung (Numerical Control D NC) führte, siehe auch 7 Abschn. 61.5.3 in Teil XII. Da diese Steuerungen seit Ende der siebziger Jahre auf der Grundlage programmierbarer Mikrorechner funktionierten, etablierte sich hierfür der Begriff CNC-Technik (Computerized Numerical Control). 66.1.1

Verfahren der NC-Programmierung

Ausgehend von Zeichnungen, Maschinen- und Werkzeugdaten sowie dem Fertigungswissen muss die Bearbeitungsaufgabe in Form von Steuerungsbefehlen beschrieben werden. Neben der direkten, manuellen Programmierung wurden daher schon früh rechnerbasierte Programmierverfahren entwickelt, um den Programmierer durch Automatismen bei der Beschreibung der Bearbeitungsaufgabe (Drehen, Bohren, Fräsen, . . . ), der Berechnung der Technologieparameter (Schnittgeschwindigkeiten, Vorschübe, Schnitttiefen, . . . ) und Verfahrwege sowie dem abschließenden Programmieren der Weg-, Schalt- und Techno-

logiebefehle zu unterstützen. Der Funktionsumfang dieser Systeme wurde fortlaufend erweitert und hat sich ausgehend von einer anfänglichen Unterstützung in der Arbeitsvorbereitung bis in die Werkstatt und die Benutzerschnittstelle der Steuerung entwickelt, siehe auch . Abb. 66.1. Heute bieten praktisch alle Steuerungshersteller Editoren und grafisch unterstützte, dialoggeführte Programmierhilfen in den Benutzeroberflächen ihrer CNC-Steuerungen an. Einfache Geometrien und Bearbeitungsaufgaben werden auch heute noch direkt mit Hilfe eines Texteditors in Form von NC-spezifischen Befehlen programmiert (manuelles Programmieren). Umfangreichere Programmieraufgaben, wie z. B. beim Drehen das zeitparallele Arbeiten mit mehreren Werkzeugrevolvern oder beim mehrachsigen Fräsen die Freiformflächenbearbeitung, erfordern rechnerbasierte Hilfen zur Geometriedatenverarbeitung, Ablaufplanung, Technologieauswahl und Schnittaufteilung (maschinelles Programmieren). Hier besteht in der Regel der direkte Zugriff auf die Daten des CAD-Systems. Ausgehend von den spezifischen Programmcodes einer speziellen CNC-Steuerung werden bei der manuellen Programmierung die NC-Befehle und Parameter von Hand berechnet und an einem Texteditor in Form eines NC-Programms eingegeben. Insbesondere bei einfachen Aufgaben ohne komplizierte Schnittaufteilungen oder Achsbewegungen lassen sich so Verfahrwege und Anweisungen schnell kodieren (D in Programmtext umschreiben). Wenn der Programmierer gleichzeitig der Maschinenbediener ist, kann das Programm direkt an der Maschine erstellt, getestet und optimiert werden. Ein weiteres Einsatzgebiet der manuellen Programmierung ist die Korrektur und das Optimieren bestehender Programme. Bei umfangreichen und komplexen Aufgaben stößt die manuelle Programmierung schnell an ihre Grenzen. Aufgrund der fehlenden Systemunterstützung bei der Geometrieverarbeitung, der Arbeitsfolgenbestimmung, der Technologie- und Strategieauswahl sowie der elementaren Steuerungsanweisungen ist das manuelle Verfahren zeitintensiv und fehleranfällig. Der Programmierer verliert in langen Programmen schnell den Überblick. Programmierfehler können während der Bearbeitung zu Kollisionen und

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_66

66

1368

Kapitel 66  Grundlagen für die Programmierung

. Abb. 66.1 Systemunterstützung bei der NC-Programmierung [1]

66

somit schwerwiegenden Folgefehlern an Werkstück, Werkzeug oder an der Maschine führen. Um den Werker bei der Überprüfung und Korrektur bestehender Programme sowie bei der Erstellung neuer Programme unterstützen zu können, wurden auf den Erfahrungen der Windows-Technik aufbauend in den 1990er Jahren sog. werkstattorientierte Programmiersysteme (WOP) entwickelt und erfolgreich eingeführt. Sie unterstützten den Programmierer auf einem externen Arbeitsplatz oder direkt in der Benutzeroberfläche der NC-Steuerung. Je nach Funktionsumfang lassen sich CAD-Daten importieren, Bearbeitungsgeometrien dialogbasiert erstellen und Operationen grafisch interaktiv planen und simulieren. Das System generiert anschließend steuerungsspezifische Befehle und Zyklen (komplexere Bearbeitungsfolgen, z. B. zum Herstellen einer Bohrung mit den Teilvorgängen Zentrieren, Vorbohren, Aufbohren und Entgraten). Diese Systeme setzten voraus, dass der Anwender die manuelle Programmierung beherrscht. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einsatz unterschiedlicher Programmierverfahren betriebsgrößenabhängig ist. So wurde festgestellt, dass in 70 % der Kleinbetriebe (1–20 Mitarbeiter) und immerhin noch 20 % der großen Maschinenbaufirmen (> 500 Mitarbeiter) die NC-Programmierung in der Werkstatt erfolgt. Kurzfristiges Reagieren auf Produktänderungen sowie organisatorische Verkürzungen der Durchlaufzeiten werden durch solche Systeme „vor Ort“ nachhaltig unterstützt. Der rein textorientierte Programmierarbeitsplatz ist hierbei der Zeit entsprechend durch grafische Arbeitsplätze ersetzt worden.

Die maschinelle, rechnergestützte Programmierung orientiert sich an der zu bearbeitenden Werkstückgeometrie. Die verschiedenen Wege vom konstruierten Bauteil zum NC-Programm zeigt . Abb. 66.2. In einem ersten Schritt werden die Roh- und die Fertigteilgeometrie entweder in den Systemen grafisch-interaktiv erstellt, aus CAD-Geometriedatensätzen importiert oder bei CAD/CAM-Systemen direkt aus dem, CAD-System übernommen, siehe auch 7 Abschn. 69.4 „Rechnerunterstützte Konstruktion“, und dann komplettiert [2]. Daran schließt sich die Definition der zu bearbeitenden Bereiche, d. h. der zu fertigenden Flächen und Merkmale an. Hierbei wird der NC-Programmierer zunehmend durch fertigungsgerechte Konstruktionsmerkmale aus dem CAD, eine automatische Featureerkennung oder die Generierung von Fertigungshilfsmerkmalen durch das CAD/CAM-System unterstützt. Unter einem Feature kann bei CAD-CAMKopplungen ein geometrisches Element (z. B. ein Zylinder) mit speziellen fertigungstechnischen Eigenschaften (z. B. Länge, Durchmesser, Toleranz und Oberflächengüte) verstanden werden. Dieses Feature, welches z. B. den zylindrischen Teil einer Getriebewelle darstellen soll, kann vom Konstrukteur mit seinen Eigenschaften, siehe oben, beschrieben. Hierauf greifen dann Produktionsplaner, NCProgrammierer oder Maschinenbediener direkt für die Programmierung zu. Somit liefert das CAD-System nicht mehr nur Geometriedaten, sondern auch technologische Informationen für die nachfolgenden Bearbeitungsprozesse. In einem nächsten Schritt werden ausgehend von den Bearbeitungsmerkmalen die Abarbeitungsreihenfolge und

1369 66.1  Einleitung

. Abb. 66.2 Alternative Wege der maschinellen NC-Programmierung [5]

die einzelnen Fertigungsoperationen mit den dazugehörigen Strategien, Werkzeugen und Technologieparametern geplant. Bei diesen planerischen Aufgaben unterstützt das Programmiersystem den Anwender durch Vorschläge und Auswahloptionen basierend auf Werkzeug- und Technologiedatenbanken. Als neutrales Ausgabeformat generieren die Planungsund Programmiersysteme auf die spätere Ausführung ausgerichtete Aufgabenbeschreibungen, die häufig in APT Automatically Programmed Tools gemäß DIN 66246 geschrieben sind. In diesen Datensätzen sind nur noch vereinfachte Rohteil-, Ablauf- und Operationsinformationen enthalten. Ein weiteres Zwischenformat ist die Cutter Location Data nach DIN 66215 (ISO 4343/2000), in der die Bearbeitungsaufgabe auf einzelne Werkzeugbewegungen und Schaltanweisungen herunter gebrochen und maschinenneutral kodiert wird. Im letzten Schritt löst ein Postprozessor die Bearbeitungsmerkmale, Operationsvorgaben und Anweisungen steuerungsgerecht auf. Das Ergebnis ist eine maschinenund steuerungsspezifische Sequenz von Verfahrwegen, Technologie- und Schaltanweisungen [3, 4].

66.1.2

NC-Programmierschnittstelle

Am Ende aller NC-Programmierverfahren steht das Generieren der Steuerinformationen in Form eines NC-Programms. Die zur Programmierung verfügbaren NC-Befehle, Parameter und das Programmformat hängen vom Funktionsumfang der anzusteuernden Maschine sowie der NC-Steuerung ab, die das NC-Programm interpretiert und verarbeitet. Der zugelassene Befehls- und Sprachumfang bildet die NC-Programmierschnittstelle einer Steuerung. Sie wird in der jeweiligen Programmieranleitung der jeweiligen Maschine dokumentiert. Aufgrund der Vielzahl der maschinen-, steuerungs- und anwenderspezifischen Anforderungen gibt es im industriellen Einsatz keine einheitliche, allgemeingültige NCProgrammierschnittstelle. Vielmehr gibt es einen Standard, der von den Steuerungsherstellern als Vorlage genutzt wird und von dem sich ihre spezifischen Schnittstellen ableiten. International hat sich hierzu die DIN 66025/ISO 6983 durchgesetzt. Darüber hinaus ermöglichen viele Hersteller die Programmierschnittstelle ihrer Steuerung zu parame-

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1370

66

Kapitel 66  Grundlagen für die Programmierung

trisieren und zu erweitern. Diese Offenheit nutzen die Maschinenhersteller bei der Zuordnung der Maschinenachsen und -funktionen zu den Programmcodes und um eigene Routinen in der NC-Steuerung implementieren und aufrufen zu können. Der Befehlsumfang der DIN 66025 ist auf die „am meisten verwendeten Wegbedingungen und Zusatzfunktionen begrenzt“. Höherwertige Beschreibungen der Fertigungsmerkmale, der Arbeitsschritte oder der Bearbeitungsoperationen fehlen. Diese sind implizit durch die programmierten Verfahrwege und Technologieparameter enthalten. Typische Anpassungen sind herstellerspezifische Nullpunktverschiebungen und Ergänzungen um eigene Befehle, z. B. Spline-Funktionen für die Kontur- und Freiflächenbearbeitung, Hochsprachelemente und Bearbeitungszyklen. Wie in . Abb. 66.2 dargestellt wird, erzeugen auch die Alternativen 1 und 2 der maschinellen Programmierung einen Programmcode nach DIN 66025. Variante 3, bei der direkt ein maschinenspezifischer Code für die Maschinensteuerung generiert wird, stellt für Anwendungen im Maschinenbau eher eine Sonderstellung dar. Ein bezogen auf die informationstechnische Integration von Konstruktions- und Produktionssystemen zukunftsorientierter Ansatz wird durch Alternative 4 dargestellt. Hier erfolgt eine Auflösung der seit Anfang der CAD-Technik bestehenden Trennung von Geometriedaten (CAD-Systeme) und Technologiedaten (CAP/CAM-Systeme). Mussten bis in die 1990er Jahre die mit einem CAD-System erzeugten Geometriedaten über Schnittstellen wie IGES, VDAFS, SET oder DXF zwischen verschiedenen Konstruktions-, Berechnungs- oder Programmiersystemen im Rahmen des technischen Informationsflusses weitergeleitet werden, so wird seit Mitte der 1980-er Jahren ausgehend von einem sog. Produktdatenmodell das Austauschformat STEP (Standard for the Exchange of Product Model Data) entwickelt, welches 1992 in der ISO-Norm ISO 10303/1992 festgeschrieben wurde. In STEP können die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus unter verschiedenen „Sichten“ (z. B. der des Konstrukteurs, des Berechners, des Produktionsplaners, des CNC-Programmierers, . . . ) betrachtet werden. Jede „Sicht“ entspricht einem Teil- oder auch Partialmodell. Die Gesamtheit der Partialmodelle bildet das vollständige Produktmodell. STEP wird mittlerweile in vielen Industriebereichen, wie beispielsweise in der Automobilindustrie, Luftfahrtindustrie, bei Konsumartikel und dem Maschinenbau eingesetzt. Für einzelne Anwendungsgebiete und Branchen entstanden spezielle Anwendungsprotokolle (AP D Application Protocols), die eine nutzungsorientierte Anpassung von STEP ermöglichen. Für die CNC-Programmierung wurde so das Anwendungsprotokoll AP 238 „Integrated CNC-Machining“ definiert (ISO 10303-238 (2007)). Hierauf beruht die als STEP-NC bekannte Norm ISO 14649-1 (2003). Das Ziel der Entwicklung von STEP-NC ist es, die aktuell vorhandene Norm DIN 66025 bzw. ISO 6983 zu ersetzten, wobei insbesondere die hier übliche indirekte Be-

. Abb. 66.3 Aus dem Vollen gefrästes Flügelrad unter Verwendung von STEP-NC aus Ti6Al4V auf einem 5-Achsen-Bearbeitungszentrum DMU-70eVo mit Linearantrieben [7 www.steptools.com vom 05.04.2010]

schreibung der Bauteilgeometrie über G-Sätze (beschreiben z. B. die Verfahrwege eines Werkzeugs, Erläuterungen siehe unten) durch den direkten Zugriff auf die CAD-Bauteilgeometrie mit Angeben zur Oberflächengüte und den Toleranzen realisiert werden soll. Hierdurch fallen u. a. zeitaufwendige Konvertierungszwischenschritte weg, bei denen auch Bauteilinformationen verloren gehen können. Weiterhin ist eine bessere Anpassung der Werkzeugverfahrwege an komplex gekrümmte Flächen und Konturen möglich als dies im aktuellen Standard realisierbar ist. Ein Bearbeitungsbeispiel auf Basis von STEP-NC zeigt . Abb. 66.3. Das hier dargestellte Titan-Flügelrad wurde anlässlich einer Präsentation des aktuellen Standes der STEP-Arbeitsgruppe im Oktober 2008 am CCAT, Connecticut Center for Advanced Technologies, Hartford, dargestellt. Die Bearbeitung erfolgte auf einem 5-Achsen-Bearbeitungszentrum mit einer Siemens 840D-Steuerung. . Abb. 66.4 zeigt die zugehörige Simulation der Herstellung des Flügelrades mit den Eilgang- und Vorschubbewegungen und den aktuellen Werten für Werkzeugposition, Schnittgeschwindigkeit und Spindeldrehzahl. Der hier mit STEP-NC dargestellte Stand der Technik in der modernen CAD-CNC-Kopplung, der insbesondere in der Luft- und Raumfahrttechnik sowie im Automobilbau Einzug hält, wird sich auf Sicht parallel zu den aktuell eingeführten Systemen weiterentwickeln. Da nicht alle heutzutage konstruierten Bauteile aus Freiformflächen aufgebaut sind ist zu erwarten, dass auch die „klassische“ NCProgrammierung nach DIN 66025 mit ihren fundamentalen Ansätzen weiterhin noch eine sehr hohe Bedeutung in der industriellen Praxis insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen besitzen wird. Zu berücksichtigen sind hier auch Aspekte der Berufsausbildung. So basieren die in der Programmierausbildung typischen PAL-Aufgaben auf dem bekannten DIN-Standard. In den folgenden Kapiteln erfolgt eine Einführung in die manuelle Programmierung nach DIN 66025.

1371 66.1  Einleitung

. Abb. 66.4 Bearbeitungssimulation des Flügelrades [7 www.steptools. com vom 05.04.2010]

66.1.3

66.1.3.1

Maschinelle Programmierung und Virtuelle Maschinen Motivation für eine „Virtuelle Maschine“

Die Kopplung von CAD-Systemen mit der NC-Programmierung (CAD/CAM-Systeme) hat in den 1980er Jahren begonnen. Hierzu erweiterten einerseits die Hersteller

. Abb. 66.5 „Virtuelle Werkzeugmaschinen“

von CAD-Systemen, die originär für die Konstruktion der Werkstücke eingesetzt wurden, ihre Funktionalität um CAM-Module zur NC-Programmierung. Parallel dazu erweiterten die Hersteller von NC-Programmiersystemen, deren Schwerpunkt die technologische Seite der Herstellung war und die häufig eine Neukonstruktion des Werkstückes im NC-Programmiersystem oder CAM-Arbeitsplätzen erforderten, ihre Systemgrenzen hin zur Kopplung mit den marktüblichen CAD-Systemen. Die Effizienz der Kopplung wurde durch die entwickelten Geometrie- und Technologieschnittstellen, s. o., bestimmt. Seit Mitte der 1990er Jahre nehmen Werkzeugmaschinenhersteller in Verbindung mit Herstellern der zugehörigen Automatisierungstechnik einen verstärkten Einfluss auf den Prozess der Generierung von NC-Programmen. Die Güte eines NC-Programms und dessen Erstellung ist entscheidend für die Effizienz des Einrichteprozesses und der eingesetzten Werkzeugmaschine und somit für die Fertigungskosten des herzustellen Bauteils. Die somit gestiegenen Anforderungen an die Qualität der erzeugten NC-Programme sollen durch eine neue Integrationsstufe der Modellbildung und der Simulation erreicht werden. Die Programmierung erfolgt nun unter Nutzung einer „Virtueller Werkzeugmaschine“, siehe . Abb. 66.5. 66.1.3.2

Schrittweise Entwicklung

Neben den bekannten klassischen Grundanforderungen, dass durch ein NC-Programm die Weg- und Schaltinforma-

66

1372

Kapitel 66  Grundlagen für die Programmierung

. Abb. 66.6 Blick in das 3D-Modell des Arbeitsraumes einer Langdrehmaschine mit Abbild des Original-Steuerungstableau der realen Maschine [6]

66

tionen für die Herstellung eines Werkstückes auf Grundlage der Beschreibung der Werkzeugbahnen der Werkzeugmaschine mitgeteilt werden müssen, wurden zur Unterstützung des Programmierers grafisch-interaktive Programmierplätze entwickelt. So konnte der Programmierer unabhängig davon, ob er werkstattfern im Büro oder direkt an der Maschinensteuerung programmiert hat, die Konturerstellung durch eine Bearbeitungssimulation überwachen und ggfs. Veränderungen am NC-Programm vornehmen. Im Dialog konnten so Programme hinsichtlich Machbarkeit und Zeitbedarf optimiert werden und in beschränktem Umfang konnten, abhängig von der Erfahrung des Programmierers, Kollisionen zwischen Werkstück und aktuell benötigtem Werkzeugen erkannt und verhindert werden. Die Geometrie des herzustellenden Bauteils wurde hierzu entweder manuell vom Programmierer erzeugt oder durch CAD-CAM Kopplung mit entsprechenden Anpassungen aus dem CAD-Modell des Bauteils generiert. Diese Form der Simulation stellte einen Zeit- und Kostengewinn dar, da der Programmierer mit einem optimierten Programm an die Maschine gehen konnte und der Einfahraufwand und somit Rüstzeit und Rüstkosten reduziert werden konnten. Kollisionen der nicht an der aktuellen Bearbeitung beteiligten Werkzeuge, die sich z. B. bei einer Drehmaschine im Werkzeugrevolver befanden und bei Schwenkbewegungen mit Elementen des Arbeitsraumes (Werkstück, 2. Werkzeugrevolver, Teilen der Innenverkleidung, . . . ) kollidieren konnten, waren so nicht mit Sicherheit zu erkennen. Bei Bohr- und Fräsmaschinen, besonders bei der 5-Achsen-Bearbeitung, sind dies Gefahren durch das Schwenken des Spindelkopfes, besonders beim Einsatz von langen Werkzeugen, mit Gestell- und Verkleidungskomponenten oder Kollisionen durch Dreh- und/oder Schwenkbewegung des auf dem Maschinentisch aufgespannten Werkstücks.

Auch diese Kollisionen waren durch einfache Simulation des Bearbeitungsprozesses nicht erkennbar. Der erfahrene Programmierer mit entsprechend geschultem räumlichem Vorstellungsvermögen hat dies sicherlich meistens bedacht. Was ist mit dem neuen Mitarbeiter, der erstmalig für bestimmte Maschinen programmiert? Aus Sicht der Zeitermittlung liefert die Konzentration auf die NC-Simulation des reinen Bearbeitungsprozesses nur die in der Regel hauptzeitbezogenen Anteile der benötigten Gesamtbearbeitungszeit. Nebenzeiten, wie Werkzeugwechselzeiten, Zeiten für den Werkstück- und /oder Palettenwechsel, Werkzeugverfahrwege usw. wurden nicht berücksichtigt oder nur durch Schätzwerte oder Zuschläge in die Betrachtungen eingerechnet. Vor diesem Hintergrund wurden Programmierplätze entwickelt, die die Werkzeugmaschine mit ihren Baugruppen, den einzelnen NC-Achsen, der Arbeitsraumbegrenzungen, dem Werkzeugwechsler bis hin zum Werkzeugmagazin mit seinen Bewegungen und Belegungen sowie die Werkstückversorgung mit darstellen. . Abb. 66.6 zeigt den Blick in das realitätsnahe 3D-Modell des Arbeitsraumes einer Langdrehmaschine mit Stangenlader (1), Werkzeugrevolver (2), schwenkbare Gegenspindel (3) und verschiedenen Werkzeugen für die Rückseitenbearbeitung (4). Links im Bild ist das Abbild des Original-Steuerungstableaus, wie es an der realen Maschine zu finden ist, mit dargestellt. Die einzelnen 3D-Komponenten der Maschine sind kinematisch so miteinander gekoppelt, dass sämtliche mögliche Bewegungen der realen Maschine entsprechend den in der NC-Programmierung üblichen Achsbezeichnungen auch von den 3D-Komponenten hinsichtlich Bewegungsart (Rotation. Translation), Bewegungslänge und Bewegungsgeschwindigkeit realisiert werden können.

1373 66.1  Einleitung

. Abb. 66.7 Bearbeitung einer Turbinenschaufel mit einer 5-achsigen Vertikal-Fräsmaschine mit Dreh- und Kipptisch [7]

Mit einer solchen Abbildung der Werkzeugmaschinen sind die oben dargestellten Anforderungen an die Kollisionserkennung und die Berücksichtigung von Nebenzeiten durch Automatisierungseinrichtungen realisiert. Aufgrund der hohen Kosten für diese Programmierplätze liegen die Anwendungsgebiete besonders dort, wo komplexe Bauteile hergestellt werden sollen. Dies ist zum Beispiel bei der Herstellung von Bauteilen auf 5-AchsFräsmaschinen der Fall. Hier berechnet ein CAM-Programm aus Roh- und Fertigteilgeometrie die erforderlichen Fräsbahnen, ohne das der NC-Programmierer direkt eingreift. Eine Simulation und Bewertung eines so erzeugten NC-Programms ist hier somit zwingend erforderlich, siehe oben . Abb. 66.4 oder . Abb. 66.7. In . Abb. 66.7 wird die Bearbeitung einer Turbinenschaufel mit einer 5-achsigen Vertikal-Fräsmaschine mit

Dreh- und Kipptisch anhand der 3D-Modelle von eingesetzter Maschine, dem Werkstück- und dem Werkzeugmodell dargestellt. Aufgrund der komplexen herzustellenden Geometrien der Schaufel, die nur durch das Zusammenspiel der Geometrie des Werkzeugkopfes und der Schwenkund Drehposition der auf dem Dreh-Kipptisch aufgespannten Schaufel realisiert werden kann, ist eine 3D-Simulation unter Berücksichtigung aller erforderlicher Achsen notwendig. Kollisionen können bei starken Schwenkbewegungen des Tisches mit Teilen der Werkzeugaufnahme auftreten. Auch das Programmieren von Bauteilen für Mehrspindeldrehmaschinen oder Dreh-Fräszentren mit Haupt- und Gegenspindeln und mehreren Werkzeugrevolvern erfordert aufgrund der Vielzahl der zeitparallel ablaufenden Prozesse dringend eine Unterstützung des Programmierers bei der Analyse von generierten NC-Programmen. . Abb. 66.8 zeigt in a) das 3D-Modell des Arbeitsraumes einer 6-Spindel-Drehmaschine, bei der teilweise mehrere Werkzeuge zeitgleich an den einzelnen Stationen im Eingriff sind. Aus Kollisionsgründen und um eine gleichmäßige Spindelauslastung zu realisieren ist eine Simulation, die so realitätsnah wie möglich ist, erforderlich. In . Abb. 66.8b wird die Bearbeitung eines Werkstückes in zwei Aufspannungen mit Haupt- und Gegenspindel und drei Werkzeugrevolvern dargestellt. Hier sind die gegenseitigen Kollisionen der Werkzeugrevolver und der eingespannten Werkzeuge ebenso kritisch wie die zeitliche Abstimmung der Bearbeitung auf der linken Seite (Hauptspindel, 1. Bearbeitung) und der rechten Seite (Nebenspindel mit 2. Bearbeitung). Manuell oder maschinell erzeugte NC-Programme lassen sich nun in einer der Realität entsprechenden „virtuellen Arbeitsumgebung“ simulieren und optimieren. Das hierzu eingesetzte Modell der Werkzeugmaschinen kann als „virtuelle Maschine“ bezeichnet werden. Diese virtuelle Maschine wird somit eine Komponente der virtuellen Planungswelt der Digitalen Fabrik.

. Abb. 66.8 Arbeitsaufgaben, die nur mit komplexen 3D-Animationen des erzeugten NC-Programms sicher programmiert werden können, a Programmierung einer 6-Spindel-Drehmaschine, b Bearbeitung eines Werkstückes in zwei Aufspannungen (1, 2) mit Haupt- und Gegenspindel und drei Werkzeugrevolvern (3, 4, 5) [7]

66

1374

Kapitel 66  Grundlagen für die Programmierung

Einige Werkzeugmaschinenhersteller, wie die Firmen Index, DMG, Hermle oder MAG Hüller Hille haben sehr frühzeitig in den 1990er Jahren die sich hieraus ergebenden Marktchancen für die Erweiterung ihres Kerngeschäftes erkannt [8]. Ausgehend von den Geometriedaten ihrer Werkzeugmaschinen können sie durch Zusammenarbeit mit Herstellern der erforderlichen Automatisierungskomponenten (NC-Steuerungen, NC-Achsen, Servomotoren, SPS-Steuerungen. . . ), wie der Firma Siemens mit der CNC-Steuerung 840D oder der Firma Heidenhain mit der Steuerung iTNC 530 dem Werkzeugmaschinenkunden eine Virtuelle Maschinen anbieten. Diese besitzt zusammengefasst die folgenden Eigenschaften: 4 Die Arbeitsraumgeometrie mit allen Bewegungsachsen wird geometrisch und dynamisch abbildet. 4 Das Zusammenspiel des Bearbeitungsprozesses mit Werkstückwechsler, Werkzeugwechsler und Automatisierungsperipherie wird abgebildet! 4 Die Steuerungs- und Regelungscharakteristik von Maschine und eingesetzter Steuerung wird direkt online abbildet. 4 Die reale Maschine und die Virtuelle Maschine auf dem Bediener-Bildschirm werden parallel mit identischen Laufzeitdaten versorgt so dass eine Online-Überwachung am Bildschirm möglich ist. In diesem Fall, in dem die Virtuelle Maschine eine 1 : 1-„Kopie“ der Steuerung besitzt, spricht man von einer Virtuellen Maschine mit einem so genannten virtuellen NC-Kern (VNCK), siehe auch . Abb. 66.1. Typische Vertreter dieser Virtuellen Maschinen sind z. B. die „Programmiersysteme“ VirtualLine von Index [6] und DMG Virtual Machine [9]. 66.1.3.3

66

Vorteile durch den Einsatz Virtueller Maschinen

Der Vorteil für den Anwender besteht darin, dass ein NCProgramm detailliert an der Virtuellen Maschine optimiert werden kann, so dass sowohl die Zeitvorgaben als auch der gesamte Programmablauf real so erfolgen sollten, wie virtuell geplant. Grundvoraussetzungen sind natürlich, dass real dieselben Werkzeuge sowohl hinsichtlich der Geometrie als auch des verwendeten Schneidstoffs eingesetzt werden und dass der Werkstoff sich hinsichtlich der Bearbeitung so wie geplant verhält! Somit erhöht sich die Produktionssicherheit erheblich und die Einrichtezeiten lassen sich reduzieren, dies teilweise bis zu 80 % [8]. Dies ist sowohl für den Kleinserienhersteller komplexer Bauteile bedeutsam wie für den Großserienhersteller, der durch so detailliert optimierte Produktionsprozesse seine realen Anlagen mit kürzest möglichen Hochfahrrampen für den Anlauf neuer Produkte realisieren kann. Aus Sicht der Schulung neuer Mitarbeiter ergibt sich durch den Einsatz von Virtuellen Maschinen eine kos-

tengünstige und sehr effiziente Einarbeitung. Man lernt Programmierung, Steuerung und Maschine am Bildschirm (Simulator), ähnlich der Pilotenausbildung, kennen und kann sich dann nach erfolgreicher Schulung auf die reale Maschine konzentrieren. Der Werkzeugmaschinenhersteller profitiert ebenso vom Konzept der Virtuellen Maschine. So kann er im Entwicklungsstadium der maschinenbaulichen Komponenten schon auf Steuerungskomponenten zugreifen und das Zusammenspiel virtuell am Rechner analysieren und optimieren. So sollen auch durch optimierte Gestaltung des Gesamtsystems „Werkzeugmaschine“, hier speziell der Motoren und Antriebskomponenten der Energieverbrauch im Entwicklungszustand schon gezielt beeinflusst und optimiert werden [10]. Die Vorführung im Rahmen eines Verkaufsgespräches lässt sich auch noch konkreter an den Bedürfnissen des Kunden orientieren. So ist es denkbar, neben der Präsentation der Funktionalität der Maschine bei Steuerungskompatibilität zwischen alter und geplanter neuer Maschine ein existierendes NC-Programm zu laden, anzupassen und mögliche Veränderungen von alt zu neu herauszuarbeiten. Durch entsprechende Zeitstudien können so Daten für Investitionsplanungen nachvollziehbar ermittelt werden [9]. Aus Sicht der Ausbildung ist der Einsatz von Virtuellen Maschinen unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant: 4 trotz geringem Investitionsvolumens lässt sich eine praxisnahe Ausbildung erreichen 4 die Auswirkungen von Programmierfehlern sind weniger kostenintensiv 4 es können unterschiedliche Programmierstrategien ausprobiert und bewertet werden 4 angehende Planer gewöhnen sich an die Digitale Fabrik, in der nicht mehr in der Realität erprobt wird sondern am Simulator, hier der Virtuellen Maschine

. Abb. 66.9 Schulungssystem VirtualLine zum Programmieren von Index-Ein- und Mehrspindelmaschinen [11]

1375 66.2  Grundlagen für die Programmierung

Für Anwendung und Ausbildung werden Lösungen angeboten, die den Einstieg in die Technologie der Virtuellen Maschine sehr komfortabel gestalten. So bietet z. B. Index einen fertig konfigurierten Desktop-PC oder Laptop an, auf dem das Produkt VirtualLine läuft, siehe . Abb. 66.9. 66.2

7 Beispiel P1 P2 X D C30

X D 30

Y D C30

Y D 30

Z D C30

Z D 30 9

Grundlagen für die Programmierung 66.2.2

66.2.1

Lage der Achsrichtungen

Koordinatensystem

Um die Zerspanbewegungen einer Werkzeugmaschine festlegen zu können, ist ein Koordinatensystem erforderlich. Verwendet wird das kartesische Koordinatensystem mit den drei Hauptachsen X, Y und Z. Neben der Lage der Koordinatensysteme sind auch die Achsrichtungen an Werkzeugmaschinen in DIN 66217 festgelegt. Sind außer den Verfahrmöglichkeiten auch Dreh- oder Schwenkbewegungen möglich (Drehtische, Schwenkeinrichtungen von Werkzeug- und Werkstückträger), werden diese zusätzlichen Drehbewegungen den entsprechenden Achsen mit der Angabe des Drehwinkels zugeordnet. Die Drehrichtungen sind im Koordinatensystem wie folgt angegeben: Drehwinkel A ! Drehung um die X-Achse Drehwinkel B ! Drehung um die Y-Achse Drehwinkel C ! Drehung um die Z-Achse Ein positiver Drehsinn liegt vor, wenn in positiver Achsrichtung gesehen die Drehung im Uhrzeigersinn erfolgt. Negativer Drehsinn liegt vor, wenn in positiver Achsrichtung gesehen die Drehung im Gegenuhrzeigersinn erfolgt. . Abb. 66.10 zeigt das rechtwinklige Koordinatensystem mit dem Beispiel einer Punktdefinition im Raum. Bei der Programmierung von CNC-Werkzeugmaschinen geht der Programmierer immer von einem feststehend gedachten Werkstück aus und bezieht hierauf sein Koordinatensystem.

Die Lage der Achsrichtungen an CNC-Werkzeugmaschinen ist durch DIN 66 217 festgelegt. Die Z-Achse einer Werkzeugmaschine ist durch die Lage der Arbeitsspindel bestimmt. Der positive Bereich der Z-Achse zeigt vom aufgespannten Werkstück in Richtung der Arbeitsspindel. Entfernt sich das Werkzeug vom Werkstück, findet eine Maßvergrößerung statt. Die Z-Bewegung ist positiv, es vergrößert sich der Z-Koordinatenwert. Man spricht hier auch von einer Plusbewegung. Bewegt sich das Werkzeug auf das Werkstück zu, findet eine Z-Bewegung in den negativen Bereich statt. Es entsteht eine Maßverkleinerung. Der zu programmierende Z-Wert ist negativ. Man spricht hier auch von einer Minusbewegung. Die Achsbewegungen in der Z-Achse sind wegen der Gefahr der Kollision zwischen Spindel und Fräsmaschinentisch besonders sorgfältig zu beachten. Die X-Achse des Koordinatensystems liegt parallel zur Aufspannfläche des Werkstückes und ist in den meisten Fällen in horizontaler Richtung angeordnet. Aus der Festlegung der Z- und der X-Achse ergibt sich die Lage der Y-Achse. Für die Festlegung der Achsrichtungen bei Drehmaschinen ist zu unterscheiden, ob das Werkzeug vor der Drehmitte (Drehmaschinen mit Flachbett) oder hinter der Drehmitte (Drehmaschinen mit Schrägbett) liegt. Befindet sich das Werkzeug vor der Drehmitte, zeigt die (für das Drehen nicht benötigte) Hauptachse CY nach unten. Befindet sich das Werkzeug hinter der Drehmitte, zeigt die Hauptachse CY nach oben.

66.2.3

. Abb. 66.10 Rechtwinkliges, rechtshändiges Koordinatensystem

Bezugspunkte im Arbeitsbereich einer CNC-Werkzeugmaschine

Um den Beginn einer Zerspanbewegung festlegen zu können, sind im Arbeitsraum einer Werkzeugmaschine verschiedene Bezugspunkte notwendig. Der Ursprung des Koordinatensystems der Werkzeugmaschine ist der Maschinennullpunkt. Er wird vom Werkzeugmaschinenhersteller unveränderlich festgelegt. Der Maschinennullpunkt ist Bezugspunkt für alle weiteren Koordinatensysteme im Arbeitsfeld der Maschine. Er kann nicht immer auf allen Achsen angefahren werden.

66

1376

Kapitel 66  Grundlagen für die Programmierung

. Abb. 66.11 Bezugspunkte an einer CNC-Fräsmaschine

66

Um einen Ausgangspunkt für eine Bearbeitung zu erhalten, ist es notwendig, einen zweiten Punkt den Referenzpunkt, festzulegen. Der Referenzpunkt wird als Referenzmarke auf den Wegmesssystemen angegeben und liegt häufig an der äußeren Grenze des Arbeitsraumes einer Werkzeugmaschine. Der Referenzpunkt befindet sich stets in gleichem Abstand zum Maschinennullpunkt. Er dient gleichzeitig zur Eichung der auf den drei Achsen liegenden Wegmesssysteme. Diese Eichung wird auch „Nullung“ der Wegmesssysteme genannt. Eine nachträgliche Änderung des Abstandes zwischen Maschinennullpunkt und Referenzpunkt ist nur durch Einbau neuer Glasmaßstäbe möglich. Das Werkstück wird für die Fräsbearbeitung auf dem Maschinentisch frei aufgespannt. Der Nullpunkt des Werkstückes wird vom Programmierer frei gewählt. Er stellt den Ursprung des Werkstückkoordinatensystems dar. Der Werkstücknullpunkt wird an einen Eckpunkt des Werkstückes gelegt. Vom Werkstücknullpunkt aus werden in der Fertigungszeichnung alle Maße der Werkstückgeometrie angegeben. Bei Drehmaschinen liegt der Werkstücknullpunkt auf der Rotationsachse des Maschinensystems an der Maßbezugskante des Werkstückes. Bei der Bearbeitung eines Werkstückes werden oft mehrere Werkzeuge eingesetzt. Da ausreichend Platz zum Werkzeugwechsel vorhanden sein muss, wird ein Werkzeugwechselpunkt WWP außerhalb des Werkstückes gewählt. Der Beginn eines CNC-Programms wird mit dem Programmnullpunkt P0 festgelegt. Am Programmnullpunkt befindet sich das Werkzeug vor Beginn der Bearbeitung. . Abb. 66.11 zeigt Bezugspunkte an einer CNCFräsmaschine. Bei vielen CNC-Steuerungen sind für das Anfahren an eine Kontur Anfahrbedingungen zu beachten. Diese Anfahrbedingungen (Anfahren an die Kontur im Halbkreis) gewährleisten die korrekte Herstellung der programmierten Kontur. Für das Anfahren an eine Kontur wird ein Hilfspunkt HP gewählt.

Bei der Fertigung mit CNC-Drehmaschinen sind zusätzlich ein Spannmittelnullpunkt F und ein Werkzeugbezugspunkt Wz erforderlich. Durch den Spannmittelnullpunkt wird die Lage des Spannmittels (Spannfutter) zum Werkstücknullpunkt festgelegt. Durch den Werkzeugbezugspunkt wird die Lage der Schneidenecke des Drehmeißels bezogen auf den Werkzeugträger festgelegt. Die Bezugspunkte im Arbeitsbereich einer CNC-Werkzeugmaschine sind in . Abb. 66.12 dargestellt. Die festgelegten Bezugspunkte sind für die Programmierung, die Werkstückbemaßung, die Werkstückaufspannung, den Werkzeugwechsel, das Eichen der Wegmesssysteme und den Fertigungsablauf unerlässlich.

66.2.4

Bezugspunktverschiebung

Verschiedene Bezugspunkte im Arbeitsbereich einer Werkzeugmaschine ermöglichen dem Programmierer, unabhängig von der Lage des Werkstückrohlings auf dem Maschinentisch, das CNC-Programm zu erstellen. Der Maschinenbediener erhält das Teileprogramm und beginnt die Maschine einzurichten. Die Steuerung der Werkzeugmaschine kennt den Standort der Achsschlitten nach dem Einschalten nicht. Der Maschinenullpunkt muss erst vom Bediener im Einrichtbetrieb gesucht werden. Hierzu wird die Werkzeugmaschine solange in X-, Yund Z-Achse verfahren, bis die Referenzmarken der Wegmesssysteme überfahren werden. Die damit gefundenen Abstände vom Referenzpunkt zum Maschinennullpunkt werden in einem Speicher abgelegt und die Bildschirmanzeige wird auf null gesetzt. Nach der „Nullung“ der Wegmesssysteme bestimmt der Maschinenbediener die Lage des eingespannten Werkstückrohlings durch eine Nullpunktverschiebung. Dazu wird der Abstand des Werkstücknullpunkts zum Maschinennullpunkt in allen Achsen mithilfe eines Kantentasters oder Einrichtmikroskops ermittelt und in einem Speicher abgelegt (Wegbefehle G54–G59). Wenn mehrere gleiche Werkstücke in einer Aufspannung hergestellt werden sollen, kann der Programmierumfang durch weitere Bezugspunkt(Nullpunkt-)verschiebungen verringert werden. Das Programm für eine Werkstückbearbeitung wird nur einmal erstellt und über die Nullpunktverschiebung auf den jeweiligen Werkstücknullpunkt verschoben. Der Maschinennullpunkt liegt in der X/Y-Ebene immer so, dass bei einer Verschiebung stets positive Koordinaten angegeben werden können. Das Prinzip der Bezugspunktverschiebung ist in . Abb. 66.13 dargestellt. . Abb. 66.14 zeigt eine Bezugspunktverschiebung am Beispiel eines Bohrbildes.

1377 66.2  Grundlagen für die Programmierung

Darstellung

Bezugspunkte

. Abb. 66.12 Bezugspunkte im Arbeitsbereich einer CNC-Werkzeugmaschine

. Abb. 66.13 Bezugspunktverschiebung. Zusammenhang zwischen Maschinennullpunkt M, Referenzpunkt R und Werkstücknullpunkt W

Erläuterung

66

1378

Kapitel 66  Grundlagen für die Programmierung

. Abb. 66.16 Absolutbemaßung in steigender Bemaßung

trischen Informationen stattfindet, wird für die Absolutbemaßung (Absolutprogrammierung) der Wegbefehl G90 eingegeben. . Abb. 66.14 Nullpunktverschiebung am Beispiel eines Bohrbildes. Arbeitsraum eines Fräsmaschinentisches W D Werkstücknullpunkt

66.2.5

Zeichnerische Grundlagen für die Programmierung

Für die Bemaßung von Werkstückzeichnungen unter Verwendung eines kartesischen oder polaren Koordinatensystems sind in DIN 406 unterschiedliche Maßsysteme vorgesehen. 66.2.5.1

Absolutbemaßung

Bei der Absolutbemaßung wird zwischen einer Bemaßung mit einem Pfeil und der steigenden Bemaßung unterschieden. Bemaßt wird immer ausgehend von Bezugskanten. Bei der steigenden Bemaßung werden alle Maße steigend auf einer Maßlinie mit entsprechendem Begrenzungspfeil angetragen. Die Absolutbemaßung ist in . Abb. 66.15 und 66.16 dargestellt. Damit der Steuerung einer Werkzeugmaschine bekannt wird, in welchem System die Übertragung der geome-

66

. Abb. 66.15 Absolutbemaßung mit einem Pfeil

66.2.5.2

Inkrementalbemaßung (Relativbemaßung)

Bei der Inkrementalbemaßung, auch Kettenbemaßung genannt, wird der erste Bearbeitungspunkt vom Werkstücknullpunkt aus angegeben. Für alle weiteren Bearbeitungspunkte ist der vorangegangene definierte Punkt Nullpunkt für die folgende Maßeintragung. Das bedeutet, dass bei der Inkrementalbemaßung (Inkrementalmaßprogrammierung) das Koordinatensystem des Werkstücknullpunktes gedanklich in die folgenden Bearbeitungspunkte verschoben wird und somit für folgende Maße ein neuer Nullpunkt maßgebend ist. Absolutmaßprogrammierung: Die x- und y-Koordinaten sind immer auf den Werkstücknullpunkt W bezogen Pabs:

G 90 X 50 Y 20

Inkrementalmaßprogrammierung: Die x- und y-Koordinaten beziehen sich immer auf den zuletzt angefahrenen Punkt P Pinkr:

G 91 X 30 Y 40

Der Steuerung ist diese Bemaßungsart mit dem Wegbefehl G91 mitzuteilen. Der Wegbefehl ist so lange wirksam, bis er durch G90 abgelöst wird. . Abb. 66.17 zeigt das Prinzip der Inkrementalbemaßung. . Abb. 66.18 zeigt den Unterschied zwischen einer Absolut- und Inkrementalbemaßung.

. Abb. 66.17 Inkrementalbemaßung. Zuwachsbemaßung mit Maßkette

66

1379 66.2  Grundlagen für die Programmierung

. Abb. 66.20 Bemaßung mit Hilfe von Tabellen . Abb. 66.18 Unterschied zwischen Absolutmaß- und Inkrementalmaßprogrammierung

Der Polarwinkel wird von der positiven X-Achse ausgehend angegeben und verläuft im Gegenuhrzeigersinn durch die Quadranten des Koordinatensystems. . Abb. 66.19 zeigt die Bemaßung durch Polarkoordinaten. 66.2.5.4

Bemaßung mit Hilfe von Tabellen

Bei umfangreichen Werkstückgeometrien wird die erforderliche Bemaßung aus der Fertigungszeichnung herausgezogen. Die Maßeintragung erfolgt in einer Bemaßungstabelle, in der alle erforderlichen Koordinaten angegeben sind. Bei der Bemaßung in Tabellen werden auch unterschiedliche Bemaßungssysteme und verschieden positionierte Koordinatensysteme verwendet. In . Abb. 66.20 ist die Möglichkeit der Bemaßung mit kartesischen und polaren Koordinaten dargestellt.

. Abb. 66.19 Bemaßung durch Polarkoordinaten

. Tabelle 66.1 Bemaßungstabelle KoordinatenNullpunkt

66.2.5.3

Nr.

Bemaßung durch Polarkoordinaten

Polarkoordinatenbemaßung wird hauptsächlich bei der Beschreibung symmetrischer Elemente oder bei der Programmierung umfangreicher Bohrbilder verwendet. Leitstrahl R in mm

Polarwinkel ' in Grad

R1 . . .

'1 . . .

R2 . . .

'2 . . .

R3 . . .

'3 . . .

R4 . . .

'4 . . .

R5 . . .

'5 . . .

R6 . . .

'6 . . .

Bei Polarkoordinatenbemaßung werden die Bearbeitungspunkte durch einen Leitstrahl R und einen Polarwinkel angegeben.

Koordinatentabelle A

B

0

0

R

¿

'

1

1

1

1.1

15

15

10 H7

1

1.2

36

55

8 H7

1

1.3

65

55

8 H7

2

2

70

25

2

2.1

20

0

4

2

2.2

20

45

4

2

2.3

20

90

4

2

2.4

20

135

4

2

2.5

20

180

4

2

2.6

20

225

4

2

2.7

20

270

4

2

2.8

20

315

4

1: Kartesische Koordinaten

20

2: Polarkoordinaten

1381

Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten Lutz Barfels

In der zerspanenden Fertigung lassen sich die meisten Bearbeitungsprobleme aus den drei Geometrieelementen Punkt, Gerade und Kreis darstellen. Die notwendigen Steuerungsvorgänge werden über das Teileprogramm durch die Werkzeugmaschinensteuerung den Antriebselementen übermittelt. Dazu bedient man sich bestimmter Steuerungsgrundelemente, die in . Abb. 67.1 dargestellt sind. 67.1

Punktsteuerungsverhalten

Beim Punktsteuerungsverhalten wird das Werkzeug im Eilgang vom Startpunkt an den entsprechenden Zielpunkt gefahren, ohne dabei im Eingriff zu sein. Die Weginformation für das Verfahren im Eilgang außerhalb der Werkstückgeometrie wird im Teileprogramm mit G00 angegeben. Das Bewegen an den Zielpunkt kann je nach Steuerung in jeder Achse allein nacheinander erfolgen oder in allen Achsen gleichzeitig. Wird bei der Bearbeitung ein Positionieren im Eilgang notwendig und besitzt die Werkzeugmaschine eine Bahnsteuerung, so wird das Werkzeug bei einigen Steuerungen unter einem Winkel von 45ı bis zum Auftreffen auf eine Achse verfahren, um dann achsparallel den definierten Punkt zu erreichen. Eine Bearbeitung findet erst am definierten Punkt statt. Das Punktsteuerungsverhalten wird hauptsächlich beim Bohren und seinen Folgeverfahren, beim Punktschweißen und Stanzen angewandt. . Abb. 67.2 zeigt das Punktsteuerungsverhalten am Beispiel eines Bohrbildes. 67.2

. Abb. 67.1 Einteilung der Steuerungsarten

. Abb. 67.2 Punktsteuerungsverhalten beim Bohren

allelen Gerade muss der Steuerung mit dem Wegbefehl G01 mitgeteilt werden. Das Prinzip der Streckensteuerung beim Drehen und Fräsen wird in den . Abb. 67.3 und 67.4 dargestellt.

Streckensteuerung 67.3

Bei der Streckensteuerung befindet sich das eingesetzte Werkzeug beim Verfahren ständig im Eingriff. Es lassen sich nur achsparallele Konturen erzeugen. Bei der Bearbeitung in einer Achsrichtung befinden sich die anderen Achsen in Ruhestellung. Das Anfahren an die Kontur erfolgt wiederum im Eilgang. Eine Schnittbewegung zur Erzeugung einer achspar-

Bahnsteuerung

Wenn die Geometrie eines Werkstückes eine Bearbeitung in zwei oder mehr Achsen erfordert, sind die Tisch- und Werkzeugbewegungen nur durch eine Bahnsteuerung möglich. Hierbei sind für jede Achse getrennte Antriebsmotoren notwendig, wobei jeweils ein eigener Lageregelkreis vorhanden sein muss.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_67

67

1382

67

Kapitel 67  Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten

. Abb. 67.3 Streckensteuerung beim Drehen

. Abb. 67.5 Bahnsteuerung beim Drehen

. Abb. 67.4 Streckensteuerung beim Fräsen

. Abb. 67.6 Bahnsteuerung beim Fräsen

Die Bewegungen innerhalb der Achsrichtungen werden relativ zueinander gesteuert. Damit kann jede beliebige Bahnkurve hergestellt werden. . Abb. 67.5 zeigt die Bahnsteuerung bei Drehmaschinen mit Flachbett- und Schrägbettführung. Die . Abb. 67.6 und 67.7 stellen die Bahnsteuerung beim Fräsen einer Gerade und einer beliebigen Kreisbahn dar. Nach der Anzahl der gleichzeitig in einem Funktionszusammenhang stehenden Achsen unterscheidet man die 2-Achsen-Bahnsteuerung, die 2- aus 3-Achsen-Bahnsteuerung, die 3-Achsen-Bahnsteuerung und die 5-AchsenBahnsteuerung (s. . Tab. 67.1). Da bei einer Bahnsteuerung jeder Achse ständig neue Positionswerte vorgegeben werden, ist eine programmierbare Rechenschaltung (Interpolator) notwendig, die alle Achsbewegungen über einen Geschwindigkeitsregler der Antriebsmotoren so koordiniert, dass die gewünschte Bahn erzeugt wird. . Abb. 67.7 Bahnsteuerung beim Fräsen

1383 67.4  Interpolationsarten

. Tabelle 67.1 Bearbeitungsmöglichkeiten der Bahnsteuerung 2-Achsen-Bahnsteuerung

Bei Bearbeitung gleichzeitig in 2 Achsen können beliebige Bahnen in einer Ebene (X/Y, X/Z, Y/Z) hergestellt werden

2- aus 3-Achsen-Bahnsteuerung

Zusätzlich zu der Möglichkeit, beliebige Bahnkurven in einer Ebene herzustellen, ist eine lineare Zustellung der 3. Achse möglich

3-Achsen-Bahnsteuerung

Es besteht ein ständiger Funktionszusammenhang zwischen den drei Achsen. Es kann eine räumliche Bahn erzeugt werden

5-Achsen-Bahnsteuerung

Es kann jede beliebige räumliche Bahn hergestellt werden. Der Werkzeughalter und Werkstückträger sind schwenkbar

67.4

Interpolationsarten

Da auf numerisch gesteuerten Dreh- und Fräsmaschinen gefertigte Werkstücke selten ausschließlich achsparallele Konturen aufweisen, hat der Interpolator die Aufgabe,

einem Lageregelkreis den für die Konturerzeugung erforderlichen Lagesollwert vorzugeben. Die Antriebsmotoren für die Vorschubbewegung der Achsschlitten werden über einen Geschwindigkeitsregler so koordiniert, dass eine programmierte Bahn möglichst fehlerfrei nachgefahren wird. Neue Werkzeugmaschinensteuerungen beinhalten Interpolatoren, die eine Linear- und Zirkularinterpolation ermöglichen. Wird die Zirkularinterpolation in einer Hauptebene mit einer senkrecht zu dieser Ebene verlaufenden Linearinterpolation verknüpft, handelt es sich um die Schraubenlinieninterpolation.

67.4.1

Linearinterpolation

Bei der Linearinterpolation wird eine Gerade durch das Verfahren einer oder mehrerer Achsen gleichzeitig in einer Arbeitsebene hergestellt. Nach DIN 66025 wird die Linearinterpolation (. Abb. 67.8) mit dem Wegbefehl G01 gekennzeichnet. Die . Abb. 67.9 und 67.10 zeigen die Linearinterpolation am Beispiel eines Drehteiles und eines Fräswerkstückes. . Abb. 67.8 Die Linearinterpolation

. Abb. 67.9 a Beispiel zur Linearinterpolation, b Beispiel zur Linearinterpolation Drehen

67

1384

Kapitel 67  Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten

Aufgabe Beschreibung der dargestellten Kontur in Ab-

solutmaßprogrammierung ((-Programmierung). Der Drehmeißel befindet sich im WWP und soll im Eilgang auf W/P0 fahren. Nach erzeugter Kontur soll der Drehmeißel im Eilgang zum WWP zurückfahren. Satz-Nr. Wegbe- Koordinaten dingung X

Erklärung

N

G

Z

N10

G90

N20

G00

X0

Z0

Eilgang WWp ! P0

N30

G01

X 55

(Z 0)

Vorschub P0 ! P1

N40

G01

X 60

Z-5

Vorschub P1 ! P2

N50

G01

(X 60)

Z-30

Vorschub P2 ! P3

N60

G01

X 80

Z-50

Vorschub P3 ! P4

N70

G01

(X 80)

Z-70

Vorschub P4 ! P5

N80

G01

X 100

Z-80

Vorschub P5 ! P6

N90

G01

X 100

Z-100

Vorschub P6 ! P7

N100

G00

X 120

(Z-100) Eilgang P7 ! P8

N110

G00

(X120)

Z + 40

Absolutmaßprogrammierung

Eilgang P8 ! WWP

dargestellten Kontur über die Punkte P1 –P7 . Das Werkzeug befindet sich in P0 und soll im Eilgang zum Startpunkt P1 fahren. Nach erzeugter Kontur soll das Werkzeug zum Nullpunkt P0 im Eilgang zurückfahren. Satz-Nr. Wegbe- Koordinaten dingung X

Erklärung

N

G

Y

N10

G17

Anwählen der x/y-Ebene

N20

G90

(Absolutmaßeingabe) Absolutprogrammierung (-bemaßung)

N30

G00

X-55

Y-35

Eilgang P0 ! Startpunkt P1

N40

G01

(X-55)

Y 15

Vorschub P1 ! P2

N50

G01

X-30

Y 35

Vorschub P2 ! P3

N60

G01

X 20

(Y 35)

Vorschub P3 ! P4

N70

G01

X 55

Y-10

Vorschub P4 ! P5

N80

G01

X 35

Y-35

Vorschub P5 ! P6

N90

G01

X-55

(Y-35)

Vorschub P6 ! Zielpunkt P7

N100

G00

X0

Y0

Eilgang P7 ! P0

Aufgabe Beschreibung der dargestellten Kontur in Ab-

solutmaßprogrammierung (. Abb. 67.10) Definition der

67

. Abb. 67.10 Beispiel zur Linearinterpolation

. Abb. 67.11 Die Zirkularinterpolation beim Fräsen

1385 67.4  Interpolationsarten

67.4.2

. Abb. 67.12 Zirkularinterpolation im Uhrzeigersinn beim Drehen – Wegbedingung G02

. Abb. 67.13 Zirkularinterpolation im Gegenuhrzeigersinn – Wegbedingung G03

. Abb. 67.14 Beispiel zur Zirkularinterpolation Drehen

Zirkularinterpolation

Mithilfe der Linearinterpolation lassen sich theoretisch beliebige Kreisbahnen programmieren. Durch die Bestimmung von Anfangs- und Endpunkten eines Polygonzuges kann durch eine dichte Punktefolge eine Annäherung an die gewünschte Bahn erfolgen. Das erfordert hohen Programmieraufwand und wird durch die Zirkularinterpolation (Kreisinterpolation) ersetzt. Unter Zirkularinterpolation versteht man das Verfahren eines Werkzeuges auf einer kreisförmigen Bahn. Um eine Kreisbahn in einem zweidimensionalen Koordinatensystem festlegen zu können, ist der Kreismittelpunkt durch entsprechende Koordinaten zu definieren. Diese Koordinaten werden als Kreisinterpolationsparameter I, J, und K bezeichnet. Zusätzlich ist innerhalb einer Geometrie der Start- und Zielpunkt der Kreisbahn festzulegen. Außerdem muss der Steuerung die Bearbeitungsrichtung mitgeteilt werden. Eine Schnittbewegung im Uhrzeigersinn wird über den Wegbefehl G02 und eine Schnittbewegung im Gegenuhrzeigersinn über G03 festgelegt. Hierzu schaut man immer aus Richtung einer positiven Hauptachse senkrecht auf diejenige Hauptebene, in der die Arbeitsbewegung stattfinden soll. Sowohl die Bewegungsrichtungen als auch die Hilfsparameter sind in DIN 66 025 festgelegt. . Abb. 67.11 zeigt das Prinzip der Zirkularinterpolation.

67

1386

Kapitel 67  Steuerungsarten und Interpolationsmöglichkeiten

. Abb. 67.15 Beispiel Drehen/Zirkularinterpolation

67

. Abb. 67.16 Beispiel zur Zirkularinterpolation

Im Regelfall werden Interpolationsparameter inkremental vom Anfangspunkt der Kreisbahn aus angegeben. Eine Absolutprogrammierung der Hilfsparameter ist nach DIN 66 025 auch möglich. Bei Drehmaschinen ist für die korrekte Festlegung der Wegbedingungen zu unterscheiden, ob das Werkzeug vor der Drehmitte (Drehmaschine mit Flachbett) oder hinter der Drehmitte (Drehmaschine mit Schrägbett) liegt. Die . Abb. 67.12 und 67.13 zeigen das Prinzip der Zirkularinterpolation beim Drehen für Drehmaschinen mit Flach- und Schrägbett.

1387 67.5  Ebenenauswahl

Die . Abb. 67.14 und 67.16 beschreiben die Kontur eines Drehteiles und eines Fräswerkstückes mithilfe der Linear- und Zirkularinterpolation in Absolut- und Relativmaßprogrammierung. Aufgabe Beschreibung der dargestellten Kontur in Abso-

lutmaßprogrammierung. Der Drehmeißel befindet sich im WWP und soll im Eilgang auf W/PO fahren. Nach erzeugter Kontur soll er im Eilgang zum WWP zurückfahren, siehe . Abb. 67.14. Aufgabe Beschreibung der Kontur einer Fräsmittelpunkts-

bahn in Relativmaßprogrammierung, siehe . Abb. 67.16 Definition der dargestellten Kontur (Fräsmittelpunktsweg) über die Punkte P1 –P11 . Das Werkzeug befindet sich in P0 und soll im Eilgang zur Startpunkt P1 fahren. Nach erzeugter Kontur soll das Werkzeug zum Nullpunkt P0 im Eilgang zurückfahren. 67.5

Ebenenauswahl

In einem CNC-Teileprogramm muss neben den Angaben wie Absolut- oder Relativbemaßung und Eilgang- oder Schnittbewegung die Hauptebene, in der die Bearbeitung erfolgt, festgelegt werden. Die X/Y-Ebene wird mit G17, die X/Z-Ebene mit G18 und die Y/Z-Ebene mit G19 programmiert. . Abb. 67.17 zeigt die Auswahl der Bearbeitungsebenen beim Fräsen.

. Abb. 67.17 Auswahl der Bearbeitungsebenen beim Fräsen

67

1389

Manuelles Programmieren Lutz Barfels

68.1

Kurzbeschreibung

Bei der manuellen Programmierung werden von einem Teileprogrammierer auf einem Programmierblatt von Hand (manuell) alle für die Maschinensteuerung erforderlichen Anweisungen (Steuerungsbefehle) niedergeschrieben. Die Anweisungen werden in Einzelschritte untergliedert, um den fertigungsgerechten Ablauf der Werkstückherstellung sicherzustellen. Die Anweisungen bestehen aus geometrischen und technologischen Daten (Werkstückmaße. Schnittgeschwindigkeit, Vorschub usw.). Das so erarbeitete CNC-Steuerungsprogramm wird auch Teileprogramm genannt.

68.2

Programmende

68.2.2

Das Programmende wird der Steuerung anhand von Hilfsfunktionen mitgeteilt. Die beiden Hilfsfunktionen für „Programmende“ sind die Anweisungen M02 oder M30. Die Programmende-Anweisung muss im letzten Satz als letzte Anweisung stehen. 68.2.2.1

Unterschied M02–M30

Programmende-Anweisung M02 bedeutet, dass die Maschine und die Zusatzfunktionen (Spindeldrehung, Kühlschmierung usw.) abgeschaltet werden. Die Maschine wird abschließend in ihren Ausgangzustand, der vor Bearbeitungsbeginn bestand, zurückgesetzt, Programmende-Anweisung M30 hat dieselbe Wirkung wie M02. Zusätzlich wird das gesamte Programm an den Programmanfang zurückgesetzt.

Aufbau eines CNC-Programms 7 Beispiel

Der Programmaufbau numerisch gesteuerter Werkzeugmaschinen ist genormt in DIN 66025, Teil 1. Die Hauptbestandteile eines CNC-Steuerungsprogramms sind: 4 der Programmanfang mit einer Programmnummer oder einem Programmnamen, 4 eine Folge von Sätzen mit den Fertigungsanweisungen und 4 das Programmende.

68.2.1

Programmanfang

Der Programmanfang ist durch das Prozentzeichen (%) zu kennzeichnen. Hinter das Programmanfangzeichen kann eine Programmnummer oder ein Programmname geschrieben werden. Programmnummer oder Programmname werden aus alphanumerischen Zeichen (A, B, C, . . . 0, 1, 2, . . . ) zusammengesetzt.

N24 G00 X130 Z90 M02 LF oder N24 G00 X130 Z90 M30 LF 9

68.3

Gliederung eines CNC-Programms

Das CNC-Steuerungsprogramm besteht aus einer Folge von Sätzen (Programmsätze, Programmzeilen oder Blöcke), die in fertigungstechnisch richtiger Reihenfolge die erforderlichen Bearbeitungsangaben für die Steuerung enthalten. Die Sätze bestehen wiederum aus Wörtern. Ein Wort setzt sich aus Adresse und Adresswert zusammen. . Abb. 68.1 zeigt den Zusammenhang von Programm-, Satz- und Wortaufbau. 68.3.1

Satz (Programmsatz)

Programmsätze beginnen mit dem Adressbuchstaben N und einer zugeordneten Zahl, der Satznummer.

7 Beispiel

7 Beispiel

%49O3O6 oder %PROGFRAES003 9

N12 G03 X40 Z-I0 10 K-10 LF 9

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_68

68

1390

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

programmtechnische Informationen: Fahranweisungen:

. Abb. 68.1 Zusammenhang Programm – Satz – Wort

68.3.2

Ausblendsatz

Je nach Bearbeitungsaufgabe kann es sinnvoll sein, speziell gekennzeichnete Sätze im Programm vorzusehen. Es handelt sich hierbei um Ausblendsätze. Die Steuerung erkennt einen Ausblendsatz durch einen dem Adressbuchstaben N vorangestellten Schrägstrich (/). 7 Beispiel /N60 G00 X350 Z450 M00 LF 9

Ein Programm darf mehrere Ausblendsätze enthalten. Das Ausblenden (gleichbedeutend mit Überlesen) eines Satzes geschieht nur dann, wenn vor dem Programmstart die Bedienfeldtaste „Satz überlesen“ an der Steuerungskonsole aktiviert wird. Ausblendsätze werden dann programmiert, wenn bestimmte Fertigungsschritte einmalig oder nicht bei jedem Werkstück vorgesehen sind.

68.3.3

Programmkommentare

Zur Dokumentation eines CNC-Steuerungsprogramms kann es sinnvoll sein, einzelne Programmschritte mit Klartext-Erläuterungen zu versehen. Diese Erläuterungen müssen in Klammern gesetzt am Ende des zu kommentierenden Satzes noch vor dem Satzendezeichen eingefügt werden.

Satzanfang oder -ende

lineare oder kreisförmige Verfahrwege geometrische Informationen: Koordinaten, Winkel Hilfsparameter: Kreismittelpunktkoordinaten, . . . Korrekturen: Nullpunkte, Werkzeugabmessungen Schaltinformationen: Vorschub, Drehzahl Zusatzfunktionen: Kühlschmierstoff EIN/AUS, Spindeldrehsinn Korrekturen, Schaltinformationen sowie Zusatzfunktionen werden auch technologische Informationen genannt. Die Anzahl der Teilinformationen ist von Satz zu Satz unterschiedlich, die Satzlänge somit variabel. Wie beim Programm besteht ein einzelner Satz ebenfalls aus Satzanfang- und Satzendezeichen.

68.4.1

Satzanfang

Der Satzanfang wird durch den Buchstaben N und die Satznummer definiert. 7 Beispiel N10 . . . LF 9

68.4.2

Satzende

Das Satzende wird durch das Satzendezeichen LF (D line feed) definiert. 7 Beispiel N10 G54 X120 LF 9

68.4.3

Wortaufbau

7 Beispiel

68

N60 M00 (Programmstop zum Nachmessen) LF 9

68.4

Satzaufbau

Die kleinste Informationseinheit in einem CNC-Programm ist das Wort. Ein Wort besteht immer aus einer Adresse (Adressbuchstabe) und dem Adresswert (Zahlenwert). 7 Beispiel

Ein Satz (Programmzeile oder Block) besteht aus einer Folge von Anweisungen, den Wörtern, die wiederum die Teilinformationen für die CNC-Steuerung enthalten. Diese Teilinformationen enthalten:

9

1391 68.4  Satzaufbau

Die Adresse legt fest, welche Funktion der Steuerung aufgerufen wird, der Adresswert gibt den von der Steuerung zu verarbeitenden Zahlenwert vor. Bei den Adresswerten ist nochmals zu unterscheiden in direkt oder verschlüsselt zu programmierende Zahlen. 68.4.3.1

7 Beispiel Eingabefeinheit 1=1000 mm (D 1 *m D 1 Mikrometer), maximale Dezimalstellenzahl sechs 0;001 mm D 1 *m 100 mm D 100:000 *m

Schlüsselzahlen

845;132 mm D 845:132 *m 9

Schlüsselzahlen können nochmals unterschieden werden in frei verschlüsselte Zahlen sowie mathematisch definierte 1 Vorzeichen bei Koordinaten und Winkeln Schlüsselzahlen. Den frei verschlüsselten Zahlen sind willBei positiven Koordinaten oder Winkeln kann ein positives kürlich bestimmte Funktionen zugeordnet worden. Vorzeichen zwischen Adresse und Adresswert geschrieben werden (Angabe optional). 7 Beispiel Bei negativen Koordinaten oder Winkeln muss ein neM03 bedeutet Spindeldrehung im Uhrzeigersinn 9 gatives Vorzeichen zwischen Adresse und Adresswert geschrieben werden. Ein positives Vorzeichen bei Winkeln bedeutet eine Die mathematisch definierten Schlüsselzahlen werden nur Winkeldrehung gegen den Uhrzeigersinn, ein negatives im Zusammenhang mit gestuften Drehzahlen und VorschüVorzeichen eine Winkeldrehung im Uhrzeigersinn. ben benutzt. Dabei wird jeweils einer Schlüsselzahl (erste Schlüsselzahl: 00, letzte Schlüsselzahl: 99) ein bestimmter Zahlen7 Beispiele wert der Normzahlreihe R20 zugeordnet (siehe 7 Kap. 40, Koordinaten: X42.75 oder X+42.75, Z-103.8 . Tab. 40.8). Winkel: A45 oder A+45, B-60 9

7 Beispiel S70 bedeutet, dass der zugeordnete Zahlenwert zur Schlüsselzahl 70 n D 315 1=min ist. Schlüsselzahlen werden bei modernen CNC-Steuerungen kaum noch verwendet. 9

68.4.3.2

Direkt programmierte Zahlen

Koordinaten, Winkel, Drehzahlen und Vorschübe sind direkt zu programmierende Zahlenwerte. Je nach Steuerungsfabrikat werden dezimale Zahlenwerte entweder mit Dezimalpunkt oder als Festkommazahl eingegeben. Bei den Koordinaten- und Winkelwerten ist die Verfahr- oder Drehrichtung eventuell durch ein positives oder negatives Vorzeichen anzugeben. Dies kann auch für die Spindeldrehzahl zutreffen, wobei ein positives Vorzeichen Rechtsdrehung, ein negatives Vorzeichen Linksdrehung festlegt. 1 Dezimalpunkteingabe

Bei der Dezimalpunkteingabe können in der Regel nachlaufende und führende Nullen weggelassen werden. 7 Beispiele X300, Y.751, Z24.9 9

1 Festkomma-Eingabe

Bei der Festkomma-Eingabe hängt die Zahl der einzugebenden Stellen von der Eingabefeinheit der Steuerung sowie von der maximal zulässigen Stellenzahl ab.

68.4.4

Satzformat

Unter dem Begriff Satzformat ist die in DIN 66025 festgelegte Vereinbarung zu verstehen, die Adressen (Adressbuchstaben) immer in einer feststehenden Reihenfolge im Satz anzuordnen, siehe auch . Tab. 68.1. Die Reihenfolge ist dabei wie folgt festgelegt: N G X, Y, Z, U, V, W, R A, B, C I, J, K F S T, D M

Satznummer (N D number) Wegbedingung (G D go) Koordinaten Winkel Interpolationsparameter Vorschub (F D feed rate) Spindeldrehzahl (S D spindle speed) Werkzeugnummer und -korrekturen (T D tool, D D diameter) Zusatzfunktion (M D miscellaneous functions)

Nicht aufgeführten Buchstaben werden steuerungsspezifisch von den Herstellern unterschiedliche Funktionen zugeordnet. Hierauf wird in den Programmierbeispielen eingegangen. Bei einigen Steuerungsfabrikaten besteht die Möglichkeit, Adressen mehrfach in einem Satz zu verwenden. Dies

68

1392

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

. Tabelle 68.1 Bedeutung der Adressen nach DIN 66025

Satznummer N

Die Satznummer wird mit der Adresse N programmiert. Der Zweck ist die übersichtliche Gestaltung eines CNCProgramms (. Abb. 68.1).

A

Drehbewegung um die X-Achse

B

Drehbewegung um die Y-Achse

C

Drehbewegung um die Z-Achse

D

Werkzeugkorrekturspeicher (*)

E

zweiter Vorschub (*)

F

Vorschub

G

Wegbedingung

H

(*)

I

Interpolationsparameter oder Gewindesteigung parallel zur X-Achse

J

Interpolationsparameter oder Gewindesteigung parallel zur Y-Achse

K

Interpolationsparameter oder Gewindesteigung parallel zur Z-Achse

L

(*)

M

Zusatzfunktion

N

Satznummer

O

(*)

P

dritte Bewegung parallel zur X-Achse (*)

Q

dritte Bewegung parallel zur Y-Achse (*)

R

dritte Bewegung parallel zur Z-Achse oder Bewegung im Eilgang in Richtung der Z-Achse (*)

S

Spindeldrehzahl

T

Werkzeugspeicher

U

zweite Bewegung parallel zur X-Achse (*)

68.4.4.2

V

zweite Bewegung parallel zur Y-Achse (*)

W

zweite Bewegung parallel zur Z-Achse (*)

X

Bewegung in Richtung der X-Achse

Y

Bewegung in Richtung der Y-Achse

Z

Bewegung in Richtung der Z-Achse

Die Wegbedingung wird mit der Adresse G programmiert. Bei den Adresswerten handelt es sich um zweistellige, freiverschlüsselte Zahlen, denen Funktionen zugeordnet sind (. Tab. 68.2). Die Wörter für die Wegbedingungen legen zusammen mit den Wegbefehlen, also den Koordinaten- oder Winkelwerten, im Wesentlichen die geometrischen Informationen im Steuerungsprogramm fest. Die Wegbedingungen G umfassen verschiedene Funktionsarten. Im Einzelnen werden damit folgende Funktionsgruppen festgelegt:

Mit Sternchen (*) versehene Adressen sind frei belegbar oder können mit einer anderen als der vorgesehenen Funktion belegt werden.

68

68.4.4.1

trifft vornehmlich auf Wegbedingungen, Zusatzfunktionen oder Werkzeugspeicher zu. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bei der Programmierung sollte darauf verzichtet werden. Die meisten Wegbedingungen (Adresse G) und Zusatzfunktionen (Adresse M) bleiben – einmal programmiert – so lange wirksam, wie sie nicht geändert werden. Diese Eigenschaft wird modal (selbsthaltend) genannt. Einige wenige Wegbedingungen und Zusatzfunktionen sind jedoch nur in dem Satz wirksam, in welchem sie programmiert sind. Diese Eigenschaft wird „satzweise wirksam“ genannt.

7 Beispiel

9 Bei der Satznummerierung ist Folgendes zu beachten: CNC-Steuerungen besitzen für das Editieren (Verändern) eines im Programmspeicher stehenden CNC-Programms einen Einfügemodus. Das Programm kann in diesem Fall beginnend mit der Satznummer N1 fortlaufend in 1erSchritten nummeriert werden. Wenn nachträglich ein Satz mit der Nummer N4 in das Programm eingefügt werden soll, wird der im Programmspeicher stehende Satz N4 automatisch zum Satz N5, und die nachfolgenden Sätze werden ebenfalls um eins hochnummeriert. Ist die zuvor beschriebene Funktion der automatischen Zeilennummerierung nicht gegeben, so sollte die Zeilennummerierung in 10er-Sprüngen vorgenommen werden. Zwischen jeweils zwei im Speicher vorhandene Sätze können dann je nach Erfordernis bis zu neun weitere Sätze zusätzlich eingefügt werden. Bei einigen Steuerungen ist die Satznummer ohne Einfluss auf die Abarbeitungsfolge der Programmsätze. Das Einfügen oder Löschen von Programmsätzen erfolgt bei diesen Steuerungen über den Editor.

Wegbedingung G

Interpolationsarten:

GOO-G03, G06, G33-G35 Ebenenauswahlen: G17–G19 Werkzeugkorrekturen: G40–G44 Nullpunkt-Verschiebungen: G53–G59 Arbeitszyklen: G80–G89 Vermassungsangaben: G90, G91 Vorschubvereinbarungen: G93–G95 Spindeldrehzahl-Vereinbarungen: G96, G97 Maßeinheiten: G70, G71

1393 68.4  Satzaufbau

. Tabelle 68.2 Wegbedingungen G und zugeordnete Funktionen

. Tabelle 68.2 (Fortsetzung)

Wegbedingung

Funktion

Wegbedingung

G00

Steuerung von Punkt zu Punkt im Eilgang

G72–G73

v

G01

Linear-Interpolation

G74

*

G02

Kreis-Interpolation im Uhrzeigersinn

G75–G79

v

G03

Kreis-Interpolation im Gegenuhrzeigersinn

G80

Aufheben aller Arbeitszyklen

programmierbare Verweilzeit

G81–G89

9 Arbeitszyklen

G90

Maßangaben absolut

G91

Maßangaben inkremental

G04

*

G05

v

G06

Parabel-Interpolation

G92

*

Funktion

Anfahren des Referenzpunktes

G07

v

Speicher setzen oder ändern

G08

*

Geschwindigkeitszunahme

G93

zeitreziproke Vorschubverschlüsselung

G09

*

Geschwindigkeitsabnahme

G94

G10–G16

v

Vorschubgeschwindigkeit in mm/min oder inch/min

G95

Vorschub in mm/Umdrehung oder inch/Umdrehung

G17

Hauptebene X/Y

G18

Hauptebene X/Z

G96

konstante Schnittgeschwindigkeit

G19

Hauptebene Y/Z

G97

Angabe der Spindeldrehzahl in l/min

G20–G24

v

G25–G29

s

G30–G32

v

G98–G99

G33

Gewindeschneiden mit konstanter Steigung

G34

Gewindeschneiden mit konstant zunehmender Steigung

G35

Gewindeschneiden mit konstant abnehmender Steigung

G36–G39

s Aufheben der Werkzeugkorrektur

G41

Werkzeugbahnkorrektur in Vorschubrichtung links von der Kontur

G42

Werkzeugbahnkorrektur in Vorschubrichtung rechts von der Kontur

G43

Werkzeugkorrektur in Richtung der positiven Koordinatenachsen

G44

Werkzeugkorrektur in Richtung der negativen Koordinatenachsen

G45–G52

v

G53

Aufheben aller programmierten Nullpunktverschiebungen

G54–G59

6 Speicherplätze für programmierte Nullpunktverschiebungen

G60–G62

v

G63

*

G64–G69

v

Zusätzlich gibt es Wegbedingungen, deren Belegung vorläufig oder auf Dauer freigestellt ist. Für diese Wegbedingungen können die Steuerungshersteller frei Funktionen festlegen. . Tab. 68.2 zeigt alle in DIN 66025, Teil 2 genormten Verschlüsselungen der Wegbedingungen G. 68.4.4.3

G40

Gewindebohren

G70

Maßangaben in Zoll (inch)

G71

Maßangaben in Millimeter

v

Koordinaten X, Y, Z/U, V, W/P, Q, R

Zur Beschreibung der Relativbewegungen zwischen Werkzeug und Werkstück dienen die Adressen X, Y, Z/U, V, W/P, Q, R. X, Y und Z sind die Hauptachsen eines räumlichen rechtwinkligen Koordinatensystems. Die Angabe einer Koordinatenachse zusammen mit einem Koordinatenwert bedeutet, dass eine Bewegung parallel zur Achse um den angegebenen Weg erfolgt. Zusätzlich muss der Steuerung mitgeteilt werden, welche Maßangabe gelten oder welche Fahranweisung ausgeführt werden soll. Als Maßangabe sind absolute Maße (G90) oder inkrementale Maße (G91) programmierbar. Als Fahranweisungen können z. B. lineares Verfahren im Eilgang (GOO), lineares Verfahren mit definiertem Vorschub (GO1) oder kreisförmige Bewegungen (G02, G03) programmiert werden. 7 Beispiel G90 ! Einschaltzustand der Steuerung N60 G00 X100 LF lineares Verfahren im Eilgang auf die Position X100 bezogen auf den Werkstücknullpunkt 9

68

1394

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

Die Achsen U, V, W sowie P, Q, R sind zusätzliche Achsen, die je nach Werkzeugmaschinenbauart als parallele Achsen zu den Hauptachsen programmiert werden können. 7 Beispiel Senkrecht-Konsolfräsmaschine mit Z-Achse als Spindel-Vorschubbewegung und W-Achse als zusätzlicher Bewegung der Kontrolle

9 68.4.4.4

Winkel A, B, C

Zur Beschreibung der Drehbewegungen von Werkzeugoder Werkstückträgern werden die Adressen A, B und C benutzt. Die Drehbewegung wird durch Winkelmaße, der Drehsinn durch positive oder negative Vorzeichen festgelegt. Angegeben werden die Winkelmaße als Dezimalzahlen mit der Einheit Grad oder als dezimale Bruchteile einer Umdrehung. 7 Beispiele A75 oder A C 75 ! Drehung um X-Achse im Uhrzeigersinn B-102 ! Drehung um Y-Achse im Gegenuhrzeigersinn C317.4 ! Drehung um Z-Achse im Uhrzeigersinn 9

68.4.4.5

68

Kreisinterpolationsparameter I, J, K

Bei der Programmierung von Vollkreisen oder Kreisbögen ist neben der Angabe der Wegbedingung (G02 oder G03) die Angabe der Mittelpunktkoordinaten notwendig. Die Adressen der Kreisinterpolationsparameter sind I, J und K. Sie werden auch Hilfskoordinaten genannt. Die Koordinate I bezieht sich auf die X-Achse, J auf die Y-Achse und K auf die Z-Achse. Die Koordinatenwerte für I, J und K können absolut oder inkremental programmiert werden. In der Praxis ist jedoch von fast allen Steuerungsherstellern die inkrementale Maßangabe festgelegt. a) I, J, K inkremental programmiert Zur eindeutigen geometrischen Beschreibung eines Kreises oder Kreisbogens sind der Startpunkt PS, der Zielpunkt PZ sowie der Mittelpunkt M erforderlich. Bei einem Vollkreis fallen Anfangs- und Endpunkt zusammen. I legt den inkrementalen Koordinatenwert vom Kreisanfangspunkt zum Kreismittelpunkt in X-Richtung fest.

. Abb. 68.2 Kreisinterpolationsparameter – inkremental

J

legt den inkrementalen Koordinatenwert vom Kreisanfangspunkt zum Kreismittelpunkt in Y-Richtung fest. K legt den inkrementalen Koordinatenwert vom Kreisanfangspunkt zum Kreismittelpunkt in Z-Richtung fest. Das Vorzeichen für I, J und K ergibt sich aus der Lage des Kreisanfangspunktes zum Kreismittelpunkt. Wird vom Kreisanfangspunkt jeweils in positiver Achsrichtung zum Kreismittelpunkt gegangen, so erhält der entsprechende Interpolationsparameter ein positives Vorzeichen, wird in negativer Achsrichtung gegangen, so erhält der Interpolationsparameter ein negatives Vorzeichen. Für einen Kreis oder Kreisbogen in einer Hauptebene sind jeweils nur zwei Interpolationsparameter zur Angabe des Kreismittelpunktes erforderlich. . Abb. 68.2 zeigt das Prinzip zur vorzeichengerechten Ermittlung der Interpolationsparameter I, J und K. Zu beachten ist, dass die Kreisinterpolationsparameter nur im jeweils programmierten Satz wirksam sind. b) I, J, K absolut programmiert Seltener angewandt wird die absolute Programmierung der Kreisinterpolationsparameter I, J und K. Alle Kreismittelpunkte werden in diesem Fall vom Werkstücknullpunkt aus bemaßt. . Abb. 68.3 zeigt das Prinzip der absoluten Programmierung der Kreisinterpolationsparameter. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine programmierte Maßangabe (G90, Absolutbemaßung oder G91, Inkrementalbemaßung) keinen Einfluss auf die Maßangabe der Interpolationsparameter hat. Die für die Kreisinterpolationsparameter 1, J und K steuerungs-

1395 68.4  Satzaufbau

68.4.4.8

. Abb. 68.3 Kreisinterpolationsparameter – absolut

intern festgelegte Maßangabe bleibt stets gültig. Außer der beschriebenen Kreisdefinition kann ein Kreis oder Kreisbogen auch durch seinen Radius sowie Anfangsund Endwinkel des Kreisbogens beschrieben werden. 68.4.4.6

Vorschub F

Werkzeugaufruf und Werkzeugkorrekturen T, D

Die Adresse für das Werkzeug ist der Buchstabe T, für die Werkzeugkorrektur der Buchstabe D. Als Adressen für Korrekturen werden von den Steuerungsherstellern häufig auch andere oder zusätzliche Adressen verwendet, z. B. H, P, Q oder R. Adresswert ist die Nummer eines Werkzeugs oder Werkzeugspeichers oder eines Korrekturspeicherplatzes. Die Anzahl der speicherbaren Werkzeuge und Werkzeugkorrekturen ist abhängig von den reservierten Speicherplätzen. Üblich sind 16 oder 32 Speicherplätze für Werkzeuge und Werkzeugkorrekturen. Grundsätzlich können mit den Adressen T und D zwei Möglichkeiten unterschieden werden: a) Verwendung nur von T oder b) Verwendung von T und D.

Der Vorschub wird mit der Adresse F programmiert. Der a) Werkzeugaufruf T Zahlenwert für den Vorschub kann entweder mathematisch Die Werkzeugnummer legt das Werkzeug fest. verschlüsselt angegeben oder direkt programmiert werden. Bei der direkten Programmierung des Vorschubes gibt es 7 Beispiel drei Möglichkeiten: T03 ! ruft z. B. einen Schaftfräser mit Durchmesser 10 mm a) Zeitreziproke Vorschubverschlüsselung, festgelegt und Länge 60 mm auf. 9 durch die Wegbedingung G93, b) direkte Angabe des Vorschubes in mm/min oder inch/1 Automatischer Werkzeugwechsel min, festgelegt durch die Wegbedingung G94, Besitzt die Werkzeugmaschine einen Werkzeugspeicher c) direkte Angabe des Vorschubes in mm oder inch, fest(Werkzeugmagazin) mit einer Werkzeugwechseleinrichgelegt durch die Wegbedingung G95. tung, so wird bei Aufruf eines Werkzeugs das Werkzeug automatisch dem Magazin entnommen und der Werkzeug7 Beispiele aufnahme zugeführt. mathematische Verschlüsselung F46 ! Vorschub 20 mm/min

1 Manueller Werkzeugwechsel

direkt programmierter Vorschub F0.8 ! Vorschub 0.8 mm 9

68.4.4.7

Spindeldrehzahl S

Die Spindeldrehzahl wird mit der Adresse S programmiert. Der Zahlenwert für die Spindeldrehzahl kann entweder mathematisch verschlüsselt angegeben oder direkt programmiert werden. Bei der direkten Programmierung gibt es zwei Möglichkeiten: a) Programmierung einer konstanten Schnittgeschwindigkeit in m/min oder ft/min, festgelegt durch die Wegbedingung G96, b) Direkte Programmierung der Spindeldrehzahl in 1/min, festgelegt durch die Wegbedingung G97. 7 Beispiele konstante Schnittgeschwindigkeit S12.5 ! Schnittgeschwindigkeit 12,5 m/min direkte Programmierung der Spindeldrehzahl S1000 ! Spindeldrehzahl 1000 1/min 9

Besitzt die Werkzeugmaschine kein Werkzeugmagazin, so muss bei Aufruf eines Werkzeugs das der Werkzeugnummer zugeordnete Werkzeug von Hand der Werkzeugaufnahme zugeführt werden. Im Werkzeugspeicher sind außerdem Korrekturangaben zur Werkzeuglänge und zum Werkzeugdurchmesser (Bohren/Fräsen) oder zum Schneidenradius (Drehen) abgespeichert. Bei einigen Steuerungen wird an die Werkzeugnummer zusätzlich eine zweistellige Nummer für den Korrekturspeicher angehängt. Werkzeugnummer und Korrekturspeicher müssen nicht identisch sein. 7 Beispiel

9 b) Werkzeugaufruf T und Werkzeugkorrektur D Der Werkzeugspeicher (T) legt das Werkzeug fest, der Werkzeugkorrekturspeicher (D) enthält die Korrekturdaten (Länge, Durchmesser, Schneidenradius).

68

1396

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

7 Beispiel

9 68.4.4.9

Zusatzfunktionen M

Die Zusatzfunktionen werden mit der Adresse M programmiert. Bei den Adresswerten handelt es sich um zwei-

. Tabelle 68.3 Zusatzfunktionen M und zugeordnete Funktionen

68

stellige frei verschlüsselte Zahlen, denen frei Funktionen zugeordnet sind. Die Zusatzfunktionen enthalten vorwiegend technologische Informationen, sofern diese nicht unter den Adressen F, S oder T programmierbar sind. . Tab. 68.3 zeigt alle in DIN 66025, Teil 2 genormten Verschlüsselungen der Zusatzfunktionen M. 68.5

Kreisprogrammierung beim Drehen und Fräsen

Der gängige Satzaufbau für die Kreis(-bogen)programmierung sowohl beim Drehen als auch beim Fräsen enthält die Angaben:

M00

*, e

Programmierter Halt

M01

*, e

Wahlweiser Halt

M02

*, e

Programmende

M03

m, a

Spindeldrehung im Uhrzeigersinn

M04

m, a

Spindeldrehung im Gegenuhrzeigersinn

M05

m, e

Spindel Halt

M06

*

Werkzeugwechsel

M07

m, a

Kühlschmiermittel Nr. 2 EIN

M08

m, a

Kühlschmiermittel Nr. 1 EIN

M09

m, e

Kühlschmiermittel AUS

M10

m

Klemmen

M11

m

Lösen

Vor dem Programmieren von Kreisen oder Kreisbögen muss festgelegt werden, ob das Werkzeug im Uhrzeigersinn (G02) oder im Gegenuhrzeigersinn (G03) fahren soll. Hierzu schaut man immer aus Richtung einer positiven Hauptachse senkrecht auf diejenige Hauptebene, in der die Arbeitsbewegung stattfindet.

M12–M18

v

M19

m, e

Spindel Halt mit definierter Endstellung

68.5.1

M20–M29

s

M30

*, e

Programmende mit Rücksetzen zum Programmanfang

Der Satzaufbau für die Kreisprogrammierung beim Drehen enthält die Adressen:

M31

*

Aufhebung einer Verriegelung

M32–M39

v

M40–M45

v

Satznummer Wegbedingung Koordinaten des Kreis(-bogen)-Zielpunktes Kreisinterpolationsparameter evtl. technologische Angaben

v

M48

m, e

Überlagerungen wirksam

M49

m, a

Überlagerungen unwirksam

M50–M57

v

M58

m, a

Konstante Spindeldrehzahl AUS

M59

m, a

Konstante Spindeldrehzahl EIN

M60

*, e

Werkstückwechsel

M61–M89

v

M90–M99

s

m: modal (selbsthaltend), *: satzweise wirksam, a: sofort wirksam, e: am Satzende wirksam, v: vorläufig (frei verfügbar), s: ständig (frei verfügbar)

(I . . . , J . . . , K . . . ) (F . . . , S . . . , T . . . , M . . . )

Kreisprogrammierung beim Drehen

N: : : G: : : X: : : Z: : : I: : :K 68.5.1.1

M46–M47

(N . . . ) (G . . . ) (X . . . , Y . . . , Z . . . )

Wegbedingungen G02 und G03

Für die korrekte Festlegung der Wegbedingung bei der Kreisinterpolation ist zu unterscheiden, ob das Werkzeug vor der Drehmitte oder hinter der Drehmitte liegt. 68.5.1.2

Koordinaten des Kreisbogen-Zielpunktes Pz

Nach der Wegbedingung werden die Koordinaten des Kreisbogen-Zielpunktes PZ programmiert. Als Koordinatenwert in X-Richtung wird bei Absolutbemaßung (G90) bei fast allen Drehmaschinensteuerungen der Durchmesser programmiert, bei Inkrementalbemaßung (G91) dagegen die Maßänderung des Radius. Der Koordinatenwert in Z-Richtung wird bei Absolutbemaßung immer auf den Werkstücknullpunkt bezogen programmiert, bei Inkrementalbemaßung dagegen als Relativmaß.

1397 68.5  Kreisprogrammierung beim Drehen und Fräsen

68.5.1.3

Kreisinterpolationsparameter

Nach den Koordinaten des Kreisbogen-Endpunktes werden die Kreisbogeninterpolationsparameter I und K programmiert, mit denen der Kreismittelpunkt auf den Kreisanfangspunkt bezogen festgelegt wird, siehe 7 Abschn. 68.5.2.3, Kreisinterpolationsparameter. . Abb. 68.4 und 68.5 zeigen die Kreisprogrammierung beim Drehen im Uhrzeigersinn und im Gegenuhrzeigersinn.

68.5.2

Kreisprogrammierung beim Fräsen

Die Wahl der Adressen und damit der Satzaufbau hängt beim Fräsen davon ab, in welcher Hauptebene die Kreisinterpolation erfolgen soll, sofern die Steuerung eine 2-aus-3 D- oder 3 D-Interpolation erlaubt. In diesem Fall muss beim Fräsen im Gegensatz zum Drehen zusätzlich diejenige der drei Hauptebenen programmiert werden, in der ein Kreis(-bogen) gefahren werden soll. Programmiert wird die Ebenenauswahl der Hauptebene X/Y durch die Wegbedingung G17, die der Hauptebene X/Z durch G 18 und die der Hauptebene Y/Z durch G 19. Damit ergeben sich für die Kreisprogrammierung beim Fräsen drei Möglichkeiten des Satzaufbaus. a) Kreis(bogen) in der X/Y-Ebene (G17) N ... G ... X ... Y ... I ... J ... b) Kreis(bogen) in der X/Z-Ebene (G18) N ... G ... X ... Z ... I ... K ... c) Kreis(bogen) in der Y/Z-Ebene (G19) N ... G ... Y ... Z ... J ... K ... 68.5.2.1

Wegbedingungen G02 und G03

Blickt man aus Richtung einer positiven Hauptachse senkrecht auf eine Hauptebene, so gilt für alle drei Hauptebenen:

. Abb. 68.4 Kreisprogrammierung im Uhrzeigersinn (G02) beim Drehen. Bemaßung absolut (G90)

9 ! Bewegung im Uhrzeigersinn > > = ist zu pro! Wegbedingung G02 ! Bewegung im Gegenuhrzeigersinn> grammieren: > ; ! Wegbedingung G03 68.5.2.2

Koordinaten des Kreisbogen-Zielpunktes Pz

Nach der Wegbedingung werden die Koordinaten des Kreisbogen-Zielpunktes Pz programmiert.

. Abb. 68.5 Kreisprogrammierung im Gegenuhrzeigersinn (G03) beim Drehen. Bemaßung absolut (G90)

. Abb. 68.6 Kreisprogrammierung im Uhrzeigersinn (G03) beim Fräsen

68

1398

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

68.6

. Abb. 68.7 Kreisprogrammierung im Gegenuhrzeigersinn (G03) beim Fräsen

Die Koordinaten ergeben sich aus der Hauptebene, in der der Kreisbogen gefahren wird. Alle Koordinatenwerte werden absolut oder inkremental auf den Werkstücknullpunkt bezogen programmiert. 68.5.2.3

Kreisinterpolationsparameter

Nach den Koordinaten des Kreisbogen-Endpunktes werden die Kreisinterpolationsparameter I/J, I/K oder J/K programmiert, mit denen der Kreismittelpunkt auf den Kreisanfangspunkt bezogen festgelegt wird. . Abb. 68.6 und 68.7 zeigen die Kreisprogrammierung beim Fräsen im Uhrzeigersinn und im Gegenuhrzeigersinn.

68

. Abb. 68.8 Werkzeugkarteiblatt für Drehmeißel

Werkzeugkorrekturen beim Drehen und Fräsen

Moderne CNC-Steuerungen enthalten Funktionen, die es gestatten, Werkzeugkorrekturen zu programmieren. Unter Werkzeugkorrektur ist das automatische Verrechnen von Werkzeuglängen, -durchmessern oder -radien mit der Teilegeometrie zu verstehen. Dies bedeutet für die Programmierung, dass im Teileprogramm nur die Geometriedaten für die Fertigkontur stehen (so genannte Konturprogrammierung). Die Korrekturangaben für die Werkzeuge werden gesondert an die CNC-Steuerung übergeben. Hierzu stehen meist zwei Eingabemöglichkeiten zur Wahl. a) Manuelle Eingabe der Korrekturdaten Der Maschinenbediener gibt die Korrekturdaten über die Steuerungstastatur unmittelbar an der Maschine in den Werkzeugspeicher der Steuerung ein. b) Automatisches Einlesen der Korrekturdaten Die Korrekturdaten werden von einem Korrekturdatenträger (Lochstreifen, Magnetband usw.) über ein geeignetes Eingabegerät oder aus einem Datenspeicher in den Werkzeugspeicher der CNC-Steuerung eingespielt. Es ist auch möglich, die Daten über Datenleitungen aus größeren Entfernungen in die Maschinensteuerung zu überspielen. Das Trennen der Teilegeometrie von der Werkzeuggeometrie hat betriebsorganisatorische Gründe. Änderungen der Werkzeugmaße durch Verschleiß oder Werkzeugbruch können somit unmittelbar an der Maschine in den Werkzeugspeicher eingegeben werden, ohne zeitaufwändige Programmänderungen vornehmen zu müssen.

1399 68.6  Werkzeugkorrekturen beim Drehen und Fräsen

Beispiel

Voreingestellte Werkzeuglänge laut Karteiblatt ! 150 mm; Aufruf des Speichers H02 (Speicher vorher auf null gesetzt); Eingabe von Z C 150

Die vom Maschinenbediener direkt an der Steuerungskonsole in den Werkzeugkorrekturspeicher einzugebenden Maße werden in aller Regel einem Werkzeugkarteiblatt entnommen (. Abb. 68.8). Daneben bieten einige Steuerungen die Möglichkeit, Werkzeugkorrekturdaten unmittelbar in das Teileprogramm zu schreiben.

68.6.1

Werkzeuglängenkorrektur beim Bohren und Fräsen

Der Korrekturwert für die Werkzeuglängenkorrektur (Bohrer- oder Fräserlänge) liegt bei Senkrechtkonsolfräsmaschinen in Z-Richtung. Das voreingestellte Längenmaß ist dabei das Maß von der Anschlagfläche der Werkzeugaufnahme an die Spindelnase bis zur Werkzeugspitze (. Abb. 68.9). Das ermittelte Längenmaß wird z. B. unter der Adresse H und einem gewählten Speicherplatz, z. B. 02, abgespeichert. Der Speicher muss vor Eingabe der Werkzeuglänge auf null gesetzt werden. Wird durch das Programm die Werkzeuglängenkorrektur aufgerufen, so erfolgt steuerungsintern das automatische Verrechnen der voreingestellten Werkzeuglänge (Z C 150) mit den programmierten Z-Werten.

. Abb. 68.9 Werkzeuglängenkorrektur beim Bohren und Fräsen

Würde keine Längenkorrektur erfolgen, so käme es bei Anfahren des Werkstücknullpunktes in Z-Richtung zwangsläufig zum Werkzeugbruch, da die Maschine versuchen würde, bis zur Spindelnase zu verfahren. 68.6.1.1

Veränderung der Werkzeuglänge

Ändert sich die voreingestellte Werkzeuglänge durch Nachschleifen oder weil ein neues Werkzeug eingesetzt wurde, so kann die Längenänderung als Korrekturwert Z in den Speicher eingegeben werden. Der Korrekturwert wird zu dem im Speicher stehenden Längenwert Z addiert oder von ihm subtrahiert. 68.6.2

Fräser-Radiuskorrektur

Soll eine Werkstückkontur gefräst werden, so muss der Werkzeugmittelpunkt auf einer Bahn verlaufen, die um den Radius des Werkzeuges versetzt neben der Werkstückkontur liegt (. Abb. 68.10). Die Fräsermittelpunktsbahn, auch Äquidistante genannt, muss bei Steuerungen ohne Fräser-Radiuskorrektur unter Berücksichtigung des Werkzeugradius errechnet wer-

. Abb. 68.10 Fräser-Radiuskorrektur

68

1400

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

den. Das Errechnen erfordert umso höheren Aufwand, je mehr Kreisbögen oder nicht-achsparallele Strecken die Kontur enthält. Bei der Fräser-Radiuskorrektur gibt es nach Norm den Unterschied zwischen der (einfachen) achsparallelen Korrektur (Streckensteuerung) und der komfortablen Bahnkorrektur. Steuerungen mit 2-aus-3 D- oder 3 D-Interpolation enthalten generell die Bahnkorrektur, welche die achsparallele Korrektur mit einschließt. 68.6.2.1

Bahnkorrektur

Bei der Fräser-Bahnkorrektur ermittelt die CNC-Steuerung durch Verrechnen des Fräserradius mit der programmierten Kontur selbsttätig die Fräsermittelpunktsbahn (Äquidistante), wodurch z. B. automatisch Hilfsschnittpunkte berechnet oder Hilfskreise an Konturübergängen in die Fräsermittelpunktsbahn eingefügt werden. Hierdurch wird es möglich, beliebige Konturverläufe zu zerspanen. Wie bei der achsparallelen Korrektur gibt es bei der Bahnkorrektur zwei Korrekturlagen des Werkzeuges: ! links von der Kontur oder ! rechts von der Kontur. Links

von der Kontur bedeutet: von der Hauptspindel aus gesehen bewegt sich das Werkzeug in Vorschubrichtung links von der Kontur. Rechts von der Kontur bedeutet: von der Hauptspindel aus gesehen bewegt sich das Werkzeug in Vorschubrichtung rechts von der Kontur. Beide Fräser-Radiuskorrekturen werden durch G-Wörter aufgerufen:

. Abb. 68.11 Fräser-Bahnkorrektur

68.6.2.2

Die Werkzeugradiuskorrektur sollte immer vor dem Anfahren an die Kontur aktiviert werden, da es andernfalls zu Konturzerstörungen oder Kollisionen kommen kann. Entsprechend sollte das Aufheben einer Werkzeugradiuskorrektur erst dann erfolgen, wenn die Kontur verlassen wurde. Wird eine Kontur mit aktivierter Werkzeugradiuskorrektur unter einem Anfahrwinkel kleiner als 180ı angefahren oder unter einem Abfahrwinkel kleiner als 180ı verlassen, so wird die Kontur nicht vollständig bearbeitet. Eine vollständige Konturbearbeitung ist dann sichergestellt, wenn sowohl der Anfahr- als auch Abfahrwinkel größer als 180ı ist (. Abb. 68.12).

! Fräser-Radiuskorrektur links durch G41, ! Fräser-Radiuskorrektur rechts durch G42. 68.6.3

68

Das Löschen der modal wirksamen Fräser-Radiuskorrekturen erfolgt durch G40. Vor Aufruf der Fräserbahnkorrektur muss gegebenenfalls die Hauptebene adressiert werden, in der die Korrektur erfolgen soll. . Abb. 68.11 zeigt die Vorschubrichtung und die Werkzeuglage zur Kontur bei G41 und G42. Nach Start eines CNC-Programmes kann eine Fräser-Radiuskorrektur nur dann wirksam werden, wenn mit Aufruf der Wegbedingungen G41 oder G42 auch der Korrekturspeicher mit dem Werkzeugradius aufgerufen wird. 7 Beispiel N . . . G41 X10 . . . D02 LF G41 ruft Korrekturwert (z. B. R D 5 mm) aus Speicher D02 ab 9

Anfahren zur Kontur und Abfahren von der Kontur unter Berücksichtigung der Bahnkorrektur

Werkzeugkorrekturen beim Drehen

Folgende Angaben sind für die Werkzeugkorrektur beim Drehen erforderlich: ! Werkzeuglängenmaße ! Schneidenradiuskorrektur ! und je nach Steuerungsfabrikat die Werkzeug-Einstellposition. Die Korrekturdaten können wie beim Fräsen/Bohren manuell oder über eine Datenleitung in den Korrekturspeicher eingespielt werden. 68.6.3.1

Werkzeuglängenmaße

Die Werkzeuglängenmaße sind die Abstände der Schneidenecke in X- und Z-Richtung bezogen auf den Werk-

1401 68.6  Werkzeugkorrekturen beim Drehen und Fräsen

68.6.3.2

. Abb. 68.12 Anfahren zur Kontur und Abfahren von der Kontur unter Berücksichtigung der Fräser-Bahnkorrektur

zeugbezugspunkt (WZ). Der Werkzeugbezugspunkt liegt vorbestimmt am Werkzeugträger und ist Bezugspunkt für alle eingesetzten Werkzeuge (. Abb. 68.13). Die Bemaßung der Werkzeugschneide bezieht sich meist nur auf eine theoretische (spitze) Schneidenecke P, da diese in der Praxis aus technologischen Gründen abgerundet wird (. Abb. 68.13).

Schneidenradiuskorrektur (Schneidenradiuskompensation)

Durch die Abrundung der Schneidenecke ist zu beachten, dass je nach Lage der Werkzeugschneide an der zu zerspanenden Kontur die konturerzeugende Tangente durch den Berührpunkt B nicht mehr durch die theoretische Schneidenecke P läuft. Die theoretische Schneidenecke P und die konturerzeugende Tangente durch B liegen nur dann auf einer gemeinsamen Geraden, wenn diese parallel zur X- oder Z-Achse liegt (Zerspanung längs oder plan). Bei nicht-achsparalleler Vorschubrichtung kommt es ohne Schneidenradiuskorrektur, auch Schneidenradiuskompensation genannt, zu mehr oder weniger großen Maßabweichungen von der Sollkontur, also zu Konturverzerrungen (. Abb. 68.14). Die Größe der (maximalen) Konturabweichung beim Drehen ohne Schneidenradiuskorrektur lässt sich rechnerisch bestimmen (. Abb. 68.15). Beim Drehen mit Schneidenradiuskorrektur erfolgt die steuerungsinterne Berechnung der Werkzeugbahn im Prinzip wie beim Fräsen mit Bahnkorrektur. Die Äquidistante ist in diesem Fall die Mittelpunktsbahn des Mittelpunktes M der abgerundeten Schneidenecke (. Abb. 68.16). Es gibt zwei Korrekturlagen des Werkzeuges: ! links von der Kontur oder ! rechts von der Kontur.

. Abb. 68.13 Bezugspunktvermassung der Werkzeugabmessungen

. Abb. 68.14 Drehen ohne Schneidenradiuskorrektur

68

1402

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

. Abb. 68.15 Drehen ohne Schneidenradiuskorrektur

. Abb. 68.17 Unterscheidung der Werkzeugkorrekturen rechts und links bei der Schneidenradiuskorrektur

. Abb. 68.16 Drehen mit Schneidenradiuskorrektur

Zusätzlich zur Korrekturlage ist anzugeben, ob das Werkzeug vor oder hinter der Drehmitte steht. a) Werkzeug hinter der Drehmitte von der Kontur bedeutet: Das Werkzeug liegt in Vorschubrichtung links von der Kontur. Rechts von der Kontur bedeutet: Das Werkzeug liegt in Vorschubrichtung rechts von der Kontur.

. Abb. 68.18 Zusammenhang zwischen der Ist- und der Sollkontur unter Berücksichtigung der Werkzeug-Einstellposition

Links

68

b) Werkzeug vor der Drehmitte Wie schon bei der Kreisinterpolation muss von unten auf die XZ-Ebene geschaut werden. Dadurch wird links und rechts im Gegensatz zur Werkzeuglage „hinter der Drehmitte“ vertauscht. Programmiert wird die Schneidenradiuskorrektur durch die Wegbedingungen: G41 ! Schneidenradiuskorrektur links von der Kontur, G42 ! Schneidenradiuskorrektur rechts von der Kontur. Das Löschen erfolgt durch die Wegbedingung G40.

. Abb. 68.17 zeigt die Werkzeuglage zur Kontur unter zusätzlicher Berücksichtigung, ob das Werkzeug vor oder hinter der Drehmitte liegt. Die Eingabe des Schneidenradius Rs erfolgt entweder manuell unmittelbar an der Steuerung, mittels Datenträger oder über Datenleitungen. 68.6.3.3

Werkzeug-Einstellposition

Je nach Einsteilposition des Werkzeuges haben die theoretischen Schneidenecke P und der Mittelpunkt M der abgerundeten Schneidenecke unterschiedliche Lagen zueinander. In . Abb. 68.18 ist dargestellt, dass die Istkontur (erzeugt durch Berührpunkt B) und die Sollkontur (erzeugt durch die theoretische Schneidenecke P) je nach Lage der theoretischen Schneidenecke in unterschiedlicher Richtung voneinander abweichen.

1403 68.7  Programmierbeispiel

Neben den Werkzeugabmessungen und der Schneidenradiuskorrektur muss deshalb bei einigen Steuerungen zusätzlich die Einstellposition der Werkzeugschneide als Korrekturangabe eingegeben werden. Ein Prinzip zur Beschreibung der Einstellposition ist die Angabe von Einstellpositionsziffern. Es werden acht

unterschiedliche Lagen der Werkzeugschneide im Arbeitsraum festgelegt. . Abb. 68.19 zeigt die Zuordnung der Einstellpositionsziffern 1 . . . 8 in Abhängigkeit von der Werkzeugorientierung und unter Berücksichtigung der positiven X-Achse. Ein weiteres Prinzip ist die Lagebeschreibung der theoretischen Schneidenecke P zum Mittelpunkt M über die Parameter I und K, für die je nach Schneidenlage entweder null oder die Größe des Schneidenradius vorzeichenrichtig eingesetzt werden muss (. Abb. 68.19).

68.7 68.7.1

Programmierbeispiel Grundsätze für das manuelle Programmieren

Zuerst sollte ein Arbeitsplan als Grundlage für die Programmerstellung aufgestellt werden. Anstelle eines Arbeitsplanes kann auch eine Skizze des zu fertigenden Werkstücks erstellt werden, in der z. B. Bezugspunkte, Verfahrwege und -richtungen sowie technologische Angaben eingetragen werden. . Tab. 68.4 zeigt eine tabellarische Ablaufplanung.

. Tabelle 68.4 Vorgehensweise bei der manuellen Programmerstellung

. Abb. 68.19 Korrekturangaben der Werkzeugeinstellposition

1

Werkstück-Nullpunkt festlegen

2

Geometrische Angaben festlegen – Programmierung in Absolut- oder Inkrementalbemaßung – Nullpunktverschiebung z. B. bei Unterprogrammen

3

Arbeitsplan erstellen – Anfahrpunkt(e) an die Kontur (wichtig für Werkzeugradiuskorrektur und Einfahrkreise) – Richtung der Verfahrwege (wichtig für Werkzeugradiuskorrektur) – Spindeldrehzahl – Vorschub – Werkzeug – Kühlschmierung

4

Programm schreiben – Arbeitsschritte DIN-gerecht und unter Berücksichtigung der steuerungsspezifischen Abwandlungen in die Programmiersprache übersetzen

5

Programm-Eingabe – unmittelbar an der Steuerungskonsole – über Teletype – über Programmiergerät/Personalcomputer

6

Programm-Test – Zeichnungsplot der Kontur und Verfahrwege – grafisch-dynamische Simulation

7

Programm-Korrektur oder -Optimierung

8

Programm abarbeiten

68

1404

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

. Abb. 68.20 Auswerfer

68.7.2

Steuerungsfunktionen im Einschaltzustand

Bei der Inbetriebnahme einer CNC-Steuerung werden bestimmte G-Funktionen selbstständig von der Steuerung voreingestellt (initialisiert). Es handelt sich dabei meist um folgende, modal wirksame G-Funktionen: G00, G17, G40, G53, G 90 sowie G94.

68.7.3

68

Programmierbeispiel Fräsen/Bohren

Bei dem Werkstück handelt es sich um einen Auswerfer mit umlaufend 2 mm Aufmaß, wobei die Kontur mit einer Tiefenzustellung von 15 mm zu zerspanen ist. Weiterhin ist eine Rechtecktasche 10 mm tief auszuräu- . Abb. 68.21 Auswerfer mit Konturpunkten P0 –P41 und Werkzeugvermen. Zusätzlich ist ein Lochreis mit vier Durchgangsboh- fahrwegen rungen von 6 mm Durchmesser zu bohren. . Abb. 68.20 zeigt das vollständig bemaßte Werkstück. 1 c) Arbeitsplan erstellen . Abb. 68.21 zeigt die Verfahrwege der Werkzeuge in 1 a) Werkstücknullpunkt W festlegen Einzelschritte zerlegt. Die Kontur wird im Uhrzeigersinn Am Werkstück werden zwei Werkstücknullpunkte festge- umfahren, die Rechtecktasche wird wegen Beibehaltung legt. Der Werkstücknullpunkt W1 wird im Einrichtbetrieb der Radiuskorrektur im Gegenuhrzeigersinn ausgeräumt. bestimmt. Er liegt in der linken unteren Werkstückecke an Arbeitsebene ist die X/Y-Ebene, G17 ist Einschaltzuder Werkstückoberkante. stand der Steuerung. Vom Werkstücknullpunkt W1 aus ist die Außenkontur a) Zerspannung Kontur und Rechtecktasche sowie die Rechtecktasche bemaßt. Der Werkstücknullpunkt Vorschub s D 120 mm/min W2 ist unter der Adresse G59 gespeichert. Er liegt in der Schnittgeschwindigkeit c D 170 m/min Mitte des Lochkreises. Die Maßprogrammierung des LochWerkzeug Schaftfräser 8 mm Durchmesser kreises bezieht sich auf den Werkstücknullpunkt W2. b) Bohren der vier Bohrungen ¿ 6 mm Vorschub s D 45 mm 1 b) Geometrische Angaben festlegen Schnittgeschwindigkeit c D 20 m/min Alle Maße werden absolut programmiert; G90 ist EinWerkzeug Wendelbohrer, Typ N, ¿ 6 mm schaltzustand der Steuerung. c) Programm schreiben

1405 68.7  Programmierbeispiel

. Abb. 68.22 Programmliste zum Programmierbeispiel Fräsen/Bohren

68

1406

68

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

%490306 N0 G00 Z200 N1 X30 Y–25 T0101 M06 N2 Z–15 F120 S170 M03 N3 G41 X10 Y–10 N4 G01 Y25 N5 X20 Y60 N6 X45 N7 G03 X55 Y70 I0 J10 N8 G01 Y85 N9 X85 N10 G02 X98.332 Y76.874 I0 J–15 N11 G01 X117.776 Y39.166 N12 G02 X100 Y10 I–17.8 J–9.07 N13 G01 X84.365 N14 G03 X45.635 I–19.365 J–35 N15 G01 X0 N16 G40 N17 G00 Z2

Programmanfangszeichen und Programmnummer Eilgang Werkzeugwechselposition in Z-Achse Werkzeugwechselposition Aufruf Werkzeug Nr. 01 und Werkzeugspeicher 01 Werkzeugwechsel ausf ühren

Konturpunkt

P0

Zustellung auf Frästiefe 15 mm Vorschub 120 mm/min Schnittgeschwindigkeit 170 m/min Spindeldrehung im Uhrzeigersinn Werkzeugradiuskorrektur links P1 Anfahrpunkt an die Kontur Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel

P2

Linearbewegung

P3

Linearbewegung achsparallel

Kreisinterpolation im Gegenuhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen im Radius R10

P4

P5

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel Linearbewegung achsparallel Kreisinterpolation im Uhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R15

P6 P7

P8

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung

Kreisinterpolation im Uhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R20

P9

P10

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel Kreisinterpolation im Gegenuhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R40 Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel Werkzeugradiuskorrektur AUS Eilgang Linearbewegung achsparallel

. Abb. 68.23 Programmerläuterung zum Programmierbeispiel Fräsen/Bohren

P11

P12

P13 P13 P14

1407 68.7  Programmierbeispiel

%490306 N18 X59 Y30 N19 G01 Z–10 N20 G41 X76 Y26 N21 G03 X85 Y35 I0 J9 N22 G03 X80 Y40 I–5 J0 N23 G01 X60 N24 G03 X55 Y35 I0 J–5 N25 G01 Y25 N26 G03 X60 Y20 I5 J0 N27 G01 X80 N28 G03 X85 Y25 I0 J5 N29 G01 Y35 N30 G40 M05 N31 G00 Z200 N32 X30 Y–25 T0202 M06 N33 G59 N34 G95 Z2 F.45 S20 M03

. Abb. 68.23 (Fortsetzung)

Programmanfangszeichen und Programmnummer

Konturpunkt

Positionierung über Rechtecktasche

P15

Linearinterpolation Zustellung auf Frästiefe 10 mm

P16

Werkzeugradiuskorrektur links Position innerhalb Kreistasche

P17

Einfahrweis im Uhrzeigersinn an Taschenkontur innen

P18

Kreisinterpolation im Gegenuhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R5

P19

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel Kreisinterpolation im Gegenuhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R5

P20

P21

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel Kreisinterpolation im Gegenuhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R5

P22

P23

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel Kreisinterpolation im Gegenuhrzeigersinn Endpunkt Kreisbogen mit Radius R5

P24

P25

Kreismittelpunkt

Linearinterpolation Linearbewegung achsparallel

P26

Werkzeugradiuskorrektur AUS Spindeldrehung AUS

P27

Eilgang Werkzeugwechselposition in Z-Achse

P27

Werkzeugwechselposition P28 Aufruf Werkzeug Nr. 02 und Werkzeugspeicher 02 Werkzeugwechsel ausführen Aufruf der gespeicherten Nullpunktverschiebung W2 Vorschub in mm/U Sicherheitsabstand Vorschub 0.45 mm/U Schnittgeschwindigkeit 20 m/min Spindeldrehung im Uhrzeigersinn

68

1408

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

%490306 N35 G00 X7.07 Y7.07 N36 G01 Z–28 N37 G00 Z2 N38 X–7.07 N39 G01 Z–28 N40 G00 Z2 N41 Y–7.07 N42 G01 Z–28 N43 G00 Z2 N44 X7.07 N45 G01 Z–28 N46 G00 Z200 N47 X30 Y–25 N48 M30

Programmanfangszeichen und Programmnummer Eilgang Positionierung über Bohrung 1

Konturpunkt P29

Linearinterpolation Linearbewegung auf Bohrtiefe

P30

Eilgang Linearbewegung auf Sicherheitsabstand

P31 P32

Positionierung über Bohrung 2 Linearinterpolation Linearbewegung auf Bohrtiefe Eilgang Linearbewegung auf Sicherheitsabstand

P33

P34

Positionierung über Bohrung 3

P35

Linearinterpolation Linearbewegung auf Bohrtiefe Eilgang Linearbewegung auf Sicherheitsabstand

P36

P37

Positionierung über Bohrung 3

P38

Linearinterpolation Linearbewegung auf Bohrtiefe

P39

P40

Werkzeugwe chsel pos it ion

P41

Programmende mit Rücksetzen der Steuerung in Anfangszustand

. Abb. 68.23 (Fortsetzung)

68.8

68

Besondere Programmierfunktionen für das Bohren, Fräsen und Drehen

Komfortable CNC-Steuerungen bieten ergänzend zur DIN 66025 dem Programmierer Steuerungsfunktionen, die das Erstellen vieler Programme erheblich vereinfachen. Als besondere Programmierfunktionen oder -techniken sind Zyklen, Unterprogramme, Programmschleifen sowie Koordinatentransformationen, Spiegeln von Konturen oder Variablenprogrammierung zu nennen. Bei der Behandlung von Beispielen geschieht dies steuerungsspezifisch. Dargestellte Wegbedingungen sind in der Regel nach Norm frei belegbar und damit abhängig vom Steuerungsfabrikat mit unterschiedlichen Funktionen belegt.

68.8.1

Zyklen

Bei den Zyklen handelt es sich um vorprogrammierte Funktionen, die jederzeit abrufbar in einer Steuerung abgespeichert sind. Zyklen vereinfachen den Programmieraufwand für häufig vorkommende Fertigungsabläufe wie beispielsweise Nutenfräsen, Bohren oder achsparalleles Drehen, da meist nur wenige Bearbeitungswerte für komplexe Arbeitsgänge programmiert werden müssen. Für die wichtigen Bearbeitungsverfahren Bohren, Fräsen und Drehen gibt es eine Vielzahl von Bearbeitungszyklen, von denen allerdings nur die Bohrzyklen genormt sind.

1409 68.8  Besondere Programmierfunktionen für das Bohren, Fräsen und Drehen

. Tabelle 68.5 Bohrzyklen und zugeordnete Funktionen Arbeitszyklus Nr.

Wegbedingung

1

G81

2

Arbeitsbewegung ab Vorschub-Startpunkt

auf Tiefe

Rückzugsbewegung bis Vorschub-Startpunkt

Anwendungsbeispiel

verweilen

Spindel

mit Arbeitsvorschub





mit Eilgang

Bohren, Zentrieren

G82

mit Arbeitsvorschub

ja



mit Eilgang

Bohren, Plansenken

3

G83

mit unterbrochenem Arbeitsvorschub





mit Eilgang

Tieflochbohren, Spänebrechen

4

G84

Vorwärtsdrehung mit Arbeitsvorschub



umkehren

mit Arbeitsvorschub

Gewindebohren

5

G85

mit Arbeitsvorschub





mit Arbeitsvorschub

Ausbohren 1, Reiben

6

G86

Spindel ein, mit Arbeitsvorschub



Halt

mit Eilgang

Ausbohren 2

7

G87

Spindel ein, mit Arbeitsvorschub



Halt

mit Handbedienung

Ausbohren 3

8

G88

Spindel ein, mit Arbeitsvorschub

ja

Halt

mit Handbedienung

Ausbohren 4

9

G89

mit Arbeitsvorschub

ja



mit Arbeitsvorschub

Ausbohren 5

Allgemein werden die Zyklen über G-Wörter adressiert. Abweichend davon erfolgt bei einigen Steuerungsfabrikaten die Adressierung der Zyklen durch L-Wörter oder durch Klartexteingabe. Der Satzaufbau bei den dargestellten Bearbeitungszyklen ist ebenfalls steuerungsspezifisch unterschiedlich. 68.8.1.1

Bohrzyklen

In DIN 66025 sind insgesamt neun Bohrzyklen genormt. Mit den genormten Bohrzyklen stehen Funktionen für das Bohren, Tieflochbohren, Zentrieren, Senken, Reiben sowie Gewindeschneiden zur Verfügung, sofern diese in einer Steuerung gespeichert sind. . Tab. 68.5 zeigt die Zuordnung der Funktionen zu den jeweiligen Bohrzyklen. Der Aufruf der Bohrzyklen erfolgt durch die Wegbedingungen G81 bis G89. Aufgehoben werden die Bohrzyklen G81 bis G89 durch die Wegbedingung G80. Im Folgenden wird der Bohrzyklus G81 anhand der Steuerung Sinumerik 3M näher beschrieben. Die Maßangaben werden Parametern (R02, R03) zugewiesen (. Abb. 68.24). 7 Beispiel Programmsatz mit Bohrzyklus G81, Bohrachse ist die Z-Achse 9

68.8.1.2

Fräszyklen

Sofern eine Steuerung Fräszyklen anbietet, sind diese nicht genormten Zyklen für Standardbearbeitungen wie 4 Lochkreise 4 Nuten

. Abb. 68.24 Bohrzyklus G81, Bohren/Zentrieren

4 Rechtecktaschen 4 oder Kreistaschen vorbereitet. Die Fräszyklen werden meist über G-Wörter adressiert, die nach Norm ständig frei verfügbar sind oder die vom Steuerungshersteller nicht mit genormten Funktionen belegt wurden (. Tab. 68.2). In Abhängigkeit vom Steuerungsfabrikat werden gleiche Fräszyklen mit unterschiedlichen Adresswerten programmiert. Nachfolgend wird ein Fräszyklus zum Ausräumen von Rechtecktaschen durch Schruppen im Gegenlauf anhand der Deckel Dialogsteuerung 2 beschrieben. Der Fräszyklus wird durch G71 aufgerufen. Maßangaben werden bei der Steuerung in Mikrometer, Vorschübe in mm/min und Drehzahlen in 1/min programmiert (. Abb. 68.25).

68

1410

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

Beispiel: Programmsatz mit Fräszyklus

G37 abschließend in einem Schnitt entlang der programmierten Kontur abgespant (. Abb. 68.26). Maßangaben werden bei der Steuerung in Millimeter angegeben.

68.8.2

. Abb. 68.25 Rechtecktaschen – Fräszyklus G71

68.8.1.3

Drehzyklen

Sofern eine Steuerung Drehzyklen anbietet, sind diese nicht genormten Zyklen für häufig vorkommende Bearbeitungen wie 4 Längs- oder Planschruppen 4 Abspanen längs einer beliebigen Kontur 4 Gewindedrehen 4 Drehen radialer oder axialer Einstiche 4 Drehen von Freistichen gemäß Norm 4 Drehen von Fasen 4 sowie automatisches Ausmessen von Werkzeugen vorbereitet.

68

Die Drehzyklen werden meist durch G-Wörter adressiert. Wie die Fräszyklen werden auch die Drehzyklen steuerungsspezifisch mit unterschiedlichen Adresswerten programmiert. Nachfolgend wird ein Drehzyklus zum Längsdrehen mit anschließendem Konturschnitt anhand der Gildemeister EPL-Steuerung näher beschrieben. Der Drehzyklus wird durch G81 und G37 aufgerufen. Es handelt sich dabei um zwei in einem Satz geschriebene Arbeitszyklen. Der Drehzyklus G81 ist ein Schruppzyklus, der den programmierten Konturzug mit vorgegebener Zustellung achsparallel zerspant. An Konturübergängen wie Radien oder Schrägen bleiben durch die schrittweise Zustellung Stufen stehen. Diese Stufen werden mit dem Drehzyklus

Unterprogrammtechnik

Unterprogramme sind Programmteile, die nur einmal programmiert werden und im Hauptprogramm mehrfach aufgerufen werden können. Zweckmäßig ist dies immer dann, wenn auf einem Werkstück beispielsweise mehrfach wiederkehrende, gleiche Konturabschnitte zerspant werden müssen. Dadurch wird die Programmlänge erheblich verkürzt. 68.8.2.1

Aufbau eines Unterprogramms

Der formale Aufbau eines Unterprogramms unterscheidet sich in der Regel nicht von einem Hauptprogramm. Das Unterprogramm beginnt mit dem Programmanfangszeichen und einer Programmnummer, das Programmende wird im letzten Unterprogrammsatz durch M02 gekennzeichnet. Die Unterprogrammsätze werden mit Satznummern nummeriert. 68.8.2.2

Aufruf eines Unterprogramms

Aufgerufen wird ein Unterprogramm vom Hauptprogramm aus durch eine Adresse und die dahinter angegebene Programmnummer. Nach DIN 66 025 sollte zur Adressierung von Unterprogrammen die Adresse L benutzt werden. In Abweichung von der Norm werden beispielsweise auch die Adressen A, M, U oder Q benutzt. Von Unterprogrammen aus können je nach Steuerungsfabrikat weitere Unterprogramme aufgerufen werden. Die Anzahl der ineinander schachtelbaren Unterprogramme ist ebenfalls steuerungsabhängig. . Abb. 68.27 zeigt schematisch den Programmlauf durch ein Hauptprogramm mit geschachtelten Unterpro-

1411 68.8  Besondere Programmierfunktionen für das Bohren, Fräsen und Drehen

Beispiel: Programmsatz mit Drehzyklen G81 und G37

Zur vollständigen Beschreibung des Arbeitszyklus gehört der nachfolgende Programmausschnitt. N: : : N9: : : N10G 00 N11G 81 G37 N12G 01 N13G 01 N14G 01 N15G 03 N16G 01 N17G 80 N18: : :

vorangehende Programmsätze Angaben zu Werkzeug und Technologie X200 Z205 LF Startpunkt im Eilgang anfahren X60 Z200 I10 LF Arbeitszyklus aufrufen mit Angabe des Konturendpunktes Z180 LF X100 Z170 LF Konturbeschreibung der zu spanenden Kontur X120 LF X160 Z150 I0 K–20 LF Z130 LF LF Ende Abspanzyklus G81/G37 weitere Programmsätze

. Abb. 68.26 Arbeitszyklus Längsdrehen G81 mit konturparallelem Schnitt G37, siehe Programmierbeispiel, 7 Abschn. 68.7.3

grammen. Der Rücksprung vom Unterprogramm zum Hauptprogramm oder von Unterprogramm zu Unterprogramm erfolgt immer in dem Satz, der dem Unterprogramm-Aufrufsatz nachfolgt.

68.8.3

Programmteilwiederholungen (Programmschleifen)

Programmteilwiederholungen oder Programmschleifen sind Programmteile, die bereits abgearbeitet wurden und

von nachfolgenden Programmsätzen aus nochmals aufgerufen und abgearbeitet werden. Im Prinzip stellen die in einer Programmteilwiederholung durchlaufenen Sätze ein Unterprogramm dar, das in das Hauptprogramm eingebettet ist. Vorteil: Verkürzung der Programmlänge 68.8.3.1

Aufruf einer Programmteilwiederholung

Eine Programmteilwiederholung wird durch einen Programmsatz aufgerufen. Im aufrufenden Satz steht die Satz-

68

1412

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

68.8.4

Änderungen der Werkstückabmessungen und Lageänderungen von Konturen

Zusätzlicher Programmkomfort wird bei einer Reihe von Dreh- oder Fräsmaschinen-Steuerungen dadurch geboten, dass Änderungen der Werkstückabmessungen oder verschiedene Lagen mehrerer identischer Konturzüge auf einem Werkstück durch einfache Funktionen programmiert werden können. Neben den in DIN 66 025 vorgesehenen programmierbaren Nullpunktverschiebungen (G54 bis G59) sind dies nicht genormte Funktionen beispielsweise zur Programmierung 4 der Drehung des Koordinatensystems, 4 des Spiegelns an einer oder zwei Hauptachsen oder 4 von Adresswerten über Variablen (Variablenprogrammierung).

. Abb. 68.27 Unterprogrammtechnik

nummer des Programmteil-Anfangs (N. . . ) und des Programmteil-Endes (N. . . ) oder auch nur die Satznummer eines Einzelsatzes. Je nach Steuerungsfabrikat kann zusätzlich die Anzahl (L . . . ) der Programmteilwiederholungen programmiert werden, sodass die Programmschleife mehrfach durchlaufen wird. Nach Abarbeitung des wiederholten Programmteiles wird das Programm in dem die Programmteilwiederholung aufrufenden Satz fortgesetzt. . Abb. 68.28 zeigt schematisch den Ablauf eines Programms mit einer Programmteilwiederholung. Weiterhin kann je nach Steuerungsfabrikat die Möglichkeit bestehen, innerhalb einer Programmteilwiederholung eine andere Programmteilwiederholung aufzurufen, was einer Schachtelung von Programmteilwiederholungen entspricht.

Mit der Steigerung des Programmierkomforts geht meistens eine erhebliche Verringerung des Programmieraufwandes einher, da wiederkehrende Konturen oder Bohrbilder bei gleichzeitiger Anwendung der Unterprogrammtechnik oder Programmteilwiederholung nur einmal beschrieben zu werden brauchen. 68.8.4.1

Variablenprogrammierung

Werden in einem Fertigungsbetrieb häufig Teile mit geometrisch ähnlicher Kontur oder im Rahmen von Teilefamilien durch Dreh- oder Fräsbearbeitung gefertigt, so ist dafür die Variablenprogrammierung die geeignete Funktion. Variablenprogrammierung bedeutet, dass den Adressen anstelle fester Zahlenwerte in einem Teileprogramm Variablen zugeordnet werden. Belegt wird eine Variable mit einem Zahlenwert entweder in einem vom Teileprogramm getrennten (Unter-)Programm oder durch Handeingabe an der Steuerungstastatur. Hieraus folgt, dass Teileprogramme mit Variablen erst dann lauffähig sind, wenn den Variablen zuvor Zahlenwerte zugewiesen wurden.

68.8.5

Variablenkennzeichnung

Die Variablen werden bei einer Reihe von Dreh- und Fräsmaschinensteuerungen mit dem Buchstaben R und mit einer Nummer von eins bis neunundneunzig bezeichnet. Damit stehen 99 Variablen zur Benutzung frei. Mit Ausnahme der Adresse N können allen übrigen Adressen Variablen zugeordnet werden.

68

7 Beispiel . Abb. 68.28 Programmteilwiederholung (Programmschleife). L01: Aufruf (L) und Zahl (01) der Programmteilwiederholungen, N3 N11: erster (N3) und letzter Satz (N11) des wiederholten Programmteils

9

1413 68.8  Besondere Programmierfunktionen für das Bohren, Fräsen und Drehen

. Tabelle 68.6 Tabelle mit den vom Bediener einzugebenden Variablen

. Abb. 68.29 Praxisbeispiel Variablenprogrammierung „DrehteileFamilie“ (Gildemeister EPL-Steuerung)

1 Zahlenwertzuweisung zu den Variablen

Die Zahlenwertzuweisung zu den Variablen sowie die Variablen selbst werden in getrennten Programmen programmiert. Meistens stehen die Variablen im Hauptprogramm und die Zahlenwertzuweisung zu den Variablen erfolgt dann in einem gesonderten Unterprogramm. Das Hauptprogramm ruft in Satz N2 durch L500814 das Unterprogramm für die Zahlenwertzuweisung auf. Damit erlangen die Variablenwerte R1 bis R4 Gültigkeit für das Hauptprogramm. . Abb. 68.29 zeigt, wie drei unterschiedliche Werkstücke einer Teilefamilie durch Anwendung der Variablenprogrammierung mit einem Hauptprogramm gefertigt werden können. Das Drehteil wird durch Variablen bemaßt. In einer Tabelle ist die Zuordnung der unterschiedlichen Werkstückmaße der drei Werkstückvarianten zu den Variablen R1 bis R19 angegeben. Anhand der Variablentabelle werden dann nacheinander drei Unterprogramme beispielsweise durch Handeingabe an der Steuerungskonsole erstellt. Zeichnung des Werkstücks mit allgemeingültiger Vermaßung mit Variablen

Variable

Werkstück 1

Werkstück 2

Werkstück 3

R1

¿ 200

¿ 290

R2

¿ 145

¿ 200

R3

¿ 120

¿ 150

R4

¿ 90

¿ 110

R5

¿ 60

¿ 95

R6

¿ 30

¿ 23

R7

¿ 20

R8

¿ 190

¿ 270

R9

20

35

R97

25

10

R98

¿ 120

R99

105

R10

80

R11

90

R12

150

R13

220

R14

100

R15

190

R16

225

Bemerkung

190 180 150

R17

45ı

R18

2

Steigung Außengew.

R19

15

Steigung Innengew.

Beispiel: Zahlenwertzuweisung zu den Variablen in einem Unterprogramm

75ı

200

15ı

Gradzahl

68

1414

Kapitel 68  Manuelles Programmieren

Normen DIN 406, Teil 3: Maßeintragung in Zeichnungen. Bemaßung durch Koordinaten. 1975 (z) DIN 406, Teil 10: Technische Zeichnungen; Maßeintragung; Begriffe, allgemeine Grundlagen. 1992 DIN 406, Teil 11: Technische Zeichnungen; Maßeintragung; Grundlagen der Anwendung. 1992 DIN 406, Teil 12: Technische Zeichnungen; Maßeintragung; Eintragung von Toleranzen für Längen- u. Winkelmaße. 1992 DIN 55003, Teil 3: Bildzeichen, Numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen. 1981 (zurückgezogen; dafür soll DIN ISO 7000 Graphische Symbole auf Einrichtungen, 2004 angewendet werden) DIN 66025, Teil 1: Programmaufbau für numerisch gesteuerte Arbeitsmaschinen, Allgemeines. 1983 DIN 66025, Teil 2: Industrielle Automation; Programmaufbau für NC-Maschinen; Wegbedingungen und Zusatzfunktionen. 1988 DIN 66215, Blatt 1: Programmierung numerisch gesteuerter Arbeitsmaschinen, CLDATA, Allgemeiner Aufbau und Satztypen. 1974 DIN 66215, Teil 2: Programmierung numerisch gesteuerter Arbeitsmaschinen, CLDATA, Nebenteile des Satztyps 2000. 1982 DIN 66217: Koordinatenachsen und Bewegungsrichtungen für numerisch gesteuerte Arbeitsmaschinen. 1975 DIN 66246, Teil 1: Programmierung numerisch gesteuerter Arbeitsmaschinen, Processor-Eingabesprache, Grundlagen und mögliche Geometriedefinitions- und Ausführungsanweisungen. 1983

68

DIN ISO 2806: Industrielle Automatisierungssysteme – Numerische Steuerung von Maschinen – Begriffe. 1996

ISO 6983-1: Numerische Steuerung von Maschinen – Programmformat und Definition von Adreßwörtern – Teil 1: Datenformat für Punkt-, Strecken- und Bahnsteuerung ISO 14649-1: 2003 Industrielle Automatisierungssysteme und Integration – Steuerung von Maschinen; Datenmodell für rechnerintegrierte Steuerungen – Teil 1: Überblick und Grundlagen ISO 10303-238: 2007 Industrielle Automatisierungssysteme und Integration – Produktdatendarstellung und -austausch – Teil 238: Anwendungsprotokoll: Für die CNC-Fertigung interpretiertes Modell z D zurückgezogen

Literaturhinweise 1. Wolf, J.: Steuerungsintegrierte, adaptive Programmausführung einer aufgabeorientierten Programmierung in STEP-NC. Reihe: Ergebnisse aus der Produktionstechnik, Bd. 2/2009 IPT, WZL. RWTH Aachen, Aachen (2009) 2. Hoffmann, M., Eickenberg, S., Hack, O.: CAD/CAM mit CATIA V5 – NC-Programmierung, Postprocessing, Simulation. Hanser, München (2005) 3. Kief, H. B.: NC/CNC-Handbuch ’03/04. Carl Hanser, München, Wien (2003) 4. Vanja, S., Weber, Chr., Bley, H., Zeman, K.: CAx für Ingenieure – Eine praxisbezogene Einführung, 3. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg (2009) 5. Weck, M.: Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme, Bd. 4: Automatisierung von Maschinen und Anlagen. Springer VDI, Berlin (2013) 6. NN1: VirtualLine – Die Virtuelle Maschine von Index. www.indexwerke.de/Index_vm-0044d.pdf (02/2014). Zugegriffen: 1.10.2014 7. NN2: Virtual Machine – Virtual machining for real savings. PLM Software. www.siemens.com/plm/Siemens-PLM-TecnomatixVirtual-MAchine-fs_tcm73-111947.pdf (2011). Zugegriffen: 9.8.2014 8. Haider, W.: Virtuelle Werkzeugmaschine: die Zukunft der Arbeitsvorbereitung – Zwilling im Computer. www.industrieanzeiger.de/home/article/32571342/33685002/ vom 10.09.2007 9. NN3: DMG Virtual Machine – DMG öffnet das Tor zur virtuellen Welt. www.gildemeister.com/internet/v3/presse.nsf. Zugegriffen: 5.10.2012 10. NN4: Hochproduktive Kombination – Index steigert mit Sinumerik-Produkten und Dienstleistungen Produktivität und Energieeffizienz. fertigung – das Fachmagazin für die Metallbearbeitung. www.fertigung.de/2012/04/hochproduktive-kombination/ (2012). Zugegriffen: 23.10.2016 11. NN5: Index – Die Virtuelle Maschine im Paket mit PC. www.indexwerke.de/Index_vm-0096d.pdf (02/2014). Zugegriffen: 1.8.2014

1415

CAD in der Praxis Susanna Labisch

Konstruktion und auch Fertigung erfolgen in der Praxis fast ausschließlich rechnerunterstützt. Mit diesem Rechnereinsatz beim Konstruieren (CAD, Computer Aided Design) und Fertigen CAM (Computer Aided Manufacturing) scheint die technische Zeichnung an Bedeutung zu verlieren, da die Verständigung zwischen Konstruktions- und Fertigungsabteilung primär durch den Austausch digitaler Daten erfolgen kann. Die technische Zeichnung ist aber nach wie vor aus dem Konstruktions- und Entwicklungsprozess nicht wegzudenken, weil hauptsächlich mit ihrer Hilfe der Status einer Konstruktion dokumentiert wird. 69.1 69.1.1

Arbeitsgeräte – Hardware Eingabegeräte

Die Eingabe von CAD relevanten Befehlen und Daten erfolgt in der Regel mithilfe der Maus. Die Funktionen dieses graphischen Eingabegerätes bei interaktiven CAD-Systemen sind: 4 Befehle aus einem Befehlsmenü auswählen und aktivieren 4 freies Digitalisieren von x- und y-Koordinaten in einer Zeichenebene (bei dreidimensionalen Koordinaten ist eine zusätzliche Zeichenebene notwendig) 4 Identifizieren („Anpicken“) vorhandener Bildelemente. Somit beschränkt sich im Allgemeinen die Nutzung der Tatstatur auf die Eingabe von spezifischen Texten oder Daten. Geübte Anwender greifen häufiger auf die Befehlseingabe über die Tastatur zurück, weil diese Form der Steuerung durch die Nutzung von Kurzbefehlen zeitsparend ist. Ob die Eingabe mithilfe der Maus über den Bildschirm erfolgt oder mithilfe eines Daten-Stiftes über ein Befehlsmenü-Tablett ändert nichts an der grundsätzlichen Arbeitsweise mit CAD-Systemen. Charakteristisch ist in beiden Fällen, dass die Eingabebefehle mit kleinen Symbolen, den so genannten Icons, oder Abkürzungen der Eingabebefehle kenntlich gemacht werden. Streng genommen müsste damit der Teil des Bildschirms, der die Eingabebefehle zur Auswahl bereitstellt, ebenfalls zu den Eingabegeräten gezählt werden. Gerne wird die CAD-Bildschirmoberfläche deshalb als „elektronisches Zeichenbrett“ bezeichnet.

. Abb. 69.1 Befehlsleiste eines 3D-CAD-Systems

. Abb. 69.1 gibt beispielhaft eine Befehlsleiste eines 3D-CAD-Systems wieder. Typisch ist die wahlweise Darstellung oder Ausblendung der verdeckten Kanten, die durch Icons, . Abb. 69.1 links, ausgewählt werden kann. Beispiele für die Ergebnisse solch einer Darstellung sind in . Abb. 69.10 und 69.12 gegeben. Hilfreich bei der Arbeit mit einer Befehlszeile am Bildschirm ist, dass die Position der jeweiligen Icons individuell angeordnet werden kann bzw. spezielle Icons ausoder eingeblendet werden können. Um das Graphikfenster nicht zu stark zu verkleinern, arbeiten CAD-Systeme mit einer hierarchischen Stufung, d. h. mit funktionsabhängig wechselnden Menüleisten und bzw. oder mit so genannten Pop-Up- und Pull-Down-Menüs. Diese angenehmen Eigenschaften besitzen die fertig abgefassten BefehlsmenüTabletts nicht. Hier müssen alle Befehle gleichzeitig angeboten werden und sind auch in ihrer Anordnung kaum variabel. Mit Digitalisierern ist es möglich, Daten von selbst großformatigen Zeichnungen mit hoher Genauigkeit abzudigitalisieren und in ein CAD-System zu übertragen. Hierzu wird jedes Geometrieelement der Vorlage von Hand nachgefahren. Durch diese sehr zeitaufwendige Vorgehensweise haben Digitalisierer lediglich in den Bereichen Elektrotechnik (Erfassung vorhandener Schaltpläne), Kartographie (Erfassung vorhandenen Kartenmaterials) und gegebenenfalls noch in der Architektur (Erfassung vorhandener Lage- und Baupläne) eine Bedeutung. Zudem ist das Einsatzgebiet mit dem vollständigen Übergang auf digitale Medien zeitlich befristet. Im maschinenbaulichen Konstruktions- und Fertigungsbereich ist es sinnvoller, das Bauteil gleich mit professionellen CAD-Systemen neu zu erstellen. Deutlich komplexer ist die Vorgehensweise, die bei Aufnahme der Geometrie einer dreidimensionalen Vorlage notwendig wird. Handelt es sich um „normale“ Bauteile, so ist eine Neugenerierung des Modells unter Nutzung eines konventionellen CAD-Systems eher die zielführende Methode. Bei kompliziert gestalteter Geometrie kann die

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_69

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1416

69

Kapitel 69  CAD in der Praxis

Photogrammetrie (auch Stereobildbearbeitung genannt) die richtige Vorgehensweise sein. Bei der Photogrammetrie werden zunächst relevante Punkte definiert und – falls möglich – am Objekt markiert, um sie im Rechner besser übereinander bringen zu können. Die Koordinaten dieser Punkte werden optisch aufgenommen. Hierzu ist es notwendig, das Gebilde aus mindestens zwei definierten Positionen aufzunehmen. Aus dem optischen Versatz von zwei (oder besser mehreren) Aufnahmen kann die genaue Position (x-, y- und z-Koordinaten) der markierten Punkte bestimmt werden. Anschließend dienen diese Punkte zur Visualisierung der Geometrie durch ein konventionelles CAD-System. Mit (Flachbett-)Scannern lassen sich Vorlagen, die als Strichcodes, Texte, Zeichnungen oder Photographien vorliegen, rasterförmig abtasten und in Rechnersysteme einlesen. Eine Nutzung und Weiterverarbeitung dieser Daten mit CAD-Systemen ist nur dann möglich, wenn sie von Rasterdaten in Vektordaten konvertiert1 werden. Diese Konvertierung ist eine Art Mustererkennung (Erkennen von bauteilberandenden Strecken, Kreisen, Kreisbögen und weiteren Linien, wie Schraffurmustern oder Bemaßungslinien sowie ergänzenden Texten). In der Praxis hat sich bislang lediglich die Konvertierung von eingescannten Texten unter Nutzung von Texterkennung OCR (Optical Character Recognition) durchgesetzt. Eine Konvertierung von Zeichnungen hat sich nicht durchgesetzt, weil das Ergebnis lediglich als Zeichnung zur Verfügung stünde und damit die Möglichkeiten, die moderne CAD-Systeme heute bieten, nicht ausschöpfen könnte. Eine Neugenerierung der Zeichnung unter Nutzung des vollen Leistungsumfangs der CAD-Systeme ist an dieser Stelle sinnvoller. Kann die eingelesene Graphik allerdings direkt in gerasterter Form weiterverwendet werden, so treten die oben beschriebenen Schwierigkeiten nicht auf und der Flachbett-Scanner ist ein sinnvolles Hilfsmittel. Eine Erweiterung der Flachbett-Scanner sind 3D-Scanner. Diese sind auf das Scannen von räumlichen Gebilden ausgerichtet und besitzen bereits Schnittstellen zu gängigen 3D-CAD-Systemen. Obwohl die Technik weitgehend ausgereift ist, bereitet die Nutzung der eingelesenen Geometrie in der Praxis dennoch dann Probleme, wenn die eingelesenen (gerasterten) Daten als Volumen im CAD-System weiterverarbeitet werden sollen. Ein Beispiel für einen handelsüblichen 3D-Scanner bei der Arbeit zeigt . Abb. 69.2. Der Scanner erzeugt linienförmige Laserstrahlen, mit denen er die Oberfläche des betreffenden Objektes abfährt. Damit diese „Abtastung“ erfolgreich verläuft, ist es hilfreich, wenn das Modell eine weiße und matte Oberfläche aufweist, damit es nicht zu Ablenkungen des Laserstrahles kommt. Solch ein Scan verläuft also nicht immer erfolgreich. Die Laserstrahlen können darüber hinaus nur die vorn liegenden Partien des Objektes treffen. Dadurch entstehen Lücken in den „Schattengebieten“, sie1

Übersetzen von einem Dateiformat in ein anderes.

. Abb. 69.2 Beispiel für einen handelsüblichen 3D-Scanner, hier beim Scannen des Modells einer Felge. Das Modell wird mithilfe des Gestells gedreht. Dieses Drehen erlaubt das Abscannen aus unterschiedlichen Positionen, weil der Laserstrahl in einer Einstellung nicht alle Flächen erreichen kann

. Abb. 69.3 Beispiele für das Ergebnis des unter . Abb. 69.2 dargestellten 3D-Scans. Keine der Darstellungen kann für sich vollständig sein, weil der Laserstrahl nicht alle Flächen von einer Seite erreichen kann. Erst die Kombination der Einzelbilder ermöglicht eine vollständige Darstellung des Bauteils

he . Abb. 69.3. Das Objekt wird von mehreren Seiten abgescannt. Dafür sind die Modelle in eine drehbare Vorrichtung eingespannt. Nach Abschluss der Scans, werden die einzelnen gewonnenen Aufnahmen zusammengesetzt.

69.1.2

Ausgabegeräte

Der Graphikbildschirm ist im interaktiven Dialog zwischen Benutzer und CAD-System das wichtigste Ausgabegerät. Sowohl für die allgemeine Bürokommunikation als auch für CAD-Anwendungen werden Flachbildschirme mit

1417 69.1  Arbeitsgeräte – Hardware

Flüssigkristall-Anzeige (LCD, Liquid Crystal Display) benutzt. Ein schneller Bildaufbau erlaubt die Visualisierung von Bewegungen und dadurch die Simulation von Fertigungsprozessen. Weitere Ausgabegeräte sind Laser- und Tintenstrahldrucker, die für Papier-Formate bis A3 üblicherweise genutzt werden. Größere Formate werden über Trommel-Plotter ausgegeben. Diese nutzen Stifte in mehreren Farben, die Flächen und die unterschiedlichsten (Misch-)Farben auftragen können.

69.1.3

Zusätzliche Peripheriegeräte

Zur schnellen Erzeugung von Prototypen können dreidimensionale CAD-Bauteilmodelle in Kunststoff- oder in Metall-Modelle übertragen werden. Diese Art der Modellgenerierung wird Rapid Prototyping genannt. Das Prinzip der verschiedenen auf dem Markt verfügbaren Geräte beruht darauf, dass das reale Modell schichtweise aufgebaut wird. Diese Verfahren werden als generative Fertigungsverfahren bezeichnet und können danach unterteilt werden, ob sie aus der festen, flüssigen oder gasförmigen Phase das Modell generieren [1]. In . Abb. 69.4 sind zwei Modelle im Raum angeordnet dargestellt. Durch diese Anordnung kann überprüft werden, ob sich Modelle berühren bzw. welche Schichthöhe insgesamt notwendig sein wird. Als wichtigste Verfahren sind zu nennen: 4 Lasersintern (LS), Schmelzschichtung oder Fused Deposition Modeling (FDM, Extrusionsverfahren) und Laminated Object Modeling (LOM, schichtweise aus Papier, Kunststoff, Keramik oder Metall aufgebaute Modelle) oder Layer Laminate Manufacturing (LLM, Schicht-Laminat-Verfahren) und 3D-Printing (3DP), die alle aus der festen Phase generieren, siehe auch . Abb. 69.6 4 die Photopolymerisation oder Stereolithographie (SL), die aus flüssiger Phase generiert 4 Aerosoldruckverfahren und Laser Chemical Vapor Deposition (LCVD2 ), die aus der gasförmigen Phase generieren. Beim Aerosoldruckverfahren wird ein Material z. B. zur Herstellung von optoelektronischen Bauteilen, zu einem Aerosol (einem Nebel mit einem Tropfendurchmesser von einem bis fünf *m) zerstäubt und aufgetragen. Bei der Stereolithographie (auch SLA; Stereo Lithography Apparatus) wird ein Laserstrahl dazu genutzt, einen lichtempfindlichen, in flüssiger Form vorliegenden Kunststoff (so genannten Photopolymer) lokal aushärten zu lassen. Das Stereolithographiemodell entsteht so Schicht für Schicht dadurch, dass der Laserstrahl entsprechend der 2

CVD, chemische Gasphasenabscheidung, ist ein Beschichtungsverfahren zur Herstellung z. B. von mikroelektronischen Bauteilen.

. Abb. 69.4 Aus dem CAD-System übertragene Modelle einer Autofelge; es können mehrere Modelle angeordnet werden, um den 3D-Druck möglichst wirtschaftlich ablaufen zu lassen

jeweiligen, aus dem CAD-System nahezu direkt entnehmbaren Schichtkontur über die Oberfläche eines Photopolymerbades gelenkt wird und zwischen den einzelnen Schichten das im Entstehen begriffene Modell jeweils um eine Schichtdicke abgesenkt wird. Das Material der Stereolithographie-Modelle ist entsprechend auf diesen Kunststoff beschränkt. Andere Geräte/Verfahren nutzen statt einer aushärtbaren Flüssigkeit ein Pulver, das schichtweise mit Kleber getränkt, 3D-Druck (oder 3D-Print) oder durch einen Laser verschmolzen wird (Lasersintern). In . Abb. 69.5 oben ist ein 3D-Drucker in betriebsbereiter Position dargestellt. In der linken Kammer liegt der Pulvervorrat, der schichtweise in die rechte Kammer geschoben wird. In der rechten Kammer entsteht das Modell (. Abb. 69.5 unten), indem für jede neue Schicht die Kammer abgesenkt wird. In . Abb. 69.6 ist das fertige Modell dargestellt. Es können neben Kunststoff- in speziellen Geräten auch Metallpulver verwendet werden, so dass sie nach einer Aushärtung im Ofen als metallische Modelle auch die mechanischen Eigenschaften des zukünftigen Bauteils besitzen können. Mit dem Rapid Prototyping können nicht immer haptische (greifbare) Modelle hergestellt werden. Für den Anlagenbau z. B. werden CAD-Modelle erstellt, deren Abmessungen in Realität durchaus mehrere Hundert Meter aufweisen können. Solche Abmessungen sind für eine Modellerstellung mit Rapid Prototyping nicht sinnvoll. Natürlich könnten die Modelle in einem verkleinerten Maßstab erzeugt werden, doch dann wären die vielen Details nicht mehr erfassbar und damit nicht überprüfbar. Als eine weitere Möglichkeit der Überprüfung der Modell-Qualität bietet sich deshalb die so genannte virtuelle Realität (VR) an. Durch besondere Software, die eine ste-

69

1418

Kapitel 69  CAD in der Praxis

. Abb. 69.7 Stereoskopische Darstellung eines CAD-Modells, hier am Beispiel sehr einfacher Bauteile; deutlich ist die Darstellung von jeweils zwei Ansichten eines Bauteils zu erkennen, die bei Benutzung einer besonderen Brille ein räumliches Bild erscheinen lässt (mit Genehmigung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO)

. Abb. 69.5 3D-Drucker; betriebsbereit (oben) und mit fertig gestelltem Modell einer Autofelge (unten)

reoskopische Projektion auf eine spezielle Wand (Powerwall) oder sogar in einen speziellen Raum (CAVE) erlaubt, kann man sich einen räumlichen Eindruck von der vorliegenden Konstruktion verschaffen. Um das zu ermöglichen, werden mehrere Projektionen der betreffenden Konstruktion visualisiert, siehe auch . Abb. 69.7. Eine besondere Brille lässt diese gegeneinander verschobenen Projektionen als räumliche Erscheinung erkennen. Hierbei wird die genaue Position der Brille über Sensoren erfasst und die Projektionen auf der Powerwall bzw. in der CAVE speziell auf diese Position ausgerichtet. Der räumliche Eindruck von der Konstruktion erlaubt, sich innerhalb einer 3D-Darstellung zu bewegen und so bereits im Entwicklungsprozess einer Konstruktion komplizierte Fertigungs-, Montage- oder Wartungsarbeiten realitätsnah zu überprüfen. So ist es z. B. mit einer 3D-Maus möglich, Bauteile zu ergreifen bzw. zu platzieren.

69.2

69 . Abb. 69.6 Das fertige Ergebnis eines 3D-Prints: eine Autofelge im Maßstab 1 : 5

Softwaresysteme

Hinter der Bezeichnung CAD-Software verbirgt sich nicht mehr als ein Verwaltungsprogramm, welches die Eingabe von Daten erlaubt (D Eingabebaustein), diese Eingaben in bestimmter Weise verarbeitet, manipuliert, verknüpft (D Algorithmenteil) und diese so veränderten Daten hilft auszugeben (D Ausgabebaustein). Den Kern der Software stellt die Datenbasis dar, die darin abgelegten Daten ergeben das als CAD-Modell bezeichnete Abbild (rechnerinternes Modell, RIM) des realen Produkts. Unterstützend kann ein Speicher sein, der den Zugriff auf vorbereitete Informationen ermöglicht (Datenbank).

1419 69.2  Softwaresysteme

Dieser grob skizzierte Aufbau ist für alle CAD-Systeme typisch, unabhängig davon, ob es sich um linien-, flächenoder volumenbasierte CAD-Systeme handelt [2]. Da die Unterscheidung linien-, flächen- oder volumenbasiertes CAD-System wesentlich die Arbeitstechnik beeinflusst, soll im Folgenden zunächst auf diese Unterscheidung näher eingegangen werden. Anschließend wird die Arbeitsweise, die sich bei volumenbasierten CAD-Systemen durchgesetzt hat, dargestellt.

69.2.1

Linienbasierte Systeme

Die Nutzung eines linienbasierten Systems bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich hier um ein zweidimensionales CAD-System handelt. Linienbasierte Systeme nutzen als geometrische Grundelemente ausschließlich Punkte und Linien und „kennen“ Flächen oder Volumen nicht. Entsprechend ist z. B. die Funktion „Volumenberechnung“ nicht ausführbar, weil ein Teil der dafür notwendigen Informationen nicht vorhanden ist. Bei linienbasierten CAD-Systemen werden mit dem Rechner im Wesentlichen Linien an eine definierte vom Benutzer bestimmte Stelle gesetzt. Die Datenbasis enthält also 4 Punkte, z. B. Anfangs- und Endpunkte von Linien, Mittelpunkte von Kreisen oder Kreisbögen 4 Linien, z. B. Strecken mit ihrem Anfangspunkt P1 und Endpunkt P2 , Kreise mit Mittelpunkt M und Radius R, Kreisbögen mit Mittelpunkt M, Radius R und Anfangsund Endpunkt P1 bzw. P2 . Die in der Datenbasis erfassten Linien können nun weitere Attribute besitzen, wie z. B. eine zugeordnete Linienbreite (schmal, breit) oder die Linienart (durchgezogen, gestrichelt, strichpunktiert etc.). Bei zweidimensionalen linienbasierten CAD-Systemen wird mit dem Rechner eine technische Zeichnung durch das Aneinanderfügen von Linien erzeugt. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich von der manuellen Erstellung einer technischen Zeichnung nur dadurch, dass als „Eingabemedium“ jetzt der Rechner genutzt wird. Der Nachteil dieser Vorgehensweise gegenüber den weiter entwickelten CADSystemen ist, dass eine über die technische Zeichnung hinausgehende Nutzung des CAD-Modells nicht möglich ist. Wie in . Abb. 69.8 dargestellt, wird die Zeichnung durch das Aneinanderfügen von Linien erzeugt. Dabei können diese Linien entweder einzeln oder im Verbund erzeugt werden. Bei . Abb. 69.8a können vier einzelne Linien, vier Kreise sowie die Mittellinien die Grundkontur bilden oder die Grundkontur wird als Rechteck erzeugt und die Position der vier Kreise kann relativ zueinander vorgeschrieben sein (z. B. als Abstand der Mittelpunkte mit 116 mm in horizontaler und 76 mm in vertikaler Richtung). In . Abb. 69.8c ist stellvertretend für die möglichen Manipulationen der Li-

. Abb. 69.8 Beispiel für die Arbeitsweise mit einem linienbasierten zweidimensionalen CAD-System. a Erzeugen einer Grundkontur, b Ergänzen der Kontur, c Anpassen der Kontur durch Verrundungen und Fasen, d Vervollständigen durch Anbringen einer Schraffur

. Abb. 69.9 Bemaßte Bauteildarstellung . Abb. 69.8 entsprechend [2]

nien die Verrundung und das Fasen gezeigt. Der letzte in . Abb. 69.8d gezeigte Schritt ist wesentlich aufwendiger, weil entweder alle Schraffurlinien von Hand gesetzt werden müssen oder, wenn automatisch schraffiert werden soll, der Konturzug eine geschlossene Linie sein muss. Als letzter Schritt kann eine Bemaßung hinzugefügt werden, die neben dem Text, der aus Buchstaben und Sonderzeichen (z. B. dem Durchmesserzeichen ¿) besteht, Linien mit besonderen Enden (hier: Pfeilen) besitzt, siehe . Abb. 69.9. Linienbasierte CAD-Systeme müssen aber nicht auf zwei Dimensionen beschränkt sein. Auch dreidimensionale Darstellungen von Linien sind möglich. Dann geht die Anwendung von der Erstellung einer technischen Zeichnung weg und zur Darstellung von räumlichen Gebilden über, siehe . Abb. 69.10. Solche linienbezogenen Darstellungen von Körpern werden als Kantenmodelle oder Drahtmodelle bezeichnet, weil darin die Körperkanten dargestellt werden. Die damit verbundenen Probleme sollen an dieser Stelle kurz aufgezeigt werden, weil dadurch die Arbeitsweise der linienbasierten CAD-Systeme besser verständlich wird. 4 Die genaue Lage des Werkstücks kann nicht immer eindeutig definiert werden. Da an einem Drahtmodell nicht

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1420

4

4

4

4

Kapitel 69  CAD in der Praxis

erkannt werden kann, welche Seite „vorn“ liegt, kann es zu Missinterpretationen kommen. In . Abb. 69.10b kann z. B. nicht entschieden werden, ob die Grundplatte vorn liegt oder nach hinten gedreht ist, siehe . Abb. 69.12b. Es ist keine Übersichtlichkeit gegeben, wenn verdeckte Kanten nicht ausgeblendet werden können, siehe . Abb. 69.10a. Eine Ausblendung erfordert das Vorhandensein von Flächen, die in der Datenbasis eines Drahtmodells jedoch nicht enthalten sind. Die Darstellung von Bauteilschnitten und Durchdringungen (Boolesche Verknüpfungen) ist eingeschränkt, weil das Drahtmodell zwar die einzelnen Bauteile positionieren kann, hier aber keine Informationen über die neu entstandenen Körperkanten vorhanden sind. Es können also die bei der Verschneidung neu entstandenen Kanten nicht errechnet und damit nicht dargestellt werden. Sind Punkte und damit Linien des Kantenmodells falsch gesetzt, so kann es je nach Blickwinkel auf das Werkstück zu Überlappungen kommen und die falsch gesetzte (oder fehlende) Linie wird nicht als solche erkannt. Gekrümmte Bauteile (z. B. Zylinder) führen unter Umständen zu größeren Schwierigkeiten bei der Darstellung von Sichtkanten. Sie werden als virtuelle Kanten bezeichnet, weil es eigentlich keine Kanten sind. In . Abb. 69.10a ist nur die Querbohrung mit ihren Sichtkanten richtig dargestellt, bei allen anderen Bohrungen liegen sie verdreht. Im Bedarfsfall sind die gekrümmten

Flächen durch Polygone anzunähern und so die Körperkanten sichtbar zu machen. 4 Auch sind keine weiterführenden Anwendungen, wie z. B. Querschnitts-, Volumenberechnungen oder Kollisionsprüfungen möglich.

69.2.2

Flächenbasierte Systeme

Flächenbasierte Systeme nutzen als geometrische Grundelemente neben Punkt und Linie auch die Fläche. Diese Flächen können im Raum angeordnet sein, was bedeutet, dass ein flächenbasiertes CAD-System nicht zwingend ein zweidimensionales sein muss. Flächenelemente bestehen – ähnlich wie Linien-Makros (ein Programmteil zur Darstellung und Auswahl hier der unterschiedlichsten Flächen) – zunächst aus den Berandungen der jeweiligen Fläche. Ihnen können in der Datenbasis weitere Attribute zugesprochen werden, wie z. B. schraffiert. Auch können mit den Flächen die so genannten Booleschen Verknüpfungsoperationen (Vereinigung bzw. Addition, Differenz bzw. Subtraktion, Durchschnittsbildung) durchgeführt werden, was die Erzeugung von komplexen Geometrien stark vereinfacht. Bei zweidimensionalen flächenbasierten CAD-Systemen wird mit dem Rechner eine technische Zeichnung durch das „Aufeinanderlegen“ von Flächen erzeugt, siehe . Abb. 69.11. Diese können einzeln gehandhabt werden, beispielsweise einzeln auf dem Graphikbildschirm oder der Plotterzeichnung ein- oder ausgeblendet oder einzeln verschoben und gedreht werden. In diesem Beispiel würde die Bemaßung die letzte „Schicht“ bilden und das Ergebnis entspräche dann dem in . Abb. 69.9 dargestellten. Diese als Ebenentechnik (oder auch als Layer-, Gruppen- oder Folientechnik) bezeichnete Vorgehensweise unterscheidet sich ganz erheblich von der manuellen Erstel-

69

. Abb. 69.10 Kantenmodell des in . Abb. 69.8 dargestellten Werkstücks; a dimetrische Ansicht (dimetrisch, zwei Verzerrungen sind gleich), b Ansicht von unten

. Abb. 69.11 Beispiel für die Arbeitsweise mit einem flächenbasierten zweidimensionalen CAD-System. a Erzeugen einer Grundkontur durch die erste Fläche, b Ergänzen der Kontur durch „Auflegen“ einer zweiten Schicht, c Ergänzen der Kontur durch „Auflegen“ einer dritten Schicht, d Anpassen der Kontur durch Verrundungen und Fasen

1421 69.2  Softwaresysteme

dellierten Flächen vollständig sind und lückenlos aneinanderpassen. Ob die modellierten Flächen ein tatsächlich herzustellendes Bauteil umhüllen, kann ein flächenorientiertes System nicht überprüfen. Dies ist aber die Voraussetzung dafür, ob ein Bauteil z. B. mit einem 3D-Drucker erzeugt werden kann.

69.2.3

. Abb. 69.12 Flächenmodell des in . Abb. 69.8 dargestellten Werkstücks; a dimetrische Ansicht, b Ansicht von unten

lung einer technischen Zeichnung. Das „Auflegen“ der Flächen ähnelt viel mehr an die fertigungstechnische Bearbeitung eines Werkstückes. Es sind aber auch komplexere Beispiele möglich, wo einzelne Baugruppen zu einem Erzeugnis „geschichtet“ werden. Der Nachteil dieser Vorgehensweise gegenüber den weiter entwickelten CAD-Systemen ist ebenfalls, dass die Erzeugung einer technischen Zeichnung im Vordergrund steht und eine darüber hinaus gehende Nutzung des CADModells weitgehend unmöglich ist. Bei dreidimensionalen flächenbasierten CAD-Systemen enthält die Datenbasis Informationen nicht nur über Punkte und Kanten, sondern auch über die dazwischen aufgespannten Flächen. Ähnlich wie bei dreidimensionalen linienbasierten CAD-Systemen, geht man hier von der Erstellung einer technischen Zeichnung zur Darstellung eines räumlichen Gebildes über. Die dreidimensionalen flächenbasierten CAD-Systeme können die meisten Probleme, wie die bei Kantenmodellen, beseitigen. So können verdeckte Kanten ausgeblendet werden (siehe . Abb. 69.12), Verschneidungen zwischen Flächen durchgeführt, bei Bauteilschnitten die Schnittkanten errechnet und Begrenzungskanten von Flächen zugeordnet werden. Mit flächenbasierten CAD-Systemen können keine Operationen durchgeführt werden, die eine volumenbezogene Information voraussetzen. Dazu zählen z. B. Volumenberechnungen, Kollisionsbetrachtungen oder die mengentheoretischen (Booleschen) Verknüpfungen zweier Körper. Doch auch wenn diese Operationen nicht durchgeführt werden sollen, ist das Arbeiten mit Flächenmodellen problematisch. Der Benutzer muss jede einzelne Fläche modellieren und darüber hinaus auch prüfen, ob die mo-

Volumenbasierte Systeme

Vorrangig werden heutzutage dreidimensionale CAD-Systeme eingesetzt. So ist man erst mit diesen Systemen in der Lage, in einer Geometrie-Datei das vollständige Bauteil zu repräsentieren und dadurch z. B. Inkonsistenzen zwischen unabhängig voneinander erzeugten 2D-Projektionen eines Bauteiles zu vermeiden. Durch das dreidimensionale Modell der Bauteile und Baugruppen ist z. B. die automatische Generierung von Ansichten aus beliebigen Blickwinkeln realisierbar. Volumenbasierte 3D-CAD-Systeme haben gegenüber den linien- oder flächenbasierten Systemen den Vorteil, dass sie eine über die bloße Darstellung des Werkstücks oder der Baugruppe weitere weit reichende Anwendungen der Datenbasis erlauben. Die Volumenmodelle der 3D-CAD-Systeme können in zwei Klassen unterteilt werden: 4 Boundary Representation (BRep – Flächenbegrenzungsmodell) 4 Constructive Solid Geometry (CSG – Konstruktive Festkörpergeometrie). Bei der Volumenbeschreibungsmethode Boundary Representation wird das Volumen durch seine umhüllenden Begrenzungsflächen und zusätzlich durch Angabe der Lage des Materials relativ zu den Begrenzungsflächen angegeben. Damit baut das Flächenbegrenzungsmodell unmittelbar auf dem zuvor angesprochenen Flächenmodell auf und ergänzt die darin noch fehlende Information mit so genannten Materialvektoren, die angeben, auf welcher Seite jeder Fläche das Material liegt. Das Flächenbegrenzungsmodell wird nach jedem Einfügen, Ändern oder Löschen irgendwelcher Flächen, Kanten oder Punkte aktualisiert, so dass zu jeder Zeit ein vollständiges Abbild der Geometrie in eindeutiger Form vorliegt. Aus diesem Grund wird dieses Modell den Volumenmodellen zugerechnet. Bei der Volumenbeschreibungsmethode Constructive Solid Geometry wird das Volumen eines Bauteils erfasst, indem dessen Entstehungsgeschichte als Folge von Verknüpfungsoperationen von Grundvolumina abgespeichert wird. Diese Verknüpfungsoperationen werden wegen ihrer Verwandtschaft mit der Mengenlehre als Boolesche Operationen oder Verknüpfungen genannt, siehe . Abb. 69.13. Als Operanden steht ein bestimmter Vorrat von Primitivkörpern zur Verfügung, aus denen das Bauteilmodell erzeugt wird. Beispiele für diese Grundvolumina sind Quader, Keil, Zylinder, Kegel und Kugel. Je nach „Ausstat-

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1422

Kapitel 69  CAD in der Praxis

. Abb. 69.13 Vereinigung, Differenz und Schnittvolumen zweier Körper. a Körper 1 und Körper 2, b Vereinigung 1 [ 2, c Differenz 1 \ 2, d Differenz 2 \ 1, e Schnittvolumen (Durchschnitt) 1\2

tung“ des CAD-Systems können weitere Grundvolumina dazukommen, wie z. B. Kegel-, Pyramidenstumpf, Hohlzylinder, Kugelabschnitt oder Grundgeometrien von Maschinenelementen wie z. B. Passfeder-Nut, U-Träger, T-Träger oder Zahnrad. Das CAD-Modell eines Bauteils enthält in Fall eines CSG-Modellierers keine zugeordneten Begrenzungsflächen und -kanten, sondern eine Art Baumstruktur der Verknüpfungen. Hierin ist abgelegt, welche Grundvolumina mit welcher Folge von Booleschen Operationen zusammengesetzt wurden. Zur bildlichen Darstellung oder wenn konkrete Abmessungen abgegriffen werden sollen, wird der CSG-Baum evaluiert (ausgewertet). Diese beim Evaluieren erzeugten Daten sind – im Gegensatz zum Flächenbegrenzungsmodell – nicht der eigentliche Inhalt der Datenbasis, sondern nur abgeleitet. Das ermöglicht den Einsatz von vereinfachten Algorithmen zur Darstellung der Flächen oder Kanten.

69.2.4

69

Arbeitstechnik bei volumenbasierten Systemen

Da mit volumenbasierten Systemen sowohl die Modellgenerierung eines Werkstücks, die Montage von mehreren Werkstücken zu einer Baugruppe oder die Erzeugung von technischen Zeichnungen dieser Werkstücke oder Baugruppen möglich ist, muss in dem ersten Schritt ausgewählt werden, welche dieser Optionen ausgeführt werden soll. Jede dieser Optionen erzeugt Dateien, die zur besseren Unterscheidung unterschiedliche Endungen (so genannte Extensions) aufweisen. Diese Endungen sind bei den unterschiedlichen CAD-Systemen verschieden.

. Abb. 69.14 Beispiel für die Arbeitsweise mit einem dreidimensionalen CAD-System an einem einfachen geometrischen Beispiel. a Linienkontur als „Skizze“; b „Extrudieren“ zu einer Scheibe; c Einbringen von Details; d Kopieren der Details, Erzeugen von Verrundungen

Soll ein Modell generiert werden, dann wird in der Regel als erster Modell generierender Schritt eine Skizze erstellt. Diese hat mit der Handskizze nur die Verwendung von Linien gemeinsam. Das vorgeschaltete Skizzenmodul unterscheidet sich grundlegend von dem Konzept volumenbasierter CAD-Systeme und wird nur dazu genutzt, den Umriss der Grundgeometrie zu erzeugen, siehe . Abb. 69.14a.

1423 69.3  Datenformate – Schnittstellen

. Abb. 69.15 Erzeugen von Volumenkörpern aus einer Skizze heraus. a Erzeugen eines Profilkörpers durch Extrudieren; b Erzeugen eines Rotationskörpers durch Rotieren, hier am Beispiel einer Vierteldrehung

Zur Erzeugung dieser Grundgeometrie stehen neben den verschiedensten Linienarten noch Operationen zur Verfügung wie z. B. Duplizieren, Spiegeln, Verschieben oder Tangieren. Wesentlich bei dieser im Skizzenmodul erzeugten Kontur ist, dass sie einen geschlossenen Linienzug bildet, weil sonst die nachfolgenden Operationen (Überführung in ein Volumenmodell) nicht durchgeführt werden können. Dieser Linienzug wird in ein Volumen dadurch überführt, dass er extrudiert3 oder rotiert wird, siehe 3

Extrudieren ist ein Fertigungsverfahren, bei dem formbare Masse, z. B. ein pastöser Kunststoff, durch eine Matrize gepresst wird und längliche Gebilde (wie z. B. Vollstäbe, Rohre, Schläuche) mit beliebiger Querschnittsform entstehen.

. Abb. 69.15. Ausgehend von der damit erzeugten Geometrie erfolgt die anschließende Weiterverarbeitung durch Verknüpfen weiterer Körper durch die oben erwähnten Booleschen Operationen, siehe . Abb. 69.14b–d. Ein Modellbaum, in . Abb. 69.14 jeweils oben links im Bild, informiert über alle vorhandenen Operationen und erlaubt an jeder Stelle Änderungen durch Aufrufen und Abändern der gewünschten Daten. Wenn man ein Modell mit einem solchen CAD-System erstellt, muss nicht auf die „konventionelle“ Zeichnung verzichtet werden. Es können Ansichten und Schnitte herausgeleitet werden, um diese durch Hinzufügen z. B. einer normgerechten Bemaßung, eines Zeichenrahmens oder eines Schriftfeldes zu vervollständigen, siehe . Abb. 69.16. Diese Zeichnungserstellung ist bei einem 3D-CAD-System vom Arbeitsaufwand her aber ein „Nebenprodukt“. Auch die CAD-Zeichnung unterliegt den strengen Anforderungen, die in Normen festgehalten sind und die Erstellung erfordert die Kenntnis der Regeln des technischen Zeichnens.

69.3

Datenformate – Schnittstellen

Definition und Nutzung geeigneter Schnittstellen sind wesentlich für den Informationsaustausch über Abteilungs-, Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg. Da viele verschiedene CAD-Systeme genutzt werden und diese nicht nur untereinander, sondern auch zu anderen vor- oder nachgelagerten Systemen einen Datenaustausch ermöglichen sollen, wird ein einfacher Im- und Export von Daten durch die CAD-Systeme angestrebt. Grundsätzlich möglich ist der Datenaustausch zwischen mehreren Abteilungen, siehe . Abb. 69.17, bzw. unterschiedlichen Anwendungssystemen (CAD, Berechnungs-

. Abb. 69.16 Zeichnungserstellung bei einem 3D-CAD-System, hier am Beispiel einer Autofelge

69

1424

Kapitel 69  CAD in der Praxis

. Abb. 69.17 Beispiel für den Datenaustausch zwischen CADSystem und den verschiedenen Abteilungen eines Betriebes

programmen oder Arbeitsplanungssoftware etc.) entsprechend einem der folgenden Konzepte: 4 Direkte und (maßgeschneiderte) Konvertierung in das Datenformat des Zielsystems. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass über spezielle Filter auch definiert werden kann, was nicht zu übertragen ist. 4 Definition eines systemneutralen Datenformates, in das jeweils ausgeschrieben wird bzw. aus welchem eingelesen werden kann. 4 Definition eines einheitlichen Datenformates mit freiem Zugriff aller beteiligten Systeme auf den entsprechenden Datenbestand.

69

In Deutschland ist die Schnittstelle IGES sehr gebräuchlich bzw. die daraus abgeleitete Schnittstelle VDAFS. In speziellem Kundenkreis (französische Kraftfahrt- und Raumfahrtindustrie) ist die Schnittstelle SET verbreitet. Daneben hat sich die DXF-Schnittstelle als Industriestandard für den (zweidimensionalen) CAD-Datenaustausch durchgesetzt. Um ein vollständiges Produktmodell rechnerintern verwalten zu können, wurde der Standard STEP definiert. Hierin fließen (außer dem nicht allgemein genormten Format DXF) alle genannten (und einige weitere) Schnittstellenformate ein. IGES (Initial Graphics Exchange Specification) ist ein Schnittstellenformat, das hauptsächlich zur Übertragung von Geometriedaten genutzt wird. Mit diesem Schnittstellenformat sind auch nichtgeometrische Elemente (insbesondere Bemaßungen, Texte und auch FEM-Daten) übertragbar. Je nach Version liegt eine unterschiedliche Datenbasis vor, denn ursprünglich war IGES auf Kantenmodelle beschränkt, danach wurde der Umfang im Dreidimensionalen auf Flächeninformationen erweitert, um ab Version 4.0 einfache Volumeninformationen und mit Version 5.0 die Übertragung nach dem Flächenbegrenzungsmodell zu erlauben. Die Aktivitäten zu IGES werden inzwischen ausschließlich im Rahmen von STEP weitergeführt. VDAFS (VDA-Flächenschnittstelle) ist ein Schnittstellenformat, das als reine Geometrieschnittstelle nur auf den Austausch von dreidimensionalen Kurven- und Flächeninformationen ausgerichtet ist. Diese Schnittstelle wurde her-

ausgebracht, weil zum damaligen Zeitpunkt mit den vorhandenen Schnittstellen eine Übertragung von FreiformFlächen nicht möglich war. Der Name VDAFS kommt daher, weil der VDA (VDA – Verband der Automobilindustrie e.V.) die treibende Kraft bei der Festlegung dieser Schnittstelle war. Diese Schnittstelle hat im Bereich der Kraftfahrzeugindustrie, beim Datenaustausch zwischen den Kraftfahrzeugherstellern und ihren Zulieferern nach wie vor eine große Bedeutung. SET (Standard d’Echange et de Transfer) ist etwa zur gleichen Zeit und aus den gleichen Motiven heraus entstanden, wie die VDAFS in Deutschland. SET hat gegenüber VDAFS einen etwas erweiterten Funktionsumfang, weil darin auch Volumenmodelle übertragen werden können. Darüber hinaus erfasst SET (im Gegensatz zu VDAFS) auch graphische Symbole, Bemaßungen, Schraffuren, Teilestrukturen und bietet die Möglichkeit zur anwendungsspezifischen Erweiterung. Weitere Entwicklungen haben die Übertragung von FEM- und Fertigungsinformationen ermöglicht. DXF (Drawing Exchange Format) ist ein von der Firma Autodesk ursprünglich für das eigene CAD-System AutoCAD entwickelte Schnittstellenformat. Aufgrund der überaus großen Verbreitung dieses Systems ist diese Schnittstelle zu einem industriellen Standard geworden. Nahezu alle CAD-Systemanbieter können heute diese Schnittstelle bedienen und liefern Pre- und Postprozessoren. War DXF ursprünglich nur für den Austausch von (zweidimensionalen) Zeichnungsdaten gedacht (Geometrie, Symbole, Bemaßungen, Schraffuren), so wurde dies in der Vergangenheit auch auf dreidimensionale Elemente erweitert. STEP (Standard for the Exchange of Product Model Data) bietet gegenüber den bislang genannten Formaten einen erheblich erweiterten Ansatz, weil mit diesem Standard die Möglichkeit geschaffen werden sollte, vollständige Produktmodelle nach einheitlichen Kriterien auszutauschen und zu archivieren. Der Begriff „vollständiges Produktmodell“ ist so zu verstehen, dass verschiedene Phasen im Lebenszyklus eines Produkts durch unterschiedliche so genannte STEPPartialmodelle beschrieben werden. Ihre Gesamtheit ergibt das vollständige Produktmodell.

1425 69.4  Rechnerunterstützte Konstruktion

69.4

Rechnerunterstützte Konstruktion

Zunächst wird die Konstruktion unter dem Gesichtspunkt Zeichnungserstellung mit CAD betrachtet. Das Kürzel „CAD“ bezeichnet mit Computer Aided Design nicht das Zeichnen, sondern das rechnerunterstützte Konstruieren. Der wesentliche Unterschied zwischen dem manuellen und dem rechnerunterstützten Konstruieren und Zeichnen besteht darin, dass im zweiten Fall zu jedem Bauteil, jeder Baugruppe und jedem Erzeugnis ein rechnerinternes Modell erzeugt wird, das nicht nur für diese eine Zeichnung, sondern zu verschiedenen Zwecken verwendet werden kann.

69.4.1

Neukonstruktionen die CAD-Systeme für neue Ideen, Aufgabenstellungen und Lösungen nicht ausgerichtet sind. CAD-Systeme sind in der kreativen Phase des Konstruktionsprozesses nach wie vor nicht behilflich. Ihre Stärke liegt jedoch in der Archivierung von bereits erstellten Konstruktionen und der schnellen Manipulation solcher Vorlagen, also in der Anpassungskonstruktion. Die Variantenkonstruktion, als letzte der Konstruktionsarten, ist ohne CAD-Systeme mit seinen Möglichkeiten, ein parametrisierbares Modell zu erstellen, kaum noch wirtschaftlich möglich. Hier kommen die Funktionalitäten von CAD-Systemen besonders gut zum Einsatz. Berücksichtigt man den geringen Anteil, den Neukonstruktionen zahlenmäßig an der Gesamtentwicklung haben, dann wird der durchgängige Einsatz von CAD-Systemen noch besser verständlich.

Unterstützung der Konstruktionstätigkeit durch Rechner 69.4.2

Der Hauptvorteil von CAD besteht in der Durchgängigkeit der Daten für die Prozesskette Entwicklung – Konstruktion – Fertigung, siehe . Abb. 69.18. Die hierzu notwendigen Schnittstellen sind, wie im 7 Abschn. 69.3 dargelegt, ausgereift. Ein Kritikpunkt der CAD-Systeme, dass Handskizzen nicht übernommen werden können, ist durch Anbieter, die sich auf das Aufnehmen und Verarbeiten dieser Zeichnungen spezialisiert haben, aufgehoben. Ein anderer Kritikpunkt hat heute noch Bestand, dass vor allem bei

Dokumentation

Allen gesammelten Informationen, die aus dem CAD abgeleitet werden, dient die technische Zeichnung als Grundlage. Sie entsteht in der Entwicklungs- bzw. Konstruktionsabteilung. Ihre Vorläufer sind bereits seit der Angebotsphase (Planung) zur Vereinfachung der Abstimmung mit dem Kunden vorhanden. Ist die Entwicklung bzw. Konstruktion beendet und wird die entsprechende Zeichnung freigegeben, dann bekommt sie eine Zeichnungs- und eine Revisionsnummer.

. Abb. 69.18 CAD-Arbeitsplatz mit der Möglichkeit einer durchgängigen Bearbeitung von a der Vorlage (hier das Blatt der Riesenseerose) über b das CAD-Modell, über c die Ausleitung zu einem Berechnungstool bis zur d technischen Zeichnung und e dem Rapid Prototyping-Modell

69

1426

Kapitel 69  CAD in der Praxis

Planung

Entwicklung Konstruktion

Produktion

Vertrieb

Nutzung

Entsorgung

. Abb. 69.19 Produktlebenslauf

Mit dieser Revisionsnummer wird ein jeweils abgestimmter Status einer Entwicklung oder Konstruktion festgehalten. Ist eine technische Zeichnung erst einmal freigegeben, zieht eine Änderung dieser Konstruktion einen größeren Aufwand nach sich, weil sie nicht nur mit Kunden bzw. Lieferanten abgestimmt sein muss, sondern auch Änderungen aller Dokumente der nachfolgenden Produktlebensphasen nach sich zieht, siehe . Abb. 69.19. Jede Änderung der Konstruktion wird auf der technischen Zeichnung gekennzeichnet und durch Unterschrift bestätigt. Gleichzeitig ändert sich damit die Revisionsnummer. Weiterführende Dokumente, wie z. B. Stücklisten, Fertigungs- und Montagevorgaben, Transportvorschriften, Betriebsanleitungen, Demontagevorgaben, Recyclingmöglichkeiten usw. beziehen sich auf einen bestimmten Stand der Zeichnung.

69.4.3

69

Digital Mock-Up

Das Hauptargument für den CAD-Einsatz war früher die Arbeitszeitersparnis durch Nutzung des Werkzeugs CAD als (elektronische) Zeichenmaschine, um bei kleinen Änderungen eine kürzere Bearbeitungsdauer als bei einer reinen Handzeichnung zu erzielen. Wegen dieser relativ geringen Nutzbarkeit sind heute diese Systeme seltener anzutreffen. Durch Verwendung von 3D-CAD-Systemen sind die Möglichkeiten stark gestiegen. Der Einsatz von 3D-CAD-Systemen wird dann interessant, wenn viele Personen gleichzeitig an komplexen Projekten arbeiten. Wenn für unterschiedliche Gewerke, wie z. B. Rohrleitungsbau, Stahlbau, Aufstellungsplanung, Feuerung über die Bauteilund Zeichnungserzeugung hinaus gehende Fragestellungen zu bearbeiten sind. Diese weitergehende Nutzung der Produktdaten, die teilweise spezialisierte Hard- und Software erfordert, wird unter der Bezeichnung Digital Mock-Up (DMU) zusammengefasst. Im Folgenden sind Beispiele hierfür gegeben. 4 Visualisierung (Optische Darstellung): Das erzeugte Bauteil kann von allen Seiten betrachtet werden und vermittelt dem Konstrukteur einen Eindruck von der Gestalt. Dabei kann die Visualisierung dadurch verbessert werden, dass mit Virtual Reality ein räumlicher Eindruck vermittelt werden kann, vergleiche . Abb. 69.7. 4 Packaging, Space Management (Prüfung der Platzverhältnisse): Das betreffende Bauteil kann zur Simulation und Überprüfung von Platzverhältnissen an seinen zukünftigen Platz virtuell positioniert werden, um z. B. die Montagefreiräume überprüfen zu können. Bei einer

Mess-Station auf der Bühne eines Kraftwerks kann z. B. geprüft werden, ob die Handräder für die Ventile tatsächlich in erreichbarer Höhe positioniert worden sind. 4 Clash & Clearance (Prüfung der Kollisionen und Freiräume): Um späte kostspielige Kollisionen zu vermeiden, kann eine rechnerinterne Kollisionsanalyse durchgeführt werden. Ebenso kann die Freigängigkeit (Kopffreiheit, Breite von Fluchtwegen) virtuell geprüft werden. Bei einer Mess-Station auf der Bühne eines Kraftwerks kann z. B. geprüft werden, ob die notwendige Isolierung mit dem Stahlbau kollidiert bzw. ob die Freigängigkeit (z. B. freie lichte Höhe von 2,2 m) trotz der Rohrleitungen und Armaturen auf der Arbeitsbühne noch gegeben ist. 4 Enveloping (Einwickeln, Verhüllen): Die erforderlichen Platzverhältnisse können sich durch Schwingungen oder durch Wärmedehnung stark ändern. Auch diese Anforderung kann durch ein 3D-CAD-Systems geprüft werden, indem der zusätzliche Bewegungsraum der betreffenden Bauteile durch eine zusätzliche virtuelle Umkleidung visualisiert wird. Bei einer MessStation auf der Bühne eines Kraftwerkes können die Rohrleitungen bereits mit einer Isolierung versehen werden. Auch kann die Absenkung, die sich aufgrund der Wärmedehnung ergibt, in das CAD-System eingegeben und die verbliebene freie lichte Höhe visualisiert werden. 4 Virtual Workshop (Rechnerinterne Werkstatt): Durch die rechnerinterne Simulation von Montagevorgängen wird nicht nur die montierte Baugruppe dargestellt, sondern auch der Platzbedarf bei Montage und Instandhaltung ermittelt. Bei einer Mess-Station auf der Bühne eines Kraftwerks kann z. B. geprüft werden, ob die geplanten Rohrleitungen zum Aufbau der Mess-Station wegen ihrer Größe überhaupt eingebracht werden können oder ob ein besonderer Lagerplatz eingerichtet werden muss. Die einmal in den Rechner gebrachten Daten können automatisch oder teilautomatisch weiterverwendet werden, z. B. zur Stücklistengenerierung, zur Ableitung von Illustrationen für Dokumentationen direkt aus dem Konstruktionsmodell oder zur Gewinnung von Steuerungsinformationen z. B. für NC- bzw. CNC-Werkzeugmaschinen.

Literaturhinweise 1. Gebhardt, A.: Generative Fertigungsverfahren. Rapid Prototyping – Rapid Tooling – Rapid Manufacturing. Carl Hanser, München (2008) 2. Vajna, S., Weber, C., Bley, H., Zeman, K.: CAx für Ingenieure, Eine praxisbezogene Einführung. Springer, Heidelberg, Berlin (2009)

1427

Anhang 1 Abkürzung von Begriffen A

Winkel für Drehbewegungen um die X-Achse

N

Satznummer

B

Winkel für Drehbewegungen um die Y-Achse

NC

Numerical Control, entspricht heute CNC

C

Winkel für Drehbewegungen um die Z-Achse

P0

Programmnullpunkt

CNC

Computerized Numerical Control

P

dritte Bewegung parallel zur X-Achse

CAD

Computer Aided Design

Q

dritte Bewegung parallel zur Y-Achse

CAM

Computer Aided Manufacturing

R

dritte Bewegung parallel zur Z-Achse oder auch Referenzpunkt

D

Werkzeugkorrekturspeicher S

Spindeldrehzahl

E

zweiter Vorschub

T

Werkzeugspeicher

F

Vorschub oder auch Spannmittelnullpunkt

U

zweite Bewegung parallel zur X-Achse

G

Wegbedingung

V

zweite Bewegung parallel zur Y-Achse

H

z. B. Werkzeuglänge

VNCK

Virtueller NC-Kern

HP

Hilfspunkt

W

I

Interpolationsparameter oder Gewindesteigung parallel zur X-Achse

zweite Bewegung parallel zur Z-Achse oder auch Werkstücknullpunkt

WWP

Werkzeugwechselpunkt

J

Interpolationsparameter oder Gewindesteigung parallel zur Y-Achse

WZ

Werkzeugbezugspunkt

K

Interpolationsparameter oder Gewindesteigung parallel zur Z-Achse

X

Bewegung in Richtung der X-Achse

Y

Bewegung in Richtung der Y-Achse

Z

Bewegung in Richtung der Z-Achse

M

Zusatzfunktion oder auch Maschinennullpunkt

1429

Steuerungstechnik Inhaltsverzeichnis Kapitel 70

Grundlagen der Steuerungstechnik – 1431 Petra Linke

Kapitel 71

Verbindungsprogrammierte Steuerung – 1489 Petra Linke

Kapitel 72

Speicherprogrammierbare Steuerungen – 1497 Petra Linke

Kapitel 73

Maschinensicherheit – 1517 Petra Linke

XIV

1431

Grundlagen der Steuerungstechnik Petra Linke

Steuerungen werden in der Fertigungs-, Montage- und der Terminüberwachung sowie der Kostenanalyse, ProzesTransporttechnik gewählt, wenn der aufgabengemäß zu be- se, die den täglichen Betrieb des Unternehmens absichern. einflussende Teil der Anlage stabil ist und nur erfassbare Auch hierfür existieren Softwarelösungen wie z. B. das MaStörgrößen auftreten. Allgemeine Grundbegriffe zur Pla- nufacturing Execution System (MES). nung, für den Aufbau, die Prüfung und den Betrieb von 2Produktionsleitebene technischen Steuerungen sind genormt. In dieser Ebene wird die kurzfristige Produktionsplanung, wie z. B. die Einsatzplanung von Maschinen und Anla70.1 Automatisierungstechnik – gen sowie des Personals sichergestellt. Softwarelösungen Steuerungstechnik hierfür sind sogenannte Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA)-Systeme. Die Steuerungstechnik ist neben der Regelungstechnik das 2Prozessleitebene Hauptgebiet der Automatisierungstechnik. Das ElektroSie kann je nach Anlagengröße noch einmal in weite1 technische Wörterbuch DIN IEC 60050-351 definiert den re Ebenen, von der Anlagen- über die Gruppen- bis hin Begriff „selbsttätig/automatisch“: einen Prozess oder eine zur Einzelleitebene, untergliedert werden. Diese steuern Einrichtung bezeichnend, der oder die unter festgelegten und regeln die Produktionsprozesse und deren ÜberwaBedingungen ohne menschliches Eingreifen abläuft oder chung und können gleichfalls eine Verbindung der einzelarbeitet. nen Fertigungszellen realisieren. Da die Prozesse innerhalb Um die Bereiche der industriellen Automatisierung zu eines Fertigungsbereiches (Zelle) ablaufen, wird diese Ebeveranschaulichen, wird in der Literatur häufig die Darne aus Sicht der Fertigungseinrichtungen auch Zellebene stellung einer Automatisierungspyramide herangezogen. genannt. Die Automatisierungspyramide entsprechend . Abb. 70.1 spiegelt die Ebenen in einem Unternehmen wider. Sie 2Feldebene veranschaulicht wie die Kommunikation und somit der In der Feldebene befinden sich die Aktoren und SensoDatenaustausch zwischen den Ebenen und innerhalb der ren sowie Anzeigegeräte. Hier werden die Anlagendaten Ebenen zu erfolgen hat. Man unterscheidet die folgenden Hierarchieebenen: 2Unternehmensleitebene

In dieser Ebene laufen alle Prozesse ab, die dem Unternehmen das Überleben am Markt sichern. Es werden Aufgaben wie: Marktanalyse, Unternehmensführung, strategische Personal-, Investitions- und Produktionsplanung realisiert. Unterstützend können Systeme wie das Enterprise Resource Planning (ERP) oder SAP-Softwareprodukte wirken. 2Betriebsleitebene

Diese Ebene beinhaltet z. B. Prozesse der Verwaltung und Bearbeitung von Lieferaufträgen, der Produktionsplanung, 1

Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – Teil 351: Leittechnik (IEC 1/2201/FDIS:2012).

. Abb. 70.1 Automatisierungspyramide

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_70

70

1432

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.2 Automatisierte Fertigung (in Anlehnung an [1])

erfasst sowie aufbereitet und es erfolgen die Reaktionen entsprechend der ausgewerteten Informationen. Sie verbinden den Prozess mit den übergeordneten Steuerungen. Zur Anbindung an die übergeordneten Systeme müssen die Datenmengen mit kurzen Reaktionszeiten übertragen werden.

In den oberen Ebenen arbeiten komplexe Rechnersysteme in Netzen mit großer Ausdehnung und vielen Teilnehmern. Es werden große Datenmengen verarbeitet, die Verarbeitungszeiten (Reaktionszeiten) sind dabei nicht von entscheidender Bedeutung. In den unteren Ebenen sind die Netzausdehnung und die Teilnehmerzahlen eher gering. Es müssen kleine Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit verarbeitet werden, es entstehen Echtzeitanforderungen. Ausgehend von der Automatisierungspyramide können zu steuernde Prozesse in allen Ebenen von der Unternehmensleitebene bis hin zur Feldebene stattfinden. Die Ausführungen in diesem Kapitel konzentrieren sich allerdings auf die Feldebene und in geringem Umfang auf die Prozessleitebene, vorrangig aus Sicht der Fertigung (siehe . Abb. 70.2). Eine automatisierte Fertigungsanlage kann aus mehreren Elementen bestehen. . Abb. 70.3 zeigt beispielsweise die maschinentechnische Struktur eines flexiblen Fertigungssystems. Innerhalb und zwischen den hier abgebildeten Zellen finden Automatisierungsprozesse (siehe auch . Abb. 70.2) statt, d. h. es müssen Informationen aus dem Prozess/der Anlage gewonnen (Prozessdaten), diese in einer Automatisierungseinrichtung verarbeitet und daraus abgeleitet Einfluss auf den Prozess/die Anlage ausgeübt werden (Stellgrößen). Die Automatisierungseinrichtung kann je nach Prozessanforderung als Steuerung oder Regelung ausgeführt werden.

70 . Abb. 70.3 Maschinentechnische Struktur eines flexiblen Fertigungssystems

1433 70.2  Grundbegriffe der Steuerungstechnik

70.2

Grundbegriffe der Steuerungstechnik

Als Steuern wird der Vorgang in einem System verstanden, bei dem eine oder mehrere Größen als Eingangsgrößen andere Größen als Ausgangsgrößen auf Grund der dem System eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten beeinflussen (siehe . Abb. 70.4). Entsprechend der Begriffsdefinition in der DIN IEC 60050-351 wird von einem offenen Wirkungsablauf gesprochen. Es kann aber auch in gesteuerten Anlagen zu Rückkopplungen aus dem Prozess kommen. Diese führen in der Regel zu einem weiteren Prozessschritt und werden im Gegensatz zu einem geregelten Prozess nicht fortlaufend verglichen bzw. wirken nicht wieder auf sich selbst zurück. Die Systeme, welche gesteuert werden, sind in unserem Fall Maschinen und Anlagen zur Realisierung der Fertigungsprozesse. Die Einteilung der Steuerungen kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen. Diese sind in . Abb. 70.5 zusammengefasst. Die Hauptklassifizierungskriterien sind: 4 Steuerungsarten, 4 Steuerungsmittel, 4 Steuerungsebenen und 4 Steuerungsfunktionen. Dabei muss die Steuerung Informationen aufnehmen, verarbeiten, gegebenenfalls weiterleiten und ausgeben, um die Aufgaben des Planens, Leitens, Stellens und Überwachens umsetzen zu können. Die Vielschichtigkeit der

. Abb. 70.4 Definition Steuern . Abb. 70.5 Einteilung der Steuerungen

Aufgaben und Realisierungsmöglichkeiten bedingen sehr unterschiedliche Darstellungsformen und Methoden zur Lösung von Steuerungsaufgaben. Der oben beschriebene offene Wirkungsablauf kann entsprechend . Abb. 70.6 erläutert werden. Anhand einer vorgegebenen Zielgröße c erzeugt die Steuereinrichtung entsprechend den zuvor eingegebenen Steueranweisungen („die dem System eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten“) eine Stellgröße y. Diese wirkt auf die Steuerstrecke so ein, dass die gesteuerte Größe x den Prozess entsprechend den Erfordernissen beeinflusst. Bei diesem Wirkungsablauf kann die Steuerung keinen Einfluss auf die Störgröße(n) z nehmen. Ist es jedoch möglich, die Störgrößen zu erfassen und der Steuereinrichtung zur Auswertung bereit zu stellen, kann auch eine Steuerung auf diese Störungen reagieren (siehe . Abb. 70.7). Nicht erfasste Störungen können nach wie vor den Prozess verändern, da im Gegensatz zu einer Regelung nicht dauerhaft das Erreichen der gesteuerten Größe beobachtet wird. Der gesamte Wirkungsablauf wird auch Steuerkette genannt. Der Wirkungsablauf gibt vor allem das Verhalten einer Führungssteuerung wider. Beispiel hierfür kann die Steuerung der Temperatur in einem Raum sein. Die Zielgröße wäre ein gewünschter Temperaturverlauf, der der Steuereinrichtung mitgeteilt wird. Diese wiederum bewirkt eine Stellung der Heizungsventile, wodurch am Ende der Steuerstrecke eine bestimmte Temperatur erzielt wird (es wird davon ausgegangen, dass stets ein Heizen erforderlich ist und kein Kühlen). Die Steuerung erzeugt einen direkten Zusammenhang zwischen gewünschter Temperatur und Ventilstellung. Nicht berücksichtigt werden hierbei z. B. das parallele Aufheizen durch anwesende Personen oder die Wirkung herrschender Außentemperaturen. Würde die momentane Außentemperatur als Störgröße erfasst und der Steuereinrichtung zur Verarbeitung zur Verfügung gestellt, ergebe sich der Zusammenhang zwischen gewünschter Temperatur und Ventilstellung in Abhängigkeit von dieser. Im Gegensatz dazu erfolgt bei einer Regelung des Temperaturverlaufs fortlaufend ein Vergleich zwischen gewünschter und existierender Raumtemperatur und bei Abweichung ein Nachregeln am Heizungsventil.

70

1434

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

1 Definitionen

. Abb. 70.6 Wirkungsablauf Steuerung (Steuerkette)

. Abb. 70.7 Wirkungsablauf Steuerung mit Störgrößenerfassung

. Abb. 70.8 Wirkungsablauf Steuerung mit Rücksetzkreis

70

Liegt eine Verknüpfungssteuerung (siehe auch 7 Abschn. 70.5) vor, so werden die Eingangsgrößen mittels Schaltfunktionen der Booleschen Algebra in der Steuerungseinrichtung verarbeitet und den Ausgangsgrößen bestimmte Zustände zugeordnet. Bei dieser Steuerungsart kann die Zielgröße durch ein oder mehrere binäre Informationen (z. B. Betätigen eines Schalters, Schaltzustand eines Sensors) vorgegeben werden. Auch Steuerungen mit Speicher- und Zeitfunktionen ohne zwangsläufig schrittweisen Ablauf werden Verknüpfungssteuerungen genannt. Ablaufsteuerungen sind Steuerungen mit zwangsläufig schrittweisem Ablauf. Das Weiterschalten von einem Schritt zum programmgemäß folgenden Schritt erfolgt in Abhängigkeit von Weiterschaltbedingungen/Transitionen. Die Transitionsbedingungen sind die Voraussetzungen für den programmgemäß folgenden Schritt. In diesem Fall wird die Ablaufkette durch die Zielgröße gestartet und durch weitere Zielgrößen weitergeschaltet. Von außen vorgegebene Größen können weiterhin die Wahl der Betriebsart oder das Reagieren von Sicherheitseinrichtungen sein. Die Schrittfolge kann jedoch auch mit Sprüngen, Schleifen und Verzweigungen programmiert werden. Den Wirkungsablauf zeigt . Abb. 70.8. Da Automatisierungsaufgaben, die entsprechend der Führungssteuerung einen wechselnden Verlauf der Eingangsgröße auswerten, häufig durch Regelungen realisiert werden, wird im Weiteren nur näher auf Verknüpfungs- und Ablaufsteuerungen eingegangen.

Die Zielgröße c ist die Eingangsgröße der Steuerung, die der Steuerkette von außen zugeführt wird und der die gesteuerte Größe x in vorgegebener Abhängigkeit folgen soll. Die Stellgröße y ist die Ausgangsgröße der Steuereinrichtung und zugleich Eingangsgröße der Strecke. Sie überträgt die steuernde Wirkung der Einrichtung auf die Strecke. Der Wertebereich, innerhalb dessen die Stellgröße einstellbar ist, heißt Stellbereich. Störgrößen z sind unerwünschte Eingangsgrößen in das Steuerungssystem, die unabhängig und meist unvorhersehbar sind. Die Steuereinrichtung ist derjenige Teil des Wirkungsweges, der die aufgabengemäße Beeinflussung der Strecke über das Stellglied bewirkt, d. h. die Steuereinrichtung beinhaltet die dem System eigentümliche Gesetzmäßigkeit. Diese Gesetzmäßigkeit kann z. B. durch ein Steuerprogramm oder eine entsprechende Schaltung erzeugt werden. Erfüllen die Eingangsgrößen jene von der Schaltung oder dem Steuerprogramm abgefragten Bedingungen, so gibt die Steuereinrichtung als Ausgangsgröße die Stellgröße y an das Stellglied. Das Stellglied überträgt die steuernde Wirkung auf die Strecke. Das Stellglied ist eine am Eingang der Steuerstrecke angeordnete Funktionseinheit, die in den Energiefluss eingreift. Die Steuerstrecke ist der Teil des Systems, der aufgabengemäß zu beeinflussen ist. Die zu beeinflussende Größe (gesteuerte Größe x im Wirkungsplan) der Steuerstrecke soll der Zielgröße c folgen.

70.3

Steuerungsmittel

Wird von der Steuerungstechnik gesprochen, so hat man in der Regel die elektronische programmgestützte Steuerung vor Augen. Diese verdrängt immer mehr die anderen Steuerungsmittel. Es gibt aber auch noch Bereiche, wo die Robustheit, Sicherheit und Reaktionsgeschwindigkeit den Einsatz der anderen Steuerungsmittel bedingen. Daher wird im Folgenden ein Überblick zu möglichen Steuerungsmitteln gegeben. Bei der Projektierung von Steuerungsaufgaben lässt sich nicht immer von vornherein sagen, ob ein mechanisches, pneumatisches, hydraulisches oder elektronisches System am besten zur Lösung des Steuerungsproblems geeignet ist. In dem Bestreben, den Bauaufwand, die Betriebssicherheit und die technische Vollkommenheit für die jeweilige Aufgabe zu optimieren, müssen häufig zwei oder mehr Steuerungs- und Antriebsmedien miteinander verknüpft werden. Neben den technischen sind häufig auch ökonomische und ökologische Gesichtspunkte zu beachten.

70

1435 70.3  Steuerungsmittel

. Abb. 70.9 Bauelemente mechanischer Steuerungen

Malteserkreuzrad

Stößel

Kurbel Archimedische Spirale

Koppel

Treibende Scheibe

Schwinge Rolle

Malteserkreuz Schrittgetriebe

Scheibenkurve

Kurvengetriebe Zeitplansteuerung Bewegungsumformung

Maschinengestell

Kurbelgetriebe Bewegungsumformung

Trommelkurve Zeitplansteuerung Bewegungsumformung

1 Mechanische Steuerungen

1 Pneumatische Steuerungen Mechanische Steuerungen werden dort eingesetzt, wo stets Der Einsatz der Pneumatik liegt insbesondere in Bedie gleiche Steuerungsaufgabe anliegt, gekoppelt mit ei- reichen mit Explosionsgefahr und hohen hygienischen ner hohen Reaktionsgeschwindigkeit und Robustheit. Die Ansprüchen. Pneumatische Arbeitselemente eignen sich Mittel zur Realisierung sind z. B. Nocken, Kurvenscheiben, besonders als Linearantriebe für Spann- und VorschubbeHebel – Bauelemente die mechanisch Informationen wei- wegungen sowie zur Realisierung hoher Drehzahlen bei terleiten und umwandeln (siehe . Abb. 70.9). Zu Beginn sehr geringen Leistungen. der Industrialisierung wurden vorrangig diese Steuerungen . Abb. 70.10 zeigt die pneumatische Steuerkette zur genutzt. Über eine Masterwelle erfolgte die Weiterleitung Realisierung einer Vorschubbewegung. Über die Aufbean die unterschiedlichen Funktionseinheiten, deren Zusam- reitungseinheit (OZ1), die in der Regel Filter, Öler und menspiel an der Wirkstelle über mechanische Getriebe- Druckregelventil vereint, wird die Steuerkette mit Druckelemente aufeinander abgestimmt werden musste. Heute luft versorgt. Wird sowohl das durch Taster (1S3) betätigte findet man diese Art der Steuerung häufig, wo schnelle 3/2-Wegeventil als auch das durch Tastrolle (1S4) betäHin- und Rückbewegungen, wie z. B. bei Verbrennungsmo- tigte 3/2-Wegeventil auf Durchlass geschaltet, so erfolgt toren (Kurbelwelle zur Kolbensteuerung, Nockenwelle zur auch eine Durchlassstellung am Zweidruckventil (1V1). Ventilsteuerung) realisiert werden müssen. In der Steuer- Das Zweidruckventil wirkt wie ein logisches UND, das strecke sorgen die Getriebeelemente durch z. B. Drehzahl-, bei einem „1“- Signal an beiden Eingängen am Ausgang Momenten- oder Lastanpassung dafür, die Stellgröße an auch eine logische „1“ ergibt. Werden gleichfalls die beidie erforderliche Prozessgröße anzupassen – kein Auto den durch Knopf (1S1 und 1S2) betätigten 3/2-Wegeventile mit Verbrennungsmotor kommt ohne Schalt- oder Auto- auf Durchlass geschaltet, bewirkt dieser zusammen mit matikgetriebe aus. In manchen Bereichen, z. B. der Uh- dem Durchfluss an dem Zweidruckventil (1V1) ein Durchrenindustrie erleben die mechanischen Steuerungen eine schalten des Zweidruckventils (1V2). Das verursacht Renaissance und es werden hohe Preise für in Manufak- durch Druckbeaufschlagung des 3/2-Wegeventils (1V3) turen gefertigte mechanische Uhren bezahlt. In der Ferti- ein Freischalten der Druckluft für den Hubzylinder mit gungstechnik ist das zurzeit nicht vorstellbar, da stets die Rückholfeder (1A1). Über das Drosselrückschlagventil optimale Lösung bei geringen Kosten gefordert wird. Die (1V4) kann die Kolbengeschwindigkeit eingestellt werden. Vorteile beim Einsatz mechanischer Steuerungen sind: . Abb. 70.11 zeigt den Wirkablauf dieser pneumatischen 4 hohe Produktivität, Steuerkette. 4 große Betriebssicherheit, Einsatzgebiete der Pneumatik sind vornehmlich: 4 geringe Kosten für Anschaffung, Betrieb und Wartung 4 Linearantriebe zum Zuführen, Verschieben, Spannen sowie und Auswerfen, 4 hohe Reaktionsgeschwindigkeit, da eine analoge Infor- 4 rotierende Antriebe zum Schrauben, Bohren und mationsverarbeitung vorliegt. Schleifen,

1436

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.10 Beispiel pneumatische Steuerkette für Vorschubantrieb

4 Kunststoffverarbeitung, 4 Schiffsbau und 4 Flugzeughydraulik. . Abb. 70.11 Wirkablauf pneumatische Steuerkette

4 schlagende Antriebe zum Meißeln, Schneiden, Nieten und Pressen, 4 Düsen zum Auswerfen von Werkstücken und Reinigen von Spänen und 4 die Vakuumtechnik. Ist die Steuerungsaufgabe nicht so umfangreich, d. h. müssen wenig Informationen ausgewertet werden, so wird häufig beim Einsatz von pneumatischen Antriebselementen auch die Steuerung pneumatisch realisiert. 1 Hydraulische Steuerungen

70

In der Darstellung als Schaltplan werden mit kleinen Ausnahmen die gleichen Zeichen verwendet, wodurch die pneumatischen und hydraulischen Steuerungen auch oft zur fluidischen zusammengefasst werden. Aufgrund ihrer Wirkungsweise sind sie als verbindungsprogrammierte Steuerung einzuordnen. Die Bauelemente zur Umsetzung der fluidischen Steuerungen sind in . Tab. 70.1 aufgeführt. Die einfache Bewegungs- und Richtungsumkehr pneumatischer und hydraulischer Arbeitselemente sowie ihre Überlastsicherheit machen ihren Einsatz vielfach unverzichtbar.

1 Bauelemente fluidischer Steuerungen und deren Darstellung

Im Gegensatz zum Medium Luft ist Öl nahezu inkompressibel. Hohe Leistungsdichte, Wegegenauigkeit und gute Steuerbarkeit sichern der Hydraulik daher einen breiten Anwendungsbereich im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Produktionstechnik. Einsatzgebiete der Hydraulik sind vornehmlich: 4 Werkzeugmaschinen, Hütten- und Walzwerkindustrie, 4 Straßenfahrzeuge, Bau- und Landmaschinen,

Signale in pneumatischen und hydraulischen Steuerungen werden häufig von Wegeventilen gegeben. Wegeventile beeinflussen die Steuerung durch Veränderung ihrer Schaltstellung, indem sie die Durchflussrichtung des Druckmittels sperren oder freigeben. Die Schaltstellungen a und b werden durch Rechtecke dargestellt. Die Anzahl der Felder entspricht der Anzahl der Schaltstellungen. Die Ventile haben Anschlüsse für den

1437 70.3  Steuerungsmittel

. Tabelle 70.1 Bauelemente der fluidischen Steuerung Energiefluss

Bauelemente

Pneumatische Steuerkette (. Abb. 70.10)

Primäre Energiewandlung: Wandlung mechanischer in pneumatische oder hydraulische Energie

Elektromotoren und Pumpen oder Verdichter

nicht abgebildet

Energiebevorratung:

Tank, Hydraulikspeicher, Druckluftspeicher, Manometer

nicht abgebildet

Energietransport:

Leitungen, Leitungsverbindungen, Sperrventile, Aufbereitungseinheit OZ1, VerbindungsFilter, Trockner, Kühler leitungen

Energiesteuerung: erfolgt durch direkte oder indirekte Betätigung von Ventilen, die die Wirkrichtung, die Durchflussmenge und den Druck beeinflussen

Wege-, Druck-, Strom- und Sperrventile

durch (1S1–1S4) betätigte 3/2 Wegeventile, Zweidruckventil (1V1, 1V2), 3/2 Wegeventil (1V3), Drosselrückschlagventil (1V4)

Sekundäre Energiewandlung: Wandlung der pneumatischen oder hydraulischen Energie in mechanische Arbeit

Zylinder, Hydro- oder Druckluftmotor, Schwenkmotor

Hubzylinder mit Rückholfeder (1A1)

Zufluss des Druckmittels, für die Arbeitsleitungen und die Entlüftung. Die Ausgangsstellung ist jene, die ein Ventil nach dem Einschalten der Druckquelle einnimmt und mit der das Steuerprogramm beginnt. Ist das Druckmittel in der Ausgangsstellung gesperrt, spricht man von der Sperr-Nullstellung; strömt das Druckmittel in der Ausgangsstellung durch das Ventil, so spricht man von der Durchfluss-Nullstellung. Die Anschlüsse müssen in den verschiedenen Schaltstellungen an genau dieselbe Stelle gesetzt werden, damit sich die Leitungsanschlüsse in den verschiedenen Schaltstellungen überdecken. Die Bezeichnung eines Wegeventils ergibt sich aus der Anzahl der Anschlüsse und der Anzahl der Schaltstellungen, z. B. 3/2-Wegeventil. Ventile, die keine definierte Ausgangsstellung haben, werden als Impulsventile bezeichnet. Ein solches Ventil ist in . Abb. 70.12 das 5/2-Wegeventil. Wird das Ventil durch einen Impuls kurzzeitig angesteuert, dann nimmt es eine

Schaltstellungen a

a: Durchlassstellung b: Sperrstellung

b 2

a

Anschlüsse b

1

3

1: Zufluss, Druckluanschluss 2, 4: Arbeitsanschluss 3, 5: Abfluss, Entlüung

Betägung Feder 3/2-Wegevenl a

Druckknopf Rolle b Elektromagnet

5/2-Wegevenl

Impuls

. Abb. 70.12 Wegeventile (Schaltstellungen, Anschlüsse für pneumatische Ventile)

neue Schaltstellung ein und behält diese solange bei, bis es durch einen Gegenimpuls wieder umgesteuert wird. Es kann also einen Schaltzustand speichern. Die Betätigung der Ventile erfolgt durch Muskelkraft (Knopf, Hebel, Pedal), mechanisch durch Stößel, Feder, Rolle oder durch Elektromagnete. Die Betätigungsarten sind genormt und werden außerhalb der Ventile angeordnet (DIN ISO 1219). Die Auswahl der Wegeventile erfolgt entsprechend dem Verwendungszweck und der geforderten Funktion. Nach ihrem Konstruktionsprinzip unterteilt man sie in Sitz- und Schieberventile. Sitzventile haben Schließelemente wie Kugel, Kegel oder Teller. Das 3/2-Wegeventil könnte ein Tellersitzventil sein. Es hat einen kurzen Betätigungsweg. Bei größeren Ventilen werden häufig größere Betätigungskräfte erforderlich. Man verwendet dann vorgesteuerte Ventile, bei denen elektromagnetisch besteuerte Ventile das Hauptventil öffnen. Bei Schieberventilen werden die Ventilanschlüsse durch eine axiale Bewegung des Steuerkolbens im Ventil gesteuert. Schieberventile kennzeichnen größere Schaltwege und kleine Betätigungskräfte. Sperrventile sperren den Durchfluss des Druckmittels in einer Richtung und geben ihn in entgegengesetzter Richtung frei. Zu dieser Gruppe von Ventilen gehören das Rückschlag-, das Schnellentlüftungs-, das Wechselund Zweidruckventil. Schnellentlüftungsventile ermöglichen die direkte Entlüftung des Zylinders. Beispiele sind in . Abb. 70.13 aufgeführt. Wechsel- und Zweidruckventil dienen auch zur logischen Verknüpfung von binären Signalen. Das Wechselventil entspricht einem logischen ODER und das Zweidruckventil einem logischen UND (siehe 7 Abschn. 70.8). Stromventile (siehe . Abb. 70.14) steuern durch Verstellen des Durchflussquerschnitts die Menge des durchfließenden Mediums. Dadurch wird die Geschwindigkeit des Zylinders oder die Drehzahl eines Motors gesteuert.

70

1438

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.15 Schema eines 2-Wege-Stromregelventils

. Abb. 70.13 Sperrventile

Druck hinter der Drosselstelle kleiner ist, muss der Druckausgleichschieber ständig durch eine Feder unterstützt werden. Diese Feder ist maßgebend für die Druckdifferenz an der Drosselstelle. Das Gleichgewicht drückt sich in folgender Gleichung aus: p2  A D p3  A C FF p2  A  p3  A D FF .p2  p3 /  A D FF FF p2;3 D D const. A

. Abb. 70.14 Stromventile

70

In pneumatischen Steuerungen werden vorwiegend Drosselventile zur Veränderung des Leitungsquerschnitts eingesetzt. Die Drosselventile sind häufig mit Rückschlagventilen gekoppelt, genannt Drosselrückschlagventile (siehe . Abb. 70.13). In einer Richtung wird die Durchflussmenge gedrosselt, die parallele Leitung sperrt. Bei Umkehrung der Durchflussrichtung ermöglicht das Rückschlagventil den freien Durchfluss. Bei Drosselventilen besteht an der Drosselstelle vor und hinter der Drossel ein Druckgefälle p. Mit zunehmender Druckdifferenz wird der Öl- oder Luftstrom größer. Der Druck p1 im Zulauf wird im Allgemeinen konstant gehalten. Der Druck p2 ist abhängig vom Arbeitswiderstand. Ändert sich dieser, ändert sich auch der Druck p2 . Einfache Drosselventile werden dort eingesetzt, wo die Belastungsdrücke sich wenig ändern. Bei einer Blende ist die Drosselstrecke besonders klein; sie ist annähernd Null und damit viskositätsunabhängig. Sind weitgehend konstante Drücke erforderlich, bietet sich die Verwendung eines 2-Wege-Stromregelventils (siehe . Abb. 70.15) an. Es besteht aus einer Drossel mit veränderlichem Querschnitt und einem Druckausgleichschieber. Der Druckausgleichschieber wird an den gleichgroßen Stirnflächen mit dem Druck p2 vor der Drossel und dem Druck p3 hinter der Drosselstelle beaufschlagt. Da der

Tritt eine Erhöhung der Last auf, dann steigt p3 an. Der erhöhte Druck p3 verändert die Lage des Druckausgleichschiebers so, dass sich der Zuflussquerschnitt weiter öffnet. Dadurch wird der Druck p2 erhöht und p2;3 wird auf den konstanten Wert korrigiert. Druckventile (entsprechend . Abb. 70.16) dienen zur Druckbegrenzung, zum Zu- und Abschalten des Drucks und zur Konstanthaltung des Arbeitsdrucks. Druckbegrenzungsventile begrenzen die Höhe des Systemdrucks (Sicherheitsventil) in hydraulischen Anlagen. Sie öffnen bei Überschreitung des durch eine Feder eingestellten Systemdrucks. Bei der Auswahl des Ventils muss auf den maximalen Druck und die maximale Durchflussmenge geachtet werden. Für große Volumenströme oder hohe Anforderungen an die Genauigkeit des eingestellten Drucks müssen vorgesteuerte Druckbegrenzungsventile verwendet werden. Solche Ventile setzen sich aus einem kleinen Kegelsitz zur Drucksteuerung und einem großen Hauptventil zur Förderstromsteuerung zusammen. Folgeventile geben druckabhängig den Ölstrom frei oder sperren ihn bei Druckabfall. Druckregelventile halten den Druck in einem nachgeordneten System nach oben konstant, unabhängig vom Hauptkreis. Antriebselemente verändern die Lage oder den Zustand des Arbeitselements. Dabei wird pneumatische oder hydraulische Energie in mechanische Energie umgewandelt. Zylinder wie in . Abb. 70.17 als Sinnbild dargestellt, dienen zur Realisierung geradliniger Bewegungen. Ein-

1439 70.3  Steuerungsmittel

. Abb. 70.16 Druckventile

Pneumatikmotor, eine Stromrichtung einfachwirkender Pneumatikzylinder

doppeltwirkender Hydraulikzylinder mit beidseitiger Kolbenstange Pneumatikmotor, zwei Stromrichtungen

doppeltwirkender Pneumatikzylinder, einstellbare Endlagendämpfung

hydraulischer Teleskopzylinder Schwenkantrieb

. Abb. 70.17 Zylinder

fachwirkende Zylinder werden nur von einer Seite mit Druckluft/Hydrauliköl beaufschlagt. Sie verrichten beim Ausfahren mechanische Arbeit. Der Rückhub erfolgt durch die eingebaute Rückstellfeder. Beim Ausfahren wird die Kolbenkraft durch die Rückstellfeder in Abhängigkeit vom Kolbenhub beeinflusst. Die Kolbenkraft verringert sich beim Vorhub entsprechend der Federkennlinie. Eine weitere Verringerung der Kolbenkraft resultiert aus der Reibung, bedingt durch Dichtungselemente, Oberflächengüte und Schmierung. Die tatsächliche Kolbenkraft ergibt sich mit F D A  pe  FR  FF . Doppeltwirkende Zylinder werden zum Aus- und Einfahren der Kolbenstange wechselseitig mit Druckluft/Hydrauliköl beaufschlagt. Sie verrichten in beiden Bewegungsrichtungen Arbeit. Es ist jedoch zu beachten, dass die Rückzugskraft geringer ist als die Kraft beim Vorhub: F D A  pe  . Beim Ausfahren wirkt die Druckluft/das Hydrauliköl auf die gesamte Kolbenfläche; beim Rückhub ist der Querschnitt der Kolbenstange zu berücksichtigen. Dadurch ist die Dauer des Rückhubs etwas geringer. Werden mit Zylindern größere Massen bewegt, so wird ein hartes Anschlagen in den Endlagen durch Endlagendämpfung verhindert. Zur berührungsfreien Betätigung von Signalgebern (z. B. Reed-Kontakte) in den Endlagen werden in die Kolben Ringmagnete eingebaut, die mit ihrem Kraftfeld die am Zylinder montierten Magnetschalter betätigen.

Hydraulikmotor, verstellbar, eine Stromrichtung

Hydraulikmotor, verstellbar, zwei Stromrichtungen

. Abb. 70.18 Fluidische Drehantriebe

Zylinder mit zweiseitiger Kolbenstange bewegen sich in beiden Hubrichtungen mit gleicher Geschwindigkeit und die Kräfte beim Vor- und Rückhub sind gleich groß. Aufgrund der beidseitigen Lagerung der Kolbenstange können sie größere Querkräfte aufnehmen. Daneben gibt es viele Sonderbauformen von Zylindern: Teleskopzylinder, Zylinder ohne Kolbenstange u. a. Bei den Druckluftmotoren sind Drehzahl, Drehmoment und Leistung durch den Arbeitsdruck und die Luftmenge verstellbar. Sie haben ein geringes Leistungsgewicht, sind leicht zu handhaben und dienen als Antriebe für verschiedene Werkzeuge. Nachteilig ist die Lastabhängigkeit der Drehzahl, die bis zu 30.000 min1 erreicht. In . Abb. 70.18 sind Beispiele für die Symbolik aufgeführt.

70

1440

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

a

. Abb. 70.19 Prinzip des Schwenkmotors

b

ausführliche Darstellung . Abb. 70.20 Aufbereitungseinheit

70

vereinfachte Darstellung

Pneumatische Schwenkmotoren entsprechend . Abb. 70.19 eignen sich zum Öffnen und Schließen von Klappen, Drehschiebern und für Schwenk- und Wendevorrichtungen. In ihrer Bauart gleichen sie dem1 Elektrische Steuerungen Prinzip Zahnstange und Ritzel. Durch das Ritzel wird ein Die elektrischen Steuerungen lassen sich entsprechend . Abb. 70.21 in zwei Hauptbereiche einteilen, die verSchwenkarm angetrieben. Hydraulische Schwenkmotoren haben einen Schwenk- bindungsprogrammierten (VPS) und die Speicherprogrambereich von 50ı bis 360ı und übertragen auf kleinem mierten Steuerungen (SPS). Diese Einteilung kann auch für die Umsetzung mit anRaum unabhängig vom Drehwinkel große Drehmomente. Sie werden für Schließ- und Öffnungsvorgänge an Ventilen, deren Steuerungsmitteln verwendet werden. Eine pneumafür Transportbewegungen und für Spannvorgänge einge- tische Steuerung ist durch die Verbindung der Bauelemente genauso verbindungsprogrammiert, wie die Form der Kursetzt. Hydraulikmotoren sind die Umkehrung der Pumpen. venscheibe in mechanischen Steuerungen als ProgrammWird der Motor von der Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt, speicher betrachtet werden kann. Eine gesonderte Einteientsteht an der Motorwelle ein Drehmoment. Schnelllau- lung nach diesen Gesichtspunkten ist für die elektrischen fende Hydromotoren liegen im Drehzahlbereich zwischen sehr sinnvoll, da beide Arten zum einen vertreten sind 750 min1 und 3000 min1 . Langsamlaufende Hydromoto- und zum anderen häufig eingesetzt werden. Aus den Ferren decken den Drehzahlbereich zwischen 0,1 min1 bis tigungsprozessen sind Speicherprogrammierbare Steuerungen, in der Regel eingesetzt als freiprogrammierbare Steue750 min1 ab. In pneumatischen Anlagen benötigte Luft wird durch rungen, nicht mehr wegzudenken. Die Hard- und SoftKompressoren verdichtet und in Behältern gespeichert. Sie ware der Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) enthält in Abhängigkeit von ihrem Volumen und der Tem- ist heute weitgehend standardisiert. Anwenderprogramme peratur eine nicht sichtbare Menge Wasserdampf. Nach sind leicht veränderbar und können jederzeit neuen BedinVerdichtung ist das Volumen geringer geworden. Die re- gungen angepasst werden. Je nach Funktionsumfang erlative Feuchtigkeit ist dadurch höher als in der angesaugten möglichen sie zusätzliche Automatisierungsaufgaben wie Luft. Die Druckaufbereitungsanlage ist deshalb mit Nach- Bedienen, Beobachten, Melden und Protokollieren. Geeigkühler, Kondensatableiter und Trockner auszustatten. Die nete Bussysteme erlauben die Kommunikation zwischen Druckluft im Speicher und in den Leitungen ist zu 100 % den unterschiedlichen Steuerungsebenen. Verbindungspromit Wasserdampf gesättigt. Fällt der Druck im Speicher in- grammierte Steuerungen sind relativ starr und nur mit folge von Wärmeabstrahlung ab, wird der Taupunkt der zu größerem Aufwand veränderten Bedingungen anzupassen. 100 % gesättigten Druckluft unterschritten. Es fällt Kon- Sie werden für singuläre Lösungen und bei geringem Autodensat an. Kondenswasser in der Druckluft wäscht bei matisierungsgrad angewendet. Verbindungsprogrammierte Werkzeugen, Ventilen und Zylindern den Schmierfilm aus. Steuerungen findet man insbesondere zur Umsetzung von Dies führt zu höherem Verschleiß und bewirkt Korrosi- Sicherheitsschaltungen oder in Kombination mit fluidion. Durch ein Rohrleitungsnetz fließt die Druckluft zu den schen Schaltungen, weshalb später auf diese Steuerungen Verbrauchern. Rostteilchen, die auf dem Weg zum Verbrau- noch genauer eingegangen wird. Die in die elektrischen Steuerungen integrierten elekcher aus dem Rohrleitungsnetz mitgerissen werden, können trischen und elektronischen Bauelemente zeichnen sich in der Steuerung zu Betriebsstörungen führen. Sie müshinsichtlich leichter Energieversorgung, hoher Lebensdausen aus der Druckluft gefiltert werden. Zur Schmierung der er und Wartungsfreundlichkeit aus. Im Folgenden wird auf pneumatischen Bauelemente wird die Druckluft mit einem wichtige Bauelemente eingegangen. Ölnebel angereichert. Durch einen Regler werden die Arbeitselemente mit einem konstanten Arbeitsdruck versorgt. Diese letztgenannten Aufgaben erfüllt die Aufbereitungs-1 Bauelemente elektrischer Steuerungen einheit, die in der Regel Filter, Öler und Druckregelventil In jeder elektrischen Steuerung werden elektromechanivereint (siehe . Abb. 70.20). sche Schaltkontakte benötigt, die als Signalgeber verwen-

1441 70.3  Steuerungsmittel

. Abb. 70.21 Einteilung elektrische Steuerungen

. Abb. 70.22 Tastschalter

det werden. Man unterscheidet bei den Schaltkontakten zwischen Schließerkontakten und Öffnerkontakten. Schließerkontakte schließen bei Betätigung einen Stromweg, Öffnerkontakte unterbrechen bei Betätigung einen Stromweg. Schließerkontakte dienen zum Einschalten von Maschinen und Anlagen. Ausgeschaltet wird mit Hilfe von Öffnerkontakten. Im Sinne der Digitaltechnik können sowohl Schließer als auch Öffner nur zwei Zustände annehmen: Sie schließen (1) oder unterbrechen (0) einen Stromweg. Nach der Art ihrer Betätigung unterscheidet man zwischen Tastschaltern (Taster) und Stellschaltern (Schalter). Taster wirken für die Dauer ihrer Betätigung (siehe . Abb. 70.22). Der Kontakt oder die Kontaktunterbrechung erfolgt über bewegliche Schaltstücke. Die Betätigung kann von Hand oder durch Schaltnocken erfolgen. Eine Feder sorgt im Allgemeinen dafür, dass die Ausgangsstellung nach Rücknahme der Krafteinwirkung wieder erreicht wird. Tastschalter verfügen häufig über mehrere Schaltkontakte, die durchnummeriert werden. Grenztaster werden durch Schaltnocken betätigt. Sie signalisieren das Erreichen von Endlagen oder verriegeln Bewegungsrichtungen. Sie sind mit Sprungschaltern ausgerüstet, damit bei langsamer Betätigung sprunghaft ein Kontakt geschlossen oder unterbrochen wird. Stellschalter verharren in jener Schaltstellung, in der sie durch Betätigung versetzt werden. Sie werden ausgeführt als Kipp- oder Wahlschalter für Betriebsarten mit mehreren Schaltstellungen.

. Abb. 70.23 Reed-Kontakt

Reed-Kontakte (siehe . Abb. 70.23) sind berührungslos betätigte Näherungsschalter. Die Kontakte sind zum Schutz gegen Staub und Feuchtigkeit in einem Gehäuse angeordnet. Bei Annäherung eines Permanentmagneten werden die Kontaktzungen geschlossen. Das Signal kann zur Kontrolle von Endlagen oder zur Erfassung von Zählimpulsen für Stückzahlen verwendet werden. Die Schaltzeit ist kleiner 2 ms; die Schaltfrequenz 500 Hz. Die Fernbedienung von Schaltkontakten erfolgt über Relais oder Schütze. Relais sind kleine elektromagnetisch angetriebene Schalter, die bevorzugt im Steuerstromkreis eingesetzt werden zum Schalten kleiner Leistungen. Schütze dienen in der Steuerungstechnik als Stellelemente für elektrische Antriebe.

70

1442

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.24 Funktionselemente eines Sensors

70

Sie sind elektromagnetisch angetriebene Schalter, die mit kleiner Steuerleistung große Arbeitsleistungen (1 bis 500 kW) schalten. Die Kontakte werden geschlossen, wenn die Spule erregt wird und den Anker anzieht. Die Schützspule wird entweder von Wechselstrom (Wechselstromschütz) oder Gleichstrom (Gleichstromschütz) durchflossen. Nach dem Abfall der Steuerspannung wird der Anker durch Federkraft rückgestellt. Zusätzliche Hilfskontakte dienen zur Schützüberwachung. Relais und Schütze sind weitgehend wartungsfrei und sorgen für eine galvanische Trennung von Steuer- und Arbeitsstromkreis. Nachteilig sind der Kontaktabrieb, Schaltgeräusche und begrenzte Schaltgeschwindigkeiten. Will man in Fertigungsprozessen den bedienenden und überwachenden Menschen weitgehend ersetzen, müssen Kenngrößen des zu automatisierenden Prozesses durch Sensoren messtechnisch erfasst und aufbereitet werden. Ein Sensor ist eine in sich abgeschlossene Steuerungskomponente, die an ihrem Eingang durch einen geeigneten Messfühler mit der Messgröße in Verbindung steht und diese in ein elektrisches Signal umformt. Der Anwender unterscheidet die Sensoren nach der zu erfassenden Messgröße, dem Messverfahren und nach der Art des Sensorausgangs: binär oder multivalent. Binäre Sensoren kennen

nur zwei Zustände: Ein oder Aus, entsprechend den logischen Zuständen 1/0. Multivalente Sensoren sind analoge oder digitale Sensoren. Um eine beliebige physikalische Größe in ein elektrisches Signal umzuformen, bedarf es eines Messfühlers (engl. Sensorelement), der mittels eines geeigneten physikalischen Prinzips diese Umformung erreicht. Als physikalisches Prinzip zur Erfassung einer Temperatur kann die Temperaturabhängigkeit des ohmschen Widerstandes eines Metalls genutzt werden. Der Widerstand wird mit einem konstanten Strom gespeist. Ändert sich die Temperatur des Messobjekts, z. B. einer Flüssigkeit, kann die veränderte Messgröße (Temperatur) über ein proportionales Messsignal erfasst werden. Sensoren beinhalten prinzipiell einen geeigneten Messfühler und eine Signalaufbereitung zur Verstärkung und/oder Umformung des elektrischen Signals (siehe . Abb. 70.24). Die Signalaufbereitung kann aus wenigen passiven Bauteilen bestehen oder aus einer komplexen Elektronik einschließlich eines Mikroprozessors für Selbstdiagnose und zur Aufbereitung eines genormten Ausgangssignals: 4 0 . . . 10 V oder 0 . . . ˙10 V 4 0 . . . 20 mA oder 4 . . . 20 mA 4 5 . . . 25 Hz (Impulse).

1443 70.3  Steuerungsmittel

. Tabelle 70.2 Binäre Sensoren Sensortyp

Messgröße

Physikalisches Prinzip

Grenztaster

Distanz über-/unterschritten Druck, Kraft über-/unterschritten Niveau über-/unterschritten

Kontaktbetätigung über ein Hebelsystem (taktil)

Lichtschranke

Objekte im Raum detektieren Objektdistanz über-/unterschritten Niveau über-/unterschritten

Lichtstrahl wird unterbrochen Reflektiertes Licht wird erfasst Winkel des detektierten Lichtstrahls wird detektiert

Induktiver Sensor

Objektdistanz über-/unterschritten

Sensor erzeugt magnetisches Feld. In elektrisch leitendem Material im Feld werden Wirbelströme erzeugt

Kapazitiver Sensor

Objekt im Raum detektieren Objektdistanz über-/unterschritten

Sensor erzeugt elektrisches Feld. Objekt im Feld erhöht die Kapazität des Sensors

Ultraschall

Objekt im Raum detektieren Objektdistanz über-/unterschritten Niveau über-/unterschritten

Sensor sendet Schallimpuls aus, der vom Objekt zurückgeworfen wird. Durch Messung der Laufzeit kann die Objektdistanz bestimmt werden

Wichtige physikalische Messgrößen sind: Länge/Weg, Dehnung, Geschwindigkeit, Winkelgeschwindigkeit, Kraft, Druck, Temperatur, Feuchtigkeit, Beleuchtungsstärke. Die Messfühler können in zwei Hauptkategorien aufgeteilt werden: Aktive Messfühler sind Energiewandler. Sie formen die zu messende nichtelektrische Größe direkt in ein Signal um. Wichtige aktive Sensorelemente sind elektromagnetische, kapazitive und piezoelektrische Fühler, Thermoelemente, Fotoelemente und pH-Sonde. In vielen Bereichen der Automation reichen einfache Abfragen: Wird eine bestimmte Distanz über-/unterschritten, eine bestimmte Füllhöhe über-/unterschritten, Bohrer gebrochen/nicht gebrochen usw. Für solche Informationen werden binäre Sensoren verwendet. Wichtige binäre Sensoren sind in . Tab. 70.2 zusammengefasst. Bis auf den mechanischen Grenztaster arbeiten alle Sensoren berührungslos. Mechanisch arbeitende Schalter sind jedoch nach wie vor sehr wichtig. Ihre Vorteile sind: robust, preisgünstig, sehr kleine Abmessungen, für kleine und große Schaltleistungen erhältlich und sicher im Einsatz. Die binären elektrischen Sensoren sind mit einem Schwellwertschalter (Trigger) aufgebaut. Erreicht die Messgröße die Einschaltschwelle, dann wird eingeschaltet. Bei Unterschreitung der Ausschaltschwelle wird das Signal ausgeschaltet. Als Kriterien für die Auswahl geeigneter Sensoren sind zu beachten: 4 Materialabhängigkeit 4 Reichweite 4 Wiederholgenauigkeit 4 Schmutzempfindlichkeit 4 Feuchteempfindlichkeit 4 Temperaturbereich 4 Schwingungsempfindlichkeit 4 Schaltspielzahl 4 Kosten 4 Wartungsfreundlichkeit 4 Selbstdiagnose.

Mit analogen Sensoren werden physikalische Größen erfasst und in analoge elektrische Spannungs- oder Stromsignale umgewandelt. Durch Kalibrierung können sie auch als Messwertgeber in digitalen Steuerungen eingesetzt werden. Analoge Sensoren dienen zur 4 Erfassung von Wegen, Winkeln, Abständen und Dicken 4 Geschwindigkeitsmessung 4 Erfassung von Dehnungen, Kräften, Kraftmomenten und Drücken 4 Erfassung von Beschleunigungen (Schwingungen) 4 Messung von Temperaturen. Passive Messfühler sind Impedanzen (ohmscher Widerstand, Induktivität, Kapazität), die durch die physikalische Messgröße verändert werden. Damit ein elektrisches Signal entsteht, wird eine Hilfsenergie benötigt. Wichtige passive Sensorelemente sind das Potentiometer, der Dehnungsmessstreifen (DMS), induktive und kapazitive Fühler sowie temperaturabhängige Widerstände (NTC, PTC, Pt 100). Das Verhalten eines passiven Messfühlers wird am Beispiel des ohmschen Widerstands erläutert. Der ohmsche Widerstand R eines Körpers (einer Widerstandsbahn) mit gleichbleibendem Querschnitt hat den Wert RD

l : A

Der Leiterwiderstand R kann sich durch eine Veränderung des spezifischen Widerstandes  infolge einer Temperaturänderung oder durch die Veränderung der mechanischen Spannung in einem Bauteil ändern. Auch die Änderung der Leiterlänge l entsprechend . Abb. 70.25 oder des Querschnitts A führt zu einer Veränderung des Leiterwiderstandes. Diese Zusammenhänge werden in ohmschen Widerstandssensoren genutzt. Messpotentiometer dienen zur Schließwinkelerfassung von Ventilen oder zur Messung des Verfahrweges eines Schlittens aufgrund veränderter Po-

70

1444

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.25 Prinzip eines analogen Sensors . Abb. 70.26 Hubmagnet

tentiometerspannungen. Potentiometer liefern eine winkelbzw. wegproportionale Spannung. s s Rx D ) Rx D  R0 R0 s0 s0 Ux s s D ) Ux D  U0 U0 s0 s0

70

bzw.

Die Linearitätsabweichung bei Potentiometern nimmt zu, wenn die Teilspannung Rx gegenüber der Gesamtspannung sehr klein wird. Die Abweichung liegt jedoch weit unter 1 %. Zum zahlenmäßigen Erfassen von Messgrößen wie Wegstrecken oder Zeitspannen werden digitale Sensoren verwendet. Wichtige digitale Sensoren im Maschinenbau sind inkrementale Wegsensoren, Codemaßstäbe und Winkelcodierer zur Erfassung von Verfahrwegen oder Drehbewegungen an Werkzeugmaschinen. Wichtige Aktorelemente in der Steuerungstechnik sind Elektromagnete. Sie werden häufig zur Betätigung von Ventilen und Kupplungen verwendet. Im Prinzip bestehen sie aus einer Spule mit Eisenkern und einem beweglichen Eisenkern, dem Anker (siehe . Abb. 70.26). Wird die Magnetspule von Strom durchflossen, wird der bewegliche Anker angezogen. Er stellt sich so ein, dass der Widerstand für die magnetischen Flusslinien möglichst klein wird. Man unterscheidet zwischen Hub- und Drehmagneten. Wichtige elektrische Antriebe zur Erzeugung von Drehbewegungen sind der Gleich- und der Drehstrommotor. Lineare Bewegungen werden von Linearmotoren erzeugt. Beim Linearmotor bewirkt ein magnetisches Wanderfeld eine Kraft und bewegt je nach technischer Ausführung den Induktor oder den Anker in linearer Richtung des Feldes. Linearmotoren werden in Förderanlagen, für den Werkstofftransport und für Schnellbahnen verwendet. Gleich- und Drehstromantriebe benötigen einen hohen Anlaufstrom im Moment des Einschaltens, deshalb dürfen

nur kleine elektrische Motoren direkt eingeschaltet werden. Gleichstrommotoren werden heute über Stromrichterschaltungen angelassen und betrieben. Auch für Drehstrommotoren gibt es eine Vielzahl von Anlassschaltungen, u. a. die Stern-Dreieckschaltung. Während der Hochlaufphase verringert sich der Anlaufstrom bis zum Bemessungsstrom. Je nach Bauart werden Gleichstrommotoren als Antriebe für Werkzeugmaschinen, Förderanlagen, Lüfter, Pumpen und Bahnen eingesetzt. Drehstrommaschinen finden u. a. Verwendung zum Antrieb von Werkzeugmaschinen, Ventilatoren, Wasserpumpen und Gebläsen. Die Auswahl des Antriebs richtet sich nach der Betriebsart und dem Drehzahlverhalten in Abhängigkeit vom Motordrehmoment. Die wichtigsten elektronischen Bauelemente für Schaltungen in der Steuerungstechnik sind Dioden, Transistoren und Thyristoren. Sie werden aus den chemisch 4-wertigen Grundwerkstoffen Silicium und Germanium gefertigt. Beide Stoffe haben im reinen Zustand nur eine begrenzte Leitfähigkeit. Bei der Herstellung der Halbleiterbauelemente werden die Grundwerkstoffe geringfügig durch die 3-wertigen Elemente Indium (P-Dotierung) oder 5-wertigen Elemente Antimon (N-Dotierung) verunreinigt. Bei P-Dotierung beruht der physikalische Leitungsmechanismus auf einem Mangel an Elektronen, bei der N-Dotierung auf einem Überschuss an Elektronen. Fügt man nun P- und N-dotierte Halbleiter aneinander, dann ist diese Anordnung leitend, sobald eine Spannung angelegt wird: Minuspol an der N-Dotierung, Pluspol an der P-Dotierung. Die überschüssigen Elektronen des N-dotierten Halbleitermaterials wandern in die Fehlstellen des P-dotierten Halbleitermaterials. Man spricht von einem PN-Übergang in Durchlassrichtung. Wird die Polung umgetauscht, findet kein Elektronenfluss statt (siehe . Abb. 70.27). Die überschüssigen Elektronen des N-dotierten Materials werden zum hier anliegenden Pluspol getrieben. Aus dem Bereich des Elektronenmangels können keine Elektronen abfließen. Dieser PN-Übergang sperrt. Halbleiterdioden sind Bauelemente mit einem PNÜbergang. Die Diode lässt in Pfeilrichtung den Strom fließen und sperrt in entgegengesetzter Richtung. Dioden werden zur Gleichrichtung von Wechselströmen, zur Trennung elektrischer Geräte von bestimmten Stromwegen und zur Verknüpfung von Signalen eingesetzt. Transistoren bestehen, wie in . Abb. 70.28 zu sehen aus drei Halbleiterschichten mit der Dotierungsfolge PNP oder NPN. Die Basis des Transistor (B) dient zur Steuerung des Stromes. Liegt an der Basis des Transistors keine Steuerspannung, ist der Durchgang Emitter-Kollektor gesperrt, da ein PN-Übergang immer in Sperrrichtung arbeitet. Liegt an der Basis eine Spannung, bewirkt der Basisstrom eine Aufhebung dieser Sperrwirkung des PN-Übergangs; der Strom fließt zwischen Kollektor (C) und Emitter (E). Der Basisstrom IB ist wesentlich kleiner als der gesteuerte Strom Ic . So können auf einfache Weise kleine Eingangsleistungen elektronisch verstärkt werden.

1445 70.3  Steuerungsmittel

Elektronenfluss

Arbeitsstrom

p- Halbleiter

n- Halbleiter

USt

U

Steuerspannung

PN- Übergang

M

Steuerelektrode

. Abb. 70.29 Steuerung mit Thyristor

D

U U

U t

R

t

1- Weg- Gleichrichterschaltung . Abb. 70.27 Diode

. Abb. 70.28 NPN-Transistor

Ein Thyristor ist ein steuerbarer Halbleiterbaustein mit mehreren P- und N-Bereichen. Im ungesteuerten Fall sperrt der Thyristor den Strom in beiden Richtungen. Durch einen Stromimpuls über eine Steuerelektrode wird der Thyristor leitend, wenn eine positive Spannung zwischen Anode und Katode anliegt. Solange die Spannung anliegt, bleibt der Thyristor leitend. Wird der durchfließende Strom

Null, sperrt der Thyristor, bis er durch einen erneuten Impuls angesteuert wird. Mit Thyristoren können steuerbare Gleichstromquellen (siehe auch . Abb. 70.29) für Antriebe aufgebaut werden. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der elektrischen Steuerungen ist die Signalart (siehe auch 7 Abschn. 70.6). Ein Signal ist eine physikalische Größe, bei der ein oder mehrere Parameter Informationen über eine oder mehrere variable Größen tragen. Die Darstellung erfolgt über den Wert (digital) oder den Werteverlauf (analog) einer physikalischen Größe. Häufig wird diese in den elektrischen Steuerungen durch einen Spannungspegel dargestellt. Unterschieden wird nach: 4 Analogem Signal, bei dem jeder Informationsparameter die zugehörige Größe direkt darstellt. Im Idealfall entsteht ein stetes Abbild der zu verarbeitenden Größe. Die meisten physikalischen Größen ändern sich stetig und werden deshalb analog dargestellt. 4 Digitalem Signal, bei dem jeder Informationsparameter die zugehörige Größe in kodierter Form als Symbol eines Zeichensatzes darstellt. Der Wertebereich eines solchen Signals ist ein Vielfaches der kleinsten Einheit des Informationsparameters. 4 Binärem Signal bzw. wertdiskretem Signal, bei dem jeder Informationsparameter einen von zwei Werten annehmen kann. Häufig wird dieses Signal auch als Sonderform des digitalen betrachtet. Für eine Vielzahl der Steuerungsfunktionen ist die binäre Signalverarbeitung ausreichend. Solche zweiwertigen Signale werden z. B. von einem Schalter (Ein/Aus) oder von einem Relais (Kontakt geschlossen/geöffnet) abgegeben. Im Kapitel Speicherprogrammierbare Steuerungen (7 Kap. 72) wird daher besonders auf die Funktionen zur Verarbeitung dieser Signalart eingegangen. Die zeitliche Verarbeitung der Signale ist ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung der elektrischen Steuerungen. Unterschieden wird in: 4 Synchrone Steuerungen, d. h. mit Taktsignal arbeitende Steuerungen, bei denen Änderungen der Ausgangsgrößen durch Änderungen der Eingangsgrößen ausgelöst werden, aber nur, wenn das Taktsignal diese Änderungen erlaubt.

70

1446

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

4 Asynchrone Steuerungen, d. h. ohne Taktsignal arbeitende Steuerungen, bei denen Änderungen der Ausgangsgrößen nur durch Änderungen der Eingangsgrößen ausgelöst werden. 70.4

70

Darstellungsmittel für Steuerungen

Ein Diagramm ist die grafische Darstellung von Beziehungen zwischen: 4 verschiedenen Vorgängen, 4 Vorgängen und ihrer Zeitabhängigkeit, 4 Vorgängen und physikalischen Größen und 4 Zuständen mehrerer Betriebsmittel.

Diagramme sollen Wesentliches herausstellen und dadurch Für die Planung und den Entwurf von Steuerungsabläufen Vorgänge leicht fasslich und einprägsam darstellen. steht eine Vielzahl von Darstellungsmöglichkeiten zur VerEine Tabelle ist eine systematisch angeordnete Überfügung. Je nach Steuerungsart, -mittel und -ebene erfolgt sicht, die ohne erläuternden Text verständlich sein soll. ihr Einsatz. Genutzt werden: Die Darstellungsmöglichkeiten werden am Beispiel einer Toransteuerung, so weit wie möglich, veranschaulicht. 4 Beschreibungen, 4 Schaltpläne (z. B. elektrischer Stromlaufplan, fluidische 1 Beschreibung Schaltpläne), 4 Ablaufpläne (z. B. Struktogramm, Programmablauf- Die Beschreibung der umzusetzenden Steuerungsaufgabe plan), für die Toransteuerung (siehe . Abb. 70.30) lautet: 4 Graphen und Netze (z. B. Zustandsgraph), Das Tor kann im Tippbetrieb oder im Automatikbe4 Diagramme (z. B. Funktionsdiagramm), trieb (1S4) über die Tasten Schließen (1S1) und Öffnen 4 Fachsprachen (z. B. Anweisungsliste, Funktionsbau- (1S2) bewegt werden. Die Ansteuerung der Bewegung ersteinsprache) und folgt über die Ausgänge (1M1 und 1M2) zur Betätigung 4 Tabellen (z. B. Zuordnungstabelle). der Ventile (1V1 und 1V2). Die Endlagen werden durch Initiatoren (1B1 und 1B2) überwacht. Wenn das Tor eine Für eine eindeutige Beschreibung des Steuerungsablaufes Schließbewegung ausführt, schaltet ein am Tor befestigist in der Regel eine Kombination der Darstellungsmittel ter optischer Näherungsschalter (1B3) bei Erkennen eines Hindernisses. Mit diesem Signal soll sofort die Schließbenotwendig. Die Beschreibung ist die sprachliche Fassung eines wegung gestoppt werden. Mit der Stopp-Taste (1S3) kann die Automatikbewegung zu jeder Zeit gestoppt werden. Sachverhalts. Bei einer Beschreibung sind keine speziellen Mittel und Ein Schaltplan ist die zeichnerische Darstellung von Methoden zu beachten. Sie sollte so eindeutig wie möglich Betriebsmitteln durch Schaltzeichen. Er zeigt die Art, in formuliert werden. der verschiedene Betriebsmittel zueinander in Beziehung stehen und miteinander verbunden sind. Schaltpläne können ergänzt werden durch andere Schaltungsunterlagen. 1 Tabelle Ablaufpläne sind universelle Beschreibungsvorschrif- Um eine Übersicht der an der Steuerung beteiligten Einten für Anwenderprogramme. Sie machen die logischen und Ausgänge sowie deren Funktion zu erhalten, werden Strukturen eines Algorithmus grafisch anschaulich. Häufig Zuordnungstabellen verwendet. Sie enthalten die symbowerden sie als eine Vorstufe vor der eigentlichen compu- lische Adresse, die Funktion, falls bereits bekannt die tergestützten Programmumsetzung genutzt und sind eine Zuordnung der Schaltfunktion und für Speicherprogramnotwendige Voraussetzung der Programmdokumentation mierte Steuerungen die Adressen der Ein- und Ausgänge. zur Entwicklung und Wartung eines Programms. Man ver- . Tab. 70.3 zeigt sie für die Toransteuerung. Die Schaltfunktion Schließer bedeutet, dass im unwendet dafür genormte Sinnbilder nach DIN 66001 (Probetätigten Zustand der Schalter/Taster geöffnet, d. h. ein grammablaufplan) oder auch DIN 66261 (Struktogramme). „0“-Signal liefert und im betätigten Zustand geschlossen Graphen und Netze beschreiben die Objekte und deren ist und somit ein „1“-Signal erzeugt. Für die Schaltfunktion Beziehungen innerhalb eines Systems. Der DetaillierungsÖffner ist es genau anders herum (unbetätigt: geschlossen, grad kann sehr unterschiedlich gewählt werden und muss „1“-Signal; betätigt: offen, „0“-Signal). nicht für jeden Bereich des Systems auf der gleichen Stufe Tabellen werden gleichfalls verwendet um die Schalterfolgen. funktion darzustellen. Diese werden als Schalttabellen bzw. Fachsprachen sind die Darstellungsform, die in der ReFunktionstabellen bezeichnet (siehe 7 Abschn. 70.8). gel auch zur Umsetzung der Steuerungsaufgabe in der Steuereinrichtung genutzt werden kann. In den folgenden Kapiteln dienen diese vorrangig zur Beschreibung der1 Fluidischer Schaltplan grundlegenden Funktionen. Die Anweisungsliste (AWL), Den pneumatischen Schaltplan für die Toransteuerung die Funktionsbausteinsprache (FBS), auch Funktionsplan zeigt . Abb. 70.30. Die Schaltpläne und Symbole für flui(FUP) genannt, und der strukturierte Text (SCL, ST) sind dische Steuerungen sind in der Norm DIN ISO 1219 [1] vereinheitlicht. Einen Auszug enthält 7 Abschn. 70.3. die am häufigsten eingesetzten.

1447 70.4  Darstellungsmittel für Steuerungen

. Tabelle 70.3 Zuordnungstabelle Funktion

Symbol

Zuordnung der Schaltfunktion

SPS- Adresse

Induktiver Sensor „Tor geschlossen“

1B1

Schließer

E136.1

Induktiver Sensor „Tor offen“

1B2

Schließer

E136.2

Optischer Näherungsschalter

1B3

Schließer

E136.3

Tippen/Automatik

1S4

Automatik D 1/Tippen D 0

E136.4

Taster Schließen

1S1

Schließer

E136.5

Taster Öffnen

1S2

Schließer

E136.6

Taster Stopp

1S3

Öffner

E136.7

Antrieb Schließen

1M1

1M1 D 1

A136.1

Antrieb Öffnen

1M2

1M2 D 1

A136.2

. Abb. 70.30 Pneumatikschaltplan Toransteuerung

In fluidtechnischen Systemen wird Energie durch flüssige oder gasförmige Medien, die unter Druck stehen, innerhalb eines Schaltkreises übertragen, gesteuert oder geregelt. Die Schaltpläne erleichtern das Verständnis für die fluidtechnische Anlage und vermeiden Unklarheiten und Missverständnisse bei der Planung, Herstellung und Instandhaltung der Anlage. Die Schaltzeichen für pneumatische und hydraulische Betriebsmittel sind funktionell zu deuten. Die Symbole sind weder maßstäblich noch für irgendeine bestimmte Lage festgelegt. Sie sollen jedoch in etwa der Vorgabe der Norm entsprechen. Der Aufbau der Schaltpläne soll ermöglichen, allen Bewegungs- und Steuerungsschaltkreisen während der verschiedenen Schritte des Arbeitsablaufs zu folgen. Die räumliche Darstellung der Anlage muss nicht berücksichtigt werden. In den Schaltplänen geben die Symbole normalerweise Geräte im unbetätigten Zustand an. Jeder andere Zustand kann jedoch dargestellt werden, wenn er klar bestimmt ist. Dabei ist die Energie zugeschaltet und die Bauglieder

nehmen festgelegte Zustände ein. Besteht die Steuerung aus mehreren Schaltkreisen bzw. Steuerketten, wird sie in nebeneinander liegende Schaltkreise unterteilt, entsprechend der Reihenfolge des Funktionsablaufs. Gleichartige Bauglieder sollen innerhalb eines Schaltkreises in gleicher Lage dargestellt werden. Bauelemente, die durch Antriebe betätigt werden, z. B. induktive Endschalter (1B1 und 1B2), stellt man an der Betätigungsstelle durch einen Markierungsstrich und ihre Kennzeichnung dar. Die Bauglieder der Steuerkette werden ausgehend von der Energieversorgung in Richtung des Energieflusses angeordnet und gekennzeichnet. Die Kennzeichnung der Bauteile ist wie folgt aufgebaut:

70

1448

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Tabelle 70.4 Bezeichnung der Anschlüsse an Ventilen Fluidtechnik

Zufluss, Druckanschluss

Arbeitsanschluss

Abfluss, Entlüftung

Steueranschluss

Schaltstellung

Pneumatik

1

2, 4, 6

3, 5, 7

12, 14

a, b, 0

E-Pneumatik

1

2, 4, 6

3, 5, 7

M

a, b, 0

Hydraulik

p

A, B

T, L



a, b, 0

E-Hydraulik

p

A, B

T, L

M

a, b, 0

Die Anlagen-Nummer wird nur dann angegeben, wenn der Schaltplan aus mehreren Anlagen besteht. Jeder Schaltkreis oder jede Steuerkette erhält eine Nummer. Bauelemente, die für mehrere Schaltkreise eine Funktion erfüllen, z. B. Versorgungsglieder und Hauptschalter, werden vorzugsweise mit der Nummer 0 bezeichnet. Im Schaltplan . Abb. 70.10 ist dies die Aufbereitungseinheit 0Z1. Für die Bauteilkennzeichnung gelten folgende Buchstaben: 4 P: Pumpen und Kompressoren 4 A: Antriebe 4 M: Antriebsmotoren, Elektromagnete 4 S: Signalgeber 4 B: Sensoren 4 V: Ventile 4 Z: jedes andere Bauteil. Alle Bauteile innerhalb einer Steuerkette erhalten eine fortlaufende Bauteil-Nummerierung, beginnend mit der Ziffer 1. Die Ventile werden entsprechend der Anzahl ihrer Schaltstellungen und der Anzahl der Anschlüsse bezeichnet. Die Stellglieder 1V1 und 1V2 in . Abb. 70.30 sind 3/2-Wegeventile, es bedeutet: 4 3: Anzahl der Anschlüsse 4 2: Anzahl der Schaltstellungen (a, b). Die Anschlüsse und Schaltstellungen der Ventile sind entsprechend der . Tab. 70.4 zu bezeichnen. Die seitlichen Symbole kennzeichnen die Art ihrer Betätigung. Die Stellglieder 1V1 und 1V2 erreichen die Schaltstellung a durch je ein Elektromagnet (1M1, 1M2) und die Schaltstellung b durch eine Rückstellfeder.

um das Lesen und Verstehen des Funktionsablaufs zu gewährleisten. Es genügt die einfachste Darstellung, die den Arbeitsablauf eindeutig kennzeichnet. Funktionsdiagramme werden unterteilt in Wegdiagramme und Zustandsdiagramme. Im Wegdiagramm werden die Wege eines Arbeitsgliedes durch Bildzeichen dargestellt. Im Zustandsdiagramm werden die Funktionsfolgen der Arbeitseinheiten und die steuerungstechnische Verknüpfung der zugehörigen Bauglieder veranschaulicht. In der Ordinate wird der Zustand, z. B. Weg, Druck, Winkel, in der Abszisse werden die Schritte und/oder Zeiten aufgetragen. Funktionsdiagramme sind besonders geeignet für die Darstellung von Funktionsfolgen bei geradlinigen Bewegungen pneumatischer und hydraulischer bzw. elektropneumatischer und elektrohydraulischer Steuerungen. Die Bauglieder sind am Anfang in der Lage dargestellt, die sie im unbetätigten Zustand einnehmen, also auch durch Einwirken einer Feder- oder Kolbenkraft. Dabei ist die Energie zugeschaltet. Der Verlauf in . Abb. 70.31 spiegelt das vollständige Öffnen und Schließen des Tores wider. Im Automatikbetrieb wird bei Betätigen des Tasters „Öffnen“ (1S1) das 3/2-Wegeventils (1V1) in Durchlassstellung geschaltet und verfährt den Zylinder so, dass das Tor geschlossen wird. Bei Erreichen der Endposition, erkannt durch Sensor (1B1), wird das 3/2-Wegeventils (1V1) nicht mehr angesteuert und durch die Feder in Schaltstellung b zurückgesetzt. Dadurch bleibt der Zylinder in dieser Position bis der Taster „Schließen“ (1S2) die Schließbewegung startet. Die anderen Bedingungen (Näherungssensor und Stopp) wurden in diesem Funktionsdiagramm nicht berücksichtigt. Das Funktionsdiagramm wird häufig genutzt zur Beschreibung von Schaltzusammenhängen, wie z. B. für Zeitfunktionen (siehe 7 Abschn. 70.9.3).

1 Funktionsdiagramm

70

In Funktionsdiagrammen werden die Zustände und Zu-1 Elektrischer Schaltplan standsänderungen von Arbeitsmaschinen und Fertigungs- Die Ansteuerung der Elektromagnete kann über eine veranlagen grafisch dargestellt. bindungsprogrammierte Steuerung oder eine SpeicherproFunktionsdiagramme zeigen das zeitliche Zusammen- grammierte Steuerung umgesetzt werden. Die Wirkungswirken der einzelnen Bauglieder und Arbeitseinheiten einer weise der verbindungsprogrammierten Steuerung veranArbeitsmaschine oder Fertigungsanlage. Sie dienen der schaulicht der elektrische Schaltplan bzw. Stromlaufplan Entwicklung der Steuerung für eine Fertigungsanlage. Ein (siehe . Abb. 70.32). Funktionsdiagramm ist außerdem ein wichtiges Hilfsmittel Elektrische Schaltpläne werden als Übersichtsschaltfür die Fehlersuche bei Störungen. Die Darstellungsgrund- pläne, Installationspläne und Stromlaufpläne ausgeführt; sätze und Sinnbilder sollen in allen Fällen gleich sein, sie zeigen die Arbeitsweise und die Verbindungen von elek-

1449 70.4  Darstellungsmittel für Steuerungen

. Abb. 70.31 Funktionsdiagramm (Zusammenwirken der Ventile und des Zylinders)

. Abb. 70.32 Elektrischer Schaltplan zur Zylinderansteuerung

trischen Einrichtungen. In der Steuerungstechnik werden überwiegend Stromlaufpläne verwendet. Sie geben insbesondere Einsicht in die Arbeitsweise der Steuerkette. Jedes elektrische Betriebsmittel wird in einem senkrecht gezeichneten Stromweg dargestellt. Die Stromwege werden von links nach rechts durchnummeriert. Sie sind vorzugsweise so angeordnet, dass die Wirkungsweise bzw. die Signalflussrichtung berücksichtigt wird. Die räumliche Lage der Betriebsmittel und der mechanische Zusammenhang werden nicht berücksichtigt; dies ist den Kennzeichnungen zu entnehmen. Die Stromversorgung kann gekennzeichnet werden durch C, /L1 , L2 u. a.

Der Steuerstromkreis enthält die Bauelemente für die Signaleingabe und -verarbeitung und der Arbeitsstromkreis die für die Betätigung der Arbeitselemente erforderlichen Stellglieder. Der Zweck dieser Anordnung ist: 4 leichtes Lesen des Schaltplans, 4 Erkennen der Wirkungsweise eines Betriebsmittels oder einer Teilanlage, 4 Erleichterung der Prüfung, Wartung und Fehlersuche. Die Kennbuchstaben für einige häufig vorkommende Betriebsmittel sind in . Tab. 70.5 zusammengestellt.

70

1450

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Tabelle 70.5 Kennzeichnung von Betriebsmitteln Kennbuchstabe

Art des Betriebsmittels

Beispiel

B

Umsetzer

Sensor

C

Kapazität

Kondensator

F

Schutzeinrichtung

Überstromauslöser

P

Meldeeinrichtung

Signalleuchte, Hupe

K

Schütz, Relais

Zeitrelais

M

Motor

Drehstrommotor

M

elektromech. Einrichtung Magnetventil

S

Schalter

Taster

Werden pneumatische oder hydraulische Arbeitselemente elektrisch angesteuert, sind entsprechende Schnittstellen zwischen den verschiedenen energetischen Systemen vorzusehen. In dem pneumatischen Schaltplan in . Abb. 70.30 bilden die 3/2-Wegeventile (1V1 und 1V2) diese Schnittstelle. Sobald die Spule 1M1 erregt wird, geht das Ventil in die Schaltstellung a und der Hubzylinder wird betätigt. Fällt das Steuersignal an der Spule 1M1 ab, kehrt das Ventil durch die Federkraft in die Stellung b zurück. Die Öffner in den Stromwegen 10 und 11 sorgen für das gegenseitige Verriegeln, so dass nicht gleichzeitig die Ventile 1V1 und 1V2 angesprochen werden können. Werden fluidische Bauelemente durch eine Speicherprogrammierbare Steuerung gesteuert, so erfüllen die Magnetspulen an den Ventilen ebenfalls die Schnittstellenfunktion. Allgemein ist eine Schnittstelle ein System von Vereinbarungen, die den Informationsaustausch zwischen miteinander kommunizierenden Systemen ermöglicht. Die hier angesprochene Hardware-Schnittstelle dient zur Realisierung folgender Aufgaben: 4 Energetische Signalanpassung 4 Leistungsverstärkung 4 Energiewandlung.

Neben den Kennbuchstaben erhalten die elektrischen Betriebsmittel noch eine fortlaufende Zählnummer. Diese Kennzeichnung des Betriebsmittels kann noch ergänzt werden durch einen Kennbuchstaben für die Funktion des jeweiligen Betriebsmittels. Eine weitere Möglichkeit der Kennzeichnung ist ähnlich der im fluidischen Schaltplan, gekennzeichnet durch Ziffer, Kennbuchstabe, Ziffer. Die erste Ziffer gibt die Nummer des Schaltplanes an und die zweite die Stromwegnummer, wo das Betriebsmittel zu fin1 Zustandsgraph den ist. Darüber hinaus können auch die Kontaktbezeichnun- Der Zustandsgraph wird als Beispiel für Graphen und Netgen und die Spulenanschlüsse eingetragen werden (siehe ze genauer erläutert. Er eignet sich besonders gut für die . Abb. 70.33). Aufgelöst dargestellte Betriebsmittel, z. B. Darstellung von zeit- oder prozessgeführten Abläufen und das Relais K1, werden an der Relaisspule und an den Ne- kann daher für die Beschreibung von Automatisierungsbenkontakten mit der gleichen Kennziffer bezeichnet. aufgaben in den unterschiedlichen Ebenen der AutomatiZum besseren Verständnis des Stromlaufplanes dienen sierungspyramide angewendet werden. Weniger geeignet die Schaltgliedertabellen unterhalb der Stromwege, darge- ist diese Darstellungsform für algorithmische und regestellt für die Stromwege 1, 2 und 3. Die Schaltgliedertabelle lungstechnische Aufgabenstellungen. Für den Entwurf von unterhalb des 1. Stromweges gibt an: ein Öffnerkontakt ist Anlagen, hat sich in der Konstruktionspraxis bewährt, dieim Stromweg 5 angeordnet. se in Funktionseinheiten hierarchisch zu zerlegen. Diese Alle Betriebsmittel werden in der Steuerungs- und Re- Gliederung kann für die steuerungstechnische Umsetzung gelungstechnik im spannungs- bzw. stromlosen Zustand aufgegriffen werden. Ein Zustands- bzw. Funktionsgraph oder ohne Einwirkung einer Betätigungskraft dargestellt. veranschaulicht die Prozesse innerhalb einer solchen FunkAbweichungen hiervon werden besonders gekennzeichnet. tionseinheit. Er besteht aus passiven und aktiven Knoten

70

. Abb. 70.33 Taster und Relais mit Nebenkontakten

1451 70.4  Darstellungsmittel für Steuerungen

Tor öffnen

Tor offen

Tor zu

Verweilen

Tor schließen = aktiver Knoten = passiver Knoten = Übergang

= Eingang

= Ausgang/ Meldung

. Abb. 70.34 Zustandsgraph unterer Abstraktionsgrad

(Zuständen) sowie Übergängen (Bedingungen). In dem System darf nur ein Zustand aktiv sein. Das bedingt, dass nur eine Übergangsbedingung gleichzeitig erfüllt sein kann. Aktive Zustände sind in unserem Beispiel: Tür öffnen oder schließen, passive: Tor offen, Verweilen oder Tor zu. Die Übergangsbedingungen können binäre Variablen oder Verknüpfungen (UND/ODER) binärer Variablen sein. . Abb. 70.34 veranschaulicht den unteren Abstraktionsgrad, wo nur dargestellt wird, welche Zustände an dem System eintreten können und wie sie ineinander übergehen. Es ist z. B. kein direkter Übergang aus dem aktiven Zustand Tür öffnen in den aktiven Zustand Tür schließen möglich. Der passive Zustand Verweilen ist immer zwischengeschaltet, d. h. die Tür wird stets kurz anhalten. Ein höherer Abstraktionsgrad ist die Darstellung . Abb. 70.35 mit den Übergangsbedingungen von einem Zustand zum nächsten. Gehen mehrere Pfeile an den Übergang heißt das, dass die eine oder andere Bedingung die Zustandsänderung herbeiführen kann. Müssen Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein, d. h. sie sind durch ein logisches UND verknüpft, sind sie in der Abbildung mit AND verbunden. Die Verknüpfungen der Übergangsbedingungen können auch mit anderen Darstellungsmitteln erfolgen, weit verbreitet ist die Nutzung der Funktionsbausteine. Eine Verkettung der Zustandsgraphen ist gleichfalls möglich, hierbei wird der Zustandsgraph in einen Funktionsbaustein überführt und es sind nur noch die Schnittstellen (Ein- und Ausgänge) sichtbar. Da in unserer Anlage keine Anzeige/ Meldung des momentanen Zustands nach außen erfolgt, findet sich kein Ausgang an dem Zustandsgraphen. 1 Programmablaufplan (PAP)

. Abb. 70.35 Zustandsgraph höherer Abstraktionsgrad

. Abb. 70.36 Symbole des Programmablaufplans

mide. Vergleichbar mit dem Zustandsgraph können auch hier unterschiedliche Abstraktionsstufen gewählt werden. Eine spezielle Form des Ablaufplanes ist die Darstellung der Schrittkette bzw. Ablaufkette als eine Fachsprache zur Programmierung von Ablaufsteuerungen, welche in einem späteren Kapitel weiter vertieft wird. Die Symbole, wie sie in . Abb. 70.36 dargestellt werden, sind mit Ausnahme des Zeichens für Aus- und Eingänge genormt. Wie . Abb. 70.37 zeigt, ist der Programmablaufplan nicht sehr gut geeignet für die Darstellung der Toransteuerung. Um die Steuerungsaufgabe zu vermitteln, sind mehrere Zweige erforderlich, in denen aber die gleiche Abfrage „Schließen“ erfolgt und auch identische Operationen ausgelöst werden. Ursache hierfür ist, dass keine Ablaufsteuerung im eigentlichen Sinne vorliegt.

Der Programmablaufplan ist eine aus der Programmierung bekannte Darstellungsform, um umfangreiche Abläufe und1 Funktionsbausteinsprache (FBS) Algorithmen abzubilden. Sie ist geeignet zur Abbildung Abschließend soll die Steuerung der Torbewegung noch der Prozesse aus allen Ebenen der Automatisierungspyra- in einer Fachsprache, der Funktionsbausteinsprache (FBS)

70

1452

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.37 Programmablaufplan der Toransteuerung

Für die Ansteuerung der Elektromagneten (1M1 und 1M2) werden Speicherfunktionen genutzt. Ist die Bedingungen am Setzeingang (S) erfüllt, so wird der Magnet so lange angesteuert bis eine Bedingung am Rücksetzeingang (R) diese Ansteuerung wieder beendet. Es liegt hier ein dominantes Rücksetzen vor, d. h. ist eine Bedingung sowohl für das Setzen als auch gleichzeitig für das Rücksetzen erfüllt, so hat das Rücksetzen Vorrang.

70.5

. Abb. 70.38 Toransteuerung in Funktionsbausteinsprache

70

Steuerungsarten

Steuerungen, eingeteilt nach Steuerungsarten, sind entsprechend . Abb. 70.39 die Führungssteuerung, die Verknüpfungssteuerung und die Ablaufsteuerung. Wie bereits erwähnt, soll in diesem Kapitel nur näher auf die Verknüpfungs- und die Ablaufsteuerung eingegangen werden.

dargestellt werden (siehe . Abb. 70.38). Diese wird häufig genutzt, um Funktionen zu beschreiben, da sie sehr anschaulich die Zusammenhänge widergibt. Sie ist aus Blö-1 Verknüpfungssteuerung cken aufgebaut, an die links die Eingänge und rechts die Durch Verknüpfungssteuerungen, auch kombinatorische Ausgänge angetragen werden. In den Blöcken sind die Steuerung genannt, werden den Eingangssignalen die Symbole bzw. Zeichen für die Funktionen sowie die Be- Signalzustände der Ausgangssignale entsprechend der zeichnungen der Ein- und Ausgänge eingezeichnet. Funk- Boole’schen Verknüpfung (D logische Verknüpfung) – tionsbausteine sind in der Regel in den Speicherprogram- nach DIN IEC 60050-351 7-2013 (Entwurf) eine Schaltmierbaren Steuerungen auch als Programmiersprache zur funktion für binäre Schaltgrößen, die auf Operationen der Implementierung vorhanden. Booleschen Algebra beruht) zugeordnet.

1453 70.5  Steuerungsarten

. Abb. 70.39 Steuerungsarten

. Abb. 70.40 Struktur Verknüpfungssteuerung

Die Eingangssignale können sowohl Eingaben von außen durch den Bediener als auch Rückmeldungen aus dem Prozess sein (siehe . Abb. 70.40). Diese werden in der Steuerungseinrichtung verarbeitet und die Ergebnisse als Ausgänge zum einen als Stellgrößen an die Steuerstrecke und zum anderen als Meldungen an den Bediener ausgegeben. Die Verknüpfungssteuerungen unterscheidet man in Steuerungen ohne Speicherverhalten (auch Schaltnetz genannt), bei denen die Zustände der Ausgangssignale zu jedem beliebigen Zeitpunkt allein von den Zuständen der Eingangssignale abhängig sind, und in Steuerungen mit Speicherverhalten (auch Schaltwerk genannt), bei denen die Zustände der Ausgangssignale von den Zuständen der Eingangssignale und dem inneren Zustand abhängig sind. Für diese Steuerungen werden Speicherfunktionen genutzt. Sie merken sich einen bereits erreichten Schaltzustand. 1 Verknüpfungssteuerung ohne Speicherverhalten (Schaltnetz)

Für die Verknüpfungssteuerung ohne Speicherverhalten sind in der Regel nur die Grundfunktionen: UND (&, ^), ODER ( 1; _) und Negation (Symbol mit Überstrich z. B. X I ı) zwingend erforderlich. Eine Erweiterung können diese noch durch Zeit- und Zählfunktionen (jeweils

nur Auswertung des binären Ausgangs) erfahren. Die Aufstellung aller möglichen Kombinationen der Signalzustände der Eingänge bzw. Zeit- und Zählfunktionen (abgefragte Zustände) erfolgt am anschaulichsten anhand einer Schalttabelle. Diese zeigt, bei welcher Belegung der abgefragten Zustände die Ausgangssignale geschaltet (Signalzustand D 1) oder nicht geschaltet werden (Signalzustand D 0). Die Zusammenfassung der Kombinationen der Eingangssignale, die den Ausgang schalten, erfolgt unter Nutzung der Disjunktiven Normalform (DNF). Mit dieser werden UND-Terme durch ODER verknüpft. Die Zusammenfassung der Kombinationen der Eingangssignale, die den Ausgang nicht schalten, erfolgt unter Nutzung der Konjunktiven Normalform (KNF). Mit dieser werden ODER-Terme durch UND verknüpft. Eine Vereinfachung der Schaltungen kann anhand der Rechenregeln der Schaltalgebra oder anderer Minimierungsverfahren (z. B. Karnaugh-Veitch-Diagramm) erfolgen. Ziel der Vereinfachung ist eine Optimierung hinsichtlich 4 Anzahl externer Verbindungen, 4 Anzahl benötigter Bausteine, 4 Nutzung anderer Grundverknüpfungsfunktionen (siehe 7 Abschn. 70.8) und damit eine Erhöhung der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Jeder Eingang kann zwei Schaltstellungen einnehmen (an oder aus bzw. “0“ oder „1“). Damit ergibt sich die Anzahl der möglichen Kombinationen (m) der Eingangsbelegungen aus der Anzahl der Eingänge (n) mit: m D 2n . Veranschaulicht wird diese Steuerungsart an dem Beispiel Maschinenansteuerung: Eine Maschine (über Ansteuerung M1) muss immer von zwei Personen bedient werden. Drei gleiche Bedienplätze sind vorhanden. Wenn mindestens zwei der drei Schalter (S1, S2 und S3) geschaltet sind, kann die Maschine eingeschaltet werden. Für die Ansteuerung der Maschine müssen alle drei Schalter D Eingänge ausgewertet werden. Daher ergibt sich eine Schalttabelle mit acht Kombinationen der Eingangsbelegung (23 ). Dort wo mindestens zwei Eingänge eine „1“ (entspricht eingeschaltet) aufweisen, kann auch der Ausgang (M1) eine „1“ (entspricht eingeschaltet) erhalten. Für die Auswertung der Eingänge muss bekannt sein, ob sie als Öffner („1“-Signal im unbetätigten Zustand, „0“-Signal im betätigten Zustand) oder als Schließer („0“-Signal im unbetätigten Zustand, „1“-Signal im betätigten Zustand) arbeiten. In unserem Fall liegen Schließer vor. Aus der Schalttabelle (. Tab. 70.6) lässt sich die vollständige Schaltfunktion ablesen. Der Motor kann eingeschaltet werden wenn: M1 D .S3 ^ S2 ^ S1/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ Das Vorgehen zum Aufstellen der Schaltfunktion und zur Zusammenfassung mittels der Rechenregeln der Schalt-

70

1454

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Tabelle 70.6 Schalttabelle Maschinenansteuerung Eingänge

Ausgang

S3

S2

S1

M1

0

0

0

0

0

0

1

0

0

1

0

0

0

1

1

1

1

0

0

0

1

0

1

1

1

1

0

1

1

1

1

1

algebra wird ausführlicher im 7 Abschn. 70.8 beschrieben. Neben der Vereinfachung über die Rechenregeln der Schaltalgebra wird als weitere Möglichkeit das Verfahren mittels des Karnaugh-Veitch-Diagramms (KVS) kurz gezeigt. Eine ausführliche Beschreibung des KarnaughVeitch-Diagramms findet sich ebenfalls im 7 Abschn. 70.8. Zusammenfassung mittels der Rechenregeln der Schaltalgebra: M1 D .S3 ^ S2 ^ S1/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ .S3 ^ S2S3 ^ S2 _ S3 ^ S2/ _ _.S3 ^ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ .S2 ^ .S3 _ S3/ _ S3 ^ S2/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ .S2 _ S3 ^ S2/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ .S2 _ S3/ _ .S3 ^ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ S2 _ S1 ^ S3 _ .S3 ^ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ S2 _ S3 ^ .S1 _ S2 ^ S1/ M1 D S1 ^ S2 _ S3 ^ .S1 _ S2/ M1 D S1 ^ S2 _ S1 ^ S3 _ S1 ^ S2

70

. Abb. 70.41 Karnaugh-VeitchDiagramm Maschinenansteuerung

derliche Abfrage. So vereinfacht sich die Schaltfunktion. Das Karnaugh-Veitch-Diagramm für unser Beispiel zeigt . Abb. 70.41. Für das senkrechte Zweierkästchen entfällt der Eingang S3, da hier für diesen sowohl eine „0“ und eine „1“ abgefragt werden. Übrig bleibt die Abfrage S1^S2. Für das linke waagerechte Zweierkästchen entfällt S2; es bleibt: S1^S3. Das rechte Zweierkästchen ergibt die Abfrage: S2^S3. So findet man auch hier den vereinfachten Schaltzustand: M1 D S1 ^ S2 _ S1 ^ S3 _ S1 ^ S2 Zur besseren Übersicht wird häufig das UND-Zeichen weggelassen und die Schaltfunktion ergibt sich zu: M1 D S1 S2 _ S1 S3 _ S1 S2 Für Speicherprogrammierbarer Steuerungen werden nach der Norm IEC 61131-3 Merker (M) als mögliche Operanden zum Zwischenspeichern von Zuständen angegeben. Sie besitzen in den Steuerungen einen festen Speicherplatz. Ihr Einsatzfeld ist z. B.: umfangreiche Verknüpfungssteuerungen durch Speichern von Zwischenergebnissen übersichtlicher zu gestalten. In der modernen Programmierung nutzt man sie seltener, da es durch Doppelverwendung zu erheblichen Fehlern kommen kann und Bausteine durch sie nicht bibliotheksfähig sind. Ihr Einsatz ist weiterhin sinnvoll, wenn Zwischenergebnisse über Bausteingrenzen hinweg verarbeitet werden oder wenn bei Spannungsausfall und dem Versetzen der Steuerung in den Stopp-Zustand Informationen erhalten bleiben sollen. Im zweiten Fall ist die Verwendung von remanenten Merkern erforderlich.

Zum besseren Verständnis ist jeder Rechenschritt aufge-1 Verknüpfungssteuerung mit Speicherverhalten (Schaltwerk) führt. Zu beachten ist, dass die UND-Verknüpfung Vorrang vor der ODER-Verknüpfung hat, vergleichbar der Punkt- Die Verknüpfungssteuerung mit Speicherverhalten wird in rechnung vor der Strichrechnung. Eine sehr viel schnellere der Regel bei der Verwendung von Tastern oder auch schalMethode ist die Anwendung des Karnaugh-Veitch-Dia- tenden Sensoren als Eingangssignalgeber verwendet. Wird gramms. Die möglichen Kombinationen werden als Käst- der Taster losgelassen oder entfernt sich das Objekt aus chen dargestellt. Benachbarte Lösungen (= Signalzustand dem Schaltabstand des Sensors schalten diese in den un„1“) können zu Zweier-, Vierer- bzw. 2n -Kästchen zusam- betätigten Zustand zurück. Ist es aber erforderlich, dass die mengefasst werden. Die Kästchen beinhalten stets einen Information über ein bereits erfülltes VerknüpfungsergebEingang bzw. zwei oder n Eingänge sowohl als geschaltet nis der Eingangszustände erhalten bleibt, ist ein Speichern (D 1) oder ungeschaltet (D 0). Für die Lösung ist es so- erforderlich. mit egal, ob dieser Eingang mit „1“ oder „0“ belegt ist. Er Das Beispiel Behälterfüllanlage (siehe . Abb. 70.42) muss daher nicht ausgewertet werden und entfällt als erfor- veranschaulicht die Thematik.

70

1455 70.5  Steuerungsarten

. Tabelle 70.7 Schalttabelle Behälterfüllanlage Eingänge

. Abb. 70.42 Technologieschema Behälterfüllanlage

Ein Behälter wird über zwei Sensoren (B1 und B2) überwacht. Die Überwachung kann nur erfolgen, wenn der Schalter (S0) das „1“-Signal liefert. Der Motor (M1) einer Pumpe soll wenn das Silo voll ist (B2 D 1) so lang angesteuert werden bis das Silo entleert ist (B1 D 0). Danach wird er abgeschaltet. Er darf erst wieder aktiviert werden, wenn das Silo erneut vollständig gefüllt ist (B2 D1). Es herrscht somit ein Eingangszustand der Sensoren und des Schalters vor, bei dem der Motor sowohl an als auch aus sein kann. (S0 D 1, B1 D 1 und B2 D 0). Es muss somit abgespeichert werden, ob das Silo gerade entleert oder wieder gefüllt wird. Das erfordert eine Verknüpfungssteuerung mit Speicherverhalten. Das Vorgehen zur Ermittlung des vereinfachten Schaltzustandes erfolgt analog dem für die Verknüpfungssteuerungen ohne Speicherverhalten. Die Speicherung der Information ob das Silo gerade gefüllt oder entleert wird, kann in Speicherprogrammierbaren Steuerungen durch das Auswerten des vorherigen Verknüpfungsergebnisses für den Ausgang (M1) abgesichert werden. Da, wie später in 7 Abschn. 72.1 erläutert, stets eine zyklische und somit wiederholende Auswertung der Eingänge und Zuweisung der Ausgänge erfolgt, liegt das Ergebnis des vorhergehenden Zyklus vor. Im 7 Abschn. 70.9 über grundlegende Funktionen wird die Speicherung mittels anderer Steuerungsmittel erläutert. Die Abfrage M1V bedeutet also die Information, ob der Motor bisher ein- oder ausgeschaltet ist. Die Auswertung der Eingänge ergibt somit folgende Ergebnisse (vgl. . Tab. 70.7): 4 der Ausgang (M1) kann nur eingeschaltet werden, wenn Schalter (SO) auch eingeschaltet ist ! M1 D 0 (Zeilen null bis sieben), 4 für Schalter S0 D 1 und sowohl Sensoren B1 D 0 und B2 D 0, d. h. das Silo ist vollständig entleert, muss der Motor aus sein ! M1 D 0 (Zeilen acht und neun), 4 gibt bei S0 D 1 der Sensor B1 D 0 aber Sensor B2 D 1 soll aus Sicherheitsgründen der Motor laufen ! M1 D 1 (Zeilen 12 und 13), 4 sind für S0 D 1 sowohl Sensor B1 D 1 als auch Sensor B2 D 1, so ist das Silo vollständig voll und soll entleert werden ! M1 D 1 (Zeilen 14 und 15), 4 nur für die Zeilen 10 und 11 ist die Abfrage des bisherigen Zustands des Motors von Bedeutung. Es gilt jeweils: S0 D 1, B1 D 1 und B2 D 0. Ist bisher der Motor aus (M1V D 0), soll er aus bleiben (M1 D 0), denn das Silo wird gerade befüllt. Ist aber der Motor an (M1V D 1), soll er an bleiben (M1 D 1), denn das Silo wird gerade entleert.

Ausgang

Nr. der Zeile

S0

B2

B1

M1V

M1

0

0

0

0

0

0

0

0

0

1

0

1

0

0

1

0

0

2

0

0

1

1

0

3

0

1

0

0

0

4

0

1

0

1

0

5

0

1

1

0

0

6

0

1

1

1

0

7

1

0

0

0

0

8

1

0

0

1

0

9

1

0

1

0

0

10

1

0

1

1

1

11

1

1

0

0

1

12

1

1

0

1

1

13

1

1

1

0

1

14

1

1

1

1

1

15

Die vollständige Schaltfunktion, die die Aufgabe erfüllt lautet: M1 D S0 ^ B2 ^ B1 ^ M1V _ S0 ^ B2 ^ B1 ^ M1V _ S0 ^ B2 ^ B1 ^ M1V _ S0 ^ B2 ^ B1 ^ M1V _ S0 ^ B2 ^ B1 ^ M1V Vereinfacht wird diese wieder mittels des KarnaughVeitch-Diagramms (. Abb. 70.43). Die Lösungen können zu einem Viererblock und einem Zweierblock zusammengefasst werden. Der Viererblock verdeutlicht, dass es für den einen UND-Term uninteressant ist, wie M1V und Sensor B1 geschaltet sind. Für den Zweierblock ist die Belegung von B2 für das Ergebnis nicht entscheidend. Es lässt sich folgende vereinfachte Schalt-

. Abb. 70.43 Karnaugh-Veitch-Diagramm Maschinenansteuerung

1456

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.44 Funktionsplan für Motoransteuerung

funktion zur Ansteuerung des Motors M1 ableiten: M1 D S0 ^ B2 _ S0 ^ B1 ^ M1V Die Abfrage M1V bedeutet nichts anderes als den Ausgang wieder abzufragen. Daher kann für M1V gleich M1 geschrieben werden. Die Darstellung in . Abb. 70.44 ist die Programmierung des Ergebnisses in Funktionsbausteinsprache bzw. als Funktionsplan. In 7 Abschn. 70.9 über grundlegende Funktionen wird dieses Ergebnis noch einmal zur Erläuterung der Speicherfunktionen aufgegriffen.

. Abb. 70.45 Struktur Ablaufsteuerung

1 Ablaufsteuerung

70

Die DIN IEC 60050-351 7-2013 (Entwurf) bezeichnet eine Ablaufsteuerung, als eine Steuerung mit schrittweisem Ablauf, bei der der Übergang von einem Schritt auf den folgenden programmgemäß entsprechend den vorgegebenen Übergangsbedingungen (Weiterschaltbedingungen) erfolgt. Über die einzelnen Schritte werden zur Überwachung Meldungen und zur Ansteuerung der Anlage die Ausgabe der Stellgrößen initiiert. Im industriellen Einsatz sind Ablaufsteuerungen mit unterschiedlichen Betriebsarten wählbar. Hierdurch wird Art und Umfang des Eingriffs durch den Bediener in die Steuerung bestimmt. Neben den Betriebsarten Automatik, Teilautomatik, Hand und Einrichten nennt die Norm für Ablaufsteuerungen die Betriebsarten Schrittsetzen und Tippen. In der Betriebsart Automatik arbeitet die Steuerung programmgemäß ohne Bedienungseingriff in den Wirkungsablauf. Die Betriebsart Hand ist eine Betriebsart, in der die Steuerung nur durch Bedienungseingriff in Abhängigkeit von gegebenenfalls vorhandenen Verriegelungen arbeitet. In der Betriebsart Einrichten können die Stellgeräte einzeln unter Umgehung vorhandener Verriegelungen gesteuert werden. Im Tippbetrieb kann die Schrittkette einer Ablaufsteuerung auf den jeweils nächsten Schritt durch einen Bedieneingriff weitergeschaltet werden. Die Struktur einer Ablaufsteuerung zeigt . Abb. 70.45. Kernstück einer Ablaufsteuerung ist die Ablaufkette. Sie hat eine eindeutige zeitliche und funktionale Zuordnung zu den technologischen Abläufen in einer Anlage. Durch diese Zuordnung und den zwangsläufigen schrittweisen Ablauf sind diese Steuerungen sehr übersichtlich, was zu einer hohen Wartungsfreundlichkeit und einer

. Abb. 70.46 Symbol für Schritt, Weiterschaltbedingung und Befehl für eine Ablaufkette

schnellen Fehlersuche (in der Weiterschaltbedingung oder der Befehlsausgabe) führt. Jeder mögliche technologische Zustand der Anlage wird durch einen Schritt dargestellt. Ist ein Schritt aktiv, so sind alle dem Schritt zugeordneten Befehle angesteuert. Der Schritt kann nur durch Erfüllung der Weiterschaltbedingung verlassen werden. Eine Ablaufkette beginnt mit einem Anfangsschritt/Initialschritt, der die Anlage in Grundstellung bringt. Dieser darf beim Start der Anlage oder nach einem Entriegeln des NOT-Halt als einziger Schritt aktiv sein. Verbunden werden die Schritte durch Wirklinien, die die Verknüpfung der Schritte, auch realisierbar durch Sprünge, Schleifen und Verzweigungen, veranschaulichen. Nach Beendigung einer Ablaufkette geht diese zurück in die Grundstellung. Der Befehl wird in die Informationen (vgl. . Abb. 70.46): a) Buchstabensymbol oder Kombination von Buchstabensymbolen, die beschreiben, wie das Binärsignal des Schrittes verarbeitet wird b) Symbol oder Text, den Befehl beschreibend und c) Hinweiskennzeichen auf die zugehörige Rückmeldung gegliedert.

1457 70.5  Steuerungsarten

. Tabelle 70.8 Wichtige Buchstabensymbole der Ablaufsprache Befehlszeichen

Bedeutung

Erläuterung

N

Nicht gespeichert

Während der Schritt aktiv ist, wird der Befehl ausgeführt

S

Speichernde Aktion Setzen

Wenn der Schritt aktiv wird, startet der Befehl bis er zurückgesetzt wird

R

Speichernde Aktion Rücksetzen

Wenn der Schritt aktiv wird, wird ein zuvor gesetzter Befehl zurückgesetzt (beendet)

D

Zeitverzögerte Aktion

Der Befehl wird erst zeitverzögert nach Aktivierung des Schrittes gestartet. Wird der Schritt vor Ablauf der Zeit deaktiviert, so wird der Befehl nicht ausgeführt

L

Zeitbegrenzte Aktion

Der Befehl wird nach Aktivierung des Schrittes nur so lange ausgeführt, wie die Zeit es vorgibt. Wird vor Ablauf der Zeit der Schritt inaktiv, wird auch der Befehl beendet

P

Impuls (steigende Flanke)

Mit Aktivierung des Schrittes ist der Befehl nur für einen Zyklus lang aktiv

Es existieren unterschiedliche Darstellungsformen der Befehle, die in der Norm IEC 61131-3 oder DIN EN 60848 (GRAFCET) vereinbart sind. Viele Steuerungshersteller bieten auf Grundlage dieser Normen Programmieroberflächen (Ablaufsprachen) zur Implementierung des Ablaufsteuerungsprogramms an (z. B. S7 GRAPH). Für die Befehle existieren, wie bereits erwähnt, Buchstabensymbole, die anzeigen, wie der Befehl auszuführen ist. . Tab. 70.8 enthält die wichtigsten Befehlszeichen. 1 Grundformen der Ablaufkette

Der Ablauf in einer zu steuernden Anlage kann sowohl linear (siehe . Abb. 70.47) verlaufen als auch verzweigt sein. Verzweigungen sind zum einen erforderlich, wenn aufgrund unterschiedlicher Bedingungen nur eine Art der Weiterverarbeitung möglich ist und zum anderen wenn parallel ablaufende Prozesse stattfinden. In dem ersten Fall

. Abb. 70.47 Lineare Ablaufkette

käme eine Alternativverzweigung bzw. ODER-Verzweigung zum Einsatz. Von mehreren Kettensträngen ist die Bearbeitung nur eines auszuwählen. Am Anfang der Verzweigung darf nur eine Weiterschaltbedingung wahr sein oder es muss eine Priorität vorgegeben werden. Es ist möglich durch einen Stern anzuzeigen, dass die Weiterschaltbedingungen von links nach rechts abzuarbeiten sind. Damit hat der weiter links liegende Kettenstrang die höhere Priorität. Zu Beginn der Verzweigung ist darauf zu achten, dass nicht eine Bedingung sofort erfüllt wird. Es ist in unserem Fall der Alternativverzeigung z. B. sicherzustellen, dass der Prozess Teil einlegen (siehe . Abb. 70.48) beendet ist, so dass eine Chance besteht, ein Teil in der abgefragten Position zu haben. Daher ist auch ein genaues Überdenken der Anordnung der Sensoren in der Anlage wichtig. Sinnvoll kann auch der Einsatz einer Zeitfunktion sein, die sicherstellt, dass ein Teil eingelegt sein müsste. Erfolgt die Programmierung nicht mittels einer Ablaufsprache sondern z. B. mittels der Funktionsbausteinsprache, ist dies zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass nur ein Strang durchlaufen werden kann. Ein Beispiel für eine Alternativverzweigung ist das Ergebnis einer Qualitätskontrolle. Sollte das Teil nicht in Ordnung sein, ist es auszuschleusen und muss den folgenden Bearbeitungsschritten nicht zugeführt werden. Es ist auch denkbar, dass nach einer Nachbearbeitung das Teil wieder integriert wird, was in der Ablaufkette einen Sprung oder eine Schleife verursachen würde. Sowohl in einer linearen Ablaufkette als auch bei einer Alternativverzweigung ist sicherzustellen, dass stets nur ein Schritt aktiv ist. Das Beispiel für eine Alternativverzweigung in . Abb. 70.48 zeigt auf, dass in der Anlage durch einen Sensor abgefragt wird, ob ein Teil vorhanden ist oder nicht. Ist ein Teil vorhanden, können die Schritte Spannen, Bohren, Lösen und Teil entfernen umgesetzt werden. Der nächste Schritt erfolgt erst dann, wenn durch ein Signal aus dem Prozess eine Fertigmeldung der Abarbeitung des vorhergehenden Schrittes erfolgt ist. Wird am Ende des Zweiges die Information gegeben, dass das bearbeitete Teil entfernt wurde, geht die Schrittkette wieder zum Initialisierungsschritt über und wartet auf ein weiteres Startsignal. Sollte zu Beginn der Alternativverzweigung erkannt werden, dass

70

1458

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.49 Ablaufkette mit Simultanverzweigung

70.6

Daten, Information und Signal

1 Daten . Abb. 70.48 Ablaufkette mit Alternativverzweigung

70

Laut ISO/IEC 2382-1 (1993) sind Daten in der Informationstechnik eine wieder interpretierbare Darstellung von Informationen in formalistischer Art, geeignet zur Kommunikation, Interpretation und Verarbeitung. Ihr Inhalt wird meist in Zeichen kodiert, deren Aufbau strengen Regeln (der sog. Syntax) folgt. Die Speicherung von Daten für die weitere Verarbeitung geschieht auf unterschiedlichen Datenspeichern – in der Regel in binärer Form. Daten werden bei der Speicherung meistens zu Gruppen zusammengefasst. 4 8 Bit zu 1 Byte 4 Datenfeld 4 Datensatz 4 Dokument 4 Ordner 4 Datenbank.

kein Teil vorhanden ist, gibt die Steuerung eine Fehlermeldung aus und wartet bis der Bediener diese quittiert. Er hat somit die Möglichkeit zu prüfen, ob an der Anlage alles in Ordnung ist. Die zweite Art der Verzweigung ist die Simultan- bzw. UND-Verzweigung (siehe . Abb. 70.49), die ein paralleles Ablaufen von Schritten erfordert bevor wieder eine Zusammenführung erfolgt. Nach der DIN IEC 60050-351 7-2013 sind durch eine Weiterschaltbedingung alle parallel verlaufenden Zweige zu aktivieren und nur durch die Erfüllung einer gemeinsamen Weiterschaltbedingung wieder zusammenzuführen. Erfolgt die Implementierung der parallelen Ablaufketten nicht durch eine Ablaufsprache, sind auch ein nicht gleichzeitiger Start aller Kettenstränge und jeweils unterschiedliche Weiterschaltbedingungen zum Verlassen Beispiele für Daten sind: der Stränge möglich. Es ist jedoch sicherzustellen, dass 4 die von einer Uhr angezeigte Zeit die Weiterführung des Ablaufes erst nach Beendigung je- 4 die von einer Waage angezeigte Masse des parallelen Stranges erfolgt. Ein Beispiel hierfür ist die 4 Inhalt einer Festplatte Notwendigkeit der Durchführung aller vorgelagerten Ar- 4 Telefonnummer beitsgänge an zwei Bauteilen, die montiert werden sollen. 4 Inhalt eines Lexikons. Die Montage kann erst starten, wenn alle anderen vorheri1 Information gen Arbeitsgänge an beiden Teilen abgeschlossen sind. Das Aufstellen einer Ablaufkette mit möglichst allen Information gewinnt man aus Daten, indem sie in einem Informationen ist sehr sinnvoll auch wenn diese Program- Bedeutungszusammenhang interpretiert werden (der sog. miersprache zur Implementierung nicht zur Verfügung Semantik). So kann die Ziffernfolge 13425 in Abhängigsteht. Hierdurch wird die genaue Struktur der Kette erkenn- keit des Kontextes als Telefonnummer, Postleitzahl oder als bar. Wie in den . Abb. 70.48 und 70.49 zu sehen, ist eine Mitgliederzahl eines Vereins interpretiert werden. Ablaufkette auch für einen ersten Ablaufentwurf geeignet. In der weiteren Verfeinerung muss überlegt werden, durch1 Signal welche Sensoren die Informationen aus dem Prozess abge- Ein Signal ist die Darstellung einer Information. Es ist eine leitet werden können oder ob zeitliche Abfragen sinnvoll physikalische Größe, bei der ein oder mehrere Parameter sind, welche Aktoren die Befehle ausführen und welche (sog. Informationsparameter) Information über eine oder Meldungen notwendig sind. mehrere variable Größen tragen.

70

1459 70.6  Daten, Information und Signal

. Abb. 70.50 Analoges Signal

. Abb. 70.52 Binäres Signal

p

1

0 t t . Abb. 70.51 Digitales Signal

. Abb. 70.53 Signalpegel binärer Signale

p

1 Binäre Signale

E t

Ein Messsignal kann beispielsweise in Form einer sinusförmigen Spannung mit der Gleichung u.t/ D u0  sin.!t C '/ vorliegen. Der Verlauf des Signals ist also von der Amplitude u0 , der Kreisfrequenz ! und dem Phasenwinkel ' abhängig. Je nach Problemstellung können die Informationsparameter Amplitude, Kreisfrequenz oder Phasenwinkel ausgewertet werden. Kontinuierlich veränderliche physikalische Größen, z. B. Temperatur oder Druck liefern analoge Signale (siehe . Abb. 70.50). 1 Analoge Signale

Analoge Signale können innerhalb gewisser Grenzen jeden beliebigen Wert annehmen. Bei analogen Signalen ist dem kontinuierlichen Werteverlauf des Informationsparameters Punkt für Punkt eine unterschiedliche Information zugeordnet. Aus . Abb. 70.50 ist ersichtlich, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt dem Informationsparameter Druck (p) ein Wert (eine Information) zugeordnet werden kann.

Signale, die nur zwei Informationszustände darstellen können, nennt man binäre Signale (siehe . Abb. 70.52). Wertebereiche eines binären Signals können sein: Druck EIN/Druck AUS, Ventil geöffnet/Ventil geschlossen oder Strom fließt/Strom fließt nicht. In der Mathematik und in der Steuerungstechnik werden diese beiden Zustände durch 0 und 1 beschrieben. In der Praxis wird den logischen Zuständen (0, 1) des Informationsparameters ein entsprechender Signalpegel (H, L) zugeordnet. Zwischen dem oberen und dem unteren Bereich des Signalpegels muss ein Sicherheitsbereich (siehe . Abb. 70.53) liegen. Ein typisches Beispiel für die Umwandlung eines analogen Signals in eine Abfolge binärer elektrischer Signale liefert . Tab. 70.9. . Tabelle 70.9 Umwandlung eines Analogsignals in eine Abfolge binärer elektrischer Signale

1 Digitale Signale

Digitale Signale (siehe . Abb. 70.51) sind diskrete Signale, deren Informationsparameter innerhalb bestimmter Grenzen nur eine endliche Zahl von Wertebereichen annehmen kann. Der Wertebereich des Informationsparameters ist ein ganzzahliges Vielfaches der kleinsten Einheit (E). Werden Informationen von analogen Signalen in digital arbeitenden Systemen genutzt, dann muss die analoge Darstellung der Information durch Analog-Digital-Wandler (A/D-Wandler) in eine digitale Darstellung gebracht werden. Der Analog-Digital-Wandler liefert eine dem digitalen Wert proportionale physikalische Größe, die umso genauer ist, je besser das Auflösungsvermögen des Wandlers ist.

Die Lautstärke einer akustischen Schwingung soll erfasst werden. Sie kann als Druck gemessen werden

Durch einen Sensor wird es in ein analoges elektrisches Signal gewandelt. Dabei kann es auch verstärkt oder in ein normiertes Signal – hier in eine Spannung zwischen 0 und 10 – umgewandelt werden

1460

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

70.7

. Tabelle 70.9 (Fortsetzung)

70.7.1

Nun wird zunächst die Zeit quantisiert. Der zeitliche Verlauf wird in äquitemporäre Abschnitte mit der Abtastzeit T AB eingeteilt. Im Audiobereich wird dieser Vorgang auch sampling genannt. Dort ist eine typische Abtastfrequenz 48 kHz. In der Sensorik kommen auch längere Abtastzeiten von sich nur langsam verändernden Größen (z. B. Außentemperatur) vor. Dort kann die Abtastzeit auch Minuten betragen

Zahlensysteme und Codierungen Zahlensysteme

Wie im 7 Abschn. 70.6 erläutert, sind in der elektrischen Informationsverarbeitung grundlegend nur zwei Zustände möglich: Spannung liegt an (H-Pegel, logisch 1) oder keine Spannung liegt an (L-Pegel, logisch 0). Häufig genügt diese binäre Darstellung nicht zur Übertragung der Information. Es müssen z. B. unterschiedliche Messwerte, Texte und Zeichnungen als Information übertragen werden. Hierbei kommen unterschiedliche Zahlensysteme und codierte Informationen zum Einsatz. Das in unserem alltäglichen Leben verbreitete Zahlensystem ist das dezimale. Die Basis ist 10 und die Faktoren gehen von 0–9. Die Bildungsvorschrift eines jeden Zahlensystems ist die gleiche und lässt sich wie folgt darstellen: Z D bn  Bn C bn1  Bn1 C : : :

Zu den diskreten Zeiten wird nun die aktuelle Spannung erfasst

C b1  B1 C b0  B0 C b1  B1 C : : : C bm Bm n X ZD bi  B i i Dm

111 110 101 100 011 010 001 000

t Im nächsten Schritt wird die Amplitude quantisiert. Das Signal ist „diskretisiert“. Die Spannungswerte werden einer der Stufen zugeordnet. Die Signalqualität ist umso besser, je mehr Quantisierungsschritte zugelassen werden. Hier im Beispiel ist es sehr grob, nur 3 Bit. Im Audiobereich sind 16 Bit üblich, d. h., der Spannungsbereich wird in 216 D 65:536 Stufen eingeteilt. In der Sensorik ist das Auflösungsvermögen problemangepasst

Den quantisierten Spannungen werden also digitalisierte Werte zugeordnet

70

Diese digitalen Werte können nun als binäres Signal in einer zeitlichen Abfolge gesendet werden

Z Zahl B Basis bi Ziffer der i-ten Stelle Für das duale Zahlensystem ist die Basis 2 und die Ziffern können 0 oder 1 sein, womit wieder die zwei möglichen Zustände dargestellt werden. Jede Stelle entspricht einem Bit. Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, werden häufig vier Bits (D eine Tetrade) zusammengefasst, wodurch sich eine Darstellung als hexadezimale Zahl ergibt. Hierbei ist die Basis 16 und die Ziffern gehen von 0–15. Die Zahlen 10–15 werden aufgrund fehlender Ziffern mittels Buchstaben A–F bezeichnet. . Tab. 70.10 zeigt die Beschreibung einzelner Zahlen in unterschiedlichen Zahlensystemen. Die folgende Darstellung zeigt anhand eines Beispiels, wie die Umwandlung zwischen den Zahlensystemen erfolgt. Hierbei ist zu beachten, dass z. B. bei der hexadezimalen Darstellung immer die Zusammenfassung von vier Bits erfolgen muss. Sind keine vier Stellen vorhanden, so wird für die Zahl vor dem Komma nach links und für die Zahl nach dem Komma nach rechts mit 0 aufgefüllt. dezimal in dual: Z10 D 19;6875

70

1461 70.7  Zahlensysteme und Codierungen

. Tabelle 70.10 Darstellung unterschiedlicher Zahlensysteme dezimal 102

dual 101

100

26

oktal 25

24

23

21

20

82

81

80

161

160

0

0

0

0

1

1

1

1

2

1

0

2

2

3

1

1

3

3

4

1

0

0

4

4

5

1

0

1

5

5

6

1

1

0

6

6

7

1

1

1

7

7

8

1

0

0

0

1

0

8

9

1

0

0

1

1

1

9

1

0

1

0

1

0

1

2

A

1

1

1

0

1

1

1

3

B

1

2

1

1

0

0

1

4

C

1

3

1

1

0

1

1

5

D

1

4

1

1

1

0

1

6

E

1

5

1

1

1

1

1

7

F

1

6

0

0

0

0

2

0

1

aufspalten: 19 W 2 D 9 9W2D4 4W2D2 2W2D1 1W2D0

Rest 1 Rest 1 Rest 0 Rest 0 Rest 1

9 > > > > > = > > > > > ;

Dualzahl D 10011 0;6875 0;375 0;75 0;5 0

22

hexadezimal

2 D 1;375 2 D 0;75 2 D 1;5 2D1 2D0

D 0;375 D 0;75 D 0;5 D0

C1 C0 C1 C1

9 > > > > > = > > > > > ;

Dualzahl D ;1011

dual: Z2 D 10011;1011 hexadezimal: 0001 „ƒ‚… 0011 „ƒ‚… 1011 Z2 D „ƒ‚… Z16 D 1 3 ; B

1

0

Der darstellbare Zahlenumfang mit dualen Zahlen ist abhängig von der Länge der Dualzahlen. In der elektronischen Informationsverarbeitung und somit auch in der elektrischen Steuerungstechnik werden Adressräume häufig byteweise strukturiert, wobei ein Byte acht Bits entspricht. Sowohl die Adressierung von binären Ein- und Ausgängen, als auch die Adressen der internen Merker (z. B. M1.0, M1.7, M2.0, M2.7) werden byteweise adressiert. Die Verarbeitungsbreite wird ebenfalls so angegeben (z. B. 16 Bit Verarbeitungsbreite). Es gibt die Dualzahllängen: 4 8-Bit D 1 Byte, Zahlengrenze: 28  1 D 255, 4 16-Bit D 1 Wort (W), Zahlengrenze: 216  1 D 65:535, 4 32-Bit D 1 Doppelwort (DW), Zahlengrenze: 232  1 D 4:294:967:295. Wichtig ist die Darstellungslänge auch für die Umwandlung der analogen Signale in die digitalen Signale. Die Feinheit der Auflösung wird dadurch bestimmt (siehe auch 7 Abschn. 70.6). Für die bessere Strukturierung nutzt man häufig für die Wiedergabe der Dualzahlen die hexadezimale Zahlendarstellung, indem immer vier Bits der Dualzahl zu einer hexadezimalen Stelle zusammengefasst werden. So hat die 16-Bit-Hexadezimalzahl nur vier Stellen und der Zahlenumfang geht von 0000 bis FFFF.

1462

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

Bei der Digitalisierung analoger Signale (siehe auch 7 Abschn. 72.2) ist die Darstellung negativer Zahlen im Dualzahlensystem erforderlich. Hierfür wird die Zweierkomplement-Methode eingesetzt. Bei dieser Darstellungsart wird das höchstwertige Bit stets als Vorzeichenbit genutzt, wobei der Wert „0“ eine positive Zahl und der Wert „1“ eine negative Zahl kennzeichnet. Steht z. B. 1 Byte für die Darstellung zur Verfügung, wird das siebente Bit als Vorzeichenbit genutzt und Bit 0 bis Bit 6 für den Wert der Zahl. Die höchste positive Zahl ist somit 0111 11112 D C12710 . Hierbei geben die Indizes das Zahlensystem an. Die höchste negative Zahl ist die 1000 00002 D 128. Die Bildung des Zweierkomplements erfolgt indem das Einerkomplement der positiven Zahl ermittelt und anschließend mit der Zahl 1 addiert wird. Am Beispiel einer 8-Bit-Darstellung für die Zahl 49 bedeutend dies: Zahl C 49W 0011 0001 Einerkomplement: 1100 1110 Addieren mit C1W C1 Zweierkomplement .D 49/W 1100 1111

Zur Speicherung und Übermittlung von Schriftzeichen wurde in den 1960-er Jahren der 7-Bit-ASCII-Code entwickelt und standardisiert. Da nur sieben Bits zur Codierung verwendet werden, umfasst er 128 Zeichen, von denen 95 druckbar und 33 nicht druckbar sind. Er ist in . Tab. 70.12 aufgeführt. Das siebente Bit ist ein Paritätsbit, welches zur Kontrolle der korrekten Datenübertragung genutzt wird. Die „Parität“ bezeichnet die Anzahl der mit „1“ belegten Bits im Informationswort. Mit diesem Bit wird nur übertragen, ob die Anzahl der mit „1“ belegten Bits gerade oder ungerade ist. Somit kann nur ein ungerader Fehler erkannt werden. In diesem Code würde z. B. das Wort UND wie folgt gespeichert werden. U

N

D

55

4E

44

101 0101 100 1110 100 0100

hexadezimal dual

Mittlerweile wurde der Code auf die Nutzung aller 8-Bit Zur Überprüfung kann zu der Zahl C49 die Zahl 49 hin- erweitert. Die derzeit gültige Norm ist der DIN 66303 zu entnehmen. Die Codierung der im 7-Bit ASCII Code entzuaddiert werden und es muss Null ergeben: haltenen Zeichen wurde übernommen. C49W 0011 0001 C.49/W 1100 1111 1 BCD-Zahlen 0W .1/ 0000 0000 Die Umwandlung einer Dualzahl in eine Dezimalzahl ist Da für die Zahlendarstellung nur 8 Bit genutzt werden, ist vor allem bei großen Zahlen recht aufwendig. Eine Vereindie „1“ im neunten Bit als Überlauf zu betrachten und hat fachung ermöglicht der Einsatz binär codierter Dezimalkeine Bedeutung. zahlen (BCD-Code). Hierbei werden für die Darstellung einer dezimalen Stelle vier Bit (D eine Tetrade) benutzt (siehe . Tab. 70.13). Es erfolgt somit nicht die vollständige 70.7.2 Codes Nutzung des möglichen Informationsumfangs. Es existieren mehrere Umsetzungen. Der am häufigsten eingesetzte Codes sind Vereinbarungen, bei denen einer bestimm- binäre Code ist der BCD-8421-Code. Die Ziffernfolge ten dualen Zahlenfolge entsprechende Zahlen, Buchstaben 8421 steht für die Wertigkeit der Bit-Stelle, hier also analog oder Zeichen zugeordnet werden. Ein bei der Bestimmung der Wertigkeit der Dualzahlen. . Abb. 70.54 zeigt den Unterschied im dezimalen von Wegstrecken häufig angewendeter Code ist der GrayCode. Bei diesem Code ändert sich immer nur in einem Bit Zahlenwert für eine 8-Bit-Folge, die zum einen für eine der Wert beim Wechsel von einer zur nächsten Dezimalzahl BCD-8421 Codierung und zum anderen für eine duale Codierung genutzt wird. (siehe . Tab. 70.11). . Abb. 70.54 Dezimaler Zahlenwert einer 8-Bit-Folge BCD-8421 codiert und dual codiert

7

6

5

4

3

2

1

0

Bit- Nummer

0

1

0

0

1

0

0

1

Ziffer

4

9

BCD-8421 codierte Ziffernanzeige

7

6

5

4

3

2

1

0

Bit-Nummer

0

1

0

0

1

0

0

1

Ziffer

70

dual codierte Ziffernanzeige

73 . Tabelle 70.11 Gray-Code dezimal

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Gray-Code

0000

0001

0011

0010

0110

0111

0101

0100

1100

1101

1111

1110

1010

1011

1001

1000

70

1463 70.8  Schaltalgebra

. Tabelle 70.12 7-Bit-ASCII-Code Bits

654

3210

000

001

010

011

100

101

110

111

0

1

2

3

4

5

6

7

0

@

P

0

p

0000

0

NULL

DC0

0001

1

SOM

DC1

!

1

A

Q

a

q

0010

2

EOA

DC2

"

2

B

R

b

r

0011

3

EOM

DC3

#

3

C

S

c

s

0100

4

EOT

DC4

$

4

D

T

d

t

0101

5

WRU

ERR

%

5

E

U

e

u

0110

6

RU

SYNC

&

6

F

V

f

v

0111

7

BELL

LEM



7

G

W

g

w

1000

8

FE

S0

(

8

H

X

h

x

1001

9

HTAB

S1

)

9

I

Y

i

y

1010

A

LF

S2

*

:

J

Z

j

z

1011

B

VTAB

S3

+

;

K

[

k

1100

C

FF

S4

,




N

"

n

ESC

1111

F

SI

S7

/

?

O

o

DEL

. Tabelle 70.13 BCD-8421-Code dezimal

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Nicht genutzt (Pseudotetraden)

BCD-8421-Code

0000

0001

0010

0011

0100

0101

0110

0111

1000

1001

1010

70.8 70.8.1

Schaltalgebra Logische Grundverknüpfungen

Betrachtet man für die verbindungsprogrammierten Steuerungen nur ihre Wirkung, so besitzt man ausschließlich die Information „Strom fließt“ oder „Strom fließt nicht“ bzw. „Spannung liegt an“ oder „Spannung liegt nicht an“. Ebenso verhält es sich bei den fluidischen Steuerungen. Das Fluid fließt durch oder nicht. Unberücksichtigt bleiben hierbei die analogen Werte, die z. B. die Höhe der Spannung oder des Druckes angeben. Sie müssen nur einen bestimmten Pegel erreichen, um ihre Wirkung zu erzielen, d. h. bezogen auf die Boole’sche Algebra als „log 0“ (falsch/false) oder „log 1“ (wahr/true) erkannt zu werden (siehe auch 7 Abschn. 70.6). Auch in jeder Speicherprogrammierbaren Steuerung wird definiert welcher Spanungsbereich als „log 0“ und welcher als „log 1“ erkannt wird. Für eine eindeutige Auswertung ist sicherzustellen, dass die Signale auch in diesen Bereichen liegen. Diese zwei Zustände sind die Grundlage für die Übermittlung von Informationen

1011

1100

1101

1110

1111

mit Hilfe der Boole’schen Algebra. In Abhängigkeit von der Anzahl (n) der Eingänge gibt es 2n Kombinationen der Eingangsbelegung (m). Daraus wiederum lassen sich 2m Kombinationen (KA) der Ausgangszustände (y) ableiten. . Tab. 70.14 zeigt es am Beispiel von zwei Eingangsvariablen (n D 2 ! m D 4 ! KA D 16). Bereits bei drei Eingangsvariablen existieren 256 mögliche Kombinationen der Ausgangsbelegung. a Logische Verknüpfung

y

b

Diesen Ausgangszuständen (y) lassen sich entsprechend . Tab. 70.15 Boole’sche Ausdrücke und Namen zuordnen. Die in der Tabelle mit Namen versehenen Verknüpfungen sind bis auf den Ausgangszustand zehn (XNOR) die Grundverknüpfungsfunktionen entsprechend DIN IEC 60050-351 7-2013 (Entwurf). Erweitert werden diese noch durch die Negation (NICHT-Funktion bzw. NAND). Diesen Schaltfunktionen liegen die drei grundlegenden Funk-

1464

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Tabelle 70.14 Mögliche Ausgangskombinationen für zwei Eingangsvariablen Eingänge

Ausgangszustände y (KA D 16)

a

b

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

1

1

1

1

1

1

1

1

0

1

0

0

0

0

1

1

1

1

0

0

0

0

1

1

1

1

1

0

0

0

1

1

0

0

1

1

0

0

1

1

0

0

1

1

1

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

. Tabelle 70.15 Boole’sche Ausdrücke und Namen der Ausgangszustände

70

Ausgangszustand

Aussage

Boole’scher Ausdruck

Name der Verknüpfung

y1

nie

0

y2

a und b

a^b

y3

a und nicht b

a^b

y4

gleich a

a

y5

b und nicht a

a^b

y6

gleich b

b

y7

a ungleich b

a^b_a^b

Exklusives ODER/XOR

y8

mindestens eines

a_b

ODER/OR

y9

weder a noch b

a^b Da_b

NOR

y10

a gleich b

a^b_a^b

(XNOR)

y11

nicht b

b

y12

a oder nicht b

a_b

y13

nicht a

a

y14

b oder nicht a

a_b

y15

eines nicht

a^b Da_b

y16

immer

1

UND/AND

NAND

tionen UND, ODER und Negation zugrunde, die später und NICHT in ihrem Verhalten beschreiben. Wie bereits auch in ihrer Umsetzung als elektrische verbindungspro- erwähnt, kann man den Schaltzuständen binärer Sensoren, grammierte sowie pneumatische und hydraulische Schal- elektrischer Schalter, pneumatischer Wegeventile sowie tung/Steuerung gezeigt werden. Ersichtlich wird dies in der pneumatischer und elektrischer Stellelemente und Aktoren . Tab. 70.16 anhand der Beschreibung als Schaltzeichen die logischen Zustände „0“ bzw. „1“ zuordnen. Diese Anabzw. in der Funktionsbausteinsprache (FBS). So ist z. B. die logien ermöglichen die Anwendung der mathematischen Funktion NAND die Verknüpfung der Eingangsvariablen Aussagenlogik zur Analyse und Synthese von binären Verdurch die UND-Funktion und eine anschließende Negati- knüpfungssteuerungen. on des Ausgangszustandes. Erkennbar ist dies gleichfalls anhand der Schalttabelle (Funktionstabelle). Die Eingangs-1 UND-Verknüpfung kombination, die in der UND-Verknüpfung den Ausgangs- Eine UND-Verknüpfung liegt immer dann vor, wenn das zustand „log 1“ ergibt, erzeugt bei der NAND-Verknüpfung Eintreten der Ausgangsbedingung von der gleichzeitigen den Ausgangszustand „log 0“ und umgekehrt. Erfüllung aller Eingangsbedingungen abhängig ist. Anders Die Darstellung der Grundverknüpfungen beschränkt gesagt: Das Ausgangssignal hat nur dann den Zustand sich auf zwei Signalgeber. „log 1“, wenn alle Eingangssignale den Zustand „log 1“ Viele fluidische und elektrische Schaltungen lassen sich haben. Im Fall einer fluidischen oder elektrischen verbindurch die logischen Grundverknüpfungen UND, ODER dungsprogrammierten Steuerung liegt hier eine Reihen-

1465 70.8  Schaltalgebra

. Tabelle 70.16 Logische Grundverknüpfungsfunktionen nach DIN IEC 60050-351 Benennung UND-Glied (Konjunktion, logisches Produkt)

Schaltzeichen/FBS Schaltfunktion a b

y

&

y Da^b ODER-Glied (Disjunktion, logische Summe)

a

y

>1

b

y Da_b NICHT-Glied (Negation)

a

1

y

Negationskreis

Schalttabelle (Funktionstabelle) a 0 0 1 1

b 0 1 0 1

y 0 0 0 1

a 0 0 1 1

b 0 1 0 1

y 0 1 1 1

a 0 1

y 1 0

a 0 0 1 1

b 0 1 0 1

y 1 1 1 0

a 0 0 1 1

b 0 1 0 1

y 1 0 0 0

a 0 0 1 1

b 0 1 0 1

y 0 1 1 0

yDa NAND-Glied (negiertes logisches Produkt)

a b

&

y

y Da^b D a_b NOR-Glied (negierte logische Summe)

a b

>1

y

y Da^b D a_b XOR-Glied (Antivalenz, exklusives ODER)

a b

=1

y

y D .a ^ b/ _ .a ^ b/

schaltung vor. Dieser logische Sachverhalt lässt sich auch in Form einer Funktionstabelle (Schaltabelle) bzw. als logisches Schaltzeichen (siehe . Tab. 70.16) darstellen. In . Abb. 70.55 ist die Umsetzung der UND-Verknüpfung mittels hydraulischer, pneumatischer und elektrischer Schaltung dargestellt. Als Signalgeber fungieren die von Hand betätigten 3/2-Wegeventile (1S1 und 1S2) bzw. die elektrischen Taster (S1 und S2). Sie erzeugen die Signale a und b. Bei betätigtem Wegeventil (Schaltstellung a) bzw. bei einem geschlossenen Kontakt des Tasters ist der Signalzustand des Signalgebers jeweils a D 1, b D 1; bei geöffnetem Kontakt bzw. in der Schaltstellung b des Wegeventils ist der jeweilige Signalzustand a D 0, b D 0. Werden beide Wegeventile zur gleichen Zeit betätigt, dann kann das Hydrauliköl in den Zylinder (1A1) fließen. Der Kolben fährt aus. Der Reihenschaltung der Ventile entspricht die Verknüpfung der Signale a; b der beiden Signalgeber durch ein logisches UND und der Zuweisung des Verknüpfungsergebnisses zur Variablen y. Die abhängige Variable y hat dann den logischen Zustand „1“. Das Ausgangssignal y dient im Allgemeinen zum Schalten eines Stellgliedes, also zum Eingreifen in die Steuerstrecke. Die Reihenschaltung der beiden Wegeventile kann durch ein Zweidruckventil (1V1) ersetzt werden. Das Zweidruckventil ist ein Sperrventil. Die Druckluft kann nur durchfließen, wenn beide Signale (a und b) auf die Steuereingänge 10 und 12 am Zweidruckventil wirken. Liegt nur Druck am Signaleingang 10 bzw. 12 an, dann ist der Durchfluss gesperrt. Sind die beiden Signale a; b zeitlich versetzt, gelangt das zuletzt ankommende Signal zum Stellglied 1V2. Das Stellglied wird über den Steuereingang (12) umgeschaltet in die Schaltstellung a; das Signal y hat „log 1“. Die Druckluft strömt durch das Ventil und ein Aktor bzw. Arbeitselement kann wirksam werden.

. Abb. 70.55 Reihenschaltungen (UND-Verknüpfung) von zwei Signalgebern (Eingangsvariablen)

70

1466

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.56 Relais mit Nebenkontakten

Elektrisch wird die Reihenschaltung durch Betätigung beider Taster erfüllt. Die beiden Schließerkontakte geben die Signale a und b. Am Relais K1 liegt dann die Spannung an. Entsprechend . Abb. 70.56 ist die Spule (1) vom Strom durchflossen und der Kern (2) wird magnetisch. Der drehbar gelagerte Anker (3) wird angezogen. Die Nebenkontakte (5) werden geschlossen und ein im Arbeitsstromkreis liegender Aktor oder ein Stellglied wird betätigt. 1 ODER-Verknüpfung

In gleicher Weise kann der Aktor 1A1 durch das Signalglied 1S1 oder das Signalglied 1S2 geschaltet werden. Die als Signalglieder fungierenden Wegeventile können in beide Richtungen von der Luft durchströmt werden. Auch wenn beide Signalglieder gleichzeitig gedrückt werden, genügt das Signal a des Signalgebers 1S2 zum Ausfahren des Kolbens. Die Parallelschaltung der beiden Ventile kann durch ein Wechselventil (1V1) ersetzt werden. Das Wechselventil ist auch ein Sperrventil und erfüllt die ODER-Funktion. Die Signale a oder b müssen jeweils von einem geeigneten Signalgeber erzeugt werden. Das Wechselventil verbindet den Steueranschluss, der einen höheren Druck aufweist, mit dem Steueranschluss (12) am Stellglied 1V2. Wird nur ein Steueranschluss mit Druckluft beaufschlagt, dann verhindert das Ventil durch den Kugelsitz, dass die beaufschlagte Steuerleitung durch ein parallel geschaltetes Signalglied entlüftet wird.

Eine ODER-Verknüpfung liegt vor, wenn das Eintreten der Ausgangsbedingung von der Erfüllung einer unabhängigen Eingangsbedingung abhängt. Technisch wird die ODERVerknüpfung durch eine Parallelschaltung erreicht (siehe . Abb. 70.57). Wird der Schließerkontakt S1 oder S2 bei der elektrischen Parallelschaltung betätigt, so ist jeweils der Stromweg zum Relais K1 geschlossen; das Relais wird erregt und schließt den daneben liegenden Kontakt. Das 1-Signal der1 Nicht-Funktion Variablen a oder b führt also zu „log 1“ bei der abhängigen Eine NICHT-Funktion liegt vor, wenn das ZustandekomVariablen y. Dies ist auch der Fall, wenn beide Schließer- men der Ausgangsbedingung durch die NICHTerfüllung kontakte betätigt werden. einer Eingangsbedingung bewirkt wird.

70

. Abb. 70.57 Parallelschaltungen (ODER-Verknüpfung) von zwei Signalgebern

70

1467 70.8  Schaltalgebra

. Abb. 70.58 Schaltungen mit Öffnerkontakt

Aus dem elektrischen Schaltplan (siehe . Abb. 70.58) ist ersichtlich, dass die Signalleuchte P1 ohne Betätigung des Tasters S1 leuchtet, da der Stromweg 2 geschlossen ist. Wird der Taster S1 betätigt, erlischt die Signalleuchte; das 1-Signal der Eingangsvariablen a bewirkt das 0-Signal der abhängigen Variable y. Die Ursache liegt in der Unterbrechung des 2. Stromweges durch den Nebenkontakt, einem Öffner, der durch das erregte Relais K1 geschaltet wird. Bei der pneumatischen Schaltung sind die Durchlass- und die Sperrstellung vertauscht worden. Das 3/2-Wegeventil hat also ebenfalls eine Öffnerfunktion. Bei Betätigung von 1S1 wird der Druckluftstrom unterbrochen und die Rückstellfeder im einfach wirkenden Zylinder (Aktor) bewirkt das Einfahren des Kolbens.

70.8.2

Grundlagen der Schaltalgebra

1 Regeln für die Grundverknüpfungen

Wie bereits erwähnt, können in einer schaltalgebraischen Gleichung die Ausgangsgröße (y) und die Eingangsgrößen (a; b, . . . ) als Variable nur zwei Werte annehmen, nämlich „log 0“ und „log 1“: y D f .a; b; : : :/ Für eine Eingangsvariable gilt: y D a, dabei ist und

y D 1; wenn a D 1 ist y D 0; wenn a D 0 ist:

Für die UND-Verknüpfung von zwei Eingangsvariablen (a; b) gilt: y Da^b

.^W UND/

Die Verknüpfungsfunktion (Schaltfunktion) beschreibt mit den Operationen der Booleschen Algebra den funktionellen Zusammenhang zwischen den Werten/Zuständen der Eingangssignale (a; b) und denen des Ausgangssignals (y). Diese können auch in einer Schalttabelle (Funktionstabelle) dargestellt werden. Sie beinhaltet die Zusammenstellung aller Wertekombinationen der Eingangsgrößen und

. Tabelle 70.17 Schalttabelle UND-Verknüpfung a

b

a^b

y

0

0

0^0

0

0

1

0^1

0

1

0

1^0

0

1

1

1^1

1

der ihnen zugeordneten Werte der Ausgangsgröße der Schaltfunktion (DIN IEC 60050-351). Als Beispiel ist in . Tab. 70.17 die Schalttabelle für die UND-Verknüpfung aufgeführt. Die Schalttabellen für die weiteren Grundverknüpfungsfunktionen sind . Tab. 70.16 zu entnehmen. Für die Verknüpfungsfunktionen existieren grundlegende Regeln, die im Folgenden aufgeführt werden. Die Reihenfolge der Eingangsvariablen ist bedeutungslos. Es gilt: a ^ b D b ^ a bzw. a _ b D b _ a (Kommutativgesetz) Eine Schaltung aus mehr als zwei Eingangsgrößen lässt sich aus Grundverknüpfungen aufbauen. Es gilt: y D .a ^ b/ ^ c D a ^ .b ^ c/ D a ^ b ^ c y D .a _ b/ _ c D a _ .b _ c/ D a _ b _ c (Assoziativgesetz)

bzw.

Sowohl für die ODER- als auch die UND-Verknüpfung gilt das Gesetz der neutralen Elemente. Für die UND-Verknüpfung muss ein sicheres „1“-Signal und für die ODERVerknüpfung ein sicheres „0“-Signal nicht berücksichtigt werden. Ist bei einer UND-Verknüpfung ein Eingang sicher „0“ so ist auch der Ausgang „0“. Eine sicheres „1“-Signal am Eingang einer ODER-Verknüpfung liefert als Ergebnis stets ein „1“-Signal. a ^ 1 D a bzw. a _ 0 D a a ^ 0 D 0 bzw. a _ 1 D 1 (Gesetz der neutralen Elemente)

1468

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.59 Gemischte Schaltungen

Sind die Signale an den Eingängen stets gleich, so muss nur ein Eingang Berücksichtigung finden. a ^ a D a bzw. a _ a D a (Idempotenzgesetz) Vereinfachungen ergeben sich auch wenn der zweite Eingang stets das komplementäre Signal zum ersten Eingang besitzt. a ^ a D 0 bzw. a _ a D 1 (Gesetz der komplementären Elemente) Für die NICHT-Funktion (Negation) gilt: Wird eine Variable zweimal negiert, so gilt a D a D y 1 Regeln für gemischte Schaltungen

UND-, ODER-Verknüpfungen und Negationen lassen sich in größeren Schaltungen kombinieren (siehe . Abb. 70.59). Gemischte Schaltungen lassen sich durch Verknüpfungsgleichungen wie folgt darstellen. Die Gleichung für die 1. Schaltung lautet: y Da^c_b^c Für die 2. Schaltung sieht die Gleichung wie folgt aus: y D .a _ c/ ^ .b _ c/ Kommen in einer Gleichung die UND- und die ODER-Verknüpfung vor, muss zuerst die UND-Verknüpfung (Konjunktion) und danach die ODER-Verknüpfung (Disjunktion) durchgeführt werden. Soll die Disjunktion Vorrang haben, muss dies durch eine Klammer angezeigt werden. Beide Verknüpfungsgleichungen lassen sich durch Anwendung des Distributivgesetzes vereinfachen. Die in beiden Klammern vorkommende Variable c kann ausgeklammert werden.

70

a ^ c _ b ^ c D .a _ b/ ^ c (1. Distributivgesetz) .a _ c/ ^ .b _ c/ D .a ^ b/ _ c (2. Distributivgesetz)

Das Distributivgesetz kann zur Vereinfachung von Schaltungen genutzt werden. Folgende Bindungsregeln der Schaltalgebra sind zu beachten: 4 Die UND-Verknüpfung hat Vorrang vor der ODERVerknüpfung, wenn durch Klammern nichts anderes vorgeschrieben wird. a ^ b _ c D .a ^ b/ _ c 4 Kommt in einer gemischten Schaltung eine Negation vor, so ist diese zuerst auszuführen: a^b _c D y Wenn die Variablen folgende Werte annehmen: a D 1;

b D 0;

c D 0;

führt dies zu: 1^0_0Dy 1^1_0Dy 1_0Dy 1Dy Eine andere Möglichkeit zur Vereinfachung von Schaltfunktionen stellt das Absorptionsgesetz entsprechend . Abb. 70.60 dar. .a ^ b/ _ b D b bzw. .a _ b/ ^ b D b (Absorptionsgesetz)

. Abb. 70.60 Schaltungen zum Absorptionsgesetz

1469 70.8  Schaltalgebra

Die obige Umwandlung gilt auch für drei oder mehr Variable:

. Tabelle 70.18 Zusammenstellung der Theoreme und Gesetze der Schaltalgebra a^0D0

a_0Da

Gesetz der neutralen Elemente (Netz mit offenem Kontakt)

a^1Da

a_1D1

Gesetz der neutralen Elemente (Netz mit geschlossenem Kontakt)

a^aDa

a_aDa

Gesetze der Idempotenz

a^aD0

a_aD1

Gesetz der komplementären Elemente

aDa a^bDb^a

a^b ^c D a_b_c In . Tab. 70.18 werden die Theoreme und Gesetze der Schaltalgebra zusammengefasst. 1 Vereinfachung von Verknüpfungsfunktionen

Die Vereinfachung von Schaltungen, die ja durch Verknüpfungsgleichungen beschrieben werden, ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen bedeutet eine geringere Anzahl von Bauteilen einen Kostenvorteil und eine Verringerung der Reparaturanfälligkeit bei verbindungsprogrammierten Steuerungen. Andererseits werden aber auch Steuerprogramme übersichtlicher, schneller und fehlerärmer. Möglicherweise sind von einer Verknüpfungssteuerung nur die Eingangsgrößen und die Ausgangsgrößen bekannt; die Schaltung aber nicht. Die Bedingungen, die zur Erfüllung der Schaltfunktion (y D 1) führen, können dann mit Hilfe einer Schalttabelle ermittelt werden. Eine solche Schalttabelle ist nachstehend dargestellt.

Doppeltes Komplement a_bDb_a

Kommutativ-Gesetz

.a ^ b/ ^ c D a ^ .b ^ c/ D a ^ b ^ c

1. Assoziativ-Gesetz

.a _ b/ _ c D a _ .b _ c/ D a _ b _ c

2. Assoziativ-Gesetz

a ^ c _ b ^ c D .a _ b/ ^ c

1. Distributiv-Gesetz

.a _ c/ ^ .b _ c/ D .a ^ b/ _ c

2. Distributiv-Gesetz

a^b Da_b

1. Gesetz von de Morgan

a_b Da^b

2. Gesetz von de Morgan

a ^ .a _ b/ D a

Absorptionsgesetz

a _ .a ^ b/ D a

Absorptionsgesetz

1 Schalttabelle

Wird der UND- bzw. der ODER-Verknüpfung ein NICHTElement (Negation) nachgeschaltet, dann spricht man von einer NAND- bzw. NOR-Funktion (siehe auch . Tab. 70.16). Das Ergebnis einer NAND-Verknüpfung lässt sich auch durch die disjunktive Verknüpfung zweier Variablen erreichen, wenn die beiden Eingänge einer ODER-Verknüpfung negiert werden. a^b Da_b (1. Gesetz von de Morgan) Eine NOR-Verknüpfung kann durch eine konjunktive Verknüpfung zweier Variablen erreicht werden, wenn beide Eingänge der UND-Verknüpfung negiert werden. a_b Da^b (2. Gesetz von de Morgan) Mit Hilfe weiterer Inversionsgesetze lassen sich UND-in ODER-Verknüpfungen und ODER- in UND-Verknüpfungen umwandeln: a^b Da^b Da_b abgeleitet aus aDaDy

und a ^ b D a _ b

Zeile

a

b

y

1

0

0

0

2

0

1

1

3

1

0

1

4

1

1

0

Aus dieser Schalttabelle soll eine Verknüpfungsgleichung ermittelt werden, die zur Entwicklung einer Schaltung dient. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten dieses Problem zu lösen: a) Die disjunktive Normalform (DNF) In der Schalttabelle liefern zwei Zeilen für die Ausgangsgröße y den Wert 1. In diesen Zeilen haben die Eingangsgrößen folgende Signalzustände: Zeile 2: a D 0 und b D 1 oder Zeile 3: a D 1 und b D 0 Verknüpft man die Variablen in den Zeilen 2 und 3 mit UND, so ist die Verknüpfung für die Zeile 2 nur dann für y D 1 erfüllt, wenn der Wert der Variablen a negiert wird. Für die 3. Zeile ist die Bedingung y D 1 nur erfüllt, wenn die Variable b negiert wird. Werden die beiden Konjunkte anschließend disjunktiv verknüpft, erhält man die disjunktive Normalform der Verknüpfungsgleichung: y Da^b_a^b

70

1470

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

Werden in diese Gleichung die Werte der Zeile 2 und Die beiden hier gefundenen Gleichungen zur Beschrei3 eingesetzt, dann ist die Bedingung y D 1 erfüllt; wer- bung des in der Schalttabelle vorgegebenen Verhaltens der den die Werte der Zeilen 1 und 4 eingesetzt, dann ergibt abhängigen Variablen y werden auch durch ein Antivalenzsich: y D 0! Glied, dem Exklusiv-ODER, erfüllt. In der disjunktiven Normalform der Verknüpfungsoder Schaltgleichung werden alle Konjunktionen der1 Vereinfachung mittels Karnaugh-Veitch-Diagramm Eingangsgrößen, welche y D 1 liefern, disjunktiv ver(KVS) knüpft. Den konjunktiven Term nennt man den MIN- Neben den Rechenregeln gibt es weitere Verfahren, die zur TERM, da nur eine Verknüpfung aller Eingangsvaria- Vereinfachung der Schaltfunktion genutzt werden können. blen für die Ausgangsgröße den Wert 1 liefert. Eine häufig eingesetzte grafische Möglichkeit ist das Karnb) Die konjunktive Normalform (KNF) augh-Veitch-Diagramm (KV-Diagramm). Der Umfang des Die Zeilen 1 und 4 der Schalttabelle liefern für die KV-Diagramms richtet sich nach der Anzahl der in eiAusgangsgröße y den Wert 0. Die variablen Eingangs- ner Gleichung vorkommenden Variablen. Ein solches Diagrößen in diesen Zeilen müssen durch ein ODER ver- gramm entsteht durch wiederholtes Spiegeln der Felder. Es knüpft werden. Eine ODER-Verknüpfung der Eingänge enthält immer so viele Felder, dass alle möglichen Vollkonliefert nur dann den Wert 0 als Ausgangssignal, wenn junktionen in das Diagramm eingebracht werden können. alle Eingangssignale den Wert 0 haben. Alle anderen Eine Vollkonjunktion ist eine UND-Verknüpfung, die alle Eingangssignalkombinationen liefern 1 als Ausgangs- vorkommenden Variablen der Verknüpfungsgleichung oder signal. Den disjunktiven Term nennt man deshalb den Schaltfunktion enthält. MAXTERM. Für die 1. Zeile gilt: Für jede hinzukommende Eingangsgröße wird das ursprüngliche Feld um ein neues Feld erweitert. Im ursprünga D 0 oder b D 0 führt zu y D 0: lichen Feld hat die neue Eingangsgröße den Wert 0; im Eine ODER-Verknüpfung der Eingangsvariablen in der neuen Feld hat sie den Wert 1. Die Variablen der EinZeile 4 führt nicht zu y D 0. Um diese Bedingung zu gangsgrößen werden an den Rand des KV-Diagramms erreichen, müssen beide Eingangsvariable negiert wer- geschrieben. In die Felder des KV-Diagramms wird eingeden, also: tragen, wie die Ausgangsgröße auf die Kombinationen der Zustände der Eingangsgrößen reagiert. Das Vorgehen enty Da_b spricht der Erstellung einer Schalttabelle. In . Abb. 70.61 Die konjunktive Normalform der Verknüpfungsglei- sind rechts die Kombinationen der Eingänge a und b bzw. a, b und c eingetragen. Das KV-Diagramm muss so erstellt chung lautet somit: werden, dass sich alle Kombinationen der Eingangsvariay D .a _ b/ ^ .a _ b/ blen abbilden lassen. Aus dem KV-Diagramm in . Abb. 70.62 lässt sich auch Sie ist nur erfüllt, wenn beide Disjunkte 1 liefern. Dies die disjunktive Normalform der Verknüpfungsgleichung ist der Fall, wenn die Werte der Eingangsgrößen in den bestimmen. Jedes Feld, das eine „1“ enthält, entspricht Zeilen 2 oder 3 auftreten. Für die Zeile 2 gilt: einem MINTERM. Dies sind die Felder 1, 3, 6, und 7.

.0 _ 1/ ^ 0 _ 1 D 1 ^ 1 D 1 Verknüpft man alle Felder mit ODER, so erhält man die

70 . Abb. 70.61 Entwicklung des KV-Diagramms

1471 70.8  Schaltalgebra

. Abb. 70.63 KV-Diagramm

. Abb. 70.62 KV-Diagramm für drei Variable

disjunktive Normalform der Verknüpfungsgleichung.

. Abb. 70.64 Weitere Variante KV-Diagramm

y Da^b^c_a^b^c_a^b^c_a^b^c D1 Im KV-Diagramm lassen sich nun leicht die Terme finden, die sich in nur einer Variablen unterscheiden; sie liegen symmetrisch zueinander. Sofern symmetrische Felder mit einer „1“ belegt sind, können sie zusammengefasst werden. Die sich ändernde Variable wird eliminiert. Die Felder 01 und 03 liegen symmetrisch zueinander. 1 Beispiel KV-Diagramm Für sie gelten folgende Verknüpfungen: Gegeben sei folgende Verknüpfungsfunktion: Feld 1: a ^ b ^ c D 1 y D a^b^c^d _a^b^c^d _a^b ^c ^d Feld 3: a ^ b ^ c D 1 Eliminiert man nun die sich ändernde Variable .b _ b D 1/ und fasst die restlichen Terme zusammen, dann bleibt a ^ c übrig. Die benachbarten und symmetrisch liegenden Felder 6 und 7 können ebenfalls zu einem Block zusammengefasst werden. Hier ändert sich die Variable a und entfällt. Feld 6: a ^ b ^ c Feld 7: a ^ b ^ c Die sich ändernde Variable .a _ a/ wird eliminiert und der restliche Term lautet: b ^ c. Zusammengefasst erhält man die minimierte Verknüpfungsgleichung: y D a ^ c _ b ^ c D 1: Folgende Regeln gelten zur Vereinfachung mit dem KVDiagramm: 4 Es können einzelne oder mehrere Felder, die symmetrisch zu einer horizontalen oder vertikalen Spiegellinie liegen zur Vereinfachung zu Blöcken zusammengefasst werden. Die Zahl der Felder in einem Block muss eine Potenz von zwei sein, d. h. es können z. B. Zweier-, Vierer- oder auch Achterblöcke gebildet werden. 4 Ändert sich eine Variable innerhalb eines Blocks beim Übergang von einem Feld zum anderen, so wird diese nicht gelesen. Für einen Zweierblock entfällt somit eine Variable, einen Viererblock zwei Variablen und bei einem Achterblock drei Variablen.

Diese Gleichung wird entsprechend . Abb. 70.63 in ein KV-Diagramm übertragen, wobei die drei Felder mit den obigen Konjunktionen mit 1 belegt werden. Es lassen sich zwei Blöcke bilden. In dem einen Block ändert sich die Variable b und muss daher nicht berücksichtigt werden. Wäre das KV-Diagramm anders angeordnet worden (siehe . Abb. 70.64), würde die Kombination von Feld 0 neben der Kombination von Feld 8 stehen. Somit kann auch hier ein Block gebildet werden. Für diesen ändert sich die Variable d und wird nicht gelesen. Jeder Block bildet einen MINTERM. Die vereinfachte Schaltfunktion ergibt sich somit zu: y Da^c^d _a^b^c Der Term a ^ c kann ausgeklammert werden und die Lösung lautet somit: y D a ^ c ^ .b _ d / Wie die Variablen im KV-Diagramm angeordnet werden, ist unwichtig. Beachtet werden muss nur, dass alle möglichen Kombinationen, die sich aus der Belegung der Variablen ergeben, wiederzufinden sind, wobei die Variablenbelegung am Rand auch als Block anzuordnen ist. Das heißt, es darf z. B. nicht die Anordnung a a a a gewählt werden. Im Folgenden werden weitere Beispiele zur Vereinfachung der Schaltfunktionen aufgezeigt. Neben der Anwendung der Rechenregeln der Schaltalgebra und dem

70

1472

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

KV-Diagramm werden zum einen die Vorgehensweise für die disjunktive und konjunktive Normalform und zum anderen der Einsatz der Gesetze von de Morgan gezeigt.

. Abb. 70.65 KV-Diagramm

7 Beispiel Minimierung von Verknüpfungsgleichungen Aus der Aufgabenstellung hat sich folgende Schalttabelle ergeben. Schalttabelle: Zeile

a

b

c

y

1

0

0

0

0

2

0

0

1

1

.a _ b _ c/ ^ .a _ b _ c/ ^ .a _ b _ c/ ^ .a _ b _ c/ D y

3

0

1

0

0

4

0

1

1

1

5

1

0

0

0

Œa _ c ^ .b _ b/ ^ Œa _ b ^ .c _ c/ D y Œ.a _ c/ ^ 1 ^ Œ.a _ b/ ^ 1 D y .a _ c/ ^ .a _ b/ D y

6

1

0

1

0

7

1

1

0

1

8

1

1

1

1

Lösung: Zunächst soll aus der gegebenen Schalttabelle die Verknüpfungsgleichung ermittelt werden. Da die Ausgangsgröße y je 4-mal den Wert „0“ und „1“ liefert, kann zur Ermittlung der Verknüpfungsgleichung sowohl die disjunktive als auch die konjunktive Normalform gewählt werden. Die disjunktive Normalform (DNF) ergibt sich aus den Zeilen 2, 4, 7 und 8, also aus allen Zeilen in denen y D 1 liefert. Sie lautet: a^b^c_a^b^c_a^b^c_a^b^c Dy Œa ^ c ^ .b _ b/ _ Œa ^ b ^ .c _ c/ D y Œa ^ c ^ 1 _ Œa ^ b ^ 1 D y a^c_a^b Dy

70

Die konjunktive Normalform der Verknüpfungsgleichung fasst alle Zeilen der Schalttabelle zusammen, die für die Ausgangsgröße y den Wert „0“ liefern. Diese Zeilen sind 1, 3, 5 und 6. Die konjunktive Normalform (KNF) lautet also:

Durch Anwendung des Distributivgesetzes können die beiden ersten Konjunkte und die beiden letzten Konjunkte der Gleichung zusammengefasst werden. Aus den beiden runden Klammern ist ersichtlich, dass die Variablen b und c jeweils auf „1“ oder „0“ abgefragt werden. Aufgrund des Komplementgesetzes ergibt sich somit ein ständiger „1“-Wert. Netze mit ständig geschlossenen (oder geöffneten) Kontakten haben keine Schaltfunktion; sie können entfallen. Übrig bleibt die minimierte Schaltgleichung (Verknüpfungsgleichung). Die vereinfachte disjunktive Normalform ist auch mittels des Karnaugh-Veitch-Diagramms zu finden. Die erste Gleichung (vollständige Schaltfunktion) ergibt das KV-Diagramm entsprechend . Abb. 70.65. Es ist möglich zwei Zweierblöcke zu bilden, für die jeweils eine Variable entfällt. Der obere Block ergibt die Lösung: a ^ b und der untere: a ^ c. Folglich lautet auch hier die Lösung: a ^ c _ a ^ b D y. 9

Die Ausgangsgleichung konnte mittels des Distributivgesetzes, des Komplementgesetzes sowie der Anwendung der Bedingungen für ein Netz mit ständig offenem Kontakt minimiert werden. Werden die variablen Zustände der Eingangsgrößen a; b; c entsprechend der Schalttabelle in die gefundene Schaltgleichung eingesetzt, nimmt die Ausgangsgröße y die Werte der Schalttabelle an. Beachtet werden muss, dass die Eingänge negiert berücksichtigt werden müssen damit im Ergebnis die Schaltfunktion wieder erfüllt wird. Wird die Gleichung weiter umgeformt, ergeben sich alle möglichen Blöcke des KV-Diagramms. .a _ c/ ^ .a _ b/ D y Œ.a _ c/ ^ a _ Œ.a _ c/ ^ b D y a^a_a^c _a^b_b^c D y a^c _a^b_b^c D y Das bearbeitete Beispiel war so ausgewählt, dass die abhängige Schaltgröße je 4-mal „0“-Wert und je 4-mal „1“-Wert hatte. Im Allgemeinen wird die abhängige variable Schaltgröße seltener einen „1“-Wert haben, was zur Verwendung der disjunktiven Normalform der Verknüpfungsgleichung führt. Grundsätzlich wird man die Form wählen, welche zu einer überschaubaren Verknüpfungsgleichung führt. 7 Beispiel Anwendung der Gesetze von de Morgan Gegeben sei folgende Verknüpfungsgleichung: .a ^ b/ _ .a ^ b/ _ .a _ b/ ^ .a ^ b/ D y Lösung: Wendet man die Gesetze von de Morgan auf den letzten Term der Gleichung an, so ergibt sich: a^b Da_b

1473 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

Einsetzen in die Gleichung ergibt:

1 Entstehung des Speicherverhaltens

.a ^ b/ _ .a ^ b/ _ .a _ b/ ^ .a _ b/ D y Umformen der durch UND verknüpften Terme mittels des Distributivgesetzes ergibt: .a ^ b/ _ .a ^ b/ _ .a ^ a/ _ .a ^ b/ _ .b ^ a/ _ .b ^ b/ D y Die Terme .a ^ a/ sowie .b ^ b/ ergeben 0 (Gesetz des komplementären Elements) und können entfallen, da sie keine Schaltfunktion haben; .a ^ b/ _ .a ^ b/ führt entsprechend dem Gesetz der Idempotenz zu .a ^ b/. Dies führt zu folgender Schaltungsvereinfachung: .a ^ b/ _ .a ^ b/ _ .a ^ b/ _ .a ^ b/ D y .a ^ b/ _ .a ^ b/ _ .a ^ b/ D y .a ^ .b _ b// _ .a ^ b/ D y a _ .a ^ b/ D y .a _ a/ ^ .a _ b/ D y a_b Dy 9

70.9

Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

Zur Steuerung von Programmabläufen sind neben den logischen Grundverknüpfungen weitere Funktionen (= Anweisungen) bedeutsam. In diesem Kapitel werden einige aufgeführt. Die Speicherprogrammierbaren Steuerungen erlauben durch immer bessere Prozessoren eine weitere Annäherung zur Informatik. Über offene Steuerungen wird angestrebt, mittels höherer Programmiersprachen auch durch den Nutzer den Funktionsumfang zu erweitern. Neben den hier aufgeführten Funktionen existiert daher eine Vielzahl weiterer. Der Umfang der zur Verfügung stehenden Funktionen ist von Steuerung zu Steuerung unterschiedlich. Im Abschnitt Speicherprogrammierbare Steuerungen werden für den Programmablauf bedeutsame noch näher erläutert. An dieser Stelle werden Funktionen beschrieben, die auch mit mechanischen oder fluidischen Steuerungen umsetzbar sind.

Speicher haben die Aufgabe, Informationen bis auf Widerruf zu speichern. Ein binärer Speicher kann zwei Schaltzustände annehmen: Er ist gesetzt, d. h. er hat einen inneren Zustand „log 1“ oder er ist rückgesetzt, d. h. er hat den inneren Zustand „log 0“. Während bei kontinuierlich wirkenden Steuerschaltungen der Wert der Ausgangssignale nur von der augenblicklichen Kombination der Eingangssignale abhängt, ist bei Steuerungen mit Speichern der Zustand der Ausgänge zusätzlich abhängig vom inneren Zustand der Speicher. Soll beispielsweise ein Gerät (A) dauerhaft durch ein kurzes Tippen auf einen Taster EIN (S) eingeschaltet und durch ein kurzes Tippen auf einen Taster AUS (R) ausgeschaltet werden, kann der Wert des Ausgangssignals nicht mehr nur durch die Kombination der Eingangswerte angegeben werden. Es ist zusätzlich zu beachten, welchen inneren Zustand (Q) der Speicher hat. An dieser Stelle wird das Beispiel aus 7 Abschn. 70.5 für Verknüpfungssteuerungen mit Speicherverhalten aufgegriffen. Vereinfacht wird dieses Beispiel entsprechend . Abb. 70.66 durch den Wegfall des Schalters S0 zur Überwachung der Anlage. Die Pumpe soll eingeschaltet werden, wenn der Sensor B2 (D EIN (S)) mit einem „1“-Signal reagiert hat und ausgeschaltet, wenn der Sensor B1 (D AUS (R)) mit einem „0“-Signal reagiert. Hierbei soll das Setzen dominant sein, d. h. liefert B2 ein „1“-Signal und gleichzeitig B1 ein „0“-Signal, ist der Motor weiterhin anzusteuern. Für den Fall, dass sowohl B2 als auch B1 ein „0“-Signal besitzen, ist der vorhergehende Zustand wichtig: Ist der Behälter beim Befüllen, d. h. der Motor wurde zuletzt zurückgesetzt (ausgeschaltet), so bleibt er zurückgesetzt (ausgeschaltet). Ist der Behälter beim Entleeren, d. h. der Motor wurde zuletzt gesetzt (eingeschaltet), so bleibt er gesetzt (eingeschaltet). Die Schalttabelle ergibt sich gemäß . Tab. 70.19. Die Zeilen vier und fünf werden durch die festgelegte Dominanz (Anschalten dominant) bestimmt und die Zeilen

. Tabelle 70.19 Schalttabelle Setzen – Rücksetzen – vorrangiges Setzen Eingänge

70.9.1

Speicherfunktionen

Wenn ein Startsignal auf den Eingang einer digitalen Steuereinrichtung gegeben wird, dann geschieht dies oft in Form eines kurzen Impulses. Der Zustand „log 1“ ist nur für die kurze Betätigungszeit eines Signalgebers vorhanden. Soll ein Signal für längere Zeit gespeichert werden, so ist eine Steuerung mit Speicherfähigkeit erforderlich. Beispiele sind hierfür das Betätigen von Tastern sowie Signale von binären Sensoren, die beim Verlassen des Schaltabstandes wieder verloren gehen.

Ausgang

S/B2

R/B1

Q/M1V

M1

Nr. der Zeile

0

0

0

0

0

0

0

1

0

1

0

1

0

0

2

0

1

1

1

3

1

0

0

1

4

1

0

1

1

5

1

1

0

1

6

1

1

1

1

7

70

1474

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

S: B2 = 1, EIN (Setzen) R: B1 = 0, AUS (Rücksetzen) Q: Innerer Zustand des Speichers (Q = 1: Motor an, Q = 0: Motor aus) M: Stellglied (Motor) am Gerät (= Ausgang) Festlegung der Dominanz: Reagieren S und R gleichzeitig, soll das Ausgangssignal M „1“-Wert haben. . Abb. 70.66 Beispiel Speicherverhalten

. Abb. 70.67 Karnaugh-VeitchDiagramm

1 Vorrangiges Setzen

zwei und drei durch den vorhergehenden Zustand (Motor an ! bleibt an (entleert), Motor aus ! bleibt aus (befüllt)). Anhand der Schalttabelle lässt sich über die disjunktive Normalform folgende Schaltfunktion ableiten: .B2 ^ B1 ^ M1V / _ .B2 ^ B1 ^ M1V / _ .B2 ^ B1 ^ M1V / _ .B2 ^ B1 ^ M1V / _ .B2 ^ B1 ^ M1V / D M1 dargestellt mittels des Setzeingangs, des Rücksetzeingangs und des vorhergehenden Zustands: .S ^ R ^ Q/ _ .S ^ R ^ Q/ _ .S ^ R ^ Q/ _ .S ^ R ^ Q/ _ .S ^ R ^ Q/ D M1 Für die Vereinfachung der Schaltfunktion wird wieder das Karnaugh-Veitch-Diagramm (siehe . Abb. 70.67) genutzt: Für die vereinfachte Schaltfunktion folgt daraus: S _ .R ^ Q/ D M1

In der Aufgabenstellung war formuliert, dass ein Rücksetzen erfolgen soll, wenn B1 einen „0“-Wert besitzt. In der resultierenden Schaltfunktion wird jedoch B1 bzw. R mit dem Wert „1“ abgefragt. Das ergibt sich aus der inneren Struktur des Bausteins „Vorrangiges Setzen“. Die entstandene Schaltfunktion spiegelt die innere Struktur dieses Bausteins wider, da die Aufgabe ein dominantes Setzen verlangte. Intern wird der negierte Wert des Rücksetzeinganges abgefragt. Eine doppelte Negation des R-Eingangs erfolgt somit und führt zum RS-Baustein (vorrangiges Setzen), wie . Abb. 70.69 zeigt. Das Zeitdiagramm entsprechend . Abb. 70.71 veranschaulicht die generelle Funktionsweise des RS-Bausteins. Es ist ersichtlich, dass ein kurzzeitiges Signal am Setzeingang den Ausgang so lange auf den Wert „1“ setzt, bis ein Signal am Rücksetzeingang diesen wieder auf „0“ zurücksetzt. Solange ein „1“-Signal aber am Setzeingang anliegt, wird ein „1“-Wert am Rücksetzeingang nicht aktiv. Für die Umwandlung des Funktionsplans für die Motoransteuerung aus 7 Abschn. 70.5 in eine RS-Schaltfunktion muss auf die Rechenregeln der Schaltalgebra zurückgegriffen werden. Die Schaltfunktion, die zur Schaltfunktion am Rücksetzeingang führt, lautet: S0 ^ B1 ^ M1. Wie bereits erwähnt, wird intern die Schaltfunktion des Rücksetzeingangs negiert. Somit ist folgende Umformung erforderlich: S0 ^ B1 ^ M1 D S0 ^ B1 ^ M1 D .S0 _ B1/ ^ M1

Die Darstellung in Funktionsbausteinsprache bzw. als Die Ansteuerung des Motors würde damit mit Hilfe der RSFunktionsplan (siehe . Abb. 70.68) veranschaulicht die Schaltfunktion entsprechend . Abb. 70.70 programmiert. Schaltfunktion genauer. 1 Vorrangiges Rücksetzen Neben der Speicherfunktion für vorrangiges Setzen gibt es auch die Funktion des vorrangigen Rücksetzens (SRSchaltfunktion). In diesem Fall ist für gleichzeitiges Betätigen des Setz- und des Rücksetzeingangs der Rücksetzbefehl aktiv. Im Folgenden werden beispielhaft eine Schalttabelle mit: B2 D 1 ! Setzen, B1 D 1 ! Rück. Abb. 70.68 Funktionsplan

70

. Abb. 70.69 RS-Schaltfunktion und Schaltzeichen

1475 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.70 Funktionsplan und RS-Schaltfunktion für Motoransteuerung aus 7 Abschn. 70.5

. Abb. 70.71 Zeitdiagramm RS-Schaltfunktion (RS-Baustein)

setzen (. Tab. 70.20), die daraus abgeleitete Schaltfunktion (siehe . Abb. 70.72) sowie das Zeitdiagramm (siehe . Abb. 70.73) dargestellt. Die Zeilen sechs und sieben werden durch die festgelegte Dominanz (Ausschalten dominant) bestimmt und die Zeilen null und eins durch den vorhergehenden Zustand (Ausgang an ! bleibt an, Ausgang aus ! bleibt aus). Anhand der Schalttabelle lässt sich über die disjunktive Normalform folgende Schaltfunktion ableiten: .B2 ^ B1 ^ AV / _ .B2 ^ B1 ^ AV / _ .B2 ^ B1 ^ AV / D A Mittels des KV-Diagramms (siehe . Abb. 70.74) kann diese Schaltfunktion vereinfacht werden. Der SR-Speicher wird über den Setzeingang S auf den Signalzustand Q D 1 gesetzt. Rücksetzen erfolgt über den Rücksetzeingang R. Wenn gleichzeitig am Setz- und Rücksetzeingang ein Signal anliegt, dominiert das Signal am Rücksetzeingang (siehe . Abb. 70.73). Da ein Programm immer zyklisch abgearbeitet wird, hat der zuletzt gelesene

. Abb. 70.72 SR-Schaltfunktion und Schaltzeichen

. Abb. 70.73 Zeitdiagramm SR-Schaltfunktion (SR-Baustein)

Befehl Dominanz. Dies ist im Fall der SR-Schaltfunktion der Rücksetzeingang R und im Fall der RS-Schaltfunktion der Setzeingang S. Zur Erarbeitung von Verknüpfungssteuerungen mit Speicherbedingungen ist es häufig nicht zielführend die Schaltfunktion über die Schalttabelle zu erarbeiten. Es kann hilfreich sein, die Zusammenhänge über eine Tabelle herauszuarbeiten. Diese enthält die mittels Speicher anzusteuernde Ausgänge oder Hilfsspeicher und die Setz- und Rücksetzbedingungen. Diese müssen für die zu programmierende Endfassung auch Verriegelungsbedingungen enthalten, die aus dem Betriebsartenteil oder aus der Funktion der Steuerungsaufgabe abgeleitet werden können. Für die Motoransteuerung aus 7 Abschn. 70.5 ergibt sich . Tab. 70.21.

. Tabelle 70.20 Schalttabelle Setzen – Rücksetzen – vorrangiges 1 Verriegelung von Speichern Rücksetzen Eingänge

Ausgang

Werden für die Umsetzung von Steuerungsanweisungen Speicherfunktionen genutzt, so kommt es häufig vor, dass Verriegelungen berücksichtigt werden müssen. Verriegelung bedeutet, dass die Übertragung eines Signals, das Wirksamwerden eines Elements oder die Ausführung eines Befehls (DIN IEC 60050-351 7-2013) durch ein Signal, das

S/B2

R/B1

Q/AV

A

Nr. der Zeile

0

0

0

0

0

0

0

1

1

1

0

1

0

0

2

0

1

1

0

3

1

0

0

1

4

1

0

1

1

5

Zu betätigende Speicherglieder (z. B. Ausgänge)

Variablen für das Setzen

Variablen für das Rücksetzen

1

1

0

0

6

M1

S0 ^ B2

S0 _ B2

1

1

1

0

7

weitere Speicherglieder . . .

. Tabelle 70.21 Setz- und Rücksetztabelle

70

1476

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.74 KV-Diagramm und vereinfachte Schaltfunktion

. Abb. 70.75 Gegenseitige Verriegelung ohne direkte Umschaltung

Verriegelungssignal blockiert wird. Dabei werden zwei Ar-1 a) Verriegelung ohne direkte Umschaltung ten unterschieden: (siehe . Abb. 70.75) 4 Gegenseitiges Verriegeln (z. B. Verhinderung der di- Die Befehle für den Rechts- bzw. Linkslauf werden über rekten Umschaltung eines Motors vom Rechts- in den den Rücksetzeingang der SR-Speicher M1.0 und M2.0 verLinkslauf) oder riegelt. Das Abfragen des jeweils anderen Ausgangs am 4 Reihenfolgeverriegelung (z. B. Verriegelung eines Fol- Rücksetzeingang führt dazu, dass wenn ein Ausgang gegeschrittes in einer Ablaufsteuerung). setzt ist, der andere nicht mehr gesetzt werden kann. Die Umschaltung in die entgegengesetzte Drehrichtung kann Die Verriegelung kann jeweils sowohl über den Setz- als nur erfolgen, wenn zuerst der Taster Halt (S3) gedrückt auch den Rücksetzeingang erfolgen. wurde. Die Abfrage dieses Tasters erfolgt aus SicherheitsIn der Regel werden SR-Speicherfunktionen eingesetzt. gründen drahtbruchsicher, d. h. als Öffner. Die gleichzeitige Die Reihenfolgeverriegelung der Ablaufsteuerungen erBetätigung der Taster für den Rechts- und den Linkslauf folgt über den Setzeingang. Ein nachfolgender Schritt kann innerhalb eines Zyklus führt aufgrund der Abarbeitungsreiin diesem Fall nur gesetzt werden, wenn der vorhergehende henfolge der Anweisungen dazu, dass in unserem Beispiel gesetzt ist. der Linkslauf aktiviert werden würde, da dieses Netzwerk vor der Ansteuerung des Rechtslaufs ausgewertet wird. 7 Beispiel Motorschaltung Dies ist aber nur der Fall, wenn nicht zuvor schon ein AusDie Verriegelung der Drehrichtungsumkehr eines Motors vom gang angesteuert war. Rechts- in den Linkslauf soll am Beispiel der Speicherverrie1 b) Verriegelung mit direkter Umschaltung gelung dargestellt werden. Lösung: Zuordnungstabelle:

70

Betriebsmittel

Symbol

Adresse

Taster Linkslauf Ein (Schließer)

S1

E0.1

Taster Rechtslauf Ein (Schließer)

S2

E0.2

Taster Halt (Öffner)

S3

E0.3

Schütz Linkslauf

K1

A1.1

Schütz Rechtslauf

K2

A1.2

9

(siehe . Abb. 70.76) In diesem Beispiel ist eine direkte Umschaltung vom Rechts- in den Linkslauf und umgekehrt möglich. Rechtsbzw. Linkslauf kann durch ein Signal auf den Setzeingang geschaltet werden. Bei gleichzeitiger Betätigung der Taster S1 und S2 verhindert die zusätzliche Abfrage über den Rücksetzeingang des jeweils anderen Speichers das Setzen eines Speichers, der Motor bleibt im Stillstand. Würden beide Tasten nicht innerhalb eines Zyklus losgelassen werden, erfolgt das Setzen der Drehrichtung, dessen Taster mit „1“ ausgewertet wird während der andere bereits eine „0“

1477 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.76 Gegenseitige Verriegelung mit direkter Umschaltung

liefert. Soll direkt vom Rechtslauf in den Linkslauf geschaltet werden, ist dies möglich durch den Rücksetzbefehl von E0.1 auf den zweiten Speicher und den gleichzeitigen Setzbefehl auf den ersten Speicher. Können die Tasten gleichzeitig betätigt werden, ist die Ansteuerung auf diese Art sehr unsicher. 1 Verriegelung der Reihenfolge des Setzens von Speichern

1 Elektrische und pneumatische Signalspeicherung

Eine solche Verriegelung ist erforderlich, wenn die Speicher zur Ansteuerung von Stellelementen nur in einer festgelegten Reihenfolge gesetzt werden dürfen. Die Festlegung kann durch die Abfrage des zuvor gesetzten Speichers über den Setzeingang oder den Rücksetzeingang des Folgespeichers erreicht werden. In . Abb. 70.77 wird ein Anwenderprogramm für eine Reihenfolgenverriegelung über den Setzeingang gezeigt. Wenn beide Ausgänge aktiv waren, kann im Anschluss der Ausgang A1.2 auch allein

. Abb. 70.77 Reihenfolgeverriegelung über den Setzeingang

aktiv (D “1“) sein, da Ausgang A1.1 unabhängig zurückgesetzt werden kann. Ist dies nicht gewünscht, so ist eine Verriegelung über den Rücksetzeingang erforderlich, wodurch mit dem Rücksetzen von A1.1 gleichzeitig auch A1.2 zurückgesetzt wird (durch Abfrage von: A1:1 am Rücksetzeingang von A1.2).

Eine Signalspeicherung ist auch durch geeignete mechanische Befehlsgeber möglich, z. B. mechanische Stellschalter oder Ventile mit einer Raste (siehe . Abb. 70.78 links). Sollen Schaltbefehle an leistungsstarken Anlagen oder Maschinen gespeichert werden, verwendet man in der Elektrotechnik eine Signalspeicherung durch Selbsthaltung. Das Einschalten eines Stromkreises erfolgt durch einen Schließerkontakt, das Ausschalten erfolgt durch einen Öffnerkontakt. Haltbefehle müssen Vorrang vor zugeordneten Startbefehlen haben. Wird der Taster S2 betätigt (Eingabesignal b D 1), dann ist der Stromweg zum Relais K1 geschlossen (y D 1). Direkt nach Betätigung des Tasters S2 fließt Strom durch die Relaisspule. Die Spule erzeugt ein Magnetfeld. Dadurch wird der Anker vom Kern angezogen. Gleichzeitig

. Abb. 70.78 Elektrische Signalspeicherung

70

1478

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.79 Pneumatische Signalspeicherung

70

wechselt der Nebenkontakt aus der Ruhelage und schließt den Stromweg 2 zur Relaisspule. Nach dem Loslassen des Tasters S2 bleibt die Relaisspule über diesen Nebenkontakt erregt und „hält“ sich selbst an Spannung (Selbsthaltung). Die Selbsthaltung oder Signalspeicherung kann nur durch Unterbrechung des die Stromversorgung sichernden Stromweges aufgehoben werden. Hierzu dient ein Öffner. Wird der Taster S1 betätigt, wird die Relaisspule stromlos und der Nebenkontakt fällt durch die Federkraft der Rückstellfeder ab. Informationstechnisch ist der Speicher rückgesetzt oder gelöscht (vgl. . Abb. 70.78). Betrachtet man die Funktion dieser Selbsthaltung bei gleichzeitiger Betätigung beider Taster, so erkennt man, dass im mittleren Schaltplan in . Abb. 70.78 der Vorrang des Rücksetzbefehls erfüllt ist. Durch Öffnen von S1 wird das Relais (K1) nicht vom Strom durchflossen und kann keinen Schaltvorgang über weitere Nebenkontakte im Arbeitsstromkreis auslösen. Im rechten Schaltplan in . Abb. 70.78 ist der Vorrang des Setzbefehls erfüllt. Solange S2 betätigt ist wird das Relais (K1) vom Strom durchflossen und kann Nebenkontakte schließen. Nur das alleinige Betätigen von S1 verhindert dies. Die pneumatische Selbsthaltung ist der elektrischen Selbsthaltung nachempfunden (siehe . Abb. 70.79). Zwei 3/2-Wegeventile sind in Reihe geschaltet. 1S1 ist in der Ruhestellung gesperrt (Schließer); das Ventil 1S2 hat in Ruhestellung Durchlass (Öffner). Nach Betätigung des Ventils 1S1 wird die Druckluft freigegeben, fließt durch das Ventil 1S2 und schaltet das Ventil 1V2 dauerhaft in die Schaltstellung a. Das Wechselventil 1V1 verhindert eine direkte Beaufschlagung der Arbeitsleitung 2 mit Druckluft. Nachdem das Signalglied (Ventil 1S1) wieder in Sperrstellung

ist, fließt die Luft aus der Arbeitsleitung über das Wechselventil 1V1 zum Steueranschluss 12 und hält das Stellglied dauerhaft in Schaltstellung a. Das Wechselventil verhindert das Abfließen der Druckluft über das Ventil 1S1. Die Selbsthaltung wird durch Betätigung des Ventils 1S2 unterbrochen. Sobald die Luftzufuhr aus der Arbeitsleitung abfällt, schiebt die Rückstellfeder am Stellglied 1V2 das Ventil zurück in die Sperrstellung b. Bei gleichzeitiger Betätigung der Signalventile dominiert das Ventil 1S2 mit der Öffnerfunktion. In der Praxis ist es eher üblich pneumatische Wegeventile mit Haftverhalten als Signalspeicher zu verwenden. Solche Ventile werden durch Druckluftimpulse gesteuert und verharren in der jeweiligen Schaltstellung. . Abb. 70.79 zeigt ein 5/2-Wegeimpulsventil mit einer dominierenden Schaltstellung b. Die Dominanz dieser Schaltstellung erreicht man durch unterschiedliche Querschnitte an den Anschlüssen des Steuerschiebers. Abgeleitet aus der allgemeinen Druckgleichung p D F=A ergibt sich an der Stelle des größten Querschnitts eine größere Kraft zum Verschieben des Steuerschiebers im Ventil: F D p  A.

70.9.2

Flankenauswertung

Die Signale der Taster, Schalter und Sensoren wirken auf die SPS-Eingänge statisch, d. h. sie liefern dauerhaft entsprechend ihrer Stellung ein Signal. Ein weiteres Signal, z. B. zum Setzen kann erst wirksam werden, nachdem das noch wirksame, dominierende Signal abgefallen ist. Auch für die Abfrage von Zeitfunktionen ist das bedeutsam. Er-

1479 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.80 Erkennen einer positiven Flanke (Funktionsplan, Schaltzeichen und Zeitdiagramm)

. Abb. 70.81 Erkennen einer negativen Flanke (Funktionsplan, Schaltzeichen und Zeitdiagramm)

folgt die Abfrage des binären Zeitsignals auf den Wert „0“, so ist die Bedingung auch erfüllt, wenn die Zeitfunktion nicht aktiviert wurde. Dies könnte verhindert werden, wenn der Wechsel des Signals von „1“ auf „0“ abgefragt werden würde. Um dies zu realisieren, bieten die SPS-Hersteller spezielle Funktionsbausteine zur Flankenerkennung an. Eine Flanke entsteht immer dann, wenn sich der Signalzustand eines Signalgebers verändert: 4 Eine positive Flanke entsteht bei einem Signalwechsel 0–1 4 Eine negative Flanke entsteht bei einem Signalwechsel 1 – 0. Um einen einmaligen Impuls auszulösen, muss eine bereits erfolgte Auswertung des anliegenden Signals (S) bzw. des Verknüpfungsergebnisses (VKE) in einem vorhergehenden Zyklus gespeichert werden. Das erfolgt über den Flankenmerker (FM). Wechselt das Signal in . Abb. 70.80 links am Eingang S von „0“ auf „1“ so ist die UND-Verknüpfung erfüllt. Der Impulsmerker (IM) erhält ein „1“-Signal und gleichzeitig wird der SR-Speicher gesetzt. Somit kann im folgenden Zyklus bei einer erneuten Abfrage die UNDVerknüpfung nicht erfüllt sein, da der Flankenmerker ein „1“-Signal besitzt und die negierte Abfrage für die UNDVerknüpfung ein „0“-Signal liefert. Erst durch einen Wechsel des Signalzustandes am Eingang S wieder auf „0“ und somit ein Rücksetzen des Speichers kann nach einer erneuten positiven Flanke am Impulsmerker ein „1“-Signal erzeugt werden. Der Impulsmerker besitzt somit nur für einen Zyklus (siehe Arbeitsweise der SPS, 7 Abschn. 72.1.2) ein „1“-Signal (vgl. auch Zeitdiagramm . Abb. 70.80). Wenn die Impulsauswertung im weiteren Programm ausgewertet werden soll (z. B. in Ablaufsteuerungen zum Herstellen der

Grundstellung über einen Richtimpuls D Impulsmerker), so sind Operanden zum Abspeichern erforderlich. Das können Merker (D interne Zwischenspeicher der Steuerung), Datenbits in Datenbausteinen, temporäre oder statische lokale Boole’sche Variablen sein. Analog kann die Auswertung einer negativen Flanke entsprechend . Abb. 70.81 erfolgen. In elektrischen verbindungsprogrammierten Steuerungen wird eine Flankenauswertung durch Kurzzeitschaltglieder oder Wischkontakte umgesetzt.

70.9.3

Zeitfunktionen

Ein häufiges Problem innerhalb einer binären Grundverknüpfung ist die Realisierung von Zeitverzögerungen. Programmierbare Zeitfunktionen haben die Aufgabe, zwischen einem Eingangssignal und dem Ausgangssignal des Zeitglieds eine bestimmte zeitlogische Beziehung herzustellen. Zeitliche Verzögerungen sind erforderlich, wenn z. B. 4 ein Eingangsimpuls zeitlich verzögert an einen Ausgang gegeben werden soll, 4 die Ansprechzeit für eine Ventilspule eine bestimmte Impulslänge erfordert, 4 bestimmte Taktimpulse erzeugt werden müssen oder 4 ein Verbraucher nach einer bestimmten Zeit abgeschaltet werden soll. Entsprechend der Norm DIN EN 61131-3 gibt es die Zeitfunktionen: 4 Impulserzeugung bzw. Impulsbildung (TP), 4 Einschaltverzögerung (TON) und 4 Ausschaltverzögerung (TOF).

70

1480

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.82 Struktur IEC-Zeitfunktion

. Abb. 70.83 Struktur STEP 7 – Zeitfunktion

. Abb. 70.82 zeigt die Darstellung der IEC-Zeitfunktionen in Funktionsbausteinsprache und die Zuordnung der Ein- und Ausgänge, gezeigt am Beispiel der Impulserzeugung (TP). Die Zeit startet mit einer positiven Flanke am Eingang IN. Am Eingang PT wird die gewünschte Zeitdauer angegeben. Der momentane Zeitwert kann am Ausgang ET abgefragt werden. Der Boole’sche Ausgang Q besitzt nur die zwei Zustände „log 1“ D Zeitfunktion aktiv oder „log 0“ D Zeitfunktion nicht aktiv. Die Auswertung dieses Ausgangs wird häufig für Entscheidungen in Programmabläufe verwendet. In STEP 7 werden fünf weitere Zeitfunktionen angeboten, die sich zum Teil in ihrer Funktionsweise mit den IEC-Zeitfunktionen überschneiden (siehe . Tab. 70.22), wobei die STEP 7-Funktionen entsprechend . Abb. 70.83 jeweils einen Ein- und einen Ausgang mehr besitzen. Durch den Rücksetzeingang kann die Zeitfunktion jederzeit gestoppt werden und somit mit Ausnahme der Ausschaltverzögerung nicht zur Wirkung kommen. Wie die einzelnen Zeitfunktionen arbeiten sind der Kurzbe-

. Tabelle 70.22 Zeitfunktionen

70

Funktion

Bezeichnung STEP 7 DIN EN 61131-3

Impuls

SI bzw. S_IMPULS

Verlängerter Impuls

SV bzw. S_VIMP

Einschaltverzögerung

SE bzw. S_EVERZ

Speichernde Einschaltverzögerung

SS bzw. S_SEVERZ

Ausschaltverzögerung

SA bzw. S_AVERZ

Zeitgeber

TON (Time On)

TOF (Time Off) TP (Time Puls)

schreibung und den Zeitdiagrammen (. Abb. 70.84) zu entnehmen. Der Zeitoperand wird mit Tx (x D 0 bis 15 je nach Prozessor) bezeichnet und kann als binärer Operand abgefragt werden. Die Zeitfunktionen starten jeweils mit einer positiven Flanke (Wechsel von 0!1) am Starteingang (S). Die Zeit als Impuls (SI) besitzt während der programmierten Laufzeit den Signalzustand „1“ am Ausgang Q. Der Signalzustand „0“ wird erreicht, wenn: a) die Zeit abgelaufen ist, b) am Eingang (S) Signalzustand „0“ anliegt oder c) durch eine positive Flanke am Rücksetzeingang (R) die Zeitfunktion zurückgesetzt wurde. Die Zeitfunktion Zeit als verlängerter Impuls (SV) hat unabhängig von der Länge des Eingangssignals (S) am Ausgang (Q) den Signalzustand „1“ über die programmierte Laufzeit. Bei einer weiteren positiven Flanke (Nachtriggerung) startet die Zeit erneut (im Unterschied zur Zeitfunktion SI). Somit kann am Ausgang (Q) ein Dauersignal erzeugt werden. Der Signalzustand „0“ stellt sich ein, wenn: a) die Zeit abgelaufen ist oder b) durch eine positive Flanke am Rücksetzeingang (R) die Zeitfunktion zurückgesetzt wurde. Die Zeitfunktion Einschaltverzögerung (SE) besitzt erst nach Ablauf der programmierten Laufzeit am Ausgang (Q) den Signalzustand „1“. Die Zeitfunktion besitzt wieder den Signalzustand „0“, wenn: a) am Eingang (S) kein „1“-Signal mehr anliegt, b) durch positive Flanke am Rücksetzeingang (R) Zeitfunktion zurückgesetzt wurde.

1481 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.84 STEP 7-Zeitfunktionen

Wird der Eingang (S) vor Ablauf der programmierten Laufzeit wieder auf „0“ gesetzt, folgt am Ausgang (Q) kein Signal „1“, die Aktivierung der Zeitfunktion wird am Ausgang nicht erkannt. Die Zeitfunktion Speichernde Einschaltverzögerung (SS) besitzt unabhängig vom Signalzustand am Setzeingang (S) nach Ablauf der programmierten Laufzeit am Ausgang (Q) den Signalzustand „1“, d. h. wird vor Beendigung der Laufzeit der Eingang (S) wieder auf den Wert „0“ gesetzt, folgt am Ausgang (Q) im Unterschied zur Einschaltverzögerung (SE) trotzdem nach der definierten Zeit

ein „1“-Signal. Am Ausgang (Q) kann nur durch eine positive Flanke am Rücksetzeingang (R) wieder ein „0“-Signal erreicht werden. Zur erneuten Auswertung einer positiven Flanke am Setzeingang (S) ist folglich zwingend ein Rücksetzen erforderlich. Das ist die einzige Zeitfunktion bei der ein Rücksetzen notwendig ist. Die Zeitfunktion Ausschaltverzögerung (SA) wertet nicht nur die positive Flanke aus, sondern reagiert generell auf ein „1“-Signal am Setzeingang (S), d. h. ist während der positiven Flanke der Rücksetzeingang (R) auf „log 1“, so erhält der Ausgang (Q) erst ein „1“-Signal wenn Setz-

70

1482

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.85 Speicherung Zeitwert im Akkumulator

eingang (S) noch „log 1“ und Rücksetzeingang (R) wieder „log 0“. Bei allen anderen Zeitfunktionen würde der gleichzeitig mit der positiven Flanke am Setzeingang (S) aktive Rücksetzeingang die Aktivierung der Zeitfunktion verhindern. Die Ausschaltverzögerung besitzt am Ausgang (Q) um die programmierte Laufzeit verlängert den Signalzustand „1“ nach Wechsel am Eingang (S) auf das „0“-Signal. Die Ausschaltverzögerung erhält am Ausgang (Q) wieder den Signalzustand „0“, wenn: a) die programmierte Zeit abgelaufen ist oder b) durch eine positive Flanke am Rücksetzeingang (R) die Zeitfunktion zurückgesetzt wird.

7 Beispiel Zweihandverriegelung Der Kolben einer Presse darf nur dann einen Arbeitshub ausführen, wenn zwei Signalgeber (S1, S2) innerhalb eines Zeitintervalls von 0,2 Sekunden betätigt werden. Werden beide Taster innerhalb des Zeitintervalls betätigt, wird der Ausgang A1.0 geschaltet. Lösung: Zuordnungstabelle: Betriebsmittel

Symbol

Operand

Datentyp

Taster Start (Schließer)

S1

E0.1

BOOL

Taster Start (Schließer)

S2

E0.2

BOOL

Durch erneute Impulse am Setzeingang (S) mit einem ZeitMagnetspule am Ventil M1 A1.0 BOOL abstand, der kleiner als die programmierte Laufzeit ist, kann ein Dauersignal am Ausgang (Q) erzeugt werden. Das Rücksetzen der aktiven Zeitfunktion über den RückDie Symboltabelle bzw. Zuordnungstabelle ordnet den absosetzeingang (R) bewirkt gleichfalls ein Rücksetzen des luten Adressen (z. B. E0.1) symbolische Bezeichnungen (S1) Restwertes der Zeit an den Ausgängen DUAL und DEZ. und den Datentyp zu. Die Angabe eines Kommentars ist opDie Zeitdauer kann über eine Konstante oder einen tional. Datentypen legen die Eigenschaften von Daten fest und variablen Operanden vorgegeben werden. Es ist dabei zu zeigt wie der Wert einer Variablen oder Konstanten im Anbeachten, wie die Speicherung im Akkumulator erfolgt. wenderprogramm verwendet werden soll. Der Datentyp Bool In STEP 7 zum Beispiel wird die Zeitdauer mittels eikann die Werte True oder False bzw. „1“ oder „0“ annehner 16 Bit-Darstellung ausgeführt. Diese ist entsprechend men. 9 . Abb. 70.85 gegliedert in Zeitfaktor und Zeitbasis. Die Zeitbasis gibt an, in welcher Größenordnung der Zeitfaktor angegeben wird. Der Zeitfaktor ist im BCD-Code darge-1 Zweihandverriegelung [FC1] stellt, wodurch er maximal den Wert 999 annehmen kann. In . Abb. 70.86 ist die Programmierung in FunktionsbauSomit ist ein Zeitwert von maximal 9990 s möglich. steinsprache für die Zweihandverriegelung abgebildet. Die Die Kenntnis der Abspeicherung ist wichtig für die Laufzeit des Timers T1 wird durch den zuerst erkannten Darstellung des Zeitwertes als Konstante. Nach folgender Impuls am Eingang E0.1 oder E0.2 gestartet. Der Merker Syntax wird diese eingegeben: M1.1 am Ausgang Q hat für 0,2 s ein „1“-Signal. Wenn innerhalb vom 200 ms beide Eingänge 1-Signal haben, ist S5T#aHbbMccSdddMS die UND-Verknüpfung (Netzwerk 2) zur Ansteuerung des (a, b, c, d geben die Anzahl der Stellen und H, M, S sowie Ausgangs A1.0 erfüllt. Nach Ablauf der Impulszeit von 200 ms fällt der Merker M1.1 ab. Die UND-Verknüpfung MS die jeweilige Einheit an) Die Angabe S5T#1H22M45S250MS würde folglich wird nun durch das alternativ abgefragte Signal von A1.0 bedeuten: 1 Stunden, 22 Minuten, 45 Sekunden und 250 erfüllt (Selbsthaltung analog Speicherfunktionen).

70

Millisekunden und einen Wert von 4965,250 s ergeben. Zur Abspeicherung ist somit das Zeitraster 10 s erforderlich. Der Wert von 5 s und 250 ms würde nicht berücksichtigt werden können. Abgespeichert wird: Zeitbasis 3 und Zeitfaktor 496.

7 Beispiel Blinktaktgeber Eine Signalleuchte (P1) soll mit einer Frequenz von 1 Hz nach Betätigung eines Tasters (Ein) blinken. Der Blinker wird durch den Taster (Aus) ausgeschaltet.

1483 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.86 Programmierung Zweihandverriegelung

1 Blinktaktgeber [FC1]

Lösung: Zuordnungstabelle: Betriebsmittel

Symbol

Operand

Datentyp

Kommentar

Taster Aus (Schließer)

Aus

E0.2

BOOL

Abschalten Signalleuchte

Taster Ein (Schließer)

Ein

E0.1

BOOL

Einschalten Signalleuchte

Lampe (1 D an)

Sig P1

A1.1

BOOL

Signalleuchte

. Abb. 70.87 Programmierung Blinktaktgeber

9

In . Abb. 70.87 ist ein mögliches Programm in Funktionsbausteinsprache für eine Impuls- und Pausenzeit von jeweils 500 ms abgebildet. Einige Steuerungen stellen zur Erzeugung eines periodischen Signals Taktmerker zur Verfügung. Das sind Merker, deren Signalzustand sich mit einem Impuls-Pausenverhältnis von 1 : 1 periodisch ändert. In STEP 7 nutzt man hierfür ein Byte, dessen Adressierung der Nutzer bei der Parametrierung der Steuerung vornehmen kann. Die einzelnen Bits verändern ihren Signalzustand in festgelegten Frequenzen (Bit 0: 10 Hz . . . Bit 7: 0,5 Hz).

70

1484

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.88 Programmierung Türsteuerung

7 Beispiel Türsteuerung Das Öffnen einer Durchgangstür soll nach Durchschreiten von mindestens einer von zwei Lichtschranken (B1, B2) automatisch erfolgen. Voraussetzung für das Öffnen ist die zugeschaltete Druckluft (Meldung durch den Drucksensor B3) als Energieversorgung für den Pneumatikzylinder, der als Antrieb zum Öffnen der Tür dient. Das Schließen der Tür erfolgt automatisch nach 20 Sekunden. Das Programm zur Ansteuerung der Tür ist in . Abb. 70.88 zu sehen. Lösung: Betriebsmittel

Symbol

Operand

Datentyp

Drucksensor

DruckS_B3 E0.3

BOOL

Lichtschranke 1

LS_B1

E0.1

BOOL

Lichtschranke 2

LS_B2

E0.2

BOOL

Spule

Spule M1

A1.0

BOOL

Kommentar

Spule am Magnetventil

9

1 Türsteuerung [FC1] (. Abb. 70.88

Neben den hier aufgeführten Zeitfunktionen verfügen Steuerungen auch über eine Uhrzeitfunktion, die z. B. für Uhrzeitalarme und für einen Zeitstempel bei bestimmten Ereignissen wichtig sein kann. 1 Zeitelemente in verbindungsprogrammierten Steuerungen

70

In verbindungsprogrammierten Steuerungen werden für Zeitfunktionen Zeitrelais und geeignete Ventile entsprechend . Abb. 70.89 und 70.90 verwendet. Zeitrelais haben die Aufgabe, nach Ablauf einer vorher eingestellten Zeit einen oder mehrere Nebenkontakte zu betätigen. Bei einem Relais mit Anzugsverzögerung (. Abb. 70.89, links) beginnt der Zeitablauf mit dem Schließen eines Tasters. Elektrisch wird die zeitliche Verzögerung durch RC-Glieder bewirkt. Sobald der Taster S1 betätigt

wird, fließt über den einstellbaren Widerstand R1 der Strom zum Kondensator C. Die parallel geschaltete Diode sperrt. Der Kondensator wird aufgeladen. Der Widerstand R2 verhindert nach dem Schließen des Tasters einen Kurzschluss. Beim Aufladen des Kondensators steigt die Spannung am Relais K1 langsam an. Ist die Schaltspannung erreicht, schaltet K1. Die Anzugsverzögerung wird am Widerstand R1 eingestellt. Ein großer Widerstand bedeutet eine große Verzögerungszeit. Bei einem kleineren Widerstand fließt ein größerer Strom, was eine geringere Verzögerungszeit zur Folge hat. Sobald das Signal des Tasters abfällt, entlädt sich der Kondensator über die Diode R und den Widerstand R2 sehr schnell. Bei einem Relais mit Abfallverzögerung (. Abb. 70.89, rechts) beginnt der Zeitablauf mit dem Öffnen des Tasters. Nach Betätigung von S1 fließt der Strom über die in Durchlassrichtung geschaltete Diode zum Kondensator und zum Relais. Das Relais schaltet unmittelbar. Nach dem Spannungsabfall durch das Loslassen des Tasters entlädt sich der Kondensator über die in Reihe liegenden Widerstände und über die Spule des Relais K1. Ist R1 groß eingestellt, so fließt dort nur ein kleiner Strom. Für die Spule am Relais ist dann noch ein ausreichender Teilstrom vorhanden. Der Anker am Relais fällt verzögert ab und mit ihm die Kontakte. In pneumatischen Ventilen (. Abb. 70.90) wird eine Verzögerungszeit durch Drossel und Luftspeicher erreicht. Die zeitliche Verzögerung wird durch eine Drossel eingestellt. Sie verlangsamt den Druckaufbau im Speicher oder verzögert den Druckabfall im Speicher. Das 3/2-Wegeventil schaltet in Durchlassstellung (a), wenn der aufgebrachte Luftdruck größer ist als die Federkraft (Anzugsverzögerung). Fällt das Steuersignal (12) ab, kann die Steuerluft sehr schnell über das Sperrventil (Rückschlagventil) abfließen. Die Kombination aus Drossel und Sperrventil wird als Drosselrückschlagventil bezeichnet. Bei der Abfallverzögerung wird das Ventil unmittelbar über die parallele Leitung zur Drossel in Durchlassstellung geschaltet. Das Umschalten des Ventils in die Sperrstellung (b) verzögert sich durch den verlangsamten Abfluss der Luft aus dem Luftspeicher über die Drossel. Der Bypass ist durch das Sperrventil verschlossen.

1485 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.89 Zeitrelais

. Abb. 70.90 Ventile mit Zeitelementen

70.9.4

Zähler

den wird in Aufwärts-, Abwärts- sowie Auf- und Abwärtszähler. . Tab. 70.23 zeigt die Bedeutung und den Datentyp der einzelnen Ein- und Ausgänge.

Zähler dienen in Verbindung mit einer SPS u. a. zur Erfassung von Stückzahlen, Flüssigkeitsmengen, Mengendifferenzen und Gewichten. Dabei werden die einer Teilmenge entsprechenden Impulse einem Zähler zugeführt, der die1 a) Einrichtungszähler Summe der eintreffenden Impulse bildet. Der Zählerstand Die Funktionsweise der Zähler aus STEP 7 und der Norm entspricht dann der erfassten Menge. In Speicherprogram- sind etwas verschieden. Einrichtungszähler beginnen als mierbaren Steuerungen können Zähler in unterschiedlicher Vorwärtszähler die Zählung bei null. Wenn der programmierte Grenzwert erreicht ist, gibt der Zählerausgang Q Art realisiert werden. 4 Funktionsbausteine bzw. Funktionen, können je Zy- das Signal „0“. Rückwärtszähler zählen von einem prokluszeit nur einen Vorwärts- und einen Rückwärtszähl- grammierten Zählerstand nach null. Durch einen Wechsel des Signalzustands am Setzeingang S werden Zähler geimpuls auswerten. 4 Arithmetische Zähler – durch Additions- und Subtrak- setzt. Zähler setzen heißt, der Zählerwert ZW bzw. der tionsbefehle können intern mehrere Impulse pro Zyklus Grenzwert PV wird übernommen und auf den Anfangswert vor- und zurückgezählt werden, externe Impulse auch gesetzt. Wechselt der Signalzustand am Eingang Rückwärtszählen ZR (bzw. CD) (positive Flanke von 0 nach nur jeweils einer pro Zyklus. 4 Hardwarezählerbaugruppen, können zyklusunabhän- 1), dann wird der Zählerstand um 1 verringert, solangig Zählimpulse erfassen, besitzen baugruppenspezifi- ge die untere Zählergrenze bzw. null noch nicht erreicht ist. Ein Zählen mit negativem Zählwert findet für die sche Zählfrequenz. STEP 7-Funktionen nicht statt. Der Ausgang Q schaltet Die in . Abb. 70.91 aufgeführten Zähler sind den Funk- auf „0“-Signal, sobald der Istwert den Zählerstand null tionsbausteinen bzw. Funktionen zuzuordnen. Unterschie- annimmt. Die STEP 7-Zählfunktionen besitzen am Aus-

70

1486

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

. Tabelle 70.23 Ein- und Ausgänge der Zählfunktionen

70

Name

Datentyp

Beschreibung

ZV/CU

BOOL

Zählen vorwärts bei positiver Flanke

ZR/CD

BOOL

Zählen rückwärts bei positiver Flanke

S/Load

BOOL

Setzeingang (bei positiver Flanke setzt Zähler auf ZW bzw. PV)

ZW

WORD

Vorgabe des Zählerwertes

R/ReSet

BOOL

Rücksetzeingang (bei positiver Flanke Zähler auf 0)

DUAL

WORD

Aktueller Zählwert dual codiert

DEZ

WORD

Aktueller Zählwert als Dezimalzahl (BCD-codiert)

Q

BOOL

Zählerstatus Auf- und Abwärtszähler: Zählerwert D 0 ! Q D “log 0“; Zählerwert > 0 ! Q D “log 1“ Einrichtungszähler: Zählerwert D 0 oder Grenzwert erreicht ! Q D “log 0“ sonst Q D “log 1“

CV

INT

Aktueller Zählwert

PV

INT

Grenzwert

QD

BOOL

Null erreicht

QU

BOOL

Grenzwert erreicht

. Abb. 70.91 Zählfunktionen

1487 70.9  Grundlegende Funktionen der Steuerungstechnik

. Abb. 70.92 Funktion zur Magazinüberwachung

gang Q nur ein „0“-Signal wenn der Zähler den Zählwert1 b) Auf- und Abwärtszähler null besitzt. Der aktuelle Zählerwert steht an den Ausgän- Auf- und Abwärtszähler werden häufig genutzt, wenn bei gen DUAL (dual codiert) oder DEZ im BCD-Format zur Pufferstationen ein- und ausgehende Teile erfasst werden Verfügung. Der Dualwert entspricht einer positiven Zahl oder zur Überwachung der ein- und ausfahrenden Fahrzeuim Datenformat INT (= ganze Zahlen) und kann somit ge bei Parkhäusern. Die Wirkungsweise dieser Funktion als solche weiterverarbeitet werden. Über den Rücksetz- entspricht der Kombination aus den Einrichtungszählern. eingang R wird der Zählwert auf null gesetzt; ein stänDie Vorgabe des Zählwertes in STEP 7 kann über die diges „1“-Signal auf R hält den Zählerwert auf null. Der Eingabe eines konstanten Wertes (z. B. Wert 100 über: Zählbereich ist steuerungs- und funktionsabhängig (z. B.: C#100 oder W#16#0100) aber auch über Variablen erfolSTEP 7: von 0 bis 999, CTU: 0 bis 32.767, CTD: 32:768 gen. bis 32.767).

70

1488

Kapitel 70  Grundlagen der Steuerungstechnik

Bausteins FC1 wird der Wert des Zählers (MW10) mit dem Maximalwert (MAX) verglichen. Ist der Wert größer/gleich dem Maximalwert, so hat der Ausgang ein „1“-Signal. Im Netzwerk 2 erfolgt der Vergleich zum Minimalwert. Ist der Term erfüllt, so hat auch hier der Ausgang ein „1“-Signal. 7 Beispiel Magazinüberwachung (. Abb. 70.93)

. Abb. 70.93 Technologieschema der Magazinüberwachung

. Abb. 70.94 Aufruf der Funktion „Magazinüberwachung“ im Organisationsbaustein 1 (OB1)

Für das Verständnis des Beispiels muss auf die Ausführungen zu den Speicherprogrammierbaren Steuerungen (7 Kap. 72) verwiesen werden. Nicht ausführlich erklärt werden in diesem Buch die Funktion >D Int und < Int. Es sind Vergleichsoperationen, in diesem Fall von ganzen Zahlen (da „Int“, IN1 Vergleich IN2). Im Netzwerk 2 des

70

. Abb. 70.95 Variablentabelle zur Magazinüberwachung

Die eingehenden Teile werden durch eine Lichtschranke (B1) erfasst und über den Eingang E0.1 auf den Zählereingang ZV (Vorwärtszählen) gegeben. Werden Teile entnommen, so wird dies durch die Lichtschranke (B2) erkannt und über den Eingang E0.2 der SPS auf den Zählereingang ZR (Rückwärtszählen) gegeben. Voreingestellt wird der Zähler durch ein Signal auf den Setzeingang (S) des Zählers (E0.3); dabei wird der vorgegebene Zahlenwert, hier 10, übernommen. Durch ein Signal auf den Rücksetzeingang (R) kann der Zähler auf null gesetzt werden (E0.4). Solange eine „1“ auf den Rücksetzeingang wirkt, kann weder gezählt noch kann der Zähler gesetzt werden. Wenn weniger als fünf Teile im Magazin sind, wird dies durch ein optisches Signal (P3) angezeigt; wird der Sollwert erreicht, soll dies durch die Signalleuchte P2 anzeigt werden. Sobald der Zähler gesetzt wird, leuchtet die Signalleuchte P1. Lösung: Die Lokalvariablen zur Zählersteuerung werden in der Variablendeklarationstabelle deklariert und im Anwenderprogramm verarbeitet. Sie sind nur in der Funktion FC1 gültig. Nach dem Aufruf der Funktion im Organisationsbausteine OB1 werden sie parametriert: Den Variablen werden absolute Adressen bzw. Zahlenwerte zugeordnet. 9

Die . Abb. 70.92 zeigt die Funktion (FC1) zur Umsetzung der Steuerung mit Deklarationstabelle und Anweisungen. Der Aufruf der Funktion im Organisationsbaustein mit Zuordnung der Parameter wird in . Abb. 70.94 dargestellt. In den Variablentabellen (siehe . Abb. 70.95) können den Parametern bzw. Adressen Namen (Symbole) zugeordnet werden, die zu einer besseren Übersichtlichkeit beitragen.

1489

Verbindungsprogrammierte Steuerung Petra Linke

Verbindungsprogrammierte Steuerungen werden eingesetzt, wenn die Anzahl der Verknüpfungsfunktionen gering ist oder spezifische Funktionen es erfordern. Nachteilig gegenüber Speicherprogrammierbaren Steuerungen sind die geringere Flexibilität, ein geringerer Funktionsumfang und die Tatsache, dass sich analoge oder digitale Daten praktisch nicht verarbeiten lassen. 71.1

Verknüpfungssteuerungen für Linearbewegungen

Verknüpfungssteuerungen ordnen, wie bereits in Abschn. 70.5 erläutert, den Zuständen der Eingangssignale durch Verknüpfungsfunktionen bestimmte Zustände der Ausgangssignale zu. Die Signalverarbeitung erfolgt asynchron, also durch Änderung der Eingangssignale. Trotz der Dominanz der SPS in der Automatisierungstechnik werden aus didaktischen Gründen exemplarisch einige verbindungsprogrammierte Steuerungen aus der Fluidtechnik besprochen. Sie sind einfach und übersichtlich, lassen sich leicht prüfen, sind robust und haben eine hohe Zuverlässigkeit. Die Schnittstelle zur Ansteuerung der pneumatischen und hydraulischen Arbeitselemente ist in diesem Fall immer ein Wegeventil, das mit Spulen zur Ansteuerung durch elektrische Signale ausgerüstet ist. Diese Wegeventile, die auch bei der Steuerung mit einer SPS als Stellelemente erforderlich sind, dienen als energetische Wandler. Pneumatische oder hydraulische Zylinder wandeln pneumatische oder hydraulische Energie in mechanische Energie und können dadurch die Lage oder den Zustand von Arbeits- und Handhabungsgeräten beeinflussen. Elektrisch können geradlinige Bewegungen durch Linearmotoren erzeugt werden. Beim Linearmotor bewirkt ein magnetisches Wanderfeld eine Kraft und bewegt je nach technischer Ausführung den Induktor oder den Anker in linearer Richtung des Feldes. Linearmotoren werden verwendet für Förderbänder, den Werkstofftransport oder für Schnellbahnen. 1 a) Steuerung eines einfach wirkenden Zylinders

Steuerung ohne Signalspeicherung: Einfach wirkende Zylinder werden nur von einer Seite mit Druckluft beauf-

schlagt und verrichten nur beim Vorhub Arbeit. Der Rückhub erfolgt durch eine eingebaute Rückstellfeder. Diese Rückstellfeder bewirkt eine verringerte Kraft des Kolbens beim Ausfahren. Als Stellelement wird ein 3/2-Wegeventil benötigt (siehe . Abb. 71.1). 7 Beispiel Prüfstation (. Abb. 71.2) Der Kolben des einfach wirkenden Zylinders soll immer dann ausfahren, wenn die Anordnung der Nocken an der Geberscheibe durch drei induktive Sensoren (a, b, c) als richtig erkannt wird, d. h. der Sensor B3 und mindestens einer der Sensoren B1 und B2 ein „1“-Signal geben und ein Handtaster (d) betätigt wird. Für die Signalkombinationen zum Ausfahren des Kolbens liegt ein KV-Diagramm vor. Die verwendeten Bauelemente sowie ihre Bezeichnung und Aufgabe sind in . Tab. 71.1 aufgelistet. Lösung: Aus dem KV-Diagramm ist die Verknüpfungsgleichung für das Ausfahren des Kolbens abzulesen. Die disjunktive Normalform ergibt sich aus den mit „1“ belegten Feldern. Sie lautet: a ^ b ^ c ^ d _ a ^ b ^ c ^ d _ a ^ b ^ c ^ d D 1 D y: Diese Gleichung lässt sich mit Hilfe des KV-Diagramms vereinfachen. Symmetrische Felder die mit einer „1“ belegt sind werden zusammengefasst. Die sich ändernde Variable wird eliminiert. Die Felder 07 und 15 liegen symmetrisch zu einer Spiegellinie und die Variable a ändert sich. Sie kann entfallen: a _ a D 1. Die beiden verbleibenden Terme werden zusammengefasst: b ^ c ^ d D 1. Die Felder 15 und 11 liegen ebenfalls symmetrisch zueinander. Beim Übergang von einem Feld zum anderen ändert sich die Variable b, sie entfällt ebenfalls. Es bleibt: a ^ c ^ d D 1. Die beiden verbleibenden Terme werden zusammengefasst und vereinfacht. Es ergibt sich: b^c^d _a^c^d D1 Dy c ^ d ^ .a _ b/ D 1 D y Für diese Gleichung soll der Schaltplan einer verbindungsprogrammierten Steuerung entwickelt werden, bestehend aus einem Pneumatik- und einem Stromlaufplan. 9

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_71

71

1490

Kapitel 71  Verbindungsprogrammierte Steuerung

. Abb. 71.1 Einfach wirkender Zylinder und 3/2-Wegeventil (Festo Didactic GmbH & Co.)

. Abb. 71.2 Signalzuordnung und KV-Diagramm

. Tabelle 71.1 Liste der verwendeten Bauelemente

71

Pneumatische Bauelemente

Bez.

Aufgabe

Einfach wirkender Zylinder

1A1

Arbeitselement

Schnellentlüftungsventil

1V2

Schnelle Zylinderentlüftung

3/2-Wegeventil mit Spule und Federrückstellung

1V1, M1

Stellglied

3/2-Wegeventil, handbetätigt mit Raste

0V1

Pneumatisches Hauptventil

Aufbereitungseinheit

0Z1

Luftaufbereitung

Elektrische Bauelemente

Bez.

Aufgabe

Handtaster mit Schließkontakt

S1 (d)

Signalgeber (Start)

Induktiver Sensor

B1 (a)

Identifizierung der Gebernocken

Induktiver Sensor

B2 (b)

Identifizierung der Gebernocken

Induktiver Sensor

B3 (c)

Identifizierung der Gebernocken

Relais

K1, K2, K3

Signalverarbeitung

1491 71.1  Verknüpfungssteuerungen für Linearbewegungen

. Abb. 71.3 Elektropneumatischer Schaltplan

Die Variablen aus der Verknüpfungsgleichung werden den Signalgebern, also den Sensoren und dem Taster zugeordnet. Die Gleichung sieht dann folgendermaßen aus: B3 ^ S1 ^ .B1 _ B2/ D 1 D y Die Realisierung mittels einer elektropneumatischen Schaltung zeigt . Abb. 71.3. Der Pneumatikplan beinhaltet keine signalgebenden und -verknüpfenden Bauelemente. Als Stellelement für den einfach wirkenden Zylinder enthält der Schaltplan das 3/2-Wegeventil, welches durch ein elektrisches Stellsignal über die Spule M1 aus der Schaltstellung b in die Schaltstellung a geschaltet wird. Der einströmende Luftstrom bewirkt das Ausfahren des Kolbens gegen die Federkraft der Rückstellfeder im Zylinder. Das Schnellentlüftungsventil 1V2 ermöglicht eine direkte Entlüftung des Zylinders beim Rückhub des Kolbens. Dazu ist es möglichst nah am Zylinder anzubringen. Wird der Anschluss 1 drucklos, schaltet der am Anschluss 2 anstehende Druck beim Entlüftungsvorgang das Ventil derart, dass die Entlüftung 3 geöffnet und 1 gesperrt wird. Das handbetätigte 3/2-Wegeventil 0V1 dient zur Freigabe der Druckluft für das pneumatisch betriebene Arbeitselement. Die jeweilige Schaltstellung wird durch die Raste am Betätigungsknopf beibehalten. Die Aufbereitungseinheit 0Z1 besteht aus einem Luftfilter, dem Druckregler mit Druckanzeige und einem Druckluftöler. Der Filter entfernt mitgeführte feste und flüssige Verunreinigungen aus der Luft. Der Regler soll Druckschwankungen, die aus veränderlichen Schubkräften oder Drehzahlen herrühren, ausgleichen. Der Öler sorgt für eine Minimierung der Reibung und des Verschleißes an allen beweglichen Teilen in den pneumatischen Bauelementen, die im Luftstrom liegen. Der Stromlaufplan enthält die verwendeten elektrischen Bauelemente im unbetätigten Zustand. Die drei induktiven

Sensoren sind passive Sensoren. Sie müssen an Spannung gelegt werden. Die Schließkontakte des Handtasters S1 werden durch Muskelkraft geschlossen. Die induktiven Sensoren arbeiten berührungslos. Wenn die Sensoren an Spannung gelegt werden, bauen sie ein elektromagnetisches Feld auf. Eine Störung des Feldes durch einen metallischen Gegenstand (Gebernocken) führt zu einem Signal an die nachgeschalteten Relais. Die Nebenkontakte der Relais sind in den Stromwegen 7 und 8 angeordnet. Die Spule M1 am 3/2-Wegeventil 1V1 wird erregt, wenn die Nebenkontakte K1 oder K2 und der Nebenkontakt K3 und der Kontakt von S1 geschlossen werden. Das Ventil 1V1 wird in die Durchlassstellung a geschaltet und der Kolben fährt aus. Diese Ansteuerung der Spule wird als direkte Ansteuerung bezeichnet. Sobald jedoch einer der in Reihe geschalteten Nebenkontakte abfällt, wird die Spule stromlos. Das Stellglied 1V1 wird durch die Rückstellfeder wieder in die Sperrstellung b geschoben. Der Druck im Zylinder fällt ab, die Feder schiebt den Kolben zurück und entlüftet ihn über das Schnellentlüftungsventil. Soll die Spule dauerhaft an Spannung liegen, bedarf es einer Signalspeicherung (siehe . Abb. 71.4). Steuerung mit Signalspeicherung: Speichern bedeutet eine Information bis auf Widerruf zur Verfügung zu haben. Die Information Zylinder ausfahren wird, wie oben dargestellt, von den Sensoren und dem Handtaster gegeben. Diese Information muss durch eine elektrische Selbsthaltung gespeichert werden, damit der Kolben bis auf Widerruf ausfährt. Der Widerruf ist die Unterbrechung der Selbsthaltung durch das Signal eines weiteren Tasters (S2), in diesem Fall mit einem Öffnerkontakt. Der Schaltplan aus . Abb. 71.3 ist durch das Relais K4 und den zweiten Taster (S2) erweitert worden (siehe . Abb. 71.4). Das zusätzliche Relais übernimmt die Spei-

71

1492

Kapitel 71  Verbindungsprogrammierte Steuerung

. Abb. 71.4 Stromlaufplan mit Signalspeicherung

Stromlaufplan: 1

+

2

3

4

5

7

6

8

9

3 B1

B2

S1

B3

K3

13 K2 14

A1

A1 K2

A2

A2

13 14 1

S2

K4

A2

24

2

A1

A1 K3

K4 14

13 14

K1

23

13 K4

4

K1

10

M1

A2

– S Ö 7

S Ö 8

S Ö 7

S Ö 9 10

cherfunktion. Sind die Nebenkontakte der Relais K3 sowie durch den Taster S2 der Öffnerkontakt im Stromweg 9 K1 und/oder K2 geschlossen und der Taster S1 betätigt, unterbrochen wird. Das Relais K4 liegt nicht mehr an Spandann wird das Relais K4 erregt und schließt den Neben- nung und beide Nebenkontakte fallen ab. Das Ventil 1V1 kontakt im Stromweg 9. Fällt nun einer der Nebenkontakte wird durch die Feder in die Schaltstellung b zurück gestellt bzw. das Signal von S1 ab, dann hält das Relais K4 sich und der Kolben fährt ein. selbst durch den ersten Nebenkontakt an Spannung. Der zweite Nebenkontakt von K4 liegt im Stromweg 10. Er1 b) Steuerung doppelt wirkender Zylinder (. Abb. 71.5) hält die Spule M1 an Spannung, solange die Selbsthaltung besteht. Dies wird als eine indirekte Ansteuerung der Doppelt wirkende Pneumatikzylinder werden zum AusSpule bezeichnet. Der Kolben des Zylinders 1A1 kann in und Einfahren der Kolbenstange wechselseitig mit Druckdie vordere Endlage ausfahren, entsprechend der Verknüp- luft beaufschlagt. Es ist zu beachten, dass die Rückzugsfungsfunktion. Das Einfahren des Kolbens erfolgt, wenn kraft geringer ist als die Kraft beim Vorhub. Die Kolbenflä-

71 . Abb. 71.5 Doppelt wirkender Zylinder und 5/2-Wegeventil (Festo Didactic GmbH & Co.)

1493 71.2  Ablaufsteuerung für Linearbewegungen

che für den Rückhub verringert sich um den Querschnitt der Kolbenstange. Die Dauer des Rückhubes verringert sich dadurch geringfügig. Ein hartes Anschlagen in den Endlagen wird durch eine Endlagendämpfung vermieden. Zur berührungslosen Betätigung von Signalgebern in den Endlagen werden in die Kolben Ringmagnete eingebaut, die mit ihrem Kraftfeld die am Zylinder befestigten Magnetschalter betätigen. Zur Steuerung benötigen doppelt wirkende Zylinder als Stellglieder 5/2-Wegeventile. Diese können je nach Aufgabenstellung als Impulsventile mit zwei Spulen oder mit einer Spule und Rückstellfeder ausgeführt werden. In der Hydraulik werden zur Steuerung von doppelt wirkenden Zylindern und Hydromotoren häufig 4/3-Wegeventile verwendet. Die mittlere Schaltstellung ist infolge der Federzentrierung die Ruhestellung. Je nach Ausführung der Durchflusswege kann diese Schaltstellung als Sperrstellung, Schwimm- oder Umlaufstellung ausgeführt werden. Die Sperrstellung ermöglicht eine Fixierung der jeweiligen Lage des Zylinders. Hydraulische Wegeventile werden neben der Richtungssteuerung für Antriebe auch für Verteilersteuerungen verwendet.

71.2

Ablaufsteuerung für Linearbewegungen

Ablaufsteuerungen sind Steuerungen mit zwangsläufig schrittweisem Ablauf (siehe auch Abschn. 70.5). Im nachfolgenden Lehrbeispiel wird exemplarisch eine Ablaufkette für zwei Zylinder entwickelt, die durch zwei unterschiedliche Stellglieder gesteuert werden. . Abb. 71.6 Funktionsdiagramm

7 Zeitabhängige Steuerung pneumatischer Zylinder Zwei doppelt wirkende Zylinder sollen nach dem Startimpuls des Tasters S1 ihre Arbeitsbewegungen zeit- und zustandsabhängig steuern. Der Kolben des Zylinders 1A1 löst in der vorderen Endlage durch einen Reed-Kontakt zwei Arbeitszyklen des Zylinders 2A1 aus. Der Vorhub soll langsam, der Rückhub sehr schnell erfolgen. Die Endlagen dieses Zylinders werden durch zwei Reed-Kontakte kontrolliert. Nach dem 2. Arbeitszyklus soll das Stellglied des Zylinders 1A1 zeitabhängig umgeschaltet werden und der Kolben wieder einfahren. Die Zeit für zwei Arbeitszyklen wird an einem Zeitrelais eingestellt. Ein erneuter Start der Arbeitsbewegungen soll erst möglich sein, wenn der Kolben des Zylinders 1A1 wieder eingefahren ist. . Abb. 71.6 zeigt das Funktionsdiagramm für diese Aufgabe und . Tab. 71.2 die Bezeichnung der Bauelemente und ihre Funktion. Lösung (siehe . Abb. 71.7): Das Stellglied 1V1 wird in die Schaltstellung a umgeschaltet, wenn der Kolben des Zylinders 1A1 eingefahren ist, der Öffnerkontakt des Zeitrelais K5 geschlossen ist und S1 betätigt wird. Die Nebenkontakte des Relais K1 schließen in den Stromwegen 2, 3 und 10. Durch die Selbsthaltung im 2. Stromweg bleibt das Ventil 1V1 gegen die Federkraft in der Schaltstellung a, die Speicherfunktion erfolgt im Stromlaufplan. Das Zeitrelais K5 liegt an Spannung und die eingestellte Verzögerungszeit läuft ab. In der vorderen Endlage betätigt der Kolben den Sensor B2. Nun liegt das Relais K3 an Spannung und M3 schaltet das Impulsventil 2V1 um. Die Ausfahrbewegung des Zylinders 2A1 erfolgt durch die einstellbare Drossel im Ventil 2V3 verzögert. Die Abluftdrosselung ermöglicht ein ruckfreies Ausfahren des Kolbens. In der vorderen Endlage betätigt der Kolben den

71

1494

Kapitel 71  Verbindungsprogrammierte Steuerung

. Abb. 71.7 Elektropneumatischer Schaltplan

71

Reed-Kontakt B4. Über das Relais K4 schaltet die Spule M4 des Stellglied 2V1 zurück in die Schaltstellung b; der Kolben fährt ein. Die Speicherfunktion für das Stellglied wird hier durch das 5/2-Wege-Magnetimpulsventil mechanisch erfüllt, da der Kolbenschieber im Ventilkörper Haftverhalten hat. Die erneute Betätigung von B3 ermöglicht über den geschlossenen Nebenkontakt von K2 ein erneutes Aus- und Einfahren des Zylinders 2A1. Kurz vor Erreichen der Endlage beim

2. Rückhub des Zylinders 2A1 muss die eingestellte Verzögerungszeit ablaufen und das Zeitrelais K5 über den Öffner den 1. Stromweg unterbrechen. Das Signal von B3 kann nun nicht mehr wirksam werden, da der Kolben des Zylinders 1A1 nach Unterbrechung der Selbsthaltung einfährt. Erst nach Betätigung von 1B1 kann durch den Taster S1 ein neuer Arbeitszyklus eingeleitet werden. Durch den Öffner S2 kann der Prozess jederzeit angehalten werden.

1495 71.2  Ablaufsteuerung für Linearbewegungen

. Tabelle 71.2 Liste der verwendeten Bauelemente Pneumatische Bauelemente

Bez.

Aufgabe

Doppelt wirkender Zylinder

1A1, 2A1

Arbeitselement

Drosselrückschlagventil

2V3

Geschwindigkeitssteuerung

Schnellentlüftungsventil

2V2

Direkte Entlüftung des Zylinders

5/2-Wege-Magnetventil mit Federrückstellung

1V1; M1

Stellglied

5/2-Wege-Magnetimpulsventil mit Handhilfsbetätigung

2V1; M3, M4

Stellglied

3/2-Wegeventil, handbetätigt mit Raste

0V1

Pneumatisches Hauptventil

Aufbereitungseinheit

0Z1

Luftaufbereitung

Elektrische Bauelemente

Bez.

Aufgabe

Grenztaster, rollenbetätigt

1B1

Endlagenerkennung

Magnetischer Näherungsschalter (Reed-Kontakt)

B2, B3, B4

Endlagenerkennung

Handtaster

S1

Signalgeber (Start)

Handtaster

S2

Signalgeber (Halt: Öffner)

Relais

K1–K4

Signalverarbeitung

Zeitrelais, anzugsverzögert

K5

Abschaltverzögerung

Beide Stellglieder können unabhängig von den Steuerimpulsen über die Handhilfsbetätigung betätigt werden. Handhilfsbetätigungen werden beim Einrichten von Anlagen oder bei der Funktionskontrolle des Ventils genutzt. Ist der Betriebsdruck in der Vorsteuerleitung zu gering zum Öffnen des Ventils, nutzt man externe Steueranschlüsse zum Öffnen des Vorsteuerventils. Für die Installation verbindungsprogrammierter Steuerungen sind Verdrahtungspläne erforderlich. Der Verdrahtungsplan dient als Unterlage für die Montage der Anlage. Er zeigt

die Verbindungsleitungen und Anschlussstellen der verwendeten Befehls- und Meldegeräte, der Verbraucher und deren Zuordnung zu den Anschlüssen an der Klemmenleiste. In einem zusätzlichen Klemmenplan ist die Zuordnung der Befehls- und Meldegeräte, der Verbraucher und der Relais zu den Anschlüssen der Klemmenleiste übersichtlich zusammengestellt. Die Klemmenleiste befindet sich im Schaltschrank. Alle Relaisanschlüsse der Schaltung werden als interne Anschlüsse bezeichnet. Die externen Anschlüsse kommen von den Befehls- und Meldegeräten und den Stellelementen. 9

71

1497

Speicherprogrammierbare Steuerungen Petra Linke

Entsprechend der DIN IEC 60050-351 7-2013 (Entwurf) ist eine Speicherprogrammierbare Steuerung als eine rechnergestützte programmierte Steuerung, deren logischer Ablauf über eine Programmiereinrichtung, zum Beispiel ein Bedienfeld, einen Hilfsrechner oder ein tragbares Terminal, veränderbar ist, definiert. Für eine Speicherprogrammierbare Steuerung wird somit ein Hardwaresystem benötigt, welches unter anderem die Verbindung zum Prozess und den weiteren Automatisierungseinrichtungen, die Programm- und Datenspeicherung sowie die Datenverarbeitung realisiert. Der zweite Bestandteil ist die Software, die zum einen als Betriebssystem den Zugriff auf die Hardware umsetzt und zum anderen die flexible Programmierung zur Verarbeitung der Signale für das Anwenderprogramm möglich macht. Speicherprogrammierbare Steuerungen weisen gegenüber verbindungsprogrammierten Steuerungen viele Vorteile auf, u. a.: 4 Programme können schnell und problemlos verändert und auf modifizierte Aufgaben zugeschnitten werden (hohe Flexibilität), 4 problemlose Speicherung der Programme, 4 großer Funktionsumfang einschließlich der Verarbeitung digitaler und analoger Daten, 4 geringe Betriebskosten und 4 Maßnahmen zur Fehlererkennung und -ortung sind programmierbar. Nachteilig sind ihre höhere Komplexität und der Einfluss systematischer Fehler in der Software. Zur Erstellung von Anwenderprogrammen sind Kenntnisse des Programmiersystems, der Programmiersprachen und des Automatisierungssystems erforderlich. 72.1

Aufbau und Funktionen einer SPS

Automatisierungsaufgaben können sowohl durch eine Hardware-SPS als auch eine PC-basierte Steuerung realisiert werden. Das Kapitel beschränkt sich in der Beschreibung auf die im Anlagen- und Maschinenbau vordergründig eingesetzte Hardware-SPS. Der Aufbau einer SPS lässt sich aus den Grundfunktionen, die das industrielle

Umfeld erfordern, ableiten. Aus Sicht des Anwenderprogrammierers gibt es einen Teil der Funktionen, die durch den Steuerungshersteller umgesetzt werden müssen und vom Programmierer nur am Rand genutzt werden. Das sind vor allem entsprechend . Abb. 72.1 die Funktionen der Stromversorgung, des Betriebssystems, der Speicherung und Teile der Schnittstellenfunktionen. Des Weiteren werden von den Steuerungsherstellern viele wiederkehrende Funktionen als Systemfunktionen dem Nutzer angeboten, so dass z. B. auch eine Regelung mit der SPS realisiert werden kann. Der angebotene Funktionsumfang ist mit ein Unterscheidungsmerkmal bei der Auswahl der Steuerung. Aufgabe der Signalverarbeitungsfunktionen ist es, entsprechend dem Anwenderprogramm die Signale von den Sensoren und den internen Datenspeichern zu verarbeiten und Signale zu erzeugen, die an die Aktoren und internen Speicher geleitet werden. Die Schnittstellenfunktionen dienen zum Datenaustausch mit dem Prozess, dem Bediener, dem Anwendungsprogrammierer und den anderen im Netzwerk verbundenen Systemen. Die Schnittstellenfunktionen zu Sensoren und Aktoren müssen die Eingangssignale und -daten in geeignete Signalpegel, die verarbeitet werden können, umwandeln (z. B. Analog-Digital-Wandlung) und die Ausgangssignale und -daten so aufbereiten, dass die Aktoren und Anzeigegeräte entsprechend angesteuert werden. Kommunikationsfunktionen dienen dem Datenaustausch mit anderen Systemen, wie z. B. andere SPS-Systeme, Roboter und Computer. Die Funktionen der MenschMaschine-Schnittstelle werden eingesetzt, dass der Bediener der Steuerung Informationen mitteilen und somit über die Signalverarbeitung den Prozess beeinflussen kann. In anderer Richtung erhält der Bediener Meldungen aus dem Prozess. Sowohl die Programmier- und Testfunktionen als auch die Funktionen der Anwenderprogrammierung können genutzt werden um ein SPS-Programm zu erstellen, das den Prozess entsprechend den Anforderungen steuert und überwacht. Die Funktionen der Stromversorgung stellen die Wandlung und die elektrische Trennung der Spannung des SPS-Systems von der Netzversorgung zur Verfügung. Sowohl die Bezeichnungen der Hardware als auch der Softwarebausteine sind von Hersteller zu Hersteller verschieden. Die folgenden Ausführungen sind sehr stark an die „STEP 7“-Terminologie angelehnt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_72

72

1498

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Abb. 72.1 Funktionale Grundstruktur eines SPS-Systems nach EN 61131-1:2003

. Abb. 72.2 Grundlegender Hardwareaufbau einer SPS

72.1.1

Hardwareaufbau

Entsprechend den Grundfunktionen besteht die einfachste SPS, wie . Abb. 72.2 zu entnehmen ist, aus einer Stromversorgungseinheit, einer Zentraleinheit (CPU) mit Speichern und Verarbeitungseinheit sowie Ein- und Ausgabeeinheiten bzw. Signaleinheiten. Für die Ein- und Ausgabeeinheiten werden unterschiedliche Baugruppen angeboten. Es existieren Baugruppen, die digitale oder analoge Signale aufnehmen, aber auch Funktionsbaugruppen, die bereits komplexe oder zeitkritische Prozesse bearbeiten können (z. B. Zählerbaugruppe) oder auch Kommunikationsbaugruppen, die die über Bussysteme oder WLAN gelieferten Daten aufbereiten. In diesen Baugruppen erfolgt die Entstörung, die Pegelumwandlung, die Codierung und die galvanische Trennung1 der Signale zum Schutz

72

1

Galvanische Trennung bedeutet, dass keine Verbindung zwischen zwei Stromkreisen besteht.

der CPU. Dem an den digitalen Eingängen anliegenden positiven oder höheren Potenzial wird der Signalzustand „1“ und dem Bezugs- oder Massepotenzial der Signalzustand „0“ zugeordnet. Ein offener Eingang oder ein Drahtbruch bedeutet ebenfalls Signalzustand „0“. Analoge Signale können nicht direkt verarbeitet werden. Analogbaugruppen nehmen die Signale auf und wandeln sie in digitale Signale um. Die Zentraleinheit kann über den PG/PC-Anschluss mit einem Programmiergerät (PG) bzw. PC zum Einlesen des Anwenderprogramms oder zur Fehlersuche verbunden werden. Der Netzanschluss dient der Verbindung der Steuerung an lokale oder zentrale Netzwerke. Das Kernstück der Steuerung, die Zentraleinheit ist weiter untergliedert in Lade-, System- und Arbeitsspeicher sowie das Steuerwerk. Das Steuerwerk führt die Abarbeitung der Steueranweisungen entsprechend der Reihenfolge der Anweisungen im Arbeitsspeicher (siehe auch 7 Abschn. 72.1.2) unter Einbindung des Systemspeichers durch. Wird ein Programm

1499 72.1  Aufbau und Funktionen einer SPS

aus dem Programmiergerät in die CPU geladen, so werden Codebausteine, Datenbausteine und Systemdaten in den Ladespeicher übertragen. In S7 Steuerungen befindet sich der Ladespeicher auf einer Micro Memory Card. Kommentare und Symbole werden nicht übernommen. In den Arbeitsspeicher werden nur ablaufrelevante Teile der Code- und Datenbausteine und der Systemdaten aus dem Ladespeicher weitergereicht. Der Systemspeicher enthält die Daten der Merker, Zeiten und Zähler, das Prozessabbild der Ein- und Ausgänge sowie Lokaldaten. Bei der Konfigurierung der Hardware können die Adressbereiche der Einund Ausgänge und die Bereiche von remanenten Merkern (behalten ihren Signalzustand beim Spannungsausfall) festgelegt werden. Neben den hier aufgeführten grundlegenden Einheiten der SPS existieren eine Vielzahl von weiteren Baugruppen, wie z. B. Bedieneinheiten oder auch Kommunikationsprozessoren.

72.1.2

Arbeitsweise einer SPS

In dem Anwenderprogramm wird festgelegt, welche Anweisungen durch die Steuerung ausgeführt werden sollen. Ein Programm ist eine nach den Regeln der verwendeten Sprache festgelegte syntaktische Einheit aus Anweisungen und Vereinbarungen, welche die zur Lösung einer Aufgabe notwendigen Elemente umfasst (DIN 19226). Die Anweisungen sind im Arbeitsspeicher hinterlegt und werden durch die Zentraleinheit angewählt. Ein Adresszähler gibt die Adresse an, in der die Steueranweisung abgelegt ist. Diese wird in das Steuerwerk der CPU übertragen und abgearbeitet. Anschließend wird der Adresszähler um 1 erhöht und die nächste Anweisung ausgewählt. Die Abarbeitung der Anweisungen erfolgt somit zyklisch. Jeder Zyklus (. Abb. 72.3) beginnt mit dem Einlesen der ak-

tuellen Signalzustände der Eingänge in das Prozessabbild und endet mit der Übergabe der aktuellen Zustände der Ausgänge aus dem Prozessabbild an die Ausgänge. Die dafür benötigte Zeit wird Zykluszeit genannt. Die Länge der Zykluszeit ist abhängig von der Anzahl und der Art der Anweisungen. Eine Bitoperation wie z. B. das UND kann ca. 0;06 *s dauern wohingegen eine arithmetische Operation wie z. B. die Addition zweier reeller Zahlen ca. 0;6 *s in Anspruch nimmt. Die benötigte Zykluszeit eines vollständigen Programmablaufs kann in der Steuerung abgefragt werden. Der zyklische Ablauf des Anwenderprogramms wird durch den Organisationsbaustein 1 über den Aufruf von Funktionsbausteinen oder Funktionen erreicht. Der Aufruf des Organisationsbausteins 1 erfolgt über das Betriebssystem. Neben dieser zyklischen Abfrage der Eingänge und Weitergabe der Ausgangssignale besteht die Möglichkeit, periodisch oder ereignisgesteuert den zyklischen Ablauf zu unterbrechen und Eingänge zu lesen, Ausgänge zu schreiben oder zeitkritische Anweisungen auszuführen. Dies wird durch weitere Organisationsbausteine organisiert. Um einen Echtzeitbetrieb zu erreichen, muss die Zykluszeit so kurz sein, dass die Änderung der Signalzustände an den Eingängen zu einer rechtzeitig Reaktion an den Ausgängen führt. Laut DIN IEC 60050-351 7-2013 (Entwurf) versteht man unter Echtzeitfähigkeit die Fähigkeit eines Prozessrechensystems, die Rechenprozesse ständig derart ablaufbereit zu halten, dass sie innerhalb eines vorgegebenen Zeitintervalls auf Ereignisse im Ablauf eines technischen Prozesses reagieren können. Ein Echtzeitbetrieb für die zyklische Abarbeitung wird erreicht, wenn die Zykluszeit addiert mit der jeweiligen Verzögerungszeit an den Ein- und Ausgängen kleiner ist als die halbe Periodendauer des Signals. Dies gilt für ein Impuls: PausenVerhältnis von 1 : 1. Für ein anderes Verhältnis muss die Zykluszeit kleiner sein als die kürzeste Dauer eines Signalzustandes.

72.1.3

. Abb. 72.3 Arbeitsweise einer SPS

Programmstruktur einer SPS

Zur Erstellung eines Anwenderprogramms stehen unterschiedliche Bausteintypen (D Programm-Organisationseinheiten) zur Verfügung. Die Norm EN 61131 unterscheidet in Programm (PROG), Funktionsblock (FB) und Funktion (FUN). Das Programm ist die oberste Organisationseinheit und hat die größte Funktionalität. In der S7-Steuerung ist es vergleichbar mit den Organisationsbausteinen (OB) als Hauptprogrammtyp. Diese legen die Struktur des Anwenderprogramms fest und sind die Schnittstellen zum Betriebssystem. Soll in einem Anwenderprogramm nur der zyklische Ablauf erfolgen, so ist nur der Organisationsbaustein 1 auszuwählen. Dieser Organisationsbaustein wird entsprechend . Abb. 72.4 durch das Betriebssystem immer wieder zyklisch aufgerufen. Er wie-

72

1500

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

Programmbausteine in STEP 7: 4 Organisationsbaustein (OB) – Schnittstelle zum Betriebssystem, 4 Funktionsbaustein (FB) mit zugeordnetem Instanz-Datenbaustein (DB), 4 Funktion (FC), 4 Systemfunktionsbaustein (SFB), 4 Systemfunktion (SFC). Datenbausteine in STEP 7: 4 Instanz-Datenbaustein (DB) 4 Global-Datenbaustein (DB).

. Abb. 72.4 Struktur Bausteinaufruf STEP 7

derum ruft die Funktionsbausteine (FB) und Funktionen (FC) auf, die die Anweisungen zur Steuerung des Prozesses enthalten, und übergibt die aktuellen Parameter der Variablen. In der Regel werden technologische Einheiten, die sich aus dem Prozess oder der Anlage ergeben, in Funktionsbausteine oder Funktionen gegliedert. Dabei ist es sinnvoll, die Bausteine so objektorientiert zu gestalten, dass sich wiederholende bzw. auch nur teilweise wiederholende Anweisungen mit ein und denselben Bausteinen umsetzen lassen. So gegliederte Programme ergeben folgende Vorteile: 4 umfangreiche Programme werden übersichtlicher, 4 einzelne Programmteile können standardisiert werden, 4 Änderungen lassen sich leichter durchführen, 4 der Programmtest wird vereinfacht, weil er abschnittsweise erfolgen kann. Der Einsatz von Funktionen ist ausreichend, wenn das Funktionsergebnis ausschließlich aus den Eingangssignalen ermittelt werden kann und somit keine interne Speicherfunktion erforderlich ist. „STEP 7“-Funktionen können mehrere Eingangs- und Ausgangsvariablen besitzen. In anderen Steuerungen ist es möglich, dass Funktionen unter dem Funktionsnamen nur ein Funktionsergebnis liefern (z. B. y D sin.x/). Den Funktionsbausteinen (FB) wird ein eigener Speicherbereich gleich beim Aufruf in Form eines Instanz-Datenbausteins zugeordnet. Sie kommen zum Einsatz, wenn eine bausteininterne Variable gespeichert werden muss. Dies erfolgt in dem zugeordneten Datenbaustein (Instanz-Datenbaustein (DB)). Die Daten stehen auch über mehrere Zyklen zur Verfügung. Neben den InstanzDatenbausteinen können auch globale Datenbausteine für das gesamte Projekt erstellt werden. Für einige immer wiederkehrende Funktionen stehen Systemfunktionen (SFC) und Systemfunktionsbausteine (SFB) zur Verfügung, die der Steuerungshersteller bereitstellt.

72

Neben dem Organisationsbaustein 1 stehen Organisationsbausteine für den Programmanlauf, die periodische Programmunterbrechung (Uhrzeitalarme oder Weckalarme) z. B. zum azyklischen Abfragen von Eingangssignalen und die ereignisorientierte Unterbrechung (Verzögerungsalarm oder Prozessalarm) zur Verfügung. Der Aufbau jedes Programmbausteins ist gleich. Er besteht aus Deklarationsteil und Anweisungsteil. Im Deklarationsteil werden die Variablen vereinbart und Schnittstellen zugeordnet. Unterschieden wird in: 4 Deklaration IN (Eingangsvariable(n), können innerhalb des Programmbausteins nur abgefragt werden), 4 Deklaration OUT (Ausgangsvariable(n), können innerhalb des Programmbausteins nur beschrieben werden), 4 Deklaration IN_OUT (Durchgangsvariable(n), können innerhalb des Programmbausteins abgefragt und beschrieben werden), 4 Deklaration STAT (interne Zustandsvariable(n), dient zum Abspeichern von Daten über einen Zyklus hinweg – stehen nur bei FB zur Verfügung), 4 Deklaration TEMP (dient zum temporären Zwischenspeichern von Ergebnissen innerhalb eines Zyklus und zur Datenübergabe zwischen den Programmbausteinen), 4 Deklaration RETURN (beinhaltet Rückgabewert einer Funktion – nur für FCs). Je nach Bausteintyp enthält der Deklarationsteil mehr oder weniger Angaben. Grundlegend enthalten sind: Art der Variablen (IN, OUT etc.), der Name, der Datentyp (BOOL, WORD etc.) und eine Kommentarspalte. In Funktionsbausteinen werden den Variablen automatisch die Adressen im zugeordneten Datenbaustein zugewiesen. Bei Aufruf des Bausteins durch ein Anwenderprogramm werden die im Deklarationsteil vereinbarten Formalparameter (IN, OUT, INOUT) mit Aktualparametern, z. B. E, A, MW, versehen (parametriert). Der Datentyp der Variablen hat einen bestimmenden Einfluss auf den möglichen Wertebereich der Daten und auf die zulässigen Operationen, die mit den Variablen durchgeführt werden können. Die Festlegung des Datentyps erfolgt durch Schlüsselwörter (Bit, Byte, Wort), die auch den

1501 72.1  Aufbau und Funktionen einer SPS

. Tabelle 72.1 Elementare Datentypen Datentyp

Größe

Schreibweise und Wertebereich

BOOL

1 Bit

False (0), True (1)

BYTE

8 Bit

(B#)16# 0 . . . FF

WORD

16 Bit

(W#)16# 0000 . . . FFFF

DWORD

32 Bit

(DW#)16# 0000_0000 . . . FFFF_FFFF

INT

16 Bit

32768 bis C32767

DINT

32 Bit

L#2147483648 bis C2147483647

REAL

32 Bit

Dezimalzahl oder Exponentialdarstellung

S5Time

16 Bit

S5T#0ms bis 9990s

TIME

32 Bit

TIME#24d20h31m bis +24d20h31m

Speicherplatz für die Variable im Anwenderprogramm festlegen. In . Tab. 72.1 sind wichtige elementare Datentypen zusammengestellt. Elementare Datentypen sind unveränderbar; die Obergrenze für die Speicherplatzgröße beträgt 32 Bit. Der Anweisungsteil enthält den Algorithmus, nach dem der Prozess/die Anlage zu steuern ist. Nach DIN IEC 60050-351 7-2013 (Entwurf) ist ein Algorithmus eine vollständig bestimmte endliche Folge von Anweisungen, nach denen die Werte der Ausgangsgrößen aus den Werten der Eingangsgrößen berechnet werden können. Eine Anweisung bzw. Steueranweisung ist die kleinste selbstständige Einheit eines Steuerprogramms. Sie stellt die Arbeitsanweisung für die Zentraleinheit dar (DIN 19226). 72.1.4

Grundlagen der Programmierung

Für die Programmierung einer Speicherprogrammierbaren Steuerung stehen unterschiedliche Fachsprachen zur Verfügung. Untergliedert können diese werden in grafische und textbasierte Sprachen (siehe . Abb. 72.5). Die durch die Steuerungshersteller angebotenen Programmiersprachen unterscheiden sich häufig geringfügig von der Norm. Auch das Angebot weiterer Programmiersprachen, wie z. B. Zustandsgraphen oder Programmierung in C oder C++ ist möglich. Die Programmierung mittels Anweisungsliste (AWL), Kontaktplan (KOP) und Funktionsbausteinsprache (FBS bzw. STEP 7: Funktionsplan (FUP)) erfolgt vorrangig für Verknüpfungssteuerungen. Die Ablaufsprache (AS) wurde speziell für die Ablaufsteuerungen entwickelt, oft werden hier auch Zustandsgraphen eingesetzt. Die Struktur der Ablaufsprache wurde bereits im 7 Abschn. 70.5 Steuerungsarten näher erläutert. Der Strukturierte Text (ST bzw. SCL) ist besonders komplexen Steuerungsaufgaben, wie

. Abb. 72.5 SPS-Programmiersprachen nach DIN EN 61131-3

z. B. Algorithmen, vorbehalten. Diese Sprache ist stark an die Programmiersprache Pascal angelehnt. Durch die immer offenere Gestaltung der Steuerungen finden die höheren Programmiersprachen wie Strukturierter Text, aber auch C bzw. C++ stärkere Verwendung. Die Funktionsbausteinsprache wurde in den bisherigen Beschreibungen verwendet und soll hier nicht weiter beschrieben werden. Die Anweisungsliste ist eine maschinennahe Programmiersprache und wird aufgrund einer immer höheren Komplexität der Aufgaben weiter in den Hintergrund gedrängt. Die Programmierung erfolgt durch eine zeilenweise Eingabe der Anweisungen. Marke Operator Operand Kommentar Beispiel: Ende: L EB1 //Laden von Eingangsbyte Marken sind nur erforderlich, wenn durch einen Sprungbefehl bei dieser Anweisung das Programm fortgesetzt werden soll. Folgt dem Operator ein Klammerausdruck, so wird das Verknüpfungsergebnis erst gebildet, wenn die Anweisungen in der Klammer ausgewertet sind. Das kann z. B. erforderlich sein, wenn eine ODER-Verknüpfung vor einer UND-Verknüpfung ausgeführt werden soll. . Tab. 72.2 enthält die Bezeichnungen der grundlegenden Funktionen der Anweisungsliste. Die Fachsprache Kontaktplan ist in der Struktur sehr an einen Schaltplan angelehnt und wie ein solcher, von links nach rechts, zu lesen. So ist das logische UND durch eine Reihenschaltung sowie das logische ODER durch eine Parallelschaltung darzustellen. Jeder Kontaktplan muss mit einer Zuweisung (Ausgang, Merker etc.), einem Funktionsoder Bausteinaufruf abgeschlossen werden. Neben den in der . Tab. 72.3 aufgeführten Anweisungen, können auch weitere, wie z. B. Zeitfunktionen, mit dem KOP programmiert werden. Die „STEP 7“-Ablaufprogrammiersprache GRAPH nutzt den KOP zur Beschreibung der Transitionen. In der Programmiersprache Strukturierter Text werden die Anweisungen zeilenweise aufgebaut, wobei auch meh-

72

1502

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Tabelle 72.2 Grundlegende Funktionen der Anweisungsliste Operatoren

Erklärung

Beispiel

L

lädt Operand als aktuelles Ergebnis

L EB1

T

transferiert aktuelles Ergebnis nach Operand

T MB11

JMP

Sprung zur Marke

JMP Ende

CALL

Bausteinaufruf

CALL FC1

U, (UN)

UND-Verknüpfung des (negierten) Operators

U E0.1

O, (ON)

ODER-Verknüpfung des (negierten) Operators

O E0.2

S

setzt Operand auf „1“, wenn Verknüpfungsergebnis D 1 ist

S A1.0

R

setzt Operand auf „0“, wenn Verknüpfungsergebnis D 1 ist

R A1.0

=

Zuweisung des Verknüpfungsergebnisses auf Operand

=A1.2

. Tabelle 72.3 Grundlegende Symbole des Kontaktplans Zeichen

Erklärung

Binärvariable

Schließerkontakt, Abfragen einer Variablen

Binärvariable

Öffnerkontakt, Abfragen der negierten Variablen

NOT Binärvariable

Negieren des links anliegenden Verknüpfungsergebnisses Positive Flanke der Binärvariablen abfragen (gekennzeichnet mit N: negative Flanke)

P Flankenmerker Binärvariable

Zuweisung des links anliegenden Verknüpfungsergebnisses an Binärvariable

Binärvariable

Zuweisung des negierten links anliegenden Verknüpfungsergebnisses an die Binärvariable

S

Ist links anliegendes Verknüpfungsergebnis D 1, wird Binärvariable gesetzt (gekennzeichnet mit R: zurückgesetzt)

rere Anweisungen in einer Zeile stehen können. Diese sind mit einem Semikolon zu trennen. Einzeilige Kommentare werden durch einen Doppelstrich (//) gekennzeichnet. Über mehrere Zeilen gehende Kommentare beginnen mit: (* und enden mit: *). Unterschieden wird in Wertzuweisungen und Kontrollanweisungen. Syntax der Wertzuweisung: Marke: Variable WD AusdruckI //Kommentar A1:0 WD E1:0&E1:1I ==Ergebnis der UND-Verknüpfung wird A1.0 zugewiesen

72

Syntax der Kontrollanweisung: Marke: xxx Anweisungsfolge END_xxxI //Kommentar IF #Wert1

Kleiner Größer

CASE-Anweisung

Dient zur 1 aus n Auswahl von Programmteilen

=

Kleiner oder Gleich Größer oder Gleich

CONTINUE-Anweisung

Möglichkeit zum Abbruch des momentanen Schleifendurchlaufs

==

Gleich Ungleich

EXIT-Anweisung

Dient zum Verlassen von Schleifen

:=

Zuweisung

GOTO-Anweisung

Veranlasst einen Sprung zu der angegebenen Sprungmarke

()

Klammerung

RETURN-Anweisung

Veranlasst einen Rücksprung in den aufrufenden Baustein oder ins Betriebssystem

. Tabelle 72.5 Programmierbeispiele Kontaktplan

Anweisungsliste

Funktionsbausteinsprache

U

E1.0

UN

E1.1

U

E1.2

ON

E1.3

O

E1.4

D

A1.0

Strukturierter Text A1.0 WD E1.0 AND NOT E1.1 AND E1.2 OR NOT E1.3 OR E1.4;

72.2

Analoge Signale in der SPS

Speicherprogrammierbare Steuerungen können neben binären Signalen auch digitale Signale verarbeiten. Ein binäres Signal hat nur zwei Werte im Wertebereich. Digitale Signale sind durch mehrstellige Bitketten gekennzeichnet, sie können viele Werte im Wertebereich annehmen (vergleiche 7 Abschn. 70.6). Jeder Wertebereich erhält durch Codierung eine festgelegte Bedeutung, z. B. als Zahlenwert. Eine Bitkette mit acht Binärstellen wird als ein Byte, eine Bitkette mit sechzehn Binärstellen als ein Wort bezeichnet. Je größer die Anzahl der Binärstellen, desto größer ist die Anzahl der Werte im Wertebereich. Die Verarbeitung digitaler

Signale erfolgt mit Digitalfunktionen wie Vergleichen, Umwandlungs- und Schiebefunktionen sowie arithmetischen und weiteren mathematischen Funktionen. Häufig muss die digitale Steuerung Signale von analogen Sensoren verarbeiten. Der analoge Sensor stellt den Werteverlauf der gemessenen physikalischen Größe (z. B. Druck, Abstand) kontinuierlich als elektrisches Signal in Form einer Spannung oder eines Stromes der digitalen Steuerung zur Verfügung. Entsprechende Analog-DigitalUmsetzer (siehe . Abb. 72.6) werden diese Signale in digitale Signale, z. B. als Zahlenwert umgewandelt. Die Weiterverarbeitung durch die Steuerung erfolgt digital. Das Ergebnis kann einem Verbraucher sowohl digital als auch in analoger Form zur Verfügung gestellt werden.

72

1504

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Abb. 72.6 Analogwertverarbeitung mit SPS

1 Allgemeines zur Darstellung analoger Signale

Übliche Auflösungen bei den Analogbaugruppen der S7-300-Reihe sind 8 bis 15 Bit plus Vorzeichen. Würden bei einer 8-Bit-Auflösung für den analogen Signalausgang eines Sensors alle 8 Bit für die Digitalisierung der Signalspannung von 0 bis 10 V genutzt werden, würde der Analogbereich mit 28 D 256 unterschiedlichen Werten dargestellt werden. Die Stufung beträgt dann: 10 V D 0;0390625 V D 39;0625 mV 256

Nennbereichs in einer 16-Bit-Darstellung nur der dezimale Wertebereich von 27:648 bis 27.648 genutzt. Die weiteren Bitkombinationen stehen für den Übersteuerungsbereich, den Untersteuerungsbereich, den Überlauf und den Unterlauf zur Verfügung. . Tab. 72.7 veranschaulicht dies beispielhaft für Messbereiche der möglichen Messarten. . Tab. 72.8 zeigt die Bitfolge für ein Eingangsdatenwort (16-Bit D 15 Bit Datenwert C Vorzeichenbit) für ein Stromsignal mit einem Wertebereich von 1–5 V. Die Bitfolge (Dualzahldarstellung) der negativen Dezimalwerte wird mittels der Zweierkomplement-Methode (siehe auch 7 Abschn. 70.7.1) gebildet.

Bei einem Signalstrom von 20 mA ergibt sich: 7 Beispiel

20 mA D 0;078125 mA 256

Ein analoger Temperatursensor mit einem Messbereich von 0 bis 100 ı C und einer Signalspannung von 0 bis 10 V misst eine Temperatur von 52 ı C. Zur Verfügung steht eine Baugruppe mit einer 8-Bit-Auflösung. Der Nennbereich des Digitalwerts für die Signalspannung liegt zwischen 0 und 27.648. Infolge der 8-Bit-Auflösung der verwendeten Baugruppe kann für die Temperatur 52 ı C kein exakter Digitalwert zugeordnet werden. Die Analog-Digital-Umsetzung ergibt für den gemessenen Temperaturwert den Zahlenwert:

Für das Vorzeichen (VZ) gilt: „0“ steht für ein positives, „1“ für ein negatives Vorzeichen. Die rechte Spalte in . Tab. 72.6 gibt den Abstand der Digitalwerte an, mit dem die Analogwerte dargestellt werden können, bezogen auf einen Abstand von eins zwischen den Digitalwerten der 15-Bit-Darstellung. Beträgt die Auflösung einer Baugruppe weniger als 15 Bit, wird der Analogwert durch den Ladebefehl linksbündig in die Bits 0 bis 15 des Akkumulators eingetragen. Die nicht besetzten niederwertigen Stellen werden mit „0“ beschrieben. Hieraus ergibt sich, dass der sich ändernde Analogwert bei einer 12-Bit-Auflösung mit Sprüngen von 8 im Digitalwert dargestellt wird. Unabhängig von der Wortlänge ist immer das rechts stehende Binärzeichen das niedrigstwertige (Least Significant Bit – LSB), links steht das höchstwertige Binärzeichen (Most Significant Bit – MSB). In den Analogeingabe und -ausgabebaugruppen der S7 Steuerungen werden für die Digitalisierung der Werte des

dig_Ana D

27:648 Dig_wert T D  52 ı C D 14:376;96 Mess_ber 100 ı C

Dieser Wert ist infolge der Auflösung der Baugruppe nicht darstellbar, möglich sind nur die folgenden Sprünge im digitalen Raster: 14.208 – 14.336 – 14.464 usw. (siehe auch . Tab. 72.9). Für Vergleichszwecke kann hier die codierte Ganzzahl (INT) 0011100000000000 (entsprechend 14.336) verwendet werden. 9

. Tabelle 72.6 Bitmuster zur Darstellung der Auflösung (Auszug aus Siemens: Automatisierungssystem S7-300 – Baugruppendaten [2])

72

Auflösung

Zahlendarstellung von Analogwerten

Bitnummer

15

14

13

12

11

10

14

13

12

11

10

9 9

8 8

7 7

6 6

5 5

4 4

3 3

2 2

1 1

0

Wertigkeit

VZ

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

20

15-Bit-Darstellung

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

1

12-Bit-Darstellung

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0

0

0

8

8-Bit-Darstellung

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0/1

0

0

0

0

0

0

0

128

72

1505 72.2  Analoge Signale in der SPS

. Tabelle 72.7 Messbereiche möglicher Messarten Spannungs- Stromsignal signal

Digitalwert

Spannungs- Stromsignal signal

Widerstands- Digitalsignal wert

Temperatursignal

Digitalwert

1–5 V

0–20 mA

0–300

PT100 850ı C

Bereich

˙2;5 V

˙10 mA

Überlauf

 2;9398

 11;759

32.767

 5;7037

 23;516

 352;778

32.767

 1000;1

32.767

Übersteuerungsbereich

2,9397

11,7589

32.511

5,7036

23,515

352,767

32.511

1000,0

10.000

...

...

...

...

...

...

...

...

...

2,5001

10,0004

27.649

5,0001

20,0005

300,011

27.649

850,1

8501

2,500

10,00

27.648

5,00

20,00

300,000

27.648

850,0

8500

1,875

7,5

20.736

4,00

16,00

225,000

20.736

...

...

...

...

...

...

...

...

...

1;875

7;5

20:736

2;500

10;00

27:648

1,00

0,00

0,000

0

200

2000

2;5001

10;0004

27:649

0,9999

0;0007

physikalisch nicht möglich

1

200;1

2001

...

...

...

...

...

...

...

...

2;93398

11;759

32:512

0,2963

3;5185

4864

243;0

2430

 2;935

 11;76

32:768

 0;2962

 3;5193

32:768

 243;1

32:768

Nennbereich

Untersteuerungsbereich

Unterlauf

. Tabelle 72.8 Bitfolge eines Eingangsdatenworts Bitnummer/Wertigkeit UE in V

Dezimaler Wert 15

14

13

12

11

10

14

13

12

11

10

9 9

8

7

8

6

7

5

6

4

5

3

4

2

3

1

2

1

0

VZ

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

20

 5;7037

32.767

0

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

5,7036

32.511

0

1

1

1

1

1

1

0

1

1

1

1

1

1

1

1

5,0001

27.649

0

1

1

0

1

1

0

1

0

0

0

0

0

0

0

1

5,00

27.648

0

1

1

0

1

1

0

1

0

0

0

0

0

0

0

0

4,00

20.736

0

1

0

1

0

0

0

1

0

0

0

0

0

0

0

0

1,00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0,9999

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

0,2963

4864

1

1

1

0

1

1

0

1

0

0

0

0

0

0

0

0

 0;2962

32:768

1

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

8

7

. Tabelle 72.9 Codierung der Analogwerte des Beispiels Bitnummer

15

14

13

12

11

10

14

13

12

11

10

9 9

8

7

6 6

5 5

4 4

3 3

2 2

1 1

0

Wertigkeit

VZ

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

2

20

14208

0

0

1

1

0

1

1

1

1

0

0

0

0

0

0

0

14336

0

0

1

1

1

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

14464

0

0

1

1

1

0

0

0

1

0

0

0

0

0

0

0

1506

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

1 Allgemeines zum Datenaustausch bei Digitalfunktionen

Mit der Operation Lade (L) wird der Operand, z. B. PEW 272 in das Verknüpfungsregister geladen. Das Peripherieausgangswort (PAW) ist ein Bereich, in dem der am Analogausgang auszugebende Betrag der Spannung oder Stromstärke abgelegt ist. Durch das PAW werden in der Regel die Ausgabebaugruppen angesprochen. Daneben gibt es noch das Peripherieausgangsbyte (PAB) und das Peripherieausgangsdoppelwort (PAD). Die Transferfunktion besteht aus der Transferoperation und einem Digitaloperanden. Der Digitaloperand kann ebenfalls byte-, wort- oder doppelwortbreit sein. Transferiert wird zu den Ein- und Ausgängen, zur Peripherie und zu den Merkern. In . Abb. 72.7 ist ein Beispiel für das Programmieren mit analogen Signalen aufgeführt.

Voraussetzung für die Verwendung von Digitalfunktionen (Vergleichen, Arithmetische Funktionen, Schiebefunktionen) sind das Laden (L) und das Transferieren (T) der Digitalwerte. Die Ladefunktion dient zum Füllen von Akkumulatoren (Rechenregistern), um anschließend die Werte digital zu verarbeiten, z. B. Vergleichen oder Rechnen. Die Transferfunktion überträgt die Ergebnisse aus dem Akkumulator in die Speicherbereiche der CPU, etwa in den Merkerbereich. Ladefunktionen werden auch benötigt um Anfangswerte für Zeit- oder Zählfunktionen vorzugeben oder die aktuellen Zeit- und Zählwerte zu verarbeiten. Die Ladefunktion besteht aus der Operation (Laden) und einem Operanden. Ein Digitaloperand kann ein Byte, ein Wort oder Doppelwort sein. Ein Byte kann als Merkerbyte1 Verarbeitung analoger Weginformationen (MB), als Eingangsbyte (EB), als Ausgangsbyte (AB) oder Induktive Analogaufnehmer erfassen die Position von mebeim Laden aus dem Peripheriebereich als Peripheriebyte tallischen Objekten innerhalb des gesamten Arbeitsberei(PEB) geladen werden. Eine Folge von 16 Binärzeichen ches und geben den Messwert annähernd proportional zum wird im Bereich der Merker als ein Merkerwort (MW) Abstand in Form eines Strom- oder Spannungssignals aus. bezeichnet. Ein Merkerdoppelwort (MD) ist 32 Bit breit. Sie haben eine Abweichung in der Linearität von etwa Merker, Merkerbyte, Merkerwort und Merkerdoppelwort ˙2 % bezogen auf den Endwert. Wichtiger als eine vollgehören zum Speicherbereich der CPU, sie können Infor- ständige Linearität ist eine gute Reproduzierbarkeit der mationen entsprechend ihrer Bitbreite aufnehmen. Ein- und Messwerte. Sie liegt in der Größenordnung von 2 Promille Ausgänge können auch als Eingangswort (EW) und als vom Endwert. Auf den jeweiligen Arbeitsbereich umgeEingangsdoppelwort (ED) sowie als Ausgangswort (AW) rechnet erhält man eine Wiederholgenauigkeit von ca. 5 bis und Ausgangsdoppelwort (AD) geladen werden. 14 *m. Technisch interessante Anwendungen ergeben sich Greift das Anwenderprogramm direkt auf die Einga- bei der Steuerung einer Roboterhand, der Lageprüfung von bebaugruppen zu, so erfolgt dies in der Regel über das Bauteilen und zur Ermittlung von Geometriedaten. Peripherieeingangswort (PEW). Das PEW ist ein LeseFür den induktiven Sensor gelten die in . Tab. 72.10 register des Signalspeichers, in dem der Betrag der am aufgeführten Daten, die bei der Verarbeitung des SensorsiAnalogeingang angelegten Spannung oder Stromstärke ab- gnals als Messwert im Anwenderprogramm zu berücksichgelegt wird, andere Bereiche sind das Peripherieeingangs- tigen sind. Ferner muss der Zusammenhang zwischen dem byte (PEB) und das Peripherieeingangsdoppelwort (PED). analogen Sensorsignal und dem digitalisierten Analogwert

72

. Abb. 72.7 Programmierbeispiel Laden und Transferieren

1507 72.2  Analoge Signale in der SPS

. Tabelle 72.10 Sensordaten [Festo Didactic, Datenblatt Sensoreinheit D.ER-SIEA-M30] Betriebsspannung 15–30 VDC

Signalausgang

Messbereich

Spannung

Strom

0–10 V

0–20 mA

3–8 mm

. Abb. 72.9 Lageskizze

. Abb. 72.8 Sensorkennlinien

bekannt sein, er ist den Handbüchern des Steuerungsherstellers (Siemens) zu entnehmen. Für die Lagemessung ergibt sich aufgrund der Analog-Digital-Umsetzung der digitalisierte Analogwert (dig_Ana) aus nachfolgender Formel: dig_Ana D

Dig_wert 27:648 s D s Mess_ber 8

Der Messbereich des Signalausgangs des Sensors (0–10 V) wird für die Zuweisung des digitalen Wertes berücksichtigt, was . Abb. 72.8 zu entnehmen ist. Die Werte unterhalb 3 mm (D digitaler Wert 10.368) müssen durch den Anwenderprogrammierer softwareseitig als nicht aussagefähig verarbeitet werden, da nur, wie . Abb. 72.8a zu entnehmen ist, in dem Messbereich von 3 bis 8mm ein annähend linearer Zusammenhang zwischen Weg und Spannung vorhanden ist. Möchte man nicht die digitalisierten Analogwerte verarbeiten, sondern die ursprünglichen Messwerte (norm_Wert), so ergeben sich diese aus: norm_Wert.s/ D

Mess_ber  dig_Ana Dig_wert

7 Beispiel: Lageprüfung eines Bauteils Zwei analog arbeitende induktive Wegsensoren werden zur Lageprüfung eines Bauteils (siehe . Abb. 72.9) vor der Montage verwendet. Die Lage des Bauteils ist hinreichend genau,

wenn es sich innerhalb einer Toleranzzone von 5 mm ˙75 *m befindet. Die Messwerte werden von einer SPS verarbeitet. Die richtige Lage des Bauteils wird durch eine Signalleuchte (P1) angezeigt; eine fehlerhafte Lage soll zu einem Auswurf des Teils führen. Der Zusammenhang zwischen den Spannungs- bzw. Stromwerten ist den einschlägigen Tabellen in den SiemensHandbüchern zu entnehmen. Bei Umrechnungen ist stets der Maximalwert bzw. der Minimalwert des jeweiligen Nennbereichs zu berücksichtigen. Bei der Lageprüfung handelt es sich um eine Abstandmessung mit positiven Zahlenwerten. Dem größten Wert des Messbereichs (8 mm) entspricht der Spannungswert 10 V, dem kleinsten Wert des Messbereiches (3 mm) entspricht eine Spannung von 3,75 V. Die zugehörigen Digitalwerte sind der Sensorkennlinie (siehe . Abb. 72.8b) zu entnehmen. Dem Abstand 5 mm entspricht die Spannung 6,25 V. Der zugehörige digitalisierte Analogwert (dig_Ana) errechnet sich aus: dig_Ana D

dig_wert  norm_Wert Mess_ber

dig_Ana D

27:648  6;25 V D 17:280 10 V

Steht eine Analogeingabebaugruppe mit 8-Bit-Darstellung C VZ zu Verfügung, so wird der Analogwert mit Sprüngen von 128 im digitalen Raster dargestellt: 17152, 17280, 17408 usw. 9

Da im vorliegenden Beispiel eine Toleranzzone von ˙75 *m eingeräumt wurde, ergeben sich die in der Tabelle angegebenen Grenzwerte zur Lagebestimmung der Teile. Die Digitalwerte entsprechen dem Raster einer 8-Bit-Auflösung der analogen Baugruppe (rechnerisch ergibt sich für den Grenzwert 5,075 mm ein Digitalwert von 17.539).

72

1508

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Abb. 72.10 Schaltplan zur Lageprüfung von Bauteilen

1 Grenzwerte zur Lagebestimmung Grenzwert

Abstand

Analogsignal

Digitalwert

Max_Wert

5,075 mm

6,34375 V

17.536

Min_Wert

4,925 mm

6,15625 V

17.024

Dem Schaltplan in . Abb. 72.10 ist zu entnehmen, wie die Ein- bzw. Ausgänge an der SPS angeschlossen sind. 1 Programmerläuterung (siehe . Abb. 72.11)

FB250: Der in den Peripherieeingangsworten (PEW272 bzw. 274) abgelegte Betrag der Spannung der analogen Induktivgeber B1 und B2 wird durch die Analogbaugruppe in

72

. Abb. 72.11 SPS-Programm zur Lagebestimmung

einen Digitalwert zur weiteren Verarbeitung umgewandelt und durch das in eine SCL-Quelle geschriebene Anwenderprogramm des FB 250 (siehe . Abb. 72.12) normiert. Der Funktionsbaustein wird im OB1 in den Netzwerken 1 und 2 aufgerufen und mit den notwendigen Aktualwerten bzw. Aktualparametern versorgt. Werden die definierten Grenzwerte nicht über- oder unterschritten (entsprechend Struktogramm . Abb. 72.12), ist die Lage für den folgenden Fügevorgang richtig. Meldet ein Analoggeber eine Abweichung von der vorgegebenen Toleranzzone, wird dieses Signal einem Merker (Formalparameter AUS_X1 oder AUS_X2) zugewiesen. Die Signale der Merker werden in der Funktion FC1 ausgewertet. FC1: Haben alle Merker den Signalzustand „0“, ist die Lage des Bauteils für den Fügevorgang richtig. Wenn der Taster („Prüf_Start“) betätigt wurde, meldet eine Signalleuchte 10 Sekunden optisch: „Richtige Lage“. Der Fügevorgang kann ausgelöst werden. Ist die Lage des Bauteils in einer Achse fehlerhaft, dann erfolgt die Ansteuerung der Spule M1 am Magnetventil für die Auswurfdüse. Durch den Luftstrom wird das geprüfte Teil ausgeworfen. Die Düse schließt nach 4 Sekunden automatisch. Die Programmstruktur entsprechend . Abb. 72.13 ist die eines strukturierten Anwenderprogramms, da das Unterprogramm zur Lageprüfung des Bauteils (FB250) mehrfach aufgerufen wird. Grundsätzlich müssen solche Unterprogramme parametrierbar sein. Der vorliegende Funktionsbaustein wird zweimal im Hauptprogramm (OB1) aufgerufen und mit verschiedenen Aktualparametern (PEW272 bzw. PEW274) versehen.

1509 72.2  Analoge Signale in der SPS

. Abb. 72.11 (Fortsetzung)

. Abb. 72.12 Struktogramm zur Lageprüfung

. Abb. 72.13 Programmstruktur

72

1510

72.3

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

Busankopplung der SPS

Zwischen den einzelnen Komponenten eines Automatisierungssystems werden in der Regel Informationen ausgetauscht. Diese Informationen sind Signale von Sensoren, die in das Automatisierungssystem gelangen oder von dort zu den Aktoren; andere Informationen sind Messwerte und Diagnosemeldungen. Weitere Daten werden zwischen der Fertigungs- und der Büroebene ausgetauscht. Wären für alle diese Kommunikationsbeziehungen (siehe . Abb. 72.14) Punkt zu Punkt-Verbindungen erforderlich, würde dies einen enormen Verdrahtungsaufwand bedeuten. Moderne Automatisierungsgeräte übertragen Informationen digital über geeignete Bussysteme in Form serieller Zweidrahtverbindungen. Der Informationsaustausch erfolgt mit Telegrammen, die aus Nutzdaten, Sende- und Empfangsadressen gebildet werden. Bussysteme verringern die Kosten für die Verdrahtung und die sonst erforderlichen Schaltschränke. Mehrere dezentrale intelligente Steuerungseinheiten bewältigen komplexe Steuerungsaufgaben, was in der Folge zu Kosteneinsparungen bei der Softwareentwicklung und der Wartung führt. Schließlich ermöglicht die Vernetzung die Durchlässigkeit von Daten zwischen dem Fertigungsnetz und dem Büronetz. Dies macht betriebliche Abläufe transparenter, verbessert die Auftragsabwicklung und ermöglicht die Fernwartung von Maschinen und Anlagen. Zwei für die Prozess- oder Feldebene wichtige Bussysteme sind der AS-i-Bus und der PROFIBUS. Sie dienen . Abb. 72.14 Bussysteme in der Feldebene

72

zur Anbindung von Sensoren/Aktoren und fertigungsnahen Ein- und Ausgabebaugruppen. Der Datenaustausch zwischen der Peripherie und dem Prozessabbild des Automatisierungsgerätes erfolgt meistens zyklisch nach dem Master-Slave-Verfahren. Slaves sind Buskomponenten, die Eingangs- und Ausgangssignale der Anlage erfassen bzw. ausgeben. Die Master-Station holt die Daten von den Eingängen des Slaves und versorgt die Ausgänge der Slaves zyklisch mit Steuerdaten. Die Steuerdaten werden vom Steuerungsprogramm zur Verfügung gestellt. Die Kommunikation zwischen speicherprogrammierbaren Steuerungen oder mit dem Programmiersystem erfolgt meistens azyklisch durch Steuerbefehle aus dem Anwenderprogramm über Ethernet. Ethernet ist ein robustes Netz in der mittleren Kommunikationsebene zur Verbindung von Personalcomputern zu lokalen Netzen. Der Informationsaustausch im Bürobereich erfolgt auf der Grundlage des TCP/IP-Konzepts. Es existieren Bestrebungen, die Nutzung dieses Netzes auch für den Automatisierungsbereich immer weiter auszudehnen. Ein hierfür in S7-Steuerungen genutztes Netz ist das PROFINET, was beispielsweise für die Anbindung von Bediengeräten und dezentraler Peripherie eingesetzt wird. Der AS-i-Bus dient zur Ankopplung von Aktoren und Sensoren an die Steuerung. Aktoren und Sensoren sind Buskomponenten, die überwiegend Bit-Signale aus dem Prozess liefern oder fordern. Die Abkürzung steht für Aktor-Sensor-Interface. Neben der Ankopplung von Buskomponenten mit integrierten Aktoren und Sensoren besteht die Möglichkeit, externe Aktoren und Sensoren anzu-

1511 72.4  Vorgehen bei der Auswahl einer SPS

schließen. Die Verbindung zwischen den Buskomponenten erfolgt über eine Zweidrahtleitung, die von einem Netzteil mit einer spezifizierten Gleichspannung versorgt wird. Bei der Konfiguration der Hardware mit DP/AS-i-Links wird automatisch eine Konfigurationstabelle von STEP 7 eingeblendet, in die AS-i-Slaves aus dem Hardware Katalog platziert werden können. Jeder AS-i-Bus-Slave hat 2 Adressen: die AS-i-Teilnehmeradresse und eine E/AAdresse in der SPS. Möchte man auch in höheren Ebenen der Automatisierungshierarchie über die Daten der Sensoren und Aktoren verfügen, dann sind Netzübergänge erforderlich. Den hierfür erforderlichen Buskoppler nennt man Gateway. Der Profibus-DP ist die am häufigsten eingesetzte Variante der Feldbussysteme. Die Abkürzung steht für Process Field Bus. Er ist europäisch genormt in der EN 50170. Der Zusatz DP steht für dezentrale Peripherie. Die Anschlussmodule (DP-Slaves) werden möglichst nahe an die Anlage gebracht und untereinander mit der zentralen Steuerung über das serielle Bussystem verbunden. Die erforderliche Anzahl von DP-Slaves mit digitalen Eingängen (DE), digitalen Ausgängen (DA) sowie ggf. analogen Eingängen (AE) und analogen Ausgängen (AA) wird über die Profibus-Leitung mit der zentralen SPS (DP-Master) verbunden. Jeder Profibus-Teilnehmer hat 2 Adressen: die ProfibusTeilnehmeradresse und E/A-Adresse in der SPS. Der DPMaster ist im obigen Beispiel in die CPU integriert. Die Hauptaufgabe des Masters ist die Durchführung des Datenaustausches mit seinen DP-Slaves. Aus der Sicht des Steuerungsprogramms ist kein Unterschied zu erkennen, ob die verwendeten Geräte zentral mit der Steuerung verbunden sind oder dezentral über ein Bussystem. Neben den DP-Slaves können über den Profibus DP auch intelligente Slaves mit der zentralen CPU kommunizieren. Merkmal eines intelligenten DP-Slaves ist, dass die Ein-/Ausgangsdaten dem DP-Master von einer „vorverarbeitenden CPU“ zur Verfügung gestellt werden. Die zentrale CPU greift also nicht auf die dezentralen Ein-/Ausgänge der „vorverarbeitenden CPU“ zu. Das Anwenderprogramm der „vorverarbeitenden CPU“ muss für den Austausch der Daten zwischen Operandenbereich und Ein-/Ausgängen sorgen. Ein intelligenter DP-Slave kann nicht gleichzeitig DP-Master für andere Slaves sein. Beide Feldbussysteme, AS-i-Bus und Profibus DP sind offene Systeme der industriellen Kommunikation, die mit einem geringen Protokollaufwand arbeiten; sie kommen mit drei Schichten des ISO/OSI-Referenzmodells aus. Zu jedem System gehört ein Programmiergerät zur Erstellung des Anwenderprogramms und für Diagnoseaufgaben. Dies ist in der Regel ein PC. Der Router ist die Verbindungskomponente zu großen Netzen (Wide Area Network – WAN). Unter Routing versteht man die Wegsteuerung einer Nachricht durch das Netzwerk.

72.4

Vorgehen bei der Auswahl einer SPS

Für die Auswahl einer SPS ist entscheidend: 4 welche Funktionen im Prozess zu überwachen und zu stellen sind, 4 wie diese Informationen zur Verfügung stehen bzw. bereitgestellt werden müssen (binär, analog, digital), 4 welche Verarbeitungsgeschwindigkeiten erforderlich sind, so dass die Zykluszeit einen Echtzeitbetrieb ermöglicht, 4 wie umfangreich die Anweisungen bzw. Programme sind, 4 welche Schnittstellen zu anderen Systemen zur Verfügung stehen müssen (Ethernet, WLAN etc.) und 4 welche Sicherheitsfunktionen zu realisieren sind. Die Auswahl der Hardware soll anhand einer Beispielanlage (siehe . Abb. 72.15) für die Endfertigung von drei Arten von Schlüsseln (siehe . Abb. 72.16) erfolgen. Diese wird nur aus Sicht der automatisierten Fertigung und nicht bzgl. der Einbindung in die Automatisierungspyramide betrachtet. Zum besseren Verständnis der Komponentenauswahl wird der allgemeine Ablauf in der Fertigungsanlage anhand der Bezeichnungen in . Abb. 72.15 nachfolgend beschrieben. Der Gesamtanlage werden über die drei Trichterspeicher (Zwischenlager 1; Schüttgutlager) die Schlüsselrohlinge als Schüttgut zugeführt. In der Zuführeinheit sind drei weitere Speicher (Zwischenlager 2) integriert, in denen sich die Schlüssel schon mit einer festen Orientierung befinden. Diesen werden bei Bedarf (Unterschreitung bestimmter Füllstand im Zwischenlager 2) über eine Rutsche, die gleichzeitig die Positionierungsaufgaben erfüllt, Schlüsselrohlinge aus dem Zwischenlager 1 zugeführt. Wird die Herstellung eines Schlüssels durch den Bediener oder das Leitsystem veranlasst, wird der entsprechende Rohling aus dem Zwischenlager 2 zur Übergabestelle für die Transporteinheit geschleust. In Abhängigkeit von der genauen Lage des Schlüssels (Bartposition links oder rechts) erfolgt die Übernahme durch die Transporteinheit. Diese fährt die einzelnen Stationen an. Zuerst kommt die Kennzeichnungseinheit. Es muss darauf geachtet werden, dass der Schlüssel richtig gespannt ist, die Kennzeichnung auch zum geforderten Schlüsselbart passt und diese an der vorgegebenen Stelle angebracht wird. Ist der Fertigungsprozess beendet, wird der Schlüssel wieder der Transporteinheit übergeben und zur nächsten Station geleitet. Da es ein Rundtakttisch ist, wird erst nach Ende des Prozesses mit der höchsten Taktzeit weitergetaktet. Daher sollten alle Prozesse möglichst gleich lang dauern. Die nächste Station ist die Bartfräseinheit. Hier gelten die gleichen Forderungen wie für die Kennzeichnungseinheit. In den weiteren Stationen bleibt der Schlüssel jeweils durch den Greifer der Trans-

72

1512

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Abb. 72.15 Konzept einer Schlüsselfertigungsanlage

. Abb. 72.16 Produkt – Schlüssel für Stiftschloss

porteinheit gespannt. Im nächsten Takt wird der Bart poliert und danach die Kappe aufgepresst. In der Endkontrolleinheit erfolgt die Qualitätsprüfung des Schlüssels. Ist der Schlüssel in Ordnung, wird er dem Förderband (Abtransport Gutteil) übergeben. Ist das nicht der Fall, wird er in ein Ausschussbehälter (Abtransport Ausschuss) fallen gelassen. Da die Greifereinheiten nicht an jeder Bearbeitungsstation die gleichen Aufgaben ausführen, ist eine eindeutige Zuordnung Tischposition zu Fertigungseinheit erforderlich. Hierfür wird ein Gray-Code-Leser eingesetzt, der der Steuerung die Position über drei Eingänge (D Signale von optischen Sensoren) entsprechend . Abb. 72.17 liefert. Für den automatischen Ablauf der Fertigung sind weitere Hilfs- und Nebenprozesse, wie z. B. Positionskontrolle, Kontrolle Erreichen Endposition etc. notwendig. Für den sicheren Ablauf dieser Prozesse sind die Sensoren und Aktoren entsprechend . Tab. 72.11 erforderlich. Anhand der Ein- und Ausgänge (DI-digitaler Eingang, DO-digitaler Ausgang) kann jetzt eine Hardwarestruktur der Steuerung konfiguriert werden. Für den Anschluss der Ventile werden Ventilinseln (siehe . Abb. 72.18b) angeboten, die über Bussysteme wie Ethernet (PROFINET) oder

72

. Abb. 72.17 Positionserfassung mittels Gray-Code

AS-i-Bus (Aktor-Sensor-Interface) mit der Steuerung verbunden werden können. Für diese Anlage wurde sich für eine Siemens Kleinsteuerung (CPU) S7 1200 vom Typ 1241C entschieden. Die Kommunikation mit den digitalen Ein- und Ausgängen soll über einen AS-i-Bus erfolgen, da die Baugruppen recht weit verteilt sind. Dafür wird als AS-i-Master eine Kommunikationsbaugruppe (CP 1243-2) verwendet. Diese kann mit bis zu 62 Slaves (Teilnehmer) mit jeweils maximal acht digitalen Ein- (DI) und acht digitalen Ausgängen (DO) kommunizieren. So könnten insgesamt 496 DI und 496 DO angesteuert werden. Der Master sorgt für den Datenaustausch mit den Slaves und der Steuerung. Für die Montage der Ventile werden Ventilinseln an den AS-i-Bus angeschlossen. Es wurden Ventilinseln der Firma Festo gewählt, wo jeweils bis zu acht DI und acht DO enthalten sind. Für die Transporteinheit benötigt man fünf Ventilinseln und zusätzlich zwei

1513 72.4  Vorgehen bei der Auswahl einer SPS

. Tabelle 72.11 Zusammenfassung Bauelemente, Sensoren und Aktoren Anzahl

Bauteil

DI

†DI

D0

†D0

Anzahl

Ventilart

Bemerkung

Transporteinheit – Tisch 6

Zylinder

2

12

2

12

6

5/2-Wegeventil

6

Greifer

3

18

2

12

6

5/2-Wege-Druckerhaltungsventil

6

Drehmodul

3

18

3

18

6

5/2-Wege-Druckerhaltungsventil

1

Graycodeleser

3

3 42

18

Gesamt Tisch

51

Feststehende Einheit Zwischenlager 1 3

Magnetöffner

1

3

3

Signallampe

1

3

3

Lichtschranke

1

Barcodescanner

1

3 über PROFINET

Zwischenlager 2 3

Motor

1

3

3

Magnetöffner

1

3

3

Sensor unten

1

3

3

Sensor oben

1

3

2

8

Zuführeinheit 4

Zylinder

2

8

4

Sensor

1

4

1

Kamera

2

2

1

1

4

5/2-Wegeventil

Kennzeichnungseinheit 1

Zylinder

2

2

2

2

1

5/2-Wegeventil

1

Drehmodul

2

2

2

2

1

5/2-Wegeventil

1

Greifer

2

2

2

2

2

Lasersensor

2

2

1

Laser Start

1

1

1

Laser Ende

1

1

5/2-Wegeventil

Bartfräseinheit 1

Spannzylinder

2

2

2

2

1

Fräsen

1

1

1

1

1

Druckluft

1

1

1

1

Bartpoliereinheit 1

Polieren

1

5/2-Wegeventil

1

2/2-Wegeventil

72

1514

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Tabelle 72.11 (Fortsetzung) Anzahl

Bauteil

DI

†DI

D0

†D0

Anzahl

Ventilart

Bemerkung

Hüllenaufpresseinheit 1

Zylinder

1

1

2

2

1

5/2-Wegeventil

1

Drehmodul

2

2

2

2

1

5/2-Wegeventil

1

Klemmzylinder

2

2

2

2

1

5/2-Wegeventil

1

Lichtschranke

1

1

1

Signallampe

1

1

Endkontrolleinheit und Abtransporteinheiten 1

Kamera

2

2

1

1

1

Förderband

1

1

1

1

1

1

Gesamtanlage 1

Drehtisch

1

1

1

NOT-Halt

1

1

1

Start Anlage

1

1

1

Aus Anlage

1

1

1

Resettaster

1

1

Gesamt feststehende Einheit

47DI

41DO

11

. Abb. 72.18 Zylinder mit Endlagensensor der Firma Festo AG (a), Ventilinsel (b)

Slaves mit je acht digitalen Eingängen und einen Slave mit acht digitalen Ausgängen. Die feststehenden Baugruppen benötigen drei Ventilinseln, die wiederum an den AS-i-Bus angeschlossen werden können. Verwendet man die an der CPU fest integrierten Einund Ausgänge, so wären wahlweise noch ein Ein- und ein Ausgabemodul mit je 16 Anschlüssen erforderlich oder je zwei AS-i-Slaves für Ein- und Ausgänge mit acht Anschlüssen. Bei den Ausgängen ist zu berücksichtigen, ob der treibende Strom über den zulässigen Grenzen liegt. Ist das der Fall, müssen Leistungsschaltgeräte zwischengeschaltet werden. Die an der CPU vorhandene Ethernetschnittstelle wird für den Anschluss des Barcode-Scanners verwendet.

72

Gleichzeitig wäre hierüber die Verbindung zur übergeordneten Prozessleitebene realisierbar. Als Bedientableau kann ein Panel eingesetzt werden. . Abb. 72.19 zeigt das vollständige Hardwarekonzept der SPS. Bei der Betrachtung der Ein- und Ausgänge wurde bereits ein NOT-Halt-Schalter berücksichtigt. Dieser kann durch einen sicheren Slave an den AS-i-Bus angeschlossen werden. Integriert werden muss zusätzlich ein Sicherheitsmonitor, dem mitgeteilt wird, welche Ausgangsslaves sichere Slaves sein müssen und bei einem NOT-Halt oder einer anderen Störung abzuschalten sind. Gleichfalls ist es erforderlich, auch im Softwareprogramm fehlerhafte Eingänge, Störungen und Notsituationen auszuwerten.

1515 72.5  Einrichten einer SPS – Erstellen eines Projektes

. Abb. 72.19 Hardwarekonzept

72.5

Einrichten einer SPS – Erstellen eines Projektes

Der Erstellung der Hardwarekonfiguration folgt die Softwareentwicklung. Hierfür muss die Steuerung an ein Programmiergerät angeschlossen werden, welches über die entsprechende Programmiersoftware verfügt. Die Ausführungen beziehen sich auf eine Projektierung mit Hilfe des TIA-Portals der Firma Siemens AG. Gestartet wird mit einem neuen Projekt. Zuerst muss die Hardwarekonfiguration erstellt werden. Entsprechend . Abb. 72.20 sind alle angeschlossenen Geräte aufzuführen. Handelt es sich um eine Hardwarekomponente des Steuerungsherstellers, kann aus dem Hardwarekatalog die entsprechende Komponente angewählt und in die Gerätesicht übertragen werden. Dabei erfolgt gleichzeitig die Zuordnung der einzelnen Adressen, über die später im An-

wenderprogramm auf die Baugruppen zugegriffen werden kann. Von Zeit zu Zeit ist der Hardwarekatalog zu aktualisieren. Sollen firmenfremde Komponenten integriert werden, so muss die Gerätebeschreibungssoftware vom Hersteller geladen werden. Die Adressierung erfolgt in diesem Fall nicht automatisch und muss vom Programmierer ausgeführt werden. Das . Abb. 72.20 zeigt die Gerätesicht der Gerätekonfigurationsseite des TIA-Portals. In der Netzsicht können entsprechend . Abb. 72.21 alle über Bussysteme angeschlossenen Komponenten eingefügt und dargestellt werden. Durch Anwahl einer Komponente und einem Wechsel in die Gerätesicht sind deren Eigenschaften einsehbar (siehe . Abb. 72.22). Sind alle Hardwarekomponenten eingefügt und adressiert, kann die Programmierung des Anwenderprogramms erfolgen, die unter dem Zweig „Programmbausteine“ (siehe . Abb. 72.20) ausgeführt werden kann.

72

1516

Kapitel 72  Speicherprogrammierbare Steuerungen

. Abb. 72.20 Gerätekonfigurationsoberfläche TIA-Portal – Gerätesicht

. Abb. 72.21 Gerätekonfigurationsoberfläche TIA-Portal – Netzsicht

. Abb. 72.22 Gerätesicht eines AS-i-Slaves (links) – drei AS-i-Slaves (rechts)

72

1517

Maschinensicherheit Petra Linke

Unter dem Begriff Sicherheit wird bei automatisierten Einrichtungen zwischen der funktionalen Sicherheit (Safety) und der sogenannten Angriffssicherheit (Security) unterschieden. Um einen Informationsaustausch zwischen den einzelnen Hierarchiestufen der Automatisierungspyramide zu ermöglichen, ist eine vertikale Vernetzung erforderlich. Für die Anlage würde das bedeuten, diese an ein lokales Netz anzubinden und somit eine Verbindung zum Internet zu erhalten. Häufig nutzen Maschinen- und Anlagenhersteller das Internet zur Ferndiagnose bzw. -wartung um bei räumlicher Trennung auf die Steuerung zuzugreifen. So können dem Kunden Wartungshinweise vermittelt oder bei Anlagenproblemen eine Fehlerdiagnose vorgenommen werden. Mit dieser Verbindung ist die Anlage allen Gefahren, die ein Internetzugang bietet, ausgesetzt. Die Vorkehrungen in diesem Bereich werden unter dem Begriff Angriffssicherheit (Security) zusammengefasst. Auf diese soll hier nicht weiter eingegangen werden. Grundlage für die funktionale Sicherheit ist die sogenannte Maschinenrichtlinie (Richtlinie 2006/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung)). Es ist eine Richtlinie der Europäischen Union, die durch Gesetzgebungen und Normen innerhalb der Mitgliedsländer umgesetzt werden muss. Ziel dieser

Richtlinie ist es, „den freien Verkehr von Maschinen innerhalb des Binnenmarktes zu ermöglichen und zugleich ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz zu gewährleisten“. Wird die Richtlinie eingehalten, ist eine Konformitätserklärung der Bedienungsanleitung beizufügen. Diese sichert unter anderem ab, dass die Maschine grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt und sie erhält das CE-Kennzeichen. Im Rahmen der Maschinenrichtlinie wird unter einer Maschine eine Gesamtheit von miteinander verbundenen Teilen oder Vorrichtungen verstanden, von denen mindestens eines beweglich ist. In diesem Sinne ist z. B. die bereits erwähnte Schlüsselfertigungsanlage (siehe . Abb. 72.15) auch eine Maschine und muss den Vorschriften aus der Maschinenrichtlinie entsprechen. Um einheitliche Anforderungen und Ziele innerhalb der Europäischen Union zu erreichen, wurden diese in EGNormen festgeschrieben und lösen nationale Normen ab. Diese unterteilen sich entsprechend . Abb. 73.1 in drei Hierarchiestufen. Die Normen enthalten nicht nur Vorkehrungen zur Maschinensicherheit von automatisierten Maschinen sondern generelle Anweisungen wie Maschinen zu gestalten und auszurüsten sind um Mensch, Maschine und Umwelt zu schützen. Die A-Normen beinhaltet für alle Maschinen gültige Gestaltungsanforderungen und leisten Hilfestellung bei der Erarbeitung von B- und C-Normen.

. Abb. 73.1 Hierarchische Einteilung von Normen zur Sicherheit von Maschinen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_73

73

1518

Kapitel 73  Maschinensicherheit

4 Verwendungsgrenzen Hier wird festgelegt wie der bestimmungsgemäße Einsatz der Maschine zu erfolgen hat und welche vorhersehbaren Fehlanwendungen auftreten können. Dabei sind die unterschiedlichen Betriebsarten, die Eingriffsmöglichkeiten der Bediener sowie deren spezifischen Eigenschaften wie: physische Fähigkeiten, Ausbildungsniveau, Alter etc. zu berücksichtigen. Auch ist die mögliche Gefährdung weiterer Personen zu beachten. 4 Räumliche Grenzen Diese umfassen den Bewegungsraum der Maschine, den Platzbedarf von Personen während Betrieb und Instandhaltung sowie die Schnittstellen „Mensch/Maschine“ und „Maschine/Energieversorgung“. 4 Zeitliche Grenzen Diese Grenzen legen die Lebensdauer der Maschinen sowie einzelner Teile bei der bestimmungsgemäßen Verwendung sowie empfohlene Wartungsintervalle fest. 4 Weitere Grenzen Diese schließen beispielsweise die Eigenschaften des zu verarbeitenden Materials, Sauberhaltung und empfohlene Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit oder Sonneneinstrahlung ein.

73

. Abb. 73.2 Risikobeurteilung nach DIN EN ISO 12100:2011-03

Die B-Normen unterteilen sich in B1-Normen, die allgemeine Sicherheitsaspekte für einzelne Maschinenarten, wie z. B. einzuhaltende Sicherheitsabstände beschreiben und in die B2-Normen, welche vorgeben, wie spezielle Sicherheitseinrichtungen auszuführen sind. Die C-Normen sind Fachnormen, die für einzelne Maschinenarten genaue Anweisungen für Sicherheitsmaßnahmen enthalten. Die in diesen Normen genannten Anforderungen können unter Umständen von denen in den Normen Typ A oder Typ B abweichen. In diesem Fall gelten die Vorschriften der C-Norm. Bereits diese Ausführungen zeigen auf, dass ein umfangreiches Normenwerk existiert, welches bei der Sicherheitsbeurteilung von Maschinen berücksichtigt werden muss. Daher werden hier nur punktuell einige Aspekte betrachtet. Um die von einer Maschine ausgehenden Gefahren abzuschätzen ist eine Risikobeurteilung entsprechend . Abb. 73.2 vorzunehmen. Die Risikobeurteilung beinhaltet das Festlegen von Grenzen, eine Identifizierung von Gefahren, die Risikoeinschätzung für diese Gefahren sowie die Risikobewertung. Bei der Festlegung der Grenzen sollten alle Lebensphasen einer Maschine, wie beispielsweise Transport, Montage, Installation, Inbetriebnahme, Einrichten, Betrieb, Reinigung und Wartung einbezogen werden, wobei jede dieser Phasen einzeln zu betrachten ist. Die folgende Aufzählung zeigt eine gekürzte Übersicht der in der Norm enthaltenen Unterteilung der Grenzen.

Im zweiten Schritt der Risikobeurteilung werden systematisch vorhersehbare Gefährdungen, Gefährdungssituationen und Gefährdungsereignisse während der gesamten Lebensdauer der Maschine herausgearbeitet. Falls eine Typ C-Norm für die Maschine vorhanden ist, kann sich der Hersteller nach den darin aufgeführten Gefährdungen richten. Eine Aufzählung von möglichen Gefährdungen für alle Maschinen ist in der DIN EN ISO 12100:2011-03, Anhang B enthalten. Bei der Risikoeinschätzung soll das größte Risiko ermittelt werden, das aus jeder Gefahrensituation hervorgeht. Grundlegende Kriterien sind das mögliche Schadensausmaß (z. B. Schwere der Verletzung, Personenzahl) und die Eintrittswahrscheinlichkeit (z. B. Wahrscheinlichkeit des Gefährdungsereignisses, Möglichkeit der Vermeidung). Eine umfangreiche Sammlung an Instrumenten zur Einschätzung des Risikos, wie beispielsweise die Risikomatrix oder der Risikograf, sind in der DIN ISO/TR 14121-2:2013-02 im Abschnitt 6 festgehalten. Nach erfolgreicher Risikoeinschätzung muss mithilfe der Risikobewertung abgewogen werden welche Gefahren und Risiken akzeptabel sind und welche reduziert werden müssen. Ergibt sich aus der Bewertung, dass weitere Schutzmaßnahmen vorzusehen sind, ist mit einer erneuten Risikobeurteilung deren Wirksamkeit nachzuweisen. Bei einem vertretbaren verbleibenden Risiko folgt eine Dokumentation. Diese beinhaltet die Beschreibung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Maschine, der Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Gefahren und des Restrisikos. Es empfiehlt sich auch die Risiken aufzuführen für die keine Schutzmaßnahmen erfolgen.

1519 Kapitel 73  Maschinensicherheit

. Tabelle 73.1 SIL- und PL-Zuordnung SicherheitsIntegritätsLevel SIL

Wahrscheinlichkeit eines gefahrbringenden Ausfalls pro Stunde (PFH)

Performance Level PL



105  PFH < 104

a

1

3  106  PFH < 3  105 b

1

106  PFH < 3*106

DIN EN 62061

2 3

. Abb. 73.3 Drei-Stufen-Maßnahmen zur Risikominimierung nach DIN EN ISO 12100:2011-03

Sind weitere risikomindernde Aktivitäten notwendig, gibt die Richtlinie entsprechend . Abb. 73.3 vor, das Risiko zuerst konstruktiv, danach technisch und schließlich beschreibend zu senken. Sie sieht auch vor, dass der Benutzer erkannte Gefährdungen dem Hersteller zur Verbesserung mitteilt. Es ist zu empfehlen bei einer Neukonstruktion für die Risikobeurteilung einen Experten hinzuzuziehen oder zumindest hierfür zur Verfügung stehende Softwareprogramme zu nutzen. Anhand der Schlüsselfertigungsanlage sollen das allgemeine Vorgehen an einem Beispiel aufgezeigt werden, wobei hinsichtlich der Lebensphasen der Anlage nur die Fertigung der Schlüssel betrachtet wird. Für eine umfassende Gefährdungsanalyse müssten noch die weiteren Lebensphasen berücksichtigt werden. Die Schlüsselfertigungsanlage enthält pneumatische und mechanische Bauteile, die elektrisch mit Hilfe einer SPS angesteuert werden. Daher ist die Maschinenrichtlinie anzuwenden. Es sind Schutzmaßnahmen sowohl für die Anlage als auch für die Steuerung erforderlich. Folgende Grenzen können sich während des Betriebs ergeben: 4 nur geschultes Personal bedient die Anlage, 4 in Anlagennähe können nur Betriebsangehörige kommen, 4 Bewegung der Zylinder und Greifer erfolgt innerhalb des Grundgestells, 4 Förderband zum Schlüsselabtransport befindet sich zum Teil außerhalb des Gestells, 4 während des Betriebs muss Bediener nur Bedientableau bedienen und Rohlinge nachfüllen, 4 bei Störungen müssen alle Stationen zugänglich sein.

7

10

8

10

DIN EN ISO 13849

c

6

d

7

e

 PFH < 10  PFH < 10

Daraus lassen sich beispielsweise folgende Gefährdungen ableiten: 4 bei Störungen Aufenthalt des Bedieners innerhalb der Anlage, 4 durch die Bewegung der Zylinder und Greifer kann es z. B. zu Quetschungen, kommen, 4 Berühren elektrischer Baugruppen, 4 Wegschleudern der Schlüssel, 4 Bauteilstörung, wie: Ventilausfall, Drahtbruch etc., 4 Ausfall der Energieversorgung und der Druckluft. Einige Gefährdungen können bereits durch das Anbringen einer Umhausung minimiert werden. Diese ist mit einer Schutztür zu versehen, um die Zugänglichkeit bei Störungen zu ermöglichen und einen unbemerkten Zutritt nicht zuzulassen. Welche Anforderungen diese Schutztür zu erfüllen hat, ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung. Die Signale zur Absicherung des Zugangs sind in die Programmierung der Steuerung z. B. für Maßnahmen zum Abschalten und Wiederanlauf einzubeziehen. Für die Umsetzung von sicherheitsbezogenen Steuerungsteilen existieren weitere Normen (DIN EN ISO 13849-1:2008-12 und DIN EN 62061:2005-10. Welche der Normen zur Anwendung kommt, bestimmt der Steuerungsaufbau. Für viele sind beide einsetzbar. Sie beschreiben das Vorgehen zur Umsetzung von Sicherheitsfunktionen. Beide Normen führen zur Ermittlung eines Sicherheitslevels (siehe . Abb. 73.4), welches entsprechend . Tab. 73.1 die Wahrscheinlichkeit eines gefahrbringenden Ausfalls pro Stunde der jeweiligen Sicherheitsfunktion angibt. Die eingesetzten Bauteile in der Wirkkette dürfen in Summe diesen Wert nicht überschreiten. Für nichtelektrische Systeme ist die DIN EN 62061:2005-10 nicht einsetzbar und für Speicherprogrammierbare Steuerungen ist die DIN EN ISO 13849-1:2008-12 nur bedingt geeignet. Für viele elektrische Bauelemente werden sowohl der Performance Level (PL) als auch der Sicherheits-Integritäts-Level (SIL) angegeben. Für die Beurteilung der Sicherheitstür wird die DIN EN 62061:2005-10 angewandt.

73

1520

73

Kapitel 73  Maschinensicherheit

. Abb. 73.4 Anwendung der Normen DIN EN ISO 13849 und DIN EN 62061

Zuerst erfolgt anhand . Tab. 73.2 die Bestimmung des erforderlichen SIL. Wird davon ausgegangen, dass täglich eine Störung im Arbeitsablauf auftreten kann und der Bediener zu deren Beseitigung den Arbeitsraum betreten muss, ergibt sich eine Häufigkeit von F D 4. Im Regelfall sollte er die Anlage abschalten, wird das vergessen, so ist das Eintreten einer Gefährdung möglich (W D 3). Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der Bediener seinen Fehler bemerkt und nicht zwischen sich bewegende Teile greift. Somit ist eine Vermeidung der Gefahr wahrscheinlich (P D 1). Es ergibt sich die Klasse K D 8–10. Es können permanente Schäden

auftreten, wodurch das Schadensmaß mit S D 3 eingestuft wird. Folglich ist die Schutztürüberwachung mit dem SIL 1 auszurüsten. Bei der Ermittlung des vorhandenen SIL muss die Informationskette zum Reagieren auf das Öffnen der Schutztür berücksichtigt werden. Vereinfacht wäre der Aufbau entsprechend . Abb. 73.5. Durch Addition der einzelnen Ausfallwahrscheinlichkeiten ergibt sich die Gesamtausfallwahrscheinlichkeit von PFH D 1;191  107 . Entsprechend der . Tab. 73.1 liegt eine SIL 2 vor und der Aufbau der Schutztür wäre überdimensioniert. Es könnten Bauteile mit einer geringeren Ausfallwahrscheinlichkeit eingesetzt werden. Der Schalter der

. Tabelle 73.2 SIL-Zuordnung für Schutztür Häufigkeit und/oder Aufenthaltsdauer F

Eintrittswahrscheinlichkeit des Gefährdungsereignisses W

Möglichkeit zur Vermeidung P

 1 Stunde

5

häufig

5

> 1 Stunde bis  1 Tag

5

wahrscheinlich

4

> 1 Tag bis  2 Wochen

4

möglich

3

unmöglich

5

> 2 Wochen bis  1 Jahr

3

selten

2

möglich

3

< 1 Jahr

2

vernachlässigbar

1

wahrscheinlich

1

Schadensausmaß S

Klasse K D F C W C P 3–4

5–7

8–10

11–13

14–15

Tod, Verlust von Auge oder Arm

4

SIL 2

SIL 2

SIL 2

SIL 3

SIL 3

Permanent, Verlust von Fingern

3

SIL 1

SIL 2

SIL 3

Reversibel, medizinische Behandlung

2

SIL 1

SIL 2

Reversibel, erste Hilfe

1

Auswirkung

SIL 1

1521 Kapitel 73  Maschinensicherheit

. Abb. 73.5 Sicherheitsarchitektur der Schutztür

Schutztür bedeutet für das Gesamtkonzept unserer Anlage einen weiteren Eingang in der Steuerung. Für die Planung und den Bau von Schutzgittern und Schutztüren existiert eine weitere Norm, die ISO 14119. Sie legt Leitlinien für die Gestaltung und Auswahl von Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen fest. In der Maschinenrichtlinie werden grundlegende Sicherheitsanforderungen an eine Steuerung beschrieben, die beim Bau einer Maschine beachtet werden müssen, um die Sicherheit zu garantieren. Dementsprechend sollen Steuerungen so ausgelegt sein, dass: 4 sie den zu erwartenden Betriebsbeanspruchungen und Fremdeinflüssen standhalten, 4 vorhersehbare Bedienungsfehler nicht zu Gefährdungssituationen führen, 4 ein Defekt der Hardware oder der Software der Steuerung nicht zu Gefährdungssituationen führt und 4 Fehler in der Logik des Steuerkreises nicht zu Gefährdungssituationen führen. Die Durchführung einer Gefährdungsanalyse führt zwingend zur Berücksichtigung der ersten zwei Anforderungen. Ein Defekt in der Hard- und Software muss stets bei dem Hardwareaufbau und im Softwareprogramm berücksichtigt werden. In unserer Schlüsselfertigungsanlage wird das beispielsweise durch den Sicherheitsmonitor realisiert, der regelmäßig Diagnosedaten versendet und auswertet. In den Steuerungsprogrammen muss dafür gesorgt werden, dass technisch nicht mögliche Eingangssignale zu einer Störmeldung und dem Stopp der Anlage führen. Das wäre z. B. der Fall, wenn beide Endlagensensoren eines Zylinders melden, dass die Endlage erkannt ist. Ob ein Fehler in der Logik des Steuerkreises zu Gefährdungssituationen führt, kann nur mit einer Erprobung des Steuerkreises (für die Schlüsselfertigungsanlage des Programms) für alle möglichen Situationen überprüft werden. Die Richtlinie enthält weiterhin Angaben zum Ingangund Stillsetzen einer Maschine. Das Ingangsetzen einer Maschine darf nur geschehen wenn eine hierfür vorgesehene Befehlseinrichtung absichtlich betätigt wurden ist. Eine Ausnahme bildet der Automatikbetrieb. Die Schlüsselfertigungsanlage muss nach einer Störsituation bewusst wieder eingeschaltet werden. Steht sie aber, da kein Auftrag vorliegt, kann sie mit Übermittlung eines Auftrags eigenständig starten. An jeder Maschine muss sich eine Befehlseinrichtung befinden, welche ein sicheres Stillsetzen auslöst und alle gefährlichen Funktionen ausschaltet (NOT-Halt). Nachdem die Maschine stillsteht, muss die Energieversorgung der Aktoren unterbrochen werden. In

einigen Fällen kann es erforderlich sein, nach einem Ausschalten der Maschine Aktoren weiterhin mit Strom zu versorgen, um ein sicheres Stillsetzen zu ermöglichen (z. B. Abbremsen von Antriebsachsen). Bei dem Stillsetzen aus einer Notsituation heraus wird zwischen NOT-Aus und NOT-Halt unterschieden: 4 NOT-Aus (Ausschalten im Notfall): Es wird mithilfe von Lasttrennschaltern die Energieversorgung unterbrochen, um einen spannungsfreien Zustand zu erreichen falls die Gefahr vor elektrischem Schlag besteht. Es muss ein Schutz vor selbstständigem Wiederanlauf der Maschine nach Einschalten der Energieversorgung vorhanden sein, und 4 NOT-Halt (Stillsetzen im Notfall): Es wird ein Prozessablauf oder eine Bewegung angehalten, wenn von ihnen eine Gefahr ausgeht. Die Ausrüstung einer Maschine mit NOT-Halt Befehlsgeräten gilt nicht als risikomindernde Maßnahme. Für die Schlüsselfertigungsanlage wurde sich für ein NOTHalt entschieden. Die Maschinenrichtlinie schreibt für jede Anlage das Vorhandensein eines NOT-Halts vor.

Normen DIN IEC 60050-351 (Entwurf), Internationales Elektrotechnisches Wörterbuch – Teil 351: Leittechnik ISO 1219 Fluidtechnik – Graphische Symbole und Schaltpläne DIN 66001 Informationsverarbeitung; Sinnbilder und ihre Anwendung DIN 66261 Informationsverarbeitung; Sinnbilder für Struktogramme nach Nassi-Shneiderman DIN EN 61131 Speicherprogrammierbare Steuerungen DIN EN 60848 GRAFCET – Spezifikationssprache für Funktionspläne der Ablaufsteuerung ISO IEC 2382-1 Informationstechnik – Begriffe – Teil 1: Grundbegriffe (zurückgezogen) DIN 66303 Informationstechnik – 8-Bit-Code DIN 19226 Regelungstechnik und Steuerungstechnik; Begriffe und Benennungen (zurückgezogen) DIN EN 50170 Universelles Feldkommunikationssystem Richtlinie 2006/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung) – Maschinenrichtlinie

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1522

73

Kapitel 73  Maschinensicherheit

DIN EN ISO 12100 Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung DIN ISO/TR 14121 Sicherheit von Maschinen – Risikobeurteilung DIN EN ISO 13849 Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen DIN EN 62061 Sicherheit von Maschinen – Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Steuerungssysteme DIN EN ISO 14119 Sicherheit von Maschinen – Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen – Leitsätze für Gestaltung und Auswahl

Literaturhinweise 1. Lunze, J.: Automatisierungstechnik. Oldenbourg, München (2003) 2. Siemens AG: Automatisierungssystem S7-300, Baugruppendaten 666 Gerätehandbuch, 02/2013, A5E00105504-8 (2013)

Weiterführende Literatur 3. Berger, H.: Automatisieren mit SIMATIC S7 – 300 im TIA Portal. Publicis Publishing Verlag, Erlangen (2012) 4. Wellenreuther, G., Zastrow, D.: Automatisieren mit SPS: Theorie und Praxis, 5. Aufl. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2011)

1523

Regelungstechnik Inhaltsverzeichnis Kapitel 74

Grundlagen – 1525 Berthold Heinrich

Kapitel 75

Regelstrecken – 1535 Berthold Heinrich

Kapitel 76

Regler – 1547 Berthold Heinrich

Kapitel 77

Zusammenwirken zwischen Regler und Strecke – 1559 Berthold Heinrich

Kapitel 78

Fuzzy-Regelung – 1569 Berthold Heinrich

XV

1525

Grundlagen Berthold Heinrich

74.1

Grundbegriffe

Die Regelungstechnik bildet in zweierlei Hinsicht eine Ausweitung der Steuerungstechnik. Zum einen fließen Informationen zurück. Aus der Steuerkette wird ein Regelkreis. Zum anderen spielt das Zeitverhalten der Elemente des Regelkreises eine entscheidende Rolle (. Abb. 74.1). 1 Regelung

len Fällen ist sie zeitlich veränderlich. Die Angleichung der Regelgröße an die Führungsgröße ist die eigentliche Regelaufgabe. Dabei bedeutet Angleichung nicht notwendig Deckungsgleichheit. Entsprechend der Regelaufgabe werden Abweichungen in festgelegten Grenzen zugelassen. Auf Grund der ermittelten Abweichung zwischen Regelgröße und Führungsgröße bildet die Regeleinrichtung die Stellgröße. Diese Stellgröße muss so gewählt werden, dass sich die Regelgröße der Führungsgröße annähert. Auf den Regelkreis wirken auch nichtplanbare Störungen ein, die man zu einer Störgröße zusammenfasst, die auf die Strecke einwirkt. Auch diesen Einfluss muss der Regelkreis ‚ausregeln‘. Regeln ist demnach ein Kreisprozess aus 4 fortlaufendem Messen der Regelgröße, 4 ständigem Vergleichen mit der Führungsgröße, 4 Angleichen der Regelgröße an die Führungsgröße.

DIN IEC 60050-351 definiert: Das Regeln (die Regelung) ist ein Vorgang, bei dem eine Größe, die Regelgröße, fortlaufend erfasst, mit einer zweiten Größe, der Führungsgröße, verglichen und im Sinne der Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst wird. Der sich daraus ergebende Wirkungsablauf findet im so genannten Regelkreis statt (. Abb. 74.2). Unter Größen werden hier physikalische Größen wie elektrischer Widerstand, Spannung, Dichte, Druck, Temperatur verstanden. Das Erfassen des Istwertes der Regel-1 Regelstrecke größe geschieht durch Fühler (. Abb. 74.3) oder Sensoren, Laut DIN IEC 60050-351 ist die Regelstrecke der aufgafortlaufend muss dabei nicht kontinuierlich sein, es reicht bengemäß zu beeinflussende Teil des Systems. Ein System auch die hinreichend häufige Abtastung. Die Führungsgrö- ist dabei eine abgegrenzte Anordnung von Gebilden, die ße w ist eine von der Regelung nicht beeinflusste Größe, miteinander in Beziehung stehen. Ein solches System kann die von außen zugeführt wird und der die Ausgangsgrö- ein Glühofen sein (. Abb. 74.4), der durch eine Regelung ße der Regelung in vorgegebener Abhängigkeit folgen soll. auf einer konstante Temperatur gehalten wird. Die GebilDie Führungsgröße ist nicht notwendig konstant. In vie-

. Abb. 74.1 Druckverlauf in einem Druckluftspeicher

. Abb. 74.2 Regelkreis im Wirkungsplan

. Abb. 74.3 Wasserstandsregelung. Regelgröße – Füllhöhe, Führungsgröße – Sollhöhe (Einsteller), Stellgröße – Ventilhub, Störgröße – Ablauf, Wasserdruck, Regelstrecke – Behälter, Regeleinrichtung – Hebelgestänge mit Ventil und Schwimmer

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_74

74

1526

Kapitel 74  Grundlagen

. Abb. 74.5 Festwert für die Führungsgröße

74

. Abb. 74.4 Temperaturregelung eines gasbeheizten Ofens. Of Ofen, Gl Glühgut, Th Thermometer, Br Brenner, St Stellgerät, VK Ventilkörper. MA Membran-Antrieb, Fd Feder, R Regler, # Temperatur als Regelgröße, #w Führungsgröße, ps Stelldruck als Stellgröße

Messglied aufgenommene Regelgröße heißt Rückführungsgröße r. Den Bereich, innerhalb dessen die Regelgröße eingestellt werden kann, nennt man Regelbereich X h . Von der Regelgröße wird die Aufgabengröße q unterschieden. Dieses ist die Größe, die zu beeinflussen Aufgabe der Regelung ist. Sie muss mit der Regelgröße wirkungsmäßig verknüpft sein, braucht aber nicht dem Regelkreis anzugehören. Unterschied zwischen Regelgröße und Aufgabengröße: Bei der Regelung der Zusammensetzung eines Gemischs kann die Aufgabengröße, die Zusammensetzung, nicht immer unmittelbar erfasst werden. Als Regelgröße wird eine von der Zusammensetzung des Gemischs abhängige Eigenschaft (z. B. pH-Wert, Dichte, Trübung, elektrische Leitfähigkeit) verwendet. Beispiele für typische Regelgrößen: Im Maschinenbau: Kraft, Druck, Drehmoment, Drehzahl, Geschwindigkeit In der Verfahrenstechnik: Temperatur, Druck, Masse, Durchfluss, pH-Wert, Heizwert

de darin sind u. a. der Brenner, der Temperaturfühler, das Stellventil, der Regler. Dieses System wechselwirkt nur über bestimmte Größen mit der Umgebung. Eingegeben werden in dieses System die Solltemperatur (Führungsgröße), sowie (teilweise unbeeinflussbar) Störungen wie beispielsweise eine sich ändernde Umgebungstemperatur oder kaltes Glühgut. Der Wirkungsweg ist in dieser Definition der Weg, auf dem die Größen verändert werden. Die Richtung wird im Wirkungsplan (. Abb. 74.2) durch Pfeile verdeutlicht. Weg und Richtung der Wirkungen müssen nicht unbedingt mit Weg und Richtung zugehöriger Energieflüsse und Mas1 Stellgröße, Stellort senströme übereinstimmen. Eine aufgabengemäße Beeinflussung bedeutet, dass die Die Stellgröße y ist die Ausgangsgröße der RegeleinrichEinflussnahme der Regelung im Dienst des zu lösenden tung und zugleich Eingangsgröße der Strecke. Sie überträgt Problems steht. In einem Glühofen ist aufgabengemäß die die steuernde Wirkung der Einrichtung auf die Strecke. Innentemperatur konstant zu halten. Dazu wird dem Ofen Der Angriffspunkt der Stellgröße im Regelkreis wird eine sich jeweils ändernde Gasmenge pro Zeit zugeführt. Stellort genannt. Der Bereich, innerhalb dessen die StellIm Ofen wird die Regelgröße Temperatur beeinflusst, also größe einstellbar ist, heißt Stellbereich Y h . ist der Ofen die Regelstrecke. Nach der Art der die Strecke durchlaufenden Regel-1 Führungsgröße, Arten der Regelung größe unterscheidet man z. B. Temperatur-, Druck-, Durch- Die Führungsgröße w einer Regelung ist eine von der fluss-, Niveau- oder Drehzahlregelstrecken. betreffenden Regelung nicht beeinflusste Größe, die dem Beispiele für Regelstrecken sind z. B. ein Durchlauf- Regelkreis von außen zugeführt wird und der die AusTemperofen, ein Härteofen, der Kühlraum eines Kühlge- gangsgröße der Regelung in vorgegebener Abhängigkeit rätes, ein klimatisierter Raum, ein Silo für Schüttgüter, der folgen soll. Behälter eines Heißwasserbereiters, ein Mischkessel oder Der Regler hat keinen rückwirkenden Einfluss auf die eine rotierende Maschine mit konstanter Drehzahl. Führungsgröße. Sie wird von außen dem Regelkreis als Größe zugeführt. Das kann auf zwei Arten geschehen: die 1 Regelgröße, Aufgabengröße, Rückführungsgröße Führungsgröße kann entweder zeitlich konstant sein oder Die Regelgröße x ist die Größe in der Regelstrecke, die sich mit der Zeit verändern. Ist die Führungsgröße auf einen festen Wert eingestellt, zum Zweck des Regelns erfasst und über das Messglied der Regeleinrichtung zugeführt wird. Sie ist die Ausgangsgrö- spricht man von einer Festwertregelung (. Abb. 74.5). ße der Regelstrecke und Eingangsgröße der Messeinrich- Dieser feste Wert wird auch oft Sollwert genannt. Verändert sich der Wert der Führungsgröße und folgt tung. Die physikalische Größe, die von der Regelung be- die Regelgröße während der Regelung diesen veränderten einflusst wird, durchläuft die Regelstrecke. Der Zustand Werten, so wird von einer Folgeregelung gesprochen. Ist dieser Regelgröße wird an einem Punkt der Strecke, der diese Veränderung der Führungsgröße zeitabhängig, ist sie Messort genannt wird, erfasst und einem zweiten Teil des also durch einen Zeitplan vorgegeben, so liegt eine ZeitSystems, der Regeleinrichtung, zugeführt. Die von dem planregelung (. Abb. 74.6) vor.

1527 74.1  Grundbegriffe

. Abb. 74.7 Druck-Regeleinrichtung . Abb. 74.6 Zeitplan für die Temperatur eines Durchlaufofens zur Wärmebehandlung von Gusseisen

Beim Einsatz eines Computers zur Regelung kann der zeitliche Verlauf auch durch eine Funktionsgleichung oder durch eine Funktionstabelle eingegeben werden. 7 Beispiel für eine Festwertregelung Raumtemperatur 22 °C, relative Luftfeuchtigkeit 55 %, Speicherdruck 9,5 bar, Durchfluss 7,2 m3 =h 9 7 Beispiel für eine Zeitplanregelung

Der Störbereich Z h ist der Bereich, innerhalb dessen die Störgröße liegen darf, ohne dass die vereinbarte größte Sollwertabweichung der Regelung überschritten wird. Die Abschätzung des Störbereichs setzt Erfahrung und Kenntnis über mögliche Störeinflüsse voraus. Mit dieser Sichtweise für den Störbereich haben diese Grenzen den Charakter von Toleranzgrenzen. Beispiele typischer Störgrößen 4 Temperaturschwankungen im Außenklima 4 Spannungsschwankungen im Versorgungsnetz 4 Schwankungen der Wasserzulauftemperatur

Temperatur der Lauge in einem Waschautomaten, Nachtab- 1 Regeleinrichtung senkung bei einer Hausheizungsanlage 9 Die Regeleinrichtung ist neben der Strecke der zweite

Der Führungsbereich W h ist der Bereich, innerhalb dessen die Führungsgröße liegen kann. So kann z. B. an einem Gefrierschrank die gewünschte Temperatur in einem Bereich zwischen 18 und 25 °C eingestellt werden. 1 Regeldifferenz, Reglerausgangsgröße

Block im Regelkreis. Sie ist derjenige Teil des Wirkungsweges, der die Regelungsfunktion ausführt und enthält einen Regler und einen Steller. Letzterer ist eine Funktionseinheit, in der aus der Reglerausgangsgröße m die zur Aussteuerung des Stellgliedes erforderliche Stellgröße y gebildet wird. Bei einer Regeleinrichtung (. Abb. 74.7) für einen Druck (Regelgröße x) verstellt eine Membran (1) als Messwerk über einen Differenzialhebel (2) ein Strahlrohr (3); dessen Stellung bestimmt den Zufluss zu dem Stellantrieb (4) für die Öffnung des Stellgliedes. Der Stellkolben erhält einen der Auslenkung des Strahlrohres proportionalen Ölstrom und damit eine entsprechende Stellgeschwindigkeit.

Die Regeldifferenz e ist die Differenz zwischen der Führungsgröße w und der Rückführungsgröße r. Dabei wird berücksichtigt, dass der Vergleich der Führungsgröße mit der Regelgröße selbst in der Praxis selten möglich ist, sondern nur der Vergleich mit der vom Messglied gelieferten Rückführungsgröße. Wenn es nicht zu Missverständnissen führt, wird aber hier 1 Messglied eDwx (74.1) Die Regelgröße wird durch ein Messglied erfasst. Diese Größe wird dem Vergleicher zugeführt. In vielen Fällen angesetzt, wobei x die Regelgröße ist. ist der vom Sensor unmittelbar aufgenommene Wert in der vorliegenden Form als Informationseingang am Regler 1 Störgröße noch nicht geeignet. Eine Störgröße z in einer Regelung ist eine unerwünschte, 4 Ist die Form der Größe nicht geeignet, wird zwischen Sensor und Vergleichglied ein Messumformer geschalvon außen wirkende Größe, die die beabsichtigte Beeinflustet. Dieser hat die Aufgabe, die Regelgröße, die vom sung in der Regelung beeinträchtigt. Sensor in einer bestimmten Form geliefert wird (z. B. Störgrößen können nicht nur das Verhalten der Strecke, als Druck) in eine andere Form (z. B. elektrische Spansondern auch das des Reglers beeinflussen. Manchmal unnung), die vom Vergleichsglied benötigt wird, umzuterscheidet man diese beiden Arten der Störung. In erster wandeln. Näherung kann jedoch angenommen werden, dass die Störung erst am Messort durch die messtechnische Erfassung 4 Oft reicht die vom Sensor gelieferte Leistung nicht aus, um einen Regelvorgang auszulösen. Dann wird der Regelgröße im Regelkreis registriert wird. Weiterhin zwischen Sensor und Vergleichsglied noch ein Messkann man in erster Näherung alle Störgrößen zu einer verstärker geschaltet, der den vom Sensor gelieferten zusammenfassen und sie am Eingang der Strecke, am StörMesswert auf ein höheres Energieniveau anhebt. ort, wirken lassen.

74

1528

Kapitel 74  Grundlagen

74.2

74

Grafische Darstellung von Regelkreisen mithilfe des Wirkungsplans

Der Wirkungsplan ist die sinnbildliche Darstellung der Gesamtheit aller Wirkungen in einem System. An ihm lassen sich die logischen Abhängigkeiten einfach erkennen. . Abb. 74.8 Druckregler

1 Darstellung der Glieder

. Abb. 74.9 Funktionsblöcke eines Reglers

1 Regler

Die Glieder des Regelkreises wandeln Eingangssignale in Ausgangssignale um. Dieses wird hier sinnbildlich in einem Rechteck, Block genannt, dargestellt (. Abb. 74.10). Die wirkungsmäßige Abhängigkeit wird in diesem Block entweder durch eine arithmetische Anweisung, durch eine boolesche Verknüpfung, durch eine Übertragungsfunktion, durch eine Übergangsfunktion, eine Kennlinie, ein Kennlinienfeld oder durch eine Schaltfunktion angegeben. Oft findet man auch eine Benennung des Gliedes. Die Ein- und Ausgangssignale werden durch Wirkungslinien dargestellt, deren Pfeilspitzen die Wirkungsrichtung angeben. 2Darstellung der Verzweigung (. Abb. 74.11)

In Regelkreisen findet häufig eine Verzweigung der WirDer Regler (. Abb. 74.8) ist das Kernstück der Regelein- kung statt. Typisch ist hier das Abspalten eines Messzweirichtung. Er besteht aus Vergleichsglied und Regelglied. ges vom Hauptzweig. Solche Verzweigungsstellen werden Das Vergleichsglied bildet die Regeldifferenz e aus der durch einen Punkt auf dem Verzweigungsknoten dargeFührungsgröße w und der Rückführgröße r. Wie in Glei- stellt. chung (1) beschrieben, nimmt man für prinzipielle Überle1 Darstellung der Addition (Parallelschaltung) gungen oft statt der Rückführgröße r die Regelgröße x. Das Regelglied ist eine Funktionseinheit (. Abb. 74.9), Ist an einer Stelle das Ausgangssignal die algebraische in der aus der Regeldifferenz die Reglerausgangsgröße Summe der Eingangssignale, so wird statt eines Blocks ein m so gebildet wird, dass im Regelkreis die Regelgröße, Kreis gezeichnet. Durch entsprechende Vorzeichen kann auch beim Auftreten von Störgrößen, der Führungsgröße damit auch die Umkehrung des Wirkungssinns beschrieben so schnell und genau wie möglich nachgeführt wird. In der werden (. Abb. 74.12). Praxis wird aber häufig ein Gerät als Regler bezeichnet, 1 Blockstrukturen wenn es die Funktionsblöcke Blöcke in offener Kettenstruktur (. Abb. 74.13): Die Rei4 Führungsgrößeneinsteller hung der Blöcke in der linearen Wirkungsrichtung ist ty4 Messumformer 4 Vergleicher 4 Regelglied . Abb. 74.10 Blockdarstellung 4 Regelverstärker enthält.

1 Stellglied

Das Stellglied ist die am Eingang der Strecke angeordnete, zur Regelstrecke gehörende Funktionseinheit, die in den Massenstrom oder Energiefluss eingreift. Ihre Eingangsgröße ist die Stellgröße. Typische Stellglieder für Massenströme sind Ventile, Schieber und Klappen. Typische Stellglieder für den Energiefluss sind elektrische Schalter, elektronische Schalter, pneumatische Schalter und Stellwiderstände.

. Abb. 74.11 Darstellung der Verzweigung

1529 74.2  Grafische Darstellung von Regelkreisen mithilfe des Wirkungsplans

ser zielgerichtete Eingriff des Ausgangs auf den Eingang heißt auch Rückkopplung. Der Wirkungsweg erhält bei der Kreisstruktur die Form einer geschlossenen Schleife. 1 Übersicht: Typischer Wirkungsplan eines Regelkreises . Abb. 74.12 Darstellung der Addition

In dem Wirkungsplan in . Abb. 74.16 sind alle hier behandelten Teile eines Regelkreises in ihrem funktionellen Zusammenhang dargestellt. 7 Aufbau eines elektro-hydraulischen Regelkreises

. Abb. 74.13 Darstellung der Kettenstruktur

. Abb. 74.14 Darstellung der Parallelstruktur

. Abb. 74.15 Darstellung der Kreisstruktur

pisch für alle Steuerungsvorgänge. Hintereinander liegende Glieder werden wie in einer elektrischen Reihenschaltung dargestellt. Blöcke in Parallelstruktur (. Abb. 74.14): Eine Parallelstruktur ist der Parallelschaltung der Elektrotechnik vergleichbar. Der Signalfluss wird verzweigt. Dabei ist festzuhalten, dass die Parallelstruktur trotz der geometrischen Ähnlichkeit kein Kreisprozess ist. Blöcke in Kreisstruktur (. Abb. 74.15): Beim Zusammenwirken der Blöcke in einer Kreisstruktur erfolgt stets eine Rückwirkung des Ausganges auf den Eingang. Die-

. Abb. 74.16 Wirkungsplan eines Regelkreises

Anhand eines elektro-hydraulischen Regelkreises (. Abb. 74.17) sollen die Grundbegriffe erläutert werden. Lösung: Der hydraulische Leistungsstrang besteht aus Antriebsaggregat, dem Regelventil als Stellglied und dem Hydromotor bzw. Zylinder als Antriebsglied für die Last. Die Eingabe der Führungsgröße (Sollwert) erfolgt im Allgemeinen als analoges elektrisches Gleichspannungssignal und kann verschiedenen Quellen entstammen. Häufig sind dies Potenziometer, Funktionsgeneratoren, numerische Steuerungen oder Signale, die von anderen Antriebssystemen der Maschine kommen. Der Istwert der Regelgröße wird von dem Messglied erfasst und in ein ebenfalls analoges Gleichspannungssignal gewandelt. Als Messumformer kommen je nach Regelgröße (Lage, Geschwindigkeit, Kraft usw.) verschiedene Geräte wie Potenziometer, Inkrementalmessstäbe, Tachogeneratoren, Druckmessdosen usw. in Betracht. Im elektronischen Regelverstärker erfolgt der Soll/IstVergleich d. h., es wird die Regeldifferenz gebildet. Diese wird verstärkt, mit einem bestimmten Übertragungsverhalten versehen und als Stellgröße dem Regelventil zugeführt. Zwischen Regler und Ventil liegt noch der Leistungsverstärker des Regelventils. Dieses „Interface“ wandelt die Stellgrößen-Spannung in einen Magnetstrom und enthält auch das Lageregelsystem des Ventils. 9 7 Beispiel für die Regelung einer Förderleistung Das Bunkerabzugsband in . Abb. 74.18 wird von einem Vibrationsförderer beladen. Die Förderleistung in t=h soll

74

1530

Kapitel 74  Grundlagen

. Abb. 74.17 Elektro-hydraulischer Regelkreis (Bosch)

74

. Abb. 74.20 Regelkreis

. Abb. 74.18 Regelung einer Förderleistung

konstant gehalten werden. Zur Istwerterfassung kann eine Bandwaage unter dem tragenden Turm eingebaut werden. Der Regelkreis soll skizziert werden, Strecke, Messort, Stellort, Stellglied, Stellgröße, Reglereingänge und Reglerausgang sollen benannt werden! Welche Störgrößen könnten auftreten? Lösung: Die Strecke ist die Bandlänge zwischen Aufgabestelle und Bandwaage. Der Messort (. Abb. 74.19) ist die Einbaustelle der Bandwaage und der Stellort ist der Austritt der Vibrationsrinne.

. Abb. 74.19 Stellort und Messort

Das Stellglied ist der Vibrator, dessen Vibrationsfrequenz die Stellgröße ist. Die beiden Reglereingänge (. Abb. 74.20) sind der von der Bandwaage erfasste Istwert der Regelgröße Förderleistung und der eingegebene Sollwert der Förderleistung. Der Reglerausgang ist die Stellgröße Vibrationsfrequenz. Die Aufgabe der Wiege-Elektronik ist die reglergerechte Umformung des von der Bandwaage erfassten Istwertes in eine geeignete elektrische Größe. Mögliche Störgrößen sind Veränderungen im Fördergut durch Feuchteeinfluss und Spannungsschwankungen in der Energieversorgung des Vibrators. 9

74.3

Beschreibung des Verhaltens von Regelkreisgliedern

Ein Regelkreis setzt sich aus vielen Komponenten zusammen, deren Zusammenwirken die Eigenschaften und die Wirkung des Regelkreises ausmachen. Unabhängig vom Detail ist es wichtig zu wissen, wie der Regelkreis als Gesamtheit auf veränderte Eingangsgrößen reagiert, um ggf. ungewollte Effekte beseitigen zu können oder auch nur, um sein Verhalten beschreiben zu können.

74

1531 74.3  Beschreibung des Verhaltens von Regelkreisgliedern

. Abb. 74.22 Sprungantwort

In . Abb. 74.21 wurde der Arbeitspunkt bei x D 2 cm, Ue D 110 V und I D 50 A gewählt. An der Geraden liest man ab:

. Abb. 74.21 Kennlinienfeld

Meist ist der Regelkreis zu komplex, um sein Gesamtv e 200 V V verhalten geeignet vorhersagen und einstellen zu können. KD D D D 66; 7 u x 3 cm cm Deshalb wird methodisch so vorgegangen, dass zunächst das Verhalten der Komponenten untersucht und beschrie1 Zeitverhalten ben wird. Aus deren Kenntnis lässt sich dann vieles über Das Zeitverhalten der Regelkreisglieder wird dadurch undas Zusammenwirken in einem Kreisprozess aussagen. tersucht, dass man die jeweiligen Eingangsgrößen typisch Es ist sinnvoll, bei diesen Untersuchungen nicht von ändert und zwar Regel-, Stell-, Führungs- und Störgrößen zu sprechen, son4 sprunghaft, dern allgemein von Eingangs- und Ausgangsgrößen. Diese 4 ansteigend, werden mit u und v bezeichnet. 4 impulsförmig oder 4 sinusförmig. 1 Statisches Verhalten Das statische Verhalten von Regelkreisgliedern wird durch Das Übergangsverhalten beschreibt dann den zeitlichen Kennlinien beschrieben. Eine Kennlinie beschreibt im BeVerlauf des Ausgangssignals bei Aufschaltung charakterisharrungszustand die Abhängigkeit der Ausgangsgröße v tischer zeitlicher Verläufe des Eingangssignals. von der Eingangsgröße u. Als Beharrungszustand eines Gliedes gilt derjenige be-1 Sprungantwort liebig lange aufrechtzuerhaltende Zustand, der sich bei Viele Regelvorgänge verhalten sich so, dass die Eingangszeitlicher Konstanz der Eingangssignale nach Ablauf aller größe u sich sprunghaft ändert von einem Anfangswert u0 Einschwingungsvorgänge ergibt. auf einen festen Endwert u1 . Die Reaktion der AusgangsHat ein Glied mehrere Eingangsgrößen, so ergibt sich größe darauf wird hier Sprungantwort (s. . Abb. 74.22) ein Kennlinienfeld. Dabei trägt man das Ausgangssignal genannt. Diese kann sehr unterschiedlich ausfallen. Die in Abhängigkeit einer einzigen Eingangsgröße auf. Die Sprungantwort kann schlagartig erfolgen, sie kann sich übrigen Eingangsgrößen fasst man als Parameter auf. langsam und gleichmäßig ihrem Endwert nähern, oder sie . Abb. 74.21 zeigt die Klemmspannung U eines Stromkann erst über den Endwert hinauswandern, um sich ihm kreises (als Ausgangsgröße v). Diese wird in Abhängigkeit dann schwingend zu nähern. von der durch die Lage x des Abgriffkontaktes (als EinDie Aufschaltung eines Sprunges ist – zumindest bei gangsgröße u1 ) gekennzeichneten Einstellung eines Widertheoretischen Betrachtungen – eine häufig angewandte standes aufgetragen. Die im Kreis wirksame Spannung U e Testmethode bei der Untersuchung von Regelkreisgliedern. (als Eingangsgröße u2 ) und der Belastungsstrom I (als EinUm aus der Funktionsgleichung den Einfluss der konstangangsgröße u3 ) sind hier die Parameter. ten Eingangssprunghöhe u zu eliminieren, führt die DIN Kennlinie: eine neue Funktion h(t) ein, die Übergangsfunktion genannt wird. U D U.x; I; Ue / Meist sind Kennlinien gekrümmt. Sie werden vielfach, vor allem zur Berechnung, durch Geraden ersetzt. Man spricht hierbei von Linearisieren. Dabei wird im Arbeitspunkt eine Tangente an die Kennlinie gelegt. Aus der Steigung ergibt sich der sog. Übertragungsbeiwert K. v KD u

(74.2)

h.t/ D

v.t/ u.t/

(74.3)

Für große t und stabiles Verhalten gilt h.t/ D K wobei K der Übertragungsbeiwert aus (74.2) ist.

(74.4)

1532

Kapitel 74  Grundlagen

74

. Abb. 74.25 Impulsantwort . Abb. 74.23 Übergangsfunktion am Zahnradpaar

1 Impulsantwort 7 Berechnung eines Übertragungsbeiwertes Der Übertragungsbeiwert des Zahnradpaares aus . Abb. 74.23 soll berechnet werden.

Ein Impuls (. Abb. 74.25) ist eine sprunghafte, jedoch zeitlich begrenzte Änderung Ein kurzzeitig steil hoch schnellender Impuls heißt Nadelimpuls. Das Übergangsverhalten bei einem impulsförmigen Eingangssignal heißt entsprechend Impulsantwort.  0 für t ¤ 0 (74.7) u.t/ D 1 für t D 0

Lösung: Das obere Zahnrad mit der Zähnezahl z1 drehe mit der konstanten Drehzahl ne . Dieses ist die Eingangsgröße u.t/. Die Ausgangsgröße v.t/ ist die sich einstellende konstante Drehzahl na . Für die Übergangsfunktion h.t/ gilt nach 1 Frequenzantwort (74.3) v.t/ h.t/ D u.t/ Für die Übersetzung an einem Zahnradpaar gilt na z1 D ne z2

(74.5)

u.t/ D A  sin.!t/

z1 Also ist die Übergangsfunktion h.t/ D . z2 Laut (74.4) ist h.t/ D K, also ist der Übertragungsbeiwert hier das umgekehrte Übersetzungsverhältnis. 9

1 Anstiegsantwort

Steigt die Eingangsgröße linear an, so nennt man die Reaktion des Gliedes darauf Anstiegsantwort (. Abb. 74.24). Diese kann wiederum sehr unterschiedlich sein, steigt sie überproportional, nennt man ihren Verlauf progressiv, steigt sie weniger als linear an, degressiv.  0 u.t/ D K t

Neben den oben beschriebenen Arten kann das Zeitverhalten eindeutig auch durch die Zuordnung des Ausgangssignals zu einer sinusförmigen Änderung des Eingangssignals beschrieben werden. Dabei muss das Eingangssignal alle Frequenzen zwischen Null und Unendlich durchlaufen. Ein sinusförmiges Eingangssignal kann beschrieben werden durch

für t  0 für t > 0

. Abb. 74.24 Anstiegsantwort

(74.6)

(74.8)

wobei A die Amplitude und ! D 2 f die Kreisfrequenz ist (. Abb. 74.26). Die folgenden Rechnungen werden erheblich einfacher, wenn man diese Schwingung mittels komplexer Zahlen beschreibt. Komplexe Zahlen werden hier dabei durch einen Unterstrich gekennzeichnet. u.t/ D A  .cos.!t/ C j  sin.!t//

(74.9)

oder in Exponentialform u.t/ D A  ej !t

(74.10)

Die Zusammenhänge sind in . Abb. 74.27 dargestellt.

. Abb. 74.26 Funktionsgraf bei reeller Darstellung

74

1533 74.3  Beschreibung des Verhaltens von Regelkreisgliedern

. Abb. 74.30 Ortskurve . Abb. 74.27 Funktionsgraf bei komplexer Darstellung (heißt hier Ortskurve)

. Abb. 74.31 Amplitudengang

. Abb. 74.28 Funktionsgraf der Frequenzantwort in reeller Darstellung . Abb. 74.32 Phasengang

Dieses Verhältnis, das von t unabhängig ist, nennt man Frequenzgang und bezeichnet es mit G.j!/. Es gilt also G.j!/ D

v.t/ B j .'/ D e u.t/ A

. Abb. 74.29 Ortskurve der Frequenzantwort bei komplexer Darstel-1 Darstellung des Frequenzganges lung Der Frequenzgang G.j!/ ist eine komplexe

Für die hier betrachteten linearen Systeme kann man zeigen, dass die Ausgangsgröße v.t/ im eingeschwungenen Zustand auch einen sinusförmigen Verlauf mit gleicher Frequenz hat. Allerdings ist sie meist phasenverschoben. Damit gilt v.t/ D B  ej .!t C'/

(74.11)

Der Verlauf der Ausgangsgröße wird auch Frequenzantwort genannt. In . Abb. 74.28 sind die Zusammenhänge in reeller Darstellung, in . Abb. 74.29 in komplexer Darstellung aufgeführt. v.t/ Bildet man den Quotienten , so erhält man u.t/ B  ej.!t /  ej.'/ B j.'/ B  ej.!t C'/ v .t/ D D D e j.!t / j.!t / u .t/ Ae Ae A

(74.12)

Funktion der Frequenz !. Der Wert einer komplexen Funktion bei einem bestimmten !-Wert wird durch einen Zeiger dargestellt. Zeichnet man die Zeiger zu verschiedenen Frequenzen in ein Koordinatensystem und verbindet die Endpunkte der Zeiger, so entsteht eine Kurve, die Ortskurve des Frequenzgangs (. Abb. 74.30). Eine andere Darstellung bildet das Bode-Diagramm. Dort wird von der komplexen Funktion G.j!/ einmal der Betrag jG.j!/j, zum anderen der Phasenwinkel ' in Abhängigkeit von der Frequenz ! gezeichnet (Amplitudengang (. Abb. 74.31), bzw. Phasengang (. Abb. 74.32)). Charakteristisch ist, dass der Betrag des Frequenzganges jG.j!/j und die Frequenz ! im logarithmischen Maßstab, der Phasenwinkel ' im linearen Maßstab aufgetragen werden. In der . Abb. 74.33 werden die Zusammenhänge noch einmal in einer Übersicht dargestellt.

. Abb. 74.33 Beschreibung des Verhaltens von Regelkreisgliedern

1534 Kapitel 74  Grundlagen

74

1535

Regelstrecken Berthold Heinrich

Die Regelstrecke ist derjenige Teil des Wirkungsweges, welcher den aufgabengemäß zu beeinflussenden Teil der Anlage darstellt. Die regelungstechnische und auch mathematische Behandlung von Regelstrecken gibt in zweierlei Hinsicht Probleme auf. Einerseits ist die Art der Strecke oft durch das zu regelnde Problem vorgegeben und in ihren Parametern nur wenig veränderbar. Andererseits sind die Kenngrößen der Strecken fast immer unbekannt, sie werden meist nicht . Abb. 75.1 Strecke ohne Ausgleich – wie bei Reglern – von den Händlern mitgeliefert und müssen zunächst entweder durch physikalische Gesetzmäßigkeiten oder experimentell ermittelt werden. Es interessiert hierbei sowohl das Zeitverhalten als auch das statische Verhalten. Das statische Verhalten dient in erster Linie zur Beurteilung der generellen Eignung, d. h., ob der Stellbereich überhaupt sinnvoll durch die Strecke abgedeckt werden kann. Diese Information kann aus dem Kennlinienfeld nach Wahl des Arbeitspunktes ermittelt werden. Das Zeitverhalten dient zur Beurteilung der Frage, ob eine gegebene Strecke im Zusammenwirken mit den anderen Teilen des Regelkreises sinnvolle Ergebnisse liefert. Notwendig dafür ist stets eine mathematische Beschreibung des dynamischen Verhaltens der Strecke. Die Ergebnisse dieser Berechnungen werden meist grafisch . Abb. 75.2 Strecke mit Ausgleich dargestellt. Aus diesen Diagrammen kann der Praktiker vor Ort dann wichtige Informationen gewinnen. 1 Strecke mit Ausgleich Das unterschiedliche dynamische Verhalten bildet auch die Grundlage für eine Systematisierung der unterschiedli- Legt man an den Spannungsteiler in . Abb. 75.2 eine konchen Streckentypen. Diese erfolgt nicht nach der zu regeln- stante Spannung U 0 an, so kann man am Widerstand R2 den physikalischen Große, sondern nach dem Zeitverhalten eine konstante Spannung U 2 abgreifen. Die Spannung U 2 erreicht einen Beharrungswert. der Strecke. 1 Strecken mit und ohne Verzögerung 75.1

Einteilung der Strecken

1 Strecken mit und ohne Ausgleich

Ein Unterscheidungsmerkmal ist die Frage nach dem so genannten Ausgleich. Der Ausgleich verleiht der Strecke die Eigenschaft der Selbstbegrenzung und wirkt damit stabilisierend. Solche Strecken streben einem Beharrungswert zu.

Ein zweiter Gesichtspunkt ist die Verzögerung, mit der die Strecke einer Stellgrößenänderung folgt. Selten erfolgt die Antwort der Strecke sofort mit voller Stärke. Meist reagiert die Strecke mit einer Trägheit. Strecken mit Verzögerung enthalten Speicherelemente, welche die träge Reaktion bewirken. Die Anzahl der Speicherelemente gibt die Ordnungszahl an. Je höher die Ordnungszahl, desto schwieriger wird die Regelbarkeit.

1 Strecke ohne Ausgleich

1 Strecke ohne Verzögerung Eine Strecke ohne Ausgleich ist z. B. ein Flüssigkeitsbehäl- Legt man an den Spannungsteiler in . Abb. 75.3 eine ter (. Abb. 75.1). Öffnet man den Zufluss, so steigt der Flüs- Spannung an, so kann man sofort am Widerstand R2 eine sigkeitsstand, ohne einem Beharrungswert zuzustreben. konstante Spannung U 2 abgreifen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_75

75

1536

Kapitel 75  Regelstrecken

75

. Abb. 75.6 Strecke ohne Totzeit . Abb. 75.3 Strecke ohne Verzögerung

. Abb. 75.7 Strecke mit Totzeit

. Abb. 75.4 Strecke mit Verzögerung

1 Strecke mit Verzögerung

1 Strecke ohne Totzeit

Legt man an den Kondensator in . Abb. 75.4 eine konstante Spannung an, so baut sich die am Kondensator abfallende Spannung erst allmählich auf. 1 Strecke mit Verzögerung höherer Ordnung

Legt man an den Spannungsteiler in . Abb. 75.6 eine Spannung an, so kann man am Widerstand R2 eine konstante Spannung U 2 abgreifen.

1 Strecke mit Totzeit

Verändert man die Füllmenge des Förderbandes in . Abb. 75.7, so wird sich die Abwurfmenge erst nach einer gewissen Zeit verändern, nämlich dann, wenn die Stellfront an der Abwurfstelle angekommen ist.

Mehrere hintereinander geschaltete RC-Glieder wie in . Abb. 75.5 ergeben eine Strecke höherer Ordnung. 1 Strecken mit und ohne Totzeit

Die Totzeit ist die Zeit, die vergeht, bis eine Strecke reagiert.

75.2

Regelstrecken mit Ausgleich (P-Strecken)

Die mathematisch und meist auch technisch einfachste Strecke besitzt eine Regelgröße x, die sich mit dem Proportionalitätsfaktor K PS proportional zur Stellgröße y verhält. x D KPS  y

(75.1)

1 Übertragungsbeiwert

. Abb. 75.5 Strecke mit Verzögerung höherer Ordnung

Der Proportionalitätsfaktor KPS ist der Übertragungsbeiwert (Index P für P-Verhalten, S für Strecke). Er kann – wie oben beschrieben – aus der Steigung der Kennlinie (. Abb. 75.8) im Arbeitspunkt bestimmt werden.

1537 75.2  Regelstrecken mit Ausgleich (P-Strecken)

. Abb. 75.8 Kennlinienfeld

. Abb. 75.12 Bode-Diagramm einer P-Strecke

. Abb. 75.9 Blocksymbole für P-Strecken

. Abb. 75.10 Sprungantwort einer P-Strecke

4 4 4 4 4 4

Bestimmt werden soll die Ausgangsspannung U 2 (nach dem ohmschen Gesetz) der Übertragungsbeiwert K PS die Sprungantwort die Übergangsfunktion die Ortskurve das Bode-Diagramm

Lösung: Nach dem ohmschen Gesetz in Verbindung mit der Maschenregel liefert die Beziehung zwischen der Eingangsgröße U 0 .D xe ) und der Ausgangsgröße U 2 (xa ) . Abb. 75.11 Ortskurve einer P-Strecke

U2 D

R2  U0 R C R2 „ 1 ƒ‚ … KPS

U2 D

1 Blocksymbol

Als Blocksymbol für den Wirkungsplan sind die Darstellungen aus . Abb. 75.9 gebräuchlich. 1 Sprungantwort

500 )  12 V D 0;714  12 V D 8;6 V 200 ) C 500 )

Somit ist der Übertragungsbeiwert K PS D 0;714 und die Ausgangsspannung U 2 D 8;6. Damit ergeben sich folgende Diagramme: 4 Sprungantwort (. Abb. 75.14) 4 Übergangsfunktion (. Abb. 75.15)

Auf Grund des einfachen mathematischen Zusammenhangs lässt sich die Sprungantwort einer solchen Strecke leicht angeben (. Abb. 75.10). 1 Frequenzgang

Es lässt sich zeigen, dass für den Frequenzgang einer P-Strecke gilt G.j!/ D KPS

. Abb. 75.13 Spannungsteiler

Damit ergibt sich die Ortskurve (. Abb. 75.11). Sie ist zu einem Punkt entartet. 1 Bode-Diagramm

Mit dem Betrag des Frequenzganges jGj D KPS und der Phasenverschiebung ' D 0 ergibt sich das Bode-Diagramm aus . Abb. 75.12.

. Abb. 75.14 Sprungantwort des Spannungsteilers

7 Beispiel für eine Berechnung Für den Spannungsteiler aus . Abb. 75.13 als P-Strecke werden die charakterisierenden Größen und Diagramme für R1 D 200 ), R2 D 500 ), U0 D 12 V erstellt. Die Spannung U 0 steige zum Zeitpunkt t D 0 sprunghaft von 0 V auf 12 V.

. Abb. 75.15 Übergangsfunktion des Spannungsteilers

75

1538

Kapitel 75  Regelstrecken

. Abb. 75.16 Ortskurve des Spannungsteilers

75

75.3

Regelstrecken ohne Ausgleich (I-Strecken)

Bei einem I-Glied ist die Sprungantwort x.t/ eine linear mit der Zeit ansteigende Gerade. . Abb. 75.17 Bode-Diagramm des Spannungsteilers

x.t/ D KIS  t  y

(75.2)

1 Übertragungsbeiwert

Der Faktor K IS  t ist der Übertragungsbeiwert (Index I für I-Verhalten, S für Strecke) Er kann aus der Steigung der Kennlinie der Änderungsgeschwindigkeit im Arbeitspunkt bestimmt werden. K IS  t wächst über alle Grenzen.

4 Ortskurve (. Abb. 75.16) 4 Bode-Diagramm (75.17)

1 Blocksymbol

Als Blocksymbol für den Wirkungsplan sind die Darstellungen aus . Abb. 75.20 gebräuchlich.

Wegen Betrag des Frequenzganges jGj D KPS D 0;714 und auch Phasenverschiebung D 0 ergeben sich Ortskurve und Bode-Diagramm wie in . Abb. 75.16 und 75.17 darge-1 Sprungantwort Auf Grund des einfachen mathematischen Zusammenstellt. 9

1 Hebel (s. . Abb. 75.18)

hangs lässt sich die Sprungantwort einer solchen Strecke leicht angeben (. Abb. 75.21).

Nach dem Hebelgesetz gilt für die Kräfte F 1 , F 2 und die 1 Frequenzgang Hebelarme l1 , l2 : Es lässt sich zeigen, dass für den Frequenzgang G.j!/ einer I-Strecke gilt F2  l2 D F1  l1 ; also ist F 2 D KPS D

l1 F1 und damit l2

l1 l2

G.j!/ D

KIS KIS D j j! !

Damit ergibt sich die Ortskurve aus . Abb. 75.22. Sie ist rein imaginär.

1 Gasleitung (s. . Abb. 75.19)

Nach der Zustandsgleichung für ideale Gase gilt bei konstanter Temperatur für die Drücke p1 , p2 und die Volumenströme Q1 , Q2 : p2  Q2 D p1  Q1 ; Q1 also ist p2 D p und damit Q2 1 KPS D

. Abb. 75.20 Blocksymbole für I-Strecken . Abb. 75.21 Sprungantwort einer I-Strecke

Q1 Q2

. Abb. 75.18 Der Hebel als P-Strecke

. Abb. 75.22 Ortskurve einer I-Strecke . Abb. 75.19 Die Gasleitung als P-Strecke

(75.3)

75

1539 75.4  Regelstrecken mit Verzögerung (PTn -Strecken)

. Abb. 75.23 Bode-Diagramm einer I-Strecke

. Abb. 75.26 Motorgetriebene Spindel als I-Strecke

. Abb. 75.27 Schlingenbahn als I-Strecke

1 Bode-Diagramm

KIS Da für den Betrag des Frequenzganges jGj D und für ! die Phasenverschiebung tan.'/ D

Im .G/   ! 1; d. h. ' D Re .G/ 2

1 Weitere Beispiele für I-Strecken

gilt, ergibt sich das Bode-Diagramm aus . Abb. 75.23. Regelstrecken ohne Ausgleich sind regeltechnisch labil. Ihre Regelung ist schwierig durchzuführen. 7 Beispiel für die Berechnung einer Niveauregelstrecke Für die Niveauregelstrecke in . Abb. 75.24 werden die charakteristischen Größen und Diagramme ermittelt. Behälterdurchmesser d D 0;3 m Stellgröße Qzu D 3 l=s Regelgröße h: Füllhöhe Lösung: Da hier über die Geometrie der Strecke der funktionelle Zusammenhang zwischen der Regelgröße h und der Stellgröße Qzu bestimmbar ist, kann K IS berechnet werden. Qzu  t 1 V D D  Qzu  t A A    .d=2/2 1 1 hD  Qzu  t D 14;15 2  Qzu  t m    .0;3 m=2/2 „ ƒ‚ … hD

KIS

Als Sprungantwort (. Abb. 75.25) ergibt sich damit 1 m3 t  3  103 2 m s cm m t 9 h.t/ D 0;042  t D 4;2 s s

h.t/ D KIS  Qzu  t D 14;15

. Abb. 75.24 Niveauregelstrecke

4 Motorgetriebene Spindel Eine motorgetriebenes Gewinde (. Abb. 75.26) bewegt einen Tisch. 4 Schlingenbahn Schlingenregelung (. Abb. 75.27) von elastischen Stoffbahnen mit großem Durchhang. 75.4

Regelstrecken mit Verzögerung (PTn -Strecken)

Die Antwort einer Strecke auf Veränderungen der Stellgröße verlaufen nur in Ausnahmefällen verzögerungsfrei. Ursache dafür sind Glieder, welche die Eigenschaft der Speicherung besitzen. Sie sorgen dafür, dass z. B. bei P-Strecken der neue Beharrungswert nicht sofort nach Änderung der Eingangsgröße voll erreicht wird, sondern dass sich die Regelgröße erst allmählich diesem Wert annähert. Der Druckluftspeicher aus . Abb. 75.28 ist ein typisches Glied mit Verzögerungsverhalten. Der Druck im Behälter zeigt ein degressives Anstiegsverhalten. Die Ursache liegt in dem sich aufbauenden Gegendruck im Behälterinneren. Eingangsdruck und Innendruck gelangen ins Gleichgewicht. 1 PT1 -Strecken

Strecken, die P-Verhalten zeigen und ein Speicherelement besitzen, werden als PT1 -Strecken bezeichnet. Ihre Sprungantwort x.t/ hat den Verlauf einer Exponentialfunktion und wird beschrieben durch x.t/ D KPS  y  .1  et =T1 /

(75.4)

Dabei ist T 1 eine Zeitkonstante, deren Wert aus dem Grafen der Sprungantwort abgelesen werden kann. T 1 ist die Zeit, . Abb. 75.28 Druckluftspeicher

. Abb. 75.25 Sprungantwort der Niveauregelstrecke

1540

Kapitel 75  Regelstrecken

. Abb. 75.29 Blocksymbol für PT1 -Strecken

75

nach der die Ursprungstangente an x.t/ den Beharrungswert K PS  y erreicht. 1 Blocksymbol

Als Blocksymbol für den Wirkungsplan ist die Darstellung aus . Abb. 75.29 gebräuchlich. . Abb. 75.32 Bode-Diagramm einer PT1 -Strecke

1 Sprungantwort

Die Sprungantwort hat einen Verlauf, wie in . Abb. 75.30 dargestellt. 1 Frequenzgang

Es lässt sich zeigen, dass für den Frequenzgang einer PT1 -Strecke gilt G.j!/ D

KPS 1 C j ! T1

Damit ergibt sich die Ortskurve (. Abb. 75.31). 1 Bode-Diagramm

Mit dem Betrag des Frequenzganges jKPS j jGj D q 1 C ! 2 T12

(75.5)

7 Berechnung für die Aufladung eines Kondensators Für den Ladevorgang beim Kondensator sollen die charakteristischen Größen berechnet werden. Lösung Der Ladevorgang eines Kondensators (. Abb. 75.33 und 75.34) an Gleichspannung zeigt PT1 -Verhalten UC D U0 .1  et=RC /

(75.6)

Man sieht, dass der Übertragungsbeiwert KPS in diesem Falle gleich 1 ist. Die Zeitkonstante T 1 ist gleich RC. In der Elektrotechnik wird diese Zeitkonstante oft mit  abgekürzt. Für C D 5 *F, R D 20 k), U 0 D 100 V erhält man T1 D RC D 20 k)  5 *F D 20  103 )  5  106 F T1 D 0;1 s

und der Phasenverschiebung   1 ' D arctan  ! T1

Wird eine sinusförmige Eingangsspannung

ergibt sich das Bode-Diagramm (. Abb. 75.32).

1  j!  0;1 s 1 1 D D 1 C j!T1 1 C j!  0;1 s 1 C ! 2  0;01 s2 1 !  0;1 s G.j!/ D  1 C ! 2  0;01 s2 1 C ! 2  0;01 s2

U0 D UO 0 sin.!t/ angelegt, so wird er Frequenzgang G.j!/ D

. Abb. 75.30 Sprungantwort einer PT1 -Strecke

. Abb. 75.33 Ladevorgang beim Kondensator. K PS D 1, T 1 D  D RC

. Abb. 75.31 Ortskurve einer PT1 -Strecke

. Abb. 75.34 Sprungantwort bei der Kondensatoraufladung

75

1541 75.4  Regelstrecken mit Verzögerung (PTn -Strecken)

. Abb. 75.35 Ortskurve bei der Kondensatoraufladung . Abb. 75.37 Feder-Dämpfungs-System PT1 -Strecke

als

Beispiel für

eine

. Abb. 75.38 Bandzug einer Stoffbahn als Beispiel für eine PT1 -Strecke

. Abb. 75.36 Bode-Diagramm bei der Kondensatoraufladung

also 1 1 C ! 2  0;01 s2 !  0;1 s Im.G/ D 1 C ! 2  0;01 s2 Re.G/ D

Damit lässt sich die Ortskurve in . Abb. 75.35 konstruieren. Um das Bode-Diagramm zeichnen zu können, wird der Betrag und der Winkel benötigt (. Abb. 75.36): jGj D

. Abb. 75.39 Sprungantwort bei einer PT2 -Strecke. (T u heißt Verzugszeit, T g heißt Ausgleichzeit)

q

ŒRe .G/2 C ŒIm .G/2 s  2  2 1 !  0;01 s jGj D C 1 C ! 2  0;01 s2 1 C ! 2  0;01 s2 1 jGj D p 1 C ! 2  0;01 s2

1 PT2 -Strecken

' D  arctan.!  0;1 s/ 9

1 Weitere Beispiele für PT1 -Strecken

4 Feder mit Dämpfung (ohne Masse) Feder mit Dämpfung und vernachlässigbar kleiner Masse (. Abb. 75.37). sD

F 1  et T1 cf

mit

T1 D

d cf

4 Stoffbahn Bei der Regelung des Bandzuges einer Stoffbahn (. Abb. 75.38) zwischen zwei angetriebenen Klemmstellen baut sich die Kraft F bedingt durch die Elastizität des Materials nicht verzögerungsfrei auf.

Schalten wir zwei Speicherglieder in Reihe hintereinander, so ändert sich die Sprungantwort in grundlegender Weise (. Abb. 75.39). Die Strecke reagiert nun mit einem zunächst schwachen, dann zunehmend steiler werdenden Anstieg ihrer Ausgangsgröße im Zeitverlauf. Sie zeigt in dieser ersten Phase einen progressiven Anstieg. Nach einem Abschnitt des Steilanstiegs jedoch kehrt sich die Tendenz um. Die Funktion gewinnt zwar weiterhin an Höhe, sie steigt noch an, jedoch der Anstieg flacht ab, wird degressiv. Der Punkt der Tendenzwende vom progressiven zum degressiven Verlauf heißt Wendepunkt, die durch ihn gelegte Tangente Wendetangente. Als Blocksymbol für den Wirkungsplan ist die Darstellung aus . Abb. 75.40 gebräuchlich. . Abb. 75.40 Blocksymbol für PT2 -Strecken

1542

75

Kapitel 75  Regelstrecken

. Abb. 75.41 Mechanisches System als Beispiel für eine PT2 -Strecke . Abb. 75.42 Druckspeicher als Beispiel für eine PT2 -Strecke

. Abb. 75.44 PTt -Strecke

. Abb. 75.43 RLC-Glied als Beispiel für eine PT2 -Strecke

. Abb. 75.45 Blocksymbol einer Tt -Strecke

7 Beispiele für PT2 -Strecken In . Abb. 75.41, 75.42 und 75.43 findet man weitere Beispiele für PT2 -Strecken: 4 Mechanisches System (. Abb. 75.41) 4 Druckspeicher (. Abb. 75.42) 4 RLC-Kreis (. Abb. 75.43) 9

75.5

Regelstrecken mit Totzeit (Tt -Strecken) . Abb. 75.46 Sprungantwort bei einer PTt -Strecke

Bei einem Totzeitglied ist die Sprungantwort x um die Totzeit T t (. Abb. 75.44) gegenüber dem Eingangssprung y verschoben.  0 für t  Tt (75.7) x.t/ D Ks  y für t > Tt Als Blocksymbol für den Wirkungsplan ist die Darstellung aus . Abb. 75.45 gebräuchlich.

. Abb. 75.47 Ortskurve einer Tt -Strecke

1 Sprungantwort

Die Sprungantwort hat einen Verlauf, wie in . Abb. 75.46 dargestellt. 1 Frequenzgang

Es lässt sich zeigen, dass für den Frequenzgang gilt G.j!/ D ej!Tt Damit ergibt sich die Ortskurve (. Abb. 75.47). 1 Bode-Diagramm

Mit dem Betrag des Frequenzganges jGj D 1 und der Phasenverschiebung ' D !Tt ergibt sich das Bode-Diagramm (. Abb. 75.48).

. Abb. 75.48 Bode-Diagramm einer Tt -Strecke

1543 75.6  Regelbarkeit und Diagnose

75.6

Regelbarkeit und Diagnose

Das entscheidende Kriterium für die Regelbarkeit von Strecken höherer Ordnung ist das Verhältnis Tg Ausgleichszeit D Verzugszeit Tu

(75.8)

Je größer dieses Verhältnis ist, desto besser ist die Strecke regelbar. Generell gilt: 8 >5 gut regelbar ˆ ˆ mgrenz ! Gewinnzone erreicht Das ist hier der Fall. 82.7

Betriebsergebnis und Absatzsegmentrechnung

Das Betriebsergebnis – auch als Kostenträgerzeitrechnung bezeichnet – zeigt den Gewinn eines Bereiches (Unternehmen, Werk, Produktgruppe). Es wird mitlaufend über das Geschäftsjahr oder am Jahresende nach folgendem Schema ermittelt, gerechnet mit den Zahlen unseres Produktes und einer Jahresstückzahl von 80.000 (. Abb. 82.10): Das Werk erzielt damit einen Überschuss (operatives Ergebnis) von 250.400 C=Jahr.

Umsatzerlöse

m·p

– variable Kosten

m · ksvar

80000 · 30= 2 400 000

= Deckungsbeitrag

DB

= 1 350 400

– fixe Jahreskosten

Kfix

– 1 100 000

= Betriebsergebnis

BE €/Jahr

80000 · 13,12 = 1 049 600

. Abb. 82.10 Betriebsergebnis

. Abb. 82.11 Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung

= 250 400

Werden im Unternehmen mehrere Produktgruppen produziert, so interessiert das Ergebnis pro Produktgruppe (Produktsegment, strategische Geschäftseinheit). Dazu dient die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung in Form der stufenweisen Fixkostenrechnung. Sie wird zur mittelfristigen Beurteilung von Produkten, Produktgruppen, strategischen Geschäftseinheiten eingesetzt, wobei jeweils ein entsprechendes Stufenergebnis ausgewiesen wird. 7 Beispiel Das Unternehmen stellt die Produktgruppen (SGE) PKWFelgen und Heizungspumpen her. Die Daten der Produkte sind in . Abb. 82.11 dargestellt. In der Produktgruppe Felgen werden Standardfelgen und Sportfelgen produziert mit den angegebenen Preisen und Kosten, in der Pumpengruppe die Typen A und B. Zunächst wird aus verkaufter Menge und Preis der jeweilige Erlös ermittelt. Durch Abzug der variablen Selbstkosten (Materialeinzelkosten, Fertigungslohn, variable Fertigungsgemeinkosten, Sondereinzelkosten der Fertigung, Sondereinzelkosten Vertrieb) ergibt sich der jährliche Deckungsbeitrag pro Produkt (DB1).Er entspricht dem in 7 Abschn. 82.5 beschriebenen Deckungsbeitrag. Dieser erlaubt Aussagen über den kurzfristigen Erfolgsbeitrag des jeweiligen Produktes bei gegebenen Fixkosten. Erfolgreichstes Produkt ist hier die Standardfelge mit dem höchsten DB1. Vom DB1 werden die erzeugnisfixen Kosten jedes Produktes abgezogen, beispielsweise Vertriebsgemeinkosten, die nur für das Produkt anfallen, oder auch Kosten des Entwicklungspersonals, das nur für das spezifische Produkt arbeitet. Man erhält den DB2. Er zeigt das Ergebnis eines jeden Produktes nach Abzug der von ihm verursachten Fixkosten. Bei negativem DB2 werden Marktaustrittsüberlegungen für ein Produkt angestoßen, allerdings unter Berücksichtigung weiterer Überlegungen (Substitutionswirkungen der Produkte,

82

1602

Kapitel 82  Industrielle Kosten- und Wirtschaftlichkeitsrechnung

strategische Überlegungen, Möglichkeit eines Relaunch, d. h. Produkterneuerung). Nach Abzug erzeugnisgruppenfixer Kosten (z. B. Abschreibung eines Werkes, das nur für die Produktgruppe Felgen arbeitet oder fixe Kosten einer Versuchsabteilung für Pumpen) ergibt sich der DB3. Er erlaubt die Beurteilung einer Produktgruppe bzw. einer strategischen Geschäftseinheit bis hin zu Marktaustrittsentscheidungen, für die wiederum die oben getroffenen Prämissen gelten. Der im . Abb. 82.11 gezeigte negative DB3 der Pumpen legt eine nähere Analyse einer solchen Entscheidung nahe. Ein Marktaustritt aus dem Pumpensegment deutet auf eine Ergebnisverbesserung hin, allerdings wieder unter dem Primat strategischer Überlegungen. Der Abzug der unternehmensfixen Kosten (z. B. Fixkosten der zentralen Personalabteilung) führt zum Betriebsergebnis DB4. Hier werden ggfs. Überlegungen zur Stilllegung des Unternehmens eingeleitet. 9

82.8

82

Wirtschaftlichkeits- und Investitionsrechnung

Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsrechnung sind die täglich zu treffenden Entscheidungen in der Auftragsabwicklung. Sie basieren im wesentlichen auf einer vorgegebenen Maschinenkapazität. Demgegenüber befasst sich die Investitionsrechnung mit der optimalen Beschaffung von Maschinen und Anlagen. Diese Entscheidungen sind langfristiger Natur. In der Verfahrenswahl geht es um die Belegung der kostenminimalen Maschine, wobei mehrere alternative Maschinen in der Fertigung zur Verfügung stehen. Basis der Entscheidung sind die aus der Kostenplanung (siehe 7 Abschn. 82.2) ermittelten Kostensätze und die Belegungszeiten pro Stück bzw. pro Los. Da die Maschinen vorhanden sind, werden die fixen Kosten durch die Verfahrensentscheidung nicht beeinflusst. Es wird der variable Kostensatz herangezogen.

. Abb. 82.12 Verfahrenswahl (Bilder: Hessap)

7 Beispiel Für den Auftrag auf Maschine A steht alternativ ein Fremdlieferant zur Verfügung. Dessen Preis liegt bei 2 C=Stück. Für den erhöhten Aufwand zur Auftragsabwicklung bei Fremdbezug werden 10 % des Einstandspreises angesetzt (erhöhte Fixkosten). Der Vergleich spricht für den Fremdbezug (. Abb. 82.13), sofern nichtökonomische Gründe (Termineinhaltung, Qualität, Know-how-Verlust) nicht dagegen sprechen. 9

Im Rahmen der Maschinen- und Anlagenbeschaffung fallen Investitionsentscheidungen an. Anlass zu Investitionen sind 4 die Steigerung des Ausstoßes (Erweiterungsinvestitionen), 4 die Kostensenkung (Rationalisierungsinvestitionen), 4 Ersatzinvestitionen vorhandener Anlagen durch gleichartige. Investitionen beinhalten Chancen. Sie generieren die zukünftigen Unternehmensgewinne. Sie bergen aber auch enorme Risiken in sich. Kaum ein Unternehmen kann sich

7 Beispiel Ein Drehteil kann auf zwei alternativen, vorhandenen Maschinen gefertigt werden. Die variablen Plankostensätze betragen 90 C=Stunde für Maschine A (. Abb. 82.12, links) bzw. 75 C=Stunde für Maschine B (rechts). Die Belegungszeit pro Stück betrage 2 min (A) bzw. 4 min (B). Der Vergleich der variablen Fertigungskosten spricht für Maschine A. 9

Bei zu beschaffenden Maschinen ist ein Kostenvergleich mit dem vollen Plankostensatz durchzuführen. Im Rahmen der Auftragsabwicklung besteht häufig die Möglichkeit, einzelne Fertigungsstufen oder ganze Fertigungsfolgen an Fremdlieferanten auszulagern (sogenannte verlängerte Werkbank). Diese Make-or-buy-Entscheidung vergleicht die variablen Kosten bei Eigenfertigung mit dem Preis des Fremdlieferanten.

. Abb. 82.13 Make-or-buy-Vergleich (EF D Eigenfertigung, FB D Fremdbezug)

1603 82.8  Wirtschaftlichkeits- und Investitionsrechnung

. Abb. 82.14 Beispiel für Amortisationsrechnung

Fehlinvestitionen leisten. Deshalb empfiehlt sich ein wirksames Projektmanagement für Investitionen mit 4 Fachabteilung und Controlling im Projektteam, 4 sorgfältiger Erhebung wirtschaftlicher und technischer Daten, 4 Investitionsrechnungen zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit, 4 Bereitstellung eines ausreichenden Investitionsbudgets durch die Unternehmensleitung, 4 Beantragung der Investitionen durch die Fachabteilung, 4 Termin- und Kostenplanung von Investitionsprojekten (Balkenplan, Netzplan). Die Auswahl geeigneter Investitionen erfolgt aufgrund der von der Fachabteilung in Zusammenarbeit mit dem Controlling erhobenen Prozessinformationen. Die wertmäßige Beurteilung der Investitionen erfolgt durch eine Investitionsrechnung. Die statischen Verfahren zur Investitionsrechnung vernachlässigen den Zeitbezug der Zahlungen (was bringt die Investition?) und sind vorzugsweise für die Vorbeurteilung von Investitionen geeignet. Gebräuchlich ist hier die Amortisationsrechnung. Sie ermittelt die Amortisationsdauer (TA) eines Investitionsbetrages I0 : TA D I0 =R mit R D Rückfluss bzw. Cash Flow=Jahr, I0 D Investitionsbetrag (Kapitaleinsatz). Der Rückfluss errechnet sich aus den durch die Investition verursachten Zahlungsströmen (Cash Flows). Sie werden ermittelt aus der laufenden Kostensenkung zuzüglich der Umsatzsteigerung durch die Investition. Die Kostensenkung wird ohne die Abschreibung gerechnet. 7 Beispiel An einer vorhandenen Produktionsmaschine könnte eine verbesserte Steuerung angebaut werden. Kaufpreis 48.000 C. Die

Jahreskosten der nicht verbesserten Maschine (Maschine bisher) betragen aufgrund einer Kostenplanung entsprechend der Vorgehensweise in 7 Abschn. 82.2 353.830 C, nach Einbau der Steuerung 353.085 C. Die in den Kosten enthaltene Abschreibung betrage 177.000 (alte Maschine) bzw. 193.000 (Maschine mit neuer Steuerung D Maschine neu). Die Abschreibung ist nicht zahlungswirksam, d. h. der Wertverlust einer Maschine ist nicht von einem Zahlungsstrom (Cash Flow) begleitet. Die Abschreibung ist deshalb beim Rückfluss immer herauszurechnen. Erlöse werden durch die Investition hier nicht beeinflusst. Die zugehörige Amortisationsrechnung ist in . Abb. 82.14 dargestellt. Ohne die Abschreibungen ergeben sich Kosten von 176.830 bzw. 160.085 C=Jahr. Die Differenz ist der Rückfluss der Steuerung (16.745 C=Jahr). 9

Die Amortisationsdauer errechnet sich aus TA D 48:000=16:745 D 2;87 Jahre Als grobe Orientierung gilt: Die Amortisationsdauer sollte bei Produktionsmaschinen mit einer wirtschaftlichen Nutzdauer von ca. 5 bis 6 Jahren nicht mehr als 3 Jahre betragen. Gründe für diese kurze Zeitspanne sind Risiken wie Produktänderungen, Marktveränderungen, technische Probleme usw. Die Rentabilitätsrechnung ermittelt den ROI einer Investition. Der ROI ermittelt sich aus dem Gewinnzuwachs durch das Invest, dividiert durch die Investitionssumme, hier jährlich ROI D 100  .353:830  353:085/=48:000 D 1;55 %: Bei vierjähriger Nutzung insgesamt 4  1;55 % D 6;2 %. Da der Gewinn sämtliche Kosten berücksichtigt, werden hier auch die Abschreibungen mit einbezogen. Weil die Erlöse beider Alternativen gleich sind, ist der Gewinn gleich der Kostendifferenz.

82

1604

Kapitel 82  Industrielle Kosten- und Wirtschaftlichkeitsrechnung

Dynamische Verfahren berücksichtigen den Zeitpunkt einer Zahlung (Einsparung, Kaufpreiszahlung) und die daraus entstehenden Zinseffekte. Beispielsweise ist eine Einsparung, die ein Investitionsobjekt aufgrund von Kinderkrankheiten erst in einigen Jahren erbringt, weniger wert als ein frühzeitiger Return. Gebräuchlich ist hier die Kapitalwertmethode. Zunächst wird hier die geforderte Mindestverzinsung für Investitionskapital ik von der Unternehmensleitung vorgegeben. Ein angemessener Wert: 15–20 %, in einer Reihe von Großunternehmen größenmäßig angewandt, was einer Rendite von ca. 7–10 % nach Steuern entspricht, wobei das Investitionsrisiko beinhaltet ist. Diese Rendite erwartet ein privatwirtschaftlicher Investor von einer Investition. Grundlage der Berechnung ist die Entwicklung eines heute angelegten Barbetrages BW in n Jahren bei einem Zinssatz von ik En D BW.1 C ik=100/n

82

7 Beispiel Aus einem heute zu 5 % angelegten Betrag von 1000 C wird in 4 Jahren ein Betrag von E4 D 1000.1 C 5=100/4 D 1215 C. 9

Löst man nach BW auf, hat ein in n Jahren erwarteter Betrag, den eine Investition bringt, auf heute bezogen den Wert BW D En =.1 C ik=100/n Eine Einsparung, die eine Maschine in n Jahren erbringt, ist auf heute bezogen weniger wert.

Setzt man für die Beträge den Rückfluss R ein, so gilt für den Barwert aller Maschinenrückflüsse BW D R1 =.1 C ik=100/ C R2 =.1 C ik=100/2 C : : : CRn =.1 C ik=100/n Mit dem Barwert der Rückflüsse sollte das Invest I0 (im wesentlichen Kaufpreis + Aufstellungskosten) beglichen werden. Der dann noch verbleibende Überschuss ist der Kapitalwert C: C D BW  I0 Bei positivem Kapitalwert ist die Investition absolut gesehen wirtschaftlich, d. h. sie wird in das Investitionsprogramm aufgenommen. 7 Beispiel Die Investition nach . Abb. 82.14 wird mit der Kapitalwertmethode beurteilt: Dazu ist zunähst eine im Unternehmen geforderte Mindestverzinsung festzulegen, hier mit ik D 10 %. Die Lebensdauer der Steuerung wird mit 4 Jahren angenommen. Der Barwert aller Einsparungen ergibt sich dann mit BW D 16:745=1;10 C 16:745=1;102 C : : : C 16:745=1;104 Es ergibt sich ein Barwert von 53.079 C. Von diesem Barwert wird der Kaufpreis der Steuerung beglichen. Der verbleibende Rest ist der Kapitalwert (Überschuss) C D 53:079  48:000 D 5079 C Der Kauf ist noch lohnend. Nach Bezahlung des Kaufpreises und der Zinsen bleibt noch ein Überschuss von 5079 C. Bei einer Mindestverzinsung von 20 % verringert sich der Überschuss entsprechend. 9

1605

Produktmarketing und marktorientierte Produktgestaltung Jürgen Bauer

83.1

Aufgaben

Mit der Wandlung vom Verkäufer- zum Käufermarkt, der zunehmenden Konkurrenz und der häufig identischen Produkte wird das Marketing zur Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. Marketing wird dabei als Ausrichtung des Unternehmens auf den Markt. und den Kunden definiert. Diese Marktausrichtung betrifft alle Funktionen der Wertschöpfungskette in . Abb. 79.2, insbesondere den Vertrieb und die Entwicklung. 83.2

Marketing-Instrumente

Die Ausrichtung auf den Markt erfolgt durch das Marketing-Mix als Paket von Methoden, bestehend aus 4 Produkt- und Programmpolitik 4 Kommunikationspolitik (Werbung) 4 Preispolitik (Kontrahierungspolitik) 4 Distributionspolitik. Im Fokus der Produkt- und Programmgestaltung steht die Entwicklung neuer Produkte mit einem aus der Sicht des Käufers hohen Gebrauchs- und Geltungsnutzen. Den Gebrauchsnutzen erkennt der Käufer im Gebrauch des Produktes. Dazu gehören z. B. hohe Leistung, geringe Wartungskosten, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit im Gebrauch des Produkts. Der Geltungsnutzen wird vom Käufer als Prestigezuwachs empfunden. Er wird durch das Design, Verpackung, Trendnutzen, Markenimage bestimmt. Von Bedeutung ist die Schaffung eines Alleinstellungsmerkmales (USP D Unique Selling Proposition, einzigartiger Verkaufsvorteil). Damit soll das Produkt eine unter den Konkurrenzprodukten herausragende Stellung erhalten.

7 Beispiel Der Smart hat durch seine Produkteigenschaften (variables Farb-Design, geringer Parkraumbedarf) einen USP gegenüber Konkurrenzprodukten. 9 7 Beispiel Der luftgekühlte Boxermotor war ein USP des VW-Käfers. 9

Zu den Aufgaben der Programm- und Produktpolitik gehört ferner die Beobachtung der Lebenskurve eines Produktes (. Abb. 83.1). Mit der Markpräsenz beginnt üblicherweise ein Anstieg der Absatzstückzahlen. Nach einer Phase der Marktsättigung geht die Stückzahl zurück. Hier sollte ein Relaunch des Produktes oder die Einstellung der Produktlinie erwogen werden. Die Produktlebenskurve hat eine Signalfunktion für das Unternehmen: Sie fordert Entwicklung und Vertrieb

. Abb. 83.1 Produktlebenskurve

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_83

83

1606

Kapitel 83  Produktmarketing und marktorientierte Produktgestaltung

auf, rechtzeitig Nachfolgeprodukte aufzulegen und durch Produktverfeinerung den Rückgang der Stückzahlen abzuschwächen. Das Marktanteil-Marktwachstum-Portfolio stellt den relativen Marktanteil dem erwarteten Marktwachstum gegenüber. Der relative Marktanteil errechnet sich aus dem Produktumsatz: MArel D eigener Umsatz= Umsatz des Hauptkonkurrenten Relative Marktanteile < 1 werden als niedrig bezeichnet. 7 Beispiel Ein Nutzfahrzeughersteller hat folgende Fahrzeuge im Programm: Produkt

Umsatz C=J

Leicht-LKW

83

0,8 Mrd

Umsatz Hauptkonkurrent 2,4 Mrd

Schwer-LKW

36 Mrd

18 Mrd

Omnibusse

24 Mrd

20 Mrd

Kommunalfahrzeuge

2,4 Mrd

1,6 Mrd

Erwartetes Marktwachstum pro Jahr 6 % (niedrig) 15 % (hoch) 7 % (niedrig) 14 % (hoch)

Das entsprechende Portfolio ist in . Abb. 83.2 dargestellt. Hier erfolgt die Einordnung der Produkte in die vier Felder. Produkte mit hohem Marktanteil und hohem Marktwachstum zu schaffen, ist das Bestreben jeder Entwicklungsabteilung. Sie werden als Starprodukte bezeichnet. Ein niedriger Marktanteil, aber hohes Wachstum ist typisch für Produkte, die gerade neu auf den Markt gekommen sind. Wegen der Unsicherheit über die weitere Entwicklung werden sie als Question Marks bezeichnet. Ausgereifte Produkte mit hohem Marktanteil sind die Basis der finanziellen Stärke des Unternehmens. Sie sind die Cashcows. Produkte am Ende ihrer Marktlebensdauer sind die typischen Poor Dogs. 9

Erwartetes Marktwachstum

hoch

Question Mark Kommunalfahrzeuge

Star Schwer-LKW

Für die Weiterentwicklung der Produkte bieten sich im Beispiel folgende Maßnahmen an: 4 Fördern der Star-Produkte (Investieren, Ausbauen) ! Schwer-Lkw 4 Selektives Fördern der Question-mark-Produkte (dort investieren, wo eine Weiterentwicklung zum Star-Produkt zu erwarten ist) ! Kommunalfahrzeuge 4 Ernten bei Cashcow-Produkten (Kostensenkung, Erhaltungsinvestitionen) ! Omnibusse 4 Marktaustritt bei Poor Dogs prüfen (ggfs. Lizenzvergabe mit Produktionsverlagerung ) ! Leicht-Lkw. Bei Leicht-Lkw sollte nur noch in den Ersatz bestehender Anlagen investiert werden. Die Beschaffung neuer Anlagen ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Die Kommunikationspolitik befasst sich mit der Werbung für ein Produkt, mit der Öffentlichkeitsarbeit und der Verkaufsförderung. Instrumente sind u. a. die Printwerbung, Messen, Sponsoring von Ereignissen und das Product Placement z. B. in Film oder Fernsehen Dem Kaufinteressenten wird eine Nutzenbotschaft (welchen Nutzen bringt das Produkt = consumer benefit) vermittelt, die in der Werbung zu begründen ist (reason why). Gegenstand der Kontrahierungspolitik ist die Preisgestaltung und alle damit verbundenen Entscheidungen. Im Anlagenbau erhält dabei die Kreditgewährung durch den Lieferanten eine herausragende Rolle. Die Distributionspolitik gestaltet die Absatzwege (Absatzkanäle) des Produktes zum Kunden. Neue Absatzkanäle z. B. über das Internet gewinnen dabei auch im Maschinenbau an Bedeutung. Hier ist ferner zu entscheiden, ob Absatzmittler in Form des Großhandels oder Einzelhandels einzuschalten sind oder der Direktverkauf bevorzugt wird. 83.3

Unter Marktforschung werden alle Aktivitäten gebündelt, die der Informationsgewinnung über Kaufmotive der Kunden, Marktgegebenheiten, Trends, Konkurrenzprodukte usw. dienen. Das Unternehmen kann dabei u. a. auf Informationen von Marktforschungsinstituten zurückgreifen, die in regelmäßigen Abständen eine gleichbleibende Käufergruppe auf ihr Verhalten untersucht, um Trends festzustellen. Diese als Panel bezeichneten Erhebungen werden auch für Industriekunden durchgeführt (Unternehmenspanel). 83.4

niedrig

Poor Dog Leicht-LKW

Cash Cow Omnibusse Marktanteil

niedrig

hoch

. Abb. 83.2 Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (4-Felder-Portfolio)

Marktforschung

Marketingstrategien

Für das Unternehmen eröffnen sich 4 grundsätzliche Marketingstrategien. Bei bestehenden Märkten (Kunden) und vorhandenen Produkten ist eine Marktdurchdringung möglich. Hier wird durch aggressive Preispolitik und intensive Werbung versucht, Marktanteile zu gewinnen (. Abb. 83.3).

1607

Produkte

83.5  Target Costing

Märkte

bestehend

neu

bestehend

Marktdurchdringung

Produkterweiterung

neu

Markterweiterung

Diversifikation

. Abb. 83.3 Marketingstrategien nach Ansoff

Für bestehende Produkte können neue Märkte erschlossen werden, bezeichnet als Markterweiterung. 7 Beispiel Ein Hersteller von Industrierobotern erschließt neue Einsatzfelder im Handelsbereich. 9

Bei der Produkterweiterung werden neue Produkte für bestehende Märkte eingesetzt. 7 Beispiel Ein Hersteller von Werkzeugmaschinen entwickelt und liefert zusätzlich Späneaufbereitungsanlagen. 9

Bei der Diversifikationsstrategie geht das Unternehmen mit neuen Produkten auf neue Märkte. 7 Beispiel Ein Hersteller von PKWs stellt zukünftig auch Nutzfahrzeuge her. 9

Statt der aufwendigen Eigenentwicklung neuer Produkte kann dabei auf Lizenzen ausgewichen werden. Ferner können neue Produkte durch Zusammenschluss mit anderen Unternehmen marktreif gemacht werden. ist diese Marketingstrategie risikoreich. Die Wahl der Marketingstrategie hängt wesentlich von der Position des Produktes im 9-Felder-Portfolio (. Abb. 80.3) ab. 83.5

Target Costing

Das Target Costing (TC), auch als Zielkostenrechnung bezeichnet, berücksichtigt die Wettbewerbskomponente in der Produktkostenrechnung. Die eigenen Produktkosten sollen sich an denen der Konkurrenz orientieren. Das Verfahren ist insbesondere in der Automobilindustrie verbreitet. Anhand von Konkurrenzprodukten werden Zielpreise (pz) z. B. für einen PKW-Typ oder eine Baugruppe der

Konkurrenz erhoben. Durch Subtraktion eines mutmaßlichen Zielgewinnes (gz) werden dann Target Costs (tc), auch als allowable Costs bezeichnet, als Vorgabe für die eigene Produktentwicklung definiert. tc D pz  gz Hauptanliegen der Zielkostenrechnung ist die Ausrichtung der eigenen Produktkosten (Drifting Costs) am Wettbewerb. Übersteigen diese die Zielkosten, werden die Kostenüberschreitungen durch Kosten kneten verringert, bis die Zielkosten der Konkurrenz erreicht sind. Bei zusammengesetzten (mehrstufigen) Produkten entsteht ein Problem: Die Zielkosten eines Produktes müssen auf dessen Einzelteile heruntergebrochen werden, so dass Zielvorgaben für die Komponenten entstehen. Ein Lösungsweg besteht in der Orientierung an den Produktfunktionen, wie sie in der Wertanalyse als Methode zur technisch-wirtschaftlichen Optimierung von Produkten und Verfahren verwendet werden. Es gilt der Grundsatz: Je größer der Funktionsbeitrag einer Komponente (Baugruppe, Einzelteil), desto höher sind deren erlaubte Kosten. 7 Beispiel Der Hersteller von PKW-Felgen, bestehend aus Felge einzeln und vier Befestigungsschrauben, ermittelt die eigenen Produktkosten eines Typs mit 60 C=Stück. Die Konkurrenz bietet die Felgen zu einem Verkaufspreis von 58 C an. Bei einem angenommenen Zielgewinn des Konkurrenten von 10 % ergeben sich Zielkosten von 58=1;1 D 52;73 C=Stück für das eigene Produkt. Die eigenen Selbstkosten einer kompletten Felge sollen also 52,73 C nicht überschreiten. Der Knetbetrag beträgt 60  52;73 D 7;27 C=Felge komplett. Wie hoch sind die Zielkosten für die einzelne Felge und die vier Schrauben? Dazu wird eine Funktionsanalyse durchgeführt. Die Funktionserfüllung wird als Beitrag der Einzelteile mit Werten zwischen 0 und 1 ausgedrückt. Betrachtet man die Funktion Fahreigenschaften verbessern, so leistet die Felge einen Funktionsbeitrag von ca. 0,7 und die Befestigungsschrauben von ca. 0,3 (. Abb. 83.4). Der Anteil der Felge an der Funktionserfüllung beträgt 6;8=10  100 D 68 %, der der vier Schrauben 32 %. Aus diesem Funktionsbeitrag werden die Zielkosten abgeleitet: Der Felge werden Zielkosten von 68 % der Produktzielkosten von 52,73, also 35,86 C/Stück zugestanden. Die Schrauben erhalten Zielkosten von 32 % von 52,73, also 16,87 C/4 Schrauben. Durch Vergleich mit den Produktkosten der Einzelteile ergibt sich der betreffende Knetbetrag. 9

Erkennbar ist eine Schwachstelle beim Herunterbrechen der Zielkosten auf Einzelteile, Produktionsverfahren, Baugruppen. Die Zuordnung des Funktionsbeitrages ist subjektiv. Dennoch zeigt die Diskussion der Zielkosten den Entwicklern, Material- und Produktionsmanagern Rationalisierungsschwerpunkte auf. Das Target Costing wird insbesondere in der Automotive- und Elektro-Industrie eingesetzt.

83

1608

Kapitel 83  Produktmarketing und marktorientierte Produktgestaltung

Funktion aus Käufersicht

Felge

Schrauben 0,3

Summe

Fahreigenschaften verbessern

0,7

1

Kräfte aufnehmen

0,5

0,5

1

Montage erleichtern

0,4

0,6

1

Demontage erleichtern

0,4

0,6

1

Lebensdauer gewährleisten Umweltbelastung verringern

0,7 0,9

0,3 0,1

1 1

Fahrsicherheit gewährleisten

0,9

0,1

1

Wartung vereinfachen

0,5

0,5

1

Aussehen verbessern

0,9

0,1

1

Käuferimage erhöhen

0,9

0,1

1

Summe

6,8

3,2

10

. Abb. 83.4 Funktionsbeitrag der Einzelteile

83.6

83

Wertanalyse

Die Wertanalyse hat sich als effektives Instrument einer marktorientierten und wirtschaftlichen Produktgestaltung in vielen Unternehmen etabliert. Durch Einbindung aller an der Wertschöpfung im Unternehmen beteiligten Stellen aktiviert sie deren Ideenpotential. Kennzeichen der Wertanalyse sind 4 die Orientierung der Produktgestaltung an den Käuferwünschen 4 die Orientierung an den vom Käufer gestellten Aufgaben (Funktionen) 4 die Ableitung von Funktionskosten 4 die Ideenfindung im interdisziplinären (cross-funktionalen) Team 4 der Einsatz des Brainstormings und weiterer Techniken zur Ideenfindung 4 die Orientierung an einem vorgegebenen Arbeitsplan. Die Funktionen werden aus der Sicht des Käufers als Gebrauchs- und Geltungsfunktionen definiert. Die Leitfrage was tut das Produkt? führt dabei zu den Hauptfunktionen. Ihre Erfüllung aus Käufersicht bestimmt den Produkterfolg. Die Frage Wie wird die Hauptfunktion erfüllt? zeigt den technischen Lösungsweg. Er wird in den Nebenfunktionen definiert. Überflüssige Funktionen sind zu vermeiden. Funktionsmängel sind offen zu legen und zu eliminieren. Dies führt zur Verbesserung des Gebrauchs- und Geltungsnutzens. Funktionen mit geringer Bedeutung für den Käufer, aber hohen Funktionskosten sind Anlass für Kostensenkungsmaßnahmen in Beschaffung, Produktion und Vertrieb. Das Target Costing liefert hier zusätzliche Kosteninformationen.

Vorbereitung

Auswählen Objekt bzw. Produkt

Erfassen Istdaten

Funktionsanalyse, Funktionskosten

Funktionskritik

Überflüssige Funktionen eliminieren, Funktionsdefizite beseitigen

Ideenfindung Ideenkritik

u. a. Brainstorming Auswahl geeigneter Lösungen

Präsentation

Vorschlag und Konkretisierung der Lösungen durch das Team

. Abb. 83.5 Arbeitsplan der Wertanalyse (in Anlehnung an DIN EN 1325-1)

Die Ideenfindung ist der Produktentwicklung vorgelagert. In der bevorzugten Methode des Brainstormings werden im Team Ideen genannt und erfasst. Diese Ideensuche erfolgt zunächst ohne Kritik und möglichst spontan. Auch unkonventionelle Ideen sind erwünscht. Eine Brainstorming-Sitzung dauert ca. 1 bis 2 Stunden und wird mehrmals wiederholt. Nach Abschluss des Brainstormings erfolgt die Kritik und Auswahl der Ideen. Die Wertanalyse eines Produktes wird als Projekt geplant (siehe 7 Abschn. 80.5). Der Ablauf orientiert sich an dem in DIN EN 1325 definierten Arbeitsplan (. Abb. 83.5).

Literaturhinweise 1. Bauer, J., Hayessen, E.: Controlling für Industrieunternehmen. Springer Vieweg, Wiesbaden (2006) 2. Bauer, J., Hayessen, E.: 100 Produktionskennzahlen. Cometis Publishing, Wiesbaden (2009) 3. Bauer, J.: Produktionscontrolling und -management mit SAP® ERP. Springer Vieweg, Wiesbaden (2017) 4. Coenenberg, A.G., Fischer, T.M., Günther, T.: Kostenrechnung und Kostenanalyse. Schäffer-Poeschel, Stuttgart (2016) 5. Däumler, K.D.: Grundlagen der Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung. NWB, Herne (2014) 6. DIN EN 1325: Value Management – Wörterbuch – Begriffe; Deutsche Fassung EN 1235. Beuth, Berlin (2014) 7. Friedag, H.R., Schmidt, W.: Balanced Scorecard. Haufe, Freiburg (2015) 8. Hammer, M., Champy, J.: Business Reengineering. Campus, Frankfurt/M. (2003) 9. Härdler, J., Gonschorek, T. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure. Hanser, München (2016) 10. Kaplan, R., Norton, D.: Balanced Scorecard. Poeschel, Stuttgart (1996) 11. Pepels, W. (Hrsg.): Marketing-Management für Ingenieure und Informatiker. Fortis, Köln (2000) 12. Porter, M.: Wettbewerbsstrategie. Campus, Frankfurt/M. (2013) 13. Schreyögg, G., Geiger, D.: Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien. Springer Gabler, Wiesbaden (2015) 14. VDI (Hrsg.): Wertanalyse – Das Tool im Value Management. VDIVerlag, Berlin (2011) 15. Vollmuth, H.J., Zwettler, R.: Kennzahlen. Haufe, Freiburg (2015) 16. Wiendahl, H.P.: Betriebsorganisation für Ingenieure. Hanser, München, Wien (2014) 17. Witt, J.: Produktinnovation. Vahlen, München (1996)

1609

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten – Betriebswirtschaftliche Grundlagen Gewinn

C=Stücka

Erlös  Kosten

VertrGK

C=Stücka

Vertriebsgemeinkosten

Rendite

%

Gewinn bezogen auf Kapitaleinsatz

db

C=Stücka

Deckungsbeitrag

ksvar

C=Stücka

variable Kosten

Tb

min=Stücka

Belegung im Engpass

dbspez

C=min

spezifischer Deckungsbeitrag

mgrenz

Stück=Jahr

Break-Even-Stückzahl

mprognose

Stück=Jahr

Prognostizierte Stückzahl

Produktivität Stück=Lohnstundea a

Output zu Input

Wirtschaftlichkeit

kg=Stück

Verbrauch bezogen auf Produktionsmenge

ROI

%

Return on Investment

SAZ

Arbeitstageb

Spätester Anfangszeitpunkt eines Vorgangs

a

DB

C=Jahr

Deckungsbeitrag

FAZ

Arbeitstageb

Frühester Anfangszeitpunkt eines Vorgangs

DB1

C=Jahra

kurzfristiger Deckungsbeitrag Produkt

Puffer

Arbeitstage

verfügbare Zeitspanne für Verzögerungen

DB2

C=Jahra

langfristiger Deckungsbeitrag Produkt

K

Ca

Vorgangskosten

DB3

C=Jahra

langfristiger Deckungsbeitrag Produktgruppe

ti

Arbeitstage

Dauer Vorgang i DB4

C=Jahra

KSj

C=Std

Kostensatz Abteilung j

langfristiger Deckungsbeitrag Unternehmen

EK-Anteil

%

Eigenkapital bezogen auf Gesamtkapital

BE

C=Jahra

CF

C=Jahra

Cash Flow aus Einzahlungen  Auszahlungen

LQ1

dimensionslos

Liquidität ersten Grades

K

C=Jahra

Kosten

V

kg=Jahra

Verbrauch

p

C=kga

T

Betriebsergebnis (D DB4) a

Kfertvar (EF) C=Stück

Variable Fertigungskosten bei Eigenfertigung

K(FB)

C=Stücka

Kosten bei Fremdbezug

I0

C

Investitionsbetrag

R1

C=Jahr

Rückfluss aus Investition Jahr 1

Preis=Verbrauchseinheit

TA

Jahre

Amortisationszeit

Std=Jahra

Auslastung

ik

%=Jahr

Kalkulationszinssatz

Kges

C=Jahra

Gesamtkosten

BW

C

Barwert (heutiger Wert)

Kvar

C=Jahra

variable Kosten

En

C

Endwert nach n Jahren

Kfix

C=Jahra

fixe Kosten

C

C

Kapitalwert

PKSges

C=Std

Plan-Gesamtkostensatz

MA

dimensionslos

Marktanteil

PKSvar

C=Std

variabler Plan-Kostensatz

MArel

dimensionslos

Relativer Marktanteil (zum Marktführer)

PKSfix

C=Std

pz

C=Stücka

Zielpreis

gz

a

Zielgewinn

a

Zielkosten (target costs)

fixer Plan-Kostensatz a

MatGK

C=Stück

Materialgemeinkosten

FertGK

C=Stücka

Fertigungsgemeinkosten

EntGK

C=Stücka

Entwicklungsgemeinkosten

VerwGK

a

C=Stück

Verwaltungsgemeinkosten

tc a b

C=Stück C=Stück

auch alternative Einheiten möglich auch Kalendertage möglich

1611

Arbeitswissenschaft Inhaltsverzeichnis Kapitel 84

Arbeitswissenschaft im technischen Umfeld – 1613 Klaus-Dieter Arndt

Kapitel 85

Grundlagen des Arbeitsstudiums – 1619 Klaus-Dieter Arndt

Kapitel 86

Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung – 1635 Klaus-Dieter Arndt

XVII

1613

Arbeitswissenschaft im technischen Umfeld Klaus-Dieter Arndt

Die Arbeit spielt im Leben des Menschen eine beherrschende Rolle. Er ist hier einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt, die die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinflussen und die weit in die übrigen Lebensbereiche hineinwirken. Aus diesem Grunde beschäftigt man sich seit Menschengedenken mit den Veränderungen im Arbeitsleben und in der Arbeitswelt. 84.1

Aufgaben und Zweck der Arbeitswissenschaft

Die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) definiert die Arbeitswissenschaft wie folgt:

Inhalt der Arbeitswissenschaft ist die Analyse und Gestaltung von Arbeitssystemen und Arbeitsmitteln, wobei der arbeitende Mensch in seinen individuellen und sozialen Beziehungen zu den übrigen Elementen des Arbeitssystems Ausgang und Ziel der Betrachtung ist.

Die Arbeitswissenschaft ist daher die Wissenschaft von 4 der menschlichen Arbeit, speziell unter den Gesichtspunkten der Zusammenarbeit von Menschen und des Zusammenwirkens von Menschen und Arbeitsmitteln bzw. Arbeitsgegenständen, 4 den Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen die Arbeit sich vollzieht, 4 den Wirkungen und Folgen, die sie auf Menschen, ihr Verhalten und damit auch auf ihre Leistungsfähigkeit hat sowie 4 den Faktoren, durch die die Arbeit, ihre Bedingungen und Wirkungen menschengerecht beeinflusst werden können. Die Gestaltung der Arbeit nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen umfasst damit alle Maßnahmen, durch die das System Mensch und Arbeit menschengerecht, d. h. ge-

messen am Maßstab Mensch und seinen Eigenschaften, beeinflusst werden kann. Diese vielfältigen und vielseitigen Aufgaben können nur durch das Zusammenwirken einschlägiger Wissenschaftsbereiche gelöst werden, insbesondere durch die auf die menschliche Arbeit bezogenen Erkenntnisse 4 der Medizin, besonders in physiologischer, hygienischer und toxikologischer Hinsicht, 4 der Sozialwissenschaften, speziell der Psychologie, der Soziologie und der Pädagogik, 4 der technischen Wissenschaften, 4 der Wirtschaftswissenschaften und 4 der Rechtswissenschaften. Diese Ausführungen umreißen in ausführlicher Weise auch gleichzeitig die Aufgabengebiete der Arbeitswissenschaft und ihre Grundlagenbereiche (. Abb. 84.1). 84.2

Ziele der Arbeitswissenschaft

Die wechselseitig erforderliche Anpassung von Mensch und Arbeitssystem hat den Menschen in seinen individuellen und sozialen Bindungen als Teil des Arbeitssystems zu sehen. Maßnahmen der Arbeitsgestaltung richten sich deswegen vor allem auf die Verwirklichung der Ziele des individuellen Gesundheitsschutzes, der sozialen Angemessenheit der Arbeit und der technisch wirtschaftlichen Rationalität. Diese Ziele laufen nur zum Teil in die gleiche Richtung. In vielen Fällen führen sie zu einem Interessenkonflikt, sodass der in der Arbeitswissenschaft angestrebte optimale Ausgleich nicht über die Maximierung eines der Ziele, sondern über das Optimieren aller drei Teilziele zu erreichen ist. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Wirken der Arbeitswissenschaft unter den drei Teilzielen 4 individueller Gesundheitsschutz 4 soziale Angemessenheit der Arbeit 4 technisch wirtschaftliche Rationalität zu sehen ist.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_84

84

1614

Kapitel 84  Arbeitswissenschaft im technischen Umfeld

. Abb. 84.1 Bereiche der Arbeitswissenschaft [nach Luczak]

84.3

84

Rechtliche Vorschriften

Eine Vielzahl rechtlicher Bestimmungen, Verordnungen und Vorschriften fordern arbeitsgestaltende Maßnahmen. Zu den Wesentlichen gehören: 4 die Gewerbeordnung (GewO) 4 das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) 4 das Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG) 4 das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) 4 das Arbeitschutzgesetz (ArbSchG) 4 die Verordnung über Arbeitstätten (ArbStättV) 4 die Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe (Arbeitsstoffverordnung ArbStoffV) 4 das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) und 4 die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Berufsgenossenschaften (BG) Darüber hinaus gibt es einschlägige Richtlinien und Normen (VDI-Richtlinien, DIN-Normen), die bei der Planung und Gestaltung von Arbeitsplätzen/Arbeitssystemen zu berücksichtigen sind.

wachen über die Einhaltung der GewO. Bei Nichtbefolgen können erhebliche Geldbußen ausgesprochen bzw. der Betrieb oder Betriebsteile stillgesetzt werden. Den Gewerbeaufsichtsbeamten muss der Zugang zum Betrieb jederzeit gestattet werden; es bedarf keiner vorherigen Anmeldung. Darüber hinaus sind die Gewerbeaufsichtsämter für die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeiten, Mehrarbeit sowie Betriebsgenehmigungen von Anlagen und Verfahren usw. zuständig. Der § 120a, der sich mit dem Thema Arbeitssicherheit befasste, ist aus der GewO entfernt worden. Die Anforderungen dieses Paragrafen sind 1996 weitestgehend im Arbeitsschutzgesetz übernommen bzw. aufgrund neuerer Erkenntnisse angepasst worden. 84.3.2

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 wurde der Katalog der mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten gegenüber dem Gesetz von 1952 erheblich ausgebaut und erweitert (§ 87). Erstmals erhält der Betriebsrat Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung. Zu den wesentlichen Paragrafen gehören: Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

84.3.1

Gewerbeordnung (GewO)

Die erste Fassung der Gewerbeordnung wurde am 21. Juni 1869 in Kraft gesetzt. Die Staatl. Gewerbeaufsichtsämter

§ 74 Grundsätze für die Zusammenarbeit § 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen § 76 Einigungsstelle § 80 Allgemeine Aufgaben

1615 84.3  Rechtliche Vorschriften

Mitwirkungs- und Beschwerderecht des Arbeitnehmers

§ 81 Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers § 82 Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers § 83 Einsicht in die Personalakte § 84 Beschwerderecht § 85 Behandlung von Beschwerden durch den Betriebsrat

Im § 2 „Begriffsbestimmungen“ wird ausgeführt, was unter Produkte, technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte zu verstehen ist. In den weiteren Paragrafen wird festgelegt, wer Rechtsvorschriften erlassen darf, wie das Inverkehrbringen, das Kennzeichnen (CE-, GS-Kennzeichnung) und die Überwachung von Produkten zu erfolgen hat.

84.3.4 Soziale Angelegenheiten

§ 87 Mitbestimmungsrechte § 88 Freiwillige Betriebsvereinbarungen § 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung

§ 90 Unterrichtungs- und Beratungsrechte § 91 Mitbestimmungsrecht Personelle Angelegenheiten

§ 92 § 93 § 94 § 95 § 96 § 98 § 99 § 102 § 104 § 105

Personalplanung Ausschreibung von Arbeitsplätzen Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze Auswahlrichtlinien Förderung der Berufsbildung Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen Mitbestimmung bei Kündigungen Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer Leitende Angestellte

Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG)

Im § 1 des Gesetzes ist festgelegt: Der Arbeitgeber hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Diese sollen ihn beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen. Damit soll erreicht werden, dass 1. die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Vorschriften den besonderen Betriebsverhältnissen entsprechend angewandt werden, 2. gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung verwirklicht werden können, 3. die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen.

Weiter ist festgelegt: 4 Bestellung von Betriebsärzten (§ 2) 84.3.3 Gesetz über technische Arbeitsmittel 4 Aufgaben der Betriebsärzte (§ 3) und Verbraucherprodukte (Geräte4 Anforderungen an Betriebsärzte (§ 4) und Produktsicherheitsgesetz – GPSG) 4 Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit (§ 5) 4 Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit (§ 6) 4 Anforderungen an Fachkräfte für Arbeitssicherheit (§ 7) Das Gesetz gilt für das Inverkehrbringen und Ausstellen 4 Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat (§ 9) von Produkten. Es gilt nicht für gebrauchte Produkte, die 4 Zusammenarbeit der Betriebsärzte und der Fachkräfte als Antiquitäten überlassen werden oder vor ihrer Verfür Arbeitssicherheit (§ 10) wendung instand gesetzt oder wieder aufgearbeitet werden 4 Arbeitsschutzausschuss (§ 11) müssen, sofern derjenige der sie erwirbt oder nutzt ausreichend darüber unterrichtet wurde. Darüber hinaus werden Arbeitsmittel ausgeschlossen, die ausschließlich militäri84.3.5 Gesetz über die Durchführung schen Zwecken dienen. Der Anwendungsbereich gilt auch von Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Errichtung und den Betrieb überwachungsbedürfzur Verbesserung der Sicherheit tiger Anlagen (Ausnahmen sind im Gesetzestext beschrieben). und des Gesundheitsschutzes Die Vorschriften des Gesetzes gelten nicht, wenn in ander Beschäftigten bei der Arbeit deren Rechtsvorschriften entsprechende oder weitergehen(Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) de Anforderungen an die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit vorgesehen sind. Rechtsvorschriften, die die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheit der Verwendung von Produkten dienen, bleiben unberührt, dies Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Argilt insbesondere für Vorschriften, die den Arbeitgeber da- beitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Es gilt in allen zu verpflichten. Tätigkeitsbereichen (§ 1).

84

1616

Kapitel 84  Arbeitswissenschaft im technischen Umfeld

§ 4 enthält allgemeine Grundsätze, danach hat der Arbeitgeber: 1. Die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird; 2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen; 3. bei den Maßnahmen sind Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen; 4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; 5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen; 6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen sind zu berücksichtigen; 7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen; 8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifische wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

84.3.6

84

Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV)

Die zu genehmigende Behörde (Gewerbeaufsicht) kann jedoch verlangen, dass die Forderungen der Verordnung in bereits bestehenden Betrieben vollständig umgesetzt werden, wenn 4 Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu befürchten sind oder 4 die Arbeitsstätten oder die Betriebseinrichtungen ohnehin wesentlich erweitert oder 4 umgebaut bzw. die Arbeitsverfahren oder Arbeitsabläufe wesentlich umgestaltet werden 4 oder die Nutzung der Arbeitsstätte wesentlich geändert wird. Ausnahmen sind möglich, sie müssen jedoch genehmigt werden. Die Arbeitsstättenverordnung ist Grundlage für die Aufgaben der Betriebsärzte und den Fachkräften für Arbeitssicherheit. Darüber hinaus ist sie für die Aufgaben des Betriebsrates von großer Bedeutung. Die Verordnung wird durch die Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR) ergänzt. Die Richtlinien basieren auf Erfahrungen der Praxis, vorhandenen Regeln und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen. 84.3.7

Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG)

1 § 1 Prävention, Rehabilitation, Entschädigung

Die Verordnung gilt für Arbeitsstätten in Betrieben, in denen das Arbeitsschutzgesetz Anwendung findet. Sie gilt nicht für Arbeitsstätten: 1. im Reiseverkehr und Marktverkehr, 2. in Straßen-, Schienen- und Luftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr, 3. in Betrieben, die dem Bundesbergbaugesetz unterliegen, 4. auf See- und Binnenschiffen.

Aufgabe der Unfallversicherung ist es, nach Maßgabe der Vorschriften 1. mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten, 2. nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wieder herzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.

Sie enthält Anforderungen an Arbeitsräume in Gebäuden, Arbeitsplätze im Freien, Baustellen, Verkaufsstellen im1 § 14 Grundsatz Freien, Wasserfahrzeuge und schwimmende Anlagen auf (1) Die Unfallversicherungsträger haben mit allen geeigBinnengewässern. Zur Arbeitsstätte gehören: neten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Be1. Verkehrswege, Fluchtwege, Notausgänge rufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren 2. Lager-, Maschinen- und Nebenräume und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen. Sie sollen da3. Pausen-, Bereitschafts-, Liegeräume und Räume für bei auch den Ursachen von arbeitsbedingten Gefahren für körperliche Ausgleichsübungen Leben und Gesundheit nachgehen. 4. Umkleide-, Wasch- und Toilettenräume (Sanitärräume) 1 § 15 Unfallverhütungsvorschriften 5. Sanitätsräume und Unterkünfte. (1) Die Unfallversicherungsträger erlassen als autonomes Die Verordnung gilt für bestehende Arbeitsstätten und ge- Recht Unfallverhütungsvorschriften (UVV) über plante Betriebe. Bei Neuerrichtungen sind alle Vorschriften 1. Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen, anzuwenden. Bei vorhandenen Arbeitsräumen oder BetrieBerufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsben können einzelne Vorschriften entfallen, wenn dadurch gefahren zu treffen haben sowie die Form der Übertraerhebliche Umbauten oder Umorganisationen erforderlich gung dieser Aufgaben auf andere Personen, werden.

1617 84.3  Rechtliche Vorschriften

2. das Verhalten der Versicherten zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, 3. vom Unternehmer zu veranlassende arbeitsmedizinische Untersuchungen und sonstige arbeitsmedizinische Maßnahmen vor, während und nach der Verrichtung von Arbeiten, die für Versicherte oder Dritte mit arbeitsbedingten Gefahren für Leben und Gesundheit verbunden sind, 4. Voraussetzungen, die der Arzt, der mit Untersuchungen oder Maßnahmen nach Nummer 3 beauftragt ist, zu erfüllen hat, sofern die ärztliche Untersuchung nicht durch eine staatliche Rechtsvorschrift vorgesehen ist, 5. die Sicherstellung einer wirksamen Ersten Hilfe durch den Unternehmer, 6. die Maßnahmen, die der Unternehmer zur Erfüllung der sich aus dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu treffen hat, 7. die Zahl der Sicherheitsbeauftragten, die nach § 22 unter Berücksichtigung der in den Unternehmen für Leben und Gesundheit der Versicherten bestehenden arbeitsbedingten Gefahren und der Zahl der Beschäftigten zu bestellen sind.

Die Unfallverhütungsvorschriften sind von der Wertigkeit einem Gesetz gleich. Die Vorschriften werden von den einzelnen Berufsgenossenschaften erlassen. Die Berufsgenossenschaften (BG) sind im Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften zusammengeschlossen. Als beispielhafte Unfallverhütungsvorschriften sind zu nennen: UVV 1.0 Allgemeine Vorschriften UVV 1.2 Lärm UVV 1.4 Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit UVV 1.5 Betriebsärzte Die Überwachung der UVV sowie die Beratung in Fragen der Unfallverhütung erfolgt durch die technischen Aufsichtsbeamten (TAB) der Berufsgenossenschaften. Sie können die Arbeitgeber veranlassen, sofortige Maßnahmen einzuleiten bzw. im Gefahrenfall Anlagen stilllegen. Der TAB ist genau wie der Gewerbeaufsichtsbeamte jederzeit ohne vorherige Anmeldung auf das Betriebsgelände zu lassen.

84

1619

Grundlagen des Arbeitsstudiums Klaus-Dieter Arndt

Nach REFA (Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e. V.) besteht das Arbeitsstudium in der Anwendung von Methoden und Erfahrungen zur Untersuchung und Gestaltung von Arbeitssystemen mit dem Ziel, unter Beachtung der Leistungsfähigkeit und der Bedürfnisse des arbeitenden Menschen, die Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu verbessern. Dabei wirken in Arbeitssystemen Menschen und Betriebsmittel zusammen, um Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Das REFA-Arbeitsstudium beinhaltet nicht nur – wie fälschlicherweise oft angenommen – eine Methodenlehre zur Vorgabezeitermittlung, sondern umfasst nahezu alle Bereiche, die mit der menschlichen Arbeit zusammenhängen (. Tab. 85.1). Zu den Schwerpunkten des Arbeitsstudiums gehören: 1 1. Datenermittlung

Daten sind vor allem Zeiten sowie Bezugsmengen und Einflussgrößen für Arbeitsabläufe oder -ablaufabschnitte als Grundlage für die Planung, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen Vorgänge und als Unterlage für die Entlohnung. 1 2. Arbeitsgestaltung

Schaffung eines aufgabengerechten, optimalen Zusammenwirkens der im Betrieb eingesetzten Mitarbeiter, Betriebsmittel und Arbeitsgegenständen durch zweckmäßige Organisation von Arbeitssystemen, d. h. Gestaltung des Arbeitsablaufes durch: 4 Unterteilung der einzelnen Arbeitsvorgänge 4 Festlegung des zeitlichen Ablaufes der Arbeitsvorgänge 4 räumliche Anordnung der erforderlichen Arbeitsplätze und 4 Wahl der Fördermittel 1 3. Arbeitsbewertung, Leistungsbewertung

Beschreiben, beurteilen und bewerten von Daten, die die Anforderungen einer bestimmten Arbeit an den Menschen und seine Aufgaben kennzeichnen als Unterlagen für die Entlohnung, die Planung und die Steuerung von Arbeitssystemen sowie für das Personalwesen (z. B. Personaleinsatz, Stellenbeschreibung).

. Tabelle 85.1 Übersicht über das Arbeitsstudium [nach REFA] Definition

Arbeitsstudium besteht in der Untersuchung und Gestaltung von Arbeitssystemen

Ziele

Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Prozesse, Sicherung menschengerechter Arbeitsabläufe und Arbeitsbedingungen

Grundlagen

Ergonomie, Betriebswirtschaftslehre, Statistik, Sozial- und Rechtswissenschaften, Technologie

Schwerpunkte und Methoden

Datenermittlung: Ermittlung von Vorgabezeiten bei Einzel-, Gruppen- und Mehrstellenarbeit, Systeme vorbestimmter Zeiten, Zeitaufnahmen, Multimomentaufnahme, Vergleichen und Schätzen, Zeitklassenverfahren, Berechnen von Prozesszeiten, Selbstaufschreiben, analytisches Verfahren zur Erholungszeitermittlung, Ermittlung von Planzeiten und Kennzahlen Kostenrechnung: Selbstkostenrechnung (Divisions- und Zuschlagskalkulation, Maschinenkostenrechnung), Kostenvergleichsrechnung, Deckungsbeitragsrechnung, Plankostenrechnung Arbeitsgestaltung: 6-Stufen-Methode der Systemgestaltung; Gestaltungsprinzipien, Methoden zur Ideenfindung, Prüflisten; Ablaufanalyse, Funktionsanalyse, Materialflussanalyse; Bewegungsstudium, Betriebsmittelnutzung; Ablaufprinzipien; Leistungsabstimmung; Sicherheitsstudie und andere mehr Anforderungsermittlung: Arbeitsbeschreibung, Anforderungsanalyse, Quantifizierung der Anforderungen, Anforderungsprofile Anforderungs- und leistungsabhängige Lohndifferenzierung: Summarische und analytische Arbeitsbewertung; Akkordlohn, Prämienlohn und andere Formen leistungsabhängiger Lohndifferenzierung; Zeitlohn mit Leistungsbewertung Arbeitsunterweisung: Lernen und Unterweisen; Lernziele im Verstandes-, Bewegungs- und Verantwortungsbereich; Lehrmethoden (Vier-Stufen-Methode), Unterricht, Lehrgespräch, programmiertes Lernen; Unterrichtsmedien; Lernkontrolle

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_85

85

1620

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

1

Ziele setzen: z.B. Kostenreduzierung, Gewinnmaximierung

2

Aufgabe abgrenzen: z.B. Einzel-, Gruppen-, Teamarbeit

3

Ideale Lösungen suchen: Ideenfindungsmethoden, z.B. Brainstorming, Brainwriting (6-3-5-Methode)

4

Daten sammeln und praktikable Lösungen entwickeln

5

6

und komplexer werden. Die Systemwissenschaften bieten hier eine wertvolle Hilfe bei der Untersuchung, Verallgemeinerung (Abstraktion) und Ordnung (Strukturierung, Systematisierung) komplexer Probleme. Die Systembetrachtung ermöglicht eine klar abgegrenzte Beschreibung, Einordnung, Gestaltung und Kontrolle der jeweils vorgefundenen bzw. geplanten Situation (speziell: Arbeitssituation). Mithilfe der Systembetrachtung lässt sich übersichtlich und schnell feststellen, ob alle wesentlichen Gesichtspunkte des untersuchten Systems (speziell: Arbeitssystem) erfasst sind. Bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen unterscheidet man drei Arten von Systemen (. Tab. 85.2): 4 technische Systeme (Maschinen-System) 4 soziale Systeme (Systeme von Menschen) 4 soziotechnische Systeme (Mensch-Maschinen-Material-Mitwelt-Systeme)

Optimale Lösung suchen im Hinblick auf: – technische Machbarkeit – wirtschaftliche Machbarkeit – Gesetzeskonformität Lösung einführen und mit Zielvorgabe kontrollieren (Soll-Ist-Vergleich)

. Abb. 85.1 Sechs-Stufen-Methode [nach REFA]

1 4. Arbeitsunterweisung

85

Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten an Mitarbeiter für die ordnungsgemäße Ausführung von Arbeitsabläufen (Aus- und Weiterbildung sowie die Qualifizierung des Personals). Das Vorgehen im Arbeitsstudium hängt vom Zweck der jeweiligen Maßnahme ab. REFA schlägt zur Lösung von Problemen die SechsStufen-Methode (. Abb. 85.1) vor. Diese Vorgehensweise kann in der Produktion, im Dienstleistungsbereich und der Verwaltung für die Gestaltung einfacher und komplexer Arbeitssysteme sowie für die Lösung betrieblicher Probleme jeder Art angewendet werden.

85.1

Das Arbeitssystem

Der technisch-wissenschaftliche und wirtschaftliche Wandel führt u. a. dazu, dass die zu lösenden Probleme in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft immer umfassender

Ein Betrieb bildet ein soziotechnisches System. Die Gestaltung menschlicher Arbeit in Betrieben läuft ebenfalls in soziotechnischen Systemen (Mensch-Maschine-Material-Mitwelt-Systeme) ab. Diese soziotechnischen Systeme menschlicher Arbeit nennt man Arbeitssysteme. In Arbeitssystemen wirken Menschen und Betriebsmittel unter Umwelteinflüssen zusammen, um Arbeitsaufgaben zu erfüllen, wie Rohstoffe zu produzieren, Waren zu fertigen, Informationen zu verarbeiten usw.

85.1.1

Beschreibung des Arbeitssystems

Das Arbeitssystem nach REFA besteht aus acht Systemelementen: 1. Aufgabe 2. Arbeitsablauf 3. Mensch, Person 4. Betriebsmittel bzw. Arbeitsmittel 5. Eingabe (Input) 6. Ausgabe (Output) 7. Arbeitsplatz und 8. Umwelteinflüsse

. Tabelle 85.2 Systemarten [nach REFA] Art des Systems

Elemente, die in Beziehung zueinander stehen

Beispiele Systembezeichnung

Systemzweck

Technische Systeme (Maschinensysteme)

Betriebsmittel und Werkzeuge

Automat, Transferstraße

Zylinderkopfherstellung

Soziale Systeme (Systeme von Menschen)

Menschen

Betriebsversammlung, Stabsstelle

informieren, koordinieren

Soziotechnische Systeme

Menschen, Betriebsmittel, Material, Mitwelt

Maschinenarbeitsplatz, Krankanzel, Fließband, Produktionsstätte und Verwaltung

Herstellen eines Drehteiles, Rechnung buchen

1621 85.1  Das Arbeitssystem

Damit ergibt sich folgendes Bild des Arbeitssystems (. Abb. 85.2): Die Aufgabe (1) kennzeichnet den Zweck der Arbeitssysteme und deren Umsetzung, die Systemgröße und die jeweils notwendige Anzahl von Arbeitssystemen. Sie umfassen spezielle und sehr unterschiedliche Arbeiten, welche z. B. einem Arbeitssystem oder einer Person bzw. Gruppe zur Ausführung zu übertragen sind. 7 Beispiele Technische Zeichnung erstellen, Projekt leiten, Bearbeitungsmaschine rüsten und bedienen, Produkte verpacken, Rechnungen buchen, Paletten transportieren, Motor einbauen, Kurbelwelle schmieden, Hydraulikzylinder reparieren, Anlage warten usw. 9

Der Arbeitsablauf (2) ist die räumliche und zeitliche Folge des Zusammenwirkens von Mensch und Betriebsmittel bzw. Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstand und Informationen mit der Eingabe, diese gemäß der Aufgabe zu verändern oder zu verwenden. Der Arbeitsablauf wird auch als Prozess- oder Zeitverhalten des Systems bezeichnet. Er kann 4 in Ablaufabschnitte unterteilt und somit 4 detailliert erfasst und beschrieben, 4 sowie durch spezielle Ablaufarten für Mensch, Betriebsmittel, Arbeitsgegenstand und Information besonders gekennzeichnet werden.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Arbeitssystem Mikrosystem Einzelarbeitsplatz Arbeitssystem nach REFA, bestehend aus 8 Systemelementen: Arbeitsaufgabe, z. B. Drehen eines Bolzens Arbeitsablauf = räumlich und zeitliche Folge Mensch = Kapazität des Systems Betriebsmittel = Drehmaschine Eingabe, z. B. Stangenmaterial Ausgabe = Bolzen Arbeitsplatz = Abteilung Dreherei Umwelteinflüsse, z. B. Stäube, Gase, Dämpfe, Lärm, Schwingungen, Vibrationen

. Abb. 85.2 Arbeitssystem [nach REFA]

Im Arbeitsablauf wird erfasst, wer wo

(welcher Mitarbeiter oder welche Gruppe/ Team) (z. B. in welcher Abteilung und an welchem Arbeitsplatz) wann (in welcher zeitlichen Reihenfolge) womit (z. B. mit welchen Mitarbeitern und Arbeits-/ Betriebsmitteln) die Eingabe gemäß der Aufgabe verändert oder verwendet wird. Zur Beschreibung des Ablaufes ist es erforderlich, ihn in Ablaufabschnitte zu zerlegen (. Abb. 85.3). Man hat dabei die Begriffe 1. Makro-Ablaufabschnitte 2. Mikro-Ablaufabschnitt gewählt, die wie folgt weiter untergliedert werden: Vorgangselemente sind Teile einer Vorgangsstufe, die weder in ihrer Beschreibung noch in ihrer zeitlichen Erfassung weiter unterteilt werden können (Zeitdauer etwa 0,001–0,01 min). Vorgangselemente unterscheidet man nach: 1. Bewegungselementen und 2. Prozesselementen.

. Abb. 85.3 Ablaufabschnitte [nach REFA]

Bewegungselemente sind von Menschen ausgeführte Grundbewegungen, wie z. B. 4 Hinlangen zu einer Hülse 4 Greifen der Hülse 4 Bringen der Hülse 4 Fügen der Hülse auf einen Bolzen 4 Loslassen der Hülse Zu den Bewegungselementen werden auch geistige Grundvorgänge gezählt, wie z. B. prüfen, entscheiden usw. Bewegungselemente sind vorwiegend bei den Systemen vorbestimmter Zeiten (SvZ) maßgeblich vorzufinden.

85

1622

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

Prozesselemente sind von Maschinen ausgeführte Vorgänge wie z. B. 4 Hub beim Pressen 4 Punktschweißfolge 4 mechanischer Anstellvorgang Vorgangsstufen sind Abschnitte eines Teilvorganges, die eine in sich abgeschlossene Folge von Vorgangselementen umfassen (Dauer etwa zwischen 0,01 und 0,1 min). Das Montieren einer Hülse auf einen Bolzen ist eine Vorgangsstufe. Ein Teilvorgang besteht aus mehreren Vorgangsstufen, die wegen der besseren Überschaubarkeit als Teil der Arbeitsaufgabe zusammengefasst werden (Dauer oft länger als 0,1 min). 7 Beispiele Werkstück einspannen und ausrichten; Maschine an mehreren Schmierstellen ölen; Werkstücke in Karton verpacken. 9

85

Mit Vorgang wird der Abschnitt eines Arbeitsablaufes bezeichnet, der in der Ausführung einer Mengeneinheit besteht. Der Vorgang wiederholt sich bei der Ausführung eines Auftrages m mal. Ein Vorgang besteht im Allgemeinen aus mehreren Teilvorgängen, manchmal aber nur aus einer oder mehreren Vorgangsstufen. Wiederholt sich ein Vorgang innerhalb eines Auftrages, dann spricht man auch vom Zyklus. Für die Makro-Abschnitte ergeben sich analog zu den Mikro-Abschnitten entsprechende Definitionen: Der Vorgang ist das kleinste Element des Gesamtablaufes. Die Ablaufstufe besteht aus einer Folge von Vorgängen (Projektelemente), die zur Herstellung z. B. eines Einzelteiles erforderlich sind. Ein Teilablauf besteht aus mehreren Ablaufstufen (z. B. Herstellung eines Teilerzeugnisses). Unter einem Gesamtablauf wird der gesamte Ablauf verstanden, der zur Herstellung eines Erzeugnisses mit einem, mehreren oder sehr vielen Einzelteilen/Baugruppen oder zur Durchführung eines sonstigen größeren Vorhabens erforderlich ist. Der Mensch (Person) (3) ist das aktive und somit das wichtigste Element des Arbeitssystems. Er ist der eigentliche Handelnde und in der Lage, von sich aus tätig zu werden sowie Betriebs- und Arbeitsmittel einzusetzen bzw. zu bedienen. Voraussetzung für sein erfolgreiches Handeln im Arbeitssystem ist sein Leistungsvermögen und die ergonomische Gestaltung des Wirkungsbereichs (Arbeitsplatz, Bedienbereich, Arbeitsbedingungen). Sein individuelles Leistungsvermögen hängt davon ab, wie er die Aufgabe sachgerecht und wirtschaftlich angeht. Durch die ergonomische Gestaltung des Wirkbereiches werden die effektive

Ausführung der Aufgabe unterstützt und Gefährdungen vermieden. Der Mensch ist manchmal auch als Eingabe in das Arbeitssystem zu betrachten. Betriebs- bzw. Arbeitsmittel (4) sind weiter wichtige Elemente des Arbeitssystems, die zur effektiven Ausführung der Aufgabe unerlässlich sind. Dazu zählen Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge, Geräte, Werkzeuge, Vorrichtungen, Hard- und Software und Organisationsmittel. Betriebs- und Hilfsstoffe werden hier – im Gegensatz zur DIN EN ISO 6385:2004 – nicht den Betriebsmitteln, sondern der Eingabe zugeordnet. Zur speziellen Kategorie der Betriebsmittel gehören die für die Arbeitsausführung benötigten Ausstattungsmittel: Schreibtisch, Arbeitssitz, Aktenschrank, Leuchten usw. 7 Beispiele Arbeitsräume, Einrichtungsgegenstände, Werkbänke, Rohrleitungen, Maschinen, EDV-Anlagen, CAD-System, chemische Anlagen, Apparate, Vorrichtungen, Werkzeuge, Messgeräte, Lehren. 9

Der Mensch und das Betriebsmittel haben einen wesentlichen Einfluss auf die Kapazität des Arbeitssystems. Als Eingabe (5) (Input) eines Arbeitssystems werden Arbeitsgegenstände, Informationen und Energien, die zur Ausführung der Aufgabe notwendig sind bezeichnet. Arbeitsgegenstände können Rohstoffe, Halbfabrikate, Datenträger, Kaufteile sowie im Unternehmen selbst hergestellte Teile und Baugruppen sein. Sie werden im Sinne der Aufgabe verändert oder eingesetzt. Informationen selbst sind einerseits das Arbeitsobjekt, wenn sie im Arbeitssystem verändert werden, z. B. Rechnungs-, Zeichnungsangaben. Anderseits sind sie für den Menschen notwendig, um die Aufgabe zu erfüllen (in Form von Arbeitsaufträgen, Arbeitsanweisungen, Zeichnungen, Arbeitsplänen usw., auch als Sicherheits- und Verhaltensanweisungen oder als Beschreibung von Arbeitsmethoden). Schließlich enthalten Arbeitsstandards Informationen zur effektiven Arbeitsausführung. Der Mensch wird dann als Eingabe betrachtet, wenn sich die Funktion des Arbeitssystems auf ihn richtet, z. B. Weiterbildung, medizinische Behandlung, Pflege oder seine Beförderung mit der Bahn, dem Bus, dem Flugzeug usw. Des Weiteren wirken als Eingänge in das Arbeitssystem Umgebungseinflüsse, wie z. B. Lärm, Staub, Gase, Wärme, Vibrationen, die an anderen Arbeitssystemen entstehen, sowie allgemeine Arbeitsbedingungen (z. B. Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung, Beleuchtungsverhältnisse). Die Ausgabe (6) (Output) eines Arbeitssystems besteht wie die Eingabe aus Arbeitsgegenständen, Informationen und Energien, die jedoch im Sinne der Aufgabe verändert, eingesetzt oder neu erzeugt wurden. Als Ausgaben sind darüber hinaus Abfälle (Späne, Schrott, Verpackun-

1623 85.1  Das Arbeitssystem

. Abb. 85.4 Arbeitssystem [nach REFA]

gen) oder Emissionen (Staub, Lärm, Hitze) zu betrachten. Sie wirken auf das Arbeitssystem, auf andere Arbeitssysteme und auf die Umgebung ein.

sionen (Lärm, Vibrationen, Stäube, Dämpfe, usw.) angesehen. Für den Umweltschutz kann dies von großer Bedeutung sein, sofern vom Arbeitssystem Emissionen ausgehen und an die Umgebung abgegeben werden.

7 Beispiele Zu transportierende Menschen, verpackte Fernsehgeräte, Strom, Pressluft, gebuchte Rechnungen, gestapelte Paletten, eine Auskunft usw. 9

Die Wirkung solcher Einflüsse kann nicht nur den Menschen (Gesundheit, Störungen, Schutzmaßnahmen), sondern auch die Betriebs-/Arbeitsmittel (Verschleiß, Verschmutzung, Störung) und die Arbeitsgegenstände (Qualität, Korrosion, Aussehen) unmittelbar betreffen. Arbeitssysteme können sehr unterschiedliche Größen haben. Als kleinstes Arbeitssystem gilt der Arbeitsplatz (Mikro-System, . Abb. 85.4). Weitere Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Arbeitssystem zu sehen sind:

Der Arbeitsplatz (7) ist der räumliche Bereich, in dem ein Arbeitssystem angeordnet ist. Er umfasst alle notwendigen Flächen zur Aufstellung, zur Wartung der Betriebs- und Ausstattungsmittel sowie zur Platzierung der Menschen und Arbeitsgegenstände. Mit der Arbeitsplatzgestaltung wird die zweckmäßige, d. h. arbeitsförderliche bzw. arbeitsunterstützende Auslegung des Arbeitsplatzes (Anordnung der Betriebs- und1 Arbeitsbedingungen Ausstattungsmittel, Bestimmung der Lage von Bedienstel- Als Arbeitsbedingungen werden aus arbeitswissenschaftlen und von Flächen zur Bereitstellung von Material und licher Sicht alle Einflüsse, die auf den Menschen bei der zur Instandsetzung, Anordnung von Leuchtkörpern u. a.) Erfüllung seiner Aufgaben einwirken, verstanden. Es können neben den Umwelteinflüssen auch organisatorische, bezeichnet. soziale oder kulturelle Gegebenheiten sein, so z. B. Dauer und Lage der Arbeitszeit, Leistungsanerkennung sowie 7 Beispiele das Verhalten oder die Beziehungen im Team. Montagearbeitsplatz, Bankschalter, Werkbank usw. 9 Die organisatorischen Einflüsse ergeben sich aus der Arbeitsorganisation (Einzel-, Gruppen-/Teamarbeit) oder 1 Umgebungseinflüsse (8) aus der Anordnung und räumlichen Lage der ArbeitssysteArbeitssysteme stehen mit ihrer Umgebung in Beziehung me. Unter soziale und kulturelle Einflüsse versteht man das bzw. Wechselwirkung (zu anderen Arbeitssystemen). Als Zusammenwirken der Mitarbeiter (Qualifikation, MotivatiUmgebungseinflüsse werden on, Identifikation, Verhalten, Herkunft der Mitarbeiter). 4 alle von außen auf das System wirkenden Einflüsse (physikalische, chemische, biologische) angesehen. Sie 1 Arbeitsverfahren können das Verhalten des Arbeitssystems unterstützen oder auch beeinträchtigen. Physikalische, chemische Hierunter ist die Technologie zu verstehen, die zur Veränund biologische Umwelteinflüsse sind z. B. Beleuch- derung des Arbeitsgegenstandes im Sinne der Aufgabe im tung, Klima, Lärm, mechanische Schwingungen, Gase, Arbeitssystem angewendet wird. Stäube, Dämpfe, mikrobiologische Belastungen, Aller7 Beispiele gene. 4 die vom Arbeitssystem ausgehenden, auf seine UmSpanlose oder spangebende Verfahren, thermische Behandgebung wirkenden Einflüsse, insbesondere alle Emislung, Montieren. 9

85

1624

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

. Abb. 85.5 Arbeitssystemtypen [nach REFA]

. Abb. 85.6 Arbeitssystemübersicht [nach REFA]

85

1 Arbeitsmethode

1 Arbeitsweise Die Arbeitsmethode besteht in Regeln zur Ausführung der Darunter ist die individuelle Ausführung der Arbeit gemäß Arbeit durch den Menschen im Sinne der Aufgabe. der Arbeitsmethode zu verstehen. Durch entsprechende Arbeitsweise kann die Arbeitsmethode variiert und damit effektiv oder unzweckmäßig erfolgen. 7 Beispiele Arbeitsweise und Arbeitsmethode beschreiben in welAngabe der Reihenfolge der auszuführenden Ablaufabschnitcher Weise der Arbeitsablauf auszuführen ist. te und der einzusetzenden Werkzeuge beim Ausführen, Angabe der Bedienfolge an Maschinen. 9

1625 85.4  Arbeitsteilung

Für die Ermittlung der Anzahl benötigter Arbeitssysteme und die Bewertung ihres wirtschaftlichen Einsatzes werden Angaben über die Kapazität, also über den Betriebsmittel- und Personalbedarf benötigt. Darüber hinaus können noch weitere Daten, wie z. B. 4 Energie- und Flächenbedarf, 4 Nutzungsgrad der Anlagen/Betriebsmittel, 4 Leistungsverhalten und Flexibilität der Mitarbeiter, 4 Qualität (Fehlerzahl) und 4 Durchlaufzeit notwendig sein. . Abb. 85.5 enthält Arbeitssystemtypen und . Abb. 85.6 eine Übersicht über die Arbeitssysteme. 85.2

Der Mensch im Arbeitssystem

Menschliches Denken und Handeln verläuft meist in Regelkreisprozessen. Insofern kann das Arbeitssystem (als Arbeitsprozess) ebenfalls als Regelkreis betrachtet werden. In diesem Regelkreis werden zwischen Mensch und Betriebsmittel verschiedene Signale bzw. Informationen ausgetauscht, die bestimmte Reaktionen auslösen. Diese Reaktionen können zur Steuerung der Arbeitshandlungen (Vorgänge) führen. Dieses Schema lässt sich auf die gesamte Skala menschlicher Arbeit anwenden, z. B. 4 bei körperlicher Arbeit, d. h. Erzeugung bzw. Verarbeitung von Arbeitsgegenständen mit Hilfe von Energie und Informationen aufgrund von Arbeitsanweisungen bzw. Unterweisungen durch Arbeitspläne und Zeichnungen (z. B. Verformung eines Bleches, Gewindeschneiden an einer Bohrmaschine) 4 bei geistiger Arbeit, d. h. die Erzeugung von Informationen durch Verwendung und Verbindung anderer Informationen (z. B. Aufstellen eines Arbeitsplanes, Netzplanes, Programmieren eines Ablaufs). Bei allen Formen menschlicher Arbeit ist der arbeitende Mensch in seinen individuellen und sozialen Beziehungen zu den übrigen Elementen des Arbeitssystems Ausgang und Ziel der Betrachtungen. 85.3

Beschäftigungsgrad Beschäftigungsgrad D

Die Leistung eines Arbeitssystems wird wie folgt definiert: Die Leistung ist die Ausgabe bzw. das Arbeitsergebnis des Arbeitssystems, bezogen auf eine bestimmte Zeit: Leistung D

Auslastung D

tatsächliche Nutzung  100 % maximal mögliche Nutzung

Ausgabe Arbeitsgergebnis D Zeit Zeit

Falls das Arbeitsergebnis eine Menge ist, entspricht die Leistung der Mengenleistung: Mengenleistung D

Menge Zeit

Der Kehrwert dieser Gleichung wird auch als Stückzeit oder allgemein als Zeit je Mengeneinheit bezeichnet: Stückzeit D

Zeit Stück

Der Einsatz der Produktionsfaktoren (menschliche Arbeit, Betriebsmittel, Material) wird als Produktivität benannt. Produktivität D

Ausbringungsmenge Faktoreneinsatzmenge

Die effektive Nutzung von Betriebsmitteln im Hinblick auf ihre Verfügbarkeit, ihre Leistung und auf die erreichte Qualität wird als Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Effectiveness OEE) bezeichnet. OEE D Vergütungsfakt.  Leistungsfakt.  Qualitätsfakt. Die Qualität des Arbeitssystems zu ermitteln und darzustellen, besteht vereinfachend darin, die Anzahl der fehlerhaften Teile zur Gesamtzahl der gefertigten Teile ins Verhältnis zu setzen. AusschussAnzahl fehlerhafter Teile oder  100 % D Gesamtzahl gefertigter Teile Fehlerquote

Kennzahlen

Mit den nachfolgenden Kennzahlen können betriebliche Prozesse bewertet, verglichen und überwacht werden. Die Auslastung des Arbeitssystems stellt ein Maß für die zeitliche Nutzung bzw. die Nutzung der einzelnen Arbeits-/Betriebsmittel oder der von Mitarbeitern, in einem betrachteten Zeitraum (Stunde, Schicht, Tag, Woche, Monat usw.) dar. Sie ist das Verhältnis von tatsächlicher zur maximal möglichen Nutzung der Ressource:

eff. genutzte Kapazität  100 % verfügbare Kapazität

85.4

Arbeitsteilung

Die Arbeitsteilung ist die Verteilung eines Arbeitsauftrages nach Menge und Art auf mehrere Menschen/Betriebsmittel.

85

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

1626

Mengenteilung ist die Verteilung eines Arbeitsauftrages auf mehrere Menschen/Betriebsmittel derart, dass jeder den gesamten Ablauf an einer Teilmenge ausführt. Ziel der Mengenteilung ist es, einen Arbeitsauftrag durch Teilung in kürzester Zeit fertig stellen zu können. Diese Art der Arbeitsteilung wird fast immer dann angewandt, wenn es sich um die Erledigung eines Arbeitsauftrages mit einfachem und kurzem Arbeitsablauf handelt. Artteilung (Ablaufteilung) ist die Verteilung eines Arbeitsauftrages auf mehrere Menschen/Betriebsmittel, wobei an jedem Arbeitsplatz ein bestimmter Ablaufabschnitt an der Gesamtmenge des Auftrages erledigt wird. Ziel der Artteilung ist es, durch eine dem jeweiligen Ablaufabschnitt angepasste Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Betriebsmittel sowie durch eine damit mögliche Spezialisierung des Menschen eine effektive Fertigung zu erzielen. Diese Art der Arbeitsteilung wird immer dann angewandt, wenn die Arbeitsaufgabe mit einem längeren Arbeitsablauf verbunden ist.

85.5

. Abb. 85.8 Mehrstelliges Einzel- und Gruppen-Arbeitssystem [nach REFA]

Einzel-, Gruppenund Mehrstellenarbeit

Je nachdem, wie viele Menschen und Betriebsmittel in einem Arbeitssystem zusammenarbeiten, unterscheidet man zwischen Einzel-, Gruppen- und Mehrstellenarbeit:

85

Anzahl Handlungsstellen

Anzahl Personen eine

mehrere

eine

einstelliges EinzelArbeitssystem

einstelliges GruppenArbeitssystem

mehrere

mehrstelliges EinzelArbeitssystem

mehrstelliges GruppenArbeitssystem

Bei Einzelarbeit wird die Arbeitsaufgabe von einer Arbeitsperson ausgeführt (. Abb. 85.7). Bei Gruppenarbeit wird die Arbeitsaufgabe teilweise oder ganz durch 2 oder mehrere Arbeitspersonen ausgeführt (. Abb. 85.8). . Abb. 85.9 Einzel- und Gruppenarbeitssystem mit mehrstelligem Betriebsmittel [nach REFA]

7 Beispiele Reparaturarbeiten durch mehrere Personen, die Hand in Hand arbeiten; Zwei-Mann-Bedienung an einer Formmaschine; Handtransporte schwerer Güter. 9

. Abb. 85.7 Einstellige Arbeitssysteme [nach REFA]

Bei Mehrstellenarbeit wird die Arbeitsaufgabe mithilfe mehrerer gleichzeitig eingesetzter Betriebsmittel oder mehrerer Stellen eines Betriebsmittels erfüllt, wobei dies durch

1627 85.6  Fertigungsarten

eine Person oder bei mehrstelliger Gruppenarbeit durch mehrere Personen geschieht. Mehrstellenarbeit wird auch mit Mehrmaschinenbedienung bezeichnet (. Abb. 85.9). 7 Beispiele Mehrstellenarbeit an einer Mehrfarben-Druckmaschine (Rollen einlegen, Farbe nachfüllen, Viskosität der Farbe überprüfen, Druck überwachen, bedruckte Rollen entnehmen); Bedienung von 2 bis 3 Drehautomaten. 9

Ein Arbeitssystem heißt mehrstellig, wenn es a) aus mehreren voneinander getrennten Betriebsmitteln oder b) aus einer größeren Betriebsanlage mit mehreren einzeln abstellbaren Bedienungs- oder Arbeitsstellen besteht (z. B. chem. Verfahren) 85.6

Fertigungsarten

Bei der Gestaltung des Arbeitsablaufes mit mehreren Ablaufabschnitten, die auch an mehreren Arbeitsplätzen bewältigt werden, sind folgende Ziele anzustreben: 4 den Durchlauf des Arbeitsgegenstandes flüssig und schnell zu gestalten (Verkürzung der Durchlaufzeit) 4 die Betriebsmittel wirtschaftlich zu nutzen 4 die fachliche Kapazität des Menschen rationell und sinnvoll einzusetzen. Eine Übersicht der Einflussfaktoren auf die Organisationsform eines Produktionsunternehmens unterteilt in tech-

nische, wirtschaftliche und marktseitige Einflüsse zeigt . Abb. 85.10. In der Produktion gibt es eine Vielzahl von Organisationstypen, in denen jeweils die wesentlichen Komponenten Werkstück, Mensch und Betriebsmittel einander zugeordnet sind. Zur Unterscheidung der Organisationstypen dienen für die Fertigung u. a. die räumliche Struktur sowie die zeitliche und die organisatorische Struktur. Eine praxisnahe Einteilung der Organisationstypen ergibt sich aus der Betrachtung der räumlichen Struktur von Fertigungsprinzipien; aus . Abb. 85.11 sind die wesentlichen Prinzipien mit ihren Ordnungskriterien und häufigen Beispielen zu entnehmen. Die Fertigung nach dem Verrichtungsprinzip (Werkstättenfertigung) und nach dem Fließprinzip (Erzeugnisprinzip) sind die häufigsten Organisationsformen in der industriellen Fertigung. Im Wesentlichen werden folgende Fertigungsarten unterschieden: 85.6.1

Werkbankfertigung

Die Werkbankfertigung ist das einfachste Arbeitsablaufprinzip. Es handelt sich dabei um eine ein- oder mehrstellige Einzelarbeit an einem ortsgebundenen Arbeitsplatz, bei der ein Arbeitsobjekt in der Regel komplett bis zur Fertigstellung bearbeitet wird (. Abb. 85.12). Charakteristische Merkmale der Werkbankfertigung sind: Niedriger Mechanisierungsgrad, niedrige Arbeitsplatzund geringe Investitionskosten, aber meist hohe Anforderung an Qualifikation und Vielseitigkeit des Menschen.

. Abb. 85.10 Einflussfaktoren des Produktionsprogramms auf die Organisationsform der Fertigung [nach Wiendahl]

85

1628

85

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

. Abb. 85.11 Ordnungskriterien für die räumliche Struktur industrieller Fertigungsprinzipien [nach Wiendahl]

85.6.2

. Abb. 85.12 Werkbankfertigung [nach Ihme [4]]

Die Werkstättenfertigung (. Abb. 85.13) ist eine verfahrensgebundene Anordnung von Arbeitsplätzen im Betrieb, an denen gleiche oder ähnliche Arbeitsaufgaben räumlich zusammenhängend gelöst werden. Die Werkstücke werden einzeln oder in Losen von Bearbeitung zu Bearbeitung transportiert. Die Werkstättenfertigung besitzt hohe Flexibilität bezüglich unterschiedlicher Werkstücke und Arbeitsfolgen; der Anteil der Liege- und Transportzeiten an der Durchlaufzeit (. Abb. 85.14) ist jedoch sehr hoch, da die Werkstücke losweise an den Einzelmaschinen bearbeitet werden (Rüstkosten zwingen zur Zusammenfassung von Auftragsbedarfen zu Losen). Der Materialfluss innerhalb der Werkstättenfertigung ist ungerichtet. Da Lose vor und nach der Bearbeitung warten müssen, kommt es zu langen Durchlaufzeiten.

85.6.3

. Abb. 85.13 Prinzip der Werkstättenfertigung

Werkstättenfertigung

Reihen- und Fließfertigung

Bei dieser Fertigungsart sind Arbeitsplätze und/oder Betriebsmittel entsprechend dem Arbeitsablauf räumlich hin-

1629 85.6  Fertigungsarten

. Abb. 85.14 Durchlaufzeit in der Werkstättenfertigung [nach Ihme [4]]

. Abb. 85.15 Reihenfolge des Arbeitsablaufes, Transport zwischen den Werkstätten entfällt

. Abb. 85.16 Arbeitsplatzverbindung mittels Fördereinrichtung, begrenzte Zwischenlagerung

tereinander angeordnet, um einen gleichmäßigen Durchlauf des Arbeitsgegenstandes zu erreichen. Bei der Reihenfertigung besteht im Ablauf keine direkte zeitliche Bindung zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen oder Betriebsmitteln. Die einzelnen Arbeitsabläufe werden durch entsprechende Vorratspuffer zu einem kontinuierlichen Durchlauf verbunden (. Abb. 85.15 und 85.16). Bei der Fließfertigung besteht eine direkte räumliche und zeitliche Verbindung zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen und/oder Betriebsmitteln, sodass die einzelnen Arbeitsabläufe zeitlich aufeinander abgestimmt werden müssen. Daraus entsteht die sog. Taktzeit. Bei der Fließfertigung sind zwar die Teildurchlaufzeiten sehr kurz, jedoch ist die Anlage immer auf ein bestimmtes Werkstück eingerichtet (. Abb. 85.17 und 85.18). Technische Änderungen (Produktvarianten) sind demzufolge mit hohem Aufwand für Umrüstungen verbunden;

. Abb. 85.17 Taktgebundene Fließfertigung mit begrenzter Puffermöglichkeit

. Abb. 85.18 Fließbandtätigkeit und zeitliche Bindung entfallen für den Menschen, Überwachungsfunktionen

eine ausreichende Auslastung der Anlage muss außerdem wegen der meist hohen Investitionen sichergestellt werden. Um für die Einzel- und Kleinserienfertigung die hohe Flexibilität einer Werkstättenfertigung mit der kurzen Durchlaufzeit einer Fließfertigung zu verknüpfen, wurden neue Fertigungsprinzipien entwickelt. Voraussetzung hierfür ist die Bildung von Teilefamilien mit ähnlichem Arbeitsablauf (Beispiel für Teilefamilie: Bolzen mit Kopf; Blechgehäuse; Kurbelwellen). Außerdem mussten Maschinen mit minimierter Rüstzeit (automatischer Werkzeugwechsel) entwickelt werden.

85.6.4

Automatisierte Fertigung

Die automatisierte Fertigung ist eine Fertigungsart, bei der die Arbeitsoperationen von den Betriebsmitteln aus-

85

1630

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

geführt werden, wobei sich die Aufgaben des Menschen je nach Automatisierungsgrad auf das Einrichten, Beschicken, Warten und Überwachen beschränken. Dieses Prinzip kann sich auf einzelne Betriebsmittel (Einzelautomat), auf mehrere Betriebsmittel (Verbundautomat) oder unter Einbeziehung von automatischen Steuer- und Kontrolleinrichtungen auf eine komplette Fertigungsstraße (Transferstraße) beziehen. Diese Fertigungseinrichtung kann als die höchste Stufe im Verlauf der technischen Entwicklung bezeichnet werden.

85.6.5

Flexible Fertigung

zelnen Bearbeitungen durch, nimmt den Werkstückwechsel vor und prüft automatisch die Werkstückabmessungen mit entsprechender Werkzeugnachführung. 85.6.5.2

85.6.5.3 85.6.5.1

Flexible Fertigungszelle

Die flexible Fertigungszelle (. Abb. 85.19) besteht aus Ausführungssystemen, Bereitstellungssystem und Steuerungssystem. Eine flexible Fertigungszelle führt die ein. Abb. 85.19 Komponenten und Grundkonzeption einer flexiblen Fertigungszelle [nach Wiendahl]

85

. Abb. 85.20 Komponenten und Grundkonzeption einer flexiblen Fertigungsstraße [nach Wiendahl]

Flexible Fertigungsstraße

Die flexible Fertigungsstraße (. Abb. 85.20) hat zusätzlich zu den Funktionen einer Fertigungszelle auch das Transportieren und Lagern (Puffern) der Werkstücke im System integriert. Dieses System ist hauptsächlich für hohe Stückzahlen bei starker Teileähnlichkeit geeignet. Verzweigungen zwischen den Bearbeitungsstationen sind möglich, Zwischenpuffer können kurzfristige Störungen ausgleichen.

Flexible Fertigungssysteme

Flexible Fertigungssysteme (. Abb. 85.21) werden in einoder mehrstufige Systeme unterteilt. Eine Kombination aus beiden Systemen ist zusätzlich möglich. Beim einstufigen System hat jede Maschine die gleichen Bearbeitungsfunk-

1631 85.6  Fertigungsarten

. Abb. 85.21 Grundkonzeption flexibler Fertigungssysteme [nach Wiendahl]

. Abb. 85.22 Prinzip eines flexiblen Fertigungssystems [nach Wiendahl]

tionen und ist direkt mit dem Lager verbunden. Dadurch wird eine hohe Flexibilität durch höhere Investitionen (Maschinen sind „Alleskönner“) erreicht. Im mehrstufigen System herrscht eine Arbeitsteilung zwischen den Maschinen. Nach erfolgter Bearbeitung auf einer Maschine wird das Werkstück entweder an die nächste Maschine weitergeleitet oder im Zentrallager zwischengelagert. Je nach Teilemix und den dabei erforderlichen Arbeitsgängen können ein-

zelne Maschinen überlastet oder eine schlechte Auslastung haben. Das kombinierte System erreicht durch Kombination von Bearbeitungszentren mit Ein-Verfahren-Maschinen eine hohe Kapazitätsauslastung sowie durch den Einsatz „einfacherer“ Maschinen geringere Investitionen gegenüber dem einstufigen System. Flexible Fertigungssysteme beinhalten zusätzlich zu den Bearbeitungs- und Hilfsstationen auch Werkstück- und

85

1632

Kapitel 85  Grundlagen des Arbeitsstudiums

. Abb. 85.23 Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Fertigungssysteme [nach Ihme [4]]

85

. Abb. 85.24 Integration von Funktionen der indirekten Bereiche in der Fertigungsinsel [nach Ihme [4]]

Werkzeuglager, siehe . Abb. 85.22. Die Steuerung aller Stationen erfolgt zentral durch einen Zellenrechner, der von einem übergeordneten Betriebsrechner mit Informationen (Aufträge, Teileinformationen, Werkzeuginformationen) versorgt wird. Erledigte Aufträge, Werkzeug- und

Materialanforderungen sowie Störungen werden vom Zellenrechner an den Betriebsrechner gegeben. Eine Übersicht der verschiedenen automatisierten Fertigungskonzepte zeigt . Abb. 85.23. Als Kriterien dienen dabei die Teilevielfalt (Anzahl der Varianten) und das Pro-

1633 85.6  Fertigungsarten

. Tabelle 85.3 Ausprägungsformen flexibel automatisierter Fertigungseinrichtungen [nach Ihme [4]] Merkmale

Struktur Flexible Transferstraße

Flexibles Fertigungssystem Flexible Fertigungszelle

Flexible Fertigungsinsel

Verkettung

Innenverkettung von NCund DNC-Bearbeitungsstationen

Außenverkettung mehrerer NC-Bearbeitungsstationen

Einzelmaschine mit vollautomatisierter Ver- und Entsorgung

mehrere Einzelmaschinen unverkettet; NC-Maschinen durch konventionelle Arbeitsplätze ergänzt

Bearbeitungsstufen

mehrstufige Bearbeitung

mehrstufige Bearbeitung

einstufige Bearbeitung

einstufige Bearbeitung

Materialfluss

Transport getaktet

Transport ungetaktet

Automatische Maschinenbe- Transport ungetaktet; manuschickung ell oder automatisch

Materialfluss gerichtet

Materialfluss ungerichtet

Versorgung aus Pufferplatz oder aus Werkstückspeicher

Materialfluss ungerichtet

Informationsfluss

voll integriert/automatisiert

voll integriert/automatisiert

voll integriert

voll integriert/automatisiert

Flexibilität/Automatisierungsgrad

begrenzte Anpassungsfähig- kein manuelles Rüsten, für geringer Rüstaufwand, keit an verschiedene Aufbegrenztes Teilespektrum, für umfangreiches gaben bei kurzer Rüstzeit; hoher Automatisierungsgrad Teilespektrum, hoher Auhoher Automatisierungsgrad tomatisierungsgrad

hohe Anpassungsgenauigkeit an große Werkstückvielfalt, mittlerer bis hoher Automatisierungsgrad

Autonomiegrad

keine Dispositionsautonomie geringe Dispositionsautonomie

mittlere bis hohe Dispositionsautonomie

hohe Dispositionsautonomie

Kapitaleinsatz

hoch

mittelgroß

gering bis mittelgroß schrittweise realisierbar

hoch

Qualitätssicherung, der Logistik und Disposition sowie der Wartung. Dadurch kann ein wesentlicher Teil der sonst erforderlichen übergeordneten Planung und Steuerung eingespart werden. Durch die Komplettbearbeitung wird die Durchlaufzeit eines Auftrages entscheidend verkürzt. Fertigungsinseln erfordern durch den erweiterten Aufgabenumfang qualifizierte Mitarbeiter. Die Einrichtung von Fertigungsinseln erfordert nicht unbedingt hohe Investitionen (nicht zwangsläufig automatisierte Betriebsmittel), sodass eine schrittweise Realisierung auch mit konventionellen (CNC-) Maschinen möglich ist (. Abb. 85.25). In der . Tab. 85.3 sind Struktur und Merkmale der behandelten flexiblen Fertigungskonzepte noch einmal zusammengefasst. . Abb. 85.25 Layout einer Fertigungsinsel [nach Ihme [4]]

duktionsvolumen (die Stückzahl). Mit hoher Anzahl der Varianten muss die Flexibilität der eingesetzten Systeme steigen. Zu bedenken ist, dass heute in allen Branchen aufgrund von Kundenanforderungen die Anzahl der Produktvarianten zunimmt. Eine weitere inzwischen in Unternehmen mit Einzelund Kleinserienfertigung angewendete Organisationsform der Fertigung (und auch der Montage) ist die Fertigungsinsel (bzw. Montageinsel). Ausgehend von einem gewissen Teilespektrum bzw. von einer Teilefamilie werden alle notwendigen Bearbeitungsstationen räumlich zusammengefasst. Die Fertigungsinsel übernimmt zusätzlich (. Abb. 85.24) auch Funktionen der Arbeitsplanung, der

85.6.6

Baustellenfertigung

Die Baustellenfertigung unterscheidet sich von den genannten Arbeitsablaufprinzipien grundsätzlich dadurch, dass der Arbeitsgegenstand ortsgebunden ist und dass Betriebsmittel sowie Menschen und Material gleichzeitig oder in zeitlicher Folge an den Arbeitsgegenstand oder das Projekt herangebracht werden müssen. Als Varianten der Baustellenfertigung können das Wanderfertigungsprinzip (z. B. Gleisbauarbeiten, Kabelverlegen, Abbau von Kohle oder Erz, Straßenbau) und das Förderprinzip (z. B. Transporte mittels Fördermitteln einschl. Be- und Entladen) definiert werden.

85

1635

Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung Klaus-Dieter Arndt

Die Arbeitsvorbereitung im klassischen Sinn bezieht sich auf den Bereich der Fertigung und Montage. Die Aufgaben der Arbeitsvorbereitung werden in . Abb. 86.1 beschrieben. Das Ziel besteht darin, ein bestmögliches wirtschaftliches Arbeitsergebnis zu erreichen. Die Realisierung erfolgt grundsätzlich in zwei meist auch organisatorisch getrennten Aufgabenbereichen, die als Arbeitsplanung und Arbeitssteuerung [auch Produktionsplanung und -steuerung (PPS) oder Fertigungsplanung und -steuerung genannt] bezeichnet werden. Die Aufgaben der Arbeitsplanung werden gemäß . Abb. 86.2 in Funktionen und Unterfunktionen gegliedert. In der Arbeitsablaufplanung wird für jedes einzelne Element der Erzeugnisgliederung die Reihenfolge der Arbeitsvorgänge festgelegt. Bei häufig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen werden in der Methodenplanung technologische Verfahren und organisatorische Abläufe festgelegt bzw. entwickelt. Die Arbeitsstättenplanung reicht von der Planung einer Fabrik über die Werkstättenplanung bis hin zur Gestaltung einzelner Arbeitsplätze. Die Arbeitsstättenplanung kann organisatorisch auch parallel zur Arbeitsvorbereitung angeordnet sein, wobei ihr dann oft die Instandhaltung übertragen ist. Im Funktionsbereich Arbeitsmittelplanung werden für jedes Werkstück die jeweiligen Arbeitsmittel bestimmt. Dies beinhaltet sowohl Maschinen und Anlagen, als auch Lager und Transporteinrichtungen. Zusätzlich werden Werkzeuge, Vorrichtungen, Lehren, Schablonen, Gesenke, (Guss- und Spritz-) Formen sowie eventuelle Spezialmaschinen festgelegt. In der Arbeitszeitplanung werden die Zeiten für die Ausführung der einzelnen Arbeitsschritte ermittelt. Die Planzeiten betreffen nicht genau zu planende Arbeiten, wie z. B. Reparaturen oder Montagearbeiten an großen Objekten. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Vorgabezeit auf gut zu berechnende Arbeitsgänge. Der gesamte Arbeitsvorgang wird dabei in Arbeitselemente oder Arbeitsabläufe zerlegt, woraus auch die Arbeitsbewertung erfolgen kann. Die Bedarfsplanung je Einheit hat die Aufgabe, Material, Arbeitsmittel und Arbeitskräfte nach Art und Menge

zu bestimmen. Hierbei gilt es, für diese drei Bereiche die jeweils wirtschaftlich günstigen Lösungen zu ermitteln. Die Arbeitsfristenplanung dient als Bindeglied zur Arbeitssteuerung. Hierbei wird aus statistischen Erhebungen die Durchlaufzeit für Werkstücke, Baugruppen und Erzeugnisse zur Angebots- und Auftragsterminplanung ermittelt. In der Arbeitskostenplanung werden aus den Kosten für Material, Arbeitsmitteln und Arbeitskräften entsprechend der Bedarfsplanung die Herstellkosten ermittelt. Das Ergebnis der Arbeitsplanung wird im Arbeitsplan dokumentiert. Man unterscheidet dabei zwischen Basis- oder Stamm-Arbeitsplan (auftragsunabhängig, auch neutraler Arbeitsplan genannt) und Auftrags-Arbeitsplan (auftragsabhängig). Der Auftrags-Arbeitsplan enthält zusätzliche Auftragsdaten, wie Stückzahl, Auftragsnummer (und oder Kunde), Fertigstellungstermin und Prioritätskennziffer. Die Arbeitsplanung erstellt jedoch nur den Basis-Arbeitsplan.

. Abb. 86.1 Definition der Arbeitsvorbereitung und ihre Bestandteile [nach REFA]

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_86

86

1636

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

86 . Abb. 86.2 Aufgliederung der Arbeitsplanung in Funktionen und Unterfunktionen [nach REFA]

86.1

Arbeitsplanerstellung

. Abb. 86.3 zeigt den Grobablauf bei einer konventionellen Arbeitsplanerstellung ohne Einsatz eines DV-Systems. Ausgehend von Zeichnungen und zugehörigen Stücklisten wird zuerst das Rohmaterial bestimmt und anschließend die Reihenfolge der erforderlichen Fertigungsverfahren. Zusätzlich wird dabei jedem Arbeitsvorgang die entsprechende Fertigungseinrichtung (Maschine, Anlage, Arbeitsplatz) zugeordnet sowie die Vorgabezeit ermittelt. Der so entstandene Arbeitsplan ist auftrags- und terminneutral. Um die kostengünstigste Lösung bei der Rohmaterialfestlegung zu finden, müssen die vom Unternehmen beherrschten Fertigungsverfahren und die geplante Stückzahl herangezogen werden. Alternative Ausgangsmaterialien mit den erforderlichen Bearbeitungen zeigt beispielhaft . Abb. 86.4. Daran anschließend erfolgt eine Gegenüberstellung der in Frage kommenden Rohteilformen, bezüg-

lich der Herstellkosten in Abhängigkeit von der Stückzahl. Aus . Abb. 86.5 ergibt sich, dass das Gussstück für die Planstückzahl die niedrigsten Herstellkosten hat. Die Bereiche, in denen Arbeitsplandaten verwendet werden, sind aus . Abb. 86.6 zu entnehmen Zur Bestimmung der Arbeitsvorgangsfolge (. Abb. 86.7) werden das Rohteil und das Fertigteil gegenübergestellt und die einzusetzenden Fertigungsverfahren ermittelt. Dabei richtet sich der Arbeitsplaner nach Arbeitsplänen ähnlicher Werkstücke, nach im Unternehmen vorhandenen Richtlinien, und er geht aufgrund seiner Erfahrung aus Planungsvorgängen der Vergangenheit vor. Um aus den alternativen Fertigungsverfahren das Kostengünstige zu ermitteln, wird in der Praxis häufig auf Relativkostenkataloge zurückgegriffen. Außerdem werden die im Unternehmen vorhandenen Maschinen berücksichtigt, wobei auch Aufstellungsort und technische Eigenschaften bei Maschinen gleicher Funktion unterschieden werden. Im Anschluss erfolgt dann die Festlegung der Reihenfolge der Arbeitsvorgänge.

86

1637 86.2  Arbeitsdatenmanagement

. Abb. 86.3 Ablauf einer Arbeitsplanerstellung [nach Wiendahl]

r

a

r

1 Wichtige Angaben im Arbeitsplan bei jedem Arbeitsgang

1) 2) 3) 4) 5) 6)

86.2

Arbeitsgangbeschreibung (-text) Arbeitsplatz/Maschinengruppe Rüstzeit tr Zeit je Einheit te Lohngruppe Betriebsmittel (Vorrichtungen, Schablonen, Prüfmittel)

1 Wichtige Angaben im Arbeitsplankopf

1) Teile-Nummer/Zeichnungsnummer Nummer 2) Teilebenennung 3) Halbzeug

und

Positions-

1 Zusätzliche Angaben im Auftragsarbeitsplan

1) Auftrags-Nummer/Kunde 2) Losmenge 3) Solltermin

e

e

Arbeitsdatenmanagement

Wenn im Arbeitsstudium von Daten gesprochen wird, so sind damit 1. Zeiten für Ablaufabschnitte 2. Einflussgrößen, von denen die Zeiten für Ablaufabschnitte abhängen 3. Bezugsmengen, auf die sich die Zeit bezieht und 4. Daten für die Arbeitsbedingungen gemeint. Die Zeit für die Ausführung eines bestimmten Ablaufabschnittes hängt von der Person, vom Arbeitsverfahren, von der Arbeitsmethode und von den Arbeitsbedingungen ab. Mathematisch ausgedrückt ist die Zeit eine Funktion der Einflussgrößen. Zeit D f (Einflussgrößen)

1638

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

. Abb. 86.4 Einflussbereiche der Rohmaterialbestimmung [nach Wiendahl]

Herstellkosten/Stück

86

Guss

Blech

Stange

Im Arbeitsstudium wird hauptsächlich nach dem Verwendungszweck unterschieden (. Abb. 86.8a): Arbeitsdaten werden auch unterschieden nach unabhängige Arbeitsdaten und abhängige Arbeitsdaten (. Abb. 86.8b). Eine weitere Unterscheidung der Daten erfolgt nach quantitative Daten und qualitative Daten (. Abb. 86.8c). Die Reproduzierbarkeit ist ein Merkmal für das Wiederverwerten von Daten.

86.2.1

1

Planstückzahl

Stückzahl m

. Abb. 86.5 Qualitativer Verlauf der Herstellkosten/Stück bei Verwendung verschiedener Rohmaterialien [nach Wiendahl]

Die Ermittlung von Daten sollte unter Berücksichtigung folgender Gesichtspunkte erfolgen: 1. der Verwendungszweck 2. die Reproduzierbarkeit Der Verwendungszweck bestimmt, welche und wie viel Daten mit welcher Genauigkeit erfasst werden müssen.

Ablaufarten

Der Arbeitsablauf im Arbeitssystem wird durch Ablaufarten beschrieben. Bezug genommen wird dabei auf Mensch, Betriebsmittel, Arbeitsgegenstand und Information. Zur Erfassung und Bewertung der Ereignisse im Arbeitssystem lässt sich der Arbeitsablauf für das System als Ganzes sowie für die Systemelemente Mensch, Betriebsmittel, Arbeitsgegenstand und Information nach Ablaufarten analysieren und beschreiben. Die Ablaufarten werden mit Großbuchstaben gekennzeichnet. Die Gliederung von Ablaufarten bietet außerdem die Möglichkeit, ihnen Zeitarten zuzuordnen und auf dieser Basis den Arbeitsablauf, auftretenden Belastungen u. a. zeitlich zu bewerten.

1639 86.2  Arbeitsdatenmanagement

. Abb. 86.6 Verwendung Arbeitsplandaten in anderen Bereichen [nach Wiendahl]

. Abb. 86.7 Ablauf und Hilfsmittel zur Ermittlung der Arbeitsgangfolge [nach Wiendahl]

86

1640

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

a

b

c

86 . Abb. 86.8 a Verwendung von Daten [nach REFA], b Unterscheidung von Daten [nach REFA], c Unterscheidung von Daten [nach REFA]

Zur besseren Zuordnung der Ablaufarten werden in . Abb. 86.9–86.12 und 86.15–86.18 folgende farbliche Darstellungen verwandt: Rot

für Unterbrechung der Aufgabendurchführung, Rüsten, Unterbrechen der Tätigkeit und der Rüsttätigkeit, Unterbrechung der Nutzung und der Nutzung Rüsten, Speichern, Grün für Aufgabendurchführung, Ausführen, Tätigkeit, Rüsttätigkeit, Nutzung, Nutzung Rüsten, Einwirken, Verändern, Braun für Fördern (Transportieren und Handhaben) und zusätzliches Verändern, Lila für Prüfen, Blau für Liegen (ablaufbedingtes und zusätzliches Liegen), Dunkelblau für Lagern, Rotbraun für langfristiges Speichern/Archivieren.

86.2.1.1

Ablaufarten für die Aufgabe des Arbeitssystems

Die Ablaufarten für die Aufgabe des Arbeitssystems umfassen alle Ereignisse bzw. Aufgaben (Vorgänge), die auftreten, solange ein Arbeitssystem zur Durchführung von Aufgaben (Aufträgen) vorbereitet und genutzt wird (. Abb. 86.9, . Tab. 86.1). Sie werden mit „S“ gekennzeichnet. Die Arbeitssysteme werden in unterschiedlicher Weise genutzt (. Abb. 86.10). Der Arbeitsablauf im Arbeitssystem (SI) umfasst grundsätzlich alle Ablaufabschnitte zur Durchführung eines Arbeitsauftrages. Darunter fallen 4 von der Auftragsmenge abhängige Ablaufabschnitte (z. B. Ausführen); 4 von der Auftragsmenge unabhängige Ablaufabschnitte (z. B. Rüsten). System Rüsten ist das Vorbereiten des Arbeitssystems für die Erfüllung der Aufgabe, das Gewährleisten dieses

1641 86.2  Arbeitsdatenmanagement

. Tabelle 86.1 Ablaufarten bezogen auf die Aufgabe des Arbeitssystems [nach REFA] Begriff

Bedeutung

1. In Aufgabenerfüllung (SI)

wenn es für die Ausführung von Aufgaben genutzt wird. Sie wird unterteilt in Aufgabendurchführung (SD) und Unterbrechung der Aufgabendurchführung (SK)

2. Außer Aufgabenerfüllung (SL)

wenn es längerfristig nicht für die Ausführung von Aufgaben genutzt wird

3. Betriebsruhe (SR)

wenn der Betrieb insgesamt oder in Teilen ruht

4. Nicht erkennbar (SX)

werden Ablaufabschnitte gekennzeichnet, die sich zum Zeitpunkt der Beobachtung einer anderen Ablaufart nicht eindeutig zuordnen lassen (z. B. ein Mitarbeiter hat das Arbeitssystem zwecks Klärung einer persönlichen Angelegenheit verlassen)

5. Hauptdurchführung (SH)

kennzeichnet einen planmäßigen, unmittelbar der Erfüllung der Aufgabe dienenden Ablaufabschnitt

6. Nebendurchführung (SN)

kennzeichnet einen planmäßigen, nur mittelbar der Erfüllung der Aufgabe dienenden Ablaufabschnitt

7. Zusätzliche Durchführung (SZ) wird ein Ablaufabschnitt gekennzeichnet, der unplanmäßig auftritt und daher nicht vorherbestimmbar ist 8. Ablaufbedingtes Unterbrechen (SA)

ruht die Ausführung der Aufgabe im Arbeitssystem prozessbedingt (z. B. Abkühl- oder Aushärteprozesse)

9. Störungsbedingtes Unterbrechen (SS)

ruht die Ausführung der Aufgabe im Arbeitssystem infolge technischer oder organisatorischer Störungen (z. B. Werkzeugbruch, fehlender Auftrag oder Material, Personalausfall)

10. Persönlich bedingtes Unterbrechen (SP)

liegt z. B. vor, wenn der Mensch die Ausführung im Arbeitssystem aus persönlichen Gründen unterbricht (z. B. Zigaretten holen, Gang zur Toilette oder Kaffeeautomat, verspäteter Arbeitsbeginn)

11. Erholungsbedingtes Unterbrechen (SE)

ruht die Ausführung der Aufgabe im Arbeitssystem infolge Erholens durch den Menschen (z. B. Ausruhen nach dem Schmieden eines Rohlings am Arbeitsplatz mit Hitzebelastung)

Aufgabendurchführung

in Aufgabenerfüllung

außer Aufgabenerfüllung

Aufgaben im Arbeitssystem

SH

Nebendurchführung

SN

zusätzl. Durchführung

SZ

ablaufbedingtes Unterbrechen

SA

störungsbedingtes Unterbrechen

SS

persönl. bedingtes Unterbrechen

SP

erholungsbedingtes Unterbrechen

SE

SI

SL

S

Betriebsruhe

SD

Hauptdurchführung

Unterbrechung der Aufgabendurchführung

SK

SR

nicht erkennbar

SX

. Abb. 86.9 Ablaufarten bezogen auf die Aufgabe des Arbeitssystems [nach REFA]

Zustandes sowie – soweit erforderlich – sein Rückversetzen in den ursprünglichen Zustand (z. B. Programm einlesen, Vorrichtung auf- oder abbauen, Werkzeuge nacharbeiten). System Ausführen bedeutet ein Verändern der Eingabe im Sinne der Aufgabe (z. B. Zeichnen, Schweißen, Berechnen, Programmieren).

Die Untersuchung des Arbeitsablaufs im Arbeitssystem erfolgt für die einzelnen Systemelemente, daher wird nach Ablaufarten unterschieden für 4 den Menschen 4 das Betriebsmittel 4 den Arbeitsgegenstand und 4 die Information.

86

1642

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

System im Einsatz

System Rüsten

SIR

SI

System Ausführen

SIA

. Abb. 86.10 Ablaufarten für den Einsatz des Arbeitssystems [nach REFA]

86.2.1.2

Ablaufarten für den Menschen

Sie umfassen alle Ereignisse, die auftreten können, solange der Mensch im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses und der Arbeitszeitordnung (AZO) dem Unternehmen zur Verfügung steht, und zwar unter Einbeziehung der gesetzlichen und vertraglich geregelten Pausen. Sie werden mit dem Buchstaben „M“ gekennzeichnet. Für

den Menschen gelten folgende Ablaufarten (. Abb. 86.11, . Tab. 86.2). Das Rüsten dient der Vorbereitung des Menschen auf das Ausführen der Aufgabe (z. B. Lesen der Auftragsunterlagen) und der Vorbereitung des Betriebsmittels auf die Durchführung der Aufgabe (z. B. Einrichten der Bearbeitungsmaschine). Im Arbeitsablauf tritt das Rüsten auf 4 am Anfang (Aufrüsten) 4 im weiteren Verlauf (Umrüsten) und 4 am Ende (Abrüsten). Die auf den Menschen bezogenen Ablaufarten für das Rüsten entsprechen denen für das Ausführen (. Abb. 86.12) und werden zusätzlich mit einem „R“ gekennzeichnet. Für den Fall, dass das Rüsten durch einen Einrichter erfolgt, handelt es sich um ein Ausführen. Die Bedeutung gemäß . Tab. 86.2 (Ablaufarten für den Menschen) ist sinngemäß auch auf das Rüsten durch den Menschen anwendbar.

. Tabelle 86.2 Ablaufarten bezogen auf den Menschen [nach REFA]

86

Begriff

Bedeutung

1. Im Einsatz (MI)

wenn er dem Unternehmen während der Arbeitszeit zur Erfüllung von Aufgaben zur Verfügung steht (z. B. Ausüben von Tätigkeiten, Bereitschaft). Die Ablaufart im Einsatz (MI) ist zwischen Tätigkeit (MT) und Unterbrechen der Tätigkeit (MK) zu unterscheiden

2. Außer Einsatz (ML)

wenn er längerfristig zur Ausführung von Arbeitsaufgaben nicht zur Verfügung steht oder nicht beschäftigt werden kann (z. B. Auftragsmangel, Krankheit, Kur, Urlaub, Unfall, Weiterbildungsmaßnahme, länger anhaltende Störungen, fehlendes Material)

3. Betriebsruhe (MR)

bedeutet, dass im Unternehmen oder in Geschäftsfeldern nicht gearbeitet wird (z. B. Betriebsversammlung, Feiertage, Kurzarbeit, Betriebsstillstand)

4. Nicht erkennbar (MX)

dass während der Arbeitsanalyse nicht eindeutig erkannt werden kann, welcher anderen Ablaufart ein Ablaufabschnitt zuzuordnen ist

5. Haupttätigkeit (MH)

ist eine planmäßige, unmittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit (z. B. Werkstück bearbeiten; selbsttätig ablaufenden Drehvorgang beobachten, Schweißen, Rechnung am PC schreiben, Teile montieren)

6. Nebentätigkeit (MN)

ist eine planmäßige, nur mittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit (z. B. Werkstück holen, Arbeitsanweisung lesen, Werkstück spannen, Teilebehälter wechseln, Drehzahl und Vorschub umstellen, prüfen und messen, Werkstücke zählen)

7. Zusätzliche Tätigkeit (MZ)

wenn deren Vorkommen oder Ablauf nicht vorgesehen ist oder vorausbestimmt werden kann. Für zusätzliche Tätigkeiten gibt es folgende Ursachen: – organisatorische und technische Störungen im Arbeitsablauf (Nacharbeiten) – freiwillige oder andere Mithilfe in anderen Arbeitssystemen – Mangel an Informationen und Material (wiederholtes lesen der Arbeitspläne, Unklarheiten mit dem Vorgesetzten klären) sowie – Tätigkeiten ohne besonderen Auftrag, z. B. Dienstgespräche, Reinigungsarbeiten

8. Ablaufbedingtes Unterbrechen (MA)

wenn der Mensch auf das Ende von Ablaufabschnitten, die beim Betriebsmittel oder Arbeitsgegenstand selbstständig ablaufen, warten muss und eine andere Tätigkeit nicht ausführt (z. B. Warten auf das Auskühlen einer Form; Warten bei Fließarbeit auf das nächste Stück, Warten während des Rechnerhochlaufs)

9. Störungsbedingtes Unterbrechen (MS)

liegt vor, wenn der Mensch infolge technischer und organisatorischer Störung sowie fehlender Informationen nicht tätig ist (z. B. Warten auf Material, Warten auf Arbeitsauftrag, Warten wegen Energieausfall, Warten während der Behebung eines Maschinenschadens)

10. Persönlich bedingtes Unterbrechen (MP)

liegt vor, wenn der Mensch aus persönlichen Gründen nicht tätig ist (z. B. Zigaretten holen, Toilettengang, Getränke holen, Privatgespräche führen, verspäteter Beginn oder vorzeitiges Beenden der Tätigkeit)

11. Erholungsbedingtes Unterbrechen (ME)

liegt vor, um die infolge der Tätigkeit aufgetretene Ermüdung abzubauen (z. B. Ausruhen nach dem Schmieden eines Rohlings am Arbeitsplatz mit Hitzebelastung, Heben und Tragen schwerer Lasten)

1643 86.2  Arbeitsdatenmanagement

Tätigkeit

im im Einsatz Einsatz

außer Einsatz

Mensch

MT

MH

Nebentätigkeit

MN

zusätzl. Tätigkeit

MZ

ablaufbedingtes Unterbrechen

MA

störungsbedingtes Unterbrechen

MS

persönl. bedingtes Unterbrechen

MP

erholungsbedingtes Unterbrechen

ME

MI

ML Unterbrechen der Tätigkeit

MK

M Betriebsruhe

Haupttätigkeit

MR

MX

nicht erkennbar

. Abb. 86.11 Ablaufarten für den Menschen [nach REFA]

Rüsttätigkeit

im im Einsatz Einsatz

außer Einsatz

Mensch

MTR

MHR

Nebenrüsttätigkeit

MNR

zusätzliche Rüsttätigkeit

MZR

ablaufbedingtes Unterbrechen Rüsten

MAR

störungsbedingtes Unterbrechen Rüsten

MSR

persönl. bedingtes Unterbrechen Rüsten

MPR

erholungsbedingtes Unterbrechen Rüsten

MER

MI

ML Unterbrechen der Rüsttätigkeit

MKR

M Betriebsruhe

Hauptrüsttätigkeit

MR

nicht erkennbar

. Abb. 86.12 Ablaufarten Rüsten bezogen auf den Menschen [nach REFA]

MX

86

1644

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

. Abb. 86.13 Beeinflussbare und unbeeinflussbare Ablaufarten (MI) [nach REFA]

. Abb. 86.14 Ablaufarten aus ergonomischer Sicht (MT) [nach REFA]

1 Weitere Gliederungsmöglichkeiten

86

Für die Analyse kann es erforderlich sein, den Arbeitsablauf noch weiter zu kennzeichnen, ob die Ablaufarten durch den Menschen beeinflussbar sind, und zwar gemäß . Abb. 86.13: Bei voll beeinflussbaren Abläufen hängt das Ausführen des Arbeitsablaufes ausschließlich vom Menschen ab. 7 Beispiele Zusammenbauen, Rad wechseln, Zeichnung lesen, Text schreiben, Werkstück ein- und ausspannen. 9

Bei bedingt beeinflussbaren Abläufen kann der Mensch die Zeit für das Ausführen des Arbeitsablaufes nur teilweise beeinflussen, wenn das Arbeitsverfahren und die Arbeitsmethode einen Spielraum zulassen. 7 Beispiele Löten, Schweißen, Drehen mit Handvorschub, Auto fahren, Flaschen am Fließband kontrollieren. 9

Bei unbeeinflussbaren Abläufen kann der Mensch das Ausführen des Arbeitsablaufes nicht beeinflussen, wenn er das vorgeschriebenen Arbeitsverfahrens und die Arbeitsmethode einhält. 7 Beispiele Automatischer Vorschub, selbstständig ablaufende Prozesse überwachen. 9

Aus ergonomischer Sicht kann eine Einteilung auch gemäß . Abb. 86.14 erfolgen: 86.2.1.3

Ablaufarten für die Betriebsmittel

Die Ablaufarten für Betriebsmittel umfassen alle Ereignisse, die auftreten können, solange das Betriebsmittel zur Arbeitsausführung im Unternehmen verfügbar ist. Sie werden mit dem Buchstaben „B“ gekennzeichnet. Für Betriebsmittel gelten folgende Ablaufarten (. Abb. 86.15, . Tab. 86.3). Die auf die Betriebsmittel bezogenen Ablaufarten für das Rüsten entsprechen denen für das Ausführen, werden aber zusätzlich mit „R“ gekennzeichnet (. Abb. 86.16).

1645 86.2  Arbeitsdatenmanagement

. Tabelle 86.3 Ablaufarten bezogen auf das Betriebsmittel [nach REFA] Begriff

Bedeutung

1. Im Einsatz (BI)

wenn es dem Betrieb zur Ausführung von Aufgaben zur Verfügung steht und durch Aufträge belegt ist. Die Unterteilung erfolgt in Nutzung (BT) und Unterbrechung der Nutzung (BK)

2. Außer Einsatz (BL)

wenn es längerfristig nicht zur Verfügung steht oder durch Aufträge längerfristig nicht belegt werden kann. Fälle für außer Einsatz und deren Ursachen: – fehlender Auftrag (Betriebsmittel dient als Reserve, fehlende Produktionsfreigabe des Auftrags, Auftragsmangel) – Planungsfehler (Personalmangel, fehlendes Material, fehlende Informationen) – Mensch ist außerplanmäßig nicht anwesend (Krankheit) – Stillstand des Betriebsmittels (Instandsetzung, Umbau, Energieausfall)

3. Betriebsruhe (BR)

gelten die gleichen Bedingungen wie unter M. Es erweist sich eine weitere Gliederung als sinnvoll, z. B. Betriebsruhe infolge: – gesetzlicher oder betrieblicher Arbeitsruhe und -pause – Ein-Schicht oder Zwei-Schicht-Betrieb – Kurzarbeit – Betriebsversammlung sowie – äußere Anlässe, z. B. Katastrophen

4. Nicht erkennbar (BX)

ist nicht eindeutig zu erkennen, welcher Ablaufart der beobachtete Ablaufabschnitt zuzuordnen ist, so wird er mit nicht erkennbar bezeichnet

5. Hauptnutzung (BH)

ist eine planmäßige, unmittelbare Nutzung des Betriebsmittels zur Erfüllung der Aufgabe des Arbeitssystems. Das Betriebsmittel führt die beabsichtigte Veränderung am Arbeitsgegenstand aus (z. B. Spanabnahme an der Drehmaschine, Sägevorgang an einer Kreissäge)

6. Nebennutzung (BN)

ist eine mittelbare Nutzung des Betriebsmittels, wobei es planmäßig zur Hauptnutzung vorbereitet, beschickt, entleert bzw. in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird oder wobei es stillsteht, um den Arbeitsgegenstand innerhalb des Betriebsmittels prüfen zu können (z. B. Rücklauf des Drehmeißels, Ein- und Ausspannen, Messen von Durchmessern und Längen, Werkzeuge nach Standzeitende wechseln)

7. Zusätzliche Nutzung (BZ)

gelten Haupt- oder Nebennutzung des Betriebsmittels, sofern deren Vorkommen oder Ablauf nicht vorausbestimmt werden kann (z. B. zusätzliche Reinigung, Nacharbeit)

8. Ablaufbedingtes Unter- liegt vor, wenn das Betriebsmittel planmäßig auf eine Tätigkeit des Menschen, auf eine Veränderung von Arbeitsbrechen (BA) gegenständen oder auf das Ende bestimmter Ablaufabschnitte an anderen Betriebsmitteln warten muss (z. B. auf Kran warten, Arbeitsgegenstände heranholen) 9. Störungsbedingtes Unterbrechen (BS)

liegt vor, wenn das Betriebsmittel infolge technischer oder organisatorischer Störungen nicht genutzt werden kann (z. B. Energieausfall, fehlerhaftes Material, Instandsetzen von Werkzeugen und Betriebsmitteln)

10. Persönlich bedingtes Unterbrechen (BP)

liegt vor, wenn die Unterbrechung der Nutzung des Betriebsmittels durch den Menschen verursacht wird (Getränke holen, persönliches Bedürfnis)

11. Erholungsbedingtes Unterbrechen (BE)

liegt vor, wenn die Unterbrechung der Nutzung des Betriebsmittels infolge Erholung des Menschen verursacht wird

Rüsten gilt als nicht wertschöpfende Nutzung und sollte so weit wie möglich verringert werden. Auch hier ist sinngemäß . Tab. 86.3 anwendbar. 86.2.1.4

Ablaufarten für den Arbeitsgegenstand

Sie berücksichtigen neben allen Ereignissen, die beim Zusammenwirken von Mensch, Betriebsmittel und Arbeitsgegenstand vorkommen, auch das Liegen und Lagern. Die Ablaufarten (. Abb. 86.17, . Tab. 86.4) werden mit dem Buchstaben „A“ gekennzeichnet.

Den Ablauf der Arbeitsgegenstände von der Ankunft bis zum Verlassen des Betriebes bezeichnet man als Durchlauf, Materialfluss, Workflow oder Wertstrom. 86.2.1.5

Ablaufarten zum Informationsfluss

Informationen bestehen aus Daten, die jeweils spezielle Sachverhalte beinhalten und in spezifischer Weise „bearbeitet“ und „gelagert“ werden. Die Ablaufarten (. Abb. 86.18, . Tab. 86.5) werden mit dem Buchstaben „I“ gekennzeichnet.

86

1646

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

BT

Nutzung

im Einsatz

außer Einsatz

Betriebsmittel

BH

Nebennutzung

BN

zusätzl. Nutzung

BZ

ablaufbedingtes Unterbrechen

BA

störungsbedingtes Unterbrechen

BS

persönl. bedingtes Unterbrechen

BP

erholungsbedingtes Unterbrechen

BE

BI

BL Unterbrechung der Nutzung

BK

B Betriebsruhe

Hauptnutzung

BR

nicht erkennbar

. Abb. 86.15 Ablaufarten für das Betriebsmittel [nach REFA]

86

. Abb. 86.16 Ablaufarten Rüsten für das Betriebsmittel [nach REFA]

BX

1647 86.2  Arbeitsdatenmanagement

. Tabelle 86.4 Ablaufarten bezogen auf den Arbeitsgegenstand [nach REFA] Begriff

Bedeutung

1. Verändern (AV)

kennzeichnet Zustands-, Form-, Lage- oder Ortsveränderung des Arbeitsgegenstandes

2. Einwirken (AVE)

kann als Form- (AVEF) oder Zustandsveränderung (AVEZ) des Arbeitsgegenstandes auftreten. Beispiele für eine Formveränderung: – Zerspanen, Pressen, Akten vernichten. Beispiele für eine Zustandsveränderung: – Erwärmen oder Abkühlen beim Schmieden – Trocknen nach dem Lackieren, Zusammenbau, Schweißen, Härten, Vergüten

3. Fördern (AVF)

ist das Verändern von Lage und/oder Ort des Arbeitsgegenstandes mit der Unterteilung Transportieren (AVFT) und Handhaben (AVFH) Transportieren (AVFT) besteht in Fördern der Arbeitsgegenstände von einem Arbeitssystem (Ort) zum anderen sowie zwischen Arbeitssystemen und Lager, auch zwischen Unternehmen. (Transport eines Arbeitsgegenstandes zwischen den Lagerbereichen mit Kran, Gabelstapler, Lkw, auch von Hand, Transport auf Bandförderer). Handhaben (AVFH) darunter versteht man ein Bewegen des Arbeitsgegenstandes, das Einwirken, Prüfen oder Liegen einleitet oder beendet und häufig manuell innerhalb des Arbeitssystems ausgeführt wird. (Umsetzen von Paletten am Arbeitsplatz, von Hand be- und entladen. Arbeitsgegenstände aufnehmen und in Vorrichtung legen)

4. Zusätzliches Verändern (AVZ)

besteht im Einwirken und Fördern, sofern deren Vorkommen oder Verlauf nicht vorausbestimmt werden kann (nicht vorgesehene Nacharbeit, fehlgeleitete, verschüttete oder schlecht gestapelte Teile umsetzen)

5. Prüfen (AP)

ist das Kontrollieren von Arbeitsgegenständen während der Bearbeitung, es kann durch Zählen, Messen, Wiegen, Beurteilen, Sortieren usw. erfolgen

6. Liegen (AR)

ist das Ruhen des Arbeitsgegenstandes, weil dessen Verändern, Prüfen oder Transportieren ablauf- oder störungsbedingt unterbrochen wird. Es ist zu unterscheiden zwischen ablaufbedingtem und zusätzlichem oder sonstigem Liegen. Beispiele für das ablaufbedingte Liegen (ARA): – Vorratshaltung von Arbeitsgegenständen am Arbeitsplatz (Puffer) – Bereitstellung von Arbeitsgegenständen zwischen den Arbeitssystemen oder nach der Bearbeitung – Aufenthalt infolge von Vorbereitungsarbeiten am Betriebsmittel – Liegen infolge erholungsbedingten Unterbrechens der Tätigkeit des Menschen Beispiele für das zusätzliche Liegen (ARZ): – Liegen des Arbeitsgegenstandes infolge von Ausfall des Arbeitssystems/Betriebsmittels – Organisationsfehler – ungeeignetes Material – persönlich bedingtes Unterbrechen der Tätigkeit – mangelnde Übersicht über den Stand der Auftragsbearbeitung – nicht ausreichend abgeglichene Kapazitäten, also nicht nur ablauf- und störungsbedingte Ursachen

7. Lagern (AL)

ist das Liegen von Arbeitsgegenständen im Lagerbereich, z. B. Wareneingangslager, Rohmateriallager (Lagern von Arbeitsgegenständen vor dem Verändern), Zwischen- oder Teilelager (halbfertige Arbeitsgegenstände), Verkaufslager oder Fertiglager (fertige Erzeugnisse)

8. Nicht erkennbar (AX)

bedeutet, dass die Zuordnung des Arbeitsgegenstandes zu einem Ablaufabschnitt zum Zeitpunkt der Beobachtung nicht möglich ist

. Tabelle 86.5 Ablaufarten bezogen auf die Informationen [nach REFA] Begriff

Bedeutung

1. Verändern (IV)

besteht in einer Zustands- oder Ortsveränderung von Informationen. Hierzu gehören drei spezielle Abläufe: – Verarbeiten (IVV), also eine Veränderung der Information durch Bearbeitung der Daten – Erfassen und Übertragen (IVÜ), also die Veränderung des Ortes der Informationen zwischen Datenträgern oder Arbeitssystemen – Zusätzliches Verändern (IVZ), also Verarbeiten, Erfassen oder Übertragen von Daten, sofern deren Vorkommen oder Verlauf nicht vorausbestimmt werden kann

2. Prüfen (IP)

ist das Kontrollieren von Daten und Informationen im Informationsfluss

3. Speichern (IS)

ist das Ablegen von Daten auf einem Datenträger mit ablaufbedingtes Speichern (ISA; Ablegen von Daten auf einem Datenträger, sofern ihr Verändern oder Prüfen ablaufbedingt unterbrochen wird) und zusätzliches Speichern (ISS; Ablegen der Daten auf dem Datenträger in Verbindung mit organisatorischen und technischen Störungen, ohne dass ein Verändern oder Prüfen erfolgen soll)

4. Langfristiges Speichern (IL)

ist das Ablegen der Informationen zur Datensicherung in Archiven

5. Nicht erkennbar (IX)

sind Ablaufarten zu klassifizieren, die einer anderen Ablaufart nicht zugeordnet werden können

86

1648

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

Einwirken Verändern

Form verändern

AVEF

Zustand verändern

AVEZ

AVE

AV

Transportieren AVFT (Ort ändern) Fördern

AVF Handhaben (Lage ändern)

Arbeitsgegenstand

A Prüfen

Liegen

zusätzliches Verändern

AVZ

ablaufbed. Liegen

ARA

zusätzliches Liegen

ARZ

AVFH

AP

AR

Lagern

AL

nicht erkennbar

AX

. Abb. 86.17 Ablaufarten für den Arbeitsgegenstand [nach REFA]

Verändern

IV

86

Verarbeiten

IVV

Erfassen/Übertragen

IVÜ

zusätzliches Verändern

IVZ

Prüfen Information

IP

I Speichern

ablaufbedingtes Speichern

ISA

zusätzliches Speichern

ISS

IS

langfristiges Speichern/Archivieren

IL

nicht erkennbar

IX

. Abb. 86.18 Ablaufarten bezogen auf die Information [nach REFA]

86

1649 86.3  Vorgabezeitermittlung (Synthese)

86.2.1.6

1 2. Bohren eines Loches

Anwendungsbeispiele

1 1. Drehen einer Welle auf einer Drehmaschine (die Zerspanung erfolgt beim Schruppen selbsttätig ohne Überwachung durch die Arbeitsperson) Nr. Ablaufabschnitt

Nr. Ablaufabschnitt

M

B

A

Rüsten 1

Auftrag lesen und Zeichnung einsehen

MNR BAR ARA

2

Schruppmeißel einspannen

MNR BNR ARA

3

Reitstock heranfahren und festspannen

MNR BNR ARA

4

mitlaufende Körnerspitze in Reitstock einsetzen

MNR BNR ARA

5

Drehzahl wählen, Vorschub einstellen, sonstige Vorbereitungsarbeiten an der Maschine

MNR BNR ARA

Ausführen Werkstück aus Behälter nehmen

MN

BA

AVFH

7

Werkstück ins Futter spannen

MN

BN

AVFH

8

Maschine einschalten, Schruppmeißel anstellen

MN

BN

ARA

9

Schruppen

MA

BH

AVEF

10

Schruppmeißel absetzen

MN

BN

ARA

11

Support im Eilgang zurückfahren

MA

BN

ARA

12

Schruppmeißel ab, Schlichtmeißel einsetzen

MN

BN

ARA

13

Schlichten

MH

BH

AVEF

14

Schlichtmeißel absetzen

MN

BN

ARA

15

Support im Eilgang zurückfahren

MA

BN

ARA

16

Maschine ausschalten

MH

BN

ARA

17

Werkstück mit Messschieber auf Maß prüfen

MN

BN

AP

18

Werkstück ausspannen

MN

BN

AVFH

19

Werkstück in Behälter legen

MN

BA

AVFH

Rüsten 20

Reitstock zurücksetzen

MNR BNR ARA

21

Körnerspitze ablegen und ausbauen

MNR BNR ARA

22

Schlichtmeißel ausbauen und ablegen

MNR BNR ARA

23

Meißel in Werkzeugschrank legen

MNR BAR ARA

24

Maschine reinigen

MNR BNR ARA

25

Arbeitspapiere ausfüllen und abgeben

MNR BAR ARA

A

Werkstück aus Behälter nehmen und in Bohrvorrichtung einlegen

MN BN AVFH

2

Maschine einschalten

MN BN ARA

3

Loch in Werkstück bohren

MH BH AVEF

4

Kontrollieren des Durchmessers mittels Messschieber

MN BN AP

5

Maschine ausschalten

MN BN ARA

6

Werkstück aus Bohrvorrichtung nehmen und in Behälter legen

MN BN AVFH

1 3. Teile mit einem Schneidbrenner aus einer Tafel ausbrennen Nr. Ablaufabschnitte

6

B

1 Ablaufart M

Ablaufart

Ablaufart M

B

A

1

Platte auf Schweißtisch legen

MN BA AVFH

2

Teil ausbrennen

MH BH AVEF

3

Kontrollieren durch Messen

MN BA AP

4

Teil in Transportbehälter legen

MN BA AVFH

86.3

Vorgabezeitermittlung (Synthese)

Nach der Analyse der Arbeitsabläufe für Mensch, Betriebsmittel und Arbeitsgegenstand können für jeden der einzelnen Ablaufabschnitte die Daten (Bezugsmengen, Einflussgrößen, Arbeitsbedingungen und insbesondere die Zeiten) festgelegt bzw. ermittelt werden. Aus der Synthese aller Zeiten für die Ablaufabschnitte erhält man schließlich die Vorgabezeiten. Vorgabezeiten sind Sollzeiten für von Mensch und Betriebsmittel ausgeführte Arbeitsabläufe. Bezogen auf den Menschen enthalten sie Grund-, Erholungs- und Verteilzeiten, auf das Betriebsmittel bezogen nur Grund- und Verteilzeiten. Die Vorgabezeit für den Menschen wird als Auftragszeit T, die Vorgabezeit für Betriebsmittel wird als Belegungszeit T bB bezeichnet. Im Wesentlichen werden zwei Arten von Vorgabezeiten unterschieden: 1. Auftragsabhängige Vorgabezeiten Sie beziehen sich auf einen Auftrag mit einer bestimmten vorgegebenen Stückzahl.

1650

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

Auftragszeit T

Ausführungszeit ta = m· te

Rüstzeit tr

Zeit je Einheit te

Rüstgrundzeit trg

Rüsterholungszeit trer

Rüstverteilzeit trv

Grundzeit tg

Tätigkeitszeit tt

beeinflussbare Tätigkeitszeit ttb

Erholungszeit ter

Wartezeit tw

Verteilzeit tv

sachliche Verteilzeit ts

persönliche Verteilzeit tp

unbeeinflussbare Tätigkeitszeit ttu

. Abb. 86.19 Gliederung der Auftragszeit T für den Menschen [nach REFA]

2. Auftragsunabhängige Vorgabezeiten Braun Sie beziehen sich auf eine bestimmte Mengeneinheit (z. B. 1, 100 oder 1000 Stück).

86

Zur besseren Zuordnung der Ablauf- und Zeitarten werden in . Abb. 86.19–86.24 folgende farbliche Darstellungen verwandt: Rot Grün

für Rüstzeit und Betriebsmittelrüstzeit, für Ausführungszeit, Zeit je Einheit und Betriebsmittelzeit je Einheit, Blau für Rüstgrundzeit, Rüsttätigkeitszeit (Hauptund Nebentätigkeit Rüsten), Grundzeit, Tätigkeitszeit (Haupt- und Nebentätigkeit), Betriebsmittelrüstgrundzeit, Haupt- und Nebennutzungszeit Rüsten (Haupt- und Nebennutzung Rüsten), Betriebsmittelgrundzeit, Haupt- und Nebennutzungszeit (Haupt- und Nebennutzung) Rotbraun für Rüstwartezeit (ablaufbedingtes Unterbrechen Rüsten), Wartezeit (ablaufbedingtes Unterbrechen), Brachzeit Rüsten (ablaufund erholungsbedingtes Unterbrechen der Nutzung Rüsten), Brachzeit (ablauf- und erholungsbedingtes Unterbrechen der Nutzung), Hellgrün für Rüsterholungszeit (erholungsbedingtes Unterbrechen Rüsten), Erholungszeit, (erholungsbedingtes Unterbrechen),

86.3.1

für Rüstverteilzeit, sächliche Rüstverteilzeit (zusätzliche Tätigkeit Rüsten und störungsbedingtes Unterbrechen Rüsten), persönliche Rüstverteilzeit (persönlich bedingtes Unterbrechen Rüsten), Verteilzeit, sachliche Verteilzeit (zusätzliche Tätigkeit und störungsbedingtes Unterbrechen), persönliche Verteilzeit (persönlich bedingtes Unterbrechen) Betriebsmittelrüstverteilzeit (zusätzliche Nutzung, störungsbedingtes und persönlich bedingtes Unterbrechen Rüsten) Betriebsmittelverteilzeit (zusätzliche Nutzung, störungsbedingtes und persönlich Unterbrechen der Nutzung).

Vorgabezeiten für den Menschen (Auftragszeit T)

Die Auftragszeit ist wie folgt gegliedert (. Abb. 86.19): 86.3.1.1

Grundzeit

Die Grundzeit für das Rüsten setzt sich wie folgt zusammen (. Abb. 86.20): Rüstgrundzeit trg D

X

tMHR C

X

tMNR C

X

tMAR

1651 86.3  Vorgabezeitermittlung (Synthese)

Ablaufarten Haupttätigkeit Rüsten

Gliederung der Zeitarten ΣtMHR Rüsttätigkeitszeit

Nebentätigkeit Rüsten

ΣtMNR

zusätzl. Tätigkeit Rüsten

ΣtMZR

ablaufbedingtes Unterbrechen Rüsten

ΣtMAR

störungsbedingtes Unterbrechen Rüsten

ΣtMSR

persönlich bedingtes Unterbrechen Rüsten

ΣtMPR

erholungsbedingtes Unterbrechen Rüsten

ΣtMER

trt

Rüstwartezeit

trw

sachliche Rüstverteilzeit

trs

persönliche Rüstverteilzeit

Rüstgrundzeit

trg

Rüstverteilzeit

trv

Rüsterholzeit

trer

Rüstzeit

tr

trp

. Abb. 86.20 Gliederung der Rüstzeit tr für den Menschen [nach REFA]

Es bedeuten: MHR D Haupttätigkeit beim Rüsten; MNR D Nebentätigkeit beim Rüsten; MAR D ablaufbedingtes Unterbrechen beim Rüsten:

für alle Ablaufabschnitte der Mengeneinheit 1 durch kleine Buchstaben (z. B: tw ) gekennzeichnet. Es kann zweckmäßig sein, die Tätigkeitszeit in einen beeinflussbaren und einen unbeeinflussbaren Anteil aufzuspalten: beeinflussbare Tätigkeitszeit ttb

Die Grundzeit beim Ausführen: Grundzeit tg D Tätigkeitszeittt C Wartezeit tW tg D tt C tw X X tt D tMH C tMN X tw D tMA tg D tt C tw X X X tg D tMH C tMN C tMA Es bedeuten: MH D Haupttätigkeit; MN D Nebentätigkeit und MA D ablaufbedingtes Unterbrechen: Die Zeiten für einzelne Ablaufabschnitte werden durch große Buchstaben (z. B. tMA ) und die Summe der Zeiten

Tätigkeitszeit tt unbeeinflussbare Tätigkeitszeit ttu

86.3.1.2

Erholungszeiten

Die Erholungszeit für das Rüsten P ist: Rüsterholungszeit trer D tMER , sie kann auch als prozentualer Zuschlag zur Rüstgrundzeit angegeben werden: trer D trg 

zrer 100 %

zrer D Rüsterholzeitzuschlag oder -prozentsatz. Für die Erholungszeit Pbeim Ausführen gilt: Erholungszeit ter D tME oder ter D tg 

zer 100 %

86

1652

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

Ablaufarten Haupttätigkeit

Gliederung der Zeitarten ΣtMH Tätigkeitszeit

Nebentätigkeit

tt

ΣtMN

zusätzl. Tätigkeit

ΣtMZ

ablaufbedingtes Unterbrechen

ΣtMA

störungsbedingtes Unterbrechen

ΣtMS

persönlich bedingtes Unterbrechen

ΣtMP

erholungsbedingtes Unterbrechen

ΣtME

Wartezeit

tw

sachliche Verteilzeit

ts

persönliche Verteilzeit

Grundzeit

tg

Verteilzeit

tv

Erholungszeit

ter

Zeit je Einheit

te

tp

. Abb. 86.21 Gliederung der Zeit je Einheit te [nach REFA]

86.3.1.3

Verteilzeit

Für den Menschen lässt sich die Verteilzeit gemäß . Abb. 86.20 und 86.21 entsprechend für das Rüsten und Ausführen ableiten: Rüstverteilzeit trv

86

zrv trv D trg  100 % mit zrv D Rüstverteilzeitzuschlag oder -prozentsatz und Verteilzeit tv D sächliche Verteilzeit ts C persönliche Verteilzeit tp X X X tv D ts C tp D tMZ C tMS C tMP zv tv D tg  100 % Es bedeuten: MZ D zusätzliche Tätigkeit; MS D störungsbedingtes Unterbrechen; MP D persönlich bedingtes Unterbrechen; zv D Verteilzeitzuschlag oder -prozent-satz:

86.3.1.4

Zeit je Einheit

Für die Mengeneinheit 1 gilt: te D tg C ter C tv D tt C tw C ter C tp C ts Unter Einbeziehung der Erhol- und Verteilzeitprozentsätze ist:   zer C zv zer C zv te D tg C tg  D tg 1 C 100 % 100 % Es bedeuten: tg ter tv tt tw tp ts zer zv

D Grundzeit; D Erholzeit; D Verteilzeit; D Tätigkeitszeit; D Wartezeit; D persönliche Verteilzeit; D sächliche Verteilzeit; D Erholzeitprozentsatz und D Verteilzeitprozentsatz.

86

1653 86.3  Vorgabezeitermittlung (Synthese)

86.3.1.5

Rüstzeit

Das Rüsten enthält alle Zeiten, für vorbereitende und nachbereitende Tätigkeiten. Es tritt im Allgemeinen am Anfang und am Ende eines Auftrages auf und erfolgt je Auftrag einmal. Wird ein großer Auftrag auf Teilaufträge (Lose) aufgeteilt, dann tritt das Rüsten für jeden Teilauftrag auf.

86.3.1.6

Auftragszeit

Die Auftragszeit lässt sich aus der Rüstzeit und der Zeit für das Ausführen wie folgt bestimmen: Auftragszeit T D Rüstzeit tr C Ausführungszeit ta T D tr C ta D tr C m te Mit m D Auftrags- oder Losgröße. 7 Beispiel

Das Rüsten kann wie folgt unterteilt werden: 1. Vorbereitende Tätigkeiten, dazu zählen: Auftrag empfangen (Zeichnung, Stücklisten, Arbeitspläne, Materialentnahmescheine, Transportbegleitscheine, Lohnscheine usw.), lesen, Papiere ausfüllen und abgeben. 2. Beschaffung von Werkzeugen, Messmittel, Vorrichtungen, Lehren, Material usw., dazu gehören: Gang zur Ausgabestelle, Wartezeit an der Ausgabestelle, Ausund Abgabezeiten für Werkzeuge, Vorrichtungen und Messmittel. 3. Einstelltätigkeiten am Arbeitsplatz/Betriebsmittel, dazu zählen: Programmieren/Programm einlesen; Vorschub, Drehzahl oder andere Parameter einstellen; Vorrichtungen aufbauen, ausrichten und abbauen; Schneidwerkzeuge einstellen, einsetzen, ausrichten und ausbauen; Probeschnitte/Probe- oder Musterstück herstellen, prüfen und eventuell Maschineneinstellwerte korrigieren usw. 4. Rückversetzen des Arbeitsplatzes/Betriebsmittel in den ursprünglichen Zustand, dazu zählen das Reinigen der Maschine und Tätigkeiten, die bereits unter 1. . . 3 aufgezählt wurden.

Für das Fräsen eines Werkstückes hat die Ablaufanalyse Folgendes ergeben: Nr. Ablaufabschnitt

Sollzeit in min

Ablaufart M

1

Arbeitspapiere besorgen, lesen und abgeben

18

MNR

2

Werkzeuge u. Messmittel aus der Ausgabe holen und abgeben

12

MNR

3

Werkzeuge ausrichten, einspannen und ausspannen

8

MNR

4

Vorschub und Drehzahl einstellen

5

MNR

5

Probeteil aus Behälter nehmen und einspannen

0,8

MNR

6

Maschine einschalten

0,1

MNR

7

Probestück fräsen

10,6

MHR

8

Maschine ausschalten und Probestück ausspannen

0,6

MNR

9

Probestück vermessen und Maschineneinstellwerte korrigieren

14,9

MNR

10

Teil aus Behälter nehmen und einspannen

0,1

MN

Die Rüstzeit setzt sich wie folgt zusammen:

11

Maschine ein- und ausschalten

0,2

MN

zrer C zrv tr D trg C trer C trv D trg C trg  100 %   zrer C zrv tr D trg 1 C 100 %

12

Teil fräsen

8,8

MH

13

Teil ausspannen und in Behälter legen

0,15

MN

14

Maschine reinigen

mit trg trer trv zrer zrv

D Rüstgrundzeit; D Rüsterholzeit; D Rüstverteilzeit; D Rüsterholzeitzuschlag und D Rüstverteilzeitzuschlag:

12

MNR

Die Auftragszeit T ist zu berechnen, wenn m D 806 Stück (inklusiv einem Probestück) herzustellen sind und zrer D zer D 3 % sowie zrv D zv D 7 % ist. Rüstgrundzeit X X X trg D tMHR C tMNR C tMAR trg D 10;6 min C 71;4 min D 82 min

1654

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

Belegungszeit TbB

Betriebsmittelausführungszeit taB = m·teB

Betriebsmittelrüstzeit trB

Betriebsmittelzeit je Einheit teB

Betriebsmittelrüstgrundzeit trgB

Betriebsmittelrüstverteilzeit trvB

beeinflussbare Hauptnutzungszeit thb

Betriebsmittelgrundzeit tgB

Hauptnutzungszeit th

Nebennutzungszeit tn

unbeeinflussbare Nebennutzungszeit thu

beeinflussbare Nebennutzungszeit tnb

Betriebsmittelverteilzeit tvB

Brachzeit tb

unbeeinflussbare Nebennutzungszeit tnu

. Abb. 86.22 Gliederung der Belegungszeit T bB für Betriebsmittel [nach REFA]

Rüstzeit

86

  zrer C zrv tr D trg C trer C trv D trg 1 C 100 %   3% C 7% tr D 82 min 1 C D 90;2 min  90 min 100 % Grundzeit X X X tMH C tMN C tMA tg D tg D 8;8 min C 0;45 min D 9;25 min Zeit je Einheit   zer C zv te D tg C ter C tv D tg 1 C 100 %   3% C 7% te D 9;25 min 1 C D 10;18 min 100 % Auftragszeit T D tr C ta D tr C mte T D 90 min C 805  10;18 min D 8285 min 9

86.3.2

Vorgabezeiten für das Betriebsmittel (Belegungszeit T bB )

Im Gegensatz zum Menschen [M], der Tätigkeiten ausführt, spricht man beim Betriebsmittel [B] von einer

Nutzung. Die Zeiten für das Betriebsmittel enthalten nur Grund- und Verteilzeiten. Die Belegungszeit T bB ist wie folgt gegliedert (. Abb. 86.22): Belegungszeit T bB D Betriebsmittelrüstzeit trB C Betriebsmittelausführungszeit taB TbB D trB C taB D trB C m  teB Mit Betriebsmittelrüstzeit trB D Betriebsmittelrüstgrundzeit trgB C Betriebsmittelrüstverteilzeit trvB (. Abb. 86.23). Die Betriebsmittelrüstgrundzeit trgB setzt sich folgendermaßen zusammen: X X X X trgB D tBHR C tBNR C tBAR C tBER Darin bedeutet: BHR D Hauptnutzung beim Rüsten; BNR D Nebennutzung beim Rüsten; BAR D Ablaufbedingtes Unterbrechen beim Rüsten; BER D Erholungsbedingtes Unterbrechen beim Rüsten, dies ist die Zeit, der der Mitarbeiter für das Erholen beim Rüsten bekommt; nicht das Betriebsmittel! Die Betriebsmittelrüstverteilzeit trvB bezieht sich wie beim Menschen auf die Grundzeit, nur das hier die erho-

1655 86.3  Vorgabezeitermittlung (Synthese)

Ablaufarten

Gliederung der Zeitarten

Hauptnutzung Rüsten

ΣtBHR

Hauptnutzungszeit Rüsten

trh

Nebennutzung Rüsten

ΣtBNR

Nebennutzungszeit Rüsten

trn

zusätzliche Nutzung Rüsten

Betriebsmittelrüstgrundzeit

trgB

ΣtBZR Betriebsmittelrüstzeit

ablaufbed. Unterbrechen d. Nutzung Rü.

ΣtBAR

störungsbed. Unterbrechen d. Nutzung Rü.

ΣtBSR

persönlich bed. Unterbrechen d. Nutzung Rü.

ΣtBPR

erholungsbed. Unterbrechen d. Nutzung Rü.

ΣtBER

Betriebsmittelrüstverteilzeit

Brachzeit Rüsten

trB

trvB

trb

. Abb. 86.23 Gliederung der Zeit trB für das Rüsten des Betriebsmittels [nach REFA]

lungsbedingte Brachzeit

P

tBER abzuziehen ist:

  X trvB D trgB  tBER 

zrv 100 %

tvB D

Damit wird: 



X zrv trB D trgB C trvB D trgB C trgB  tBER  100 %  zrv  X zrv trB D trgB 1 C  tBER  100 % 100 % Die Betriebsmittelgrundzeit tgB D

X

tBH C

X

tBN C

X

tBA C

X

tBE

BH D Hauptnutzung; BN D Nebennutzung; BA D ablaufbedingtes Unterbrechen; BE D erholungsbedingtes Unterbrechen (Erholzeit für den Menschen): X tBH D th D Hauptnutzungszeit X tBN D tn D Nebennutzungszeit X X tBA C tBE D tb D Brachzeit

X

tBZ C

X

tBS C

X

tBP

Soll tvB mittels zv errechnet werden, dann muss P bei den Zeitanteilen die erholungsbedingte Brachzeit tBE abgezogen werden: zv 100 % zv D 100 %

tvB D tvB

Es bedeuten:

tgB D th C tn C tb

Die Betriebsmittelverteilzeit

 X  tBE  tgB  X X X  tBN C tBA  tBH C

Die Betriebsmittelzeit je Einheit teB D Betriebsmittelgrundzeit tgB C Betriebsmittelverteilzeit tvB (. Abb. 86.24):  teB D tgB C tvB D tgB 1 C

zv X zv   tBE 100 % 100 %

7 Beispiel Auf einem CNC-Bohr- und Fräswerk sind m D 256 Gussgehäuse (die Ausschussquote ist in der Stückzahl mit enthalten) von vier Seiten zu bearbeiten. Die Bearbeitung erfolgt auf einem Drehtisch in einer Aufspannung. Das Rüsten wird durch den Maschinenbediener, der auch den Arbeitsablauf überwacht, durchgeführt. Der Transport der Werkstücke/Paletten wird von Logistikmitarbeitern vorgenommen. Die Zeit für einen Werkzeugwechsel beträgt 6 s und für die 90ı -Drehung

86

1656

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

Ablaufarten

Gliederung der Zeitarten

Hauptnutzung

ΣtBH

Hauptnutzungszeit

th

Nebennutzung

ΣtBN

Nebennutzungszeit

tn

zusätzl. Nutzung

Betriebsmittelgrundzeit

tgB

ΣtBZ Betriebsmittelzeit je Einheit

ablaufbed. Unterbrechen d. Nutzung

ΣtBA

störungsbed. Unterbrechen d. Nutzung

ΣtBS

persönlich bed. Unterbrechen d. Nutzung

ΣtBP

erholungsbed. Unterbrechen der Nutzung

ΣtBE

Betriebsmittelverteilzeit

teB

tvB

tb

Brachzeit

. Abb. 86.24 Gliederung der Betriebsmittelzeit je Einheit teB [nach REFA]

des Tisches 5 s. Der Maschinenbediener erhält für das Rüsten 5 min Erholzeit und beim Ausführen 12 min Erholzeit. Die Maschine wird zweischichtig mit 7,4 h=Schicht eingesetzt. Die Verteilzeitprozentsätze betragen zrv D zv D 6 %. Die Ablaufanalyse hat Folgendes ergeben: Nr. Ablaufabschnitt

86 1

8 Werkzeugwechsel für die Komplettbearbeitung automatisch durchführen

0,8

MA

BN

9

Bohr-, Fräs- und Senkoperationen nach Programm durchführen

15,4

MH

BH

10

vier 90ı -Drehbewegungen des Drehtisches automatisch durchführen

0,33

MA

BN

11

Tür freigeben und öffnen

0,2

MN

BN

12

Werkstück abspannen

2

MN

BN

13

Werkstück auf Europalette ablegen

2

MN

BA

14

nach 10 Gehäusen Papp-Zwischenlage auf fertig bearbeitete Gehäuse legen

0,5

MN

BA

15

nächstes Gehäuse auf Drehtisch aufspannen

3

MN

BN

16

Maschine reinigen, am BDEGerät Produktionsmengen zurückmelden und Auftrag abmelden

10,5

Sollzeit Ablaufart in min M B

Auftrag lesen und am neben der Maschine stehenden BDE-Gerät anmelden, Zeichnung lesen und angelieferte Gussgehäuse mit Auftrags-/Zeichnungsdaten vergleichen

6

NC-Programm über die CNCSteuerung der Maschine vom DNC-Rechner herunterladen und anwählen

2,5

3

Werkzeug- und Aufspanndaten einlesen

1

MNR BNR

4

8 auftragsbezogene Werkzeuge in das Werkzeugmagazin einwechseln, Werkzeug-Istdaten in das NC-Programm eingeben

8

MNR BNR

5

1. Gehäuse von Palette nehmen und auf Drehtisch spannen

3

MNR BNR

6

NC-Programmablauf am Bildschirm simulieren und Programmkorrekturen vornehmen

6

MNR BNR

7

Kabinentür schließen und NCProgramm starten

0,2

MN

2

8

MNR BAR

MNR BNR

BN

MNR BNR

Den Ablaufabschnitten ist die Ablaufart M und B zuzuordnen! Wie groß ist die Belegungszeit T bB ? Welche Zeit T D in Tagen wird für den Auftrag benötigt? Betriebsmittelrüstgrundzeit X X X X tBHR C tBNR C tBAR C tBER trgB D trgB D 0 min C 31 min C 6 min C 5 min D 42 min

1657 86.4  Methoden der Zeitermittlung

. Abb. 86.25 Zusammenfassung der Vorgabezeiten für die Auftragszeit T und die Belegungszeit T bB

trB trB

Betriebsmittelrüstzeit  zrv X zrv   tBER D trgB C trvB D trgB 1 C 100 % 100 %   6% 6% 5 min D 42 min 1 C  100 % 100 %

trB D 44;52 min  0;3 min D 44;22 min  44 min

tgB tgB

Betriebsmittelgrundzeit X X X X D tBH C tBN C tBA C tBE   0;5 12 min D 15;4 min C 6;53 min C 2 C min C 10 256

tgB D 24;03 min Betriebsmittelzeit je Einheit tcB D tgB C tvB  tcB D tgB 1 C tcB

zv X zv   tBE 100 % 100 %   6% 6 % 12 min D 24;03 min 1 C  100 % 100 % 256

tcB D 25;47 min  0;003 min D 25;47 min Belegungszeit TbB D trB C taB D trB C mteB TbB D 44 min C 256  25;47 min D 6564;32 min Dauer des Auftrages: TD D

TbB 6564;32 min D D 7;4 d 9 TSchicht 60 min  2  7;4 hd h

In . Abb. 86.25 sind die Vorgabezeiten für den Menschen (Auftragszeit T ) und das Betriebsmittel (Belegungszeit TbB ) gegenübergestellt.

86.4

Methoden der Zeitermittlung

Die Erfassung von Ist-Zeiten wird auch heute noch ebenso häufig angewandt wie die „Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ: Work Factor, MTM)“. Ist-Zeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass der Buchstabe t den Index i erhält; ti ist eine Ist-Zeit. Soll-Zeiten dagegen erhalten keinen Index. Bei den Methoden der Zeitermittlung (. Abb. 86.26) ist Folgendes zu beachten: 1. Vorgabezeiten benötigt man nicht nur für die Entlohnung, sondern auch für die Termin- und Kapazitätsrechnung, für die Planung, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen Prozesse. 2. Welches Verfahren der Zeitermittlung angewandt wird, ist ausschließlich eine Frage der Wirtschaftlichkeit, der erforderlichen Genauigkeit und gegebenenfalls des Tarifvertrages oder von Betriebsvereinbarungen. 3. Es ist sinnlos, die Zeit mithilfe einer Stoppuhr (oder mehrerer Stoppuhren) sehr genau zu erfassen und den Ablauf und seine Bedingungen nur ungenügend zu beschreiben. Nur bei genauer Erfassung aller Daten sind a) die Ergebnisse reproduzierbar und kann entschieden werden, ob das in der Ablaufstudie b) erfasste Arbeitssystem mit einem anderen Arbeitssystem zu vergleichen ist.

86

1658

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

. Abb. 86.26 Methoden der Zeitermittlung [nach REFA]

86.4.1

86

Schätzen

Man unterscheidet: 1 1. Schätzen nach Erinnerung

86.4.3

Rechnen

Bei der rechnerischen Zeitermittlung unterscheidet man nach folgenden drei Kriterien:

Gröbste Art der Zeitermittlung. Setzt große Erfahrung vor-1 1. Überschlägiges Rechnen aus und wird meist angewandt für Handarbeit. Es ist ein grobes Verfahren. Die Durchschnittswerte für die Schnittgeschwindigkeit vc und den Vorschub f sind jeweils 1 2. Schätzen nach betriebseigenen Aufzeichnungen in einer für jeden Werkstoff charakteristischen Zahl zusamGegenüber 1. eine verbesserte Zeitermittlung mit genügen- mengefasst. der Genauigkeit. Anwendung meist in kleineren BetrieFür das Drehen errechnet sich die Hauptnutzungsben. zeit th : 86.4.2

Vergleichen

Beim Vergleichen erfolgt eine Arbeitszeitermittlung mit bereits bekanntem Zeitaufwand für gleichartige, jedoch in der Größe verschiedene Werkstücke. Die Arbeitszeit darf nicht geschätzt, sondern muss genau ermittelt sein. Nur anwendbar, wenn der Zeitaufwand den Arbeitswegen verhältnisgleich ist.

th D

Li DL i D in min f n f  vc  1000

D in mm L in mm i f in mm vc in m=min

D größter Werkstückdurchmesser D gesamter Vorschubweg des Drehmeißels D Anzahl der Schnitte D Vorschub D Schnittgeschwindigkeit

Nebenzeiten werden geschätzt.

1659 86.5  Leistungsgrad

1 2. Genaueres Rechnen

Für Vorschub und Schnittgeschwindigkeit werden für jeden Bearbeitungsfall Richtwerte (aus Tabellen) eingesetzt. Die Hauptnutzungszeit errechnet sich nach den Formeln des 7 Kap. 58. Nebenzeiten werden aus Richtwerttabellen entnommen. Diese Rechenart eignet sich für die Serienfertigung. 1 3. Genauestes Rechnen

Hier wird die Eigenart der verwendeten Werkzeugmaschinen berücksichtigt. Voraussetzung ist das Vorliegen von Unterlagen, aus denen die an der Maschine einstellbaren Bewegungsgrößen (vc , f, n) entnommen werden können. Formeln wie beim genaueren Rechnen. Nebenzeiten werden ebenfalls den Richtwerttabellen entnommen. Genauestes Rechnen wird bei größeren Serien und bei der Massenfertigung angewandt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Maschinenbelegung bekannt ist. 86.4.4

Vorgabezeit und Stücklohn

Die rechnerisch bzw. durch Beobachtung ermittelte Stückzeit ist die Vorgabezeit, d. h. die für die Entlohnung des Arbeiters und die Planung maßgebende Zeit. REFA empfiehlt, den beabsichtigten unterschiedlichen Mehrverdienst der einzelnen Arbeiter durch Festsetzen so genannter Geldfaktoren zu erzielen, mit denen die Vorgabezeit multipliziert wird. Vorgabezeit [min]  Geldfaktor[ C=min] D D Stücklohn [C] Die Höhe des Geldfaktors berücksichtigt den mit der Ausführung der Arbeiten verbundenen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad, die Verantwortung und Anstrengung. (Arbeitswertzahlen nach der Methode der analytischen Arbeitsplatzbewertung oder betrieblicher Vereinbarungen). 86.5

Leistungsgrad

Die Zeit für das Ausführen einer bestimmten Arbeitsaufgabe kann auch bei gleicher Arbeitsmethode, gleichen Arbeitsverfahren und bei Verwendung gleicher Betriebsmittel und Werkstoffe und bei sonst gleichen Arbeitsbedingungen für verschiedene Menschen unterschiedlich sein. Aufgrund der Streuung der menschlichen Leistung von Arbeitspersonen können durchschnittliche Ist-Zeiten bzw. Ist-Leistungen einer Arbeitsperson nur bedingt als SollZeiten verwendet werden. Die menschliche Leistung ist von folgenden Faktoren abhängig: 1. körperlich geistige Eignung 2. geistig seelische Verfassung 3. Grad der Ermüdung 4. unterschiedliche Bewegungsformen 5. Leistungsbereitschaft

Sachlich gesehen sind dabei zu klären 1. das Grifffeld (unterschiedliche Lage der Arbeitsgegenstände) 2. Veränderung der Arbeitsmittel bei der Bearbeitung 3. die Umgebungseinflüsse 4. die fortschrittliche Tätigkeit bei der Arbeitsausführung Um die Ist-Zeit auf eine Zeit bestimmter Bezugsleistung umrechnen zu können, ist die Kenntnis des Leistungsgrades erforderlich, der der Ist-Zeit zugrunde liegt.

Definition Die einer Soll-Zeit zugrunde liegende Leistung wird als Bezugsleistung bezeichnet. Im Allgemeinen erhält die Bezugsleistung den Leistungsgrad 100 % zugeordnet. beobachtete Ist-Leistung 100 % vorgestellte Bezugsleistung Soll-Zeit 100 % Leistungsgrad D Ist-Zeit

Leistungsgrad D

Der Leistungsgrad drückt das Verhältnis einer beobachteten Ist-Leistung zu einer Bezugsleistung aus. Bezugsleistungen können die Durchschnittsleistung, eine Standardleistung (im Zusammenhang mit SvZ) oder die REFANormalleistung sein. Die Normalleistung ist eine allgemeine unveränderliche und feststehende Größe, die unter genau beschriebenen Verhältnissen einem bestimmten Arbeitsergebnis entspricht. Nach REFA: Die Normalleistung ist diejenige menschliche Leistung, die immerhin den wirksamsten Kräfteeinsatz und damit den größten Wirkungsgrad erreicht. Durchschnittsleistung, sie ist im Gegensatz zur Normalleistung eine veränderliche rechnerisch zu ermittelnde Größe, die immer über der Normalleistung liegt. Man unterscheidet darüber hinaus: Soll-Leistung, sie gilt als Ziel. Dauerleistung, sie ist diejenige Leistung, die auf Dauer erreicht und gehalten wird. Höchstleistung, hierunter versteht man die maximale Leistungsfähigkeit bei verlustfreiem Arbeitsablauf während eines bestimmten Zeitabschnittes. Soweit Vorgabezeiten, denen definitionsgemäß eine bestimmte Bezugsleistung zugrunde liegt, zur Entlohnung verwendet werden, wird die Bezugsleistung von den Vertragsparteien im Tarifvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung festgelegt.

86.5.1

Leistungsgradbeurteilung

Das Leistungsgradbeurteilen besteht darin, dass man das Erscheinungsbild des Bewegungsablaufes beobachtet und

86

1660

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

mit dem Bild des vorgestellten Bewegungsablaufes ver- 86.6.1 Zeitermittlung beim Drehen gleicht, um aus diesem Vergleich einen Schluss auf die mutmaßlich erreichte Mengenleistung im Verhältnis zur 86.6.1.1 Langdrehen Bezugsmengenleistung zu ziehen. Die Hauptnutzungszeit thu wird nach den Formeln des Somit ist die Leistungsgradbeurteilung ein empirisches, 7 Abschn. 58.1.2.5 ermittelt: subjektives Verfahren, wobei angestrebt wird, dass durch Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit vc sind Eignung, Schulung und Erfahrung des Beobachters die subder . Tab. 58.4 zu entnehmen. jektiven Einflüsse beim Beurteilungsvorgang ausgeglichen und die Beurteilung möglichst objektiviert wird. 1 Richtwerte für den Vorschub Der Leistungsgrad ist ein Maß für die f (soweit nicht anders vorgegeben!) 4 Intensität und die 4 Wirksamkeit Vorarbeiten (Schruppen): f D 0;4 mm Feinbearbeitung (Schlichten): f D 0;1 der menschlichen Arbeit beim Bewegungsablauf. Dd Die Intensität äußert sich in der Bewegungsgeschwin- Anzahl der Schnitte i: iD a digkeit und in der Kraftanspannung der Bewegungsausführung. Die Wirksamkeit ist ein Ausdruck für die Beherr- (Zustellung a bezogen auf den ¿) schung des Arbeitsvorganges, daran zu erkennen, wie ge1 Richtwerte für die Standzeit T in min läufig, zügig, beherrscht, harmonisch, sicher, unbewusst, Schneidwerkstoff ruhig, zielsicher, rhythmisch, locker gearbeitet wird. HSS D 60 min HML D 240 min (HML D Hartmetall gelötet) 86.6 Prozesszeiten HMW D 15 min (HMW D Wendeschneidplatte)

86

Unter Prozesszeiten sind unbeeinflussbare Haupt- und Nebennutzungszeiten von Betriebsmitteln (tBHu und tBNu oder auch thu und tnu ) zu verstehen. Das mit dem Betriebsmittel erzielte Ergebnis hängt im Wesentlichen von der gewählten Arbeitsgeschwindigkeit ab. Die Arbeitsgeschwindigkeit kann während eines unbeeinflussbaren Ablaufabschnittes vom Menschen nicht oder nur in einem sehr engen Bereich verändert werden. Dem Menschen verbleibt während dieser Zeit nur das Überwachen oder ein ablaufbedingtes Unterbrechen. Zu diesen mechanisch bzw. automatisch ablaufenden Abschnitten gehören das Drehen, Bohren, Fräsen, Hobeln, Stoßen, Schleifen und Räumen. Aber auch das Löten, Schweißen, Walzen, Stanzen und Montieren kann mithilfe geeigneter Betriebsmittel ganz oder teilweise von Menschen unbeeinflussbar ablaufen. Prozesszeiten können mit Hilfe von Zeitaufnahmen gemessen oder durch selbstschreibende Geräte ermittelt werden. Das Verfahren ist weniger aufwendig, wenn die Zeiten rechnerisch ermittelt werden können. Die Hauptnutzungszeit lässt sich nach folgender Beziehung berechnen:

thu D

86.6.1.2

Plandrehen

Allgemein wird von einem Ausgangsdurchmesser Da auf einen Innendurchmesser Di gedreht (. Abb. 86.27). Wird die gesamte Planfläche überdreht, dann ist Di D 0. Die Formeln für die Hauptnutzungszeit thu und die Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit können dem 7 Kap. 58 entnommen werden. LD

Da  Di C la C lü 2

Maß des zu bearbeitenden Arbeitsgegenstandes Arbeitsgeschwindigkeit der Werkzeuge des Betriebsmittels

. Abb. 86.27 Plandrehen

86

1661 86.6  Prozesszeiten

. Tabelle 86.6 Bearbeitungszugaben [nach Degner et al. [3]]

Durchmesserzugaben Nennmaßbereich für a, b, d

Länge des Fertigteils l in mm bis 160

über

bis

160–250

250–400

400–630

630–1000

1000–1600

1600–2500

2500–4000

Bearbeitungszugabe z in mm

10

1,5

1,5

1,5











10

16

1,5

2

2

2,5









16

25

2

2,5

2,5

3

3

4





25

40

3

3

3

4

4

5

5

6

40

60

3

4

4

5

5

6

6

7

60

80

4

4

5

5

6

6

7

8

80

100

4

5

5

6

6

7

8

9

100

125

5

5

6

6

7

8

9

10

125

160

5

6

7

7

8

9

10

11

160

200

6

7

7

8

9

10

11

12

Längenzugaben Nennmaßbereich für a, b, d

Länge l bis 400 mm

400–1000 mm

1000–2500 mm

2500–4000 mm

bis

zl

2zl

zl

2zl

zl

2zl

zl

2zl

16

1

1,5













16

40

1,5

2,5

2

3

2,5

4





40

100

2,5

4

3

5

4

7

5

8

100

250

4

7

5

8

6

9

7

10

über

z D zd , zl D einseitig, 2zl D zweiseitig

86.6.1.3

Richtwerte für Bearbeitungszugaben

Bearbeitungszugaben können gemäß . Tab. 86.6 gewählt werden. 86.6.1.4

Nebennutzungszeit

Zur Nebennutzungszeit gehören Vorgänge, wie die Werkstückwechselzeit tWS , die Werkzeugwechselzeit tWZ , die Mess- und die Anstellzeiten.

Bei automatisch ablaufenden Vorgängen ist zur Anstellzeit noch die Eilgangs- oder Positionierzeit tuE mit zu berücksichtigen (der Betriebsanleitung oder den Maschinenunterlagen zu entnehmen). tWZ ist bei automatisch ablaufenden Vorgängen die Werkzeugwechselzeit, die aufgrund einer Werkzeugwechseleinrichtung (Magazin, Trommel usw.) auftritt, nicht durch das Standzeitende.

1662

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

. Tabelle 86.7 Nebennutzungszeit beim Drehen in min [nach REFA] Masse in kg bis Vorgang

5

10

25

Dreibackenfutter, grob ausrichten

0,9

1,3

1,5

Spitzenarbeit mit Drehherz

0,7

0,9

1,5

Spannzange (Spannpatrone)

0,3

Planscheibe mit Spanneisen

5

6

8

50

Auf- und abspannen

4,2

12

umspannen D 0;8  Aufspannzeit Gr. Serie Arbeitsweg in mm bis

Kl. Serie

Einzelfert.

50

250

50

250

50

250

Schruppen

0,2

0,2

0,4

0,4

0,8

0,9

Drehen zum Schleifen

0,2

0,3

0,4

0,5

0,9

1

Schlichten

0,2

0,3

0,7

0,8

1,3

1,5

Schlichten IT 9–10

0,6

0,8

1,3

1,5

1,8

2

Schlichten IT 7–8

0,7

0,9

1,9

2,1

2,4

2,6

Spitzenhöhe in mm

250

500

Bettschlitten rückstellen, längs

0,30

0,40

Quersupport rückstellen, plan

0,15

0,22

Support ein- und ausschalten

0,07

0,10

Drehzahl ändern bzw. einstellen

0,10

0,20

Vorschub ändern

0,10

0,20

Pinole im Reitstock verschieben

0,15

0,60

Spannschraube befestigen und lösen

0,18

0,18

Einstellen des Support nach Skala (Nonius)

0,08

0,15

Schruppmeißel einstellen und spannen (tWZ )

0,80

2,00

Schlichtmeißel einstellen und spannen (tWZ )

1,20

2,60

Anstellen und messen

86

tnb D Nebennutzungszeit (beeinflussbar)

Die Werkzeugwechselzeit, die infolge des Standzeitendes auftritt, wird mit tWZT bezeichnet. Die Standzeit T ist abhängig von der Schnittgeschwindigkeit vc und dem Vorschub fŒT D f .vc ; f /. Oftmals arbeitet man auch mit der Standzahl mT , sie gibt an, wie oft das Werkzeug infolge Standzeitende innerhalb der Hauptnutzungszeit thu gewechselt werden muss. Standzahl mT D

thu T

Die Nebennutzungszeit kann nach der Methode des „Vergleichens“ ermittelt werden. Die in . Tab. 86.7 enthaltenen Nebennutzungszeiten sind Anhaltswerte und daher nicht allgemein verbindlich bzw. auch nur beispielhaft!

86.6.1.5

Rüstgrundzeit

Innerhalb der Rüstzeit werden folgende Vorgänge durchgeführt: 4 Arbeitsplan, Zeichnung, Materialentnahmescheine, Transportbegleitscheine, Lohnscheine entgegennehmen, lesen, ausfüllen und abgeben, 4 Werkzeuge, Messmittel, Vorrichtungen holen und abgeben, 4 Programmieren/Programmeinlesen, Maschine einrichten, z. B. Einspannen der Werkzeuge, Ausführen von Probeschnitten, deren Prüfung und usw. sowie 4 das Zurückversetzen der Maschine in den ursprünglichen Zustand.

1663 86.6  Prozesszeiten

. Tabelle 86.8 Rüstgrundzeiten beim Drehen in min [nach REFA] Drehmaschine

Universaldrehmaschine

Revolverdrehmaschine

Futter-/Spitzenhöhe in mm

Durchlass bis

Vorgang

250

500

¿ 25

¿ 50

Lohnschein, Zeichn. besorgen, lesen, ausfüllen, abgeben

10

15

10

12

Dornarbeit gewöhnlich

2

3

dt. genau, inkl. Dornlauf prüfen

4

5

Spitzenarbeit gewöhnlich

2

3

dt. genau, inkl. Spitzenlauf prüfen

3

4

Planscheibe inkl. Backen einstellen

8

10

3-Backen- oder Klemmfutter einrichten

2,5

4

Mitnehmerscheibe, inkl. -bolzen einrichten

2

3

Lünette, feststehende

4

5

12

14

Wechselräder für Gewindeschneiden

8

10

Schleifsupport einspannen, einstellen, ausspannen

7

8

Schruppmeißel einspannen, einstellen, ausspannen

2

Schlichtmeißel einspannen, einstellen, ausspannen

Maschine vorrichten

2,5

4

2,5

2

2,5

2,5

3

2,5

3

Gewindemeißel einspannen, einstellen, ausspannen

4

4,5

Abstechmeißel einspannen, einstellen, ausspannen

3

3,5

3

3,5

Zentrierbohrer einspannen, einstellen, ausspannen

2

2

2

Bohrer einspannen, einstellen, ausspannen

2

2

2

Reibahle, fest einspannen, einstellen, ausspannen

3

3

3

Reibahle, verst. einspannen, einstellen, ausspannen

5

5,5

5

5,5

1 Spanneisen setzen

1

1,5

1 Werkstoffanschlag einstellen

1,5

2

Gewindekopf

2,5

3

2

2,5

Kegeldrehen inkl. Probeschnitt

Kloben an Planscheibe umdrehen

13

Backen an 3-Backenfutter wechseln

14

Ausgabezeit für 1 Werkzeug oder 1 Lehre inkl. Abgabe

Richtwerte für das Rüsten sind der . Tab. 86.8 zu entnehmen, die keine Allgemeinverbindlichkeit besitzen! 1 Anzahl der für den Auftrag/Losgröße benötigten Meißel iW

iW D

m

P

thu

T

Auftrags-/Losgröße m in Stück Hauptnutzungszeit thu in min Standzeit T in min

15

2

2,5

7 Beispiel Auf einer Drehmaschine sind Cr-Ni-Rohlinge mit den Abmessungen ¿ 80 256 (Rm D 900 N=mm2 ) wie folgt zu bearbeiten: 1. Drehen der Planflächen, Rt D 20 m 2. Drehen ¿ 75  250, Rt D 25 m 3. Drehen der Ansätze ¿ 50  50, Rt D 20 m Die Leistung der Maschine lässt eine Schnitttiefe aP D 5 mm zu. Zum Einsatz kommen HM(W)-Meißel mit D 90ı .

86

1664

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

2.) 1 Schnitt mit a D 5 mm; f D 0;1 mm ) vc D 0;8  vc Tab D 0;8  170 m=min D 136 m=min; Dd C lü L D l C la C 2 75 mm  50 mm C 1 mm L D 50 mm C 1 mm C 2 L D 64;5 mm thu D a) b) c) d)

Zu bestimmen sind: die Hauptnutzungszeit für eine Planfläche, die Hauptnutzungszeit für das Langdrehen, die Hauptnutzungszeit für das Drehen eines Ansatzes, die Anzahl der Schneiden, wenn m D 250 Werkstücke herzustellen sind.

thu D 0;87 min C 0;82 min D 1;69 min d) Anzahl der Schneiden (HMW ) T D 15 min) P m thu iW D T 250 .2  1;033 min C 4;66 min C 2  1;69 min/ iW D 15 min 250 Stück  10;12 min D 169 Schneiden 9 iW D 15 min

a) Plandrehen LD i f  vc  1000 Dd C la C lü LD 2 80 mm C 0 mm C 2 mm C 1 mm D 43 mm LD 2

thu D

aP D a D 3 mm; Rt D 20 *m 1.) 1 Schnitt mit f D 0;4 mm und aP D 2;5 mm 2.) 1 Schnitt mit f D 0;1 mm und aP D 0;5 mm 1.) vc D 0;8 vc Tab D 0;8  85 m=min D 68 m=min (aP  2;24 mm; HMW;  D 90ı ; f D 0;4 mm) 2.) vc D 170 m=min (HMW;  D 90ı ; f D 0;1 mm) thu

86

43 mm  80 mm   1 D C m 0;4 mm  68 min  1000 mm m 43 mm  80 mm   1 C m 0;1 mm  170 min  1000 mm m

thu D 0;4 min C 0;64 min D 1;033 min b) Langdrehen (zwischen Spitzen, D D 80 mm ) d D 75 mm) L D l C2z1 Cla Clü D 250 mmC1 mmC1 mm D 252 mm 1 Schnitt mit ap D 2;5 mm ) a D 5 mm; f D 0;1 mm; HMW;  D 90ı ; ) vc D 0;8vc Tab D 0;8  170 m=min D 136 m=min thu thu

LD i D f  vc  1000 252 mm  80 mm   1 D D 4;66 min m 0;1 mm  136 min  1000 mm m

c) Drehen des Ansatzes D D 75 mm ) d D 50 mm; ap max D 5 mm ) amax D 10 mm 1.) 2 Schnitte mit a D 10 mm; f D 0;4 mm ) vc D 0;8  vc Tab D 0;8  85 m=min D 68 m=min; L D l  0;5 mm C la D 50 mm  0;5 mm C 1 mm L D 50;5 mm und

50;5 mm  75 mm   2 C m 0;4 mm  68 min  1000 mm m 64;5 mm  55 mm   1 C m 0;1 mm  136 min  1000 mm m

86.6.2

Zeitermittlung beim Bohren, Reiben, Senken

Die allgemeine Beziehung für die Hauptnutzungszeit thu gilt für das Bohren, Senken und Reiben. Die drei Verfahren unterscheiden sich lediglich in der Ermittlung des Gesamtweges, der sich folgendermaßen zusammensetzt: L D l C la C lü D L la lü lSp

in mm in Grad in mm in mm in mm in mm

mit

lü D 2 C

D cot 2 2

Bohrdurchmesser Spitzenwinkel Gesamtbohrweg Anlaufweg D 1–2 mm Überlaufweg D 2 mm Länge der Bohrerspitze

Bei Grundbohrungen ist lü D 0. Überschlägig kann bei Bohrern zur Stahl- und Gussbearbeitung ( D 118ı ) für D  cot D 0;3D 2 2 gesetzt werden. 1 Durchgangsbohrungen

L D l C la C lü C lSp D l C .3–4 mm/ C L D l C .3–4 mm/ C 0;3D 1 Grundbohrungen

LDl C1C

D  cot 2 2

D  cot 2 2

86

1665 86.6  Prozesszeiten

. Tabelle 86.9 Nebennutzungszeiten beim Bohren in min [nach REFA] Masse in kg Vorgang

2,5

5

10

50

Auf- und ablegen auf Tisch (Prisma), mit ausrichten

0,3

0,4

0,5

1,5

Auf- und abspannen im Maschinenschraubstock, ausrichten desgleichen

0,4

0,5

0,6

1,3

jedes weitere Werkstück

0,3

0,4

0,5

0,9

Auf- und abspannen im Maschinenschraubstock, mit ausricht. desgleichen

1,2

1,4

1,6

2,6

jedes weitere Werkstück

0,9

1,0

1,1

1,8

Auf-und abspannen mit 2 Spanneisen, mit ausrichten

1,7

2,0

2,5

6,0

Auf-und abspannen in einfacher Vorrichtung

1,1

1,4

1,7

4,0

desgleichen dann wenden

0,4

0,5

0,6

1,3

Auf-und abspannen in Schnellvorrichtung

0,2

0,2

0,3

0,3

Spanneinrichtung säubern mit Besen oder Druckluft

0,2

0,3

0,4

0,7

Verfahrstrecke in mm bis Vorgang

200

300

400

600

Verfahren von Loch zu Loch

0,12

0,12

0,17

0,21

Werkzeugdurchmesser in mm bis Vorgang

10

20

35

50

Bohrungen mit Druckluft ausblasen

0,06

0,10

0,12

0,15

Messen mit Tiefenmaß

0,50

0,55

0,60

0,70

Messen mit Grenzlehrdorn

0,40

0,45

0,55

0,60

Werkzeugwechsel in Schnellspannfutter

0,08

0,10

0,15

0,25

Werkzeugwechsel mit Keiltreiber

0,40

0,50

0,70

1,00

Bohrbuchse einsetzen und herausnehmen

0,03

0,05

0,08

0,10

Drehzahl und Vorschub einstellen

0,08

0,08

0,10

0,12

Anstellen des Werkzeuges und herausnehmen

0,10

0,20

0,25

0,25

Werkzeug ausheben Bohrtiefe bis 50 mm (ausspänen)

0,09

0,05





Werkzeug ausheben Bohrtiefe bis 100 mm (ausspänen)

0,15

0,10

0,08



Werkzeug ausheben Bohrtiefe bis 150 mm (ausspänen)

0,40

0,22

0,10

0,07

Für das Aufbohren gelten dieselben Gleichungen, wobei sich der Überlaufweg verkürzt und somit gilt: lü D 2 mm C

Dd cot 2 2

Beim Senken setzt man la D lü  3 mm, der Gesamtweg L ergibt sich zu: L D l C la C lü D l C 6 mm (Senken) Für Kopf- und Halssenker wird la D 2 mm, lü D 0 gesetzt: L D l C 2 mm (Kopf- und Halssenker)

Für das Reiben setzt man la C lü  D, mit D D Durchmesser der Reibahle L D l C D (Reiben) 86.6.2.1

Nebennutzungszeit

Es wird die Methode des „Vergleichens“ angewendet. Zur Nebennutzungszeit zählen Ein-, Um- und Ausspannen, Drehzahlen und Vorschub umstellen, Vorschub ein- und ausrücken, Bohrer lüften und von Spänen säubern, Werkzeuge umtauschen bzw. schärfen, Maschine von Spänen säubern und schmieren, Messen. Richtwerte sind der . Tab. 86.9 zu entnehmen.

1666

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

. Tabelle 86.10 Rüstgrundzeit beim Bohren in min [nach REFA] Bohrmaschine

Schnellbohrmaschine

Säulenbohrmaschine

Radialbohrmaschine

Loch-¿ bis mm

12

40

60

8

10

13

Vorgang Lohnschein, Zeichnung besorgen, lesen, ausfüllen, abgeben Maschine herrichten:

86

Maschinenschraubstock auf-und abnehmen

1,5

2

Kleine Bohrvorrichtung auf- und abnehmen

1,5

2,5

Bohrwinkel, inkl. Spanneisen herrichten und abnehmen

3

7

9

1 Bohrer einspannen, ausspannen, säubern

0,7

0,8

0,8

1 Bohrstange einspannen, ausspannen, säubern



1

1

1 Bohrmeißel einspannen, ausspannen, säubern



2

2,5

1 Reibahle . . . ¿ 18 einspannen, ausspannen, säubern



2,5

2,5

1 Reibahle > ¿ 18 einspannen, ausspannen, säubern



4

4

1 Gewindekopf einspannen, ausspannen, säubern



2

2

Ausgabezeit für 1 Werkzeug inkl. Abgabe

1,5

2

2

Ausgabezeit für 1 Vorrichtung inkl. Abgabe

1,5

...2

. . . 3,5

Schnittgeschwindigkeit ändern bzw. einstellen (Riemen)

0,4

0,5

0,5

Vorbereitung des Bohrvorganges je Bohrung

0,1

0,2

0,4

Bei tiefen Bohrungen ist es notwendig, dass der Bohrer zwecks Ausspänen zurückgenommen wird, weil die Förderschneckenwirkung der Spiralnuten nicht mehr ausreicht, um die Späne aus dem Bohrloch zu entfernen. Die Zahl der Spanauswürfe na ist daher zeitlich zu berücksichtigen; sie ist von der Bohrlochlänge l abhängig. Erstmaliges Ausspänen ist nach einer Länge ab 2,5 D erforderlich, jedes Weitere nach je einer Bohrlänge von 1 D: na D

l  2;5 D

Richtwert für einmaliges Ausspänen tl  0,04–0,15 min; damit gilt für die Ausspänzeit   l tn1 D na  t1 D  2;5  t1 D 1 Anzahl der Bohrer iw

iw D

nl lT

Anzahl der Bohrungen n je Auftrag=Los Standlänge lT lT D 2000 mm für HSS lT D 5000 mm für HM

86.6.2.2

Rüstgrundzeit trg

Hierzu zählen Werkzeuge für Schnellwechselfutter einrichten, Werkzeug einspannen, ferner Tischbohrbock, Maschinenschraubstock, Vorrichtung, Spanneisen, Spannschrauben, Bohrfutter, Bohrbüchsen einrichten bzw. einspannen, Drehzahlen und Vorschub einstellen, Programmieren, Programm einlesen. Es wird ebenfalls die Methode des „Vergleichens“ angewandt. Die angegebenen Richtwerte besitzen keine allgemeine Gültigkeit und sind nur beispielhaft (. Tab. 86.10). 7 Beispiel Auf einer CNC-Bohrmaschine sollen 25 mm dicke Platten aus E 335 in der angegebenen Reihenfolge nach Programm gebohrt werden. Die Eilgang- oder Positioniergeschwindigkeit beträgt uE D 2000 mm=min. Nach Beendigung des Bohrvorganges wird der Bohrer im Eilgang zurückgefahren. Die Zeit für einen Werkzeugwechsel beträgt twz D 3 s. Es kommen HSSBohrer ( D 118ı ) zur Anwendung. Es sollen berechnet werden: a) Die Bohrlänge für die 8 mm, 15 mm, 20 mm und 50 mm Bohrung. b) Welche vc , f -Werte sind in Abhängigkeit vom Durchmesser und dem Werkstoff zu programmieren? c) Wie groß ist die Positionierzeit von 0–1, 1–2, 2–3, 3–4, 4–5, 5–6, 6–7, 7–8, 8–9 und 9–0? Desgleichen die Zeit des

86

1667 86.7  Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ)

Bohrers zum Herausfahren aus der Bohrung. Aus Kollisionsgründen ist jeweils beim Werkzeugwechsel der Bohrer 40 mm über die Platte herauszufahren. Es soll insgesamt mit einem Mittelwert gerechnet werden. d) Wie groß ist die Hauptnutzungszeit für die 8 mm, 15 mm, 20 mm und 50 mm Bohrung? e) Wie groß ist die Zeit für den gesamten Zyklus tzyl unter Einbeziehung der Positionier- und Werkzeugwechselzeiten?

d) Hauptnutzungszeit thu i thu i D

a) Li D l C la C lü C 0;3  Di

Li  Di   i fi  vc i  1000

Di in mm

8

15

20

50

Li in mm

31,4

33,5

35

44

f in mm

0,14

0,2

0,22

0,36

vc in m/min

27,5

27

26,5

25,5

thu i in min

0,205

0,29

0,38

0,75

Li D 25 mm C 2 mm C 2 mm C 0;3  Di Li D 29 mm C 0;3  Di Di in mm

8

Li in mm

31,4

e) Zykluszeit tZyl für das Bohren einer Platte X

thu i C

X

15

20

50

tZyl D

33,5

35

44

tP ij C 10  t C 4  tWZ

tZyl D 3  0;205 min C 3  0;29 min C 3  0;38 min C C 0;75 min C 4  0;03 min C 2  0; 04 min C

3 Ø20 4 80

5

C 0;065 min C 10  0;25 min C 4  6

Ø50

Ø8

40

8

80

155

110

100

9 0

86.7

330

b) vc und f aus . Tab. 58.10: 8

15

20

50

vc in m/min

27,5

27

26,5

25,5

f in mm

0,14

0,2

0,22

0,36

c) Positionierzeiten tP ij tP ij D

Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ)

25

150

Di in mm

3s s 60 min

tZyl D 6;515 min  6;5 min 9

7 95

160

1

220

Ø15

35

270

2

40

C 0;05 min C 0;035 min C 0;09 min C

80

sij uE

ij

01

12

23

34

45

sij in mm

60

60

100

80

80

tij in min

0,03

0,03

0,05

0,04

0,04

ij

56

67

78

89

90

sij in mm

69,6

60

60

172,2

130,4

tij in min

0,035

0,03

0,03

0,09

0,065

L tD uE .3  31;4 C 3  33;5 C 3  35 C 44 C 4  40/ mm tD 10  2000 mm min 503;7 mm tD D 0;25 min 2000 mm min

Trotz fortschreitender Automatisierung und Mechanisierung der Arbeitsabläufe sind noch immer eine Vielzahl wiederkehrender manueller Tätigkeiten – speziell im Montagebereich – durchzuführen. Diese vom Menschen voll beeinflussbaren Abläufe lassen sich mithilfe der Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ) mit großem Erfolg sehr gut verbessern. Die Systeme vorbestimmter Zeiten sind Verfahren zum Vorausbestimmen der vom Menschen manuell – nicht vom Betriebsmittel – voll beeinf1ussbaren Verrichtungszeiten. Untersuchungsobjekt ist dabei die tatsächlich ausgeführte Arbeitsbewegung des Menschen, mit dem Ziel der 4 Verbesserung der Bewegungsabläufe, also der Arbeitsmethode, 4 Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs, 4 verbesserten Gestaltung der Betriebsmittel, Produkte und Arbeitsverfahren. Die SvZ gehen auf Untersuchungen von Gilbreth, dem Erfinder der Bewegungsstudie, zurück. Aus einer großen Anzahl von SvZ haben sich insbesondere MTM (MethodsTime-Measurement) und WF (Work-Factor) durchgesetzt. Die wesentlichen Gründe, die SvZ anzuwenden, sind: 1. Durch feinste Analysen wird der Bewegungsablauf durchsichtig und anschaulich. Vor Produktionsbeginn können so montagefreundliche Produkte und Arbeitssysteme effizient gestaltet werden. 2. Der von den menschlichen Arbeitsbewegungen abhängige Teil der Arbeitsabläufe wird rationell gestaltet und

1668

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

mit sinnvollen Messpunkten versehen, so dass spätere Korrekturen weitgehend entfallen. 3. Mit den dabei verwendeten elementaren Planzeiten können auf methodischem Wege Richtwerte ermittelt werden. 86.7.1

MTM-Verfahren

Definition MTM ist ein Verfahren, mit dem jede Handarbeit in Grundbewegungen zerlegt wird, die zu ihrer Ausführung nötig sind. Jeder dieser Grundbewegungen wird ein vorbestimmter Normzeitwert zugewiesen, welcher durch die Natur der Grundbewegung und die Einflüsse, unter denen sie ausgeführt wurden, bestimmt ist.

Folgerung aus der Definition: MTM kann nur für manuelle Arbeiten verwendet werden, also nicht für von Prozessen bestimmte oder beeinflusste Arbeiten. Prozesszeiten sind mit anderen Zeitmessverfahren zu ermitteln (siehe 7 Abschn. 86.6).

86

. Abb. 86.28 MTM-Grundbewegungen [nach MTM]

Die Anwendung der MTM-Verfahren bezieht sich auf folgende Bereiche: 4 Gestaltung von Arbeitsmethoden und Erzeugnissen: – Arbeitsmethodenplanung und -verbesserung – Betriebsmittelgestaltung – Werkzeug- und Vorrichtungsgestaltung – Produktgestaltung 4 Zeitermittlung: – Planzeitbildung – Vorgabezeitbestimmung für leistungsabhängige Entlohnung – Vorkalkulation 4 Arbeitsunterweisung: – Methodenbeschreibung als Unterweisungsunterlage Die Bausteinsysteme von MTM werden in: MTM-Grundverfahren; MTM-Standarddaten; MTM-2, MTM-3 und UAS (Universelles Analysier System)/ MEK (MTM für Einzel- und Kleinserienfertigung) unterteilt. MTM kennt 19 grundlegende Bewegungen, die bei der Bestimmung irgendeiner Bewegungsfolge beachtet werden müssen, und zwar handelt es sich um 8 Grundbewegungen, 9 Körper-, Bein- und Fußbewegungen sowie 2 Blickfunktionen (. Abb. 86.28).

1669 86.7  Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ)

Beim MTM-Verfahren werden alle Einflüsse berücksichtigt, die für die Zeitwerte der Grundbewegungen bestimmend sind. Solche Einflussgrößen sind z. B.: die Länge einer Bewegung oder die Lage, Form, Größe und das Gewicht eines Gegenstandes. Weiterhin wird die Zeit für die Grundbewegung vom Grad der Kontrolle bzw. der Zielgenauigkeit beeinflusst.

MTM-Symbole und Zeitwerte

86.7.1.1

Zur schnellen analytischen Beschreibung eines Arbeitsablaufes sind für die Bezeichnung der Grundbewegungen Kurzzeichen erforderlich. Bei MTM wurden dafür Buchstaben-Zahlen-Kombinationen festgelegt. Der erste Buchstabe kennzeichnet die Art der Grundbewegung, während die nachfolgenden Zahlen und/oder Buchstaben für die Bezeichnung der Einflussgrößen verwendet werden (Beispiel). Die Zeitwerte für die Grundbewegungen sind sehr klein und können aus praktischen Gründen nicht in Stunden, Minuten oder Sekunden angegeben werden. Beim MTM-Verfahren wird deshalb als Zeiteinheit 1/100.000 h D 1 TMU [Time Measurement Unit (Zeit-Mess-Einheit)] benutzt. TMU

86.7.1.2

MTM-Analyse

Die für die Ausführung einer Arbeit erforderlichen Grundbewegungen werden in der Reihenfolge ihres Vorkommens unter Verwendung der vorstehend beschriebenen Kurzzeichen getrennt für rechte und linke Hand aufgeschrieben. Analog sind die Angaben für Blickfunktionen und Körper-, Bein- und Fußbewegungen aufzuschreiben. Diese Niederschrift eines Arbeitsablaufes wird als Analyse bezeichnet. Für die Aufstellung solcher Analysen bedient man sich der Beidhand-Analysenformulare. Beim Analysieren müssen die Grundbewegungen genau klassifiziert werden. Nach dem Aufschreiben sämtlicher Bewegungssymbole wird zu jeder zeitbestimmenden Bewegung der entsprechende Zeitwert der MTM-Karte entnommen und in die TMU-Spalte des Formulars eingetragen. Die Summe der Zeitwerte entspricht der für die Ausführung des Arbeitsvorganges notwendigen Normzeit. Die so ermittelte Zeit enthält keinerlei Zuschläge. Diese müssen wie bei jeder anderen Zeitstudie zusätzlich berücksichtigt werden. Mit der MTM-Analyse kann sowohl eine beobachtete wie auch eine nur in der Vorstellung (zu planende) Methode in allen Einzelheiten festgehalten werden.

Sek.

Min.

Std.

0,036

0,0006

0,00001

86.7.1.3

27,8

1





1666,7



1



Die Grundelemente sind in . Tab. 86.11, der Grundzyklus in . Abb. 86.29 dargestellt.





1

1

100.000

MTM-Grundelemente

. Tabelle 86.11 MTM-Grundelemente Element

Hinlangen

Greifen

Bringen

Fügen

Loslassen

Symbol

R (reach)

G (grasp)

M (move)

P (position)

RL (release)

Kurzbeschreibung

Hinlangen zu einem Gegenstand

Greifen eines Gegenstandes

Transport eines Gegenstandes

Gegenstand ausrichten, Gegenstand loslassen, an- oder einzufügen Kontrolle aufgeben

Wichtige Fälle

RA: allein und gleicher Ort RB: allein und veränderlicher Ort RC: vermischt

G1A: leicht zu fassen G4: Auswählgriff von vermischten Gegenständen

MA: gegen einen P1: lose Passung Anschlag P2: enge Passung MB: ungefähre Lage P3: feste Passung MC: genau bestimmte Lage

RL1: Öffnen der Finger RL2: Aufheben des Kontaktes

86

1670

Kapitel 86  Arbeitsvorbereitung und Arbeitsplanung

. Abb. 86.29 MTM-Grundzyklus [nach MTM]

7 Beispiele

86

1. Anwendung des Prozessbausteinsystems MTM-1 im Rahmen einer Ablaufanalyse. Dabei wird der Arbeitsablauf in Abschnitte gegliedert. Um die Zeiten zuordnen und codieren zu können, müssen die in der zweiten Spalte dargestellten Informationen vorliegen. Der Gesamtzeitbedarf berechnet sich aus der Summe der Zeitwerte für die einzelnen Ablaufabschnitte.

Bewegungs- Notwendige Inforablaufbemation für die schreibung Zeitzuordnung

Codie- Zeitwerta rung

Hinlangen zum Bolzen

Bewegungslänge: 40 cm Bolzen liegt vermischt mit anderen

R 40 C 16,8 TMU

Greifen des Bolzens

Abmessungen des G4B Bolzens: ¿ 8 12 mm

Bringen des Bolzens zur Vorrichtung

2. Betätigen eines Lichtschalters (Bewegungslänge 30 cm), und zwar als Dreh- oder Kippschalter Beschreibung

Symbol

TMUa

Hinlangen zum Drehschalter

R 30 A

9,5

G1A

2,0

Drehen des Schaltknopfes um 90

T 90 S

5,4

Loslassen des Schaltknopfes

RL 1

2,0

Zurücknehmen der Hand

R 30 E P

11,7

Greifen des Schaltknopfes ı

30,6 1,102 s

a

Werte der MTM Normzeitwertkarte entnommen

Beschreibung

Symbol

TMUa

Hinlangen zum Kippschalter

R 30 A

9,5

Bewegungslänge: M 40 C 18,5 TMU 40 cm Platziergenauigkeit: genau, bestimmte Lage

Berühren des Kippschalters

G5

0,0

Herunterdrücken des Kippschalters

M2A

2,0

Aufheben der Berührung

RL 2

0,0

Fügen des Bolzens in Öffnung

Fügetoleranz: eng Symmetrie: symmetrisch Handhabung: einfach

Zurücknehmen der Hand

R 30 E P

11,7

Loslassen des Bolzens

Fall: Öffnen der Finger RL 1

Gesamtzeitbedarf a

P 2 SE

9,1 TMU

16,2 TMU

23,2 0,835 s

2,0 TMU

62,6 TMU  2,25 s

Werte der MTM Normzeitwertkarte entnommen

a

Werte der MTM Normzeitwertkarte entnommen

Zeiteinsparung: 30;6 TMU  23;2 TMU D 7;4 TMU D 24;18 % 9

1671 Literaturhinweise

Die Vorteile und Grenzen der MTM-Methodik lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1 Vorteile

4 Arbeitsprozesse und Ausführungszeiten lassen sich bereits in der Planungsphase eines Arbeitssystems detailliert festlegen. 4 Das Verfahren zwingt zur kritischen Durchleuchtung des Arbeitsablaufes und zur Methodenplanung. 4 MTM-Zeitwerte basieren auf einer 100%-Normleistung. Eine Leistungsgradbeurteilung wie bei einer REFA-Zeitaufnahme ist nicht erforderlich. 4 Die Codierung der Prozessbausteine führt zu einer international gleichartigen, transparenten und reproduzierbaren Beschreibung der Arbeitsabläufe. 1 Grenzen

4 Es werden nur vom Menschen beeinflussbare Zeiten ermittelt. 4 Verfahren sind auf geistige / kreative Tätigkeiten nicht anwendbar. 4 Die Zeitwerte enthalten nur Grundzeiten, d. h. keine Bestandteile für Verteil- und Erholungszeiten.

Literaturhinweise 1. BECK-TEXTE: Gewerbeordnung. DTV (2013) 2. Bokranz, R., Landau, K.: Handbuch Industrial Engieering. Produktivitätsmanagement von Arbeitssystemen. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart (2012) 3. Degner, W., Lutze, H., Smejka, E.: Spanende Formung. Hanser, München, Wien (2009) 4. Ihme, J.: Logistik im Automobilbau. Hanser, München, Wien (2006) 5. Schlick, C.M., Bruder, R., Luczak, H.: Arbeitswissenschaft. Springer, Berlin (2010) 6. Opfermann, R., Streit, W. et al.: Arbeitsstätten. ecomed SICHERHEIT, Heidelberg (2011) 7. Personal: MTM-Report 2003. Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf (2003) 8. REFA: Methodenlehre des Arbeitsstudiums. Teil 1: Grundlagen, Teil 2: Datenermittlung, Teil 3: Kostenrechnung, Arbeitsgestaltung. Hanser, München, Wien (1976/1992) 9. REFA – Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation: Methodenlehre der Betriebsorganisation, Planung und Steuerung, Teil 1–6. Hanser, München, Wien (1991) 10. REFA: Ausgewählte Methoden des Arbeitsstudiums. Hanser, München, Wien (1993) 11. REFA: Ausgewählte Methoden zur prozessorientierten Arbeitsorganisation. REFA-Sonderdruck, Darmstadt (2002) 12. REFA: Kompakt-Grundausbildung 2.0. REFA, Darmstadt (2013) 13. Taschenbuch Mensch und Arbeit 1977. Verlag Mensch und Arbeit, München (1977) 14. Wiendahl, H.P.: Betriebsorganisation für Ingenieure. Hanser, München, Wien (2014)

86

1673

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten – Arbeitswissenschaft

Grad

Spitzenwinkel



Grad

Einstellwinkel

a

mm

Zustellung

a; b; c

mm

Nennmaßbereich

ap

mm

Schnitttiefe

D

mm

Ausgangs-, Bohr-, Roh-Durchmesser

d

mm

End-, Fertigdurchmesser

Da , da

mm

Außendurchmesser

Di , di

mm

Innendurchmesser

f

mm

Vorschub

i



Anzahl der Schnitte

iW



Anzahl der Werkzeuge (Schneiden)

L

mm

Bearbeitungslänge (Vorschubweg)

l

mm

Fertiglänge, Zeichnungslänge, Länge

la

mm

Anlaufweg

lSp

mm

Länge der Bohrspitze

lT

mm

Standlänge



mm

Überlaufweg

m

Stück

Auftrags-Losgröße

mT

Stück

Standzahl

n

min1

Drehzahl

na



Anzahl der Ausspänvorgänge

T

min, h

Auftragszeit, Standzeit

ta

min, h

Ausführungszeit

taB

min, h

Betriebsmittelausführungszeit

tb

min

Brachzeit

T bB

min, h

Belegungszeit

te

min, h

Zeit je Einheit

teB

min, h

Betriebsmittelzeit je Einheit

ter

min

Erholzeit

tg

min

Grundzeit

tgB

min

Betriebsmittelgrundzeit

th

min

Hauptnutzungszeit

thb

min

beeinflussbare Hauptnutzungszeit

thu

min

unbeeinflussbare Hauptnutzungszeit

tn

min

Nebennutzungszeit

tnb

min

beeinflussbare Nebennutzungszeit

tnu

min

unbeeinflussbare Nebennutzungszeit

tp

min

persönliche Verteilzeit

tP

s, min

Positionierzeit

trB

min, h

Betriebsmittelrüstzeit

trer

min

Rüsterholzeit

trg

min, h

Rüstgrundzeit

trgB

min, h

Betriebsmittelrüstgrundzeit

trv

min

Rüstverteilzeit

trvB

min

Betriebsmittelrüstverteilzeit

ts

min

sächliche Verteilzeit

tt

min

Tätigkeitszeit

ttb

min

beeinflussbare Tätigkeitszeit

ttu

min

unbeeinflussbare Tätigkeitszeit

tv

min

Verteilzeit

tvB

min

Betriebsmittelverteilzeit

tw

min

Wartezeit

tWZ

s, min

Werkzeugwechselzeit

tZyl

min, h

Zykluszeit

uE

mm=min

Eilganggeschwindigkeit

vc

m=min

Schnittgeschwindigkeit

z, zd

mm

Durchmesserzugabe

zer

%

Erholzeitzuschlag oder -prozentsatz

zl

mm

Längenzugabe

zrer

%

Rüsterholzeitzuschlag oder -prozentsatz

zrv

%

Rüstverteilzeitzuschlag oder -prozentsatz

zv

%

Verteilzeitzuschlag oder -prozentsatz

1 Verwendete Abkürzungen – Arbeitswissenschaft

A AG

Arbeitsgegenstand Arbeitsgang, Arbeitsgegenstand (Werkstück, Material) ArbSchG Arbeitsschutzgesetz ArbStättV Verordnung über Arbeitsstätten ASiG Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit ASR Arbeitsstättenrichtlinien AZO Arbeitszeitordnung B Betriebsmittel

1674

Anhang

BDE BetrVG BG CAD CAP DV GefStoffV GewO GfA GPSG

HML HMW HSS I KI M MEK MGR MTM OEE PPS R REFA S

86

SvZ TAB TMU UAS UVEG UVV WF

Betriebsdatenerfassung Betriebsverfassungsgesetz Berufsgenossenschaft Computer Aided Design Computer Aided Planning Datenverarbeitung Gefahrstoffverordnung Gewerbeordnung Gesellschaft für Arbeitswissenschaft Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) Hartmetall gelötet Wendeschneidplatte Hochleistungsschnellarbeitsstahl Information Künstliche Intelligenz (Expertensysteme) Mensch MTM für Einzel- und Kleinserienfertigung Maschinengruppe Methods-Time-Measurement (ArbeitsablaufZeitanalyse) Overall Equipment Effectiveness (Gesamtanlageneffektivität) Produktionsplanung und -steuerung Rüsten Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e. V. Aufgaben im Arbeitssystem, Station (Maschine, Arbeitsplatz) Systeme vorbestimmter Zeiten Technischer Aufsichtsbeamter Time Measurement Unit (Zeit-Mess-Einheit) Universelles Analysier-System Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz Unfallverhütungsvorschriften Work-Factor

1675

Qualitätsmanagement Inhaltsverzeichnis Kapitel 87

Qualitätsmanagement – 1677 Klaus-Dieter Arndt

XVIII

1677

Qualitätsmanagement Klaus-Dieter Arndt

Die zunehmende Komplexität von Produkten und Dienstleistungen sowie die veränderten Kundenanforderungen haben die Fragen der Qualität immer mehr in den Vordergrund des unternehmerischen Handelns gerückt. Qualität ist vom lateinischen „qualitas“ abgeleitet und bedeutet soviel wie Güte, Beschaffenheit, Brauchbarkeit, Eigenart. Qualität dient den Bedürfnissen der Verbraucher und wird durch den Nutzer wahrgenommen. Der Kunde verbindet mit hochwertigen Produkten und Prozessen eine hohe technische Zuverlässigkeit. Diese Zuverlässigkeit ist verknüpft mit einer Minimierung des Ausfallrisikos und führt zu einer Verringerung der Produkthaftung. Kriterien wie Qualität, Preis und Termin-/Liefertreue sind heute die Faktoren des Erfolgs eines Unternehmens (. Abb. 87.1). Der Erfolg eines Unternehmens wird also im Wesentlichen durch die Produkt- und Prozessqualität bestimmt. Ziel eines Unternehmens es ist, den beabsichtigten Erfolg mit möglichst geringem Aufwand (ökonomisches Prinzip) zu erreichen. Treten jedoch Ausfälle oder Fehler auf, so verursachen diese oftmals erhebliche Kosten. Diese Kosten sind umso höher, je später die Fehler im Produktionsablauf bzw. während der Lebensdauer eines Produktes erkannt werden. Aus diesem Grunde sind Verfahren des präventiven Qualitätsmanagement besonders wichtig. Die Erwartungshaltung der Kunden im Hinblick auf die Qualität der Produkte und Dienstleistungen nimmt zu. Es werden besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Haltbarkeit, Funktionalität, Design, einfache Inbetriebnahme, Wartung und den Service gestellt. Darüber hinaus legt

der Kunde immer mehr Wert auf gute Beratung und Unterstützung bei der Wahl und Anwendung der Produkte und Dienstleistungen. Daher ist die Qualität ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor, der über den langfristigen Unternehmenserfolg entscheidet. 87.1

Entwicklung des Qualitätsmanagements

Der Qualitätsgedanke und die Erzeugung von qualitätsgerechten Produkten/Dienstleistungen können bis ins Altertum zurückverfolgt werden. Im Laufe der Entwicklung haben sich viele Persönlichkeiten und Institutionen mit der Definition von Qualität befasst. Der nachfolgende Überblick zeigt die Entwicklung des Qualitätsmanagements im 20. Jahrhundert: 87.2

Begriffe des Qualitätsmanagements

Das Qualitätsmanagement ist ein interdisziplinärer Fachbereich, der Begriffe aus verschiedenen Wissensgebieten nutzt. Die deutschen und internationalen Normengremien haben begleitend zu den QM-Normen Begriffserklärungen gegeben, diese sind in DIN EN ISO 9000: Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe und DIN 55 350: Begriffe der Qualitätssicherung und Statistik enthalten. 7 Beispiele

. Abb. 87.1 Qualitäts-Preis-Termintreue-Dreieck

Einheit: Materieller oder immaterieller Gegenstand der Betrachtung (nach Geiger) Einheiten werden zugeordnet: 4 Tätigkeiten 4 Produkte 4 Systeme 4 Personen 4 sonstige Einheiten

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_87

87

1678

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

. Tabelle 87.1 Entwicklung des Qualitätsmanagements 1920

Taylorismus

Arbeitsteilung, sortierende Prüfung

1940

Shewhart

Qualitätsregelkarten, Stichprobensysteme

1952

AWF

Ausschuss für Technische Statistik

1955

Juran

Qualitätsmanagement

1960

Deming

Qualitätsmanagement

Crosby

Null-Fehler-Analyse

Feigenbaum

Total Quality Control

Ishikawa

Präventive Qualitätssicherung

1962

Taguchi

Design of Experiment

1972

DGQ

Gründung aus dem Ausschuss Technische Statistik des AWF

1980

Masing

Prozessübergreifendes Qualitätsmanagement/Qualitätskreis

1985

Ishikawa

Company Wide Quality Control

1986

Hofmann

Integration Messtechnik und Qualitätssicherung

ISO 9000 ff.

1. Weltstandards zum QM

General Motors

Fähigkeit von Messeinrichtungen

Malcom Baldrige National Award

Amerikanischer Qualitätspreis

1988

European Foundation for Quality Management

Gründung der EFQM

1989

Ford Motor Company

FMEA, SPC, Prozessfähigkeitsanalyse

1990

Bosch GmbH

Fähigkeit von Messeinrichtungen

DIN EN ISO 9000 ff.

1. Revision der Norm

Seghezzi

Integriertes Qualitätsmanagement

QS-9000

Forderungen der amerikanischen Automobilindustrie

DIN EN ISO 9000 ff.

2. Revision der Norm

1995

Zink

Total Quality Management TQM

1996

VDA 6.1/6.2

Forderungen der deutschen Automobilindustrie

Pfeiffer

Prozessübergreifendes QM

Kamiske

QM/Total Quality

1997

Ludwig-Ehrhard-Preis

Deutscher Qualitätspreis

1999

TS 16949

Forderungen der internationalen Automobilindustrie

2000

DIN EN ISO 9000 ff.

3. Revision der Norm

2005

DIN EN ISO 9000

Revision

2008

DIN EN ISO 9001

Revision

2009

DIN EN ISO 9004

Revision

2015

DIN EN ISO 9000

Revision

DIN EN ISO 9001

Revision

1987

1994

87

1679 87.4  Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000 ff.

Zur Beschreibung der Einheiten wird der Begriff der Beschaffenheit verwandt: Beschaffenheit: Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte, die zur Einheit selbst gehören (nach [4]) Merkmal: Eigenschaft zum Erkennen oder zum Unterscheiden von Einheiten. An Einheiten werden bestimmte Forderungen gestellt, z. B. Qualitätsforderungen: Qualitätsforderungen: Gesamtheit der betrachteten Einzelforderungen an die Beschaffenheit in der betrachteten Konkretisierungsstufe der Einzelforderungen (nach [4]). Das Verhältnis zwischen der vorhandenen Beschaffenheit der Einheit und der geforderten Beschaffenheit wird als Qualität verstanden: Qualität: Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Forderungen zu erfüllen. Unter dem Begriff „Management“ wird die koordinierende Tätigkeit zur Erreichung von Zielen verstanden: Qualitätsmanagement: Gesamtheit der qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen (nach [4]). Qualitätsmanagementsystem: Managementsystem zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich der Qualität. Die Bezeichnung Qualitätssicherung wurde 1994 durch den Begriff Qualitätsmanagement (QM) ersetzt. Qualitätssicherung soll nur noch in Verbindung mit dem QM-Begriff erfolgen: Qualitätssicherung: Teil des QM, der auf das Erzeugen von Vertrauen gerichtet ist, dass Qualitätsanforderungen erfüllt werden. Mit dem Qualitätswesen werden die Organisationsstrukturen im Unternehmen bezeichnet: Qualitätswesen: Organisatorische Einheit, die sich mit dem Qualitätsmanagement befasst (nach [4]). 9

87.3

. Abb. 87.2 Struktur der DIN EN ISO 9000:1994

Darüber hinaus wurden die Qualitätselemente von 20 (DIN EN ISO 9000:1994 ff.) auf 4 (DIN EN ISO 9001:2000 (siehe 7 Abschn. 87.5)) gesenkt.

87.4

Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000 ff.

Die im Jahr 2000 verabschiedete Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000 ff. (. Abb. 87.3) besteht aus folgenden vier Normen: DIN EN ISO 9000 – Grundlagen und Begriffe, DIN EN ISO 9001 – Forderungen, DIN EN ISO 9004 – Leitfaden zur Verbesserung, DIN EN ISO 19011 – Leitfaden für Audits von QM- und/oder Umweltmanagement-Systemen. Der Aufbau des QM-Systems nach DIN EN ISO 9000:2000 ff. erfordert die Umsetzung der Forderungen dieser Norm. Anleitungen dazu gibt die DIN EN ISO 9004:2000, die über die Forderungen der DIN EN ISO 9000:2000 hinausgeht. Mit der Überarbeitung der Normen wurden einheitlich acht Grundsätze formuliert: 1. Kundenorientierung – Kundenforderungen erfüllen und danach streben, die Erwartungen der Kunden zu übertreffen 2. Führung – Zielsetzung und Schaffung eines entsprechenden Umfelds

Normen für Qualitätsmanagementsysteme

Die weltweite Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements hat dazu geführt, die Normenreihe ISO 9000:1994 ff. (. Abb. 87.2) anzupassen. Daraus ist die Normenreihe ISO 9000:2000 ff. entstanden. Wichtige Änderungen gegenüber der Fassung von 1994 sind die Prozessorientierung, die Kundenorientierung und die Einbeziehung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP).

. Abb. 87.3 Struktur der DIN EN ISO 9000:2000

87

1680

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

3. Personal – Einbeziehung aller Mitarbeiter 4. Prozessorientierung – Lenkung aller Abläufe und Tätigkeiten 5. Management – als systemorientierter Ansatz 6. Ständige Verbesserung – als permanentes Ziel des Unternehmens 7. Entscheidungsfindung – durch Analysen und Informationen 8. Lieferantenbeziehungen – zum gegenseitigen Nutzen und zur Förderung der Wertschöpfung auf beiden Seiten 87.5

Forderungen an QM-Systeme der DIN EN ISO 9000

DIN EN ISO 9001:2008

DIN EN ISO 9001:2015

1. Anwendungsbereich

1. Anwendungsbereich

2. Normative Verweise

2. Normative Verweise

3. Begriffe

3. Begriffe

4. Qualitätsmanagementsystem

4. Kontext der Organisation

5. Verantwortung der Leitung

5. Führung

6. Management von Ressourcen

6. Planung

7. Produktrealisierung

7. Unterstützung

8. Messung, Analyse und Verbesserung

8. Betrieb 9. Bewertung der Leistung 10. Verbesserung

87

Mit der DIN EN ISO 9001:2000 wurde folgende Gliederung eingeführt: 0 Einleitung mentsystem-Normen eine einheitliche Vorgehensweise mit 1 Anwendungsbereich allgemeinen Anforderungen zu schaffen. Die Zertifizie2 Verweise auf andere Normen rungen nach verschiedenen Managementsystemen sollen 3 Begriffe darüber hinaus erleichtert werden. 4 Qualitätsmanagementsystem Weitere Änderungen, die die DIN EN ISO 9001:2015 5 Verantwortung der Leitung betreffen: 6 Management von Ressourcen 7 Produktrealisierung 1 1. Strategische Ausrichtung der Organisation 8 Messung, Analyse und Verbesserung Das Qualitätsmanagementsystem muss zukünftig in die Anhang strategische Ausrichtung der Organisation eingebunden werden. Die oberste Leitung hat sicherzustellen, dass die Die Elemente 5 . . . 8 sind die vier Qualitätselemente. Qualitätspolitik und die Qualitätsziele mit der strategischen Anpassungen verschiedener Art (einheitliche Begriffe, Ausrichtung und dem Kontext der Organisation vereinbar Klarstellungen, ganzheitliche Sichtweisen und Erweitesind. rungen usw.) führten dazu, dass die Normen 9000:2005, 9000:2015, 9001:2008, 9001:2015 und 9004:2009 ange-1 2. Erweiterung der Zielgruppen passt bzw. wesentlich überarbeitetet wurden. Neu eingeführt wurde das „Stakeholder-RelationshipÄnderungen die die Norm DIN EN ISO 9000:2015 beManagement (SRM)“. Mit dieser Festlegung für das QMtreffen: Die Zahl der Grundsätze wurde von acht auf sieben System werden alle interessierte Parteien und deren releverringert und es wurde die Bezeichnung der Grundsätze vanten Anforderungen angesprochen. Hierzu zählen Kungeringfügig verändert. Der Abschn. 2 der Norm ist grundden, Mitarbeiter, Lieferanten, Kooperationspartner, Koslegend überarbeitet worden. Die Begriffe in Abschn. 3 tenträger, Händler, Behörden usw. wurden neu definiert. Darüber hinaus sind neue Begriffe aufgenommen worden, die in Normen enthalten sind, die 1 3. Einbezug der Dienstleistungen nach 2005 veröffentlicht wurden. Es wird nicht mehr von Produkten, sondern nunmehr explizit von „Produkten und Dienstleistungen“ gesprochen. 87.5.1 Struktur der DIN EN ISO 9001:2015 1 4. Das Prozessmanagement wird wichtiger Größeres Gewicht wird auf den prozessorientierten Ansatz Die Norm DIN EN ISO 9000:2015 wurde gegenüber der und ein systematisches Prozessmanagement gelegt. Die erAusgabe DIN EN ISO 9001:2008 grundlegend überarbei- warteten Ergebnisse der Prozesse, Leistungsindikatoren zur Prozesslenkung, Verantwortungen und Befugnisse sowie tet. Aus der folgenden Darstellung sind die Veränderungen Risiken und Chancen, die die Zielerreichung der Prozesse in der Struktur der DIN EN ISO 9001 von 2008 zu 2015 beeinflussen könnten, müssen bestimmt werden ersichtlich. Die neue „High Level Structure (HLS)“ ist in der DIN1 5. Verteilung der Verantwortlichkeiten EN ISO 9001:2015 ein wesentlicher Bestandteil. Diese Die oberste Leitung für das Qualitätsmanagement wird übergeordnete Struktur soll dazu dienen, für alle Manage- stärker in die Verpflichtung genommen. Sie soll die Ver-

1681 87.5  Forderungen an QM-Systeme der DIN EN ISO 9000

. Abb. 87.4 Prozessmodell der DIN EN ISO 9001:2015

antwortung für die Wirksamkeit und die Leistungsfähigkeit des QM-Systems tragen und andere Führungskräfte in ihrer Führungsrolle für das QM-System stärken einbinden. Die Funktion des Qualitätsmanagementbeauftragten (Beauftragter der obersten Leitung), der diese Aufgaben bisher wahrnommen hat, wird dagegen nicht mehr explizit gefordert. 1 6. Risikomanagement

Die Forderung nach einem systematischen Umgang mit den Risiken und den Chancen für Unternehmen ist neu aufgenommen worden. Die Organisationen müssen nunmehr die Risiken und die Chancen identifizieren, analysieren, bewerten sowie entsprechende Gegenmaßnahmen planen, umsetzen und auf ihre Wirksamkeit kontrollieren. 1 7. Wissensmanagement

Der Aufbau eines Wissensmanagements für das jeweilige Unternehmen wird gefordert. 1 8. QM-Dokumentation

Die Forderung nach einem QM-Handbuch (in gedruckter Form) ist entfallen. Eine Unterscheidung nach dokumentierten Verfahren und Aufzeichnungen erfolgt nicht mehr, stattdessen wird als neuer Sammelbegriff „dokumentierte Information“ eingeführt, und zwar wie es für das jeweilige Unternehmen zweckmäßig ist. Das Prozessmodell der DIN EN ISO 9001:2015 ist . Abb. 87.4 zu entnehmen.

87.5.2

DIN EN ISO 9004:2009

Die überarbeitete Norm 9004:2009 zeigt im Vergleich mit der Fassung von 2000 einige signifikante Unterschiede, sie ist keine reine Qualitätsnorm mehr, sondern entwickelt sich mehr zu einem umfassenderen Ansatz einer Unternehmensführung und -entwicklung hin. Damit ist eine weitere Annäherung an das EFQM Excellence Modell (7 Abschn. 87.6) deutlich erkennbar. Die Ausführungen zur Strategieplanung (inkl. Mission, Vision, Werte), zu mitarbeiterbezogenen Themen und zum Technologiemanagement wurden zum Beispiel deutlich ausgeweitet. Einige typische QM-Aspekte wie z. B. die Dokumentenlenkung und Prüfmittelüberwachung sind dagegen nicht mehr enthalten. In der Einleitung wird der Schwerpunkt der Norm deutlich, so sind dort „Nachhaltiger Erfolg“, „Unternehmensumfeld“, „Ausgewogenheit“ und „Interessierte Parteien“ wichtige Leitsätze. Im Mittelpunkt stehen nicht die detaillierte Beschreibung eines QM-Systems oder eine Anleitung zur Umsetzung der DIN EN ISO 9001, sondern die Ausrichtung auf einen nachhaltigen Unternehmenserfolg in einem sich rasch ändernden Umfeld. Die Anwender der Norm sollen demnach unterstützt werden, in einer globalen Umwelt - in der sie mehr denn je gesellschaftliche Mitverantwortung tragen - für das Unternehmen notwendige, umfassende Veränderungen zu planen und auch umzusetzen. Auch der Entwicklung zu integrierten Managementsystemen und der zunehmenden Bedeutung des

87

1682

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

Risikomanagements trägt die 9004:2009 durch entsprechende Querverweise (ISO 14001, ISO 31000) Rechnung. Im Anhang A wurden die Ausführungen zur Selbstbewertung gegenüber der Vorgängernorm deutlich verändert und fordern die Anwender auf, die Leistungen ihrer Unternehmen mit gesunden Maßstäben selbstkritisch „unter die Lupe“ zu nehmen. Neben der Selbstbewertung als wichtiges Instrument zur Analyse der Unternehmensleistung, wird auch die Bedeutung der acht QM-Grundsätze (Anhang B) für die Erreichung von nachhaltigem Geschäftserfolg und eine ganzheitliche Sichtweise hervorgehoben.

87.6

87

European Foundation for Quality Management (EFQM)

Die EFQM wurde 1988 von vierzehn führenden europäischen Unternehmen gegründet. Das EFQM-Modell will eine nachhaltige Excellence in Europa (Mission) erreichen und strebt an, europäischen Institutionen und Unternehmen zu einer überragenden Stellung zu verhelfen (Vision). Die EFQM hat zu diesem Zweck das Modell für Excellence entwickelt und organisiert den Europäischen Qualitätspreis, der einmal jährlich verliehen wird. Das EFQMModell ist ein geeignetes Instrument zum Aufbau eines Managementsystems, das den zukünftigen Erfolg gewährleistet. Es lassen sich exzellente Ergebnisse in Bezug auf Leistung, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft durch eine gute Führung erzielen, wenn sie die Politik und Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften und Ressourcen sowie Prozesse auf einem hohen Niveau voranbringt. Der nachfolgende Überblick zeigt die Entwicklung des EFQM-Modells: 1991 Erste Ausgabe 1999 Zweite Generation des Modells 2003 Revision des Modells 2009 Abschluss des EFQM-Modells 2010 . Abb. 87.5 EFQM-Modell 2010

Das EFQM-Modell basiert auf einem Selbstbewertungsprozess, der aus fünf Befähiger- und vier Ergebniskriterien besteht. Die Befähigerkriterien beziehen sich darauf, was ein Unternehmen macht. Die Ergebniskriterien befassen sich mit den Leistungen, die ein Unternehmen erzielt. Ergebnisse sind auf Befähiger zurückzuführen. Die Kriterien haben folgende Gewichtung (Modell 2010): 4 Befähigerkriterien – Führung 10 % – Mitarbeiter 10 % – Strategie 10 % – Partnerschaften und Ressourcen 10 % – Prozesse, Produkte und Dienstleistungen 10 % 4 Ergebniskriterien – Mitarbeiterbezogen Ergebnisse 10 % – Kundenbezogene Ergebnisse 15 % – Gesellschaftsbezogene Ergebnisse 10 % – Schlüsselergebnisse 15 % Durch Innovation und Lernen kommt es auf der Befähigerseite zu Verbesserungen, was wiederum zu einer Verbesserung der Ergebnisse führt. Die neun Kriterien (. Abb. 87.5) bestehen aus einer Reihe von Teilkriterien, die im Verlauf der Bewertung berücksichtigt werden sollen. Ein Teilkriterium enthält Ansatzpunkte, die die Bedeutung des jeweiligen Teilkriteriums noch detaillierter hervorheben. Die wesentliche Inhalte der neuen Grundkonzeption des EFQM-Modell 2010 sind in . Abb. 87.6 dargestellt. Die Bewertung auf der Befähiger- und der Ergebnisseite erfolgt mit der RADAR-Logik (. Abb. 87.7). Der Begriff RADAR beinhaltet folgende Prozessschritte: 4 Results (Ergebnisse) 4 Approach (Ansatz, Vorgehen) 4 Deployment (Umsetzung) 4 Assessment (Überprüfung) 4 Review (Bewertung).

1683 87.7  Statistische Prozessregelung (SPC)

. Abb. 87.6 Grundkonzept des EFQM-Modell 2010

87.7

Die Qualitätsmanagementmethoden dienen der Überwachung und Verfolgung von Prozessen. Die statistische Prozessregelung SPC (Statistical Process Control) ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Werkzeug. Das Ziel der statistische Prozessregelung ist einen optimierten Prozess durch kontinuierliche Beobachtung und durch erforderliche Korrekturen (. Abb. 87.8) zu bekommen. Die SPC hat im Gegensatz zur Statistischen Qualitätsüberwachung (SQÜ), die Regelung des Prozesses zum Ziel.

. Abb. 87.7 Vorgehen nach der RADAR-Logik

Bezogen auf die einzelnen Kriterien können maximal 1000 Punkte als Gesamtergebnis erreicht werden. Zur Realisierung von Prozessverbesserungen lassen sich die bekannten Qualitätstechniken wie zum Beispiel die statistische Prozesskontrolle, die Fehlermöglichkeitsund Einflussanalyse (FEMA) oder das Quality Function Deployment sowohl bei der Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. als auch beim EFQM-Modell einsetzen. . Abb. 87.8 a Statistische Prozessregelung (SPC) und b Statistische Qualitätsüberwachung (SQÜ) [nach [2]]

Statistische Prozessregelung (SPC)

a

b

87.8

Grundlagen der Statistik

Beim Anwenden der statistischen Verfahren wird davon ausgegangen, dass sowohl beim Herstellen als auch beim Vermessen der Produkte Unterschiede hinsichtlich der betrachteten Merkmale auftreten. Das Abweichungsverhal-

87

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

1684

ten eines Merkmalwertes vom Sollwert wird als Streuung bezeichnet. Als wichtigste Messgrößen dafür dienen die Standardabweichung s, die Spannweite R, die Stichprobengröße n und der Mittelwert x einer Stichprobe: 1X xi n iD1 n

Arithmetischer Mittelwert x D

Eine weitere wichtige Kenngröße ist der Medianwert: Medianwert (oder Zentralwert x) Q ist derjenige Wert, für den die relative Häufigkeitssumme genau 50 % beträgt. xQ D x bei geradzahliger Stichprobe;

Für die Funktion der standardisierten Verteilung gilt: f .x/ D

.x/2 1 p e 2 2 2

Darin sind  der Mittelwert der Grundgesamtheit und die Standardabweichung der Funktion. Bei einer normal verteilten Stichprobe kann von der Stichprobe auf den Anteil der Grundgesamtheit, der innerhalb eines bestimmten Zufallsstreubereichs liegt, geschlossen werden. 87.9

Qualitätsregelkarten (QRK)

1 Median (Zentralwert)

xQ D

nC1 bei ungeradzahliger Stichprobe 2

1 Spannweite R D xmax  xmin

Standardabweichung v u n u 1 X .xi  x/2 sDt n  1 iD1

Die Regelkartentechnik wurde von Walter Shewhart begründet. Sie basiert darauf, dass Mittelwerte nach dem zentralen Grenzwertsatz der Statistik auch dann annähernd normal verteilt sind, wenn die Einzelwerte keine gute Näherung an die Normalverteilung haben. Voraussetzung ist jedoch, dass der Stichprobenumfang n  5 ist. Bei den Regelkarten wird unterschieden nach attributiven und variablen Daten.

Varianz 1 X s D .xi  x/2 n  1 iD1 n

2

87

Für das Auftreten von Streuungen können zufällige und systematische Einflüsse die Ursache sein. Grundlage für eine Unterscheidung in zufällige und systematische Einflüsse bildet die natürliche Streuung, die auf zufälligen Einflüssen beruht und zu einem kontrollierten und gleichmäßigen Prozessverlauf führt. In diesem Zusammenhanghang wird von der standardisierten Normalverteilung, benannt nach dem Mathematiker Gauß, auch von der Gauß’schen Verteilung gesprochen (. Abb. 87.9).

87.9.1

Qualitätsregelkarten für attributive Daten

Attributive Merkmale sind Zähldaten von Fehlern oder von fehlerhaften Einheiten. Man unter scheidet dabei lediglich zwischen folgenden qualitativen Angaben: gut/schlecht, brauchbar/nicht brauchbar, vorhanden/nicht vorhanden usw. Ermittelt wird jedoch die Streuung zwischen den Stichproben. Die Anwendung dieser Regelkarten ist sinnvoll, wenn keine Daten wie Länge, Durchmesser, Höhe, Masse usw. gemessen werden können. Zu dieser Art von Regelkarten zählen: p-Karte: np-Karte: c-Karte: u-Karte:

87.9.2

. Abb. 87.9 Standardisierte Normalverteilung

Anteil der Fehler Anzahl der fehlerhaften Teile Anzahl der Fehler Anzahl Fehler je Teil

Qualitätsregelkarten für variable Daten

Variable Daten sind Messdaten. Hier werden Daten wie Länge, Höhe, Durchmesser, Masse oder Gewicht usw. erfasst und ausgewertet. Man verwendet oftmals zwei Karten

1685 87.9  Qualitätsregelkarten (QRK)

und spricht deshalb von zweispurigen Karten. Zu diesen Regelkarten gehören: x-R-Karte: x-s-Karte: x-R-Karte: Q X-Rm -Karte:

Mittelwert C Spannweite Mittelwert C Standardabweichung Zentralwert C Spannweite Einzelwert C veränderliche Spannweite (auch Urwert C gleitende Spannweite)

In der oberen Spur werden Durchschnittswerte x, Zentralwerte xQ oder Einzelwerte X dargestellt. In der unteren Spur werden die Spannweite R oder die Standardabweichung s aufgetragen. Für die Darstellung und Auswertung von variablen Merkmalen, die in Form von Messwerten vorliegen, sind die vorstehend genannten Qualitätsregelkarten gebräuchlich. Als Näherung an den wahren Prozessmittelwert dient hier der Median oder Zentralwert. Aus einem Vorlauf, der sich aufgrund von längeren Prozessbeobachtungen ergibt, wird der Mittelwert der Karten ermittelt. Die Warn- und Eingriffsgrenzen können berechnet, grafisch ermittelt oder aus Tabellen entnommen werden. 87.9.3

87.9.5

Berechnung der Mittellinie, der Warnund Eingriffgrenzen

Die Mittellinie, die Warn- und Eingriffsgrenzen können anhand von Tabellen, Diagrammen oder der den QRK zugrunde liegenden mathematischen Beziehungen berechnet werden. Am Beispiel der Mittelwert/Spannweiten-Karte (. Abb. 87.10) soll auf die prinzipielle Vorgehensweise eingegangen werden. Die Eingriffsgrenzen sind Regelgrenzen. Kommt es zum Überschreiten der Eingriffsgrenzen, so muss korrigierend in den Prozess eingegriffen werden, um systematische Prozesseinflüsse auszuschalten bzw. entgegen zu wirken. Die innerhalb der Eingriffsgrenzen angeordneten Warngrenzen, die im Abstand ˙2 vom Prozessmittelwert vereinfachend angenommen werden können, ergeben eine

Regelkarten für Verfahrenstechnik und chemische Industrie

In der Verfahrenstechnik sind die Stichproben homogener (kleine Streuung), es können jedoch aber dafür größere Streuungen zwischen den Chargen auftreten. Deshalb müssen hier Regelkarten zur Anwendung kommen, die die Streuung zwischen den Stichproben (Chargen) zur Bestimmung der Einflussgrenzen berücksichtigen. Die Einzelwert-gleitende Spannweitenkarte X  Rm nimmt hierauf Bezug. Dabei ist Rm D jXiC1  Xi j

OTG: obere Toleranzgrenze OEG: obere Eingriffsgrenze OWG: obere Warngrenze

UTG: untere Toleranzgrenze UEG: untere Eingriffsgrenze UWG: untere Warngrenze

und Rm D

.R1 C R2 C : : : C Rk1 / k1

und hat mit der üblichen Spannweite einer Einzelprobe nichts zu tun. 87.9.4

Cusum-Karte

Der Begriff Cusum ist die Abkürzung von kumulierten Summen. Cusum-Karten reagieren sehr empfindlich auf Schwankungen der Mittelwerte und werden eingesetzt, wenn bereits kleine Änderungen der Prozesslage wichtig sind.

. Abb. 87.10 Mittelwert-Spannweite-Karte

87

1686

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

. Tabelle 87.2 Berechnung der Eingriffsgrenzen für variable Daten [nach [15]] Regelkarte

Stichprobenumfang

Mittellinie

x-R-Karte

< 10 normalerweise 3–5

xD

RD 10

x-s-Karte

xD

sD x-R-Karte Q

< 10 normalerweise 3–5

xQ D

RD

X-Rm -Karte

1

XD

Eingriffsgrenzen

.x1 C x2 C : : : C xk / k

OEGx D x C A2 R

.R1 C R2 C : : : C Rk / k

OEGR D D4 R

.x1 C x2 C : : : C xk / k

OEGx D x C A3 s

.s1 C s2 C : : : C sk / k

OEGs D B4 s

.xQ 1 C xQ 2 C : : : C xQ k / k

OEGxQ D xQ C A4 R

.R1 C R2 C : : : C Rk / k

OEGR D D6 R

.X1 C X2 C : : : C Xk / k

OEGX D X C A5 Rm

UEGx D x  A2 R

UEGR D D3 R

UEGx D x  A3 s

UEGs D B3 s

UEGxQ D xQ  A4 R

UEGR D D5 R

UEGX D X  A5 Rm

Rm D j.XiC1  Xi /j; .R1 C R2 C : : : C Rk1 / Rm D k1

OEGRm D B6 Rm UEGRm D B5 Rm

. Tabelle 87.3 Konstanten für variable Daten [nach [15]] Stichprobenumfang n

x-R-Karte

x-R-Karte Q

x-s-Karte

X-Rm -Karte

D5

D6

A5

B5

B6

C5 a

0,7979 –

0

3,267

2,659

0

3,267

1,128

2,568

0,8862 1,187

0

2,574

1,772

0

2,574

1,693

0

2,266

0,9213 –

0

2,282

1,457

0

2,282

2,059

1,427

0

2,089

0,9400 0,691

0

2,114

1,290

0

2,114

2,326

2,004

1,287

0,030

1,970

0,9515 –

0

2,004

1,184

0

2,004

2,534

0,076

1,924

1,182

0,118

1,882

0,9594 0,509

0,076

1,924

1,109

0,076

1,924

2,704

0,373

0,136

1,864

1,099

0,185

1,815

0,9650 –

0,136

1,864

1,054

0,136

1,864

2,847

9

0,337

0,184

1,816

1,032

0,239

1,761

0,9693 0,412

0,184

1,816

1,010

0,184

1,816

2,970

10

0,308

0,223

1,777

0,975

0,284

1,716

0,9727 –

0,223

1,777

0,975

0,223

1,777

3,078

87

*

A2

D3

D4

A3

B3

B4

C4

2

1,880

0

3,267

2,659

0

3,267

3

1,023

0

2,574

1,954

0

4

0,729

0

2,282

1,628

5

0,577

0

2,114

6

0,483

0

7

0,419

8

a

A4

Die Werte C4 und C5 sind bei der Schätzung der Standardabweichung O des Prozesses von Nutzen.

weitere Überwachungsmöglichkeit. Der Prozess muss beim Überschreiten der Warngrenzen genau beobachtet werden. Die Warngrenzen können, müssen aber nicht eingetragen werden; mitunter wird auf sie ganz verzichtet. Die Berechnung von Mittellinie und Eingriffsgrenzen für variable Daten ist . Tab. 87.2 zu entnehmen.

Für die Berechnung der Eingriffslinien werden Konstante verwendet, die von der Stichprobengröße abhängig sind. Die Konstanten sind . Tab. 87.3 zu entnehmen. Zur Berechnung der Mittellinie und der Eingriffsgrenzen bei Regelkarten für attributive Daten gelten die Formeln aus . Tab. 87.4.

1687 87.9  Qualitätsregelkarten (QRK)

. Tabelle 87.4 Berechnung der Eingriffsgrenzen für attributive Daten [nach [15]] Regelkarte

Stichprobenumfang

Mittellinie

p-Karte

Variable normalerweise  50

Für jede Untergruppe np pD n

np-Karte

c-Karte

u-Karte

Konstant normalerweise  50

Konstant c>5

Variabel

Eingriffsgrenzen r

p .1  p/ n

OEGp D p C 3 r

p .1  p/ n

Für alle Untergruppen np pD n

UEGp D p  3

Für jede Untergruppe np D Anzahl der Fehler

OEGnp D n p C 3

Für alle Untergruppen np np D k

UEGnp D n p  3

Für jede Untergruppe c D Anzahl der Fehler

OEGc D c C 3

Für alle Untergruppen c cD k

UEGc D c  3

Für jede Untergruppe c uD n

OEGu D u C 3

Für alle Untergruppen c uD n

UEGu D u  3

p

p

p p

n p .1  p/

n p .1  p/

c

c

r

r

u n u n

np D Anzahl fehlerhafter Teile, n D Stichprobenumfang in jeder Untergruppe, c D Anzahl Fehler, k D Anzahl der Untergruppen

87.9.6

Analyse von QRK

Die Qualitätsregelkarte stellt zwar den Prozessverlauf dar, aber der Verlauf muss noch interpretiert werden, um eine Aussage treffen zu können. Dies geschieht mithilfe vorgegebener Muster. Mit den in . Abb. 87.11 und 87.12 dargestellten Grundmustern können Qualitätsregelkarten entsprechend interpretiert und ausgewertet werden. Tritt eine einseitige Häufung mit einer Folge von sieben Werten unterhalb bzw. oberhalb des Mittelwertes (Run) auf, so kann man davon ausgehen, dass ein systematischer Einfluss vorliegt. Gleiches gilt für Werte, die in eine Richtung laufen (Trend). Der Prozess ist genau zu beobachten,

wenn Werte außerhalb der Warngrenzen liegen, insbesondere dann, wenn sich die Werte auf die Eingriffsgrenzen weiter zu bewegen. Liegt nun ein Wert außerhalb der Eingriffsgrenzen, ist sofort einzugreifen, da sonst der Prozess nicht mehr beherrscht ist. In diesem Fall sind die systematischen Streuungseinflüsse abzustellen und die Eingriffsgrenzen neu festzulegen. Ein Prozess wird als „beherrscht“ bezeichnet, wenn 4 die Eingriffsgrenzen nicht über- bzw. unterschritten werden und 4 keine auffälligen Muster auftreten, wie sie in . Abb. 87.12 dargestellt sind.

87

1688

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

. Abb. 87.11 Grundmuster für QRK [nach [2]]

a

b

. Abb. 87.12 Muster für QRK [nach [15]]

2er-Lauf im Außenbereich: 2 von 3 aufeinander folgenden Punkten liegen in Zone 1 einer Seite

87 Nicht beherrschte Prozesse

Innenbereich: 15 Punkte in Reihe oder mehr als 68 % aller Punkte liegen in Zone 3

Ausreißer: Punkt außerhalb der Eingriffslinien

Lauf: Mindestens 8 aufeinander folgende Punkte auf der gleichen Seite

4er Lauf: 4 von 5 aufeinander folgende Punkte liegen auf einer Seite der Mittellinie

Trend: Sechs aufeinander folgende Punkte fallen bzw. steigen

Alternation: Zwischen 14 aufeinander folgende Punkte findet abwechselnd Steigen und Fallen statt

Zyklus: wiederkehrende Folge

1689 87.9  Qualitätsregelkarten (QRK)

Beispiel

Ein Maschinenbauunternehmen verlangt vertraglich von seinem Zulieferer, dass die Produkte einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Bei der letzten Überprüfung wird festgelegt, dass der Schaftdurchmesser eines Bolzens ¿ 50 ˙ 0,08 mm mithilfe der SPC überwacht werden soll. Als Bezugswerte für die Regelkarten und die Ermittlung der Eingriffsgrenzen wurden die Toleranzmitte als Sollwert und eine maximale Standardabweichung s D 0;02 mm festgelegt. Die Stichproben sollen halbstündlich mit einer Stichprobenzahl n D 5 entnommen werden. Die SPC hat Folgendes ergeben:

Berechnung der Eingriffsgrenzen Toleranzmitte TM D 50,00 mm entspricht x Vorlauf Standardabweichung s D 0;02 mm entspricht s Vorlauf Konstanten gemäß . Tab. 87.3 für n D 5: A3 D 1;427I B3 D 0I B4 D 2;089 OEGx D x Vorlauf C A3  s Vorlauf OEGx D 50;00 mm C 1;427  0;02 mm OEGx D 50;0285 mm UEGx D x Vorlauf  A3  s Vorlauf

Zeit

Stichproben

UEGx D 50;00 mm  1;427  0;02 mm D 49;9715 mm

7.00

50,019

50,002

50,005

50,008

50,008

OEGs D B4  sVorlauf D 2;089  0;02 mm

7.30

50,005

50,016

50,009

50,015

50,008

OEGs D 0;0418 mm

8.00

50,015

50,015

50,009

50,016

50,009

UEGs D 0

8.30

50,016

50,013

50,012

50,009

50,012

9.00

50,005

50,008

50,013

50,006

50,008

9.30

49,986

49,988

49,990

49,992

49,995

10.00

50,016

50,012

50,006

50,009

50,008

10.30

50,018

50,002

50,016

50,015

50,009

11.00

50,019

50,016

50,015

50,009

50,008

11.30

50,019

50,015

50,018

50,021

50,016

12.00

49,990

49,989

49,987

49,993

49,997

12.30

50,012

50,018

50,021

50,022

50,025

13.00

50,023

50,025

50,025

50,023

50,023

13.30

50,034

50,036

50,028

50,038

50,045

14.00

50,056

50,046

50,043

50,039

50,042

Werten Sie das Ergebnis in Form einer Mittelwert-/Standardabweichungskarte aus. Die Eingriffsgrenzen sind zu berechnen. Berechnung von P5 n1 C n 2 C n 3 C n 4 C n 5 ni x mi D iD1 D 5 5 Berechnung von xD

15 1 X x mi 15 iD1

Standardabweichung v u 5 u 1 X

2 xmi  x mi smi D t n  1 iD1 Mittelwert der Standardabweichung sD

15 1 X sm 15 iD1 i

Aus der Mittelwertkarte ist ersichtlich, dass die Werte zwischen 7.00 Uhr und 9.30 Uhr sowie zwischen 9.30 Uhr und 12.00 Uhr zyklisch verlaufen. Danach ist ein Trend festzustellen, wobei die letzten beiden Werte die obere Eingriffsgrenze überschritten haben. Es ist rechtzeitig einzugreifen. Die Standardabweichungskarte hingegen zeigt keine Auffälligkeiten.

87

1690

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

Zeit

Stichproben mi

87.10

87

n1

n2

n3

n4

n5

x mi

smi

7.00

1

50,019

50,002

50,005

50,008

50,008

50,008

0,0064

7.30

2

50,005

50,016

50,009

50,015

50,008

50,011

0,0047

8.00

3

50,015

50,015

50,009

50,016

50,009

50,013

0,0035

8.30

4

50,016

50,013

50,012

50,009

50,012

50,012

0,0025

9.00

5

50,005

50,008

50,013

50,006

50,008

50,008

0,0031

9.30

6

49,986

49,988

49,990

49,992

49,995

49,990

0,0035

10.00

7

50,016

50,012

50,006

50,009

50,008

50,010

0,0039

10.30

8

50,018

50,002

50,016

50,015

50,009

50,012

0,0065

11.00

9

50,019

50,016

50,015

50,009

50,008

50,013

0,0047

11.30

10

50,019

50,015

50,018

50,021

50,016

50,018

0,0024

12.00

11

49,990

49,989

49,987

49,993

49,997

49,991

0,0039

12.30

12

50,012

50,018

50,021

50,022

50,025

50,020

0,0049

13.00

13

50,023

50,025

50,025

50,023

50,023

50,024

0,0011

13.30

14

50,034

50,036

50,028

50,038

50,045

50,036

0,0062

14.00

15

50,056

50,046

50,043

50,039

50,042

50,045

0,0065

x D 50,014

s D 0,0043

Prozessfähigkeitsuntersuchung PFU

Ein Produkt soll die geforderten Qualitätsansprüche erfüllen. Mithilfe der Prozessfähigkeit und der daraus ermittelten Kennzahlen können die Eigenschaften eines Prozesses beurteilt werden. Die Kennzahlen geben an, mit welcher Sicherheit der Prozess Teile erzeugt, die innerhalb der geforderten Spezifikation liegen. Die Prozessbeherrschung ist jedoch Voraussetzung für die Ermittlung der Fähigkeitskennzahlen. Einen Prozess bezeichnet man als beherrscht, wenn er einen zufallsverteilten Verlauf besitzt und keine besonderen oder systematischen Einflüsse auftreten. Festgestellt wird dies bei einer Prozessvorlaufuntersuchung anhand einer Stichprobenprüfung (10 Stichproben à 5 Teile, Prüfung auf Normalverteilung). Es ergibt sich folgender prinzipieller Zusammenhang:

Prozessbeherrschung

der Prozess ist frei von besonderen, systematischen Einflüssen; steuerbar und zentrierbar

Prozessfähigkeit

der Prozess erzeugt Produkte aufgrund der geforderten Spezifikation

Prozesssicherheit

Streuung innerhalb der Toleranzgrenzen

Prozessregelung

Regelung des beherrschten, fähigen, sicheren Prozesses mittels Regelkartentechnik

1691 87.10  Prozessfähigkeitsuntersuchung PFU

Der Einsatz einer gut funktionierenden Regelkartentechnik zur Ermittlung von Prozessbeherrschung und Prozessfähigkeit im Unternehmen ist eine unbedingte Voraussetzung.

Fähigkeitsuntersuchung

87.10.1

Es gibt vier Möglichkeiten von Fähigkeitsuntersuchungen: 1. Kurzzeitfähigkeitsuntersuchung oder Maschinenfähigkeitsuntersuchung 2. Vorläufige Prozessfähigkeitsuntersuchung Durchgeführt werden beide bei der Abnahme von Maschinen und Anlagen, Prozessvorläufen, Pilot- und Vorserien. 3. Langzeitprozessfähigkeitsuntersuchung, sie wird unter normalen Serien- und Prozessbedingungen durchgeführt. 4. Prüfmittelfähigkeitsuntersuchung Die Vorgehensweise und Berechnung ist bei den Fähigkeitsuntersuchungen gleich. Unterschiede bestehen lediglich in der Anzahl der zu untersuchenden Teile, dem Untersuchungszeitraum sowie dem Erfüllungsgrad. Die Kurzzeitfähigkeits- oder Maschinenfähigkeitsuntersuchung liefert eine erste Aussage über die Eignung von Maschinen und Anlagen, sie sollte direkt beim Hersteller durchgeführt werden. Die vorläufige Prozessfähigkeitsuntersuchung verfolgt zwei Ziele. Erstens dient sie als Verlaufsuntersuchung zur Feststellung der Prozessbeherrschbarkeit. Zweitens, nach der Beseitigung aufgetretener systematischer Einflüsse wird sie zur Abschätzung der zu erwartenden Langzeit-Prozessfähigkeit herangezogen. Die Qualitätsregelkartentechnik beginnt mit der Vorlaufuntersuchung. Zur Beurteilung des laufenden Prozesses dient die Langzeit-Prozessfähigkeitsuntersuchung, die sich über einen definierten Zeitraum erstreckt, um alle Streuungseinflüsse des Prozesses zu erfassen. 87.10.1.1

Ermittlung der Kennwerte

Zur Ermittlung der Prozessfähigkeit müssen aus genügend vielen Einzelstichproben die Mittelwerte und Spannweiten erfasst und daraus die Prozesskennwerte x; R; s berechnet werden. Der Schätzwert der Streuung der Grundgesamtheit – also der Prozessstreuung – ist aus den Standardabweichungen der Stichproben s, wie folgt zu ermitteln: O D

p

. Abb. 87.13 Ermittlung der Prozessfähigkeitskennwerte [nach [2]]

die Beziehung O D 0;4 R mit R D mittlere Spannweite aller Einzelstichproben. Die Prozessfähigkeit cp lässt sich als Verhältnis der vorgegebenen Toleranzbreite zur Prozessstreuung ermitteln (. Abb. 87.13). T OGW  UGW D 6 O 6 O Die Lage des Mittelwertes aller Einzelstichproben gegenüber den vorgegebenen Toleranzgrenzen berücksichtigt der Prozessfähigkeitskennwert cpk . O D

cpk D

Zkrit D kleinster Abstand von der Toleranzgrenze zu x (. Abb. 87.13). Grundlagen zur Ermittlung der Prozessfähigkeitskennwerte:

Prozessfähigkeit (capability process) cp vorgegebene Toleranz Prozessstreuung T T D OGW  UGW cp D 6

cp D

Prozessfähigkeitskennwert cpk

2

Zkrit

Bei einem Einzelstichprobenumfang von fünf Messwerten gilt mit hinreichender Genauigkeit für die Prozessstreuung

kleinster Abstand von x zur Toleranzgrenze halbe Prozessstreuung Zkrit D 3 ) ( Zob D OGW  x ¶ kleinster Wert aus Zun D x  UGW

cpk D cpk

s

Zkrit 3 O

87

1692

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

87.10.1.2

Durchführung der Prozessfähigkeitsuntersuchung (PFU)

Schritte der PFU 4 Merkmale und Messmittel auswählen 4 Vorlaufuntersuchung durchführen 4 Systematische oder spezielle Einflüsse abstellen 4 Test auf Normalverteilung 4 Stichprobenplanung und -durchführung 4 x; s; R; x; s; R; O ermitteln 4 Fähigkeitsindizes cp , cpk berechnen 4 cp  1;33; cpk  1;33: Prozess ist fähig 4 cp  1;33; cpk < 1;33: Prozess zentrieren und damit fähig machen Die Vorgehensweise ist bei allen drei Prozessfähigkeitsuntersuchungen mit Ausnahme der Stichprobenplanung gleich. Die Fähigkeitsindizes haben jedoch unterschiedliche Bezeichnungen. Kurzzeitfähigkeit: cm , cmk vorläufige Prozessfähigkeit: pp , ppk Langzeit-Prozessfähigkeit: cp , cpk Für die Prozessfähigkeit werden meist niedrigere Werte als für die Maschinenfähigkeit gefordert, da die Langzeitstreuung eines Prozesses größer als dessen Kurzzeitstreuung ist. Für die Prozessfähigkeiten cp und cpk werden momentan abhängig vom Fertigungsprozess Werte zwischen 1,33 und 2,0 gefordert und auch im Prozess erreicht. In der Automobilindustrie haben sich für cm und cmk bzw. cp und cpk nachfolgende Werte etabliert. Beim Erreichen gelten die untersuchten Maschinen bzw. Prozesse als qualitätsfähig:

. Abb. 87.14 Darstellung und Beurteilung verschiedener PFU-Kennzahlen [nach [15]]

87 Maschinenfähigkeit

Prozessfähigkeit

cm

cmk

cp D p p

cpk D ppk

nicht qualitäts- < 1,67 fähig

< 1,33

< 1,33

< 1,00

bedingt qualitätsfähig

> 1,67

> 1,33

> 1,33

> 1,00

qualitätsfähig

> 2,00

> 1,67

> 1,67

> 1,33

In . Abb. 87.14 sind die PFU-Kennzahlen zur Beurteilung eines Prozesses dargestellt. 87.10.1.3

Stichprobenumfang und Vertrauensbereich

Die Kurzzeit- oder Maschinenfähigkeitsuntersuchung umfasst 50 hintereinander gefertigte Teile die auf zehn Stichproben aufgeteilt, zeitlich nacheinander bearbeitet werden. Bei einer vorläufigen Prozessfähigkeitsuntersuchung sind 20 Stichproben mit mindestens drei Teilen in zeitlich gleichmäßigen Abständen zu bearbeiten.

Die Langzeit-Prozessfähigkeitsuntersuchung soll sich auf einen Beobachtungszeitraum von mindestens 20 Produktionstagen beziehen und 25 Stichproben zu je fünf Teilen umfassen. Darüber hinaus sollen sie in einem Abstand von ein bis zwei Monaten regelmäßig wiederholt werden, dabei können auch Daten aus laufenden Regelkarten zur Fähigkeitsermittlung herangezogen werden. Da Mittelwert und Standardabweichung der Prozessstreuung nur Schätzwerte sind, gilt dies auch für die Prozessfähigkeitskennzahlen cp und cpk . Die wahren Werte unterliegen einer Zufallsstreuung. Daher ist ein Vertrauensbereich festzulegen, der mit einer Aussagewahrscheinlichkeit von 99 % die wahren Werte von cp bzw. cpk ergibt (. Tab. 87.5). Die Vertrauensbereiche für cmk bzw. cpk sind sogar noch etwas größer! Daraus leitet sich die Erkenntnis ab, dass cpk  1;33 eine Minimalforderung ist, wenn der Prozess als fähig beurteilt werden soll, und dass der Gesamtstichprobenumfang einer Langzeit-Prozessfähigkeitsuntersuchung nicht unter 125 Teilen liegen soll.

1693 87.10  Prozessfähigkeitsuntersuchung PFU

Beispiel

Im Rahmen einer Maschinenfähigkeitsuntersuchung an einer Drehmaschine wurden für die Fertigung von Bolzen aus E 360 folgende Werte gemessen: Zeit

Sollwerte: UGWW 49;95

OGWW 50;05

TW 0;1 TMW 50;00

Berechnung der Maschinenfähigkeitskennzahlen:

Stichproben

7.00

50,019

50,002

50,005

50,008

50,008

8.00

50,005

50,016

50,009

50,015

50,008

9.00

50,015

50,015

50,009

50,016

50,009

10.00

50,016

50,013

50,012

50,009

49,997

11.00

50,005

50,008

50,013

49,999

50,008

12.00

49,998

50,002

50,008

50,012

50,016

13.00

50,016

50,012

50,006

50,009

50,008

14.00

50,018

50,002

50,016

50,015

50,009

15.00

50,019

50,016

50,015

50,009

50,008

16.00

50,019

50,015

49,996

49,999

50,016

cm D

OGW  UGW 50;05  49;95 T D D 6s 6s 6  0;00602

cm D 2;77  1;33 cmk1 D

50;01  49;95 0;06 x  UGW D D 3 s 3  0;00602 3  0;00602

cmk1 D 3;32  1;33 cmk2 D

50;05  50;01 0;04 OGW  x D D 3s 3  0;00602 3  0;00602

cmk2 D 2;21  1;33

Istwerte:

Sollwerte: 50 ˙ 0;05 mm; TM D 50;00 mm; OT D 50;05 mm; UT D 49;95 mm

Mittelwert xW 50;010 xmin W 49;996

Weitere Daten:

xmax W 5;019

Spannweite RW 0;23

Maschinenbezeichnung: Schneidwerkstoff: Werkstoff: Einstellwerte:

Zeit

sW 0;00602

CNC-Drehmaschine 008 HMW,  D 70ı E 360 vc D 212 m=min f D 0;25 mm

6 -Bereich von 49,992 bis 50,028 cm W 2;77 cmk1 W 3;32

Maschinenfähigkeit

cmk2 W 2;21

Ergebnis: Die Maschinenfähigkeit ist gegeben!

Stichproben mi

n1

n2

n3

n4

n5

x mi

smi

7.00

1

50,019

50,002

50,005

50,008

50,008

50,0084

0,00643

8.00

2

50,005

50,016

50,009

50,015

50,008

50,0106

0,00472

9.00

3

50,015

50,015

50,009

50,016

50,009

50,0128

0,00349

10.00

4

50,016

50,013

50,012

50,009

49,997

50,0094

0,00737

11.00

5

50,005

50,008

50,013

49,999

50,008

50,0066

0,00513

12.00

6

49,998

50,002

50,008

50,012

50,016

50,0072

0,00729

13.00

7

50,016

50,012

50,006

50,009

50,008

50,0102

0,00390

14.00

8

50,018

50,002

50,016

50,015

50,009

50,0120

0,00652

15.00

9

50,019

50,016

50,015

50,009

50,008

50,0134

0,00472

16.00

10

50,019

50,015

49,996

49,999

50,016

50,0090

0,01065

x D 50;010

s D 0;00602

87

1694

Kapitel 87  Qualitätsmanagement

. Tabelle 87.5 Zufallsstreuung von cm bzw. cp bei 99%-Vertrauensbereich (nach [2]) Stichprobe

99 %-Vertrauensbereich

1 Stichprobe des Umfangs n D 50

0;75cm  cm  1;26cm

25 Stichproben des Umfangs n D 5

0;82cp  cp  1;18cp

Die höheren Werte für cmk und ppk leiten sich von den geringeren Stichprobenumfängen und Betrachtungszeiträumen ab. Eine sichere Null-Fehler-Fertigung wird mit dem Sechs-Sigma-Management angestrebt (. Abb. 87.15).

87.10.2

Null-Fehler- oder Sechs-Sigma-Management

. Tabelle 87.6 Richtwerte für Fähigkeitskennzahlen [nach [2]] Fähigkeitskennzahlen

Prozessstreuung innerhalb der Toleranz

Maschinenfähigkeit cmk  1;67

˙5

Vorläufige Prozessfähigkeit ppk  1;67

˙5

Langzeit-Prozessfähigkeit ppk  1;33

˙4

Null-Fehlerfertigung cpk  2

˙6

87.10.1.4

Ein Null-Fehler-Management bedeutet, die Fehler drastisch zu minimieren, um möglichst nahe an die Zielwerte heranzukommen. Für ein Null-Fehler-Management gelten folgende Voraussetzungen: 1. Die konsequente, durchgehende Anwendung des innerbetrieblichen Kunden-Lieferanten-Prinzips von Bereich zu Bereich. Dieses soll Prinzip gewährleisten, dass jeder Bereich dem nachfolgenden Bereich die richtige Menge zum richtigen Zeitpunkt mit Null-Fehler anliefert. 2. Ein zuverlässig verfügbarer und fähiger Maschinenund Anlagenbestand. 3. Ein konsequent in allen Bereichen durchgeführtes Qualitätsmanagementsystem.

Sichere, stabile Null-Fehler-Fertigung

Beherrschte und fähige Prozesse mit einem gründlichen Nachweis der Beherrschbarkeit der Prozessfähigkeit können als sichere, stabile Prozesse gelten. Aus diesem Grund werden folgende Richtwerte – ausgehend von der Automobil- und Elektronikindustrie – gefordert . Tab. 87.6.

87

Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen sollte jeder Mitarbeiter zusätzlich motiviert sein, kleine Fehlerquellen in seinem Arbeitsbereich zu eliminieren. Darüber hinaus sind für typische Wiederholfehlhandlungen Vermeidungsmechanismen (Poka Yoke) einzuführen, um einen Null-Fehleranteil von unter 40 ppm zu erreichen.

. Abb. 87.15 Streuungsmaß Sigma, Schlechtanteile und cp =cpk -Wert [nach [2]]

% gut

% schlecht

ppm schlecht

± 1σ

68,26

31,74

317400

cp/cpk-Wert 0,33

± 2σ

95,46

4,54

45400

0,67

± 3σ

99,73

0,27

2700

1,00

± 4σ

99,9937

0,0063

63

1,33

± 5σ

99,99943

0,000057

0,57

1,67

± 6σ

99,9999998

0,0000002

0,002

2,00

cp/cpk = 1,33 (DGQ) cp/cpk = 1,67 (Q 101, Ford) cp/cpk = 2,00 (Motorola)

1695 Literaturhinweise

. Abb. 87.16 Ishikawa-Diagramm für ein Null-Fehler-Ziel [nach [2]]

Die Vorarbeit zu einem Null-Fehler-Management kann mit einem umfangreichen Ursache-Wirkung-Diagramm (Ishikawa-Diagramm) zur Erfassung von Fehlerquellen erfolgen (. Abb. 87.16). Mittlerweile wurde ein weiterer Schritt vollzogen, in dem eine Verbesserung über die Null-Fehler hinaus angestrebt wird. Das heißt, man gibt sich nicht mit der Einhaltung der Toleranzgrenzen zufrieden – was nach dem bisherigen Verständnis Null-Fehler bedeutet –, sondern innerhalb der Toleranzgrenzen sind die Zielwerte zu erreichen. Das von Motorola entwickelte Sechs-Sigma-Management geht einen ähnlichen Weg in Richtung Null-Fehler und der Streuungsminimierung um den Zielwert. Die hier zugrunde gelegte Normalverteilung soll die Toleranzgrenzen erst bei 6 Sigma erreichen. Der rechnerische Fehleranteil liegt dann bei 0,002 ppm. Selbst bei gut zentrierten Prozessen treten laufend Schwankungen um den Mittelwert auf. Der Fehleranteil erhöht sich auf 3,4 ppm, wenn die Schwankungsausschläge mit 1,5 Sigma angenommen werden. Für eine praktische Fehlerfreiheit ist daher ein Prozess mit 6 Sigma Gutanteil innerhalb der Toleranzbreite (was einer Prozessfähigkeit von cpk D 2 entspricht) notwendig. Das eigentliche NullFehler-Management beginnt bei cpk D 2 und wird erst bei Werten darüber sicher. Das Qualitätsmanagement spielt sich, wie schon gesagt, innerhalb der Toleranzgrenzen ab! Das Null-Fehler-Management ist heute die Standardforderung gegenüber den Zulieferanten!

Das Sechs-Sigma-Management ist ein langfristig angelegtes, strategisches Verbesserungskonzept für alle Unternehmensbereiche, mit deren Hilfe sich die Kosten und Umsätze verbessern lassen.

Literaturhinweise 1. Brüggemann, H., Bremer, P.: Qualitätsmanagement. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015) 2. Brunner, F.J., Wagner, K.W.: Taschenbuch Qualitätsmanagement. Hanser, München, Wien (2010) 3. Dietrich, E., Schulze, A.: Statistische Verfahren zur Maschinen- und Prozessqualifikation. Hanser, München, Wien (2014) 4. Geiger W., Kotte, W.: Handbuch Qualität. Vieweg, Wiesbaden (2007) 5. Gaefen, C., Richter, H.: Lernziel Qualität. Cornelsen Girardet, Berlin (1997) 6. Hering, E., Triemel, J., Blank, H.-P.: Qualitätsmanagement für Ingenieure. Springer, Berlin (2003) 7. Kamiske, G.F., Umbreit, G.: Qualitätsmanagement. Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig (2008) 8. Pfeifer, T., Schmitt, R.: Masing Handbuch Qualitätsmanagement. Hanser, München, Wien (2014) 9. Mockenhaupt, A., Voigt, H.D.: Qualitätssicherung – Qualitätsmanagement. Handwerk und Technik, Hamburg (2013) 10. Linß, G.: Qualitätsmanagement für Ingenieure. Hanser (2015) 11. Linß, G.: Training Qualitätsmanagement. Hanser (2011) 12. Linß, G.: Statistiktraining im Qualitätsmanagement. Hanser (2005) 13. Schmitt, R., Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement. Hanser, München, Wien (2015) 14. WEKA: Schulungspaket ISO 9000:2000. Augsburg (2003) 15. WEKA: Schulungspaket QM-Methoden. Augsburg (2003)

87

1697

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten – Qualitätsmanagement 1 Verwendete Abkürzungen – Qualitätsmanagement Ai , Bi , Ci , Di



Konstanten für variable Daten

c



Anzahl Fehler

cm



Maschinenfähigkeit

cmk



Maschinenfähigkeitskennwert

cp



Prozessfähigkeit (Langzeit)

cpk



Prozessfähigkeitskennwert (Langzeit)

k



Anzahl der Untergruppen

n



Stichprobenumfang, Stichprobenumfang in jeder Untergruppe

np



Anzahl der fehlerhaften Teile

p



Anteil der Fehler

pp



Prozessfähigkeit (Kurzzeit)

ppk



Prozessfähigkeitskennwert (Kurzzeit)

OEG

mm

obere Eingriffsgrenze

OGW

mm

oberer Grenzwert

OTG

mm

obere Toleranzgrenze

R

mm

Spannweite

R

mm

mittlere Spannweite

s;

mm

s

2

mm

Standardabweichung 2

Varianz

x, 

mm

Mittelwert

xQ

mm

Median (Zentralwert)

x-R



Mittelwert C Spannweite

x-s



Mittelwert C Standardabweichung

x-R Q



Zentralwert C Spannweite

X-Rm



Einzelwert C veränderliche Spannweite

u



Anzahl Fehler je Teil

T

mm

Toleranz

UEG

mm

untere Eingriffsgrenze

UGW

mm

unterer Grenzwert

UTG

mm

untere Toleranzgrenze

Z krit

mm

kleinster Abstand von der Toleranzgrenze

EFQM FEMA KVP OT PFU ppm QM QRK RADAR SPC SQÜ TM UT

European Foundation for Quality Management Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse Kontinuierlicher Verbesserungsprozesses obere Toleranz Prozessfähigkeitsuntersuchung parts per million Qualitätsmanagement Qualitätsregelkarten Results, Approach, Deployment, Assessment, Review Statistische Prozessregelung Statistische Qualitätsüberwachung Toleranzmitte untere Toleranz

1699

Produktionslogistik Inhaltsverzeichnis Kapitel 88

Grundlagen der Produktionslogistik – 1701 Jürgen Bauer

Kapitel 89

Produktionslogistik mit ERP-Systemen – 1709 Jürgen Bauer

XIX

1701

Grundlagen der Produktionslogistik Jürgen Bauer

88.1

Strategische Bedeutung

Die Produktionslogistik befasst sich mit der Planung und Steuerung der Waren- und Informationsflüsse im Unternehmen. Sie ist eingebettet in eine umfassende Lieferkette (Supply Chain), bestehend aus Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebslogistik. (. Abb. 88.1). Die Produktionslogistik ist eine wesentliche Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. Aus der Finanzperspektive (vgl. [7]) des Unternehmens fördert eine effektive Produktionslogistik wichtige Erfolgsgrößen im Unternehmen wie 4 Unternehmensgewinn 4 Kapitalrendite 4 Liquidität. Aus der Kundenperspektive beeinflusst sie die Erfolgsgrößen 4 Kundenbindung 4 Kundenzufriedenheit 4 Neukundengewinnung. Aus der Sicht der am Produktionsprozess beteiligten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sie wesentlichen Einfluss auf die 4 Arbeitszufriedenheit 4 Motivation. Es ist das Bestreben der Produktionslogistik, diesen Erfolgsbeitrag durch effiziente Steuerung und Kontrolle der

. Abb. 88.1 Produktionslogistik in der Lieferkette

Abläufe zu sichern. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der betrieblichen Informationstechnik, insbesondere den Softwaresystemen zur Produktionslogistik zu. 88.2

Hauptaufgaben und Ziele der Produktionslogistik

Welches sind die Hauptaufgaben der Produktionslogistik? (. Abb. 88.2). Die Programmplanung stellt aus einem gegebenen Produktsortiment die monatlich bzw. jährlich zu fertigenden Produktmengen zusammen. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Vertrieb. Die Materialplanung sorgt für die Lagerung und Bereitstellung der benötigten Materialien (Baugruppen, Einzelteile, Rohstoffe). Die Terminplanung ermittelt Liefer- und Fertigungstermine im Produktionsvollzug. Aufgabe der Kapazitätsplanung ist die Verwaltung und Abstimmung der Kapazitätsbelegung der Betriebsmittel. Die Rückmeldung der Betriebsdaten dient der laufenden Werkstattsteuerung durch Betriebsdatenerfassung (BDE) und sorgt für die Transparenz des Betriebsgeschehens und der Fertigungsprozesse. Logistikcontrolling befasst sich mit der Planung und Überwachung der Produktionsabläufe im Hinblick auf deren Optimierungsziele. Die Aufgaben werden in 7 Kap. 89 näher beschrieben. Der geforderte Erfolgsbeitrag der Produktionslogistik aus Finanz-, Kunden- und Prozesssicht erfordert handhabbare Ziele für die Logistiker und Produktionsmitarbeiter vor Ort, die einerseits prozessgeeignet, andererseits auch strategisch kompatibel (verträglich) sind.

. Abb. 88.2 Hauptaufgaben der Produktionslogistik

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_88

88

1702

Kapitel 88  Grundlagen der Produktionslogistik

88.3

Organisationstypen der Produktionslogistik

Die Aufgaben der Produktionslogistik werden wesentlich durch ihre Organisationstypen bestimmt. Einflussgrößen sind 4 die Fertigungsart 4 die Dispositionsart 4 das Fertigungssystem 4 die Produktart (. Abb. 88.4).

. Abb. 88.3 Ziele der Produktionslogistik

88

Eine effektive, an den genannten Erfolgsfaktoren ausgerichtete Produktionslogistik strebt ein Bündel von Zielen an, die sich in Zeit-, Mengen- und Finanzziele strukturieren lassen (. Abb. 88.3): Wegen der fundamentalen Bedeutung für den Unternehmensbestand haben Finanzziele Vorrang vor den Zeit- und Mengenzielen. Beispiel: Maßnahmen zur Termineinhaltung für einen kleineren Kunden sind dann nicht sinnvoll, wenn dabei unangemessen hohe Kosten, z. B. durch hohe Überstundenzuschläge entstehen, die in keinem Verhältnis zum Kundenprofit stehen. Oder die Lieferfähigkeit wird durch einen sehr hohen Lagerbestand erkauft, dessen Kosten auf dem Markt nicht zurückverdient werden. Die Zielgrößen werden im Rahmen der Teilprozesse der Produktionslogistik näher erläutert. Bei der Zielverfolgung wird der Produktionslogistiker mit dem Dilemma der Materialwirtschaft konfrontiert: Verfolgt die Logistik im Unternehmen eine hohe Lieferbereitschaft des Lagers (Servicegrad) mit Hilfe von hohen Lagerbeständen, so sind die Nachfrager (Verbraucher) zufrieden, die Liquidität nimmt jedoch ab bei gleichzeitig steigenden Lagerkosten. Umgekehrt führt eine Politik der knappen Bestände unter Umständen zu verschlechtertem Servicegrad und unzufriedenen Kunden. Es ist Aufgabe der Logistik, dieses Dilemma durch geeignete Maßnahmen (z. B. just in time, verbesserte Logistiksteuerung) zu vermeiden bzw. abzumildern. . Abb. 88.4 Organisationstypen der Produktionslogistik

Die Auftragsabwicklung kann als Einmalauftrag in Einzelfertigung erfolgen. Diese ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Improvisation. Der Einsatz von ERP-Systemen ist wegen der Variabilität und oft auch Unvollständigkeit der Daten schwierig zu bewerkstelligen. Bei Losfertigung werden gleichbleibende bzw. variierende Produkte in Losen, verteilt über den Bedarfszeitraum (Jahr, Quartal) immer wieder gefertigt. Dies ist die im Maschinenbau vorherrschende Auftragsart. Bei Massenfertigung sind große Stückzahlen an ähnlichen Produkten auf speziellen Einrichtungen zu fertigen. Hier ist eine große Stetigkeit der Daten und der Fertigungsprozesse gegeben, der ERP-Einsatz einfacher zu bewerkstelligen als bei Einzelfertigung. Die Disposition, d. h. die Deckung des Mengenbedarfs, kann kundenbezogen (der Auftrag wird speziell für den Kunden gefertigt) oder kundenanonym erfolgen. Im letzteren Fall wird auf Lager gefertigt oder es wird ein Vertriebsprogramm ohne Ausweisung der Kunden gedeckt. Der Kunde erhält dann seine Produkte vom Vertriebslager, das zuvor aufzufüllen ist. Kundenbezogene Fertigung wird als make to order, kundenanonyme Fertigung als make to stock bezeichnet. Die Produktion erfolgt je nach Fertigungssystem im Layoutprinzip 4 der Werkstatt- bzw. Verrichtungsfertigung 4 der Inselfertigung 4 oder der Linienfertigung. Im Werkstattprinzip werden dabei gleichartige Einzelmaschinen (z. B. Fräsmaschinen, Drehmaschinen) zu Gruppen zusammengestellt. Die Art der Maschine (Fräsmaschine,

Fertigungsart

Einzelfertigung (z.B. Anlagenbau)

Losfertigung (z.B. Werkzeugmaschinenbau)

Massenfertigung (z.B. PKW-Montage)

Dispositionsart

Kundenauftrag erfüllen (make to order)

Lagerbestand auffüllen (make to stock)

Programmplanung Vertrieb erfüllen

Fertigungssystem

Einzelmaschinen

Fertigungssegment Fertigungszelle FFS, AS

Fertigungslinie

Produktart

Diskret einstufig (z.B. Motorenteile)

Diskret mehrstufig (z.B. Flugzeugbau)

Stetige Produkte (z.B. Chemieprodukte)

1703 88.3  Organisationstypen der Produktionslogistik

. Abb. 88.5 Flexibles Fertigungssystem [Waldrich Coburg]

Drehmaschine . . . ) bestimmt deren Anordnung in der Fertigung (layout by machine). Da die Maschinenaufstellung wenig Rücksicht auf den Teiledurchlauf nimmt, ergeben sich lange Durchlaufzeiten der Aufträge, die Fertigungssteuerung ist insgesamt schwierig durchzuführen. Zu finden ist diese Layoutform vorwiegend im Anlagenbau und überall dort, wo Kleinserienfertigung vorherrscht. Die Inselfertigung kann auf drei Arten erfolgen: 4 Als sogenanntes Flexibles Fertigungssystem (FFS), bei dem mehrere CNC-Maschinen zusammengestellt, durch ein automatisches Transportsystem (Palettenfördersystem oder fahrerloses Transportsystem) mit Rüstplätzen und Messplätzen verknüpft und durch einen Leitrechner gesteuert werden (. Abb. 88.5). Für die Produktionslogistik bedeutet dies geringe Durchlaufzeiten und in der Regel eine hohe Ausbringung, da die Produktionsmaschinen von nicht wertschöpfenden Rüstvorgängen entlastet sind. Flexible Fertigungssysteme können darüber hinaus als sehr kundenfreundlich klassifiziert werden, da sie auf produktbezogene Kundenwünsche schnell reagieren können. 4 Als Fertigungszelle, bestehend aus CNC-gesteuerten typisierten Maschinen, die rasch vervielfacht, aber auch in andere Abteilungen umgesetzt werden können. Wegen dieser Eigenschaft werden sie auch als Agile Fertigungssysteme (AS) bezeichnet. 4 Als Fertigungssegment, bei dem die Maschinen einer Teilegruppe (z. B. Getriebewellen) zu relativ autonomen Fertigungsinseln zusammengestellt werden. Diesen Fertigungssegmenten wird dann Kostenverantwortung (Cost Center) oder sogar Ergebnisverantwortung (Profit Center) zugestanden. Sie sind in der Lage, den Arbeitsablauf und die Materialversorgung selbst zu planen (Selbstdisposition) und sowohl Produkte als auch die Wirtschaftlichkeit selbst zu kontrollieren (Selbstkontrolle). Die Mitarbeiter im Fertigungssegment übernehmen eine Reihe von Aufgaben der Produktionslogistik.

. Abb. 88.6 Agiles Fertigungssystem [Hüller-Hille GmbH]

Stetige Fertigung beschreibt die ununterbrochene Produktion eines Artikels, z. B. in der Form der Linien- bzw. Fließbandfertigung (z. B. PKW-Fertigung), aber auch in der chemischen Industrie als kontinuierlicher Output von Kosmetika, Pharmaprodukten usw. Neben dem klassischen Fließband (Montageband) zählt auch die Transferstraße zur stetigen Fertigung. Eine neuere Form der diskreten Fertigung stellen Agile Fertigungssysteme dar. Fertigungszellen übernehmen die kontinuierliche Produktion von Werkstücken. Die Agilität wird dabei durch Anbau weiterer Fertigungszellen reagiert. Beispielhaft für diese Form ist die Fertigung von Motorblöcken in der Automobilindustrie (. Abb. 88.6). Hier steht ein möglichst hoher Ausstoß im Vordergrund. Durch flexiblen Anbau weiterer Produktionssysteme kann schnell auf steigende Produktionszahlen reagiert werden. Nach der Produktart kann unterschieden werden in diskrete (stückbezogene) und stetige Produkte. Einstufige diskrete Produkte sind Teile ohne Komponenten, vertreten z. B. in der Zulieferindustrie (Kurbelwellen, Zahnräder usw.). Mehrstufige Produkte dominieren wiederum im Maschinen- oder auch im Flugzeugbau. Sie stellen aufgrund der Komplexität hohe Anforderungen an die Produktionslogistik, insbesondere an die Terminplanung. Die Fertigung stetiger Produkte ist insbesondere in der Chemie und Verfahrenstechnik zu finden. Hier erfolgt die Produktion durch Mischung von nicht stückbezogenen Eingangsstoffen auf speziellen Anlagen. Die Probleme in der stetigen Fertigung liegen eher in der produktionssynchronen Materialplanung und -bereitstellung. Im Folgenden wird deshalb die Losfertigung mehrstufiger Produkte zur Lagerdeckung in den Mittelpunkt gestellt. Sie ist der in der Metall- und Elektroindustrie dominierende Logistiktyp.

88

1704

88.4

Kapitel 88  Grundlagen der Produktionslogistik

ERP-Systeme

Die Steuerung und Überwachung der Produktionsabläufe mit den verbundenen material- und produktionswirtschaftlichen Entscheidungen würde eine manuelle Organisation bei weitem überfordern. ERP-Systeme (Enterprise-Resource-Planning) bilden deshalb das Rückgrat der Produktionslogistik.

. Abb. 88.7 Hauptmodule ERP-System SAP® R/3® bzw. SAP® ECC®

88

. Abb. 88.8 Informationstechnik in der Produktionslogistik [Bauer [1]]

88.4.1

Module

ERP-Systeme finden ihr Einsatzgebiet in der umfassenden Planung und Überwachung der Ressourcen 4 Material 4 Maschine 4 Mensch 4 Finanzen 4 Information. Gegenüber den in der Praxis noch anzutreffenden PPS-Systemen (Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen), deren Aufgabe vorwiegend auf die Planung der Ressourcen Material und Maschine begrenzt ist, haben sie den entscheidenden Vorteil einer Integration aller Prozesse des Unternehmens. Demzufolge verfügen ERP-Systeme über eine Vielzahl von Softwaremodulen für jeden denkbaren Funktionsbereich im Unternehmen, dargestellt am Beispiel des ERP-Systems SAP R/3 und des Nachfolgersystems ECC (. Abb. 88.7): ERP-Systeme sind mittlerweile in allen Branchen vom Maschinenbau über die Autoindustrie, Pharmaunternehmen, Elektroindustrie bis zu Dienstleistungsund Gesundheitsunternehmen im Einsatz. Ihr Verbreitungsgrad in größeren Industrieunternehmen ab ca. 1000 Beschäftigten liegt bei nahezu 100 %. Für den Produktions- und Materialmanager gehören sie zum täglichen Arbeitswerkzeug.

1705 88.4  ERP-Systeme

88.4.2

Informationstechnik zur Produktionslogistik

ERP-Systeme bedürfen einer leistungsfähigen Vernetzung der Rechner in Produktion und Verwaltung (. Abb. 88.8). In der Planungsebene erfolgt die Auftragsverwaltung. In der Leitebene wird der Fertigungsablauf koordiniert und überwacht. In der Shop-floor-Ebene erfolgt die Steuerung der Maschinen. Zwischen allen Ebenen ist ein zeitaktueller Informationsaustausch gewährleistet. . Abb. 88.9 Stammdaten der Produktionslogistik

88.4.3

Datenbasis

Die einzelnen Module des ERP-Systems greifen auf einen umfangreichen Datenbestand zu, bestehend aus Stammdaten und Bewegungsdaten. Erst mit einem aktuellen und möglichst vollständigen Datenbestand ist das ERP-System arbeitsfähig. Der Pflege dieser Daten kommt deshalb eine besondere Bedeutung für die Qualität der Produktionslogistik zu. Zu den Stammdaten der Produktionslogistik gehören (. Abb. 88.9). Lieferanten- und Kundenstamm sind für die Produktionslogistik Stammdaten im weiteren Sinne. Sie erhalten ihre Bedeutung insbesondere bei kundenbezogener Fertigung und bei Fremdvergabe von Produktionsleistungen. Der Artikelstamm (Materialstamm, Teilestamm) enthält die Daten der Endprodukte, Baugruppen, Einzelteile und Werkstoffe. Beispiele sind die Teilenummer, Bezeichnung, DIN-Nummer, Lagerplatz, Bestandsdaten, Kalkulationsdaten, bevorzugte Losgröße (. Abb. 88.10). Der Artikelstamm ist die wichtigste Stammdatei. Alle betrieblichen Funktionsbereiche greifen darauf zu. Die Stückliste (bei chemischer Produktion als Rezeptur bezeichnet) zeigt den Aufbau einer Baugruppe. Sie hat neben der Funktion als Datenträger in der Konstruktion auch zentrale Bedeutung für die Materialplanung (Beschaffung und Disposition) und die Montage. . Abb. 88.11 zeigt eine Beispielstückliste für ein Komplettrad, bestehend aus Felgen, Reifen und Schrauben. Die Stücklisten werden bis auf die Einzelteile ausgedehnt, bestehend dann aus dem Ausgangswerkstoff. . Abb. 88.12 zeigt dazu die Stückliste für die Felge, bestehend aus dem Bandstahl S420MC. Der Arbeitsplatz enthält vor allem die Daten eines Arbeitsplatzes (Handarbeitsplatz, Maschine), beispielsweise die Kapazitätsdaten, aber auch Angaben über zu verwendende Werkzeuge, die Lohnart und die betreffende Kostenstelle. Im Arbeitsplatzstamm legt der Planungsmitarbeiter ferner die verfügbare Kapazität in Form der Arbeitszeit fest (. Abb. 88.13). Hier wird auch der Nutzungsgrad der Maschine eingestellt, der wegen Reparaturen und weiterer Störungen hier 90 % beträgt. Der Arbeitsplan ist die Fertigungsvorschrift einer eigengefertigten Baugruppe bzw. eines Teiles

. Abb. 88.10 Artikelstamm (SAP R/3)

(. Abb. 88.14). Arbeitsgangweise sind hier der belegte Arbeitsplatz (A5711/00) und die Bezeichnungen der Arbeitsgänge festgehalten. Die Rüstzeit und die Fertigungszeit/Stück (Maschinenzeit) wird in einer weiteren Maske (. Abb. 88.15) eingegeben, ferner der Beschäftigungsmaßstab, hier die Maschinenstunden (SAP-Abkürzung 1420). Von den Stammdaten zu unterscheiden sind die Bewegungsdaten im ERP-System, d. h. Daten, die einer häufigen Veränderung unterworfen sind. Hier sind zu nennen: 4 Kundenaufträge 4 Fertigungsaufträge (siehe . Abb. 89.13) 4 Bestellungen an Lieferanten Sie werden vom System generiert und nach Abwicklung und Archivierung wieder gelöscht.

88

1706

Kapitel 88  Grundlagen der Produktionslogistik

. Abb. 88.11 Baugruppenstückliste Fertigerzeugnis (SAP R/3) . Abb. 88.12 Rohstoffstückliste Einzelteil

. Abb. 88.13 Arbeitsplatzstamm

88

1707 88.5  Prozesse in der Produktionslogistik

. Abb. 88.14 Arbeitsplan mit Vorgängen (SAP R/3)

. Abb. 88.15 Arbeitsplan mit Fertigungszeiten

. Abb. 88.16 Prozesse der Produktionslogistik (ORDOder-Verzweigung zwischen Kauf- und Eigenfertigungsteilen)

88.5

Prozesse in der Produktionslogistik

Üblicherweise wird die Produktionslogistik aus Prozesssicht betrachtet. Diese Prozesse charakterisieren die operativen Aufgaben der Produktionslogistik im Verlauf der Auftragsabwicklung (. Abb. 88.16). Bei Fremdbezugsteilen erfolgt nach der Bedarfsermittlung die Übergabe an den Einkauf in Form von Bestellanforderungen für die Kaufteile.

88

1709

Produktionslogistik mit ERP-Systemen Jürgen Bauer

Im Folgenden werden die Teilprozesse der Produktionslogistik bei Eigenfertigung unter Einsatz des ERP-Systems SAP R/3 beschrieben. Dabei wird die häufigste Fertigungsart, die kundenanonyme Losfertigung, zugrundegelegt. 89.1

Programmplanung

Ausgangspunkt für die Programmplanung ist der Absatzplan, erstellt aufgrund der eingegangenen Kundenaufträge für die verkaufsfähigen Produkte, dem sogenannten Primärbedarf. Sind die Kundenaufträge zum Zeitpunkt der Programmplanung noch nicht bekannt bzw. wird generell ohne Kundenbezug und ab Lager geliefert (kundenanonyme Fertigung), so tritt an die Stelle des Kundenbedarfs ein Absatzplan mit den pro Planungsperiode (Tag, Woche, Monat) geplanten Stückzahlen pro Produkt. Im Anschluss an diesen Absatzplan wird – gemeinsam von Vertrieb und Produktion – das Produktionsprogramm geplant. Es enthält die zu produzierenden, verkaufsfähigen Produkte. 7 Beispiel Der Radhersteller plant entsprechend den Abatzerwartungen 2000 Räder komplett entsprechend . Abb. 89.1 ein. In dem Bild ist das Endprodukt Rad komplett mit der Materialnummer (linke Spalte) und den Stückzahlen 2000, lieferbar zum 30.1.2006, eingeplant. 9

89.2

Materialplanung

Im Rahmen der Materialplanung sind die Lagerbestände zu planen und zu überwachen und der Materialbedarf (Baugruppen und Einzelteile) für die in der Programmplanung festgelegten verkaufsfähigen Produkte zu errechnen. 89.2.1

Bestandsplanung

Läger haben im Produktionsablauf vorrangig die Funktion des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage, also eine Pufferfunktion. Läger sind positioniert als Wareneingangslager, als Zwischenlager (z. B. zwischen Teilefertigung und Montage) und als Fertiglager am Ende der Montage. Grundsätzlich können zwei Organisationsformen der Lagerung unterschieden werden: 4 die systematische Lagerung mit festem Lagerort pro Teil 4 die chaotische Lagerung mit wechselndem Lagerort pro Teil. Die chaotische Lagerung erlaubt eine gute Platzausnutzung, bedarf aber einer Lagerortverwaltung mit EDV, wie sie z. B. in ERP-Systemen enthalten ist. Grundlage der Bestandsplanung ist das Bestandsdiagramm für einen Artikel. Es zeigt die Bestandssituation

. Abb. 89.1 Programmplanung (SAP R/3)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3_89

89

1710

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.2 Bestandsdiagramm

. Abb. 89.3 Bestandsdiagramm, JIT-Bestände dunkel

eines Lagerplatzes. Im Beispiel aus der Sicht des PKWHerstellers:

Im Beispiel ergibt sich bei angenommenen 250 Verbrauchstagen eine Umschlagshäufigkeit von

7 Beispiel Vor der Endmontage von PKWs liegen im Teilelager 2000 Räder komplett (jeweils bestehend aus Reifen, Felgen, 4 Radmuttern). Täglich sollen Vtag D 500 Räder montiert werden bei 5 Arbeitstagen/Woche. Der Mindestbestand, reserviert für Lieferstörungen aller Art, betrage 2 Tagesproduktionen, also Bmin D 1000 Räder. Es soll zunächst wöchentlich nachbestellt werden. Der Wert pro Rad komplett beträgt p D 50 C. Das Bestandsdiagramm (. Abb. 89.2): Der Höchstbestand im Lager beträgt (zum Zeitpunkt der Auffüllung) 3500 Stück. Der Mindestbestand wird unmittelbar vor dem Wiederauffüllen des Lagers erreicht (1000 Stück). Die Bestellmenge Bbestell D 2500 Stück. 9

Im Durchschnitt sind am Lager: Bdurch D Bmin C Bbestell=2 Im Beispiel also 1000 C 2500=2 D 2250 Stück Das durchschnittlich gebundene Kapital beträgt Kdurch D Bdurch  p

89

Im Beispiel also 2250  50 C D 112:500 C Üblicherweise geht man von einem Lagerkostensatz von L D 15–20 % pro Jahr aus, enthaltend die Zinskosten, Personalkosten, Kosten für Lagereinrichtung usw. Die Lagerkosten pro Jahr betragen damit Klager D Kdurch  L=100 Im Beispiel ergeben sich dann bei 20 % Lagerkostensatz jährliche Lagerkosten von Klager D 112:500  20=100 D 22:500 C=Jahr Eine weitere wichtige Kennzahl zur Beurteilung der Bestandsführung ist die Umschlagshäufigkeit U:

U D 500  250=2250  56 Eine hohe Umschlagshäufigkeit ist Kennzeichen einer rationellen Bestandsführung. Bei sogenannten Lagerhütern geht der Verbrauch bis auf null zurück, die Umschlagshäufigkeit geht gegen null. Die bevorzugte Maßnahme für eine rationelle Bestandsführung ist die Just-in-time-Anlieferung (JIT). Dazu wird ein jährliches Liefervolumen vereinbart (Vorteil: Großmengenrabatte bleiben erhalten) und dann z. B. täglich oder halbtägig beim Lieferanten abgerufen (. Abb. 89.3). Die Kosteneinsparung im Beispiel: Der durchschnittliche Bestand sinkt durch JIT mit täglichem Aufruf im Beispiel auf 1000 C 500=2 D 1250 Stück Das gebundene Kapital nun: 1250  50 C D 62:500 Euro und die Lagerkosten/Jahr betragen 62:500  20=100 D 12:500 C=Jahr Das Unternehmen benötigt in der Folge weniger Kapital, die finanzielle Abhängigkeit wird verringert und die Kosten gesenkt. Dies erklärt die weite Verbreitung von JIT, auch wenn dem ein erhöhter Transportaufwand und eine größere Störanfälligkeit gegenübersteht. Neben der im Lagerdiagramm dargestellten festen Bestellmenge und dem Bestellrhythmus sind weitere Bestellstrategien mit variabler Bestellmenge bzw. variablem Bestellrhythmus möglich, beinhalten allerdings einen erhöhten Planungsaufwand. Sie werden hier nicht behandelt. Die Überwachung und Verbuchung der Lagerzugänge, Lagerabgänge und die Bestandsauswertungen erfolgen mit dem ERP-System.

89.2.2

Bedarfsermittlung

U D Vtag  Ntag=Bdurch Mit Vtag D Tagesverbrauch, Ntag D Anzahl Verbrauchstage im Jahr.

In der Bedarfsermittlung werden die in der Programmplanung erstellten Bedarfszahlen der Endprodukte herangezogen (Bruttoprimärbedarf). Anschließend wird der

1711 89.2  Materialplanung

. Abb. 89.4 Bedarfsplanung mit Stücklistenauflösung

verfügbare Lagerbestand an Endprodukten abgezogen. Die dann noch zu produzierende Menge an Endprodukten wird als Nettoprimärbedarf bezeichnet. Nun erfolgt die sogenannte Stücklistenauflösung. Entsprechend der Angabe in der Stückliste wird für jede Komponente (Einzelteil, untergeordnete Baugruppe) die erforderliche Bruttomenge errechnet. Nach Abzug des jeweiligen verfügbaren Lagerbestandes erhält man die Nettomenge an Einzelteilen und Baugruppen, die dann noch zu fertigen bzw. zu beschaffen sind (Nettosekundärbedarf). Die so ermittelten Stückzahlen gehen als Bestellanforderungen an den Einkauf (bei Fremdbezugsteilen) bzw. als Fertigungsauftrag an die Produktion (. Abb. 89.4).

auch mit den üblichen Losgrößenverfahren ermittelt werden (z. B. nach der Andler’schen Formel oder nach der gleitenden wirtschaftlichen Losgröße). Im Rahmen der Bedarfsermittlung erfolgt gleichzeitig eine sogenannte Bedarfsterminierung. Das ERP-System nimmt dazu den Liefertermin aus der Programmtabelle und rechnet von diesem aus rückwärts über die Komponenten laut Stücklistenstruktur. Dazu werden die im Materialstamm pro Teil hinterlegten Planlieferzeiten (Wiederbeschaffungszeiten) herangezogen. 7 Beispiel

7 Beispiel

Die Lieferung eines Loses an Kompletträdern soll am Freitagabend erfolgen, damit der Bedarfstermin laut . Abb. 89.1 am 30.1.06 (Montag früh) erfüllt wird. Die Planlieferzeiten:

Werden laut Programmplanung am 30.1.06 2000 Räder komplett benötigt und sind von den kompletten Rädern ab Lager noch 1000 Stück verfügbar, zudem 200 Felgen, 300 Reifen, 800 Schrauben, so ergibt sich folgender Teilebedarf (Sekundärbedarf):

Rad Komplett (Montage) Reifen (Fertigung) Felgen (Fertigung) Schrauben (Beschaffung)

Position

Bedarf brutto

Verfügbarer Bestand

Bedarf netto

Fertigen bzw. kaufen

Rad komplett

2000

1000

1000

1000

Felge

1000

200

800

800

Reifen

1000

300

700

700

Schrauben

4000

800

3200

3200

Die errechneten Bedarfstermine sind in . Abb. 89.5 dargestellt.

Es sind somit 1000 Räder komplett zu montieren, 800 Felgen und 700 Reifen zu fertigen und 3200 Schrauben zu beschaffen. Die ermittelten Mengen werden allerdings mit den wirtschaftlichen Losgrößen bzw. Bestellmengen abgestimmt (Zusammenfassung mit anderen Bedarfszahlen). 9

Die Losgrößen bzw. Bestellmengen können dazu im Artikelstamm eingegeben werden (Standardlosgrößen), aber

2 Tage 2 Tag 3 Tage 1 Tag

. Abb. 89.5 Balkendiagramm

89

1712

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.6 Auftragsnetzplan

Die Felge (terminkritisch) muss am Montag früh begonnen und am Mittwochabend fertiggestellt sein (Bedarfstermin). Dies ist auch der späteste Bedarfstermin für die Reifen und die Schrauben. 9

Die Termine sind Start- bzw. Endzeitpunkte für die aus der Bedarfsermittlung abgeleiteten Fertigungsaufträge bzw. Bestellanforderungen. Da sie auf den geschätzten Planlieferzeiten im Materialstamm beruhen, die Kapazitätssituation in der Produktion und beim Lieferanten nicht berücksichtigen, werden sie auch als Grobtermine, das Verfahren als Grobterminierung bezeichnet. Eine genauere Terminierung (Feinterminierung) erfolgt dann bei der Termin- und Kapazitätsplanung des Fertigungsauftrages (siehe 7 Abschn. 89.3 und 89.4). Die im Balkendiagramm dargestellte Terminierung ist auch im Netzplan durchführbar (. Abb. 89.6). Die Ferti. Abb. 89.7 Bedarfsermittlung Einzelteil

89

gung bzw. Beschaffung eines Teils wird dabei als Knoten dargestellt. Links über den Knoten steht dabei der früheste Start des Vorganges, wenn zum Zeitpunkt 0 begonnen wird. Die Auftragsdauer wird durch Vorwärtsaddition der Einzeldauern des längsten Pfades (kritischer Pfad) errechnet und beträgt im Beispiel 5 Tage. Wird also am Montag morgen begonnen, ist der Auftrag am Freitagabend lieferbar (frühester Liefertermin D FLT). Dieser Termin wird mit dem Wunschtermin des Kunden verglichen (spätester Liefertermin D SLT). Liegt dieser z. B. am Dienstag morgen, dann hat der Auftrag einen Puffer von 1 Arbeitstag. Es gilt also Puffer D SLT  FLT: Liegt der späteste vor dem frühesten Liefertermin, ist der Auftrag im Verzug. Wegen der exakten Ergebnisse der ermittelten Mengen wird das Verfahren zur Bedarfsplanung auch als deterministische oder plangesteuerte Disposition bezeichnet. Die Ermittlung des Teilebedarfs nach der deterministischen Bedarfsermittlung erfolgt im System SAP R/3 automatisch. Für jede Komponente der Stückliste wird der Bedarf ermittelt und Vorschläge zur Bedarfsdeckung in Form von Fertigungsaufträgen (bei Eigenfertigungsteilen) oder Bestellanforderungen (bei Kaufteilen) vorgeschlagen. Hier wird vereinfacht von einem Lagerbestand von 0 bei allen Teilen ausgegangen. Der Bedarf an Reifen wird in den letzten beiden Zeilen in . Abb. 89.7 aufgeführt mit jeweils 1000 Stück, also insgesamt 2000. Der Lagerbestand

1713 89.2  Materialplanung

ist 0 (erste Zeile). Zur Bedarfsdeckung entsprechend der Programmplanung (. Abb. 89.1) sind somit zwei Bestellanforderungen (2. und 3. Zeile) notwendig. Das Material muss am 26.1. früh verfügbar sein. Die zwei Anforderungen erklären sich aus der im Materialstamm eingetragenen Bestellmenge von 1000. Hier wird der Einkäufer natürlich beide Anforderungen zusammenfassen. Die deterministische Bedarfsermittlung wird überall dort angewandt, wo eine genaue Materialdisposition angezeigt ist, also bei A- und B-Teilen, d. h. Teilen großen und mittleren Wertes und/oder langer Beschaffungszeit. Die Klassifizierung der Teile erfolgt dabei mit der ABCAnalyse, ergänzt durch die XYZ-Analyse. 7 Beispiel für die ABC-Analyse Will man die Teile nach dem jährlichen, wertmäßigen Bedarfsvolumen klassifizieren, so ermittelt man für jede Teileposition den Jahresverbrauch und den Wert/Stück. Teil

Bedarf/Jahr

Wert/Stück C

Beschaffungswert/Jahr C

Reifen

80.000

50

4.000.000

Felgen

80.000

120

9.600.000

Schrauben

320.000

0,5

160.000

Der Jahresbeschaffungswert ist in der rechten Spalte ermittelt. Man bringt die Teile in eine Reihenfolge nach dem Beschaffungswert/Jahr: Teil

Bedarf/Jahr

Wert/Stück C

Beschaffungswert/Jahr C

Felgen

80.000

120

9.600.000

Reifen

80.000

50

4.000.000

Schrauben

320.000

0,5 Summe

160.000 13.760.000

Dann werden 80 % des Jahresbeschaffungswertes errechnet: 80 % von 13:760:000 D 11:008:000 C. Die Jahresbeschaffungswerte werden von oben abgezählt, bis die 11.008.000 C in etwa erreicht sind, dies sind die A-Teile. Im Beispiel erfüllen die Felgen nahezu diesen Wert, sie sind die A-Teile. Anschließend werden 95 % des Jahresbeschaffungswertes abgezählt. Man erhält 13.072.000 C, sie stehen für die A- und B-Teile. Reifen und Felgen zusammen ergeben ungefähr diesen Wert (13.600.000), sie sind A- und B-Teile, die Reifen werden als B-Teil klassifiziert. Der Rest umfasst die C-Teile, die 5 % des Jahresvolumens umfassen, in diesem Fall die Schrauben. Die Teilezahl wurde bewusst klein gehalten, weshalb die Einteilung relativ grob ist. Dies tut dem Zweck der ABC-Analyse, die wichtigen Teile zu bestimmen und die Aktivitäten zu bündeln, keinen Abbruch. 9

. Abb. 89.8 Bestellpunktverfahren

Die XYZ-Analyse teilt die Teile nach ihrem Verbrauchsverhalten und ihrer Prognostizierbarkeit ein in 4 X-Teile, d. h. Teile mit konstantem Verbrauch und guter Prognostizierbarkeit 4 Y-Teile mit schwankendem Verbrauch, aber guter Prognostizierbarkeit und 4 Z-Teile mit schwankendem Verbrauch und schlechter Prognostizierbarkeit Beispiele sind Sommerreifen für PKWs (X-Teile), Reifen für Motorräder (Y-Teile, da saisonabhängig) und Reifen, die möglicherweise bei einer größeren Rückrufaktion wegen Qualitätsmängel benötigt werden (Z-Teile). Bei C-Teilen mit X- oder Y-Verhalten wird vielfach die sogenannte verbrauchsgesteuerte Disposition angewandt, bei der aufgrund des Verbrauchs der Vergangenheit der zukünftige Teilebedarf prognostiziert wird. Denkbar für C-Teile ist ferner das sogenannte Bestellpunktverfahren, bei dem ein Meldebestand Bmelde im Lagerdiagramm festgelegt und im Materialstamm des ERP-Systems hinterlegt wird. Unterschreitet der aktuelle Bestand diesen Meldebestand, erzeugt das ERP-System automatisch einen Planauftrag, der dann vom Arbeitsvorbereiter in einen Fertigungsauftrag oder vom Einkäufer in eine Bestellanforderung umgesetzt wird. Der Meldebestand wird dabei ermittelt, indem man vom Anlieferungszeitpunkt mit der geschätzten Wiedereindeckungszeit rückwärts und dann nach oben zur Verbrauchslinie geht (. Abb. 89.8). Die Wiedereindeckungszeit umfasst bei Kaufteilen die Zeiten für Bestellung, Herstellung, Lieferung, Wareneingangsprüfung, Einlagerung. 7 Beispiel Beträgt die Wiedereindeckungszeit Tw D 2 Tage, so ermittelt sich der Meldebestand Bmelde mit 1000 C 2  500 D 2000 Stück. 9

Die Anwendung der Formel setzt voraus, dass Bestellung und Lieferung in derselben Periode erfolgen. Die Materialversorgung der Produktion, also die Auslösung des Nachschubimpulses, kann prinzipiell im Bringoder im Holprinzip erfolgen.

89

1714

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.9 Kanban-Prinzip

. Abb. 89.10 Elektronisches KANBAN (SAP-ERP)

Beim Bringprinzip hat die Disposition die Aufgabe, die aufgrund der Bedarfsermittlung errechneten Materialmengen (z. B. Schrauben) dem Nachfrager (z. B. Montage) bereitzustellen und zu liefern. Beim Holprinzip löst der Nachfrager einen Impuls über benötigte Teile aus, entweder mit einer Karte, seit dem erstmaligen Einsatz bei der Firma Toyota auch als KANBAN-Verfahren bezeichnet oder mit einer Anzeigelampe in der Disposition, auch als ANDON-Verfahren bekannt. Die Funktionsweise des weit verbreiteten KANBANVerfahrens zeigt . Abb. 89.9.

89 . Abb. 89.11 C-Teile-Management [Fa. Würth]

Die KANBAN-Karte enthält die Teilenummer, die anfordernde Stelle (z. B. Montage), die liefernde Stelle (z. B. Kleinteilelager) und die angeforderte Menge (vgl. [1] und [4]). Die erfolgreiche Einführung von KANBAN ist im Allgemeinen an folgende Voraussetzungen und Regeln gekoppelt: 4 Es darf nur angefordert werden, was benötigt wird (keine Vorratsbildung). 4 Keine Weitergabe von Ausschuss, sonst droht ein Abreißen der KANBAN-Kette. 4 Die Menge der im Versorgungskreis kursierenden Behälter bestimmt die Materialmenge. Durch schrittweises Reduzieren der Behälterzahl in der Einfahrphase versucht man, den Bestand an Teilen zu reduzieren. 4 Die Mitarbeiter müssen gegenüber dem Bringprinzip mehr Verantwortung übernehmen. 4 KANBAN erfordert im Regelfall relativ konstante Materialströme, wie sie in der Fertigung größerer Serien gegeben sind. Neuere Anwendungen zeigen allerdings zunehmend die Eignung des KANBAN-Prinzips auch bei Kleinserienfertigung. Eine moderne Form des KANBAN-Verfahrens lässt sich mit dem elektronischen KANBAN im System SAP R/3 realisieren. Anstelle der Karte wird dabei eine Bildschirmtafel mit Behältersymbolen verwendet. Auf die Tafel kann über das betriebsinterne Netz oder über das Internet zugegriffen werden (. Abb. 89.10). Der Verbraucher (z. B. Fertigungssystem) fordert die benötigten Teile an, indem die virtuellen Behälter „rot“ (im . Abb. 89.10 oben dunkelgrau) markiert werden. Die Quelle (z. B. Lager) fasst die Menge aus dem Lager aus und markiert die Symbole „gelb“ (in Transport), wie in . Abb. 89.10 unten (hellgrau) dargestellt. Beide KANBAN-Tafeln werden synchronisiert. KANBAN führt zu wesentlich geringeren Beständen im Lager und in der Fertigung. Ferner werden die Durchlaufzeiten verkürzt. Dies erklärt den weitverbreiteten Ein-

1715 89.3  Terminplanung

satz in der Industrie. Auf den Einsatz in der Auftragssteuerung zwischen den einzelnen Maschinen wird in 7 Abschn. 89.8.2 eingegangen. Die Lagerung von C-Teilen kann dem Zulieferanten anvertraut werden. Dieser betreibt das Lager beim Kunden und sorgt für den rechtzeitigen Nachschub des Materials. Sobald der Mindestbestand im Lager erreicht wird, wird wieder aufgefüllt (. Abb. 89.11). Der Kunde (Verbraucher) der C-Teile wird von laufenden Bestellungen entlastet, der Verwaltungsaufwand im Bestellwesen entfällt weitgehend. Dafür entrichtet der Verbraucher einen etwas höheren Kaufpreis für die C-Teile. Weitere Vorteile ergeben sich durch die vom Lieferanten vorgenommene Stammdatenpflege und Aktualisierung bei Normänderungen. Diese Form der Materialbelieferung wird als C-Teile-Management bezeichnet. 89.3

Terminplanung

Die Einhaltung der dem internen oder externen Kunden zugesagten Termine, auch bezeichnet als OTD (On Time Delivery), ist eine zentrale Forderung an die Produktionslogistik. Sie beeinflusst sowohl die Kundenzufriedenheit als auch finanzielle Größen im Unternehmen wie z. B. die Liquidität, die Finanzierung und die Ertragsstärke. Im Rahmen der Terminplanung werden die Liefertermine aus der Bedarfsermittlung in genaue Starttermine bzw. Endtermine für die einzelnen Arbeitsgänge umgesetzt. Zuvor werden die in der Bedarfsermittlung errechneten Mengen für alle beteiligten Produkte durch Fertigungsaufträge repräsentiert.

7 Beispiel: Fertigung von Felgen auf einer Stanzanlage Jahresbedarf 80.000 Stück. Rüstkosten 200 C/Los. Teilewert zum Fertigungszeitpunkt 30 C. Lagerkostensatz 20 %. Die optimale Losgröße LOSGRopt D

p 200  80:000  200= .30  20/ D 2309 9

Zur Vereinfachung werden die errechneten Losgrößen aufoder abgerundet, damit sich glatte Zahlen ergeben, wobei insbesondere Abweichungen nach oben nur eine vernachlässigbare Kostensteigerung ergeben. Wirtschaftlich wäre hier beispielsweise eine Losgröße von 2500. Der Lagerkostensatz wird wieder mit ca. 15–20 % pro Jahr angenommen. Er errechnet sich aus den Jahreskosten Klager des Lagers inklusive der Zinsen, bezogen auf das durchschnittlich im Lager gebundene Kapital Kdurch L% D Klager  100=Kdurch Durchläuft das Los mehrere Arbeitsgänge (Fertigungsstufen), so ergibt sich aufgrund der Einflusswerte jeweils eine andere Losgröße. Da jedoch unterschiedliche Losgrößen pro Arbeitsgang kaum praktikabel sind, muss ein Durchschnittswert der Losgröße ermittelt werden (z. B. am mittleren Arbeitsgang). Bessere Ergebnisse erhält man mit der Methode der gleitenden wirtschaftlichen Losgröße oder mit Hilfe von Simulationsverfahren. Grundlage der Terminierung ist das Durchlaufzeitmodell der Fertigung. 7 Beispiel

7 Beispiel Der Hersteller der Kompletträder wird je einen Fertigungsauftrag eröffnen für die Montage der kompletten Räder, die Fertigung der Felgen und die Fertigung der Reifen. (Die Schrauben benötigen keinen Fertigungsauftrag, sondern eine Bestellanforderung, da sie beschafft werden). 9

Bei der Eröffnung eines Fertigungsauftrages im Organisationstyp der diskreten Fertigung ist die Losgröße festzulegen: Das am häufigsten eingesetzte Verfahren ist die Andler’sche Losgrößenformel. Die optimale Losgröße ergibt sich demnach aus dem Jahresbedarf Bjahr, den Kosten eines Rüstvorganges pro Los Kr, dem Teilewert zum Fertigungszeitpunkt P und dem Lagerkostensatz L% in % pro Jahr mit LOSGRopt D

Die so ermittelte Losgröße wird in den Teilestammsatz übernommen und steht dann als Standardlosgröße für die Fertigung und Disposition zur Verfügung.

p 200  Bjahr  Kr= .P  L%/

Das Ergebnis ist die kostenminimale Losgröße eines Auftrages, d. h. die Losgröße, bei der die Summe aus Rüstkosten/Jahr und Lagerkosten pro Jahr ein Minimum annimmt.

Werden fünf Teile eines Loses gefertigt, so liegt der Auftrag zunächst vor der Maschine, bis diese frei wird (. Abb. 89.12). Diese Vorliegezeit ist also durch die Warteschlange verursacht. Sie wird üblicherweise geschätzt. Sobald die Maschine frei ist, wird sie für den Auftrag vorbereitet (Aufrüsten). Anschließend werden die fünf Felgen gefertigt. Nach dem Abrüsten liegt der Auftrag, bis der Weitertransport zum nächsten Arbeitsgang (z. B. Montage) erfolgt. 9

Fasst man die Zeiten für Auf- und Abrüsten zur sogenannten Rüstzeit Tr zusammen und nimmt man für die Fertigungszeiten pro Stück die Variable Te (Zeit/Einheit), so errechnet sich die Durchlaufzeit Td für den Arbeitsgang und die Losgröße LOSGR mit Td D Tvor C Tr C LOSGR  Te C Tnach C Ttrans min=Los Die Vor- und Nachliegezeiten und die Transportzeiten sind im Arbeitsplatzstamm hinterlegt, die Rüst- und Fertigungszeiten im Arbeitsplan. Die Terminierung erfolgt in Anlehnung an die Methode der Netzplantechnik. Wegen der nun

89

1716

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.12 Durchlaufzeitmodell der Fertigung

im Vergleich zur Bedarfsterminierung detaillierten Zeitbestandteile wird das Verfahren auch als Feinterminierung bezeichnet. 7 Beispiel Ein Auftrag, bestehend aus fünf Werkstücken (Losgröße D 5) durchläuft vier Arbeitsgänge. Die Zeitdaten laut Arbeitsplan: AG

Te Min

Tr Min

Tvor Min

Tnach Min

Ttrans Td Min Std

10

30

30

240

120

60

10

20

10

70

180

120

120

9

30

20

20

240

60

120

9

40

8

20

240

120

60

8

1 Erhöhung der Kapazität

Summe 36

Die gesamte Auftragsdurchlaufzeit beträgt 36 Stunden. Nimmt man vereinfacht eine verfügbare Kapazität von 8 Stunden pro Tag an (einschichtig, ein Arbeitsplatz), so erhält man eine Auftragsdurchlaufzeit von 4,5 Arbeitstagen. Ein Beginn am Montag bedeutet dann den Freitag als frühesten Liefertermin. Dieser muss mit dem Wunschtermin (Solltermin) des internen (z. B. Montage) oder externen Kunden abgestimmt werden. 9

89

Er erhält dann Vorrang vor den anderen in der Warteschlange liegenden Aufträgen. Zur Vergabe von Prioritäten sind verschiedene Verfahren im Einsatz. Diese Maßnahme wird auch als Übergangszeitreduzierung bezeichnet. Da die Gefahr einer zu freigiebigen Prioritätsvergabe durch das Planungspersonal besteht, was Prioritäten grundsätzlich unwirksam macht, wird die höchste Priorität nur in Ausnahmefällen vergeben (Chefpriorität).

Liegt der Liefertermin später als der vom Kunden gewünschte Solltermin, so sind Maßnahmen zur Verkürzung der Durchlaufzeit angezeigt. Es bieten sich an: 1 Lossplitting

Die Auftragsstückzahl (Losgröße) wird auf mehrere Maschinen aufgeteilt und somit parallel bearbeitet. Nachteilig sind die nun entstehenden zusätzlichen Rüstkosten. 1 Überlappende Fertigung

Der nachfolgende Arbeitsgang beginnt bereits, wenn der Vorgänger noch nicht abgeschlossen ist. Nachteilig ist der organisatorische Aufwand in der Fertigung. 1 Reduzierung der Vor- und Nachliegezeiten

Ein dringender Auftrag erhält eine hohe Priorität durch Vergabe einer Prioritätsziffer, beispielsweise von Priorität 0 (geringste Priorität) bis Priorität 9 (höchste Priorität).

durch Überstunden, Schichtzahlerhöhung, aber auch durch Fremdvergabe. Die Maßnahme ist in der Regel mit Kosten verbunden (Schichtzuschläge, Überstundenzuschläge). Wirtschaftlichste Maßnahme zur Durchlaufzeitreduzierung ist die Reduzierung der Übergangszeit durch Prioritätsvergabe. Erst wenn diese nicht ausreicht, ist an Lossplitting, überlappende Fertigung und Kapazitätserhöhung zu denken. Flexible Arbeitszeitmodelle mit Zeitkonten – man spricht dann von der atmenden Fabrik – machen allerdings auch die Kapazitätserhöhung wirtschaftlich. Die auf dieser Basis errechneten Termine werden vom ERP-System errechnet und im Fertigungsauftrag ausgewiesen. Dazu wird ein Auftrag angelegt, mit der Losgröße versehen und entweder der Liefertermin eingegeben und der Starttermin errechnet (Rückwärtsterminierung) oder der Starttermin eingegeben und der Liefertermin bestimmt (Vorwärtsterminierung). Hier wird Rückwärtsterminierung eingestellt (. Abb. 89.13). Das System SAP R/3 ermittelt anschließend den spätesten Starttermin im Feld Endtermine Start (. Abb. 89.14). Am Beispiel der Felge: Der Auftrag startet am 19.1., kommt am gleichen Tag um 8 Uhr auf die Maschine (Terminiert Start) und verlässt die Maschine am 26.1. um 13.53 Uhr. Er steht dann am nächsten Morgen zur Lieferung an das Lager zu anschließenden Montage bereit. Generell kann zum Beginn des Auftrages eine Reservezeit (Vorgriffszeit) und am Ende eine Sicherheitszeit eingerechnet werden, hier allerdings nicht erfolgt, da der Liefertermin sehr kurzfristig liegt. In einem Balkendiagramm (GANTT-Grafik) kann der Durchlauf eines Produktes durch die einzelnen Arbeitsplätze übersichtlich dargestellt werden (. Abb. 89.15). Am Beispiel der Felge ist der zeitliche Durchlauf als spätester (oberer, dunkler Balken) bzw. frühester (unterer) Zeitstrahl dargestellt. In der Zeitskala sind die Tage ein-

1717 89.4  Kapazitätsplanung

. Abb. 89.13 Liefertermin eingegeben

. Abb. 89.14 Terminierter Fertigungsauftrag

gestellt, bei Bedarf kann hier bis in den Minutenbereich aufgelöst werden. Eine übertriebene Genauigkeit ist allerdings angesichts der Störgrößen in einer Produktion nicht sinnvoll. Erkennbar ist wiederum der Fertigstellungstermin im Verlauf des 26.1. 89.4

Kapazitätsplanung

Die im vorigen Abschnitt beschriebene Terminplanung erfolgt zunächst ohne Berücksichtigung von Kapazitätsgrenzen, d. h. die Terminplanung erfolgt gegen unbegrenzte Kapazität. Sind die Arbeitsgangtermine in Einklang mit den Sollterminen des Kunden, erfolgt die Einlastung der Belegungszeiten zum Arbeitsgangstart (alternativ zum Ar-

beitsgangende) in den betreffenden Arbeitsplatz (Maschine) mit Tb D Tr C LOSGR  Te min=Los Die Kapazitätsplanung (wie auch die Kalkulation) verwendet also die Belegungszeiten, die Terminplanung dagegen die Durchlaufzeiten. Die Produktionslogistik muss nun prüfen, ob Kapazitätsengpässe auftreten. Hinweise dazu gibt das Kapazitätsdiagramm der betreffenden Maschine (. Abb. 89.16). Es zeigt für jede Woche die Auslastung (dunkle Balken im Diagramm), freie Kapazitäten (hellgrau) und Überlastungen (grau) in den einzelnen Perioden (Wochen). Beispielsweise ist die Maschine A5711/00 in der 3. Woche mit 54 % ausgelastet, gleichfalls in der 4. Woche bei einer

89

1718

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.15 GANTT-Grafik eines Auftragsdurchlaufs (SAP R/3)

. Abb. 89.16 Kapazitätsauslastung einer Maschine (SAP R/3)

89

Gesamtkapazität von jeweils 40 Stunden/Woche. In den übrigen Wochen ist noch keine Kapazitätsbelegung erfolgt. Für die Produktionslogistik beginnt jetzt der Prozess der Kapazitätsfeinplanung, d. h. der Anpassung von Kapazitätsangebot der Maschine an den Kapazitätsbedarf aus den Fertigungsaufträgen, auch als Glätten des Kapazitätsgebirges bezeichnet. Geeignete Maßnahmen: 4 Verschieben von Aufträgen mit geringer Priorität nach hinten in Kapazitätstäler 4 Erhöhen des Kapazitätsangebotes durch Überstunden, zusätzliche Schichten, Fremdvergabe (vgl. 7 Abschn. 89.3)

4 Ausweichen auf andere Maschinen innerhalb des Unternehmens oder auf Fremdvergabe (vgl. 7 Abschn. 89.3). Die erste Maßnahme ist, wie bei der Durchlaufzeitverkürzung, auch hier die wirtschaftlichste Alternative. Erhöhen der Kapazität einer Maschine ist dagegen mit Zuschlägen verbunden und deshalb kostenintensiv. Das Ausweichen auf andere Maschinen führt u. U. zu höheren Fertigungsund Verwaltungskosten. Ein Hilfsmittel bei der Durchsetzung der Kapazitätsfeinplanung ist der elektronische Leitstand (vgl. [1]).

1719 89.5  Rückmeldung und Betriebsdatenerfassung

. Abb. 89.17 Rückmeldung im ERP-System (SAP® R/3® )

89.5

Rückmeldung und Betriebsdatenerfassung

Aufgabe der Betriebsdatenerfassung (BDE) ist die zeitgerechte Rückmeldung von Betriebsdaten an das ERP-System. Mit dieser Rückmeldung kann die Produktionslogistik rasch auf Störgrößen (Maschinenausfälle, Ausschuss, Terminüberschreitungen) reagieren. Die Produktionssteuerung wird so zur Produktionsregelung. Zurückgemeldet werden folgende Betriebsdaten: 4 Auftragsdaten: Auftragsnummer, Beginn oder Ende eines Auftrages, Gutstückzahl bzw. Ausschuss 4 Arbeitsgangdaten: Beginn bzw. Ende, Gutmenge, Ausschuss, Ausschussursachen 4 Maschinendaten: Maschinenummer, Ausfall bzw. Inbetriebnahme 4 Personaldaten: Werkernummer, Ausfall bzw. Wiederantritt. Die Rückmeldung kann direkt im ERP-System erfolgen (. Abb. 89.17). 7 Beispiel Die Istzeiten betragen 1 Stunde für das Rüsten (geplant: 0,5 Std) und 30 Stunden für das Fertigen (geplant 33,33 Std). 9

. Abb. 89.18 BDE-Terminal (Kaba-Benzing)

Durch spezielle BDE-Terminals (. Abb. 89.18), platziert in der Produktion, lässt sich die Eingabe vereinfachen. Dazu wird die Auftragsnummer auf dem Arbeitsplan (Laufkarte) als Barcode aufgedruckt und kann dann mit einem Barcodeleser im BDE-Terminal automatisch gelesen werden. Die Werkernummer wird vom Firmenausweis abgelesen, die Stückzahlen dagegen über die Tastatur eingegeben. Diese vereinfachte Bedienung wird allerdings mit erhöhten Investitionen für die BDE-Terminals und deren Vernetzung erkauft.

89

1720

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.19 Materialentnahme für Auftrag

. Abb. 89.20 Wareneingang im Lager

89.6

89

Materialfluss im Fertigungsprozess

Verbunden mit der Auftragsabwicklung finden lagerwirtschaftliche Prozesse statt. So sind nach Freigabe des Fertigungsauftrages die benötigten Inputmaterialien aus dem Lager zu entnehmen. 7 Beispiel Für die Fertigung von 1000 Felgen auf der Stanzmaschine wird laut Stückliste in . Abb. 88.12 500 kg Bandstahl benötigt. 9

Die Entnahme erfolgt im System R/3 mit dem Modul MM (Material Management) oder im Modul PP (Production Planning). Dazu wird die benötigte Menge auf die Auftragsnummer verbucht (. Abb. 89.19). Nach Rückmeldung des Auftrages erfolgt die Verbuchung der Teile als Wareneingang im Lager (. Abb. 89.20). Die korrekte Verbuchung der Materialentnahmen und -zugänge ist Voraussetzung für aktuelle Lagerbestände.

Undokumentierte Entnahmen oder Zugänge sind eine Hauptursache von Störungen in der Auftragsabwicklung. Ferner hängt die Zusage von Lieferterminen an Kunden von der Lieferfähigkeit des Lagers ab.

89.7

Supply Chain Management

Die Produktionslogistik hat im Rahmen der Materialbeschaffung und der Belieferung von externen Kunden vielfältige Beziehungen zu Lieferanten und Kunden. Im Ansatz des Supply Chain Managements (Lieferkettenmanagement), kurz auch als SCM bezeichnet, versucht man, sowohl Lieferanten als auch Kunden in die gesamte Logistikplanung zu integrieren. SCM umfasst dabei vor allem folgende Aufgaben: 4 Bedarfs- und Bestandsplanung der Materialien entlang der Lieferkette 4 Kapazitäts- und Terminplanung für alle in der Lieferkette vorhandenen Arbeitsplätze 4 Transportplanung für die Lieferkette

1721 89.8  Spezielle Steuerungsmethoden in der Produktionslogistik

4 Prüfung der Verfügbarkeit eines vom Kunden angefragten Materials in der gesamten Lieferkette (ATP = available to promise) 7 Beispiele für die Arbeitsweise im SCM Die beim PKW-Hersteller vorhandenen Lagerbestände an Kompletträdern werden sowohl dem Radhersteller als auch dem Lieferanten der Radmuttern ohne Zeitverzug mitgeteilt bzw. verfügbar gemacht. Letztere können ihre Programmplanung zeitaktuell darauf abstimmen. Der Lieferant der Schrauben und der Hersteller der Kompletträder haben Zugriff auf die Absatzplanung des PKW-Herstellers. Steigert dieser seine Absatzstückzahlen, können die anderen Beteiligten in der Lieferkette sofort reagieren. Hat der PKW-Hersteller einen kurzfristigen Bedarf an Kompletträdern, kann innerhalb der Lieferkette in allen Lägern nach Teilen gesucht werden, um den Bedarf zu decken. Das am nächsten liegende Lager deckt dann den Bedarf. Ein Transport vom Lager A des Radherstellers zum PKWHersteller kann mit einem Transport z. B. des Lieferanten der Schrauben zusammengelegt werden. So lassen sich Transportkosten einsparen. 9

Die Unternehmen in der Lieferkette werden wie ein virtuelles (scheinbares) Gesamtunternehmen behandelt und gesteuert. Die in 7 Abschn. 88.2 genannten Funktionen beziehen sich in gleicher Weise auch auf dieses virtuelle Unternehmen. Unterstützt wird dies durch spezielle SCMSoftware, beispielsweise die SCM-Software APO (Advanced Planner and Optimizer) der SAP AG. Die Planungsergebnisse werden allen Beteiligten zeitaktuell zugänglich gemacht. Allerdings erfolgt die Planung in der Lieferkette mit gröberen Daten als im ERP-System. Statt einzelner Produkte werden in der Lieferkette Produktgruppen, statt einzelner Maschinen Maschinengruppen bzw. Werke beplant. Die Ergebnisse der Lieferkettenplanung gehen dann als Informationen in die ERP-Systeme des Lieferanten, des Herstellers und des Kunden ein und werden dort auf den einzelnen Betrieb heruntergebrochen. Grundvoraussetzung für das Funktionieren von SCM ist eine leistungsfähige Internetanbindung der Unternehmen und die Bereitschaft, seine innerbetrieblichen Planungsdaten offenzulegen. Die Hauptvorteile von SCM: 4 kürzere Durchlaufzeiten 4 bessere Termineinhaltung 4 geringere Bestände und Lagerkosten 4 bessere Kapazitätsausnutzung 4 geringere Transportkosten. SCM erfordert allerdings stabile und verlässliche Beziehungen zu Lieferanten und Kunden. Unzuverlässige Lieferanten werden abgelehnt, was letztlich zu einer Konzentration auf wenige Hauptlieferanten führt (Lieferantenkonzentration).

89.8

89.8.1

Spezielle Steuerungsmethoden in der Produktionslogistik KANBAN-Fertigung

Die in der Materialversorgung dargestellte KANBANSteuerung kann gleichermaßen zur Auftragssteuerung innerhalb der Fertigung angewandt werden. Zwischen Vorgänger- und Nachfolgerarbeitsplatz (das können auch ganze Arbeitsplatzgruppen sein) wird dazu ein KANBAN-Regelkreis eingerichtet. Der Nachfolgerarbeitsplatz fordert die benötigten Teile, wie bereits in 7 Abschn. 89.2.2 beschrieben, mit der KANBAN-Karte an. Der Nachfrageimpuls beginnt dabei im Versandlager (. Abb. 89.21, rechts). Von dort geht eine KANBAN-Karte mit leerem Behälter (Nummer 1) an die Montage, dieser wird aufgefüllt und wieder an den Absender transportiert. Die Montage fordert ihrerseits Teile von den vorhergehenden Arbeitsplätzen an (Regelkreis 2). Der Versand zieht also die geforderte Menge aus der Fertigung. Hieraus erklärt sich die Bezeichnung Pull-Prinzip. Da der Impuls zur Fertigung einer Serie vom Vertrieb bzw. vom Kunden ausgeht, bezeichnet man dies auch als production on demand (Fertigung auf Anforderung). Die Nummern in den Behältersymbolen stehen für den jeweiligen Regelkreis.

89.8.2

Belastungsorientierte Auftragsfreigabe

Der Grundgedanke der belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA) geht von der Erkenntnis aus, in die lange Warteschlange einer stark belegten Maschine nicht noch weitere Aufträge einzureihen (vgl. Wiendahl 1992). Dazu legt man vorher pro Maschine eine Belastungsgrenze fest. Überschreiten die Belegungszeiten der wartenden Aufträge und des gerade bearbeiteten diese Belastungsgrenze, werden keine neuen Aufträge freigegeben, sie verbleiben quasi im Planungsbestand (in der Schublade) des Logistikers. BOA führt zu einer Reduzierung der Durchlaufzeit (die ja mit dem Eintreffen in der Warteschlange beginnt) und schont die liquiden Mittel durch späteren Kauf von Material, Vorfinanzierung der Löhne und weiterer Kosten. Zur Festlegung der Belastungsgrenze siehe z. B. [12] und [1].

89.8.3

Steuerung mit Fortschrittszahlen

Die Steuerung mit Fortschrittszahlen ist ein vereinfachtes Steuerungsverfahren, das insbesondere zwischen PKWHerstellern und ihren Zulieferanten verwendet wird. Beide Partner führen ein Fortschrittszahlendiagramm, in dem

89

1722

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

. Abb. 89.21 KANBAN-Fertigung

der Lieferant seine gefertigten Stückzahlen kumuliert (Iststückzahl). Die vom PKW-Hersteller bestellten Stückzahlen werden gleichfalls kumuliert eingetragen. Zwischen beiden Partnern wird ein fester Mengenrückstand vereinbart (Abstand zwischen Soll- und Iststückzahl), der möglichst eingehalten werden soll. Wird der Abstand zwischen Soll- und Istzahl größer, reagiert das Lieferunternehmen mit einer Erhöhung der Produktionsstückzahl und umgekehrt. 7 Beispiel Der PKW-Hersteller (Kunde) ruft folgende Mengen ab: . Abb. 89.22 Fortschrittszahlensteuerung Bestellt (Soll)

89

Gefertigt (Ist)

Montag

1000

0

Dienstag

500

500

Mittwoch

1000

500

Donnerstag

1100

1000

400

600

Freitag

Die kumulierten Stückzahlen ergeben die Sollfortschrittszahlen (. Abb. 89.22). Die produzierten und gelieferten Stückzahlen werden mit einem Tag Zeitrückstand laut Istfortschrittszahlenkurve erfasst. Der Mengenrückstand wird laufend überwacht, die gefertigte Stückzahl gegebenenfalls angepasst. 9

Anstatt eines Mengenrückstandes kann auch ein Mengenvorlauf (Istmenge liegt über Sollmenge) vereinbart werden. Der Hauptvorteil der Fortschrittszahlensteuerung liegt in der einfachen Auftragssteuerung beim Lieferanten. Das Verfahren setzt allerdings möglichst gleichmäßige Mengenströme und verlässliche Beziehungen zwischen Lieferant und Besteller voraus, wie sie in der Automobilindustrie gegeben sind.

89.9

89.9.1

Kostenüberwachung und Wirtschaftlichkeitsrechnung Produktkalkulation

Die ERP-Produktkalkulation erfolgt auf der Basis des Mengen- und Wertgerüsts der Produktionsprozesse. Sie greift dabei auf die Stammdaten (Materialstamm, Arbeitsplätze, Arbeitspläne, Stücklisten) zu. Basis ist die übliche Industriekalkulation in der Form einer Zuschlagskalkulation, ergänzt durch Platzkostensätze der Maschinen und Arbeitsplätze (siehe Teil XVI). Die für die Kalkulation verwendeten Platzkostensätze (Tarife) sind Ergebnis der Kostenplanung, die hier nicht behandelt wird (siehe Teil XVI). Die Kaufteile gehen mit dem im Materialstamm festgelegten Standardpreis in die Kalkulation ein (. Abb. 89.23). Die Ausgabe kann in Form unterschiedlicher Kalkulationen erfolgen. So sind Vollkosten-, Teilkosten-, Alternativ- und Staffelkalkulationen mit demselben Ausgangsdatenbestand möglich. Mitlaufende Kalkulationen werden während der Entstehungszeit von größeren An-

1723 89.9  Kostenüberwachung und Wirtschaftlichkeitsrechnung

4 Position 3 betrifft die Kosten für das Stahlblech in der Menge aus der Stückliste multipliziert mit dem kg-Preis. 4 Position 4 und 5 sind die Kosten des Arbeitsganges 2 (siehe Arbeitsplan). 9

89.9.2

. Abb. 89.23 Mengengerüst der Produktkalkulation mit ERP

lagen durchgeführt, um die Kosten laufend zu überwachen. Die Produktkalkulation mit Mengengerüst liefert die Plankosten des Produktes. 7 Beispiel Es soll die Felge kalkuliert werden. Die Herstellkosten bei einer Fertigung von 1000 Stück (Losgröße) betragen 26.906 C/Los, d. h. ca. 26,91 C/Stück (. Abb. 89.24, Summenzeile). Die Herstellkosten setzen sich zusammen aus: 4 Position 1 bewertet für Arbeitsgang 1 die Rüstzeit aus dem Arbeitsplan mit dem Stundensatz des Arbeitsplatzes. 4 Position 2 ergibt sich aus der Maschinenzeit (Fertigungszeit) des Arbeitsganges 1 und dem Stundensatz, gerechnet für die Losgröße von 1000.

. Abb. 89.24 Produktkalkulation Felge

Wirtschaftlichkeitsrechnung

Die Produktkalkulation liefert die Entscheidungsdaten für die optimale Verfahrenswahl, für die optimale Losgröße und für Make-or-buy-Entscheidung (siehe [1]). Bestehen werksintern Alternativen zum bestehenden Produktionsverfahren, so kann die Herstellkostenkalkulation zur Verfahrensoptimierung eingesetzt werden (siehe auch Teil XVI). 7 Beispiel Kann die Felge auch auf einer gleichfalls vorhanden Laserschneidanlage gefertigt werden und betragen die Fertigungskosten laut SAP-Kalkulation in den ersten beiden Zeilen zusammen 5400 C/Los bei gleicher Losgröße und davon 4300 C als fixe Kosten, so erfolgt ein Vergleich der variablen Kosten: Kvar (Laseranlage) D Kges  Kfix D 5400  4300 D 1100 C=Los Kvar (Stanzmaschine) D .565;42 C 4711;64/ .424;50 C 3538/ D 1305 C=Los Die Fertigung auf der Laseranlage ist somit wirtschaftlicher. Dabei gilt die Prämisse, dass durch den Verfahrensvergleich die Fixkosten nicht beeinflusst werden. 9

89

1724

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

Bei zu beschaffenden Maschinen sind die vollen Kosten zu vergleichen (siehe [3]). Müssten also beide Maschinen erst beschafft werden, so werden durch die Verfahrenswahl auch fixe Kosten (Abschreibung, Zinsen usw.) beeinflusst. Dann gilt im Beispiel: 7 Beispiel Kges (Laseranlage) D 5400 und Kges (Stanzmaschine) D 5277 C=Los. Die Stanzmaschine wäre wirtschaftlicher und damit zu beschaffen, sofern nur solche Produkte mit vergleichbarer Kostenstruktur gefertigt werden. 9

Zu erwähnen ist, dass die Beschaffung von Maschinen auch durch eine Investitionsrechnung abzusichern wäre (siehe Teil XVI) Neben der Verfahrenswahl ist häufig auch die Frage Eigenfertigung oder Fremdbezug zu entscheiden. Bleiben die Fixkosten bei Fremdvergabe unbeeinflusst, muss der Fremdlieferant unsere variablen Kosten unterbieten, um den Zuschlag zu erhalten. Er müsste also günstiger anbieten als 1305 C=Los entsprechend 1,3 C=Stück. In allen Entscheidungsfällen erweist sich die ERP-Kalkulation als unverzichtbares Hilfsmittel. 89.10

Logistikcontrolling

Der Produktionsvollzug in Form der Auftragsabwicklung ist zu überwachen, eine Aufgabe, die im engeren Sinne als Logistikcontrolling bezeichnet werden kann Dazu wird eine Instanz Produktionscontrolling z. B. als Stabstelle bei . Abb. 89.25 Auswahl Kennzahlen

89

der Produktionsleitung oder beim Controlling des Unternehmens geschaffen. Das Controlling ist dabei keinesfalls nur als Kontrolle zu verstehen. Vielmehr ist diese Stelle aktiv an der Planung optimaler Abläufe in der Produktion beteiligt. Folgende Aufgaben werden dem Produktionscontrolling zugewiesen: 4 Termin- und Durchlaufzeitcontrolling 4 Kapazitätscontrolling 4 Bestandscontrolling 4 Kosten- und Wirtschaftlichkeitscontrolling. Leistungsfähige ERP-Systeme stellen Informationen zur Beurteilung der Auftragsabwicklung zur Verfügung. Beispiel hierfür ist das Produktionsinformationssystem im ERP-System R/3 von SAP [1]).

89.10.1

Durchlaufzeitcontrolling

7 Beispiel Für Werk Hamburg und Monat 01/06 soll eine Statistik über die Soll- uns Ist-Durchlaufzeiten erstellt werden. Die Statistik soll zusätzlich die Auslastung des Werkes enthalten. 9

Die Kennzahlen werden dazu aus einem Vorrat (. Abb. 89.25 rechts) ausgewählt und in die geplante Auswertung (Tabelle Mitte) übernommen. Das gewünschte Ergebnis zeigt . Abb. 89.26 als Tabelle und Grafik. Es ergibt sich eine Unterschreitung der Soll-Durchlaufzeiten (S-DLZ). Der Vergleich der Durchlaufzeiten mit der

1725 89.10  Logistikcontrolling

. Abb. 89.26 Durchlaufzeitanalyse

Auslastung, die hier noch sehr niedrig ist, kann durchaus sinnvoll sein: Bei hoher Auslastung steigen die Wartezeiten vor den Maschinen, somit auch die Ist-Durchlaufzeiten und umgekehrt. Das Fertigungsinformationssystem in SAP R/3 ist Teil eines umfassenden Logistikinformationssystem (LIS). Damit erhält die Unternehmensleitung ein wirksames Instrument zur Unternehmensführung und zur Rationalisierung der betrieblichen Logistik (vgl. [3]).

89.10.2

Lagercontrolling

Im LIS enthalten ist das Bestandsinformationssystem. Damit kann die Bestandsführung in den Lägern auf Effektivität überprüft werden. . Abb. 89.27 Bestandsanalyse

7 Beispiel Die Bestände im Lager 0001 sollen nach den Kennzahlen Zugang, Abgang, Umschlagshäufigkeit analysiert werden. 9

Die Ergebnisliste zeigt einen im Verhältnis zum Zugang geringen Verbrauch und eine sehr niedrige Umschlagshäufigkeit von 0,07. Letzte gibt Anlass für kritische Fragen an die Produktions- und Materialwirtschaft (. Abb. 89.27).

89.10.3

Auftragskontrolle

Mit Hilfe der rückgemeldeten Istzeiten errechnet das System die Istkosten des Fertigungsauftrages und vergleicht diese mit den Plankosten laut Kalkulation. Die Fertigungsleitung erkennt anhand der Abweichungen, ob der Auftrag wirtschaftlich abgewickelt wurde.

89

1726

Kapitel 89  Produktionslogistik mit ERP-Systemen

SAP® , R/3® , ECC® , LIS® , MM® , PP® , CO® und APO® sind geschützte Markenzeichen der SAP AG, Walldorf. Für sämtliche Screenshots und Hardcopies gilt: Copyright SAP AG. Der Herausgeber bedankt sich für die freundliche Genehmigung der SAP Aktiengesellschaft, das Warenzeichen im Rahmen des vorliegenden Titels verwenden zu dürfen.

Literaturhinweise

. Abb. 89.28 Kostenkontrolle Auftrag

7 Beispiel Die Rückmeldungen in . Abb. 89.17 ergeben insgesamt eine Kosteneinsparung (. Abb. 89.28). Die Istkosten betragen 22.805 C/Auftrag, die Plankosten 24.407 C. Die Kosteneinsparung beträgt 1601 C (. Abb. 89.28, Plan-Ist-Abweichung). 9

89

1. Bauer, J.: Produktionscontrolling mit SAP® -Systemen – Effizientes Controlling, Logistik- und Kostenmanagement moderner Produktionssysteme. Springer Vieweg, Wiesbaden (2017) 2. Bauer, J., Hayessen, E.: 100 Produktionskennzahlen. Cometis Publishing, Wiesbaden (2009) 3. Bauer, J., Hayessen, E.: Controlling für Industriebetriebe, eine Einführung für Management und Studium. Springer Vieweg, Wiesbaden (2006) 4. Geiger, G., Hering, E., Kummer, R.: Kanban. Optimale Steuerung von Prozessen. Hanser, München (2011) 5. Glaser, H., Geiger, W., Rohde, V.: PPS-Produktionsplanung und -steuerung. Gabler, Wiesbaden (1991) 6. Hahn, D., Lassmann, G.: Produktionswirtschaft, Controlling industrieller Produktion, Bd. 1 und 2. Physica, Heidelberg (2013) 7. Kaplan, R., Norton, D.: Balanced Scorecard. Poeschel, Stuttgart (1996) 8. Porter, M.: Wettbewerbsstrategie. Campus, Frankfurt/M. (2013) 9. Schuh, G., Stich V. (Hrsg.): Produktionsplanung und -steuerung 1: Grundlagen der PPS. (VDI-Verlag), Springer Vieweg, Berlin/Heidelberg (2012) 10. Steven, M.: Produktionscontrolling. Kohlhammer, Stuttgart (2016) 11. Teufel, T., Röhricht, J., Willems, P.: SAP® -Prozesse: Planung, Beschaffung und Produktion. Addison-Wesley, München (2000) 12. Wiendahl, H. P. (Hrsg.): Anwendung der Belastungsorientierten Fertigungssteuerung. Hanser, München (1992) 13. Wildemann, H.: Produktionscontrolling, Systemorientiertes Controlling schlanker Unternehmensstrukturen. TCW, München (1997)

1727

Anhang 1 Formelzeichen und Einheiten Vtag

Stück=Taga

Tagesverbrauch

Tw

Tagec

Wiedereindeckungszeit

Bmin

Stück

Mindestbestand

OTD

Arbeitstagc

Ontime Delivery (zugesagter Termin)

p

C=Stückb

Teilewert

LOSGRopt Stück=Losa

Bbestell

Stück

Bestellmenge

Bjahr

a

Stück=Jahr b

Optimale Losgröße Jahresbedarf

Bdurch

Stück

Durchschnittlicher Bestand

Kr

C=Los

Kdurch

C

Durchschnittliches Kapital

Te

min=Stück

Zeit=Einheit

L%

%=Jahr

Lagerkostensatz

Tr

min=Los

Rüstzeit=Los

Klager

C=Jahr

Lagerkosten

Tvor

min=Los

Vorliegezeit

U

1=Jahr

Umschlagshäufigkeit

Tnach

min=Los

Nachliegezeit

FLT

Arbeitstagc

Frühester Liefertermin

Transp

min=Los

Transportzeit

SLT

c

Spätester Liefertermin

Td

min=Los

Durchlaufzeit

Maximal mögliche Verzögerung

Tb

min=Los

Belegungszeit

Puffer

Arbeitstag Tage

c

Rüstkosten=Los

A-Teile

ca. 80 % des Gesamtvolumens

Kvar

C=Los

B-Teile

ca. 15 % des Gesamtvolumens

Kfix

C=Losd

Fixe Kosten=Los

C-Teile

ca. 5 % des Gesamtvolumens

Kges

C=Losd

Gesamtkosten=Los

X-Teile

Teile mit konstantem Verbrauch, prognostizierbar

S-DLZ

min=Lose

Solldurchlaufzeit

I-DLZ

min=Los

Istdurchlaufzeit

Y-Teile

Teile mit schwankendem Verbrauch, prognostizierbar

a

Bmelde

Teile mit schwankendem Verbrauch, nicht prognostizierbar Stücka

Meldebestand

Variable Kosten=Los

auch alternative Einheiten möglich auch alternative Währungen möglich c auch in Kalendertagen d auch in C=Stück e auch Std=Los b

Z-Teile

d

1729

Serviceteil Stichwortverzeichnis – 1730

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 A. Böge, W. Böge (Hrsg.), Handbuch Maschinenbau, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30273-3

1730

Stichwortverzeichnis

Stichwortverzeichnis (m; n)-Matrix 11 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2 489 0,2-Dehngrenze 248 2er-Lauf im Außenbereich 1688 3-Achsen-Bahnsteuerung 1298 4er-Lauf 1688 5/2-Wegeventil 1492 5-Achsen-Bahnsteuerung 1298

A a; t-Diagramm 203, 204 A/D-Wandler 1459 Abbildung 17, 125 ABC-Analyse 1713 Abfallverzögerung 1484 Abflächmesser 1218 Abgas 551 Abgasemission 991 Abgasnachbehandlungsanlage 992 Abgasreinigung 151 Abgasstufe 991 Abgasvorschrift 992 Abkanten 1153 Abkühlkurve 411 Abkühlungsschwindung 1135 Abkürzung 497 Ablaufkette 1434 Ablaufplan 1446 Ablaufsprache 1501 Ablaufsteuerung 930, 1434, 1452, 1456 Ableitung 63, 64 Ableitung, äußere 65 Ableitung, höhere 66 Ableitung, innere 65 Ableitungsfunktion 64, 68 Ablenkung des Lichts 125 Ablenkungswinkel 122, 125 Abminderungsfaktor 303, 305 Abplattung 324 Abrasion 481 Abrasivmittel 1185, 1350 Abschaltdruck 1023 Abscherbeanspruchung 248 Abscheren 247, 306 Abschneiden 1146, 1166 Abschroten 1166 Absolutbemaßung 1378 Absolutbetrag 7 Absorptionsgesetz 1468 Absorptionslinien 120 Abstände 42 Abstrahieren 684 Abszisse 39 Abszissenachse 6, 18, 39 Abtastzeit 1459 Abwälzverhältnis 872 AC 577 Achsabstand 871, 875, 878, 884 Achse 789, 795 Achse, imaginäre 7 Achse, reelle 7

Achsenabschnitt 41 Achsenwinkel 888 Achshalter 765 Achsversetzung 888 Achszapfen 791 Addition zweier Vektoren 51 Addition, geometrische 323 Adhäsion 481 ADI 432 Adjunkte 14 aerostatische Führungen 1274 Aggregation 1569, 1572, 1573 Aggregatzustand 511 Ähnlichkeitsgesetz 349 Akkumulation 1569, 1574 Akkumulatoren 159 aktive Regel 1572 Aktivierung 1573, 1574 Aktivierungsenergie 150, 402 Aktivkraft 1189, 1209 Aktor-Sensor-Interface 1512 Akzeptor 575 Albedo 124 algebraische Form 7 Algorithmus 1501 Al-Gusslegierung 446 Alkane 162 Al-Knetlegierung 444 Alleinstellungsmerkmal 1605 ALMAR-Kupplung 824 Alternation 1688 Alternativverzweigung 1457 Alterung 442 Al-Titanat 472 Aluminieren 441 Aluminium 162 Aminoplaste 458 amorphe Thermoplaste 462 amorphes Metall 398 Amortisationsrechnung 1603 Ampere 92, 571 Ampère’sches Gesetz 573 Amplitude 102, 577 Amplituden-Frequenz-Diagramm Amplitudengang 1533 Analog-Digital-Wandler 1459 analoge Regelung 1301 analoges Signal 1445, 1459 Analogwertverarbeitung 1504 Analyse von QRK 1687 Analysieren 683 ANDON-Verfahren 1714 Anergie 521 Anfahrverhalten 1559 Anfangsschritt 1456 Anforderungsprofil 393 Anformung 278 Angriffssicherheit 1517 Angström 131 Anhängesymbol 443 Anisotropie 400 Ankathete 33

108

1731 Stichwortverzeichnis

Anker 587, 588 Ankerwicklung 588 Anlassen 437 Anlass-Schaubild 437 Anlassversprödung 438 Anlaufkupplung 821 Anlaufweg 1200 Anode 157 Anomalie des Wassers 510 Anpassungskonstruktion 684 Anregelzeit 1561 Anschlagmittel 920 Anschlagsteuerungen 1298 Anstauchen 1166 Anstellbewegung 1189 Anstellzeit 1661 Anstiegsantwort 1532 Anstrengungsverhältnis 319 Anströmgeschwindigkeit 363 Anströmmachzahl 382 Anthrazitkohle 551 Antivalenz-Glied 1470 Antriebsart 927 Antriebselement 1438 Antriebsleistung 1211 Antriebsstrang 596 Antriebswelle 794 Anweisungsliste 1446, 1501 Anweisungsteil 1500, 1501 Anziehdrehmoment 750 Anziehfaktor 748 Anzugsverzögerung 1484 Apparat 682 äquatoriales Flächenmoment 2. Grades 264 Äquidistante 1399, 1401 äquivalent 4 Äquivalenzpunkt 154 Arbeit 128, 516, 580 Arbeit der Gewichtskraft 216 Arbeit des konstanten Drehmomentes 217 Arbeit des veränderlichen Drehmoments 217 Arbeit einer konstanten Kraft 215 Arbeit einer schrägen Kraft 216 Arbeit einer veränderlichen Kraft 215 Arbeit eines konstanten Drehmoments 217 Arbeit, Dissipation 518 Arbeit, geistig 1625 Arbeit, körperlich 1625 Arbeit, mechanische 215 Arbeit, spezifisch 517 Arbeit, technisch 516 Arbeit, Volumenänderung 516 Arbeitsablaufplanung 1635 Arbeitsbewertung 1619 Arbeitsdiagramm für Torsionsstabfede 312 Arbeitsebene 1189, 1190, 1206 Arbeitsfristenplanung 1635 Arbeitsgangbeschreibung 1637 Arbeitsgenauigkeit 1234 Arbeitsgestaltung 1619 Arbeitskostenplanung 1635 Arbeitsmittelplanung 1635 Arbeitsplan 1705 Arbeitsplan zum Ritter’schen Schnittverfahren 189 Arbeitsplanerstellung 1636 Arbeitsplankopf 1637

Arbeitsplanung 1633, 1635 Arbeitsplatz 1705 Arbeitsplatz/Maschinengruppe 1637 Arbeitssatz 223, 229 Arbeitsschutz 1236 Arbeitsschutzausschuss 1615 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG 1615 Arbeitsspeicher 1499 Arbeitsspindel für eine CNC-Drehmaschine Arbeitsstättenplanung 1635 Arbeitsstätten-Richtlinie 1616 Arbeitsstättenverordnung 1616 Arbeitsstromkreis 1449 Arbeitsstudium 1619 Arbeitssystem 1620 Arbeitstische 1255 Arbeitsunterweisung 1620 Arbeitsvorbereitung 1635 Arbeitsvorgangsfolge 1636 Arbeitsweg 1216 Arbeitsweise einer SPS 1499 Arbeitswissenschaft 1613 Arbeitszeitplanung 1635 Argon 552 Argument 7, 17 Arkusfunktion 31, 36 Arkuskotangenskurve 37 Arkussinuskurve 37 Arkustangenskurve 37 Armquerschnitt 895 aromatische Kohlenwasserstoffe 162 Arrhenius-Gleichung 150 Artikelstamm 1705 Artteilung 1626 AS 1501 Asche 551, 560–562 ASCII-Code 1462 AS-i-Bus 1510, 1512 Asphalt 551 Assoziativgesetz 51, 1467 AS-System 932 Asymptote 27 asynchrone Steuerung 1446 Asynchronmotor 590 atomare Masseneinheit 135 Atombau 135 Atombindung 142, 144 Atome 135 Atomgitter 142, 145 Atommodell von Bohr 137 Aufbau einer SPS 1497 Aufbau eines Unterprogramms 1410 Aufbereitungseinheit 1440 Aufgabe 682 Aufgabengröße 1526 Aufhärtbarkeit 437 Aufkohlen 439 Auflagefläche – in Vorrichtungen 1245, 1247 Auflagereibungskraft 197 Aufnahmekegel 810 Aufnahmen für Werkstückspanner 1290 Aufruf eines Unterprogramms 1410 Aufsichtsbeamter (TAB) 1617 Aufsteckbauweise 936 Auftragschweißen 483

1293

A

1732

Stichwortverzeichnis

Auftragsgröße 1653 Auftrags-Nummer 1637 Auftragszeit 1649, 1650, 1653 Auftrieb 333, 561 Ausarbeiten 690 Ausbauchen 1162 Ausblendsatz 1390 Ausbohren 1218 Ausbrechkraft 994 Ausbreitungsgeschwindigkeit 111 Ausdehnungsgerechtes Gestalten 695 Ausflussfunktion 368 Ausflussgeschwindigkeit 337 Ausflussvolumenstrom 337 Ausführungszeit 1653 Ausgangsgröße 1433 Ausgangsstoff 552 Ausgleichszeit 1543, 1544 aushärtbare Legierung 406, 442 Aushärten 441, 446 Ausknickung von Schrauben-Druckfedern 786 Ausknöpfprobe 1180 Auskolkung 1192 Auslagern 442 Auslenkung 100–103, 105 Auslenkung-Zeit-Diagramm 107 Auslöschung 112, 121, 122 Ausregelzeit 1561 Ausreißer 1688 Aussageform 3 Ausschaltverzögerung (SA) 1480, 1481 Ausschlagfestigkeit 250, 751 Ausschlagkraft 741–743, 751 Ausschlagspannung 249, 751 Ausschneiden 1149 Außenbordlager 830 Außenkommunikation 930 Außenräumer 1204 Außenverzahnung 872, 873 Ausspänen 1666 Ausströmen, überkritisch 369 Ausströmgeschwindigkeit 365 Austausch-Mischkristall 404 Austenit 412 Austenitbildner 413 Austenitformhärten 440 austenitischer Stahl 426 austenitischer Werkstoff 413 austenitisches Gusseisen 432 Austenitisierung 434 Austenitzerfall 413 Auswahl der richtigen Drahtseile 911 Auswahl einer SPS 1511 Auswertung 1572 Automatenstahl 421 automatische Werkstückhandhabung 1310 automatischer Werkzeugwechsel 1395 Automatisierungspyramide 1431 Avogadro-Konstante 131 AWL 1501 Axial-Druckring 861 axiales Flächenmoment 2. Grades 264 axiales Flächenmoment für Rechteckquerschnitt 268 axiales Flächenmoment, Tabelle 266 Axialfaktor 831 Axialfräsen 1213

Axial-Gesenkwalzen 1333 Axial-Gleitlager 858 Axialkraft 834, 885 Axialkraft am Schneckenrad 892 Axialkraft der Schnecke 892 Axialkraft in der Schraube 742 Axiallager 829, 836 Axiallast 836 Axial-Pendelrollenlager 830 Axial-Rillenkugellager 830, 848, 849 Axial-Sicherungsring 252 Axialvorschub 1214 Axialzustellung 1214

B BAB (Betriebsabrechnungsbogen) 1598 Backenbremse 201 Bahnkorrektur 1400 Bahnlinie 335 Bahnsteuerung 1381 Bainit 436 bainitisches Gusseisen mit Kugelgraphit 432 Bainitisieren 437 Balanced Scorecard 1581 Bandbremse 201, 934 Bandbremszaum 202 Band-Superfinish-Maschine 1359 bar 502 Bär 241 Basen 151 Basenbildner 140 Basis-Arbeitsplan 1635 Basisgröße 89 Basisvektor 52 Batterien 159 Baugruppe 940 Baukastenprinzip 908 Baukastensystematik 908, 923 Baukastenvorrichtung 1242 Baureihe 923 Bausatzmotor 1276 Baustellenfertigung 1633 Bauteil-Fließgrenze 797 Bauteilkennzeichnung 1448 Bauverhältnis 816, 854 BCD 1462 BCD-8421 1462 BDE-Terminal 1719 Beanspruchung 245 Beanspruchung, zusammengesetzte 248 Beanspruchungsgrad 486 Beanspruchungsgruppen 941 Beanspruchungskollektiv 479 Bearbeitungszentrum zum Hartfeindrehen und Schleifen von Futterteilen in einer Aufspannung 1313 Bearbeitungszugabe 1135 Beaufort-Skala 944 Becherwerk 794, 979 Bedarfsermittlung 1710 Bedarfsplanung 1635 Bedarfsterminierung 1711 Bedienerführung 1299 Befähigerkriterium 1682 Befestigungsschraube 197, 740 Beharrungsvermögen 89

1733 Stichwortverzeichnis

Beharrungszustand 1531 Beißschneiden 1146 Beizen 710 Beizsprödigkeit 410 Belastung, äquivalente 843 Belastung, dynamische 249 Belastung, statische 249 Belastungsart 941 Belastungskollektiv 939 Belastungsnachweis 255, 262, 308, 310 belastungsorientierte Auftragsfreigabe 1721 Belastungszyklus 1277 Belegungszeit 1649, 1654 Beleuchtungsstärke 120, 130 Bemaßung mit Hilfe von Tabellen 1379 Benennung von Säuren und Salzen 152 Benzol 162 Berechnung 916 Berechnung von Kranen 943 Berechnungsformeln für Drahtseile 912 Bernoulligleichung 336, 361, 365 Bernoulli’sche Konstante 336, 365 Berufsgenossenschaft 1617 Berührungsfläche 314 Beschaffenheit 1679 Beschichten 484 Beschickungsroboter 1332 Beschleunigung 101, 204 Beschleunigung frei rutschender Körper 221 Beschleunigungsarbeit 111, 217 Beschleunigungsarbeit der konstanten resultierenden Kraft 216 Beschneiden 1152 Beschreibung 1446 Bestandsinformationssystem 1725 Bestandsplanung 1709 Bestellpunktverfahren 1713 Bestimmbolzen 1246 – kurz, abgeflacht 1247 – langer, voller 1247 Bestimmebene – in Vorrichtungen 1245 Bestimmfläche – in Vorrichtungen 1245 Bestimmprisma 1246 Bestimmtheit, statische 186 Betriebsart 1456 Betriebsarten 1277, 1281 Betriebsdatenerfassung 1719 Betriebs-Eingriffswinkel 878 Betriebserder 582 Betriebsergebnis 1601 Betriebsfaktor 832, 882 Betriebskraft 740, 741, 743 Betriebskraftverhältnis 747 Betriebslagerspiel 854 Betriebsleitebene 1431 Betriebsmittel 1637 Betriebsmittelausführungszeit 1654 Betriebsmittelgrundzeit 1655 Betriebsmittelrüstgrundzeit 1654 Betriebsmittelrüstverteilzeit 1654 Betriebsmittelrüstzeit 1654 Betriebsmittelverteilzeit 1655 Betriebsmittelzeit je Einheit 1655 Betriebsnachgiebigkeit 746 Betriebsrat, Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte 1614

Betriebstemperatur 854 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) 1614 Betriebswälzkreis 878 Betzmanometer 356 Beugung 122 Beugungsgitter 123 Beugungsspektrum 123 Beurteilungskriterien 1559 Bewegung des Punktes auf der Kreisbahn 208 Bewegung, geradlinige 203, 218 Bewegung, gleichförmige 203 Bewegung, gleichmäßig beschleunigte oder verzögerte 204 Bewegung, Grundgleichung für gleichmäßig beschleunigte 204 Bewegung, harmonische 212 Bewegung, ungleichförmige 204 Bewegungsdaten 1705 Bewegungsenergie 222, 223 Bewegungsenergie bei Drehung 229 Bewegungsgleichung 348 Bewegungslehre 203 Bewegungsschraube 196, 755 Bewegungsschraube mit Spitz- und Trapezgewinde 196 Bewegungsschraube, Wirkungsgrad 196 Bewerten 685 Bezeichnung der Cu-Werkstoffe 447 Bezeichnung der Gusseisensorten 433 Bezeichnung der NE-Metalle 443 Bezeichnungssymbole für die Gießart 444 Bezeichnungssystem für Stähle 415 Bezugsebene 1190 – in Vorrichtungen 1245 Bezugsleistung 1659 Bezugsprofil 871 Bezugspunkt 1375 Bezugspunkt im Arbeitsbereich einer CNC-Werkzeugmaschine 1375 Bezugspunktverschiebung 1376 Bezugsschalldruck 118 Bezugsschlankheitsgrad 304 BF-Glühen 434 BG-Glühen 434 Biege- und Abkantmaschine 1343 Biegebeanspruchung 247 Biege-Dauerfestigkeitsschaubild 255 Biegedruck 307 Biege-Hauptgleichung 262, 264 Biegekraft 1157 Biegelinie 261, 278, 281, 287 Biegelinie, Neigung 287 Biegemoment 248, 262, 272–276 Biegemomentengleichung 281 Biegen 1153 Biege-Schwellfestigkeit 250 Biegespannung 261 Biegespannungsbild 316 Biegestanzen 1153 Biegeträger mit Axialkraft 290 Biegeträger mit räumlichem Kraftangriff 291, 293 Biegeträger von gleich bleibendem Querschnitt 282 Biegeumformen 1154 Biegeversuch 463 Biegezelle, automatische 1344 Biegezug 307 Biegung 247, 261 Biegung und Torsion 320 Biegung, einfache 261 Biegung, reine 261

A–B

1734

Stichwortverzeichnis

Biegung, schiefe 261 Biegungsart 261 Bilanz des Unternehmens 1593 Bild 17 Bildmenge 17 Bildung von Makromolekülen 456 Bildungsenthalpie 150 Bildweite 126 Bimetallschalter 600 binäres Signal 1445, 1459 Bindefestigkeit 711 Bindigkeit 142 Bindungsregeln der Schaltalgebra 1468 Binghamzahl 350, 351, 388 biochemischer Sauerstoffbedarf 157 Biomasse 551 Blattfeder 772 Blechdickensumme 315 Blechfertigungssystem 1342 Blei 453 Bleiakkumulator 160 Blende 389 Blendenkante 122 Blendenöffnung 122 Blindarbeit 581 Blindleistung 581 Blindniete 727 Blockdarstellung 1528 Blockseigerung 408 Blockstruktur 1528 Blocksymbol 1540, 1549, 1551–1553 Bode-Diagramm 1534, 1537, 1539, 1540, 1542, 1544, 1549, 1551–1554, 1561 Bodenklasse 989 Bodenkraft 332 Bodentragfähigkeit 991 Bogenlänge 76 Bogenmaß 33, 34 Bogenspandicke 1190 Bogenzahn 891 Bogenzahnkupplung 823 Bohren 1214 Bohrmoment 1216 Bohrstange 1218 Bohrzyklus 1409 Boltzmann-Konstante 131 Bolzen 308, 763 Bolzengewinde 759 Bolzensicherung 765 Bolzenverbindung 763 Boole’sche Algebra 1463 Borcarbid 472 Borieren 441, 483 Bornitrid 481 Bornitrid BN 472 Bornitrid CBN 472 Bo-Wex-Bogenzahnkupplung 823 Brachzeit, erholungsbedingt 1655 Brainstorming 684 Brandgefahr 599 Braunkohle 551 Break-Even-Analyse 1600 Brechen 1146 Brechkraft 126 Brechungsgesetz 124, 125 Brechungswinkel 124

Brechzahl 121–123, 125 Breiten 1166 Breitenverhältnis 880 Breitführung 1263 Bremsband 202 Bremse 201, 932 Bremsförderer 978 Bremsscheibe 202 Bremszaum 201, 202 Brenngas 551, 560 Brennpunkt 126 Brennschneiden 1182 Brennstoff 551, 558, 560 Brennstoffgemisch 551 Brennstoffzellen 159 Brennweite 126 Brennwert 150, 558, 562 Brennwertkessel 561 Brennwerttechnik 561 Brinellhärte 486 Brooken 920 Bruchdehnung 463, 489, 918 Brucheinschnürung Z 489 Bruchfestigkeit 248 Bruchhypothese 319 Bruchlast 919 Bruchplatte 1283 Bruchspannung 463 Buchstabensymbole der Ablaufsprache 1457 Buckelschweißen 1180 Bunte-Dreieck 557 Bürstenhalter 588 Business Process Reengineering 1589 Bussystem 1510 Butan 561

C Candela 92, 120, 130 Carbidbildner 414 Carbonylverfahren 469 Carnot-Prozess 532 Cash Flow 1594 CE-Kennzeichen 1517 Celsius-Skala 501 Celsius-Temperatur 129 Center of Area, CoA 1574 Center of Maximum-Verfahren 1575 Charge-Coupled-Device (CCD) 359 Chelate 148 chemische Bindung 142 chemische Elemente 135, 140 chemische Gleichungen 148 chemische Reaktionen 148 chemischer Sauerstoffbedarf 156 chemisches Gleichgewicht 150 chemisches Volumengesetz 149 Chromieren 441 c-Karte 1684 CMC 473 CNC – Computerized Numerical Control 1298 CNC-Außenrundschleifmaschine 1313 CNC-Bearbeitungszentren 1315 CNC-Bearbeitungszentren zum Flachschleifen 1318 CNC-Fahrständermodule 1317 CNC-Programm 1389

1735 Stichwortverzeichnis

CNC-Steuerung 1298 CO2 -Laser 1178, 1341 CoA 1575 Code 1462 Codeleser 970 Colebrook-Diagramm 342, 344 CoM 1575 composite 473 Computational Fluid Dynamics (CFD) 359 Connex-Stift 765 Container 924, 925 Copolymer 455 Couette Strömung 348 Coulomb 570, 572 CPU 1498 Cramer’sche Regel 14 Croning-Verfahren 1138 C-Teile-Management 1715 CuNiZn-Knetlegierung 451 Curtisrad 1010, 1011 Cu-Sn-Legierung 450 Cusum-Karte 1685 Cu-Zn-Gusslegierung 449 CuZn-Knetlegierung 448 CVD-Verfahren 484 CVT-Getriebe 992 Cyber-Physisches Produktionssystem 1232

D d’Alembert’scher Satz 225 Dampfaustritt 1008 Dampfdurchsatz 1007 Dampfeintritt 1008 Dampfgeschwindigkeit 1005 Dämpfung 117, 772 Dämpfungskrafterregung 1262 Darstellung, explizite 17 Darstellung, implizite 17 Darstellungsmittel 1446 Daten 1458 Daten, attributiv 1684 Daten, variabel 1684 Daten, variable 1684 Datenbaustein (DB) 1500 Datenermittlung 1619 Datentyp der Variablen 1500 Dauerfestigkeit 249, 250 Dauerfestigkeitsdiagramm 786 Dauerfestigkeitsdiagramm für kaltgeformte Druckfedern Dauerfestigkeitswert 250 Dauerhub 1281 Dauerleistung 1659 Dauermagnet 572, 577 Dauerstandfestigkeit 248, 249 DC 571 de Laval-Düse 369, 375–379, 383, 386 Deckelöler 860 Deckschicht 478 Deckungsbeitrag 1598 Deckungsbeitragsrechnung, mehrstufige 1601 Defektelektron 575 Definition, rekursiv 55 Definitionsbereich 17 Definitionsgleichung 128–130 Definitionsmenge 17

786

Defuzzifizierung 1569, 1574, 1575 Dehnen 803 Dehnschraube 743 Deka 132 Deklarationsteil 1500 Denoxierung 153 Descartes, René 39 Detergentien 480 Determinante 13 Determinante entwickeln 14 Dezi 132 dezimal 1460 Dezimalbruch 5 Dezimalzahl 1462 DHV-Naht 713 Diagonalmatrix 11 Diagramm 1446 Diamant 146 Diamantrolle 1325 Dichte 95, 128 Dichteverhältnis 367, 374, 377 Dichtung 833, 860 Dielektrikum 1345 Dielektrizitätskonstante 129 Dieselkraftstoff 558 Differentialquotient 63 Differentialrechnung 55 Differentiationsregeln 64 Differenzbremse 201 Differenzenquotient 63 Diffusion 403 Diffusionsglühen 434 Diffusionskonstante 403 Diffusionsstrom 576 Diffusor 354 Diffusorkriterium 354 Diffusorwirkungsgrad 354 digitale Fabrik 1373 digitales Komplettsystem 1299 digitales Signal 1445, 1459 Dilatometerkurve 412 Dilemma der Materialwirtschaft 1702 Dimension 128–130 Dimension einer Größe 89 Dimensionierung von Wellen und Achsen 795 DIN-Rad 874 Diode 586 Diodenlaser 1178 Direktantrieb 596, 1275 direkte Codierung 971 direkte Zielsteuerung 970 Direkthärten 439 Disjunktive Normalform (DNF) 1453, 1469 diskretisiert 1459 Diskriminante 23, 24 diskursives Denken 683 Dispersantien 480 Dispersion 121 Dissipationsenergie 518 Dissoziationsgrad 154 Dissoziationskonstante 154 Distanzhülse 792 Distanzring 861 Distributivgesetz 51, 1468 divergent 56 Divergenz, bestimmte 57

B–D

1736

Stichwortverzeichnis

Divergenz, unbestimmte 57 DNF 1469 Dochtöler 860 Donator 575 Doppelbackenbremse 933 Doppel-Gelenk 794 Doppelkegel 45 Doppelkreiskegel, gerader 45 Doppellasche 728 Doppelspalt 122 doppelt wirkender Zylinder 1492 doppelte Rundführung 1263 Doppeltrommelantrieb 974 Doppelwort 1461 Doppler-Anenometrie 357 Dopplereffekt 113, 123 Dornen 1166 DO-System 600 Dotieren 575 Dotierung 575 Drahtoberfläche 911 Drahtseil 909 Drahtsicherung 739 Drahtvorschub 1348 Drall 230 D-Regler 1554 Dreharbeit einer Tangentialkraft 217 Drehen 1189, 1398 Drehenergie 229 Drehfeder 770, 772 Drehfeld 591 Drehflankenspiel 871 Drehfrequenz 128 Drehimpuls 230 Drehkraftwirkung 167, 175 Drehmeißel 1191 Drehmeißel, Winkel 1191 Drehmoment 167, 588 Drehpunkt 175 Drehstabfeder 770, 782 Drehstrom 578 Drehstrom-Asynchronmotor 928 Drehstromgenerator 578 Drehstrommaschine 590 Drehstrommotor 580, 590 Drehstromsystem 582 Drehteil 1241 Drehtisch 1241 Drehung 235 Drehung des Körpers 216, 218 Drehwinkel 105, 208 Drehwucht 229 Drehzahl 128, 588, 591 Drehzahl, spezifische 1029 Drehzahlfaktor 839 Drehzyklus 1410 Dreibackenfutter 1240 Dreibeinregel 574 Dreieck-(Trapez-)blattfeder 772 Dreieck, rechtwinkliges 33 Dreiecksmatrix, obere 11 Dreiecksmatrix, untere 11 Dreiecksschaltung 579 Dreiecksverband 185 Dreieckumfang 178 Dreiphasenwechselstrom-System 582

dreiphasig 578 Dreipunktregler 1547 Dreistoff-Lagerschale 861 Driftgeschwindigkeit 571 Drillbiegung 261 Drosselung 539 Druck 247, 502 Druck und Biegung 318 Druck, absolut 502 Druck, exzentrischer 318 Druck, hydrostatischer 327 Druck, relativ 502 Druckabfall 340, 348 Druck-Ausbreitungsgesetz 327 Druckbeanspruchung 247 Drücken 1162 Druckfeder 782, 786 Druckgefälle 1005 Druckguss 1144 Druckgusswerkstoff 476 Druckhöhe 331 Druckluftantrieb 928 Druckluftmotor 1439 Druckmessung 356, 357 Druckmittelpunkt 332 Druckschwankungen 117 Druckschwingung 360, 361 Druckstab 730 Druckstörung 362 Druckstufung 1013 Druckübersetzung 331 Druckumformen 1154 Druckventil 1438 Druckverhältnis 367, 374, 376, 381 Druckverlauf 358, 360, 376 Druckverlauf bei Flüssigkeitsreibung 850 Druckverlust 339 Druckverlustbeiwert 345–347, 354, 358 Druckverteilung durch Gewichtskraft 331 Druckwiderstand 352 D-System 599 Dual-Code 1303 duales Zahlensystem 1460 Dualzahl 1462 Durchbiegung 278, 280, 281, 771 Durchbiegung einer abgesetzten Welle 288 Durchbiegungsgleichung 280, 281 Durchdringungsverbund 474 Durchfluss 1020 Durchflussfunktion 368 Durchflussgleichung 369 Durchgangsbohrung 744, 1664 Durchgangsdrehzahl 1023 Durchhärtung 437 Durchlassrichtung 576 Durchlaufschmierung 859 Durchlaufzeit 1628, 1633, 1715 Durchlaufzeit, Verkürzung 1716 Durchlochen 1166 Durchmesser, hydraulisch 340 Durchmesserverhältnis 803 Durchschnitt 3 Durchschnittsgeschwindigkeit 93, 203 Durchschnittsleistung 1659 Durchstrahlungsverfahren 492 Durchvergütung 437

1737 Stichwortverzeichnis

Durchziehen 1157 Durchzugskraft 1204 Duroplaste 458 Düse 1021 Düsenströmung 337, 354 DV-Naht 713 Dynamik der Drehung 226 Dynamik der Verschiebebewegung 219 dynamisches Grundgesetz 219, 220 dynamisches Grundgesetz für den freien Fall 220 dynamisches Grundgesetz für die Drehung 226 dynamisches Grundgesetz für horizontale Beschleunigung mit Reibung 220 dynamisches Grundgesetz für vertikale Beschleunigung ohne Reibung. 221

E E-Modul 464 Ebene 39, 40 Ebenenauswahl 1387 Echtzeitbetrieb 1499 Eckdrehzahl 1276, 1278 Eckenwinkel 1192 Eckstoß 713 Edelgasschale 140 Effektivwert 578 e-Funktion 31 Eigenfrequenz 108 Eigeninduktion 574 Eigenkapitalanteil 1594 Eigenkreisfrequenz 1261 Eigenschaftsprofil 393 Eigenschaftsprofil, Polymere 457 Eigenschaftsvergleich Metall – Polymer – Keramik Eigenschwingungen 115, 116 Eigenverstärkung 464 Eilgangszeit 1661 Einbahnverkehr 173 Einbaumaße für Kugellager 833 Einbauregel 832 Einbrandkerbe 716 Eindringverfahren 491 einfach wirkender Zylinder 1489 Einfachhärten 439 Einfallswinkel 125 Einflussfaktor 795, 796 Einflussgrenze 1685 Eingangsgröße 1433 Eingießteile 1261 Eingriffsgrenze 1685 Eingriffslänge 872, 884 Eingriffsnormale 868 Eingriffsstrecke 884 Eingriffsverhältnis, Schnecke 892 Eingriffsverhältnisse 888 Eingriffswinkel 871, 872, 876 Einhärtbarkeit 437 Einheit 89, 128–130, 497, 1677 Einheit, imaginäre 5 Einheit, zulässige 128 Einheitsbohrung 700 Einheitskreis 33, 876 Einheitsmatrix 11 Einheitsvektor 50 Einlagerungs-Mischkristall 404

394

Einlagerungsstruktur 404 Einlegepassfeder 802 Einpressen 810 Einpresskraft 806, 811 Einrichtbetrieb 1281 Einrichten einer SPS 1515 Einrichtmikroskop 1376 Einsatzhärten 439, 483 Einsatzhärtetiefe 439 Einsatzstahl 420 Einschaltverzögerung (SE) 1480 Einscheibenkupplung 826 Einschienenkreisförderer 966 Einschraubende 736 Einschroten 1166 Einspindel-Revolverdrehautomaten 1296 Einstech=Superfinishen, spitzenloses 1357 Einstechen 1226 Einstellregel 1562, 1564 Einstellwinkel 810, 1189, 1190, 1192 Einteilung der Stähle 415 Einteilung der Steuerungen 1433 Einträger-Laufkran 949 Eintreiben von Keilen 238 Eintrittsmachzahl 373 Einzelarbeit 1626 Einzelentladung, Phasen 1345 Einzelhub 1281 Einzelstichprobenumfang 1691 Einzeltellerfeder 774, 777 Einziehen 1162 Eisen 146 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm 412 Elastizitätsfaktor 883, 890 Elastizitätsgesetz 246 Elastizitätsgrenze 248 Elastizitätsmodul 93, 128, 247, 251, 362 Elastomer 468 Elektozug 922 elektrische Feldkonstante 586 elektrische Signalspeicherung 1477 elektrische Steuerung 1440 elektrischer Antrieb 1444 elektrischer Schaltplan 1448 elektrischer Widerstand 571 Elektrizitätsmenge 129 Elektrochemie 157 elektrochemische Spannungsreihe 158 elektrochemische Zellen 157 Elektroden 157 Elektrodenumhüllung 1172 Elektro-Lichtbogen-Ofen 1139 Elektrolyse 161 Elektrolyte 157 Elektromagnet 573, 1444 elektromagnetische Wellen 119 elektromagnetisches Feld 576 Elektron 135 Elektronegativität 140, 144 Elektronengas 142 Elektronenkonfiguration 138 Elektronenstrahlhärten 439 Elektronenstrahlschweißen 1179 elektropneumatischer Schaltplan 1491 Elektroschlepper 957 Elektroseilzug 937, 939

D–E

1738

Stichwortverzeichnis

Elektrotauchlackierung 162 Elektrotechnik 129 Elektrozug 937 Element 3 Elementaranalyse 554 Elementarladung, elektrische 131 Elementarteilchen 135 Elementarzelle 399 Elemente 3 Ellipse 45, 46 Ellipse, Brennpunkte 46 Ellipse, Fläche 47 Ellipse, lineare Exzentrizität 47 Ellipse, numerische Exzentrizität 47 Ellipse, Parameterdarstellung 47 Ellipse, Umfang 47 Ellipsengleichung 47 Ellipsengleichung, Mittelpunktsform 47 Ellipsengleichung, Normalform 47 Ellipsenrad 867, 868 Eloxal-Verfahren 162 Emission 548 Emissionsgrad 549 Emissionsverhältnis 124 E-Modul 247, 489 Endlagensensor 1514 endotherm 149 Endprodukt 552 Energie 128, 222, 580 Energie, elektrische 129 Energie, innere 515 Energie, kinetische 223 Energie, potenzielle 222 Energie, spezifische 336, 361 Energie, spezifische innere 129, 516 Energiebilanz 551 Energieerhaltungssatz 222, 230 Energieerhaltungssatz für Rotation 229 Energiegleichung 380 Energieniveauschema 139 Englergrad 853 Entfetten 710 Enthalpie 129, 363, 516 Enthalpie, spezifisch 361, 517 Entropie 363, 520 Entropie, spezifisch 520 Entropieverlauf 380 Entscheidungsfindung 1680 Entwerfen 689 Entwicklungssatz 15 Entwurf 689, 690 Epoxidharz 458 EP-Zusatz 480 Erdgas 551, 552, 561 Erdgas H 558 Erdgas L 558 Erdgewichtskraft 96 Erdöl 551 Erfindung 687 Ergebniskriterium 1682 Ergonomie 1236 Erhaltung der Masse 149 Erhöhungsfaktor 797 Erholungszeit 1651 Erholzeit 1652 Erodiermaschinen 1345

ERP-Produktkalkulation 1722 ERP-System 1704 Erreger 108 Erregerfrequenz 108, 109 Erregerzentrum 122 Ersatz-Geradstirnrad 884 Ersatz-Hohlzylinder 744 Ersatzquerschnitt 744, 749 Ersatz-Schrägstirnrad 891 Ersatzzähnezahl 884, 888, 891 Erstarren 512 Erstarrungspunkt 512 Erstarrungswärme 512 Erweiterungssatz 169 Erzeugende 45 erzwungene Schwingungen 1262 ESU-Verfahren 409 Ethernet 1512 Euler 300 Eulerbereich 302 Eulerfall 300 Eulergleichung 296, 300 Euler-Hyperbel 300 Euler’sche Belastungsfälle 299 Euler’sche Bewegungsgleichung 336, 340, 348, 349, 364, 371 Euler’sche Formel 10 Euler’sche Knickung 301 Euler’sche Zahl 31, 351 Eutektikum 406 Eutektische Reaktion 406 eutektisches System 406 Evolventenfunktion 876, 877 Evolventenfunktionstabelle 878 Evolventenkurve 876 Evolventenverzahnung 871 Evolventenzahn 890 Exergie 521 Exklusiv-ODER 1464, 1470 exotherm 149 Exponentialform 7, 10 Exponentialfunktion 21, 31 Exponentialfunktion, natürliche 31 Extremum 67 Extremum, relatives 67 Extremwert 67 Extrudieren 462 Exzenterbuchse 1281 Exzenterwelle 1281

F Fächerscheibe 739 Fachsprache 1446, 1501 Fachwerkebene 304 Fachwerkform 185 Fachwerkträger 185, 186, 189 Fadenpendel 105 Fähigkeitsuntersuchung 1691 Fahrwiderstand 199, 991 Fahrwiderstandszahl 199 Fahrzeugkran 951 Faktorregel 64, 71 Fallbeschleunigung 96, 128, 388 Fallgeschwindigkeit 206 Fallhöhe 206 Fallzeit 206

E–F

1739 Stichwortverzeichnis

Faltenhaltekraft 1159 Faltenhalterdruck 1160 Falzen 1158 Fanno-Kurve 374 Farad 572 Faraday-Konstante 131 Faraday’sche Gesetze 161 Farbtemperatur 130 Fase 1191 Fasenbreite 1204 Fasenlänge 804 Faser 474 Faserschicht, neutrale 261 Faserseil 914 Faserverbundwerkstoff 473 faserverstärkte Duroplaste 460 faserverstärkte Keramik 474 faserverstärkter Kunststoff 460 faserverstärktes Metall 473 faserverstärktes Polymer 474 Fast-Fourier-Transformation 360 FB 1500 FBS 1451, 1501 FC 1500 Feder, hintereinander geschaltete 769 Feder, parallel geschaltet 769 Federarbeit 111 Federblattdicke 772 Federkennlinie 740, 767 Federkraft, resultierende 769 Federkrafterregung 1262 Federnachgiebigkeit 768, 769 Federpaket 776 Federquerschnitt 771 Federrate 103, 105, 258 Federring 739 Federsäule 775 Federscheibe 739 Federspannkraft 103 Federstahl 422 Federstahldraht 783, 786 Federsteifigkeit 767–769, 784 Federsystem 769 Federungsarbeit 767, 768 Federungsschaubild 257 Federweg 768, 784 Federwerkstoff 770 Fehlerecho 119 Fehlstelle 575 Feinbohrmaschine 1356 Feindrehmaschine 1356 Feinguss 1144 Feinstanzen 1152 Feinstbearbeitung 1355 Feinstbearbeitungsmaschine 1356 Feinstbearbeitungswerkzeuge, umformende Feinstrukturkonstante, inverse 131 Feld 570 Feldebene 1431 Feldkonstante, elektrische 129, 131 Feldkonstante, magnetische 129, 131 Feldlinie 573 Feldstärke 585 Feldstärke, elektrische 129 Feldstärke, magnetische 129 Ferrit 412

1363

Ferritausscheidung 413 Ferritbildner 414 ferritisch-austenitischer Stahl 414, 426 ferritische Stahlsorte 414 ferritischer Stahl 426 ferromagnetische Stoffe 574 Fertigung 1432 Fertigung, automatisiert 1629 Fertigungsart 1627 Fertigungsgerechtes Gestalten 694 Fertigungsinformationssystem 1725 Fertigungsinsel 1633 Fertigungsplanung 1635 Fertigungsprozess 1432 Fertigungssegment 1703 Fertigungsspiel 864 Fertigungssteuerung 1635 Fertigungsstraße, flexibel 1630 Fertigungssystem, agiles 1703 Fertigungssystem, flexibel 1630 Fertigungszelle 1310 Fertigungszelle, flexibel 1630 Festigkeit 248 Festigkeitsbeanspruchung 393 Festigkeitsgerechtes Gestalten 693 Festigkeitsklasse 739, 751 Festigkeitswert 250, 251 Festigkeitswerte für Walzstahl 303 Festkörperreibung 480 Festlager 185, 834 Fest-Los-Lagerung 1289 Festschmierstoff 481 Festsitz 706 Festwertregelung 1526 Fettschmierung 833, 861 Feuerungsraum 551 FIFO-Lager 954 Filzring 833 Finanzierung 1593 First-In-First-Out-Lager 954 FI-Schutzschalter 600 Fläche, Schwerpunkt 177 Flächenabtrag 477 Flächenfehler 400 Flächen-Geschwindigkeits-Beziehung 375 Flächenmoment 264, 268 Flächenmoment 2. Grades 265 Flächenmoment 2. Grades zusammengesetzter Flächen Flächenmoment, axiales 264 Flächenmoment, polares 264, 310 Flächenpressung 308, 314, 751, 763, 813, 819, 859 Flächenpressung am Nietschaft 315 Flächenpressung bei Bewegungsschrauben 756 Flächenpressung ebener Flächen 314 Flächenpressung geneigter Flächen 314 Flächenpressung gewölbter Flächen 315 Flächenpressung im Gewinde 314 Flächenschwerpunkt 179 Flachführung 1263 Flachrundniet 727 Flachschleifen 1226 Flammengeschwindigkeit 560 Flammhärten 438 Flanke 1479 Flankenauswertung 1478 Flankenbeanspruchung 882, 890

270

1740

Stichwortverzeichnis

Flankendurchmesser 196 Flankenerkennung 1479 Flankenform 890 Flankenmerker 1479 Flankenradius 196 Flankenspiel 871 Flanken-Tragfähigkeit 885 Flankenwinkel 871 Flansch 743 Flanschverschraubung 751 Flaschenzug 199, 915, 922 Flexibilität 1234 flexibles Fertigungssystem 1432 Fliehkraft 230 Fließfertigung 1629 Fließkurve 403 Fließpressen 1162 Fließpresskraft 1164 Fließspannung 403, 1167, 1168 Flintglas 121 Flockenriss 409 fluidische Steuerung 1436 fluidischer Schaltplan 1446 Flurförderzeug 957 Fluss, elektrischer 129 Flussdichte 576 Flussdichte, elektrische 129 Flüssigkeitsdruck 327 Flüssigkeitsreibung 480, 850 Flüssigkeitssäule 107 Flüssigkeitsvolumen, verdrängtes 333 Flusssäure 152 Folge 55 Folge, alternierende 55 Folge, Anfangsglied 56 Folge, arithmetische 56 Folge, beschränkte 55 Folge, bestimmt divergente 57 Folge, divergente 57 Folge, endlich 55 Folge, geometrische 56 Folge, Glieder 55 Folge, Grenzwert 56 Folge, konstante 55 Folge, konvergent 56 Folge, monoton fallende 55 Folge, monoton wachsende 55 Folge, monotone 55 Folge, nach oben beschränkte 55 Folge, nach unten beschränkte 55 Folge, Quotient 56 Folge, streng monoton fallende 55 Folge, streng monoton wachsende 55 Folge, unbestimmt divergent 57 Folge, unendlich 55 Folgeregelung 1526 Folgeschneidwerkzeug 1152 Fördergurt 975 Förderprinzip 1633 Forderungen an QM-System 1680 Form, algebraische 7 Form, goniometrische 7 Form, trigonometrische 7 Formänderung 246 Formänderung am Zugstab 246 Formänderung bei dynamischer Belastung

259

Formänderung bei Torsion 312 Formänderung beim Biegen 278 Formänderung, elastische 257 Formänderungsarbeit 258, 312 Formänderungsarbeit beim Spannen einer Schraubenfeder 216 Formänderungsgleichungen für Pressverbände 805 Formel von Moivre 9 Formelzeichen 128 Formfräser 1208, 1209 Formgestaltung 1236 Formmaske 1138 Formmasse 455, 458 Formpressen 459 Formschlusskupplung 824 Formstoff 455 Formzahl 250 Fortschrittszahl 1721 Fotosensor 586 Frachtbehälter 924 Fragen stellen 684 Francisturbine 1024, 1026 Fräsen 1206, 1209, 1211, 1398 Fräser 1209 Fräseranschnittweg 1212–1214 Fräserdrehzahl 1206 Fräserdurchmesser 1206 Fräsermittelpunktsbahn 1399 Fräser-Radiuskorrektur 1399 Fräserüberlaufweg 1212 Fräserzahn 1208 Fräserzähnezahl 1209 Fräszyklus 1409 Fraunhofer’sche Linien 120 freie Enthalpie 149 freie gedämpfte Schwingungen 1261 freier Fall 206 Freifläche 1191, 1206, 1208, 1209 Freiflächenfase 1191 Freiflächenfase der Hauptschneide 1206 Freiflugförderung 983 Freiformschmieden 1166 Freiheitsgrad 98 – in Vorrichtungen 1245 Freimachen 170, 243 Freischneidwerkzeug 1151 Freistich 792 Freistrahlturbine 1020, 1021 Freiträger 277 Freiträger mit Streckenlast 285 Freiträger von gleichbleibendem Querschnitt 287 Freiwinkel 1194, 1204, 1209 Fremdstromanode 478 Frequenz 102, 128, 212, 578 Frequenzantwort 1532–1534 Frequenzerhöhung 113 Frequenzgang 1533, 1534, 1537, 1538, 1540, 1542, 1544, 1549–1551, 1553, 1554 Frequenzumrichter 580, 592, 595 Frequenzverringerung 113 Fresnel’sche Reflexionsgleichung 124 Froudezahl 350, 351 Fugenform 713, 720, 1170–1172, 1174, 1175, 1177, 1178 Fugenlänge 803 Fugenpressung 804, 806, 811, 813 Fügespiel 807 Fügetemperatur 806

1741 Stichwortverzeichnis

Führung 1679 Führungen – für begrenzte Weglänge 1269 – für unbegrenzte Weglänge 1269 Führungsbahnschutz 1266 Führungsbereich 1527 Führungsfläche – in Vorrichtungen 1246, 1247 Führungsgitter 1589 Führungsgröße 1525, 1526 Führungslager 830 Führungslänge 195 Führungssteuerung 1433, 1452 Führungsverhalten 1559 Füllgrad 994 Füllstoff 457 Fünf-Achsen-CNC-Bahnsteuerung 1317 Fünf-Seiten-Bearbeitung 1315 Funkenerosion 1345 Funktion 17, 18, 62 Funktion (FC) 1500 Funktion (FUN) 1499 Funktion, Ableitung 63 Funktion, algebraische 21 Funktion, Amplitude 20 Funktion, äußere Ableitung 65 Funktion, beschränkte 19 Funktion, bijektive 19 Funktion, differenzierbare 63, 64 Funktion, echt gebrochen rationale 22, 26, 28 Funktion, elementare 21 Funktion, Extremwert 67 Funktion, ganze rationale 21 Funktion, ganze rationale n-ten Grades 24 Funktion, gebrochen rationale 21, 22, 26 Funktion, gerade 19 Funktion, goniometrische 33 Funktion, Grenzwert 60 Funktion, injektive 19 Funktion, innere Ableitung 65 Funktion, integrierbare 71 Funktion, inverse 20 Funktion, inverse trigonometrische 36 Funktion, irrationale 29 Funktion, konstante 21, 22 Funktion, Krümmung 68 Funktion, Krümmungsverhalten 68 Funktion, kubische 21, 23 Funktion, lineare 21, 22 Funktion, monoton 18 Funktion, monoton fallend 19 Funktion, monoton wachsend 18 Funktion, nach oben beschränkt 19 Funktion, nach unten beschränkt 19 Funktion, Periode 20 Funktion, periodische 20 Funktion, quadratische 21, 23 Funktion, reelle 17, 20 Funktion, stetig differenzierbare 64 Funktion, stetige 62 Funktion, Stetigkeit 62 Funktion, streng monoton fallend 19 Funktion, streng monoton wachsend 18 Funktion, surjektive 19 Funktion, symmetrische 19 Funktion, transzendente 21, 31

Funktion, trigonometrische 21, 31, 33 Funktion, unecht gebrochen rationale 22, 26 Funktion, ungerade 19 Funktion, unstetige 62 Funktion, von unten konkav 68 Funktion, von unten konvex 68 Funktion, Wendepunkte 69 Funktion, zyklometrische 36 funktionale Grundstruktur eines SPS-Systems 1498 funktionale Sicherheit 1517 funktionelle Gruppen 163 Funktionen der Steuerungstechnik 1473 Funktionen einer SPS 1497 Funktionentheorie 21 Funktionsbaustein (FB) 1500, 1567 Funktionsbausteinsprache 1446, 1451, 1501 Funktionsblock (FB) 1499 Funktionsdiagramm 1448 Funktionsgleichung 17, 18 Funktionsgliederung 1588 Funktionsgraph 1450 Funktionsplan 1446, 1501 Funktionstabelle 878, 1446, 1464 Funktionsverlauf bei Polen 27 Funktionswerte 17 FUP 1501 Fußflanke 871 Fußhöhe 868 Fußkreisdurchmesser 868 Fuzzifizierung 1569, 1571 Fuzzy-Controller 1569 Fuzzy-Logik 1569 Fuzzy-Menge 1569, 1572, 1574 Fuzzy-Regelung 1569 fuzzyTECH 1570, 1575

G Gabelhubwagen 958 Gallkette 919 Galvanische Elemente 585 galvanische Elemente 158 Galvanotechnik 162 Gangunterschied 113, 121, 122 GANTT-Grafik 1716 Gas, ideal 523 Gas, speziell 523 Gasblase 408 Gasdynamik 361, 362 Gaskonstante 131 Gaskonstante, spezifische 129 Gasmischung 540 Gasnitrieren 440 Gasnitrocarburieren 440 Gasreibung 480 Gasschmelzschweißen 1171 Gauß’sche Zahlenebene 5, 6 Gebrauchsfunktion 1608 Gebrauchsmuster 688 Gefahr 1518 Gefährdung 1518 Gefügefehler 408 Gegeninduktion 574 Gegenkathete 33 Gegenkörper 479 Gegenlauf 1206

F–G

1742

Stichwortverzeichnis

Gegenlauffräsen 1206, 1207, 1209 Gegenmutter 739 Gegenspindel 1308 Gegenstandsweite 126 Gehänge zur Lastaufnahme 921 Gehäusetoleranz 837 Geldfaktor 1659 Gelenkkette 919 Gelenkviereck 186 Gelenkwelle 794 Geltungsfunktion 1608 Gemeinkostensätze 1598 Gemische 135 Generator 587 Generatorprinzip 577 Geometrie, Analytische 39 Gerade 22, 41 Geradengleichung 41 Geradengleichung, Achsenabschnittsform 42 Geradengleichung, allgemeine 41 Geradengleichung, Hauptform 41 Geradengleichung, Punktsteigungsform 41 Geradengleichung, Zweipunkteform 41 Geradführungen 1262 Geradstirnrad, Verwendung, Eigenschaften 879 Geradzahnkegelrad 888 Geradzahn-V-Getriebe 878 Geradzahn-V-Nullgetriebe 875 Gerät 682 Geräteschutzschalter 600 Gesamtschneidwerkzeug 1152 Gesamtüberdeckung 884 Gesamtwirkungsgrad 891 Geschwindigkeit 93, 101 Geschwindigkeit, kritisch 366 Geschwindigkeit, mittlere 341 Geschwindigkeiten und Kräfte beim Drehen 1189 Geschwindigkeitsellipse 368 Geschwindigkeitsfaktor 894 Geschwindigkeitsmessung 356 Geschwindigkeitsprofil 341, 348, 349, 356 Geschwindigkeitsstufung 1010 Geschwindigkeitsverhältnis 373, 381, 1224 Geschwindigkeitsverlauf 376 Geschwindigkeit-Zeit-Linie 203 Gesenkschmieden 1166 Gesetz der komplementären Elemente 1468 Gesetz der neutralen Elemente 1467 Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für 1615 Gesetz von Boyle und Mariotte 511 Gesetz von de Morgan 1469 Gesetz von Gay-Lussac 511 Gesetz von Stefan und Boltzmann 549 Gesetze der Schaltalgebra 1469 Gestaltänderungsenergie 319 Gestalten der Module 689 Gestaltfestigkeit 250, 795, 797 Gestaltfestigkeitslehre 248, 250 Gestaltfestigkeitswert 795 Gestaltungshinweis 692 Gestelle von Werkzeugmaschinen 1255 Gestellwerkstoffe 1256 gesteuerte Größe 1433, 1434 Gesundheitsschutz, individuell 1613 Getriebe 992

– mit schaltbaren Übersetzungen 1279 Getriebemotor 928 Getriebewelle 313, 794, 812 Gewerbeordnung (GewO) 1614 Gewichtskraft 96, 128 Gewichtskraft, scheinbare 333 Gewinde 735 Gewindeabmessung 735 Gewindeart 735 Gewindefräsen 1213 Gewindereibungsmoment 750 Gewindespindel 316 Gewindesteigung 736 Gewindestift 736 Gibbs’sche Gleichung 363 Gießen 1135 Giga 132 Gitterenergie 142 Gitterfehler 399 GKZ-Glühen 434 Glasübergangstemperatur 462 Glättung 804, 805 Glattwalzen 1355 Gleichgewicht, indifferentes 184 Gleichgewicht, labiles 184 Gleichgewicht, stabiles 184 Gleichgewichtsbedingung 98 Gleichgewichtsbedingung, rechnerisch 176 Gleichgewichtslage 184 Gleichheit von Matrizen 12 Gleichlauf 1206 Gleichlauffräsen 1206, 1207, 1209 Gleichrichter 595 Gleichschlagseil 911 Gleichstromgenerator 588 Gleichstrommaschine 590 Gleichstrommotor 590, 928 Gleichstromsteller 595 Gleitführungen 1263 Gleitlager 849, 852 – aerostatisch 1291 – hydrodynamisch 1291 – hydrostatisch 1291 Gleitlager, Gestaltung 860 Gleitlagerfolie 483 Gleitlager-Reibungszahl 856 Gleitlagerung einer Seilrolle 765 Gleitlagerwerkstoff 850 Gleitmöglichkeit 399 Gleitreibung 190 Gleitreibung auf ebener Fläche 190 Gleitreibungszahl 190 Gleitrichtung 399 Gleitschicht 483 Gleitschieber 171 Gleitsitz 706 Gliederbandförderer 977 Gliedern in Module 689 Gliederung der DIN EN ISO 9001:2000 1680 Globoidschneckentrieb 891 Globoidschnecken-Zylinderradtrieb 891 goniometrische Form 7 Grad des Polynoms 21 Gradmaß 34 Graph 18, 1446 Graph der Wurzelfunktionen 30

1743 Stichwortverzeichnis

Graphit 146, 481 Graphitausbildung 430 Gravitationskonstante 131 Gray-Code 1303, 1462, 1512 Grenzabmaß 698, 701 Grenze 1518 Grenzflächenpressung 751 Grenzkostenkalkulation 1598 Grenzreibung 480 Grenzschicht 343, 351, 354, 355 Grenzschicht, laminar 355 Grenzschicht, turbulent 355 Grenzschichtdicke 355 Grenzschlankheitsgrad 300 Grenzspannung 248 Grenztaster 1441 Grenzwert 61 Grenzwert einer endlichen Stelle 60 Grenzwert im Unendlichen 61 Grenzwert, einseitiger 61 Grenzwert, linksseitiger 61 Grenzwert, rechtsseitiger 61 Grenzwertbegriff 61 Grenzwinkel 126 Grenzzähnezahl 873, 874, 884, 891 Größe, physikalische 128–130 Größenart 89 Größeneinflussfaktor 795 Größeneinflussfaktor, technologischer 797 Großrad 895 Grundbeanspruchungsart 247 Grundbohrung 1664 Grundformen der Ablaufkette 1457 Grundfrequenz 117 Grundgesamtheit 1684 Grundgesetz, dynamisches 219, 220 Grundgesetz, dynamisches für den freien Fall 220 Grundgesetz, dynamisches für die Drehung 226 Grundgesetz, dynamisches für horizontale Beschleunigung mit Reibung 220 Grundgesetz, dynamisches für vertikale Beschleunigung ohne Reibung 221 Grundkörper 479 Grundkreis 871 Grundkreisradius 872 Grundmuster für QRK 1688 Grundreihe 697 Grundstellung 1456 Grundtoleranz 699 Grundverknüpfungsfunktionen 1463 Grundzeit 1649, 1650, 1652 Gruppenarbeit 1626 Guldin’sche Regel 182 Gummifeder 770 Gurtausführungen 975 Gurtförderer 973 Gurtführung 974 Gusseisen 1139 Gusseisen mit Kugelgraphit 429, 431 Gusseisen mit Lamellengraphit 429, 431 Gusseisen mit Vermiculargraphit 429, 432 Gusseisenwerkstoff 429

H Hafenkran

922, 986

Haftbeiwert 804 Haftmoment 804 Haftreibung 191 Haftreibungskraft 191 Haftreibungszahl 190, 191 Haftsitz 706 Hagenzahl 350, 351 Haken 920 Halbleiter 146 Halbleiterdiode 1444 Halbmetalle 140 Halbparameter 47, 48 Halbrundkerbnagel 764 Halbrundniet 727 Halbrundschraube 736 Hallsensor 586 Haltekraft 196 Hammer, hydraulischer 1330 Handantrieb 927 Handhebezeug 937 Handkraft 197 Handspindelpresse 757 Hängebahn 942, 949 Hängebahnaufhängung 950 Hängekran 949 Hardwareaufbau 1498 Hardwareaufbau einer SPS 1498 Hardwarekonfiguration 1515 Hardwarekonzept 1515 Hardware-SPS 1497 Hardwarestruktur 1512 harmonische Schwingung 100 harmonische Welle 111 Hartbearbeitung 1311 Hartbearbeitung von wellenförmigen Teilen 1313 Härteprüfung nach Brinell 485 Härteprüfung nach Rockwell 487 Härteprüfung nach Vickers 486 Härteverzug 436 Hartfeindrehen 1311 Hartfeindrehen und Schleifen auf einem Wellenbearbeitungszentrum 1314 Hart-Glattwalzwerkzeug 1364 Hartguss 432 Hartlöten 1187 Hartmetallschneide 1192, 1194 Hartverchromen 483 Haspelkette 938 Hauptachse 46, 269, 1375 Hauptantriebe 1274, 1276 Hauptflächenmomente 2. Grades 269 Hauptform 41 Hauptgleitebene 399 Hauptlager 1289 Hauptnutzung 1655 Hauptnutzungszeit 1200, 1202, 1205, 1212, 1216, 1226, 1655 Hauptnutzungszeit beim Langdrehen 1200 Hauptnutzungszeit beim Plandrehen 1200 Hauptnutzungszeitberechnung 1204 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung 75 Hauptsatz, Erster 518 Hauptsatz, Zweiter 519 Hauptscheitelpunkt 46 Hauptschneide 1190, 1191, 1206, 1215 Hauptschnittfläche 1189 Hauptsicherungen 582

G–H

1744

Stichwortverzeichnis

Hauptspindelbaugruppe 1276, 1288 – ausgeführte Beispiele 1291 Hauptsteuerwelle 1296 Hauptträgheitsachse 231 Hauptwert 10, 36 Hauptwert der spezifischen Schnittkraft 1195 Hebelarm der statischen Stabilität 334 Hebellagerung 765, 766 Hebezeug 937 Hefnerkerze 130 Heizwert 150, 553, 558, 562, 1131 Hektar 128 Hekto 132 Helmholtszahl 351 Herdformerei 1137 Herstellkosten 1636 Hertz 324 Hertz’sche Gleichung 324 Hertz’sche Pressung 858, 883, 890 Hesse, Ludwig Otto 42 Hesse-Form 42 Hesse’sche Normalform 42 Hess-Satz 150 hexadezimal 1460 Hexapod 1317 Hierarchieebene 1431 Hilfsantriebe 1274 Hilfspunkt 1376 Hilfssteuerwelle 1296 Hilfsträger 285 Hinterdrehung 252 hinweisende Sicherheitstechnik 692 Hipro-Gelenkantrieb 1337 Hitzebeständiger Stahl 425 HMI-System 932 Hobeln 1201 Hochdruckanlage 1019 Hochdruckventilator 367 Hochregallager 955 Höchstbelastung, statische 832 Höchstleistung 1659 Höchstmaß 698 Hochtemperaturlöten 1187 hochwarmfester Stahl 425 Höhe, metazentrische 334 Höhenenergie 222 Hohldornen 1166 Hohlschaftkegel 1290 Holz 551 Honen 1355 Honmaschine 1326 Honring 1326 Honstein 1357 Hooke’sches Gesetz 246, 488 Horizontal/Vertikal-Spindelkopf 1316 Horner, William George 26 Horner-Schema 25 Hubgröße – einstellen 1281 Hubmagnet 587 Hubverhältnis 1131 Hutmutter 736 Huygens’sches Prinzip 122 HV-Naht 713 Hybridgetriebe 992 Hybridisierungsmodell 145, 148

Hybridlager 1291 Hydratation 143 Hydraulik 1436 Hydraulikmotor 1440 hydraulische Steuerung 1436 Hydrolyse 154 hydrostatische Führungen 1272 hydrostatischer Antrieb 929 hydrostatisches Getriebe 992 Hydroxidfällung 155 Hyperbel 45, 47 Hyperbel n-ter Ordnung 26 Hyperbel, Brennpunkte 47 Hyperbel, gleichseitige 48 Hyperbel, Hauptachse 48 Hyperbel, lineare Exzentrizität 48 Hyperbel, numerische Exzentrizität 48 Hyperbel, Scheitelpunkte 48 Hyperbelachse 48 Hyperbelgleichung 48 Hyperbelgleichung, Mittelpunktsform 48 Hyperbelgleichung, Normalform 48 Hyperschallströmung 363 hypersonische Strömung 368

I ideale Gasgesetz 149 Ideenfindung 683 Idempotenzgesetz 1468 imaginäre Einheit 6 Imaginärteil 6 Implikation 4 Impuls 224, 1480 Impulsantwort 1532, 1534 Impuls-Echo-Verfahren 492 Impulserhaltungssatz 224, 230 Impulsgleichung 380 Impulskraft 337, 338 Impulsmerker 1479 Impulssatz 337, 362 Impulsverlustdicke 355 I-Naht 713 Index 4 Indikatoren 154 indirekte Codierung 970 indirekte Zielsteuerung 970 Induktion 129 Induktionsgesetz 574 Induktionshärten 438 Induktivität 129 Inferenz 1569, 1571, 1574 Information 1458 Informationsparameter 1458, 1459 Initialschritt 1456 Injektorprinzip 1350 Inkrementalbemaßung 1378 inkrementale Systeme 1303 Innenbereich 1688 Innenbordlager 830 Innendrehen 1194 Innenkommunikation 930 Innenräumer 1204 Innensechskantschraube 736 Innenverzahnung 872, 873 inneres Kräftesystem bei gerader Biegung

262

1745 Stichwortverzeichnis

Instanz-Datenbaustein 1500 Integral 71 Integral, bestimmtes 74 Integral, unbestimmtes 71 Integralrechnung 71 Integralzeichen 71, 74 Integrand 71, 74 Integration, partielle 72 Integrationsgrenze, obere 74 Integrationsgrenze, untere 74 Integrationskonstante 71 Integrationsregeln 71 Integrationsvariable 71, 74 Integrierbeiwert 1554 Intensität 1660 Interface 483 Interferenz 112, 121, 124 Interferenzmaximum 112 Interferenzminimum 112 interkristalline Angriffsform 477 intermetallische Phase (IP) 407 Interpolation 1317 Interpolationsart 1383 intuitives Denken 683 Inverterstromquellen 1170 Investitionsrechnung 1602 Ionenaustauscher 156 Ionenbindung 142 Ionenprodukt 154 Ionenwertigkeit 143 IPE-Reihe 296 I-Regler 1554, 1563 Isentrope 528 Isentropenexponent 367, 505, 528 Isentropengleichung 363, 366 Ishikawa-Diagramm 1695 ISO 9000:1994 ff. 1679 Isobare 526 Isochore 525 isochrone Spannungslinie 464 ISO-Feingewinde, metrisches 735 ISO-Gewinde, metrisches 196, 735, 759 ISO-Passung 698 ISO-Qualität 698 Isotherme 527 isotherme Erwärmung 434 isotherme Umwandlung 436 isothermes Vergüten 437 Isotope 136 Isotopentrennung 136 ISO-Trapezgewinde, metrisches 735 Istmaß 698 I-Strecke 1544, 1562 Ist-Zeiten erfassen 1658 Iteration 855 Iterationsschritt 862

J Josephson-Konstante 131 Joule 217, 580 Junktoren 4 Just-in-time-Anlieferung 1710

K Käfigläufer

591

Kalibrieren 1166 Kalkmilch 153 Kalkspatkristall 123 Kaltarbeitsstahl 427 Kaltfließpressen 1162 Kalthärter 710 Kaltkammerverfahren 1144 Kaltverfestigung 401 Kaltwalzmaschine 1334 kaltzäher Stahl 424 Kanadabalsam 123 Kanallager 954 KANBAN, elektronisches 1714 KANBAN-Steuerung 1721 KANBAN-Verfahren 1714 Kantenpressung 854, 860 Kantentaster 1376 Kapazität 572, 585 Kapazität, elektrische 129 Kapazitätsplanung 1591, 1717 Kapazitätsüberwachung 1591 Kapitalbindung 1582 Kapitalwertmethode 1604 Kaplanturbine 1027, 1028 Kármán’sche Wirbelstraße 352 Karnaugh-Veitch-Diagramm (KVS) Karte, zweispurig 1685 Kastenformerei 1138 Katalysator 151 Katheten 33 Kathode 157 kathodischer Schutz 478 Kautschuk 468 Kavitation 1030 Kavitationszahl 351 Kegel 181, 809 Kegelbremse 935 Kegelbuchse 801 Kegelmantel 180 Kegelmaß 809 Kegelrad 888 Kegelrad, bogenverzahnt 890 Kegelrad, schrägverzahnt 891 Kegelradachse 888 Kegelradberechnung 890 Kegelradgetriebe 867, 888 Kegelrollenlager 830, 847 Kegelschnitt 39, 45 Kegelschnitt, entarteter 46 Kegelsitzverbindungen 809 Kegelstift 764 Kegelstumpf 181 Kegelverbindung 812 Kegelverhältnis 809 Kegelwinkel 810 Kehlnaht 713 Keil 181, 195, 813 Keil, eintreiben 238 Keilgetriebe 195 Keilnutreibung 194 Keilnut-Reibungszahl 194 Keilschloss 915 Keilsitzverbindung 802, 812, 813 Keilwelle 812 Keilwellenprofil 803 Keilwellenverbindung 818

1454, 1470

H–K

1746

Stichwortverzeichnis

Kelvin 92 Kelvin-Skala 501 Kennladungszahl 135 Kennlinie 771, 1528, 1531, 1544, 1548, 1554 Kennlinie eines Zweipunktreglers, P-Regler 1548 Kennlinien für Federkombinationen 775 Kennlinienfeld 1528, 1531, 1534, 1537 Kennzahl, dynamische 831, 838 Kennzahlen 1582 Kennzeichnung von Betriebsmitteln 1450 Keramikmatrix-Verbunde CMC 475 Keramikverarbeitung 471 keramischer Werkstoff 470 Kerbempfindlichkeitszahl 251, 252 Kerben 250 Kerbform 252 Kerbformzahl 250 Kerbnagel 764 Kerbschlagarbeit-Temperaturkurve 490 Kerbschlagbiegeversuch 489 Kerbschlagenergie KV 490 Kerbschlagprobe 489 Kerbspannung 250 Kerbstift 764 Kerbverzahnung 812 Kerbwirkung 250, 796 Kerbwirkungszahl 251, 252, 796 Kerbzahnprofil 803 Kern 1136 Kernbindungsenergie 135 Kernfusion 136 Kernmodell 1136 Kernquerschnitt 755 Kernschatten 120 Kernspaltung 551 Kernweite 318 Kesselbau 289, 729 Kessellängsnaht 328 Kesselstein 156 Kettencharakteristik 918 Kettenhebezeug 927 Kettenmagazin 1316 Kettenmolekül 456 Kettenregel 65 Kettenrolle 919 Kettentrommel 919 Key Performance Indicator 1582 Kfz-Abgaskatalysator 151 Kilo 132 Kilogramm 91 Kilowattstunde 128 Kinematik 203 Kippgesperre 1283 Kipphebellager 830 Kipplast 994 Klang 117 Klangschwingung 117 Klappdeckelöler 860 Kleben 709 Klebfläche 710 Klebfugenfläche 711 Klebschicht 711 Klebstoff 709 Klebvorgang 710 Kleinkrafthärteprüfung 486 Klemmenbezeichnung 588

Klemmkörper-Freilauf 936 Klemmkraft 741, 742, 753 Klemmlänge 744 Klemmrampe 936 Klemmsitzverbindung 802, 813 Knebelkerbstift 764 KNF 1470 Knickbeanspruchung 247 Knickbiegung 261 Knickkraft 299 Knicklänge 296, 300, 304 Knicklängenbeiwert 304 Knicklinie 304, 305 Knicksicherheit 756 Knickspannung 299, 300, 756 Knickstab 302 Knickung 247, 296, 299 Knickung, elastische 300 Knickung, unelastische 300 Knickungsberechnungen im Stahlbau 303 Knickungsgleichung 299 Knickungsrechnung 301 Knoten 185 Knotenblech 185 Knotenpunkt 185, 186, 731 Knotenschnittverfahren 187 Koeffizientendeterminante 14 kohärentes Licht 122 Kohlendioxid 552 Kohlenmonoxid 552 Kohlensäure 152 Kohlenstoff 162, 551, 560 Kohlenwasserstoff 552 Kohlenwasserstoffe 162 Kokereigas 561 Kokille 1137 Kolbenkraft 328 Kolbenstange 302 Koldflo-Verfahren 1163 Kommissionieranlage 967 Kommunikationsbaugruppe 1512 Kommunikationsfunktion 1497 Kommutativgesetz 51, 1467 Kommutator 588 Kompakt-Exzenterpresse 1336 Kompensationswicklung 588 Komplement, algebraisch 14 komplexe Zahl 6 Komplexverbindungen 146 Komponente 52, 169 Kompressibilität 367 Kondensation 513 Kondensationspunkt 513 Kondensationswärme 513 Kondensator 585 Konformitätserklärung 1517 Konjunktive Normalform (KNF) 1453, 1470 konkav 126 Konklusion 4 Konsolblech 277 Konsolkran 949 Konsolträger 278 Konstante, allgemeine und atomare 131 Konstrukteur 681 Konstruktionsarten 682 Konstruktionskataloge 684

1747 Stichwortverzeichnis

Konstruktionsklasse 911 Kontaktbezeichnung 1450 Kontaktklebstoff 709 Kontaktkorrosion 478 Kontaktplan 1501 kontinuierliches Linienspektrum 119 Kontinuitätsgleichung 335, 362, 380 Kontrollraum 338 Konturverzerrung 1401 konventionelle 571 konventionelle Steuerungstechnik an Werkzeugmaschinen konvergent 56 Konvergenzkriterium 56 Konvergenzpunkt 126 konvex 126 Konzentrationsmaße 154 Konzipieren 689 Koordinate 39 Koordinaten, kartesische 39, 40 Koordinatenachse 39 Koordinatensystem 39, 1375 Koordinatensystem, kartesisches 6, 18 Koordinatensystem, kartesisches der Ebene 39 Koordinatensystem, kartesisches des Raums 40 Koordinatensystem, rechtwinkliges 39 Koordinatenursprung 39, 41 Koordinationsverbindungen 146 Koordinationszahl 143 KOP 1501 Kopfauflage 744 Kopfflanke 871 Kopfhöhe 868 Kopfkreisdurchmesser 868 Kopfkreisradius 872 Kopfspiel 871 Kopfspielrundung 871 Korbbogenübergang 792 Korndurchmesser 989 Korngrenzengleiten 403 Korngrenzenverfestigung 401 Kornwachstum 402 Körper, Drehung 216, 218 Körperschwerpunkt 177, 180 Korrekturfaktor 1197 Korrosion 158, 477 Korrosionsbeanspruchung 393 korrosionsbeständiger Stahl 426 korrosionsbeständiger Werkstoff 478 Korrosionselement 477 Korrosionserscheinung 477 Korrosionsprodukt 478 Korrosionsschutz 159, 478 Kosinus 33 Kosinusfunktion 35 Kosinuskurve 35 Kosinussatz 36 kostengerechtes Gestalten 693 Kostenplanung 1595 Kostenrechnung 1595 Kostenträgerstückrechnung 1597 Kotangens 33 Kotangensfunktion 35 Kotangenskurve 35 Kraft 167 Kraft am Geradzahn-Stirnrad 879

1296

Kraft, Arbeitsplan zur rechnerischen Bestimmung unbekannter 174, 176 Kraft, Arbeitsplan zur zeichnerischen Bestimmung unbekannter 173 Kraft, äußere 243 Kraft, Betrag 167 Kraft, innere 243 Kraft, Lage 167 Kraft, rechnerische Bestimmung unbekannter 173, 175 Kraft, zeichnerische Bestimmung unbekannter 173 Kraft, Zerlegung 169, 172 Kraft, Zusammensetzen 172 Kräfte beim Bohren 1216 Kräfte beim Fräsen 1209 Krafteck 173 Krafteinleitung 745, 1260 Krafteinleitungsfaktor 744, 745 Krafteinleitungsfall 745 Kräftepaar 167 Kräfteparallelogramm 168 Kräfteplan 174 Kräftereduktion 97 Kräftesystem, allgemeines 175 Kräftesystem, inneres 244 Kräftevergleich 749 Kraftkomponente 173 Kraftmoment 167, 168 Kraftstoff-Luft-Verhältnis 151 Kraftübertragung, hydraulische 328 Kraftverhältnis 742–745, 749 Kraftverhältnis am Zahnrad 879 Kraft-Verlängerungsschaubild 257, 258 Kraft-Weg-Diagramm 1165 Kran 942 Kranbauform 948 Kranhaken 170 Kranzdicke 895 Kratzförderer 978 Kreis 43, 45 Kreis, Mittelpunkt 43 Kreis, Radius 43 Kreisabschnitt 180 Kreisausschnitt 179 Kreisbewegung, gleichmäßig beschleunigte 210 Kreisbewegung, gleichmäßig verzögerte 211 Kreisbogen 179 Kreisbogenzahn 890 Kreisförderer 966 Kreisfrequenz 102, 212, 578 Kreisfunktion 33 Kreisgleichung 43 Kreisgleichung, Hauptform 44 Kreisgleichung, Mittelpunktsform 44 Kreisinterpolation 1385 Kreisinterpolationsparameter 1385, 1394 Kreiskegel 180 Kreisprozess 518 Kreisringstück 179 Kreisverstärkung 1302 Kreiszylinder 181 Kreuzgelenk 794 Kreuzkopf 170 Kreuzkopfweg 213 Kreuzprodukt 53 Kreuzrollenführung 1268 Kreuzschlagseil 911 Kreuzschleife 212

K

1748

Stichwortverzeichnis

Kreuzschliff-Superfinishmaschine 1360 Kreuzungswinkel 891 Kriechen 490 Kriechursache 490 Kristallerholung 402 Kristalline Thermoplaste 462 Kristallisation 400, 456 Kristallisationswärme 400 Kristallitschmelztemperatur 462 Kristallseigerung 406 Kristallstruktur der Elemente 146 kritische Abkühlgeschwindigkeit 435 kritische Drehzahl 108 kritische Geschwindigkeit 377 kritische Reynoldszahl 342 kritischer Zustand 376 Kronenmutter 736, 739 Kronglas 121 Krümmung 278 Krümmungskreis 68 Krümmungsmittelpunkt 278 Krümmungsradius 68, 278 Krümmungsverhalten 68 kubisches Bornitrid 428 Kugel 44, 171 Kugelabschnitt 181 Kugelausschnitt 181 Kugelführungen 1268 Kugelgelenk 794 Kugelgewindetrieb 1284 Kugelgleichung, Hauptform 44 Kugelgleichung, Mittelpunktsform 44 Kugelhaube 180 Kugelöler 860 Kugelsonde 356, 357 Kugelstrahl 441 Kugelumlaufeinheit 1270 Kugelzone 180 Kühlöldurchsatz 857 Kühlschmierungs-Korrekturfaktor 1197 Kundenorientierung 1679 Kundensicht 1582 Kundt’sche Staubfiguren 118 Kunststoff 851 Kunststoff-Formenstahl 427 Kupfer-Aluminium-Legierung 448 Kupfer-Nickel-Legierung 451 Kupfer-Zink-Legierungen (Messing) 448 Kupfer-Zinn-(Zink)-Legierung 450 Kupolofen 1138, 1139 Kupplung 822 Kupplungs-Bremskombination 1281 Kurbelschleife 1201, 1280 Kurbelschleife, schwingend 244 Kurbelschwinge 1280 Kurbelwelle 213, 1281 Kurve der Funktion 18 Kurvendiskussion 69 Kurzgewinde 1213 Kurzhubhonen 1355 Kurzschlussläufer 591 Kurzzeichen für Schichtpressstoffe 459 Kurzzeichen für Sinterwerkstoffe 470 Kurzzeitfähigkeit 1692 Kurzzeitfähigkeitsuntersuchung 1691 KV-Diagramm 1470

L Labyrinthdichtung 833, 1016 Ladehilfsmittel 920 Ladespeicher 1499 Ladung 570, 585 Ladung, elektrische 129 Ladungen 572 Lage- und Geschwindigkeits-Sollwerte 1298 Lageplan 173, 244 Lagerabmessung 831 Lagerbelastung 831, 832, 853 Lagerbelastung, äquivalente 832 Lagerbelastung, spezifische 853 Lagerblech 732 Lagerbreite 854 Lagerbreite, relative 854 Lagerbuchse 860 Lagerdichtung 833, 860 Lagerkraft 294 Lagermetall 482 Lagerreibung 197 Lagerschale 860 Lagerspiel 854, 860 Lagerstelle, Gestaltung 832 Lagertemperatur 856 Lagerung 171 Lagerung einer Schneckenwelle 834 Lagerung, dreiwertig 171 Lagerung, einwertig 171 Lagerung, zweiwertig 171 Lagerwerkstoff 851 Lagerzapfen 315, 854 Lagerzapfen, Flächenprojektion 315 Lagerzapfen, Pressungverlauf 315 Lageskizze 172, 174, 176 Lambda-Sonde 151 Lamellenkupplung 825, 826 Langdrehen 1660 Länge 89 Längenänderung 246 Längenausdehnungskoeffizient 260, 509 Längeneinheit 131 Längenzugaben 1661 Langhub-Honmaschine 1361 Längsausdehnung 509 Längslager 198 Längspressverband 804 Längsschleifen 1226 Längsstiftverbindung 802, 816 Längsstörung 111 Längsverrippungen in Werkzeugmaschinenständern Längsvorschubgeschwindigkeit 1213 Längswelle 111 Langzeit-Prozessfähigkeit 1692 Langzeitprozessfähigkeitsuntersuchung 1691 Läppen 1355 Läppen und Superfinishen 1311 Läppmaschine 1362 Laschennietung 728 Laserbearbeitung komplexer 3D-Teile 1342 Laserlichtschnittverfahren 357 Laserquelle 1349 Laserschneiden 1184 Laserschweißen 1177 Laserstrahlhärten 439 Laserstrahltechnologie 1348

1258

1749 Stichwortverzeichnis

Last, wandernde 277 Lastaufnahmeeinrichtung 920 Lasteinwirkungen 944 Lasthaken 920 Lasthebemagnet 923 Lastkollektiv 917 Lastkombinationen 944 Lastschaltgetriebe 992 Lauf 1688 Läufer 587 Laufkran 949 Laufrad 355, 1024, 1028 Laufradlagerung 766 Laufringe 861 Laufsitz 706 Laufzeit 939 Laufzeitklasse 917, 939, 940 Lautstärkenvergleich 118 Lean Management 1589 Lebensdauer 831, 839 Lebensdauerfaktor 838, 839, 894 Lebenskurve eines Produktes 1605 Ledeburit 412 Leerstelle 400 Legierungen 146 Legierungsstruktur 404 Leibniz, Gottfried Wilhelm 75 Leibniz’sches Konvergenzkriterium 60 leichtes Heizöl EL 558 Leistung 128, 217, 580 Leistung am Radumfang 1008 Leistungen beim Bohren 1216 Leistungsbewertung 1619 Leistungs-Drehzahlverhalten 1277 Leistungsfaktor 581 Leistungsgrad 1659 Leistungsgradbeurteilung 1659 Leistungsschalter 600 leistungsverzweigte Getriebe 992 Leiterspannung 579 Leitfaden für Audits 1679 Leitkurve 45 Leitrad 1024, 1027 Leitungsschutzschalter 600 Leitwert 572, 583 Leitwert, elektrischer 129 Leuchtdichte 130 Licht 119 Lichtausbeute 130 Lichtbogenhandschweißen 1171 Lichtbrechung 124 Lichtgeschwindigkeit 121, 125 Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum 131 Lichtmenge 130 Lichtmessung 120 Lichtsender 586 Lichtstärke 120, 130 Lichtstrom 120, 130 Lichtverlust 124 Lichtweg 122 Lichtwellen 122 Lieferantenbeziehung 1680 Liegezeit 1628 Limes 60 lineare Ablaufkette 1457 lineares Gleichungssystem 14

Linearinterpolation 1383 Linearmotor 594, 1275, 1288, 1303 linguistische Regeln 1572 linguistische Variable 1570, 1571 linguistischer Term 1569–1571, 1574 Linie, elastische 261, 278 Linienfehler 400 Linienhärten 438 Linienschwerpunkt 178 Linienstelle 1587 Linkskrümmung 68 Linsen 126 Linsenniet 727 Linsensenkholzschraube 736 Liquidität 1. Grades 1594 Liquidus-Linie 405 Liter 128 Lochen 1149, 1166 Lochfraß 477 Lochkorrosion 478 Lochleibungsdruck 308, 315, 316, 729 Logarithmusfunktion 21, 31 Logarithmusfunktion, natürliche 32 logische Grundverknüpfung 1463 logische Zeichen 4 Lohngruppe 1637 Longitudinalwelle 111, 117 Lorentz-Kraft 576 Lösen 803 Losgröße 1653 Losgröße, optimale 1715 Loslager 185 Löslichkeit 155 Löslichkeitsprodukt 155 Losmenge 1637 Losradkonstruktion 1280 Lösung, feste 404 Lösungen 135 Lösungsbehandeln 442 Lösungsglühen 435 Lösungsmittelklebstoff 710 Löten 1169, 1186 Lötspalt 1186 LS-Schalter 600 Luftmangel 557, 561 Luftmenge 552 Luftschadstoffe 153 Luftüberschuss 557 Luftverhältnis 552, 555 Lumen 130 Lünette 1240 Lunker 408 Lux 130

M Mach’sche Linie 384, 385 Mach’sche Zahl 114 Mach’scher Kegel 363 Machzahl 361, 362, 365, 366, 371, 372, 375, 381, 385 Machzahl, kritisch 366, 377 Machzahlverlauf 380 Magnesium 452 Magnetfeldstärke 573 magnetinduktive Prüfung 492 magnetische Feldkonstante 577

K–M

1750

Stichwortverzeichnis

magnetische Flussdichte 573 Magnetischer Fluss 573 magnetisches Verfahren 492 Magnetpulverprüfung 492 MAG-Schweißen 1173 Make-or-buy-Entscheidung 1602 Malmedie-Bibby-Kupplung 823 Management 1680 Mantelhärten 438 Mantellinie 45 manueller Werkzeugwechsel 1395 manuelles Programmieren 1389 Marketing-Mix 1605 Marketingstrategie 1607 Marktanteil-Marktwachstum-Portfolio 1606 Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärke-Portfolio 1586 Marktforschung 1606 Martensit 435 Martensitbildung 435 Martensit-Startpunkt 435 Maschine 587 Maschinen 682 Maschinen zur spitzenlosen Durchlaufbearbeitung 1358 Maschinenbetten 1255 Maschinenfähigkeit 1234, 1694 Maschinenfähigkeitsuntersuchung 1691 Maschinenlaufzeit 1226 Maschinennullpunkt 1375 Maschinenständer 1255 Maskenformerei 1138 Masse 89 Masse, reduzierte 229 Massenanteil 540 Massendefekt 135 Massengutumschlagsanlage 986 Massenkrafterregung 1262 Massenmittelpunkt 177 Massenmoment 2. Grades 227 Massenstrom 335, 337, 368 Massenträgheitsmoment 128 Massenwirkungsgesetz 150 Massenzahl 135 Massivgleitlager 483 Massivlochen 1166 Massivumformen 1329, 1330 Maßstab 39 Maßtoleranz 698, 700 Maßzahl 89 Matrix 11 Matrix, antisymmetrische 12 Matrix, Elemente 11 Matrix, inverse 13 Matrix, orthogonale 13 Matrix, quadratische 11 Matrix, symmetrische 12 Matrix, transponierte 12 Matrixorganisation 1588 Matrizen vom gleichen Typ 11 Matrizen, Multiplikation 12 Maximalgeschwindigkeit 365 Maximalprinzip 1581 Maximum, absolutes 67 Maximum, globales 67 Maximum, relatives 67 mechanisch gesteuerte Automaten 1296 mechanische Steuerung 1435

Median (Zentralwert) 1684 Medianwert 1684 Mega 132 Mehrflächengleitlager 1291 Mehrgleitflächenlager 861 Mehrleisten-Honwerkzeug 1362 Mehrmaschinenbedienung 1627 Mehrschicht-Blattfeder 772 Mehrseiten-Bearbeitung prismatischer Teile Mehrstellenarbeit 1626 Mehrzweckschneidwerkzeug 1151 Meißelstellung 1193 Menge 3 Menge, endliche 3 Menge, leere 3 Menge, Mächtigkeit 3 Mengenbilanz 551 Mengenschreibweise 4 Mengenteilung 1626 Merkerbyte 1506 Merkerdoppelwort 1506 Merkerwort 1506 Merkmal 1679 Merkmal, attributiv 1684 Mesomerie 162 Messdüse 358 Messerkopf 1209 Messerschneiden 1146 Messerschneidwerkzeug 1150 Messflüssigkeit 356 Messglied 1527 Messort 1526 Messsignal 1459 Messtechnik 356 Messverfahren 1303 Messwertabnahme 1303 Messwerterfassung 1303 Messzeit 1661 Metallbindung 142, 146 Metalle 140 Metalleigenschaft 397 Metallgewinnung 162 Metallgitter 397 Metallguss 1140 Metallmatrix-Verbunde MMC 475 Metallschutzschlauch 794 Metametalle 140 metastabiles System 413 Metazentrum 334 Meter 91 Methan 552 Methoden der Zeitermittlung 1657 methodisches Konstruieren 688 metrisches ISO-Gewinde 196 Mg-Gusslegierung 452 Mikro 132 Mikrohärteprüfung 486 Mikrokontakt 479 Mikrolunker 408 Mikroplasmaschweißen 1176 Mikroprozessorsteuerung 931 Mikroschrittbetrieb 594 Mild Hybrid 929 Milli 132 MIM 469 Minderungsbeiwert 720

1315

1751 Stichwortverzeichnis

Mindestluftbedarf 552, 555 Mindestmaß 698 Mindestpassung 698 Mindestprofilverschiebungsfaktor 874 Mindestsauerstoffbedarf 552, 555 Mindestverbrennungsgasmenge, feucht 553 Mindestverbrennungsgasmenge, trocken 553 Minimalprinzip 1581 Minimum, absolutes 67 Minimum, globales 67 Minimum, relatives 67 Min-Operator 1572 Mischkristallsystem 405 Mischkristall-Verfestigung 401 Mischreibung 480, 850 Mischreibungsfeld 1263 Mischungsregel 506 Mischungstemperatur 506 Mitschwinger 108 mittelbare Sicherheitstechnik 692 Mittelkraft 743 Mittellinie 1685, 1686 Mittelspannung 249 Mittelspannungsempfindlichkeit 796 Mittelwert 1684 Mittelwert, arithmetisch 1684 Mittenkreisdurchmesser 891, 893 Mittenspanungsdicke 1206, 1208 mittlere Ausfalldauer 1235 mittlerer Ausfallabstand 1235 MMC 473 mobiler Kran 951 Modell 1135 Modellsand 1137 Modifikationen 146 Modul 7, 868, 880 modulares Maschinenkonzept 1315 Modulreihe 868 Mohr 319 Mohr’scher Satz 281 Moivre’sche Formel 9 Mol 92 molare Masse 136, 149 molares Volumen 149, 503 Molarität 154 Moleküle 142, 144 Molekülorbitaltheorie 144 Molekülstruktur 145 Molenbruch 155 Molmenge 552 Molybdändisulfid 481 Momentanbeschleunigung 102 Momentangeschwindigkeit 93, 102 Momentenfläche 274, 280, 281 Momentenkurve 593 Momentenlinie 274, 275 Momentensatz 97, 175 Momentensatz, Arbeitsplan 175 Monomer 455 montagegerechtes Gestalten 695 Montageinsel 1633 Montagevorspannkraft 749 Montagevorspannung 750 Morphologischer Kasten 684 Morse-Innenkegel 1290 Motor 587

Motorprinzip 576 Motorschutzschalter 600 Motorspindel 1275 Motorspindeleinheit für die Hartfeinbearbeitung 1294 Multifunktions-Monoblockpresse, hydraulisch 1338 multilayer 483 Muster für QRK 1688 Mutter, Anziehen 196 Mutterart 736 Mutterauflagereibungsmoment 750 Muttergewinde 759 Mutterhöhe 314

N Nabe 791, 812 Nabenabmessung 812 Nabendicke 816, 819 Nabendurchmesser 812 Nabenlänge 812, 819 Nabensprengkraft 806, 813 Nabenverbindung, formschlüssig 801 Nabenverbindung, kraftschlüssige 801 Nabenverbindungen (Beispiele) 801 Nachgiebigkeit 742, 743, 749 Nachschneiden 1153 Nachstellbewegung 1189 Nachstellzeit 1554 Nadellager 830 Nahtüberhöhung 716 Nano 132 Nanometer 131 Nasenkeil 813 Natronlauge 153 NC – Numerical Control 1298 NC-Achsen 1284 Nebenachse 46 Nebenantriebe 1274, 1284 Nebenlager 1289 Nebennutzung 1655 Nebenscheitelpunkt 46 Nebenschlusswicklung 588 Nebenschneide 1206 Nebenschnittfläche 1189 Nebenwert 36 Nebenzeit 1200 Negation 1468 negative Flanke 1479 Neigung der Biegelinie 281 Neigungswinkel 1193, 1208, 1209 Nennmaß 698 Nennmaßbereich 699 Nennmoment 592 Nennspannung 250 Nennspannungsprinzip 795 Nernst-Gleichung 159 Netz 1446 Neukonstruktionen 682 Neutralisation 154 Neutralleiter 579, 582 Neutron 135 Newton, Isaac 75 Newtonmeter 128 Nicht-Funktion 1466 Nichtmetalle 140 Nicht-Newton’sche Fluide 339

M–N

1752

Stichwortverzeichnis

Nichtoxidkeramik 472 Nickellegierung 453 Niederdruckanlage 1019 niedriglegierte Cu-Sorten 448 Nietabstand 731 Nietdurchmesser 729 Niete 289, 308 Nieten mit Hammer 238 Nietform 727 Nietlochdurchmesser 729 Nietverbindung 308 Nietverbindung, im Stahlbau 728 Nietwerkstoff 728 Nietzahl 729 Nikuradse 371 Nikuradse-Diagramm 343 Ni-Legierung 426 Nitridkeramik 428 Nitrierhärten 440 Nitrierhärtetiefe 440 Nitrierschichten 440 Nitrierstahl 422 N-Leitung 575 Nockensteuerung 1298 Nordpol 573 Normalbeschleunigung 95, 209 Normaleingriffswinkel 884, 891 Normalflankenspiel 871 Normalform 23, 26, 41 Normalglühen 434 Normalkraft 190, 244, 245, 248 Normalleistung 1659 Normalmodul 885, 890 Normalparabel 23 Normalpotential 158 Normalschall 118 Normalschalldruck 118 Normalspannung 244, 245 Normal-Stehlager 834 Normalteilung 884 Normalverteilung 1684 Normalwasserstoffelektrode 158 Normbedingungen 149 Normblende 359, 370 Normdichte 503 Normdüse 359, 370 Normen zur Sicherheit von Maschinen 1517 Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000 1679 Normenreihe ISO 9000:2000 ff. 1679 Normfallbeschleunigung 96, 128 Normgewichtskraft 96, 128 Normierungsfaktor 42 Normmodul 890 Normstrategie 1585 Normvolumen 503, 552 Normvolumen, molares 131, 504 Normvolumen, spezifisches 503 Normzahl 697 Normzustand 503, 562 NOT-Aus 1521 NOT-Halt 1521 Notlaufeigenschaft 851 np-Karte 1684 n-te Einheitswurzel 10 n-te Wurzel 10 Nulldurchgang 275, 281

Null-Fehlerfertigung 1694 Null-Fehler-Management 1694 Nullfolge 56 Nullgetriebe 874 Nullmatrix 11 Nullphasenwinkel 578 Nullpunkt 39, 41 Nullpunkt, absolut 501 Nullpunktverschiebung 1376 Nullrad 868, 873 Nullstelle 26 Nullvektor 50 Numerical Control 1284 numerische Achse 1299 numerische Steuerungen 1298 Nummernsystem für Stähle 415 Nut 791 Nutenfräsen 1213 Nutmutter 736 Nutzlast 994 Nutzungsgrad A der Feder 768 Nutzwertanalyse 685 Nyquist-Kriterium 1561

O obere Zündgrenze 560 Oberflächenbehandlung 483 Oberflächenrauheit 796 Oberflächenrauigkeit 344, 373 Oberflächenrauigkeit, relativ 371 Oberflächenverfestigung 796 Oberflächenzahl 252, 253 Oberflächenzerrüttung 481 Obergurt 185 Oberschwingungen 115 Oberspannung 249 Objekt 3 ODER/OR 1464 ODER-Verknüpfung 1466 ODER-Verzweigung 1457 offener Wirkungsablauf 1433 Öffner 1446 Ohm 571 Ohm’sches Gesetz 572 Oktettregel 142 Öl 480 Öldruckverlauf im Radial-Gleitlager 850 Ölfangrille 860 Ölschiefer 551 Ölschmierung 833 Ölversorgungsysteme für hydrostatische Führungen Operationsverstärker 586 Opferanode 478 Optik 130 Ordinate 39 Ordinatenachse 6, 18, 39 Ordnungszahl 135 Organigramm 1588 Organisationsbaustein (OB) 1499 Organisationstypen 1702 organische Chemie 162 Orientierung 39, 456 Orthogonalfreiwinkel 1192 Orthogonalspanwinkel 1192 Ortskurve 1533, 1534, 1540, 1544, 1554, 1561

1273

N–P

1753 Stichwortverzeichnis

Ortsvektor 50 Ostwald-Dreieck 557 Oszillator 108, 112 Ovalradzähler 357 overlay 483 Oxidation 151, 157 Oxidationsstufe 140 Oxidationszahl 157 Oxidkeramik 428, 472

P Paarbindung 575, 576 Palette 924, 925 PAP 1451 Parabel 23, 45, 48 Parabel, Brennpunkt 48 Parabel, kubische 24 Parabel, Leitlinie 48 Parabel, Parameter 49 Parabel, Scheitelpunkt 48 Parabel, Streckungsfaktor 23 Parabelachse 48 Parabelfläche 180 Parabelgleichung 49 Parabelgleichung, Normalform 49 Parabelgleichung, Scheitelpunktsform 49 Parabeln n-ter Ordnung 24 Parabolspiegel 49 Parallelepiped 54 Parallelflach 54 Parallelogramm 179 Parallelogrammsatz 168 Parallelschaltung 583, 1466 Parallelschnitt 307 Parallelstoß 713 Parallelverschiebung 172 Parameter 18 Parameterdarstellung 17, 18 Parameterdarstellung des Kreises 44 Partialbruchzerlegung 28, 29, 73 Particle Image Velocimetry (DPIV) 360 Particle Image Velocimetry (PIV) 359 Pascal 128 Passfeder 813 Passfederverbindung 803, 812, 817 Passivkraft 1189, 1193, 1194, 1210 Passivschicht 478 Passtoleranzfeld 698, 701 Passtoleranzfeldlage 700 Passung 706 Passungsauswahl 703 Passungsgrundbegriff 698 Passverbindung 802 Patent 687 Patentieren 437 Pauli-Prinzip 138 PD-Regler 1563, 1565 Pendelkörper 108 Pendelkugellager 829, 843 Pendellager 860 Pendelrollenlager 830 Pendelschlagwerk 489 Penetrierverfahren 491 Periode 101, 578 Periodendauer 102, 104–107, 128, 577

Periodensystem der Elemente 137 Peripherieeingangswort 1506 peritektische Reaktion 407 Perlit 412 Perlitbildung 413 Permeabilität 129 Permeabilitätszahl 129 Permittivität 129 Permittivitätszahl 129 Personal 1680 Pfad, kritischer 1590 Pfahl, rammen 238 Pfeilzahn 883 Pfosten 185 Pfropfenförderanlagen 983 Phase 102 Phasen des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses Phasengang 1533 Phasensprung 122 Phasenverschiebung 109 Phasenwinkel 578 Phenoplaste 458 Phon-Kurven 118 Phosphatieren 162 Phosphorsäure 152 Photometrie 120 pH-Puffer 154 pH-Wert 153 physikalische Größe 89, 128–130 physikalische Größen und Größenarten 334, 361 Pick-up-Prinzip 1310 Pico 132 Picometer 131 PID-Regelalgorithmus 1557 PID-Regler 1554, 1563, 1565 Pilzschleifkörper 1313 PIM 469 PI-Regler 1554, 1563, 1565 p-Karte 1684 pK-Wert 154 Planck’sches Wirkungsquantum 131 Plandrehen 1660 Planetengetriebe 938 Planfläche 124 Plankalkulation 1722 Planscheibe 1241 Planscheibenlagerung 1293 Planspiegel 124 Planverzahnung 890 Planvorschubbewegung 1189 Plasmanitrieren 440 Plasmaschneiden 1183 Plasmaschweißen 1176 Plastische Verformung 401 Plastisole 709 Plattenführungsschneidwerkzeug 1151 Plattenkondensator 585 Plattieren 483 P-Leitung 575 Pleuel 1281 Pleuellager 830 Pleuelstange 301 Plusbewegung 1375 PM-Fertigungsverfahren 469 PM-Spritzgießen 469 Pneumatik 1435

688

1754

Stichwortverzeichnis

Pneumatikplan 1491 pneumatische Druckförderanlage 985 pneumatische Förderanlage 980 pneumatische Signalspeicherung 1478 pneumatische Steuerung 1435 pneumatischer Antrieb 928 PN-Übergang 575 Poise 128 Poisson-Zahl 128 Poka Yoke 1694 Pol 26, 63 Pol k-ter Ordnung 26 Polarachse 40 Polarisation 123 Polarisatoren 123 Polarkoordinate 40, 1379 Polarkoordinatensystem der Ebene 40 Polarwinkel 40 Polpaar 588, 590 Polpaarzahl 594 Polyamid 461 Polyblend 455, 457 Polybutylen 461 Polycarbonat 461 Polyester 458, 461 Polyethylen 461 Polygonprofil 803 Polyimid 458, 461 polykristalliner Diamant 428 Polymer 455 Polymermatrixverbunde PMC 475 Polymer-Pyrolyse 471 Polymethylmethacrylat 461 Polynom 21 Polynom n-ten Grades 24 Polynom, teilerfremd 26 Polynomdivision 26 Polyoxymethylen 461 Polyphenylether 461 Polypropylen 461 Polytetrafluorethylen 461 Polyurethan 458 Polyvinylchlorid 461 Polzahl 590 Portalkran 951 Portalroboter 1310 Positionierzeit 1661 positive Flanke 1479 Potentialströmung 355 Potenzfunktion 24 Potenzregel 65, 71 Pourbaix-Diagramm 159 PPS-System 1704 Prägen 1166 Prämisse 4 Prandtl-Rohr 356 Prandtlzahl 351 Präzisionskaltwalze 1335 P-Regler 1554, 1562, 1563, 1565 Presse, hydraulische 328, 1330 Presse, mechanische 1336 Pressenauslastungsdiagramm 1282 Pressenstraße, hydraulisch 1340 Presspassung 807 Presssitz 706 Pressung, hydraulische 327

Pressungsfaktor 814, 816 Pressungshöhe 331 Pressungswinkel 876 Pressverband 803, 805, 807, 813 Pressverband (Presssitzverbindung) 801 Pressverband, kegliger 801, 809, 810 Pressverband, zylindrischer 801 Primärbedarf 1709 Primärkristall 406 Primfaktorzerlegung 5 Primzahlen 5 Prinzip des kleinsten Zwangs 150 Prisma 123, 125, 181 Probestab 248 Problem 682 Problemlöser 683 production on demand 1721 Produkt, äußeres 53 Produkt, inneres 52 Produkterprobung 678 Produktforschung 677 Produktgebrauch 678 Produktgliederung 1588 Produktherstellung 677 Produktionscontrolling 1724 Produktionsleitebene 1431 Produktionslogistik, Hauptaufgaben 1701 Produktionsplanung 1635 Produktionsprogramm 1709 Produktionssteuerung 1635 Produktivität 1233 Produktlebenszyklus 677, 693 Produktplanung 677 Produktregel 64 Produktzeichen 4 Profibus-DP 1511 Profillinie 182 Profilschleifmaschine 1326 Profilschleifzentrum 1319 Profilstahl 180 Profilüberdeckung 884, 891 Profilverschiebung 871, 873, 874, 879, 884, 888, 891 Profilverschiebungsfaktor 874, 878, 879 Profilverschiebungsfaktor, praktischer 874 Profilverzerrung 1208 Profilwellenverbindung 803 Programm (PROG) 1499 Programmablaufplan 1451 Programmanfang 1389 Programmende 1389 Programmierbeispiel 1403 Programmiergerät 1498 Programmierung 1501 Programmkommentar 1390 Programmnamen 1389 Programmnullpunkt 1376 Programmnummer 1389 Programmsatz 1389 Programmschleife 1408, 1411 Programmsteuerungen 1297 Programmstruktur einer SPS 1499 Programmteilwiederholung 1411 Projektkosten 1591 Projektmanagement 1590 Projektmanagement, Aufgabe 1590 Propan 554, 561

1755 Stichwortverzeichnis

Proportionalbereich 1554 Proportionalbereich/Stellbereich 1549 Proportionalfunktion 23 Proportionalitätsfaktor 23 Proportionalitätsgrenze 300 Proton 135 Prozess 1433 Prozess, nicht beherrscht 1688 Prozessbeherrschung 1690 Prozessfähigkeit 1690, 1691 Prozessfähigkeit, vorläufig 1692 Prozessfähigkeitskennwert 1691 Prozessfähigkeitsuntersuchung 1690 Prozessfähigkeitsuntersuchung, vorläufig Prozessleitebene 1431 Prozessoptimierung 1589 Prozessorientierung 1679, 1680 Prozessqualität 1677 Prozesssicht 1582 Prozessvorlaufuntersuchung 1690 Prozesszeit 1660 Prüfmittelfähigkeitsuntersuchung 1691 PT0 -Regler 1563 PT0 -Strecke 1544 PT1 -Regler 1563 PT1 -Strecke 1539, 1544 PT2 -Regler 1563 PT2 -Strecke 1541, 1544 PT2 T1 -Strecke 1544 PTn -Regler 1563 PTn -Strecke 1544 Pulverherstellung 469 Pulvermetallurgie 469 Punktfehler 400 Punktlast 836, 837 Punktmenge 3, 39 Punktschweißen 1179 Punktsteigungsform 41 Punktsteuerungsverhalten 1381 PVD-Verfahren 484 Pylon 987 Pyramide 181 Pyramidenmantel 180 Pyramidenstumpf 181

1691

Q QM-Normen 1677 Quadrant 34 quadratische Matrix 11 Qualität 1677, 1679 Qualitätselement 1679 Qualitätsforderung 1679 Qualitätsmanagement 1677, 1679 Qualitätsmanagementmethode 1683 Qualitätsmanagementsystem 1679 Qualitätsregelkarten (QRK) 1684 Qualitätsregelkarten für attributive Daten 1684 Qualitätsregelkarten für variable Daten 1684 Qualitätssicherung 1633, 1679 Qualitätsüberwachung, statistisch 1683 Qualitätswesen 1679 Quantenzahlen 137 quantisiert 1459 Querdehnung 246 Querdehnzahl 805

Querhaupt 1331 Querkraft 244, 245, 248, 262, 272, 273, 275, 276, 740, 753 Querkraftfläche 273, 274 Querkraftlinie 274, 275 Querlager 197 Querpressverband 805 Querschnittsgestaltung 264 Querschnittskern 319 Querschnittsnachweis 254, 262, 308, 310 Querschnittsverhältnis 377 Querstiftverbindung 802, 816 Querstörung 111 Querwelle 111, 123 Quotientenregel 65

R Radaflex-Kupplung 824 Radform 1025 Radial-Axial-Ringwalzmaschine 1333 Radialdichtring 834 Radialfaktor 831 Radialfräsen 1213 Radialgleitlager 853, 861 Radialkraft 879, 885, 892, 1210 Radiallager 829, 834, 836, 837, 860 Radialspannung 806 Radialturbine 1017 Radialvorschub 1214 Radialvorschubgeschwindigkeit 1213 Radialzustellung 1214 radioaktive Altersbestimmung 137 Radioaktivität 136 Radschaufel 1021 Radversetzung 880 Rammen von Pfählen 238 Randfaserabstand 265 Randschichthärten 438, 483 Rapid Prototyping 1348 Rationalität, technisch wirtschaftlich 1613 Rauchgas 551 Rauchgasentschwefelung 153 Rauigkeitswerte, Rohre 345 Raumanteil 540 Räumen 1204, 1205 Raumgewicht 989 Räumkraft 1204 Räumlänge 1204 Räumnadel 1204 Raumnetzmolekül 456 Raumpunkt 122 Raumwinkel 120, 128, 388 Rautiefe 1190 Reaktionsenthalpie 150 Reaktionsform 462 Reaktionsgeschwindigkeit 150 Reaktionsharzbeton 1256 Reaktionsklebstoff 711 Reaktionsschaumguss RSG 462 Realteil 6 Rechnen 1658 Rechnen mit komplexen Zahlen 7 Rechnen, genauer 1659 Rechnen, genauest 1659 Rechnen, überschlägig 1658 Rechteckfeder 772

P–R

1756

Stichwortverzeichnis

Rechteckgewinde 196 Rechte-Hand-Regel 573 Rechtskrümmung 68 Rechtslauf 588 Rechtssystem 39, 40 Recken 1166 Recklast 918 Reckwalzmaschine 1334 Redoxgleichungen 157 Redoxreaktion 151, 409 Reduktion 151, 157 Reduktion von Trägheitsmomenten 229 Reduktionsmittel 409 REFA 1619 Referenzpunkt 1376 Reflexion 122–124 Reflexionsgesetz 124 Reflexionsgrad 124 Reflexionsschallverfahren 119 Regalbediengerät 951 Regalförderzeug 951 Regel von Hund 140 Regel von Sarrus 15 Regelabweichung, abweichende 1554 Regelabweichung, bleibende 1560 Regelalgorithmus 1556, 1567 Regelbarkeit 1543 Regeldifferenz 1527, 1528, 1554 Regeleinrichtung 1525–1527 Regelglied 1528, 1547 Regelgrenze 1685 Regelgröße 1525, 1526 Regelkarten für Verfahrenstechnik 1685 Regelkreis 1530 Regelkreis einer numerischen Achse 1301 Regelmäßige Lasten 944 Regelstrecke 1525, 1535, 1543 Regelstrecken mit Ausgleich 1536 Regelstrecken mit Totzeit, (Tt -Strecken) 1542 Regelstrecken mit Verzögerung 1539 Regelstrecken ohne Ausgleich 1538 Regelung mit einer SPS 1566 Regelwerk 1569, 1571 Regler 1528, 1547, 1554 Regler mit D-Verhalten, D-Regler 1551 Regler mit I-Verhalten, I-Regler 1550 Regler mit PID-Verhalten, PID-Regler 1552 Regler mit P-Verhalten 1548 Regler, quasistetige 1556 Regler, stetige 1547 Regler, unstetige 1547 Reglerauswahl 1562 Reibahle 1218 Reiben 1218 Reibung 190 Reibung auf der schiefen Ebene 193 Reibung bei monotoner Bewegung 1264 Reibung in Getrieben 194 Reibungsart 479 Reibungsbremse 932 Reibungsenergie, spezifisch 340 Reibungskegel 191 Reibungskennzahl 349 Reibungskraft 190 Reibungskraft im Gewinde 196 Reibungskupplung 824

Reibungsleistung 198, 856 Reibungsschweißen 1181 Reibungsverhältnis 849 Reibungswiderstand 351 Reibungswinkel 190, 810 Reibungszahl 191, 856 Reibungszahl für metrisches ISO-Regelgewinde 750 Reibungszahl im Gewinde 196 Reibungszahl, Bestimmung 191 Reibungszustand 479, 480 Reihe 57 Reihe, alternierende 60 Reihe, arithmetische 59 Reihe, arithmetische, endliche 59 Reihe, endlich 58 Reihe, endlich alternierend 60 Reihe, endlich harmonische 59 Reihe, geometrische 59 Reihe, harmonische 59 Reihe, konvergent unendliche 58 Reihe, Partialsumme 58 Reihe, Summe 58 Reihe, Teilsumme 58 Reihe, unendlich 58 Reihe, unendlich alternierend 60 Reihe, unendlich harmonische 59 Reihe, unendliche, bestimmt divergent 58 Reihe, unendliche, divergente 58 Reihe, unendliche, unbestimmt divergent 58 Reihenbildung 908 Reihenfertigung 1629 Reihenschaltung 104, 582, 1464 Reihenschlusswicklung 588 Reinkupfer 447 Reißdehnung 463 Reißen 1146 Reißlänge 257, 258 Rekombination 575 Rekristallisation 402 Rekristallisationsglühen 434 Rekristallisationsschaubild 435 Rekursion 55 Relais 1441 Relativbemaßung 1378 relative Permeabilität 574 relative Permittivität 586 relative Wandrauigkeit 343 Relativkostenkataloge 1636 Reluktanz 593 Rendite 1581 Rentabilitätsrechnung 1603 Resonanz 108 Resonanzdrehzahl 108 Resonator 108 Restaustenit 436 Resultierende 167, 168, 172 Resultierende, Arbeitsplan zur zeichnerischen Bestimmung Resultierende, rechnerische Bestimmung 172, 175 Resultierende, zeichnerische Bestimmung 172 Return on Investment 1581 Reynoldszahl 342, 344, 348, 350, 351, 371 Rheologie 339 Richtgröße 103, 107 Richtung 571 Richtung, mathematisch positive 33 Richtungskoeffizient 41

172

1757 Stichwortverzeichnis

Richtungskonstante 854, 855 Richtungswinkel 172 Richtwerte für Bearbeitungszugaben 1661 Richtwerte für Bohrarbeiten 1218 Richtwerte für das Rüsten 1663 Richtwerte für den Vorschub 1660 Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit 1198, 1203 Richtwerte für die Schnittgeschwindigkeit beim Bohren 1219 Richtwerte für die spezifische Schnittkraft 1202 Richtwerte für die Standzeit 1660 Richtwerte für Schleifscheibengeschwindigkeit 1225 Richtwerte für Schnittgeschwindigkeiten 1211 Richtwerte für spezifische Schnittkraft beim Bohren 1217 Richtwerte für Werkstückgeschwindigkeit beim Schleifen 1225 Richtwerte für Zahnvorschub 1211 Richtwerttafel für Schnittgeschwindigkeit 1195 Riemann, Bernhard 74 Rillendichtung 833 Rillenfräser 1213 Rillenkugellager 829–832, 841 Ringfeder 771 Ringfederspannverbindung 802, 813, 815 Ringproduktion, Systemlösung 1333 Ringrohlingpresse 1332 Ringschmierung 860 Ring-Spurlager 858, 861 Ring-Spurplatte 858 Ringwalzmaschine 1331 Risikobeurteilung 1518 Risikoeinschätzung 1518 Ritter’sche Schnittverfahren 189 Ritzel 895 Ritzel-Teilkreisdurchmesser 885 Ritzelwelle 880 Ritzelzähnezahl 880, 885 Ritzel-Zahnstangen-Trieb 1284 R-Karte 1685 Roboter 1349 Rohnietlänge 728 Rohrbogen 339 Rohrgeometrie 372 Rohrkrümmer 338, 345 Rohrreibungsbeiwert 341, 342, 344, 350, 371, 373 Rohrströmung, reibungsbehaftet 340, 371 Rohrverbindung 712 Rohstahl 409 Rollbedingung 199 Rolle 171, 199 Rolle, lose 200 Rolle, Wirkungsgrad der festen 199 Rolle, Wirkungsgrad der losen 200 Rollen 1157 Rollen- oder Nadelführung 1268 Rollenförderer 964 Rollenfreilauf 936 Rollengewindetrieb 1284 Rollenlagerung 765 Rollenumlaufschuh 1270 Rollenumlaufumlaufeinheiten 1270 Rollenzug 200 Rollenzug, Wirkungsgrad 200 Rollkörper 198 Rollkraft 198 Rollreibung 198 Rollwiderstand 198, 199, 991 Rossbyzahl 351

Rotation 226 Rotationsachse 45 Rotationskörper 76 Rotor 587, 590 RS-Schaltfunktion 1474 Rückfederung 1154 Rückführungsgröße 1526 Rücklaufgeschwindigkeit, mittlere 1201 Rücklaufsperre 932, 935 Rücklaufzeit 1200 Rücksprunghöhe 239 Rückstellkraft 102–105, 107 Rückstellmoment 105 Rückwandecho 119 Rückwärtsfließpressen 1162 Rückwärtszähler 1485 Ruheenthalpie 365 Ruhemasse 131 Ruheschallgeschwindigkeit 365, 377 Ruhezustand 376 Run 1687 Rundfräsen 1213 Rundgewinde 735 Rundgliederkette 918 Rundlitzenseil 910 Rundmotor (Torque-Motor) 1317 Rundschleifen 1224, 1226 Rundvorschubgeschwindigkeit 1213 RUPEX-Kupplung 823 Ruß 551, 560, 561 Rüsten, ablaufbedingtes Unterbrechen 1651, 1654 Rüsten, Hauptnutzung 1654 Rüsten, Haupttätigkeit 1651 Rüsten, Nebennutzung 1654 Rüsten, Nebentätigkeit 1651 Rüsterholzeit 1653 Rüsterholzeitzuschlag 1651, 1653 Rüstgrundzeit 1650, 1653 Rüstverteilprozentsatz 1652 Rüstverteilzeit 1652, 1653 Rüstverteilzeitzuschlag 1652 Rüstzeit 1637, 1653 Rutschbeiwert 804, 810 Rutschförderer 964 Rydberg-Konstante 131

S Safety 1517 Sägengewinde, metrisches 735 Salpetersäure 152 Salzbadnitrieren 483 Salzbadnitrocarburieren 440 Salze 142, 151 Salzsäure 152 Sammellinsen 126 Sammelpunkt 126 Sampling 1459 Sattelpunkt 69 Satz 1389 Satz von d’Alembert 225 Satz von Steiner 227 Satzanfang 1390 Satzaufbau 1390 Satzende 1390 Satzformat 1391

R–S

1758

Stichwortverzeichnis

Satznummer 1392 Säubern 709 Sauerstoff 551, 552 Sauerstoffbedarfscharakteristik 555 Sauerstoffkorrosion 159 Saug- und Druckförderanlagen 983 Saugheber 924 Saugrohr 1024 Säulendrehkran 949 Säulenführungsschneidwerkzeug 1151 Säure 151 Säure-Base-Reaktion 151 Säure-Base-Titration 154 Säurebildner 140 saurer Regen 153 Schablone 1136 Schabmaschine 1324 Schabotte 241 Schaftquerschnitt 743 Schaftschraube 751 Schäkel 920 Schalenformverfahren 1144 Schalenkreisförderer 967 Schalenkupplung 822 Schall 117 Schallausbreitung 361, 362 Schalldruck 117, 119 Schallenergie 117 Schallgeschwindigkeit 117, 118, 362, 364, 377 Schallimpuls 119 Schallschluckung 117 Schallschnelle 117 Schallstärke 117 Schallstärkenvergleich 118 Schallwechseldruck 117 Schallwelle 117, 118 Schaltalgebra 1463 Schaltdifferenz 1566 Schaltfunktion 1467 Schaltgetriebe 880, 992, 1280 Schaltgliedertabelle 1450 Schaltkreis 1447 Schaltkupplung 821, 824, 825 Schaltmuffe 825 Schaltnetz 1453 Schaltnetzteil 587 Schaltplan 1436, 1446 Schalttabelle 1446, 1455, 1464 Schaltwerk 1454 Schattenbildung 120 Schattenraum 122 Schätzen nach betriebseigenen Aufzeichnungen 1658 Schätzen nach Erinnerung 1658 Schaubild der Funktion 18 Schaufelprofil 1009 Schaufelradlader 985 Scheibe 740 Scheibenbremse 935 Scheibenfräser 1213 Scheibenkupplung 821 Scheibenrad 896 Scheinleistung 581 Scheitelform 23 Scheitelpunkt 23 Scheitelwert 577 Schenkelfeder 770, 772

Schenkelpolläufer 593 Scherfestigkeit 1148 Scherkraft 711 Scherschneiden 307, 1146 Scherspannung 729 Scherströmung 349 Schichtung 776 Schichtverbund 474 Schiebesitz 706 schiefer Verdichtungsstoß 382 Schlacke 551, 560–562 Schlagart 911 Schlagbiegeversuch 463 Schlagrichtung 911 Schlankheitsgrad 300, 304 Schlankheitsgrad, bezogener 304 Schleifen 1224, 1311 Schleifkraft 1224 Schleifkraft, spezifische 1225 Schleifleistung 1224 Schleifringläufer 591 Schleifscheibe 1224 Schleifscheibengeschwindigkeit 1224 Schleifzentren für zeitliche Nacheinanderbearbeitung 1312 Schleifzentren für zeitliche Parallelbearbeitung 1313 Schleppkreisförderer 966, 967 Schleuderguss 1142 Schlichträumen 1205 Schließer 1446 Schlitten 1255 Schlitzen 1166 Schlitzmutter 736 Schlupf 591, 592 Schlüsselzahl 1391 Schlusslinie 275 Schmalführung 1263 Schmelze 512, 1138 Schmelzen 400 Schmelzenthalpie 512 Schmelzflusselektrolyse 162 Schmelzklebstoff 709 Schmelzleiter 599 Schmelzpunkt 512 Schmelzschweißen 1169 Schmelzsicherung 599 Schmelztauchen 483 Schmelzwärme 512 Schmieden 1166 Schmieden mit Hammer 238 Schmiedepresse, mechanische 1329 Schmierring 860 Schmierspalthöhe 857 Schmierstoffdurchsatz 857 Schmierstofftemperatur 857 Schmierung 1165 Schmierung der Gleitlager 859 Schmierung und Kühlung mit Schneidöl 1200 Schmierung, Zahnradgetriebe 896 Schmierungsart 859 Schmierverfahren 859 Schmiervorrichtung 859, 860 Schnecke 891 Schneckenfräsen 1213 Schneckengetriebe 867, 891 Schneckenlänge 891 Schneckenrad 891, 893

1759 Stichwortverzeichnis

Schneckenradfräsen 1213 Schneckenwelle 834 Schneid- und Umformautomat 1336 Schneiddüse 1350 Schneide 1191 Schneidenbelastung 1190 Schneidenecke 1191, 1206, 1401 Schneidenkühlung 1200 Schneidenlänge 1190 Schneidenradius 1402 Schneidenradiuskompensation 1401 Schneidenradiuskorrektur 1401 Schneidenüberhöhung 1193, 1194 Schneidenwinkel 1192 Schneidenzugabe 1200 Schneiderodiermaschinen 1347 Schneidfase 1209 Schneidkopf 1349, 1351 Schneidspalt 307, 1147, 1150 Schneidstoff 428 Schneidstoff-Korrekturfaktor 1197 Schneidwerkzeug 1149 Schnellarbeitsstahl 428 Schnellschnittstahl 1192 Schnittbewegung 1189, 1192, 1206, 1224 Schnittbogenlänge 1190 Schnittbreite 1204, 1206, 1207 Schnitte, Anzahl 1658 Schnittebene 1191 Schnittfläche 1191 Schnittgeschwindigkeit 1189, 1195, 1198, 1199, 1203, 1205, 1206, 1210, 1211, 1216, 1218, 1219, 1658 Schnittgeschwindigkeit, Fräsen 1212 Schnittgeschwindigkeit, Wahl 1202 Schnittgeschwindigkeits-Korrekturfaktor 1197 Schnittgröße 1190, 1207 Schnittigkeit 728 Schnittkraft 307, 1149, 1189, 1194, 1204, 1209, 1216 Schnittkraft, spezifische 1194–1196, 1205, 1208, 1211, 1216 Schnittleistung 1195, 1210, 1211, 1216, 1225 Schnittrichtung 1189, 1191 Schnittstelle 1450 Schnittstellenfunktion 1497 Schnitttiefe 1189, 1190, 1206, 1207 Schnittverfahren 243 Schnittverfahren am Zahn eines Zahnrades 244 Schnittvorschub 1206–1208 Schnittzeit 1200 SCHNORR Tellerfeder 779 Schnorr-Sicherung 739 Schornstein 561 Schornsteinzug 561 Schrägeinstechschleife 1313 Schrägführung, elektronische 1323 Schrägkugellager 829, 843 Schrägrohrmanometer 357 Schrägstellung des Drehmeißels 1194 Schrägstirnrad 883 Schrägungswinkel 883–885 Schrägverzahnung, Kraftverhältnis 885 Schrägzahn 890 Schrägzahn-Stirnrad, Abmessung 884 Schraube 196, 289 Schraube, Nachgiebigkeit 748 Schraubenart 736 Schrauben-Druckfeder 783, 784

Schraubenfeder 770, 782 Schraubenfederpendel 103 Schraubengang 196 Schraubenkraft 740, 741, 749 Schraubenlängskraft 196 Schraubenlinie 196, 735 Schraubenquerschnitt 748 Schraubensicherung 739 Schraubenstahl 739 Schraubenverbindung 735 Schraubenverbindung, Anziehen 740 Schrauben-Zugfeder 783 Schraubradgetriebe 867 Schraubverbindungen 947 Schraubzwinge 317 Schritt 1434 Schrittfrequenz 594 Schrittmotor 593 Schrittzahl 593 Schrumpfen 727, 803, 806, 1166 Schrumpfung 1169 Schruppen 1218 Schruppräumen 1205 Schub 307 Schubkraft 245 Schubkurbel 1280 Schubkurbelgetriebe 170, 213, 214, 244 Schubmodul 128, 247, 251, 312 Schubmodul-Temperaturkurve 463 Schubspannung 245, 310, 339, 341 Schubspannungsgeschwindigkeit 339 Schubspannungsverteilung 308 Schubstange 170, 213 Schubstangenverhältnis 213 Schubumformen 1154 Schulterkugellager 829 Schüttgewicht 989 Schutz des Bedienpersonales 1350 Schütze 1441 Schutzgasschweißen 1172 Schutzleiter 582 Schutzschicht 478 Schwarzer Temperguss 430 Schwefeldioxid 561 Schwefelsäure 152 Schweißen 1169 Schweißen von Blech 722 schweißgeeigneter Feinkornbaustahl 418 Schweißgleichrichter 1170 Schweißkonstruktion 717 Schweißnaht, Darstellung 714 Schweißnahtausführung 714 Schweißnahtbezeichnung 714 Schweißnahtgüte 716 Schweißnahtlänge 721 Schweißnahtprüfung 492 Schweißposition 715 Schweißverbindung 277, 947 Schweißverfahren 713 Schwellbeanspruchung 249 Schwellfestigkeit 250 Schwenkmotor 1440 Schwerependel 105 Schwerpunkt 177, 183 Schwerpunkt einer ebenen Fläche 177 Schwerpunkt eines ebenen Liniengebildes 178

S

1760

Stichwortverzeichnis

Schwerpunkt eines Körpers 177 Schwerpunkt wichtiger Linien, Flächen und Körper 178 Schwerpunkt, rechnerische Bestimmung 177 Schwerpunktabstand 177, 180 Schwerpunktbestimmung 182 Schwerpunktbestimmung eines Liniengebildes, rechnerisch Schwerpunktbestimmung, einer Fläche, rechnerisch 178 Schwerpunktbestimmung, rechnerisch 177 Schwerpunktmethode 1574 Schwerpunktsabstand 182 Schwimmen 333 Schwimmlage, labile 334 Schwimmlage, stabile 334 Schwimmreibung 850, 861 Schwingrinne 978, 979 Schwingung 100 Schwingungsdämpfung 107 Schwingungsdauer 102, 111 Schwingungsformen 117 Schwingungsgleichung 111 Schwingungszahl 212 Schwungrad 1281, 1283 SCL 1501 SCR-Katalysator 992 SCR-Verfahren 153 Sechskantmutter 736 Sechskantschraube 736, 758 Sechs-Sigma-Management 1694 Sechs-Stufen-Methode 1620 Security 1517 Seemeile 128 Segment-Spurlager 859 Sehne 66 Seigerung 408, 410 Seilendverbindung 915 Seilfestigkeitsklasse 911 Seilklasse 911 Seilkonstruktion 910 Seilreibung 199 Seilrolle 732, 914 Seilschloss 915 Seiltrieb 909, 915, 916 Seiltrommel 914 Seilwinden für den Forsteinsatz 942 Seitenkraft 332 Sekante 66 Sekundärmetallurgie 409 Sekunde 92 Selbsterregte Schwingungen 1262 Selbsthaltung 1477 Selbsthemmung 196, 201 Selbsthemmung der Schnecke 892 Selbsthemmung, Bestimmung 191 Selbsthemmungsbedingung 191 selbsttätig/automatisch 1431 selektive Angriffsform 478 Senker 1218 Senkerodiermaschinen 1346 Senkkerbnagel 764 Senkniet 727 Senkrecht-Bearbeitungszentrum 1310 Senkschraube 736, 758 Sensor 1442 Servoregler 594 Setzbetrag 742 Setzen 727, 741

178

Setzkraft 741, 749 Setzstock 1240 Sherardisieren 441 Shuttle 953 Shuttle-System 953 Si-Carbid 472 Sicherheitsanforderung 1521 Sicherheitsbeauftragter 1617 Sicherheitskupplung 821, 825 Sicherheitsnachweis gegen Dauerfestigkeit 795 Sicherheitsnachweis gegen Fließgrenze 797 Sicherheitsnachweise 948 Sicherheitssystem 932 Sicherung, formschlüssige 739 Sicherungselement 765 Sicherungsmutter 739 Sicherungsring 765 Sicherungsringe für Wellen und Bohrungen 793 Sicherungsscheibe 765 Sicken 1162 Sieden 513 Siedepunkt 513 SI-Einheit 128 Signal 1445, 1458, 1459 Signalgeschwindigkeit 571 Signalpegel 1459 Signalverarbeitungsfunktion 1497 Signalzustand 1498 Silicieren 441 Siliciumguss 433 Silikon 458 Simulation 1557 Simulation einer Regelstrecke 1557 Simultanverzweigung 1458 Si-Nitrid 472 Sintermetall 852 Sintern 1135 Sinus 33 Sinusfunktion 35 Sinuskurve 35 Sinus-Lamellenkupplung 825 Sinussatz 36 Sinusschwingung 117 Skalar 50 Skalarprodukt 52 s-Karte 1685 Slab-Laser 1177 Solarenergie 551 Sol-Gel-Verfahren 471 Solidus-Linie 405 Soll-Leistung 1659 Solltermin 1637 Sollwert 1526, 1566 Sollzeit 1649 Soll-Zeiten bestimmen 1658 Solvatation 143 Sommerfeldkonstante 855 Sommerfeldzahl 351, 855 Sonderguss 429 Spalt 122 Spaltdichtung 833 Spalten 1146 Spaltenvektor 51, 52 Spalthöhe 857 Spaltkorrosion 478 Spaltströmung 348

1761 Stichwortverzeichnis

Spanabnahme 1189, 1201 Spanbildung 1189, 1224 Spanfläche 1191, 1192, 1206 Spanflächenfase 1191 Spangröße 1190 Spannelement 814, 815 Spannen in Vorrichtungen 1249 – koaxial 1248 – magnetisch 1252 – mit plastischen Medien 1251 – pneumatisch 1253 Spannexzenter 1251 Spannhülse 764 Spannkraft 814, 816 Spannmittel 1250 Spannmittelnullpunkt 1376 Spannsatz 814, 815 Spannspirale 1250 Spannstift 764 Spannung 245, 249, 309, 583 Spannung, elektrische 129 Spannung, reduzierte 319, 750 Spannungsart 245 Spannungsausschlag 249 Spannungsbegriff 245 Spannungsbild 244 Spannungsbild bei Biegung 263 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 488 Spannungserhöhung 250 Spannungsnachweis 254, 262, 308, 310, 756 Spannungsquerschnitt 743, 744, 748, 753 Spannungsreihe 157 Spannungsspitze 250, 252 Spannungssystem 244 Spannungsverteilung im unsymmetrischen Querschnitt 263 Spannverbindung 812 Spannweite 1684 Spannzange 1240 Spanungsbreite 1190 Spanungsdicke 1190, 1204, 1205 Spanungsdickenexponent 1195 Spanungsgröße 1190, 1207 Spanungsquerschnitt 1189, 1190, 1194, 1208, 1215, 1224 Spanungsvolumen 1211 Spanungsvolumen, spezifisches 1211 Spanvolumen 1204 Spanwinkel 1192, 1194, 1205, 1209 Spanwinkel, negativer 1192 Spanwinkel-Korrekturfaktor 1197 Spatprodukt 54 Speedbar-Technologie 1338 Speicher 1473 Speicherfunktion 1473 Speichernde Einschaltverzögerung (SS) 1480, 1481 Speicherprogrammierte Steuerung (SPS) 930, 1298, 1440, 1473, 1497 Spektralanalyse 120 Spektrenanalyse 123 Spektrum 119, 120, 123 Sperrrichtung 576 Sperrventil 1437 Spezialvorrichtung 1242 spezifische Gaskonstante 129 spezifische innere Energie 129 spezifische Wärme 129 spezifische Wärmekapazität 129 spezifischer Energie-Werkzeug- und Hilfsstoffverbrauch 1236

Spezifischer Widerstand 572 Spiel 698 Spieleinstellung 1266 Spindel 756 Spindeldrehzahl 1395 Spindelflansch 1288, 1289 Spindelführung 756 Spindelkopf – mit zwei Motoren 1280 Spindellager 1291 Spindelpresse 1331 Spinnendiagramm 686 Spiralbohrer 1218 Spiralfeder 770, 773 Spiralkegelrad-Verzahnmaschine 1327 Spiralkegelrad-Wälzschleifmaschine 1328 Spiral-Stift 765 Spiralturbine 1020 Spiralzahn 890 Spitze 45 Spitzengrenze 874 spitzenlose Schleifautomaten 1313 Spitzgewinde 196 Splint 765 Sprengkraft 813 Sprengring 765 Spritzgießen 459, 460 Spritzguss 1144 Sprung 884 Sprungantwort 1531, 1534, 1538, 1540, 1542, 1544, 1549, 1554 Sprungstelle 63 Sprungüberdeckung 884, 891 Sprungwinkel 890 SPS 1547 Spule 573, 585 Spurzapfen 858 Spurzapfenreibung 198 Squeeze-Film-Dämpfer 1271 SR-Schaltfunktion 1474 ST 1501 Stabdreieck 186 Stabilität 306, 1560 Stabilitätsbedingung 334 Stabilitäts-Hauptgleichung 303, 306 Stabilitätsnachweis 304 Stabilitätsuntersuchung 1560 Stabkraft, Ermittlung 187 Stabstelle 1587 Stadtgas 561 Stahlbandkupplung 823 Stahlguss 415, 429, 1140 Stahlgusssorte 418 Stamm-Arbeitsplan 1635 Stammfunktion 71 Standardabweichung 1684 Standardisierung 908 Ständer 587, 588 Standguss 411 Standlänge 1666 Standsicherheit 184 Standzeit 1192, 1197, 1662 Standzeiterhöhung 1194 Stangenbearbeitungszentrum 1308 Stanzkopf 1341 Stanz-und Laserschneidmaschinen 1340 Stapelbehälter 925

S

1762

Stichwortverzeichnis

Stapelkran 951 Stapler 958 Startloch 1348 Statik 167 Statik der ebenen Fachwerke 185 statisch bestimmt 187 statisch unbestimmt 186, 187 statische Bestimmtheit 186 statischer Druck 383 statisches Verhalten 1531 Statistical Process Control 1683 Statistische Prozessregelung (SPC) 1683 Stator 587, 588, 590 Stauanlage 1019 Staucharbeit 1167 Stauchen 1166, 1167 Stauchkraft 1167 Stauchung 246 Staudruck 344 Steadit 410 Stechen 1157 Stefan-Boltzmann-Konstante 131 Stehlager 834, 860 Steiggeschwindigkeit 206 Steighöhe 206 Steigung 41 Steigungswinkel 196, 1209 Steigzeit 206 Steilflankennaht 713 Steilkegel 1289 Steiner’scher Verschiebesatz 265, 268 Steinkohle 551 Stellengliederung 1587 Stellglied 1434, 1528 Stellgröße 1433, 1434, 1525, 1526, 1569 Stellort 1526 Stellring 765 Stellschalter 1441 Sternschaltung 579 Sternspannung 579, 582 stetige Regler 1548 Stetigförderer 973 Stetigförderer für Schüttgut 973 Stetigförderer für Stückgut 964 Steuereinrichtung 1433, 1434 Steuerkette 1525 Steuerkurve 1296 Steuern 1433 Steuerstrecke 1433, 1434 Steuerstromkreis 1449 Steuerung 1431 Steuerung mit Rücksetzkreis 1434 Steuerung mit Störgrößenerfassung 1434 Steuerungen in der Fördertechnik 929 Steuerungsart 1381, 1452 Steuerungsfunktionen im Einschaltzustand 1404 Steuerungsmittel 1434 Steuerungstechnik 1525 Steuerwerk 1498 Stichlocheffekt 1177 Stichprobengröße 1684, 1686 Stickoxide 561 Stick-slip-Bewegungen 1265 Stickstoff 552 Stickstoffcharakteristik 555 Stift 764

Stiftschraube 736 Stiftverbindung 802 Stirnabschreckprobe 491 Stirnabschreckversuch 491 Stirnen 1206, 1207, 1212 Stirnflachnaht 713 Stirnfräsen 1207, 1212 Stirnfugennaht 713 Stirnmitnehmer 1239 Stirnmodul 884, 893 Stirnrad, geradeverzahnt 243 Stirnradgetriebe 867 Stirnteilung 884 Stöchiometrie 148 Stoffeigenschaft ändern 433 Stoffklasse 163 Stoffmenge 149 Stokes 128, 853 Stokeszahl 351 Störbereich 1527 Störgröße 1433, 1434, 1525, 1527, 1569 Störort 1527 Störung 1433 Störverhalten 1560, 1564 Stoß 239 Stoß, elastischer 236 Stoß, gerader zentrischer 235 Stoß, unelastischer 237 Stoß, wirklicher 239 Stoßabschnitt 236 Stoßart 713 Stoßbegriff 235 Stoßdiffusor 385 Stößel 1281 Stoßen 1201 Stoßnormale 236 Stoßzahl 239 Strahlablenker 1022 Strahlkontraktion 369 Strahlungsaustauschkonstante 129 Strahlungsaustauschzahl 550 Strangguss 411, 1141 Strebe 185 Streckdehnung 463 Strecke mit Ausgleich 1535, 1544 Strecke mit Totzeit 1544 Strecke mit Verzögerung 1544 Strecke mit Verzögerung höherer Ordnung 1536 Strecke ohne Ausgleich 1535, 1544 Strecke ohne Totzeit 1544 Strecke ohne Verzögerung 1544 Streckenlast 273, 276 Streckensteuerung 1298, 1381 Streckgrenze 306, 489 Streckspannung Y 463 Streckungsfaktor 23 Streckziehen 1158 Streulicht 124 Strom 571 Stromfaden 335 Stromlaufplan 1449 Stromlinie 335, 336, 365–367, 377, 383, 385 Stromnetz 596 Stromröhre 335 Stromstärke 571, 583 Stromstärke, elektrische 129

1763 Stichwortverzeichnis

Strömung, adiabat 361, 373 Strömung, instationär 360 Strömung, isentrop 378 Strömung, laminar 341 Strömung, reibungsbehaftet 339 Strömungsparameter 378 Strömungsübergang 342 Strömungsvorgang, instationär 359 Strömungswiderstand 350 Stromventil 1437 Stromzähler 582 Strouhalzahl 351, 352, 354 Strukturformeln nach Lewis 144 Strukturierter Text 1446, 1501 Stückgutrutsche 965 Stückliste 1636, 1705 Stücklohn 1659 Stufe IV 991 Stufensprung 697 Stufung 697 Stülpmittelpunkt 774 Stumpfstoß 713 Stützfläche 170 – in Vorrichtungen 1246 Stützkraft 273, 275, 1209 Stützlager 830 Stützlagerung 1289 Stützring 830 Stützträger 171, 286, 287 subsonische Strömung 368 Substitution 72 Substitutionsmethode 72 Substrat 483 Subtraktion zweier Vektoren 51 Südpol 573 Sulfidfällung 155 Summationsindex 4 Summenbremse 201 Summenregel 64, 72 Summenzeichen 4 Superfinish-(Kurzhub-Hon)-Maschine 1357 Superplastitzität 403 supersonische Strömung 368 Supply Chain Management 1720 Supraleiter 405 Swingarm-Technologie 1337 Swivelarm-Technologie 1339 Symmetrie 69 synchrone Drehzahl 590 synchrone Steuerung 1445 Synchronmotor 592 Synthese 135 System 682, 1433 System, abgeschlossen 515 System, adiabat 515 System, geschlossen 515 System, offen 515 System, ruhend 515 System, statisch unbestimmtes 259 System, thermodynamisch 515 Systeme vorbestimmter Zeiten 1657 Systemfunktion (SFC) 1500 Systemfunktionsbaustein (SFB) 1500 Systemgrenze 335, 336, 366, 515 Systemsoftware 1299 Systemspeicher 1499

Systemumhüllende

479

T Tt -Regler 1563 Tabelle 1446 Taktmerker 1483 Taktsignal 1445 Taktstraße 1317 Taktzeit 1629 Talkum 481 Tangens 33 Tangensfunktion 35 Tangenskurve 35 Tangente 67 Tangentialbeschleunigung 95, 209 Tangentialkraft 226 Tangentialkraft, Drehung 217 Tangentialspannung 806 Target Costing 1607 Taster 1441 Tätigkeitszeit 1651, 1652 Tätigkeitszeit, beeinflussbar 1651 Tätigkeitszeit, unbeeinflussbar 1651 Tauchfräsen 1213 Tauchschmierung 860 Taupunkt 561 Taupunkt der Verbrennungsgase 561 Taupunkttemperatur 561 Teamarbeit 1587 technische Schutzrechte 687 technologische Eigenschaft 393 technologischer Biegeversuch 491 Teilchenstrom 403 Teilchenverbund 474 Teilchenverfestigung 401 Teilkreis 868 Teilkreisdurchmesser 868 Teilkreisradius 867 Teilkreisteilung 868 Teilmenge 3 Teilverfahren 1213 Tellerfeder 773, 774 Tellerradverbindung 754 Temperatur 129, 501 Temperatur, relative 501 Temperatur, thermodynamische 129, 501 Temperaturfaktor 832 Temperaturverhältnis 367, 374 Temperguss 429, 430, 1140 Tenifer-Verfahren 440 TENSILOCK Sicherungsschraube 739 Tera 132 Tesla 573 Tetmajer 300 Tetmajerbereich 302 Tetmajerfall 300 Tetmajer-Gleichung 301 Textilgurt 914 Textur 400 thermische Aktivierung 402 thermische Beanspruchung 393 thermisches Spritzen 483 Thermochemie 149 thermochemische Verfahren 441 Thermodynamik 129, 523

S–T

1764

Stichwortverzeichnis

thermodynamische Temperatur 92 thermomechanisch gewalzter Stahl 421 thermomechanische Behandlung 441 thermomechanische Verfahren 440 Thermoplaste 460 Thermoplastische Elastomere TPE 468 Thermoplastschaumguss TSG 462 Thixoforming 475 Thyristor 586, 1444 Thyristoren 576 Tiefenvorschubgeschwindigkeit 1213 Tiefungsversuch 491 Tiefziehen 1158 TIER 4 final 991 Titan unlegiert 451 Titancarbid TiC 404 Titanlegierung 452 Titannitrid TiN 404 Titrationsformel 154 TN-S-Netz 582 T-Nut 1241 Toleranz in Zeichnungen 706 Toleranzberechnung 864 Toleranzeinheit 698 Toleranzfeld 698 Toleranzklasse 706 Toleranzsystem 698 Tonhöhe 117 Tonnenlager 830 Tool Eye 1309 Topfziehen 1159 Torf 551 Torquemotor 1275, 1288 Torricelli-Gleichung 336 Torsion 248, 309 Torsion und Abscheren 319 Torsion, Formänderung 312 Torsion, Spannungsbild 312 Torsions-Dauerfestigkeitsschaubild 256 Torsionsfederpendel 104, 105 Torsions-Formänderungsgleichung 312 Torsions-Hauptgleichung 310 Torsionsmoment 248, 309, 310 Torsionsspannung 310 Torsionsstab-Drehmomentenschlüssel 313 Torsionsstabfeder, Arbeitsdiagramm 312 Totalenthalpie 365 Totalreflexion 125, 126 Träger gleicher Biegebeanspruchung 278, 279 Tragfähigkeit für Wellen und Achsen 795 Tragfähigkeitsberechnung 795 Trägheit 89 Trägheitsgesetz 99 Trägheitskraft 99, 225, 226, 336 Trägheitskreis 270 Trägheitsmoment 128, 227, 228 Trägheitsmomente, Reduktion von 229 Trägheitsradius 227, 265, 266, 300, 304 Traglast, mittlere 939 Tragmittel 920 Tragwerk 171 Tragzahl 349, 831, 841 Tragzahl, dynamische 831 Tragzahl, statische 831, 832 Tragzapfenreibung 197 Transfermiumelemente 138

Transferpresse 1337 Transformationsgleichung 40 Transformator 587 Transistor 586, 1444 Translation 219 Transmission 860 Transmitter 356 transonische Strömung 363 Transportarbeit 907 Transportleistung 907 Transportzeit 1628 Transversalwelle 111, 123 Trapez 179 Trapezfeder 771, 772 Trapezgewinde 196, 314, 735, 757, 760 Trapezgewindespindel-Mutter-Trieb 1284 Trend 1687, 1688 Trennen 1146 Trennschneiden 1152 Tribochemische Reaktion 481 Tribologie 479 Tribologische Beanspruchung 393 Tribologisches System 479 Tribosystem 479 Triebkraft 1008 Triebwerkgruppe 917 Trigonometrie 33 trigonometrische Form 7 Trinkwasser 157 TRIZ-Methode 685 Trockengleitlager 852 Trockenreibung 850 Trogbandförderer 978 Trommelbremse 932 Tropföler 860 Tryout-Presse, hydraulisch 1339 T-Stoß 713 Turbinenanlage 1017 Turbinengleichung 1009, 1025 Turbinenleistung 1020

U Überdeckungsfaktor 890 Überdruckstufung 1015 Übergangsdrehzahl 850, 858 Übergangsfunktion 1528, 1534, 1554 Übergangsverhalten 1554 Überholkupplung 821 Überlagerung 113, 121 Überlappstoß 713 Überlappungsnietung 728 Überlastsicherung 1283 Überlastung 1023 Überlaufweg 1200 Übermaß 698, 804, 805 Überschallgeschwindigkeit 376 Überschwingweite 1561 Übersetzung 218, 867, 891 Übersetzungsverhältnis 218 Überstrom-Schutzschalter 600 Überstruktur 404 Übertragungsbeiwert 1531, 1536, 1538, 1544, 1548, 1551, 1554 Uhrwerkfeder 770 u-Karte 1684 Ultra-Feinstdrehmaschine 1356

1765 Stichwortverzeichnis

Ultraschallschweißen 1181 Ultraschall-Verfahren 492 Ultraschallwelle 118, 119 Umdrehungsfläche 182 Umdrehungskörper 183 Umdrehungsparaboloid 181 Umfangsgeschwindigkeit 128, 208 Umfangsgeschwindigkeit der Schleifkörper 1225 Umfangsgeschwindigkeit der Schleifscheibe 1224 Umfangskraft 196, 879 Umfangslast 832, 836, 837 Umformen 1154 Umformer 595 Umformgrad 1164 Umkehrfunktion 20, 30 Umlauffrequenz 128 Umlaufschmierung 860 Umlenk-Seilrolle 732 Umrichter 587 Umschmelzhärten 439, 483 Umschmelzverfahren 409 Umweltbelastung 1353 Umweltgerechtes Gestalten 696 Umweltmanagement-System 1679 Umweltschutz 1236 UND/AND 1464 UND-Verknüpfung 1464 UND-Verzeigung 1458 Unfallverhütungsvorschrift 1616 Universalmotor 593 Universalvorrichtung 1242 unlegierter Baustahl 418 unmittelbare Sicherheitstechnik 692 Unschärferelation 137 Unstetigkeitsstelle 62 Unterbrechen, ablaufbedingt 1655 Unterbrechen, erholungsbedingt 1655 untere Zündgrenze 560 Unterflasche 921 Untergurt 185 Unterkühlung 400 Unternehmensleitebene 1431 Unternehmensplan 1586 Unternehmenswert 1582 Unterprogramm 1408 Unterprogrammtechnik 1410 Unterschallbereich 376 Unterschallgeschwindigkeit 376 Unterspannung 249 unvollständige Verbrennung 557 Urbild 17 Urbildmenge 17 Urformen 1135 U-Rohrmanometer 356, 357 Ursache-Wirkung-Diagramm 1695 Ursprungslänge 247 U-Stahl 297–299

V v, t-Diagramm 204 v, t-Diagramm der gleichmäßig beschleunigten Bewegung v, t-Diagramm des freien Falles 206 VA 581 Vakuumbehandlung 409 Vakuumheber 924

204

Valenzelektron 575, 576 Valenzelektronen 140 Vanadieren 441 van-der-Waals-Kräfte 148 van’t-Hoff-Regel 150 var 581 Variable, abhängige 17 Variable, unabhängige 17 Variablen 1500 Variablenkennzeichnung 1412 Variablenprogrammierung 1408, 1412 Variantenkonstruktionen 682 Varianz s 2 1684 Vektor 50, 167 Vektor, Betrag 50 Vektor, freier 50 Vektor, Komponentendarstellung 51, 52 Vektor, Länge 50 Vektor, Orientierung 50 Vektor, orthogonaler 53 Vektor, Richtung 50 Vektoraddition 51 Vektorprodukt 53, 54 Vektorsubtraktion 51 Ventil 1448 Ventilinsel 1514 Ventilstößelstange 301 Verbesserung, ständig 1680 Verbesserungsprozess, kontinuierlich 1679 Verbindung, einschnittige 315 Verbindung, mehrschnittige 315 Verbindungen 135 Verbindungen, Benennung 147 Verbindungsart 812 Verbindungsbeispiel 801, 802 Verbindungsprogrammierte Steuerung (VPS) 1440, 1448, 1489 Verbrennung, vollständige 553 Verbrennungsdreieck 556 Verbrennungsenthalpie 150 Verbrennungsgas 551, 556, 557, 560 Verbrennungsgase 561 Verbrennungsgasmenge (Abgasmenge) 553 Verbrennungsgasmenge, feucht 553 Verbrennungsgasmenge, trocken 553 Verbrennungsgeschwindigkeit 560 Verbrennungsgleichung 552, 553 Verbrennungskontrolle 556, 558 Verbrennungsprodukt 551 Verbrennungsvorgang 551 Verbrennungsvorgänge 153 Verbrennungswärme 150 Verbundgleitlager 483 Verbundwerkstoff 852 Verdampfungsenthalpie 513 Verdampfungswärme 513 Verdichtungsstoß 380 Verdichtungsstoß, schief 383 Verdichtungsstoß, senkrecht 380 Verdrängungsschwerpunkt 333 Verdrehbeanspruchung 248 Verdrehung 309 Verdrehwinkel 310, 768 Verdünnungsformel 155 Verdunstung 513 Vereinfachung von Verknüpfungsfunktionen 1469 Vereinigung 3

T–V

1766

Stichwortverzeichnis

Verfahrenswahl 1602 Verfahrenswahl, optimale 1723 Verfestigungsmechanismus 401 Verfestigungsstrahl 441 Verfestigungswalze 441, 483 Verflüssigen 513 Verformungsenergie 222 Verformungsgrad 402 Verfügbarkeit (Funktionssicherheit) 1235 Vergleichen 1658 Vergleichsglied 1528, 1547 Vergleichsmittelspannung 797 Vergleichsmoment 320 Vergleichsspannung 319, 750, 756 Vergussbirne 915 Vergütung 438 Vergütungsstahl 423 Verhalten, I-Regler 1547 Verhalten, PID-Regler 1547 Verhalten, PI-Regler 1547 Verhalten, P-Regler 1547 Verkettungspunkt 579 Verknüpfungsfunktion 1467 Verknüpfungssteuerung 1434, 1452 Verknüpfungssteuerung mit Speicherverhalten 1454 Verknüpfungssteuerung ohne Speicherverhalten 1453 Verkürzung 246 Verladeanlage 922, 986, 987 verlängerter Impuls 1480 Verlängerung 246, 257, 260 Verlaufsuntersuchung 1691 Verriegelung von Speichern 1475 Verrippungen von Betten 1258 Versatzmoment 168 Verschiebesatz 169, 227, 266 Verschleißfestes Gusseisen 433 Verschraubungen an Gestellen 1260 Verschwächungsverhältnis 730 Versetzung 400, 401 Versetzungsdichte 400 Verspannungsdiagramm 740, 741, 745 Verstärkung 121, 122 Verstärkungsfaser 460 Verstärkungsstoff 457 Verteilzeit 1649, 1652 Verteilzeit, persönlich 1652 Verteilzeit, sächlich 1652 Vertrauensbereich 1692 Verzahnungsart 871 Verzahnungsgesetz 867 Verzahnungsmaß 868 Verzahnungsqualität 880, 882, 885 Verzögerung 205 Verzugsarmes Härten 437 Verzugszeit 1543, 1544 Verzweigung 1528 V-Getriebe 874, 875 Vickerhärte HV 487 Vielnutprofil 803 Vierkantmutter 736 Vier-Seiten-Bearbeitung 1315 Virtuelle Maschine 1371 virtueller NC-Kern (VNCK) 1374 Viskosität 128, 479, 853 Viskosität, dynamische 128, 339 Viskosität, effektive 855

Viskosität, kinematische 128 Viskosität-Temperatur-Diagramm 854 VI-Verbesserer 480 V-Minus-Rad 873, 875 V-Naht 713 V-Null-Getriebe 871, 874, 875 Vogelpohl 854 Vollräderwalzmaschine 1333 Voll-Spurlager 858 Vollspurzapfen 198 vollständige Verbrennung 552 Voltampere 581 Voltampere Reaktiv 581 Volumen 503 Volumen, molar 503 Volumen, spezifisch 503 Volumenausdehnung 509 Volumenausdehnungskoeffizient 509 Volumenelastizität 327 Volumenfehler 400 Volumenstrom 341 von Klitzing-Konstante 131 Vorderradlagerung 834 Vorgabezeit 1636, 1659 Vorgabezeit, auftragsabhängig 1649 Vorgabezeit, auftragsunabhängig 1650 Vorgabezeiten für das Betriebsmittel (Belegungszeit TbB) Vorgabezeiten für den Menschen 1650 Vorgabezeitermittlung 1649 vorrangiges Rücksetzen 1474 vorrangiges Setzen 1473, 1474 Vorrichtung 859, 1239 – Definition 1242 – Funktion 1243 – Grenzstückzahl 1243 – Klassifikation 1242 – Positionieren 1244 Vorsatzzeichen 132 Vorschub 1189, 1395, 1658 Vorschubantriebe 1274 Vorschubbewegung 1189, 1206, 1224 Vorschubgeschwindigkeit 1189, 1190, 1195, 1206 Vorschubkraft 1189, 1193–1195, 1210, 1216 Vorschubleistung 1195, 1210, 1216 Vorschubregelung im digitalen Komplettsystem 1302 Vorschubrichtung 1189 Vorschubrichtungswinkel 1189, 1190, 1206–1208 Vorschubweg 1200 Vorschubweg je Fräserumdrehung 1208 Vorsetzen 775 Vorspannkraft 197, 741, 742 Vorspannkraftverlust 741 Vorwärtsfließpressen 1163 Vorwärtszähler 1485 V-Plus-Rad 873 V-Rad 873

W Wahrheitswert 3 Walze 1206 Walzen 1212 Walzenfräsen 1207, 1210 Walzenfräser 1206, 1208 Walzenstirnfräser 1206 Wälzfestigkeit 894

1654

1767 Stichwortverzeichnis

Walzfräsen 1207, 1212 Wälzfräsmaschine 1320 Wälzfräsverfahren 1213 Wälzführungen 1267 Wälzkreis 868 Wälzlager 829 Wälzlager, Schmierung 833 Wälzlagerarten 1291 Wälzlagerstahl 423 Wälzlagerung 766 Walzmaschinen zum Warm- oder Halbwarmumformen Wälzmodul 1321 Wälzpressung 893 Wälzpunkt 868 Wälzschleifmaschine 1324 Wälzschraubtrieb 1284 – Steifeverhalten 1287 Wälzstoßmaschine 1323 Wanddicke 328 Wanddickenmessung 492 Wanddruckkraft 328 Wanderfertigungsprinzip 1633 Wandschubspannung 341 Wandschwenkkran 943, 949 Warmarbeitsstahl 427 Warmbadhärten 437 Wärme 129, 516 Wärme, spezifische 129, 516 Wärmeausdehnung 509 Wärmedurchgang 545 Wärmedurchgangskoeffizient 129, 545 Wärmekapazität 504 Wärmekapazität, spezifische 129, 504 Wärmeleitfähigkeit 129, 543 Wärmeleitung 543 Wärmespannung 260, 261 Wärmestrahlung 543 Wärmestrom 856 Wärmeübergang 543 Wärmeübergangskoeffizient 129, 545 Wärmeübertragung 543 warmfester Stahl 425 Warmfließpressen 1162 Warmhärter 710 Warmkammerverfahren 1144 Warngrenze 1685 Wartezeit 1651, 1652 Wasserbehälter 1352 Wasserdampf 1006 Wasserenthärtung 156 Wasserhärte 153, 156 Wasserreinigung 156 Wasserstoff 551 Wasserstoffbrückenbindung 148 Wasserstoffversprödung 410 Wasserstrahlschneidanlagen 1350 Wasserstrahlschneiden 1185 Wasserturbine 1019 Watt 130, 217, 580 Wattsekunde 128 Weber 129, 573 Wechselbeanspruchung 249 Wechselfestigkeit 250, 796 Wechselrichter 595 Wechselspannung 577 Wechselstrom 580

1331

Wechselwirkungsgesetz 99 Wegbedingung 1392 Wegdiagramm 1448 Wegeventil 1436 Wegmesssysteme 1303 Weg-Zeit-Linie 203 Weichglühen 434 Weichlöten 1187 Weißer Temperguss 430 Weiterschaltbedingung 1456 Weiterschaltbedingungen/Transitionen 1434 Welle 789, 790, 795 Welle, biegsame 792 Welle, torsionsbeanspruchte 309 Wellenbearbeitung 1311 Wellendurchmesser 791 Wellenende 792, 817 Wellenende, keglig 810, 811 Wellenerreger 113 Wellengeschwindigkeit 113 Wellenkegel 801 Wellenlänge 111, 119 wellenmechanisches Atommodell 137 Wellenoptik 121 Wellenschulter 792 Wellentoleranz 836 Wellenwiderstand 352 Wellenzapfen 791 Wendepolwicklung 588 Wendepunkt 69 Werkbankfertigung 1627 Werkstättenfertigung 1628 Werkstattprinzip 1702 Werkstoff für Zahnrad 881 Werkstoffe für Tellerfedern 775 Werkstoffgerechtes Gestalten 695 Werkstück – Aufnahmen 1239 – bestimmen 1244, 1245 – spannen 1244 Werkstückfertigungskosten – mit Vorrichtungen 1243 Werkstückform-Korrekturfaktor 1197 Werkstückgeschwindigkeit 1224 Werkstücknullpunkt 1376, 1378 Werkstückpalette 1241 Werkstückspeicher 1310 Werkstückwechselzeit tWS 1661 Werkzeug hinter der Drehmitte 1402 Werkzeug vor der Drehmitte 1402 Werkzeugaufruf 1395 Werkzeug-Bezugsebene 1191, 1192, 1215 Werkzeugbezugspunkt 1376 Werkzeug-Bezugssystem 1191 Werkzeug-Einstellposition 1402 Werkzeugkegel 810 Werkzeugkorrektur 1395, 1398 Werkzeugkorrektur beim Drehen 1400 Werkzeuglängenkorrektur 1399 Werkzeuglängenmaß 1400 Werkzeugmaschinen – Anforderungen 1232 – Antriebe 1274 – Bedeutung 1231 – Bezeichnung 1236 – Definition 1231

V–W

1768

Stichwortverzeichnis

– Kenngrößen 1233 – Klassifizierung 1236 Werkzeugmaschinen zur Blechbearbeitung 1336 Werkzeug-Orthogonalebene 1191, 1215 Werkzeug-Orthogonalkeilwinkelebene 1192 Werkzeug-Schneidenebene 1191, 1215 Werkzeugspeicher 1395 Werkzeugstahl 427 Werkzeugstellung 1193 Werkzeugverschleiß-Korrekturfaktor 1197 Werkzeugwechseleinrichtung 1661 Werkzeugwechselzeit tWZ 1661 Werkzeugwinkel 1191, 1192 Wertanalyse 1608 Wertebereich 17, 1500 Wertemenge 17 Werteskala 686 Wertetabelle 18 Wertigkeit 140, 148 Wertigkeitsdiagramm 686 Wertketten des Unternehmens 1583 Wertschöpfung 1583 Wettbewerbsfähigkeit 1586 Wickelverhältnis 785 Widerstand 585 Widerstand, elektrischer 129 Widerstand, induziert 352 Widerstandsbeiwert 352, 353 Widerstandsmoment 262, 265, 310, 311 Widerstandsmoment, axiales 265 Widerstandsmoment, polares 265 Widerstandsmoment, Tabelle 266 Widerstandspunktschweißen 1178 WIG-Schweißen 1174 Windungszahl 129 Windwerk 922, 940, 942 Winkel 1394 Winkel an der Hartmetallschneide 1194 Winkelbeschleunigung 128 Winkelfunktion 33 Winkelgeschwindigkeit 95, 128, 208, 577 Winkelgeschwindigkeitsänderung 209 Winkelhalbierende 20 Winkellaufkatze 987 Winkelstahl 295 Wirkabstand 167 Wirkarbeit 581 Wirkbewegung 1189, 1191 Wirkbezugssystem 1191 Wirkfreiwinkel 1191, 1193 Wirkgeschwindigkeit 1189, 1190, 1206 Wirkkraft 1209 Wirkleistung 580, 1210 Wirklinie 167 Wirk-Messebene 1191 Wirkrichtung 1189, 1206 Wirkrichtungswinkel 1189–1191, 1206 Wirksamkeit 1660 Wirkungsablauf 1525 Wirkungsgrad 218, 592, 1013, 1015, 1195, 1211 Wirkungsgrad der Bewegungsschraube 196 Wirkungsgrad der festen Rolle 199 Wirkungsgrad der losen Rolle 200 Wirkungsgrad der Verzahnung 892 Wirkungsgrad des Rollenzugs 200 Wirkungsgrad, Schnecke 892

Wirkungsgrad, thermisch 519 Wirkungsplan 1525, 1528, 1529 Wirkwinkel 1191, 1193 Wirtschaftlichkeit 1581 Wirtschaftlichkeitsrechnung 1595 Wort 1461 Wortaufbau 1390 Wucht 223 Wuchtsatz 223, 229 Wurf, schräger 207 Wurf, senkrechter 206 Wurfarbeit 207 Wurfdauer 207 Wurfhöhe 207 Wurfweite 207 Wurzelfunktion 29

X x-Achse 39, 40 X -Rm -Karte 1685 XYZ-Analyse 1713

Y y-Achse 39, 40 YAG-Laser 1178

Z z-Achse 40 Zähigkeit 853 Zähigkeitskraft 339 Zahlen, algebraische irrationale 5 Zahlen, ganze 4 Zahlen, gebrochene 5 Zahlen, imaginäre 6 Zahlen, irrationale 5 Zahlen, komplexe 4, 5 Zahlen, konjugiert komplexe 6 Zahlen, natürliche 4 Zahlen, rationale 4 Zahlen, transzendente 5 Zahlenfolge, reelle 55 Zahlensystem 1460 Zähler 1485 Zahnabmessung 868 Zahnbreite 880 Zahndicke 876, 878 Zähne der Räumnadel 1204 Zähneverhältnis 880 Zähnezahlen an Schnellstahlfräsern Zahnflanke 871 Zahnflankenform 871 Zahnformfaktor 883, 893 Zahnfußbeanspruchung 882, 890 Zahnfuß-Tragfähigkeit 885 Zahnkraft 879 Zahnkupplung 824 Zahnrad aus Kunststoff 896 Zahnrad, Gestaltung 895 Zahnrad, Werkstoff 881 Zahnradfräsen 1213 Zahnradgetriebe 867 Zahnradwerkstoff 880 Zahnscheibe 739 Zahnspitzengrenze 874, 884, 888

1212

1769 Stichwortverzeichnis

Zahnstange 871 Zahnstangengetriebe 871 Zahnstangenwinde 937 Zahnteilung 1204, 1205 Zahnunterschnitt 873, 874 Zahnvorschub 1206, 1207 Zangen 920 Zapfen 789 Zapfenreibungszahl 198 Zapfensenker 1218 Zapfenübergang 792 Zeichnung 1636 Zeit 89 Zeit als Impuls (SI) 1480 Zeit als verlängerter Impuls (SV) 1480 Zeit je Einheit 1637, 1652 Zeitdehngrenze 425 Zeit-Dehnungslinie 464 Zeitermittlung beim Bohren, Reiben, Senken 1664 Zeitermittlung beim Drehen 1660 Zeitfunktion 1479, 1480 Zeitkonstante 1544, 1551, 1554 Zeitoperand 1480 Zeitplanregelung 1526 Zeitrelais 1484 Zeit-Spannungslinie 464 Zeitstandfestigkeit 425 Zeitstandfestigkeits-Schaubild 491 Zeitstandversuch 490 Zeitverhalten 1531, 1534, 1535 Zellebene 1431 Zementformerei 1138 Zementit 412 Zementitausscheidung 413 Zenti 132 Zentraleinheit 1498 Zentralwert 1684 Zentrierspitze 1239 Zentrifugalkraft 99, 230, 231 Zentrifugalmoment 231, 264 Zentripetalbeschleunigung 95 Zentripetalkraft 99 ˛-Zerfall 136 Zersetzungsspannung 161 Zersetzungstemperatur 462 Zerspangeometrie 1190, 1201, 1204, 1206 Zerspangeometrie beim Schleifen 1224 Zerspankraft 1189, 1190, 1194 Zerspanleistung 1190 Zerspantechnik 1206 Zerspantechnik, Grundbegriffe 1189 Zerstreuungslinsen 126 Zerteilen 1146 Ziehkissen 1339 Ziehverhältnis 1159 Zielgröße 1433, 1434 Zielgröße, betriebswirtschaftliche 1581 Zielsteuerung 969 Zielsteuerung für Stückgutfördersysteme 969 Zink 453 Zinn 454 Zirkonoxid ZrO2 472 Zirkularinterpolation 1385 Zoellyturbine 1013

ZTA-Schaubild 434 ZTU-Schaubilder 436 Zufallsstreubereich 1684 Zug 247 Zug (Druck) und Schub (Abscheren) 320 Zug (Druck) und Torsion 320 Zug und Biegung 316, 317 Zug und Druck 254 Zug- und Druck-Hauptgleichung 254 Zug, exzentrischer 316 Zuganker 1331 Zugbeanspruchung 247 Zug-Druck-Dauerfestigkeitsschaubilder 254 Zugdruckumformen 1154 Zugehörigkeitsfunktion 1570, 1571 Zugehörigkeitsgrad 1572 Zugfeder 782 Zugfestigkeit 248, 252, 463, 489 Zugprobe 488 Zugspannung im umlaufenden Ring 232 Zugumformen 1154 Zugversuch 463, 488 Zulässige Spannung bei dynamischer Belastung 253 Zulässige Spannung bei statischer Belastung 253 Zulässige Spannung und Sicherheit 253 Zulässige Spannungen im Stahlhochbau 307 Zündgeschwindigkeit 560 Zündgrenze 560 Zuordnungstabelle 1446 Zusätze zu Schmierölen 480 Zusatzfunktion 1396 Zusatzsymbol 416 Zuschlagskalkulation 1597 Zuschnittlänge 1154 Zustand, kritisch 366 Zustandsänderung 374, 524 Zustandsänderung, isentrop 528 Zustandsänderung, isobar 526 Zustandsänderung, isochor 525 Zustandsänderung, isotherm 527 Zustandsänderung, polytrop 530 Zustandsdiagramm 405, 524, 1448 Zustands-Diagramm Cu-Zn 448 Zustandsgleichung, thermisch 524 Zustandsgraph 1450 Zustandsgröße 382, 524 Zustandsgröße, kritisch 367 Zustellbewegung 1189 Zweierkomplement 1462 Zweigelenkstab 170, 171 Zweipunkt-Presse 1337 Zweipunktregler 1547, 1554, 1565 Zwischengitterplatz 404 Zwischenstoff 479 Zykloidenverzahnung 871 Zyklo-Palloid-Verfahren 1327 Zyklus 1408, 1499, 1688 Zykluszeit 1499 Zylinder 181, 1438 Zylinderführung 194 Zylinderrollenlager 830, 846, 1291 Zylinderschneckentrieb 891 Zylinderschraube 736 Zylinderstift 764

W–Z