Gutachten zum Internationalen und Ausländischen Privatrecht: 1965 und 1966 [Reprint 2020 ed.] 9783112300091, 9783112300022

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Gutachten zum Internationalen und Ausländischen Privatrecht: 1965 und 1966 [Reprint 2020 ed.]
 9783112300091, 9783112300022

Table of contents :
VORWORT
INHALT
I. Schuldrecht
1. Vertrag
2. Unerlaubte Handlungen
3. Abtretung
4. Gesetzlicher Forderungsübergang
II. Handels- und Gesellschaftsrecht
1. Handelsvertreter
2. Gesellschaftsrecht
III. Familienrecht
1. Ehe
2. Kindschaft
IV. Erbrecht
1. Gesetzliche Erbfolge
2. Testament
3. Mehrheit von Erben
4. Nachlaßverwaltung und Testamentsvollstreckung
5. Pflichtteil
6. Erbverzicht
V. Internationales Verfahrensrecht
1. Anerkennung ausländischer Entscheidungen
2. Anerkennung ausländischer öffentlicher Urkunden
Sachregister
Gesetzesregister

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M A T E R I A L I E N ZUM A U S L Ä N D I S C H E N UND I N T E R N A T I O N A L E N PRIVATRECHT H E R A U S G E G E B E N V O M M A X - P L A N C K - I N S T I T U T FÜR A U S L Ä N D I S C H E S UND I N T E R N A T I O N A L E S

PRIVATRECHT

D i r e k t o r : P r o f e s s o r Dr. K o n r a d Z w e i g e r t

11

GUTACHTEN ZUM INTERNATIONALEN UND AUSLÄNDISCHEN PRIVATRECHT 1965 und 1966

veröffentlicht im Auftrage des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht

von

MURAD FERID

GERHARD KEGEL

KONRAD

ZWEIGERT

19 6 8

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO.

J.C.B. MOHR (PAUL SIEBECK)

BERLIN

TÜBINGEN

© J. C. B. Mohr (Paul Siebed«) Tübingen 1968 Alle Rechte vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es auch nidit gestattet, das Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen Printed in Germany Druck : Buchdruckerei Eugen Göbel, Tübingen Einband : Großbuchbinderei Heinr. Koch, Tübingen

Best.-Nr. 62891

VORWORT Ausländisches Recht anwenden ist schwer. Man muß Bücher haben, Sprachen kennen und erfahren sein. Gerichte, Anwälte und Notare suchen Hilfe bei den international-rechtlichen Instituten. So hat sich seit rund 40 Jahren eine umfangreiche Praxis entwickelt. Ein Ausschnitt wird hier vorgelegt. Wir hoffen, anderen Arbeit zu ersparen, wie auch uns die eigenen Vorgutachten nützen. Freilich muß immer der neueste Stand geprüft werden: seit der Abfassung eines hier vorgelegten Gutachtens kann das ausländische Recht sich bereits geändert haben. Die Justizverwaltungen bitten wir: „Lassen Sie die Sammlung in die Hände der Amtsrichter gelangen!" Denn sie sind es, die die Hauptlast mit dem ausländischen Recht tragen. Der Band enthält Gutachten folgender Institute (in Klammern der Name des Direktors): Institut für internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn (Beitzke); Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Freiburg i. Br. (Müller-Freieniels); Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg (Zweigert)-, Institut für internationales Recht an der Universität Kiel (Menzel); Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität Köln (Kegel)-, Institut für Rechtsvergleichung der Universität München (Ferid). Die Redaktion des I., II und V. Teils lag beim Hamburger Institut, die des III. beim Kölner, des IV. beim Münchner Institut. Für Mitarbeit bei der Redaktion, für Korrekturen und Register danken wir den Herren Assessor Manfred Koall (Köln), Assessor Dierk Müller (Hamburg) und Referendar Dr. Jürgen Parr (Köln). Das Bundesjustizministerium hat die Drucklegung finanziell ermöglicht. Für die Herausgeber Gerhard Kegel Zitierweise: IPG 1965-66 Nr. 7 (Hamburg)

INHALT I. Schuldrecht 1. Vertrag 2. Unerlaubte Handlungen 3. Abtretung 4. Gesetzlicher Forderungsübergang

1 1 35 58 64

II. Handels- und Gesellschaftsrecht 1. Handelsvertreter 2. Gesellschaftsrecht

73 73 90

III. Familienrecht 1. Ehe a) Heirat b) Persönliche Ehewirkungen c) Ehegüterrecht d) Scheidung 2. Kindschaft a) Ehelichkeit b) Eheliche Kindsdiaft c) Uneheliche Kindschaft d) Legitimation e) Adoption f) Vormundschaft, Pflegschaft

111 111 111 182 209 221 276 276 282 324 362 448 454

IV. Erbrecht 1. Gesetzliche Erbfolge 2. Testament 3. Mehrheit von Erben 4. Nachlaßverwaltung und Testamentsvollstreckung 5. Pflichtteil 6. Erbverzicht

463 463 532 755 767 776 797

V. Internationales Verfahrensrecht 1. Anerkennung ausländischer Entscheidungen 2. Anerkennung ausländischer öffentlicher Urkunden

821 821 875

Sachregister

884

Gesetzesregister

901

I. Schuldrecht

1. VERTRAG Siehe auch Nr. 8, 9, 10

Nr. 1 Italien 1. Die Abgrenzung des Bereichs des Vertragsstatuts von dem des Sachstatuts hat nach der lex fori zu erfolgen. 2. Nach italienischem Recht geht auch beim Kauf von Grundstücken das Eigentum bereits durch den Konsens der Parteien, der in öffentlicher Urkunde oder privatschriftlich erfolgen muß, unmittelbar auf den Käufer über. Einer Uberschreibung bedarf es nicht. 3. Auf einen obligatorischen Vertrag, der die Übertragung eines ausländischen Grundstücks zum Gegenstand hat, ist § 313 BGB nicht anzuwenden. 4. Eine internationalprivatrechtliche Umgehung setzt voraus, daß die Parteien die Voraussetzungen einer Anknüpfung erfüllen, um dadurch die Anwendbarkeit eines Rechts zu erreichen, das die den Parteien mißliebige Vorschrift nicht enthält. München G 1260-66 vom 23. 6.1966

Die deutsche Staatsangehörige Frau W. hat am 18. 3. 1966 mit der Firma E. GmbH & Co., Bungalow-Verkaufsgesellschaft in Mannheim-Neckarau, einen formularmäßig privatschriftlichen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen, durch den sich die Firma verpflichtet hat, Frau W. den Kauf eines Miteigentumsanteils an einem erschlossenen Appartementhausgrundstück in La Perla b. Jesolo/Italien zu ermöglichen und auf dem Appartementhausgrundstück in dem dort zu errichtenden Gebäude eine Eigentumswohnung eines bestimmten Typs errichten zu lassen. Frau W. hat sich verpflichtet, hierfür DM 30 900 zu entrichten. In dem Vertrag heißt es, daß „das Grundstück (bzw. Appartementhausgrundstück) durch eine Option mit dem Grundstückseigentümer bereits gesichert ist". 1

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

Schuldrecht

2

In § 16 der allgemeinen Bedingungen, auszugsweise abgedruckt auf der Rückseite des Vertragsformulars, die die Parteien dem Vertrag zugrunde gelegt haben, ist die Anwendung deutschen Rechts vorgesehen, „soweit es sich nicht um die sachenrechtlichen Vorschriften über die Übertragung des Eigentums an einem im Ausland belegenen Grundstück oder einem auf einem ausländischen Grundstück belegenen Wohnungseigentum handelt". In § 9 Nr. 4 der allgemeinen Bedingungen ist bestimmt, daß der Auftraggeber, der sich mit seinen Leistungen im Verzug befindet und innerhalb einer Nachfrist von sechs Wochen seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, nach Wahl der Beauftragten weiter zur Erfüllung oder zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 25 °/o der Vertragssumme verpflichtet sein soll. Frau W. möchte sich von dem Vertrag lösen; die Firma E. hat mit Schreiben vom 19. 4. und 26. 4.1966 bereits Schadenersatz gemäß § 9 Nr. 4 ihrer allgemeinen Bedingungen gefordert. Herr Rechtsanwalt Dr. B. nimmt an, es müßten die Formvorschriften Anwendung finden, die nach italienischem Recht für den Kauf eines Grundstücks gelten. Er bittet um Mitteilung der nach italienischem Recht bestehenden Rechtslage. Bei Anwendung deutschen Rechts sieht Herr Rechtsanwalt Dr. B. in dem Vertrag eine Umgehung des § 313 BGB. I.

Vorbemerkung

Im vorliegenden Falle geht es ganz offenbar nur darum, wie Frau W. in Deutschland dem gegen sie erhobenen Schadenersatzanspruch der Firma E. entgegentreten kann. Dies folgt schon daraus, daß Mannheim als Gerichtsstand vereinbart ist. Damit ist vom deutschen internationalen Privatrecht auszugehen; die Vorschriften des italienischen internationalen Privatrechts könnten allenfalls dann zum Zuge kommen, wenn nach deutschem internationalem Privatrecht italienisches Recht maßgebend wäre und eine evtl. Rückverweisung dieses Rechts gemäß Art. 27 EGBGB zu beachten wäre.

II. Das anwendbare 1. Die Bedeutung

der Parteiautonomie

Recht

im internationalen

Schuldrecht

Für die Frage, welches Recht bei Verträgen anzuwenden ist, fehlt es im deutschen IPR an einer gesetzlich niedergelegten Regelung. Rechtspre-

Vertrag

/

3

Italien

chung und Literatur bildeten Grundsätze heraus, die zur Ermittlung des anzuwendenden Rechts führen sollen. Mit Rücksicht auf das Fehlen jeglicher gesetzlicher Grundlage spielt hier die sog. Parteiautonomie eine besonders große Rolle l . Erst wenn es an einer Vereinbarung der Beteiligten über das anzuwendende Recht fehlt, greifen besondere Regeln ein, welche auf eine objektive Anknüpfung hinauslaufen und das anzuwendende Recht unabhängig von dem nicht geäußerten Parteiwillen festlegen. 2. Die Bestimmung

des anzuwendenden

Rechts im vorliegenden

Fall

a) Das auf den Schuldvertrag anzuwendende Recht bestimmt sich also in erster Linie nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen 2 . Im vorliegenden Falle ist eine derartige Parteivereinbarung in § 16 der allgemeinen Bedingungen enthalten. Gegen die Gültigkeit dieser Rechtswahlklausel bestehen keine Bedenken; sie geht in keiner Weise über das bei derartigen Geschäftsbedingungen übliche hinaus. Damit findet auf den Geschäftsbesorgungsvertrag deutsches Recht Anwendung. b) Lediglich die sachenrechtlichen Vorschriften über die Übertragung des Eigentums an dem ausländischen Grundstück bzw. des Wohnungseigentums sind ausdrücklich ausgenommen; nach den zwingenden Grundsätzen des deutschen internationalen Sachenrechts wäre jedoch auch entgegen einer derartigen Parteivereinbarung insoweit die lex rei sitae, hier also italienisches Recht anzuwenden 3 . 3. Eine Rückverweisung durch das italienische Recht käme nur hinsichtlich der von der Parteivereinbarung ausgenommenen sachenrechtlichen Vorschriften über die Übertragung des Eigentums an dem in Italien belegenen Grundstück oder einem auf einem italienischen Grundstück belegenen Wohnungseigentum in Betracht, da nur insoweit dem italienischen Recht aufgrund der Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts überhaupt das Wort erteilt ist. Das italienische internationale Privatrecht ist in den Art. 17-31 der Disposizioni preliminari al Codice civile vom 16.3.1942 geregelt. Sie lauten, soweit hier einschlägig: 1

Vgl. dazu besonders anschaulich Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 456 ff. 2 Vgl. auch Soergel-Kegel, BGB, Rz. 167 ff. vor Art. 7 EGBGB; Palandt-Lauterbach, BGB, Anm. 2 a vor Art. 12 EGBGB, jeweils mit ausführlichen Nachweisen; ferner BGHZ 7, 234 und 19, 111. 3 Vgl. Paiandt-Lauterbach, Anm. 1, 2 vor Art. 13 EGBGB.

l*

Schuldrecht

4 Art. 22

„11 possesso, la proprietà e gli altri diritti sulle cose mobili e immobili sono regolati dalla legge del luogo nel quale le cose si trovano."

Der Besitz, das Eigentum und die anderen Rechte an beweglichen und unbeweglichen Sachen unterliegen dem Recht des Ortes, an dem die Sachen sich befinden.

Art. 26 Abs. 2 „Le forme di pubblicità degli atti di costituzione, di trasmissione e di estinzione dei diritti sulle cose sono regolati dalla legge del luogo in cui le cose stesse si trovano."

Die Formen der Publizität von Rechtsgeschäften, die die Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an Sachen bewirken, werden vom Recht des Ortes bestimmt, an dem diese Sachen sich befinden.

Daraus ergibt sich, daß auch das italienische internationale Privatrecht die sachenrechtlichen Rechtsgeschäfte nach der lex rei sitae beurteilt. Es bleibt daher insoweit bei der Maßgeblichkeit des italienischen Rechts. 4. Abgrenzung

des Vertragsstatuts

vom

Sachstatut

a) Welche Vorschriften des italienischen Rechts als solche sachenrechtlichen Charakters im vorliegenden Falle zur Anwendung kommen, muß die sog. Qualifikation ergeben. Diese zeigt den Bereich auf, in dem die einzelnen inländischen Kollisionsnormen auf das ausländische Recht verweisen. b) Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung richtet sich die Qualifikation nach der lex fori, also nach deutschem Recht. Dies ist auch in der Lehre weitgehend anerkannt; die Auffassung, wonach die lex causae selbst ihren Anwendungsbereich zu bestimmen habe 4 , ist vereinzelt geblieben. Freilich bedeutet die Qualifikation nach der lex fori nicht, daß sie sich lediglich am System des eigenen bürgerlichen Rechts zu orientieren hätte; dies müßte angesichts der zwischen den Rechtsordnungen bestehenden erheblichen Systemunterschiede zu größten Schwierigkeiten führen. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls die Frage, wie die Auftraggeberin das Eigentum an dem Kaufobjekt erwirbt, nach italienischem Recht zu beurteilen, gleichviel, ob das italienische Recht den Erwerb des Grundstückseigentums im Schuldrecht oder im Sachenrecht regelt.

4 Vgl. Martin 54 ff.

Wolif,

Das Internationale Privatrecht Deutschlands (3. Aufl.)

Vertrag / Italien III. Der Inhalt der einschlägigen 1. Die Eigentumsübertragung

italienischen

durch bloßen

5 Vorschriften

Konsens

Im italienischen Recht gilt für die Eigentumsverschaffung nicht etwa das Traditionsprinzip bei beweglichen und das Eintragungsprinzip bei unbeweglichen Sachen. Durch Zustandekommen des Konsenses wird vielmehr der Eigentumsübergang automatisch bewirkt. Dies ergibt sich sehr klar aus Art. 1470 des ital. Cc im Vergleich zu § 433 des deutschen BGB. Art. 1470 lautet: Art. 1470 - Nozione

Begriff

„La vendita è il contratto che ha per oggetto il trasferimento della proprietà di una cosa o il trasferimento di un altro diritto verso il corrispettivo di un prezzo."

Der Kauf ist der Vertrag, der zum Gegenstand den Übergang des Eigentums an einer Sache hat oder aber die Ubertragung eines anderen Rechtes gegen einen Preis als Gegenleistung.

In der für das gesamte Vertragsrecht geltenden Regel des Art. 1376 kommt dies in einer über das Kaufrecht hinaus bedeutsamen W e i s e w i e folgt zum Ausdruck: Art. 1376 - Contratto con effetti reali „Nei contratti che hanno per oggetto il trasferimento della proprietà di una cosa determinata, la costituzione o il trasferimento di un diritto reale ovvero il trasferimento di un altro diritto, la proprietà o il diritto si trasmettono e si acquistano per effetto del consenso delle parti legittimamente manifestato."

Verträge mit dinglicher Wirkung Bei den Verträgen, die zum Gegenstand die Übertragung des Eigentums an einer bestimmten Sache haben oder aber die Begründung oder Übertragung eines dinglichen Rechtes oder aber auch eines anderen Rechtes, geht das Eigentum oder das betreffende Recht über und wird erworben durch die Wirkung der Einigung, die von den Parteien in einer den Gesetzen entsprechenden Weise erklärt wird.

Diesen, dem geltenden deutschen Recht fremden Rechtszustand, bringt sehr anschaulich etwa Rubino zum Ausdruck 5 , w e n n er schreibt: „La vendita, dunque, è sempre un contratto traslativo. Questa categoria comprende quei contratti i quali trasferiscono un diritto (quale che sia) o costituiscono un diritto reale limitato (cosiddetta successione costitutiva), e si contrappone ai contratti meramente obbligatori." La Compravendita (Mailand 1952) 130.

Kauf ist also immer ein Vertrag mit unmittelbarer Ubertragungswirkung. Diese Kategorie umfaßt jene Verträge, welche ein Recht (gleich welcher Art) unmittelbar übertragen oder ein beschränktes dingliches Recht begründen und die den bloß obligatorischen Verträgen gegenüberzustellen sind.

Schuldrecht

6 Rubino fährt fort:

„Nei contratti traslativi, per regola, il trasferimento del diritto o l'acquisto del diritto reale limitato che viene costituito (nella cosiddetta successione costitutiva) si produce per effetto del semplice consenso (Art. 1376)."

Bei den Verträgen mit unmittelbarer Ubertragungswirkung wird als Regel die Übertragung des Rechtes oder der Erwerb eines beschränkten dinglichen Rechtes durch die Wirkung der einfachen Einigung bewirkt (Art. 1376).

Es gibt g e w i s s e Ausnahmen, in denen ein sog. obligatorischer Vertrag stattfindet, etwa beim Verkauf v o n Genussachen oder v o n noch nicht entstandenen Sachen oder aber auch beim Verkauf fremder Sachen. Diese Ausnahmen kommen hier nicht in Betracht. Das Konsensprinzip gilt insbesondere auch für den Kauf v o n Grundstücken. Die Änderung der dinglichen Rechtslage ist also unmittelbare, ohne weitere Voraussetzungen eintretende Folge der bloßen schuldrechtlichen Ubereinstimmung der Parteien. Kausale Rechtsgrundvereinbarung und dingliches Zuwendungsgeschäft fallen in einem Rechtsgeschäft zusammen, eine Trennung in Kausalgeschäft und abstraktes Verfügungsgeschäft gibt es nicht. Mit Entstehung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung des Rechts geht dieses über. Sehr anschaulich schreibt dazu Feixi im Kommentar v o n Branca und Scialoja (in Bedeutung und Umfang etwa dem Staudingersdien Kommentar vergleichbar) zu Art. 2644 Anm. 2 (S. 146): „ . . . La trascrizione non e atto di investitura del diritto. Oggi gli effetti reali scaturiscono direttamente dalla volontà delle parti, e non occorre per fare acquistare il diritto di proprietà alcun atto reale. La distinzione tradizionale fra titolo di acquisto e modo di acquisto è venuta a cadere e la trascrizione non è certamente un modo di acquisto."

2. Die Formbedüritigkeit

des

Die Uberschreibung ist kein Akt, der das (dingliche) Recht verschafft. Heute entspringen die dinglichen Rechtswirkungen unmittelbar aus dem Parteiwillen, und es ist nicht erforderlich, zum Erwerb des Eigentumsrechtes irgendeinen Realakt zu vollziehen. Die der (römischen) Uberlieferung entsprechende Unterscheidung zwischen Erwerbstitel und Erwerbsart ist weggefallen, und die Uberschreibung ist sicher kein Eigentumserwerbsgrund.

Konsenses

Die einschlägige italienische Vorschrift ist Art. 1350 Nr. 1 Cc. Sie lautet: Art 1350 „Devono farsi per atto pubblico o per scittura privata, sotto pena di nullità: 1. i contratti che trasferiscono la proprietà di beni immobili."

Durch öffentliche Urkunde oder privatschriftlich müssen bei Vermeidung der Nichtigkeit abgeschlossen werden: 1. jene Verträge, welche das Eigentum an unbeweglichen Vermögenswerten übertragen.

Vertrag

/ Italien

7

Hierunter zählt auch der Kaufvertrag, der ja, wie oben bereits erwähnt, durch bloßen Konsens das Eigentum überträgt (vgl. Art. 1440 Cc). Daraus ergibt sich, daß selbst dann, wenn italienisches Redit audi auf den obligatorischen Vertrag anwendbar wäre, Frau W. sich nicht auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte, da die vom italienischen Recht geforderte privatsdiriftliche Form gewahrt ist. Eine Umgehung italienischer Formvorschriften scheidet daher aus. 3. Die Bedeutung der „trascrizione" Es ergibt sich also, daß die Begründung oder Übertragung eines Rechts an einem Grundstück zur Wirksamkeit einer Eintragung nicht bedarf. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt zwischen den Parteien selbst, gegenüber Dritten dagegen nur mit Einschränkungen. a) Art. 2644 Cc bestimmt nämlich, daß die in Art. 2643 Cc aufgezählten Rechtsvorgänge, wozu insbesondere die Akte gehören, die das Eigentum an Grundstücken übertragen, Dritten gegenüber, die Rechte an dem Grundstück erworben und eingetragen haben, nur wirksam sind, wenn sie selbst eingetragen werden. Insoweit könnte man von einer konstitutiven Wirkung der Eintragung sprechen. Aus der angeführten Bestimmung des Art. 2644 Cc i. V. m. Art. 2643 Cc folgt auch, daß in Italien - anders als im deutschen Recht - nicht die dinglichen Rechte selbst publiziert werden, sondern die sie betreffenden Rechtsvorgänge. b) Art. 2643 lautet, soweit einschle Art. 2643 - Atti soggetti

a

trascrizione

„Si devono rendere pubblici col mezzo della trascrizione: 1. i contratti die trasferiscono la proprietà di beni immobili."

überschreibungspilichtige geschäfte

Rechts-

Mittels der Uberschreibung müssen offenkundig gemacht werden : 1. die Verträge, welche das Eigentum an einem Grundstück übertragen.

Dazu ist noch heranzuziehen Art. 2644, der lautet: Art. 2644 - Effetti della trascrizione „Gli atti enunciati nell'articolo precendente non hanno effetto riguardo ai terzi che a qualunque titolo hanno acquistato diritti sugli immobili in base a un atto trascritto o iscritto anteriormente alla trascrizione degli atti medesimi.

Wirkungen der Überschreibung Die im vorgehenden Artikel aufgezählten Rechtsgeschäfte haben gegenüber Dritten, welche aufgrund eines wie immer gearteten Titels Rechte an Grundstücken aufgrund eines Rechtsgeschäftes erworben haben, das seinerseits vor dem in Rede stehenden Rechts-

Schuldrecht

8

Seguita la trascrizione, non può avere effetto contro colui che ha trascritto alcuna trascrizione o iscrizione di diritti acquistati verso il suo autore, quantunque l'acquisto risalga a data anteriore."

4.

geschäft in das Grundstücksregister überschrieben oder dort eingetragen wurde (Anm. d. Inst.: die Eintragung, iscrizione, spielt bei Hypotheken eine Rolle), keine Wirkung. (Abs. 2 nicht einschlägig, da hier der Rechtszustand nach erfolgter Uberschreibung erläutert wird. Im vorliegenden Falle fehlt es aber gerade an der Uberschreibung.)

Zusammenfassung

a) Es ergibt sich also, daß die Firma E. ihrer vertraglich übernommenen Pflicht, Frau W. den Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Appartementhausgrundstück zu ermöglichen, nach den Vorschriften des italienischen Sachenrechts nur dadurch nachkommen kann, daß sie mit Frau W. einen Kaufvertrag gemäß Art. 1470 i. V. m. Art. 1376 Cc abschließt oder aber einen derartigen Vertrag mit dem bisherigen Grundstüdeseigentümer vermittelt. b) Damit ist aber, wie sich aus den Darlegungen unter II 2 b ergibt, die Anwendbarkeit des italienischen Rechts erschöpft. Der Geschäftsbesorgungsvertrag, aufgrund dessen die Firma E. von Frau W. Schadenersatz fordert, untersteht kraft Parteivereinbarung dem deutschen Recht; damit kommen die Formvorschriften des deutschen Rechts zur Anwendung. IV. Anwendbarkeit 1. Die räumliche Reichweite

des § 313 BGB im vorliegenden

Falle

von § 313 BGB

Bevor auf die Frage einzugehen ist, ob der zwischen Frau W. und der Firma E. geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag unter § 313 BGB fällt, ist festzustellen, ob § 313 BGB überhaupt Anwendung findet, wenn es sich um ein ausländisches Grundstück handelt. a) Nach überwiegender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung findet § 3 1 3 BGB auf einen obligatorischen Vertrag, der die Übertragung eines ausländischen Grundstückseigentums zum Gegenstand hat, keine Anwendung 6. Das Reichsgericht hat hierzu ausgeführt 7 , daß für § 313 bevölkerungspolitische und Raumerwägungen maßgebend gewesen seien, die nur für inländische Grundstücke bedeutsam sind 8 . « Vgl. RGZ 63, 18 ff. und 121, 157; Klein, SeuffBl. 75, 278; Staudinger, Bern. E zu § 313 mit weiteren Nachweisen. * RGZ 63, 19. 8 Ähnlich Nußbaum, Deutsches Internationales Privatrecht (1932) 93.

BGB,

Vertrag

/

Italien

9

b) Dagegen hat das OLG Braunschweig in einem Fall, wo die Parteien die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart hatten, § 313 auch auf den Schuldvertrag auf Übertragung eines ausländischen Grundstücks angewandt 9 . Auch Frankenstein10 will § 313 immer dann anwenden, wenn deutsches Recht materiell maßgebend i s t c) Es erscheint wenig aussichtsreich, sich auf die vereinzelt gebliebene Entscheidung des OLG Braunschweig oder auf Frankenstein zu berufen, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß bei den zu a) zitierten Entscheidungen in keinem Fall die Geltung deutschen Rechts für den obligatorischen Vertrag vereinbart war. Das Institut neigt trotzdem der Auffassung zu a) zu; mit Nußbaum11 ist davon auszugehen, daß die Zweckbestimmung des § 313 dessen ausschließliche Anwendung auf die Veräußerung inländischer Grundstücke rechtfertigt. 2. Selbst wenn man aber von der Auffassung ausgeht, § 313 sei immer dann anzuwenden, wenn der Grundstücksveräußerungsvertrag deutschem materiellem Recht untersteht, gleich wo das Grundstück belegen ist, wird Frau W . sich im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf § 313 BGB berufen können, um die Nichtigkeit des von ihr unterzeichneten Vertrages darzutun. a) Ein Auftrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB, durch den sich der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber ein Grundstück zu verschaffen, ist formfrei 1 2 . b) Damit erledigt sich zugleich der Einwand, es liege eine Umgehung der Formvorsdirift des § 313 BGB vor. Eine internationalprivatrechtliche Umgehung setzt voraus, daß die Parteien die Voraussetzungen einer internationalprivatrechtlichen Anknüpfung erfüllen, um dadurch die Anwendbarkeit eines Rechtes zu erreichen, das die den Parteien mißliebige Vorschrift nicht enthält. Eine derartige Umgehung scheidet aber aus, wenn die zu umgehende Vorschrift auf das von den Parteien vorgenommene Rechtsgeschäft nicht anwendbar ist. 3. Insgesamt ist festzustellen, daß es aussichtslos erscheint, mit § 313 BGB die Formnichtigkeit des Vertrages zu begründen. Eine andere, hier nicht zu prüfende, weil ausschließlich deutschem Recht unterliegende Frage ist es, inwieweit die weitreichenden Versprechungen der Firma E. der Wirklichkeit entsprechen und was sich, falls dies nicht zutrifft, hieraus für Rechtswirkungen ergeben.

1 0 Internationales Privatrecht II 28 Fußn. 80. OLGRspr. 16, 362 ff. AaO. 1 2 Vgl. Palandt-Lauterbach, Anm. 5 zu § 313, und insbesondere die Entscheidung des BGH vom 15. 6. 1961, BB 1961, 1028 = DNotZ 1961, 583. 9

11

10

Schuldrecht Nr. 2

Spanien 1. Ein Beherbergungsvertrag riditet sich grundsätzlich auch dann nach dem am Ort des Beherbergungsbetriebes geltenden Recht, wenn er im Rahmen einer sogenannten Pauschalreise einem deutschen Staatsangehörigen in Deutschland von einem deutsdien Reisebüro vermittelt wurde und der Inhaber des Reisebüros zugleich Eigentümer des Beherbergungsbetriebes ist. Dagegen ist der zwischen dem Reisenden und dem deutschen Reisebüro geschlossene Vermittlungsvertrag grundsätzlich nach deutschem Recht zu beurteilen. 2. Zur Haltung des Gastwirts für eingebrachte Sachen nach spanischem Recht. München G 1230-64 vom 13.5.1966 Am 29.4.1964 schlössen ein deutscher Staatsbürger, der nunmehrige Kl., und seine Ehefrau im Reisebüro des Bekl. in München einen Vertrag über einen 14tägigen Spanien-Urlaub. Das Hotel „Casa Munich" in Sitges/ Spanien, in dem der Kl. und seine Ehefrau vereinbarungsgemäß vom 8.-18. 5.1964 untergebracht wurden, gehört dem Bekl. und wird von Angestellten des Bekl. geführt. Auf die ausdrückliche Rüdefrage des Instituts wurde mitgeteilt, daß das Hotel „Casa Munich" zur fraglichen Zeit und auch sonst nicht für die Reiseteilnehmer des Bekl. reserviert war, sondern wie jedes andere spanische Hotel jedem Reisenden offensteht. Uber das auf die Vertragsbeziehungen anwendbare Recht wurden zwischen den Parteien keine Abmachungen getroffen. Am 9.5.1964 wurden dem Kl. und seiner Ehefrau aus dem gemeinsamen Hotelzimmer ein goldenes Armband im W e r t e von DM 220 und Bargeld in verschiedenen W ä h r u n g e n in Höhe von DM 1150 gestohlen. Uber den Diebstahl wurde ein polizeiliches Protokoll aufgenommen; die angestellten Ermittlungen blieben jedoch ohne Ergebnis. In dem Hotel war angeblich ein Anschlag angebracht, wonach für Schmuck, Wertgegenstände und Geld, die nicht bei der Direktion hinterlegt wurden, keine Verantwortung übernommen wurde. Das Amtsgericht München hat durch Urteil vom 17. 2. 1966 den Bekl. verurteilt, an den Kl. Schadenersatz in Höhe von DM 1194 zu leisten; es hat den Anspruch des Kl. gemäß § 701 11, II BGB für begründet erachtet. Die Berufung gegen dieses Urteil soll mit der Nichtanwendung spanischen Rechts auf den Beherbergungsvertrag begründet werden. Gegenstand der Anfrage ist, ob der Beherbergungsvertrag nach deutschem oder spanischem Recht zu beurteilen ist; für den Fall, daß spanisches Recht maßgeblich ist, wird um Mitteilung der maßgebenden Bestimmungen dieses Rechts gebeten.

Vertrag

/

Spanien

I. Das anwendbare 1. Die Maßgeblichkeit

des Paiteiwiilens

11

Recht

im internationalen

Schuldrecht

a) Welches Recht auf einen Schuldvertrag anzuwenden ist, bestimmt sich in erster Linie nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen1. aa) Ausdrückliche Vereinbarungen finden sich häufig in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dem Institut liegen die allgemeinen Reisebedingungen des deutschen Reisebüro-Verbandes e. V. nicht im vollen Wortlaut vor; es erscheint indes wenig wahrscheinlich, daß diese Bedingungen eine Bestimmung über das anwendbare Recht enthalten, da bei der typischen Tätigkeit eines Reisebüros, die in aller Regel als Geschäftsbesorgung i. S. des § 675 BGB zu charakterisieren ist, die Anwendbarkeit deutschen Rechts von Seiten der Vertragsparteien als selbstverständlich vorausgesetzt wird (sog. reines Inlandsgeschäft). Auch nach den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts München vom 17. 2.1966 wurde zwischen den Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung über das anzuwendende Recht getroffen. bb) Der dem Institut vorliegende Sachverhalt ergibt auch keine Hinweise dafür, daß eine stillschweigende Einigung über die Anwendbarkeit des deutschen oder spanischen Rechtes erfolgt ist. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 17. 2. 1966, das auch auf diesen Punkt eingeht, verneint dies ebenfalls. b) Mangels einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Einigung der Vertragspartner über das anzuwendende Recht entscheidet hierüber der sog. „hypothetische Parteiwille" 2 . aa) Was unter dem sog. hypothetischen Parteiwillen zu verstehen ist, ist im einzelnen strittig. Nach einer subjektiven Auffassung kommt es darauf an festzustellen, wie die Parteien, sofern sie über das anzuwendende Recht eine Vereinbarung getroffen hätten, vernünftigerweise entschieden haben würden3. bb) Demgegenüber hat sich in der Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, daß es sich bei der Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen um eine rein objektive Anknüpfung handelt. Dies kommt ganz besonders deutlich zum Ausdruck in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.11.1955 4 . Danach 1 Soergel-Kegel, BGB, Rz. 167 ff. vor Art. 7 EGBGB; Palandt-Lauterbach, BGB, 2 a vor Art. 12 EGBGB, jeweils mit ausführlichen Nachweisen, ferner BGHZ 7, 234 und 19, 111. 2 Soergel-Kegel, Rz. 185 ff. vor Art. 7 EGBGB, Palandt-Lauterbach aaO; BGHZ aaO; Reithmann, Internationales Vertragsrecht (1963) Rz. 15. 3 Gamillscheg, 4 BGHZ 19, 110. AcP 157 (1958/59) 340.

12

Schuldrecht

„ . . . besteht der hypothetische Parteiwille nicht in hypothetischen subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien. Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bedeutet vielmehr das Suchen nach dem Anknüpfungspunkt, der sich aus der Eigenart des zu entscheidenden Sachverhalts und aus der Interessenlage, in die gegebenenfalls auch das Allgemeininteresse einzubeziehen ist, unter Berücksichtigung rein objektiver Gesichtspunkte ergibt."

Diese Auffassung überwiegt auch in der Lehre 5 . Bestritten ist lediglich, ob auch das Allgemeininteresse einbezogen werden soll; dies kann jedoch im vorliegenden Falle außer Betracht bleiben. 2. Die Eigenart des hier vorliegenden

Sachverhalts

a) Das Amtsgericht München hat bei seiner Feststellung, der hypothetische Parteiwille gehe hier auf die Anwendbarkeit deutschen Rechtes, berücksichtigt, daß beide Parteien deutsche Staatsangehörige sind und ihren Wohnsitz in Deutschland haben, daß der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit des Bekl. in Deutschland liegt, der Vertrag in Deutschland abgeschlossen wurde und die Bezahlung in deutscher Währung erfolgen sollte. Es erscheint fraglich, ob damit die Eigenart des vorliegenden Sachverhalts erschöpfend berücksichtigt ist. b) Aus der dem Institut vorliegenden Anfrage ergibt sich der genaue Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nicht. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß der Beherbergungsvertrag nicht völlig isoliert abgeschlossen wurde, sondern dabei auch Leistungen des Reisebüros in Anspruch genommen werden sollten. Die Tatsache, daß der Kl. „einen Vertrag für einen vierzehntägigen Urlaub in Spanien abschloß", läßt den Schluß zu, daß es sich um eine sog. Pauschalreise handelte. c) Auch bei diesen Pauschalreisen tritt das Reisebüro nicht als Unternehmer, sondern stets als Vermittler der beteiligten Personen, Unternehmen, Transportgesellschaften und Hotels auf. Dabei wird vom Reisebüro keine Haftung für Beschädigungen, Unglücksfälle, Verluste, Verspätungen oder sonstige Unregelmäßigkeiten und Mängel übernommen. Die gesetzliche Haftpflicht der Personen und Unternehmen (sc. Hotels, Transportunternehmen usw.) bleibt unberührt (Allgemeine Reisebedingungen des Deutschen Reisebüro-Verbandes und der einzelnen Reisebüros). Daraus ergibt sich, daß nach den allgemeinen Reisebedingungen, die Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages sind, zwischen den Beziehungen des Reisenden zum Reisebüro und denen des 5 Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl.) 473 ff.; Martin Wolff, Das Internationale Privatrecht Deutschlands (3. Aufl.) 143; Soergel-Kegel, Rz. 190 vor Art. 7.

Vertrag

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Spanien

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Reisenden zu den beteiligten Unternehmen zu unterscheiden ist 6 . Selbst wenn man diese Geschäftsbedingungen einschränkend auslegt, ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß zwischen den Beziehungen des Reisenden zum Reisebüro als Vermittler und denen zum Reisebüro als Leistungsträger (Hotelier) unterschieden werden muß. Die Tätigkeit des Reisebüros ist als Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. des § 675 BGB anzusehen, der eine Vermittlungstätigkeit zum Inhalt hat 7 . d) Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht also darin, daß das Reisebüro hier nicht nur als Vermittler, sondern auch als Hotelier aufgetreten ist; bei beiden vertraglichen Beziehungen ist somit getrennt der ihrer Eigenart entsprechende hypothetische Parteiwille festzustellen. aa) Auf den Beherbergungsvertrag findet nach überwiegender Auffassung das Recht des Aufnahmeorts Anwendung 8 . Dies entspricht dem Grundsatz, daß bei gewerblichen Leistungen in der Regel das Recht der Niederlassung (bzw. der Zweigniederlassung) den Vorzug verdient 9 . Dies ist einmal besonders dann der Fall, wenn der Vertrag die Berufstätigkeit eines Kontrahenten betrifft und diese Berufstätigkeit einer staatlichen Kontrolle unterliegt, so bei Verträgen mit Rechtsanwälten, Ärzten, Apotheken, Banken und Versicherungen 10 ; es trifft dies aber auch dann zu, wenn ein Vertragspartner zahlreiche solche oder ähnliche Verträge abschließt und ein erhebliches Interesse an einheitlicher Behandlung hat. Kegel nimmt dabei an, daß das Recht den Vorzug verdiene, das „im Interesse der an der Rechtswahl stärker interessierten Vertragspartei liegt". Dieses Argument spricht hier ebenfalls für die Anwendbarkeit des spanischen Rechts als des Rechtes der gewerblichen Niederlassung, da der Gastwirt bzw. Hotelier, der ja ständig von neuem derartige Verträge abschließt, und zwar mit Personen sehr verschiedener Nationalität, ein starkes Interesse an gleichbleibender Beurteilung dieser Verträge hat. Dagegen sind die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien, ihr gemeinsamer Wohnsitz, die deutsche Sprache, der Vertragsschluß in Deutschland und die Bezahlung in deutscher Währung für den Beherbergungsvertrag nur schwache Hinweise, was insbesondere durch die weiteren Ausführungen (unten cc) noch unterstützt wird. bb) Der zwischen dem Reisenden und dem Reisebüro als Vermittler abgeschlossene Vertrag ist nach den oben geschilderten Anknüpfungs6 Kiatt-Firscher, Die Gesellschaftsreise (1961) 147; Klatt, Die R e i s e d i e n s t l e i s t u n g (1962) 56. 7 Klatt aaO. 8 Soeigel-Kegel, Rz. 199 vor Art. 7; OLG Karlsruhe, IPRspr. 1928 Nr. 32; Schnitzer, Handbuch des Internationalen Privatrechts, Bd. II (4. Aufl. 1958) 730. 9 Vgl. Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 230. 10 Vgl. Kegel aaO; Reithmann, Internationales Vertragsrecht (1963) Rz. 24.

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Schuldrecht

regeln nach deutschem Recht zu beurteilen, wenn es sich um ein deutsches Reisebüro handelt. Es liegt eine Organisationstätigkeit vor, deren Zweck vornehmlich darin besteht, dem Reisenden Verhandlungen mit einzelnen Unternehmen, die häufig im Ausland liegen und deren Sprache er nicht spricht, abzunehmen und ihm (jedenfalls bei der sog. Pauschalreise) die Bezahlung der Leistungen einheitlich in seiner eigenen Währung zu ermöglichen. Die Erwägungen, aufgrund deren das Amtsgericht München einen hypothetischen Parteiwillen des Inhalts, daß deutsches Recht anzuwenden sei, festgestellt hat, treffen auf die Vermittlungstätigkeit des Reisebüros vollinhaltlich zu, da der Vertragszweck gerade darauf abzielt, dem Reisenden die Vorbereitung seiner Reise in Deutschland, in deutscher Sprache und unter Bezahlung in deutscher Währung zu ermöglichen. cc) Wenn aber, wie hier, zugleich noch ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird, nämlich der Beherbergungsvertrag über das Hotel in Sitges, so können diese Umstände, die gerade für die Vermittlungstätigkeit typisch sind, für die Bestimmung des auf den weiteren Vertrag anwendbaren Rechtes nur insoweit Anhaltspunkte bilden, als sie auch für diesen Vertrag typisch sind. Isoliert betrachtet kommt im internationalen Schuldrecht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit, dem gemeinsamen Wohnsitz, dem Ort des Vertragsschlusses und der für die Bezahlung vorgesehenen Währung nur untergeordnete Bedeutung zu. Auch die Erwägung, der Bekl. entfalte den Schwerpunkt seiner geschäftlichen Tätigkeit in Deutschland, geht daran vorbei, daß hier zwei Verträge mit völlig voneinander verschiedenem Leistungsinhalt vorliegen. Was den Beherbergungsvertrag anlangt, so liegt der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit sicherlich nicht in Deutschland, sondern in Spanien. Es kann hier nichts anderes gelten als etwa in dem Falle, in dem ein Vertrag mit einer ausländischen Zweigniederlassung abgeschlossen wird; für die Bestimmung der gewerblichen Niederlassung ist dann in der Regel auf die Zweigniederlassung, nicht auf die inländische Hauptniederlassung abzustellen. dd) Es ergibt sich somit, daß zwei voneinander zu trennende Verträge vorliegen und der hypothetische Parteiwille beim Vermittlungsvertrag zur Anwendbarkeit deutschen, beim Beherbergungsvertrag zur Anwendbarkeit spanischen Rechtes führt. e) Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, daß zwei wirtschaftlich eng zusammenhängende Verträge unter dem Gesichtspunkt des sog. „angelehnten Vertrages" einheitlich nach einem Recht zu beurteilen seien11. aa) Vorauszuschicken ist dabei, daß eine derartige Anlehnung eines Vertrages an einen anderen nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist. So 11 Soergel-Kegel, 1954/55 Nr. 34 a.

Rz. 203 vor Art. 7; Reithmann,

Rz. 37; LG Hamburg, IPRspr.

Veitrag / Spanien

15

lehnt es z. B. die Rechtsprechung durchweg ab, die Bürgschaft nach dem auf die Hauptschuld anwendbaren Recht zu beurteilen 12 . Bei dem vom LG Hamburg entschiedenen Fall handelte es sich um einen Schiffsmaklervertrag, der unter anderem wegen seiner engen Verbindung zum Frachtvertrag nach deutschem Recht, dem auch der Frachtvertrag unterstand, beurteilt wurde. Der BGH 18 hat die diesbezüglichen Ausführungen des LG Hamburg obiter gebilligt. Der enge Zusammenhang mit dem Frachtvertrag wurde aber sowohl vom LG als auch vom BGH nur hilfsweise als Gesichtspunkt für die Feststellung des hypothetischen Parteiwillens herangezogen. Der dort behandelte Maklervertrag wies noch weitere starke Beziehungen zum deutschen Recht auf, denen letztlich entscheidende Bedeutung zugemessen wurde. bb) Im vorliegenden Fall hingegen besteht zunächst schon die Schwierigkeit festzustellen, welcher Vertrag hier als überwiegend angesehen werden soll, so daß der andere an ihn angelehnt werden könnte. An sich müßte dabei die bloße Vermittlungstätigkeit hinter der Leistung zurücktreten, an der der Reisende vornehmlich interessiert ist. Dem steht jedoch entgegen, daß das Reisebüro nicht nur den Hotelaufenthalt, sondern in aller Regel auch Beförderungsverträge, Reiseleitung usw. vermittelt. Würde man also der an den Reisenden zu erbringenden Leistung, d. h. den einzelnen durch das Reisebüro vermittelten Verträgen den Vorrang geben, so wäre die Tätigkeit des Reisebüros je nach der Eigenart der dem Reisenden vermittelten Werk- bzw. Dienstleistung bald nach diesem, bald nach jenem Recht zu beurteilen. Dies würde zu höchst ungereimten Ergebnissen führen; eine Anlehnung des Vermittlungsvertrages an den Vertrag mit dem Leistungsträger scheidet daher aus. Nimmt man dagegen an, die Vermittlungstätigkeit des Reisebüros stehe im Vordergrund, da sie sich auf eine Vielzahl einzelner zu vermittelnder Dienst- und Werkleistungen erstrecke, so würde dies zur Folge haben, daß alle diese durch das Reisebüro vermittelten Dienst- und Werkverträge sich nach deutschem Recht richten würden, wenn nur der Vertrag mit dem Reisebüro nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Daß dies bei Auslandsreisen in aller Regel nicht zutreffen kann, liegt auf der Hand. Es ist daher auch die Anlehnung des Vertrages mit dem Leistungsträger an den Vermittlungsvertrag mit dem Reisebüro abzulehnen. Ausnahmen könnten allenfalls dann gelten, wenn das Reisebüro alle oder einen wesentlichen Teil der Leistungen, die es normalerweise lediglich vermittelt, selbst erbringt und die einzelnen Dienstleistungsbetriebe ausschließlich auf die Organisationstätigkeit des Reisebüros zugeschnitten sind. So könnte etwa im vorliegenden Falle dann auch der Beherbergungsvertrag nach deutschem Recht zu beurteilen sein, wenn das von dem Reise12 13

So ausdrücklich OLG Hamm, RiW 1957, 186; ferner RGZ 96, 262. LM Nr. 3 zu § 652 BGB = IPRspr. 1956/57 Nr. 55.

Schuldrecht

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büro in Spanien geführte Hotel ausschließlich von dem Reisebüro mit eigenen Gästen belegt würde. Kann somit nur unter ganz besonderen Umständen von einem „überwiegenden" Vertragsverhältnis die Rede sein, so kommt beim Vermittlungsvertrag und beim Beherbergungsvertrag hinzu, daß der hypothetische Parteiwille ganz eindeutig hier zum spanischen, dort zum deutschen Recht weist (siehe oben 2 c aa, bb). Eine „Anlehnung" eines Vertrages an den anderen wäre auch deshalb gekünstelt und ist - zumindest bei Zugrundelegung des dem Institut vorliegenden Sachverhalts - abzulehnen. 3. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß das anzuwendende Recht in Ermangelung eines hypothetischen Parteiwillens durch den Erfüllungsort bestimmt wird. Dieser führt für den Beherbergungsvertrag ebenfalls zur Anwendbarkeit spanischen Rechts, für den Vermittlungsvertrag hingegen zur Anwendbarkeit deutschen Rechts. 4. Damit richtet sich der Beherbergungsvertrag nach spanischem Recht.

II. Der Inhalt des anzuwendenden 1. Die maßgeblichen

Rechts

Bestimmungen

Die Gastwirtshaftung ist in den Artt. 1783 und 1784 des Código Civil von 1888 geregelt. Sie lauten: Art. 1783 „Se reputa también depósito necesario el de los efectos introducidos por los viajeros en las fondas y mesones. Los fondistas o mesoneros responden de ellos como tales depositarios, con tal que se hubiese dado conocimiento a los mismos, o a sus dependientes, de los efectos introducidos en su casa, y que los viajeros por su parte observen las prevenciones que dichos posaderos o sus sustitutos les hubiesen hecho sobre cuidado y vigilancia de los efectos."

Als notwendige Verwahrung gilt auch diejenige der von den Reisenden in Gasthäuser und Herbergen eingebrachten Gegenstände. Die Gastwirte und Herbergsleute haften hierfür wie solche [Anm. d. Instituts: notwendigen] Verwahrer, vorausgesetzt, daß ihnen oder ihren Angestellten von den eingebrachten Gegenständen Kenntnis gegeben wurde und die Reisenden ihrerseits die Vorsichtsmaßregeln beachten, die ihnen die Gastwirte oder deren Angestellte hinsichtlich der Aufbewahrung und Bewachung der Gegenstände machen.

Ait. 1784 „La responsabilidad a que se refiere el articulo anterior comprende los daños hechos en los efectos de los viajeros,

Die Haftung, auf die sich der vorhergehende Artikel bezieht, umfaßt die Schäden an den Gegenständen der Rei-

Vertrag tanto por los criados o dependientes de los fondistas o mesoneros, como por los extraños; pero no los que provengan de robo a mano armada, o sean ocasionados por otro suceso de fuerza mayor."

2. Bemerkungen

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Spanien

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senden, gleich ob sie durch die Dienstboten oder Angestellten der Gastwirte oder Herbergsleute oder durch Fremde verursacht sind; ausgenommen sind Schäden durch bewaffneten Uberfall oder sonst durch höhere Gewalt verursachte Schäden.

zu dem Inhalt der Artt. 1783 und 1784

Das spanische Recht faßt die Einbringung von Sachen bei Gastwirten als sog. „notwendige" Verwahrung auf (ebenso der französische Code Civil: Artt. 1952-1954). Es handelt sich hier um das gemeinrechtliche „depositum necessarium", das auf das römisch-rechtliche „depositummiserabile" zurückgeht. Hier greift die Vorstellung ein, daß der Hinterleger keine andere Wahl hat, als zu hinterlegen, und daß er wegen dieser Zwangslage besonders schutzbedürftig ist. Die Anspruchsvoraussetzungen sind im einzelnen die folgenden: a) Der Reisende muß dem Hotelier oder einem von dessen Angestellten von den eingebrachten Gegenständen Kenntnis gegeben haben. Dazu ist nicht etwa eine ausdrückliche Mitteilung des Gastes an den Hotelier erforderlich; es genügt vielmehr, wenn die Gegenstände offen, d. h. vor Augen des Hoteliers oder seiner Angestellten in das Hotel gebracht werden 1 4 . b) Der Reisende muß die Vorsichtsmaßregeln beachtet haben, die ihm der Hotelier oder dessen Angestellte nahegelegt haben. Ob in dem Schild, das angeblich in dem Hotel angebracht war, eine Anweisung des Hoteliers hinsichtlich der Aufbewahrung der eingebrachten Gegenstände gesehen werden kann, erscheint fraglich. Nach dem Wortlaut ist eher anzunehmen, daß damit ein Haftungsausschluß gewollt war. c) Ein vertraglicher Haftungsausschluß ist auch im spanischen Recht möglich. Entgegen der Auffassung des Bekl. ist hierzu eine vertragliche Abrede zwischen dem Hotelier und dem Reisenden erforderlich. Eine einseitige Erklärung durch den Hotelier genügt nicht, um dessen Haftung auszuschließen 15 . Manresa y Navarro16 wollen einen vertraglichen Haftungsausschluß überhaupt nur für den Fall zulassen, daß ein eigenes Verschulden des Reisenden vorliegt. d) Die Gastwirtshaftung ist im spanischen Recht der Höhe nach unbeschränkt. 14

Pérez y Alguer, Notas al Código Civil, Bd. II (2. Aufl.) 382; Tratado de Derecho civil Español, Bd. IV/2 (Madrid 1951) 424. 15 Puig-Peña aaO. 16 Comentarios al Código civil Español (Madrid 1950) Bd. XI 727. 2

M a t . : 11, G u t a d l t e n 1965/66

Puig-Peña,

Schuldrecht

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III. Zusammenfassend

ergibt sich

folgendes:

1. Der Beherbergungsvertrag über das Hotel „Casa Munich" richtet sich nach spanischem Recht. 2. Der Inhaber d e s Hotels „Casa Munich" haftet nach Art. 1783, 1784 Cödigo Civil für den Verlust der eingebrachten Sachen. Die Haftung tritt nicht ein, sofern festgestellt wird, daß der Kl. bei der A u f b e w a h r u n g dieser Sachen g e g e n die v o m Inhaber des Hotels oder d e s s e n A n g e s t e l l t e n g e g e b e n e n A n w e i s u n g e n v e r s t o ß e n hat oder daß ein vertraglicher Haftungsausschluß vorliegt.

Nr. 3 USA (Columbia) 1. Ob ein Anspruch verjährt ist, entscheidet nach deutschem Internationalen Privatrecht dasjenige Recht, das den Anspruch beherrscht. 2. Bei der Anknüpfung eines Vertrages an den sogenannten „hypothetischen Parteiwillen" ist nicht auf hypothetische subjektive Vorstellungen der Parteien abzustellen, sondern auf die objektive Interessenlage, wobei sämtliche Umstände des Falles zu berücksichtigen sind. 3. Ein Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und einer deutschen Firma, dessen Text in englischer Sprache formularmäßig festgelegt ist und den die Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe mit einer Vielzahl von Firmen verschiedener Länder abgeschlossen haben, unterliegt amerikanischem Recht. 4. Auch wenn das Vertragsstatut auf dem hypothetischen Parteiwillen beruht, ist eine etwaige Rückverweisung nicht zu beachten. 5. Sowohl im amerikanischen Bundesrecht wie im Recht des District of Columbia ist anerkannt, daß für die Vereinigten Staaten, sofern sie nicht nur nominelle, sondern wirkliche Klägerin sind, die Vorschriften über eine Klagebefristung grundsätzlich nicht gelten. Hamburg G 170/65 vom 4. 11.1965

Das Landgericht Hannover bittet in der Sache Vereinigte Staaten v o n Amerika g e g e n Fa. A. GmbH um Auskunft über amerikanisches Vertragsrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Bekl. hat in d e n Jahren 1955/56 Batterien an eine Firma in Kambodscha geliefert. Die Kl. hat im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe der Bekl.

Vertrag

/ USA

(Columbia)

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zugesagt, diese Lieferung durch die ICA - eine unselbständige Sonderverwaltung des Außenministeriums der Vereinigten Staaten - zu bezahlen. Die von den Parteien darüber in englischer Sprache getroffenen Vereinbarungen lauten in deutscher Übersetzung u. a. wie folgt: „Der Lieferant bestätigt hiermit, daß der auf der beiliegenden Rechnung angegebene Betrag, den er aufgrund der Bedingungen des zugrunde liegenden Vertrages beansprucht, aus Mitteln zu zahlen ist, die von den Vereinigten Staaten laut Gesetz über gegenseitige Sicherheit (Mutual Security Act) in der gegenwärtig gültigen, den Ausführungsbestimmungen der neu gefaßten ICA-Anweisung Nr. 1 unterliegenden Form zur Verfügung gestellt werden. Ferner bestätigt er und vereinbart mit dem Direktor der ICA das Folgende: 1. Der Lieferant hat nach dem obengenannten Vertrag das Recht auf Zahlung der beanspruchten Summe. Sollte er den Vertrag nicht oder nur teilweise erfüllen oder in irgendeiner Weise gegen die Bedingungen dieser Bescheinigung verstoßen, so wird er der ICA auf Anforderung des Direktors unverzüglich entsprechende Rückzahlung leisten. 2...." Die Kl. hat an die Bekl. den vollen Betrag gezahlt, die Bekl. hat jedoch weniger Batterien als vorgesehen nach Kambodscha geliefert. Die Kl. verlangt nunmehr unter Berufung auf die vertragliche Vereinbarung mit der Bekl. einen Teil des von ihr gezahlten Betrages zurück. Die Bekl. beruft sich gegenüber etwaigen Ansprüchen der Kl. u. a. auch auf Verjährung. Das Landgericht fragt an, ob nach dem zur Anwendung gelangenden amerikanischen Recht die Einrede der Verjährung durchgreift und gegebenenfalls aufgrund welcher Rechtsvorschriften. I. Maßgebliches

Recht

Ob ein Anspruch verjährt ist, entscheidet nach deutschem Internationalem Privatrecht dasjenige Recht, das den Anspruch beherrscht 1 , hier also das Vertragsstatut. Welches Recht für vertragliche Ansprüche maßgebend ist, bestimmt sich in erster Linie nach dem Willen der Vertragsparteien 2 . Diese können ein Recht ausdrücklich oder konkludent wählen. Da es im vorliegenden Fall an einer ausdrücklichen Rechtswahl fehlt, bleibt zu prüfen, ob sich eine solche Wahl aus den Umständen ergibt 3 . Bedeutsam sind hierbei im vorliegenden Fall insbesondere der Charakter und gewisse Bestimmungen 1 Vgl. für alle Soergel-Siebert(-Kegel), BGB, 9. Aufl. Bd. V (1961), Bern. 161 vor Art. 7 EGBGB (mit Nachweisen). 2 Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 167 ff. vor Art. 7 EGBGB (mit Nachweisen). 3 Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 180 ff. vor Art. 7 EGBGB.

2 *

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Schuldrecht

des von den Parteien abgeschlossenen Vertrags. Es handelt sich um einen Vertrag, wie ihn die Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe mit einer Vielzahl von Firmen verschiedener Länder abgeschlossen haben. Der Text des Vertrages ist von vornherein in englischer Sprache formularmäßig festgelegt. Die Auszahlung des von der Lieferfirma in Rechnung gestellten Betrages erfolgt nach Bestimmungen, die von der zuständigen amerikanischen Stelle festgesetzt sind. Auf dem von dem Bekl. unterschriebenen Formular „Suppliers Certificate" wird darauf hingewiesen, daß unrichtige Angaben des Unterzeichnenden nach dem Recht der Vereinigten Staaten strafbar sind. Der ganze Vertrag ist auf eine Beurteilung nach amerikanischem Recht angelegt. Mit dem Ziel, die Verträge möglichst gleichförmig zu gestalten, wäre es unvereinbar, wenn nicht einheitlich das amerikanische Recht, sondern jeweils dasjenige Recht gelten würde, das dem Vertragspartner am nächsten liegt. Diese Umstände rechtfertigen in ihrer Gesamtheit den Schluß, daß die Kl. dem Vertrag in erkennbarer Weise amerikanisches Recht zugrunde legen wollte. Da keine Anzeichen dafür vorliegen, daß die Bekl. bei Abschluß des Vertrages nicht hiermit einverstanden war, ist davon auszugehen, daß der Vertrag amerikanischem Recht unterliegt. Geht man entgegen der hier vertretenen Ansicht davon aus, der Wille der Parteien lasse sich aus den Umständen nicht oder doch jedenfalls nicht hinreichend sicher erschließen, so richtet sich das Vertragsstatut nach dem sog. „hypothetischen Parteiwillen", d.h. es ist zu prüfen, welches Recht die Parteien gewählt hätten, wenn sie sich der kollisionsrechtlichen Frage bewußt gewesen wären 4 . Hierbei ist allerdings nicht auf hypothetische subjektive Vorstellungen der Parteien abzustellen, sondern auf die objektive Interessenlage 5 . Bei der Interessenabwägung, für die der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestimmend sein muß, sind sämtliche Umstände des Falles zu berücksichtigen 6 . Für gewisse typische Fallgruppen haben sich allerdings bereits feste Regeln herausgebildet. So ist anerkannt, daß Verträge eines Staates dem Recht dieses Staates unterstehen, sofern nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen 7 . Damit steht fest, daß für den vorliegenden Vertrag - und somit auch für die Frage der Anspruchsverjährung - in

Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 185 vor Art. 7 EGBGB (mit Nachweisen). Ständige Rechtsprechung des BGH seit BGHZ 7, 231 (235) = IzRspr. 1945-1953 Nr. 213 b ; vgl. Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 190 vor Art. 7 EGBGB (mit Nachweisen). 6 Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 186, 192 vor Art. 7 EGBGB (mit weiteren Nachweisen). ' Vgl. RGZ 125, 196 (207) = IPRspr. 1930 Nr. 34; Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 191, 193 vor Art. 7 EGBGB. 4

5

Vertrag / USA

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(Columbia)

jedem Fall - auch wenn man nicht eine konkludente Rechts wähl der Parteien annimmt - vom amerikanischen Recht auszugehen ist. Eine etwaige Rückverweisung dieses Rechts bezüglich der Verjährung - diese wird im Common Law anders als im deutschen Recht weithin als Klagverjährung und damit als prozeßrechtliches Institut aufgefaßt, das der lex fori untersteht 8 - wird in Deutschland von der herrschenden Rechtsprechung und Lehre nicht beachtet 9 . Ebenso ist eine etwaige Rückverweisung iür den Vertrag als solchen unbeachtlich, da das Vertragsstatut im vorliegenden Falle, wie dargelegt, auf dem konkludent erklärten Parteiwillen beruht 1 0 . Aber auch wenn man es entgegen der hier vertretenen Ansicht für erforderlich hält, das Vertragsstatut mit Hilfe des „hypothetischen Parteiwillens" zu ermitteln, würde für die Rückverweisung nichts anderes gelten 11 . II. Materielles amerikanisches

Recht

Bevor auf die allgemeinen Normen über eine „limitation of actions" eingegangen wird (unten 2), ist zunächst zu prüfen, ob der Vertrag selbst Fristen für die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen vorsieht (unten 1). 1. Der Vertrag und die Regulation 1, auf die in ihm Bezug genommen wird, enthalten keine für den vorliegenden Fall geltenden Vorschriften über die Verjährung. Insbesondere greift § 201.6 (D) Abs. 2 der erwähnten Regulation, auf den sich die Bekl. beruft, hier nicht ein. Er bezieht sich nach seinem klaren Wortlaut nur auf Rückforderungsansprüche, die gegen Teilnehmerländer („cooperating countries") gerichtet sind. 2. Bei Prüfung der einschlägigen Normen über die „limitation of actions" kann offen bleiben, ob die den Vertrag beherrschenden Regeln dem amerikanischen Bundesrecht („federal law") oder dem Recht des District of Columbia (in welchem die Kl. ihren Sitz hat und ihre Hauptverwaltung führt) oder beiden Rechten gemeinsam zu entnehmen sind 12 . Denn hinsichtlich der hier allein interessierenden Verjährungsfrage kommen beide Rechte zu dem gleichen Ergebnis. Sowohl im „federal law" als auch im Recht des District of Columbia - hier sogar aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung - ist anerkannt, daß die Vereinigten 8

Vgl. Rabel, Conflict of Laws III (2. Aufl. 1964) 516 ff.; Ailes, Limitation of Actions and the Conflict of Laws: Mich.L.Rev. 31 (1933) 474 (489). 8 BGH 9. 6. 1960, LM Nr. 13 zu Artt. 7 ff. EGBGB (Deutsches intern. Privatrecht) = N J W 1960, 1720 (1722); hiergegen allerdings Kegel, Die Grenze von Qualifikation und Renvoi im internationalen Verjährungsrecht (1962) 41 ff. 10 Vgl. Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 218 vor Art. 7 EGBGB (mit Nachweisen). 11 BGH 14. 2. 1958, N J W 1958, 750 (751); Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 70; Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 189. - A. A. Soergel-Siebert(-Kegel), Bern. 218 vor Art. 7 EGBGB. 12 Vgl. dazu Note, Duke Law Journal 1965, 386 ff. mit ausführlichen Nachweisen der Rechtsprechung und Literatur.

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Schuldrecht

Staaten, sofern sie nicht nur nominelle, sondern wirkliche Klägerin („real plaintiff") sind, grundsätzlich nicht durch Vorschriften über eine Klagbefristung gebunden sind. Eine Ausnahme gilt nur, soweit der Kongreß klar eine gegenteilige Ansicht geäußert hat 1 3 . Diese Regel ist von der Rechtsprechung nicht nur dann angewandt worden, wenn die Vereinigten Staaten Hoheitsrechte wahrnahmen, sondern auch in Fällen, in denen sie Ansprüche einklagten, die nach deutschem Recht als „privatrechtlich" zu qualifizieren wären 1 4 . „Wirklicher" Kläger (real plaintiff) sind die Vereinigten Staaten dann, wenn sie an dem Rechtsstreit ein „wirkliches Interesse" (real interest) haben, den Prozeß also nicht nur im Interesse eines Dritten führen 1 5 . Da die Kl. im vorliegenden Fall ein Eigeninteresse an dem Rechtsstreit hat, haben für sie etwaige Vorschriften über eine „limitation of actions" keine Geltung. Die Bekl. kann sich der Kl. gegenüber also nicht auf Verjährung berufen 1 6 . III.

Ergebnis

1. Der Vertrag untersteht dem amerikanischen Recht, das auch über die Verjährung vertraglicher Ansprüche entscheidet. 2. Nach dem maßgebenden amerikanischen Recht kann sich die Bekl. der Kl. gegenüber nicht auf Verjährung berufen. 13 Vgl. American Jurisprudence, Bd. 34 (1959 mit Nachtrag 1965) Limitation of Actions §§ 390,391 (mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung); 61 A.L.R. 412 ff. (1929); § 12-308 des District of Columbia Code (1961 Edition, Supplement IV 1965), früher § 12-204. 14 Vgl. Chesapeake & D. Canal Co. v. United States, 250 U.S. 123 (1919): Klage auf Auszahlung von Dividenden; United States v. Miller, 28 F. 2d 846 (8. Cir. 1928): Klage auf Ersatz für Holz, das aus Staatswaldungen entwendet worden war; United States v. Summerlin, 310 U.S. 414 (1940): Klage zur Durchsetzung eines erworbenen Anspruches, der sich gegen einen Nachlaß richtete; United States v. 93 Court Corp., 34 U.S. Law Week 2132 (2. Cir. 1965): Hypothekenklage. - Da somit ein Kontrahent der Vereinigten Staaten für unbestimmte Zeit damit rechnen muß, daß Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, ist ihm durch Bundesgesetz eigens die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage gegen die Vereinigten Staaten vor dem „Court of Claims" eingeräumt worden; - vgl. United States Code Annotated, Bd. 28 (1950 mit Nachtrag 1964) § 1494, und hierzu Corpus Juris Secundum, Bd. 36 A (1961 mit Nachtrag 1965) Federal Courts § 328, S. 150. 15 Vgl. Unites States v. Washington Loan & Trust Co., 47 F. Supp. 25 (1942), äff. 134 F. 2d 59 (D.C.Cir. 1943): Hier klagten die USA gegen mehrere Banken auf Rückzahlung von Beträgen, die sie den Banken aufgrund gefälschter Schecks gezahlt hatten. Die Gerichte sahen die United States als „wirklichen" Kläger (real plaintiff) an. - Weitere Rechtsprechungsnachweise in American Jurisprudence, Bd. 34 aaO § 394. 18 Die Frage, ob und inwieweit ein solcher Ausschluß der Verjährung durch das amerikanische Recht gegen den deutschen ordre public verstößt, dürfte im vorliegenden Fall zu verneinen sein.

Vertrag / USA (New York)

23

Nr. 4 USA (New York) 1. Ein formularmäßiger Vertrag, durch den sich ein im Staate New York domizilierter amerikanisier Staatsangehöriger verpflichtet, die von einem außerhalb der USA in US-Diensten tätigen ausländischen Staatsangehörigen bezahlte Einkommensteuer in den USA zurückzuerwirken, und in dem er sich hierfür ein Erfolgshonorar von 33V3% versprechen läßt, unterliegt dem Recht von New York. 2. Soweit der Rechtsbeistand in New York tätig geworden ist und lediglich untergeordnete Dienste geleistet hat oder zwar weitergehenden juristischen Rat erteilt und Geschäftsbesorgungen größeren Umfangs übernommen hat, ohne jedoch als Anwalt oder Steuerberater zugelassen zu sein, ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von 331/3 °/o nach dem Recht von New York nichtig. 3. Soweit der Rechtsbeistand in Deutschland tätig geworden ist und die Tatbestände der unerlaubten Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung eriüllt sind, kann ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliegen. München G 1288 - 6.7 vom 5. 10. 1966

Kl. und Bekl. schlössen im Jahre 1960 einen als „Agreement" bezeichneten Vertrag in englischer Sprache ab, in dem sich der Kl. verpflichtete, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die vom Bekl. an die Regierung der Vereinigten Staaten bezahlte Einkommensteuer rückerstattet zu bekommen. Als Entlohnung sind laut Vertragsformular V3 der zurückerstatteten Steuer ausbedungen. Zusätzlich unterzeichnete der Bekl. eine „Power of Attorney", in der er den Kl. bevollmächtigte, seine Ansprüche auf Rückerstattung der einbehaltenen Einkommensteuer vor dem Internal Revenue Service geltend zu machen. Der Kl. scheint sich gewerbsmäßig mit der Erwirkung von Steuernachlässen zu beschäftigen; durch die verwendeten Vertragsformulare wird er als im Staate New York domiziliert ausgewiesen. Der Bekl. ist Flüchtling und war zum damaligen Zeitpunkt beim Radio Free Europe angestellt. Als nicht in den Vereinigten Staaten wohnhaftem Ausländer wurde ihm die einbehaltene Einkommensteuer zurückerstattet. Der Kl. macht deshalb sein Erfolgshonorar in Höhe von 33V3°/o des zurückerstatteten Geldbetrages geltend. Das ersuchende Gericht fragt an, 1. ob der von den Parteien geschlossene Vertrag bei ergänzender, im Rahmen des Internationalen Privatrechts vorzunehmender Auslegung dem Gesetz des Staates New York untersteht oder sich nach deutschem Recht beurteilt; 2. ob gegebenenfalls die von den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach New Yorker Recht gültig ist.

24

Schuldrecht

I. Das anzuwendende

Recht

Das Gericht hat die Frage nach dem anzuwendenden Recht nach deutschem Kollisionsrecht zu beantworten. Eine gesetzliche Regelung fehlt diesbezüglich vollständig, so daß die Lückenfüllung der Rechtslehre und der Rechtsprechung obliegt. 1. Wegen der das Schuldrecht beherrschenden Vertragsfreiheit ist davon auszugehen, daß die Parteien den Vertrag einem bestimmten Recht unterstellen können. Bei der Ermittlung des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts ist somit in erster Linie der beiderseitige Parteiwille zu berücksichtigen. a) Realer

Parteiwille

Die Parteien haben das maßgebliche Recht nicht ausdrücklich vereinbart. Ein auf die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung gerichteter Parteiwille könnte sich aber auch stillschweigend ergeben. Die stillschweigende Abrede muß das Gericht aus den besonderen Umständen des einzelnen Vertrages erschließen. Als typische, auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung weisende Umstände sind von der Rechtsprechung u. a. anerkannt die Verweisung auf Vorschriften oder Institute einer bestimmten Rechtsordnung (so im vorliegenden Fall die Vereinbarung eines im deutschen Recht im allgemeinen nicht üblichen Erfolgshonorars) oder die Benutzung von Formularen, die auf eine bestimmte Rechtsordnung aufbauen (vgl. „Agreement" und „Power of Attorney") i . b) Hypothetischer

Parteiwille

Sollte es dem Gericht nicht möglich sein, aufgrund der genannten Gesichtspunkte einen realen Parteiwillen festzustellen, so kann das Gericht sich bei der Anknüpfungsfrage nach dem im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermittelnden mutmaßlich gewollten Willen der Vertragsparteien (hypothetischer Parteiwille) richten. Hier ist dann - wie das Gericht zutreffend erkannt hat - zu untersuchen, ob sich - nach der Eigenart des Sachverhaltes - ein Schwerpunkt des Schuldverhältnisses bestimmen läßt. (1) Die Anwendbarkeit New Yorker Rechts kann nach der Auffassung des Instituts nicht auf den Grundsatz gestützt werden, daß die Beziehungen zwischen Anwalt und Mandanten regelmäßig dem für den Sitz des Anwalts geltenden Recht unterliegen 2 . Der Kl. ist nicht Anwalt. Dieser Grundsatz läßt sich auch nicht analog 1

Vgl. Soergel-Kegel, BGB (9. Aufl.), Vorbem. 182, 183 vor Art. 7 EGBGB. Vgl. Palandt-Lauterbach, BGB, Vorbem. 6 d zu Art. 12 EGBGB; OLG Köln, N J W 1959, 155. 2

Veitrag

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York)

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auf den offensichtlich mit einfachsten Mitteln unterhaltenen Betrieb des Kl. anwenden, da einmal einer Anwaltskanzlei ein ganz anderes wirtschaftliches Schwergewicht innewohnt, zum andern ein Anwalt durch sein Standesrecht an den Ort seiner Tätigkeit gebunden ist, diese Bindung beim freien Gewerbe des Kl. aber nicht gegeben ist. (2) Es ist vielmehr darauf abzustellen, daß ein Gewerbetreibender, der sich zu Dienstleistungen verpflichtet, mehr Rechtssätze beachten muß als der bloß zahlende Vertragsgegner. Der Gewerbetreibende schließt zudem eine Vielzahl gleichartiger Verträge; auch im vorliegenden Fall ist ein sog. Adhäsionsvertrag nach Formular abgeschlossen. Im Zweifel findet deshalb nach der Rechtsprechung das Recht des Niederlassungsortes des Gewerbetreibenden Anwendung 3 . Das Institut hat grundsätzlich keine Bedenken, das Recht des Niederlassungsortes auch im Falle einer gewerblichen Tätigkeit anzuwenden, die etwa der eines deutschen Helfers in Steuersachen entspricht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß tatsächlich eine gewerbliche Niederlassung des Kl. in New York besteht und diese in eindeutiger Weise für Dritte erkennbar geworden ist. Der Vertrag für sich enthält hier wenig Anhaltspunkte; insbesondere enthalten die Formulare keinen Hinweis auf einen Gewerbebetrieb, wie er üblicherweise auf Briefköpfen usw. aufgeführt wird; weiter fehlt es auch an der Kennzeichnung der Art der freiberuflichen Tätigkeit, die der Kl. ausübt. Entscheidend für die Ermittlung des Schwerpunktes ist auch in diesem Zusammenhang, ob der Kl. seinen Kunden gegenüber als Helfer in Steuersachen, Steuerberater, Vertreter einer amerikanischen Revisionsfirma aufgetreten ist, ob der Kl. von New York aus tätig wurde und von dort aus dem Bekl. die Vertragsformulare zusandte oder ob der Kl. eine Zweigniederlassung in Deutschland besitzt, von der aus er Geschäfte tätigt, letztlich ob Abschlußort (das ist der Ort, an dem der letzte für das Zustandekommen des Vertrages notwendige Akt erfolgte) München oder New York ist. (3) Ferner ist für die Ermittlung des Schwerpunktes Art und Ausmaß der Bindung des Bekl. an die deutsche Rechtsordnung nicht ohne Bedeutung. Hatte der Bekl. zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Beziehung zur deutschen Rechtsordnung, so dürfte das New Yorker Recht der objektiven Interessenwertung entsprechen. (4) Angemessenes Recht im Rahmen einer objektiven Interessenwertung ist letztlich meist das Recht, das im Interesse der an der Rechtswahl stärker interessierten Vertragspartei liegt. Deswegen überwiegen im Rahmen der Schwerpunktsermittlung meist die Interessen des Schuldners von Diensten gegenüber denen des Geldschuldners 4 . 3 Vgl. z. B. BGH, W M 1957, 1047 (1048) bzgl. Versicherung; BGHZ 19, 110 bzgl. Verleger; LG München I, WM 1957, 1378 bzgl. Werkunternehmer. 4 Vgl. Kegel, IPR (2. Aufl.) 230.

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Schuldrecht

2. Versagt die Anknüpfung an den realen oder hypothetischen Parteiwillen, so hält sich die deutsche Rechtsprechung an den Erfüllungsort 5 . Den Erfüllungsort hat das deutsche Gericht nach der Rechtsprechung 6 gem. §§ 269, 270 BGB zu ermitteln. Sowohl für die Leistung des Kl. (§ 269) wie auch für die Leistung des Bekl. (§ 270) wäre demnach Leistungsort der Wohnsitz oder die Niederlassung des Kl. Im Gegensatz zu der Anknüpfung an den realen oder hypothetischen Parteiwillen wären im Falle einer Anknüpfung an einen ausländischen Erfüllungsort Rück- und Weiterverweisung nach Art. 27 EGBGB beachtlich 7 . Zu einer Rück- oder Weiterverweisung durch das New Yorker Kollisionsrecht kommt es aber im vorliegenden Falle nicht. Das New Yorker Kollisionsrecht entspricht weitgehend der von der deutschen Rechtsprechung und Lehre entwickelten Regelung; es ist das „dem Vertrag angemessene Recht" (the proper law of contract) zu ermitteln, das - vom Standpunkt des New Yorker Richters - New Yorker Recht wäre, da zumindest Teile der Geschäftsbesorgung in New York zu tätigen waren. Zu der nur hilfsweisen Anknüpfung an den Abschlußort (law of the place of contracting) - und damit u. U. zu einer Rückverweisung - wird es somit nicht kommen. Ergebnis

Sofern nicht die weiteren Ermittlungen ergeben, daß der Kl. von Deutschland aus tätig wurde und dort auch eine geschäftliche Niederlassung unterhält, sowie konkrete Beziehungen des Bekl. zur deutschen Rechtsordnung dargelegt werden, ist von der Maßgeblichkeit des New Yorker Rechts auszugehen, und zwar aufgrund 1. stillschweigender Parteivereinbarung, die aus Auf- und Abfassung des „Agreements" und der „Power of Attorney" erschlossen werden kann oder 2. objektiver Interessenwertung (hypothetischer Parteiwille), die sich am stärkeren Interesse an der Geschäftsbesorgung ausrichtet oder hilfsweise 3. Anknüpfung an den Erfüllungsort (§§ 269, 270 BGB). 5 Nachweise bei Palandt-Lauterbach aaO; hiergegen spricht sich allerdings die Lehre aus, da dies bei gegenseitigen Verträgen zur Anwendung zweierlei Rechts auf den Vertrag führen kann und somit in schwer tragbarer Weise der innere Entscheidungseinklang gestört wird, vgl. Kegel 232 mit zahlreichen Nachweisen. Zu einer derartigen Aufspaltung eines einheitlich konzipierten Vertrages kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht. 6 Vgl. RGZ 109, 295 ff. (298). 7 Vgl. Palandt-Lauterbach, Vorbem. 2 c zu Art. 12 EGBGB; BGH, N J W 1958, 750.

Vertrag

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II. Inhalt des anzuwendenden 1. Vorbemerkung

27

York)

Rechts

zur deutschen höchstrichterlichen

Rechtsprechung

Deutsche Gerichte haben sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit der nach den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen grundsätzlich zulässigen Vereinbarung von Erfolgshonoraren auseinandersetzen müssen 8 . Diese Rechtsprechung geht fast ausnahmslos auf den Inhalt des anzuwendenden Rechts nur ganz oberflächlich ein. Das Hauptaugenmerk wird der Frage der Vereinbarkeit des angenommenen Inhalts des ausländischen Rechts mit dem deutschen ordre public gewidmet. Diese Entwicklung der Rechtsprechung ist nicht zuletzt darin begründet, daß die Obergerichte - soweit Revisionsgerichte - durch §§ 549, 562 ZPO an der Uberprüfung des ausländischen Rechts in weitem Umfang gehindert sind. Der BGH konnte so in seiner Entscheidung vom 28. 10.1965 zum Inhalt des New Yorker Rechts und zu seiner Auslegung durch das Kammergericht nicht Stellung nehmen und mußte seine Nachprüfung auf § 293 ZPO und Art. 30 EGBGB beschränken 9 . Um Unbilligkeiten auszuräumen, muß so zwangsläufig zur Waffe des ordre public gegriffen werden, ohne die Möglichkeiten ausschöpfen zu können, die die anzuwendende Rechtsordnung selbst zur Beseitigung von Härten anbietet. 2. Inhalt des anzuwendenden

New Yorker Rechts

Das anfragende Gericht darf zunächst darauf hingewiesen werden, daß die deutschen Begriffe „Steuerberater" und „Helfer in Steuersachen" nicht notwendig den US-amerikanischen Vorstellungen entsprechen, soweit damit Berufsstände angesprochen werden, die Gewerbetreibende nur nach formellem Nachweis fachlicher und persönlicher Eignung ausüben können. Im Rahmen der generellen Gewerbefreiheit kann jedermann - ohne Ablegung irgendwelcher Prüfungen - den Geschäften eines Steuerberaters nachgehen. Umstritten war lediglich, ob derartige tax counsellors oder tax advisors vor den Finanzgerichten auftreten können oder ob diese Tätigkeit dem Anwaltsstand vorbehalten bleibt. Was die Federal Tax Courts anbelangt, ist diese Streitfrage in der Zwischenzeit dahingehend geregelt worden, daß das Gericht im eigenen Ermessen über die Zulassung oder Nichtzulassung eines tax advisors entscheidet. 8 Vgl. KG, RzW 1958, 374; OLG Köln, RzW 1959, 46; LG Berlin, RzW I960, 237; BGHZ 22, 162 = N J W 1957, 184 = LM Nr. 3 zu Art. 30 EGBGB m. Anm. vonRietschel-, BGH, N J W 1961, 313 m. Anm. von Lewald und zuletzt BGH 28. 10. 1965, N J W 1966, 296 ff. m. Anm. von Cohn in NJW 1966, 772. 9 Vgl. BGH, NJW 1966, 296 (298).

Schuldrecht

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Soweit der Kl. bei einem Tax Court zugelassen ist, bestehen keine Bedenken, die für das Anwalt-Klienten-Verhältnis geltenden Grundsätze auf die vertraglichen Beziehungen zwischen Kläger und Beklagten anzuwenden 10. War der Kl. nicht zugelassen (hierzu ergeben sich aus dem Akteninhalt gewisse Anhaltspunkte), so könnten seine Dienste mangels persönlicher Qualifikation als zu gering erscheinen 11 , um ein Erfolgshonorar in Höhe von 33V3 °/o zu rechtfertigen; es ist dann auch weiter zu prüfen, ob nicht etwa ein Verstoß gegen die New Yorker Bestimmungen über unerlaubte Rechtsberatung vorliegt 12 . a) (1) Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ist in den Vereinigten Staaten üblich; eine derartige vertragliche Regelung (contract for contingent fee) begegnet keinerlei standesrechtlichen Bedenken. „It is neither a violation of law nor against good morals that a lawyer, if he believes a client or would-be client has been wronged, and is unable to employ counsel, to bring suit for redress thereof, and to undertake the business upon a promise of reward contingent on the result."

Es ist weder gesetzes- noch sittenwidrig, daß ein Anwalt - wenn er glaubt, daß einem Klienten oder einem möglichen Klienten Unrecht widerfahren ist, und es diesem unmöglich ist, einen Rechtsbeistand zuzuziehen - Klage auf Abhilfe einlegt und die Geschäfte führt gegen eine durch den Erfolg bedingte Entlohnung.

So Judge Walker, der die opinion des North Carolina Supreme Court in der Sache High Point Casket Company v. Wheeler mitteilte 13 . Diese Entscheidung, auf die sich audi der Berufungski. bezieht, hat weitestgehende Anerkennung gefunden. Die weiteren Ausführungen sind richtungweisend für das gesamte attorney-client-Verhältnis geworden 14 : „A contract for a contingent fee must be made in good faith, without suppression or reserve of fact or of apprehended difficulties, and without undue influence of any sort or degree; and the compensation bargained for must be absolutely just and fair, so that the transaction may be characterized throughout by all good faith to the 10

Ein Vertrag über ein Erfolgshonorar muß in gutem Glauben ohne Unterdrückung oder Zurückhaltung von Tatsachen oder greifbaren Schwierigkeiten und ohne unstatthafte Einflußnahme abgeschlossen werden; die auszuhandelnde Vergütung muß gerecht und fair und dem Klienten gegenüber voll und ganz den Prinzipien von Treu und Glau-

Vgl. hierzu eingehend LG München I 11. 2. 1965 - 6 0 803/62, RzW 1965, 375 ff. „Merely minor services" vgl. unten b (3). 12 Vgl. unten c (4). 13 19 A.L.R. 391 ff., 397. 14 Vgl. C.J.S., Bd. 7, Attorney and Client § 186; Am.Jur. 2d, Bd. 7, Attorneys at Law § 214 und insbesondere die im Staate New York ergangenen Entscheidungen Murray v. Waring Hat Mig. Co., 127 N.Y.S. 78; Friedmann v. Mindiin, 155 N.Y.S. 295; Morehouse v. Brooklyn Heights R. Co., 195 N.Y. 535, 88 N.E. 1126. 11

Vertrag / USA (New York) client. If the contract is shown to have been obtained by fraud, mistake, or undue influence, or if it is so excessive in proportion to the services to be rendered as to be in fact oppressive or extortionate, it will not be upheld. Such a contract cannot be condemned solely because the proportion of the claim to be retained by the attorney was very large, if it was deliberately entered into, was free from fraud, and showed no purpose to obtain undue advantage. .. One very properly may demand a larger compensation if it is to be contingent or not certain. A contingent fee is permitted to attorneys only as a reward for skill and diligence exercised in the prosecution of doubtful and litigated claims, and it is not allowed for the rendition of merely minor services, which any layman or inexperienced attorney might perform."

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ben entsprechen. Der Vertrag ist nicht aufrechtzuerhalten, wenn er durch Täuschung, Versehen oder unstatthafte Einflußnahme erlangt wurde oder wenn er im Verhältnis zu den geleisteten Diensten als so übersteigert erscheint, daß er als mißbräuchlich oder erpresserisch zu gelten hat. Ein derartiger Vertrag kann nicht allein deshalb verworfen werden, weil der Anteil, den der Anwalt erhalten soll, sehr groß ist, soweit der Vertrag aus freien Stücken eingegangen wurde, nicht durch Täuschung erlangt wurde und nicht die Erlangung eines unstatthaften Vorteiles verfolgt... Es kann sehr wohl eine größere Vergütung verlangt werden, wenn diese bedingt oder ungewiß ist. Erfolgshonorare werden Anwälten nur als Entlohnung für Können und Fleiß gestattet, die sie bei der Verfolgung zweifelhafter bestrittener Ansprüche aufwenden-, Erfolgshonorare sind nicht statthaft bei Verrichtung untergeordneter Tätigkeiten, die jeder Laie oder unerfahrene Anwalt verrichten kann.

(2) D i e s e Grundsätze gelten auch in Steuersachen 1 5 . b) Zu den e i n z e l n e n Punkten: (1) „good faith to the client". - Im allgemeinen geht die amerikanische Rechtslehre und Rechtsprechung in einem g e w i s s e n Umfang v o n einer Aufklärungspflidit des A n w a l t s aus 1 6 . In der Sache Ridge v. Healy 16° war z. B. das Gericht der Auffassung, der A n w a l t müsse d e n Klienten, mit dem er ein Erfolgshonorar vereinbare, darauf hinweisen, daß w e n i g s t e n s 4 0 % des streitbefangenen Anspruchs dem Mandanten sicher sei. (2) Höhe des Anteils. - Hier geht die amerikanische Rechtsprechung d a v o n aus, daß der Anteil desto größer sein darf, je geringer die Erfolgsaussichten erscheinen 1 7 . (3) M e r e l y minor services. - Der N e w Yorker Supreme Court 1 7 a hat in d i e s e m Zusammenhang das Erfolgshonorar in H ö h e v o n 3 0 % einer zu 15

Vgl. 5 A.L.R. 2d 878 Annotation „Counsel Fees in Taxpayer's Action" § 14 III „Amounts allowable" (885). 16 16 Vgl. C.J.S., Bd. 7 S. 1064 f. Fn. 49. * 251 F. 798. 17 Vgl. Morehouse v. Brooklyn Heights R. Co. (1908), 123 App.Div. 680, 108 N.Y.S. 152, äff. 195 N.Y. 537, 88 N.E. 1126. 178 In re Mellick, 172 App.Div. 538, 158 N.Y.S. 689.

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Schuldrecht

erstreitenden Erbschaft mit der folgenden Begründung nicht aufrecht erhalten: „In this case the services actually rendered consumed a short time only, and were not of unusual character."

Im vorliegenden Fall beanspruchten die tatsächlich geleisteten Dienste nur kurze Zeit und waren nicht außergewöhnlicher Natur.

c) Anwendung der Grundsätze auf den vorliegenden Fall (1) Auf die Frage, ob der Kl. den Bekl. getäuscht oder unfair behandelt hat, kann das Institut mangels Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten nicht eingehen. (2) Ebenso werden im Hinblick auf Art und Ausmaß der vom Kl. geleisteten Dienste weitere Ermittlungen anzustellen sein. (3) Um lediglich untergeordnete Dienste, die kein Erfolgshonorar in Höhe von 33'/3 % rechtfertigen, dürfte es sich dann handeln, wenn der Kl. bei grundsätzlich nicht bestrittener Rechtslage nur routinemäßig Formulare auszufüllen hatte, für die er nicht durch eigene Unterschrift haftete. (4) Hat der Kl. weitergehenden juristischen Rat erteilt und Geschäftsbesorgungen größeren Umfangs übernommen, so wäre zu prüfen, ob der Kl. dadurch nicht gegen die N e w Yorker Bestimmungen gegen den Rechtsberatungsmißbrauch verstoßen hat. See. 270 Penal Law stellt u. a. den Tatbestand „holding himself out to the public as being entitled to practice l a w . . . " unter Strafe mit der Folge, daß die zwischen Kl. und Bekl. getroffenen Vereinbarungen nichtig („void") wären. Der Begriff der Anwaltstätigkeit ist nach N e w Yorker Recht weiter gefaßt als in den deutschen gesetzlichen Bestimmungen 1 8 : „The practice of law is not limited to the conduct of cases in courts."

„Practice of law" beschränkt sich nicht auf die anwaltschaftliche Tätigkeit vor Gerichten.

Bestritten ist, wie weit dieser Begriff auszulegen ist. Richter Crane macht in seinem Urteilsspruch in der Sache People v. Alfani dazu folgende Ausführungen 1 8 a : „It is common knowledge, . . . that a large, if not the greater, part of the work of the bar today is out of court or office work. Counsel and advice, the

18

Es ist allgemein bekannt, . . . daß ein großer - wenn nicht der größere - Teil der Anwaltstätigkeit sich heute außerhalb der Gerichte oder Anwaltsbüros

Vgl. In Matter oi Duncan, 83 S.C. 186, 189, 65 S.E. 210, 211. 125 N.E. 671, 227 N.Y. 334, reversing 174 N.Y. 527, 186 App.Div. 468, 37 N.Y.Cr. 395; vgl. auch C.J.S., Bd. 7 S. 727 Fn. 36. 18a

Vertrag

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drawing of agreements, the organization of corporations and preparing papers connected therewith, the drafting of legal documents of all kinds, including wills, are activities which have long been classed as law practice. The legislature is presumed to have used the words as persons generally would understand them, and not being technical or scientific terms, ,to practice as an attorney at law' means to do the work, as a business, which is commonly and usually done by lawyers here in this country."

York)

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vollzieht. Unterrichtung und Ratschläge, die Abfassung von Übereinkommen, die Organisation der Gesellschaften und die Vorbereitung der diesbezüglichen Papiere, die Abfassung von Dokumenten aller Art, einschließlich von Testamenten, sind seit langem schon als „law practice" (Anwaltstätigkeit) klassifiziert worden. Es muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber den Begriff so verwendet hat, wie er allgemein verstanden wird - und nicht in einem technisch-wissenschaftlichen Sinn, so daß „to practice as an attorney at law" (als Anwalt tätig sein) bedeutet, gewerbsmäßig die Arbeit zu verrichten, die allgemein und gewöhnlich in diesem Land (New York) von Anwälten erledigt wird.

Nach diesen Gesichtspunkten kann die Rechtsberatung bei der income tax return als dem Anwaltsstand oder den bei den entsprechenden Behörden zugelassenen tax advisors vorbehaltene Tätigkeit angesehen werden. Anwaltskammern, berufsständige Vertretungen und Gerichte gehen im allgemeinen gegen die Übergriffe außenstehender, nicht zugelassener Gewerbetreibender scharf vor. Allerdings beschränkt sich der Geltungsbereich des New York Penal Law auf Handlungen, die innerhalb dieses Staates vorgenommen werden. See. 270 fände demnach keine Anwendung für unerlaubte Rechtsberatung, die der Kl. in Deutschland vorgenommen hat. Wo im vorliegenden Fall die Rechtsberatung stattgefunden hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach der Auffassung des Instituts könnte man insbesondere auch dann zu einer Ausübung der rechtsberatenden Tätigkeit in New York gelangen, wenn der Kl. mit gewerblicher Niederlassung in New York von dort aus tätig wird, um ausländische Kunden zu beraten und vor Behörden der amerikanischen Bundesregierung zu vertreten. Wurde die Tätigkeit nach den genannten Gesichtspunkten ausschließlich oder auch in Deutschland vorgenommen, so könnten die Bestimmungen des Gesetzes zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13. 12. 1935 19 , insbes. die §§ 107 a, 413 I Nr. 3 AO, eingreifen, vgl. unten III 2. (5) Während im Falle oben (2) (b) die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen ohne weiteres nichtig sind, steht dem Bekl. im Falle (2) (a) der Rechtsbehelf der equitable recession (Rücktritt nach Billigkeitsrecht) 19

RGBl. I 1478.

Schuldrecht

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zu. Die equitable recession erfüllt in etwa die Aufgabe der §§ 119 ff. BGB. Festumrissene Fristen, innerhalb deren Rücktritt oder Anfechtung erklärt werden müssen, kennt das Common Law nicht. Allerdings setzt die equitable recession als equity-Rechtsbehelf die „clean hands" dessen voraus, der sich auf equity beruft („the plaintiff must come into court with clean hands"; wer einen equity-Anspruch erhebt, muß sich selbst einwandfrei verhalten haben). Zu diesem einwandfreien Verhalten gehört, daß der Bekl., nach Kenntnis der erforderlichen Umstände den Anspruch des Kl. nicht etwa zunächst anerkennt oder eine klare Stellungnahme ungebührlich lange hinauszögert. Im Falle der equitable recession hat der Kl. Anspruch auf eine seiner Leistungen angemessene Gebühr (quantum meruit). Bezüglich des „quantum meruit" gilt folgendes: „The reasonableness of an attorney's fee, in a particular case, depends on the facts and circumstances thereof. Various factors are to be considered, among others the amount and character of the fee, the customary charge, and the financial ability, or prominence of the client." 2 0

Die Angemessenheit (reasonableness) einer Anwaltsgebühr hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Verschiedene Umstände müssen in Betracht gezogen werden, u. a. Umfang und Art der geleisteten Dienste, Art der Gebühr, der übliche Gebührensatz und die Finanzkraft oder die hervorragende Stellung des Klienten.

In der Sache Mellick20a hat der New Yorker Supreme Court z. B. anstatt des nicht aufrechterhaltenen 30prozentigen Erfolgshonorars in Höhe von $ 5700 eine Gebühr von $ 1000 als angemessene Entschädigung für die tatsächlich geleisteten Dienste angesehen ( „ . . . we are of opinion that $ 1000 will amply compensate him for the services rendered") 2 0 b .

III. Ordre public 1. Der BGH, Urt. v. 15. 11. 1956 - VII ZR 249/56 2 1 , hat die Vereinbarung eines nach einem Streitteil berechneten Erfolgshonorars zwischen einem in den USA ansässigen Anwalt und einem deutschen Auftraggeber für zulässig erklärt. Der BGH beurteilt das von einem amerikanischen Anwalt Vgl. C.J.S., Bd. 7, Attorney and Client § 191 (2) a, S. 1081. Oben N. 17a. 20b Vgl. dazu auch die sehr interessanten Ausführungen von Cohn zum englischen Recht in N J W 1966, 772 ff. (773); hier kann eine unbillige oder unvernünftige Honorarvereinbarung durch ein - nach der deutschen Rechtsterminologie rechtsgestaltendes - Urteil für unwirksam erklärt und dem Solicitor eine angemessene Summe zugesprochen werden, Solicitors Act 1957, sec. 57 (4). 2 1 N J W 1957, 184. 20

20a

Veitrag

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York)

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abgeschlossene Honorarabkommen, da dieser nicht Organ der deutschen Rechtspflege ist, nicht anders, als wenn es sich um die Vereinbarung eines Kaufmanns ohne sonstige Stellung handelt. Insoweit können die vom BGH im Hinblick auf US-amerikanische Anwälte entwickelten Grundsätze auch auf Personen Anwendung finden, die nach amerikanischem Recht nicht als Anwalt zugelassen sind. Art. 30 EGBGB stünde insoweit der Geltendmachung des Erfolgshonorars des Kl. nicht entgegen 22 . Die Rechtsprechung - insbesondere die kürzlich ergangene Entscheidung des BGH vom 28. 10. 1965 23 - ist in der Literatur auf Widerstand gestoßen. Cohn fordert, die deutschen Gerichte „sollten mit besonderem Argwohn jenen Typ von Vereinbarungen betrachten, durch den Klienten dazu veranlaßt werden sollten, zu scheinbar sehr billigen, in der rauhen Wirklichkeit aber meist sehr teuren Bedingungen sich durch Anwälte mit laxeren Standesauffassungen vertreten zu lassen" 2 3 a . Gerade die Zulassung der Erfolgshonorare in Entschädigungssachen, auf die sich der BGH u. a. beruft, habe zu schlimmen Mißständen geführt, denen man nicht mit der gebotenen Schärfe entgegengetreten sei. Zunächst wird wohl zu unterscheiden sein zwischen Tätigkeiten rein privater Art, wie dem Führen von Verhandlungen zwischen privaten Parteien oder der Vertretung vor ausländischen Behörden, auf der einen Seite und dem Tätigwerden vor deutschen Gerichten und Behörden auf der anderen. In der erstgenannten Gruppe von Fällen können die Vorschriften des ausländischen Rechts grundsätzlich immer zur Anwendung gebracht werden. Bei deutschen Gerichten hat sich hier allerdings eine bedauerliche Nachlässigkeit bei der Ermittlung des für das Erfolgshonorar maßgeblichen ausländischen Rechts gezeigt. Zu oft ist aus dem in der Literatur und von ausländischen Anwälten - zutreffend - dargestellten Rechtszustand, daß Erfolgshonorare in Höhe von 30-50% möglich sind, rechtsirrtümlich gefolgert worden, daß derartige Vergütungen immer zulässig sein müßten 24 . Willkürlich erscheint es darüber hinaus, ein Erfolgshonorar ab einem bestimmten Prozentsatz 25 für mit dem deutschen ordre public nicht mehr vereinbar zu erachten. 2. Ein Verstoß gegen deutsche Gesetze wäre nur gegeben, wenn der Kl. ohne Erlaubnis 26 in Deutschland tätig wurde und eine unter das Gesetz 22

Vgl. LG München I, RzW 1965, 375. 23a N J W 1966, 296. Oben N. 20 b. 24 Vgl. dazu auch Cohn aaO 773. 25 Etwa 10 °/o bei Entschädigungssachen - KG, RzW 1958, 374; OLG Köln, RzW 1959, 46; LG Berlin, RzW 1960, 237 - oder 22°/o - BGH 28. 10. 1965, N J W 1966, 296. 28 Art. I § 1 Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz, §§ 107 a, 413 I Nr. 3 AO. 23

3

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

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fallende Tätigkeit ausübte 27 . Nach der Ansicht der Mehrzahl der Kommentatoren des Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes findet dieses Gesetz keine Anwendung, wenn die rechtsberatende Tätigkeit im Ausland stattfindet 28 . Zusammenfassung 1. Bei Anwendung New Yorker Rechts 29 ist der Anspruch des Kl. auf ein Erfolgshonorar in Höhe von 33V3 °/o nicht gerechtfertigt. a) Soweit es sich um beratende Tätigkeit in einem geringen Umfang handelte (merely minor services), besteht nur ein Anspruch auf das quantum meruit. b) Eine ein Erfolgshonorar rechtfertigende, umfangreichere Tätigkeit würde als „practice of law" mangels Zulassung des Kl. als Anwalt oder Steuerberater gegen sec. 270 des New Yorker Penal Law verstoßen, soweit der Kl. i. S. des New Yorker Rechts seine Tätigkeit zumindest von New York aus durchführte. 2. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 30 EGBGB) kann im vorliegenden Fall nur vorliegen, wenn der Kl. seine Tätigkeit in Deutschland durchführte und die Tatbestände der unerlaubten Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung erfüllt sind.

27 Vgl. hierzu auch Dumoulin, Rechtsberatung und Rechtsprechung der steuerund wirtschaftsberatenden Berufe: N J W 1966, 810. 28 Vgl. Schorn, S. 96; Jonas (1936) Anm. II 3 a zu § 3; ferner Elbs, Strafrechtliche Nebenges., Note 313 zu § 3. 29 Vgl. Zusammenfassung oben I.

2. UNERLAUBTE HANDLUNGEN Nr. 5 Dänemark/Norwegen Zur Haftung der öffentlichen Hand in Dänemark und Norwegen für AmtspflichtVerletzungen ihrer Organe und Bediensteten. Zum außervertraglichen Schadenersatzrecht Dänemarks und Norwegens. Hamburg G 108/65 vom 2.11.1966

Das Bundesjustizministerium hat das Institut um eine Auskunft darüber gebeten, ob aufgrund des in Dänemark und Norwegen geltenden Rechts für Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen die Gegenseitigkeit zwischen diesen beiden Staaten und der Bundesrepublik Deutschland als verbürgt anzusehen ist. Nach § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. 5.1910 (RGBl. 798) steht den Angehörigen eines ausländischen Staates ein Ersatzanspruch aufgrund dieses Gesetzes nur insoweit zu, als nach einer im Reichsgesetzblatt (nun: Bundesgesetzblatt) enthaltenen Bekanntmachung des Reichskanzlers (nun: Bundesministers der Justiz) durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Gegenseitigkeit ist im Sinne des § 7 in Verbindung mit § 1 des Gesetzes vom 22. 5.1910 als verbürgt anzusehen, wenn bei Amtspflichtverletzungen gegenüber deutschen Staatsangehörigen nach dem ausländischen Recht eine Staatshaftung (Körperschaftshaftung) im wesentlichen unter gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfange wie nach deutschem Recht begründet ist. GUTACHTEN 1. Verhältnis

von öffentlich-

und privatrechtlicher

Haftung

In der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die öffentliche Hand - Staat, Gemeinden, Körperschaften des öffentlichen Rechts - für einen Schaden haftet, den ihre Organe durch ihr Verhalten (Handeln oder Unterlassen) bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verursacht haben, hat sich 3

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Schuldrecht

in den nordischen Ländern seit dem Beginn dieses Jahrhunderts eine tiefgreifende Entwicklung vollzogen, die trotz einzelner noch offener Fragen im wesentlichen als abgeschlossen angesehen werden kann. Die Entwicklung ist in engem Zusammenhange mit der Ausgestaltung des modernen Schadenersatzrechts dieser Länder verlaufen, mit dem Ergebnis, daß die Haftung der öffentlichen Hand heute grundsätzlich als ein Teilgebiet des allgemeinen Schadenersatzrechts angesehen wird, ohne Rücksicht darauf, zu welchem Bereich staatlichen Wirkens die schädigende Handlung oder Unterlassung gehört 1 . Die heute sowohl in Dänemark wie in Norwegen herrschende Auffassung, daß Staat und Gemeinden für das Verschulden ihrer Organe grundsätzlich in gleicher Weise und ohne Rücksicht darauf haften, ob die schädigende Handlung in den Bereich der „privaten" Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand fällt oder öffentlich-rechtlichen Charakter besitzt, hat sich nur langsam durchgesetzt. Die Haftung der öffentlichen Hand für Schäden, die sich beim Betrieb ihrer Unternehmungen privatwirtschaftlicher Art ereignet haben, wird in der Rechtsprechung seit langem anerkannt und nach denselben Grundsätzen wie bei juristischen Personen des Privatrechts beurteilt. Dagegen bestand bei Schäden, die im Zusammenhang mit „hoheitlichen" Aufgaben der staatlichen und Gemeindeorgane entstanden waren, lange Zeit die Neigung, die Frage eines Schadenersatzanspruches als ausgesprochen verwaltungsrechtlich bestimmt anzusehen, mit der Folge, daß bei ihrer Behandlung die Vorstellungen und Grundsätze des allgemeinen Schadenersatzrechts völlig in den Hintergrund traten. Noch 1937 verwies Ussing die Behandlung dieser Frage in 1 Schrifttum zum Schadenersatzrecht, insbes. der öffentlichen Hand, in den nordischen Ländern: Dänemark: Poul Andersen, Offentligretligt Erstatningsansvar (1938); ders., Nyere Retspraksis vedrorende det offentligretligt Erstatningsansvar: UfR 82 (1948) B 49-64; ders., Dansk forvaltningsret (4. Aufl. 1963); Bernhard Gomard, Forholdet mellem Erstatningsregler i og uden for kontraktsforhold (1958); Stig Jorgensen, Erstatning for Personskade og tab af forsarger (1963); ders., Erstatningsret (1966); E. Munch-Petersen, „Egen Skyld" og erstatning for varetaegtsfaengsel og strafafsoning: Festskrift til Henry Ussing (1951) 399-424; G. Bent Pürschel, Nogle Betragtninger vedrorende Statens Erstatningspligt for Soldaters Handlinger: UfR 82 (1948) B 214-216; Henry Ussing, Skyld og Skade (1914); ders., Erstatningsret (1937); A. Vinding Kruse, Erstatningsretten, 2 Bde. (1964/65); F. Vinding Kruse, Den danske tinglysningslov og statskassens erstatningsansvar: SvJT 27 (1942) 393-398. Norwegen: Kristen Andersen, Erstatningsrett (1959); Frede Castberg, Innledning til forvaltningsretten (3. Aufl. 1955); ders., Statens og Kommunens ansvar for sine forvaltningsorganers skadegjorende handlinger (1950); J. 0vergaard, Norsk erstatningsrett (2. Aufl. 1951); Predrik Stang, Erstatningsansvar (1919). Rechtsvergleichend: Nordisk lovgivning om erstatningsansvar, Betaenkning afgivet af H. Ussing samt indstilling fra delegerede for Danmark, Norge og Sverige (1959).

Unerlaubte

Handlungen

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Dänemark/Norwegen

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das Staatsrecht2. Bereits im Jahre 1938 stellte jedoch Pou.1 Andersen ausdrücklich fest, daß die öffentlich-rechtliche Schadenersatzhaftung keineswegs „auf Grundsätzen beruht, die sich radikal von denen des Privatrechts unterscheiden"3. In seinen für die internordischen Beratungen zu diesem Gegenstand grundlegenden Ausführungen von 1959 erörtert auch Ussing dann die Haftung von Staat und Gemeinden als ein Teilproblem des Schadenersatzrechts4, und in neueren Darstellungen des allgemeinen Schadenersatzrechts dänischer und norwegischer Autoren wird dieser Fragenbereich durchweg ebenfalls behandelt 5 . Die Probleme der Haftung der öffentlichen Hand sind in den letzten beiden Jahrzehnten in den nordischen Ländern im übrigen auch dadurch in den Vordergrund des Interesses und der wissenschaftlichen Erörterung getreten, daß die gesetzliche Regelung des außervertraglichen Schadenersatzrechts im allgemeinen und der Haftung des Staates und der Gemeinden für ihre Organe im besonderen im Jahre 1946 unter die internordischen Gesetzgebungsvorhaben aufgenommen wurde. Gerade in diesem Fragenbereich wurden die Beratungen alsbald aufgenommen und haben, wenn auch noch nicht zu einem einheitlichen Gesetzentwurf, so doch zu weitgehender Übereinstimmung in den Grundzügen dieses Sondergebietes des Schadenersatzrechts geführt. Bereits 1947 wurden diese Arbeiten in den einzelnen Ländern eingeleitet. In zwei gemeinsamen Beratungen (1948 und 1949) arbeiteten Sachverständige die Richtlinien für den Umfang und Gang der Kommissionsberatungen aus. Aufgrund dieser Richtlinien wurden die Beratungen aufgenommen und im J a h r e 1957 abgeschlossen. Die Ergebnisse legten die Kommissionen Dänemarks, Finnlands, Norwegens und Schwedens in getrennten Entwürfen vor; ein einheitlicher Entwurf ist auch in der Folgezeit nicht zustande gekommen 6 . 2

Ussing, Erstatningsret 96. Poul Andersen, Offentligretligt erstatningsansvar 9. 4 Ussing, Nordislc lovgivning . . . 11. 6 Siehe z. B. A. Vinding Kruse I (1964) 24 f., 175 f., 277 f.; Qvergaard (1951) 205 bis 227; Kristen Andersen 114-182, der in der Einleitung zu diesem Kapitel ausdrücklich feststellt: „Die Verschuldenshaftung des Staates und der Gemeinden umfaßt jedoch Probleme ausschließlich verwaltungsrechtlicher Art nicht in einem erwähnenswerten Grad. Die Probleme sind so geartet, daß sie - grundsätzlich betrachtet - in derselben Linie liegen wie die im allgemeinen Schadensrecht behandelten. Es besteht also alle Veranlassung, sie als einen Teil oder ein Glied desselben anzusehen" (S. 114). 8 Siehe hierzu für Dänemark: „Betaenkning om Statens og kommunernes erstatningsansvar, afgivet af det ved justitsministeriets skrivelse af 24. februar 1952 nedstatte udvalg" (Betaenkning Nr. 214, 1959); für Norwegen: „Utkast med motiver til lov om Statens og kommunenes erstatningsansvar, fra Komiteen til utredning av sparsmälet om Statens og kommunenes erstatningsansvar, Komiteen oppnevnt ved kongelig resolusjon av 28. September 1951, Innstilligen avgitt desember 1958" (Justis- og politidepartementet, 1958). Einen Überblick über den zu Beginn der Beratungen in den nordischen Ländern 3

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Schuldrecht

Es erscheint unter diesen Umständen zweckmäßig, ja notwendig, zunächst das in Dänemark und Norwegen geltende allgemeine außervertragliche Schadenersatzrecht in seinen Grundzügen nachzuzeichnen und erst von dieser für beide Staaten im wesentlichen übereinstimmenden Grundlage aus über die Grundsätze zu berichten, die in jedem der beiden Staaten für die Haftung der öffentlichen Hand maßgebend sind. Hervorzuheben ist dabei, daß die dogmatischen Grundlagen des Schadenersatzrechts in Dänemark und Norwegen nicht in der Schärfe durchgebildet sind, wie dies in der deutschen Lehre der Fall ist. 11. Grundzüge

des außervertraglichen Schadenersatzrechts und Norwegen

in

Dänemark

Die Grundsätze, nach denen ein Ersatz des Schadens verlangt werden kann, der außerhalb eines Vertragsverhältnisses entstanden ist, sind in Dänemark und Norwegen ebensowenig gesetzlich umfassend geregelt wie der Schadenersatz ganz allgemein. Lediglich für bestimmte Fälle, vor allem im Bereiche der Gefährdungshaftung (Eisenbahn, Luftfahrt, Starkstrom* und Atomanlagen u. dgl.), ist die Haftung in Einzelgesetzen geregelt. Im übrigen beruht das Schadenersatzrecht im wesentlichen jedoch auf den in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte in wichtigen Fragen entscheidend ausgebaut worden sind. Ganz allgemein lassen sich die das außervertragliche Schadenersatzrecht Dänemarks und Norwegens bestimmenden wichtigsten Grundsätze, wenn man der Darstellung von Ussing folgt, kurz folgendermaßen umschreiben: 1. Eine außervertragliche Schadenersatzpflicht entsteht nur, wenn es möglich ist, einer bestimmten Person eine Haftung für den entstandenen Schaden aufzuerlegen. Der Schaden muß eine Person getroffen haben, deren Interessen durch die Grundsätze des geltenden Schadenersatzrechts geschützt sind. 2. Ersetzt wird grundsätzlich nur wirtschaftlicher Schaden, nichtwirtschaftliciier Schaden wird nur ausnahmsweise berücksichtigt, wenn nämlich entsprechende gesetzliche Vorschriften vorliegen. Dem Umfang des Schadenersatzes sind gewisse Grenzen gezogen, beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen kann er auch herabgesetzt werden oder überhaupt wegfallen 7 . 3. Besonders ist über die Verjährung der Ersatzforderungen zusprechen. herrschenden Rechtszustand gibt der mit den Vorarbeiten für die Kommissionsberatungen betraute dänische Sachverständige Prof. Henry Ussing in „Nordisk lovgivning..." 7 Ussing, Erstatningsret 65 f.; ders., Nordisk l o v g i v n i n g . . . 5 und 16 f.; A. Vinding Kruse II 124 ff., 450 ff., 501 f.; Kristen Andersen 84 f.; Overgaard 346 ff.

Unerlaubte

1.

Handlungen

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Dänemark/Norwegen

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Haitungsgiundlage

a) In beiden Rechtsordnungen ist grundsätzlich Verschulden die Voraussetzung dafür, daß eine Forderung auf Schadenersatz wegen eines Personenschadens (Tötung, Körperverletzung, Gesundheitsschädigung) oder eines Sachschadens erhoben werden kann. Der Anspruch auf Schaden-' ersatz richtet sich also in erster Linie gegen denjenigen, der den Schaden durch sein Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Nach diesem von der Rechtsprechung Dänemarks und Norwegens seit dem Ende des 17. Jahrhunderts entwickelten Verschuldensgrundsatz, der sog. culpaRegel, entsteht also - nach der im Schrifttum beider Länder verwendeten Fassung - eine Verpflichtung zum Ersatz des durch eine rechtswidrige Handlung zugefügten adäquaten Schadens dann, wenn der Schädiger vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt und dabei ein geschütztes Rechtsgut verletzt hat, ohne daß besondere subjektive Entschuldigungsgründe wie jugendliches Alter oder fehlende Vernunft für ihn geltend gemacht werden können 8 . Gegenüber Kindern, die ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, sowie geistig abnormen Personen kommt der allgemeine Verschuldensgrundsatz nicht zur Anwendung; die Haftung solcher Personen ist in beiden Ländern durch Sondervorschriften geregelt 9 . Der in der culpa-Regel enthaltene Verschuldensbegriff setzt also voraus, daß der Schädiger der Rechtsordnung zuwidergehandelt hat und daß ihm dieses (objektiv) rechtswidrige Verhalten als vorsätzlich oder fahrlässig (subjektiv) zugerechnet werden kann 1 0 . Rechtswidrig sind alle von der Rechtsordnung verbotenen Handlungen, gleichgültig ob das Verbot in einer positiven gesetzlichen Norm ausgesprochen ist oder auf Gewohnheit oder Herkommen oder aber auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen b e r u h t u . Hinsichtlich der Unterlassung wird im Schrifttum als allgemeiner Grundsatz hervorgehoben, daß das Unterlassen einer Handlung für das Schadenersatzrecht nur dann bedeutsam ist, wenn die unterlassene Handlung geeignet gewesen wäre, den Schaden zu verhindern. Die Gerichte neigen im übrigen dazu, für immer mehr Gruppen von Fällen eine Haftung für Unterlassungen anzuerkennen 1 2 . Bei der Feststellung der Fahrlässigkeit („uagtsomhet") wird in neuerer Zeit anstelle des früher vor allem verwendeten objektiven Maßstabes, 8

Siehe A. Vinding Kruse I 35; Ussing, Erstatningsret 2; Overgaard 56 ff. Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 6; A. Vinding Kruse I 188 f.; Overgaard 228 f. 10 A. Vinding Kruse I 73; Qvergaard 60 f. 11 Overgaard 62. Zum Begriff der Rechtswidrigkeit im Recht der nordischen Länder siehe insbes. A. Vinding Kruse I 35 f.; Ussing, Erstatningsret 18 f. und 78 f. 12 Siehe hierzu Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 6; Overgaard 79 ff.; A. Vinding Kruse I 163 f. und das dort angegebene Schrifttum. 9

Schuldrecht

40

der vom Verhalten eines „guten und vernünftigen" bzw. eines „normalbegabten" Menschen ausging, jetzt in der Regel ein mehr individueller Maßstab zugrunde gelegt, der Alter, Geschlecht, körperliche Besonderheiten, Gesellschaftsklasse u. dergl. berücksichtigt. Dadurch werden allerdings die Grenzen gegenüber der „Zurechenbarkeit" fließend 13 . Nur bei Tätigkeiten, die besondere Fähigkeiten voraussetzen (als Autofahrer, Schiffsführer u. dergl.), wird auch weiterhin ein objektiver Maßstab angelegt, der sich nach dem durchschnittlichen Können richtet u . Als von der Haftung befreiende Rechtfertigungsgründe einer an sich rechtswidrigen Handlung kennen das dänische und das norwegische Recht Notwehr („n0dvaerge"), Notstand („nodstilstand", „noret"), negotiorum gestio („uanmodet forretningsf0relse"), Einwilligung des Geschädigten („skadelidendes samtykke"), Wahrnehmung subjektiver Rechte („udevelse af subjektive rettigheder") u. a. 15 . b) Bei Mitverschulden des Geschädigten - wenn dieser also durch eigenes schuldhaftes Verhalten dazu beigetragen hat, daß der Schaden entstanden ist - kann der Schadenersatz herabgesetzt oder überhaupt versagt werden, wobei das Verhalten beider Parteien und die Größe des Verschuldens gegeneinander abgewogen werden l s . c) Wenn mehrere Personen einen Schaden verursacht haben, dergestalt, daß die Handlung eines jeden von ihnen eine „conditio sine qua non" für den Eintritt des Schadens darstellt, haften grundsätzlich alle solidarisch für den Schadenersatz 17 . d) Eine Haltung für dritte Personen trifft nach einem sowohl im dänischen wie im norwegischen Recht geltenden allgemeinen Grundsatz den Arbeitgeber hinsichtlich des Schadens, den einer seiner Arbeitnehmer bei der Ausführung seiner Arbeit schuldhaft verursacht hat 18 . Dieser heute in Rechtsprechung und Lehre einmütig vertretene Grundsatz, der einen der wichtigsten Sätze des Schadenersatzrechts beider Länder darstellt, ist erst in diesem Jahrhundert entwickelt worden. Die Rechtspraxis beider Länder stützt sich dabei auf eine Vorschrift, die gleichlautend A. Vinding Kruse I 75 f. ; Overgaard 103 f. A. Vinding Kruse I 79. 15 A. Vinding Kruse I 52 f.; Ussing, Erstatningsret 56 ff.; Qvergaard 232 ff. 16 Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 16; ders., Erstatningsret 183 f.; Qvergaard 265 f.; A. Vinding Kruse I 258 f. und 409 f. Auch die Gesetzgebung enthält entsprechende Vorschriften, z. B. in Dänemark: § 1 Eisenbahnhaftpfliditgesetz („Jernbaneerstatningslov") v o m 11.3. 1921, § 110 Luftfahrtgesetz v o m 10.6. i960, § 16 des Gesetzes über Atomanlagen v o m 16. 5. 1962; in Norwegen: § 220 Seefahrtsgesetz i. d. F. des Gesetzes v o m 29. 5. 1929 und allgemein § 25 des Einführungsg e s e t z e s zum Strafgesetz v o m 22. 5. 1902. 17 Siehe hierzu im einzelnen: A. Vinding Kruse I 216 f.; Ussing, Erstatningsret 194 f.; ders., Nordisk l o v g i v n i n g . . . 17 f.; Qvergaard 253 f. 18 Siehe dazu A. Vinding Kruse 1260 f.; Ussing, Erstatningsret 90 f.; ders., Nordisk l o v g i v n i n g . . . 7; Kristen Andersen 200 f.; Qvergaard 187 f. 13

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Unerlaubte Handlungen /

Dänemark/Norwegen

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sowohl im „Danske Lov" von 1683 in § 2 des 19. Kapitels des 3. Buches (3-19-2) wie im „Norske Lov" von 1687 in § 2 des 21. Kapitels des 3. Buches (3-21-2) enthalten ist, früher aber nur im Bereich des Vertragsrechts angewandt wurde: „Denn gibt ein Dienstherr seinem Bediensteten oder einem anderen Vollmacht, etwas in seinem Namen zu verrichten, so hat der Dienstherr selbst für das zu haften, was dabei von demjenigen, dem er die Vollmacht gegeben hat, versehen wurde, und darf von ihm wiederum Ersatz verlangen."

Diese Vorschrift, deren Wortlaut im übrigen zu zahlreichen Zweifeln in der Auslegung Anlaß gegeben hat, setzt nicht voraus, daß eine bestimmte Person unter den Leuten des Arbeitgebers nachweisbar „verantwortungslos" gehandelt hat; der Arbeitgeber haftet vielmehr auch für die sog. „anonymen Fehler" 1 9 . Durch eine Reihe von gesetzlichen Sonderbestimmungen, vor allem im Bereiche des Versicherungsrechts, und hier insbes. der Unfallversicherung (siehe aber auch § 25 des dänischen Versicherungsvertragsgesetzes), ist die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes allerdings wieder stark eingeschränkt worden. e) Der Grundsatz der Gefährdungshaltung - daß derjenige, der durch ein zwar rechtmäßiges, aber mit typischen Gefahren verbundenes Verhalten das Zusammenleben in der sozialen Gemeinschaft gefährdet, für diese Gefahr einzustehen hat - bildet die Grundlage einer ganzen Reihe dänischer und norwegischer Sondergesetze und wird außerdem in steigendem Maße von den Gerichten auch außerhalb dieser gesetzlich geregelten Fälle anerkannt. Die norwegischen Gerichte haben dabei klar zum Ausdruck gebracht, daß diese Schadenersatzpflicht auch dann entsteht, wenn nicht nur die Rechtmäßigkeit der gefährlichen Tätigkeit zu bejahen ist, sondern auch alle nach den Umständen erforderliche Sorgfalt beachtet wurde. Die dänischen Gerichte, die bisher weniger Fälle zu entscheiden hatten, sind hier etwas zurückhaltender, möglicherweise aber nur deshalb, weil sie in den meisten Fällen die Haftung auf ein Verschulden der betreffenden Person zurückführen konnten 2 0 . Gesetzlich geregelt ist in Dänemark vor allem die Haftung für Schäden, die sich im Eisenbahnverkehr und bei der Luftfahrt sowie beim Betrieb von Motorfahrzeugen, von Starkstrom- und von Atomanlagen ergeben können 21. In Norwegen ist vor allem die Haftung für Schäden im Zusammenhang mit der Luftfahrt und mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen und elektri19 Siehe A. Vinding Kruse I 270; Ussing, Erstatningsret 93; Kristen Andersen 200 f. 10 Siehe hierzu Ussing, Nordisk lovgivning... 9 f.; A. Vinding Kruse I 241 f.; Kristen Andersen 231 (241); ßvergaard 11 f. (zurückhaltend). " Eisenbahnhaftpflichtgesetz vom 11.3.1921; Luftfahrtgesetz vom 10.6.1960; Motorgesetz vom 14. 4. 1932; Starkstromgesetz vom 11. 5. 1935 i. d. F. der Bekanntmachung vom 30. 7. 1949; Gesetz über Atomanlagen vom 16. 5. 1962.

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Schuldrecht

sehen Anlagen gesetzlich geregelt 2 2 . Für Schäden im Eisenbahnverkehr besteht keine gesetzliche Regelung, jedoch haben die Gerichte im Rahmen ihrer bis zum Beginn dieses Jahrhunderts zurückreichenden Rechtsprechung zur Gefährdungshaftung entsprechende Grundsätze entwickelt 2 3 . (Zeitlich sehr viel älter sind in beiden Ländern die Grundsätze über die Tierhaftung; bereits das 10. Kapitel des 6. Buches des „Danske Lov" und des „Norske Lov" enthalten einschlägige Bestimmungen, die durch spätere Gesetze, wie etwa das dänische Gesetz über die Felder- und Wegeordnung vom 25. 3. 1872, ergänzt und ausgebaut wurden.) 2 4 2. Umfang der Haltung a) Gegenstand einer Schadenersatzforderung k a n n grundsätzlich nur ein „wirtschaftlicher Schade" sein, d. h. ein Schade, der nach einem allgemeinen Maßstab in Geld berechnet werden kann. Auch zukünftige Einkünfte können bei der Schadensberechnung berücksichtigt werden, nicht aber - jedenfalls nicht in der Regel - das bloße Affektionsinteresse 2 5 . Niditwirtschaftlicher („ideeller") Schaden wird nur in besonderen gesetzlich vorgeschriebenen Fällen ersetzt, wie sie etwa § 15 des Einführungsgesetzes zum dänischen und die §§ 19 und 21 des Einführungsgesetzes zum norwegischen Strafgesetzbuch vorsehen 2 6 , die eine Genugtuungspflicht des Schädigers bei strafbarer Verletzung von immateriellen Rechtsgütern wie Gesundheit, Freiheit, Ehre und persönlicher Privatsphäre sowie bei sonstigen Verletzungen der Person anordnen 2 7 . b) Außerdem kommen die Schadenersatzgrundsätze nur bestimmten Personen zugute. So k a n n insbesondere ein Personenschaden grundsätzlich nur von demjenigen, der ihn erlitten hat, und ein Sachschaden nur von dem Eigentümer der Sache geltend gemacht werden. Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für den Fall, daß eine Person getötet wurde; dann kann den Hinterbliebenen, die in dem Getöteten ihren Versorger verloren haben, ein Schadenersatz für diesen Verlust und die 22 Luftfahrtgesetz vom 7. 12. 1923; Automobilgesetz vom 20. 2. 1926; Gesetz über elektrische Anlagen vom 24. 5. 1929. 23 Siehe hierzu Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 9; 0vergaard 13 und 151 f. 24 Zur Frage der Gefährdungshaftung in Dänemark und Norwegen im allgemeinen siehe insbes.: A. Vinding Kruse I 241 f.; Ussing, Erstatningsret 100-105 und 115-134; ders., Nordisk l o v g i v n i n g . . . 7 f. und 9 f.; Kristen Andersen 218 f., 231 f.; 0vergaard 11 f., 139 f. 25 Siehe hierzu allgemein Ussing, Erstatningsret 136 f.; ders., Nordisk lovgivning ... 1 und 14; A. Vinding Kruse II 433 f.; Qvergaard 284 f. (288 f.). 26 Dan. Gesetz Nr. 127 vom 15. 4. 1930 über das Inkrafttreten des bürgerlichen Strafgesetzes und norw. Gesetz Nr. 11 vom 22. 5. 1902 über das Inkrafttreten des allgemeinen bürgerlichen Strafgesetzes; siehe auch Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 18 f.; A.Vinding Kruse II 437 f.; Kristen Andersen 343 f.; 0vergaard 289 f. und 358. 27 Siehe hierzu A. Vinding Kruse I 24 und II 442 f.; 0vergaard 288 f.

Unerlaubte

Handlungen

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Dänemark/Norwegen

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damit ggf. verbundene Vernichtung oder Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Stellung zuerkannt werden 2 8 . c) Bei Personenschäden begrenzen die Gerichte in der Regel den Schadenersatz für den Verlust, der durch die Verringerung der Erwerbsmöglichkeiten des Beschädigten entsteht, und bemessen den Schadenersatz sehr vorsichtig; vor allem bei sehr hohen Einkommen wird, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, selten der volle Ersatz für den Einkommensverlust zuerkannt, sondern im allgemeinen nur ein bestimmtes bürgerliches Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt. Der § 19 des norwegischen Einführungsgesetzes zum Strafgesetz schreibt ausdrücklich vor, daß bei einem Körperschaden nur soviel als Ersatz für einen künftigen Einkommensverlust zu gewähren ist, wie das Gericht im Hinblick auf die nachgewiesene Schuld und die Umstände des Falls für angemessen hält. Diese Vorschrift ermöglicht es nach Auffassung des Schrifttums den Gerichten, bei der Bemessung des Schadenersatzes für eine künftige Einkommensminderung nach Billigkeit zu entscheiden 29 . d) Endlich ist der Grundsatz der Vorteilsausgleichung in beiden Ländern anerkannt 3 0 . Gesetzliche Ausnahmen bestehen vor allem im Bereiche des Privatversicherungsrechts 31 . 3. Verjährung In Dänemark gelten für die Verjährung der Schadenersatzforderungen, soweit es sich nicht um einen durch eine strafbare Handlung verursachten Schaden handelt, die allgemeinen Verjährungsvorschriften. Diese Forderungen verjähren daher grundsätzlich fünf Jahre nach Eintritt des Schadens oder nachdem der Berechtigte Kenntnis von seinem Recht bzw. vom Aufenthaltsort des Verpflichteten erhalten hat. Ist der Schaden durch eine strafbare Handlung verursacht worden, so verjährt die Schadenersatzforderung erst 20 Jahre, nachdem der Geschädigte erfahren hat, daß er diese Forderung vor einem dänischen Gericht geltend machen kann 3 2 . In Norwegen wurde durch § 28 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetz die Verjährung von Schadenersatzforderungen abweichend von den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes vom 27. 7. 1896 über die Ver28 Neben dem allgemeinen, in § 15 II des dänischen und in §§ 19, 21 des norwegischen Einführungsgesetzes zum Strafgesetz enthaltenen Grundsatz finden sich zahlreiche Sonderbestimmungen in verschiedenen Gesetzen wie Eisenbahnhaftpflichtgesetz, Luftfahrtgesetz, Kraftfahrzeuggesetz, Starkstrom-Gesetz u.a.; siehe hierzu Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 14 f. 29 Ussing, Nordisk l o v g i v n i n g . . . 15 f.; Overgaard 302 f. 30 Ussing, Erstatningsret 172 f.; A. Vinding Kruse II 452 f.; Overgaard 337 f. 31 Siehe etwa § 25 II des dän. Versicherungsvertragsgesetzes (Lov om forsikringsaftaler) vom 15. 4. 1930. 32 § 1 Nr. 5 des Verjährungsgesetzes vom 22. 12. 1908; Ussing, Nordisk lovgivning. .. 19; A. Vinding Kruse II 511.

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Schuldrecht

jährung von Forderungen neu geregelt. Danach verjähren gewöhnliche Schadenersatzforderungen 3 Jahre, dagegen Schadenersatzforderungen, die aus einer strafbaren Handlung entstanden sind, 10 Jahre nach dem Tag, an welchem dem Geschädigten der Schaden und der Name des Schädigers bekannt wurden 3 3 .

III. Die Haftung

der öffentlichen

Hand

In bestimmten Einzelfällen ist sowohl in Dänemark wie in Norwegen eine Haftung der öffentlichen Hand für schuldhaftes Handeln und Unterlassen ihrer Organe und Bediensteten ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben. Solche Vorschriften enthalten insbesondere die Verfahrensgesetze. So sieht in Dänemark außer dem „Skiftelov" vom 30.11.1874 (§ 92) und dem Gesetz vom 9.4.1891 über die Zwangsversteigerung (§ 50) insbesondere auch § 1020 des Gesetzes über das Verfahrensrecht („Retsplejeloven") eine subsidiäre Haftung des Staates vor, derzufolge die Staatskasse für den Schadenersatz aufzukommen hat, den ein Beamter für eine in diesem Gesetz vorgesehene Amtshandlung wegen seiner Amtsführung einer Privatperson zu leisten hat, falls der schadenersatzpflichtige Beamte diese Ersatzleistung nicht erbringen kann. Und nach §§ 1018 äff. desselben Gesetzes steht einem Beschuldigten, der zu Unrecht in Haft genommen wurde, ein Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Entzug der Freiheit entstandenen Vermögensschadens sowie auf eine Vergütung der ihm dadurch zugefügten Leiden und Kränkungen sogar unmittelbar gegen den Staat zu. Auch das dänische Grundbuchgesetz („Tinglysningslov") vom 31.3.1926 räumt dem durch einen Fehler bei der Grundbucheintragung Geschädigten einen Schadenersatzanspruch gegen die Staatskasse ein (§§ 30 ff.). Auch die norwegische Gesetzgebung enthält entsprechende Vorschriften: Kap. 30 (§§ 435 ff.) des Gesetzes vom 13. 8.1915 über das Verfahren in Streitsachen („Lov om rettergangsmaaten for toistemaal") und § 200 des Gerichtsverfassungsgesetzes („Lov om domstolene") vom gleichen Tage sehen ebenfalls eine subsidiäre Haftung des Staates „für Versäumnisse und sonstiges ungebührliches Verhalten" seiner Beamten während eines Prozesses oder einer Zwangsvollstreckung vor. Lehre und Rechtsprechung haben aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber in diesen und einer Reihe anderer Gesetze, bis zurück in das frühe 19. Jahrhundert, für bestimmte Fälle die Staatshaftung ausdrücklich angeordnet hatte, zunächst den Schluß gezogen, daß der Staat nur dann hafte, wenn eine solche ausdrückliche gesetzliche Vorschrift dies anordnet. Im Schrifttum hat vor allem der dänische Jurist Matzen in seinem Aufsatz über „Die Haftung der Staatskasse für Verfehlungen der Beamten" („Om 33

Siehe 0vergaard 366 f.

Unerlaubte Handlungen /

Dänemark/Norwegen

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Statskassens Ansvar for Embedsmaends Forseeisen"), die er 1875 dem 2. Nordischen Juristentag vorlegte, diese Auffassung entschieden vertreten und damit auch auf die Rechtsprechung vor allem in Dänemark eingewirkt, die im vorigen Jahrhundert mehrfach in diesem Sinne entschied und noch bis weit in unser Jahrhundert hinein einer grundsätzlichen Entscheidung ausgewichen ist 34 . Da die Rechtsprechung der beiden Länder in dieser Frage, ungeachtet eines bemerkenswerten Gleichlaufs und des in den wesentlichen Fragen übereinstimmenden Ergebnisses, doch in vielen Einzelheiten der Problemstellung und ihrer Lösung voneinander abweicht, soll im folgenden die Entwicklung in diesem Fragenbereich und ihr bisheriges Ergebnis für beide Länder getrennt dargestellt werden. 1. Dänemark a) Grundsätzlich ist in der dänischen Praxis seit langem anerkannt, daß die Haftung der öffentlichen Hand in den Schadensfällen, die sich aus einer privatwirtschaftlichen oder ihr gleichzustellenden Tätigkeit des Staates und der Gemeinden ergeben, nach den allgemeinen privatrechtlichen Schadenersatzregeln in der gleichen Weise wie die Haftpflicht der natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts zu beurteilen ist. Dagegen sind die Gerichte in Dänemark erst in den letzten Jahrzehnten und nicht ohne Zögern dazu übergegangen, die Schadenersatzverpflichtung der öffentlichen Hand auch für solche Schäden anzuerkennen, die durch ein Verschulden oder Versäumnis in der Ausübung öffentlicher Gewalt verursacht wurden. Diese Entwicklung ist zwar auch jetzt noch nicht abgeschlossen; im dänischen Schrifttum wird jedoch im Hinblick auf die in der Rechtsprechung bisher entwickelten Grundsätze die Auffassung vertreten, daß „der Staat, die Gemeinden und andere öffentliche Organe auf dieselbe Art und Weise wie Private für Versäumnisse ihrer Angestellten [haften], gleichgültig, ob die Arbeit privat- oder öffentlichrechtlichen Charakters ist" 3 5 . Das Schrifttum beruft sich bei dieser Feststellung vor allem auf eine oberstgerichtliche Entscheidung vom 6. 9.1943 35a . Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei Überprüfung einer Sicherheitsvorrichtung an einer Budidruckmaschine verursachte ein Gewerbeinspektor fahrlässig einen erheblichen Maschinenschaden. Acht der zehn Richter sahen eine Fahrlässigkeit des Inspektors als gegeben an und erklärten ihn für haftpflichtig j mit sechs Stimmen wurde auch die gesamtschuldnerische Haftpflicht des Staates bejaht: diese Haftpflicht sei nach den die Gesetzgebung beherrschenden Grundsätzen, insbes. nach „Danske Lov" 3-19-2, als gegeben anzusehen, da 34 35

Siehe Poul Andersen, UfR 82 (1948) B 121. 351 A. Vinding Kruse I 277 f. UfR 77 (1943) A 1072.

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Schuldrecht

der Schaden unmittelbar durch eine in den Rahmen der dienstlichen Tätigkeit des Gewerbeinspektors fallende Handlung verursacht worden sei. Die vier anderen Richter, unter ihnen die beiden, die die Haftung des Gewerbeinspektors verneint hatten und deshalb auch den Staat von der Haftung freisprechen wollten, vertraten mit Rücksicht auf die Art der Tätigkeit des Inspektors die Auffassung, daß der Staat in analoger Anwendung des § 1120 des Rechtspflegegesetzes nur subsidiär hafte In einer späteren Entscheidung verurteilte das Höchste Gericht den Staat (das Verteidigungsministerium) zum Ersatz des Schadens, den ein Soldat versehentlich einer Zivilperson in Ausübung seines Wachtdienstes zugefügt hatte 3 7 . Der mit einer Maschinenpistole bewaffnete Soldat hatte sich entgegen seiner Instruktion während seiner (Nacht-)Wache mit einer vorbeigehenden Gruppe von Zivilpersonen in ein Gespräch eingelassen. Auf die Frage einer Frau aus dieser Gruppe, ob er mit der Maschinenpistole auch schießen könne, hob er die Waffe in die Höhe, „um der Frau das Magazin und die Patronen zu zeigen". Dabei löste sich ein Schuß, der die Frau tötete. Das Untergericht räumte zwar ein, daß die Haftung des Staates nicht auf die Vorschrift des „Danske Lov" 3 - 1 9 - 2 gestützt werden könne; das schließe aber nicht aus, „daß die Haftung für Schadenersatz nach den allgemeinen Grundsätzen der Schadenersatzverpflichtung dem Staat auferlegt werden kann". Weiter heißt es in dem Urteil: „Da der [Bekl.] auf der Wache unter militärischem Kommando stand, da er von diesem mit einer besonders gefährlichen Waffe ausgerüstet worden war und da das Versehen, das er sich zuschulden kommen ließ, während der Ausübung des ihm befohlenen Dienstes begangen wurde, hat das Kriegsministerium . . . für den eingetretenen Schaden zu haften." Dem Einwand des Vertreters des Kriegsministeriums gegenüber, der geltend machte, die Handlung des Soldaten weise nicht den erforderlichen Zusammenhang mit seiner dienstlichen Funktion auf, erklärte die Mehrzahl der Richter des Höchsten Gerichts (fünf von acht), daß das Verhalten des Soldaten „in einer solchen Verbindung mit seinem Wachtdienst gestanden hat, daß der Berufungskläger darnach und im Hinblick auf die übrigen im Urteil angeführten Gründe als schadenersatzpflichtig anzusehen ist". In zwei anderen, ebenfalls die Haftung des Staates für schädigendes Verhalten von Militärpersonen betreffenden Entscheidungen stellte das Höchste Gericht darauf ab, ob der betreffende Soldat zur Zeit und im Hinblick auf die den Schaden verursachende Tätigkeit unter militärischem 36 Siehe hierzu Poul Andersen, UfR 82 (1948) B 50 f.; Ussing, Nordisk lovgivning... 12; A. Vinding Kruse I 175 und 278. 37 Urteil des Höchsten Gerichts vom 10. 11. 1949, UfR 84 (1950) A 126.

Unerlaubte

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Kommando stand; in beiden Fällen (beidemal hatte ein Soldat als Radfahrer eine Zivilperson angefahren) wurde dies verneint und der Staat von der Haftung freigesprochen 3 7 ". Bejaht wurde dagegen das Vorliegen militärischer Kommandogewalt und damit die Schadenersatzpflicht des Staates (Verteidigungsministeriums) in zwei weiteren Fällen: in dem einen Falle hatte ein militärischer Wachtposten einen Soldaten, der seiner Anordnung nicht nachkam, angeschossen, und im anderen Falle waren durch Munition, die nach einem Scharfschießen befehlswidrig nicht abgegeben worden war, ebenfalls Soldaten zu Schaden gekommen 3,b . Zu der Frage, ob eine Schadenersatzpflicht auch dann vorliegt, wenn der Schaden durch eine fehlerfreie Ausführung eines behördlichen Beschlusses eingetreten ist, der nicht die erforderliche Grundlage besaß, ist bisher nur die Haftung einer Gemeinde, nicht aber die Haftung des Staates festgestellt worden. Eine Gemeinde wurde verurteilt, einem Manne Schadenersatz zu leisten, den der Sozialausschuß der Gemeinde mit Genehmigung des Amtes (Verwaltungsbehörde 1. Instanz) wegen Vernachlässigung seiner Unterhaltspflicht in eine Zwangsarbeitsanstalt hatte einweisen lassen. Die Schadenersatzpflicht wurde damit begründet, daß die Eingabe des Ausschusses an die Verwaltungsbehörde in wichtigen Punkten falsch gewesen sei, ohne daß eine genügende Entschuldigung dafür vorlag 38 . b) Die Frage, für welche Personen und Personengruppen die öffentliche Hand in der angegebenen W e i s e haftet, läßt sich mit der allgemeinen Feststellung beantworten, daß sich diese Haftung auf alle Personen erstreckt, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind. Die Hauptgruppe dieser Personen bilden die sog. „tjenestemaend", die aber nicht ohne weiteres mit den „Beamten" des deutschen Rechts gleichgestellt werden können, sondern die Staats- und Gemeindebediensteten (Beamten und Angestellten) der unteren und mittleren Stufen darstellen. Der Haftpflicht unterliegen aber auch die höheren Beamten („embedsmaend") ebenso wie die noch in der Ausbildung befindlichen Personen („elever", „aspiranter") sowie das Hilfspersonal („medhjaelpere"). Ganz allgemein läßt sich sagen, daß die Staatshaftung alle Personen umfaßt, die im öffentlichen Dienst gegen Besoldung tätig sind, sowie grundsätzlich auch die371 Entsch. des Höchsten Gerichts vom 27. 6. 1944, UfR 78 (1944) A 851 und vom 29. 1. 1947, UfR 81 (1947) A 304; siehe Ussing, Nordisk lovgivning . . . 12 f., der die Begründung dieser Urteile ebenso wie die des Urteils vom 10. 11. 1949 (vorige Note) als nicht genügend klar kritisiert. 370 Entsch. des 0stre Landsret vom 9. 11. 1964, UfR 99 (1965) A 198, und Entsch. des Vestre Landsret vom 29. 12. 1960, UfR 95 (1961) A 415. Siehe in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Höchsten Gerichts vom 27. 5. 1952, UfR 86 (1952) A 747, in dem die Haftung eines Kinderheims für einen Praktikanten des Heims bejaht wird, der bei Landarbeiten für das Heim zu Pferde einen Radfahrer umgeritten hatte. 38 Entsch. des Höchsten Gerichts vom 10. 1. 1940, UfR 74 (1940) A 236.

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jenigen, die eine öffentliche Aufgabe als Ehrenamt wahrnehmen. Für die Haftung der öffentlichen Hand ist es also unwesentlich, ob für die Tätigkeit ein Entgelt gezahlt wird und welcher Art dieses ist (Lohn, Gebühren u.a.), desgleichen, ob es sich um eine Lebensstellung oder um eine nur vorübergehende Tätigkeit handelt, endlich, ob die Aufgabe freiwillig übernommen wurde oder nicht. Nicht zu diesem Personenkreis gehören jedoch Personen, die eine staatlich autorisierte oder konzessionierte Tätigkeit ausüben, die für ihre Arbeit einen staatlichen Zuschuß erhalten oder aber für ihre Dienstleistungen nicht vom einzelnen, für den sie tätig werden, sondern kraft gesetzlicher Vorschrift vom Staat bezahlt werden (z. B. für bestimmte ärztliche Untersuchungen u. ä.). Die Rechtsprechung hat jedoch noch keineswegs Gelegenheit gehabt, über alle Zweifelsfälle zu entscheiden, so daß die Frage für eine nicht unbeträchtliche Zahl von Personen und Personengruppen noch offen ist; vor allem soweit es sich darum handelt, in die Haftung der öffentlichen Hand auch Selbständige einzubeziehen, ist die Grenze zur Gefährdungshaftung fließend 3 9 . c) Abschließend läßt sich feststellen, daß die Rechtsprechung nicht nur die alte Auffassung von der grundsätzlichen Haftungsfreiheit des Staates beiseitegeschoben, sondern sich auch mit Erfolg der Aufgabe unterzogen hat, die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen ein Schadenersatz zu gewähren ist, und in welchem Umfang dies zu geschehen hat. Die Ergebnisse zeigen, daß es vielleicht sogar vorteilhaft war, daß die öffentliche Schadenersatzhaftung nicht vom Gesetzgeber frühzeitig festgelegt wurde. Diese bereits vor fast 20 J a h r e n von dem in dieser Frage führenden dänischen Verwaltungsrechtler Poul Andersen getroffene Feststellung ist auch im Hinblick auf die seither erfolgte Weiterentwicklung zutreffend. Da sich, wie Andersen ebenfalls hervorhebt, die Haftung auf die Verwaltung des Staates und der Gemeinden nicht ungünstig ausgewirkt hat und die Schadenersatzleistungen für die Wirtschaft der öffentlichen Hand kaum ins Gewicht fallen, besteht auch heute und in Zukunft keine Veranlassung, im W e g e der Gesetzgebung die Ergebnisse dieser Entwicklung zu korrigieren. Eine Aufgabe für die Gesetzgebung wird im Schrifttum höchstens darin gesehen, die Gesetzesbestimmungen, welche eine nur subsidiäre Haftung des Staates vorsehen, daraufhin zu prüfen, wieweit sie mit den sonst für die Staatshaftung geltenden Grundsätzen vereinbar sind 4 0 . Der im Zuge der internordischen Gesetzgebungsarbeiten vorgelegte dänische Gesetzentwurf baut im übrigen durchaus auf dem geltenden Rechtszustand auf. 39

Poul Andersen, Offentligretligt erstatningsansvar 19; Ussing, Nordisk lovgivning ... 11; Betaenkning (oben N. 6) 15. 40 Siehe Poul Andersen, UfR 82 (1948) B 63 f.

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2. Norwegen Die Grundsätze, nach denen die öffentliche Hand für einen durch Verschulden ihrer Organe verursachten Schaden haftet, sind in einer Reihe von Entscheidungen des Höchsten Gerichtes niedergelegt, die im norwegischen Schrifttum eingehend und kritisch, vor allem im Zusammenhang mit den Beratungen über den internordischen Gesetzentwurf betr. die Staatshaftung, erörtert wurden. Diese Erörterung ist noch immer von der in einigen älteren Entscheidungen niedergelegten Vorstellung bestimmt, daß die Haftung der öffentlichen Hand davon abhängt, welche Organe den Schaden verursacht haben. Dabei wird zunächst zwischen der Haftung des Staates und der der Gemeinden unterschieden. Während die Haftung der Gemeinden für ihre Organe grundsätzlich bejaht wird, soll es bei der Haftung des Staates darauf ankommen, ob der Schaden von den Zentralbehörden (der Regierung und den Ministerien) oder aber von untergeordneten Staatsorganen verursacht wurde. Die Gründe, die das Höchste Gericht für diese Unterscheidung geltend macht, sind im wesentlichen nicht-juristischer Natur; sie liegen in der Besorgnis, die grundsätzliche Anerkennung einer Staatshaftung auch für „Fehler und Versäumnisse" untergeordneter Staatsorgane könne zu einer für die staatlichen Finanzen untragbaren Ausweitung der Schadenersatzleistungen führen. Die Ursache für diese Zurückhaltung des Höchsten Gerichts dürfte nicht zuletzt darin zu sehen sein, daß es sich in dem betreffenden Fall um einen relativ großen Sachschaden handelte, der für ähnlich gelagerte Fälle sogar noch größere Schadenersatzforderungen befürchten ließ. Eine Überprüfung der seither, vor allem in der Nachkriegszeit ergangenen Entscheidungen ergibt aber, daß die Rechtsprechung der im Schrifttum an diesem Urteil und an den daraus abgeleiteten allgemeinen Folgerungen geübten Kritik in zunehmendem Maße Rechnung getragen hat. Wenngleich sich das Höchste Gericht aus verständlichen Gründen nicht dazu entschließen konnte, in neueren Entscheidungen über das für die jeweilige Fallentscheidung unbedingt Erforderlich hinaus generelle Rechtssätze aufzustellen, so läßt doch die neuere Rechtsprechung erkennen, daß von einer grundsätzlichen Verneinung der Staatshaftung für die unteren Staatsorgane nicht mehr gesprochen werden kann. a) Haftung für die Zentralbehörden Für einen Schaden, der durch die Regierung oder ein Ministerium verursacht worden ist, hat das Höchste Gericht die Haftung des Staates in einer Reihe von Fällen bejaht, von denen vor allem drei Entscheidungen von 1915, 1925 und 1932 wichtig sind und im Schrifttum bei der Erörterung dieser Frage in den Vordergrund gestellt werden 41 . 41

4

Norsk Retstidende 80 (1915) 721; 90 (1925) 991; 97 (1932) 1146. Siehe dazu

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Im ersten Fall (1915) handelte es sich um die Forderung eines norwegischen Textilunternehmens auf Ersatz des Schadens, der diesem Unternehmen dadurch erwachsen war, daß das Finanz- und Zollministerium eine zunächst zugesagte Einfuhrbewilligung nicht erteilt hatte. Im zweiten Fall (1925) hatte das Landwirtschaftsministerium einer Pelzwarenfirma die Einfuhr einer größeren Anzahl lebender Pelztiere (Bisamratten) genehmigt, das Versorgungsministerium dagegen hatte später die Einfuhr der Tiere trotzdem untersagt. Im dritten Fall schließlich (1932) handelte es sich darum, daß es das Landwirtschaftsministerium unterlassen hatte, eine Abgabe zu erheben, die bestimmten Grundeigentümern zugute kommen sollte. In den b e i d e n ersten Fällen sah das Gericht den Anspruch auf Schadenersatz vor allem deshalb als gerechtfertigt an, w e i l die Ministerien Vorentscheidungen getroffen hatten, die d e n betreffenden Personen und Unternehmern begründeten Anlaß zu der Auffassung g e g e b e n hatten, daß sie sich in einer rechtlich geschützten Stellung befänden, v o n der aus sie wirtschaftliche und rechtliche Dispositionen treffen könnten. Im dritten Urteil brachte das Gericht klar zum Ausdruck, e s b e s t e h e k e i n Zweifel, daß der Staat ganz allgemein für e i n e n Schaden aufzukommen habe, der einer Person oder einem Unternehmen durch die Fahrlässigkeit eines Ministeriums zugefügt wurde. A u s neuerer Zeit sei noch eine Entscheidung erwähnt, in der die Klage g e g e n den Staat zwar a b g e w i e s e n wurde, aber nur deshalb, w e i l das Gericht eine haftungsbegründende Fahrlässigkeit des Ministeriums verneinte 413 '. Die Klientin eines Rechtsanwalts, der die ihm von dieser anvertrauten Geldmittel unterschlagen hatte, verklagte den Staat (das Justizministerium) auf Schadenersatz mit der Begründung, daß sich das Ministerium eines Pflichtversäumnisses schuldig gemacht habe, weil es die Zulassung des Rechtsanwalts nicht rechtzeitig widerrufen habe. b) Haftung für untergeordnete Staatsorgane Das Höchste Gericht verneinte eine Haftung des Staates für das Verhalten seiner untergeordneten Organe in dem sog. „Leuchtfeuer-Urteil" v o n 1913 und dem sog. „Konsul-Urteil" v o n 1925 42 . Im „Leuchtfeuer-Urteil" handelte es sich um f o l g e n d e n Sachverhalt: Ein Ingenieur des „Leuchtfeuerwesens" hatte bei einer Inspektion aus einem Leuchtfeuer ein rotes Glas entfernt in der Annahme, der zuständige Wärter - der die Stelle im Nebenamt versah - werde das Glas wieder hineinsetzen. Dieser hielt jedoch die Änderung für beabsichtigt und endgültig, mit der Folge, Kristen Andersen 115 f.; Utkast. (oben N. 6) 7 f. - Bei Qvergaard 210 f. sind alle seit 1837 zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen angeführt. 4ia Norsk Retstidende 122 (1957) 557. 42 „FyrlBktdommen", Norsk Retstidende 78 (1913) 658, und „Konsuldommen", Norsk Retstidende 90 (1925) 526.

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daß die Scheibe nun ständig weißes Licht anstelle von rotem zeigte. Dies führte dazu, daß ein Küstenmotorschiff Schiffbruch erlitt und unterging. Die Schadenersatzklage der Reederei gegen den Staat wurde sowohl vom Gericht erster Instanz wie auch vom Höchsten Gericht abgewiesen.

Das Höchste Gericht erklärte in dem „Leuchtfeuer-Urteil", die Vorschrift des Norske Lov 3-21-2 sei nicht anwendbar, da sie im Zweifel „nur für das engere Verhältnis zwischen einem Dienstherrn und dem eigentlichen Bediensteten" gelte. Es sei im übrigen unbillig, den Staat für das Versehen des Wärters haften zu lassen. Wenn der Staat eine solche Haftung tragen solle, dann müßte auch der Küstenschiffahrt eine kostendeckende Abgabe auferlegt werden oder es müßten Vorkehrungen getroffen werden, die es dem Staat ermöglichten, Schadenersatzleistungen abzuwälzen. Eine volle Haftung des Staates in diesem und ähnlichen Bereichen würde ein ganz unverhältnismäßiges und unberechenbares Ausmaß annehmen. Diese Entscheidung wurde im norwegischen Schrifttum von Anfang an stark kritisiert 4 3 . Im „Konsul-Urteil" von 1925 - D a s norwegische Konsulat in Marseille hatte einer schiffbrüchigen Schiffsbesatzung in irrtümlicher Auslegung der zwischen dem norwegischen Reederverband und der Seeleute-Gewerkschaft bestehenden Vereinbarung außer der Heuer bis zum Tage des Schiffbruches noch weitere Geldbeträge (zusätzlichen halben Monatslohn und Ersatz für verlorengegangene Kleider) ausbezahlt -

räumte das Gericht zwar ein, daß der Staat in besonders gelagerten Fällen aus Gründen der Billigkeit Ersatz für einen Schaden zu leisten habe, den ein Staatsbeamter in Ausübung seines Dienstes verschuldet hat, dies besonders dann, wenn der Beamte den Schaden durch einen Mißbrauch der ihm übertragenen amtlichen Befugnis verursacht hat, wies aber die Klage ab. Es bestand lange Zeit die Neigung, die auch heute noch nicht völlig überwunden scheint, diesen Entscheidungen einen präjudiziellen Charakter zuzubilligen. So erklärt etwa Castberg44 trotz seiner sehr kritischen Einstellung zu diesen Entscheidungen, daß das norwegische Recht „als allgemeine Regel noch keine Staatshaftung für rechtswidrige und subjektiv zurechenbare Amtshandlungen der untergeordneten Verwaltungsorgane" anerkenne. Tatsächlich mißt aber das Höchste Gericht selbst den beiden Entscheidungen einen solchen präjudiziellen Charakter offenbar nicht bei. Vielmehr hat das Gericht bereits in zwei Entscheidungen von 1932 und 1935 45 die Auffassung preisgegeben, daß der Staat für den durch sog. „faktische Handlungen" hervorgerufenen Schaden nicht hafte. 4S 44 45

4 *

So insbes. Fredrik Stang, Erstatningsansvar (1919) 275-277. Fiede Castberg, Innledning til forvaltningsretten (3. Aufl. 1955) 278 ff. (312). Norsk Retstidende 97 (1932) 726 und 100 (1935) 424.

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In dem einen Falle (1932) hatte der zuständige Regierungsbeamte nomadisierenden Lappen eines bestimmten Distriktes erlaubt, ihre Tiere in den Nachbardistrikt zu treiben, wodurch sich die in diesem Distrikt aufhaltenden Lappen wirtschaftlich geschädigt fühlten. - In dem anderen Falle (1935) hatte die Leitung der meteorologischen Station auf der Insel J a n M a y e n aus eigener Machtvollkommenheit die J a g d auf dieser Insel untersagt und dadurch eine Tierfangexpedition veranlaßt, unverrichteterdinge wieder nach Norwegen zurückzukehren der Schadenersatzanspruch der Expeditionsleitung wurde mit der Begründung abgewiesen, sie hätte sich an Ort und Stelle über die Berechtigung des auf Schildern ausgesprochenen Jagd- und Fangverbotes unterrichten müssen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind eine Reihe weiterer Entscheidungen ergangen, die sich mit der Auffassung einer grundsätzlichen Haftungsfreiheit des Staates in diesem Bereich nicht vereinbaren lassen. Das wird besonders deutlich in den Fällen, in denen das Höchste Gericht über Sachverhalte zu entscheiden hatte, die denen des „Leuchtfeuer-" und des „Konsul-Urteils" sehr ähnlich sind. So hatte in einem 1958 entschiedenen Fall eine Reederei den Staat und die Hafenverwaltung von Svolvaer (Lofoten) auf Schadenersatz verklagt, weil ein ihr gehörender Bergungsdampfer auf einen teilweise weggesprengten Felsen in diesem Hafen aufgelaufen und gesunken war. Die Reederei machte geltend, die Havarie sei durch einen Fehler der Seekarte sowie dadurch verschuldet worden, daß die Änderung der Naturverhältnisse und Seezeichen nicht bekannt gemacht worden sei. Das Gericht wies zwar auch in diesem Falle die Klage ab, obwohl zugegeben worden war, daß ein Fehler der staatlichen Bediensteten vorlag; die Klagabweisung erfolgte jedoch nicht aus grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber einer Haftung der öffentlichen Hand in solchen Fällen, sondern deswegen, weil das Unglück in erster Linie durch die fehlerhafte Navigation der Schiffsführung verschuldet worden sei 45 *.

Es liegt nahe, in diesem Zusammenhange die recht umfangreiche Rechtsprechung norwegischer Gerichte zu den Fällen heranzuziehen, in denen Wegeämter für Verkehrsunfälle haftbar gemacht wurden, und die dort vertretenen Grundsätze mit der im „Leuchtfeuer-Urteil" vertretenen Auffassung zu vergleichen. Angesichts der aus der großen Zahl der Fälle sich ergebenden erheblichen Belastung der öffentlichen Finanzen spielen auch hier wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfange die öffentliche Hand zu haften habe. Dazu kommen noch die Schwierigkeiten, die sich aus dem Klima und den geographischen Verhältnissen des Landes bei der Beurteilung der Schuldfrage ergeben. Trotzdem tragen die Gerichte in diesen Fällen keine Bedenken, die Haftung der öffentlichen Hand zu bejahen, wenn festgestellt wurde, daß die zuständigen Behörden („Wegwesen") den Umständen nach fahrlässig gehandelt haben. Im Schrifttum wird die in diesen Urteilen «* Norsk Retstidende 123 (1958) 1319.

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zum Ausdruck gelangende Auffassung der norwegischen Gerichte folgendermaßen umschrieben: „Man kann somit feststellen, daß das Verkehrspublikum die verschiedenen Mängel und Gefahren auf den norwegischen Straßen hinnehmen muß, die sich aus der Beschaffenheit des Landes, den Jahreszeiten, den Witterungsverhältnissen und der Knappheit der Mittel ergeben, Schäden, die eine Folge von Frostschäden, unbefestigten Seitenstreifen, schlechten Asphaltdecken usw. sind. Dagegen braucht man außergewöhnliche Gefahrenmomente nicht hinzunehmen. Man muß sich darauf verlassen können, daß man nicht in Fallen gelockt wird. Vor derartigen Schäden hat das Wegewesen zu warnen." 46

Im Schrifttum wird im Hinblick auf diese Rechtsprechung sehr nachdrücklich die Auffassung vertreten, daß bei aller gebotenen Berücksichtigung der Besonderheiten der Küstenschiffahrt sowie der großen wirtschaftlichen Belastungen und praktischen Schwierigkeiten, die sich aus einer Haftung für Fehler und Versehen bei der Einrichtung und Betreuung von Seezeichen und Leuchtfeuern ergeben, auch hier die für das Straßenwesen maßgebenden Grundsätze anzuwenden seien. Auch auf See dürfe „das Verkehrspublikum" nicht „in Fallen gelockt werden", die öffentliche Hand sei auch dann schadenersatzpflichtig, wenn durch Fahrlässigkeit des Bedienungspersonals zusätzliche Gefahren für die Küstenschiffahrt geschaffen werden. Die Tatsache, daß eine unbeschränkte Haftung der öffentlichen Hand in diesem Verkehrsbereich zu sehr großen Belastungen führen kann, dürfe zwar ihren Ausdruck in einer strengen Begrenzung dieser Haftung nach dem Grade des Verschuldens finden, eine völlige Freizeichnung der öffentlichen Hand, wie sie im „Leuchtfeuer-Urteil" vertreten wird, sei jedoch unzulässig 47 . Diese Auffassung hat, wie das oben genannte Urteil von 1958 erkennen läßt, auch in der Rechtsprechung inzwischen Beachtung gefunden. Aber auch der im „Konsul-Urteil" von 1925 ausgesprochene Grundsatz, daß der Staat für einen von seinen untergeordneten Instanzen verursachten Schaden nur aus Billigkeitserwägungen ausnahmsweise zu einer Schadenersatzleistung verurteilt werden könne, wurde im Jahre 1952 in einem tatbestandsmäßig ähnlich gelagerten Fall vom Höchsten Gericht aufgegeben 4 8 . Das norwegische Konsulat in Liverpool hatte im Jahre 1944, den gesetzlichen Vorschriften gemäß, Wertgegenstände aus dem Nachlaß eines in Großbritannien verstorbenen norwegischen Staatsangehörigen in Verwahrung genommen. Da diese Gegenstände bei dem Konsulat in Verlust gerieten, verklagte die Witwe den Staat (das Außenministerium) auf Schadenersatz. Das Gericht gab der Klage einstimmig statt. 46

So Hans W. Michelsen, Norsk Forsikringstidsskrift 1952, 343, zustimmend zitiert von Kristen Andersen 119 und im Utkast... 9. 47 So insbes. Kristen Andersen 119 f.; Utkast... 9 f. 48 Norsk Retstidende 117 (1952) 536.

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Einer der Richter trat in seinem Votum dafür ein, in der Urteilsbegründung ausdrücklich von der im „Konsul-Urteil" niedergelegten Auffassung über die Haftpflicht des Staates abzurücken. Die übrigen vier Richter wollten zwar nicht so weit gehen, machten jedoch in ihren Voten ebenfalls grundsätzliche Ausführungen zu diesem Problem, in deren Mittelpunkt die Feststellung stand, seit der Entscheidung von 1925 sei „ein Umschwung in der hier maßgebenden Frage eingetreten, und die Auffassung [gewinne] immer mehr an Boden, daß die Lehre von der Haftungsfreiheit des Staates in der Praxis zu unbilligen Ergebnissen führt". Audi in einem jüngsten Fall wurde der Staat (diesmal in solidum mit den fehlsamen Konsulatsbeamten) zur Zahlung einer Schadenersatzsumme verurteilt 48 ®. Ein norwegischer Steuermann, der während des Krieges in Sidney von australischen Behörden aus politischen Gründen in Haft genommen und später unter Polizeiaufsicht gestellt worden war, hatte eine Schadenersatzforderung gegen den Generalkonsul und seine Mitarbeiter sowie gegen den norwegischen Staat erhoben, weil das Konsulat an seiner Festnahme mitgewirkt und ihm nicht den Beistand geleistet habe, zu dem es verpflichtet gewesen sei.

Ganz allgemein ist festzustellen, daß in keiner der einschlägigen neueren Entscheidungen die Haftung des Staates grundsätzlich verneint wird, vielmehr wird immer nur geprüft, ob den staatlichen Organen im konkreten Falle ein haftungsbegründendes Verschulden angelastet werden kann 48b. Dies geschieht vor allem auch in den recht zahlreichen Fällen, in denen über die Haftung des Staates bei Unfällen und Erkrankungen, die während der Militärdienstzeit eingetreten sind, zu entscheiden war 4 9 . Abschließend kann festgestellt werden, daß auch die Haftung des Staates für seine untergeordneten Organe jetzt von den Gerichten grundsätzlich bejaht wird. Wenngleich die Gerichte diese Auffassung in ihren Entscheidungen nicht als allgemeinen Grundsatz ausdrücklich aussprechen, 48

° Norsk Retstidende 129 (1964) 226. Siehe etwa auch die Entsch. des Höchsten Gerichts vom 1. 3. 1962, Norsk Retstidende 127 (1962) 193: Der Importeur eines italienischen Zitronenproduktes begehrte vom Staat Schadenersatz, weil der „Verbraucherrat" in einer Zeitungsmeldung fahrlässig seine Interessen verletzt habe. Der Staat wurde (unter Dissens) freigesprochen, weil mitwirkendes Verschulden des Klägers vorlag und durch die Art und Weise, in der der „Verbraucherrat" die Angelegenheit behandelt hatte, eine Schadenersatzpflicht des Staates nicht begründet worden sei. 49 Siehe z. B. die Entsch. des Höchsten Gerichts vom 19. 3. und 15. 10. 1960, Norsk Retstidende 125 (1960) 429 und 1235; vom 12. 5. 1962, Norsk Retstidende 127 (1962) 415 (Tuberkulose); vom 16.2.1963, Norsk Retstidende 128 (1963) 161 (ärztlicher Behandlungsfehler)! vom 14.3.1956, Norsk Retstidende 121 (1956) 278 (Schießunfall). 48b

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so ergibt sich doch aus den Entscheidungen des Höchsten Gerichts, daß der Staat auch in den Bereichen, in denen die Staatshaftung nicht durch gesetzliche Vorschriften geregelt ist, nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzes für das Verschulden seiner (untergeordneten) Organe haftet 5 0 . c) Die Haftung der Gemeinden für Schäden, welche Gemeindeorgane in Ausübung ihrer Tätigkeit verschuldet haben, wird v o n den norwegischen Gerichten eindeutig bejaht. Im Bereich der Gemeindehaftung haben die Gerichte soweit ersichtlich auch keinen Unterschied gemacht zwischen Schäden, die v o n leitenden oder v o n untergeordneten Organen verursacht wurden 5 0 a . d) In der Frage, für welche Personen und Personengruppen die öffentliche Hand in der geschilderten W e i s e haftet, gelten in N o r w e g e n im wesentlichen die gleichen Grundsätze w i e in Dänemark 5 1 . 3. Haftung gegenüber

ausländischen

Staatsangehörigen

Sowohl in Dänemark w i e auch in N o r w e g e n sind ausländische Staatsangehörige in privatrechtlichen Angelegenheiten im allgemeinen den Inländern rechtlich gleichgestellt, soweit nicht eine besondere gesetzliche Vorschrift eine Ausnahme vorsieht 5 2 . Demgemäß können Ausländer in beiden Staaten in gleicher W e i s e w i e die Inländer klagen und verklagt werden 5 3 . Fremdenrechtliche Einschränkungen prozeßrechtlicher Art bestehen lediglich in den Fragen der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten und des Armenrechts. So gewährt § 323 des dänischen Rechtspflegegesetzes („Retsplejelov") vom 11. 4. 1916 einem dänischen Beklagten die Möglichkeit, vom ausländischen Kläger eine Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten zu verlangen, es sei denn, daß dänischen Staatsangehörigen in dem betreffenden ausländischen Staat eine solche 50

Siehe Kristen Andersen 122 ff., insbes. 124 f. und 129. * Siehe Kristen Andersen 129; Utkast... 13 f.; vgl. auch 0vergaard 213 ff., der alle in der Zeit von 1860 bis 1950 ergangenen Entscheidungen des Höchsten Gerichts mitteilt. Aus der Rechtsprechung der letzten Jahre seien noch die beiden Entscheidungen vom 2. 2. 1956, Norsk Retstidende 121 (1956) 96, und vom 8. 6. 1963, Norsk Retstidende 128 (1963) 659, erwähnt; in beiden Fällen handelte es sich um Ansprüche wegen Schäden, die der Kläger bei der Behandlung im Gesundheitsdienst (Krankenhaus) einer Gemeinde erlitten hatte: im ersten Falle wurde eine schadenersatzbegründende Fahrlässigkeit des Gesundheitsamtes der Gemeinde als Ursache für die Lungentuberkulose verneint, im zweiten Falle wurde die Schadenersatzpflicht wegen Falschbehandlung eines Beinbruchs im Gemeindekrankenhaus bejaht. 61 Siehe oben III 1 b) und die Ausführungen bei 0vergaard 205 ff. 52 O. A. Borum, Lovkonflikter, Laerebog i international privatret (4. Aufl. 1957) 96; Nikolaus Gjelsvik, Laerebok i millomfolkeleg privatrett (1936) 106. 53 Borum 97 und 209; § 401 I und II des norwegischen Gesetzes über das Verfahren in Streitsachen (Lov om rettegangsmaaten for tvistemaal) vom 13. 8. 1915. !0

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Sicherheitsleistung nicht auferlegt wird. Das Armenrecht („fri proces") wird ausländischen Staatsangehörigen in Dänemark nach § 330 II des Rechtspflegegesetzes ebenfalls nur gewährt, wenn „dänische Staatsangehörige in dem betreffenden Staat im Hinblick auf die Erlangung wirtschaftlicher Erleichterungen oder prozessualen Beistandes nicht schlechter gestellt sind als die eigenen Staatsangehörigen des Landes" 5 4 .

Diese fremdenrechtlichen Vorbehalte kommen jedoch im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht zum Zuge, da sowohl Dänemark wie auch Norwegen Vertragspartner des Haager Zivilprozeßabkommens vom 1.3.1954 sind (wie des alten Abkommens vom 1905) 55 . Im norwegischen Schrifttum wird im übrigen noch ausdrücklich hervorgehoben, daß ein Ausländer sowohl gegen den norwegischen Staat als auch gegen einzelne Staatsbedienstete („tjenestemenn") einen Prozeß auch zur Entscheidung der Frage anstrengen kann, ob eine Maßnahme oder eine Entscheidung dieses Staatsbediensteten rechtmäßig oder gültig ist. Es besteht, wie Fiede Castberg in kritischer Auseinandersetzung mit einer entgegengesetzten älteren Auffassung ausführt, kein Grund, von diesem für Inländer in jedem Falle geltenden Grundsatz bei Ausländern abzuweichen; eine solche Schlechterstellung der Ausländer würde schlecht zum Geist einer freien demokratischen Staatsverfassung passen 56 . Das norwegische Höchste Gericht hat zudem auch Gelegenheit gehabt, in mehreren Fällen über die Haftung der öffentlichen Hand ausländischen Geschädigten gegenüber zu entscheiden. In den zwei in jüngster Zeit entschiedenen Fällen handelte es sich um Schadenersatzansprüche schwedischer Staatsangehöriger, denen das Gericht stattgab, ohne daß die Ausländereigenschaft der klagenden Partei überhaupt erörtert wurde 57 . Für Dänemark ist eine entsprechende Praxis zwar aus dem hier vorhandenen Material nicht zu belegen, doch findet sich auch kein Anzeichen Siehe hierzu Borum 210 f.; Hurwitz-Gomard, Tvistemal (4. Aufl. 1965) 98. BGBl. 1959 II 1388. Vgl. zum Abkommen von 1905 Borum 211; Munch-Petersen, Das Zivilprozeßrecht Dänemarks (1932) 26. 56 Frede Castberg, Norges statsforfattning (3. Aufl. 1964) II 165 f., gegenüber der von T. H. Aschehoug, Norges offentlige Ret II: Norges nuvaerende Statsforfatning III (1885) 379, vertretenen Auffassung, wonach ein ausländischer Staatsangehöriger den Schutz eines (norwegischen) Gerichts nicht beanspruchen könne, wenn er von einer Maßnahme betroffen ist, welche die norwegische Regierung zur Wahrung norwegischer Interessen gegenüber dem Heimatstaat des Klägers getroffen hat. " In der Entsch. vom 2. 2. 1956, Norsk Retstidende 121 (1956) 914, ging es um den Schadenersatzanspruch eines schwedischen Staatsangehörigen, dessen Unternehmen wegen „wirtschaftlichen Landesverrats" im 2. Weltkrieg unter Zwangsverwaltung gestellt worden war; in der Entsch. vom 24. 6. 1961, Norsk Retstidende 126 (1961) 730, wurde das zuständige Wegeamt zum Ersatz des Schadens verurteilt, den ein schwedischer Omnibus bei einem Zusammenstoß mit einem norwegischen LKW auf einer vereisten Straße an einer nicht durch Warnschild gekennzeichneten Verengung erlitten hatte. 54

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einer von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden gegenteiligen Haltung. Angesichts der grundsätzlichen privatrechtlichen Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern in beiden Staaten und der Tatsache, daß Ausländer den Inländern auch prozeßrechtlich im allgemeinen gleichgestellt sind, besteht im Ergebnis kein Zweifel, daß Ausländer einen Schadenersatzanspruch gegen die öffentliche Hand in Dänemark und Norwegen geltend machen können. Dies trifft insbesondere auch für deutsche Staatsangehörige zu, denen gegenüber bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche selbst die im Verfahrensrecht beider Länder enthaltenen fremdenrechtlichen Vorbehalte in Einzelfragen (cautio judicatum solvi, Armenrecht) aufgrund des Haager Zivilprozeßabkommens nicht zur Anwendung gelangen 68 .

58 Siehe jetzt auch die Bekanntmachungen über die Haftung der Bundesrepublik Deutschland für ihre Beamten gegenüber Angehörigen der Königreiche Dänemark und Norwegen vom 28. 4. 1967 (BGBl. I 532).

3. A B T R E T U N G

Nr. 6 Niederlande 1. Die Abtretung von Forderungen - und zwar sowohl die Abtretbarkeit der Forderung wie die Art und Weise der Abtretung - richtet sich nach derjenigen Rechtsordnung, welcher die abgetretene Forderung untersteht. Eine Globalzession ist nur dann wirksam, wenn den Erfordernissen derjenigen Rechtsordnungen genügt ist, welchen die einzelnen Forderungen unterstehen. 2. Nach niederländischem Recht ist die Mitteilung der Abtretung an den Schuldner kein notwendiges Erfordernis einer wirksamen Abtretung. 3. Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung ist nach niederländischem Recht die erste Abtretung wirksam, auch wenn dem Schuldner nur oder zuerst die zweite Abtretung förmlich angezeigt wird. 4. Zur Abtretbarkeit künftiger Forderungen nach dem Recht der Niederlande. Bonn vom 5. 5.1966

Mit Schreiben vom 4. 3 . 1 9 6 6 bin ich seitens des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Koblenz darum gebeten worden, in dem dort in der Berufungsinstanz anhängigen Rechtsstreit der Firma W . und P., Düsseldorf (Kl.) gegen August M., Mainz (Bekl.) eine gutachtliche Stellungnahme über folgende Fragen abzugeben: „Wird nach holländischem Recht die Abtretung einer Forderung erst mit der Mitteilung an den Schuldner wirksam? Richtet sich bei Abtretung derselben Forderung an verschiedene Personen die Wirksamkeit der Übertragung nach dem Zeitpunkt des Abtretungsvertrages oder nach dem Zeitpunkt des Eingangs der Abtretungsmitteilung an die Schuldner? Ist eine Abtretung zukünftiger Forderungen möglich?" I. Die gestellte Frage nach dem Inhalt des holländischen Abtretungsrechtes setzt voraus, daß im vorliegenden Fall auf die in Frage stehenden Abtretungen wirklich holländisches Recht anwendbar ist. In F r a g e stehen dabei zweierlei Abtretungen:

Abtretung

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Niederlande

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1.Eine angeblich am 12.2.1960 erfolgte Abtretung der Forderungen der holländischen Firma C. aus künftigen öllieferungen gegen ihre deutschen Abnehmer; die Forderungen sollen an die Kl. abgetreten sein. 2. Eine angeblich schon im März 1959 seitens der Firma C. vorgenommene Abtretung ihrer zukünftigen Forderungen an die Handelsonderneming O. U. in Rotterdam und die Weiterabtretung dieser Forderungen an die A.-R. Bank N . V . Da es sich um die Abtretung von Forderungen gegen deutsche Abnehmer von öllieferungen handelt, wäre immerhin denkbar, daß deutsches Recht anzuwenden wäre. Es wird daher vorsorglich vorweg auf die Frage des auf Forderungsabtretungen anzuwendenden Rechts eingegangen. Nach in Deutschland herrschender Meinung richtet sich die Abtretung von Forderungen nach derjenigen Rechtsordnung, welcher die abgetretene Forderung untersteht. Das Statut der Schuld ist maßgeblich 1 . Ein abweichende Auffassung wird - soweit ersichtlich - im deutschen Schrifttum nur von Zweigert2 vertreten. Zweigert vertritt die Meinung, lediglich die Abtretbarkeit einer Forderung richte sich nach dem Statut der Forderung; der Abtretungsvorgang selbst richte sich nach dem Ort, an welchem die Forderung belegen sei; dies sei üblicherweise der Wohnsitz des Schuldners. Für die Frage des Schuldnerschutzes sei sowohl das Recht des Schuldnerwohnsitzes wie auch dasjenige Recht maßgebend, welchem die Forderung unterstehe, j e nachdem, welches Recht für den Schuldner günstiger sei. Zweigert folgt mit dieser Auffassung der Lehre von Rabel3. Ich halte diese Meinung nicht für überzeugend. Wenn man schon zugibt, daß die Abtretbarkeit einer Forderung sich nach dem Statut der Forderung bestimmt, so müssen sich folgerichtig auch Art und Weise, wie die Forderung abgetreten werden kann bzw. abgetreten werden muß, nach dem Forderungsstatut richten. Man sollte deshalb m. E. gegenüber der Lehre von Zweigert an der herrschenden Lehre festhalten. Das erscheint um so eher geboten, als auch die höchstrichterliche Rechtsprechung einhellig auf diesem Standpunkt steht 4 . Daraus folgt, daß insoweit, als die Forderungen der Firma C. aus ihren ölverkäufen etwa deutschem Recht unterstanden, dieses Recht auch für die Abtretung maßgeblich ist. Insoweit käme es auf die in dem Ersuchen des Gerichts gestellten Fragen nicht an. Insoweit, als die Forderungen aus 1 Vgl. aus dem Schrifttum: Achilies-Greili-Beitzke, BGB, A n n . II 1 a nach Art. 11 EGBGB; Erman-Arndt, BGB, Anm. V vor Art. 12 EGBGB; Palandt-Lauterbach, BGB, Anm. 5 c vor Art. 12 EGBGB; Soergel-Siebert-Kegel, BGB, Anm. 250 ff. vor Art. 7 EGBGB; Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 247; Lewald, Das deutsche IPR (1931) 270; Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 266; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 506; Wolfi, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 151. 2 RabelsZ 1958, 653 f. 3 Conflict of Laws, Bd. III (2. Aufl.) 444. 4 Vgl. RGZ 65, 357; RG, IPRspr. 1930 Nr. 30; RG, J W 1933, 2582; RG, J W 1936, 2102; BGH, W M 1957, 1574.

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ölverkäufen holländischem Recht unterstehen, sind die mir unterbreiteten Fragen nach dem Inhalt des holländischen Rechts erheblich. Es wäre schließlich noch denkbar, daß Forderungen einer weiteren fremden Rechtsordnung unterliegen. Mangels hinreichender Anhaltspunkte dafür in dem mir unterbreiteten Sachverhalt gehe ich dieser Frage nicht weiter nach. Möglich ist es schließlich bei einer Global-Zession, daß die GlobalZession Forderungen umfaßt, welche verschiedenen Rechten unterstehen. Dann ergibt sich die Frage, welche Rechtsordnung denn für eine derartige Global-Zession maßgeblich ist. Diese Frage habe ich im Schrifttum nicht erörtert gefunden. Meines Erachtens kann die Abtretung nur insoweit wirksam zustande kommen, als den Erfordernissen derjenigen Rechtsordnungen genügt ist, welchen die einzelnen Forderungen unterstehen. Wenn einzelne der abgetretenen Forderungen sich nach deutschem Recht, andere dagegen nach holländischem Recht richten, so sind nur dann sämtliche Forderungen wirksam abgetreten, wenn für die dem deutschen Recht unterliegenden Forderungen den Erfordernissen des deutschen Rechts, für die dem holländischen Recht unterstehenden Forderungen den Erfordernissen des holländischen Rechtes genügt ist. Wäre demnach nur ein Teil der Forderungen wirksam abgetreten, so braucht deshalb nicht die ganze Global-Zession nichtig zu sein; § 139 BGB enthält allgemein gültige, auch im Internationalen Privatrecht geltende Rechtssätze. Danach kann auch ein Teil der Global-Zession wirksam sein. II. Uber den Inhalt des holländischen Rechts ist wie folgt zu berichten: 1. Die Forderungsabtretung ist in Art. 668 BW geregelt. Dort heißt es (in freier Ubersetzung): Die Übertragung von Forderungen und anderen unkörperlichen Gegenständen erfolgt mittels öffentlicher oder privatschriftlicher Urkunde, womit die Rechte an den Gegenständen auf einen anderen übergehen. Die Abtretung ist gegenüber dem Schuldner erst dann wirksam, wenn sie ihm zugestellt worden ist oder er sie schriftlich angenommen oder anerkannt hat. (Es folgt ein weiterer Absatz über die Übertragung von Schuldverschreibungen auf den Inhaber und von Orderschuldverschreibungen durch Ubergabe bzw. Indossierung des Papiers) 6 .

2. An der Vorschrift von Art. 668 B W ist zunächst bemerkenswert, daß die Abtretung im Gegensatz zum deutschen Recht einer besonderen Form bedarf, nämlich einer mindestens privatschriftlichen Erklärung des Zeden5 Inhalt und Auslegung dieser Vorschrift werden im deutschen Schrifttum erörtert von Arndt, Zessionsrecht (Berlin 1932) S. 85 u. 155. Aus dem niederländischen Schrifttum standen mir folgende W e r k e zur Verfügung: Asser-Beekhuis, Nederlands Burgerlijk Recht, 2. Teil, Zakenrecht, Alg. Deel (9. Aufl. 1957); Pitlo, Het Zakenrecht naar het Nederlands Burgerlijk Wetboek (5. Aufl. 1965); Völlmar, Nederlands Burgerlijk Recht, 2. Teil, Zaken- en Erfrecht (2. Aufl. 1951); ders., Inleiding Nederlands Burgerlijk Recht (4. Aufl. 1955).

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ten. Die Annahme der Abtretung durch den Zessionar ist jedoch formlos (Formerfordernisse ähnlich dem deutschen Bürgschaftsrecht). Aufgrund des ersten Absatzes von Art. 668 ist es in der holländischen Rechtslehre und Rechtsprechung völlig unstreitig, daß die Abtretung als solche sich bereits durch den Abtretungsvertrag zwischen Zedent und Zessionar vollzieht 6 . Die vom Gesetz in Absatz 2 des Art. 668 ferner verlangte schriftliche Annahme oder Anerkennung der Abtretung durch den Schuldner oder deren Ersetzung durch eine förmliche Zustellung (durch den Gerichtsvollzieher) ist nach völlig herrschender Meinung kein notwendiges konstitutives Element der Abtretung. Es handelt sich lediglich um eine Vorschrift, welche den gutgläubigen Schuldner dagegen schützen soll, daß er nochmals in Anspruch genommen wird, wenn er gutgläubig nach der Zession an den Zedenten gezahlt hat. Die Anzeige der Zession mittels förmlicher Zustellung hat nur die Funktion einer Warnung des Schuldners, nicht mehr an den Zedenten zu zahlen. Sie zerstört den etwaigen guten Glauben des Schuldners, daß der Zedent noch Gläubiger sei, und liefert zugleich den förmlichen Beweis dafür, daß der gute Glaube des Schuldners an die Gläubigerstellung des Zedenten nicht mehr besteht. Obwohl der Wortlaut des Gesetzes eine andere Deutung zulassen könnte, ist also im holländischen Recht (im Gegensatz etwa zum Recht des französischen Code civil, wo die Frage im einzelnen streitig ist) die Mitteilung der Abtretung an den Schuldner kein notwendiges Erfordernis einer wirksamen Abtretung. Da vorliegendenfalls offenbar förmliche Zustellungen an den Schuldner nicht erfolgt sind, bedarf die Frage keiner näheren Erörterung, ob die Zustellung durch den Zessionar oder den Zedenten oder beide zu erfolgen hat. 3. Aus dem Gesagten folgt, daß bei mehrfacher Abtretung derselben Forderungen die erste Abtretung wirksam ist, auch wenn dem Schuldner nur oder zuerst die zweite Abtretung förmlich angezeigt wird 7 . Wer sich auf die ältere Zessionsurkunde berufen kann, ist der wirkliche Gläubiger 8 . Die förmliche Zustellung der erfolgten Zession spielt wieder nur eine Rolle für die Frage, ob der Schuldner sich zwischenzeitlich durch eine gutgläubige Zahlung an einen anderen als den wirklichen Gläubiger befreien konnte. Ist dem Schuldner nur die zweite Abtretung angezeigt, so kann er sich, wenn er den zweiten Zessionar gutgläubig für den wirklichen Gläubiger hält, durch Zahlung an ihn von seiner Schuld befreien 9 . Erhält jedoch der Schuldner, ohne bislang befreiend gezahlt zu haben, auch von der ersten 6 Vgl. dazu Asser-Beekhuis 196; Pitlo 203; Völlmar, Inleiding 180, Zakenrecht 172; Höge Raad 24. 2. 1911, Weekblad van het Recht Nr. 9145. 7 Vgl. Völlmar, Inleiding 180. 8 Vgl. Asser-Beekhuis 197. 9 Vgl. Pitlo 204; Höge Raad aaO.

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Abtretung Kenntnis, so muß er der Frage nachgehen, welche Abtretung zuerst erfolgt ist, und muß an den wirklichen Gläubiger zahlen 10 . 4. Die Abtretbarkeit zukünftiger Forderungen ist im holländischen Recht umstritten. Art. 1370 I BW erklärt ausdrücklich Verträge über „zukünftige Gegenstände" für zulässig. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die Abtretung von Forderungen hat der Höge Raad jedoch abgelehnt 11 . Der Höge Raad hält die Abtretung von Forderungen nur insoweit für denkbar und rechtlich möglich, als die Forderung im Zeitpunkt der Abtretung bereits besteht oder wenigstens das Rechtsverhältnis, aus welchem die Forderung entspringt, bereits zur Entstehung gelangt ist. Dementsprechend hält die Rechtsprechung des Höge Raad zum Beispiel die Abtretung von zukünftigen Mietzinsbeträgen oder zukünftigen Lohnforderungen für möglich, wenn der Mietvertrag oder Dienstvertrag bereits geschlossen ist. Er erklärt aber in der genannten Entscheidung ausdrücklich die Abtretung von Forderungen aus noch später abzuschließenden Abzahlungsverkäufen für nicht möglich. Der Höge Raad hat dementsprechend folgerichtig auch in einer späteren Entscheidung vom 13. 2. 193612 auch die Abtretung künftiger Urheberrechte (über noch nicht verfaßte Werke) für rechtlich unmöglich erklärt. Im Schrifttum wird die Meinung des Höge Raad noch heute von Völlmar13 geteilt. Im übrigen aber ist die einschränkende Rechtsprechung des Höge Raad im Schrifttum durchweg auf Kritik gestoßen. In der Veröffentlichung in der Zeitschrift Nederlands Jurisprudentie, wo im allgemeinen nur Texte der Entscheidungen (gelegentlich mit den Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft) veröffentlicht werden, hat das grundlegende Urteil des Höge Raad 1 4 sofort die ausführliche Kritik des anerkannten Gelehrten Paul Schölten gefunden. Die Kritik macht geltend, eine derartige Judikatur werde den Bedürfnissen der Praxis, namentlich der Kreditsicherung nicht gerecht. Die Unterscheidung zwischen künftig fällig werdenden Lohn- und Mietzinsraten einerseits und künftigen Forderungen andererseits sei unfolgerichtig. Es wird darauf hingewiesen, daß das eigentliche Problem nicht die übertragbarkeit künftiger Forderungen sei, sondern die Bestimmbarkeit der Forderungen. Dementsprechend hält zum Beispiel Pitlo die Übertragung künftiger Forderungen für möglich, soweit diese hinreichend bestimmbar sind 15 . Die Judikatur des Höge Raad wird ferner abgelehnt in dem führenden Lehrbuch von Asser-Beekhuis16. Von den unteren Gerichten hat die 2. Kammer des Amsterdamer Landgerichts am 12. 3.1952 17 ohne nähere Begründung dahin entschieden, daß 10 Allg. Meinung; vgl. außer Pitlo und Höge Raad aaO Asser-Beekhuis 197 und Völlmar, Zakenrecht 172. 11 12 13 N.J. 1934, 343. N.J. 1936, 778 ff. Zakenrecht 178. 14 15 N.J. 1934, 343. S. 209, 210. 16 S. 179 ff., wo auch das umfangreiche weitere Schrifttum gegen die Judikatur des Höge Raad angeführt ist. » N.J. 1952 Nr. 691.

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eine Ubereinkunft gültig sei, nach welcher zur Sicherheit für einen gegebenen Kredit der gesamte derzeitige und in den nächsten fünf Jahren zu erwerbende Warenbestand einer Partei übereignet und ferner alle ihre derzeitigen und innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwerbenden Forderungen gegen Dritte abgetreten wurden. Diese Entscheidung, welche offenbar verhältnismäßig weit geht, ist - soweit ersichtlich - nicht auf wesentliche Kritik gestoßen. Neuere höchstrichterliche Judikatur war für mich nicht auffindbar, ist insbesondere in dem Buch von Pitlo aus dem Jahre 1965 nicht nachgewiesen. Man gewinnt insgesamt den Eindruck, daß die überwiegende Meinung im Schrifttum und die offenbar unangefochtene Judikatur unterer Instanzen die Abtretung künftiger Forderungen für zulässig halten. 5. Soweit die Abtretung künftiger Forderungen nach dem oben Ausgeführten für zulässig gehalten wird, wird gegenüber Global-Abtretungen nur das Bedenken erhoben, daß möglicherweise die abgetretenen Forderungen nicht hinreichend bestimmt seien. Art. 1369 BW stellt das Erfordernis auf, daß der Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung hinreichend bestimmt oder jedenfalls hinreichend bestimmbar sein müsse. Diese Vorschrift wird entsprechend auf Verfügungsgeschäfte übertragen 1 8 . Wo jedoch die Grenze einer ausreichenden Bestimmbarkeit der übertragenen Forderungen liegt, bleibt offen. Die schon zitierte Entscheidung des Amsterdamer Gerichts über die Abtretung sämtlicher in den nächsten fünf Jahren zu erwerbenden Forderungen zeigt eine außerordentliche Großzügigkeit. Bei Asser-Beekhuis19 wird nur gesagt, daß die Abtretung sämtlicher künftiger Forderungen (ohne zeitliche Begrenzung) mangels ausreichender Bestimmbarkeit unwirksam sei. Pitlo20 äußert dagegen bereits Bedenken hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit, wenn alle Mietzinsforderungen aus bestehenden und künftigen Verträgen mit den Mietern eines bestimmten Hauses abgetreten werden. Offensichtlich ringen die niederländische Lehre und Praxis auch mit dem der deutschen Rechtsprechung vertrauten Problem, ob zukünftige Forderungen hinreichend bestimmt sind.

18 Vgl. Asser-Beekhuis 153; Völlmar, Zakenrecht 178; Meijers in der Anm. zur Entscheidung des Höge Raad vom 13. 2. 1936, N.J. 1936, 778. 20 " S. 180. S. 210.

4. GESETZLICHER FORDERUNGSÜBERGANG

Nr. 7 Frankreich 1. Die Verordnung Nr. 3 des Rates der EWG über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer findet auf die Angehörigen der in Deutschland stationierten französischen Streitkräfte keine Anwendimg. 2. Die cessio legis untersteht grundsätzlich dem Recht, das die Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Dritten beherrscht; dem Forderungsstatut untersteht sie nur insoweit, als es sich um Fragen des Schuldnerschutzes handelt. 3. Zur cessio legis im französischen Internationalen Privatrecht und im französischen Sozialversicherungsrecht. Die zugunsten des Versicherungsträgers angeordnete Legalzession ist privatrechtlich zu qualifizieren. Hamburg G 97/65 vom 25.10. 1965

Das Landgericht Kaiserslautern bittet in dem Rechtsstreit A. ./. B. um Auskunft über französisches Sozialversidierungs- und Prozeßrecht. Es wird folgender Sachverhalt mitgeteilt: Die Kl. ist die Tochter eines französischen Unteroffiziers. Sie fiel von einem ungesicherten Balkon des Hauses der Bekl. und verletzte sich schwer. Sie klagt u. a. die Kosten der Behandlung im Krankenhaus in Kaiserslautern mit folgendem Klagantrag ein: „Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Caisse Nationale Militaire de Sécurité Sociale . . . den Betrag von DM 1563 - nebst 4°/o Zinsen hieraus seit dem 22. 2. 1964 zu zahlen."

Sie trägt vor, die Caisse Nationale Militaire habe die Kosten bezahlt. Sie - die Kl. - sei verpflichtet, die Kosten für die Kasse einzuklagen. Das Gericht fragt an, ob die Kl. „ohne weiteres persönlich berechtigt und verpflichtet sei, die Kranken- und Arztkosten eigenen Namens zugunsten der Caisse Nationale Militaire einzuklagen".

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GUTACHTEN Der Antrag der KL, einen bestimmten Teil des von ihr beanspruchten Schadenersatzes unmittelbar der Caisse Nationale Militaire zuzusprechen, kann in zweifacher Weise ausgelegt werden. Entweder klagt sie diesen Betrag aus eigenem Recht ein, oder aber sie macht ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend. Ob das eine oder das andere zutrifft, hängt von ihrer Beurteilung der Rechtslage ab. Glaubt die KL, Inhaberin der Schadenersatzforderungen gegen die Bekl. auch insoweit geblieben zu sein, als die Caisse Nationale Militaire die ihr erwachsenen Kosten getragen hat, und der Kasse nur zur Rückzahlung verpflichtet zu sein, so klagt sie ein eigenes Recht ein. Ihr Antrag, einen bestimmten Betrag der Caisse Nationale Militaire zuzusprechen, dient dann nur dazu, dieser das Geld unmittelbar zukommen zu lassen. Meint die KL aber, daß ihre Schadenersatzforderung in der Höhe der von der Kasse erbrachten Leistungen auf diese übergegangen sei, so macht sie ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend. Anstatt die subjektiven Vorstellungen der KL aufzuklären, legt das Institut den objektiv mehrdeutigen Antrag der Kl. so aus, daß ihm nach Möglichkeit Erfolg beschieden ist. Es ist also zu prüfen, welche der beiden Interpretationen der tatsächlichen Rechtslage gerecht wird. Da von einer rechtsgeschäftlichen Abtretung der Forderung nicht die Rede ist, kommt nur eine cessio legis in Betracht. Wenn sie tatsächlich stattgefunden hat, bleibt die Berechtigung der Kl. zur Geltendmachung des übergegangenen Rechtes zu prüfen.

I. Anwendbares

Recht

1. Der Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat den Übergang von Schadenersatzforderungen für Körperverletzung auf den Träger der Sozialversicherung, der Leistungen an den Verletzten erbracht hat, zum Gegenstand einer Verordnung gemacht 1 . Obwohl diese Verordnung einen größeren Personenkreis betrifft als denjenigen der Wanderarbeiter im strengen Sinn des Wortes, findet sie jedoch keine Anwendung auf Sondersysteme für öffentliche Bedienstete und ihnen Gleichgestellte (Art. 2 III). Die Angehörigen der französischen Streitkräfte sind einem solchen Sondersystem angeschlossen und im übrigen gerade für die Krankenversicherung den Beamten gleichgestellt 2 . 1 Art. 52 der VO Nr. 3 über die soziale Sicherheit der vom 25. 9. 1958, ABl. 1958, 561. 2 Vgl. Art. 597 des Code de la Sécurité Sociale.

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M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

Wanderarbeitnehmer

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Schuldrecht

2. Somit entscheidet das allgemeine deutsche Internationale Privatiecht darüber, nach welchem Recht sich die Frage beantwortet, ob die Schadenersatzforderung der Kl. von Gesetzes wegen insoweit auf den französischen Sozialversicherungsträger übergegangen ist, als dieser Leistungen an die Kl. erbracht hat. Die Frage nach dem Statut der cessio legis ist im deutschen IPR umstritten. Eine ältere Auffassung wollte das Statut der Forderung entscheiden lassen, die von der Legalzession ergriffen werden könnte 3 . Gegen diese Auffassung spricht, daß die Legalzession in aller Regel einem Interessenausgleich zwischen dem Gläubiger und einem Dritten dient (die möglichen Ausnahmefälle brauchen hier nicht erörtert zu werden). Das auf die Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Dritten anzuwendende Recht wird häufig nicht mit dem Forderungsstatut identisch sein. Es würde aber die innere Harmonie der auf die Beziehungen zwischen Gläubiger und Drittem anzuwendenden Rechtsvorschriften stören, wenn etwa das Forderungsstatut dem Dritten eine Forderung zusprechen würde, auf die er nach dem an sich für seine Beziehungen zum Gläubiger geltenden Recht keinen Anspruch hat, weil seine Interessen bereits auf andere Weise geschützt werden. In der neueren Literatur und in der Rechtsprechung wird daher vielfach das Recht, das die Beziehungen zwischen Gläubiger und Drittem beherrscht, auch auf die Legalzession für anwendbar erklärt 4 , überwiegend wird jedoch die Ansicht vertreten, daß die Interessen des Schuldners mitberücksichtigt werden müssen und deshalb auch das Forderungsstatut zu beachten ist. ü b e r die Art, wie dies zu geschehen hat, gehen die Ansichten auseinander. Nach einer Meinung ist zwischen Zessionsstatut und dem Statut des Zessionsgrundes streng zu unterscheiden. Während dieser dem Recht unterstehe, das für die Beziehung Gläubiger-Dritter gilt, falle jenes mit dem Forderungsstatut zusammen. Das Zessionsgrundstatut ordne die 3 Zitelmann, IPR II (1912) 393 ff., Frankenstein, IPR II (1929) 266 ff.. Guldener, Zession, Legalzession und Subrogation im IPR (Diss. Zürich 1929) 133 ff. Vgl. neuerdings Wussow, Die Legalzession im IPR: N J W 1964, 2325 ff. (2330), für den Ubergang eines Schadenersatzanspruches auf den privaten oder öffentlichen Versicherer; Gitter, Haftungsausschluß und gesetzlicher Forderungsübergang bei Arbeitsunfällen im Ausland: N J W 1965, 1108 ff. (1112). 4 Prölss, International-rechtliche Aspekte der Kraftfahr-Haftpflichtversicherang (Juristische Studiengesellsdiaft Karlsruhe, Schriftenreihe Heft 28/29, 1957) 22; Schnitzer, Handbuch des IPR II (4. Aufl. 1958) 655 f. (nicht ganz klar); HansOLG Hamburg 1. 7. 1957, MDR 1957, 679 = IPRspr. 1956/57 Nr. 50; Schl.-Holst. OLG 21. 12. 1950, VersR 1951, 66 = IPRspr. 1950/51 Nr. 25; ebenso schon RGZ 54, 311, 316 (vgl. 318: auch die Wirkungen der Legalzession bestimmen sich nach dem Recht, das für die Beziehung Gläubiger-Dritter gilt). - Die gleiche Lösung hat übrigens gerade für die cessio legis zugunsten des Sozialversicherungsträgers einen gesetzlichen Niederschlag in Art. 52 der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gefunden.

Gesetzlicher

Forderungsübergang

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Legalzession an, während das Zessionsstatut sie ausführe 5 . Diese Theorie beruht auf dem im deutschen und schweizerischen Recht geltenden Prinzip der Abstraktheit der Zession. Sie wird bezeichnenderweise anhand von Beispielen dargestellt, in denen nur deutsches und schweizerisches Recht in Frage kommen. Vom Ergebnis her gesehen besagt sie aber nichts anderes, als daß die Fragen, die das deutsche Recht in den §§ 398-413 BGB regelt, dem Forderungsstatut zu unterstellen seien. Andere gehen zwar davon aus, daß grundsätzlich das Statut der Beziehungen zwischen Gläubiger und Drittem auch die Legalzession beherrsche, meinen aber, im Interesse des Schuldners müßten einzelne Fragen dem Forderungsstatut unterstellt werden. Eine abschließende Aufzählung dieser Fragen wird dabei jedodinidit gegeben. Nur beispielsweise wird etwa gesagt, das Forderungsstatut bestimme darüber, ob die Forderung abtretbar sei 6 . Oder es wird allgemein gesagt, das Forderungsstatut bestimme einzig über den Schuldnerschutz (wozu auch die Frage der Abtretbarkeit gehören dürfte) 7 . Andere Autoren erklären, daß der Schuldner nicht durch eine seinem heimischen Recht unbekannte Legalzession überrascht werden dürfe, und fordern daher, daß dieses Recht den gesetzlichen Forderungsübergang, wenn auch nicht im konkreten Fall, so doch in entsprechenden Fällen anordne 8 . Der vom ausländischen Recht angeordnete Rechtsübergang ist danach gegenüber dem deutschen Schuldner nur dann wirksam, wenn das deutsche Recht für einen gleichgelagerten Fall die gleiche Regelung trifft. Das Institut schließt sich für Fälle wie den vorliegenden der heute überwiegend vertretenen Ansicht an, wonach die cessio legis grundsätzlich dem Recht untersteht, das die Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Dritten beherrscht. Denn ordnet das Gesetz zugunsten des Dritten einen gesetzlichen Forderungsübergang an, so ist dies nur eine technische Vereinfachung gegenüber einem Anspruch des Dritten gegen den Gläubiger auf Abtretung seiner Forderung. Einen solchen Anspruch könnte sich der Dritte vertraglich ausbedingen, wenn er ihm nicht vom Gesetz gewährt würde. Allerdings verlangen auch die Interessen des Schuldners Berücksichtigung. Er darf durch den gesetzlichen Forderungsübergang nicht benach5 Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 507 ff.; dasselbe meint wohl OGHZ 2, 379, 383 = IPRspr. 1945/49 Nr. 10 b. 6 Rabel, The Conflict of Laws III (1950) 436; Lewald, Das deutsche IPR auf Grundlage der Rechtsprechung (1931) 276. ' M. WoliJ, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 152. 8 Reithmann, Internationales Vertragsrecht (1963) Rdz. 472; Vischer, Internationales Vertragsrecht (1962) 243 f.; vgl. auch OLG Karlsruhe 6. 8. 1964 - 4 U 33/62 (unveröffentlicht). Das Revisionsurteil des BGH vom 26. 4 . 1 9 6 6 (VI ZR 211/64) ist abgedruckt in N J W 1966, 1620 = MDR 1966, 670.

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teiligt werden. Dem Forderungsstatut unterstehen daher die Fragen des Schuldnerschutzes wie Abtretbarkeit der Forderung, Wirkung einer gutgläubigen Zahlung an den ursprünglichen Gläubiger usw. Dagegen ist es nach Auffassung des Instituts nicht erforderlich, daß auch das Forderungsstatut im konkreten Fall - wenn es für die Beziehungen zwischen Gläubiger und Drittem maßgeblich wäre - eine cessio legis anordnen würde. Die beiden Rechtsordnungen sind nicht zu „kumulieren", d. h. beide auf das ganze Rechtsverhältnis anzuwenden, sondern nur miteinander zu „koppeln", d.h. je teilweise anzuwenden, nämlich das Forderungsstatut nur insoweit, als das Interesse des Schuldners es erfordert 9 . Im Streitfall unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen dem Gläubiger (der Kl.) und dem Dritten (der Caisse Nationale Militaire) dem französischen materiellen Recht. Dieses entscheidet also nach deutschem Internationalem Privatrecht darüber, ob die Schadenersatzforderung der Kl. auf die Caisse Nationale Militaire insoweit übergegangen ist, als sie Leistungen von dieser erhalten hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das französische Internationale Privatrecht eine Rückverweisung auf das deutsche Recht enthält und diese vom deutschen Internationalen Privatrecht angenommen wird. 3. Im französischen Internationalen Privatrecht ist das Statut der Legalzession - die unter dem Namen der gesetzlichen Surrogation (subrogation légale) bekannt ist - ebenfalls umstritten. Die Rechtsprechung hat bislang noch keine sichere Regel entwickelt. Von Bedeutung ist lediglich ein jüngeres Urteil der Cour d'Appel in Besançon 10 . Dieses Gericht hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem schweizerische Staatsangehörige in einen in Frankreich von einem französischen Bürger verursachten Unfall verwickelt worden waren. Der schweizerische Sozialversicherungsträger, der verschiedene Leistungen zugunsten der Witwe eines der Opfer erbracht hatte, machte im Adhäsionsverfahren eine nach schweizerischem Recht auf ihn übergegangene Forderung geltend. Das Gericht wies seine Klage mit der Begründung ab, daß sich die straf- und zivilrechtlichen Folgen eines Delikts nach der „loi territoriale" bestimmten und überdies die den Forderungsübergang anordnende schweizerische Norm dem öffentlichen Recht angehöre und deshalb nicht Grundlage einer Verurteilung in Frankreich sein könne. Dieser wenig klaren Begründung ist wohl zu entnehmen, daß das Gericht die gesetzliche Surrogation dem Deliktsstatut unterstellte 11 .

9 Ausführlich begründet die Auffassung des Instituts: Beemelmans, Das Statut der cessio legis, der action directe und der action oblique: RabelsZ 29 (1965) 511 ff. (516 ff.). 10 Besançon 14. 5. 1959, D. 1959, J. 515 mit krit. Anm. von Esmein = Clunet 1960, 778 mit krit. Anm. von Bredin, der dabei eine Übersicht über ältere, nicht eindeutige Entscheidungen gibt. 11 Ebenso Bredin 786.

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Diese Ansicht ist auch in der Rechtslehre vertreten worden 1 2 . Häufiger wird die gesetzliche Surrogation jedoch dem Recht des Zahlungsortes unterworfen 1 3 oder dem am Wohnsitz des Schuldners geltenden Recht 14 . Endlich will eine neuerdings öfter vertretene Meinung den gesetzlichen Ubergang einer Schadenersatzforderung auf den Sachversicherer demjenigen Recht unterstellen, welches das Versicherungsverhältnis beherrscht 15 . Folgt man der letzten Meinung auch für die gesetzliche Surrogation zugunsten des Sozialversicherungsträgers, so würde sich der Forderungsübergang nach dem Recht bestimmen, das die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherungsträger und dem Versicherten regelt 16 . Diese gerade in neuerer Zeit vertretene Ansicht stimmt jedenfalls insoweit mit der oben (zu 1) für das deutsche Recht vertretenen Auffassung überein, als es um den Forderungsübergang selbst und nicht den Schutz des Schuldners geht (der hier von vornherein nicht französischem Recht untersteht). Eine Rüdeverweisung des französischen Rechts auf das deutsche ist also nicht festzustellen, so daß die umstrittene Frage, wieweit eine solche im internationalen Schuldrecht überhaupt beachtlich ist, dahingestellt bleiben kann. II. Materielles

Recht

1. Cessio legis zugunsten des Sozialver Sicherung sträg ers Die Angehörigen der französischen Streitkräfte und ihre Familien sind der französischen Sozialversicherung angeschlossen (Art. 595 des Code de la Sécurité Sociale - im folgenden: C.Séc.Soc.). Dies gilt insbesondere auch für die Versicherung gegen Krankheit und gegen Unfälle, die nicht 13 Niboyet, S. 1934.2.49 (Urteilsanmerkung) für den gesetzlichen Ubergang einer Forderung auf den Schadensversicherer, allerdings mit dem Zusatz, der Schuldner müsse nach den Regeln des an seinem Wohnsitz geltenden Rechtes unterrichtet werden. 13 Planiol-Ripert, Traité Pratique de droit civil français (2. Aufl. 1954) VII no. 1247; Perroud, Rev.gén.ass.terr. 1932, 295 und 1935, 345 (für den gesetzlichen Forderungsübergang in der Schadensversicherung) ; Dégand, Répertoire du droit international X (1931) s. v. Paiement no. 97. 14 Savatier, Cours de droit international privé (2. Aufl. 1953) no. 279; H. und L. Mazeaud-Tunc, Traité théorique et pratique de la responsabilité civile III (5. Aufl. 1960) no. 2732 (für den gesetzlichen Forderungsübergang in der Schadensversicherung). 15 Batiffol,Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) no.626; ders., Rev.crit.dr.int.pr. 43 (1954) 785 (Urteilsanmerkung); Picard-Besson, Les assurances terrestres en droit français (2. Aufl. 1964) no. 333; Loussouarn, Rev. trim.dr.comm. 8 (1955) 193, 195 (Rechtsprechungsübersicht). 16 In diesem Sinne Bredin, Clunet 1960, 784 (allerdings soll die Anwendung eines fremden Rechtes, soweit es die Lage des Schuldners verschlechtert, am ordre public scheitern).

70

Sdiuldiecht

Dienstunfälle sind (Artt. 597, 608). Versicherungsträger ist die Caisse Nationale Militaire (Art. 603). Die Bedingungen, unter denen sie Leistungen an die Versicherten gewährt, sind im einzelnen in einer Durchführungsbestimmung vom 1.8. 1956 geregelt 1 7 . Die Caisse Nationale Militaire gewährt ihren Schutz auch den Angehörigen der in Deutschland stationierten Streitkräfte und ihren Familien, soweit diese zu einem Wohnsitz in Deutschland berechtigt sind (Art. 2 II Règlement). Zu den Familienangehörigen, auf die sich der Versicherungsschutz bei Krankheit erstreckt, gehören alle Kinder des Versicherten unter 17 Jahren sowie - bis zur Erreichung einer bestimmten Altersgrenze diejenigen Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden oder die aus anderen Gründen nicht in der Lage sind, ein Arbeitsverhältnis einzugehen (Art. 235 C. Séc. Soc. und Art. 11 Nr. 2 Règlement). Hat der Sozialversicherungsträger bei einem Unfall des Versicherten, der von einem Dritten verursacht wurde, Schutz gewährt, so gehen in Höhe der von ihm erbrachten Leistungen die Schadenersatzansprüche des Versicherten gegen den Dritten auf den Versicherungsträger über (Art. 397 I C. Séc. Soc.). Im übrigen behält der Versicherte seine Ansprüche gegen den Schädiger (Art. 398). Art.

397:

Lorsque . . . l'accident ou la blessure dont l'assuré est victime est imputable à un tiers, les caisses de sécurité sociale sont subrogées de plein droit .ï l'intéressé ou à ses ayants droit dans leur action contre le tiers responsable, pour le remboursement des dépenses que leur occasionne l'accident ou la blessure.

Wenn für den Unfall, den der Versicherte erlitten hat, oder für seine Verletzung ein Dritter verantwortlich ist, treten die Kassen der Sozialversicherung ipso iure in den Anspruch des Berechtigten oder seiner Rechtsnachfolger gegen den ersatzpflichtigen Dritten ein, was die Erstattung der ihnen durch den Unfall oder die Verletzung erwachsenen Auslagen angeht.

Art. 398:

Dans les cas visés à l'article 397, l'assuré ou ses ayants droit conservent contre le tiers responsable tous droits de recours en réparation du préjudice causé, sauf en ce qui concerne les dépenses de la caisse de sécurité sociale.

2. Anwendbarkeit

In den Fällen des Art. 397 behalten der Versicherte oder seine Rechtsnachfolger gegen den ersatzpflichtigen Dritten alle Rechte auf Wiedergutmachung des verursachten Schadens außer in Höhe der der Sozialversicherungskasse erwachsenen Auslagen.

der Regeln über die cessio

iegis

Die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen des französischen Rechts durch ein deutsches Gericht scheitert nicht daran, daß auch in Frankreich 17 Règlement du service des prestations de la Caisse Nationale Militaire de la Sécurité Sociale (J.O. 23. 8. 1956, S. 8079 - im folgenden kurz: Règlement).

Gesetzlicher

Forderungsübergang

/

Frankreich

71

die Beziehungen zwischen Sozialversicherungsträger und Versichertem weitgehend öffentlichrechtlich geordnet sind. Denn die zugunsten des Versicherungsträgers angeordnete Legalzession ist ein privatrechtliches Institut, hat eine gewöhnliche zivilrechtliche Forderung zum Gegenstand und hat ausschließlich zivilrechtliche Wirkungen. Die angeführten Vorschriften der Artt. 397 und 398 enthalten also reines Zivilrecht18. Der sog. Grundsatz der Territorialität, wonach die Wirksamkeit des öffentlichen Rechts auf das Staatsgebiet beschränkt ist, spielt hier also keine Rolle19. Einer Anwendung der die Surrogation des Versicherungsträgers anordnenden Bestimmungen des französischen Rechts stehen im Streitfall auch keine dem Schutz des Schuldners dienenden Vorschriften des deutschen Rechts als des Forderungsstatutes entgegen. Insbesondere kommt die Vorschrift des § 410 BGB, die den Schuldner vor doppelter Inanspruchnahme schützen will, nicht zur Anwendung, da es hier gerade der bisherige Gläubiger ist, der Leistung an den neuen begehrt. Im Ergebnis liegt also eine Legalzession vor. 3. Wirkungen

der cessio

legis

Der vom französischen Gesetzgeber zugunsten der Sozialversicherungskassen angeordnete Eintritt in die Forderung ist eine gewöhnliche Surrogation, wie sie der Code civil (Artt. 1249 ff.) in einer Reihe von Fällen vorsieht, in denen ein Dritter den Gläubiger eines Schuldners befriedigt hat 20 . Die Surrogation bewirkt einen Ubergang der Forderung vom Gläubiger auf den Dritten (effet translativ) 21 . Der Dritte tritt an die Stelle des bisherigen Gläubigers 22 . Es ist deshalb grundsätzlich der neue Gläubiger allein befugt, die auf ihn übergegangene Forderung geltend zu machen28. Dies allein entspricht dem Sinn und Zweck eines Forderungsüberganges. Jedoch hat die Cour d'Appel von Paris für den Fall des gesetzlichen Uberganges einer Schadenersatzforderung auf den Sachversicherer entschieden, der vom Geschädigten verklagte Schädiger könne sich zu seiner Verteidigung nicht auf den Forderungsübergang berufen 24 . Das Gericht hat diese Entscheidung damit begründet, daß der Geschädigte nicht Partei des 18

Esmein, D. 1959, J. 517, 518 (Urteilsanmerkung). Esmein aaO; im Ergebnis ebenso Beemelmans, RabelsZ 29 (1965) 524 mit Nachweisen. 20 Vgl. Dahan, Sécurité Sociale et responsabilité (1963) no. 116. 21 Planiol-Ripert no. 1235; Ponsard in: Encyclopédie Dalloz, Répertoire de Droit Civil (1955) no. 162; Jaubert in: Juris-Classeur Civil, Artt. 1249-1252, fasc. VI, nos. 1 ff. 22 Planiol-Ripert und Jaubert aaO. 23 So: Trib. comm. Lyon 24. 3. 1948, Rev. gén. ass. terr. 1949, 368. 24 Paris 3. 5. 1949, J. C. P. 1950.11.5577. 19

Schuldrecht

72

Versicherungsvertrages sei, der diesem Übergang zugrunde liege. Ein zweites Argument hat es aus einer gewagten Wortinterpretation der Vorschrift geschöpft, die den gesetzlichen Forderungsübergang anordnete (Art. 36 I des Gesetzes vom 31. 7. 1930). Diese Entscheidung setzt sich in Widerspruch nicht nur zur allgemeinen Auffassung von den Wirkungen der Surrogation, sondern auch zu dem sie anordnenden Gesetz selbst. Sie ist deshalb scharf kritisiert worden 2 5 und im übrigen vereinzelt geblieben. Es ist ihr deshalb für den gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger nicht zu folgen. Andererseits ist der neue Gläubiger nicht auch verpflichtet, den auf ihn übergegangenen Anspruch selbst geltend zu machen. Er kann vielmehr den bisherigen Gläubiger beauftragen, die übergegangene Forderung für ihn einzuziehen 2 6 . Jedoch nur im Besitze einer entsprechenden ordnungsgemäßen Ermächtigung (mandat) kann der alte Gläubiger vom Schuldner Zahlung der Schuld verlangen 2 7 . Ein Versicherter kann also allenfalls dann den auf die Kasse übergegangenen Teil seiner Schadenersatzforderung gegen den Schädiger geltend machen, w e n n ihn die Kasse hierzu ermächtigt hat. Nirgends findet sich allerdings ein Hinweis darauf, daß die Kassen der französischen Sozialversicherung, anstatt selbst die auf sie übergegangenen Rechte durchzusetzen, derartige Ermächtigungen zu erteilen pflegen. Sollte im vorliegenden Fall eine solche Ermächtigung jedoch vorliegen, so bleibt nach deutschem Prozeßrecht - als der lex fori - zu entscheiden, ob eine dadurch begründete Prozeßstandschaft für ein deutsches Verfahren zulässig ist 28 . Zusammenfassung Die Ansprüche der Kl. auf Schadenersatz sind in der Höhe, in der die Caisse Nationale Militaire Leistungen erbracht hat, auf diese übergegangen. Die Kl. k a n n sie somit nicht als eigene Ansprüche geltend machen. Die Frage aber, ob eine etwaige ausdrückliche Ermächtigung, sie als fremde Ansprüche im eigenen Namen einzuklagen, im deutschen Verfahren geltend gemacht werden kann, ist vom deutschen Prozeßrecht zu beantworten.

55

Besson in einer Anmerkung zu dem Urteil aaO. Cass. civ. 19.3.1902, D. 1902.1.482; Caen 7.5.1895, D.P. 1897.2.201; Montpellier 3. 1. 1939, D. H. 1939, 254. Vgl. aber auch Besson aaO, der die Zulässigkeit einer Prozeßstandschaft bezweifelt. 27 Planiol, D. P. 1897.2.201 (Urteilsanmerkung); Ponsard no. 177; Jaubeit no. 10. M Vgl. dazu Stein-Jonas(-Pohle), ZPO (19. Aufl. 1964), vor § 50 Anm. II 1, 7. 28

II. Handels- und Gesellschaftsrecht

1. HANDELSVERTRETER

Nr. 8 Deutschland (IPR) 1. Aus § 92 c I HGB kann nicht entnommen werden, daB sich die zwingenden Vorschriften des deutschen Handelsvertreterrechts bei inländischen Handelsvertretern automatisch ohne Rücksicht auf das Schuldstatut durchsetzen. Vielmehr kommen die deutschen Vorschriften über Provision und Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nur in Betracht, wenn der Handelsvertretervertrag deutschem Recht untersteht. 2. Bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens handelt es sich um eine objektive Bestimmung des anzuwendenden Rechts unter dem Deckmantel einer subjektiv formulierten Generalklausel. Dabei ist der Frage besonderes Gewicht beizumessen, wo sich der Schwerpunkt des Vertrages selbst befindet und welcher Vertragspartner die für ein Schuldverhältnis dieser Art charakteristische Leistung erbringt. 3. Der Schwerpunkt des Handelsvertretervertrages liegt in der Regel dort, wo der Handelsvertreter seinen Geschäftssitz hat. 4. Die Frage, ob deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden ist, darf wegen der Irrevisibilität ausländischen Rechts auch dann nicht offengelassen werden, wenn das sachliche Ergebnis das gleiche ist. München G 1191 - 62 vom 29. 3.1966

I. Sachverhalt Die Klägerin ist eine französische Aktiengesellschaft mit Sitz in Marseille, der Beklagte Kaufmann mit Niederlassung in Bechhofen-Gastenfelden. Seit 1960 standen die Parteien in "Verbindung. Im Jahre 1961 kam es zum Austausch von Briefen, in denen die Bedingungen ihrer künftigen Zusammenarbeit näher festgelegt wurden. Gegen eine feste Provision übernahm der Beklagte den Vertrieb von Schuhen für die Klägerin in Deutschland.

74

Handels- und

Gesellsdialtsrecht

Die gesamte Korrespondenz wurde von den Parteien in englischer Sprache geführt. Erst im September 1963 gingen die Beteiligten zur Verwendung der deutschen Sprache über. über die Regelung der kollisionsrechtlichen Lage ist in dem gesamten Briefwechsel weder vor noch nach Aufnahme der Zusammenarbeit etwas enthalten. Auch eine Bezugnahme auf einzelne deutsche oder französische sachrechtliche Vorschriften, aus der eine konkludente Rechtswahl entnommen werden könnte, fehlt. Auch sonst sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß sich die Parteien Gedanken über das anwendbare Recht gemacht hätten. Vielmehr beschränkten sich die Parteien auf eine Regelung ihrer sachlichen Beziehungen. II. Das auf einen Provisions- und Ausgleichsanspruch anwendbare Recht I. Maßgeblichkeit

deutschen

Rechts nach dem

des

Beklagten

Territorialitätsprinzip

§ 92 c IHGB bestimmt: „Hat der Handelsvertreter keine Niederlassung im Inland, so kann hinsichtlich aller Vorschriften dieses Abschnittes etwas anderes vereinbart werden."

Ausgehend von dieser Vorschrift wurde in der neueren deutschen Literatur die Frage aufgeworfen, ob sich danach der Umkehrschluß ergebe, daß für Handelsvertreter im Inland die zwingenden Vorschriften des deutschen Handelsvertreterrechts auch dann maßgeblich seien, wenn Vertragsstatut ein ausländisches Recht sei 1 . Bejaht wurde diese Frage von Reithmann2. Reithmann führt aus: „Auf Handelsvertreter, die ihre Niederlassung im Inland haben, müssen die zwingenden Vorschriften des deutschen Handelsvertreterrechts stets Anwendung finden, und zwar ohne Rücksicht auf das Schuldstatut. Es geht nicht an, daß sich die Vertragsparteien diesen zwingenden Vorschriften durch Vereinbarung eines fremden Rechts entziehen. Es handelt sich hier um sozialpolitische Vorschriften, bei denen nicht auf das Schuldstatut, sondern auf objektive Anknüpfungspunkte abzustellen ist."

Reithmann trennt demnach die Vorschriften des HGB über den Handelsvertreter in zwingende und nicht zwingende. Nur für die letzteren läßt er die internationalprivatrechtliche Ermittlung des Schuldstatuts zu, während er für die anderen zur Maßgeblichkeit des Territorialitätsgrundsatzes gelangt. Als zwingende Vorschriften betrachtet er die Vorschriften über Pro1 2

Vgl. Maier, N J W 1958, 1327. Internationales Vertragsrecht (Köln 1963) 208.

Handelsvertreter

/

Deutschland

75

Vision, Abrechnung, Kündigung, Ausgleichsanspruch und Wettbewerbsabrede. Als maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen zwingenden und nicht zwingenden Regeln will Reithmann es ansehen, ob die betreffenden Vorschriften „sozialpolitischen" Charakter haben. Letztlich steht hinter den Ausführungen Reithmanns der Gedanke, daß solche sozialpolitischen Vorschriften - ähnlich wie das öffentliche Recht territorialen Charakter haben, selbst wenn sie dem privaten Recht angehören. Das Kriterium „sozialpolitisch" ist aber unscharf und daher unbrauchbar. Letztlich können nahezu sämtliche Vorschriften des Handelsvertreterrechts als „sozialpolitisch" aufgefaßt werden. Daß die Auffassung Reithmanns nicht haltbar ist, zeigt sich noch in einer weiteren Erwägung. Wollte man die Rechtfertigung einer Sonderanknüpfung für „sozialpolitische" Vorschriften mit dem Hinweis auf den zwingenden Charakter solcher Rechtsnormen begründen, so würde Art. 30 EGBGB, der ein Zurücktreten ausländischen Rechts nur im Ausnahmefall vorsieht, überflüssig. Damit zerstört aber Reithmann im Grunde das gesamte Gefüge des internationalen Schuldrechts. Infolgedessen ist die gesamte in Deutschland bisher vertretene Lehre der Auffassung, daß § 92 c I HGB nicht entnommen werden kann, daß sich die zwingenden Vorschriften des deutschen Handelsvertreterrechts bei inländischen Handelsvertretern automatisch ohne Rücksicht auf das Schuldstatut durchsetzen. Damit kommen die deutschen Vorschriften über Provision und Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nur in Betracht, wenn deutsches Recht den Vertretervertrag beherrscht. Die Rolle des § 92 c I HGB besteht nur darin, daß er bei einem nach den Regeln des internationalen Schuldrechts dem deutschen Recht unterliegenden Auslandsvertretervertrag die an sich zwingenden Vorschriften des HGB für abdingbar erklärt 3 . Daß die Rechtsprechung die Auffassung der herrschenden Literatur teilt, kann aus den Stellungnahmen zur Ermittlung des Vertragsstatuts entnommen werden, das nachfolgend unter Ziffer 2 ermittelt werden soll. 2. Das auf die Vereinbarung zwischen den anwendbare Recht

Prozeßparteien

Für die weiteren Erörterungen kann davon ausgegangen werden, daß die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent eine Rechtswahl getroffen haben. 3 Vgl. in diesem Sinne Dietz-Nipperdey, Entwurf eines Handelsvertretergesetzes (Berlin 1940) 176 f.-, Knapp, Handelsvertretergesetz (1953), Anm. 1 zu § 92 c HGB; Tosten-Lohmüller, Handels- und Versicherungsvertreterrecht (1964), Anm. 4 zu § 92 c HGB; Herschel-Beine, Handbuch des Rechts des Handelsvertreters (1954) 212; Maier / Meier-Marsilius, Der Handelsvertreter in der EWG (1961) 98 f.; Baumbach-Duden, HGB (17. Aufl. 1966), Anm. 1 zu § 92 c HGB; RGR-Kommentar zum HGB (2. Aufl. 1953), Anm. 2 zu § 92 c HGB.

76

Handels-

und

Gesellschaitsrecht

aa) Die Entwicklung der objektiven Anknüpfung in Rechtsprechung und Lehre Hatten die Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht getroffen, so entschied nach der älteren Rechtsprechung des Reichsgerichts der Erfüllungsort. Da dies bei zweiseitigen Verträgen in aller Regel zu einer Spaltung des Vertrages und zur Anwendung von zwei Rechten auf ein und denselben Vertrag führte, ergaben sich daraus sehr starke Unzuträglichkeiten. Um diese zu vermeiden, bediente sich das Reichsgericht seit 1908 bei der Anknüpfung des Begriffs des sog. „hypothetischen Parteiwillens". Da ein realer Wille nicht festzustellen war, fragte es danach, welchen Willen die Parteien gehabt haben würden, wenn sie das Problem der Rechtswahl gesehen hätten, d. h. welches Recht sie vernünftigerweise als maßgebend gewollt haben würden, wenn sie sich darüber Gedanken gemacht hätten 4 . bb) Der „hypothetische Parteiwille" ist eine objektive Anknüpfung Der Begriff des „hypothetischen Parteiwillens" wurde jedoch von der Wissenschaft als unbrauchbar erkannt. Schon Frankenstein5 und Lewald6 sprachen dies sehr deutlich aus, und heute ist man sich allgemein darüber im klaren, daß es sich bei der Ermittlung des „hypothetischen Parteiwillens" um eine „objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts unter dem Deckmantel einer subjektiv formulierten Generalklausel" 7 handelt. So lehnt auch der BGH, obwohl er noch immer vom hypothetischen Parteiwillen spricht, in dem Urteil vom 30.9.1952 8 die Ermittlung hypothetischer subjektiver Vorstellungen der Parteien ab und nimmt statt dessen offen eine „vernünftige Interessenabwägung auf rein objektiver Grundlage" vor. Er mißt dabei der Frage besonderes Gewicht bei, „wo sich der Schwerpunkt des Vertrages selbst befindet" 9 . Der BGH hat sich mit diesen Urteilen der sog. „Schwerpunktlehre" angeschlossen, die nicht nur überwiegend von der deutschen, sondern auch von der ausländischen Lehre und einigen ausländischen Obergerichten vertreten wird 10 . cc) Die Lehre von der charakteristischen Leistung Die Vertreter der objektiven Anknüpfung versuchten zunächst, für jeden einzelnen Vertrag eine besondere Anknüpfung zu finden, indem sie durch gerechtes Abwägen aller objektiven Umstände den auf eine be4 Zur Dogmengeschichte vgl. etwa Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 226, 232; weiter Martin Wölfl, IPR (3. Aufl. 1954) 145 und insbes. 146. 6 IPR (1929) II 129 ff. 8 IPR (1931) 212. 7 Kegel in Soergel-Siebert, BGB, 9. Aufl., V (1961) vor Art. 7 EGBGB Anm. 190. 8 JZ 1952, 720 ff. (722) = N J W 1952, 540. 9 BGHZ 19, 112. 10 Vgl. neuestens Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 230; ferner Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 476; ferner die bei Raape 455 nachgewiesene weitere Literatur; auch Henrich, J Z 1961, 262 (Anm. zu BGH, JZ 1961, 261).

Handelsvertreter

/

Deutschland

77

stimmte Rechtsordnung hindeutenden Schwerpunkt dieses besonderen Vertrages ermittelten. Um sich aber nicht in unübersichtlicher Kasuistik zu verlieren, begannen die Vertreter dieser Lehre, einzelne feste Regeln für typische Fallgruppen aufzustellen. In ihren Ergebnissen trafen sie sich dabei mit den Vertretern der Lehre von der Maßgeblichkeit der „charakteristischen Leistung" für die Ermittlung des anzuwendenden Rechts. Diese in Deutschland von Kegel vertretene Lehre wendet auf ein Schuldverhältnis das Umweltrecht desjenigen Partners an, der die für ein Schuldverhältnis dieser typischen Art charakteristische Leistung erbringt. Die Entwicklung dieser Lehre in Deutschland ist sehr stark durch im Ausland hervorgebrachte Gedanken beeinflußt worden, so insbesondere von Batiflol in seinem bahnbrechenden Werk „Les conflits des lois en matière des contrats" u . Es entspricht dies auch der gelegentlich - allerdings nicht stets - eingenommenen Stellung der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung. So heißt es etwa in dem Urteil des BGH vom 22. 11.1955 1 2 : „Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bedeutet vielmehr das Suchen nach dem Anknüpfungspunkt, der sich aus der Eigenart des zu entscheidenden Sachverhalts und aus der Interessenlage, in die gegebenenfalls auch das allgemeine Interesse einzubeziehen ist, unter Berücksichtigung rein objektiver Gesichtspunkte ergibt. Dabei kommt der Frage besonderes Gewicht zu, wo sich der Schwerpunkt des Vertrages selbst befindet."

dd) Anwendung auf den Handelsvertretervertrag Mit der Ermittlung des Vertragsstatutes beim Handelsvertretervertrag hat sich die deutsche Rechtsprechung und Literatur häufig befaßt. Dabei ist in der Rechtslehre einhellige Auffassung, daß der Schwerpunkt des Vertrages dort liege, wo der Handelsvertreter seinen Geschäftssitz hat 1 3 . Aus der Rechtsprechung sind insbesondere zwei neuere Entscheidungen des BGH zu erwähnen, die die bisherige Rechtsprechung der unteren Gerichte bestätigten. In der Entscheidung vom 15. 3.1962 1 4 heißt es: „Es i s t . . . naheliegend, daß bei einem Handelsvertreterverhältnis der objektive Schwerpunkt des Vertrages dort liegt, wo der Handelsvertreter seinen Beruf ständig ausübt."

In der Entscheidung vom 19.11.1962 1 5 heißt es zugunsten eines deutschen Reisebüros mit Sitz in Berlin, das für eine englische Gesellschaft Verträge über Charterflüge vermittelte: „Ihm [dem Kläger] war nach seiner Darstellung eine Provision versprochen worden für die Vermittlung von Verträgen über Charterflüge, die im Rahmen 11 Paris 1938, vgl. deutschsprachig erstmals Schnitzer, IPR (4. Aufl. Basel 1958) II 637. 12 BGHZ19, 110 ff. (hier 112). 1 3 Vgl. Reithmann, Internationales Vertragsrecht, 206; Ferid, A WD 1964, 199 f.; Beitzke, Revue Hellénique de Droit International 1957, 286 statt vieler. 14 DAWRd. 1962, 149 (150). 15 A WD 1963, 58.

Handels- und Gesellschaitsrecht

78

des Berliner Betriebes der Beklagten ab Berlin erfolgen sollten. Die Tätigkeit, für die dem Kläger angeblich Provision gebührt, war also in der Hauptsache in Deutschland auszuführen... Das behauptete Rechtsverhältnis ... hatte danach im deutschen Rechtsgebiet seinen Schwerpunkt."

Mit diesen Fällen stimmt das zwischen den Parteien dieses Rechtsstreites vereinbarte Vertragsverhältnis in dem wesentlichen Punkte überein, daß der Beklagte die Vermittlungen von seinem Geschäftssitz in Deutschland vorzunehmen hatte. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, die von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Regeln anzuwenden. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß irgendwelche Anhaltspunkte nicht vorliegen, die auf einen anderen Schwerpunkt des Vertrages hinweisen könnten, wie etwa gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien, Vereinbarung eines französischen Gerichtsstandes oder Niederlassungen des Handelsvertreters in mehreren Staaten. Damit ist auf die Vereinbarungen zwischen den Prozeßparteien, soweit sie die Tätigkeit des Beklagten als Handelsvertreter betreffen, deutsches Recht anzuwenden. Zur Abrundung kann noch mitgeteilt werden, daß auch das französische IPR das Verhältnis zwischen den Parteien nach deutschem Recht beurteilen würde. Das französische Recht unterscheidet drei Arten von Handelsvertretern. Die selbständigen Vertreter (agents commerciaux) betrachtet die französische Rechtsordnung als einen Sonderfall der Auftragnehmer (mandataires) i e . Diese Einordnung des selbständigen Handelsvertreters führt automatisch auch zur Anwendung der internationalprivatrechtlichen Regeln für das Mandat. Dieses beurteilt sich nach einhelliger Auffassung bei Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Parteivereinbarung nach dem Recht, wo die Tätigkeit des mandataire vorzunehmen ist 17 . Ist der mandataire selbst Kaufmann mit eigenem Geschäftssitz, so führt das zur Anwendung des Rechtes, das am Ort seiner Geschäftsausübung gilt 1 8 .

III. Das danach anwendbare

Sachrecht

Nachdem sich eindeutig die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Handelsvertretervertrag ergeben hat, entfällt eine Stellungnahme zum französischen Sachrecht. Aus der Art der gerichtlichen Anfrage glaubt das Institut aber entnehmen zu können, daß das Gericht die international16

Vgl. Maier / Meyer-Marsilius 109. Vgl. statt vieler Batittoi, Droit International Privé (3. Aufl. 1959) Nr. 609; Dalloz, Nouveau Répertoire (8. Aufl.), Mandat Nr. 117. 19 Vgl. für ein Mandat, das einem avocat erteilt wurde, Trib. grande inst. Strasbourg 29. 6. 1960, JCP 1961.11.11909. 17

Handelsvertreter

/ Dänemark

79

privatrechtliche Frage offenlassen wollte, falls das deutsche und das französische Recht hinsichtlich des Provisions- und Ausgleichsanspruches gleichlaufen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bedarf es einer Stellungnahme zum französischen Sachrecht nicht. Wendet das Gericht eine französische Vorschrift an, so ist die Richtigkeit der Anwendung nicht revisibel, auch wenn sich die Vorschrift inhaltlich mit einer deutschen Rechtsnorm deckt. Aus diesem Grunde kann die internationalprivatrechtliche Frage auch bei sachlichem Gleichklang der in Betracht kommenden deutschen und ausländischen Rechtsordnung nicht offengelassen, sondern muß vielmehr eindeutig entschieden werden 1 9 . Damit entfällt ein Bedürfnis, die sachlichen französischen Vorschriften mit den deutschen zu vergleichen.

Nr. 9 Dänemark 1. Zur internationalen Zuständigkeit deutscher und dänisdier Gerichte für Ansprüche aus einem Handelsvertreterverhältnis zwischen einem deutschen Unternehmen und einem dänischen Handelsvertreter. 2. Bei der Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen handelt es sich im Grunde um die Ermittlung der sachlich besten Anknüpfung für den individuellen Fall auf objektiver Grundlage. 3. Auf Verträge mit Auslandsvertretern ist bei Fehlen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Rechtswahl in der Regel das Recht am Sitz des Unternehmers anzuwenden. 4. Zum Statut des Handelsvertretervertrages nach dem Internationalen Privatrecht Dänemarks. 5. Nach dänischem Recht steht einem Handelsvertreter ein Ausgleidxsanspruch im Sinne des deutsdien § 89 b HGB nicht zu. Kiel 13/65 vom 22. 6.1965

Mit Schreiben vom 21. Mai 1965 hat Rechtsanwalt und Notar Dr. B. das Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel um die Beantwortung einer Reihe von Fragen bezüglich der Anwendbarkeit deutschen oder dänischen Rechts auf einen Handelsvertretervertrag zwischen einer deutschen Firma und einem dänischen Vertreter gebeten. Es ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: 19 Vgl. hierzu Soergel-Kegel, BGB, Randz. 84-86 vor Art. 7 EGBGB mit weiteren Nachweisen besonders in Fußnote 7.

80

Handels-

und

Gesellschaitsrecht

Zwischen einer deutschen Firma mit Sitz im Kreis C. und einem Vertreter in Dänemark, der dänischer Staatsangehöriger ist und seine Hauptniederlassung in R./Dänemark hat, ist ein mündlicher Vertretervertrag geschlossen worden. Die Vertragsverhandlungen sind in der Bundesrepublik Deutschland in deutscher Sprache geführt worden. Der Vertrag zwischen der deutschen Firma und dem dänischen Vertreter enthielt keine näheren Abmachungen bezüglich der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses. Es wurde nur stillschweigend vereinbart, daß der dänische Vertreter die Vertretung für Skandinavien erhält; ferner einigte man sich auf eine Provision bestimmter Höhe. Die Auszahlung der Provision ist durch Ubersendung eines Schecks erfolgt, der auf einen DMBetrag lautete. Zwischen den Vertragsparteien ist es nunmehr zu Unstimmigkeiten gekommen.

Rechtsanwalt und Notar Dr. B. bittet um Auskunft über folgende Fragen: 1. Welches Recht ist anwendbar, das deutsche Recht oder das dänische? 2. Welcher Gerichtsstand gilt? 3. Ist im dänischen Recht ein Ausgleichsanspruch vorgesehen? 4. Wie ist die gesetzliche Kündigungsfrist nach dänischem Recht?

GUTACHTEN Die Entscheidung darüber, welches Recht auf einen Fall, der mit mehreren nationalen Rechtsordnungen Berührung hat, anzuwenden ist, muß von dem jeweils mit der Sache befaßten Gericht nach dem in seinem Bereich geltenden Rechtsanwendungsrecht (Kollisionsrecht) getroffen werden. Es ist deshalb zunächst die Frage zu prüfen, welche nationalen Gerichte - die deutschen oder die dänischen (oder beide) - für einen evtl. Rechtsstreit zwischen den Parteien zuständig wären (I). Sodann ist die kollisionsrechtliche Frage zu untersuchen, welches Recht durch das zuständige Gericht anzuwenden ist (II). Schließlich ist - soweit die Anwendung dänischen Rechts erforderlich wird - auf die materielle Rechtslage nach dänischem Recht einzugehen (III). I Soweit in einem Fall, wie dem vorliegenden, Parteivereinbarungen über einen Gerichtsstand nicht getroffen worden sind, ist die internationale Zuständigkeit eines Gerichts aus den nationalen Zuständigkeitsvorschriften zu entnehmen, denen das anzurufende Gericht unterliegt. 1. Geht man in diesem Fall davon aus, daß der dänische Vertreter gegen die deutsche Firma gerichtlich in Deutschland vorgehen will, so ergibt sich die Zuständigkeit des deutschen Gerichts aus § 17 ZPO (Gerichtsstand juristischer Personen), sofern die deutsche Firma eine juristische Person ist, oder aus § 21 ZPO (Gerichtsstand der Niederlassung). In beiden Fällen

Handelsveitielei

/ Dänemark

81

wäre die Klage in dem für den Kreis C. örtlich und - je nach der Höhe des Streitgegenstandes oder der Art des Prozesses (Handelssache) - sachlich zuständigen Gericht einzureichen. Will der dänische Vertreter dagegen vor einem heimischen Gericht in Dänemark gegen die deutsche Firma vorgehen, so ist die Zuständigkeit eines dänischen Gerichts nach dem dänischen Recht zu beurteilen. Die entsprechenden Vorschriften sind im dänischen „Retsplejelov" (Rechtspflegegesetz) 1 im 22. Kapitel unter dem Titel „Vaerneting" (Gerichtsstand), §§ 235 ff., enthalten, ü b e r die Zuständigkeit dänischer Gerichte für Klagen gegen Ausländer bestimmt § 248 folgendes: „Stk. 1. Udlaendinge kan sagsoges her i riget, for sä vidt nogen ret if0lge de foranstaende regier kan anses som vaerneting i sagen.

Abs. 1. Ausländer können hier im Reiche verklagt werden, soweit ein Gericht gemäß den vorstehenden Vorschriften als Gerichtsstand für die Sache angesehen werden kann.

Stk. 2. Gives der ingen ret i riget, ved hvilken sagen imod udlaendingen herefter kan anlaegges, skal det, for sä vidt ikke saerlige traktatmaessige bestemmelser er til hinder derfor, vaere tilladt i sager angäende formueretsforhold at sags0ge udlaendingen i den retskreds, hvor han ved staevningens forkyndelse opholder sig eller har gods."

Abs. 2. Gibt es kein Gericht im Reich, bei welchem Prozesse gegen Ausländer hiernach angestrengt werden können, soll es, soweit dem keine besondere vertragsmäßige Bestimmung entgegensteht, in vermögensrechtlichen Sachen zulässig sein, daß Ausländer in dem Geriditsbezirk verklagt werden, wo sie sich bei Verkündung der Ladung aufhalten oder Vermögen besitzen.

Von dem Begriffe des Vermögens im Sinne des § 248 II des Rechtspflegegesetzeswerden auch Forderungsrechte umfaßt 2 . Soweit die deutsche Firma über Forderungen in Dänemark verfügt - aus dem Sachverhalt ist dies mit Bestimmtheit nicht zu entnehmen - könnte der dänische Vertreter auch vor dem dänischen Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner dieser Forderungen wohnt, Klage gegen die deutsche Firma erheben. Erforderlich ist aber, daß die Forderung unabhängig von dem in dem Verfahren gegen den Ausländer verfolgten Anspruch besteht. Sinn dieser Regelung ist, daß sich eine Partei nicht unlauter einen ihr genehmeren inländischen Gerichtsstand - etwa durch eigene Schlechtleistung, so daß der ausländischen Partei erst ein Anspruch im Inland entsteht - begründet 3 . 1 Lov nr. 90 af 11.4. 1916 om Tettens pleje mit Änderungen, wiedergegeben in Karnov's Lovsamling mit Kommentierung (6. Ausgabe 1960), Kopenhagen 1961, 1665 ff. 2 Vgl. Karnov's Lovsamling, Bern. 78 zu § 248 II Rechtspflegegesetz; MunchPetersen, Der Zivilprozeß Dänemarks, Mannheim-Berlin-Leipzig 1932 (Bd. 4 der Reihe „Das Zivilprozeßrecht der Kulturstaaten, herausgegeben von Wach, Kisch, Mendelssohn-Bartholdy und Pagenstecher), 17/18. 3 Vgl. Munch-Petersen 18.

6 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Gesellschaltsrecht

2. Soweit andererseits die deutsche Firma gegen den dänischen Vertreter in Dänemark gerichtlich vorgehen will, so bestimmt sich die Zuständigkeit der dänischen Gerichte nacii § 235 des Reciitspflegegesetzes: „Retssager skal, hvor denne lov ikke hj emier undtagelse, anlaegges ved den ret, i hvis kreds sagsogte har bopael (hjemting)."

Prozesse sollen, wo dieses Gesetz keine Ausnahme vorsieht, bei dem Gericht angestrengt werden, in dessen Gerichtsbezirk der Beklagte seinen Wohnsitz hat (Gerichtsstand des Wohnsitzes).

Als Wohnsitz gilt nach dänischer Rechtsauffassung derjenige Ort, an dem sich die betreffende Person ständig niedergelassen hat, sie also den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat 4 . Danach käme für eine Klage der deutschen Firma gegen den dänischen Vertreter in Dänemark als Gerichtsstand das sachlich zuständige Gericht von R. in Frage. Will die deutsche Firma dagegen die Klage in Deutschland erheben, so ergibt sich der Gerichtsstand aus § 23 ZPO (Gerichtsstand des Vermögens), dessen Regelung der des § 248 des dänischen Rechtspflegegesetzes entspricht. Zur Begründung eines Gerichtsstandes nach § 23 ZPO wäre erforderlich, daß der dänische Vertreter Forderungen in Deutschland hat. Hier könnten sich zum Beispiel Provisionsforderungen des dänischen Vertreters gegen die deutsche Firma anbieten, es sei denn, die deutsche Firma bestritte gerade diese Forderungen 5 . Es zeigt sich somit, daß sowohl im Falle der Klage des dänischen Vertreters als auch im Falle der Klage der deutschen Firma Gerichtsstände in Deutschland oder Dänemark möglich wären. Im folgenden ist deshalb die Frage, welches materielle Recht auf die Vertragsbeziehungen der Parteien anzuwenden ist, vom Standpunkt des deutschen und des dänischen Kollisionsrechtes zu beurteilen. II 1. Das geschriebene deutsche Kollisionsrecht enthält keine Vorschrift darüber, welcher nationalen Rechtsordnung ein Vertragsverhältnis mit Auslandsberührung unterstehen soll, welcher Rechtsordnung also das Schuldstatut zu entnehmen ist. Nach dem im deutschen Privatrecht geltenden Grundsatz der Parteiautonomie wird deshalb von Lehre und Rechtsprechung in erster Linie für die Bestimmung des Schuldstatuts der ausdrücklich oder stillschweigend erklärte Parteiwille für maßgebend erklärt 6 . Eine ausdrückliche Parteivereinbarung über das maßgebliche 4 Vgl. Raape, Internationales Privatrecht (5. Auflage, Berlin und Frankfurt 1961) 72. 5 Vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO (18. Aufl., Tübingen 1956) Anm. II 1 zu § 23 ZPO. 8 Vgl. Kegel in Soeigel-Siebert, Kommentar zum BGB (9. Aufl.) Bd. V, Stuttgart

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Schuldstatut ist in diesem Fall nicht vorhanden. Aber auch eine stillschweigende Vereinbarung über die Anwendung deutschen oder dänischen Rechts auf das Vertreterverhältnis kann nach dem bekannten Sachverhalt nicht angenommen werden. Die Parteien haben sich mündlich nur allgemein auf die Übernahme der Vertretung der deutschen Firma in Skandinavien durch den dänischen Vertreter geeinigt. Es sind keinerlei Detailvereinbarungen über das Vertragsverhältnis - z. B. bezüglich eines gemeinsamen Gerichtsstandes - getroffen worden, aus denen eine stillschweigende Einigung auf ein bestimmtes Schuldstatut geschlossen werden könnte. Für den Fall, daß Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Vereinbarung über das Schuldstatut treffen, haben Lehre und Rechtsprechung in Deutschland den Grundsatz entwickelt, daß das Schuldstatut an den „hypothetischen" Parteiwillen anzuknüpfen ist. Das heißt, es ist dasjenige Schuldstatut anzuwenden, das die Parteien vereinbart hätten, wenn sie hierüber eine Bestimmung in den Vertrag aufgenommen hätten. Dieser „hypothetische" Parteiwille ist aus den Umständen des Vertragsschlusses, der Natur des Vertrages und unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien zu ermitteln. Es handelt sich somit im Grunde um die Ermittlung der sachlich besten Anknüpfung für den individuellen Fall auf objektiver Grundlage 7 . Objektive Kriterien für die Ermittlung des „hypothetischen" Parteiwillens sind - außer der schon erwähnten Natur des Vertrages - u. a. der Abschlußort, die Verhandlungssprache, die Staatsangehörigkeit der Parteien und Absprachen über die Währung für Zahlungen. Ergibt sich bei der Wertung dieser Kriterien ein Schwergewicht eines Vertragsverhältnisses im Bereich einer Rechtsordnung und liegt hier auch das stärkere Interesse einer Vertragspartei, so wird von der Lehre und Rechtsprechung diese Rechtsordnung als maßgeblich für das gesamte Vertragsverhältnis angesehen 8 . Aus der Natur des Vertrages haben sich über diese genannten allgemeinen Kriterien hinaus für bestimmte Vertragsarten jedoch typische Sonderregeln für die Anknüpfung des Schuldstatuts herausgebildet 9 , jedoch ist die Gültigkeit dieser Regeln im einzelnen umstritten. Dies gilt insbesondere für Handelsvertreterverträge zwischen inländischen Firmen und ausländischen Vertretern. Auf der einen Seite wird der Handelsvertreter1961, Rz. 167 und 180-184 vor Art. 7 EGBGB; deis., Internationales Privatrecht (2. Aufl., München und Berlin 1964) 227-229; Raape 455 ff. 7 Vgl. hierzu Kegel in Soergel-Siebert, Rz. 184 ff. vor Art. 7 EGBGB; ders., Internationales Privatrecht, 229-231; Raape 473 ff.; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (Tübingen 1962) 176; BGH, DB 1958, 162; RGZ 68, 203. 8 Vgl. Kegel, Internationales Privatrecht, 230; Raape 474. ' Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Rz. 191 ff. vor Art. 7 EGBGB. 6 »

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vertrag seinem Wesen nach als ein Dienstvertrag angesehen und deshalb kollisionsrechtlich wie ein Arbeitsvertrag behandelt. Daraus folgt für die Vertreter dieser Meinung, daß der Handelsvertretervertrag zwischen inländischem Unternehmer und ausländischem Vertreter im Normalfall vom Recht des Ortes beherrscht wird, an dem der Vertreter seine Arbeit tut 10 . Auf der anderen Seite wird betont, daß der Vertretervertrag nicht mit arbeitsrechtlichen Verträgen gleichgestellt werden könne 11 , sondern daß vielmehr der Handelsvertreter als selbständiger Kaufmann dem Auftraggeber gegenüberstehe und deshalb bei Agenturverträgen für die Bestimmung des Schuldstatuts das Interesse der stärkeren Partei ausschlaggebend sein müsse. Danach würde in der Regel das Recht am Sitz des Auftraggebers gelten 12 . Aus dieser Übersicht der verschiedenen Meinungen dürfte sich eine Tendenz entnehmen lassen, bei Verträgen mit Auslandsvertretern ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung über das maßgebliche Schuldstatut das Recht am Sitz des Auftraggebers anzuwenden 1 3 . Diese Auffassung wird noch von dem allgemein auch im deutschen Kollisionsrecht geltenden Grundsatz des „Heimwärtsstrebens", d. h. der Tendenz der Gerichte, das eigene nationale Recht anzuwenden, unterstützt 14 . Soweit also ein Rechtsstreit zwischen den Parteien vor einem deutschen Gericht anhängig würde, dürfte eher eine Entscheidung des Gerichts zugunsten der Anwendung deutschen Rechts auf den Vertrag zu erwarten 10 So Würdinger in RGRK z. HGB Bd. I (2. Aufl., Berlin 1953), Vorbem. 4 zu § 84 HGB a. F.; Schröder, Handelsvertreterverträge mit Vertretern im Ausland (Bundesrepublik Deutschland), RiW 1957, 175-179; Baumbach-Duden, HGB, (16. Aufl., München und Berlin 1964) Anm. 1 zu § 92 c HGB, der allerdings nicht auf den Dienstvertragscharakter des Vertretervertrages abstellt, sondern darauf, daß der Erfüllungsort für den Vertreter im Ausland liegt; Neilin, Das Recht des Auslandsvertreters (Stuttgart 1961) 7 unter Berufung auf Würdinger aaO; in der Rechtsprechung folgen dieser Auffassung einige ältere Entscheidungen, so z. B. OLG Hamburg, OLG Rspr. 21, 385. 11 So Beitzke, Das anwendbare Recht beim Handelsvertretervertrag, DB 1961, 528-531. 12 So Kegel in Soergel-Siebert, Rz. 195 vor Art. 7 EGBGB; ders., Internationales Privatrecht, 230; Beitzke, aaO, 530 unter Berufung auf die überwiegende Rechtsprechung; Gamillscheg, Anm. zum Urteil des LG Wuppertal, JZ 1958, 748; mit Vorbehalt Neuhaus 124, der das Recht am Sitz des Auftraggebers „nicht ohne weiteres" auf den Vertrag angewendet sehen will; a. A. Neilin 7; Schröder 176 f.; für das Recht am Sitz des Auftraggebers haben sich entschieden BGH, IPRspr. 1956/57 Nr. 23 a; LAG Frankfurt, IPRspr. 1950/51 Nr. 20; LG Wuppertal, JZ 1958, 746 f.; RGZ 138, 258 und 129, 58; a. A. OLG Frankfurt, AWD 1960, 215, allerdings für den umgekehrten Fall eines Inlandsvertreters einer ausländischen Firma. Anm. d. Herausgeber: Siehe aber auch das vorstehend abgedruckte Gutachten unter II 2 dd. 13 So Beitzke 530 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. 14 Vgl. hierzu Kegel, Internationales Privatrecht, 40; Neuhaus 45.

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sein als eine Entscheidung zugunsten des dänischen Rechts. Mit Sicherheit läßt sich jedoch eine derartige Voraussage angesichts des herrschenden Meinungsstreites nicht machen. 2. Das dänische Kollisionsrecht ist nur zu einem geringen Teil und in verschiedenen Gesetzen kodifiziert. Die Mehrzahl der kollisionsrechtlichen Regeln sind von der Lehre und Rechtsprechung entweder analog den wenigen geschriebenen Vorschriften oder aus den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Privatrechts entwickelt worden 1 5 . Danach gilt im dänischen Kollisionsrecht der Grundsatz, daß in erster Linie die Vertragsparteien über das anzuwendende Recht bestimmen, da sie am besten das ihren Interessen entsprechende Recht festlegen können. Allerdings ist für die Anerkennung einer Parteivereinbarung über das anzuwendende Recht auch ein objektives Anknüpfungselement zu der gewählten Rechtsordnung - etwa Staatsangehörigkeit der Parteien - erforderlich 18 . Wenn - wie im vorliegenden Fall - keine Parteivereinbarung über das maßgebliche Schuldstatut getroffen worden ist, muß aus den objektiven Umständen des Vertrages festgestellt werden, wo das Schwergewicht des Vertragsverhältnisses liegt und dementsprechend das maßgebende Recht bestimmt werden 1 7 . Solche Umstände sind neben der Staatsangehörigkeit der Parteien der Wohnsitz oder Niederlassungsort der Parteien, der Abschlußort des Vertrages, der vereinbarte Erfüllungsort, der Aufbewahrungsort bei Waren, die Gegenstand des Vertrages sind, oder Absprachen über die für die Bezahlung zu wählende Währung 1 8 . Für Vertreterverträge mit Auslandsberührung gilt derselbe Grundsatz, d. h. anders als z. B. im Arbeitsrecht hat sich für diesen Vertragstyp keine Sonderregel - wie sie etwa von einem Teil der deutschen Autoren für Handelsvertreterverträge angenommen wird - herausgebildet. Für die Entscheidung, welchem nationalen Recht der Vertretervertrag unterliegen soll, ist deshalb maßgebend, wo der Vertrag abgeschlossen wurde, in welcher Sprache die Vertragsverhandlungen geführt wurden und wo das Tätigkeitsfeld des Vertreters liegt 19 . Im vorliegenden Fall würden der Vertragsschluß in Deutschland am Sitz der deutschen Auftraggeberin, die 15 Vgl. Federspiel, Den Internationale Privatret i Danmark, Almindelig Del (Kopenhagen 1909) 142; Borum, Lovkonflikter (Kopenhagen 1957) 28 ff.; Bloch, Literatur und Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts in Dänemark, Schweden und Norwegen 1911-1928, RabelsZ 2 (1928) 863; Marcus, Die dänische Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts 1945-1954, RabelsZ 20 (1955) 507 f. 16 Vgl. Borum 139 f.; Philip, American-Danish Private International Law (New York 1957) 36. 18 " Vgl. Borum 147 f.; Philip 36. Vgl. Borum 148. 19 Vgl. Borum 149 f.; ferner Urteil des See- und Handelsgerichts in Kopenhagen v. 11.7.1958, Ugeskrift for Retsvaesen 1959, 202, wiedergegeben bei Marcus, Dänische Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts 1955 bis 1960, RabelsZ 26 (1961) 257.

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deutsche Verhandlungssprache und die Bezahlung in Deutscher M a r k für die Anwendbarkeit deutschen Rechts sprechen. Andererseits w a r Tätigkeitsgebiet des dänischen V e r t r e t e r s Dänemark sowie die übrigen skandinavischen Länder. Dieser letzte Umstand würde zugunsten der Anwendbarkeit dänischen Rechts sprechen. Es zeigt sich, daß auch für das dänische Kollisionsrecht die Entscheidung des dänischen Gerichts aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage ebenfalls nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. Da somit das materielle Handelsvertreterrecht Deutschlands oder Dänemarks Anwendung finden könnte, sollen im folgenden die hier bedeutsamen materiellen Rechtsvorschriften Dänemarks auf dem Gebiet des Handelsvertreterrechtes unter Berücksichtigung des deutschen Rechts dargestellt werden, um einen Vergleich der materiellen Rechtslage nach beiden Rechtsordnungen zu ermöglichen. III Das dänische Handelsvertreterrecht ist in dem sog. „Kommissionslov" 2 0 im III. Abschnitt „om handelsagentur" (§§ 65 ff.) geregelt. Dieses Gesetz gilt nach § 1 nur subsidiär gegenüber Parteivereinbarungen. Zu den in diesem Fall aufgeworfenen Fragen der Beendigung des V e r treterverhältnisses durch Kündigung (Kündigungsfrist) und des Ausgleichsanspruchs eines V e r t r e t e r s bei Beendigung des V e r t r a g e s sieht das Gesetz folgendes vor: Auf die Beendigung des Vertreterverhältnisses finden nach § 76 des Kommissionslov die Vorschriften über das Kommissionsverhältnis entsprechende Anwendung. „Angäende agenturforholdets ophor finder bestemmelserne i §§ 46-52 tilsvarende anvendelse."

Bezüglich der Beendigung des Vertreterverhältnisses finden die Bestimmungen in den §§ 46-52 entsprechende Anwendung.

Die §§ 4 6 - 5 2 betreffen die Beendigung des Kommissionsverhältnisses („Om kommissionsforholdets opher"). Hier ist vorgesehen, daß sowohl Kommittent als auch Kommissionär das Vertragsverhältnis zu j e d e r Zeit lösen können, vgl. den T e x t des § 46: „Kommittenten kan til enhver tid tilbagekalde hveret, og kommissionaeren kan til enhver tid frasige sig det. Dog bliver i de i § 50 omtalte tilfaelde kommittenten og i de i § 51 omtalte

Der Kommittent kann zu jeder Zeit den Auftrag widerrufen, und der Kommissionär kann zu jeder Zeit den Auftrag zurückgeben. Doch bleibt der Kommittent in dem in § 50 genannten Fall und

20 Lov nr. 243 af 8. 5. 1917 om kommission, handelsagentur og handelsrej sende, mit Änderungen vom 13. 4. 1938, wiedergegeben in Karnov's Lovsamling, S. 1967 ff.

Handelsvertreter tilfaelde kommissionaeren erstatningspligtig efter de der givne regier."

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der Kommissionär in dem in § 51 genannten Fall nach den dort gegebenen Regeln ersatzpflichtig.

Das dänische Recht sieht also - abweichend von der deutschen Regelung des Handelsgesetzbuchs im § 89 - eine sofortige Kündbarkeit des Vertrages vor. Soweit allerdings Kündigungsfristen vereinbart sind, werden den Parteien nach §§ 50 und 51 des Kommissionslov unter bestimmten Umständen Ersatzansprüche gewährt. § 50 lautet: „När kommissionaerens hverv gaelder for en besternt tid, eller det mä anses tilsikret kommissionaeren at f0re en besternt forretning til afslutning, aller opsigelsesvarsel er eller ma anses aftalt, har kommissionaeren hvis hans hverv tilbagekaldes i utide, ret til erstatning for det tab, han derved lider. Dog er kommittenten ikke erstatningspligtig, hvis han i kommissionaerens undladelse af at opfylde sine pligter eller andre saerlige omstaendigheder havde gylding grund til at tilbagekalde hvervet. Hvis kommissionae ren frasiger sig sädant hverv som ovenfor omtalt, og han i kommittentens pligtforsBmmelse har gyldig grund dertil, eller hvis sädant hverv bortfalder ifelge kommittentens konkurs, har kommissionaeren ligeledes ret til erstatning."

Wenn der Auftrag an den Kommissionär für eine bestimmte Zeit gilt oder wenn der Auftrag als eine Zusicherung an den Kommissionär angesehen werden muß, einen bestimmten Vertrag zum Abschluß zu führen, oder wenn eine Kündigungsfrist vereinbart ist oder als vereinbart anzusehen ist, hat der Kommissionär, wenn sein Auftrag vorzeitig widerrufen wird, einen Ersatzanspruch für den Schaden, den er dadurch erleidet. Doch ist der Kommittent nicht ersatzpflichtig, wenn er dadurch, daß ein Kommissionär seine Pflichten nicht erfüllt, oder in anderen besonderen Umständen einen gültigen Grund zum Widerruf des Auftrags hatte. Wenn ein Kommissionär unter den oben beschriebenen Umständen seinen Auftrag zurückgibt und in der Pflichtversäumnis seines Kommittenten einen gültigen Grund dazu hat oder wenn ein solcher Auftrag infolge des Konkurses des Kommittenten wegfällt, hat der Kommissionär ebenfalls einen Ersatzanspruch.

Nach § 51 trifft umgekehrt den Kommissionär eine gleiche Ersatzpflicht unter derselben Voraussetzung wie den Kommittenten nach § 50: „När kommissionaeren har eller mä anses at have pätaget sig hvervet for et besternt tidsrum eller at fore en besternt forretning til afslutning, eller när opsigelsesvarsel er eller mä anses aftalt, har kommittenten, hvis kommissionaeren i utide frasiger sig hvervet, ret til erstatning for det tab, han derved lider. Dog er kommissionaeren ikke

Wenn der Kommissionär den Auftrag für eine bestimmte Zeit übernommen hat oder so anzusehen ist, als habe er den Auftrag für diese Zeit übernommen, oder den Auftrag bis zum Abschluß eines bestimmten Vertrages übernommen hat oder wenn eine Kündigungsfrist vereinbart ist oder als vereinbart anzusehen ist, hat der Kommit-

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Gesellschaitsrecht tent, wenn der Kommissionär den Auftrag vorzeitig zurückgibt, einen Ersatzanspruch für den Schaden, den er dadurch erleidet. Doch ist der Kommissionär nicht ersatzpflichtig, wenn er dadurch, daß sein Kommittent seine Pflichten nicht erfüllt, oder in anderen besonderen Umständen einen gültigen Grund zur Rückgabe des Auftrages hatte. Wenn ein Kommittent unter den oben beschriebenen Umständen solchen Auftrag widerruft und in der Pflichtversäumnis seines Kommissionärs einen gültigen Grund dazu hat oder wenn ein solcher Auftrag infolge des Konkurses des Kommissionärs wegfällt, hat der Kommittent ebenfalls einen Ersatzanspruch.

erstatningspligtig, när han i kommittentens undladelse af at opfylde sine pligter eller i andre saerlige omstaendigheder havde grund til frasigelsen.

Hvis kommittenten tilbagekalder sädant hverv som ovenfor omtalt, og han i kommissionaerens pligtforsom melse har gyldig grund dertil, eller hvis sädant hverv bortfalder if0lge kommissionaerens konkurs, har kommittenten ligeledes ret til erstatning."

Ist das Vertreterverhältnis beendigt, so behält der Kommissionär (Handelsvertreter) nach § 79 die ihm gemäß den §§ 31-39 des Gesetzes an den W a r e n entstandenen Pfand- und Sicherungsrechte und kann d i e s e geltend machen. Dieser Uberblick über die Ansprüche d e s Kommissionärs und dementsprechend d e s Handelsvertreters b e i Beendigung d e s Vertragsverhältn i s s e s zeigt, daß nach dänischem Recht e i n e m Handelsvertreter e i n Ausgleichsanspruch im Sinne d e s deutschen § 8 9 b HGB nicht zusteht 2 1 .

ZUSAMMENFASSUNG

I Nach deutschem und nach dänischem Recht ist e i n e internationale Zuständigkeit s o w o h l der deutschen als auch der dänischen Gerichte g e g e b e n . Klagt der dänische Vertreter g e g e n die deutsche Firma, so steht ihm in Deutschland der Gerichtsstand der Niederlassung der deutschen Firma (§21 ZPO) und in Dänemark der Gerichtsstand des V e r m ö g e n s nach § 248 II Retsplejelov offen. Umgekehrt kann die deutsche Firma in Dänemark vor 21 So auch Neilin, Das Recht des Auslandsvertreters, 85; deis., Die Ansprüche des Handelsvertreters bei Vertragsauflösung im ausländischen Recht, N J W 1959, 2140-2143 (2142).

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dem Gericht des Wohnsitzes des Vertreters (§ 235 Retsplejelov) oder in Deutschland am Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) gegen den Vertreter vorgehen. II Die kollisionsrechtliche Entscheidung, welches nationale Recht auf den Streit der Parteien anzuwenden ist, hat jedes Gericht nach dem Kollisionsrecht zu treffen, dem es unterliegt. Die Rechtslage in Deutschland ist insoweit nicht eindeutig. Obwohl eine überwiegende Tendenz zur Anwendung deutschen Rechts auf Handelsvertreterverträge mit ausländischen Vertretern zu bestehen scheint, so gibt es andererseits auch eine gewichtige Gegenmeinung, die für die Anwendung des am Ort der Tätigkeit des Auslandsvertreters geltenden Rechts eintritt. Die gleiche Unsicherheit besteht auch nach dänischem Kollisionsrecht. Die Entscheidung über das maßgebliche Schuldstatut kann somit in den deutschen und dänischen Gerichten zugunsten sowohl der deutschen als auch der dänischen Rechtsordnung fallen. III Das dänische Handelsvertreterrecht ist im sog. Kommissionslov im III. Abschnitt, §§ 65 ff., enthalten. Für die Beendigung des Vertretervertrags finden nach § 76 die Vorschriften über die Beendigung des Kommissionsverhältnisses entsprechende Anwendung. Danach ist jederzeitige Kündigung des Vertrages durch beide Parteien möglich. Einen Ausgleichsanspruch, wie ihn das deutsche Handelsvertreterrecht vorsieht, gibt es nicht, wohl aber Ersatzansprüche, falls das Handelsvertreterverhältnis entgegen Parteivereinbarungen vorzeitig gelöst wird.

2. GESELLSCHAFTSRECHT Nr. 10 Niederlande 1. Die Wirkungen der Verpflichtungserklärungen des Akzeptanten eines gezogenen Wechsels bestimmen sich nach dem Recht des Zahlungsortes. 2. Die wechselmäBige Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht richtet sidi nach dem für dessen Wechselerklärung geltenden Redit. 3. Die Vertretungsmacht des Gesellschafters einer Handelsgesellschaft richtet sich nach dem am Sitz der Hauptverwaltung geltenden Recht. 4. Art. 7 III 1 EGBGB ist auf die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht der Gesellschafter einer nicht rechtsfähigen Handelsgesellschaft entsprechend anzuwenden. 5. Voraussetzungen eines Inlandsgeschäfts im Sinne von Art. 7 III 1 EGBGB. 6. Die Bürgschaft folgt nach deutschem IPR nicht dem Recht der Hauptschuld, sondern ist selbständig nach den für das Vertragsstatut geltenden Regeln anzuknüpfen. 7. Beruht das Vertragsstatut auf dem realen Parteiwillen, so ist eine Rück- oder Weiterverweisung des Vertragsstatuts unbeachtlich; wird das Vertragsstatut dagegen aufgrund des hypothetischen Parteiwillens ermittelt, so ist der Rückoder Weiterverweisung des Vertragsstatuts zu folgen, weil es sich insoweit der Sache nach um eine objektive Anknüpfung handelt. 8. Zur Vertretungsmacht der Gesellschaft einer „vennootschap onder firma" und zu den Folgen fehlender Vertretungsmacht nach niederländischem Recht. 9. Zur Form der Bürgschaft nach niederländischem Recht. Köln 63/65 vom 8.11. 1965 Das OLG Düsseldorf bittet in den Rechtsstreiten S. N. V. . /. Erven van H. u. a. und S. N. V. ./. Gerdinus van H. um eine Auskunft über niederländisches Handelsrecht. Die Firma S. N. V. in Rotterdam hat die inzwischen in Vermögensverfall geratene Firma F. GmbH in Duisburg-Ruhrort mit Waren beliefert und besitzt aus diesem Geschäft noch erhebliche Forderungen. Wegen dieser

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Forderungen hat Gerdinus van H., der früher Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma F. GmbH gewesen ist, am 28. 7.1961 in Duisburg sechs Wechsel über jeweils 5000 - hfl. mit gestaffelten Verfallzeiten akzeptiert. Die Wechsel sind von der Firma S. N.V. ausgestellt und auf die Firma Erven van H. in Raamsdonksveer/Niederlande gezogen worden. Zahlungsort ist Raamsdonksveer. Bei der Firma Erven van H. handelt es sich um eine im Handelsregister vonWallwijk eingetragene „vennootschap onder firma".Eingetragene Gesellschafter sind Gerdinus van H. und seine Mutter Petronella G. Hinsichtlich der Vertretungsmacht bestimmt der Gesellschaftsvertrag nach der Eintragung im Handelsregister, daß grundsätzlich jeder Gesellschafter alleinige Vertretungsmacht besitzt. Für alle Rechtsgeschäfte, durch welche die Gesellschaft in Höhe von 5000 - hfl. oder eines größeren Betrages verpflichtet wird, bedarf es jedoch der „Mitwirkung" zweier Gesellschafter. Weiterhin wird eine Anzahl von Rechtsgeschäften aufgeführt, zu deren Abschluß stets die „Mitwirkung" aller Gesellschafter erforderlich ist. Hierunter fallen u. a. auch der Abschluß von Darlehensverträgen zugunsten oder zu Lasten der Gesellschaft und die Eingehung einer Bürgschaft; die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten wird dagegen nicht erwähnt. Die „Mitwirkung" eines Gesellschafters kann sich in allen Fällen aus einer von ihm erteilten schriftlichen Bevollmächtigung eines anderen Gesellschafters ergeben. In dem Rechtsstreit S. N. V. . /. Erven van H. u. a. nimmt die Kl. die Firma Erven van H. als Bekl. zu 1) und die Gesellschafterin Petronella G. als Bekl. zu 2) gesamtschuldnerisch auf Zahlung der Wechselsummen in Höhe von insgesamt 30 000.- hfl. nebst Zinsen in Anspruch. Die Kl. trägt vor, die Bekl. zu 2) habe der Annahme der Wechsel durch Gerdinus van H. zugestimmt. Die Bekl. zu 1) und 2) hafteten daher als Bezogene aus dem für die Bekl. zu 1) erteilten Akzept. Hilfsweise ist die Kl. der Ansicht, Gerdinus van H. habe die Bekl. zu 1) und damit auch die Bekl. zu 2) jedenfalls in Höhe seiner Alleinvertretungsmacht, d. h. aus jedem der sechs Wechsel in Höhe von 4999.99 hfl. verpflichten können. Durch Urteil vom 10.4.1963 hat das LG Duisburg die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Berufungsgericht hat über die Behauptungen der Parteien Beweis erhoben und bittet nunmehr um die Beantwortung folgender Fragen: 1. „ob die Beschränkung der Vertretungsmacht des Gerdinus van H. nach niederländischem Recht dahin auszulegen ist, daß Verpflichtungen, die nur von einem Gesellschafter ohne Zustimmung eines weiteren Gesellschafters eingegangen sind, bis zur Höhe von 4999.99 hfl. für die Gesellschaft verbindlich sind, und ob die Gesellschaft durch jeden der von Gerdinus van H. angenommenen Wechsel bis zu einem Betrag von 4999.99 hfl. wirksam verpflichtet worden ist",

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2. „welche Bedeutung den Eintragungen im niederländischen Handelsregister zukommt, insbesondere, ob nach niederländischem Recht ebenso wie nach deutschem Recht ein Dritter eine eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen muß, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte (vgl. § 15 II HGB)." In dem Rechtsstreit S. N.V. ./. Gerdinus van H. verlangt die Kl. und Berufungsbekl. von Gerdinus van H. als Bekl. und Berufungski. ebenfalls Zahlung von 30 000 - hfl. nebst Zinsen. Auch in diesem Rechtsstreit stützt sie sich in erster Linie auf die nach ihrem Vorbringen wirksame Vertretung der Firma Erven van H. bei der Annahme der Wechsel durch den Bekl. Der Bekl. hafte daher bereits als persönlich haftender Gesellschafter der Firma Erven van H. Hilfsweise ergebe sich die wechselmäßige Verpflichtung des Bekl. aus seinem Handeln als Vertreter ohne Vertretungsmacht bei der Annahme der Wechsel. Ferner habe sich der Bekl. mündlich für die den Wechseln zugrunde liegenden Verbindlichkeiten der Firma F. GmbH verbürgt. Diese Bürgschaftsverpflichtung sei wirksam, weil der Bekl. als persönlich haftender Gesellschafter der Firma Erven van H. auch nach niederländischem Recht die Kaufmannseigenschaft besitze. In erster Instanz ist der Bekl. antragsgemäß verurteilt worden. Das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht hat auch in diesem Rechtsstreit über die Behauptungen der Parteien Beweis erhoben und bittet nunmehr um die Beantwortung folgender Fragen: 1. „ob der Bekl. als persönlich haftender Gesellschafter der eingetragenen Handelsgesellschaft Erven van H. nach niederländischem Recht Kaufmann ist", 2. „ob sich der Bekl. nach niederländischem Recht mündlich für die Verbindlichkeiten der Firma F. GmbH verbürgen konnte", 3. „welche Bedeutung den Eintragungen im niederländischen Handelsregister zukommt, insbesondere ob nach niederländischem Recht ebenso wie nach deutschem Recht ein Dritter eine eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen muß, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte (§ 15 II HGB)", 4. „ob die Haftung aus Art. 8 WG nach niederländischem Recht durch eine der Vorschrift des § 179 III 1 BGB entsprechende Bestimmung beschränkt ist." Beide Klagen sind in Deutschland erhoben worden, weil im Schiffsregister von Duisburg-Ruhrort zwei Binnenschiffe für die eine Reederei betreibende Firma Erven van H. eingetragen sind. In beiden Prozessen besteht unter den Parteien Übereinstimmung über die Anwendbarkeit niederländischen Rechts.

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GUTACHTEN Weil die von dem anfragenden Gericht gestellten Fragen nur zum Teil der Parteiautonomie unterliegen, überprüft das Gutachten trotz der insoweit bestehenden Einigkeit der Parteien zunächst in Teil I die Anwendbarkeit niederländischen Rechts. Unter II und III werden die für die Haftung der Firma Erven van H. erheblichen Fragen der Vertretungsmacht des Gerdinus van H. und der Bedeutung ihrer Eintragung im Handelsregister erörtert. Teil IV befaßt sich mit der wechselmäßigen Haftung des Gerdinus van H. als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Unter V schließlich behandelt das Gutachten die Formgültigkeit der von der Kl. behaupteten mündlichen Bürgschaftsverpflichtung des Gerdinus van H.

I. Internationales 1. Haftung des

Privatrecht

Annehmers

Das auf die wechselmäßige Haftung der Firma Erven van H. und ihrer Gesellschafter anzuwendende Recht ergibt sich aus den kollisionsrechtlichen Bestimmungen der Genfer Abkommen zur Vereinheitlichung des Wechselrechts vom 7. 6. 1930. In Deutschland sind sowohl das Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz als auch das Abkommen über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Wechselprivatrechts in das Wechselgesetz vom 21. 6. 1933 aufgenommen worden. In den Niederlanden wurden beide Abkommen durch das Gesetz vom 25.7.1932 1 ratifiziert. Das Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz wurde als Neufassung des 6. Titels (Art. 100-177) in das niederländische Handelsgesetzbuch 2 eingefügt. Obwohl das einheitliche Wechselgesetz somit sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden gilt, ist die kollisionsrechtliche Frage wegen etwaiger Unterschiede in den gesetzlichen Fassungen aufgrund der in dem Abkommen enthaltenen Vorbehalte oder wegen der Möglichkeit einer unterschiedlichen Auslegung identischer Vorschriften von Bedeutung. Nach Art. 93 WG bzw. Art. 4 des Abkommens über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Wechselprivatrechts bestimmen sich die Wirkungen der Verpflichtungserklärungen des Akzeptanten eines gezogenen Wechsels und des Ausstellers eines eigenen Wechsels nach dem Recht des Zahlungsortes; die Wirkungen der übrigen Wechselerklärungen unterliegen dem Recht desjenigen Landes, in dessen Gebiet sie unterschrieben worden sind. 1

Staatsblad Nr. 397.

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Wetboek van Koophandel, abgek. K.

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Handels-

und

Gesellschaltsrecht

Art. 93 WG und Art. 4 des Abkommens über das Wechsel-IPR verweisen auf das materielle Recht des Zahlungs- und Unterschriftsortes. Eine Rückoder Weiterverweisung entfällt daher 3 . Außerdem enthalten Art. 93 WG und Art. 4 des Wechsel-IPR-Abkommens nach h. M. zwingendes Recht, lassen also keinen Raum für eine abweichende Vereinbarung der Parteien 4 . 2. Vertretung ohne

Vertretungsmacht

Dem Wortlaut des Art. 93 WG bzw. Art. 4 des IPR-Abkommens ist nicht zu entnehmen, welches Recht auf die wechselmäßige Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht Anwendung findet. Richtiger Ansicht nach handelt es sich um Wirkungen der von dem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebenen Wechselerklärung. Anzuwenden ist daher das für diese Wechselerklärung geltende Recht 5 . Niederländische Entscheidungen oder Stellungnahmen des Schrifttums zu dieser Frage liegen dem Institut nicht vor. Die hier vertretene Anwendbarkeit des Art. 4 I des IPR-Abkommens dürfte jedoch auch dem niederländischen Standpunkt entsprechen. Zahlungsort der von Gerdinus van H. akzeptierten Wechsel ist Raamsdonksveer in den Niederlanden. Die wechselmäßigen Wirkungen des Akzepts unterliegen daher einschließlich einer etwaigen Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht dem niederländischen Wechselrecht. 3.

Vertretungsmacht

Die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. bei der Annahme der Wechsel und die sich daraus ergebende Haftung der Firma Erven van H. und ihrer Gesellschafter ist selbständig anzuknüpfen und unterliegt dem auf die Gesellschaft anzuwendenden Recht. Dies ist im deutschen IPR, jedenfalls mangels einer abweichenden Vereinbarung, bei nicht rechtsfähigen Han3

Arminjon-Carry, La lettre de change et le billet à ordre (1938) 453 f.; Hupka, Das einheitliche Wechselrecht (1934) 238; vgl. Staub-Stranz, Kommentar zum Wechselgesetz (13. Aufl. 1934), Anm. 8 - 1 0 a zu Art. 91. 4 Arminjon-Carry 487; Baumbach-Heiermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz (8. Aufl. 1965), Anm. 1 zu Art. 93; Hupka 253-, Stranz, Wechselgesetz (14. Aufl. 1952), Anm. 3 zu Art. 93; a. A. Quassowski-Albrecht, Wechselgesetz (1934), Anm.9 zu Art. 93; siehe auch Lescot-Robiot, Les effets de commerce (1953) II 581 f. und 584 f. 6 Arminjon, Précis de droit international privé commercial (1948) 319 ff. (320 u. 321); Arminjon-Carry 490 ff. (492); Rabel, The Conflict of Laws, IV (1958) 195; Staub-Stranz, Anm. 27 zu Art. 93; a. A. Lescot-Robiot 565 f. (566): Art. 4 gilt nur für die Wirkungen der Haftung des falsus procurator, ihre Begründung dagegen unterliegt dem Recht des Handlungsortes.

Gesellschaitsrecht

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Niederlande

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delsgesellschaften ebenso wie bei Kapital-Gesellschaften das am Sitz der Hauptverwaltung geltende Recht 6 . Die Firma Erven v a n H. hat ihren Sitz in Raamsdonksveer in den Niederlanden. Das deutsche IPR verweist daher hinsichtlich des Gesellschaftsstatuts auf das niederländische Recht. Entsprechend Art. 27 EGBGB bezieht sich diese Verweisung auf das niederländische internationale Privatrecht 7 . Im niederländischen IPR wurde die Gesellschaft früher ebenfalls nach dem an ihrem Sitz geltenden Recht beurteilt 8 . Im neueren Schrifttum wird dagegen überwiegend die Anwendbarkeit des Gründungsrechts, d. h. desjenigen Rechts, nach dem die Gesellschaft gegründet worden ist, vertreten 9 . Im vorliegenden Fall bedarf diese Streitfrage keiner Entscheidung. Da die Firma Erven v a n H. nicht nur ihren Sitz in den Niederlanden hat, sondern auch nach niederländischem Recht gegründet worden ist, führen beide Ansichten zur Anwendung niederländischen materiellen Rechts. Dieses gilt sowohl für den Umfang der Vertretungsmacht des Gerdinus van H. als auch für die Bedeutung ihrer Eintragung im niederländischen Handelsregister. 4. Verkehr sschutz Eine Einschränkung der Maßgeblichkeit niederländischen Rechts kann sich allerdings ergeben, wenn die Wechsel in Deutschland begeben worden sind. Nach Ansicht des Verfassers gilt nämlich die bei der „ultra vires "-Lehre weitgehend anerkannte entsprechende Anwendbarkeit des Art. 7 III 1 EGBGB auch für die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht der Gesellschafter einer nicht rechtsfähigen Handelsgesellschaft. Diese gelten bei Inlandsgeschäften also insoweit als vertretungsbefugt, als ihre Vertretungsmacht nach deutschem Recht bestehen würde 1 0 . 8 BGH, LM Nr. 7 zu § 105 HGB; BGH, WM 1959, 1110; KG, IPRspr. 1932 Nr. 44; Kegel in Soergel-Siebert (9. Aufl. 1961), Anm. 42 und 43 zu Art. 10; PalandtLauterbach (24. Aufl. 1965), Anm. 3 zu Art. 10. 7 Erman-Arndt (3. Aufl. 1962), Anm. 1 zu Art. 10; Kegel, Anm. 48 zu Art. 10; Raape bei Staudinger (9. Aufl. 1931), Anm. B IV 3 zu Art. 10, und Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 199. 8 Van Brakel, Grondslagen en Beginselen van Nederlands Internationaal Privaatrecht (3. Aufl. 1953) 198-201; Mulder, Internationaal Privaatredit (2. Aufl. 1947) 186. • Kollewijn, American-Dutdi Private International Law (2. Aufl. 1961) 24 f.; Sandberg, NTIR 1957,362 ff. (367-369 und 371-372); de Winter, WPNR Nr. 4240; vgl. Art. I des Ausführungsgesetzes zur Ratifizierung des Haager Abkommens über die Anerkennung ausländischer juristischer Personen vom 25. 7. 1959 (Staatsblad Nr. 256). 10 Kegel in Soergel-Siebert, Anm. 20 zu Art. 10 mit Nachweisen in Fn. 3 sowie Anm. 42, 43 zu Art. 10; Erman-Arndt, Anm. 11 a. E. zu Art. 10; vgl. zur „ultra vires"-Lehre Kegel, Anm. 9 und 10 zu Art. 10 mit weiteren Nachweisen in Fn. 16, und dazu noch OLG Düsseldorf, Die AG 1965, 16 (dahingestellt, aber mit starken

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Handels-

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Gesellsdialtsrecht

Die hier vorliegende „vennootschap onder firma" entspricht der OHG 11 . Daher müßte zugunsten des Geschäftsgegners das Recht der OHG gelten. Nach ihm wäre die in dem Gesellschaftsvertrag der Firma Erven van H. vereinbarte Beschränkung der grundsätzlich bestehenden Alleinvertretungsmacht der Gesellschafter gegenüber Dritten unwirksam. § 126 II HGB bezieht sich nämlich auch auf Beschränkungen der Vertretungsmacht durch das Erfordernis der Zustimmung anderer Gesellschafter, zum Abschluß bestimmter Rechtsgeschäfte für die Gesellschaft 12 . Sofern die Voraussetzungen des Art. 7 III 1 EGBGB erfüllt sind, ergäbe sich daher die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. zur Annahme der Wechsel aus dem deutschen materiellen Recht. Art. 7 III 1 EGBGB ist nämlich auch zugunsten von Ausländern anzuwenden, unabhängig von ihrem Wohnsitz oder ihrer Staatsangehörigkeit, und gilt daher auch zugunsten einer ausländischen Gesellschaft. Ob der Geschäftsgegner den Mangel der Geschäftsfähigkeit oder hier der Vertretungsmacht nach dem an sich anzuwendenden ausländischen Recht kennen mußte, gilt gleich 13 . Voraussetzung des Art. 7 III 1 EGBGB ist allerdings, daß das Rechtsgeschäft im Inland vorgenommen wird. Beide Parteien oder ihre Vertreter müssen sich daher beim Abschluß des Rechtsgeschäftes im Inland befunden haben. Daß lediglich die Offerte oder die Annahmeerklärung im Inland abgegeben worden ist, reicht nicht aus 14 . In Anwendung dieser Grundsätze wäre im vorliegenden Fall darauf abzustellen, ob die Wechsel im Inland begeben worden sind. Wie die Wechsel nach ihrer Annahme durch Gerdinus van H. an die Kl. gelangt sind, ist streitig. Nach dem Vorbringen der Kl. sind ihr die Wechsel mit dem dem Gericht vorliegenden Schreiben der F. GmbH vom 28. 7.1961 an ihren Geschäftssitz in Rotterdam zugesandt worden. Die Bekl. dagegen behaupten übereinstimmend, Gerdinus van H. habe die Wechsel in Duisburg persönlich an Beauftragte der Kl. übergeben. Nach dem Vortrag der Kl. war das Geschäft kein Inlandsgeschäft im Sinne des Art. 7 III 1 EGBGB. Aber auch nach dem Vortrag der Bekl. war es kein Inlandsgeschäft, wenn die Beauftragten der Kl. nur Boten waren und nicht Bevollmächtigte. Denn der Geschäftsgegner befindet sich, wie bemerkt, nur dann bei Vornahme des Geschäfts im Inland, wenn er hier in Person oder durch Vertreter gehandelt hat. Läßt er sich dagegen nur Bedenken gegen Einschränkung der Parteifähigkeit durch. Anwendung der „ultravires"-Lehre in Deutschland). 11 Vgl. unten II. 12 Weipert in RGR-Komm. z. HGB, II (2. Aufl. 1950), Anm. 18 zu § 126; vgl. Baumbach-Duden, HGB (15. Aufl. 1962), Anm. 4 zu § 125 u. Anm. 2 zu § 126. 13 Kegel, Anm. 15 zu Art. 7; Erman-Arndt, Anm. 5 zu Art. 7. 14 I G Hamburg, Rev. crit. 1958, 101 mit Anm. Mezger = IPRspr. 1958/59 Nr. 22; Kegel, Anm. 15 zu Art. 7; Palandt-Lauterbach, Anm. 5 zu Art. 7; Raape bei Staudinger, Anm. C II 3 zu Art. 7; Wolff, Internationales Privatrecht (3. Aufl. 1954) 103.

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Niederlande

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die Erklärung des anderen Teils ins Ausland übermitteln (durch Boten, Brief, Telegramm, Fernschreiber usw.), dann steht er außerhalb des inländischen Verkehrs und braucht nicht nach dessen Regeln geschützt zu werden. Nur dann, wenn Gerdinus van H. die Wechsel gegenüber Vertretern der Kl. angenommen hat, könnte daher seine Vertretungsmacht nach § 126 II HGB zu bejahen sein, falls sie nach niederländischem Recht fehlen sollte. Im vorliegenden Fall ist jedoch bedeutsam, daß die Beauftragten der Kl. anscheinend ausschließlich oder doch zu dem Zweck nach Deutschland geschickt worden sind, um Gerdinus van H. zur Annahme der Wechsel zu veranlassen. Sie unternahmen also eine „gezielte" Reise. Wenn aber ein Niederländer nach Deutschland kommt, um den Gesellschafter einer niederländischen Gesellschaft zu einem Geschäft im Namen der Gesellschaft zu veranlassen, ist es verfehlt, ihn nach deutschem Recht zu schützen. Daher ist auch dann, wenn die Beauftragten der Kl. nicht Boten, sondern Vertreter der Kl. gewesen sind, die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. nach niederländischem und nicht (analog Art. 7 III 1 EGBGB) nach deutschem Recht zu beurteilen. 5. BürgschaHslorm Nach deutschem IPR bestimmt sich die Form eines Rechtsgeschäftes gemäß Art. I I I EGBGB alternativ nach dem für das Rechtsgeschäft selbst maßgeblichen Recht oder nach dem am Vornahmeort geltenden Recht. W o die von der Kl. behauptete Bürgschaftsverpflichtung des Gerdinus van H. eingegangen worden ist, ist ihrem Vortrag nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Das Ortsrecht läßt sich daher erst aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme bestimmen. 6. Bürgschaft Das alternativ anwendbare Geschäftsrecht ist das auf die Bürgschaft anzuwendende Recht. Die Bürgschaft folgt nach deutschem IPR nicht dem Recht der Hauptschuld, sondern wird selbständig nach den für das Vertragsstatut geltenden Regeln angeknüpft 1 6 . Das Vertragsstatut richtet sich in erster Linie nach dem realen (ausdrücklich oder stillschweigend erklärten) Parteiwillen, hilfsweise nach dem hypothetischen Parteiwillen und an letzter Stelle nach dem Recht des Erfüllungsortes. Die im Prozeß bekundete Einigkeit der Parteien über das maßgebende Recht kann einen Rückschluß auf eine anfängliche Vereinbarung oder auf deren nachträgliche Änderung zulassen. Enthält sie keine 15 Kegel, Anm. 241-244 vor Art. 7; Erman-Arndt, Anm. V vor Art. 12; PalandtLauterbach, Anm. 6 m vor Art. 12.

7

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Geseüschaftsrecht

Willensäußerung, sondern nur die Überzeugung der Parteien von der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts, so ist sie zumindest ein starkes Indiz bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens 16 . Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Anwendung niederländischen Rechts auf die von ihr behauptete Bürgschaft hat die Kl. nicht vorgetragen. Die Parteien sind sich aber in beiden Prozessen darüber einig, daß ihr gesamtes Rechtsverhältnis nach niederländischem Recht zu beurteilen ist. Ferner hat die Kl. ihren Sitz in den Niederlanden. Gerdinus van H. hatte zwar ursprünglich seinen Wohnsitz in Deutschland, ist aber während der Prozesse nach den Niederlanden verzogen und besitzt die niederländische Staatsangehörigkeit. Soweit in der Einigkeit der Parteien über die Anwendbarkeit niederländischen Rechts nicht schon eine stillschweigende Vereinbarung über das anzuwendende Recht zu sehen ist, ergibt sich die Anwendbarkeit niederländischen Rechts auf die von der Kl. behauptete Bürgschaft daher jedenfalls aus dem hypothetischen Willen der Parteien. Beruht das Vertragsstatut auf dem realen (ausdrücklich oder stillschweigend erklärten) Parteiwillen, so ist eine Rück- oder Weiterverweisung des Vertragsstatuts unbeachtlich. Wird das Vertragsstatut dagegen aufgrund des hypothetischen Parteiwillens ermittelt, so ist der Rück- oder Weiterverweisung des Vertragsstatuts richtiger Ansicht nach entsprechend Art. 27 EGBGB zu folgen, weil es sich insoweit der Sache nach um eine objektive Anknüpfung handelt 1 7 . Auch nach niederländischem IPR ist die Bürgschaft selbständig nach den für das Vertragsstatut geltenden Regeln anzuknüpfen 1 8 . ü b e r die Bestimmung des Vertragsstatuts herrscht beträchtliche Unklarheit. Die Rechtsprechung stellt in erster Linie auf den ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Parteiwillen ab, der sich auch aus der Einigkeit der Parteien im Prozeß ergeben kann, und wendet hilfsweise dasjenige Recht an, mit dem der Vertrag nach den Umständen des Einzelfalles objektiv die stärkste Berührung aufweist 1 9 . 16

RGZ 118, 282, BGH, LM Nr. 1 zu Art. 7 ff. EGBGB (Deutsches intern. Privatredit); BGH, N J W 1962, 1005; Kegel, A m 183 vor Art. 7; Palandt-Lauteibach, Anm. 2 a vor Art. 12. 17 Kegel, Anm. 218 vor Art. 7; Palandt-Lauterbach, Anm. 2 c vor Art. 12; siehe aber auch BGH, N J W 1958, 750; BGH, N J W 1959, 1317. 18 Hol's-Hertogenbosch, NJ 1937 Nr. 871; Mulder, Internationaal Privaatrecht (2. Aufl. 1947) 174. 19 HR 13.6.1924, W. 11281; HR 28.1.1927, W. 11640; HR, NJ 1951 Nr. 150; Hof 's-Gravenhage, NJ 1960 Nr. 639 = NTIR 1961, 388 Anm. Deelen-, vgl. die ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei van Hasselt, De Nederlandsche Rechtspraak betreffende Internationaal Privaatrecht, 1. Teil (1936), 170-177 mit den entsprechenden Ergänzungen in den „Supplements" v o n 1938 (S. 42-46) und 1952 (S. 60-65).

Gesellschaitsrecht /

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Niederlande

Diese Kriterien entsprechen der Sache nach im wesentlichen denen des deutschen IPR und führen ebenfalls zur Anwendung niederländischen Rechts auf die von der Kl. behauptete Bürgschaft. Diese unterliegt daher, auch soweit eine Rüdeverweisung des niederländischen IPR beachtlich ist, dem niederländischen materiellen Recht. Unabhängig davon, ob die von der Kl. behauptete Bürgschaftsverpflichtung in Deutschland oder in den Niederlanden eingegangen worden ist, beurteilt sich ihre Form somit zumindest alternativ nach niederländischem materiellen Recht. 7.

Kaufmannseigenschaft

Die Kaufmannseigenschaft von Gerdinus van H. könnte im vorliegenden Fall in doppelter Weise bedeutsam werden: a) über Art. 1 1 1 2 EGBGB mit § 350 HGB, falls die Verbürgung in Deutschland erklärt worden ist; b) über Art. 1 1 1 1 EGBGB, falls nach dem die Bürgschaft beherrschenden niederländischen Recht die Kaufmannseigenschaft des Bürgen die Form beeinflußt. Wie die Kaufmannseigenschaft zu bestimmen ist, wird wenig erörtert, überwiegend läßt man das Recht der Handelsniederlassung entscheiden, bei einem Gesellschafter demnach das am Sitz der Gesellschaft geltende Recht 20 . Dagegen entscheidet sich Nussbaum für das Vertrags- oder Formstatut 21 . Ob und wieweit der einen oder anderen Meinung zu folgen ist, kann offen bleiben. Denn das niederländische Recht, dem die Bürgschaft unterliegt, unterscheidet, wie gezeigt werden wird (unter V), nicht zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten und erlaubt jedermann, sich mündlich zu verbürgen. II. Die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. bei der der Wechsel für die Firma Erven van H.

Annahme

Die Firma Erven van H. ist eine „vennootschap onder firma". Die „vennootschap onder firma" entspricht der deutschrechtlichen OHG. Art. 16 K. definiert sie als Gesellschaft zur Ausübung eines Handelsgewerbes unter einem gemeinschaftlichen Namen. Wie bei der OHG 20 LG Hamburg, Rev. crit. 1958, 101 Anm. Mezger = IPRspr. 1958/59 Nr. 22; Wölfl 105, 113; Würdinger in RGR-Komm. z. HGB, I (2. Aufl. 1953), Allg. Einl. Anm. 41. 21 Deutsches Internationales Privatreciit (1932) 211.

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Gesellschaftsrecht

haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich als Gesamtschuldner (Art. 18 K.). Soweit das niederländische HGB in den Artt. 16-35 K. keine Sonderregelung enthält, gelten gemäß Art. 15 K. die Vorschriften des niederländischen BGB (Burgerlijk Wetboek, abgek. BW) über die bürgerlichrechtliche Gesellschaft. Die Vertretungsmacht der Gesellschafter ergibt sich aus Art. 17 K. in Verbindung mit Art. 1681 BW. Diese Vorschriften lauten: Art. 17 K.: „Elk der vennooten, die daarvan niet is uitgesloten, is bevoegd ten name der vennootschap te handelen, gelden uit te geven en te ontvangen, en de vennootschap aan derden, en derden aan de vennootschap te verbinden. Handelingen welke niet tot de vennootschap betrekkelijk zijn, of tot welke de vennooten volgens de overeenkomst onbevoegd zijn, worden onder deze bepaling niet begrepen."

Art. 1681 BW: „Het beding, dat eene handeling voor rekening der maatschap is aangegaan, verbindt slechts den vennoot die dezelve aangegaan heeft, maar niet de overige, ten zij de laatstgenoemde hem daartoe volmagt hadden gegeven, of de zaak ten voordeele der maatschap gestrekt hebbe."

Jeder Gesellschafter, der davon nicht ausgeschlossen ist, ist berechtigt, im Namen der Gesellschaft zu handeln, Geld auszugeben und zu empfangen sowie die Gesellschaft gegenüber Dritten und Dritte gegenüber der Gesellschaft zu verpflichten. Handlungen, die sich nicht auf die Gesellschaft beziehen oder zu deren Vornahme die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag nicht berechtigt sind, fallen nicht unter diese Bestimmung. Die Vereinbarung, daß eine Handlung für Rechnung der Gesellschaft vorgenommen wird, verpflichtet nur den Gesellschafter, der dieselbe eingegangen ist, aber nicht die übrigen, es sei denn, daß die letzteren ihm dazu Vollmacht gegeben haben oder daß das Geschäft der Gesellschaft einen Vorteil gebracht hat.

Im Gegensatz zur bürgerlichrechtlichen Gesellschaft hat also jeder Gesellschafter einer „vennootschap onder firma" grundsätzlich die alleinige und unbeschränkte Vertretungsmacht (Art. 17 1 K.). Hiervon gelten nach Art. 17 II K. zwei Ausnahmen: Erstens erstreckt sich die Vertretungsmacht nur auf solche Geschäfte, die sich auf die Gesellschaft beziehen, und zweitens kann die Vertretungsmacht durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden. Diese Regelung wird durch Art. 1681 BW insofern ergänzt, als der Mangel der Vertretungsmacht geheilt wird, w e n n die anderen Gesellschafter ihre Zustimmung erklären oder w e n n das Geschäft der Gesellschaft einen Vorteil gebracht hat 2 2 . 22 Dorhout Mees, Kort begrip van het Nederlands handelsrecht (4. Aufl. 1964) 214; Molengraafi, Leidraad bij de beoefening van het Nederlandse handelsrecht,

Gesellschaltsrecht

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Das Erfordernis, daß sich das von einem Gesellschafter allein abgeschlossene Geschäft aui die Gesellschaft beziehen muß, bedeutet, daß das Geschäft grundsätzlich von dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Aufgabenkreis der Gesellschaft gedeckt sein muß. Da dieses Erfordernis auch im Aktienrecht gilt, können die von der Rechtsprechung zur Vertretungsmacht des Organs einer Aktiengesellschaft entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Danach braucht das von dem Gesellschafter oder von dem Organ der Gesellschaft abgeschlossene Geschäft nicht in jedem Fall objektiv dem Aufgabenkreis der Gesellschaft zu entsprechen. Vielmehr genügt die Möglichkeit, daß das Geschäft unter den Aufgabenkreis fällt, wenn der Dritte in gutem Glauben und unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hiervon ausgegangen ist. Dabei darf der Dritte grundsätzlich auf die Zusicherung der Vertretungsmacht durch das Organ oder den Gesellschafter vertrauen 2 3 . Der Aufgabenkreis der Firma Erven van H. besteht nach der Eintragung im Handelsregister in dem Betrieb einer Reederei und der Ausführung aller damit irgendwie in Zusammenhang stehenden Geschäfte. Die Annahme der Wechsel zur Sicherung der Verbindlichkeiten der F. GmbH dürfte nur dann objektiv unter diesen Aufgabenkreis fallen, wenn zwischen der F. GmbH und den Erven van H. eine Geschäftsverbindung bestanden hat. Andernfalls kann sich die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. lediglich aus dem von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrsschutz ergeben. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es jedoch insoweit nur dann, wenn nicht die zweite Ausnahme von dem Grundsatz der alleinigen Vertretungsmacht, auf die sich auch die Fragestellung des Gerichts bezieht, nämlich die Einschränkung der Vertretungsmacht durch den Gesellschaftsvertrag, vorliegt. Der Gesellschaftsvertrag der Erven van H. schränkt die Alleinvertretungsmacht der Gesellschafter in zweifacher Hinsicht ein. Einmal bedürfen bestimmte Rechtsgeschäfte, u. a. auch die Aufnahme oder die Gewährung von Darlehen oder die Eingehung einer Bürgschaft, stets der Mitwirkung aller Gesellschafter. Zum anderen ist die Mitwirkung mindestens zweier Gesellschafter erforderlich, wenn die Gesellschaft durch ein beliebiges Geschäft in Höhe von 5000 - hfl. oder eines größeren Betrages verpflichtet wird. Ob die Annahme der Wechsel durch Gerdinus van H. unter diejenigen Rechtsgeschäfte fällt, die stets der Mitwirkung aller Gesellschafter bedürfen, ist zweifelhaft. Einerseits wird die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten im Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich genannt, ande1. Teil (9. Aufl. 1953) 221; VöUmar, Het Nederlandse handels- en faillissementsrecht, neue zusammengefaßte Ausgabe (1961) 66 u. 69. 23 HR 23.3. 1928, W. 11837; HR, NJ 1942 Nr. 445; Molengiaaii aaO; VöUmar aaO u. S. 109 f.; siehe auch HR 3. 2. 1882, W. 4742.

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rerseits entspricht die Annahme der Wechsel zur Sicherung der Verbindlichkeiten der F. GmbH in ihren Auswirkungen der Gewährung eines Darlehens an diese Gesellschaft oder der Übernahme einer Bürgschaft zu ihren Gunsten 24 . Audi diese Frage bedarf aber nur dann einer Entscheidung, wenn sich der Mangel der Vertretungsmacht des Gerdinus van H. nicht schon aus der anderen Einschränkung seiner Alleinvertretungsmacht, nämlich wegen der Höhe der eingegangenen Verbindlichkeit ergibt. Indem die Kl. die Wechsel in Höhe von jeweils 4999.99 hfl. aufrechterhalten will, geht sie davon aus, daß die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. für jeden Wechsel gesondert zu beurteilen ist. Da die sechs Wechsel jedoch alle am selben Tag und zu dem einheitlichen Zweck der Deckung der Verbindlichkeiten der F. GmbH angenommen worden sind, erscheint es als richtiger, die Annahme der Wechsel als Eingehung einer Gesamtverbindlichkeit in Höhe von 30 000.- hfl. anzusehen, so daß ihre Aufrechterhaltung gegenüber den Erven van H. nur in Höhe von einmal 4999.99 hfl. möglich wäre. In beiden Fällen ist aber Voraussetzung der teilweisen Bindung der Gesellschaft, daß ihre Haftung im Rahmen der (überschrittenen) Vertretungsmacht des Gerdinus van H. überhaupt dem niederländischen Recht entspricht. Gesetzlich ist die Frage der Haftung der Gesellschaft im Rahmen der (überschrittenen) Vertretungsmacht eines Gesellschafters weder bei der „vennootschap onder firma" noch bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft geregelt. Für die wie im Code civil im Auftragsrecht geregelte rechtsgeschäftliche Vollmacht, deren Grundsätze entsprechend angewendet werden können, soweit sie mit den Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Vertretung in Einklang stehen 25 , bestimmt Art. 1844 BW: „De lastgever is verpligt na te komen de verbindtenissen, door den lasthebber, overeenkomstig de magt welke hij hem heeft verleend, aangegaan. Hij is niet gehouden tot hetgeen bovendien mögt geschied zijn, dan voor zoo verre hij zulksuitdrukkelijkof stilzwijgend bekrachtigd heeft."

Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Verbindlichkeiten zu erfüllen, welche der Beauftragte, in Ubereinstimmung mit der ihm verliehenen Befugnis, eingegangen ist. Er haftet für das, was darüber hinaus geschehen sein mag, nur dann, wenn er es ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

Der Wortlaut des Art. 1844 II BW deutet zwar auf die Möglichkeit einer teilweisen Bindung des Vertretenen hin, jedoch wird die Vorschrift nicht in diesem Sinne ausgelegt. Vielmehr werden die Fälle des Handelns ohne 24 Vgl. Hol Arnhem 10. 4. 1907, W. 8692, wo ein Wechselakzept als Eingehung einer Bürgschaft oder einer kumulativen Schuldübernahme im Sinne des Gesellschaftsvertrages angesehen wird. 25 Vgl. Asser-van der Grinten, Personenrecht, II (3. Aufl. 1959) 17.

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Vertretungsmacht im engeren Sinne und des Uberschreitens der Vertretungsmacht grundsätzlich gleichgestellt 26 . Im Wechselrecht wird allerdings zu Art. 107 K., der dem Art. 8 WG entspricht, die Ansicht vertreten, im Falle der Überschreitung einer Vollmacht zur Eingehung einer Wechselverbindlichkeit hafte der Vollmachtgeber neben dem Vertreter ohne Vertretungsmacht wechselmäßig im Rahmen der (überschrittenen) Vollmacht. Diese Haftung des Vollmachtgebers sei zwar dem Art. 107 K. nicht zu entnehmen, ergebe sich aber - unter Hinweis auf Art. 1844 II BW - aus den Grundsätzen über die rechtsgeschäftliche Vertretung 27 . Diese Ansicht widerspricht der zuvor verzeichneten Meinung von Schriftstellern des bürgerlichen Rechts. Außerdem fragt sich, ob nicht in Anwendung der Regeln über die Teilnichtigkeit oder die Umdeutung von Rechtsgeschäften 28 auf den mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers abzustellen ist. Aber selbst wenn bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung stets eine Haftung des Vertretenen im Rahmen der (überschrittenen) Vollmacht bestünde, ergäbe sich daraus nicht zwingend die Haftung einer Gesellschaft im Rahmen der von einem Gesellschafter überschrittenen gesetzlichen oder durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkten Vertretungsmacht. Der Höge Raad hat sich mit dieser Frage in einer Entscheidung vom 13.6.1958 befaßt 2 8 3 . Ein Gesellschafter einer „vennootschap onder firma" hatte einen Bankkredit in Höhe von 6246.90 hfl. aufgenommen. Der im Handelsregister eingetragene Gesellschaftsvertrag bestimmte, daß für alle Verbindlichkeiten über 5000.- hfl. die Unterzeichnung zweier Gesellschafter erforderlich war. Nunmehr klagte ein Zessionar der Bank gegen einen anderen Gesellschafter auf Erfüllung eines Teiles der Darlehensschuld. Zur Begründung der Vertretungsmacht des allein handelnden Gesellschafters bei der Aufnahme des Bankkredits vertrat er u. a. die Ansicht, die Gesellschaft sei jedenfalls in Höhe von 5000.- hfl. wirksam verpflichtet worden. Hierzu hat der Hof 's-Hertogenbosch in der Vorinstanz entschieden, das Darlehen sei unteilbar und wirke deshalb überhaupt nicht gegenüber der Gesellschaft. Der Höge Raad hat sich dem mit der knappen Begründung angeschlossen, die Ansicht des Klägers finde 2 8 Vgl. Asser-van der Grinten 5 2 - 5 5 ; van Brakel, Leerboek v a n het Nederlandse verbintenissenrecht, Teil 2 ( 2 . Aufl. 1 9 5 0 ) 3 6 7 j Pitlo, Het Verbintenissenrecht ( 5 . Aufl. 1 9 5 7 ) 5 5 7 - 5 6 0 . 27 Molengraafi, 2. Teil (9. Aufl. 1954) 399 f.; ebenso nach Molengraaff die dem Institut nicht vorliegenden W e r k e Scheltema-Wiarda, Wissel - en chequerecht (4. Aufl. 1950) 344 und 346, und Zevenbergen, Leerboek van het Nederlandse recht der order- en toonderpapieren (4. Aufl. 1951) Nr. 98. 2 9 Siehe dazu Asser-Rutten, Verbintenissenrecht, II (2. Aufl. 1961) 212 f. u. 391-397; Hofmann-van Opstall, Het Nederlandse verbintenissenrecht, 1. Teil (8. Aufl. 1959) 401-410. 2 8 a N J 1958 Nr. 352.

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und

Gesellschaitsiecht

im Gesetz keine Stütze. Eine ausführlichere Begründung enthält der Entsdieidungsvorsdilag des Generalanwalts Langemeijer. Langemeijer weist nach, daß die teilweise Aufrechterhaltung des unter Überschreitung der Vertretungsmacht vorgenommenen Rechtsgeschäftes weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum vertreten wird, und meint, sie entspreche auch nicht dem Sinn der Einschränkung der Vertretungsmacht. Dieser bestehe nämlich darin, den anderen Gesellschaftern ein Mitspracherecht in Angelegenheiten von größerer Bedeutung zu sichern, also nicht nur in einer Beschränkung der Haftung der Gesellschaft. Wenn der hier interessierende Teil dieser Entscheidung auch in dem dem Institut vorliegenden Schrifttum (bisher) nicht kommentiert wird - er wird lediglich von Völlmar2Sb unter dem Gesichtspunkt der Konversion berichtet - , so ist doch insbesondere mit Rücksicht auf die überzeugende Argumentation Langemeijers davon auszugehen, daß er dem geltenden Recht entspricht. Zwar handelt es sich in der Entscheidung des Hogen Raads nicht um eine Wechselverbindlichkeit. Da die von Molengraaff und in den von ihm zitierten Werken vertretene teilweise Haftung des Vertretenen jedoch nicht auf wechselrechtliche Überlegungen, sondern auf allgemeine Grundsätze des Vertretungsrechts gestützt wird, führen diese allgemeinen Grundsätze im vorliegenden Fall zur Ablehnung einer teilweisen Bindung der Gesellschaft durch die unter Überschreitung der Vertretungsmacht vorgenommene Annahme der Wechsel. Wenn Petronella G. der Annahme der Wechsel nicht zugestimmt hat, ergibt sich daraus somit, unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Vertretungsmacht des Gerdinus van H., auch in Höhe von (jeweils) 4999.99 hfl. keine Haftung der Gesellschaft Erven van H. III. Die Bedeutung der Eintragung der im Handelsregister

Vertretungsmacht

über die Eintragung der „vennootschap onder firma" bestimmen die Artt. 23 und 29 K.: Art. 23: „De vennooten onder eene firma zijn verpligt de vennootschap te doen inschrijven in het handelsregister, overeenkomstig de daarvoor geldende wettelijke bepalingen."

Die Gesellschafter unter einer Firma sind verpflichtet, die Gesellschaft in das Handelsregister eintragen zu lassen, entsprechend den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Art. 29: „Zoo lang die inschrijving in het handelsregister niet is geschied, zal de 28b

AaO (oben N. 22) 69.

Solange die Eintragung in das Handelsregister nicht erfolgt ist, soll die Ge-

Gesellschaitsrecht vennootschap onder eene firma, ten aanzien v a n derden, worden aangemerkt als algemeen voor alle zaken, als aangegaan voor eenen onbepaalden tijd, en als geenen der vennooten uitsluitende v a n het regt om voor de firma te handelen en te teekenen."

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Niederlande

105

sellsdiaft unter einer Firma, in Ansehung Dritter, als allgemein f ü r alle Geschäfte und für eine unbestimmte Zeit eingegangen betrachtet werden und als keinen der Gesellschafter von dem Recht ausschließend, für die Firma zu handeln und zu zeichnen.

D i e e i n z u t r a g e n d e n Tatsachen e r g e b e n sich i m e i n z e l n e n aus Art. 6 d e s G e s e t z e s ü b e r die Einrichtung e i n e s H a n d e l s r e g i s t e r s v o m 26. 7 . 1 9 1 8 in der s e i t d e m 14. 7 . 1 9 5 6 g e l t e n d e n Fassung. N a c h Art. 6 I Z. 7 ist die V e r tretungsmacht der G e s e l l s c h a f t e r einzutragen, w a s sich i m ü b r i g e n auch schon aus Art. 29 K. ergibt. U b e r die W i r k u n g e n der E i n t r a g u n g e n i m H a n d e l s r e g i s t e r b e s t i m m t Art. 31 d e s H a n d e l s r e g i s t e r g e s e t z e s : „1. Zolang niet de voorgeschreven opgaaf is gedaan van enig feit, kan h i j die gehouden is die opgaaf te doen, zieh nist op dat feit beroepen tegenover derden, die te goeder trouw verklären, dat het h u n onbekend was. 2. De eigenaar v a n de onderneming, alsmede hij die enig feit ter inschrijving heeft opgegeven of gehouden is enig feit op te geven, k a n niet de onjuistheid of onvolledigheid v a n de opgaaf tegenwerpen aan derden, die zieh te goeder trouw op het handelsregister beroepen. 3. Dit artikel is niet v a n toepassing ten aanzien v a n het bepaalde in artikel 29 v a n het W e t b o e k van Koophandel noch ten aanzien v a n opgaven betreffende aangelegenheden, welke ingevolge wettelijk voorschrift ook op andere wijze worden openbaar gemaakt."

1. Solange nicht die vorgeschriebene Angabe einer Tatsache erfolgt ist, kann derjenige, der verpflichtet ist, diese Angabe zu machen, sich nicht auf diese Tatsache gegenüber Dritten berufen, die in gutem Glauben erklären, daß sie ihnen unbekannt war. 2. Der Inhaber eines Unternehmens sowie derjenige, welcher eine Tatsache zur Eintragung angegeben hat oder verpflichtet ist, eine Tatsache anzugeben, kann die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angabe Dritten nicht entgegenhalten, die sich in gutem Glauben auf das Handelsregister berufen. 3. Dieser Artikel findet keine Anwendung in Ansehung des in Art. 29 des Handelsgesetzbuches Bestimmten und in Ansehung von Angaben über Angelegenheiten, welche aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift auch auf andere Weise veröffentlicht werden.

Art. 31 H a n d e l s r e g i s t e r g e s e t z schützt daher, e b e n s o w i e die Sondervorschrift d e s Art. 29 K., g u t g l ä u b i g e Dritte g e g e n ü b e r d e n W i r k u n g e n v o n Tatsachen, die ü b e r h a u p t nicht, falsch o d e r u n v o l l s t ä n d i g e i n g e t r a g e n sind. D a g e g e n k e n n t das niederländische Recht k e i n e d e m § 15 II HGB v e r g l e i c h b a r e g e s e t z l i c h e B e s t i m m u n g über d i e W i r k u n g e i n g e t r a g e n e r Tatsachen g e g e n ü b e r Dritten. Doch w i r d a l s s e l b s t v e r s t ä n d l i c h a n g e n o m men, daß s i e Dritten e n t g e g e n g e h a l t e n w e r d e n k ö n n e n . Es gilt nicht ein-

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Handels-

und

Gesellschaftsrecht

mal eine dem § 15 II HGB entsprechende Einschränkung zugunsten Dritter, die die Eintragung weder kannten noch kennen mußten 29 . Die Kl. muß sich daher die im Handelsregister eingetragene Beschränkung der Vertretungsmacht des Gerdinus van H. entgegenhalten lassen. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß sie die Eintragung weder kannte noch kennen mußte. IV. Die Einschränkung der wechselmäßigen Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht durch eine dem §179 III 1 BGB entsprechende Bestimmung

Die wechselmäßige Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht ergibt sich im niederländischen Recht aus Art. 107 K. Diese Bestimmung entspricht wörtlich dem Art. 8 WG, enthält also keine Regelung der Haftung des falsus procurator gegenüber einem bösgläubigen Dritten. über die Haftung des falsus procurator gegenüber einem bösgläubigen Dritten haben sich in den Mitgliedstaaten der Genfer Abkommen zur Vereinheitlichung des Wechselrechts auch keine einheitlichen ungeschriebenen Grundsätze entwickelt. Während z. B. in Deutschland die Ansicht vertreten wird, zwar finde § 179 III 1 BGB keine Anwendung, jedoch sei die Haftung aus Art. 8 WG im Falle der Kenntnis des Dritten wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen 30 , ist im französischen und belgischen Recht streitig, ob die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht stets besteht oder ob sie entsprechend Art. 1997 Code civil, der allgemeinen Haftungsgrundlage bei vollmachtloser Vertretung, ausgeschlossen ist, wenn der Vertreter dem Dritten eine „ausreichende Kenntnis" seiner Vollmacht vermittelt hat S 1 . Im niederländischen Recht wird unter Hinweis auf die Artt. 47 b K. und 1843 BW die Ansicht vertreten, die Haftung aus Art. 107 K. bestehe nur gegenüber dem gutgläubigen Dritten, sei also ausgeschlossen, wenn der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte 32 . Art. 47 b K. regelt die Eigenhaftung des ohne Vertretungsmacht handelnden Vorstands einer Aktiengesellschaft; Art. 1843 BW entspricht dem Art. 1997 Code civil und bildet wie dieser die allgemeine Anspruchs29 Vgl. HR, N J 1942 Nr. 546; Hof Arnhem 22. 4. 1924, W. 11255; Rb. 's-Hertogenbosch, N J 1947 Nr. 377; Asser-van der Giinten 29; M o l e n g r a a f f Teil 1, 66 f. und 221; de Vries, W P N R Nr. 4045. 30 Baumbach-Hefermehl, Anm. 2 zu Art. 8; Staub-Stranz, Anm. 16 zu Art. 8; Stranz, Anm. 8 zu Art. 8; Hupka 31. 3 1 Vgl. einerseits Lescot-Roblot, Les effets de commerce (1953) I 167 f.; van Ryn, Principes de droit commercial, II (1957) 468; andererseits Fredericq-Debacker, Droit commercial beige, X (1954) 152. 32 Molengraaff 2. Teil, 399 unter Bezugnahme auf Scheltema-Wiarda 345 und Zevenbeigen Nr. 96.

Gesellschaitsrecht

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Niederlande

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grundlage gegenüber dem vollmachtlosen Vertreter. Der Begriff des guten Glaubens in beiden Vorschriften ist derselbe, wird aber in Rechtsprechung und Schrifttum nicht näher erörtert. Während der gute Glauben nach einem Teil des Schrifttums nur durch die Kenntnis des Mangels der Vertretungsmacht ausgeschlossen wird 33 , genügt nach der wohl überwiegenden Ansicht schon die fahrlässige Unkenntnis für den Ausschluß der Haftung 34 . Im vorliegenden Fall bedarf diese Frage aber keiner Entscheidung. Weder Art. 47 b K. noch Art. 1843 BW finden nämlich entsprechende Anwendung auf die Haftung des ohne Vertretungsmacht handelnden Gesellschafters einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft oder einer „vennootschap onder firma". Vielmehr haftet der im Namen der Gesellschaft handelnde Gesellschafter nach dem oben zitierten Art. 1681 BW immer persönlich aus dem von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäft; lediglich, ob er die anderen Gesellschafter verpflichtet, ist eine Frage der Vertretungsmacht. Dies gilt auch für die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit für die Gesellschaft 35 . Eine in Rechtsprechung und Schrifttum ersichtlich nicht erörterte Ausnahme von der persönlichen Haftung des ohne Vertretungsmacht handelnden Gesellschafters dürfte allerdings dann eingreifen, wenn der Gesellschafter das Rechtsgeschäft ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Zustimmung der anderen Gesellschafter abgeschlossen hat, wie es im vorliegenden Fall den Behauptungen der Bekl. entspricht. Treffen diese Behauptungen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu, so haftet Gerdinus van H. unmittelbar als Akzeptant der Wechsel. Eines Rückgriffs auf die wechselmäßige Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht bedarf es nicht, so daß die Frage nach dem Ausschluß dieser Haftung durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen der mangelnden Vertretungsmacht seitens der Kl. dahingestellt bleiben kann. V. Die Formgültigkeit der von der Klägerin behaupteten mündlichen Bürgschaftsverpilichtung des Gerdinus van H. In seiner ursprünglichen Fassung, die am 1.10.1838 in Kraft getreten ist, hat das niederländische HGB zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten sowie zwischen Handelsgeschäften und Nichthandelsgeschäften unterschieden. Beide Untersuchungen sind durch das Gesetz vom 2.7.1934 3 5 a Asser - van der Grinten 54; van Brakel 367 f. Pitlo 558 f.; Suijling-Dubois, Inleiding tot het burgerlijk recht, I Teil 1 (2. Aufl. 1927) 389 f.; vgl. Dorhout Mees 20; Molengraatt aaO; siehe auch Rb. 's-Gravenhage, NJ 1954 Nr. 548. 35 Rb. Groningen 7. 3. 1902, W. 7747; Rb. den Haag 4. 5. 1922, W. 11031; Dorhout Mees 214; Molengraalf Teil 1, 221; Völlmar 69; vgl. HR, NJ 1956 Nr. 252; HR, NJ 1958 Nr. 352. 350 Staatsblad Nr. 347. 33

34

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Handels-

und

Gesellsdiaitsrecht

aufgehoben worden. Sondervorschriften gelten allerdings nunmehr für den neu eingeführten Begriff des Handelsgewerbes (bedrijf), beispielsweise als Voraussetzung der Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern oder der Errichtung einer „vennootschap onder firma"36. Da für die Bürgschaft keine derartigen Sondervorschriften gelten, sind, soweit niederländisches Recht als Geschäftsrecht die Form der Bürgschaft beherrscht (oben I 5), die Bestimmungen des niederländischen BGB anzuwenden. über die Form der Bürgschaft bestimmt Art. 1861 BW: „Borgtogt wordt niet voorondersteld, maar moet uitdrukkelijk worden aangegaan; men kan dien niet verder uitstrekken dan de bepalingen, onder welke dezelve is aangegaan."

Eine Bürgschaft wird nicht vermutet, sondern muß ausdrücklich übernommen werden; man kann sie nicht über die Grenzen hinaus ausdehnen, innerhalb deren sie eingegangen worden ist.

Bei der Auslegung dieser Vorschrift besteht Übereinstimmung, daß sie sich nur auf die Erklärung des Bürgen bezieht. Unstreitig ist ferner, daß die Verpflichtung des Bürgen nicht der Schriftform bedarf, daß das Wort Bürgschaft nicht genannt zu werden braucht und daß eine mündliche Bürgschaft mit allen Beweismitteln nachgewiesen werden kann. Streitig ist dagegen, was im einzelnen unter der „ausdrücklichen" Übernahme der Bürgschaft zu verstehen ist. Nach der einen Ansicht muß die Bürgschaftsverpflichtung schriftlich oder mündlich in Worten erklärt werden, wird also „ausdrücklich" im Gegensatz zu stillschweigend verstanden 37 . Nach der Gegenansicht erfordert Art. 1861 BW lediglich eine deutliche, unzweideutige Erklärung, die aber auch stillschweigend abgegeben werden kann, begründet also praktisch nur eine erhöhte Verpflichtung des Richters, einen eindeutigen Nachweis der Bürgschaft zu verlangen 3 8 . Für die Beantwortung der von dem anfragenden Gericht gestellten Frage bedarf dieser Meinungsstreit keiner Entscheidung. Die Formwirksamkeit der von der Kl. behaupteten Bürgschaftsverpflichtung des Gerdinus van H. scheitert jedenfalls nicht an ihrer mündlichen Erklärung. Ob die Bürgschaftsverpflichtung in Worten erklärt oder eindeutig nachgewiesen worden ist, kann ohnehin erst nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beurteilt werden. ERGEBNIS I. Niederländisches Recht gilt für die wechselrechtlichen Voraussetzungen der Haftung sämtlicher Bekl. als Recht des Zahlungsortes und für die Vertretungsmacht des Gerdinus van H. als Sitz- oder Gründungsrecht der Molengraafi Teil 1, 48-50; Vöilmar 11-18. HR 7 . 4 . 1898, W . 7110; Assei-Kamphuisen-van III (3. Aufl. 1960) 760, 761. 38 Van Brakel 384; Pitlo 572; vgl. Hol Amsterdam 38 37

Andel,

Verbintenissenredit,

19.3. 1931, W. 12310.

Gesellschaitsrecht

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Niederlande

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Firma Erven van H. Verkehrsschutz nach deutschem Recht entsprechend Art. 7 III 1 EGBGB kommt nicht in Betracht, wenn die Beauftragten der KI. Boten gewesen sind; ebenso dann nicht, wenn sie Vertreter gewesen, aber - wie es den Anschein hat - nach Deutschland gesandt worden sind, um Gerdinus van H. zur Unterzeichnung der Wechsel zu veranlassen. Darauf, welches Recht über die Kaufmannseigenschaft des Gerdinus van H. entscheidet, kommt es nicht an (oben I). II. Falls Petronella G. der Annahme der Wechsel durch Gerdinus van H. nicht zugestimmt hat, scheitert dessen Vertretungsmacht nach niederländischem Recht, unabhängig vom Vorliegen ihrer sonstigen Voraussetzungen, an der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Einschränkung der Befugnis zur alleinigen Vertretung für die Eingehung von Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 5000 hfl. Die von der Kl. geltend gemachte Aufrechterhaltung der Wechsel in Höhe von (jeweils) 4999.99 hfl. gegenüber der Firma Erven van H. entspricht nicht dem niederländischen Recht (oben II). III. Das niederländische Recht kennt keine dem § 15 II HGB entsprechende gesetzliche Bestimmung. Daß sich Dritte die im Handelsregister eingetragenen Tatsachen entgegenhalten lassen müssen, wird als selbstverständlich angesehen. Dagegen gilt keine Einschränkung zugunsten gutgläubiger Dritter. Die Bekl. können sich daher gegenüber der Kl. auf die Eintragung der Einschränkung der Vertretungsmacht des Gerdinus van H. im Handelsregister berufen (oben III). IV. Die wechselmäßige Haftung des vollmachtlosen Vertreters besteht nach niederländischem Recht entsprechend den Artt. 47 b K. und 1843 BW nur gegenüber gutgläubigen Dritten. Ob die Gutgläubigkeit lediglich durch die positive Kenntnis des Mangels der Vertretungsmacht ausgeschlossen wird oder ob auch fahrlässige Unkenntnis genügt, ist zweifelhaft, bedarf aber im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Sofern Gerdinus van H. die Wechsel nicht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Petronella G. angenommen hat, wie es dem Vorbringen der Bekl. entspricht, haftet er nämlich gemäß Art. 1681 BW - unabhängig von seiner Vertretungsmacht für die Gesellschaft - unmittelbar als Akzeptant der Wechsel (oben IV). V. Das geltende niederländische Handelsrecht unterscheidet weder zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten noch zwischen Handelsgeschäften und Nichthandelsgeschäften. Auch enthält es keine Sondervorschriften für die Eingehung einer Bürgschaft im Rahmen eines Handelsgewerbes. Die Bürgschaft bedarf nach Art. 1861 BW nicht der Schriftform, sondern muß nur „ausdrücklich" vereinbart werden. Die Formwirksamkeit der von der Kl. behaupteten Bürgschaftsverpflichtung des Gerdinus van H. scheitert daher jedenfalls nicht an ihrer mündlichen Erklärung (oben V).

III. Familienrecht

1. EHE a) Heirat Siehe audi Nr. 22, 23, 25, 34, 37

Nr. 11 Belgien, Polen, Ungarn 1. Formgültigkeit einer zwisdien einem Polen und einer Ungarin in Belgien geschlossenen Rabbinatsehe nach deutschem, belgischem, polnischem und ungarischem internationalen Privatrecht sowie nach ungarischem und belgischem materiellen Recht. 2. Anerkennung einer formniditigen Rabbinatsehe im Rahmen des deutschen Wiedergutmachungsrechts, wenn die erforderliche Ziviltrauung wegen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen nicht möglich war. Köln 14/66 vom 10. 3.1966

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (14. Zivilsenat) hat in der Entschädigungssache S. X Land Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 21. 1. 1966 um eine Auskunft über internationales Privatrecht und ungarisches und belgisches Eherecht gebeten. SACHVERHALT Im Jahre 1936 heiratete die Klägerin in Antwerpen den in Krakau geborenen Polen Salo S. in jüdisch-religiöser Form. Es wird davon ausgegangen, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ungarische Staatsangehörigkeit hatte. Beide Ehegatten hatten ihren Wohnsitz in Antwerpen. Die Eheschließung fand vor einem Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in Antwerpen, der von dem damaligen Rabbiner Rotenberg in Antwerpen zur Vornahme der Eheschließung bevollmächtigt war, und weiterhin vor zwei Zeugen statt.

112

Familienrecht

Die Klägerin macht gegen das Land Nordrhein-Westfalen Wiedergutmachungsansprüche wegen Körper- und Gesundheitsschädigung geltend. Im Hinblick auf § 14 Abs. 6 der 2. DVO zum BEG ergeht Anfrage, ob durch die jüdisch-religiöse Eheschließung in Antwerpen eine gültige Ehe zustande gekommen ist. GUTACHTEN I. Internationales

Privatrecht

Eine staatsvertragliche Regelung besteht für den vorliegenden Fall nicht. Insbesondere gilt nicht das Haager Eheschließungsabkommen vom 12. 6. 1902, da die Ehe in Belgien geschlossen wurde und Belgien weder heute noch zum Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin Vertragsstaat dieses Abkommens war 1 . Die Frage, ob die lediglich in jüdisch-religiöser Form geschlossene Ehe der Klägerin wirksam ist, beurteilt sich daher nach Art. 11 EGBGB. Hiernach ist die Ehe wirksam, wenn sie nach dem Geschäftsstatut (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) oder dem Ortsstatut (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) zum Zeitpunkt der Eheschließung in jüdisch-religiöser Form wirksam geschlossen werden konnte. Unter Geschäftsstatut ist nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB, der nach h. M. zur allseitigen Kollisionsnorm zu erweitern ist 2 , das Heimatrecht beider Ehegatten zur Zeit der Eheschließung zu verstehen. Bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten beurteilt sich demnach die Gültigkeit der Ehe - soweit es das Geschäftsstatut des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB betrifft - nach beiden Heimatrechten, hier also nach ungarischem und polnischem Recht. Den Ausschlag gibt dasjenige der beiden Rechte, das der Heirat die geringeren Wirkungen beilegt. Dagegen hat das Ortsstatut (belgisches Recht) den Vorrang, wenn es der Heirat stärkere Wirkungen beilegt als das am schwächsten wirkende Geschäftsstatut 3 . Soweit das belgische Recht als Ortsstatut in Betracht kommt, beurteilt sich die Frage, welche Folgen ein Verstoß gegen die Bestimmungen des belgischen Rechts nach sich zieht (Nichtehe oder bloße Nichtigkeit usw.), ebenfalls nach belgischem Recht. Dies gilt, obwohl das belgische Recht nur als Ortsrecht zur Anwendung kommt; denn nach deutscher Rechtsprechung und Lehre bestimmt bei Verletzung des Ortsrechts diese Rechtsordnung auch die Folgen der Verletzung, nicht dagegen die Heimatrechte der Ehegatten 4 . 1 Siehe Art. 8 des Abkommens und Kegel in Soergel-Siebert, BGB Bd. V, 9. Aufl. (1961), Bern. 99-101 zu Art. 13 EGBGB. 2 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 1 zu Art. 13 EGBGB. 3 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 85 zu Art. 13 EGBGB und Bern. 27 zu Art. 11 EGBGB. 4 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 73 zu Art. 13 EGBGB, mit ausführlichen Reditsprechungs- und Literaturhinweisen Fußnote 2.

Heirat / Belgien, Polen, Ungarn

113

V o m polnischen Recht aus findet eine Rück- oder Weiterverweisung, die entsprechend Art. 27 EGBGB zu beachten wäre, nicht statt. Dies ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 des polnischen Gesetzes vom 2. 8. 1926 über internationales Privatrecht. Die genannte Vorschrift bestimmt: „Die rechtliche Fähigkeit zur Eingehung einer gültigen Ehe wird für jede Partei nach dem Gesetz ihres Heimatlandes beurteilt." (Deutsche Ubersetzung der polnischen und ungarischen Gesetze aus Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsredit, Bd. I, 2. Aufl. 1938.) Bei Formfragen reicht nach Art. 13 des polnischen Gesetzes v o m 2. 8. 1926 die Einhaltung des Ortsstatuts oder Geschäftsstatuts aus. Art. 13 aaO bestimmt: „Die Form der Eheschließung unterliegt dem Recht, welches am Ort der Eheschließung gilt. Zur Gültigkeit einer außerhalb des Staatsgebiets Polens geschlossenen Ehe genügt die Wahrung der Form, welche von dem Recht des Heimatstaates beider Ehegatten vorgeschrieben ist." Auch nach dem in Ungarn geltenden internationalen Privatrecht findet bezüglich der Ehefähigkeit keine Rück- oder Weiterverweisung statt. Dies ergibt sich aus §§ 108, 110 des im Jahre 1936 noch geltenden ungarischen Gesetzes-Artikel XXXI vom Jahre 1894 über das Eherecht. Diese bestimmen: § 108 aaO: „Die Gültigkeit im Auslande geschlossener Ehen muß hinsichtlich des Alters und der Handlungsfähigkeit bezüglich eines jeden der Ehegenossen ausschließlich nach den Gesetzen des Vaterlandes beider Parteien beurteilt werden, sofern diese Gesetze nicht die Anwendung eines andern Gesetzes anordnen oder das gegenwärtige Gesetz nicht anders verfügt." § 110 aaO: Den ungarischen Staatsbürger verpflichten, wenn er auch im Auslande eine Ehe schließt, die §§ 14-27 und 124 des gegenwärtigen Gesetzes." Die in § 110 aaO genannten Vorschriften enthalten die nach ungarischem Recht bestehenden Eheverbote. Zweifel ergeben sich nach ungarischem internationalen Privatrecht bezüglich der Formfragen. §113 Abs. 1 des Gesetzes-Artikel XXXI vom Jahre 1894 bestimmt hierfür: „Die Gültigkeit der Ehe ist hinsichtlich der formellen Erfordernisse nach den zur Zeit und am Orte der Eheschließung bestehenden Gesetzen zu beurteilen." Eine dem Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB oder dem Art. 13 Abs. 2 des polnischen Gesetzes v o m 2. 8. 1926 entsprechende Vorschrift fehlt in § 113 aaO. A u s der dem Institut zugänglichen Literatur über ungarisches Recht läßt sich nicht entnehmen, ob sich die Formfragen bei der Eheschließung 8

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

114

Familienrecht

entsprechend dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 aaO nur nach dem Ortsstatut - hier belgisches Recht - beurteilen, oder ob auch die Wahrung der von den Heimatrechten vorgeschriebenen Form genügt. Das Landgericht hat im vorliegenden Fall § 113 aaO ohne weitere Hinweise im ersteren Sinne ausgelegt. Folgt man dieser Auslegung, dann verweist das Heimatrecht der Klägerin hinsichtlich der Formgültigkeit der Ehe der Klägerin ausschließlich auf belgisches Recht. D. h. nach dem Geschäftsstatut des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (Heimatrecht der beiden Ehegatten) ergibt sich wegen der Weiterverweisung des ungarischen Kollisionsrechts bezüglich der Formgültigkeit der Ehe nichts günstigeres als nach dem Formstatut des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (belgisches Recht). Läßt aber das ungarische Kollisionsrecht für die Formfragen bei der Eheschließung über den Wortlaut des § 113 Abs. 1 aaO hinaus auch die Beachtung der Heimatrechte der Ehegatten genügen - was im Hinblick auf die gleiche Regelung in fast allen anderen Rechtsordnungen sehr wahrscheinlich ist - , dann ist im vorliegenden Fall bedeutsam, ob nach ungarischem und polnischem materiellen Recht in jüdisch-religiöser Form geheiratet werden konnte. Im Hinblick auf das ungarische Eherecht (siehe anschließend Ziff. II) kommt es auf die Auslegung des § 113 Abs. 1 aaO letzten Endes nicht an.

II. Ungarisches

Eherecht

Für die Form der Eheschließung bestimmen §§ 29 und 30 des ungarischen Gesetzes-Artikel XXXI vom Jahre 1894, der im Jahre 1936 noch galt: §29: „Die Ehe muß vor einem Zivilbeamten geschlossen werden. Zivilbeamter ist: a) b) c) d) e)

der Matrikelführer; der erste Beamte des Munizipiums; der Oberstuhlrichter; der Bürgermeister der Stadt mit geregeltem Magistrat; der diplomatische Vertreter, Konsul der österreichisch-ungarischen Monarchie und die Stellvertreter derselben innerhalb der Grenzen der von der ungarischen Regierung erhaltenen Ermächtigung."

§30: „Als vor dem Zivilbeamten abgeschlossen ist die Ehe zu betrachten, wenn die öffentliche Meinung denjenigen, vor dem die Ehe geschlossen worden ist, für einen Zivilbeamten hält, ausgenommen, wenn beide Teile von dem Entgegengesetzten Kenntnis hatten. Eine solche Eheschließung, welche nicht vor dem Zivilbeamten erfolgt, wird kraft des Gesetzes nach keiner Hinsicht als Ehe betrachtet."

Aus diesen Vorschriften, insbesondere aus § 30 Abs. 2 aaO, ergibt sich, daß nach ungarischem Recht eine nicht standesamtlich geschlossene Ehe

Heirat / Belgien,

Polen,

Ungarn

115

als Nichtehe anzusehen ist. Ob nach polnischem Recht die Ehe demgegenüber Gültigkeit hätte, kann dahinstehen, da dasjenige der beiden Heimatrechte der Ehegatten im Rahmen des Geschäftsstatuts des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB den Ausschlag gibt, das der Ehe die geringeren Wirkungen beilegt. Die Ehe der Klägerin kann daher allenfalls noch nach dem Ortsstatut (belgisches Recht) gültig sein.

III. Belgisches

Eherecht

Da die belgische und französische Rechtsprechung und Lehre ständig wechselseitig aufeinander verweisen, wird im folgenden bei der Beurteilung der Gültigkeit der in jüdisch-religiöser Form geschlossenen Ehe nach belgischem Recht auch französische Rechtsprechung und Literatur angeführt. Nach einer verbreiteten Lehre in der französisch-belgischen Literatur sind die Fälle der Nichtigkeit einer Ehe im code civil erschöpfend aufgezählt 5 . Die Nichtigkeit einer Ehe muß hierbei, um beachtet werden zu können, durch Gericht aufgrund einer Ehenichtigkeitsklage festgestellt werden 6 . Der Fall, daß eine „Ehe" ohne Beachtung der Vorschriften über die obligatorische Zivilehe 7 geschlossen wird, fällt nicht unter die vom Gesetz aufgezählten Nichtigkeitsgründe. Dennoch verneint die belgisch-französische Lehre in diesem Fall eine wirksame Ehe. Ein Teil der Lehre, vorwiegend die ältere Lehre 8 , begründet dies damit, daß es neben den im code civil aufgezählten Fällen der Nichtigkeit (nullité) der Ehe noch Fälle gebe, in denen von einer wirksamen Ehe nicht gesprochen werden könne, so insbesondere im Falle der Gleichheit der Geschlechter und beim Fehlen einer Heiratszeremonie vor dem belgischen oder französischen Standesbeamten. Diese sog. „théorie des mariages inexistants" (zu deutsch: Theorie der nichtbestehenden Ehen) besagt, daß in den genannten Fällen das Nichtbestehen einer Ehe selbstverständlich sei und deshalb in einem Nichtigkeitsverfahren nicht ausdrücklich festgestellt zu werden brauche. 6 Vgl. die ständig in der französischen Literatur wiederkehrende These „pas de nullité de mariage sans texte" (deutsch: keine Nichtigkeit der Ehe ohne gesetzliche Bestimmung); siehe z. B. Ripert-Boulanger, Traité de droit civil, Bd. 1 (1956), 517 Nr. 1318; Colin-Capitant-de ia Morandière, Traité de droit civil, Bd. 1 (1957), 589 Nr. 991, 992. 6 Dekkers, Précis de droit civil beige (Brüssel 1954) Bd. 1, 157; Planiol-RipertRouast, Traité Pratique de droit civil français, 2. Aufl. Bd. 2 (1952), 202; ColinCapitant-de la Morandière, Bd. 1, 590. 7 Siehe Art. 16 Abs. 2 der belgischen Verfassung, der staatliche Trauung vor der kirchlichen vorschreibt. 8 Aubry-Rau-Esmein, Droit civil français, 6. Aufl. Bd. VII (1948), 32; weitere Lit. siehe Aubry-Rau-Esmein, 33, Fußnote 37.

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116

Familienrecht

Eine in solchen Fällen vorhandene sog. „mariage inexistant" sei ein Nichts (vgl. die deutsche Nichtehe), da es an einem wesentlichen Element der Ehe fehle, und jeder könne sich auf die Unwirksamkeit einer solchen Ehe berufen, ohne die Unwirksamkeit erst gerichtlich geltend machen zu müssen 9 . Diese Lehre hält das Prinzip der oben genannten These aufrecht: „pas de nullité de mariage sans texte". Würde man auch in diesen weder im belgischen noch im französischen code civil genannten Fällen Nichtigkeit (nullité) der Ehe annehmen, so wäre diese These aufgegeben. Es müßte dann auch in diesen Fällen erst durch Nichtigkeitsklage die Ehenichtigkeit geltend gemacht werden. Gegen diese Lehre der „mariages inexistants" wurden in neuerer Zeit Bedenken geäußert 1 0 . Im Anschluß an den vielzitierten Ausspruch von Tronchet (bei Fenet, Recueil complet des travaux préparatoires du Code civil, Bd. 9, 53) „il y a toujours un titre et une apparence à détruire" (zu deutsch: es besteht immer ein Teil und Anschein - sc. einer Ehe - , der zu beseitigen ist) wird geltend gemacht, daß auch beim Fehlen einer Heiratszeremonie vor einem belgischen oder französischen Standesbeamten (z. B. bei Trauung nur vor einem Priester) immer dann die Unwirksamkeit einer Ehe erst durch richterliche Entscheidung festgestellt werden muß, wenn der Anschein einer gültigen Ehe entstanden sei. Wann der Anschein einer Ehe beim Fehlen einer standesamtlichen Trauung vorhanden ist, wird unterschiedlich beurteilt. Einig ist man sich, daß beim Fehlen jeglicher Zeremonie ein Anschein einer Ehe nicht besteht. Streitig ist die Lage bei der Heirat vor einem Priester (sc. Rabbiner). Zum Teil wird vertreten, daß immer dann ein „zu zerstörender Anschein einer Ehe" geschaffen werde, wenn irgendeine Zeremonie („célébration", z.B. Heirat vor einem Priester) stattgefunden habe 1 1 . Die Ablehnung der „théorie de mariage inexistants" wird z. T. auch daraus gefolgert, daß z. B. in den Fällen der Heirat vor einem Priester der gutgläubige Ehegatte durch das Rechtsinstitut der „Putativehe" geschützt werden müsse. Eine solche kommt jedoch nur bei nichtigen Ehen (mariages nuls) in Betracht. Dies ergibt sich aus Art. 201 des belgischen 9 Hierzu Planiol-Ripert-Rouast, Traité Pratique de droit civil français, 2. Aufl. Bd. 2 (1952), 202, Nr. 253 Ziff. 1. 10 Siehe de Page, Traité élémentaire de droit civil beige, 3. Aufl., Bd. 1 (Brüssel 1962), 789 f., Nr. 647; Dekkers, Bd. 1, 157; Colin-Capitant-de la Morandière, Traité de droit civil, Bd. 1 (1957), 589, Nr. 992; Saleilles, La distinction de l'inexistence et de la nullité du mariage, Bulletin Soc. Etudes législ., 1911, 351 f. Weitere Literatur bei Planiol-Ripeit-Rouast, Bd. 2, 203 Fußnote 1. 11 de Page, 789 f.; sinngemäß auch Colin-Capitant-de la Morandière, Bd. 1, 591; vgl. auch Piiet, Des conditions et des effets du mariage putatif, Revue Critique de Jurisprudence Belge, 1953, 256-269 (264) und insbesondere Kalpers, Nichtehe und nichtige Ehe im französischen und belgischen Recht, Diss. Köln 1962, 86 ff. und 96 ff.

Heirat / Belgien, Polen, Ungarn

117

und französischen code civil, der nur von nichtig erklärten Ehen („... mariage qui a été déclaré nul...") spricht. Art. 201 aaO lautet: .Le mariage qui a été déclaré nul produit néanmoins les effets civils, tant à l'égard des époux qu'à l'égard des enfants, lorsqu'il a été contracté de bonne foi." Art. 202 aaO bestimmt ergänzend: „Si la bonne foi n'existe que de la part de l'un des deux époux, le mariage ne produit les effets civils qu'en faveur de cet époux, et des enfants issus du mariage."

Eine Ehe, die für nichtig erklärt wurde, bringt gleichwohl die bürgerlichen Wirkungen in Ansehung sowohl der Ehegatten wie der Kinder hervor, falls sie in gutem Glauben geschlossen worden ist. War nur einer der beiden Ehegatten in gutem Glauben, so bringt die Ehe die bürgerlichen Wirkungen nur zugunsten dieses Ehegatten und der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder hervor.

Es wird angeführt, daß auch bei Heirat vor einem Priester (sc. Rabbiner) der Anschein einer Ehe entstehe, und daß der gutgläubige Ehegatte, der auf das Bestehen der Ehe vertraue, ebenso Schutz verdiene wie ein Ehegatte, der trotz Vorhandenseins eines im code civil aufgezählten Nichtigkeitsgrundes auf das Bestehen der Ehe vertraut 1 2 . Zum Teil wird die Unterscheidung von nicht existierenden (mariages inexistant) und nichtigen Ehen (mariages nuls) wegen Fehlens jedes logischen Grundes für diese Unterscheidung gänzlich verworfen 1 3 . Es wird geltend gemacht, daß die im Gesetz aufgezählten Nichtigkeitsgründe wie Bigamie und Blutsverwandtschaft mindestens ebenso schwer wögen wie das Fehlen einer Trauung vor dem Standesbeamten; deshalb dürften die im Gesetz nicht aufgeführten Nichtigkeitsgründe nicht anders behandelt werden als die vom Gesetz genannten. überwiegend aber folgt man dem zwischen den beiden Extremen - beim Fehlen standesamtlicher Heirat entweder immer „mariage inexistant" oder immer „mariage nul" - verlaufenden Mittelweg, den auch die belgisch-französische Rechtsprechung zu gehen scheint. Man hält an der grundsätzlichen Trennung zwischen „mariages inexistants" und „mariages nuls" fest, beschränkt aber die „mariages inexistants" auf die Fälle, in denen der Anschein einer gültigen Ehe nicht entstanden ist, z. B. bei unbestreitbarer Gleichheit des Geschlechts oder beim Fehlen einer „ apparence sérieuse de célébration par une personne qu'on a pu croire qualifiée" (ernsthafter Anschein einer feierlichen Trauung durch eine Person, die 12

So insbesondere de Page, Bd. 1, 790, 800 f.; über Ausschluß einer Putativehe bei „mariage inexistant" vgl. Planiol-Ripert-Rouast, Bd. 2, 203; Ripert-Boulanger, Bd. 1, 518; Colin-Capitant-de la Morandière, Bd. 1, 594 (Nr. 997 Ziff. 2). 13 Dekkers, Bd. 1, 157; weitere Literatur bei Piret, 259.

118

Familienrecht

man - sc. zur Vornahme einer wirksamen Eheschließung - für befugt halten durfte) l 4 . Der Anschein einer Ehe wird immer dann geleugnet, wenn Franzosen in Frankreich oder Belgier in Belgien vor einer anderen Person als dem Standesbeamten die „Ehe" schließen 15 . In den andern Fällen (nicht standesamtliche Heirat zweier Ausländer oder eines Ausländers und eines Franzosen in Frankreich oder zweier Franzosen im Ausland) genügt gemäß Ripert-Boulanger (aaO) zur Begründung des Anscheins einer wirksamen Ehe und damit für den Ausschluß einer „mariage inexistant" der gute Glaube eines oder beider Ehegatten an den Bestand der Ehe. Der gute Glaube wird hiernach zum Kriterium für das Vorhandensein einer nichtigen Ehe (mariage nul) oder einer Nichtehe (mariage inexistant). Vertraut mindestens einer der beiden „Ehegatten" auf das Bestehen einer Ehe, so wird dadurch eine „mariage inexistant" ausgeschlossen und die Grundlage für eine Putativehe gemäß Art. 201, 202 des belgischen und französischen code civil geschaffen. Bis zur gerichtlichen Geltendmachung der Nichtigkeit kann sich niemand auf die Nichtigkeit einer solchen Ehe (mariage nul) berufen. Sie gilt bis zur gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit als bestehend 1 6 . Ist eine solche „mariage nul" für nichtig erklärt, so gilt sie hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen zugunsten des gutgläubigen Ehegatten und der aus der Ehe entsprungenen Kinder gemäß der Art. 201 und 202 code civil als fortbestehend (Putativehe). Soweit ersichtlich hat sich die belgische und französische Rechtsprechung bisher noch nicht ausdrücklich für oder gegen die „théorie des mariages inexistants" ausgesprochen. Man trifft zwar den Ausdruck „mariage inexistant" in einigen Urteilen; jedoch läßt sich diesen Entscheidungen nicht mit Sicherheit entnehmen, ob nicht der Begriff der „inexistance" der „nullité" (Nichtigkeit) gleichgesetzt wird. Aus einigen Urteilen läßt sich mittelbar entnehmen, daß die französischbelgische Rechtsprechung der oben angeführten Mittelmeinung zu folgen scheint. In diesen Entscheidungen wurde eine Putativehe trotz Fehlens der Trauung vor einem Standesbeamten bejaht und damit für die entschiedenen Fälle im Hinblick auf Art. 201 c. c. („...mariage qui a été déclaré nul...") eine Nichtehe (mariage inexistant) mittelbar abgelehnt. So nahm der Kassationshof von Paris in seinem Urteil vom 5.1. 191017 eine Putativehe an bei einer zwischen einem Juden französischer Staatsangehörigkeit und einer Jüdin algerischer Staatsangehörigkeit in jüdisch14 Planiol-Ripert-Rouast, Bd. 2 (1952), 206 und 252; Ripert-Boulanger, (1956), 518, Nr. 1320 und 1322; Saleilles, 353. 15 So Ripert-Boulanger, Nr. 1322; vgl. auch Piret, 261. 16 Siehe die Literaturangabe oben S. 116. 17 Siiey, 1912, 1, 249 m. Anm. Naquet.

Bd. 1

Heirat / Belgien, Polen,

Ungarn

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religiöser Form in Algerien (Rechtsbereich des französischen code civil) geschlossenen Ehe. Auch in seinem Urteil vom 30. 7. 190018 bejahte der Kassationshof eine Putativehe bei Heirat eines Engländers und einer Französin vor einem nicht zuständigen englischen Konsul. In Belgien hat das Appellationsgericht von Liège in einer Entscheidung vom 19. 2. 195319 bei Heirat von zwei Italienern in Belgien vor einem italienischen Priester eine Putativehe angenommen. In einer Entscheidung vom 21. 4. 1956 hat das Zivilgericht in Brüssel 20 eine in Antwerpen zwischen zwei staatenlosen Juden nur vor dem Rabbiner geschlossene Ehe als „mariage nul" (nichtige Ehe) und nicht als eine „mariage inexistant" (Nichtehe) bezeichnet. Dasselbe Gericht hat In einer Entscheidung vom 25. 7. 1952 21 offenbar im Anschluß an die oben genannte Lehre ausgesprochen, daß auch bei nur religiös geschlossenen Ehen ein Anschein einer Ehe entstehe, der erst durch Nichtigkeitsklage beseitigt werden müsse. Dagegen haben die belgisch-französischen Gerichte - soweit ersichtlich - nie eine nur nichtige Ehe (mit oder ohne Gutglaubensschutz) angenommen, wenn zwei Schlechtgläubige oder zwei Belgier bzw. Franzosen in Belgien bzw. Frankreich religiös geheiratet haben. Der Grund hierfür dürfte wohl sein, daß die „Eheschließenden" in solchem Falle nicht davon ausgehen konnten, ihre Ehe sei wirksam, und daß deswegen ein zu beseitigender Anschein für eine Ehe nicht geschaffen wurde (Folge: mariage inexistant) 22 . Aufgrund der oben angeführten Mittelmeinung in der französischen Lehre, der anscheinend auch die mitgeteilte belgisch-französische Rechtsprechung folgt, ist das Institut in seiner bisherigen Gutachtenpraxis davon ausgegangen, daß eine in Belgien oder Frankreich in jüdischreligiöser Form geschlossene Ehe dann nach belgisch-französischem Recht als wirksame Putativehe, d.h. als vernichtbare Ehe mit Schutz des oder der gutgläubigen Gatten, anzusehen ist, wenn die Eheschließenden nicht belgische bzw. französische Staatsangehörige gewesen sind und wenn wenigstens einer der Ehegatten hinsichtlich der Wirksamkeit der in dieser Form geschlossenen Ehe gutgläubig gewesen ist. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß die Klägerin und ihr Ehemann in einer wirksamen Putativehe leben, wenn wenigstens einer von ihnen bei Eingehung der Ehe hinsichtlich der Wirksamkeit der in jüdisch-religiöser Form geschlossenen Ehe gutgläubig gewesen ist. Nach Art. 201, 202 code civil (Text oben S. 117) ist diese Ehe zugunsten des gutgläubigen Ehegatten auch 18 19 20 21 22

Dalloz périodique, 1910, 1, 317. Revue critique de Jurisprudence Belge, 1953, 253 f. Pasicrisie Belge 1957. III. 79. Revue pratique du notariat belge, 1953, 67. Vgl. Piret, 264.

120

Familienrecht

dann als gültig anzusehen, wenn sie in einem Gerichtsverfahren wegen Formmangels für nichtig erklärt worden ist. Nach ständiger Gutachtenpraxis des Instituts ist im Rahmen des Wiedergutmachungsrechts eine nur in jüdisch-religiöser Form geschlossene Ehe - auch wenn nach dem anzuwendenden Recht diese unwirksam wäre immer dann als gültig zu behandeln, wenn den Ehegatten wegen der Verfolgung durch den Nationalsozialismus und der damit verbundenen Lebensgefahr eine standesamtliche Trauung nicht möglich oder nicht zuzumuten war. Zwar war zum Zeitpunkt der Heirat der Klägerin (1936) Belgien noch nicht nationalsozialistisch besetzt und insoweit scheidet daher dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall aus. Aber die Eheleute wollten einige Jahre später die standesamtliche Heirat nachholen, das Aufgebot war bestellt und die Heirat wurde nur durch die Verschleppung des Ehemanns verhindert. Es verstieße gegen den Sinn der Wiedergutmachung, einer Frau, die nur wegen der Verfolgung nicht mehr gültig heiraten konnte, die Stellung einer Ehefrau zu versagen.

IV.

Ergebnis

Die nur in jüdisch-religiöser Form geschlossene Ehe der Klägerin ist nach belgischem Recht, das nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB als Formstatut zur Anwendung kommt, als sog. Putativehe anzusehen, wenn wenigstens einer der Ehegatten hinsichtlich des Formmangels zum Zeitpunkt der Eheschließung gutgläubig gewesen ist. Ist einer der beiden schlechtgläubig gewesen, dann ist die Ehe trotzdem in vollem Umfang gültig, bis sie in einem besonderen Gerichtsverfahren für nichtig erklärt worden ist. Ist sie für nichtig erklärt worden, dann bleibt sie trotzdem zugunsten der Klägerin nach Art. 202 code civil voll wirksam, wenn die Klägerin gutgläubig gewesen ist. Selbst bei Bösgläubigkeit der Klägerin kann ihr für den Wiedergutmachungsanspruch die Stellung einer Ehefrau nicht vorenthalten werden, wenn sie durch Verfolgung an gültiger Heirat gehindert worden ist.

Nr. 12 Dänemark, Italien 1. Gültigkeit der Eheschließung eines in Deutschland geschiedenen, katholischen Italieners mit einer ledigen Deutschen in Tondern/DänemaTk. 2. Nichtanerkennung sowohl des deutschen Scheidungsurteils als auch des kirchlichen Ehenichtigkeitsurteils durch Italien, falls die erste Ehe nicht als Konkordatsehe ins italienische Heiratsregister eingetragen war.

Heirat / Dänemark,

Italien

121

3. Wirksamkeit der bigamischen Eheschließung nach italienischem Recht bis zum Erlafi eines Ehenichtigkeitsurteils. 4. Keine Legitimation des vorehelichen Kindes wegen des Anerkennungsverbotes von Ehebruchkindern (Art. 252 Codice Civile). München G 1287 - 67 vom 22. 7. 1966

SACHVERHALT Der Antragsteller, ein geschiedener italienischer Staatsangehöriger römisch-katholischer Konfession mit ständigem Wohnsitz in Deutschland, hat am 3. Mai 1966 in Tondern/Dänemark mit einer ebenfalls katholischen, ledigen deutschen Staatsangehörigen standesamtlich die Ehe geschlossen; eine kirchliche Eheschließung w a r bereits am 16. Mai 1963 in München erfolgt. Seine erste in Deutschland standesamtlich und kirchlich geschlossene Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen ist in Anwendung von Art. 17 Abs. 3 EGBGB durch Urteil des Landgerichts München I vom 19. Februar 1957 geschieden worden. Das Metropolitangericht Bamberg hat diese Ehe durch Urteil vom 19. Februar 1957 für nichtig erklärt; die Ausführungsverfügung wurde durch das Consistorium des Erzbistums München und Freising an die Corte di Appello in Bari übersandt. Dieses Gericht versagte jedoch mit Beschluß vom 24. März 1959 dem Ehenichtigkeitsurteil des Metropolitangerichts Bamberg die bürgerliche Anerkennung mit der Begründung, daß die kirchliche Eheschließung nicht im Heiratsregister vermerkt sei. Die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses wurde dem Antragsteller versagt durch Beschluß vom 17. Dezember 1962, durch den sein Antrag, den versagenden Bescheid des Oberlandesgerichtspräsidenten aufzuheben, zurückgewiesen wurde. Aus der zweiten Verbindung des Antragstellers ist ein Sohn hervorgegangen, nämlich Domenico, geb. am 15. 11. 1955. Der Antragsteller hat am 12. Dezember 1955 zur Niederschrift des Amtsgerichts München - Vormundschaftsgericht - die Vaterschaft anerkannt. Das Amtsgericht München - Vormundschaftsgericht — das über einen Antrag auf Feststellung der Legitimation des Kindes Domenico durch nachfolgende Eheschließung seiner Eltern zu entscheiden hat, wünscht zu wissen, ob die in Tondern geschlossene Ehe des Antragstellers nach deutschem Recht rechtswirksam ist, ferner, ob nach italienischem Recht das Mutterschaftsanerkenntnis gemäß § 29 a PStGes vor einem deutschen Standesbeamten abgegeben werden kann.

Familienrecht

122 I. Vorbemerkung

bezüglich des anzuwendenden

Rechts

Das anfragende Gericht geht offenbar von der Auffassung aus, daß die Gültigkeit der Eheschließung im vorliegenden Falle nach den Vorschriften des deutschen Internationalen Privatrechts zu beurteilen ist. 1. Festzuhalten ist, daß es im vorliegenden Verfahren um die Legitimation des Kindes Domenico geht. a) Es besteht Einigkeit darüber, daß aus Art. 22 EGBGB (dort ist an sich nur von dem Geltungsbereich deutscher Gesetze die Rede) die allseitige Kollisionsnorm abzuleiten ist, daß für die Legitimation das Heimatrecht des Vaters zur Zeit der Legitimation maßgebend ist. Dies führt im vorliegenden Fall zur Maßgeblichkeit des italienischen Rechts, weil der Legitimierende italienischer Staatsangehöriger ist. Die deutsche Staatsangehörigkeit der Frau und des Kindes spielen demgegenüber keine Rolle. Die Frau ist übrigens durch die Eheschließung italienische Staatsangehörige geworden, also Doppelstaaterin1. b) Vor Anwendung des demnach maßgeblichen italienischen Rechtes ist die Frage einer evtl. Rückverweisung zu prüfen. Nach der von der Rechtsprechung unter Führung des Reichsgerichts vertretenen sog. Gesamtverweisungstheorie ist eine Rückverweisung nicht nur in den durch Art. 27 EGBGB ausdrücklich bezeichneten Fällen, sondern grundsätzlich immer zu berücksichtigen, weil die Verweisung auf ein ausländisches Recht, die sich in einer deutschen Kollisionsnorm findet, sich auch auf das internationale Privatrecht der betreffenden, von der deutschen Kollisionsnorm bezeichneten Rechtsordnung bezieht. Das italienische internationale Privatrecht findet sich in dem Art. 16 ff. der „Disposizioni Preliminari" (= Einleitungsbestimmungen) des Codice Civile (CC) von 1942. Diese Bestimmungen beruhen auf dem Staatsangehörigkeitsprinzip und enthalten daher auch bezüglich der Legitimation nicht etwa eine Weiterverweisung auf das Recht des Wohnsitzortes der Beteiligten, wie dies im anglo-amerikanischen Recht der Fall ist. Es kommt daher nicht zu einer Rückverweisung des italienischen Internationalen Privatrechts auf das deutsche Recht. 2. Richtet sich somit die Legitimation nach italienischem Recht, so ist damit noch nicht gesagt, ob sich das Bestehen einer Ehe zwischen den Kindseltem ebenfalls nach italienischem Recht richtet. a) Das Bestehen der Ehe bzw. die Gültigkeit der Eheschließung ist für die Legitimation Vorfrage. 1 Vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 des italienischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13. 6. 1912 in seiner jetzt geltenden Fassung, abgedruckt in deutscher Ubersetzung bei Bergmann, Internat. Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl.) Loseblattausgabe, Abschnitt Italien 4.

Heirat / Dänemark,

Italien

123

Nach welchem Recht die Vorfrage zu beurteilen ist, ist in Lehre und Rechtsprechung bestritten. aa) Eine Mindermeinung will sie in der Regel unselbständig anknüpfen, d. h. die Kollisionsregeln desjenigen Rechtes anwenden, das auf die zu entscheidende Hauptfrage anzuwenden ist 2 . bb) Eine andere Auffassung will zwar prinzipiell die Vorfrage unselbständig anknüpfen, gesteht jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zu 3 . cc) Die ganz überwiegende Rechtsprechung knüpft Vorfragen selbständig nach den Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts an 4 . b) Das Institut gibt hier der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung befolgten Auffassung zu cc) den Vorzug, da es gerade bei der Eheschließung nicht angeht, sie einesteils in Deutschland als wirksam anzusehen, andererseits aber eine Legitimation der aus einer derartigen Ehe hervorgegangenen Kinder mit der Begründung abzulehnen, es bestehe keine gültige Ehe zwischen den Kindseltern. Die Frage, ob die Eheschließung des Antragstellers mit der Kindsmutter gültig ist, beurteilt sich daher gemäß Art. 13 EGBGB nach deutschem Recht für die Kindsmutter, nach italienischem Recht für den Antragsteller. c) Das italienische Internationale Privatrecht verweist nicht auf das deutsche Recht zurück (Art. 27 EGBGB); gemäß Art. 17 der Disposizioni preliminari zum Codice civile richtet sich der Status einer Person nach dem Recht des Staates, dem sie angehört. d) ü b e r die Folge der Verletzung von Eheverboten entscheidet das verletzte Recht 5 .

IL Die formelle Gültigkeit der am 3. Mai 1966 in Tondern geschlossenen 1. Anwendbares

Ehe

Recht

a) Die Formgültigkeit einer im Ausland geschlossenen Ehe beurteilt sich gemäß Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB in erster Linie nach den Vorschriften des gemeinsamen Heimatrechts der Verlobten, bei Fehlen eines gemeinsamen Heimatrechts müssen die Formen beider Heimatrechte gewahrt sein. b) Daneben genügt gemäß Art. 11 Abs. 1 S. 2 EGBGB die Beachtung der Ortsform. 2 So Serick, RabelsZ 21,235; Neuhaus, Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (Berlin-Tübingen 1962), 237 ff.; Wengler, RabelsZ 8 (1934) 148 ff. 3 Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961), 119; Henrich, StAZ 1966, 219 ff. 4 Nachweise bei Soergel-Kegel 46-49 vor Art. 7; ferner eingehend BayObLG in FamRZ 1964, 45, 47 und BGHZ 43, 213, 218 = N J W 1965, 1129 ff. 5 Soergel-Kegel, Anm. 73 zu Art. 13 EGBGB.

Famüienrecht

124 2. Dänisches

Recht

a) Die Eheschließungsform nach dänischem Recht. Maßgebend sind die §§ 28 ff. des Gesetzes Nr. 276 v o m 30. Juni 1922 über die Eingehung und Auflösung der Ehe in der Fassung v o m 25. 4. 1956. Sie lauten in deutscher Übersetzung 6 : § 28. Eine Ehe wird entweder durdi kirchliche oder durch bürgerliche Trauung geschlossen. § 29. (betreffen die kirchliche Trauung) § 30. (betreffen die kirchliche Trauung) § 31. Es steht allen offen, bürgerlich getraut zu werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen für eine kirchliche Trauung gegeben sind oder nicht. § 32. (1) Eine bürgerliche Trauung wird in Kopenhagen vom Magistrat vorgenommen, in den Städten und in Frederiksborg vom Bürgermeister und in den Landgemeinden vom Gemeindevorsteher oder der vom Amt gemäß § 20 gewählten Person. (2) (Bestellung von Stellvertretern mit Zustimmung der Gemeindeverwaltung) (3) Die in diesen Paragraphen genannten Behörden sind verpflichtet, eine Trauung und die damit verbundenen Verrichtungen wunschgemäß vorzunehmen, ohne Rücksicht darauf, ob einer der Verlobten in dem Bezirk der betreffenden Behörde wohnt. § 33-35. (nicht einschlägig) § 36. Die Trauung hat in Gegenwart von mindestens zwei Zeugen zu erfolgen. Die Verlobten müssen bei gleichzeitiger Anwesenheit auf die Frage des Pfarrers oder der bürgerlichen Behörde erklären, einander ehelichen zu wollen und sind darauf als Eheleute zu erklären. (Abs. 3 nicht einschlägig) b) Der Eheschließung muß gemäß § 20 in jedem Fall ein Aufgebot vorausgehen. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 hat aber die Verletzung der Vorschriften über das Aufgebot auf die Gültigkeit der Eheschließung keinen Einfluß. c) Es ist damit davon auszugehen, daß die vor dem Gemeindedirektor im Rathaus v o n Tondern geschlossene Ehe formgültig geschlossen ist. 3. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, daß auch nach italienischem Recht eine Eheschließung dann formgültig ist, w e n n die Ortsform gewahrt ist. Dies ergibt sich aus Art. 26 Disposizioni Preliminari, der lautet: „Art. 26. (1) La forma degli atti tra vivi e degli atti di ultima volontà è regolata dalla

(1) Die Form von Rechtsgeschäften unter Lebenden oder einer Verfügung

6 Aus: Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Band II, Dänemark, 11 ff.

Heirat

/ Dänemark,

legge del luogo nel quale l'atto è compiuto o da quello die regola la sostanza dell'atto, ovvero dalla legge nazionale del disponente o da quella dei contraendi, se è commune. (2) (dingliche Rechte)"

Italien

125

von Todes wegen richtet sich nach dem Gesetz des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird oder nach dem Gesetz, das für das Rechtsgeschäft selbst maßgebend ist oder nach dem Heimatrecht des Verfügenden oder nach dem Heimatrecht der Vertragsschließenden, wenn es ihnen gemeinsam ist.

Dieser Hinweis erfolgt im Hinblick darauf, daß es dem Gericht vorbehalten bleiben muß, entgegen der Auffassung des Instituts und der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Vorfrage der Gültigkeit der Eheschließung gemäß der oben unter I, 2, a, aa geschilderten Auffassung unselbständig, d. h. nach den Kollisionsregeln des für die Hauptfrage der Legitimation anwendbaren italienischen Rechts anzuknüpfen.

III. Die materielle

Gültigkeit

der

Eheschließung

Wie oben unter I, 2 b ausgeführt, wird gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Eingehung der Ehe in Ansehung des Antragstellers nach italienischem, in Ansehung seiner Ehefrau nach deutschem Recht beurteilt. 1. Bezüglich des deutschen Rechts ist ein Eingehen des Instituts auf die Rechtslage nicht erforderlich; es ergibt sich, daß sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau zur Zeit der Eheschließung ehefähig waren. Irgendwelche Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht der Eheschließung vom Standpunkt des deutschen Rechts aus nicht im Wege, daß das Ehehindernis des bestehenden Ehebandes ein sog. zweiseitiges ist: Für den deutschen Rechtsbereich war das erste Eheband des Antragstellers durch das rechtskräftige Scheidungsurteil des LG München I aufgelöst. 2. Nach italienischem Recht war der Antragsteller jedoch noch verheiratet. Die in Art. 131 EGBGB enthaltene Verweisung auf das italienische Recht als das Heimatrecht des Antragstellers verbietet es, hier die Gestaltungswirkung des deutschen Scheidungsurteils zugrunde zu legen. a) Nach italienischem Recht ist sowohl die zivile als auch die kirchliche Eheschließung zulässig. Allerdings entfaltet gemäß Art. 5 des Gesetzes vom 27. Mai 1929 n°847 über die Inkrafttretung des Konkordats vom 11. Februar 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien die kirchliche Eheschließung nur dann bürgerlich-rechtliche Wirkungen, wenn sie ins Heiratsregister eingetragen wird. Daß die erste kirchliche Eheschließung des Antragstellers nicht ins italienische Heiratsregister eingetragen worden ist, ergibt sich aus der Begründung des Appellationsgerichtes Bari, das die Anerkennung des kirchlichen Ehenichtigkeitsurteils ablehnt.

126

Familienrecht

b) Von der Art der Eheschließung hängt die Kompetenz für die Nichtigerklärung der Ehe ab: Handelt es sich um eine Zivilehe, so sind ausschließlich die staatlichen Gerichte zuständig; handelt es sich dagegen um eine kanonische Eheschließung, so kommt den kirchlichen Gerichten aufgrund von Art. 34 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem italienischen Staat die ausschließliche Kompetenz für die Nichtigerklärung der Ehe zu. Dabei wird die Kompetenz der staatlichen Gerichte zur Nichtigerklärung einer Zivilehe nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach der zivilen Eheschließung noch eine kirchliche Eheschließung erfolgt 7 . c) Demgemäß waren für die Nichtigerklärung der ersten Ehe des Antragstellers nicht die kirchlichen, sondern die staatlichen Gerichte kompetent. Das Appellationsgericht Bari hat daher nach den italienischen Vorschriften den Antrag auf Anerkennung des kirchlichen Nichtigkeitsurteils zu Recht zurückgewiesen. Um die Auflösung der für den staatlichen Bereich Italiens gültigen ersten Eheschließung zu erreichen, hätte sich der Antragsteller an ein staatliches italienisches Gericht wenden müssen. d) Das deutsche Scheidungsurteil findet in Italien ebenfalls keine Anerkennung. Nach italienischem Recht kann eine Ehe nicht geschieden werden; ein ausländisches Scheidungsurteil, durch das die Ehe eines Italieners geschieden wird, kann in Italien unter keinen Umständen anerkannt werden. Da ein Scheidungsurteil von einem Ehenichtigkeitsurteil wesensverschieden ist, bedarf es auch keines Eingehens auf die Frage, ob in Italien ein deutsches Ehenichtigkeitsurteil anerkannt werden könnte. Das deutsche Scheidungsurteil kann keinesfalls einem deutschen Ehenichtigkeitsurteil gleichgestellt werden. e) Es ergibt sich also, daß der Antragsteller zur Zeit seiner zweiten Eheschließung in Tondern nach seinem italienischen Heimatrecht noch in gültiger Ehe lebte. Damit bestand für ihn das Ehehindernis des bestehenden Ehebandes. 3. Wie schon oben ausgeführt, richten sich die Folgen dieses Verstoßes nach dem italienischen als dem verletzten Recht. a) Maßgebend hierfür sind die Art. 86 und 117 ff. Codice civile, die lauten: „Art. 86 Non puö contrarre matrimonio chi e vincolato da unmatrimonioprecedente.

Keine Ehe kann eingehen, wer bereits durch eine vorhergehende Eheschließung gebunden ist.

Art. 117 (1) Il matrimonio contratto con violaEine unter Verletzung der Art. 84, 86, 87 und 88 geschlossene Ehe kann auf zione degli articoli 84, 86, 87 è 88 può 7 Jemolo, Il matrimonio, Torino 1957 S. 303 u. S. 338.

Heirat / Dänemark, essere impugnato dagli sposi, dagli ascendenti prossimi, dal publico ministero e da tutti coloro che abbiano per impugnarlo un interesse legittimo e attuale. (2-4 nicht einschlägig.) " b) Die Wirkung

der

Italien

127

Antrag der Ehegatten, der nächsten Aszendenten, des Staatsanwalts und all derjenigen, die ein legitimes und aktuelles Interesse an der Nichtigerklärung haben, für nichtig erklärt werden.

Nichtigkeit

aa) Art. 128 Codice civile lautet: „Art. 128 Il matrimonio dichiarato nullo, quando è stato contratto in buona fede, ha rispetto ai coniugi, fino alla sentenza che pronunzia la nullità, gli effetti del matrimonio valido. Gli effetti del matrimonio valido si producono anchè rispetto ai figli nati o concepiti durante il matrimonio nullo, nonché rispetto ai figli nati prima del matrimonio che sono stati riconosciuti anteriormente alla sentenza die dichiara la nullità. Se uno solo dei coniugi è stato in buona fede, gli effetti valgono soltanto in favore di lui e dei figli.

Die für nichtig erklärte Ehe hat, sofern sie in gutem Glauben geschlossen wurde, hinsichtlich der Ehegatten bis zum Erlaß des Nichtigkeitsurteils die Wirkungen einer gültigen Ehe. Die Wirkungen einer gültigen Ehe erstrecken sich auch auf die während der für nichtig erklärten Ehe geborenen oder erzeugten Kinder, ebenso auf die vor der Ehe geborenen Kinder, sofern sie vor Erlaß des Nichtigkeitsurteils anerkannt worden sind. Falls nur einer der Ehegatten in gutem Glauben war, treten die Wirkungen nur zu seinen und der Kinder Gunsten ein.

Se entrambi i genitori sono stati in mala fede, i figli nati o concepiti durante il matrimonio hanno lo stato di figli naturali riconosciuti, nei casi in cui il riconoscimento è consentito."

Waren beide Ehegatten in bösem Glauben, so haben die während der Ehe geborenen oder erzeugten Kinder die Stellung anerkannter unehelicher Kinder in den Fällen, in denen die Anerkennung gestattet ist.

bb) Daraus ergibt sich, daß es, sofern die Ehe für nichtig erklärt wird, darauf ankommt, ob die Ehegatten bezüglich der Nichtigkeit in gutem Glauben waren. S o w e i t dies der Fall ist, hat die Ehe bis zur Nichtigerklärung die v o l l e n W i r k u n g e n einer gültigen Ehe. Gutgläubig ist ein Ehegatte im Sinne des Art. 128 dann, w e n n ihm, w e n n auch durch Fahrlässigkeit, das Ehehindernis unbekannt ist 8 , nicht aber, w e n n er Zweifel hegte, es aber unterließ, sich Aufklärung zu verschaffen. Ob der gute Glaube vermutet wird, ist in Lehre und Rechtsprechung umstritten 9 . Im v o r l i e g e n d e n Falle bedarf e s jedoch k e i n e s Eingehens auf d i e s e Streitfrage, da der Sachverhalt g e n ü g e n d Anhaltspunkte für die Entschei8 8

Jemolo, 182. Vgl. Novissimo Digesto Italiano, Turin 1964, Stichwort „matrimonio", Nr. 42.

Familienrecht

128

dung der Frage, ob einer oder beide Ehegatten in gutem Glauben waren, bietet, so daß ohnehin nicht nur aufgrund einer gesetzlichen Vermutung entschieden werden könnte. Festzuhalten ist, daß ein Rechtsirrtum in diesem Zusammenhang ebenso beachtlich ist wie ein Irrtum über Tatsachen 10 . c) Von ganz besonderer Bedeutung ist, daß sich die Frage des guten Glaubens überhaupt erst stellt, sobald die Ehe für nichtig erklärt worden ist. Solange dies nicht der Fall ist, treten alle Wirkungen einer gültigen Eheschließung ein, ohne daß es auf einen guten Glauben der Ehegatten anzukommen hat. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 128, der eine für nichtig erklärte Ehe voraussetzt, also nicht anwendbar ist, solange die Ehe noch nicht für nichtig erklärt worden ist. Es ergibt sich aber auch daraus, daß das Ehenichtigkeitsurteil, wie es in Art. 128 vorausgesetzt ist, ein Gestaltungsurteil ist 11 , im Unterschied zum kanonischen Recht, wo es rein feststellenden Charakter hat. Solange die Ehe nicht für nichtig erklärt ist, entfaltet sie somit alle Wirkungen einer gültigen Ehe. 4. Zusammenfassend ergibt sich also, daß die für das Legitimationsverfahren entscheidende Vorfrage der Wirksamkeit der in Tondern geschlossenen Ehe in Anwendung von Art. 13 I EGBGB, Art. 128 Codice civile dahingehend zu beantworten ist, daß dieser Eheschließung, solange kein Ehenichtigkeitsurteil ergangen ist, volle Wirksamkeit zukommt. Zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn man die Vorfrage nicht wie hier selbständig anknüpft, sondern die Anknüpfung dem Internationalen Privatrecht des auf die Hauptfrage anzuwendenden Rechts entnimmt 12 . Nach italienischem IPR beurteilt sich die Frage der Ehefähigkeit ebenfalls nach dem Heimatrecht eines jeden der Verlobten (Art. 17. Disp. prel.), also hinsichtlich des Antragstellers nach italienischem, hinsichtlich seiner Ehefrau nach deutschem Recht.

/V. Die für die Legitimation des Kindes Domenico maßgebenden Vorschriften des italienischen Rechts 1. Die einschlägigen

Bestimmungen

Maßgebend sind die Art. 280 ff. des Codice civile vom 16. 3. 1942. Art. 280 „La legittimazione attribusice a colui che è nato fuori di matrimonio la qualità di figli legittimo. 10

Jemoio, aaO.

11

Die Legitimation verleiht dem außerehelich Geborenen die Eigenschaft eines ehelichen Kindes.

Novissimo Digesto, aaO.

12

Vgl. oben I 2 a.

Heirat / Dänemark, Essa avviene per susseguente matrimonio contratto dai genitori del figlio naturale o per decreto reale."

Italien

129

Sie geschieht durch nachfolgende Ehe der Eltern des außerehelichen Kindes oder durch königliches Dekret (nunmehr durch Dekret des Präsidenten der Republik).

Art. 281 ,,Nè per susseguente matrimonio nè per decreto reale possono essere legittimati i figli che non possono essere riconosciuti."

Weder durch nachfolgende Ehe noch durch königliches Dekret können solche Kinder legitimiert werden, die nicht wirksam anerkannt werden können. (Hierzu vgl. Art. 251 und 252, welche die Anerkennung unehelicher Kinder dann ausschließen oder einschränken, wenn es sich um Kinder aus Blutschande oder aus Ehebruch handelt.)

Art. 283 „1 figli legittimati per susseguente matrimonio acquistano i diritti dei figli legittimi dal giorno del matrimonio, se sono stati riconosciuti da ambidue i genitori nell atto stesso del matrimonio o anteriormente, oppure dal giorno del riconoscimento, se quest'è avvenuto dopo il matrimonio... "

Die durch nachfolgende Ehe legitimierten Kinder erhalten die Rechte ehelicher Kinder vom Tage der Eheschließung an, wenn sie von beiden Eltern im Eheschließungsakt selbst anerkannt sind oder vom Tage der Anerkennung an, wenn diese Anerkennung nach der Eheschließung erfolgt i s t . . .

Die in Art. 281 erwähnten Bestimmungen lauten: Art. 251

Art. 251

„ I figli nati da persone, tra le quali esiste un vincolo di parentela anche soltanto naturale, in linea retta all'infinito o in linea collaterale nel secondo grado ovvero un vincolo di affinità in linea retta, non possono essere riconosciuti dai loro genitori, salvo che questi al tempo del concepimento ignorassero il vincolo esistente tra di loro. Quando uno solo dei genitori è stato in buona fede, il riconoscimento del figlio può essere fatto solo da lui."

Kinder von Personen, zwischen denen eine auch nur natürliche Verwandtschaft in der geraden Linie unbeschränkt oder in der Seitenlinie bis zum 2. Grade, oder eine Schwägerschaft in gerader Linie besteht, können von ihren Eltern nicht anerkannt werden, es sei denn, daß diese zur Zeit der Empfängnis das zwischen ihnen bestehende Band nicht kannten. War nur ein Elternteil im guten Glauben, so kann nur er das Kind anerkennen.

Art. 252

Art. 252

„1 figli adulterini possono essere riconosciuti dal genitore che al tempo del concepimento non era unito in matrimonio.

Ehebruchskinder können von dem Elternteil anerkannt werden, der zur Zeit der Empfängnis nicht verheiratet war.

9

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

Familienrecht

130

Possono essere riconosciuti anche dal genitore die al tempo del concepimento era unito in matrimonio qualora il matrimonio sia sciolto per effetto della morte dell'altro coniuge. Se in conseguenza del matrimonio sciolto vi sono figli legittimi o legittimati o loro discendenti legittimi, il riconoscimento non ha effetto se non dal giorno in cui è ammesso con decreto del Presidente della República previo parere del Consiglio di Stato. Il riconoscimento non può essere ammesso se i figli legittimi o legittimati non hanno raggiunto la maggiore età e se non sono stati sentiti. Se il genitore muore dopo la presentazione dell'istanza e prima dell'emanazione del decreto, gli effetti di questo risalgono alla data della morte. Se il riconoscimento è contenuto in un testamento, l'istanza per la concessione del decreto può essere fatta dal figlio o dal suo rappresentante legale non oltre un anno dalla pubblicazione del testamento." 2.

Sie können auch von dem Elternteil anerkannt werden, der zur Zeit der Empfängnis verheiratet war, falls die Ehe durch den Tod des anderen Ehegatten aufgelöst ist. Wenn aus der aufgelösten Ehe eheliche oder legitimierte Kinder oder Abkömmlinge von solchen vorhanden sind, hat die Anerkennung erst von dem Tage an Wirkungen, an dem sie durch ein nach Anhörung des Staatsrats erlassenes Dekret zugelassen ist. Die Anerkennung kann nicht zugelassen werden, wenn die ehelichen oder legitimierten Kinder noch nicht volljährig sind und wenn sie nicht gehört sind. Wenn der Elternteil nach Einreichung des Gesuches und vor Erlaß des Dekretes stirbt, so treten dessen Wirkungen mit dem Datum des Todes ein. Wenn die Anerkennung in einem Testament enthalten ist, so kann das Gesuch um Erlaß des Dekretes von dem Kinde oder seinem gesetzlichen Vertreter nicht später als ein Jahr nach der Testamentseröffnung gemacht werden.

Erläuterungen

a) Zum Verständnis des Art. 283 ist es nötig, darauf hinzuweisen, daß in Italien bezüglich der unehelichen Kinder nicht das Abstammungsprinzip herrscht, sondern der sog. Anerkennungsgrundsatz, d. h. ein uneheliches Kind kann g e g e n beide Eltern nur Unterhalts- etc. Ansprüche erheben, w e n n es v o n diesen (auch v o n der Mutter!) anerkannt ist (Art. 250 CC). Die Anerkennung hat eine viel weitgehendere Wirkung als das Anerkenntnis nach deutschem Recht, das nur eine befristete Unterhaltsverpflichtung erzeugt. Nach italienischem (und den meisten romanischen) Recht wird hierdurch eine weitgehende Verwandtschaft minderer Art erzeugt. Die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung tritt nur ein in Verbindung mit der Anerkennung des Kindes durch beide Eltern. b) Die Form der Anerkennung bestimmt: Art. 254 „II riconoscimento del figlio naturale è fatto nel atto di nascita, oppure con apposita dichiarazione, posteriore alla nascita o al concepimento, davanti a

Die Anerkennung des unehelichen Kindes geschieht im Geburtsschein, d. h. durch eine beigefügte Erklärung, die nach der Geburt oder nach der Emp-

Heirat / Dänemark, un ufficiale dello stato civile o davanti al guidice tutelare, o in un atto pubblico o in un testamento, qualunque sia la forma di questo."

Italien

131

fängnis vor einem Standesbeamten oder dem Vormundschaftsrichter abzugeben ist, oder in einer öffentlichen Urkunde oder in einem Testament, gleich wie dessen Form auch sei.

c) Im vorliegenden Fall hat der Vater des Kindes die Vaterschaft anerkannt; daß eine Mutterschaftsanerkennung gemäß § 29 a PStG erfolgen soll, ergibt sich aus der Anfrage. aa) Die am 12. Dezember 1955 zur Niederschrift des Amtsgerichts München - Vormundschaftsgericht - abgegebene Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller ist nichtig, da der Antragsteller zu dieser Zeit, wie auch zur Zeit der Empfängnis, noch in gültiger Ehe lebte und somit gemäß Art. 252 Codice civile keine gültige Anerkennung abgeben konnte. bb) Eine nachträgliche Anerkennung ist nach italienischem Recht wirksam, anders als im französischen Recht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 283 Codice civile. Die Wirkung der Legitimation tritt in diesem Falle allerdings erst mit der Anerkennung ein. Einer derartigen nachträglichen Anerkennung des Kindes Domenico durch den Antragsteller steht jedoch auch heute noch, ebenso wie im Jahre 1955, das Verbot der Anerkennung von Ehebruchskindern entgegen, wie es in Art. 252 Abs. 1 Codice civile enthalten ist. (1) Zwar lassen Art. 252 Abs. 2 - 4 die Anerkennung eines Ehebruchskindes unter gewissen Voraussetzungen zu. Unbedingt erforderlich ist aber, daß die Ehe, die zur Zeit der Erzeugung des Ehebruchskindes der Anerkennung entgegenstand, inzwischen aufgelöst ist; nach dem Wortlaut des § 252 Abs. 2 ist die Anerkennung nur dann möglich, wenn die Ehe durch den Tod des anderen Ehegatten aufgelöst ist. (2) Auf die Frage, ob Art. 252 Abs. 2 auch auf die Fälle Anwendung findet, in denen eine Ehe anders als durch Tod aufgelöst ist, bedarf es hier keines Eingehens. Nach italienischem Recht ist nämlich die erste Ehe des Antragstellers, wie schon oben unter II 2 d - e ausgeführt, unter keinem möglichen rechtlichen Gesichtspunkt aufgelöst, da Italien weder das Ehescheidungsurteil des Landgerichts München I noch das Ehenichtigkeitsurteil des Metropolitangerichts Bamberg anerkennt. Für das italienische Recht ist der Antragsteller noch mit seiner ersten Ehefrau verheiratet (unbeschadet der Gültigkeit der zweiten Eheschließung bis zu ihrer Nichtigerklärung). Dieses fortbestehende Eheband hindert ihn an der Abgabe einer rechtswirksamen Anerkennungserklärung, welche wiederum Voraussetzung für den Eintritt der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung ist. (3) Dagegen hätten Kinder, die während der zweiten Ehe des Antragstellers geboren werden, rechtlich die Stellung von ehelichen Kindern, da 9 »

132

Familieniedit

es in diesem Falle nicht auf die Anerkennung, sondern nur auf die Geburt während der Ehe ankäme. (4) Eine Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 30 EGBGB gegenüber dem Verbot der Anerkennung durch den Vater könnte hier in Erwägung gezogen werden 1 3 . Zu beachten ist, daß es bei der Anwendung der ordre-public-Klausel des Art. 30 EGBGB stets darauf ankommt, ob das Ergebnis im Einzelfall den deutschen Sitten oder der deutschen Gesetzgebung widerstreitet 14 . Die Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles unter diesen Gesichtspunkten muß dem anfragenden Gericht überlassen bleiben. cc) Durch die Anerkennungserklärung der Mutter allein kann das Kind Domenico nach dem oben Gesagten nicht die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes erhalten. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Mutterschutzanerkenntnis nach italienischem Recht in der Form des § 20 a PStG erfolgen kann (diese Frage ist, wie schon der Wortlaut von Art. 254 Codice civile ergibt, zu bejahen). Die Anerkennung allein durch die Mutter könnte dem Kinder auch nicht im Verhältnis zur Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes verschaffen.

V.

Schlußbemerkung

1. Die zwischen den Kindeseltern am 5. Mai 1966 in Tondern/Dänemark geschlossene Ehe ist gültig, aber vernichtbar. 2. Eine Legitimation des Kindes Domenico konnte durch diese Eheschließung nicht eintreten, da nach italienischem Recht die Legitimation nicht durch die nachfolgende Eheschließung der Eltern allein, sondern nur in Verbindung mit der Anerkennung des Kindes durch beide Eltern eintritt. Diese Anerkennung kann im vorliegenden Falle nur durch die Mutter erfolgen; der Vater ist an der Abgabe eines wirksamen Anerkenntnisses durch die nach italienischem Recht fortbestehende erste Ehe gehindert. Während der zweiten Ehe geborene Kinder haben dagegen die Stellung von ehelichen Kindern; sollte die Ehe in Italien für nichtig erklärt werden, so würde dieser Status nur dann Bestand haben, wenn wenigstens ein Elternteil zur Zeit der Eheschließung bezüglich des Ehehindernisses des noch bestehenden Ehebandes in gutem Glauben war. 13 Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961, 379; Jay nie, Spannungen bei der Anwendung italienischen Familienrechts durch deutsche Gerichte, Bielefeld 1961, 128, Fn. 15; LG Frankfurt in StAZ 1954, 156; dagegen: OLG Frankfurt, NJW 1956, 672; OLG Celle MDR 1954, 740. 14 RG 150, 238.

Heirat / Mexiko,

Argentinien

133

3. Um die Legitimation des Kindes Domenico zu erreichen, bieten sich nur zwei Wege an: a) Klage auf Nichtigkeit der ersten Ehe vor dem zuständigen staatlichen Gericht in Italien, b) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Antragsteller. 4. Der Vollständigkeit halber sei noch mitgeteilt, daß der Petitionsausschuß des IV. Bundestages einstimmig eine Änderung des Art. 13 EGBGB angeregt hatte. Dieser Zusatz sollte lauten: „Hat ein deutsches Gericht durch rechtskräftiges Urteil eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden, oder festgestellt, daß die Ehe nicht besteht, so steht diese Ehe einer erneuten Eheschließung auch dann nicht entgegen, wenn das Urteil in einem ausländischen Staate nicht anerkannt wird."

Dieser Antrag erledigte sich mit der Auflösung des IV. Bundestags. Daß eine Annahme dieses Vorschlags die Problematik der Ausländerehen keineswegs lösen würde, zeigt gerade der vorliegende Fall besonders deutlich. Auch wenn eine derartige Vorschrift Gesetz wäre, ergäbe sich hinsichtlich der Legitimation keine andere Beurteilung.

Nr. 13 Mexiko, Argentinien 1. Maßgebendes Redit für die Gültigkeit einer Ehe nach argentinischem IPR. 2. Voraussetzungen für die Anerkennung eines mexikanischen Scheidungsurteils in Argentinien. 3. Hindernis des Bandes nach argentinischem Recht, wenn die ausländische Scheidung der früheren Ehe in Argentinien nicht anerkannt wird. 4. Folgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelehe durch Heirat im Ausland nach argentinischem Recht. Hamburg G 25/66 vom 13.6.1966

SACHVERHALT Die Beteiligten sind argentinische Staatsangehörige und haben 1959 in Tlaxcala/Mexiko geheiratet. Die Fotokopie einer beglaubigten Abschrift aus dem Zivilregister von Tlaxcala ergibt, daß beide Ehegatten zu dieser Zeit in Buenos Aires wohnhaft waren und daß die Eheschließung durch Bevollmächtigte erfolgte. Die Frau wird in der Urkunde als „geschieden" (divorciada) bezeichnet. Sie hatte im Jahre 1948 in Buenos Aires mit

134

Familienrecht

einem Argentinier die Ehe geschlossen und war von diesem in Mexiko und später (1958) in Argentinien „geschieden" worden. Die mexikanische Eheschließung wurde in Argentinien nicht registriert. Die Paßbehörde in Buenos Aires weigerte sich, der Frau einen Paß auf den Namen des Mannes auszustellen und diesen in seinem Paß als „verheiratet" zu bezeichnen. Beides erfolgte später durch das argentinische Generalkonsulat in Hamburg. Die Ehegatten leben jetzt in Deutschland. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Folgende Fragen werden gestellt: „1. Ist Herr L. nach deutschem Recht verheiratet, und könnte er in der Bundesrepublik Deutschland Scheidungsklage erheben? 2. Welches Recht kommt zur Anwendung? 3. Ist die Ehe nach deutschem Recht vernichtbar oder eine Nicht-Ehe, und könnte eine entsprechende Klage von einem deutschen Gericht erhoben werden?"

1. Internationale

Zuständigkeit

Nach § 606 b ZPO kann in Ehesachen, wenn beide Ehegatten nur eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen und die Frau auch nicht zur Zeit der Eheschließung deutsche Staatsangehörige war, von einem deutschen Gericht in der Sache nur dann entschieden werden, wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort des Mannes oder der Frau im Inland gelegen ist - das ist hier der Fall - und nach dem Heimatrecht des Mannes die von dem deutschen Gericht zu fällende Entscheidung anerkannt werden wird. Das letztere Erfordernis erübrigt sich bei einer Scheidungsklage, falls der Heimatstaat die Ehe als nicht existierend betrachtet

II. Anwendbares

Recht

Da beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung in Mexiko die argentinische Staatsangehörigkeit besaßen, ist die Gültigkeit der Ehe nach argentinischem Recht zu beurteilen (Art. 13 I EGBGB). Eine etwaige Weiterverweisung dieses Rechts auf das mexikanische ist zu beachten (Art. 27 EGBGB). 1 Baumbach-Lauterbach, ZPO (28. Aufl. 1965) § 606b Anm. 2 B; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 304; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Kommentar zur ZPO, 18. Aufl. (4. Nachtrag 1960) § 606 b Anm. IV 1; Wieczorek, ZPO Bd. III (1957) § 606 Anm. C III c 3 mit Nachweisen aus der neueren Rechtsprechung.

Heirat / Mexiko,

Argentinien

135

Das argentinische Internationale Privatrecht unterstellt die Gültigkeit einer Ehe grundsätzlich der lex loci celebrationis, doch bestimmt das Gesetz mehrere Ausnahmen (Art. 2 Ley de Matrimonio Civil). Art. 2 L. M. „La validez del matrimonio, no habiendo ninguno de los impedimentos establecidos en los incisos Io, 2o, 3o, 50 y go del a r tículo 9o, será juzgada en la República por la ley del lugar en que se haya celebrado, aunque los contrayentes hubiesen dejado su domicilio para no sujetarse a las formas y leyes que en él rigen."

Die Gültigkeit einer Ehe, der keines der in den Abschnitten 1, 2, 3, 5 und 6 des Art. 9 aufgestellten Ehehindernisse entgegensteht, wird in der Republik nach den Gesetzen des Ortes, wo sie geschlossen ist, beurteilt, auch dann, wenn die Eheschließenden ihren Wohnsitz verlassen haben, um nicht den daselbst geltenden Formen und Gesetzen unterworfen zu sein 2 .

Art. 9 Nr. 5 L. M. enthält das Ehehindernis des bestehenden Ehebandes. Welches Recht auf dieses Ehehindernis Anwendung findet, sagt das Gesetz nicht. In der Literatur vertritt W. Goldschmidt3 die Auffassung, daß das Bestehen einer früheren Ehe nach den argentinischen Kollisionsnormen zu beurteilen ist 4 . Eine Entscheidung der Cámara Nacional Civil vom 27. 6. 1952 6 hat hingegen - allerdings bei Wohnsitz der Ehegatten in Argentinien - ausgesprochen, daß für die Ausnahmen des Art. 2 L. M. stets das Recht des Wohnsitzes (lex domicilii) zur Anwendung komme. Diese Ansicht wird auch von einigen Gesetzeskommentatoren übernommen 6 . Im vorliegenden Fall hatten die Beteiligten, wie sich aus der Heiratsurkunde selbst ergibt, zur Zeit der Eheschließung ihren Wohnsitz in Argentinien. Ob die erste Ehe der Frau zu diesem Zeitpunkt noch bestand, ist daher nach argentinischer Auffassung jedenfalls vom Standpunkt des argentinischen Rechts aus zu beurteilen.

2 Übersetzung: Makarov, Quellen des IPR, 2. Aufl. Bd. I (1953), Stichwort „Argentinien". 8 Sistema y Filosofía del Derecho Internacional Privado, 2. Aufl. Bd. II (1954) 362. 4 Für die Anwendung des argentinischen Rechts auch C. M. Vico, Curso de Derecho Internacional Privado, 3. Aufl. Bd. I (1954) 268; unklar V. N. Romero del Prado, Derecho Internacional Privado Bd. II (1963) 221: „ley territorial". 5 La Ley 67 (1952) 443 mit Anm. C. A. Lazcano. 6 Goldstein-Ossorio y Florit, Código civil y leyes complementarias Bd. I (1963) 80; A. E. Salas, Código civil y leyes complementarias Bd. I (1956) 91. Für die Anwendung des Wohnsitzredits auch H. M. Ennis, Derecho Internacional Privado (1953) 202, jedenfalls dann, wenn lex domicilii das argentinische Recht ist.

136

Familienrecht

III. Bedeutung dei argentinischen

„Scheidung"

Ait. 64 L. M. bestimmt: „El divorcio que este Código autoriza consiste únicamente en la separación personal de los esposos, sin que se disuelva el vínculo matrimonial."

Die in diesem Gesetz zugelassene Scheidung besteht nur in der persönlichen Trennung der Ehegatten ohne Auflösung des Ehebandes 7 .

Durdi Art. 31 der Ley 14.394 vom 14. 12. 1954 war die Auflösung des Ehebandes nach einjähriger Trennung ermöglicht worden. Diese Bestimmung wurde jedoch nach dem Sturz der Regierung Perón durch DecretoLey 4.070 vom 1. 3. 1956 mit Wirkung für alle schwebenden Verfahren suspendiert. Bei der 1958 in Argentinien erfolgten Scheidung der ersten Ehe kann es sich daher nur um eine Trennung von Tisch und Bett unter Aufrechterhaltung des Ehebandes handeln.

IV. Bedeutung dei mexikanischen 1. Anerkennung

in

Scheidung

Argentinien?

Da hier die Anerkennung der mexikanischen Scheidung nur als Bedingung der nach argentinischem Recht zu beurteilenden Fähigkeit zur Eingehung der zweiten Ehe interessiert, ist sie auch in Deutschland gemäß der argentinischen Auffassung zu beurteilen 8 . Bei Maßgeblichkeit der deutschen Anerkennungsregeln würde übrigens die Anerkennung schon an § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (internationale Zuständigkeit) scheitern, da keiner der geschiedenen Ehegatten die mexikanische Staatsangehörigkeit besaß oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Auch in Argentinien wird eine ausländische Ehescheidung nicht anerkannt, wenn sie von einem international unzuständigen Gericht ausgesprochen wurde. Zwar enthält das argentinische Recht keine gesetzliche Vorschrift dieses Inhalts. Doch ist dieser Grundsatz in Rechtslehre und Rechtsprechung unbestritten 9 . International zuständig sind die Gerichte 7

Übersetzung: Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl. 1965) „Argentinien" 38. 8 Vgl. BGH 12. 2. 1964, BGHZ 41, 136 (146 f.) in Übereinstimmung mit RGZ 136, 142 und RGZ 160, 396. 9 W. Goldschmidt 390; R. L. Fernández, Código de procedimiento civil comentado (1955) 474; G. A. Borda, Manual de derecho de familia (1956) 217; Cámara Civil la Capital 12. 9. 1932, Jur. Arg. 39 (1932) 371 (Fall Rosenblit); 22. 12. 1939, La Ley 18 (1940) 361 mit Anm. Anzorena; Cámara Civil 2a Capital 17. 2. 1937, Jur. Arg. 57 (1937) 462 mit Anm. Lazcano; 29. 4. 1940 La Ley 18 (1940) 536; Cámara Nacional de Apelación de Resistencia 29. 10. 1957, La Ley 93 (1959) 343 mit Anm. W. Goldschmidt.

Heirat / Mexiko,

Argentinien

137

des Staates, in dem die Ehegatten ihren ehelichen Wohnsitz (domicilio conyugal) haben. Bei Getrenntleben entscheidet der letzte eheliche Wohnsitz. Das entspricht der Regelung der örtlichen Zuständigkeit in Art. 104 L. M. 10 . Es kann unterstellt werden, daß im vorliegenden Fall die Ehegatten der früheren Ehe zur Zeit der mexikanischen Scheidung ihren Wohnsitz in Argentinien hatten. Den mexikanischen Gerichten fehlte daher die internationale Zuständigkeit. Eine Anerkennung der Scheidung ist in Argentinien bereits aus diesem Grund ausgeschlossen. 2. Unzulässigkeit

der zweiten

Eheschließung

Art. 7 L. M. bestimmt: „La disolución en país extranjero, de un matrimonio celebrado en la República Argentina, aunque sea de conformidad a las leyes de aquél, si no lo fuere a las de este Código, no habilita a ninguno de los cónyuges para casarse."

Eine in einem fremden Land nach dessen Gesetzen vorgenommene Scheidung einer in der Argentinischen Republik geschlossenen Ehe, welche den Bestimmungen dieses Gesetzbuches nicht entspricht, berechtigt keinen der Ehegatten zur Wiederverheiratung u .

Die Auslegung dieser Vorschrift ist umstritten. Nach einer in der Rechtslehre vertretenen Auffassung soll Art. 7 L. M. nur eine neue Heirat in Argentinien verhindern. Eine im Ausland geschlossene Ehe sei dagegen auch in diesem Fall in Argentinien als gültig anzusehen 1 2 . Gemäß einer anderen Ansicht ist nach Art. 7 L. M. auch eine neue Eheschließung im Ausland unzulässig und eine solche Ehe in Argentinien daher ungültig 1 3 . Es ist darauf hingewiesen worden, daß es auf diese Vorschrift nur dann ankomme, wenn die Ehe überhaupt von einem international zuständigen Gericht geschieden ist 14 . Jedoch wurde bereits in dem Urteil der Cámara Civil l a Capital vom 12. 9. 193215, das die internationale Zuständigkeit des ausländischen Scheidungsforums verneinte, diese Vorschrift herangezogen, um die Unwirksamkeit der Auslandsheirat zu begründen. Später hat die Rechtsprechung, wenn die erste Ehe in Argentinien geschlossen war, die Auslandsheirat des geschiedenen Ehe10

Vgl. die eben genannten Autoren und Entscheidungen, ferner: Romero del Prado 295; E. B. Busso, Código civil anotado, Bd. II A (1958) 24 N. 9; Vico 280; Ennis 224; Corte Suprema 25. 3. 1960, Jur. Arg. 1960 III 216. 11 Ubersetzung: Makarov aaO. 12 Vico, 2. Aufl. Bd. II (1935) 74 f.; weitere Nachweise bei Romero del Prado 307 N. 19. 13 So zuerst A. Calandrelli, El divorcio (1923) 147 ff., 160 ff.; vgl. Romero del Prado 306 ff. und Goldschmidt 398 (beide mit weiteren Nachweisen); Ennis 212 ff. Dieser Auffassung folgt die unten zitierte Rechtsprechung. 14 Busso 25, N. 20 und 21 zu Art. 7 L. M. 15 Jur. Arg. 39 (1932) 371 (Fall Rosenblit).

Familienrecht

138

gatten wegen Art. 7 L. M. für unwirksam erklärt, ohne auf die internationale Zuständigkeit näher einzugehen 16 . In der Rechtsprechung hat sich so ein fest umrissener Tatbestand als „matrimonio in fraudem legis" herausgebildet: Heirat und ehelicher Wohnsitz in Argentinien, Scheidung und Wiederheirat im Ausland. Die zweite Ehe ist dann wegen fehlender Zuständigkeit des Scheidungsforums sowie wegen Verstoßes gegen Art. 7 L. M. ungültig, wobei jeder dieser Fehler selbständig die Unzulässigkeit begründet. 3. Folgen der

Unzulässigkeit

Eine Ehe, die gegen das Verbot der Doppelehe verstößt, ist nach Art. 84 L. M. absolut nichtig. Ait. 84 L. M. „Es absolutamente nulo el matrimonio celebrado con alguno de los impedimentos establecidos en los incisos Io, 2o, 3o, 5o y 6» del artículo 9o y su nulidad puede ser demandada por el cónyuge que ignoró la existencia del impedimento y por los que hubieran podido oponerse a la celebración del matrimonio."

Absolut nichtig ist eine Ehe, welche trotz Vorhandenseins eines der Ehehindernisse des Art. 9 Nr. 1, 2, 3, 5 und 6 abgeschlossen ist; ihre Nichtigkeit kann von dem Ehegatten, welcher das Vorhandensein des Hindernisses nicht kannte, und von denen, welche gegen die Eheschließung Einspruch erheben konnten, geltend gemacht werden".

Für den Sonderfall des matrimonio in fraudem legis bildete sich in der Rechtslehre eine neue Theorie heraus. Danach sind derartige Ehen, die unter Verletzung des argentinischen Rechts im Ausland geschlossen wurden, nicht nur nichtig, sondern inexistent. Die Begründungen sind verschieden, das Ergebnis ist umstritten 18 . Auch in die neuere Rechtsprechung hat diese Theorie Eingang gefunden 19 . Eine Stellungnahme zu dieser nicht ausgetragenen Streitfrage durch das Institut erübrigt sich, soweit es sich um rein dogmatische Fragen des argentinischen Rechts handelt. Da hier 16 Cámara Civil 2a Capital 14. 11. 1932, Gaceta del Foro 101 (1932) 100; Cámara Civil la Capital 14. 3. 1935, Jur. Arg. 49 (1935) 507; 7. 9. 1945, Jur. Arg. 1945-IV184. 17 Übersetzung: Bergmann 40. 18 Eine Ubersicht über den Streitstand und die einzelnen Argumente findet sich bei A. B. Almonacid, Inexistencia del matrimonio, in Enciclopedia Jurídica Omeba (1954 ff.), Bd. XV (o. J.) 639, 656 ff. Vgl. auch C. A. Lazcano, Inexistencia del matrimonio contraído en el extranjero en violación del derecho argentino, La Ley 67 (1952) 822. 19 Cámara 2a de Apelación La Plata, Sala I, 9. 10. 1951, La Ley 65 (1952) 56; Cámara Civil en pleno Capital 26. 8. 1960, Jur. Arg. 1961-11-584; Cámara Civil Capital, Sala A, 29. 11. 1960, La Ley 101 (1961) 933; 23. 2. 1962, Jur. Arg. 1963-1491. Vgl. im übrigen zum Stand der Rechtsprechung in dieser Frage Romero del Prado 278 f., dort auch weitere Literaturnachweise.

Heirat / Mexiko,

Argentinien

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nach den Klagemöglichkeiten vor einem deutschen Gericht gefragt wird, sind die Wirkungen der vorliegenden Eheschließung nach Möglichkeit in die Systematik des deutschen Rechts einzuordnen. Nach deutschem Recht unterscheiden sich Nicht-Ehe und nichtige Ehe dadurch, daß das Nichtbestehen der ersteren von jedem und in jedem Verfahren geltend gemacht werden kann, während die nichtige Ehe nur in einem besonderen Verfahren und nur auf Antrag eines Klageberechtigten vernichtet werden kann und bis dahin als bestehend gilt. Es ist zu untersuchen, welcher dieser beiden Rechtsfiguren die Beurteilung des matrimonio in fraudem legis durdi die argentinische Rechtspraxis im Ergebnis am nächsten kommt. Folgende Fallgruppen sind aus der argentinischen Rechtsprechung bekanntgeworden : a) Im Prozeß auf Trennung der früheren Ehe ist die neue Eheschließung unbeachtlich. Das Zusammenleben der neuen Ehepartner wird als Konkubinat betrachtet. Es kann die Trennung wegen Ehebruchs rechtfertigen, es sei denn, daß die ausländische Scheidung im gegenseitigen Einverständnis erfolgt war 2 0 . b) Die ausländische Eheschließung in fraudem legis wird strafrechtlich nicht als Bigamie verfolgt, weil nach argentinischem Recht Auslandstaten nur bestraft werden, wenn sie Wirkungen im Inland äußern 2 1 . c) Dem überlebenden Ehegatten der zweiten Ehe steht kein Erbrecht zu. Ist er durch Testament eingesetzt, so wird er hinsichtlich der Erbschaftssteuer als Außenstehender behandelt 2 2 . Nach Art. 86 L. M. kann die Nichtigkeit der Ehe nach dem Tode eines Ehegatten nur noch von dem verlassenen Teil einer früheren Ehe geltend gemacht werden. Die Rechtsprechung hat daher in anderen Fällen Klagen der Erben zurückgewiesen, die sich auf „nulidad" oder „inexistencia" beriefen 2 3 . Diese Entscheidungen stehen jedoch nicht im Widerspruch zu der oben angeführten Rechtsprechung. In der ersten Entscheidung handelte es sich gar nicht um einen Tatbestand des matrimonio in fraudem legis, da die frühere Ehe bereits vor Eingehung der neuen durch Tod aufgelöst war. In dem anderen Fall hatten die Ehegatten die ausländische Heirat unter Verschweigung der ersten Ehe in Argentinien selbst wiederholt. 20 Cámara Civil l a Capital 12. 9. 1932, Jur. Arg. 39 (1932) 371; Cámara Civil 2a Capital 17. 2. 1937, Jur. Arg. 57 (1937) 462 mit Anm. C. A. Lazcano; 11. 12. 1941, Jur. Arg. 76 (1941) 875 mit Anm. E. Díaz de Guijarro; Cámara Nacional Apelación de Resistencia 29. 10. 1957, La Ley 93 (1959) 343 mit Anm. W. Goldschmidt. 21 Cámara Criminal e n pleno Capital 13. 4. 1943; Jur. Arg. 1943-11-274 mit Anm. C. A. Lazcano; Cámara Criminal Capital 10. 5. 1960, Jur. Arg. 1960-III-216. 22 Cámara Civil 2a Capital 27. 10. 1930, Jur. Arg. 35 (1931) 941; 14. 11. 1932 Gaceta del Foro 101 (1932) 100; Cámara Civil Capital, Sala A, 29. 11. 1960, La Ley 101 (1961) 933. 23 Cámara Civil Capital, Sala B, 26. 8. 1956, La Ley 90 (1958) 323; Cámara Civil Capital, Sala E, 24. 2. 1960, Jur. Arg. 1961-IV-409.

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Familienrecht

d) Die in fraudem legis geschlossene ausländische Ehe kann nicht in das argentinische Zivilregister eingetragen werden 2 4 . e) Aus der zweiten Ehe kann in Argentinien nicht auf Unterhalt geklagt werden. Ausländische Entscheidungen dieses Inhalts werden nicht vollstreckt, auch nicht im Wege der Rechtshilfe 25. f) Klagt einer der neuen Ehegatten auf Nichtigkeit der zweiten Ehe, so wird die Ehe für nichtig erklärt, auch wenn der Kläger bösgläubig war. Dasselbe gilt, wenn der Einwand der Nichtigkeit gegenüber einer Klage auf Trennung der zweiten Ehe erhoben wird 26 . Dazu ist zu bemerken, daß nach Art. 84 L. M. nur der gutgläubige Ehegatte eine Nichtigkeitsklage erheben kann. Die Rechtsprechung hat sich in den genannten Fällen so geholfen, daß zwar ein Klagerecht verneint wurde, die Ehe aber vom Richter ex officio für nichtig erklärt wurde. Der Antrag dazu wurde im Prozeß vom Staatsanwalt gestellt, der nach Art. 84 L. M. in Verbindung mit Art. 21 Nr. 4 L. M. antragsberechtigt ist. Selbst in einem Fall, in dem sich der Beklagte gegenüber der Klage auf Trennung gar nicht auf die Nichtigkeit berufen hatte, hat die Cämara 1 a La Plata die Ehe ex officio für nichtig erklärt und die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung wurde später aufgehoben mit der Begründung, daß die Nichtigkeit von keiner Partei geltend gemacht worden sei 27 . In diesem Fall lag jedoch eine Ehe in fraudem legis gar nicht vor, da die erste Ehe vor Eingehung der zweiten durch Tod aufgelöst war. Dem Kläger war die Berufung auf diesen Umstand durch die Überraschungsentscheidung der 1. Instanz abgeschnitten worden. g) Abgelehnt wird eine ex-officio-Nichtigerklärung, wenn die Frage nur beiläufig in einem anderen Verfahren auftaucht 28 . Offenbar war in den genannten Fällen weder ein Antrag auf Nichtigerklärung gestellt worden noch war die Nichtigkeit für die Entscheidung präjudiziell. Das Gericht begründet seine erste Entscheidung damit, daß eine Nichtigerklärung ex officio nur im öffentlichen Interesse erfolgen soll. Bezeichnenderweise stützt es sich dabei auf die Vorschrift des Art. 1047 C. c.; diese Vorschrift 24 Cámara Civil en pleno Capital 26. 8. 1960, Jur. Arg. 1961-11-584 mit Anm. J. J. Lopez del Carril; anders noch Cámara Civil Capital, Sala A, 28. 12. 1956, La Ley 85 (1957) 575 mit Anm. A. G. Spota. 25 Cämara Civil l a Capital 14. 3. 1935, Jur. Arg. 49 (1935) 505; Cámara Civil Capital, Sala B, 3. 5. 1951, La Ley 63 (1951) 100 mit Anm. Romero del Prado. 26 Cámara Civil l a Capital 19. 2. 1934, Jur. Arg. 45 (1934) 270 mit Anm. E. Díaz de Guijarro-, 7. 9. 1945, Jur. Arg. 1945-IV-184; Cámara 2a Apelación La Plata, Sala I, 9. 10. 1951, La Ley 65 (1952) 56; Cámara Civil Capital 27. 6. 1952, Sala C, La Ley 67 (1952) 443 mit Anm. C. A. Lazcano. Ferner die bei Almonacid (zu N. 110) erwähnte Entscheidung der Cámara Civil la La Plata. 27 Suprema Corte Buenos Aires 7. 5. 1963, Jur. Arg. 1964-1-257, dort auch die Entscheidung der Vorinstanz. 28 Vgl. Cámara Civil Capital, Sala C, 25. 10. 1957, La Ley 90 (1958) 296; 10. 7. 1964, Jur. Arg. 1964-V-509.

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bezieht sich auf nichtige Rechtsgeschäfte im allgemeinen, d. h. solche, auf deren Nichtigkeit sich jeder berufen kann. Ferner wurde in einem Streit um die elterliche Gewalt die vom beklagten Vater beantragte Nichtigerklärung vom Gericht wegen Bösgläubigkeit des Mannes abgelehnt. Im übrigen wies es die Klage aus anderen Gründen ab; die Frage der Ehegültigkeit war also auch hier nicht streitentscheidend 2 9 . Dies ist aus der neueren argentinischen Rechtsprechung der einzige bekannt gewordene Fall, in dem der Antrag auf eine ex-officio-Nichtigerklärung zurückgewiesen wurde 30. Diese Übersicht über die argentinische Rechtsprechung läßt deutlich werden, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle die in fraudem legis geschlossene Ehe in Argentinien als nicht bestehend angesehen wird. Dies muß besonders seit der Plenarentscheidung vom 26. 8.1960 gelten, wonach eine Eintragung in das Zivilregister nicht möglich ist 31 . Dem entspricht es, daß im vorliegenden Fall die Paßbehörde in Buenos Aires die Anerkennung der Ehe verweigert hat. Die Praxis v o n Konsularbehörden ist nach Auffassung des Instituts nicht ausschlaggebend. V. Ergebnis Nach dem hier maßgebenden argentinischen Recht sind die Beteiligten aufgrund der Eheschließung in Mexiko nicht verheiratet. Eine Scheidungsklage kommt daher nicht in Betracht. Eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Ehe kann vor einem deutschen Gericht erhoben werden. Nr. 14 Israel, Jugoslawien 1. Gesetzliche Erbfolge nach israelischem weltlichen und religiösen Recht. 2. Mafigebendes Recht für formelle und materielle Gültigkeit einer Ehe nadi israelischem internationalen und interpersonalen sowie nach jugoslawischem internationalen, interterritorialen und intertemporalen Recht. 3. Formelle Gültigkeit einer zwischen Altkatholiken geschlossenen Ehe nadi slowenisch-dalmatischem Recht. 4. Materielle Gültigkeit einer bigamischen aber nicht für nichtig erklärten Ehe nadi slowenisch-dalmatischem und nach kroatisch-slawonischem Recht. Hamburg G 21/65 vom 30. 8. 1965 29

Cämara Civil Capital, Sala C, 10. 11. 1958, La Ley 94 (1959) 157. Bei den übrigen von Romero del Prado 259 zitierten Fällen handelte es sich nicht um Fälle eines matrimonio in fraudem legis. 31 Vgl. oben d. 30

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Familienrecht

Das Amtsgericht Neustadt/Weinstraße bittet in der Nachlaßsache P. um Auskunft über Internationales Privatrecht, israelisches Erbrecht sowie über jugoslawisches und israelisches Eherecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 8. 10. 1960 ist der zuletzt in Jerusalem wohnhaft gewesene, am 4. 7. 1884 geborene Vladimir P. daselbst gestorben. Es ist davon auszugehen, daß der Erblasser zuletzt israelischer Staatsangehöriger gewesen ist. Eine Verfügung von Todes wegen hat er nicht hinterlassen. Der Erblasser ist in Vinica (bei Varazdin) geboren und war ursprünglich mosaischen Glaubens. Er ist am 1. 5. 1908 in Agram (Zagreb), seinem damaligen Wohnsitz, zum römisch-katholischen Glauben übergetreten und ist dort am 5. 7. 1908 mit Vanda O. römisch-katholisch getraut worden. Durch Urteil des Ehegerichts für das Erzbistum Zagreb vom 19. 1. 1926 ist die lebenslängliche Trennung von Tisch und Bett wegen Ehebruchs des Erblassers ausgesprochen worden. Am 10. 7. 1931 ist der Erblasser zur Kroatischen Altkatholischen Kirche übergetreten und hat - ohne daß ein weiteres Scheidungsverfahren vorausging - am 16. 7. 1932 in Split/Jugoslawien in der Form dieser Kirche eine zweite Ehe mit Elsa K. geschlossen. Am 24. 2. 1949 ist er (offenbar noch in Agram) zum jüdischen Glauben zurückgekehrt und im gleichen Jahre in Israel eingewandert. Den Erblasser haben beide Ehefrauen sowie vier Kinder aus erster Ehe und eine Tochter aus zweiter Ehe überlebt. Die letztgenannte hat einen Erbschein beantragt, wonach der Erblasser zu 1/i von seiner zweiten Ehefrau und zu je V20 von seinen fünf Kindern beerbt worden ist. Der Erbschein wird für Wiedergutmachungszwecke benötigt. A. Die Erbfolge I. Nach deutschem Internationalem Privatrecht ist Erbstatut - vorbehaltlich einer Rückverweisung - das israelische Recht, wenn der Erblasser zuletzt israelischer Staatsangehöriger war. Denn der in den Artt. 24, 25 EGBGB enthaltene Grundsatz - Maßgeblichkeit des Heimatrechts - ist auch dann anzuwenden, wenn ein ausländischer Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland gestorben ist 1 . II. Die Staatsangehörigkeit ist nach dem Recht des betreffenden Staates zu bestimmen. Das am 14. 7. 1952 in Kraft getretene israelische Staatsangehörigkeitsgesetz bestimmt, daß jüdische Einwanderer, die seit der Staatsgründung (14. 5. 1948) nach Israel gekommen sind, die israelische Staatsangehörigkeit rückwirkend vom Tag der Einwanderung an erhalten 2 . Der Erblasser 1

Vgl. für alle: Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 354; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 411 ff.; H. Wolff, Das IPR Deutschland (3. Aufl. 1954) 227. 2 Art. 2 Abs. (b) (2) des Staatsangehörigkeitsgesetzes 5712- 1952; Ausgabe der

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hat danach im Zeitpunkt seines Todes die israelische Staatsangehörigkeit gehabt. Es sind bisher keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Erblasser etwa früher eine andere Staatsangehörigkeit besessen und sie möglicherweise trotz des Erwerbs des israelischen behalten hat. Diese Frage kann auch dahingestellt bleiben; denn da der Erblasser die letzten 11 Jahre seines Lebens in Israel gewohnt hat, ist bei doppelter Staatsangehörigkeit der israelischen der Vorrang einzuräumen, ob man nun auf den Wohnsitz allein abstellt 3 oder auf die engste Verbindung 4 . III. Das israelische Recht ist sehr komplex: Neben dem Recht des neuen Staates Israel gilt - soweit mit ihm vereinbar - das unmittelbar vor Errichtung des Staates in Palästina geltende Redit weiter 5 . 1. Durch die am 8. 3. 1923 - während der Mandatszeit - ergangene Succession Ordinance wurde die Zuständigkeit der Zivilgerichte in Palästina angeordnet für die Regelung der gesetzlichen Erbfolge aller Bürger von Palästina, ausgenommen Moslems und Ausländer. Dabei wurde für die gesetzliche Erbfolge der Inländer (Bürger von Palästina) das vordem nur für die Erbfolge in sog. Miri-Land geltende ottomanische Erbrecht für verbindlich erklärt®. 2. Später hat das israelische Gesetz über die Gleichberechtigung der Frau bestimmt, daß dieses Erbrecht der Succession Ordinance ganz allgemein für die gesetzliche Erbfolge gilt, es sei denn, alle Beteiligten haben sich vor dem zuständigen Gericht mit der Anwendung des Rechts ihrer religiösen Gemeinschaft einverstanden erklärt 7 . Nach jüdischem religiösem Recht würden Ehefrau und Töchter des Erblassers als gesetzliche Erben neben einem Sohn nicht in Betracht kommen 8 . Durch den davon

offiziellen englischen Ubersetzung der israelischen Gesetze (Laws of the State of Israel, published by the Government Printer), Vol. VI, 50 ff., abgedruckt in deutscher Ubersetzung bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl. 1952 ff.) Israel S. 2 ff., und bei H. Pagener, Das Staatsangehörigkeitsgesetz des Staates Israel (Bd. 13 der Sammlung geltender Staatsangehörigkeitsgesetze, 1954) 33 ff.; vgl. audi Henry E. Baker, The Legal System of Israel (1961) 45. 3 So Raape 57. 4 So Kegel 156; Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 142 f.; M. Woltf 43. 5 Law and Administration Ordinance Nr. 1 von 5708-1948 vom 19. 5. 1948, sec. 11; deutsche Ubersetzung bei Hecht, Entwicklungstendenzen im Privatrecht Israels: RabelsZ 29 (1965) 302-354 (303 N. 3). Ebenso schon die Gründungsproklamation des provisorischen Staatsrates vom 14. 5. 1948, Nr. 2. 6 Succession Ordinance, sec. 3 und 4 (II) 2 in Verbindung mit der Second Schedule der Ordinance; abgedruckt bei Edoardo Vitta, The Conflict of Laws in Matters of Personal Status in Palestine (1947) 275 ff. Vgl. Hecht 314 N. 46, 320. 7 Women's Equal Rights Law No. 69 von 5711-1951, sec. 4 und 7, Laws of the State of Israel, Vol. V, 171. Vgl. Hecht 320 f. 8 Erwin F. Scheitelowitz, The Jewish Law of Family and Inheritance and its Application in Palestine (o. J.) 175.

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Familienrecht

abweichenden Erbscheinsantrag beruft sich somit mindestens die Antragstellerin auf das Recht der Succession Ordinance. Es ist somit nicht das jüdische religiöse, sondern das weltliche israelische Erbrecht anzuwenden. Eine Rück- oder Weiterverweisung auf das deutsche oder ein sonstiges Recht liegt nicht vor 9 . 3. Das ottomanische Erbrecht ist seinerzeit nach dem Vorbild des deutschen gesetzlichen Erbrechts gebildet worden 1 0 . Es bestimmt, daß ein überlebender Ehegatte neben den in erster Linie und zu gleichen Teilen berufenen Kinder Vi des Nachlasses erbt 11 . Wenn der Erblasser, wie möglicherweise hier, im Zeitpunkt seines Todes in zwei (formell) rechtsgültigen Ehen gelebt hat, so ist der Ehegattenerbteil zwischen beiden Witwen zu teilen 12 . B. Die eherechtliche

Vortrage

Für die Anwendung des israelischen Erbrechts ist also zu prüfen, ob die erste oder die zweite Ehefrau des Erblassers als seine Ehefrau gilt oder beide oder keine von beiden. I. Diese Frage ist grundsätzlich vom Standpunkt des israelischen Rechts zu beantworten, so wie ein israelisches Gericht - näherhin das für die gesetzliche Erbfolge zuständige Zivilgericht - sie beurteilen würde, also unter Einschaltung des israelischen Kollisionsrechts 13 . Die israelischen Zivilgerichte wenden auf Fragen des Eheiechts wie überhaupt auf Statusfragen von Inländern das religiöse Recht als „personal law" an 14 . Diese Anwendung des in Israel geltenden religiösen Rechts erfolgt jedoch nur nach Maßgabe des internationalen Privatrechts: im Falle eines Staatsangehörigkeitswechsels kann auch ein weltliches früheres Heimatrecht zum Zuge kommen. 9 Vgl. Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht I (1955 ff.) Einführung Rdz. 48 Nr. 31: Israel 3) ; Fritz H. Strauß, JR 1963, 205. 10 R. Gottschalk, Personal Status and Religious Law in Israel: Int. Comp. Law 3 (1954) 673 (674); vgl. Hecht 320. 11 Succession Ordinance, The Second Schedule, Artt. 2, 6 Abs. 2. 12 Vgl. Sassoon v. Sassoon, CA 348/58, abgedruckt in: Piskei-Din 13, 2069; s. auch Strauß in Ferrid-Firsching, s. v. Israel Grdz. S. 19 (für den Fall, daß ein deutscher Jude in Deutschland standesamtlich geheiratet hat, später ohne seine Frau nach Israel ausgewandert ist und dort ohne Scheidung von ihr eine zweite Ehe in jüdisch-religiöser Form geschlossen hat). 13 Neuhaus 238; Raape 120, 434 f.; Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht (Loseblattsammlung) Einführung Rdnr. 28; M. Wolff 80; Wengler, Die Vorfrage im Kollisionsrecht: RabelsZ 8 (1934) 148 ff. (211); H. Lewald, Rvgl. HWB IV (1933) 454; Melchior, Die Grundlagen des deutschen IPR (1932) 256. - Zu der Gegenmeinung unten B II 1. 14 Hecht 314; Baker 92 f.; Levontin, Foreign Judgements and Foreign Status in Israel: American Journal of Comparative Law 3 (1954) 199 (207); Palestine Order in Council Art. 64 Abs. 3.

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In einem Falle Skornik . /. Skornik z. B. hatten die Parteien im J a h r e 1948 in Polen nur in ziviler Form geheiratet. Sie kamen 1950 nach Israel und wurden israelische Staatsangehörige unter Verzicht auf die polnische Staatsangehörigkeit. Das dadurch nun für die Parteien maßgebliche jüdische Recht sah die in Polen nach dortigem Recht gültig geschlossene Ehe als Nichtehe („complete nullity") an. Im Prozeß verlangte die Ehefrau Unterhalt vom Ehemann. Die Zivilgerichte entschieden, daß für die Ereignisse der „polnischen Phase" der Parteien polnisches Recht und nur für die Ereignisse seit ihrer Einwanderung jüdisches Recht maßgeblich sei. Das jüdische Recht könne nicht abgeschlossene Tatbestände neu aufrollen und über einen während der polnischen Phase erworbenen Status abweichend vom polnischen Recht bestimmen, denn das Kollisionsrecht von Israel stelle hinsichtlich der Gültigkeit eines in Polen erworbenen Status nicht auf die Meinung des jüdischen Rechts ab 1 5 . In den Gründen hoben die Richter hervor, daß die Parteien im Zeitpunkt der Eheschließung die polnische Staatsangehörigkeit besaßen, und daß das polnische Recht das Recht des Eheschließungsortes wie des ersten Ehewohnsitzes sei, wobei in erster Linie wohl auf die Staatsangehörigkeit abgestellt wird 1 8 . Es muß deshalb geprüft werden, welchen Status der Erblasser bei der Einwanderung nach Israel gemäß dem bis dahin für ihn maßgeblichen Recht hatte (s. unten). Seit der Einwanderung hat sich der familienrechtliche Status des Erblassers nach dem nunmehr für ihn maßgeblichen israelischen Recht nicht geändert. Das gilt auch für den Fall, daß er in zwei formell gültigen Ehen lebte. Denn eine Nichtigkeits- oder Ungültigkeitserklärung der zweiten (bigamischen) Ehe ist offenbar auch nach der Einwanderung nach Israel nicht erfolgt. Ob etwa ein jüdisches (religiöses) Ehegericht gemäß jüdischem (religiösen) Recht die erste Ehe als absolut nichtig und nur die zweite aufgrund mehr als zehnjährigen Zusammenlebens des Erblassers mit der zweiten Ehefrau in Israel als im Zeitpunkt des Todes für gültig ansehen würde, ist unerheblich, da im vorliegenden Fall - wie gesagt - die Zuständigkeit des weltlichen Gerichts gegeben ist, das unter Anerkennung der internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen eine in der Ortsform geschlossene Ehe auch dann als gültig betrachtet, w e n n keine jüdisch15 Skornik v. Skornik, C. A. 191/51, abgedruckt in: Selected Judgements of the Supreme Court of Israel, Vol. II, 1954-1958 (herausgegeben von E. David Goitein; 1963) 327 ff.; vgl. auch Clunet 91 (1964) 147; Levontin 209 m.w.N.; Norman Bentwich, The Legal System of Israel: Int. Comp. Law Q. 13 (1964) 236 (247) ; audi Scheitelowitz, Interkonfessionelles und internationales Kollisionsrecht in Israel: AcP 152 ff., 516 ff. (519 f.). 16 Vgl. Olshan, D. P., in Selected Judgments 336 unten; Agranat, J., ebd. 355 Mitte unter Berufung auf Artt. 47, 59 und 64 (ii) der Palestine Order in Council; anders Witkon, J., der auf das Recht zur Zeit und am Ort der Eheschließung abstellt, ebd. 372.

10 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Famiüenrecht

religiöse Eheschließung erfolgt ist 17 . Der Erblasser dürfte nach dem Ersten Weltkrieg die Staatsangehörigkeit des neugeschaffenen jugoslawischen Staates erworben haben 18 . Es ist auch anzunehmen, daß er diese Staatsangehörigkeit bis zu seiner Übersiedlung nach Israel im Jahre 1949 behalten hat. Es liegt somit internationalprivatrechtlich eine Verweisung auf jugoslawisches Recht vor. II. Vom jugoslawischen Standpunkt bestehen wohl keine Bedenken, daß die erste Ehe des Erblassers in dem 1908 noch zur österreichischungarischen Monarchie gehörenden Rechtsgebiet Kroatien-Slawonien, mit dem der Erblasser und die erste Ehefrau durch Geburt und Wohnsitz verbunden waren, gemäß dem damals dort geltenden Recht19, das für Katholiken die katholische Form der Eheschließung vorsah, rechtswirksam geschlossen worden ist. Auch besteht kein Anzeichen für eine spätere Auflösung: Das Urteil des Ehegerichts für das (katholische) Erzbistum Zagreb vom 19. 1. 1926 sprach lediglich die Trennung von Tisch und Bett, nicht jedoch die Auflösung des Ehebandes aus, und eine altkatholische oder sonstige Scheidung soll ja nicht stattgefunden haben. Problematisch ist vielmehr nur die Gültigkeit der zweiten Ehe. 1. Das jugoslawische Internationale Eherecht geht von dem Grundsatz aus, daß die materielle Gültigkeit der Ehe nach dem Heimatrecht der Verlobten und die Formgültigkeit nach dem Recht am Ort der Eheschließung zu beurteilen ist. Dies folgt aus den Artt. 82 bis 84 des jugoslawischen Grundgesetzes über die Ehe von 1946 19a . 17

Vgl. Strauß in Ferid-Firsching, Israel Grdz. S. 17. Vgl. Art. 70 des Friedensvertrages zwischen den alliierten sowie assoziierten Mächten und Österreich von St. Germain vom 10. 9. 1919; Artt. 3 I und 4 I des Minderheitensdiutzvertrages zwischen den alliierten sowie assoziierten Hauptmächten und Jugoslawien vom 10. 9. 1919; Art. 61 des Friedensvertrages zwischen den alliierten sowie assoziierten Mächten und Ungarn von Trianon vom 4. 6. 1920; deutsche Ubersetzungen der angeführten Bestimmungen: Seeler, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Jugoslawien (1956) 72, 75 und 79. - Eine Option zugunsten eines anderen Staates (vgl. Art. 78 I des Friedensvertrages von St. Germain, Artt. 3 II und 4 II des Minderheitenschutzvertrages und Art. 63 des Friedensvertrages von Trianon) liegt offenbar nicht vor. 19 Vgl. Lovric, Das Eherecht im Rechtsgebiet Kroatien-Slawonien, in: Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, 2. Aufl., IV/1 (Das Eherecht..., 1937) 985-1038; derselbe in Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, 1. Aufl., IV (Das Eherecht..., 1904) 115-180. 19a Grundgesetz über die Ehe vom 3. 4. 1946; Text: Sluzbeni list 1946 Nr. 29; deutsche Ubersetzung: Bergmann, (Stand 1964) s. v. Jugoslawien 20-36 (die zahlreichen Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes - vgl. die Neufassung vom 22. 4. 1965 in Sluzbeni list 1965 Nr. 28 mit Nachweisen - lassen den Wortlaut der angeführten Vorschriften unberührt; siehe auch: Prokop, Komentar osnovnom zakonu o braku, II (Kommentar zum Grundgesetz über die Ehe; Agram 1960) 417-419; Eisner, Medunarodno privatno pravo, I (IPR; Agram 1953) 281 und 289. Da insoweit das deutsche Kollisionsrecht (Artt. 13 I, 11 I 2 EGBGB) mit dem 18

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Jugoslawien

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Unter der Voraussetzung, daß die z w e i t e Ehefrau ebenfalls die jugoslawische Staatsangehörigkeit besaß, bestimmt sich die Gültigkeit der z w e i t e n Eheschließung somit nach jugoslawischem Recht; eine Rück- oder W e i t e r v e r w e i s u n g d e s jugoslawischen Internationalen Privatrechts auf ein ausländisches Recht liegt nicht vor 1 9 b . 2. Das intertemporale (übergangs-)Recht Ehe v o n 1946 bestimmt in Art. 90:

d e s Grundgesetzes über die

„(I) Eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossene Ehe ist rechtsgültig, wenn sie in Einklang mit den damals in Kraft befindlichen Vorschriften geschlossen wurde. (II) Eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossene Ehe, die nach den früheren Gesetzen nicht rechtsgültig wäre, kann nicht für ungültig erklärt werden, wenn der Grund der Ungültigkeit in diesem Gesetze nicht vorgesehen ist." 20 Die Gültigkeit der im Jahre 1932inSplit geschlossenen Ehe ist somit nach d e m damals g e l t e n d e n Recht zu beurteilen, allerdings mit der Maßgabe, daß eine Ungültigkeitserklärung nach dem 9. 5. 1946 nur aus den Gründen des n e u e n Gesetzes in Betracht kommt. 3. Weiterhin ist das jugoslawische interterritoriale Recht zu beachten, denn im Jahre 1932 bestanden in J u g o s l a w i e n noch verschiedene Teilrechtsgebiete 21. (Eine Vereinheitlichung des Eherechts erfolgte erst durch das unter B II 1 genannte Grundgesetz über die Ehe v o n 1946). Für die Formgültigkeit einer Ehe war das Recht am Ort der Eheschließung (hier also die in Split g e l t e n d e n Gesetze des Rechtgebietes Slowenien-Dalma-

jugoslawischen übereinstimmt, würde im vorliegenden Fall auch die Anwendung deutschen Kollisionsrechts auf die Vorfrage der Ehegültigkeit - wie sie SoergelSiebert(-Kegel), BGB, 9. Aufl. V (1961) Rdnr. 11 vor Art. 24 EGBGB, und die dort genannten Entscheidungen vertreten - zu keinem anderen Ergebnis führen als die hier vertretene Meinung. 19b Für den Fall, daß die zweite Ehefrau im Zeitpunkt der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit besessen und die jugoslawische möglicherweise erst durch die Eheschließung gemäß Art. 10 des jugoslawischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 1. 11. 1928 (deutsche Übersetzung: Seeler 110-124) erworben haben soll, werden vorsorglich unten (zu 6.) Hilfserwägungen angestellt. Die Möglichkeit, daß die zweite Ehefrau vor der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, ist nicht völlig auszuschließen, da in der Heiratsurkunde als ihr Geburtsort „Wittemberg - B. Pdm" angegeben ist und es sich hierbei um Wittenberge an der Elbe handeln könnte, das früher zum Regierungsbezirk Potsdam gehörte. 20 Siehe auch Prokop 425 f. 21 Vgl. Bergmann, s.v. Jugoslawien 1 f.; Blagojeviä, Das Eherecht der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, in: Leske-Loewenield, Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, 3. Aufl. 1/1, 1. Lieferung (Das Eherecht..., 1963) 59-120 (65 f.); Prokop 453-464. 10 »

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Familienrecht

tien), dagegen für die materiellen Ehegültigkeitsvoraussetzungen das Recht am Ort der sog. „Heimatzugehörigkeit" maßgebend 22 . über die „Heimatzugehörigkeit" bestimmte das jugoslawische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1928 in § 3: „I. Jeder Jugoslawe ist nach seiner Heimatzugehörigkeit (Gemeindezugehörigkeit) in ein Register einzutragen. II. Jeder Jugoslawe muß das Heimatrecht in einer jugoslawischen Gemeinde . . . besitzen. IV. Zum Zwecke der Eintragung hat jede Gemeinde die erforderlichen Bücher über die Heimatberechtigten zu führen."

Ob der Erblasser die Heimatzugehörigkeit zu einer Gemeinde in Kroatien-Slawonien oder in Slowenien-Dalmatien besaß, ist Tatfrage. Vermutlich besaß er die Heimatzugehörigkeit zu einer Gemeinde in Kroatien-Slawonien, da er dort geboren war, seinen Wohnsitz dort hatte und sich offenbar nur vorübergehend in Slowenien-Dalmatien aufhielt. Vorsorglich sei jedoch auch das Recht von Slowenien-Dalmatien berücksichtigt. - Daß die zweite Ehefrau vor der Eheschließung die Heimatzugehörigkeit in einem der anderen vier jugoslawischen Teilrechtsgebiete besaß, ist nicht ersichtlich. 4. Für die Form der Eheschließung waren - wie gesagt - die Gesetze von Slowenien-Dalmatien maßgebend. Dort galt das österreichische Recht, insbesondere das österreichische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch von 1811 einschließlich der bis Ende 1918 ergangenen Novellen 23 . Danach war für die Angehörigen der anerkannten Religionsgemeinschaften regelmäßig die kirchliche Form der Eheschließung geboten. Zu diesen gehörte seit der Verordnung vom 18. 10. 1877 (RGBl. 99) die altkatholische Religionsgemeinschaft. Das ABGB enthielt für die Eheschließung drei Formerfordernisse, und zwar a) die Verkündung des Aufgebots (§§ 69-74); b) die feierliche Erklärung der Einwilligung vor dem ordentlichen Seelsorger oder dessen Stellvertreter in Anwesenheit von zwei Zeugen (§§ 69, 75, 81); sowie c) die Eintragung der Trauung in das Trauungsbuch (§ 80).

22 Vgl. Péiitdi, Das interterritoriale Eherecht in Jugoslawien: Rechtsverfolgung . . . 2. Aufl. 877-895 (879-882) ; siehe auch Eisner, Medjunarodno medjupokrajinsko (interlokalno) i medjuvjersko bracno pravo Kraljevine Jugoslavije (Internationales, interregionales (interlokales) und interkonfessionelles Eherecht des Königreichs Jugoslawien; Agram 1935) 151-157. 23 Vgl. Bergmann, s. v. Jugoslawien 2 Nr. 5; Blagojevic 66; Prokop 455 f.; Lapajne, Das Eherecht im Rechtsgebiet Slowenien-Dalmatien, in: Rechtsverfolgung . . . 2. Aufl., 1039-1042.

Heirat / Israel,

Jugoslawien

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Eine Verletzung der angeführten Vorschriften ist nicht ersichtlich. Nach allem hat der Erblasser in Split eine formgültige Ehe geschlossen. 5. Die materiellen Ehegültigkeitserloidernisse sollen - wie ausgeführt nach slowenisch-dalmatischem und kroatisch-slawonischem Recht geprüft werden. a) Das im Zeitpunkt der Eheschließung (1932) im Teilrechtsgebiet Slowenien-Dalmatien geltenden ABGB bestimmt in § 62: „Ein Mann darf nur mit einem Weibe, und ein Weib darf nur mit einem Manne zu gleicher Zeit vermählt sein. Wer schon verehelicht war und sich wieder verehelichen will, muß die erfolgte Trennung, das ist, die gänzliche Aufhebung des Ehebandes, rechtmäßig nachweisen."

Da der Erblasser bereits im Jahre 1908 eine gültige Ehe geschlossen hatte und diese fortbestand, erfolgte somit die Eheschließung in Split unter Verletzung des § 62 ABGB. Dieser Verstoß bewirkte gemäß § 94 ABGB die „Ungültigkeit" der Ehe. Die „ungültige" Ehe hatte aber bis zur gerichtlichen Feststellung ihrer Ungültigkeit die Wirkungen einer gültigen Ehe. Die gerichtliche Feststellung hatte zur Folge, daß die Ehe als von Anfang an nicht bestehend anzusehen ist 24 . b) In Kroatien-Slawonien war im Jahre 1852 das österreichische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch eingeführt worden. Für die Angehörigen einiger Konfessionen, insbesondere der katholischen, galten jedoch auf dem Gebiete des Eherechts teilweise besondere Vorschriften 25 . Besondere Bestimmungen für die Ehen der Angehörigen der (kroatischen) Altkatholischen Kirche fehlten. Für die Ehen der Altkatholiken galt allein das Eherecht des ABGB26, demnach auch die unter a) angeführten §§ 62 und 94 ABGB. Somit ist die zweite (bigamische) Ehe „ungültig" (anfechtbar), und zwar unabhängig davon, ob der Erblasser und seine zweite Frau die Heimatzugehörigkeit zu einer Gemeinde in Slowenien-Dalmatien oder in KroatienSlawonien besaßen. Mangels einer gerichtlichen Ungültigkeitserklärung, für die nach dem Inkrafttreten des jugoslawischen Grundgesetzes über die Ehe von 1946 dessen Art. 40 in Verbindung mit Art. 90 die Rechtsgrundlage gebildet hätte, ist auch die zweite Ehe des Erblassers als wirksame Ehe anzusehen. 6. Hillsweise sei noch auf den Fall eingegangen, daß die zweite Ehefrau des Erblassers vor der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit

24

Vgl. Neumann-Ettenreich-Satter in: Rechtsverfolgung ... 2. Aufl. 174; KrainzPiaff-Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, 5. Aufl., II/2 (Wien 1917) 60. 25 Vgl. die Ubersichten bei Prokop 453-455 und Lovriä (oben N. 19) 985-993. 29 Vgl. Prokop 455; Lovric 991-994 und die ebd. auf S. 991 genannten Erlasse des Ministeriums für die Glaubensbekenntnisse vom 13. 1. 1926 und 19. 4. 1926.

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Familienrecht

besaß (vgl. oben N. 19b). Dann ist das Vorliegen der materiellen Ehegültigkeitsvoraussetzungen für die Frau nach deutschem Recht zu beurteilen. (Eine Rück- oder Weiterverweisung des deutschen Internationalen Privatrechts liegt insoweit nicht vor; Art. 13 I EGBGB.) Auch nach deutschem Recht stand der Eheschließung mit dem Erblasser das Ehehindernis der Doppelehe entgegen 2 7 ; denn dieses „zweiseitige" Hindernis betrifft auch die Eheschließung einer ledigen deutschen Person mit einer verheirateten ausländischen 28 . Eine Verletzung dieses Verbots bewirkt bekanntlich die Nichtigkeit der bigamischen Ehe; diese ist jedoch - ebenso wie nach jugoslawischem Recht - bis zur (rückwirkenden) gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit als wirksame Ehe anzusehen2®. C. Ergebnis Insgesamt ergibt sich, daß beide Ehen des Erblassers mangels Nichtigerklärung der zweiten Ehe als wirksam anzusehen sind. Seine Erben sind daher die beiden Witwen j e zu Ve des Nachlasses und die fünf Kinder j e zu s/2o des Nachlasses.

Nr. 15 Irak Kautelen bei der Eheschließung einer deutschen Staatsangehörigen mit einem irakischen Staatsangehörigen mohammedanischer Religion. München G 1233 - 64 vom 26.5.1966

Herr Rechtsanwalt Walter L. in Stuttgart hat dem Institut folgenden SACHVERHALT unterbreitet: Eine deutsche Staatsangehörige evangelischer Konfession beabsichtigt, einen dem Islam angehörigen irakischen Staatsangehörigen zu heiraten. Die sich hier ergebenden staatsangehörigkeitsrechtlichen Fragen, ferner die Probleme des Ehegüterrechtes und des Erbrechtes sowie die VerVgl. § 1326 BGB a.F., § 24 EheG 1938 und § 20 EheG 1946. Vgl. für alle Palandt(-Lauterbadi), BGB, 24. Aufl. (1965) Art. 13 EGBGB Anm. 2. 29 Vgl. § 1329 BGB a.F., demzufolge die Ehenichtigkeit auch nach Auflösung der Ehe geltend gemacht werden konnte, § 27 EheG 1938 und § 23 EheG 1946. 27

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Heirat / Irak

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sorgung der künftigen Ehefrau geben Anlaß dazu, daß Herr Rechtsanwalt Walter L. dem Institut folgende Fragen vorlegt: 1. Abschluß eines Ehevertrages vor der Ehe nach dem Heimatrecht des Mannes, Abschluß in welcher Sprache a) vor einem deutschen Notar, b) einer irakischen konsularischen Vertretung in der Bundesrepublik z. Z. bestehen keine diplomatischen Beziehungen, evtl. vor Schutzmachtvertretung? 2. Kann Gütertrennung vereinbart werden? 3. Erbrecht des Manns an Erbschaften, Schenkungen der Ehefrau soll ausgeschlossen werden. 4. Unter welchen Voraussetzungen können Bestimmungen für eine Ehescheidung aufgenommen werden in den Ehevertrag, insbesondere auch über Unterhalt für Ehefrau und Kinder. 5. Sorgerecht für die Kinder im Falle der Scheidung oder des Todes des Ehemannes? 6. Welche erbrechtlichen Ansprüche haben Ehefrau und Kinder beim Ableben des Ehemannes? 7. Erhält die Ehefrau und die Kinder Witwen- und Waisenversorgung auch bei Rückkehr in die Bundesrepublik? 8. Kann die Ehefrau mit Kindern nach Tod oder Scheidung den Irak jederzeit verlassen? 9. Kann die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten werden? Wird Doppelstaatlichkeit vom Irak anerkannt? 10. Kann der deutsche Reisepaß der Ehefrau bei einer deutschen diplomatischen oder konsularischen Vertretung im Irak zusammen mit Rückreisegeld hinterlegt werden?

I.

Vorbemerkung

Das rechtliche Risiko, welches eine Europäerin durch eine Eheschließung mit einem irakischen Staatsangehörigen islamischer Religion eingeht, kann der Verlobten nicht eindringlich genug vor Augen geführt werden. Es gibt zweifellos vereinzelte Fälle sehr glücklich verlaufender Ehen von islamischen Irakern mit Europäerinnen, in welchen die Frauen zwar das Leben im Lande hinnehmen müssen, aber dafür durch ein glückliches Familienleben und eine geachtete Stellung, nicht zu vergessen einen äußeren Wohlstand und die daraus sich ergebenden Annehmlichkeiten in einem gewissen Maße entschädigt werden. Solche Ehen sind aber eine Seltenheit und finden sich nur in wirklich hochstehenden Kreisen der Spitzenklassen der Bevölkerung. In den bei weitem überwiegenden Fällen verlaufen aber derartige Ehen unglücklich.

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Familienrecht

Der europäischen Frau im Irak fehlt jener Rückhalt, der sich aus der Zugehörigkeit zu einer Sippe ergibt, auf die der Ehemann und dessen Sippe wiederum ihrerseits Rücksicht nehmen müssen. Daraus und aus der Eigenart des Gerichts- und Rechtswesens folgt, daß das große rechtliche und persönliche Risiko, das mit einer derartigen Eheschließung verbunden ist, auch nicht einigermaßen zuverlässig abgeschirmt werden kann. Nur wenn man dies berücksichtigt, kann man auch der Rechtslage gerecht werden, welche sich bei deutsch-irakischen (islamischen) Ehen ergibt. Das rechtliche Risiko, mit dem man schon stets bei Eheschließung mit islamischen Arabern zu rechnen hatte, wird derzeit dadurch noch gesteigert, daß infolge der bereits in Gang gebrachten und in ihrem Verlauf nicht zu übersehenden politischen und wirtschaftlichen Veränderungen auch jene Konturen verwischt werden, die von der islamischen Tradition gezogen waren. So läßt sich nicht übersehen, was in 5 oder 10 Jahren in den arabischen Ländern, insbesondere auch im Irak, rechtens sein wird, wenn man diesen Ausdruck auf jene Länder überhaupt anwenden kann, in denen die Grundvorstellung vom Recht eine ganz andere ist, als im westlichen Bereich. Daher ist noch folgendes zu betonen: Die Fragestellungen im Ersuchsschreiben vom 21.4. 1966, die oben wiedergegeben sind, gehen völlig von europäisch-kontinentalen Rechtsvorstellungen aus. Diese lassen sich aber vielfach nicht auf das Recht der islamischen Länder übertragen.

II. Die staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einer Eheschließung mit einem irakischen Staatsangehörigen für eine gebürtige Deutsche 1. Heiratet eine Nichtirakerin einen Iraker, so erwirbt sie nach Art. 17 Ziff. a des irakischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung vom 26. 1. 1941 die irakische Staatsangehörigkeit nicht automatisch durch die Eheschließung. Es bedarf vielmehr nach der genannten Bestimmung 1 einer Genehmigung durch den irakischen Innenminister. Hierfür bedarf es eines Antrages der Ehefrau. Die Ehefrau kann die irakische Staatsangehörigkeit binnen drei Jahren nach dem Tode ihres Ehemannes oder der Auflösung der Ehe wieder aufgeben. Die irakische Staatsangehörigkeit erlischt in diesen Fällen mit Abgabe der entsprechenden Erklärung. 2. Seit 31. 3. 1953 (Inkrafttreten der vollen Gleichberechtigung von Mann und Frau) verliert eine deutsche Staatsangehörige bekanntlich durch eine Eheschließung mit einem Ausländer nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit, selbst dann, wenn sie durch die Eheschließung automatisch

1 Abgedruckt in deutscher Ubersetzung bei Bergmann, und Kindschaftsrecht, Abschnitt Irak, 4.

Internationales Ehe

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die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes erwirbt. § 17 Ziff. 6 des Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. 7. 1913 ist als mit dem genannten Zeitpunkt aufgehoben anzusehen 2 . Wenn allerdings die deutsche Ehefrau in einem Zeitpunkt, in welchem sie in Deutschland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hat, auf ihren Antrag durch Genehmigung des irakischen Innenministers die irakische Staatsangehörigkeit verliehen erhält, dann verliert sie gem. § 25 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit. 3. Es ist darauf hinzuweisen, daß eine Reihe von arabischen Ländern Sondermaßregeln kennen, welche Beamte, die eine Ausländerin geheiratet haben, benachteiligen und von bestimmter Verwendung, etwa im Auswärtigen Dienst, ausschließen. Ob im Irak derartige Tendenzen bestehen, die rechtlich nicht faßbar sind, läßt sich nicht feststellen. Ohne Kenntnis des Milieus, in welches die deutsche Staatsangehörige hier einheiraten soll, läßt sich auch nicht sagen, ob sie nicht etwa nach Einreise mit einem starken Druck redinen muß in der Richtung, daß sie den in Art. 17 Ziff. a des irakischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vorgesehenen Antrag auf Genehmigung eines Erwerbes der irakischen Staatsangehörigkeit stellt. 4. Da die Ehefrau nicht automatisch die irakische Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung erwirbt, stellt sich die in Ziff. 9 Satz 2 des Ersuchsschreibens formulierte Frage nach einer Anerkennung der Doppelstaatlichkeit vom Irak nicht. Im übrigen darf hierzu nur ganz kurz betont werden, daß Doppelstaater in jedem Land, was das öffentliche Recht anlangt, dann nach Inlandsrecht bemessen werden, wenn sie auch die inländische Staatsangehörigkeit besitzen. Auch ein Deutscher, der neben der deutschen eine andere, etwa die österreichische Staatsangehörigkeit hat, kann sich, wenn er etwa zum deutschen Wehrdienst eingezogen werden soll, nicht auf seine österreichische Staatsangehörigkeit berufen. 5. Die Hinterlegung von Paß und Rückreisegeld oder eine dieser beiden Maßnahmen müßte mit der zuständigen Vertretung der für Deutschland im Irak zuständigen Schutzmacht vereinbart werden. All dies sind aber keine privatrechtlichen Fragen, insbesondere auch keine nach irakischem Recht zu beurteilenden Fragen. Insbesondere ist gar nicht gesagt, daß eine derartige Maßnahme, wenn sie getroffen wird, im Ernstfall wirklich voll geeignet ist, der künftigen Ehefrau Schutz zu gewähren. Denn es ist noch nicht ohne weiteres gesagt, ob sie die tatsächliche Möglichkeit hat, bei der betreffenden Auslandsvertretung vorstellig zu werden, insbesondere wenn diese in einer anderen Stadt liegt als der eheliche Wohnort oder wenn die Ehefrau am Verlassen des ehelichen Hauses gehindert wird. * Vgl. dazu Masslellei, 5 a . E . zu § 17 RuStAG.

Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl.), Bern.

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Familienrecht

Derartige Dinge haben sich ereignet, sie müssen sich im konkreten Fall natürlich nicht abspielen. Es zeigt aber dieser Hinweis, wie unberechenbar jegliche Rechtsgarantie in den arabischen Ländern, insbesondere auch im Irak, ist. 6. Im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit ist auch auf die in Frage 8 zur Erörterung gestellte Ausreisemöglichkeit einzugehen. Kinder aus der hier in Betracht kommenden Ehe sind irakische Staatsangehörige. Es wäre irreal anzunehmen, daß die Mutter, selbst wenn sie für sich die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten hat, unter Mitnahme der Kinder aus dem Irak gegen den Willen des Mannes oder dessen Sippe legal ausreisen kann. 7. Die Frage nach der Witwen- und Waisenversorgung bei einer Rüdekehr in die Bundesrepublik geht davon aus, daß im Irak eine Regelung dieser Fragen in ähnlicher Weise besteht, wie dies in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern zutrifft. Selbst bei Aufenthalt im Irak kann nicht in entfernter Weise ähnlich wie nach unseren Rechtsvorstellungen mit einer Hinterbliebenenversorgung gerechnet werden. Auch die pünktliche Zahlung der Gehälter selbst ist nicht etwa eine Selbstverständlichkeit. Dem Unterfertigten ist, als er eine Zeitlang Gastprofessor in einem viel weiter entwickelten arabischen Land, als es beim Irak zutrifft, war, sehr nachdrücklich zu Bewußtsein gebracht worden, welche bürokratischen Schwierigkeiten sogar der Gehaltsauszahlung sich entgegenstellen. Denn allmonatlich muß dort der Beamte ein Gesuch um Auszahlung seines Gehaltes stellen, zu dem sich eine Unzahl von Stellen befürwortend oder ablehnend (!) zu äußern haben. Es läßt sich schwer vorstellen, daß Versorgungsbezüge aus dem Irak, wenn überhaupt, so mit Regelmäßigkeit nach Deutschland gezahlt werden. Aller Voraussicht nach werden hier schon devisenrechtliche Schwierigkeiten eintreten. Im übrigen wäre der Irak nicht der einzige Staat, der sich weigert, derartige Versorgungsbezüge zum Verbrauch außer Landes zu gewähren. Mit solchen Bezügen sollte nicht einmal dann ernsthaft gerechnet werden, wenn man im Irak lebt. Es finden sich sicher zahlreiche bürokratische Bestimmungen, die wunderschön zu lesen sind, die Rechtswirklichkeit ist eine andere. III. Das vom Standpunkt des irakischen Rechts aus aul die hier zu erörternden ehe- und erbrechtlichen Fragen anzuwendende Recht Vom irakischen Standpunkt aus wird die hier in Betracht gezogene Ehe nach irakischem Recht beurteilt. Dabei stellt sich noch ein interpersonelles Problem: Das irakische Personenrecht, einschließlich des Erbrechtes, trägt heute noch konfessionellen Charakter, wie dies bei allen arabischen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens der Fall ist. Ist der Ehemann An-

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gehöriger der islamischen Religion, so wird dieses Recht ohne Rücksicht auf eine unterschiedliche Religion der Ehefrau oder der Kinder angewendet. Alle aus familienrechtlichen Verhältnissen entstehenden Rechtsfragen werden heute noch im Irak von den religiösen geistlichen Gerichten (Sdieria-Gerichte) entschieden, nicht von staatlichen Gerichten. In der irakischen Republik ist Ende 1959 ein sog. Personenrechtsgesetz in Kraft getreten, das insbesondere die aus der Eheschließung herrührenden familien- und erbrechtlichen Rechtsverhältnisse regeln soll. Eine derartige staatliche Gesetzgebung stößt in islamischen Ländern stets auf religiöse Bedenken, die in einzelnen islamischen Staaten nur schwer überwunden werden. Das irakische Personenrechtsgesetz stellt einen Kompromiß dar. Seine Grundlagen bleiben weiterhin der Koran und die übrigen islamischen Rechtsquellen. Es ist daneben jedoch das Bestreben der irakischen Regierung ersichtlich, das islamische Personenrecht von gewissen, auch dort als veraltet angesehenen Institutionen, die dem Ansehen des neuen jungen Staates abträglich sein könnten, zu befreien. Allerdings läßt sich nicht sagen, inwieweit die hier eingeführten gesetzlichen Vorschriften papierenes Recht bleiben, oder von den geistlichen Gerichten, die sie anzuwenden haben, sabotiert werden. Es hängt dies davon ab, wie sich die Konflikte zwischen modernen staatlichen Reformen und islamischer Tradition entwickeln, die sich daraus ergeben, daß seit Errichtung der irakischen Republik mit der Förderung eines irakischen Nationalismus eine Wiederbelebung des Islam einhergeht. Das irakische Personenrechtsgesetz hat gegenüber den entsprechenden Gesetzgebungsakten anderer arabischer Staaten die Eigentümlichkeit, daß es in Inhalt und Form betont knapp ist. Es ist in Art. 1 bestimmt, daß ergänzend diejenigen Vorschriften des mohammedanischen Rechtes anzuwenden sind, „die am meisten mit dem neuen Gesetz übereinstimmen". Es werden die Gerichte des weiteren angewiesen, im allgemeinen die Regeln islamischer Gerichtspraxis und Rechtslehre heranzuziehen, wie sie im Irak und solchen anderen islamischen Staaten gebräuchlich sind, deren Recht dem irakischen verwandt ist. Um augenfällig zu machen, wie unsicher die rechtliche Grundlage ist, soll der angeführte Art. 1 des irakischen Personenrechtsgesetzes in seinem Wortlaut wiedergegeben werden. Er lautet: Art. 1 Abs. 1, 2, 3

Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf alle Angelegenheiten Anwendung, die ausdrücklich oder sinngemäß von diesen Bestimmungen betroffen werden. Ist keine gesetzliche Bestimmung anwendbar, so ist auf die Bestimmungen des mohammedanischen Rechtes zurückzugreifen, die mit den Bestimmungen dieses Gesetzes am besten übereinstimmen.

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Familienrecht

Im allgemeinen sollen sich die Gerichte von den Grundsätzen der mohammedanischen Rechtsprechung und Rechtslehre im Irak und anderen islamischen Ländern, deren Gesetze den irakischen Gesetzen verwandt sind, leiten lassen.

Damit kann niemand, auch niemand im Irak, eindeutig festlegen, wieviel von den Grundsätzen des islamischen Rechtes praktisch heute noch gilt. Es muß daher bei der Würdigung der hier zu beantwortenden Fragen stets die islamische Grundlage voll berücksichtigt werden.

IV. Die Wirkung einer Eheschließung in Deutschland nach irakischem Recht Nach Art. 19 des irakischen bürgerlichen Gesetzbuches von 1951 sind hinsichtlich der materiellen Erfordernisse die Vorschriften des Heimatrechtes und hinsichtlich der formellen die des Eheschließungsortes maßgebend. Das bedeutet, daß eine in Deutschland geschlossene Ehe dann im Irak als formwirksam anzusehen ist, wenn sie den deutschen Eheschließungsformen entspricht. Zur Eingehung einer Ehe in Deutschland bedürfte der irakische Staatsangehörige, um den es sich hier handelt, der Befreiung vom Ehefähigkeitszeugnis, da der Irak keine Behörden zur Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen besitzt. Ein Aufgebot im Irak oder eine Traubereitschaftserklärung eines Geistlichen ist aber nicht nötig 3 . V. Personenrechtliche Wirkungen einer Eheschließung im Lichte des irakischen Rechtes 1. Das Personenrechtsgesetz von 1959 hat die im Irak an sich schon in den Städten äußerst selten gewordene Vielehe noch erschwert, indem es sie von einer besonderen Erlaubnis des Kadi abhängig gemacht hat (vgl. Art. 3 Abs. 4 des genannten Gesetzes). Die Gefahr, daß der Ehemann eine weitere Ehe eingeht, ist daher praktisch nicht sehr groß. 2. In den Art. 23 ff. des Personenrechtsgesetzes findet sich eine eingehende und verbesserte Regelung des Unterhaltsrechts der Ehefrau gegenüber dem Mann. Es wird insbesondere das Klagerecht der Frau im Falle der Nichtleistung behandelt. Es kann demgemäß der Unterhalt auch für die Vergangenheit, vom Tage der Fälligkeit an, gefordert werden. Bei Nichtzahlung kann der Kadi die Frau ermächtigen, im Namen des Mannes Schulden einzugehen, um für ihren Unterhalt zu sorgen. ' Vgl. Bergmann 6.

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Es erscheint zweckmäßig, die einschlägigen Bestimmungen hier im W o r t laut anzuführen: Art. 23 (1) Der Mann schuldet der Frau den Unterhalt vom Abschluß eines gültigen Vertrages an, auch wenn sie in ihrem elterlichen Hause wohnt, es sei denn, daß der Ehemann sie auffordert, zu ihm zu kommen und bei ihm zu leben, und daß sie dies grundlos verweigert. (2) Ihre Weigerung gilt als rechtmäßig, solange der Ehemann die fällige Morgengabe nicht bezahlt hat oder die Frau nicht unterhält. Art. 24 (1) Der Unterhaltsanspruch der nicht ungehorsamen Frau gilt als Schuld des Mannes von der Zeit an, zu der er die Leistung des Unterhalts an sie verweigert. (2) Der Unterhalt umfaßt Nahrung, Kleidung, Wohnung und was dazu gehört, Arztkosten in üblicher Höhe und Stellung eines Dienstboten, wenn die ihr im Range Gleichstehenden solche Dienste verlangen können. Art. 25 Die Frau hat in folgenden Fällen keinen Anspruch auf Unterhalt: (1) wenn sie das Haus ihres Ehemannes ohne seine Erlaubnis und ohne gesetzlichen Grund verläßt; (2) wenn sie wegen einer Schuld oder eines Vergehens im Gefängnis ist; (3) wenn sie sich ohne gesetzlichen Grund weigert, mit ihrem Ehemann zu reisen. Art. 27 Der Unterhalt ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse beider Parteien festzusetzen. Art. 28 (1) Der Betrag der Unterhaltsleistung erhöht oder vermindert sich entsprechend dem Wechsel in der finanziellen Lage der Parteien und in der Höhe der Preise im Lande. (2) Eine Klage auf Erhöhung oder Minderung der Unterhaltskosten ist zuzulassen, wenn die Umstände es erfordern. Art. 29 Wenn ein Ehemann seine Frau ohne Unterhalt läßt und dann abwesend oder vermißt ist oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist, so soll der Kadi ein Urteil auf Unterhalt für die Frau vom Tage der Klageerhebung an erlassen; das Urteil ist zu erlassen, nachdem der eheliche Stand bewiesen ist und nachdem die Frau beeidet hat, daß der Mann ihr keinen Unterhalt zurückgelassen hat und daß sie weder eine ungehorsame noch eine geschiedene Frau ist, deren Wartezeit beendet ist; der Kadi soll ihr auch gestatten, Schulden aufzunehmen, notfalls auf den Namen des Mannes. Art. 30 Ist eine Frau in schlechten Verhältnissen und hat sie gemäß dem vorhergehenden Artikel die Erlaubnis, Schulden zu machen, dann muß die Person, die dazu

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berufen wäre, sie zu unterhalten, wenn sie keinen Ehemann hätte, ihr ein Darlehen geben, wenn sie dazu imstande ist, und hat einen Rückgriff nur gegen den Ehemann; borgt sie bei einem Fremden, so hat dieser die Wahl, ob er den Rückgriff gegen die Frau oder gegen den Ehemann nehmen will; ist keiner da, der ihr leiht, und ist sie arbeitsunfähig, so muß sie der Staat unterhalten. Art. 31

(1) Der Kadi kann in einem Verfahren auf Unterhalt einen zeitweiligen Unterhalt für die Frau festsetzen, und diese Entscheidung ist vollstreckbar. (2) Diese Entscheidung unterliegt hinsichtlich ihrer Anerkennung oder Aufhebung dem Urteil zur Hauptsache. Art. 32

Der rüdeständige Unterhaltsbetrag verfällt nicht durch Scheidung oder Tod eines Ehegatten.

3. In Art. 33 wird das persönliche Verhältnis zwischen den Ehegatten derart geregelt, daß ausdrücklich hervorgehoben wird, der Mann habe über die Frau keine weitergehende Gewalt, als dies nach den Vorschriften der Scheria, also des islamischen religiösen Rechtes vorgesehen ist. Damit ist der Ehefrau zwar keine bessere Stellung verliehen, als sie sie bereits hatte. Es will aber doch der Gesetzgeber immerhin eindeutig klarstellen, daß die zuweilen vorkommenden Praktiken eines Mißbrauchs der Frau vom Gesetz nicht gebilligt werden. Andererseits besagt die Bestimmung, daß die Frau dem Mann wie bisher Gehorsam schuldet, daß sie insbesondere nicht ohne seine Erlaubnis und „ohne rechtlichen Grund" den ehelichen Aufenthaltsort, oft nicht einmal das Haus verlassen darf. Zu beachten ist Art. 26, wonach der Ehemann seine Frau nicht zwingen kann, mit seinen anderen Frauen oder mit seinen Verwandten unter demselben Dach zu leben. Inwieweit sich diese Bestimmung gegenüber dem bisher allgemeinen Brauch durchsetzt, daß die Eheleute zumindest am Anfang ihrer Ehe im Hause der Eltern des Mannes leben, läßt sich aber nicht sagen. Es muß gerade hier nochmals betont werden, daß alle die genannten Bestimmungen gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten nur einen sehr zweifelhaften Wert haben. Die Rechtswirklichkeit ist nach Ständen äußerst verschieden. In der zahlenmäßig sehr geringen Spitzenklasse der Bevölkerung spielen sich die persönlichen Ehewirkungen in einer an den europäischen Rahmen erinnernden Weise ab. Zu dieser Gruppe gehören aber sehr wenige der Iraker, die in Europa waren. In den niederen Bevölkerungskreisen und vor allem außerhalb der Hauptstadt sind alle diese Dinge noch vollkommen patriarchalisch. Die Frau tritt praktisch in die Sippe des Mannes ein

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und ist einer, oft durch tatsächliche Befugnis zur körperlichen Züchtigung verstärkten Weisungsbefugnis der sippenältesten Frau, praktisch ihrer Schwiegermutter, unterworfen. VI. Die güterrechtlichen

Wirkungen

der Ehe

1. Gesetzlicher Güterstand ist im Irak die Gütertrennung 4 . 2. Die wesentlichste Bestimmung in Eheverträgen ist die Vereinbarung eines mah'r (sog. Ehegabe). Hierin besteht eine g e w i s s e Möglichkeit einer vermögensrechtlichen Sicherung der Ehefrau. Die einschlägigen Vorschriften im irakischen Personenrechtsgesetz sind enthalten in den Art. 19-22 dieses Gesetzes. Sie lauten: Art. 19 (1) Die Frau ist zu einer in dem Ehevertrag festzusetzenden Ehegabe berechtigt. Ist darin keine Ehegabe festgesetzt oder ist der Vertrag nicht bestätigt worden, so ist sie zu einer angemessenen Ehegabe berechtigt. (2) Hat ein Mann sich verpflichtet, eine Frau zu heiraten und sendet er ihr Gegenstände zur Anrechnung auf die Ehegabe und tritt sodann ein Teil von dem Vertragsschluß zurück oder stirbt er, so kann der andere die Rückgabe der Gegenstände in Natur, falls sie noch vorhanden sind, oder ihren Wert verlangen. (3) Geschenke werden nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Geschenke beurteilt. Art. 20 (1) Die Ehegabe kann ganz oder teilweise sofort geliefert oder gestundet werden. In Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung ist das Gewohnheitsrecht zu befolgen. (2) Die in dem Vertrag festgesetzte Frist für die Ubergabe der Ehegabe entfällt im Falle des Todes oder der Scheidung. Art. 21 Die Frau hat Anspruch auf die ganze festgesetzte Ehegabe nach der Beiwohnung oder dem Tode eines der Ehegatten und auf die Hälfte der festgesetzten Ehegabe, wenn die Ehe vor der Beiwohnung geschieden wird. Art. 22 Erfolgt die Trennung nach einer Beiwohnung, die aufgrund eines ungültigen Vertrages stattfindet, und ist die Ehegabe festgesetzt worden, so ist der festgesetzte oder der angemessene Betrag zu zahlen, je nachdem, welcher der geringere ist; ist sie nicht festgesetzt worden, so ist der angemessene Betrag zu zahlen. Die Institution des „mah'r" gibt nun die Möglichkeit, der Ehefrau eine Sicherstellung dadurch zu verschaffen, daß der Ehemann einen Betrag, der für die Versorgung der Ehefrau ausreichend ist, in Deutschland hinterlegt. 4 Vgl. dazu Wilke, Neues Personenrecht im Irak, FamRZ 1961, 97.

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In aller Regel scheitert dies allerdings an der Durchführbarkeit. Denn wenn ein irakischer Bräutigam tatsächlich finanziell in der Lage wäre, eine derartige Sicherheit zu stellen, so wird deren Transferierung nach Deutschland praktisch immer auf irakische devisenrechtliche Schwierigkeiten stoßen. Es wird sich auch kaum eine Bank finden, die hierfür eine realisierbare Bürgschaft leisten würde 5 . Falls die Zahlung eines „mah'r" vereinbart wird, so bedarf es einer genauen Festlegung der Leistungsmodalitäten, schon im Hinblick auf die sonst eingreifenden gewohnheitsrechtlichen Regeln, auf die in Art. 20 Abs. 1 des Personenrechtsgesetzes verwiesen ist. Wenn es zur Eheschließung kommt, dann muß auf alle Fälle ein „mah'r" wirksam vereinbart werden, selbst dann, wenn solche Vereinbarung deswegen keine echte Sicherstellung der Ehefrau bedeutet, weil der Betrag nicht nach Deutschland transferierbar ist. 3. Ein außerhalb des Irak geschlossener Ehevertrag müßte in Anwendung des aus Art. 19 des irakischen bürgerlichen Gesetzbuches enthaltenen Rechtsgedankens 6 auch im Irak als gültig angesehen werden, wenn er den Ortsformen am Errichtungsort entspricht. Was allerdings im Einzelfall die irakischen geistlichen Gerichte, die darüber zu entscheiden haben, befinden, das ist unvorhersehbar. Auf keinen Fall ist es empfehlenswert, sich etwa darauf zu verlassen, daß ein vor einer irakischen Auslandsvertretung 7 abgeschlossener Ehevertrag im Irak als wirksam angesehen wird. Es ist durchaus möglich, daß mit gewandten Rechtskniffen die Formgültigkeit eines derartigen Vertrages in Frage gezogen wird, der ja nicht dem deutschen Ortsrecht entspricht. Nicht außer acht gelassen werden darf auch, daß der Abschluß eines derartigen Vertrages in arabischer Sprache schon auf Formulierungsund Verständigungsschwierigkeiten führt, so daß das, was die Braut beurkundet haben will, gar nicht zum Ausdruck kommt, wobei man nicht einmal an die Möglichkeit einer bewußten Verfälschung des Inhalts zu denken braucht. Grundlage einer Vereinbarung muß vielmehr ein deutscher notarieller Ehevertrag sein, der wenigstens in Deutschland und in der übrigen Welt einwandfrei gilt. Eine andere Frage ist es, ob daneben - etwa unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den bereits formulierten deutschen notariellen Ehevertrag vor einer irakischen Auslandsvertretung 8 oder vor der irakischen Ab5 Solange der Irak noch zur englischen Einflußsphäre gehörte, fanden sich unter g e w i s s e n Umständen britische Banken zu derartigen Bankbürgschaften bereit. • Siehe oben bei der Eheschließung. 7 Hier: Vor der irakischen Abteilung der für den Irak zuständigen Schutzmacht. 8 Außerhalb Deutschlands in einem Nachbarland.

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teilung der zuständigen Schutzmacht in Deutschland in arabischer Sprache ein zweiter, mit dem notariellen Vertrag völlig gleichlautender Ehevertrag zu schließen ist. Ein Unsicherheitsfaktor ist stets, daß nach islamischer Auffassung der Abschluß des Ehevertrages im wesentlichen ein religiöser Akt ist. Zweckmäßig werden daher auf alle Fälle zu der Urkundenerrichtung zwei Zeugen zugezogen. Möglicherweise wäre die Zuziehung eines mohammedanischen Geistlichen beim notariellen Vertrag als Zeugen ratsam. Es könnten in diesem Falle etwa auch die religiösen Einleitungsformen benutzt werden, wie sie in dem Muster eines iranischen Ehevertrages in StAZ 1953, 259 zu finden sind. Auf alle Fälle wäre aber dafür Sorge zu tragen, daß der abzuschließende Ehevertrag einwandfrei in die arabische Sprache übertragen wird. Daneben dürfte auch eine französische Übersetzung zweckmäßig sein. 4. Der Ehevertrag kann nur richtig gewertet werden, wenn man die Grenzen seiner Wirksamkeit sich vor Augen hält und außerdem darauf bedacht ist, den Ehevertrag zu einem religiös wirksamen Instrument auszugestalten, das als solches u. U. auch in den islamischen Kreisen, denen der Mann angehört, eine gewisse Autorität enthalten kann. Dem Institut sind mehrfach Eheverträge bei Eheschließungen deutscher Frauen mit Angehörigen der arabischen Staaten bekannt geworden. Nicht bekannt ist allerdings geworden, inwieweit derartige Eheverträge überhaupt eine praktische Bedeutung erlangen. Der wesentliche Inhalt derartiger Eheverträge ist, wie hier berichtet werden darf: a) die Gütertrennung unter Ausschluß jeglicher gegenseitiger Nutzungen. b) Vereinbarungen über die Unterhaltspflicht des Mannes. Freistellung der Frau von einer Unterhaltspflicht. Freistellung der Frau von den Leistungen eines Beitrages zu den ehelichen Lasten, u. U. Erklärung der Zustimmung des Mannes zu einer selbständigen Berufsausbildung durch die Frau, Zubilligung des Rechtes an die Frau, den Wohnsitz selbst zu wählen, ohne daß dadurch die Unterhaltspflicht des Ehemannes berührt wird. c) Zubilligung des Rechtes an die Frau, ihrerseits durch einseitige Willenserklärung die Ehe aufzulösen unter bestimmten Voraussetzungen (etwa bei Abschluß einer zweiten Ehe durch den Mann, bei Verletzung der Unterhaltspflicht und dgl. mehr). d) Vereinbarung über die Höhe der Ehegabe und der sonstigen Unterhaltsleistungen im Falle der Scheidung.

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Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Familienrecht VII. Die Frage einer

Ehescheidung

Die ganze Problematik der Ehe mit A n g e h ö r i g e n arabischer Staaten zeigt sich darin, daß m a n v o n vornherein eine Scheidung mit einkalkuliert. Ausgangspunkt dabei ist nun die Grundauffassung des islamischen Rechtes, daß der Ehemann durch einseitige Erklärung nach Willkür (sog. talagh) die Ehe auflösen kann. Im Irak ist nun nach den Bestimmungen des Personenrechtsgesetzes dieses Recht allerdings eingeschränkt, das sich nach islamischer Auffassung als einseitige „Verstoßung der F r a u " kennzeichnet. Inwieweit aber diese Einschränkungen sich gegenüber einer tausendjährigen Tradition durchsetzen, läßt sich nicht sagen, ist wohl auch regional und milieumäßig v e r schieden. Die einschlägigen Bestimmungen über Scheidung und Trennung der Ehe sind enthalten in den Art. 3 6 - 4 6 des Personenrechtsgesetzes, die im W o r t l a u t hier mitgeteilt w e r d e n : Art. 36 Eine Scheidung, die unter Benutzung einer Eidesformel mit einer Zeitbestimmung oder einer Bedingung ausgesprochen wird, ist unwirksam. Art. 37 (1) Der Ehemann hat das Recht, dreimal die Scheidung gegenüber seiner Frau auszusprechen. (2) Eine Scheidung, die unter Beifügung einer Zahl oder eines Zeichens ausgesprochen wird, gilt als einmaliger Ausspruch. (3) Eine durch drei einzelne Aussprüche getrennte Frau ist dadurch unwiderruflich von ihrem Ehemann geschieden. Art. 38 Es gibt zwei Arten der Scheidung: (1) die widerrufliche Scheidung, bei welcher der Ehemann die Frau während ihrer Wartezeit wieder aufnehmen kann, ohne einen neuen Vertrag abschließen zu müssen. Eine solche Wiederaufnahme wird in der gleichen Weise bewiesen wie die Scheidung; (2) die unwiderrufliche Scheidung, bei der man unterscheiden muß zwischen a) der beschränkten Unwiderruflichkeit, wenn der Mann seine geschiedene Frau durch einen neuen Vertragsschluß heiraten darf, b) der absoluten Unwiderruflichkeit, bei der dem Ehemann nicht die Wiederverheiratung mit seiner geschiedenen Frau gestattet ist, die er durch drei einzelne Aussprüche verstoßen hat und deren Wartezeit beendet ist. Art. 39 (1) Wer die Scheidung begehrt, muß bei dem Sharia-Gericht auf Erlaß eines Scheidungsurteils klagen; ist es ihm unmöglich, dieses Gericht anzugehen, so muß der Scheidungsakt bei dem Gericht während der Wartezeit eingetragen werden. (2) Die Scheidungsurkunde gilt als gültig, solange sie nicht von dem Gericht für ungültig erklärt worden ist.

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Art. 40 (1) Wenn ein Ehegatte behauptet, daß der andere ihn so schwer gekränkt hat, daß ihm die Fortsetzung des Zusammenlebens unmöglich ist, oder daß zwischen ihnen Uneinigkeit entstanden ist, so kann er bei dem Kadi die Trennung beantragen. (2) Der Kadi hat vor Erlaß eines Trennungsurteils zwei Schiedsrichter, je einen aus der Familie der Frau und der des Mannes, zu ernennen, welche eine Aussöhnung zwischen ihnen zu versuchen haben; sind in ihren Familien keine Schiedsrichter zu finden, so soll der Kadi die Eheleute auffordern, andere zu wählen; sind sie hiermit nicht einverstanden, so soll der Kadi sie wählen. (3) Die Schiedsrichter müssen ihr Bestes tun, um die Versöhnung zu erreichen; haben sie keinen Erfolg, so müssen sie dies dem Kadi berichten und dabei die Partei bezeichnen, die sich als tadelnswert herausgestellt hat; können sie sich hierüber nicht einigen, so soll der Kadi ihnen einen dritten Schiedsrichter beiordnen. (4) Ist der Kadi überzeugt, daß die eine Partei die andere gekränkt hat, oder daß dauernd zwischen beiden Streit besteht, kann er auch eine Versöhnung nicht erreichen und weigert sich der Ehemann, die Scheidung auszusprechen, so hat der Kadi die Trennung zwischen ihnen zu verfügen. Falls die Frau die Schuld trifft, so verfällt der gestundete Teil der Ehegabe; hat sie bereits die ganze Morgengabe erhalten, so hat ein Urteil dahin zu ergehen, daß sie den Mann aus der Verpflichtung entläßt, sie weiterhin zu unterhalten. Alt. 41 Ist der Mann durch ein endgültiges Urteil zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder länger verurteilt, so kann die Frau bei dem Gericht die Trennung beantragen, auch wenn der Ehemann Vermögen besitzt, von dem sie sich unterhalten kann. Alt. 42 Eine wegen Kränkung oder Streitigkeiten erfolgte Trennung gilt als eine beschränkt unwiderrufliche Scheidung. Alt. 43 Ist ein Ehemann seit zwei Jahren oder länger ohne gesetzlichen Grund abwesend und ist sein Aufenthalt bekannt, so kann die Frau bei dem Gericht die Trennung wegen dieser Kränkung beantragen, auch wenn der Ehemann Vermögen besitzt, von dem sie sich unterhalten kann. Art. 44 (1) Erkennt die Frau, daß ihr Ehemann impotent ist oder Leiden hat, das ihn an der Vollziehung der Ehe hindert, so kann sie bei dem Gericht die Trennung beantragen. (2) Erkennt die Frau nach Abschluß des Ehevertrages, daß der Mann mit einem Leiden behaftet ist, welches das Zusammenleben mit ihm gefährlich macht, wie Lepra, Tuberkulose, Syphilis oder Geisteskrankheit, oder daß er sich später eine dieser Krankheiten zugezogen hat, so kann sie bei dem Gericht auf Scheidung klagen. ll •

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(3) Findet das Gericht nach ärztlicher Untersuchung, daß die in Abs. 1 und 2 dieses Artikels erwähnte Krankheit wahrscheinlich zu beheben ist, so soll es die Entscheidung aussetzen, bis die Krankheit verschwindet; die Frau kann sich während dieses Aufschubes des Verkehrs mit dem Ehemann enthalten. (4) Findet das Gericht, daß keine Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Krankheit behoben wird, und willigt der Ehemann nicht in eine Scheidung, so soll der Kadi ein Trennungsurteil erlassen, wenn die Frau auf ihrer Klage besteht. Art. 45 (1) Die Frau kann in folgenden Fällen eine Klage auf Trennung von ihrem Ehemann erheben: a) w e n n der Ehemann sich ohne rechtmäßigen Grund geweigert hat, für den Unterhalt seiner Frau zu sorgen, nachdem er diese Absicht seit einer Frist von sechzig Tagen mitgeteilt hat; b) wenn die Frau nicht in der Lage ist, den Unterhalt zu erlangen, weil der Ehemann abwesend oder verschwunden und sein Aufenthalt unbekannt ist, oder weil er eine Freiheitsstrafe von mehr als einem J a h r verbüßt. (2) Die in den beiden vorerwähnten Fällen vom Kadi ausgesprochene Trennung gilt als widerrufliche Scheidung. Art. 46 (1) Khul' ist die Aufhebung des ehelichen Bandes durch Aussprechung des Wortes „Khul" oder eines Ausdrucks von gleichem Sinne; sie erfolgt im W e g e des Angebotes und der Annahme in Gegenwart des Kadis unter Beachtung der Vorschriften des Art. 39 dieses Gesetzes. (2) Für die Gültigkeit des Khul' ist erforderlich, daß der Ehemann die Fähigkeit besitzt, die Scheidung zu vollziehen, und daß sie der Frau gegenüber vollzogen werden kann. Der Khul' hat eine unwiderrufliche Scheidung zur Folge. (3) Der Ehemann kann den Khul' mit seiner Frau für eine Vergütung ausführen, die größer oder kleiner als der Betrag der Ehegabe ist. D a z u e r s c h e i n e n f o l g e n d e B e m e r k u n g e n erforderlich: A u c h h e u t e noch k a n n der M a n n die Ehe e i n s e i t i g a u f l ö s e n . D i e s e s e i n s e i t i g e willkürliche Recht w i r d durch das A u s s p r e c h e n b e s t i m m t e r F o r m e l n w i e „Ich v e r s t o ß e Dich" o d e r „Dein Antlitz s e i mir w i e D e i n Rücken" ausgeübt. Der E h e m a n n k a n n das V e r s t o ß u n g s r e c h t auf s e i n e Frau rechtsgeschäftlich übertragen. In d i e s e m Fall beantragt die Frau ihre e i g e n e V e r s t o ß u n g durch d e n Mann. Es ist a l s o n o t w e n d i g , im Ehevertrag der Frau das Recht zu g e b e n , v o n sich aus durch e i n s e i t i g e W i l l e n s e r k l ä r u n g die Ehe a u f z u l ö s e n und sich v o n d e n e h e l i c h e n B a n d e n zu b e f r e i e n . W e n n in Art. 39 d e s P e r s o n e n r e c h t s g e s e t z e s - e n t g e g e n der i s l a m i s c h e n Tradition - v o r g e s e h e n ist, daß die V e r s t o ß u n g nur noch aufgrund e i n e r K l a g e b e i m g e i s t l i c h e n Gericht v o r g e n o m m e n w e r d e n kann, so ist d i e s schon d e s h a l b als e i n e nicht recht w i r k s a m e K o m p r o m i ß l ö s u n g erkennbar, w e i l in Art. 39 s e l b s t schon A u s n a h m e f ä l l e v o r g e s e h e n sind für j e n e Fälle,

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in dem es dem Scheidungswilligen „unmöglich" ist, das geistliche Gericht anzugehen. Gerade die Formulierung des Art. 39 im Vergleich zu Art. 34 zeigt in ihrer Widersprüchlichkeit und Unklarheit das Niveau von Rechtsauffassung und Rechtstechnik im Irak. Die in Art. 46 vorgesehene einverständliche Trennung der Ehepartner führt zu einer unwiderruflichen Scheidung im Sinne von Art. 38 Abs. 2 des Personenrechtsgesetzes und wirkt sich als ein Loskaufen der Ehefrau von der Ehe aus. Die Frau verwirkt ganz oder teilweise die Ehegabe. Dabei kann als verwirkt anzusehender Betrag eine Summe vereinbart werden, die sowohl über als auch unter dem Betrag der festgesetzten Ehegabe liegt. Diese Handelschaft bedarf der Mitwirkung des Kadi. VIII. Nachwirkungen

einer Ehe nach Scheidung

1. Die Unterhaltspflicht für die Kinder trifft den Ehemann. Seine Unterhaltsleistungspflicht für die Ehefrau bedarf einer ehevertraglichen Vereinbarung. 2. Elterliche Gewalt und Sorgerecht nach Scheidung Hier hat das Personenrechtsgesetz keine Änderung gebracht. Es gelten daher weiterhin uneingeschränkt die islamischen religiösen Rechtsgrundsätze: Der Mutter steht nur eine sehr begrenzte mütterliche Sorgebefugnis (hadanah) zu, die automatisch und starr endet, wenn die Kinder in das 7. Lebensjahr eintreten. Dabei sind Unterschiedlichkeiten festzustellen, je nachdem, ob es sich um Knaben oder Mädchen handelt. Diese Unterschiedlichkeiten beziehen sich aber nur darauf, daß bei Mädchen die hadanah bis zum 9. Jahre dauert. Es ist oben bereits darauf hingewiesen worden, daß die Ehefrau in keinem Fall darauf rechnen kann, mit ihren Kindern gegen den Willen des Ehemannes legal den Irak verlassen und nach Deutschland zurückkehren zu können. Im Ehevertrag zu treffende anderweitige Regelungen hinsichtlich einer elterlichen Gewalt oder des Sorgerechtes nach Ehescheidung erscheinen zwecklos, da die religiösen Vorschriften insoweit als zwingendes Recht angesehen werden. IX. Erbrechtliche Fragen Wenn die hier ins Auge gefaßte Ehe wirklich zustande kommt, so empfiehlt es sich dringend, eine für die Ehefrau günstige erbrechtliche Regelung zugleich mit dem Ehevertrag erbvertraglich zu vereinbaren. Das isla-

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mische Recht mißbilligt - im Gegensatz etwa zu den romanischen Rechten derartige Erbverträge nicht von vornherein. Eine erbvertragliche Regelung empfiehlt sich um so mehr, als der Rechtszustand bezüglich der gesetzlichen Erbfolge im Irak im Augenblick deswegen unsicher erscheint, als sich das irakische weltliche Recht (in den Art. 1187-1199 des irakischen bürgerlichen Gesetzbuchs von 1951 in Verbindung mit Art. 74 des Personenrechtsgesetzes) von dem koranischen gesetzlichen Erbrecht unter Mißbilligung der islamischen Schriftgelehrten entfernt hat. Dem Institut liegen derzeit die erwähnten Art. 1187-1199 des irakischen bürgerlichen Gesetzbuchs von 1951 nicht in einer aus dem Arabischen in eine westliche Sprache übersetzten Fassung vor. Um die vorliegende Auskunft nicht zu verzögern, soll mit der Textbeschaffung nicht gewartet werden. Es kann nur gesagt werden, daß die Neuregelung die bisherige Zurückstellung der Frau gegenüber dem Manne beseitigt hat (nach islamischem Recht wird einem männlichen Erben der gleiche Anteil zugesprochen wie zwei weiblichen). Die genaue Mitteilung der einzelnen Bruchteile ist einer nachträglichen ergänzenden Stellungnahme vorzubehalten, die alsbald nachgeliefert werden wird, wenn das Institut im Besitze des Textes ist. Da die praktische Geltung dieser gesetzlichen Erbfolge infolge des Widerspruchs der islamischen Schriftgelehrten zweifelhaft erscheint und ohnehin eine erbvertragliche Regelung dringend empfehlenswert ist, erscheint es vertretbar, daß das Institut bereits jetzt seine gutachtliche Äußerung abgibt, um nicht die Beantwortung der restlichen Fragen zu verzögern. Nr. 16 Italien 1. Maßgebendes Redit für Inhalt und Wirkungen von Eheverträgen zwischen einem Italiener und dessen zukünftiger Ehefrau, die die Staatsangehörigkeit des Mannes und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. 2. Anwendbarkeit des Haager Ehewirkungsabkommens vom 17.7.1905 im Verhältnis zu Italien. 3. Anwendbarkeit des Haager Eheschließungsabkommens vom 12.6.1902 im Verhältnis zu Italien. 4. Möglichkeit einer standesamtlichen und kirchlichen Trauung in Deutschland, wenn die zukünftigen Ehegatten ihren Wohnsitz in Italien nehmen werden. 5. Kann die deutsche Ehefrau die evangelische Konfession beibehalten? 6. Möglichkeit einer Sdieidung. Freiburg vom 30. 7.1965

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GUTACHTLICHE STELLUNGNAHME Herr Diplom-Kaufmann K. hat midi im Auftrag eines seiner Mandanten gebeten, gutachtlich zu einzelnen Fragen Stellung zu nehmen, die sich im Zusammenhang mit der Absicht der Tochter des Mandanten stellen, einen italienischen Staatsangehörigen zu heiraten. zu Frage 1: Ist es möglidi, daß die Ehefrau (volljährig) ihre deutsche Staatsangehörigkeit behält?

Früher verlor nach § 17 Nr. 6 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStG) vom 22. 7. 1913 eine Deutsche ihre Staatsangehörigkeit durch Eheschließung mit einem Ausländer. Als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter (Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz) ist diese Bestimmung aber gem. Art. 117 Abs. 1 Grundgesetz nur bis zum 31. 3. 1953 in Kraft geblieben. Das 3. Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 19. 8. 1957 1 hat diese nach einhelliger Ansicht eingetretene Aufhebung der Bestimmung 2 nicht nochmals - weil überflüssig - wiederholt. Eine Deutsche, die einen Ausländer heiratet, behält somit ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Einer ausdrücklichen Erklärung vor dem deutschen Standesbeamten, die deutsche Staatsangehörigkeit behalten zu wollen, bedarf es danach heute nicht mehr 3 . Der mit der Eheschließung verbundene automatische Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit (vgl. darüber unten) hat den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch nicht zur Folge. Die deutsche Frau verliert vielmehr ihre deutsche Staatsangehörigkeit nur dann, wenn sie die fremde Staatsangehörigkeit auf ihren Antrag erhält oder einem entsprechenden Antrag des Mannes zustimmt (§ 25 Abs. 1 RuStG) 4 . Nach italienischem Staatsangehörigkeitsrecht erwirbt eine Ausländerin durch die Eheschließung mit einem Italiener automatisch und unbedingt die italienische Staatsangehörigkeit. Der dies anordnende Art. 10 Abs. 2 des italienischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13. 6.1912 gilt unverändert bis heute 5 . Er lautet in deutscher Übersetzung: BGBl. I, S. 1251. Rundsdireiben des Bundesministers des Innern vom 6. 4. 1954 - StAZ 1954, 105; Entschl. des Bayr. Staatsministeriums des Innern vom 12. 10. 1953 - MAB1. 670; ferner Ferid, StAZ 1953, 280; Findorff, StAZ 1955, 166; Massfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl. 1955), 55 und 80, sowie im Ergänzungsband (1957), 203 ff.; Schätzel, Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl. 1958), 191 f.; Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts (2. Aufl. 1962), 262. 3 Massfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl. 1955), 81 f.; Entschl. des Bayr. Staatsministeriums des Innern vom 12. 10. 1953 - MAB1. 670. 4 Vgl. darüber Massfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl. 1955) 63 f.; Schätzel, Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl. 1958), 216 f. 5 Vgl. Quadri zum Stichwort Cittadinanza in Novissimo Digesto Italiano (1959), 306 ff. und 327 f.; Jemolo, II matrimonio (1961), 186. 1

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Eine Ausländerin, welche einen Staatsangehörigen heiratet, erwirbt die italienische Staatsangehörigkeit. Sie behält sie auch als Witwe, es sei denn, daß sie durch Beibehaltung ihres ausländischen Aufenthalts oder durch Verlegung des Aufenthalts ins Ausland ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit wieder erwirbt Der automatische Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit tritt auch dann ein, w e n n eine Ehefrau nach dem Staatsangehörigkeitsrecht ihres Heimatlandes ihre angestammte Staatsangehörigkeit behält, w i e dies nach deutschem Recht der Fall ist 7 . Sie wird dann Doppelstaaterin. Die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Ehefrau bedeutet zweifellos eine gewisse Sicherung beim Eintritt in den fremden Rechtskreis sowohl unter öffentlichrechtlichen als auch unter internationalprivatrechtlichen Gesichtspunkten. Jedoch sollte diese Sicherung - jedenfalls im internationalen Privatrecht - nicht überschätzt werden. Die internationalprivatrechtliche Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit - d. h. die Bestimmung des Rechts, das für gewisse Rechtsverhältnisse einer Person maßgeblich ist, nach dem Merkmal ihrer Staatsangehörigkeit - verliert besonders im familienrechtlichen Bereich allmählich an Boden. Dies gilt namentlich auch für die Anknüpfung in Fällen der Doppelstaatsangehörigkeit. Zwar überwiegt in Rechtsprechung und Schrifttum noch die Ansicht, daß im Falle mehrfacher Staatsangehörigkeit der Angehörigkeit des Gerichtsstaates der Vorzug zu geben ist. Würde z. B. die Ehefrau in Deutschland auf Scheidung klagen, so würde nach dieser Ansicht das deutsche Gericht gem. Art. 17 Abs. 3 EGBGB deutsches Recht anwenden, weil die Ehefrau nicht nur Italienerin, sondern auch Deutsche ist. Der Schutzcharakter dieser Vorschrift spricht für diese Ansicht 8 . Sonst zeichnen sich allerdings namentlich im Schrifttum jedoch Tendenzen ab, die engere Lebensbeziehung im konkreten Fall für die Rechtswahl maßgeblich sein zu lassen 9 . Nach dieser neueren Ansicht ist besonders der Wohnsitz ein Indiz des organischen Zusammenhangs mit dem Recht einer der mehreren Staatsangehörigkeiten 10 . zu Frage 3: Ist es möglich, mit dem zukünftigen Ehegatten italienischer Staatsangehörigkeit einen Vertrag über Gütertrennung nach deutschem Recht abzuschließen? Diese Frage ist in mehrere Einzelfragen unterzuteilen. Diese könnten verschieden zu beantworten sein, je nachdem, ob die Formgültigkeit eines solchen Ehevertrages oder seine materielle Wirksamkeit in Frage steht, oder ob es sich um seine Wirksamkeit in Deutschland oder in Italien handelt. 8 Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl.), Italien, 4; Lichter, Die Staatsangehörigkeit (2. Aufl. 1955), 681. 7 8 Quadri 328. Näheres dazu unten S. 178 f. • Vgl. Ferid, Zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Inländern mit zugleich ausländischer Staatsangehörigkeit, RabelsZ 23 (1958), 508f.; Beitzke, JZ 1959, 124; Soergel- Kegel, BGB V (9. Aufl. 1961), Art. 29 EGBGB, Bern. 29. 10 Ferid 508; Neuhaus, Grundbegriffe des IPR (1962), 142 f.

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Die Bestimmung der für die Beurteilung maßgeblichen Vorschriften richtet sich nach folgenden Grundsätzen: Gemäß der Bekanntmachung vom 14. 2. 195511 ist das Haager Ehewirkungsabkommen vom 17. 7. 190512 im Verhältnis zu Italien mit Rückwirkung auf den 1.5. 1952 wieder anzuwenden. Dieses Abkommen enthält Vorschriften sowohl über Zulässigkeit (Art. 4) und Form (Art. 6) als auch über Inhalt und Wirkung von Eheverträgen (Art. 5). Allerdings sind diese Bestimmungen nur anzuwenden, wenn beide Verlobte in den persönlichen Geltungsbereich des Abkommens einbezogen sind. Diese Frage ist in den Abkommen indessen nicht ausdrücklich geregelt. Es wird die Ansicht vertreten 1 3 , das Abkommen setze dieselbe Staatsangehörigkeit bei beiden Ehegatten voraus und könne andernfalls nicht angewendet werden. Hierfür spricht, daß nach den Rechten aller Vertragsstaaten beim Inkrafttreten des Abkommens im Jahre 1905 die Ehefrau bei der Eheschließung die Staatsangehörigkeit des Mannes erwarb und ihre eigene Staatsangehörigkeit nicht beibehielt, also eine verschiedene Staatsangehörigkeit der Ehegatten gar nicht in Betracht kam. Dafür spricht ferner Art. 4 des Abkommens, wonach sich die Zulässigkeit eines Ehevertrages während der Ehe nach dem Heimatrecht der Ehegatten bestimmt und bei verschiedenem Heimatrecht der Ehegatten das Abkommen nicht angewandt werden kann. Das gleiche müßte dann für den Ehevertrag bei der Eheschließung gelten. Nach anderer Ansicht 14 ist jedoch das Abkommen für die vermögensrechtlichen Beziehungen auch dann anwendbar, wenn nur einer der Eheleute Angehöriger eines anderen Vertragsstaates ist; das wäre in diesem Fall also der zukünftige Ehemann. Die Frage kann jedoch m. E. hier aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben: In Italien würde die Ehefrau als Italienerin behandelt werden, da sie durch die Eheschließung die italienische Staatsangehörigkeit erlangt hat 1 5 . In Italien würde danach das Abkommen ohnehin für den Ehevertrag angewandt 1 8 . Dies ist insofern wichtig, weil es nach der Fragestellung 11

BGBl. 1955 II 188. Vgl. u. a. den Abdruck bei Soergel-Kegel, BGB V (9. Aufl. 1961) Anhang zu Art. 16 EGBGB; Palandt-Lauterbach (24. Aufl. 1965) Anhang zu Art. 15 EGBGB. 13 Darüber Dölle, RabelsZ 16 (1951), 386 mit Nachweisen. 11 Soergel-Kegel, BGB V (9. Aufl. 1961) Anhang nach Art. 16 EGBGB, Bern. 13; Dölle 366; wohl auch Jayme, Spannungen bei der Anwendung italienischen Familienrechts durch deutsche Gerichte (1961), 50 f., und N J W 1965, 16; Lewald, Wörterbuch des Völkerrechts I (1. Aufl. 1924), 476. - Allgemein zur Abgrenzung des räumlich-persönlichen Geltungsbereichs der Haager Übereinkommen MüllerFreieniels, in: Festschrift für Hans Ficker. 15 Biscottini, Sul problema della doppia cittadinanza nel diritto italiano, Rivista di diritto internazionale 39 (1956), 634 f.; vgl. auch Jayme, NJW 1965, 16. 16 Monaco, L'efficacia delle legge nello spacio (1954), 151 f.; ders., in: Novissimo Digesto Italiano X, 418; Balladore Pallieri, Diritto internazionale privato (2. Aufl. 1950), 179. 12

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wohl vorwiegend um die Beurteilung der Wirkung des Vertrages in Italien geht. überdies dürfte der Ehevertrag in Deutschland ebenfalls nach den Bestimmungen des Haager Ehewirkungsabkommens zu beurteilen sein. Beide Parteien des Vertrages sind in deutscher Sicht Angehörige der Vertragsstaaten Deutschland und Italien. Es ist Sinn des Abkommens, daß es im Verhältnis der Angehörigen dieser Staaten zueinander gilt 17 . Dazu kommt, daß die Ehefrau neben ihrer deutschen Staatsangehörigkeit auch die italienische hinzuerwirbt und der Wohnsitz in Italien genommen werden soll. Selbst wenn daher die beibehaltene deutsche Staatsangehörigkeit der Ehefrau nach der einen oder beiden obengenannten Ansichten der Anwendung des Haagei Abkommens entgegenstehen sollte, so kann dies jedenfalls nicht für den Fall der Doppelstaatsangehörigkeit gelten. Vielmehr muß auch hier die Staatsangehörigkeit mit der engeren Lebensbeziehung ausschlaggebend sein 18 . Der in Aussicht genommene Eheveitrag zwischen den beiden Parteien untersteht dem Haager Ehewirkungsabkommen. Gemäß Art. 3 des Abkommens bestimmt sich die Fähigkeit, einen Ehevertrag zu schließen, für einen jeden der Verlobten nach dem Gesetz seines Heimatstaates zur Zeit der Eheschließung. Da die Verlobte nach deutschem Recht volljährig ist und der Verlobte nach italienischem Recht ebenfalls mit Vollendung des 21. Lebensjahres (Art. 2 Codice civile) volljährig ist, bestehen insoweit keine Hindernisse. Gemäß Art. 6 des Abkommens ist der Vertrag formgültig abgeschlossen, wenn er gem. dem Gesetz des Landes, in dem er errichtet wird oder gem. dem Gesetz des Heimatstaates eines jeden der Verlobten zur Zeit der Eheschließung wirksam zustande gebracht ist, Es genügt daher, wenn der Vertrag in Deutschland nach den deutschen Formvorschriften, d. h. gem. § 1410 BGB, bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor Gericht oder vor einem Notar gültig zustande gekommen ist. Vorausgesetzt werden muß dafür gem. Art. 6 Abs. 2 des Abkommens, daß Italien seinerseits für die im Ausland geschlossenen Eheverträge seiner Angehörigen keine bestimmte Form vorschreibt. Nach Art. 26 Disposizioni sulla legge in generale zum Codice civile (den sog. disposizioni preliminari) läßt auch 17 Dies liegt auch im Interesse internationaler Entscheidungsharmonie, die gerade durch die internationalen Abkommen bezweckt wird. Der BGH (NJW 1959, 717, auf 719 f.) hat ausdrücklich auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Soweit ersichtlich, ist das hier in Frage stehende Problem von der Rechtsprechung jedoch noch nicht untersucht worden. Das BayObLG (FamRZ 1961, 220 ff.) hat das Abkommen in einem einschlägigen Fall (bei dem die Ehegatten allerdings „rein" italienische Staatsangehörige waren, ohne Begründung nicht angewandt; dazu auch kritisch Jayme, N J W 1965, 15. 18 In diesem Sinne auch Schwind, Der Mehrstaater im vertraglich geregelten internationalen Privatrecht, FamRZ 1964, 481.

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das italienische Recht die Beachtung der Ortsform für die Formgültigkeit des Vertrages genügen 19 . Der Vertrag ist somit ebenfalls nach italienischem Recht formgültig abgeschlossen, wenn er in Deutschland in Ubereinstimmung mit den Erfordernissen des § 1410 BGB zustande gekommen ist. Art. 5 Abs. 1 des Haager Abkommens erklärt „für die Gültigkeit eines Ehevertrages in Ansehung seines Inhalts sowie für seine Wirkungen das Gesetz des Heimatstaates des Mannes zur Zeit der Eheschließung" für maßgeblich. Nach Art. 5 Abs. 2 des Haager Abkommens entscheidet das gleiche Gesetz auch darüber, ob und inwieweit die Ehegatten die Befugnis haben, auf ein anderes Gesetz zu verweisen. Die Frage, ob die zukünftigen Eheleute im Ehevertrag sachlich wirksam die Gütertrennung deutschen Rechts vereinbaren können, beantwortet sich somit nach italienischem Recht20. Das italienische Ehegüterrecht geht vom Grundsatz der Ehevertragsfreiheit aus. Nach Art. 159 Codice civile (im folgenden abgekürzt C. c.) werden die güterrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten durch Vereinbarungen zwischen ihnen und durch das Gesetz geregelt 21 . Das italienische Recht kennt jedoch gesetzliche Begrenzungen der Ehevertragsfreiheit. Diese gelten namentlich auch für die Vereinbarung ausländischen Rechts (vom italienischen Recht aus gesehen) im Ehevertrag. Im Hinblick auch darauf bestimmt Art. 161 C. c.: Die Ehegatten können nicht Verträge in der Weise schließen, daß ihre vermögensrechtlichen Beziehungen ganz oder teilweise durch Gesetze, denen sie nicht unterliegen, oder durch Gebräuche geregelt sind; vielmehr müssen sie in konkreter Weise den Inhalt der Vereinbarungen, durch die sie ihre Beziehungen zu regeln beabsichtigen, aufzählen.

Demzufolge ist eine allgemeine Bezugnahme auf ein ausländisches Gesetz unzulässig 22 . Ausgeschlossen sind damit sogenannte Stichwortverträge, die auch § 1409 Abs. 1 BGB als Verweisung auf ein ausländisches Gesetz nicht erlaubt. Davon abgesehen jedoch, läßt Art. 161 C. c. die Vereinbarung ausländischen Rechts bzw. ausländischer Gesetzesbestimmun19

Vgl. auch Ubertazzi, I rapporti patrimoniali tra coniugi nel diritto internazionale privato (1951), 68 f. Monaco in Novissimo Digesto Italiano X, 418 f. 20 Keine Anwendung findet in diesem Zusammenhang Art. 15 Abs.2 Satz 2 des deutschen EGBGB, wonach die Ehegatten unter gewissen Umständen einen Ehevertrag schließen können, der nach dem Heimatrecht des Ehemannes unzulässig wäre. Da nach der hier vertretenen Auffassung für den Ehevertrag das Haager Ehewirkungsabkommen als lex specialis gilt, ist für die Anwendung des Art. 15 Abs. 2 EGBGB kein Raum; dazu auch Jayme, Spannungen bei der Anwendung italienischen Familienrechts, 61-63. 21 Trabucchi, Istituzioni di Diritto Civile (13. Aufl. 1962), 275; Tedeschi, Il regime patrimoniale della famiglia (3. Aufl. 1956), 3 und 33 ff.; Busnelli, Convenzione matrimoniale, Enciclopedia del diritto X, 514; Tedeschi in Novissimo Digesto Italiano X, 412. 22 Vgl. darüber Tedeschi, Il regime patrimoniale della famiglia (3. Aufl. 1956), 42.

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gen im Ehevertrag zu, wenn die ausländischen Regeln im Vertrag konkret genannt und wörtlich voll ausgesprochen vereinbart werden 2 3 . Art. 161 C. c. stellt also nur eine formelle Beschränkung der Vertragsfreiheit dar 2 4 ; inhaltlich steht der Vereinbarung der Gütertrennung deutschen Typs insoweit nichts entgegen. Ausgelegt aber würde der Vertrag nach den italienischen Auslegungsvorschriften 25 . Nun kennt indessen Italien die Gütertrennung bereits als „gesetzlichen Güterstand" (regime legale); das heißt: Gütertrennung gilt nach italienischem Recht grundsätzlich, wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben 2 6 . Es könnte sich daher die Frage stellen, ob die Ehegatten vereinbaren können, was ohne Ehevertrag ohnehin gelten würde. Diese Frage ist - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Schrifttum bisher nicht behandelt. Es bestehen jedoch gute Gründe dafür, eine Vereinbarung im Sinne der deutschen Gütertrennung zu treffen. Die Frau behält zwar nach italienischer Gütertrennung die volle „Autonomie" über die ihr persönlich gehörenden Güter. Tatsächlich - so wird in der Literatur ausgeführt 2 7 ist aber der Mann häufig der Verwalter des Frauenguts, und zwar auch dann, wenn er nicht ausdrücklich dazu beauftragt ist. In diesem Fall hat er Nutzungsrechte, und ihn treffen die Pflichten eines Nießbrauchers. Entspricht dies der konkreten Interessenlage, so ist zumindest zur Klarstellung empfehlenswert, die Verwaltung und Nutzung des (getrennten) Frauenguts ehevertraglich auszuschließen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, daß der „gesetzliche Güterstand" der Gütertrennung in Italien eines Tages geändert werden und kraft Gesetzes in einen anderen Güterstand übergeführt werden könnte. Kraft zwingender Vorschrift des italienischen Rechts (Art. 162 Abs. 2 C. c.) ist aber ein Ehevertrag von der Eheschließung ab grundsätzlich unabänderlich. Wenn im konkreten Fall ein Interesse an unabänderlicher Beibehaltung der Gütertrennung besteht, hat es einen guten Sinn, diese ehevertraglich zu vereinbaren. Damit ist bereits auch eine der zwingenden Vorschriften des italienischen Rechts erwähnt worden, die den möglichen Vertragsinhalt begrenzen. Die Abänderlichkeit des Vertrages nach der Eheschließung kann nicht vereinbart werden. Wohl aber sind Ergänzungen möglich, die den unabänderlichen Gehalt nicht in der Substanz berühren. Es gilt der Grundsatz „Aggiungere si, modificare no" 28 . 23 Tedeschi 42; Busnelli 515; „e necessaria l'enunciazione completa del suddetto regolamento"; Funaioli, Rapporti patrimoniali della famiglia (1949), 27; RuggieroMaioi, Istituzioni di diritto civile I (9. Aufl. 1961), 319. 24 25 Busnelli 515. Tedeschi 42. 20 Dies ergibt sich als Umkehrschluß aus Artikeln 215, 217 C. c.; vgl. Tedeschi 19; Trabucchi 275; Ghezzi, La prestazzione di lavoro nella communitä famigliare (1960), 127; Barbero, Diritto privato I (1962), 516 f.; Torrente-Pescatore, Codice civile (4. Aufl. 1963), Art. 159. 27 Trabucchi 275. 28 Jayme 61, unter Berufung auf Barassi, La famiglia legittima (1941), 255; vgl.

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Eine weitere zwingende Beschränkung des Vertragsinhalts enthält Art. 160 C. c. Danach kann die Stellung des Mannes als „Haupt der Familie" (capo della famiglia) 29 nicht vertraglich abbedungen werden. Das gleiche gilt für diejenigen Rechtspositionen, die kraft Gesetzes dem einen oder anderen Ehegatten zustehen. Gemeint sind damit vor allem die nichtvermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten 30 . Nicht abbedungen werden können im Ehevertrag z. B. die „ehemännliche Gewalt" (potestà maritale, Art. 144 C. c.) und die „väterliche Gewalt" (potestà patria) des Mannes über die Kinder, das Wohnsitzbestimmungsrecht des Mannes, das Recht auf Überwachung der Korrespondenz der Frau 31 . Ebenfalls nicht vertraglich ausgeschlossen werden können die ehelichen Unterhaltspflichten (Art. 145 C. c.) sowie das Recht, gegebenenfalls Trennung von Tisch und Bett zu verlangen. Dagegen kann die Aufbringung der beiderseitigen Beiträge zu den ehelichen Lasten und die Verteilung der Einkünfte aus gemeinsamer Erwerbstätigkeit jeweils vertraglich von den Eheleuten festgelegt werden 3 2 . Die Eheleute können jedoch wiederum nicht z. B. dem italienischen Recht unbekannte Sachenrechte (numerus clausus) vereinbaren sowie Bestimmungen, die dem italienischen ordre public zuwiderlaufen 33 . Danach könnten die künftigen Eheleute einen Ehevertrag gültig abschließen, durch den sie Gütertrennung im Sinne des deutschen Rechts vereinbaren. Sie dürften sich aber nicht bloß mit einer Verweisung auf den deutschen Güterstand der Gütertrennung begnügen; vielmehr müßten die einzelnen Vertragsbestimmungen, mit denen die Gütertrennung im Sinne des deutschen Rechts vereinbart ist, vollinhaltlich und in ganzem Umfang in den Vertrag aufgenommen werden. Dieser Vertrag, der vor der Ehe abgeschlossen werden kann, würde mit der Eheschließung wirksam werden. Falls im Hinblick auf die vertragliche Regelung der güterrechtlichen Beziehungen der künftigen Eheleute sich weitere Detailfragen, wie über die Registrierung des Vertrages, ergeben, bin ich bereit, diese auf Anfrage zu beantworten. Gemäß Art. 8 des Haagei Ehewirkungsabkommens ist es im übrigen jedem Vertragsstaat darüber näher Tedeschi, II regime patrimoniale della famiglia (3. Aufl. 1956), 53 ff.; Busnelli 520 ff. ; Barbero 618. 29 Darüber in deutscher Sprache Tavolato, FamRZ 1965, 299. 30 Tedeschi in Novissimo Digesto Italiano X, 412; ders., Regime patrimoniale, 40 f.; Busnelli 514 f., der auch gewisse vermögensrechtliche Vertragsbestimmungen einbezieht, wenn diese einen vereinbarten Güterstand denaturieren. Im dotalen System darf z. B. nicht die Verwaltungsbefugnis des Mannes über die dos ausgeschlossen werden; dazu auch Barbero, Diritto privato I (1962), 618; RuggieroMaroi, Diritto privato I (9. Aufl. 1961), 319, ausdrücklich nur auf das Dotalsystem bezogen. 31 Darüber Tedeschi, II regime patrimoniale della famiglia (3. Aufl. 1956), 40. 32 Tedeschi 41-,Ruggiero-Maroi 318; Busnelli 515. 35 Tedeschi 41 f.

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vorbehalten, bestimmte Vorkehrungen zum Schutze des Rechtsverkehrs mit Ehegatten zu treffen. Entsprechende Bestimmungen sind in den italienischen Gesetzen enthalten. Sie betreffen Besitz- und Eigentumsvermutungen (Praesumptio Muciana) namentlich in der Zwangsvollstreckung und Eigentumsfiktionen im Konkurs. Dadurch ist es den Gläubigern des Mannes nicht unschwer möglich, Zugriff auf das Frauenvermögen zu nehmen. Trotz vereinbarter Gütertrennung bleiben daher gewisse Vorkehrungen notwendig, um das Frauenvermögen gegen derartige Zugriffe zu sichern. zu Frage 4: Kann die standesamtliche Trauung in Deutschland erfolgen, oder muß sie in Italien erfolgen, da die zukünftigen Ehegatten ihren Wohnsitz in Italien nehmen werden?

Für die Form der Eheschließung kommt das Haagei Eheschließungsabkommen vom 12. 6.1902 34 in Betracht. Das Abkommen ist 1955 im Verhältnis zu Italien ausdrücklich für wieder anwendbar erklärt worden 35 . Gemäß Art. 8 Abs. 1 des Haagei Eheschließungsabkommens findet es nur auf solche Ehen Anwendung, welche im Gebiet der Vertragsstaaten zwischen Personen geschlossen sind, von denen mindestens eine Angehöriger eines dieser Staaten ist. Da hier beide Verlobte Angehörige von Vertragsstaaten sind, untersteht die in Aussicht genommene Eheschließung dem Haagei Eheschließungsabkommen v. J. 1902. Die Form der Eheschließung regelt Art. 5 Abs. 1 des Abkommens. Danach ist die Ehe als formgültig anzuerkennen, wenn die Eheschließung dem Gesetz des Landes entspricht, in welchem sie erfolgt ist. Die nach deutschem Recht formgültig standesamtlich eingegangene Ehe wird danach auch in Italien als gültig anerkannt. Allerdings brauchen nach Art. 5 Abs. 2 des Haager Eheschließungsabkommens Länder, deren Gesetzgebung eine religiöse Trauung vorschreibt, die von ihren Angehörigen unter Nichtbeachtung dieser Vorschrift im Ausland eingegangenen Ehen nicht als gültig anzuerkennen. Das italienische Recht sieht indes nicht nur die Eheschließung vor einem katholischen Geistlichen (die sog. Konkordatsehe) vor, sondern auch die zivile Eheschließung vor dem Standesbeamten (Art. 84 ff., Art. 106 ff. C. c.). Italien schieibt somit die religiöse Eheschließung nicht vor. Im übrigen beruht auch das italienische Kollisionsrecht in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 des Haager Eheschließungsabkommens insoweit auf dem Grundsatz „locus regit actum" (Art. 26 disposizioni preliminari) 38 . Dieser Grundsatz ist auch in Art. 115 C. c. vorausgesetzt. Art. 115 C. c. lautet in der Übersetzung 37 : 34 Der Text ist abgedruckt bei Palandt-Lauterbach, BGB (24. Aufl. 1965), Anhang zu Art. 13 EGBGB; Soergel-Kegel, BGB V (9. Aufl. 1961) Art. 13 EGBGB, Bern. 99 f.; Erman-Marquordt, BGB II (3. Aufl. 1962) Anhang zu Art. 13 EGBGB. 85 BGBl. 1955 II 188. 36 Jemolo, II matrimonio (1961) 150; Monaco, L'efficacia della legge nello spacio (1954), 137. 37 Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl.), Italien 17.

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Der Inländer ist den in der I. Abteilung dieses Kapitals enthaltenen Vorschriften unterworfen, auch wenn er die Ehe im Ausland nach den dort geltenden Formvorschriften schließt.

In Bezug genommen sind damit die Ehevoraussetzungen der Art. 84-90 C. c. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß der italienische Verlobte auch nach deutschem Recht dem deutschen Standesbeamten durch das Ehefähigkeitszeugnis (§ 10 deutsches EheG) nachweisen. Gemäß Art. 115 Abs. 2 C. c. ist für den italienischen Verlobten zur Feststellung dieser Voraussetzungen ein standesamtliches Aufgebot zwingend vorgeschrieben (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 des Haager Eheschließungsabkommens). Im Falle der Eheschließung vor dem deutschen Standesbeamten 3 8 ist gem. Art. 49 Abs. 2 des Ordinamento dello stato civile die Übersendung einer Abschrift der Eheurkunde nach Italien vorgeschrieben (vgl. auch Art. 5 Abs. 4 des Haagei Eheschließungsabkommens). Die Übersendung erfolgt auf konsularischem W e g e an die zuständige italienische Behörde. W e r d e n diese Voraussetzungen beachtet, stehen der Anerkennung der deutschen standesamtlichen Eheschließung in Italien keine Schwierigkeiten im Wege. Die Beantwortung der folgenden Fragen setzt eine Vorbemerkung über das italienische fakultative Eheschließungssystem voraus. In Italien gilt ein System fakultativer ziviler oder kirchlicher Eheschließung. Dieses ist durch das Konkordat zwischen dem italienischen Staat und dem Heiligen Stuhl im Jahre 1929 eingeführt worden, nachdem zuvor seit 1885 ausschließlich das System der obligatorischen Zivilehe gegolten hatte. Die Verlobten haben danach die Wahl, die Ehe nur in ziviler Form vor dem italienischen Standesbeamten gem. Art. 84 ff. C. c. oder gem. Art. 82 C. c. in Verbindung mit dem Konkordat und dem Ausführungsgesetz dazu 3 9 vor dem katholischen Geistlichen zu schließen. a) Die zivile Eheschließung vor dem italienischen Standesbeamten entspricht im Grundsatz der deutschen zivilen Eheschließung. Sie ist weltlich; religiöse Fragen spielen dabei (rechtlich) keine Rolle. Die zivile Eheschließung ist jedoch - im Gegensatz zum deutschen Recht - nicht zwingend vorgeschrieben. b) Die Verlobten können sich indessen auch für die kirchliche Eheschließung vor dem katholischen Geistlichen mit bürgerlich-rechtlicher Wirkung - die sogenannte Konkordatsehe 4 0 - entscheiden. Nach diesem Eheschließungstyp bleiben Aufgebot und Führung des Standesregisters Sache des Staates. „Nur die eigentliche Eheschließung erfolgt auf Wunsch der Brautleute in der Kirche. Durch das standesamtliche Aufgebot sichert der Staat die Beachtung seiner Ehehindernisse. Zwar hat die Kirche prinzipiell 38 39 40

Vgl. Art. 50 Ordinamento dello stato civile. Legge matrimoniale vom 27. 5. 1929, Nr. 847. Vgl. darüber Mötsch, Die Konkordatsehe in Italien (1965).

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die Freiheit, auch ohne standesamtliches Aufgebot zu trauen, wen sie will; aber nur die nach staatlichem Aufgebot geschlossene und dann ins Standesregister eingetragene Ehe hat bürgerliche Wirkungen." 4 1 Im Falle dieser Konkordatsehe ist der kirchlichen Gerichtsbarkeit auch die Jurisdiktion über die etwaige Nichtigkeit und die Auflösung einer nicht vollzogenen Ehe vorbehalten. Das kirchliche Nichtigkeits- oder Auflösungsurteil wird durch ein Exequatur des zuständigen Appellhofes zivilrechtlich wirksam. Dagegen ist die Gerichtsbarkeit über die Trennung von Tisch und Bett sowie über die persönlichen und vermögensrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe den staatlichen Gerichten überlassen. Die Ehescheidung gab es im italienischen Recht auch schon vor dem Konkordat nicht 42 . zu Frage 2: Ist es möglich, daß die Ehefrau die evangelische Konfession beibehalten kann?

Nach Art. 8 der italienischen Verfassung vom 1.1.1948 sind alle Konfessionen in gleicher Weise vor dem Gesetz frei. Indes ist die Frage in erster Linie darauf bezogen, ob die künftige Ehefrau bei der Eheschließung mit einem katholischen Italiener die evangelische Konfession beibehalten kann. Gewisse Unterschiede ergeben sich je nachdem, ob die Ehe nur in ziviler Form geschlossen werden soll oder auch eine kirchliche Eheschließung nach katholischem Ritus beabsichtigt ist, oder ob eine Konkordatsehe in Italien in Aussicht genommen wird. a) W e n n nur eine Zivilehe geschlossen wird, bestehen keinerlei Hindernisse für die Beibehaltung der evangelischen Konfession. Nach den vorangestellten Ausführungen muß die Ehe in Deutschland, unabhängig von einer kirchlichen Trauung, zivil geschlossen werden, in Italien kann sie rein zivil geschlossen werden. In beiden Ländern hat die zivile Eheschließung volle bürgerlich-rechtliche Wirkungen. In beiden Ländern ist die zivile Eheschließung auch religiös und weltanschaulich neutral. Die Frage der Konfessionszugehörigkeit spielt bei der zivilen Eheschließung in beiden Ländern keine Rolle, so daß sich die Frage der Beibehaltung der evangelischen Konfession in diesem Falle nicht stellt. Es fragt sich weiterhin, ob die künftige Ehefrau ihre evangelische Konfession auch beibehalten kann, wenn sie katholisch-kirchlich getraut wird, sei es in Deutschland, sei es in Italien. b) Bei der katholisch-kirchlichen Trauung richtet sich die Frage, ob ein Partner die evangelische Konfession beibehalten kann, nach kanonischem 41

Neuhaus, FamRZ 1955, 308; Jay me, Spannungen bei der Anwendung italienischen Familienrechts, 31. Bettola, Matrimonio Religioso, in Novissimo Digesto Italiano X, 459ff. ; Jemolo, Il matrimonio (1961), 246ff. ; Barbero, Diritto Privato I (1962), 575 ff.; Magni, Gli effetti civili del matrimonio canonico (1958). 42 Bruneiii, Divorzio e nullità di matrimonio negli stati d'Europa (3. Aufl. 1958), 23 f.; Neuhaus, FamRZ 1955, 308.

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Recht (katholischem Kirchenrecht). Dieses ist universal und gilt in gleicher Weise für eine kirchliche Trauung in Deutschland wie in Italien. Nach kanonischem Recht 43 besteht das Ehehindernis der Bekenntnisverschiedenheit nach den canones 1060-1064 des Codex Iuris Canonici (CIC). Dieses Ehehindernis ist gegeben, wenn zwei Getaufte die Ehe miteinander schließen wollen, von denen der eine katholisch ist, der andere aber einer nichtkatholischen Religionsgemeinschaft angehört 44 . Die Kirche verbietet aufgrund dieses Ehehindernisses die sogenannte Mischehe „aufs strengste und überall" 4 5 . Gemäß canon 1061 CIC kann jedoch Befreiung von dem Verbot gewährt werden. Die Befreiung hat mehrere Voraussetzungen: aa) Es müssen „gerechte und wichtige Gründe" vorliegen (z. B. Abfall des katholischen Teils, Gefahr einer nichtkatholischen oder bloß bürgerlichen Trauung). bb) Es müssen Sicherheitsleistungen gegeben werden. Die Sicherheit ist nach canon 1061 § 2 in der Regel in schriftlicher Form zu leisten 46 . Als Sicherheit fordert die katholische Kirche vom nichtkatholischen Teil das Versprechen, den katholischen Teil nicht dem katholischen Glauben abspenstig zu machen. Von beiden Teilen wird das Versprechen gefordert, alle aus der Ehe hervorgehenden Kinder nur katholisch taufen und erziehen zu lassen 47 . cc) Der Pfarrer und der die Befreiung erteilende Generalvikar müssen die „moralische Gewißheit" erlangt haben, daß die Versprechen gehalten werden. Diese Gewißheit soll aus den Umständen und aufgrund einer Beurteilung der Persönlichkeit der Verlobten gewonnen werden. Namentlich in Großstadtverhältnissen wird u. U. auch eine eidliche oder eidesstattliche Versicherung über die Einhaltung der Versprechen verlangt 4 8 . Unter diesen Voraussetzungen kann die katholische Kirche Befreiung vom kanonischen Ehehindernis der Bekenntnisverschiedenheit erteilen. Nach Befreiung von diesem Ehehindernis kann somit die künftige Ehefrau auch bei katholisch-kirchlicher Eheschließung ihre evangelische Konfession beibehalten. Dies gilt in gleicher Weise für eine katholisch-kirchliche Trauung in Deutschland wie in Italien 49 . 43

Es wird das derzeit geltende kanonische Recht ohne Berücksichtigung der Reformarbeiten des Vatikanischen Konzils zugrunde gelegt. 44 Eichmann-Mörsdori, Kirchenrecht II (10. Aufl. 1961), 171; Hanstein, Kanonisches Eherecht (3. Aufl. 1953), 87 ff.; Bertola, Matrimonio religioso, in Novissimo Digesto Italiano X, 446 f. 45 Eichmann-Mörsdori 172; Bertola 446. 46 Bei einer kirchlichen Trauung in Italien können u. U. strengere Formerfordernisse dafür in Betracht kommen. 47 Eichmann-Mörsdori 173 f.; Bertola 446. 48 Eichmann-Mörsdori 174. 48 Für Italien vgl. Bertola 446. 12 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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zu Frage 5: Ist eine kirchliche Trauung in Deutschland möglich, oder muß diese unter dem Gesichtspunkt des zukünftigen Wohnsitzes in Italien erfolgen? Es wird dabei unterstellt, daß die Ehefrau einer Trauung nach katholischem Ritus zustimmt.

Das Eherecht der katholischen Kirche gilt aufgrund der universalen Geltung des Codex Iuris Canonici überall. Eine in Deutschland nach den Vorschriften des CIC vollzogene kirchliche Trauung wird daher von der katholischen Kirche überall anerkannt. Eine andere Frage ist allerdings, ob der katholische Priester beispielsweise in Nürnberg seine Traugewalt aufgrund katholischen Kirchenrechts im vorliegenden Fall gültig ausüben würde. Dies beurteilt sich nach canon 1095 § 1 CIC. Danach kann der Ortspfarrer nur innerhalb der Grenzen seines Amtssprengeis die Traugewalt gültig ausüben. Ist der Pfarrer in diesem Sinne „örtlich zuständig", so kommt es nicht mehr darauf an, ob die Brautleute seine Pfarrkinder sind. „Der Ortspfarrer traut also, einerlei ob Braut oder Bräutigam, beide oder keiner von beiden seine Pfarrkinder sind, innerhalb der Pfarrgrenzen immer gültig." 5 0 Die katholische Trauung kann somit in Deutschland vorgenommen werden, und zwar auch dann, wenn die Eheleute ihren Wohnsitz danach in Italien nehmen. Dies gilt für eine reine kirchliche Trauung, die nach der zivilen Eheschließung deutschen Rechts in Deutschland stattfindet. Eine andere und neuerdings sehr umstrittene Frage ist, ob eine Konkordatsehe (also eine kirchliche Eheschließung mit bürgerlich-rechtlichen Wirkungen italienischen Rechts) in Deutschland geschlossen werden könnte. Diese ist aber im vorliegenden Fall schon deswegen zu verneinen, weil die Verlobten im Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht beide italienische Staatsangehörige sind - wie es § 15 a EheG voraussetzt - , sondern dies durch die Eheschließung erst werden. Darüber hinaus ist der herrschenden Meinung in Deutschland 51 darin zu folgen, daß für eine italienische Konkordatsehe in Deutschland schon dem Wortlaut des § 15 a EheG nach kein Raum ist. Gewisse befürwortete Analogien aber „provozieren, zudem wenn sie wenig überzeugend sind, nur Eheschlüsse, die später von der Rechtsprechung nicht anerkannt werden, und nützen damit niemandem" 52 . Daher bestehen gegen den Versuch des Abschlusses einer Konkordatsehe in Deutschland schwerwiegende Bedenken. Eichmann-Mörsdorf, Kirchenrecht II (10. Aufl. 1961) 241. Dölle, Familienrecht I (1964) 228; Gernhuber, Familienrecht (1964) 102; Jayme, Spannungen bei Anwendung italienischen Familienreciits, 31 f.; zum Streitstand: Sonneberger, StAZ 1964, 289 und Weyers, FamRZ 1965, 1. 58 Gernhuber 102 Fn. 2. 50

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Zusammenfassend ist zu den in Betracht kommenden Eheschließungstypen festzustellen: Möglich sind 1. die rein zivile Eheschließung in Deutschland 2. die rein zivile Eheschließung in Italien 3. die zivile Eheschließung in Deutschland mit anschließender kirchlich-katholischer Trauung in Deutschland 4. die zivile Eheschließung in Deutschland mit anschließender kirchlich-katholischer Trauung in Italien Dieser Eheschließungstyp würde allerdings vom italienischen Klerus wegen der Möglichkeit der Konkordatsehe in Italien nicht geschätzt werden 6. die Konkordatsehe in Italien, d. h. katholisch-kirchliche Eheschließung in Italien mit bürgerlich-rechtlicher Wirkung durch Überschreitung („trascrizione") in ein Standesregister.

Die Möglichkeit unter 3. böte unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten die wenigsten Schwierigkeiten. zu Frage 6: Ist für den Fall, daß die Ehe scheitert, eine Scheidung möglich, und welche Voraussetzungen müssen hierfür im Falle des Falles gegeben sein?

Wie bereits in der Gutachten-Anfrage bemerkt wurde, ist die Ehe nach italienischem Recht unscheidbar (Art. 149 C. c.). Es bleibt daher zu prüfen, ob die Ehe der deutschen Staatsangehörigen gegebenenfalls in Deutschland nach deutschem Recht geschieden werden kann. Gemäß Art. 17 Abs. 1 EGBGB sind für die Scheidung der Ehe die Gesetze des Staates maßgebend, dem der Ehemann zur Zeit der Erhebung der Klage angehört. Die deutsche Rechtsprechung 53 hält zur Zeit auch noch an der Ansicht fest, dieser Grundsatz sei mit dem Gleichberechtigtenprinzip vereinbar. Gemäß Art. 17 Abs. 3 EGBGB besteht von dem Grundsatz des Abs. 1 jedoch eine Ausnahme. Für die Scheidungsklage einer Frau deutscher Staatsangehörigkeit sind die deutschen Gesetze auch dann maßgebend, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung ergeht, nur die Frau die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Dafür schadet es nicht, wenn die Frau neben ihrer deutschen Staatsangehörigkeit noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt 54 . Die Vorschrift bezweckt den Schutz der deutschen Frau, die mit einem Ausländer verheiratet ist, dessen Heimatrecht die Scheidung nicht kennt. Aus diesem Grunde hatte Deutschland - besonders im Hinblick auf Ehen mit Italienern - das Haager Ehescheidungsabkommen von 1902 ab 1934 gekündigt. Gerade dieses Abkommen wurde auch später nicht wieder in Kraft gesetzt 65 . Wegen des Schutzcharakters der Vorschrift zugunsten der deutschen Frau verbietet es sich in diesem Falle ferner, den modernen BGH FamRZ 1954, 16 und FamRZ 1957, 49. Erman-Marquordt, BGB II (3. Aufl. 1962) Art. 17 EGBGB, Anm. 7 a ; PaiandtLauterbach, BGB (24. Aufl. 1965) Art. 17 EGBGB, Anm. 4 a. 55 Soergel-Kegel, BGB V (9. Aufl. 1961) Art. 17 EGBGB, Bern. 120. 53

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Tendenzen 56 , die der Staatsangehörigkeit mit der engeren Lebensbeziehung den Vorzug geben wollen, zu folgen. Die Ehefrau könnte daher gegebenenfalls in Deutschland auf Scheidung gegen ihren italienischen Ehemann klagen, wenn ihr ein Scheidungsgrund nach deutschem Recht zur Seite steht. Prozessual hindert § 606 b ZPO die Klage nicht, da die Ehefrau die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Scheidung ist es daher sehr wichtig, daß die künftige Ehefrau ihre deutsche Staatsangehörigkeit beibehält. Es wurde oben (S. 168) zwar darauf hingewiesen, daß bei einermöglichen Reform des deutschen internationalen Eherechts die Staatsangehörigkeitsanknüpfung namentlich bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Eheleute wahrscheinlich zugunsten einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt beider Eheleute zurücktreten könnte 5 7 . Jedoch bleibt auch nach den Reformvorschlägen eine Schutzklausel zugunsten desjenigen Ehegatten bestehen, der mit einem Partner verheiratet ist, dessen Heimatrecht die Scheidung nicht kennt 5 8 . Obwohl die Ehefrau gegebenenfalls in Deutschland auf Scheidung klagen und von ihrem italienischen Ehemann geschieden werden könnte, hätte dieses Scheidungsurteil jedoch in Italien keine Wirkungen. Ausländische Urteile entfalten auch in Italien nur mittels der Wirksamkeitserklärung (Delibation) ihre Wirkungen (Art. 796 ff. Codice di Procedura Civile). Die Wirksamkeit wird vom örtlich zuständigen Appellhof erklärt. Die italienische Gerichtspraxis 59 lehnt jedoch die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile als Verstoß gegen den italienischen ordre public ab, wenn nur ein Italiener an der Ehe beteiligt ist 60 . Dabei macht es keinen Unterschied, wo die Ehe geschlossen ist und um welchen Eheschließungstyp es sich handelt 8 1 . Internationalprivatrechtlich führt die Nichtanerkennung des deutschen Scheidungsurteils in Italien zu einer „hinkenden Scheidung"; die Scheidung wirkt in Deutschland, nicht aber in Italien. Die Parteien bleiben in Italien nach wie vor verheiratet. Dies hat bestimmte Auswirkungen 6 2 . 58

Vgl. oben S. 168. Vgl. Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts (hrsg. von Lauterbach, 1962) 24. 58 Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts, 4 und Kegel, ebda., 111 ff. 59 Darüber Mötsch 77 und 80; Ferid, StAZ 1953, 282 f.; Tavolato, FamRZ 1965, 299 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des italienischen Kassationshofes. 80 Vgl. Art. 797 Nr. 7 des Codice di Procedura Civile, sowie Mötsch 80; Ferid 282; Tavolato 299; Balladore Pallien, Diritto internazionale privato (2. Aufl. 1950), 184 f. 61 Tavolato 299. 62 Darüber näher Monaco, L'efficacia della legge nello spacio (1954), 176 ff. sowie Bruneiii, Divorzio e nullità di matrimonio negli stati d'Europa (3. Aufl. 1958), 264. 57

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Beispielsweise behält der italienische Mann in Italien die volle väterliche Gewalt (potestà patria) über die Kinder. Falls sich die Kinder in Deutschland befänden, würde ein deutsches Gericht ohne weiteres nicht über die elterliche Gewalt entscheiden können. Diese Schwierigkeiten können hier nur angedeutet werden. - Die ehelichen Unterhaltspflichten würden in Italien fortbestehen. - Die Frau könnte selbst in Deutschland - auch nach der deutschen herrschenden Meinung 63 - nicht wieder einen Italiener (oder Spanier usw.) heiraten, da dieser, selbst wenn er ledig ist, für sie nicht ehefähig wäre. Zum Schluß sei noch zur Frage der Auflösbarkeit der Ehe eine gelegentliche Praxis in Italien erwähnt, über die mündlich berichtet worden ist. Allerdings kann ich für die Richtigkeit dieser Mitteilung keine Gewähr übernehmen. Diese Praxis soll eine von italienischen Ehegatten angestrebte Möglichkeit schaffen, sich von einer kanonischen Ehe - sei es einer rein kirchlichen Ehe, sei es einer Konkordatsehe - wieder zu lösen. Sie gründe sich auf den Satz, daß nach canon 1086 CIC eine Ehe bei geheimem Vorbehalt gegen das Wesen der Ehe ungültig ist. Auch ein Teilvorbehalt, etwa gegen die Unauflöslichkeit der Ehe, betrifft - nach kanonischer Auffassung - das Wesen der Ehe so stark, daß die Ehe für ungültig erachtet wird. Hierüber schreiben Eictimann-Mörsdori84 : „Wer daher das volle Recht auf den ehelichen Verkehr oder die Wesenseigenschaften der Einheit und Unauflöslichkeit durch ausdrücklich gesetzten Willensakt ausschließt, will die Ehe nicht als Ganzes und somit keine E h e . . . Es genügt dazu nicht, daß ein Ehewerber allgemein, d. h. in theoretischem Mißverständnis oder in Mißachtung des Wesens der Ehe, gegen das eine oder das andere Wesensstück eingestellt ist; es ist vielmehr erfordert, daß er im Hinblick auf die anstehende Eheschließung ein Wesensstück der Ehe nicht will, d. h. der Ausschlußwille muß für den Simulanten ein wesentlicher Bestandteil seines konkreten Vertragswillens sein. Dies ist nach der Rechtsprechung der S. R. R o t a 6 5 sicher gegeben, wenn der Vorbehalt gegenseitig vereinbart oder einseitig zur förmlichen conditio sine qua non des Vertragsabschlusses gemacht worden ist."

Der kirchliche Gerichtsgebrauch stellt hohe Anforderungen an den Nachweis eines derartigen geheimen Vorbehalts. Der Vorbehalt selbst und ein hinreichender Grund dafür müssen bewiesen werden. Grundsätzlich werden als Beweis urkundlich festliegende oder durch Zeugen beeidete Äußerungen des oder der Simulanten aus der Zeit vor der Eheschließung gefordert 66 . 63 Palandt,Lauterbach, BGB (24. Aufl. 1965) Art. 17 EGBGB, Bern. 4 a ; ErmanMarquordt, BGB II (3. Aufl. 1962) Art. 17 EGBGB, Anm. 15 a ; vgl. auch BGH N J W 1964, S. 976. - Dazu Jayme, StAZ 1966, 150-154. 6 1 Kirchenrecht II (10. Aufl. 1961), 221 f. 85 Das oberste katholische Kirchengericht. 6 6 Eichmann-Mörsdorf 221.

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Aus diesem Grund sollen nun gelegentlich - wie berichtet wurde italienische Verlobte vor einem Notar eine Urkunde errichten, in der sie erklären, im Falle des Scheiterns der Ehe an diese nicht unauflösbar gebunden sein zu wollen, oder sie erklären die Absicht, die Kinderzahl zu beschränken usw. Sie sollen sodann die Urkunde bei dem Notar hinterlegen, um sie gegebenenfalls in einem Ehenichtigkeitsprozeß vor den Kirchengerichten vorzuweisen. Diese sind für die Nichtigkeitserklärung der kirchlich geschlossenen Ehe - auch der Konkordatsehe - zuständig. Die eingehenden Verfahren vor diesen Gerichten sollen sich nach dem Bericht über mehrere Jahre erstrecken. Die Kinder aus einer kanonisch nichtigen Ehe sind allerdings in der Sicht der Kirche unehelich, falls es sich nicht um eine Putativehe (d. h. eine wenigstens von einem Ehegatten für gültig gehaltene Ehe) handelt 6 7 . Diese Kinder können aber unter bestimmten Voraussetzungen durch Gnadenakt des Papstes legitimiert werden 6 8 . Ausdrücklich ist jedoch darauf hinzuweisen, daß diese gelegentlich in Italien praktizierte Möglichkeit, sich von der Ehe zu lösen, nur die kirchlich-katholische Ehe bzw. die Konkordatsehe, nicht aber die staatlich-zivil geschlossene Ehe betrifft. Für die letztere besteht im Falle der Ehefrau, die die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten hat, gem. Art. 17 Abs. 3 EGBGB in Deutschland die Scheidungsmöglichkeit nach deutschem Recht.

b) Persönliche Ehewirkungen Siehe audi Nr. 15, 16, 19 Nr. 17 Frankreich 1. Maßgebendes Recht für die persönlichen Ehewirkungen zwisdien einem Franzosen und dessen Ehefrau, die die Staatsangehörigkeit des Mannes und die deutsdie Staatsangehörigkeit besitzt, nadi deutschem und französischem internationalen Privatredit. 2. Voraussetzungen und Umfang eines Unterhaltsanspruchs zwisdien getrennt lebenden Ehegatten nach französischem Recht. Hamburg G 225/65 vom 6.7.1966 Das Landgericht Wiesbaden bittet in dem Rechtsstreit L. . /. L. um Auskunft über französisches Familienrecht. Aus den übersandten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Der beklagte Ehemann besitzt die französische, die klagende Ehefrau die deutsche und die französische Staatsangehörigkeit. Die Parteien haben Eichmann-Mörsdorf 260.

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Eichmann-Mörsdori 262.

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im Jahre 1961 in Wiesbaden geheiratet. Dort haben sie auch ihren ehelichen Wohnsitz gehabt, bis die Klägerin im Jahre 1962 den Beklagten verließ. Seitdem leben sie getrennt, und zwar die Klägerin in Wiesbaden und der Beklagte in Delkenheim. Der Beklagte war bis zum 12.10. 1965 in Wiesbaden beschäftigt. Seitdem ist er krank und erhält von der AOK in Wiesbaden ein Krankengeld. Die 52jährige Klägerin verlangt von dem 55jährigen Beklagten die Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 80 DM für die Zukunft und rückwirkend für die seit Klageerhebung verstrichene Zeit. Der Beklagte hat ein wechselndes Einkommen, das in der Vergangenheit mindestens 450 DM netto im Monat betragen hat. Die nur teilweise arbeitsfähige Klägerin hat aus einer Halbtagsarbeit ein Nettoeinkommen von 220 DM. Die Klägerin hat dem Beklagten schon vor Erhebung der Klage angeboten, die eheliche Gemeinschaft wiederherzustellen. Der Beklagte lehnt dieses Angebot aber ab. Er meint, er sei nicht dazu verpflichtet, die eheliche Gemeinschaft mit der Klägerin wiederaufzunehmen, da diese ihn verlassen habe und sie ihr Angebot auch nicht ernstlich meine. Das Landgericht bittet um die Beantwortung der folgenden Fragen: 1. Gewährt das französische Recht - und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe - der getrennt lebenden Ehefrau im Falle der séparation de fait einen Unterhaltsanspruch? 2. Zieht die französische Rechtsprechung für die Bemessung einer Unterhaltsrente ähnliche Gesichtspunkte wie in § 1361 Abs. 1 und 2 BGB heran? Kommt in diesem Zusammenhang der Dauer der Ehe eine Bedeutung zu? I. Deutsches Internationales 1. Staatsangehörigkeit

Privatrecht

der Ehegatten

Die Unterhaltsansprüche der Ehegatten gegeneinander sind persönliche Ehewirkungen. Als solche sind sie in erster Linie dem gemeinsamen Heimatrecht beider Ehegatten unterworfen, da Art. 14 EGBGB nach allgemeiner Ansicht als allseitige Kollisionsnonn zu verstehen ist 1 . Im vorliegenden Fall besitzen beide Parteien die französische Staatsangehörigkeit, die Klägerin aber auch die deutsche. Nach herkömmlicher Auffassung werden Doppelstaater, die neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die inländische besitzen, so behandelt, als ob sie nur die inländische besäßen 2 . 1

Soergel/Siebert(-Kegei) BGB, 9. Aufl. V (1961) Art. 14, Rz. 1, 6 mit weiteren Nachweisen. 2 Vgl. die Darstellung bei Ferid, RabelsZ 23 (1958) 498, 502, und bei Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts (2. Aufl. 1962) 293 ff.

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Familienrecht

Neuerdings beginnt sich jedoch im deutschen Internationalen Privatrecht die Ansicht durchzusetzen, daß auch ein Doppelstaater, der die inländische Staatsangehörigkeit besitzt - wie ein Doppelstaater mit zwei fremden Staatsangehörigen - , als Angehöriger desjenigen Staates zu behandeln ist, zu dem er die engsten Beziehungen hat (Anknüpfung an die effektive Staatsangehörigkeit) 3 . In dem hier zu entscheidenden Fall führen jedoch die traditionelle Auffassung und die Ansicht, die auf die effektive Staatsangehörigkeit abstellt, zum gleichen Ergebnis. Die Klägerin ist vermutlich von Geburt an deutsche Staatsangehörige und erst durch ihre Heirat französische Staatsangehörige geworden. Eine nichtfranzösische Frau erwirbt nämlich durch ihre Heirat mit einem Franzosen die französische Staatsangehörigkeit, wenn sie sie nicht vor der Trauung ausdrücklich ausschlägt (Artt. 37, 38 Code de la nationalité française). Die Klägerin braucht sich also nicht durch einen Antrag auf Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit bewußt zum französischen Staatsverband bekannt zu haben. Ihre Bindung an Frankreich ist auch formell geblieben, da die Eheleute ihren ehelichen Wohnsitz in Deutschland begründet und niemals nach Frankreich verlegt haben. Die effektive Staatsangehörigkeit der Klägerin ist also die inländische. Es ist demnach davon auszugehen, daß die Eheleute verschiedene Staatsangehörigkeiten besitzen. 2. Ehewirkungsstatut

bei verschiedener

Staatsangehörigkeit

der Eheleute

Welches Recht die persönlichen Beziehungen zweier Ehegatten mit verschiedener Staatsangehörigkeit beherrscht, ist sehr umstritten. Es werden vor allem drei Ansichten vertreten: Anwendung des Mannesrechts, Kumulierung der Heimatrechte beider Gatten und für den Fall, daß die Eheleute einmal ein gemeinsames Personalstatut gehabt haben, die Anwendung dieses Rechts 4 . Daneben ist der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt als Anknüpfung empfohlen worden 5. a) Die Anwendung des Mannesrechts hat den Vorzug, sich dem Grundschema des EGBGB einzufügen. Bei einer Kollision von Mannes- und Frauenrecht hat nämlich im Interesse der Familieneinheit in der Regel das Mannesrecht den Vorzug (Artt. 15 I, 17 I, 18 I, 19 I, 22 I EGBGB). Wenn der Gesetzgeber gleiches nicht auch für das Ehewirkungsstatut (Art. 14 s Ferid 506 ff. ; Beitzke, JZ 1959, 124; Makarov 304; Erman-Arndt, BGB (3. Aufl. 1962) Art. 29, Anm. 8 (anders aber Erman-Marquordt, Art. 7 EGBGB Vorbem. 6 b); Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 143; Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 156. Anders Gamillscheg, RabelsZ 27 (1962/63) 585, 586 f. 4 Vgl. die Übersicht bei Dölle in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955) 65 f. 6 Braga, MDR 1952, 268; Makarov, RabelsZ 17 (1952) 389.

Persönliche

Ehewirkungen

/

Frankreich

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EGBGB) ausdrücklich bestimmt hat, so wohl deshalb, weil damals die Ehefrau eines Deutschen in der Regel ebenfalls Deutsche war 6 . Heute kommt es häufiger vor, daß zwei Ehegatten verschiedenen Staaten angehören. Den Vorstellungen des Gesetzgebers von 1900 entspricht es am ehesten, dem Heimatrecht des Mannes den Vorrang zu geben. Eine heute noch verbreitete Ansicht tut dies zumindest dann, wenn die Ehegatten niemals eine gemeinsame Staatsangehörigkeit gehabt haben 7 . Ihr läßt sich jedoch entgegenhalten, daß die systematische Bevorzugung des Mannesrechts schwerlich dem Verfassungsgrundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 II GG) gerecht wird. Freilich wird heute überwiegend die Meinung vertreten, daß die allein an die Staatsangehörigkeit des Mannes oder Vaters anknüpfenden Bestimmungen des EGBGB nicht so eindeutig gegen das Grundgesetz verstoßen, daß sie nicht mehr fortgelten 8 . Doch hindert dies nicht, den Grundsatz der Gleichberechtigung wenigstens dort zu berücksichtigen, wo Lücken des geltenden IPR auszufüllen sind 9 . Eine indirekte Bevorzugung des Mannesrechtes bedeutet die jüngst vom Bayerischen Obersten Landesgericht vertretene Lösung, auch einen bloß formellen, ex lege eingetretenen Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes durch die Frau - die daneben ihre alte Staatsangehörigkeit als effektive behält - als Grundlage für die Annahme eines gemeinsamen Heimatrechts genügen zu lassen 10 . Hier wird das Mannesrecht nicht aufgrund einer patriarchalischen Kollisionsnorm des Inlandes, sondern aufgrund einer ebenso patriarchalischen Staatsangehörigkeitsnorm des Auslandes angewandt - mit dem Unterschied, daß nicht einmal in allen faktisch gleich gelagerten Fällen ein gleiches Ergebnis erzielt wird, da beispielsweise die Frau eines Franzosen oder Italieners, nicht aber die Frau eines Briten oder Amerikaners automatisch dessen Staatsangehörigkeit teilt. 8 Die Naturalisation eines Ausländers ohne seine Frau sowie die Entlassung einer Ehefrau aus der Reichsangehörigkeit ohne ihren Mann war nach dem damals noch geltenden Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1870 zwar rechtlich möglich - vgl. Cahn, Das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit (3. Aufl. 1908), 73 f. bzw. 133 - aber praktisch sehr selten. 7 LG Göttingen 15. 12. 1948, bestätigt von OLG Celle 11. 2. 1949, MDR 1949, 356f.; Wolff, IPR (3. Aufl. 1954) 197f.; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 323; Erman-Marquordt, Art. 14 EGBGB, Anm. 3 b. 8 Vorläufige Stellungnahme des Instituts: RabelsZ 18 (1953) 119 f.; BGH 18. 1. 1954, LM Nr. 1 zu Art. 17 EGBGB = IPRspr. 1954-1955 Nr. 90 und öfter (zu Art. 17 EGBGB); KG 28. 10. 1954, IPRspr. 1954-1955 Nr. 102 und OLG Saarbrücken 14. 7. 1965, JB1. Saar 1965, 197 (zu Art. 19 EGBGB); SoergeVSiebert(-Kegel) Vorbem. 9 zu Art. 13 mit zahlreichen Nachweisen; Ferid in Festschrift Dölle (1963) II 119, 136 f. ' Soergel/Siebert(-Kegei) Vorbem. 10 zu Art. 13; Art. 14, Rz. 4. 10 BayObLG 8. 6. 1965, N J W 1965, 2060; ebenso bereits Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 147 f.; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 57.

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Familienrecht

b) Dem Gleichberechtigungsgrundsatz entspricht die Kumulierung von Mannes- und Frauenrecht in der Form, daß keine Partei mehr fordern kann, als das eigene Recht ihr zugesteht, aber auch nicht mehr zu leisten braucht, als wozu ihr eigenes Recht sie verpflichtet 11 . In der deutschen und internationalen Literatur ist man sich heute jedoch darüber einig, daß die Kumulation von Mannes- und Frauenrecht, die die Familie nicht als einheitliches Lebensverhältnis, sondern als Summe von Ansprüchen behandelt, die Familieneinheit und den innerstaatlichen Entscheidungseinklang gefährdet und deshalb jedenfalls de lege ferenda abzulehnen ist 1 2 . Aber auch als Verlegenheitslösung de lege lata kann die Kumulation nicht befürwortet werden; denn es geht nicht an, die eine Grundrechtsnorm (den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 II) auf Kosten einer anderen zu verwirklichen (nämlich auf Kosten des Art. 6 I GG über den Schutz der Familie). c) Die Anwendung eines früheren gemeinsamen Personalstatuts kommt im vorliegenden Falle nicht in Betracht. d) Es bleibt die Anknüpfung an den (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien. Sie ist de lege ferenda von der Eherechtskommission des Deutschen Rates für IPR empfohlen worden 13 . De lege lata wird gegen diese Lösung eingewandt, eine solche Preisgabe des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes, auf dem das geltende IPR beruhe, sei keine Lückenfüllung mehr 14 . Aber auch der geltende Art. 29 EGBGB (über das Personalstatut der Staatenlosen) knüpft bei einem Versagen des Staatsangehörigkeitsprinzips an den gewöhnlichen Aufenthalt an, und die Artt. 15 f. (über das Ehegüterrecht) und Art. 17 (über die Ehescheidung) nehmen weitgehend auf das Wohnsitzrecht bzw. die lex fori Rücksicht, was vielfach auf dasselbe hinauskommt. Die letztgenannte Lösung würde zur Anwendung deutschen Unterhaltsrechts führen. Für den Fall, daß das Gericht sich nicht zur Anwendung des deutschen Rechts entschließt, gestaltet sich die Rechtslage bei Anwendung des französischen Rechts wie folgt:

11 So schon KG 24. 2. 1936, J W 1936, 2470; ferner KG 15. 10. 1962, N J W 1963, 51 (53); OLG Düsseldorf 9. 5. 1961, N J W 1961, 1583; Soergel/Siebert(-Kegel) Art. 14 Rz. 4; Palandt-Lauterbach Art. 14, Anm. 4. In diese Richtung neigt anscheinend auch BGH 12. 7. 1965, N J W 1965, 2052, ohne letztlich eine Entscheidung zu treffen. 12 So gerade auch Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 258 f.; vgl. ferner Rabel, Conflict of Laws I (2. Aufl. 1958) 327; Makarov, RabelsZ 17 (1952) 382, 387; Neuhaus 160; Schwind, RabelsZ 23 (1958) 457 ff.; Batiliol, Droit international privé (3. Aufl. 1959) no. 388; Déprez, Les Conflits de lois en matière d'obligation alimentaire: Rev crit. dr.int.pr. 46 (1957) 369, 378 (gerade für die Anknüpfung des Unterhaltsstatuts). 13 Vorschläge und Gutachten zum Internationalen Eherecht, hrsg. von Lauteibach (1962) 2, 20, 76. 14 Vgl. Kegel 258, 278.

Persönliche Ehewirkungen

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II. Französisches Internationales

Privatrecht

Nach französischem IPR - dessen Rückverweisung auf das deutsche Recht gegebenenfalls in analoger Anwendung von Art. 27 EGBGB zu beachten ist - bestimmt sich der Unterhaltsanspruch eines Ehegatten gegen seinen Partner als Ehewirkung in erster Linie nach dem gemeinsamen Heimatrecht 15 . Sind beide Ehegatten französische Staatsangehörige, so ist das französische Recht in jedem Fall Ehewirkungsstatut. In Frankreich gilt nämlich noch unangefochten die traditionelle Auffassung, daß die inländische Staatsangehörigkeit bei der Anknüpfung des Personalstatuts stets den absoluten Vorrang vor jeder ausländischen genießt 16 . Das französische IPR verweist also nicht auf deutsches Recht zurück.

III. Materielles französisches 1. Voraussetzungen Ehegatten

Recht

des Unterhaltsanspruchs eines getrennt lebenden

a) Grundsätzlich ist jeder Ehegatte dem anderen zum Beistand pflichtet.

ver-

Art. 212 C. c. Les époux se doivent mutuellement fidélité, secours, assistance.

Die Ehegatten schulden einander Treue, Hilfe und Beistand.

Aus der allgemeinen Beistandspflicht folgt die Verpflichtung jedes Gatten, nach seinen Kräften zum Familienunterhalt beizusteuern, der freilich in erster Linie vom Manne zu tragen ist. Art. 214 C. c. (i. d. F. des Gesetzes vom 13. 7. 1965, in Kraft getreten am 1.2.1966): Si les Conventions matrimoniales ne règlent pas la contribution des époux aux charges du mariage, ils y contribuent à proportion de leurs facultés respectives. Les charges du mariage incombent au mari, à titre principal. Il est obligé de fournir à la femme tout ce qui est nécessaire pour les besoins de la vie selon ses facultés et son état. 15

Wenn der Ehevertrag den Beitrag der Ehegatten zu den ehelichen Lasten nicht regelt, tragen sie zu ihnen im Verhältnis ihrer Kräfte bei. Die ehelichen Lasten obliegen in erster Linie dem Manne. Er ist nach seinen Kräften und nach seinem Stande verpflichtet, der Frau alles zu gewähren, dessen sie zum Leben bedarf.

Civ. 17. 12. 1958, Rev. crit. 48 (1959) 691; 19. 2. 1963, Rev. crit. 52 (1963) 559 mit Anm. Holleaux. 18 Paris 19. 6. 1962, J. C. P. 1963 II. 13 329; Trib. Versailles 26. 2. 1947, S. 1948. 2. 185; Batiiiol no. 78.

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Familienrecht

La femme s'acquitte de sa contribution en la prélevant sur les ressources dont elle a l'administration et la jouissance, par ses apports en dot ou en communauté, par son activité au foyer ou sa collaboration à la profession du mari.

Die Frau leistet ihren Anteil durch Entnahme aus den Einkünften, deren Verwaltung und Nutznießung sie hat, mit Hilfe ihrer Aussteuer oder ihres eingebrachten Gutes, durch ihre Tätigkeit im Haushalt oder ihrer Mitarbeit im Beruf des Mannes.

(Die neue Fassung des Art. 214 I—III C. c. bringt gegenüber der bisher gültigen keine sachliche Veränderung.)

Die ehelicher Beistands- und Unterhaltspflicht verwandelt sich, wenn beide Ehegatten voneinander getrennt leben, häufig in die Verpflichtung des einen Gatten - in aller Regel des Mannes —, dem anderen eine Unterhaltsrente zu zahlen 17 . b) Ein Gatte, der die (überwiegende) Schuld an der Trennung trägt, kann jedoch im allgemeinen keinen Unterhalt verlangen 18 . Deshalb ist die Ehefrau, die das eheliche Heim verlassen hat, nur dann unterhaltsberechtigt, wenn sie durch das Verhalten ihres Mannes zu diesem Schritt gezwungen worden ist 19 . Die Verfehlungen des Mannes müssen in diesem Falle aber so gewichtig sein, daß sie der Ehefrau ein Recht auf Verweigerung der ehelichen Lebensgemeinschaft geben, weil sie ein Zusammenleben mit dem Manne unmöglich machen20. Dies ist anzunehmen, wenn die Frau im ehelichen Heim nicht mehr würdevoll und in Sicherheit leben kann 21 , wenn also das Zusammenleben mit dem Manne ihre Selbstachtung und Würde verletzt 22 . Im einzelnen ist entschieden worden, daß die Frau das Zusammenleben mit dem Manne ablehnen kann, wenn dieser sich gewalttätig verhalten hat 23 , wenn er der Frau die ständige Gegenwart anderer Personen, vor 17

Paris 3. 2. 1921, D. P. 1921. 2. 150; Limoges 4. 4. 1921, D. P. 1921. 2. 107; Montpellier 22. 10. 1934, Gaz. Pal. 1934. 2. 783; Lyon 29. 11. 1953, D. 1954. J. 50; Paris 27. 3. 1954, D. 1954. J. 425; Toulouse 30. 1. 1961, D. 1961 J. 324 mit Anm. Roland; Aubry/Rau(-Esmein), Droit civil français VII (7. Aufl. 1962) no. 98, S. 156; Planiol/ Ripert(-Rouast), Traité pratique de droit civil français XII (2. Aufl. 1952) nos. 352, 369; Mazeaud, Leçons de droit civil I (3. Aufl. 1963) no. 1569; Marty/Raynaud, Droit civil I (1956) no. 677; Carbonnier, Droit civil I (4. Aufl. 1962) no. 143, S. 463f.; Pelissier, Les obligations alimentaires (1961) 29; Maury, La séparation de fait entre époux: Rev. trim dr. civ. 64 (1965) 515 ff. no. 17. 18 Trib. inst. Paris 22. 3. 1962, zit. nach: Jurisprudence française 1958-1962, s. v. Mariage, no. 44; Aubry/Rau(-Esmein), Planiol/Ripert(-Rouast), Mazeaud, Pelissier, Maury: alle aaO. 19 Req. 13. 7. 1914, S. 1915. 1. 7.; Montpellier 22. 10. 1934, Gaz. Pal. 1934. 2. 783; Aubry/Rau(-Esmein) no. 98; Planiol/Ripert(-Rouast) no. 369; Pelissier 31. 20 Montpellier 22. 10. 1934, Gaz. Pal. 1934. 2. 783; Maury no. 10. 21 Pelissier 31. 22 Toulouse 30. 1. 1961, D. 1961. J. 324 mit Anm. Roland. 23 Req. 27. 1. 1908, D. 1908. 1. 154.

Persönliche

Ehewirkungen

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allem auch seiner Eltern, aufdrängt 2 4 , oder wenn er dauerhafte und öffentlich bekannte Beziehungen zu einer anderen Frau unterhält 2 5 . c) Unter diesen Voraussetzungen k a n n die Ehefrau sich vom Gericht ermächtigen lassen, einen eigenen Wohnsitz zu begründen (Art. 215 II C. c.), oder auf Trennung von Tisch und Bett klagen (Art. 306 C. c.). Nach ganz herrschender Meinung kann sie es aber auch bei der bloß tatsächlichen Trennung bewenden lassen und vom Manne Unterhalt fordern 2 6 . Die tatsächliche Trennung der Eheleute berührt nicht den Bestand der Ehe, auch wenn sie lange J a h r e andauert, und läßt grundsätzlich alle Rechte und Pflichten der Eheleute unverändert 2 7 . Sie begründet vor allem für keinen der Ehegatten ein Recht auf dauerndes Getrenntleben. Hat sich ein Ehegatte aus einem berechtigten Anlaß vom anderen getrennt, entfällt dieser Anlaß aber später, so ist er wieder zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet 28 . Umgekehrt darf auch der vom Partner grundlos verlassene Ehegatte sich nicht weigern, diesen wieder bei sich aufzunehmen, wenn er wieder zurückkehren will 2 9 . Tut er es dennoch - etwa unter Berufung auf das frühere Verhalten des Ehepartners - , so trifft ihn die Schuld am Fortbestehen der Trennung. 2. Höhe des

Unterhaltsanspruchs

a) Als Maßstab für den Unterhalt, den der vom Partner getrennt lebende Ehegatte verlangen kann, haben weder der Gesetzgeber noch Rechtsprechung und Literatur besondere Regeln ausgebildet. Jedoch steht fest, daß der Gläubiger nicht auf das Existenzminimum verwiesen werden kann. Vielmehr kann er die Mittel für eine Lebenshaltung verlangen, wie er sie vor der Trennung hatte und wie sie auch der schuldige Teil noch hat 3 0 . Im übrigen sind die allgemeinen Grundsätze über den Familienunterhalt zu 24 Civ. 2. 1. 1877, D. 1877. 1. 162; 21. 3. 1950, J. C. P. 1950. IV. 77; Trib. civ. Péronne 15. 2. 1951, J. C. P. 1951. II. 6261. 25 Toulouse 30. 1. 1961, D. 1961. J. 324 mit Anm. Roland. 26 Lyon 29. 10. 1953, D. 1954. J. 50; Montpellier 22. 10. 1934, Gaz. Pal. 1934. 2. 783 (implicite); Aubry/Rau(-Esmein) no. 98; Planiol/Ripertf-Rouast) no. 366; Roland, Anm. in D. 1961. J. 325 (mit eingehender Begründung); Boulanger/Lamoureux, Encycl. Dalloz, Rép. civ., s. v. Femme mariée, nos. 66 f.; Di Marino, La séparation de fait des époux (1957) 18 ff. - Anders: Colmar 1. 12. 1952, D. 1953. J. 46. 27 Planiol/Ripert(-Rouast) no. 366. 28 Aubry/Rauf-Esmein) no. 98. 29 Civ. 27. 1. 1874, D. P. 1874. 1. 140: Weder das bisherige Verhalten der Ehefrau noch die Tatsache, daß das Verlangen nach Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht ernstlich gemeint sei, rechtfertige die Weigerung des Ehemannes, die Ehefrau wieder bei sich aufzunehmen. 30 Maury no. 18; vgl. auch Paris 17. 5. 1960, J. C. P. 1961. II. 11 1900 und für den Fall der Scheidung: Paris 28. 4. 1960, J. C. P. 1960. II. 11 801.

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Familienrecht

beachten 31 . Die Unterhaltspflicht unter Ehegatten ist nämlich nur eine Spielart der allgemeinen familienrechtlichen Alimentationspflicht 32 . b) Die Bedürfnisse, deren Befriedigung der Unterhaltsgläubiger verlangen kann, bestimmen sich nach den konkreten Umständen. Sein bisheriger Lebensstandard wie auch derjenige des Schuldners sind für die Begrenzung von Bedeutung 33 . Reichen die eigenen Mittel oder Erwerbsmöglichkeiten des Gläubigers aus, seine berechtigten Bedürfnisse zu befriedigen, so kann er auf sie verwiesen werden. Insbesondere hat er keinen Unterhaltsanspruch, soweit er seinen Unterhalt mit Arbeit selbst bestreiten kann 3 4 . Zweifelhaft ist, ob ein Unterhaltsberechtigter auch auf eine Arbeit verwiesen werden darf, die seiner Erziehung und seiner sozialen Stellung nicht entspricht 35 . Jedenfalls braucht der Unterhaltsberechtigte keine Arbeit anzunehmen, der er wegen einer Krankheit oder seiner zerrütteten Gesundheit nicht gewachsen ist 36 . Die von ihrem Ehemann getrennt lebende Ehefrau kann sich jedoch nicht, um eine ihr zumutbare Arbeit nicht annehmen zu müssen, auf den oben angeführten Art. 214 III C. c. berufen, wonach in erster Linie der Mann die ehelichen Lasten zu tragen hat und die Frau ihren Beitrag, wenn nicht aus ihrem Vermögen, durch Arbeit im ehelichen Haushalt leistet. Diese Aufteilung der ehelichen Lasten unter Ehegatten setzt eine gemeinsame Lebensführung voraus 37. Wenn die Gatten voneinander getrennt leben und die Frau auch keine gemeinsamen Kinder zu versorgen hat, wird sie eine ihr zumutbare Arbeit in der Regel wohl auch dann annehmen müssen, wenn sie während bestehender Ehe nicht gearbeitet hat. Auch der Unterhaltsberechtigte, der seine Bedürftigkeit durch eigenes Verhalten herbeigeführt hat, aber dessen Folgen nicht mehr abwenden kann, hat einen Unterhaltsanspruch 38 . Der Beweis des Bedürfnisses obliegt dem Unterhaltskläger. Er genügt ihm dadurch, daß er seine Vermögenslage offenbart sowie die Umstände, aufgrund deren er sich nicht selbst 31

Boutard, J. Cl. civil, Artt. 212-215, fasc. B., no. 17. PlaniollRipert(-Rouast) no. 349; Pelissier 27. 33 Pelissier 161 f.; vgl. Douai 28. 7. 1953, D. 1954. J. 477: Entscheidend für die Bemessung des Unterhalts ist das „milieu social", in dem Unterhaltsgläubiger und Schuldner leben. 34 Req. 7. 7. 1863, D. P. 1863. 1. 400; Marty/Raynaud no. 368; Savatier, Encycl. Dalloz, Rep. civ., s. v. Aliments, no. 137; Pelissier 163 f. 35 Verneinend: Marty/Raynaud no. 368; Savatier no. 145; ders., Les métamorphoses du droit civil . . . I (3. Aufl. 1964) no. 220; bejahend: Pelissier 166. - Vgl. ferner Douai 28. 7. 1953, D. 1954. J. 477: Von der Mutter dreier unmündiger Kinder kann nicht verlangt werden, daß sie eine Arbeit annimmt, wenn Erziehung und bisheriges Leben sie wenig auf Arbeit vorbereitet haben. 39 Pelissier 166; vgl. auch Savatier, Métamorphoses no. 220. 37 Vgl. Ponsard, D. 1966. L. 111, 118 Sp. 1. 58 Pelissier 133 mit Nachweisen. 32

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durch Arbeit unterhalten kann 3 9 . Zum Nachweis seiner schlechten Vermögenslage kann er insbesondere eine Bescheinigung vorlegen, aus der sich ergibt, daß er keine steuerpflichtigen Einkünfte hat 4 0 . c) Neben dem Bedürfnis des Berechtigten begrenzt die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten den Unterhaltsanspruch. Auch bei ihrer Beurteilung werden nicht nur die tatsächlichen Einkünfte berücksichtigt, sondern auch diejenigen, die der Verpflichtete durch eine ihm zumutbare Arbeit erzielen könnte 4 1 . Jedoch kann von ihm nicht verlangt werden, daß er seinen Beruf aufgibt, um eine besser bezahlte Tätigkeit anzunehmen 42 . Der Beweis der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten obliegt zwar im Prinzip dem Unterhaltskläger; doch wird im allgemeinen vermutet, daß der Beklagte in der Lage ist, den geforderten Unterhalt zu leisten. Es obliegt ihm, diese Vermutung durch den Nachweis zu entkräften, daß seine tatsächliche Vermögenslage nicht dem Anschein entspricht 43 . Diesen Nachweis kann er nicht schon durch die Vorlage seiner Steuererklärung führen 4 4 . d) Sonstige

Gesichtspunkte

Es mag sein, daß zuweilen auch größere oder geringere Schuld des unterhaltspflichtigen Gatten an der Trennung oder die Dauer der Ehe bei der Bemessung der Unterhaltsrente eine gewisse uneingestandene Rolle spielen 45 . Aber es lassen sich keine Belege dafür finden, daß der französische Richter diese Gesichtspunkte - so wie es § 1361 BGB vom deutschen Richter verlangt - regelmäßig berücksichtigt. Man muß also davon ausgehen, daß dem bloß tatsächlich von seinem Ehepartner getrennt lebenden Ehegatten ein seinen Bedürfnissen entsprechender Unterhalt gebührt, sofern nur feststeht, daß er die Trennung nicht verschuldet hat. Die Höhe dieses Unterhaltes wird durch das größere oder geringere Maß des Verschuldens des anderen Teils nicht beeinflußt. Bestätigt wird die Annahme, daß das Maß des Unterhalts nicht vom relativen Verschulden des unterhaltspflichtigen Ehegatten abhängt, durch den Vergleich zwischen der nur tatsächlichen Trennung und der Trennung durch Richterspruch. Beruht nämlich die Trennung auf einer richterlichen 39 Savatier no. 153; nicht wesentlich anders: Planiol/Ripertf-Rouast) no. 34; Ropers, J. Cl. civil, Artt. 205-211, fasc. 1, no. 74. 40 Vgl. Paris 26. 1. 1961, J. C. P. 1961. II. 11990. 41 Planiol/Ripertf-Rouast) no. 35; Pelissier 171 f. 42 Paris 13. 11. 1962, J. C. P. 1962. II. 12964. 43 Grenoble 18. 1. 1960, D. 1960. J. 273 = Rev. trim. dr. civ. 58 (1960) 628 mit Anm. Desbois; Savatier no. 162; Pelissier 171 N. 4. 44 Paris 6. 10. 1959, D. 1960. J. 143; 28. 4. 1960, J. C. P. 1960. II. 11801; 17. 5. 1960, J. C. P. 1961.11. 11900. 45 So hat etwa die Cour d'Appel in Paris (26. 1. 1961, J.C.P. 1961. II. 11990) bei der Festsetzung der Unterhaltsrente bemerkt, daß der Ehemann die Gattin nach fünfundzwanzig jähriger Ehe verlassen habe.

Familienrecht

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Entscheidung, so kann der bedürftige Gatte Unterhalt selbst dann verlangen, wenn ihn die Schuld an der Trennung trifft 46 . In diesem Fall richtet sich der Unterhalt nur nach dem Bedürfnis des Unterhaltsberechtigten und den beiderseitigen Einkünften, nicht aber nach Verdienst oder Schuld der Parteien 47 . Dies beruht auf der Erwägung, daß die Trennung der Ehegatten ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten nicht berührt. Gleiches gilt an sich auch dann, wenn die Ehegatten ohne richterliche Ermächtigung getrennt voneinander leben. Wenn dem Ehegatten, der die Trennung (überwiegend) verschuldet hat, eine Unterhaltsrente versagt wird, so geschieht es nur deshalb, um ihn zur Wiederaufnahme des ehelichen Lebens zu zwingen 48 . Hat sich ein Ehegatte aber aus berechtigtem Anlaß vom Ehepartner getrennt (oder ist er gar von diesem verlassen worden), so ist eine Sanktion gegen ihn ebensowenig gerechtfertigt wie dann, wenn die Trennung auf einem Richterspruch beruht. Wie im letzteren Fall ein Verschulden des Unterhaltsgläubigers ohne Einfluß auf die Höhe seines Unterhaltsanspruchs ist, muß auch im ersteren Fall ein (nicht überwiegendes) Mitverschulden ohne Einfluß bleiben. e) Das richterliche Ermessen bei der Festsetzung der Unterhaltsrente ist sehr weit; denn die Cour de Cassation läßt den Instanzgerichten freie Hand 4 9 . Diese begnügen sich im allgemeinen mit der bloßen Feststellung, daß die zugesprochene Unterhaltsrente dem Bedürfnis des Gläubigers und der Leistungsfähigkeit des Schuldners entspricht. 3. Unterhalt für die

Vergangenheit

Besteht ein Unterhaltsanspruch, so kann Unterhalt grundsätzlich vom Tage der Klageerhebung an verlangt werden 5 0 . Der zu entscheidende Fall bietet keinen Anlaß, auf die weitere Frage einzugehen, ob auch Unterhalt für den vor Klageerhebung liegenden Zeitraum gefordert werden kann. 4. Abänderung

des

Unterhaltsurteils

Die richterliche Entscheidung, die dem getrennt lebenden Ehegatten einen bestimmten Unterhaltsbetrag zuspricht, ist nur vorläufiger Natur. Sie kann jederzeit abgeändert werden, wenn sich der ihr zugrunde liegende 46 Civ. 3. 4. 1883, D. 1883. 1. 335; 28. 5. 1941, D. A. 1941. 259; Planiol/Ripert (-Rouast) no. 678 bis; Marty-Raynaud no. 660; Aubry/Rau(-Esmein) no. 232; abl. de lege ferenda: Pelissier 44 ff. " Carbonnier no. 140, S. 453. 48 Planiol/Ripert(-Rouast) no. 369; Pelissier 31 f. 49 Civ. 1. 6. 1929, D. P. 1931. 1. 79; 22. 6. 1955, zit. nach Gaz. Pal., Tables 19511955, s. v. Mariage, no. 55; 21. 12. 1964, J. C. P. 1965. 2.14001. 60 Savatiei no. 93; Ropers, J. Cl. Civil, Artt. 205-211, fasc. 2, no. 72; Pelissier 177.

Persönliche Ehewiikungen

/ Frankreich

193

Sachverhalt wandelt. Nehmen die Eheleute die Lebensgemeinschaft wieder auf oder werden sie geschieden, so fällt die Entscheidung von selbst dahin 5 1 . Ergebnis

Gelangt das Gericht zur Anwendung des französischen

Rechts, so gilt:

1. Die von ihrem Ehemann tatsächlich getrennte Ehefrau hat gegen ihren Ehemann einen Unterhaltsanspruch, wenn sie keine Schuld an der Trennung trägt. 2. Die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs bestimmt sich dabei nach ihren Bedürfnissen und nach der Leistungsfähigkeit des Ehemannes.

Nr. 18 Frankreich 1. Maßgebendes Recht für persönliche Ehewirkungen, insbesondere Unterhaltsansprüche, bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten nach deutschem und französischem internationalen Familienrecht. 2. Anwendung der Haager Konvention über das auf Unterhaltsverpfliditungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht von 1956 auf Kindsdiaftsverhältnisse, die vor Inkrafttreten der Konvention entstanden sind, und auf Unterhaltsverpfliditungen, über die beim Inkrafttreten der Konvention ein Rechtsstreit anhängig war. 3. Gesetzliche Vertretung eines Minderjährigen und Unterhaltsansprttdie eines ehelichen Kindes nach französischem Redit. Hamburg G 196/65 vom 25. 5.1966

Das Amtsgericht Pirmasens bittet in dem Rechtsstreit S. . /. S. um Auskunft über französisches Familienrecht. Der Sachverhalt ist folgender: Die Erstklägerin ist seit 1929 mit dem Beklagten verheiratet. Beide stammen aus Polen. Nach dem zweiten Weltkrieg zog die Familie zunächst nach Westdeutschland und dann nach Frankreich. Beide Ehegatten besitzen einen Flüchtlingsausweis. Im Jahre 1950 - nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen Blutschande mit einer seiner Töchter - verließ der Beklagte 51

Limoges 4. 4. 1921, D. 1921. 2. 107; Pianiol/Ripert(-Rouast)

13 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

no. 366.

Familienrecht

194

seine Familie und ging wieder nach Deutschland, wo er seitdem lebt und arbeitet. Sechs der Kinder sind inzwischen selbständig. Der im Jahre 1949 geborene Zweitkläger ist in Frankreich als Lehrling bei einem Metzger tätig, der ihm Unterkunft und Verpflegung gewährt. Frau S. ist unbemittelt und arbeitsunfähig; sie wird von einigen der Kinder unterstützt. Für sich und für den Zweitkläger, als dessen gesetzlicher Vertreter sie im Prozeß auftritt, verlangt sie von ihrem Mann Unterhalt für die Zukunft und rückwirkend ab 1.12.1962. Ihre Klage ist am 28.3.1963 zugestellt worden. Seit Einreichung der Klage hat der Beklagte seine Frau mehrfach aufgefordert, nach Deutschland zu kommen und mit ihm zu leben. Sie erklärt dieses Verlangen für unzumutbar, da ein Zusammenleben mit ihrem Manne unerträglich sei und von diesem auch nicht wahrhaft angestrebt werde; ferner habe sie sich in Frankreich einen Bekanntenkreis geschaffen, auf dessen Hilfe sie angewiesen sei und den sie deshalb nicht verlieren möchte. Außerdem macht sie geltend, ihr Mann lebe in wilder Ehe mit einer fremden Frau, was dieser aber bestreitet. Das Gericht fragt, 1. ob und unter welchen Voraussetzungen die französischen Gesetze dem getrennt lebenden Ehegatten einen Unterhaltsanspruch zubilligen; 2. ob die Erstklägerin zur gesetzlichen Vertretung des Zweitklägers berechtigt ist. A. UNTERHALTSANSPRUCH

I. Deutsches Internationales

Privatrecht

1. Die Unterhaltsansprüche der Ehegatten gegeneinander sind persönliche Ehewirkungen. Als solche sind sie in erster Linie dem gemeinsamen Heimatrecht beider Ehegatten unterworfen, da Art. 14 EGBGB nach allgemeiner Ansicht als allseitige Kollisionsnorm zu verstehen ist 1 . Da die Eheleute offenbar Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 sind, tritt an die Stelle des Heimatrechts das Recht desjenigen Landes, in dem sie ihren Aufenthalt haben. Dies folgt aus Art. 12 I der Genfer Flüchtlingskonvention, der sowohl Deutschland wie Frankreich angehören 2 . Die Begriffe Wohnsitz und Aufenthalt sind von dem Staate auszufüllen, in dem die Konvention angewandt werden soll, weil diese beiden Begriffe nicht in der Konvention definiert sind und es auch sonst keine international anerkannte Definition von „Wohnsitz" und „Aufent1

Soergel/Siebert(-Kegel), BGB, 9. Aufl., V (1961), Rz. 1 zu Art. 14 EGBGB mit weiteren Nachweisen. 2 BGBl. 1953 II 559, 619; J. O. vom 29. 10. 1954.

Persönliche

Ehewirkungen

/

Frankreich

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halt" gibt 3 . Ob in Deutschland der Wohnsitzbegriff des BGB oder der kollisionsrechtliche Ersatzbegriff des „gewöhnlichen Aufenthalts" (Art. 29 EGBGB, §§ 606 a, 606 b ZPO) zu gelten hat, ist umstritten 4 . Der Beklagte lebt und arbeitet seit 1950 in Deutschland. Er will nicht nach Frankreich zu seiner dort lebenden Frau zurückkehren, denn er hat sie aufgefordert, zu ihm nach Deutschland zu kommen. Audi wenn diese Aufforderung nicht ernsthaft gemeint sein sollte, so beweist sie doch, daß er jedenfalls Deutschland nicht verlassen will. Es ist deshalb anzunehmen, daß er sich hier ständig niedergelassen hat ( § 7 1 BGB) und gewöhnlich aufhält. Die Klägerin lebt seit der Umsiedlung der ganzen Familie von Deutschland nach Frankreich in diesem Land und verweigert die Rückkehr nach Deutschland unter ausdrücklicher Berufung auf ihren Bekanntenkreis in Frankreich. Sie hat also offensichtlich den Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt, den sie und ihr Mann durch die Umsiedlung nach Frankreich dort nach Kriegsende begründet hatten, bisher nicht aufgegeben. Entsprechend ihrem Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in dem einen bzw. anderen Land ist also Personalstatut des Beklagten das deutsche und Personalstatut seiner Frau das französische Recht. 2. Die Frage, nach welchem Recht sich die persönlichen Ehewirkungen - zu denen auch die Unterhaltsansprüche zwischen Ehegatten gehören bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten bestimmen, ist sehr umstritten. Es werden im wesentlichen drei Ansichten vertreten: Anwendung des Mannesrechtes, kumulative Anwendung der Rechte beider Gatten und - für den Fall, daß sie beide einmal ein gemeinsames Personalstatut gehabt haben - die Anwendung dieses Rechts 5 . Die Entscheidung zwischen diesen Auffassungen kann hier aber dahinstehen, wenn das französische Recht, dessen Anwendung neben der des deutschen allein in Frage kommt, auf das deutsche Recht zurückverweist. Denn eine Rüdeverweisung des nach Art. 14 EGBGB zur Anwendung berufenen ausländischen Rechts ist in Analogie zu Art. 27 EGBGB zu beachten 6 . Der Annahme einer Rüdcverweisung steht auch die Genfer Flüchtlingskonvention nicht entgegen, sofern die Rückverweisung nicht darauf beruht, daß das fremde Recht an die Staatsangehörigkeit anknüpft. 3 Mezger, JZ 1954, 663 (664); Soergel/Siebertf-Kegel), Anh. 23 zu Art. 29; Kimminich, Der internationale Rechtsstatus der Flüchtlinge (1962) 312 (implicite); Palandt(-Lauterbach), BGB (25. Aufl. 1966), Anh. III zu Art. 29, Bern, zu Art. 12 der Konvention. 4 Siehe etwa einerseits Soergel/Siebert und Palandt aaO, andererseits Mezger aaO und Erman(-Arndt), Handkommentar zum BGB (3. Aufl. 1962) Anh. Art. 29 EGBGB, Bern, b) zu Art. 12 Flüchtlingskonvention. 5 Vgl. für eine Übersicht Döile in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955) 65 f. 6 Soergel/Siebert(-Kegel), Rz. 40 zu Art. 14 m. weiteren Nachweisen.

13 *

196

Familienrecht

II. Französisches Internationales

Privatrecht

Auch nach französischer Auffassung gehören die Unterhaltsansprüche der Ehegatten gegeneinander zu den persönlichen Ehewirkungen 7 , ü b e r deren Anknüpfung in dem Fall, daß die Ehegatten kein gemeinsames Personalstatut haben, gibt es keine gesetzliche Vorschrift. Aber es gibt eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung. Diese betrifft zwar nicht unmittelbar die Anknüpfung des Ehewirkungsstatuts, sondern diejenige des Scheidungsstatuts. Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß die hierzu entwickelten Grundsätze auch für die persönlichen Ehewirkungen bestimmend sind 8 . Dies scheint auch aus folgendem Grunde berechtigt: Der Rechtsprechung der Cour de Cassation zum Scheidungsstatut liegt die Tendenz zugrunde, das streitige Rechtsverhältnis einem einheitlichen Recht zu unterwerfen 9 . Dieses Streben nach einem einheitlichen Statut ist aber noch mehr als bei Auflösung der Ehe dort gerechtfertigt, wo es die Beziehungen der Ehegatten während bestehender Ehe zu gestalten gilt. Scheidungsstatut ist nach der Rechtsprechung dann, wenn zwei Ehegatten nicht dieselbe Staatsangehörigkeit haben, das an ihrem gemeinschaftlichen Wohnsitz geltende Recht 1 0 . Hierbei ist zu beachten, daß der Wohnsitzbegriff des französischen Kollisionsrechtes nicht mit demjenigen des französischen Sachrechts identisch ist. Das ist unzweideutig durch die Entscheidung der Cour de Cassation in Sachen „Tarwid" bestätigt worden n . Aus dieser Entscheidung ergibt sich, daß die Regel des Art. 108 C. c., nach der die verheiratete, von ihrem Mann nicht durch richterliche Entscheidung getrennte Frau stets dessen Wohnsitz teilt, nicht gilt, soweit der Wohnsitz der Anknüpfung des anzuwendenden Rechtes dient. Entscheidend ist dann vielmehr auch für die verheiratete Frau der effektive Ponsard in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs 53. Battitoi, Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) no. 388; Ponsard, J. Cl. Droit international, fase. 546-D., nos. 32 ff.; Lerebours/Pigeonnière (-Loussouarn), Droit international privé (8. Aufl. 1962) no. 449. Vgl. auch Paris 15. 3. 1956 (affaire Bueno), J. C. P. 1956. II. 9531 mit Anm. Louis-Lucas; 26. 6. 1959 (Ortiz Patino), Rev. crit. 48 (1959) 700 (704). » Hoìleaux, D. 1961. J. 438 (441). Vgl. ferner Bat ilSol no. 388. 10 Civ. 17. 4. 1953 (Rivière), Rev. crit. 42 (1953) 412 mit Anm. Batitiol = Clunet 80 (1953) 860 mit Anm. Plaisant; 15. 3. 1955 (Lewandowski), Rev. crit. 44 (1955) 529 mit Anm. Batifiol = J. C. P. 1955. II. 8771 mit Anm. Ponsard. 11 Civ. 15. 5. 1961, D. 1961, 437 mit Anm. Hoìleaux = Clunet 88 (1961) 734 mit Anm. Goldman = Rev. crit. 50 (1961) 547 mit Anm. Batiliol; vgl. Paris 26. 1. 1965 (Beinoglou), Rev. crit. 54 (1965) 359 mit Anm. Francescakis = Clunet 92 (1965) 896 mit Anm. Goldman. Vgl. ferner Malaurie, Le divorce des mariages mixtes en cas de séparation de fait: D. 1963. Chr. 53; Francescakis, Les avatars du concept de domicile dans le d. i. p. actuel, in: Travaux du comité français de droit international privé 1962-1964 (1965) 291. 7

8

Persönliche

Ehewirkungen

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Frankreich

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Wohnsitz. Das muß auch bei Anwendung des Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention gelten. Besitzen die Ehegatten aber keinen gemeinsamen effektiven Wohnsitz, so hat der französische Richter auf die Ehescheidung französisches Recht anzuwenden 1 2 . Diese Lösung beruht auf der Auffassung von der Allzuständigkeit der lex fori: Ein Gericht kann grundsätzlich auf jeden ihm unterbreiteten Rechtsstreit das Recht seines Staates anwenden; die Anwendung eines fremden Rechts ist nur dann gerechtfertigt, wenn hinreichend gewichtige Momente auf dieses Recht verweisen 12a. Dementsprechend ist für die Fälle, in denen der Rechtsstreit vor einem ausländischen Gericht geführt wird, eine Verweisung auf das Recht des fremden Gerichtsstaates anzunehmen 13 . Vorausgesetzt ist dabei nur, daß das fremde Gericht nach französischer Anschauung international zuständig ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Der beklagte Ehemann hat nämlich in Deutschland seinen Wohnsitz, und auch nach französischer Auffassung begründet der Wohnsitz des Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand, an dem er immer verklagt werden kann. Dies folgt aus der Vorschrift des Art. 59 I C. pr. c., der nicht nur für die interne, sondern auch für die internationale Zuständigkeit gilt 14 . Somit sind die persönlichen Rechtsbeziehungen der Eheleute S., zu denen auch der Anspruch auf Unterhalt gehört, kraft Rückverweisung nach deutschem Recht zu beurteilen.

12

Civ. 15. 5.1961 (Tarwid); Paris 26. 1. 1965 (Beinoglou) - siehe oben. Vgl. Paris 26. 1.1965 (Beignoglou): „ . . . à moins de vouloir consacrer une fiction, il ne saurait être question d'appliquer, dans cette dernière hypothèse, la loi d'un domicile légal ou d'un ancien domicile commun, ne correspondant aucunement à la réalité des choses e t . . . il convient, dès lors, de reconnaître compétence à la loi du for, laquelle a vocation générale à régir les rapports de droit privé soumis au juge régulièrement saisi." Es kann, wenn man nicht einer Fiktion anhängen will, nicht in Frage kommen, in diesem letzten Fall (sc.: wenn die Parteien keinen gemeinschaftlichen Wohnsitz haben) das Recht eines gesetzlichen Wohnsitzes oder eines früheren gemeinsamen Wohnsitzes anzuwenden, weil das nicht der tatsächlichen Situation gerecht würde. Deshalb ist der lex fori die Zuständigkeit zuzusprechen: sie ist allgemein dazu berufen, diejenigen privatrechtlichen Beziehungen zu regeln, die dem ordnungsgemäß angerufenen Richter unterbreitet worden sind. Vgl. ferner Hoüeaux, D. 1961. J. 438 (442). 13 Vgl. Batiifol, Rev. crit. 50 (1961) 553: Die Anwendung der lex fori durch ein ausländisches Gericht in einem Fall, in dem die streitenden Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und keinen gemeinsamen Wohnsitz besitzen, entspricht den Regeln des französischen Internationalen Privatrechts, und das Urteil dieses Gerichts wird deshalb in Frankreich anerkannt. 14 Vgl. Civ. 19. 10. 1959, Rev. crit. 49 (1960) 215; Batiifol no. 699; Lerebours/ Pigeonnière(-Loussouarn) no. 397. 12a

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Familienrecht

B. UNTERHALTSANSPRÜCHE DES SOHNES

1. Internationales

Privatrecht

1. Das auf die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder anwendbare Recht ist Gegenstand der Haager Konvention vom 24. 10. 1956. Sie ist sowohl von Deutschland wie von Frankreich ratifiziert worden und gilt deshalb im Verhältnis beider Länder zueinander 1 5 . Diese Konvention knüpft das anwendbare Recht an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an. Das Recht des Aufenthaltsstaates regelt zunächst, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhalt verlangen kann (Art. 1 I), dann aber auch, wer die Unterhaltsklage erheben kann und welche Fristen für die Klageerhebung gelten (Art. 1 III). Da im vorliegenden Fall der minderjährige Zweitkläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hat, beantworten sich also alle Fragen, die seinen Unterhaltsanspruch gegen den Vater berühren, grundsätzlich nach französischem Recht. Nun ist die Haager Konvention für Frankreich - und damit auch im Verhältnis Deutschlands zu Frankreich (vgl. Art. 6) - erst am 1. 7. 1963 in Kraft getreten. Da der geltend gemachte Anspruch auf einem vor diesem Zeitpunkt begründeten Rechtsverhältnis, nämlich der Geburt, beruht, ferner der Unterhalt auch für einen vor dem Stichtag liegenden Zeitraum (ab 1.12.1962) geltend gemacht wird und endlich die Klage selbst vorher erhoben wurde (am 28.3. 1963), stellt sich die Frage nach der Anwendung der Haager Konvention in der Zeit. Die Konvention beantwortet diese Frage nicht unmittelbar, zeichnet die Antwort aber vor. a) Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern beruht zwar auf dem Abstammungsverhältnis, doch entsteht er nicht schon im Zeitpunkt der Geburt im voraus für den gesamten Zeitraum, während dessen das Kind bedürftig sein wird. Er aktualisiert sich vielmehr in regelmäßigen Zeitabschnitten in der Form selbständiger Ansprüche auf Unterhaltsleistung. Es ist denkbar, daß Grundverhältnis und einzelner Anspruch verschiedenen Rechten unterliegen. Das Abstammungsverhältnis kann sinnvollerweise nur ein für allemal festgestellt werden; sein Statut muß also unwandelbar sein. Nicht so das Statut der einzelnen Ansprüche auf Unterhaltsleistung. Es sprechen keine grundsätzlichen Bedenken gegen seine Wandelbarkeit, und in der Tat entscheidet sich die Haager Konvention in einem bestimmten Fall für seine Wandelbarkeit. Wechselt nämlich das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so wird vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates angewendet, in dem das Kind seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 1 II). 15

BGBl. 1961 II 1012, 1962 II 16, 1963 II 911; J. O. v o m 9. 7. 1963.

Persönliche

Ehewirkungen

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Frankreich

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Der Unterhaltsgläubiger kann also durch eigenes oder von seinem gesetzlichen Vertreter veranlaßtes Verhalten das Unterhaltsstatut ohne Zutun des Schuldners ändern. Es muß dann aber erst recht ein Statutenwedisel möglich sein, der nicht auf einer Verschiebung des Anknüpfungspunktes beruht, sondern darauf, daß der Gerichtsstaat sein Kollisionsrecht durch die Ratifizierung der Konvention ändert. Das Bedenken, der Gläubiger könne ein ihm günstiges Statut erschleichen, das im ersten Falle geltend gemacht werden könnte, besteht im zweiten sicherlich nicht. Deshalb ist der Schluß von der ausdrücklichen Anordnung des Statutenwechsels im ersten Fall auf dessen implizite Anordnung im zweiten gerechtfertigt. Daraus folgt, daß die einzelnen Unterhaltsansprüche vom Inkrafttreten der Haager Konvention an dem von ihr berufenen Recht unterworfen werden, während sich die vorher entstandenen, noch nicht befriedigten Ansprüche noch nach dem ursprünglich anwendbaren Recht bestimmen. Diese Lösung entspricht im übrigen auch dem nationalen Kollisionsrecht Deutschlands und Frankreichs. In Deutschland löst man die intertemporalen Kollisionen im Internationalen Privatrecht grundsätzlich unter Anwendung der Übergangsvorschriften des EGBGB In Betracht kommt Art. 203 EGBGB, nach dem sich das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und einem vor Inkrafttreten des BGB geborenen Kindes von diesem Zeitpunkt an nach dessen Vorschriften bestimmt. Uberträgt man den Grundgedanken dieser Vorschrift, die auch für die Unterhaltspflicht gilt 17 , auf die Ebene des Internationalen Privatrechts, so ergibt sich: Die Unterhaltsansprüche eines vor Inkrafttreten einer neuen Kollisionsnorm geborenen Kindes beurteilen sich vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an nach dem von den neuen Regeln berufenen Recht. Hingegen ist die Frage, ob dem Kind vor diesem Zeitpunkt Unterhaltsansprüche erwachsen sind, die es jetzt noch geltend machen kann, nach dem von der alten Kollisionsnorm berufenen Recht zu beantworten. In Frankreich gelten - jedenfalls nach herrschender Meinung - ebenso wie in Deutschland für die intertemporalen Kollisionen im Internationalen Privatrecht dieselben Regeln, die bei einer Änderung des Sachrechtes angewendet werden 18 . Hier gilt die Unterhaltspflicht als Konsequenz einer juristischen Grundsituation, die selbst stabil bleibt, während die aus ihr fließende Unterhaltspflicht durch eine Gesetzesänderung erweitert oder beschränkt werden kann 1 9 . Die Ansicht, der Unterhaltsanspruch eines vor Inkrafttreten der Haager Konvention geborenen Kindes bestimme sich von diesem Zeitpunkt an SoergelfSiebert(-Kegel), Vorbem. 126 zu Art. 7 mit weiteren Nachweisen. Staudinger(-Keidel), BGB 9. Aufl. VI/1 (1929) Art. 203, Anm. III 1 c. 18 Batiifol no. 316; Roubier, Le Droit transitoire (2. Aufl. 1960) no. 107, S. 575ff.; beide mit weiteren Nachweisen. 19 Roubier no. 48, S. 217; no. 67 S. 329; no. 68, S. 335 f. 16

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200

Familienrecht

nach dem von ihr berufenen Recht, entspricht also sowohl dem Geist der Konvention als auch der für das deutsche und französische Recht überwiegend vertretenen Lösung20. Das nach dem Inkrafttreten der Haager Konvention anzuwendende Recht beherrscht den Unterhaltsanspruch des Kindes aber nur vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an. Verlangt das Kind rückständigen Unterhalt für die vor dem Stichtag liegende Zeit, so ist das bisher geltende Recht anzuwenden 21 . b) Ebenso wie für den Unterhaltsanspruch selbst ist für die Vertretung des Unterhaltsklägers zu entscheiden: Vom Inkrafttreten der Konvention an richtet sie sich gemäß Art. 1 I, III nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch diese Lösung entspricht dem interlokalen Kollisionsrecht sowohl Deutschlands wie Frankreichs 22. c) Offen ist jetzt noch die Frage der Anwendbarkeit der Konvention in den Fällen, in denen sie erst während des Prozesses in Kraft getreten ist, sei es schlechthin, sei es im Verhältnis zu einem bestimmten anderen Land. Sie wird von der Konvention weder unmittelbar noch mittelbar beantwortet. Allerdings haben die Vertreter der vertragschließenden Staaten im Haag den Fall erörtert, daß während des Prozesses ein Statutenwechsel eintritt, weil das Kind seinen Wohnsitz in einen anderen Staat verlegt. Sie stellten fest, daß eine Veränderung des Sachverhaltes nach Klageerhebung von den einzelnen nationalen Rechten verschieden behandelt werde. Mehrere von ihnen schlössen sich der Ansicht des Berichterstatters an, nach der die Beachtlichkeit einer Rechtsänderung während des Prozesses zum Prozeßrecht gehöre und deshalb vom Recht des Gerichtsstaates zu beantworten sei 2S . Wohl aufgrund dieser Qualifikation, deren Richtigkeit hier nicht zu prüfen ist, hat man darauf verzichtet, die Frage des Statutenwechsels während des Prozesses in der Konvention ausdrücklich zu regeln. Nicht anders als das Problem der Veränderung des Sachverhalts während des Prozesses hängt auch das der Gesetzesänderung zumindest insoweit mit dem Prozeßrecht zusammen, als bestimmte Auffassungen von der Natur des Urteils die Lösung beeinflussen. Deshalb entspricht es den Vorstellungen der Delegierten im Haag wohl am ehesten, den nationalen Rechten 20 Im Ergebnis ebenso LG Regensburg 11. 2. 1965, DAVorm. 38 (1965) 152; ferner österr. OGH 12. 6. 1963, JB1. 1964, 465; 24. 9. 1963, JB1. 1964, 467; Scheucher, (österr.) ZfRV 1963, 83 ff.; Trib. d'inst. Metz 29. 10. 1963, Rev. crit. 53 (1964) 336 = Clunet 91 (1964) 590. 21 Scheucher 85. 22 Vgl. Staudingerf-Keidel), Art. 203 EGBGB, Anm. III 2; Roubier no. 42, S. 197; no. 67, S. 330; no. 68, S. 336; beide Autoren handeln von der elterlichen Gewalt und ihren Attributen schlechthin. 23 Conférence de la Haye de d. i. p., Actes de la 8e session 1956, I (1957) 179 ff.

Persönliche Ehewirkungen

/ Frankreich

201

die Entscheidung darüber zu überlassen, ob ein Gericht die erst nach Klageerhebung in Kraft getretene Konvention zu berücksichtigen hat. Ein anderer Weg könnte auch darum nicht beschritten werden, weil das Problem - wie gerade die Diskussion im Haag gezeigt hat - von den einzelnen nationalen Rechten verschieden gelöst wird. So ist in Deutschland eine Gesetzesänderung grundsätzlich in jedem Stadium des Verfahrens bis in die Revisionsinstanz hinein zu beachten 24 . Für Frankreich hat die Cour de Cassation hingegen entschieden, daß der Gesetzgeber nicht in wohlerworbene Rechte (droit acquis) eingreifen könne und daß deshalb eine Gesetzesänderung nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils, das ein solches wohlerworbenes Recht begründe, nicht zur Aufhebung dieses Urteils führen könne 2 5 . Einzelne Instanzgerichte haben darüber hinaus sogar schon auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abgestellt 28 . Beide Ansichten werden von Roubier, einem hervorragenden Kenner der Materie, zurückgewiesen. Er selbst meint, die Tatsache, daß das streitige Rechtsverhältnis Gegenstand eines Prozesses ist, habe keinen Einfluß auf das Spiel der Regeln des intertemporalen Kollisionsrechts 27 . Zur Haager Konvention selbst ist bisher nur eine Entscheidung bekannt geworden: Die Cour d'appel in Poitiers hatte über die Klage eines deutschen unehelichen Kindes gegen seinen französischen Vater auf Zahlung rückständigen Unterhalts zu entscheiden. Sie lehnte die Anwendung der Haager Konvention, die erst nach Klageerhebung in Kraft getreten war, mit der Begründung ab, daß sie keine Rückwirkung besitze 28 . Entscheidend war für das Gericht wohl die Tatsache, daß die Klägerin einen bereits vor Inkrafttreten der Konvention entstandenen Unterhaltsanspruch geltend machte 29 . Dieser Überblick über den Streitstand in Deutschland und Frankreich zeigt, daß schon in diesen beiden Ländern der Einfluß einer Gesetzesänderung auf laufende Verfahren nicht einheitlich beantwortet wird. Das von der Konvention bewußt offengelassene Problem läßt sich also nicht durch einen Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze lösen. Die Gerichte eines jeden Vertragsstaates müssen deshalb insoweit ihr eigenes Kollisionsrecht anwenden. Für Deutschland bedeutet dies, daß grundsätzlich in je24

BGH 26. 2. 1953, BGHZ 9, 10 ff.; 21. 2. 1962, BGHZ 36, 348. Civ. 3. 11. 1941, S. 1941. 1. 193j Com. 3. 7. 1950, D. 1951. J. 96 = J.C.P. 1951. II. 6931 mit Anm. Roubier. 28 Montpellier 16. 12. 1940, J.C.P. 1941. 2. 1599 (implicite); Donai 26. 11. 1951, D. 1952. Somm. 66; Trip. civ. Pau 30. 1. 1942, J.C.P. 1942. 2. 1808; im gleichen Sinne: Ripert, Enc. Dalloz, Rép. de Droit Civil, s. v. Lois et Décrets, no. 184. 27 Roubier, De l'effet des lois nouvelles sur le procès en cours, in: Mélanges Maury II (1960) 525 ff„ 530 ff. 28 Poitiers 23. 6. 1965, Clunet 93 (1966) 102 mit Anm. Malaurie. 28 Anders Malaurie in der Urteilsanmerkung: Die Konvention sei nicht angewendet worden, weil sie erst nach Klageerhebung in Kraft getreten sei. 25

202

Familienrecht

dem Stadium eines laufenden Verfahrens das Inkrafttreten der Haager Konvention zu beachten ist. Für den Streitfall ergibt sich somit: Die Haager Konvention ist die maßgebende Kollisionsnorm einmal für die Frage, ob die Erstklägerin gesetzlicher Vertreter ihres Sohnes ist, zum anderen auch dafür, ob der Vater für die Zeit seit dem 1. 7. 1963 Unterhalt schuldet. Beide Fragen beurteilen sich also nach französischem materiellem Recht. Ob der Vater hingegen noch Unterhalt für die Zeit vor dem 1. 7. 1963 schuldet, ist nach dem autonomen deutschen Kollisionsrecht zu beurteilen. 2. Im deutschen Internationalen Privatrecht bestimmt sich die Unterhaltspflicht des ehelichen Vaters gemäß Art. 19. Diese Vorschrift, die als vollständige Kollisionsnorm zu lesen ist 30 , unterwirft das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und ehelichem Kind dem Recht des Vaters; das ist hier (gemäß Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention) das deutsche Recht. Nur dann, wenn der Vater gestorben ist, entscheidet das Heimatrecht der Mutter. Vereinzelt wird allerdings gelehrt, das Recht der Mutter gelte auch dann, wenn der Vater aus einem anderen Grunde seine elterliche Gewalt verloren hat 31 . Diese Ansicht steht jedoch im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des Art. 19 EGBGB und wird deshalb zu Recht von der ganz überwiegenden Meinung abgelehnt32. Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Artt. 3 II/l 17 GG hat daran nichts geändert33. Es bleibt somit nach der Auffassung des Instituts im vorliegenden Fall bei der Anwendung des deutschen Rechts als des Personalstatuts des Vaters, soweit gegen ihn vor dem 1. 7. 1963 entstandene Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden. II. Materielles französisches 1. Vertretung im

Recht

Unterhaltsprozeß

Die gesetzliche Vertretung eines Minderjährigen obliegt nach französischem Recht grundsätzlich seinem gesetzlichen Vermögensverwalter (administrateur légal). Soergel/Siebert(-Kegel) Rz 1 zu Art. 19, mit weiteren Nachweisen. Soergel/Siebertf-Kegel) Rz. 3 zu Art. 19. 32 RG 25. 1. 1940, RGZ 162, 329 (334 f.); Staudinger(-Raape), BGB, 9. Aufl. VI/2 (1931) Art. 19 Anm. II 1; Wolff, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 215; Erman (-Marquordt), Art. 19 Anm. 2; Palandt(-Lauterbach), Art. 19 Anm. 2. 33 Vgl. Soergel/Siebert(-KegeI) Vorbem. 9 vor Art. 13 mit zahlreichen Nachweisen; vgl. ferner Ferid in Festschrift Dölle (1963) II 119 (136 f.); KG 28. 10. 1954, IPRspr. 1954-1955 Nr. 102; OLG Saarbrücken 14. 7. 1965, JB1. Saar 1965, 197; vorläufige Stellungnahme des Instituts; RabelsZ 18 (1953) 119 f. 30

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Persönliche Ehewirkungen

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203

Art. 389-3 C. c. L'administrateur légal représentera le mineur dans tous les actes civils, sauf les cas dans lesquels la loi ou l'usage autorise les mineurs à agir eux-mêmes.

Quand ses intérêts sont en opposition avec ceux du mineur il doit faire nommer un administrateur ad hoc par le juge des tutelles.

Der gesetzliche Vermögensverwalter vertritt den Minderjährigen bei allen Rechtsgeschäften. Ausgenommen sind die Fälle, in denen Gesetz oder Brauch den Minderjährigen ermächtigt, selbst zu handeln. Wenn seine Interessen denjenigen des Minderjährigen entgegenstehen, so muß er vom Vormundschaftsrichter einen Verwalter ad hoc ernennen lassen.

D i e s e Vorschrift ist zwar erst durch das am 1 5 . 6 . 1 9 6 5 in Kraft getretene Gesetz v o m 14.12.1964 in d e n Code civil eingefügt worden, entspricht aber sachlich dem bisherigen Rechtszustand 3 4 . Im übrigen g e l t e n die Ä n d e r u n g e n des Code civil durch das Gesetz v o m 14. 12. 1964 grundsätzlich auch für die bei seinem Inkrafttreten bereits b e s t e h e n d e n familienrechtlichen Beziehungen (Art. 8 des Gesetzes). V e r m ö g e n s v e r w a l t e r d e s Kindes und damit sein gesetzlicher Vertreter ist derjenige Elternteil, dem die elterliche Gewalt (puissance paternelle) zusteht. Art. 389 I i. d. F. des Gesetzes vom 14. 12. 1964 Celui des père et mère, légitimes ou naturels, qui exerce la puissance paternelle sera administrateur légal des biens de ses enfants mineurs non émancipés.

Derjenige eheliche oder uneheliche Elternteil, der die elterliche Gewalt ausübt, ist der gesetzliche Verwalter des Vermögens seiner minderjährigen, nicht emanzipierten Kinder.

Die elterliche Gewalt steht b e i d e n Eltern zu. Bei Bestehen der Ehe wird sie aber in der Regel v o m Vater ausgeübt. Art. 373 I C. c. Cette autorité appartient au père et à la mère. Durant le mariage, elle est exercée par le père en sa qualité de chef de famille.

(Die elterliche Gewalt) steht dem Vater und der Mutter zu. Während der Ehe wird sie vom Vater in seiner Eigenschaft als Haupt der Familie ausgeübt.

Allerdings fällt die A u s ü b u n g der elterlichen Gewalt schon zu Lebzeiten des Vaters in v i e r v o m Gesetz aufgezählten Fällen der Mutter zu. Der erste v o n ihnen ist hier gegeben, w e i l der Vater w e g e n Blutschande mit einer seiner Töchter verurteilt ist. 34 Vgl. zum früheren Rechtszustand allgemein Pianiol/Ripert(-Savatier), Traité pratique de droit civil français, 2. Aufl. I (1952) no. 257 - und für die Unterhaltsklage insbesondere Wahl, S. 1909. 2. 129 (130).

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Familienredit

Art. 373 II C. c. Sauf décision contraire du tribunal de grande instance de la résidence de la mère, ... cette autorité est exercée par la mère: 1. En cas de déchéance totale ou partielle de père des droits de la puissance paternelle, en vertu de la loi du 24 juillet 1889, pour ceux de ces droits qui lui sont retirés; ... Art. 1 des Gesetzes vom 24. 7. 1889 Les pères . . . sont déchus de plein droit, à l'égard de tous leurs enfants . . . de la puissance paternelle: 1. . . . 2. S'ils sont condamnées, soit comme auteurs, coauteurs ou complices d'un crime commis sur la personne d'un ou plusieurs de leurs enfants, . . .

Wenn das Tribunal de grande instance am Wohnsitz der Mutter nicht anders entscheidet..., wird (die elterliche Gewalt) von der Mutter ausgeübt, 1. im Falle der völligen oder teilweisen Verwirkung der aus der elterlichen Gewalt fließenden Rechte durch den Vater gemäß dem Gesetz vom 24. 7 1889 hinsichtlich derjenigen dieser Rechte, die ihm entzogen sind; ... Der Vater . . . verwirkt kraft Gesetzes gegenüber allen seinen Kindern . . . die elterliche Gewalt, 1. . .. 2. wenn er - als Täter, Mittäter oder Gehilfe - wegen eines Verbrechens an der Person eines oder mehrerer seiner Kinder verurteilt worden i s t . . .

Da in Frankreich Blutschande mit einem Abkömmling nur dann strafbar ist, wenn dieser noch unter elterlicher Gewalt steht, muß der beklagte Vater aufgrund des Art. 331 II C. pen. bestraft worden sein. Art. 331II C. pén. Sera puni de la même peine (se. de la réclusion), l'attentat à la pudeur commis par tout ascendant sur la personne d'un mineur, même âgé de plus de quinze ans, mais non émancipé par le mariage.

Mit derselben Strafe (sc. Zuchthaus) wird die unzüchtige Handlung bestraft, die von einem Verwandten in aufsteigender Linie an einem Minderjährigen begangen wird, auch wenn dieser älter als 15 Jahre ist, falls er nicht durch Heirat emanzipiert ist.

Eine strafbare Handlung nach Art. 331 II C. pen. aber ist ein Verbrechen. Art. 1 III C. pèn. L'infraction que les lois punissent d'une peine afflictive ou infamante est un crime.

Eine strafbare Handlung, die die Gesetze mit einer die Freiheit beeinträchtigenden oder einer entehrenden Strafe bedrohen, ist ein Verbrechen.

Art. 7 I C. pén. i. d. F. des Gesetzes vom 28. 4. 1832 Les peines afflictives et infamantes sont:

Die Freiheit beeinträchtigende und entehrende Strafen sind:

6. La réclusion.

6. Zuchthaus.

Persönliche

Ehewirkungen

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Frankreich

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Es ergibt sich somit, daß der beklagte V a t e r kraft Gesetzes die Ausübung der elterlichen Gewalt über alle Kinder verwirkt hat und die Ausübung auf die Mutter übergegangen ist. Allerdings steht diese hierbei unter der besonderen Aufsicht des Vormundsdiaftsrichters. Bestimmte Maßnahmen kann sie nur mit seiner Genehmigung treffen, nämlich diejenigen, zu denen ein Vormund der Genehmigung des Familienrates bedarf. Hierzu gehört aber nicht die Erhebung einer vermögensrechtlichen Klage, wie es die Klage auf Unterhaltszahlung ist. Art. 389-2 C. c. Elle (sc. l'administration légale) est placée sous le contrôle du juge des tutelles 1. Lorsque l'un ou l'autre des deux parents est décédé ou se trouve dans l'un des cas prévus à l'article 373;

(Die gesetzliche Verwaltung) ist der Aufsicht des Vormundsdiaftsrichters unterstellt, 1. wenn der eine oder andere Elternteil verstorben ist oder sich in einer der in Art. 373 behandelten Lagen befindet.

Art. 389-6 C. c. Dans l'administration légale sous contrôle judiciaire, l'administrateur doit se pourvoir d'une autorisation de juge des tutelles pour accomplir les actes qu'un tuteur ne pourrait faire qu'avec l'autorisation du conseil de famille.

Art. 464

Bei der gesetzlichen Vermögensverwaltung unter richterlicher Aufsicht muß der Verwalter die Genehmigung des Vormundschaftsrichters für die Vornahme derjenigen Rechtsgeschäfte einholen, die ein Vormund nur mit Genehmigung des Familienrates vornehmen könnte.

llC.c.

Le tuteur peut, sans autorisation, introduire en justice une action relative aux droits patrimoniaux du mineur.

Der Vormund kann ohne Genehmigung (des Familienrates) eine Klage erheben, die sich auf Vermögensrechte des Minderjährigen bezieht.

Danach ist im vorliegenden Fall die Erstklägerin berechtigt, im Unterhaltsprozeß als gesetzliche Vertreterin ihres minderjährigen Sohnes aufzutreten. 2. Inhalt des

Unterhaltsanspruchs

a) Unterhaltsverpflichtet gegenüber dem ehelichen Kind sind grundsätzlich Vater und Mutter gemeinsam. Art. 203 C. c. Les époux contractent ensemble, par le seul fait du mariage, l'obligation de nourrir, entretenir et élever leurs enfants.

Die Eltern übernehmen durch die bloße Tatsache der Eheschließung gemeinsam die Verpflichtung, ihre Kinder zu ernähren, zu erhalten und zu erziehen.

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Familienrecht

Ein jeder Elternteil haftet dem Kinde gegenüber auf das Ganze. Die Unterhaltspflicht eines Elternteils entfällt auch dann nicht, wenn er die elterliche Gewalt verwirkt hat 35 . b) Nicht abschließend geklärt ist die Frage, wer berechtigt ist, vom säumigen Elternteil die Erfüllung seiner ihm aus Art. 203 C. c. obliegenden Pflichten zu verlangen. Die wohl überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur gibt dem Ehepartner des säumigen Elternteils ein eigenes Klagerecht36. Man argumentiert, die Kosten für den Unterhalt des Kindes seien ein Teil des Aufwandes für den ehelichen Haushalt; nach Art. 214 I 4 C. c. aber hat jeder Ehegatte davon einen seinen Kräften entsprechenden Teil zu tragen und kann vom anderen die Leistung des diesem obliegenden Betrages verlangen. Eine Mindermeinung gewährt nur dem unterhaltsberechtigten Kinde selbst einen Anspruch gegen den säumigen Elternteil aus Art. 203 C. c. 37 . Zweifelhaft bleibt, inwieweit die Vertreter der Ansicht, der Ehegatte des säumigen Elternteils habe einen eigenen Anspruch aus Art. 203 C. c., daneben auch dem Kinde einen Anspruch geben. Einige wenige tun dies ausdrücklich38. Die anderen versagen dem Kind einen solchen Anspruch wenigstens nicht expressis verbis. Man wird deshalb davon ausgehen können, daß Art. 203 C. c. dem Kind einen eigenen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern einräumt. c) Ein Kind hat jedoch nur dann einen Unterhaltsanspruch, wenn es dessen bedarf, d. h. wenn es seinen Unterhalt nicht aus eigenen, dem elterlichen Nießbrauch nicht unterworfenen Mitteln bestreiten kann 39 . Zu den nießbrauch-freien Mitteln rechnen auch die Arbeitseinkünfte (Art. 387 C. c.). Deshalb werden die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht insoweit frei, als das Kind eigene Arbeitseinkünfte hat und diese seine Bedürfnisse decken40. Danach muß im vorliegenden Fall, wenn der Arbeitgeber dem Kind Kost und Logis gewährt, dies bei der Feststellung des etwa noch geschuldeten 35 Paris 1. 6. I960, J. Cl. Civil, Art. 203-204, no. 24; Derrida, L'obligation d'entretien (1952) 244; vgl. auch Planiol/Ripert(-Savatier) no. 391; Aubry/Rau(-Esmein), Droit civil français, 9. Aufl. IX (1953) § 551, S. 135. 36 Req. 18. 6. 1923, Gaz. Pal. 1923. II. 432 (in der Interpretation von Gaudemet, Rev. trim. dr. civ. 1924, 91 f.); 3. 7. 1928, D. P. 1929, 1. 9. mit zust. Anm. Savatier-, Paris 7. 12. 1907, S. 1909. 2. 129 mit abl. Anm. Wahl; Douai 15. 10. 1963, J. C. Civil Art. 203-204, no. 73; Derrida 226; Colin/Capitant/Julliot de la Morandiere, Traité de droit civil, 2. Aufl. I (1957) no. 1302; Planiol/Ripertf-Savatier) I no. 418; wohl auch Carbonnier, Droit civil, 4. Aufl. I (1962) no. 213, S. 655. 37 Wahl, S. 1909. 2. 129 (130); Di Marino, La séparation de fait des époux (1957) no. 65; vgl. audi Riom 30. 10. 1929, Gaz. Pal. 1930.1. 19. 38 Derrida 222 ff.; Ropers, J. Cl. Civil, Art. 203-204, no. 61; ebenso Douai 15. 10. 1963, J. Cl. Civil, Art. 203-204, no. 73, für den Fall, daß das Kind volljährig ist. 39 Derrida 200; vgl. auch Ropers no. 37. 40 Req. 29. 6. 1929, D. H. 1929, 393; Civ. 17. 7. 1963, Bull. Civ. 1963 II no. 536; Ropers no. 49.

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Unterhalts berücksichtigt werden. Hat das Kind von seinen Eltern eine Ausbildung bekommen, die es in die Lage versetzt, seinen Unterhalt selbst zu verdienen, so entfällt die Unterhaltspflicht der Eltern ohne Rücksicht darauf, ob das Kind in der Tat arbeitet oder nicht 41 . Die Beweislast dafür, daß das minderjährige Kind seinen Unterhalt ganz oder teilweise aus eigenen Einkünften bestreiten kann oder könnte, obliegt dem Unterhaltsverpflichteten 4 2 . d) W a s die Dauer der Unterhaltspflicht angeht, sind die Eltern ihrem Kind im allgemeinen solange aus Art. 203 C. c. zum Unterhalt verpflichtet, als es unter ihrer elterlichen Gewalt steht (oder stehen würde, wenn sie nicht verwirkt wäre) 4 3 . Dies bedeutet, daß ihre Unterhaltspflicht regelmäßig erlischt, wenn das Kind durch Erreichung der Volljährigkeit oder durch Heirat aus der elterlichen Gewalt tritt 4 4 . Zweifelhaft ist die Rechtslage, wenn das Kind, etwa weil es sich in der Ausbildung befindet, auch nach Eintritt seiner Volljährigkeit bedürftig ist. Doch k a n n diese Frage, weil sie sich im vorliegenden Fall jedenfalls im Augenblick nicht stellt, hier offen bleiben. e) Hinsichtlich der Form der Unterhaltsleistung genügen die Eltern im allgemeinen ihrer Pflicht dadurch, daß sie das mit ihnen lebende Kind tatsächlich versorgen. Lebt aber ein Elternteil nicht mit dem Kinde zusammen, so hat er seine Unterhaltspflicht durch Geldleistungen zu erfüllen 4 5 . f) Die Unterhaltspflicht der Eltern wird grundsätzlich nicht durch ihre finanzielle Leistungskraft begrenzt. Sie sind zum Unterhalt selbst dann verpflichtet, wenn dessen Leistung ihre Mittel übersteigt und sie zu harten Entbehrungen zwingt 4 6 . Insbesondere gilt die allgemeine Vorschrift des Art. 208 C. c. nicht, nach der bei der Bemessung des einem Familienangehörigen geschuldeten Unterhalts auch die Vermögenslage des Schuldners zu berücksichtigen ist. Nach ganz herrschender Meinung unterscheidet sich die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern (devoir d'entretien) von der gewöhnlichen familienrechtlichen Alimentationspflicht (Obligation alimentaire) 4 7 . 41 Req. 7. 7. 1863, S. 1863. 1. 375; vgl. hierzu Derrida 214; Ropers no. 37; Carbonnier no. 213, S. 655. 42 Derrida 216; Ropers no. 40. 43 Civ. 17. 7. 1963, Bull. Civ. 1963 II no. 536. 44 45 Civ. 17. 7. 1963 aaO. Derrida 145 ff. 49 Paris 1. 6. 1960, J. CI. Civil, Art. 203-204, no. 24; Derrida 313. 47 Paris 1. 6. 1960, J. CI. Civil Art. 203-204, no. 24; Trib. Corr. Mirecourt 13. 3. 1956, J.C.P. 1956. II 9262; Trib. gr. inst. Seine 15. 2. 1962, zit. nach Jurisprudence Française, Tables Quinquennales 1958-1962, s. v. Aliments, no. 57; Derrida 44ff.; H., L. und J. Mazeaud, Leçons de droit civil 2. Aufl. I (1959) no. 548; Marty-Raynaud, Droit civil I (1956) no. 548; Carbonnier, nos. 199, 213; Weill, Encyclopédie Dalloz, Répertoire de droit civil, s. v. Mariage, no. 1147; Ropers no. 1. Anders Pelissier, Les obligations alimentaires (1961) 50 ff., und wohl auch Rouast, D.P.

208

Familienrecht

Im Verhältnis untereinander ist freilich jeder Elternteil nur insoweit verpflichtet, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, als es seinen Kräften entspricht 48 . Dies bedeutet, daß der gesamte Unterhalt allein auf einem Elternteil lastet, wenn der andere nicht in der Lage ist, zum Unterhalt des Kindes beizutragen 4 9 . Verlangt ein Elternteil vom anderen, daß dieser den von ihm geschuldeten Unterhalt an das gemeinsame Kind leiste, so verurteilen die Gerichte den säumigen Teil nur in Höhe des Beitrages, den er im Verhältnis zum klagenden Elternteil schuldet. Diese Lösung ist konsequent in den Fällen, in denen dieser Elternteil, wie es offenbar meist geschieht, aus eigenem Recht klagt. Sie ist schwerer zu rechtfertigen, wenn der klagende Elternteil den Unterhaltsanspruch des Kindes als dessen gesetzlicher Vertreter geltend macht. Doch findet sich nirgends ein Hinweis darauf, daß in diesem Fall etwas anderes gilt. g) Die Eltern können sich nicht auf die Vorschriften zum Schutz bei Lohnpfändungen berufen (Art. 62 I C. trav.). Allerdings ist diese Regel des französischen Rechts in Deutschland nur innerhalb der durch § 850 d ZPO gezogenen Schranken anzuwenden. Dies ergibt sich wohl nicht schon aus dem Satz, daß ein Gericht grundsätzlich sein eigenes Verfahrensrecht anzuwenden hat. Die Vorschrift des § 850 d ZPO, die die Kahlpfändung auch des Unterhaltsschuldners verbietet, ist nämlich im wesentlichen materiellrechtlicher Natur, obschon sie Eingang in die ZPO gefunden hat. Sie ordnet nicht das Vollstreckungsverfahren, sondern wägt die materiellrechtlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander ab 50 . Andererseits ist sie aber so eng mit bestimmten rechts- und sozialstaatlichen Vorstellungen verknüpft, daß sie wohl zu den Normen gerechnet werden muß, auf deren Durchsetzung auch bei grundsätzlicher Anwendung fremden Rechts nicht verzichtet werden kann 5 1 . Deshalb würde eine Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs, die über die von § 850 d ZPO gezogene Grenze hinausginge, jedenfalls dann mit dem deutschen ordre public unvereinbar sein, wenn der Schuldner - wie im vorliegenden Fall - seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Ein solcher schwerwiegender Verstoß gegen den deutschen ordre public dürfte auch im Rahmen der Haager Konvention beachtlich sein (Art. 4).

1936. 1. 25 (die elterliche Unterhaltspflicht sei eine Variante der allgemeinen Alimentationspflicht) . 48 Civ. 27. 11. 1935, D.P. 1936. 1. 25; Paris 3. 11. 1960, D. 1961. J. 32; 1. 6. 1960, J. C. Civil, Art. 203-204, no. 24; Douai 15. 10. 1963, J. Cl. Civil, Art. 203-204, no. 73; Marty-Raynaud no. 548, S. 734; Planiol/Ripert(-Savatier) no. 417. 49 Paris 1. 6. 1960 aaO; Aubry/Rauf-Esmein) § 547; Derrida 314. 50 So Scheucher, ZfRV 1963, 101. 51 Vgl. Schnorr von Carlsieid, Arbeitsrecht (2. Aufl. 1954) 233. - Anders Scheucher 104 für das österreichische Recht.

Ehegüterrecht / Polen, Sowjetrußland.

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Ergebnis 1. Der eigene Unterhaltsanspruch der Erstklägerin beurteilt sich kraft Rüdeverweisung nach deutschem Recht. 2. Die Erstklägerin ist als gesetzlicher Vertreter des Zweitklägers berechtigt, diesen im Prozeß zu vertreten. 3. Der Unterhaltsanspruch des Zweitklägers bestimmt sich für die Zeit vor dem 1. 7.1963 nach deutschem Recht. 4. Für die Zeit seit dem 1.7. 1963 ist der Anspruch des Zweitklägers gemäß französischem Recht in dem Umfang begründet, in dem der Zweitkläger seinen Unterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann und nicht die Mutter zu seinem Unterhalt beitragen muß.

c) Ehegüterrecht Siehe auch Nr. 15, 16, 45, 50, 52, 56, 58, 64 Nr. 19 Polen, Sowjetrußland 1. Maßgebendes Recht für Ehegüterrecht nach deutschem IPR bei Souveränitätswechsel über das Rechtsgebiet, dem der Ehemann bei der Heirat angehört hat (Kongreßpolen). 2. Anwendung „versteinerten" oder „toten'1 Rechts auf den gesetzlichen Güterstand ausländischer Flüchtlinge? 3. Maßgebendes Recht für persönliche Ehewirkungen und Ehegüterrecht nach polnischem IPR. 4. Gesetzlicher Güterstand nach polnischem Recht. Hamburg G 93/66 vom 25.10.1966

Das Amtsgericht Verden bittet in der Nachlaßsache S. um Auskunft über Internationales Privatrecht und polnisches Ehegüterrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Erblasserin ist im Jahre 1965 in Verden an der Aller, ihrem letzten Wohnsitz, gestorben. Sie hatte im J a h r e 1912 inTomaschow (sog. Kongreßpolen, damals Rußland) ihren aus Kongreßpolen stammenden Ehemann geheiratet. Nach dem zweiten Weltkrieg sind sie als Volksdeutsche in die Bundesrepublik übergesiedelt. Im Zeitpunkt der Eheschließung besaßen 14 Mat.: 11, Gutadlten 1965/66

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Familienrecht

die Eheleute die russische Staatsangehörigkeit. Im Jahre 1918 haben sie die Staatsangehörigkeit des wiederentstehenden polnischen Staates und im Jahre 1941 durch Eintragung in die Deutsche Volksliste die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Güterrechts- und Erbverzichtsverträge liegen nicht vor. Als Erben kommen der Ehemann und ein Sohn in Betracht. Gefragt wird, ob eine Überleitung in die Zugewinngemeinschaft stattgefunden hat. I. Deutsches Internationales

Privatrecht

1. Eine staatsvertragliche Regelung liegt nicht vor. Insbesondere ist hier das Haager Ehewirkungsabkommen von 19051 schon deshalb nicht anwendbar, weil ihm Rußland nicht beigetreten ist und es im Verhältnis zu Polen nach der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Meinung, der sich das Institut in seiner Gutachtenpraxis anschließt, seit Ausbruch des zweiten Weltkrieges nicht mehr gilt 2 . 2. Nach dem aus Art. 15 EGBGB abgeleiteten allgemeinen Grundsatz des autonomen (nicht staatsvertraglichen) deutschen Internationalen Privatrechts wird das eheliche Güterrecht nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehört hat, vorbehaltlich einer gemäß Art. 27 EGBGB zu beachtenden Rück- oder Weiterverweisung dieses Rechts auf das deutsche oder ein drittes Recht. Ein späterer Wechsel der Staatsangehörigkeit ist nicht zu berücksichtigen. Das Güterrechtsstatut wird deshalb als unwandelbar bezeichnet. Maßgebend ist dabei jedoch grundsätzlich das gegenwärtige Recht jenes Staates einschließlich seiner intertemporalen Vorschriften. Nach der Eheschließung erfolgte Änderungen des ausländischen Rechts sind demnach zu berücksichtigen, soweit das ausländische Recht ihre Anwendung auf alte Ehen vorschreibt 8 . 1

Haager Abkommen vom 17. 7. 1905 betr. den Geltungsbereich der Gesetze in Ansehung der Wirkungen der Ehe auf die Rechte und Pflichten der Ehegatten in ihren persönlichen Beziehungen und auf das Vermögen der Ehegatten, RGBl. 1912, 453, 475; Beitritt Polens: RGBl. 1929 II 640. 2 Vgl. Palandt(-Lauterbach), BGB (25. Aufl. 1966) Anhang zu Art. 15 EGBGB, Anm. 1; Bergmann(-Geilke), Internationales Ehe- und Kindsdiaftsredit, 3. Aufl. (Loseblattsammlung) s. v. Polen 9; Ermanf-Arndt), Handkommentar zum BGB, 3. Aufl., II (1962 mit Nachtrag 1964) Vorbem. 7 vor Art. 7 EGBGB: Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 410. - Siehe aber Soergel/Siebeit(-Kegel), BGB, 9. Aufl., V (1961) Rz. 11-16 vor Art. 7 EGBGB sowie die dort unter N. 13 ff. aufgeführten zahlreichen Hinweise aus Rechtsprechung und Schrifttum. - Siehe auch Balicki, Problemy kolizyjne prawa maizenskiego (Kollisionsprobleme des Eherechts, Warschau 1959) 81, der ebenfalls das Abkommen im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen für nicht mehr anwendbar erklärt. 3 OLG München 21. 1. 1953, N J W 1953, 628 = IzRspr. 1945-1953 Nr. 42; KG

Ehegüterrecht

/ Polen,

Sowjetrußland

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Zweifelhaft ist jedoch die Maßgeblichkeit des jetzigen Rechts des Staates, dem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehört hat, wenn nach der Eheschließung die engere Heimat des Ehemannes durch Abtretung, Verselbständigung oder dergleichen unter eine andere Souveränität getreten ist und daher die Bevölkerungsgruppe, zu der er gehörte, die alte Staatsangehörigkeit verloren hat. Im vorliegenden Fall hat der Ehemann ebenso wie die anderen Bewohner Kongreßpolens nach dem Wiedererstehen Polens im Jahre 1918 die russische Staatsangehörigkeit verloren und die polnische Staatsangehörigkeit erworben 4 . Besonders zweifelhaft ist die Maßgeblidikeit des jetzigen Rechts des Staates, dem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehörte, wenn es sich um ein ganzes Rechtsgebiet (hier Kongreßpolen) handelt, das unter eine neue Souveränität getreten ist. Das EGBGB hat diesen Fall offenbar nicht im Auge gehabt. Sinngemäß kann dann nicht mehr der alte Heimatstaat befugt sein, die ehegüterrechtlichen Verhältnisse der Bewohner des abgetretenen Gebiets zu regeln, sondern nur der Nachfolgestaat. Die Anwendung neuerer (sowjet-) russischer Vorschriften auf kongreßpolnische Ehen kommt somit für die Zeit seit Wiedererrichtung des polnischen Staates nicht mehr in Betracht. Das deutsche Internationale Privatrecht verweist vielmehr in Fällen wie dem vorliegenden auf das heute in Kongreßpolen geltende polnische Recht. 3. Umstritten ist, ob oder mit welcher Maßgabe die oben unter 2) dargestellten Grundsätze auch für Volksdeutsche Umsiedler, Flüchtlinge und Vertriebene gelten 5 . a) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, daß die allgemeinen Grundsätze unverändert Anwendung finden 6 . b) Nach der (beiläufig in einem interzonalen Fall geäußerten) Auffassung des Bundesgerichtshofes soll der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts zwar auch für Volksdeutsche Umsiedler, Flüchtlinge und Vertriebene gelten, jedoch sei das alte Heimatrecht ohne Berücksich10. 12. 1934, IPRspr. 1934 Nr. 45; Kegel, Internationales Privatrecht, (2. Aufl. 1964) 284; Soergel/Siebertf-Kegel), Rz. 4 zu Art. 15 EGBGB; Neuhaus, RabelsZ 17 (1952) 674; Frankenstein, Internationales Privatrecht, III (1934) 308; Habicht, Internationales Privatrecht nach dem BGB (1907) 128: „Maßgebend sollen für den Güterstand die Gesetze des Staates sein, dem der Ehemann zur Zeit der Eingehung der Ehe angehört, nicht die Gesetze dieses Staates zur Zeit der Eingehung der Ehe." 4 Vgl. (zur sowjetischen Anerkennung des Verlustes der russischen Staatsangehörigkeit durch die Bewohner Kongreßpolens): Rigaer Friedensvertrag vom 18. 3. 1921: Dziennik Ustaw 1921 Pos. 299 f.; deutsche Übersetzung (Art. V I ) u.a.: Geilke, Das Staatsangekörigkeitsrecht von Polen (1952) 61 f. 5 Vgl. die in dem Beschluß des BGH vom 21. 6. 1963, BGHZ 40, 32 (36) = FamRZ 1963, 512 = MDR 1963, 896 = JZ 1964, 27, sowie bei Brand/Kleei, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis (2. Aufl. 1961) 110 f., aufgeführte Literatur und Rechtsprechung. 6 Vgl. Braga, FamRZ 1957, 342. 14 *

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Familienrecht

tigung etwaiger späterer Änderungen anzuwenden (sog. Versteinerung des Güterstandes) 7 . c) Die dritte Meinung erklärt die Fortführung ausländischer Güterstände durch Millionen Neubürger in Deutschland für unpraktisch und lehnt insbesondere die Anwendung eines „versteinerten" oder toten, d. h. im Ursprungslande selbst nicht mehr als geltend angewandten Rechtes grundsätzlich ab 8 . Sie stützt sich darauf, daß Art. 15 EGBGB auf Fälle eines massenweisen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzwechsels nicht gemünzt sei und daß auch im innerdeutschen intertemporalen Recht ein „Schutz wohlerworbener Rechte" durch Unwandelbarkeit des Güterstandes bei Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht anerkannt worden sei (so wie j a auch der Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 II GG seit dem 1. 4. 1953 und der neue Güterstand der Zugewinngemeinschaft seit dem 1.7.1958 auch auf vorher geschlossene Ehen angewandt werden). Nach Ausschaltung der Spezialnorm des Art. 15 EGBGB aber sei nach dem allgemeinen Staatsangehörigkeitsprinzip des EGBGB auf die güterrechtlichen Verhältnisse der Umgesiedelten, Flüchtlinge und Vertriebenen deutsches Recht anzuwenden 9 . Das Institut schließt sich in ständiger Gutachtenpraxis dieser Ansicht an. Danach hat im vorliegenden Falle eine Überleitung in die Zugewinngemeinschaft stattgefunden. 4. Sollte das Gericht der Auffassung des Instituts nicht folgen, so erhebt sich die Frage, ob der unter 3 a) oder der unter 3 b) dargestellten Meinung der Vorzug zu geben ist. Das Institut lehnt generell eine Verweisung des deutschen Internationalen Privatrechts auf ein „versteinertes" oder totes Recht ab. Hinzu kommt, daß die unter 3 b) genannte Auffassung häufig zu unbefriedigenden Ergebnissen führen wird. Die „Versteinerungstheorie" soll bekanntlich sicherstellen, daß die Volksdeutschen Flüchtlinge, Umsiedler und Vertriebenen in dem aus ihrer alten Heimat her vertrauten Güterstand weiterleben können und nicht dem neuerdings dort geltenden Ehegüterrecht nach volksdemokratischem Muster unterworfen werden. Da jedoch in den meisten ost- und südosteuropäischen Ländern die neue Güterrechtsordnung alsbald nach Kriegsende eingeführt wurde und der Zeitpunkt des Eintritts der „Versteinerung" - sei es, daß man auf den Verlust der fremden oder den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit oder auf die Begründung des Wohnsitzes in Deutschland abstellt - sehr oft erst kurz nach Einführung des neuen „sozialistischen" Ehegüterrechts liegt, dürfte in zahlreichen Fällen der oben erwähnte Zweck der „VerBGH aaO mit weiteren Nachweisen. Vgl. die bei Brand/Kleei 110 f. aufgeführte Literatur. * Neuhaus, RabelsZ 17 (1952) 674 ff. Die dort entwickelten Argumente werden von dem zitierten Beschluß des BGH in wesentlichen Punkten übersehen. 7

8

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Sowjetrußland

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steinerungstheorie" nicht zu erreichen und im Gegenteil eine nicht immer gerechtfertigte Differenzierung die Folge sein. Unter II werden daher im Interesse einer Kostenersparnis hilisweise Erwägungen nur für den Fall angestellt, daß das Gericht den oben unter 3 a) dargestellten Grundsätzen den Vorzug gibt. Dann verweist, wie gesagt, das deutsche Internationale Privatrecht auf das geltende polnische Recht, vorbehaltlich einer gemäß Art. 27 EGBGB zu beachtenden Rück- oder Weiterverweisung dieses Rechts auf das deutsche oder ein drittes Recht. (Sollte sich das Gericht der „Versteinerungstheorie" anschließen, so wird anheimgestellt, unter genauer Angabe des Zeitpunkts der Übersiedlung in die Bundesrepublik eine ergänzende Rechtsauskunft einzuholen.) II.

Hilfserwägungen

1. Polnisches Internationales Privatrecht. - Das neue polnische Gesetz über das Internationale Privatrecht von 196510 bestimmt in Art. 17 § 1: Die persönlichen und die Vermögensbeziehungen zwischen den Ehegatten werden nach ihrem jeweiligen gemeinsamen Heimatrecht beurteilt. Das jeweilige gemeinsame Heimatrecht der Parteien entscheidet auch darüber, ob es zulässig ist, einen Ehegütervertrag abzuschließen, abzuändern oder aufzuheben.

Fraglich ist jedoch, ob diese Vorschrift auch auf Sachverhalte anzuwenden ist, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes (1.7.1966) abgeschlossen sind. Eine ausdrückliche intertemporale Regelung fehlt; das neuere Schrifttum hat - soweit zu übersehen - hierzu noch nicht Stellung genommen 11 . Offenbar geht das polnische Recht jedoch davon aus, daß ebenso wie bei Einführung des (alten) polnischen Gesetzes über das für internationale Privatrechtsverhältnisse geltende Recht von 192612 das neue Gesetz nicht auf die vor dessen Inkrafttreten abgeschlossenen Sachverhalte anzuwenden ist 13 . Die einschlägigen Bestimmungen des demnach hier maßgeblichen polnischen IPR-Gesetzes von 1926 lauten: 10 Gesetz vom 12. 11. 1965, Dziennik Ustaw 1965 Nr. 46 Pos. 290; deutsche (nicht immer genaue) Übersetzung u.a.: Geilke, WGO 7 (1965) 378ff.; in Kraft getreten am 1. 7. 1966 (Art. 38 des Gesetzes). 11 Vgl. Uschakow, Das neue polnische Gesetz über das Internationale Privatrecht, ROW (1966) 198-206 sowie das dort genannte polnische Schriftum. " Gesetz vom 2. 8. 1926, deutsche Übersetzungen; Ostrecht 2 (1926) 1090-1096; Makarov, Quellen des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl., I (Loseblattsammlung) s. v. Polen 4-20. 13 Vgl. (zur Ablehnung einer rückwirkenden Anwendung des polnischen IPRGesetzes von 1926) Ostrowicz, Das Eherecht Polens, in: Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, 2. Aufl., IV/1 (Das Eherecht . . . , 1937) 377-452 (444) mit Nachweisen in N. 244; Allerhand, Zeitschrift für Ostrecht 4 (1930) 457 f.

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Familienrecht

Art. 14 § 1 Für die persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander ist das Recht ihres Heimatstaates maßgebend. Werden die Ehegatten nach der Eheschließung verschiedenen Staaten angehören, so sind die Beziehungen zueinander nach dem Recht desjenigen Staates zu beurteilen, dem sie zuletzt angehört haben. J3 Ein Wechsel der Staatsangehörigkeit allein hat an sich noch keinen Einfluß auf die Änderung des gesetzlichen ehelichen Güterrechts; für dieses gilt das Recht des Heimatstaates des Ehemannes zur Zeit der Eingehung der Ehe weiter.

Allerdings war im polnischen Nachkriegsschrifttum angesichts der veränderten Rechtslage in der Volksrepublik Polen umstritten, ob der aufgeführte Art. 14 § 3 nach wie vor geltendes Recht sei 14 . Diese Bedenken waren jedoch nicht gegen eine Weitergeltung des Grundsatzes der Unwandelbarkeit des Ehegüterstatuts gerichtet, sondern gegen die einseitige Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Mannes, in der ein Verstoß gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz der neuen polnischen Verfassung gesehen wurde. Im übrigen hielt noch der im Jahre 1961 veröffentlichte Entwurf eines neuen polnischen IPR-Gesetzes am Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterstatuts fest, indem dessen Art. 21 § 2 vorsah, daß der gesetzliche Güterstand nach dem Recht des Staates zu beurteilen ist, dessen Staatsangehörigkeit die Ehegatten zur Zeit der Eheschließung besitzen 15 . Nach allem liegt eine gemäß Art. 27 EGBGB zu beachtende Rück- oder Weiterverweisung des polnischen Internationalen Privatrechts nicht vor. 2. Polnisches materielles Recht. - In Polen gilt seit dem 1.1. 1965 das neue Gesetzbuch über Familie und Vormundschaft vom 25.2.1964 l e . Die hier maßgeblichen Vorschriften des neuen Gesetzbuches von 1964 stimmen unwesentlichen mit dem vorher bestehenden Rechtszustand überein 17 . 14 Vgl. Bablinski, Zagadnienia wspolczesnego polskiego prawa mi?dzynarodowego prywatnego (Fragen des zeitgenössischen polnischen Internationalen Privatrechts, Warschau 1959) 29. 15 Text: Nowe Prawo 17 (1961) 1414 ff.; deutsche Übersetzung: Geilke, WGO 3 (1961) 218 ff. - Siehe hierzu auch Korkisch., Der Entwurf des neuen polnischen Gesetzes über das Internationale Privatrecht: Eranion für G. S. Maridakis, Bd. III (Athen 1964) 69 ff. Für Fortgeltung der Unwandelbarkeit auch Szäszy, Private International Law in the European People's Democracies (Budapest 1964) 349. 16 Dziennik Ustaw 1964 Nr. 9 Pos. 59; deutsche Übersetzung u. a. Bergmann (-Geilke), s. v. Polen 20 ff. 17 Vgl. Dekret vom 29. 5. 1946 über das Ehegüterrecht, Dziennik Ustaw 1946 Nr. 4 Pos. 196; Gesetzbuch über das Familienrecht vom 27. 6. 1950, Dziennik Ustaw 1950 Nr. 34 Pos. 308 (Artt. 21 ff.); deutsche Ubersetzung: Grandke, Familiengesetze sozialistischer Länder (1959) 95 ff. - Siehe auch Grzybowski, Das Eherecht der

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Die hier einschlägigen Bestimmungen des polnischen Gesetzbuches über Familie und Vormundschaft sehen eine Errungenschaftsgemeinschaft vor. Sie lauten: Art. 31 Mit dem Zeitpunkt der Eheschließung wird unter Ehegatten die Gütergemeinschaft kraft Gesetzes bewirkt, die ihren Zugewinn umfaßt (gesetzliche Gütergemeinschaft). Die von der Gütergemeinschaft der Ehegatten nicht umfaßten Vermögensgegenstände bilden das Sondervermögen jedes Ehegatten. Art. 32 § 1 Zum Zugewinn der Ehegatten gehören alle Vermögensgegenstände, die während der Dauer der gesetzlichen Gütergemeinschaft von beiden Ehegatten gemeinsam oder von einem von ihnen erworben werden. §2 Zum Zugewinn der Ehegatten zählen namentlich: 1. das von einem der Ehegatten bezogene Entgelt für Arbeits- und Dienstleistungen; 2. Einkünfte aus dem gemeinsamen Vermögen sowie aus dem Sondervermögen jedes Ehegatten. Art. 33 Das Sondervermögen jedes Ehegatten umfaßt: 1. die vor der Begründung der gesetzlichen Gütergemeinschaft erworbenen Vermögensgegenstände; 2. die durch Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworbenen Vermögensgegenstände, es sei denn, daß der Erblasser oder Schenker anders verfügt hat; 3. . . . Art. 42 Vom Zeitpunkt der Beendigung der gesetzlichen Gütergemeinschaft ab finden auf das Vermögen, das ihr unterworfen war, die Vorschriften über Miteigentum zu Bruchteilen unter Beachtung der vorangegangenen Bestimmungen Anwendung. Art. 43 § 1 Beide Ehegatten haben gleiche Anteile am Gemeinschaftsvermögen §2 Jedoch kann jeder Ehegatte aus wichtigen Gründen beanspruchen, daß die Bestimmung der Anteile an dem Gemeinschaftsvermögen unter Berücksichtigung des Beitrages erfolgen möge, den jeder von ihnen zur Bildung des Vermögens geleistet hat. Die Erben eines Ehegatten können einen solchen Antrag nur dann stellen, wenn der Erblasser auf Nichtigerklärung der Ehe oder auf Scheidung geklagt hat. Volksrepublik Polen, in: Leske/Loewenield, Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, 3. Aufl., IV/1, erste Lieferung (1963) 1-56 (32 ff.).

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Familienrecht

§3 Bei der Beurteilung, in welchem Maße jeder Ehegatte zur Bildung des Gemeinschaftsvermögens beigetragen hat, ist auch die persönliche Arbeitsleistung bei der Erziehung der Kinder oder in der gemeinsamen Hauswirtschaft zu berüdcsiditigen18. Eine Vorschrift wie § 1371 BGB n. F., der die Teilung der „Errungenschaft" durch eine Erhöhung des Ehegattenerbteils ablöst, war dem polnischen Recht nicht bekannt. III. Ergebnis Die Erblasserin hat nach Auffassung des Instituts zuletzt im deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Sollte sich das Gericht dieser Ansicht nicht anschließen, so ist anzunehmen, daß für die Eheleute zuletzt die Errungenschaftsgemeinschaft des neuen polnischen Gesetzbuches über Familie und Vormundschaft und nicht der vor ihrer Umsiedlung in Polen herrschende Güterstand galt.

Nr. 20 Ungarn 1. Maßgebendes Redit für gesetzlichen Güterstand von Umsiedlern, Flüchtlingen und Vertriebenen nach deutschem internationalem Privatrecht („Wandelbarkeit" des Gttterreditsstatuts). 2. Gesetzlicher Gttterstand nach vor 1952 geltendem ungarischen (Gewohnheits-) Recht. Hamburg G 186/65 vom 8.10.1965

Das Amtsgericht Runkel/Lahn bittet in der Nachlaßsache G. um Auskunft über ungarisches Staatsangehörigkeitsrecht, Internationales Privatrecht, ungarisches Ehegüterrecht sowie Erbrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Erblasser ist der am 20.1.1908 in Györsövenyhaz (Ungarn) geborene Georg G., gestorben am 7. 7.1957 in Heckholzhausen/Oberlahnstein. Nach dem Tode seiner ersten Ehefrau hatte er im Jahre 1921 in Ungarn eine zweite Ehe geschlossen. 18 Vgl. zur Auslegung der aufgeführten Vorschriften: Szer, Prawo Rodzinne (Familienrecht, Warschau 1966) 100 ff.

Ehegüterrecht

/ Ungarn

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Genaue Angaben über die Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes fehlen. Er besaß zumindest bis zum Ende des zweiten Weltkrieges die ungarische Staatsangehörigkeit. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden er und seine zweite Ehefrau als Volksdeutsche aus Ungarn ausgewiesen. Seitdem wohnten sie ständig in Westdeutschland. Eine Verfügung von Todes wegen ist nicht vorhanden. Als Erben kommen die Witwe sowie fünf Kinder aus der ersten und drei Kinder aus der zweiten Ehe des Erblassers in Betracht. Gefragt wird nach dem Güterstand der Eheleute und nach der Erbfolge. I. Internationales

Privatrecht

(Ehegüterrecht)

1. Nach dem aus Art. 15 EGBGB abgeleiteten allgemeinen Grundsatz des deutschen Internationalen Privatrechts wird das eheliche Güterrecht nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehört hat, ohne Rücksicht auf einen späteren Wechsel der Staatsangehörigkeit. Das Güterrechtsstatut wird deshalb als unwandelbar bezeichnet. Maßgebend ist dabei jedoch grundsätzlich das gegenwärtige Recht jenes Staates einschließlich seiner intertemporalen Vorschriften. Nach der Eheschließung erfolgte Änderungen des ausländischen Rechts sind demnach zu berücksichtigen, soweit das ausländische Recht ihre Anwendung auf alte Ehen vorschreibt 2. Umstritten ist, ob diese Grundsätze auch für Volksdeutsche Umsiedler, Flüchtlinge und Vertriebene gelten 2 . Nach der (beiläufig geäußerten) Auflassung des Bundesgerichtshofes2a ist die Frage zu bejahen, jedoch soll das alte Heimatrecht in der Form angewandt werden, in der es zur Zeit des Wechsels der Staatsangehörigkeit bestand, ohne Berücksichtigung etwaiger späterer Änderungen (sog. Versteinerung des Güterstandes). Die Gegenmeinung erklärt die Fortführung ausländischer Güterstände durch die Millionen Neubürger in Deutschland für unpraktisch und lehnt insbesondere die Anwendung eines „versteinerten" oder toten, d.h. im 1 OLG München 21. 1. 1953, N J W 1953, N J W 1953, 628 = IzRspr. 1945-1953 Nr. 42; KG 10. 12. 1934, IPRspr. 1934 Nr. 45; Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 284; Soergel/Siebert(-Kegel), BGB, 9. Aufl., V (1961) Rdnr.4 zu Art. 15 EGBGB; Neuhaus, RabelsZ 17 (1952) 674; Frankenstein, Internationales Privatrecht, III (1934) 308; Habicht, Internationales Privatrecht nach dem BGB (1907) 128: „Maßgebend sollen für den Güterstand die Gesetze des Staates sein, dem der Ehemann zur Zeit der Eingehung der Ehe angehört, nicht die Gesetze dieses Staates zur Zeit der Eingehung der Ehe." 2 Vgl. die in dem Beschluß des BGH vom 21. 6. 1963, BGHZ 40, 32 (36) = FamRZ 1963, 512 = MDR 1963, 751 = W M 1963, 896 = J R 1964, 18 = J Z 1964, 27, sowie die bei Brand/Kleel, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis (2. Aufl. 1961) 110 f., aufgeführte Literatur und Rechtsprechung. 2 * BGH aaO.

218

Familienrecht

Ursprungslande selbst nicht mehr als geltend angewandten Rechtes grundsätzlich ab. Sie stützt sich darauf, daß Art. 15 EGBGB auf Fälle eines massenweisen Staatsangehörigkeitswechsels nicht gemünzt sei und daß auch im innerdeutschen intertemporalen Recht ein „Schutz wohlerworbener Rechte" durch Unwandelbarkeit des Güterstandes bei Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht anerkannt worden sei (so wie ja auch der Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 II GG seit dem 1.4.1953 und der neue Güterstand der Zugewinngemeinschaft seit dem 1.7.1958 auch auf vorher geschlossene Ehen angewandt werden). Nach Ausschaltung der Spezialnorm des Art. 15 EGBGB aber sei nach dem allgemeinen Staatsangehörigkeitsprinzip des EGBGB auf die güterrechtlichen Verhältnisse der Umgesiedelten, Flüchtlinge und Vertriebenen vom Zeitpunkt des Staatsangehörigkeitswechsels an deutsches Recht anzuwenden3. 3. Nach beiden Auffassungen ist der Zeitpunkt des Staatsangehörigkeitswechsels bedeutsam. Die Eheleute haben ihre offenbar durch Geburt erworbene ungarische Staatsangehörigkeit durch die Verordnung Nr. 7970 M. E. vom 12. 7. 1946 über den Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft durch die aus Ungarn ausgesiedelten Volksdeutschen verloren 4 . Die Verordnung bestimmt in § 1, daß alle ungarischen Staatsangehörigen, die aufgrund der Verfügung des Alliierten Kontrollrates betreffend die Umsiedlung der deutschen Bevölkerung Ungarns vom 20. 11. 1945 nach Deutschland umgesiedelt worden sind, die ungarische Staatsangehörigkeit an dem Tage verlieren, an dem ihre Abreise aus Ungarn stattfindet. Das galt auch für solche Personen, die schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung vom 12. 7.1946 (16. 7.1946) nach Deutschland ausgewiesen worden sind. Die Eheleute wurden also mit ihrer Ausweisung aus Ungarn staatenlos. Gleichzeitig erlangten sie als Staatenlose mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland gemäß Art. 29 EGBGB internationalprivatrechtlich die Stellung von Deutschen. Dies ist also der Zeitpunkt des Staatsangehörigkeitswechsels. Der Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen durch Art. 116 I GG (vgl. Art. 9 II Nr. 5 FamRÄndG vom 11. 8.1961, BGBl. I 1221) bedurfte es für sie nicht erst. Nach Auffassung des Instituts ist auf die Eheleute von jenem Zeitpunkt an deutsches Ehegüterrecht anzuwenden. Im Zeitpunkt des Todes des Erbs Neuhaus, RabelsZ 17 (1952) 674 ff. Die dort entwickelten Argumente werden von dem zitierten Beschluß des BGH in wesentlichen Punkten übersehen. 4 Text: Magyar Közlöny 1946 Nr. 158; deutsche Übersetzungen: Slezak, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Ungarn (1959) 142f.; StAZ 1954, 247; Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl. (Loseblattsammlung) Ungarn 6; s. a. § 3 des Gesetzes über den Erwerb und den Verlust der ungarischen Staatsangehörigkeit vom 20. 12. 1879; deutsche Ubersetzungen: Slezak 98-107; Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, VII: Das Recht der Staatsangehörigk e i t . . . , 1. Teil (1934-1940) 198-218.

Ehegüterrecht / Ungarn

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lassers (1957) galt für die Eheleute also der damalige gesetzliche Güterstand der Gütertrennung. Für den Fall, daß sich das Amtsgericht der Auffassung anschließen will, nach der die Umsiedler im „versteinerten" Güterstand ihrer alten Heimat leben, sei folgendes mitgeteilt:

II. Ungarisches

Ehegüterrecht

Zur Zeit der Aussiedlung fehlte eine Kodifikation des ungarischen Familienrechts. Eine solche erfolgte erst durch das (noch heute geltende) Gesetz über Ehe, Familie und Vormundschaft vom 4. 6.1952 6 . Zuvor galt ein von den Gerichten entwickeltes Gewohnheitsrecht. Danach entstand bei Eingehung der Ehe zwischen den Ehegatten für die Dauer der Ehe die sogenannte „Errungenschaftsgemeinschaft". Dieser Güterstand bedeutete, daß nach Auflösung der Ehe jedem der beiden Ehegatten eine Forderung auf die Hälfte von dem gebührte, was zur Vermögensmasse der Gemeinerrungenschaft gehörte; es handelte sich also wie bei der deutschen Zugewinngemeinschaft nicht um eine echte Gütergemeinschaft, sondern um einen bloß rechnerischen Ausgleich. Allerdings galt die Gemeinerrungenschaft früher in Ungarn als gesetzlicher Güterstand nicht für die Adligen, Honoratioren und die Angehörigen der akademischen Berufe; diese mußten die Errungenschaftsgemeinschaft vertraglich vereinbaren. Im vorliegenden Falle hat der Erblasser jedoch offenbar keiner der letztgenannten Gruppen angehört. Im übrigen k a n n davon ausgegangen werden, daß im Zeitpunkt der Aussiedlung (voraussichtlich 1946) infolge der im Gang befindlichen sozialen Umwälzung der gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft uneingeschränkt für alle Bevölkerungsgruppen galt. Die Hälfte der Gemeinerrungenschaft, die nach dem ungarischen Gewohnheitsrecht jeder Ehegatte nach Auflösung der Ehe fordern konnte, berechnete sich nach dem Mehrwert, um welchen das Vermögen des verpflichteten Ehegatten im Berechnungszeitpunkt sein zur Zeit der Eheschließung vorhandenes Vermögen überstieg. Der maßgebende Zeitpunkt war entweder die Auflösung der Ehe oder, wenn vorher die eheliche Lebensgemeinschaft dauernd aufgehoben worden war, die Trennung der Eheleute 6 . 5 Gesetz IV: 1952, in Kraft seit dem 1. 1. 1953, Text: Magyar Közlöny 1952 Nr. 48; deutsche Ubersetzungen: Familiengesetze sozialistischer Länder, hrsg. von Grandke (1959) 193-232; Bergmann, Ungarn 10-28. 6 Vgl. Almäsi, Ungarisches Privatrecht, I (1924) 107-201; s. a. Almâsi in: Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, 2. Aufl., IV/1 (Das Eherecht..., 1937) 261 bis 265; Jonesco, Du régime des biens entre époux dans le droit hongrois (Paris 1932) 77-86.

220

Famiüenrecht

Besondere Bedeutung hatte der Entwurf eines ungarischen Privatrechtsgesetzbuches, der in seiner 5. und letzten Fassung dem ungarischen Parlament vorgelegt, aber niemals angenommen worden ist 7 . Dieser besaß große Autorität, da er im wesentlichen eine Kodifikation des damals geltenden Fallrechts darstellte, über das gesetzliche Ehegüterrecht bestimmte der Entwurf u. a.: § 140: Mit der Eingehung der Ehe entsteht zwischen den Ehegatten für die Dauer der Ehe eine Errungenschaftsgemeinschaft, derzufolge nach der Auflösung der Ehe beiden Ehegatten gegenseitig die Hälfte von dem gebührt, was in ihrem Vermögen Errungenschaftsgemeinsdiaftsgut ist. Errungenschaftsgemeinsdiaftsgut ist der reine Vermögenswert, der von dem Vermögen eines jeden Ehegatten zur Zeit der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft nach Abzug seines Sondergutes und der Schulden übrigbleibt. § 141: (I) Die Errungenschaftsgemeinschaft endet mit der Auflösung der Ehe und, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft dauernd abgebrochen ist, mit der Trennung.

Eine Vorschrift wie § 1371 BGB n. F., der die Teilung der „Errungenschaft" durch eine Erhöhung des Ehegattenerbteils ablöst, war dem ungarischen Recht nicht bekannt.

III. Internationales

Privatrecht

(Erbfolge)

Rechtsprechung und Rechtslehre haben den Artt. 24 f. EGBGB den allgemeinen Grundsatz entnommen, daß jeder nach den Gesetzen des Staates beerbt wird, dem er im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Nach Art. 29 EGBGB werden, soweit die Gesetze des Staates, dem eine Person angehört, für maßgebend erklärt sind, die Rechtsverhältnisse einer staatenlosen Person nach den Gesetzen des Staates beurteilt, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu der maßgebenden Zeit gehabt hat. Die Vorschriften des EGBGB verweisen hier somit für die Erbfolge auf deutsches Recht.

7 Ungarns Privatrechtsgesetzbuch, Entwurf (1928), amtl. Übersetzung, hrsg. vom Kgl. ungarischen Justizministerium (Budapest 1940) S. Vif.

221 d) Scheidung Siehe auch Nr. 12, 13, 15, 16,17

Nr. 21 Luxemburg, Frankreich, Belgien Voraussetzungen der Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils in Luxemburg, Frankreich, Belgien. Hamburg G 154/65 vom 9. 4.1966

Das Landgericht Heilbronn bittet im Armenrechtsverfahren zur Ehescheidungssache C h . . /. Ch. um Auskunft über luxemburgisches Internationales Prozeßrecht. Aus den Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Antragstellerin hat mit dem Antragsgegner am 15. 4. 1960 vor dem Standesbeamten der Stadt Luxemburg im Großherzogtum Luxemburg die Ehe geschlossen. Die Ehegatten besitzen die luxemburgische Staatsangehörigkeit. Ungefähr ein halbes J a h r nach der Eheschließung verließ die Antragstellerin ihren Ehemann. Im Frühjahr 1962 unternahm sie einen Versuch, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen, der jedoch scheiterte. Am 5. 5.1963 gebar sie ein Kind, das nach ihren Angaben nicht v o n ihrem Ehemann abstammt. Dieser hat die Ehelichkeit des Kindes vor einem luxemburgischen Gericht durch eine Klage angefochten, über die noch nicht entschieden worden ist. Die Antragstellerin lebt mit ihrer Tochter z. Z. in Leonbronn (Württemberg); der Antragsgegner hat seinen Wohnsitz immer in Luxemburg gehabt. Die Antragstellerin will nach der Klageschrift beantragen, daß die Ehe geschieden und ihr Ehemann für überwiegend schuldig erklärt wird. Ihr Mann habe sie häufig geschlagen und beschimpft und sie dadurch veranlaßt, sich von ihm zu trennen. Als Beweismittel hat sie bisher nur Parteivernehmung angegeben. Das Gericht bittet in Hinblick auf § 606 b Nr. 1 ZPO um Auskunft darüber, ob das von ihm eventuell zu fällende Scheidungsurteil im Großherzogtum Luxemburg anerkannt werden wird, obwohl 1. der beklagte Ehemann seinen Wohnsitz dauernd in Luxemburg gehabt hat und noch immer hat und 2. die Scheidung aufgrund einer Beweisaufnahme durch Parteivernehmung auszusprechen wäre. Zu diesen Fragen haben sich auf Veranlassung des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin die luxemburgischen Rechtsanwälte van Kau-

222

Familienrecht

venbergh und Goergen jr. in einem Schreiben vom 12.2.1965 geäußert. Die zweite Frage ist von den luxemburgischen Anwälten wie folgt beantwortet worden: „Die Beweismittel gelten in Luxemburg in Scheidungssadien als Bestandteile des materiellen Redites. Die luxemburgische Rechtsprechung ist in dieser Hinsicht genau in der Richtung der französischen Rechtsprechung. Mithin ist die Parteivernehmung zur Durchführung der Scheidung unzulässig und würde einem auf dieser Basis ausgesprochenen Urteil die Anerkennung ohne weiteres verweigert."

Auf Veranlasung des anfragenden Gerichts hat sich des weiteren das Justizministerium Baden-Württemberg in einem Gutachten vom 7. 5.1965 - Az. 9123 L 5 - III/5 - geäußert, jedoch ohne die Fragen abschließend zu beantworten. I.

Rechtsquellen

Der mit dem Code Napoléon vom 3. 9. 1807 ursprünglich identische Code civil luxembourgeois (C. c.) trifft keine Regelung über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, insbesondere von Urteilen über den Personenstand; desgleichen nicht die ebenfalls auf Napoléon zurückgehende luxemburgische Zivilprozeßordnung (Code de procédure civile im folgenden C. proc.). Diese Lücke ist von der luxemburgischen Rechtsprechung ausgefüllt worden, die sich in diesem Bereich die französische Rechtsprechung zum Vorbild genommen hat 1 .

II.

Anerkennungsgrundsatz

Ein ausländisches Statusurteil entfaltet in Luxemburg seine Wirkungen zwar - soweit nicht die Vollstreckung eines in der Urteilsformel enthaltenen Anspruchs in Rede steht - grundsätzlich ohne vorgängige Durchführung eines Anerkennungsverfahrens 2 . Ein solches Verfahren wird aber schon dann erforderlich, wenn das Statusurteil (auch ohne einen vollstreckbaren Anspruch zu enthalten) in Luxemburg zu einem Streit Anlaß gibt 3 . Gegenstand des Streites kann vor allem sein, ob die für eine Anerkennung kraft Gesetzes aufgestellten Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt sind 4 . 1 Vgl. Dietrich Bernecker, Internationales Privat- und Prozeßrecht im Großherzogtum Luxemburg, RabelsZ 27 (1962/63) 263 ff. (330 zu N. 570). 2 Bemecker 330 zu N. 556. 3 Bezirksgericht Luxemburg 6. 7. 1955, Pasicrisie luxembourgeoise 16 (19541956) 415 ff. (417); Bernecker 331 zu N. 573. 4 Vgl. zum insofern übereinstimmenden französischen Recht Phocion Francescakis, Du contrôle préventif de la validité du divorce étranger: RabelsZ 19 (1954)

Scheidung / Luxemburg,

III. Die Voraussetzungen

Frankreich,

der

Belgien

223

Anerkennung

Die sieben Anerkennungsvoraussetzungen sind dem anfragenden Gericht durch das Gutachten des Justizministeriums Baden-Württemberg bereits bekannt. 1. Die erste Frage des Gerichts - Anerkennung trotz Wohnsitzes des beklagten Ehemannes in Luxemburg? - zielt auf die vom Justizministerium im Anschluß an Bernecker als 2. bezifferte Anerkennungsvoraussetzung: Das deutsche Gericht muß nach den Regeln des luxemburgischen Internationalen Prozeßrechts international zuständig gewesen sein, über die Scheidungsklage zu entscheiden. Soweit die Internationale Zuständigkeit gesetzlich nicht geregelt ist, orientieren sich die luxemburgischen Gerichte an der Regelung der örtlichen Zuständigkeit 5 . Für Scheidungsklagen luxemburgischer Eheleute ist nach Art. 234 C. c. das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Eheleute ihren Wohnsitz haben. Die Ehefrau hat gemäß Art. 108 Satz 1 C. c. denselben Wohnsitz wie ihr Mann. Art. 234 C.c.: Quelle que soit la nature des faits ou des délits qui donneront lieu à la demande en divorce pour cause déterminée, cette demande ne pourra être formée qu'au tribunal de l'arrondissement dans lequel les époux auront leur domicile.

Ungeachtet der Art der Handlungen oder Straftaten, die zu einer Klage auf Scheidung aus bestimmtem Grund Anlaß geben, kann diese Klage nur vor dem Gericht des Bezirks erhoben werden, in dem die Eheleute ihren Wohnsitz haben.

Art. 108 Satz 1 C.c.: La femme mariée n'a point d'autre domicile que celui de son mari.

Die Ehefrau hat keinen anderen Wohnsitz als den ihres Mannes.

Da der beklagte Ehemann seinen Wohnsitz in Luxemburg hat, ist ein deutsches Gericht für die Scheidungsklage an sich unzuständig. Dieses Ergebnis wäre unumstößlich, wenn Art. 234 C. c. eine zwingende Vorschrift wäre, d. h. nach luxemburgischer Terminologie zum „ordre public interne" zählte 6 . Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Beklagte kann 58 ff. (66) ; es heißt dort (in deutscher Ubersetzung) : „Aber wenn das ausländische Scheidungsurteil in Frankreich auch ohne weiteres anerkannt wird, so muß es doch eine Reihe von international-verfahrensrechtlichen Ordnungsvorschriften erfüllen, die von der Rechtsprechung schrittweise differenziert und herausgearbeitet worden sind." Ferner ders., Anerkennung und Vollstreckung ausländischer familienrechtlicher Urteile: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs in vergleichender Darstellung (1955) 540ff. (541 f.); Henri Batiffol, Traité élémentaire du droit international privé (3. Aufl. 1959) Nr. 778. 5 6 Bernecker 318. Vgl. Bernecker 271.

224

Familienrecht

auf die Befolgung der Vorschrift verzichten. Ein solcher Verzicht ist bereits darin zu erblicken, daß der Beklagte sich auf die Klage einläßt, ohne die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Beklagten darauf hinzuweisen, daß er die Einrede der Unzuständigkeit erheben kann. Eine solche gerichtliche Aufklärungspflicht besteht allerdings dann, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß die Klägerin absichtlich ihren Ehemann seinem gesetzlichen Richter entziehen will. Ob dies hier der Fall ist, dürfte weitgehend davon abhängen, ob die Klägerin Aussicht hat, mit den ihr zur Verfügung stehenden Beweismitteln in Luxemburg ein Scheidungsurteil zu erlangen. Die soeben erörterten Grundsätze über einen Verzicht auf Art. 234 C. c. ergeben sich aus der gleichlautenden Formulierung von zwei unveröffentlichten Entscheidungen des Bezirksgerichts Luxemburg, die dem Institut auszugsweise zur Verfügung stehen 7 : „Les travaux préparatoires du code civil démontrent clairement que cet article [234 C.c.] ne contient aucune disposition d'ordre public, mais qu'il n'est qu'une application de la règle de droit commun: Actor sequitur forum rei. Il s'agit en l'espèce d'une compétence essentiellement relative et personnelle. L'intéressé seul peut soulever le déclinatoire d'incompétence et le juge ne peut y suppléer d'office que dans le cas de dol. Rien n'autorise toutefois le tribunal à admettre que la demanderesse ait, pour des motifs spéciaux, voulu soustraire son mari à son juge naturel."

Die Materialien zum Code civil zeigen deutlich, daß dieser Artikel [234 C.c.] keine Vorschrift zwingenden Rechts enthält, sondern daß er nur die gemeinrechtliche Bestimmung ,actor sequitur forum rei' durchführt. Also handelt es sich in diesem Fall um eine ihrem Wesen nach relative und persönliche Zuständigkeit. Allein der Beteiligte kann die Einrede der Unzuständigkeit erheben, und der Richter kann sie nur im Falle der Arglist von Amts wegen ersetzen. Das Gericht hat jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin aus besonderen Gründen ihren Ehemann seinem gesetzlichen Richter habe entziehen wollen.

Da der Ehemann also auf sein Privileg aus Artt. 234, 108 C. c. verzichten kann, besteht trotz seines Wohnsitzes in Luxemburg keine ausschließliche internationale Zuständigkeit der luxemburgischen Gerichte 8 . 2. Die zweite Frage des Gerichts - Anerkennung trotz Scheidung aufgrund einer Beweisaufnahme durch Parteivernehmung? - berührt die vom Justizministerium im Anschluß an Bernecker als 5., 6. und 7. bezifferten Anerkennungsvoraussetzungen: (5) Das ausländische Gericht muß in der Sache nach dem Recht entschieden haben, das nach den luxemburgischen Kollisionsnormen anzuwenden war, (6) die ausländische Entscheidung 1 Bezirksgericht Luxemburg 14. 12. 1936 (Dreckstraeter/Ginsbach) 1937 (Frisch! Spera)-, vgl. Bernecker 310 zu N. 355. 8 Vgl. Bernecker 309.

und 25. 1.

Scheidung

/ Luxemburg,

Frankreich,

Belgien

225

darf nicht gegen den luxemburgischen ordre public verstoßen, und (7) die Parteien dürfen die ausländische Entscheidung nicht in der Absicht erwirkt haben, ein Gesetz zu umgehen. Die international-privatrechtliche Frage, welches Recht über die Zulässigkeit des Beweismittels der Parteivernehmung (§§ 445-455 ZPO) im Scheidungsprozeß zu entscheiden hat, ist - soweit ersichtlich - bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Rechtslehre Luxemburgs, Frankreichs oder Belgiens behandelt worden. Der Parteivernehmung deutschen Rechts entspricht nach der Zivilprozeßordnung Luxemburgs, Frankreichs und Belgiens das im 15. Titel geregelte Beweismittel des interrogatoire (Artt. 324-336 C. proc.) 9 . Das Beweismittel des interrogatoire ist im Scheidungsprozeß - wenn überhaupt - nur unter den gleichen Voraussetzungen zulässig wie der aveu (das Geständnis) 10 . Es dürfte daher angebracht sein, die Zulässigkeit der Parteivernehmung kollisionsrechtlich ebenso zu behandeln wie die Zulässigkeit des Geständnisses im Scheidungsprozeß. In Luxemburg ist dieses Problem aber, soweit ersichtlich, bisher nicht erörtert worden. Darum ist das französische und das belgische Recht heranzuziehen. a) In Frankreich hat der 1. Senat des Kassationshofs kürzlich entschieden, daß die Zulässigkeit des Geständnisses im Scheidungsprozeß nicht nach der lex fori zu beurteilen ist, sondern nach der lex causae, d. h. dem auf die Scheidung selbst anzuwendenden Recht. Es ging in dem betreffenden Füll (Figué) um die Anerkennung des Urteils eines guatemaltekischen Gerichts, das die Ehe eines französischen Paares aufgrund eines Geständnisses der Beklagten geschieden hatte. Der Kassationshof führte in diesem Urteil u. a. aus 1 1 : 9 Vgl. Schönke, Rechtsvergleichende und rechtspolitische Bemerkungen zum zivilprozessualen Beweisrecht: ZZP 61 (1939) 1 ff. (8). 10 So für Frankreich: Juris-Classeur, Code proc. civ. Artt. 324-327 (3. Aufl. 1947) Nr. 14. - Für Belgien vgl. Pasquier/Liekendsel, Répertoire pratique du droit belge, Complément I (April 1964), Stichwort divorce et séparation de corps, Nr. 345, wo Literatur für diese Ansicht zitiert ist, aber mit der belgischen Rechtsprechung generell die Unzulässigkeit des interrogatoire im Scheidungsprozeß vertreten wird. 11 Cass. (1. ZS) 17. 6. 1958, J.C.P. 1958 II 10761 mit Anm. Louis-Lucas = Revue critique de droit international privé 1958, 740 mit Anm. Fiancescakis = D. 1959. 2. 65 mit Anm. Malaurie = Clunet 1959, 1114 mit Anm. Goldman. Im Anschluß an den Kassationshof auch Trib. grande inst, de la Seine 6. 6. 1962, D. 1962. 2. 654 mit Anm. Malaurie (Nicht-Anerkennung des Urteils eines Gerichts des Staates Nevada, USA, das die Ehe eines französischen Paares auf Grund eines beeidigten Geständnisses der Klägerin geschieden hatte). Diese Rechtsprechung wird, soweit ersichtlich, von der französischen Rechtslehre gebilligt: außer den obigen Anmerkungen vgl. Huet, Les conflits de lois en matière de preuve (1965) Nr. 73, kritisch allerdings in Nrn. 34, 36; Batiffol, Nr. 728 S. 810; Perrot, Le régime des preuves en droit international français: Journal des tribunaux [Brüssel] 1962, 273 Nr. 16-2.

15

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

226

Familienrecht

„.. .l'arrêt attaqué, après avoir exactement rappelé que s'il appartenait à la jurisdiction compétente, régulièrement saisie, de juger suivant la procédure et d'admettre les moyens de preuve en vigueur au Guatemala, seule la loi française, loi nationale des époux Figué, devait, d'après les règles françaises de rattachement, régir les conditions de fond du divorce litigieux, relève que la prohibition, en droit interne français, de l'aveu comme seul mode de preuve en matière de divorce n'est que la traduction de la règle de fond qui interdit le divorce par consentement mutuel. . . . Qu'en déduisant de ces constatations que le jugement de Guatemala, ainsi fondé sur le seul aveu de la femme, contraire aux prescriptions de la loi française compétente, ne pouvait être déclaré exécutoire en France, les juges du fond ont légalement justifié leur décision."

. . . Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts erinnert zunächst richtig daran, daß - wenn auch die zuständige, ordnungsgemäß angerufene Gerichtsbarkeit nach ihrem Prozeßrecht habe urteilen und die in Guatemala geltenden Beweismittel habe zulassen können - nach den französischen Kollisionsnormen allein das französische Recht als Heimatrecht der Eheleute Figue die materiellrechtlichen Fragen der im Streit befindlichen Ehescheidung entscheiden dürfe, und hebt dann hervor, daß die im internen französischen Recht bestehende Unzulässigkeit des Geständnisses als alleiniges Beweismittel in Scheidungssachen nur die Übertragung der materiellrechtlichen Vorschrift ist, die die einverständliche Scheidung verbietet... Indem sie aus diesen Feststellungen gefolgert haben, daß das guatemaltekische Urteil - welches in dieser Weise allein auf das Geständnis der Frau gegründet ist und den Vorschriften des maßgeblichen französischen Gesetzes widerspricht in Frankreich nicht für vollstreckbar erklärt werden konnte, haben die Vorrichter ihre Entscheidungen rechtmäßig begründet.

Die Anwendung des französischen Beweisverbots beruht, mag der Kassationshof dies auch nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit erklärt haben, auf einer materiellrechtlidien Qualifikation dieses Verbots 1 2 . Daß Luxemburg sicii dieser Rechtsprechung ohne weiteres anschließt - w i e die luxemburgischen Anwälte in ihrem Schreiben v o m 12.2.1965 meinen - , mag zweifelhaft erscheinen. Denn nach der zitierten Begründung des Kassationshofs im Fall Figué ist „die im internen französischen Recht bestehende Unzulässigkeit des Geständnisses als alleiniges Beweismittel nur die Übertragung der materiellrechtlidien Vorschrift, die die einverständliche Scheidung verbietet". Im Gegensatz zu Frankreich kenntLuxemburg jedoch die einverständliche Scheidung (Art. 275-294 C. c.). b) In Belgien sind w i e in Luxemburg die Bestimmungen des Code Napoléon über die einverständliche Scheidung noch in Kraft. Trotzdem ist auch dort das Geständnis als alleiniges Beweismittel im Scheidungs12

Francescakis 744 a. E. sub 1 ; Goldman 1120 sub III.

Scheidung / Luxemburg, Frankreich, Belgien

227

prozeß nach einhelliger Rechtsprechung und Rechtslehre zumindest dann unzulässig, w e n n es erst zur Zeit der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage und zum Zwecke der Scheidung abgelegt wird 1 3 . Dieses Beweisverbot soll verhindern, daß die Eheleute das Gesetz umgehen, indem sie unter dem Mantel einer Scheidung aus bestimmtem Grund den lästigen gesetzlichen Voraussetzungen und Wirkungen der einverständlichen Scheidung entgehen 1 4 . Zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Geständnisses in Scheidungssachen hat in Belgien die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch gar nicht und in der Rechtslehre nur beiläufig (in der Anmerkung zu einem Scheidungsurteil) François Rigaux Stellung genommen. Dieser sagt 1 5 : „ . . . l'arrêt rapporté a . . . distingué les deux questions suivantes: (1) le mode de preuve accueilli par le juge étranger est-il, comme tel, contraire à notre ordre public? (2) ... apparaît assurément contraire à l'ordre public belge le contenu d'un jugement étranger ayant déclaré le fait injurieux établi par le défaut du défendeur (ce qui était allégué en l'espèce, mais d'autres modes de preuve, l'aveu, le serment, feraient aussi obstacle à l'opposabilité du jugement de divorce étranger en Belgique)."

. das abgedruckte Urteil hat . . . die beiden folgenden Fragen unterschieden: (1) Verstößt das vom ausländischen Richter zugelassene Beweismittel als solches gegen unseren ordre public? (2) . . . Ganz sicher verstößt gegen den belgischen ordre public der Inhalt eines ausländischen Urteils, das die beleidigende Tatsache auf Grund Nichterscheinens des Beklagten für bewiesen erklärt (was im vorliegenden Fall behauptet worden war, aber andere Beweismittel - das Geständnis, der Eid würden die Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils in Belgien auch hindern).

Dieser Stellungnahme liegt stillschweigend die Annahme zugrunde, daß die Zulässigkeit des Geständnisses im Scheidungsprozeß an sich der lex fori untersteht, also bei einem ausländischen Verfahren dem Recht des betreffenden Landes,- denn nur ausländisches Recht kann „gegen den belgischen ordre public verstoßen". Jedenfalls dürfte die zitierte Äußerung den 13 Appellationshof Brüssel 25. 6. 1960, J.T. 1960, 543 mit Anm. Myriam Gueulette; Bezirksgericht Brüssel 19. 6. 1963, J.T. 1963, 511. Beide Urteile erklären ein vor Rechtshängigkeit der Scheidungsklage abgelegtes Geständnis als alleiniges Beweismittel ausnahmsweise für zulässig. De Page, Traité élémentaire de droit civil belge I (3. Aufl. 1962) Nr. 875-2, S. 997: „Das Geständnis ist ohne andere Beweismittel nur ganz ausnahmsweise zulässig"; Pasquier, Précis du divorce et de la séparation de corps (1959) Nr. 121 S. 121: „Das Geständnis allein kann nicht als Beweis dienen"; Piérard, Divorce et séparation de corps II (1928) Nr. 564 S. 190f.: „Zweifellos hat es (das Geständnis) allein hier nicht die Kraft, die Uberzeugung des Richters zu begründen...". 14 Bezirksgericht Brüssel 19. 6. 1963, aaO 512; Dekkers, Précis de droit civil belge I (1954) Nr. 280; Piérard Nr. 564 S. 190. 15 François Rigaux, Anm. zu Appellationshof Brüssel 29. 6. 1962, J. T. 1963, 28.

15 »

228

Familieniecht

Schluß rechtfertigen, daß ein deutsches, die Ehe aufgrund einer Parteivernehmung scheidendes Urteil auch in Belgien nicht anerkannt würde 1 6 . c) In der Rechtsprechung Luxemburgs findet sich, soweit ersichtlich, nur ein Urteil, das zum Beweisverbot des Geständnisses im luxemburgischen Scheidungsprozeß Stellung nimmt. Für den vorliegenden Fall ist das Urteil jedoch ohne Wert, denn es erklärt das außergerichtliche, durch andere Beweismittel - einen Zeugen und eine Urkunde - bestätigte Geständnis für ausnahmsweise zulässig 17 . Hier interessiert die Zulässigkeit des gerichtlichen Geständnisses (der Parteivernehmung) als alleiniges Beweismittel im Scheidungsprozeß. Da ein solches Geständnis nach der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung und Rechtslehre Frankreichs und Belgiens in einem Scheidungsprozeß vor eigenen Gerichten dieser beiden Länder für unzulässig erklärt wird, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß auch ein luxemburgisches Gericht es nicht zulassen würde. Auch kollisionsrechtlich dürfte Luxemburg daher der Auffassung seiner Nachbarn folgen. Ein deutsches Urteil, das die Ehe aufgrund einer Parteivernehmung scheidet, würde weder in Frankreich noch in Belgien anerkannt werden, dort nicht wegen der materiellrechtlichen Qualifikation des Beweisverbotes, hier nicht wegen Verstoßes gegen den belgischen ordre public. Es mag dahinstehen, welcher Begründung man in Luxemburg den Vorzug gibt. Jedenfalls kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß Luxemburg sich dem übereinstimmenden Ergebnis beider Nachbarrechte anschließt und ein solches deutsches Scheidungsurteil nicht anerkennt.

Nr. 22 Mexiko (Chihuahua), Schottland 1. Voraussetzungen und Verfahren für Ehescheidung nach dem Recht des Staates Chihuahua, Mexiko. 2. Voraussetzungen für die Anerkennung eines ausländischen (hier mexikanischen) Scheidungsurteils nach deutschem und schottischem internationalem Verfahrensrecht. 3. Form und sachliche Voraussetzungen einer Heirat, insbesondere Verbot einer Doppelehe und dessen Wirkung, nach schottischem und deutschem Recht. Kiel 18/66 vom 26.9. 1966 16

Diesem Ergebnis steht übrigens auch das deutsch-belgische Anerkennungsund Vollstreckungsabkommen vom 30. 6. 1958, in Kraft seit 27. 1. 1961, nicht entgegen, das nach Art. 2 I Nr. 1 den Anerkennungsstaat berechtigt, die Anerkennung der Entscheidung (das Abkommen gilt auch für Statusurteile) wegen Verstoßes gegen seinen ordre public abzulehnen. Vgl. Harries, Das deutsch-belgische Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen: RabelsZ 26 (1961) 629 ff. (634f., 640). 17 Bezirksgericht Luxemburg 29. 10. 1954, Pas. lux. 16 (1954-1956) 233.

Scheidung / Mexiko (Chihuahua),

Schottland

229

In dem Ermittlungsverfahren gegen den W. N. und die M. N. wegen Verdachts der Bigamie bittet die Staatsanwaltschaft unter Übersendung der Akten um ein Gutachten über Fragen der Gültigkeit einer Ehescheidung durch ein mexikanisches Gericht und einer in Schottland vorgenommenen Eheschließung. Aus den Ermittlungen ergibt sich folgender Sachverhalt: Der Beschuldigte W. N. schloß am 6. 9.1952 vor dem Standesamt in F. die Ehe mit der Witwe A. U. Aus der Ehe ist ein Sohn hervorgegangen. Nach Unstimmigkeiten zwischen den Eheleuten verließ der Beschuldigte Anfang 1958 die eheliche Wohnung und zog zu seiner Mutter. Kurz darauf erhob er eine Klage auf Ehescheidung. Der Klage wurde - offenbar im Jahre 1960 - von LG F. in 1. Instanz stattgegeben, auf Berufung der Beklagten wurde sie jedoch 1961 vom OLG abgewiesen. Der Beschuldigte bemühte sich in den folgenden Jahren vergeblich, seine Frau zu einer einverständlichen Scheidung zu bewegen. Seit dem Jahre 1961 kannte er die Beschuldigte M. N., geb. W. Einer Eheschließung stand jedoch die bestehende Ehe des Beschuldigten entgegen. In der Zeitschrift „DM", Ausgabe vom 6.8.1964, lasen die Beschuldigten dann einen Artikel, „Scheiden ist so billig", in dem u. a. über die Möglichkeiten einer Scheidung in Mexiko unter Angabe von Einzelheiten der zu treffenden Maßnahmen berichtet wurde. Der Beschuldigte trat daraufhin mit einem Rechtsanwalt in Ciudad Juarez, Chihuahua, Mexiko, in Verbindung und beauftragte ihn mit der Einleitung eines Scheidungsverfahrens gegen seine Ehefrau. Zu diesem Zweck übersandte er dem Anwalt eine in englischer Sprache abgefaßte Vollmachtsurkunde nach Vordruck, auf der seine Unterschrift notariell beglaubigt wurde. Die Unterschrift und Amtsbefugnis des Notars wurden ihrerseits vom Landgerichtspräsidenten in F. beglaubigt bzw. bescheinigt; die Unterschrift und Amtsstellung des Landgerichtspräsidenten wiederum wurden vom mexikanischen Generalkonsulat in Hamburg bestätigt. Insbesondere wird der Anwalt in der Urkunde auch bevollmächtigt, seinen Mandanten der Gerichtsbarkeit des Gerichts in Ciudad Juarez zu unterwerfen. Auf einem Fragebogen, auf dem etwa zehn Scheidungsgründe aufgeführt waren, kreuzte der Beschuldigte drei Gründe an. Aus dem Scheidungsurteil ergibt sich, daß es die folgenden waren: ungerechtfertigtes Verlassen der ehelichen Wohnung und Pflichten seitens der Beklagten für eine Dauer von mehr als drei Monaten; die Trennung vom ehelichen Heim seitens der Beklagten für eine Dauer von mehr als einem Jahr, ohne daß der Kläger eine Scheidungsklage erhoben hätte; und die Unverträglichkeit der Charaktere. - Ferner gab der Beschuldigte an, daß seine Ehefrau unauffindbar sei.

230

Familienrecht

Aufgrund dieser Unterlagen wurde vor dem erstinstanzlichen Zivilgericht in Ciudad Juarez ein Scheidungsverfahren eingeleitet, das am 3. Februar 1965 mit einer in beglaubigter Anschrift vorliegenden Entscheidung endete, die die Ehe für aufgelöst erklärte. Der Beschuldigte erhielt am 25. 2. 1965 eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung nebst einer englischen Übersetzung. Am 1. 5. 1965 reisten beide Beschuldigte nach Kilmarnock in Schottland, wo sie auf dem Standesamt ihre Absicht mitteilten, miteinander die Ehe schließen zu wollen. Nach 15tägigem Aufenthalt der Beschuldigten in der Stadt wurde die Heiratsabsicht öffentlich bekanntgemacht, am 27. 5.1965 unterzogen sie sich dann vor dem Standesbeamten (Registrar) einer Eheschließungszeremonie. Danach reisten sie nach F. zurück. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht F. bittet um Beantwortung folgender Fragen: 1. Ist die in Mexiko erfolgte Ehescheidung - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beschuldigte wahrheitswidrig angegeben hat, seine (erste) Ehefrau sei unauffindbar - nach mexikanischem Recht gültig? 2. Hat die Ehescheidung nach deutschem Recht Gültigkeit erlangt? Falls nein: Unter welchen Voraussetzungen k a n n es zu einer Anerkennung der in Mexiko erfolgten Scheidung kommen? 3. Ist die Ehescheidung nach schottischem Recht (Ort der zweiten Eheschließung) gültig? 4. Ist die in Schottland erfolgte Eheschließung nach schottischem Recht gültig? 5. Ist die in Schottland erfolgte Eheschließung nach deutschem Recht gültig? 6. Liegt eine bigamistische Doppelehe vor? Falls ja: Nur nach deutschem Recht oder ggf. auch nach schottischem Recht? I. Gültigkeit der Ehescheidung nach mexikanischem

Recht

Für die Gültigkeit der von dem Gericht in Juarez, Chihuahua, Mexiko, ausgesprochenen Ehescheidung nach dem dortigen Recht kommt es darauf an, ob die Entscheidung entsprechend jenem Recht ergangen ist, und, falls dies nicht der Fall sein sollte, welche Auswirkungen ein eventueller Verstoß gegen die maßgeblichen Vorschriften hat. 1. Mexiko ist ein Bundesstaat - „Estados Unidos de Mexico" - in dem den Einzelstaaten u. a. die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts und des Zivilprozeßrechts zusteht. Der Bundesgesetzgebung ist durch Art. 73 der mexikanischen Verfassung vom 5. Februar 1917 ein

Scheidung / Mexiko

(Chihuahua),

Schottland

231

Katalog von Gesetzgebungsbefugnissen zugewiesen, der diese Materien nicht enthält 1 . Der Staat Chihuahua hat demgemäß u. a. ein eigenes Zivilprozeßrecht und Ehescheidungsrecht. Für das Verfahren in Zivilsachen gilt der Cödigo de Procedimientos Civiles del Estado de Chihuahua (Zivilprozeß-Kodex des Staates Chihuahua) vom 15. Dezember 1941. Das Recht der Ehescheidung ist in einem besonderen Scheidungsgesetz (Ley de Divorcio) vom 15. Juli 1933 geregelt, das sowohl die materiellen Bestimmungen wie auch speziell für die Ehescheidung geltende Verfahrensvorschriften enthält. 2. Zunächst ist zu prüfen, ob die Entscheidung nach dem Recht von Chihuahua wirksam zustande gekommen ist. Scheidungen können nach diesem Recht in gegenseitigem Einvernehmen oder in einem streitigen Verfahren ausgesprochen werden. Das Scheidungsgesetz bestimmt dazu (Texte hier und im folgenden aus: Cödigo de Procedimientos Civiles para el E. L. y S. de Chihuahua; Ley de Divorcio. Colleciön de Leyes Mexicanas, Puebla, Mex., o. J.; Übersetzungen durch den Gutachter): .Articulo

2»-

E1 divorcio puede ser por mutuo consentimiento o contencioso. El primero procede a solicitud de ambos cónyuges y el segundo a solicitud de uno solo de ellos."

Artikel 2: Die Scheidung kann auf Grund gegenseitiger Ubereinstimmung oder streitig geschehen. Das erstere wird auf Antrag der beiden Ehegatten durchgeführt und das letztere auf Betreiben eines einzelnen von ihnen.

Im vorliegenden Fall ist ein streitiges Verfahren eingeleitet worden, wie sich aus dem Einleitungssatz der Entscheidungsausfertigung und aus dem ersten Satz des Entscheidungstextes selbst ergibt. Das Verfahren hat zu der Entscheidung geführt, mit der die Ehe „für aufgelöst erklärt" wird. Ob Verfahrensfehler vorliegen, ist insoweit von Bedeutung, als sich aus ihnen Folgen für den Bestand der Entscheidung ergeben können. a) Das Sdieidungsgesetz bestimmt über die Zustellung der Klage an den Beklagten folgendes: „Articulo 27 -

Artikel 27:

En el juicio de divorcio contencioso, presentada la demanda, el juez correrá traslado de ella a la contraparte emplazándola para que la conteste dentro del término de tres días, bajo el apercibimiento de darla por contestada en sentido negativo si no lo verifica. A este término se añadirá el tiempo que el juez estime prudente

In einem streitigen Ehescheidungsverfahren übermittelt der Richter, nachdem die Klageschrift eingereicht worden ist, eine Abschrift derselben an die Gegenpartei und gibt ihr auf, diese innerhalb einer Frist von 3 Tagen zu beantworten mit der Belehrung, daß er die Klage als im negativen Sinne beantwortet ansehen wird, wenn die Frist

1 Text der Verfassung in: Lopez Rosado, El Regimen Constitucional Mexicano (2. Aufl., Mexiko 1964).

232

Familienrecht

cuando la parte demandada no tenga su domicilio en el lugar del juicio.

Articulo

35 -

Cuando se ignore el domicilio del demandado, podrá ser notificado éste per medio de dos edictos que se publicarán en el Periódico Oficial del Estado, bajo pena de nulidad de lo actuado, si durante el juicio se justifica que al iniciarse éste, el actor conocía el domicilio del demandado."

nicht eingehalten wird. Zu dieser Frist kommt ein Zeitraum hinzu, den der Richter für angemessen hält, falls die beklagte Partei ihren Wohnsitz nicht am Orte des Rechtsstreites hat. Artikel 35: Wenn der Wohnsitz des Beklagten unbekannt ist, kann dieser durch zwei Aufrufe benachrichtigt werden, die in dem amtlichen Anzeiger des Staates veröffentlicht werden, bei Strafe der Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens, 'wenn sich während des Rechtsstreites herausstellt, daß der Kläger bei einer Einleitung den Wohnsitz des Beklagten kannte.

Im v o r l i e g e n d e n Fall ist aufgrund der - unzutreffenden - A n g a b e des Beschuldigten als Kläger nach Art. 35 verfahren worden, d. h., da der Wohnsitz der Ehefrau als unbekannt a n g e g e b e n wurde, erfolgte k e i n e Zustellung der Klage an sie, sondern die z w e i m a l i g e Einrückung der Ladung in d e n Staatsanzeiger, w i e sich aus den A n g a b e n in der Entscheidung unter „Resultando, - Segundo" ergibt. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des Art. 35, letzter Satz, des Scheid u n g s g e s e t z e s ergeben sich F o l g e n aus der bewußt falschen A n g a b e also nur, w e n n sidi deren Unwahrheit während des Rechtsstreites herausstellt. Das war hier gerade nicht der Fall, so daß das Verfahren nicht gemäß Art. 35 hinfällig wurde, sondern zu e i n e m Urteil (sentencia) führte. Die Ungültigkeit eines solchen Urteils aufgrund der unrichtigen A n g a b e n des Klägers, er k e n n e den Wohnsitz der Beklagten nicht, ist nicht v o r g e s e h e n . Die Geltendmachung v o n Fehlern bei der A n w e n d u n g d e s Rechts oder bei der Tatsachenfeststellung dient nach Art. 810 des Zivilprozeßgesetzes das Rechtsmittel der ordentlichen Berufung: .Artículo

810-

E1 recurso de apelación ordinaria tiene por objeto el que el tribunal de segunda instancia examine si en la resolución apelada se aplicó inexactamente la ley, si se violaron los principios reguladores de prueba, o si se alteraron los hechos: Y en vista de ello, confirme, revoque o modifique la resolución apelada."

Artikel

810:

Das Rechtsmittel der ordentlichen Berufung hat zum Ziel, daß das Gericht zweiter Instanz nachprüft, ob in der angefochtenen Entscheidung das Recht falsch angewandt wurde, ob die den Beweis beherrschenden Grundsätze verletzt wurden, oder ob die Tatsachen verfälscht wurden; und es bestätigt, widerruft oder ändert daraufhin die angefochtene Entscheidung.

Scheidung / Mexiko (Chihuahua),

233

Schottland

ü b e r die Berufung gegen ein Ehescheidungsurteil bestimmt das Scheidungsgesetz: „Artículo 38 -

Artikel 38:

Las sentencias de divorcio son apelables en ambos efectos y el recurso deberá interponerse dentro de las veinticuatro horas siguientes a la notificación respectiva."

Die Urteile in der Scheidungssache unterliegen in beiden Richtungen der Berufung, und das Rechtsmittel ist innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der entsprechenden Benachrichtigung einzulegen.

Der Fall, daß eine Benachrichtigung nicht stattfindet, weil der Beklagte als unbekannten Aufenthaltes gilt, ist im Scheidungsgesetz nicht besonders geregelt. Das Zivilprozeßgesetz (Art. 812 Abs. 2) läßt allgemein in den Fällen, in denen es sich um ein endgültiges Urteil handelt, die Ladung durch öffentliche Aufforderung geschehen und die Entscheidung aufgrund Säumnis ergangen ist und der Beklagte von dem Urteil nicht persönlich benachrichtigt worden ist, eine außerordentliche Berufung zu, die innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des entsprechenden Beschlusses in der Liste der entschiedenen Fälle einzulegen ist. Aber selbst wenn diese Regelung auch auf Scheidungsurteile anzuwenden sein sollte, dürfte die darin bestimmte dreimonatige Frist abgelaufen sein, so daß Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht mehr gegeben sind. Es folgt daraus, daß das Scheidungsurteil nach dem Recht von Chihuahua als gültig und rechtskräftig zu betrachten ist.

II. Gültigkeit

der Ehescheidung

nach deutschem

Recht

1. Die Wirkung eines ausländischen Urteils in Deutschland bestimmt sich grundsätzlich nach § 328 ZPO, wonach unter den dort näher bezeichneten Umständen ausländische Urteile nicht anerkannt werden. Die Vorschrift wird jedoch im umgekehrten Sinne gelesen: nur wenn die sich aus § 328 ZPO ergebenden Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein ausländisches Urteil anerkannt werden 2 . Liegen die Voraussetzungen der Anerkennung vor, so hat im allgemeinen das ausländische Urteil ohne weiteres auch in Deutschland Wirkung (allerdings nicht für die Zwangsvollstreckung: § 722 ZPO) 3 . 2 Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 28. Aufl.; Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung (18. Aufl.) § 328, Anm. I, 1 unter Anführung abweichender Auffassungen. 3 Stein-Jonas-Schönke Anm. I: „Zur Anerkennung der Rechtswirkung bedarf es keines besonderen Ausspruchs", und Anm. I, 2: „Liegen (die Voraussetzungen der Anerkennung) vor, so wirkt das ausländische Urteil wie ein deutsches". S. auch Baumbach-Lauterbach § 328, Anm. I C.

234

Familienredit

Für Ehesachen schafft jedoch Art. 7 § 1 FamRÄndG vom 11. 8. 1961, BGBl. 1221 eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe geschieden wird, werden nur anerkannt, wenn die Landes Justizverwaltung festgestellt hat, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen. Da eine solche Feststellung durch die Landesjustizverwaltung bisher nicht erfolgt ist, hat die mexikanische Entscheidung in Deutschland keine Wirkung 4 . 2. Sie könnte Wirkung erlangen, wenn auf einen entsprechenden Antrag (Art. 7, § 1 Abs. 3 FamRÄndG) die genannte Feststellung noch getroffen würde. Ob eine solche Feststellung ergehen würde, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen des § 328 ZPO erfüllt sind 5 . a) Die in § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO genannte Voraussetzung entfällt für Entscheidungen in Ehesachen kraft der ausdrücklichen Bestimmung des Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 2 FamRÄndG. Es kommt also für die Anerkennung nicht darauf an, ob im Verhältnis zu Mexiko die Gegenseitigkeit verbürgt ist. b) Voraussetzung der Anerkennung ist sodann nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, daß die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen zuständig sind. Nach § 606 Abs. 1 ZPO ist für Klagen auf Ehescheidung das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben, hier also das Landgericht F. Das mexikanische Gericht war nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig, schon deshalb ist eine Anerkennung seiner Entscheidung grundsätzlich ausgeschlossen. Nach § 606 a Nr. 3 ZPO steht jedoch die Zuständigkeitsvorschrift der Anerkennung der ausländischen Entscheidung unter anderem dann nicht entgegen, wenn der Beklagte die Anerkennung beantragt. Hier müßte also die erste Ehefrau des Beschuldigten einen solchen Antrag gestellt haben oder noch stellen. Solange das nicht der Fall ist, bleibt es wegen der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 606 ZPO bei der Unzulässigkeit der Anerkennung. c) Nach § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die Anerkennung des ausländischen Urteils ferner ausgeschlossen, wenn der unterlegene Beklagte ein Deutscher ist und sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat, sofern die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfügung ihm weder in dem Staate des Prozeßgerichts in Person noch durch Gewährung deutscher Rechtshilfe zugestellt ist. Die in dem mexikanischen Verfahren unterlegene erste Ehefrau des Beschuldigten ist Deutsche. Die Ladung konnte ihr schon deswegen nicht zugestellt werden, weil der Beschuldigte als Kläger beim Gericht hatte angeben lassen, daß die Anschrift seiner Ehefrau nicht be4 5

Vgl. Baumbach-Lauteibach § 328 Anm. 7, B, c. Baumbach-Lauterbach § 328 Anm. 7, A, a.

Scheidung / Mexiko (Chihuahua),

Schottland

235

kannt sei. Tatsächlich ist sie auch nur durch zweimalige öffentliche Bekanntmachung geladen worden, also weder durch persönliche Ladung im Staate des Prozeßgerichts noch durch Gewährung deutscher Rechtshilfe. Die Anerkennung des Urteils ist daher auch durch § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausgeschlossen. d) die Anerkennung ist auch dann ausgeschlossen, wenn in dem Urteil zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften u. a. des Art. 17 EGBGB abgewichen ist, § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Dabei kommt es lediglich darauf an, ob bei Anwendung deutschen Rechts die Entscheidung für einen beteiligten Deutschen günstiger ausgefallen wäre Nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB sind für die Scheidung der Ehe die Gesetze des Staates maßgebend, dem der Mann zur Zeit der Erhebung der Klage angehört, hier also deutsches Recht. Dem Scheidungsurteil liegt jedoch das Recht des Staates Chihuahua zugrunde; die Scheidung ist ausgesprochen wegen Verlassens des ehelichen Pflichtenkreises für mehr als drei Monate, wegen Getrenntlebens für mehr als ein Jahr und wegen Unvereinbarkeit der Charaktere. Alle drei Umstände geben nach deutschem Recht keinen Scheidungsgrund ab. Insbesondere ist die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft seit drei Jahren im Sinne des § 48 EheG nicht schon als solche ein Scheidungsgrund, sondern nur, wenn „infolge einer tiefgreifenden, unheilbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten" ist. Obwohl also zur Zeit der ausländischen Entscheidung auch die dreijährige Dauer des Getrenntlebens des deutschen Rechts erreicht war, fehlt es doch an der Feststellung der weiteren Voraussetzungen. Selbst wenn man mit Stein-Jonas-Schönke, aaO, Anm. VI, davon ausgeht, daß ein deutsches Gericht bei dem anzustellenden Vergleich nicht auf die in dem ausländischen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen beschränkt wäre, so ist doch nicht ersichtlich, daß aufgrund zusätzlicher Umstände ein deutsches Gericht nach § 48 EheG geschieden haben würde. Dagegen spricht auch, daß bereits im Jahre 1961 eine Scheidungsklage des Beschuldigten in zweiter Instanz abgewiesen wurde. Hinsichtlich der Scheidung wegen Unvereinbarkeit der Charaktere ist die Abweichung vom deutschen Recht offenbar. Der Anerkennung des mexikanischen Urteils steht demnach auch die Bestimmung des § 328 Abs. 1 Nr. e ZPO entgegen. 3. Dem ausländischen Urteil ist schließlich gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Anerkennung zu versagen, wenn sie gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Als ein Sittenverstoß, als etwas, „das dem Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden" widerspricht, kommt hier der Umstand in Betracht, daß der Beschuldigte das Urteil durch die wahrheitswidrige Angabe er8

Stein-Jonas-Schönke

§ 328, Anm. VI; Baumbach-Lauterbach

§ 328 Anm. 4 a. E.

Familienrecht

236

langt hat, den Aufenthaltsort seiner Frau nicht zu kennen, daß dieser in einer Art Versäumnisverfahren kein rechtliches Gehör gewährt wurde, und daß das Verfahren ausschließlich deshalb in Mexiko angestrengt wurde, um die Vorschriften des deutschen Rechts zu umgehen. Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß ein deutsches Gericht unter diesen Umständen die ausländische Entscheidung wegen Sittenwidrigkeit nicht anerkennen würde 7. Da bereits aus den vorangegangenen Gesichtspunkten eine Anerkennung auszuschließen ist, soll das Problem der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes nicht vertieft werden, zumal es hier weitgehend um Fragen tatrichterlicher Würdigung geht. Es ergibt sich, daß der Feststellung der Anerkennung, falls diese bei der Landesjustizverwaltung beantragt würde, § 328 Abs. 1 Nrn. 1-4 ZPO entgegenstehen würden. Selbst wenn der Zuständigkeitsmangel (Nr. 1) durch Mitwirken der ersten Ehefrau des Beschuldigten ausgeräumt werden könnte, würde doch die Anerkennung an den übrigen Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 ZPO scheitern. III. Wirksamkeit

der Ehescheidung

nach schottischem

Recht

Trotz der staatlichen Einheit mit England durch den Unionsvertrag von 1707 ist Schottland ein selbständiges Rechtsgebiet mit einem eigenen Gerichtswesen, wenngleich das Parlament in London auch Gesetzgebungsorgan und das House of Lords höchstes Gericht für Schottland ist. Demzufolge besitzt Schottland auch ein eigenes Internationales Privatrecht, nach dem die Wirkungen einer ausländischen Ehescheidung für den schottischen Rechtskreis zu bestimmen sind 8 . 1. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ehescheidung in einem anderen Land vom schottischen Recht als wirksam anerkannt wird, ist nicht gesetzlich geregelt. Zwar gilt das Gesetz über die Vollstreckung ausländischer Urteile von 1933 (Foreign Judgments [Reciprocal Enforcement] Act, 1933) nach seiner sec. 12 auch für Schottland. Seine Anwendung im Verhältnis zu Mexiko ist jedoch bisher nicht vorgesehen, außerdem ist fraglich, ob es auch auf personenrechtliche Entscheidungen anzuwenden ist 9 . Es ist daher zu prüfen, welche Regeln die Rechtsprechung in diesem Bereich anwendet. 2. Die sowohl im schottischen wie im englischen Recht unbestrittene Grundregel ist die, daß für die Ehescheidung die Gerichte des Landes zu7

Vgl. Baumbach-Lauterbach § 328 Anm. 5 B. Vgl. Schlegelberger, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch, Bd. 1 (1929) 87. " Wortlaut des Gesetzes in Halsbury's Statutes of England, Bd. 3 (2. Aufl. 1949) 1163-1172; Anwendungsbereich s. Halsbury's Statutes of England (2. Aufl.), Cumulative Supplement 1966, Bd. 1, „Conflict of Laws", Rdnr. 1884. 8

Scheidung / Mexiko

(Chihuahua),

Schottland

237

ständig sind, in dem die Ehegatten ihr Domizil (domicile) haben10. Daraus folgt, daß eine ausländische Entscheidung in Schottland nur dann anerkannt wird, wenn sie von einem Gericht im Domizil-Land der Ehegatten ausgesprochen worden ist; sie wird insbesondere dann nicht anerkannt, wenn der Ehemann niemals in dem betreffenden Land domiziliert war 11 . Danach wäre Voraussetzung für eine Anerkennung des mexikanischen Scheidungsurteils, daß zumindest der Ehemann, also hier der Beschuldigte, in Mexiko - und zwar im Bundesstaat Chihuahua - domiziliert war, als er die Scheidungsklage anstrengte. „Domizil" im Sinne des schottischen Rechts wird beschrieben als der Ort, an dem jemand seinen einzigen oder hauptsächlichen Wohnsitz wählt mit der uneingeschränkten Absicht, dort zu bleiben 12 . Die Voraussetzung eines Domizils in Chihuahua ist offensichtlich nicht gegeben. Eine Ausnahme von dem dargelegten Domizilprinzip ist im englischen Recht für den Fall entwickelt worden, daß zwar die Ehescheidung nicht von einem Gericht des Domizil-Landes ausgesprochen worden ist, die Scheidung in einem dritten Land aber vom Domizilstaat anerkannt wird. In einem solchen Fall folgt das englische Recht der Beurteilung durch den Domizilstaat13. Walton vertritt die Auffassung, daß diese Regel auch von den schottischen Gerichten angewandt werden würde 14 , was angesichts des übereinstimmenden Grundkonzepts der beiden Rechtsordnungen in der Frage des Domizilprinzips überzeugend ist. Eine Vertiefung dieses Problems erübrigt sich: Da beide Ehegatten im Sinne des schottischen Rechts in Deutschland domiziliert waren, nach deutschem Recht jedoch die Scheidung in Chihuahua, wie oben ausgeführt, nicht anerkannt wird, liegt kein von der Sonderregel zum Domizilprinzip erfaßter Fall vor. Es folgt also, daß auch nach schottischem Recht die Ehescheidung in Mexiko als unwirksam anzusehen ist. IV. Gültigkeit der in Schottland geschlossenen Ehe nach schottischem Recht Für die Frage, ob die zwischen den Beschuldigten in Schottland vollzogene Eheschließungszeremonie zu einer gültigen Ehe geführt hat, unterscheidet das schottische Recht zwischen der persönlichen Ehefähigkeit (personal capacity) und sonstigen materiellrechtlichen Fragen einerseits 10 Walton, A Handbok of Husband and W i f e according to the law of Scotland, 3. Aufl. von Hendry und Johnston (Edinburgh 1951) 378, 391/2; für England: Raydens' Practice and Law in the Divorce Divison (7. Aufl., London 1958) 740; Dicey's Conflict of Laws (7. Aufl., London 1958) 304, 310. 11 Walton 391, 393 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 12 Walton 310; vgl. für England Dicey's Conflict of Laws 85 ff. 13 Dicey's Conflict of Laws 314. 14 Walton 395.

238

Familienrecht

und der gehörigen Form der Eheschließung andererseits, wobei Einzelfragen der Abgrenzung umstritten sind 1 5 . Die Formfragen sind allein nach dem Recht des Ortes der Eheschließung, also nach schottischem Recht, zu beurteilen. Materiellrechtliche Fragen, insbesondere solche der Ehefähigkeit sind dagegen grundsätzlich nach dem Domizilrecht der Verlobten zu beurteilen, wobei jedoch bei einer Eheschließung in Schottland auch nach dessen Recht Ehefähigkeit gegeben sein muß und keine sonstigen Verbote entgegenstehen dürfen 16 . 1. Eine Eheschließung ist nach schottischem Recht nichtig, wenn sie nicht in einer der beiden vorgesehenen Formen, nämlich der kirchlichen oder der durch den Marriage (Scotland) Act 1939, vorgesehenen standesamtlichen Form vorgenommen wurde 1 7 . Hier geht es um eine Trauung durch den Registrar, also den dem deutschen Standesbeamten entsprechenden Amtsträger. Das Verfahren ist dann wie folgt: Die Verlobten zeigen die beabsichtigte Eheschließung dem Standesbeamten an, wobei sie nicht weniger als 15 Tage in dessen Bezirk gewohnt haben müssen. Die Einzelheiten werden in ein dafür bestimmtes Buch („marriage notice-book") aufgenommen und in einer gesetzlich näher bestimmten Form sieben Tage lang bei der Dienststelle des Standesbeamten ausgehängt. Werden während dieser Zeit keine Widersprüche gegen die Eheschließung erhoben, so stellt der Standesbeamte den Verlobten eine Bescheinigung über die Bekanntmachung aus. Bei der Trauung erklären die Verlobten vor dem Standesbeamten in Gegenwart zweier Zeugen, daß ihnen keine rechtlichen Hinderungsgründe gegen ihre Ehe bekannt seien, und daß sie sich gegenseitig zum Mann und zur Frau nähmen. Alle Beteiligten unterschreiben dann ein entsprechendes Formular; so bald wie möglich registriert der Standesbeamte die Eheschließung 18 . Ein Abweichen von diesem Verfahren ist nicht ersichtlich, so daß Bedenken wegen der Formgültigkeit der Ehe nicht bestehen. Es ist insbesondere keine Frage eines Formverstoßes, wenn die Erklärung der Verlobten, von Ehehindernissen nicht zu wissen, unzutreffend gewesen sein sollte. 2. Als materieller Hinderungsgrund für eine gültige Eheschließung kommt hier die noch bestehende Ehe des Beschuldigten in Betracht. Nach schottischem Recht ist eine Ehe zwischen Partnern, von denen einer bereits verheiratet ist, ipso iure nichtig 1 9 . Der besondere Fall der „bereits bestehenden Ehe eines Verlobten" wird nicht zum Problem der persönlichen Ehefähigkeit gerechnet, sondern als ein sonstiges Ehehindernis angesehen. Walton, aaO, erwähnt die Doppelehe im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Formfragen und persön16 So Walton 323-325. Walton 323, 325. 18 Darstellung nach Walton 23. Walton 24. a Walton 19; Smith, A Short Commentary on the Law of Scotland (Edinburgh 1962) 316; Gloag und Henderson, Introduction to the Law of Scotland, 6. Aufl. von Gibb und Walker (Edinburgh 1956) 601. 15

17

Scheidung

/ Mexiko

(Chihuahua),

Schottland

239

lieber Ehefähigkeit nicht, führt sie aber als einen Grund der Nichtigkeit der späteren Ehe unter „Ehehindernisse" auf (S. 5, 19). Sie ist also ein materiellrechtliches Moment. Da dasselbe Ehehindernis nach § 20 EheG auch im deutschen Recht besteht, ist nach schottischem Recht eine Doppelehe auf jeden Fall nichtig, ganz gleich, ob die Beurteilung der Doppelehe nach schottischem materiellem Recht oder durch Heranziehung der maßgeblichen Vorschriften des deutschen Rechts zu beurteilen ist. Da weiter die von dem Gericht in Chihuahua ausgesprochene Ehescheidung in Schottland nicht anerkannt wird, galt dort die erste Ehe des Beschuldigten als fortbestehend, die Eheschließung vom 27.5.1965 vor dem Registrar in Kilmarnock ist deshalb als bigamische Eheschließung nach schottischem Recht nichtig. V. Gültigkeit der in Schottland erfolgten nach deutschem Recht

Eheschließung

1. Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB bestimmt sich zwar die Form eines Rechtsgeschäftes nach den Gesetzen, welche für das den Gegenstand des Rechtsgeschäftes bildende Rechtsverhältnis maßgebend sind, jedoch genügt die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift ist auch die Eheschließung 20 . Da hier beide Verlobte Deutsche waren, ist zwar nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht das sachlich maßgebliche Recht; ob aber die in Schottland vorgenommene Eheschließung den Formerfordernissen des deutschen Rechts entspricht - was z. B. Raape 252, grundsätzlich für ausgeschlossen hält - , braucht nicht untersucht zu werden, weil ja gem. Art. 11 EGBGB die Beobachtung der Ortsform, nämlich der schottischen Formvorschriften, ausreicht. Das deutsche Recht versagt also nicht schon aus formalen Gründen der in Schottland geschlossenen Ehe zwischen den Beschuldigten die Anerkennung. 2. Da aber nach der Kollisionsvorschrift des Art. 13 Abs. 1 EGBGB das Heimatrecht eines jeden Verlobten über die sachlichen Ehevoraussetzungen entscheidet 21 , also deutsches Recht, ist nach diesem Recht auch über das Hindernis der Doppelehe zu befinden 22 . Wie dargelegt, zeitigt die Ehescheidung in Chihuahua für Deutschland keine Wirkungen. Der Beschuldigte lebte also zur Zeit der Eheschließung vom 27. Mai 1965 mit seiner ersten Frau in gültiger Ehe mit der Folge, daß die zweite Ehe gem. § 20 EheG nichtig ist. 20 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 47 zu Art. 13; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 249f.; Palandt(-Lauterbach), Bürgerliches Gesetzbuch (24. Aufl. 1965) Art. 11 EGBGB, Anm. 1, Art. 13 EGBGB, Anm 6b. 1 1 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 3 zu Art. 13. " Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 16 zu Art. 13 mit Nachweisen.

240

Familienrecht

VI. Vorliegen einer bigamistischen

Doppelehe

1. Die Frage, ob „eine bigamistische Doppelehe" vorliege, ist wesentlich eine strafrechtliche. Daß eine „Doppelehe" im Sinne des § 20 EheG vorliegt, ergibt sich aus den Ausführungen zu V. Internationalrechtlich ist im Tatbestand des § 171 Abs. 1 StGB von Bedeutung, ob etwa die Merkmale „Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt" und „verheiratet ist" in diesem strafrechtlichen Zusammenhang nach denselben Regeln des internationalen Privatrechts abgegrenzt werden wie hinsichtlich der im Vorstehenden erörterten rein familienrechtlichen Fragen. Gründe für eine Differenzierung sind nicht erkennbar. Da diese Merkmale selbst ohne weiteres als solche des deutschen Zivilrechts verstanden werden 23 , wäre im Gegenteil für andere als die allgemeinen internationalprivatrechtlichen Regeln für die Beurteilung von Fällen mit Auslandsbeziehung kein Raum. Zu beurteilen, ob nach allem die Beschuldigten den Tatbestand des § 171 StGB erfüllt haben, sieht das Institut als nicht mehr im Rahmen des Gutachtenauftrages liegend an. 2. Auch das schottische Recht kennt den Straftatbestand der Bigamie (bigamy). Wie der größte Teil des schottischen Strafrechts ist er nicht im gesetzten Recht zu finden, sondern als „Fallrecht" von den Gerichten entwickelt. Smith 190 gibt den Tatbestand wie folgt wieder: „Bigamy is the crime of contracting an ostensible marriage with another partner during the lifetime of a spouse."

Bigamie ist das Verbrechen des Eingehens einer vorgeblichen Ehe mit einem anderen Partner während der Lebenszeit eines Ehegatten.

Bei Gloag-Henderson 681 heißt es: „The crime of bigamy is committed by one who feloniously, during the life of his or her spouse, enters into what but for the prior contract would be a marriage with a third party."

Das Verbrechen der Bigamie wird von jemandem begangen, der in verbrecherischer Weise während der Lebenszeit seines Ehegatten etwas eingeht, das wäre nicht der frühere Eheschluß, eine Ehe mit einem Dritten sein würde.

Die zweite Formulierung läßt klarer erkennen, daß als Täter strafbar nur der ist, der als bereits oder noch Verheirateter mit einem Dritten die Ehe eingeht, nicht aber der Dritte. Dabei ist jedoch von Bedeutung, daß das schottische Recht grundsätzlich keinen Unterschied zwischen Täter und Teilnehmer macht, sondern sowohl den „actor" wie den „art and part" (= artifex et particeps) wegen der Tat selbst bestraft 24 . Auch der unverheiratete Teilnehmer an einer bigamistischen Eheschließung kann demnach wegen dieser Tat bestraft werden. 23 24

Vgl. z.B. Schwarz-Dreher, Strafgesetzbuch (26. Aufl. 1964) § 171 Anm. 1. Smith 165; Gloag/Henderson 672.

Scheidung / England VII.

241

Ergebnis

1. Das Sdieidungsurteil des Gerichtes in Ciudad Juarez ist als nach dem Recht des Staates Chihuahua, Mexiko, gültig und rechtskräftig anzusehen. 2. Nach deutschem Recht ist diesem Urteil die Anerkennung zu versagen. 3. Auch für das schottische Recht liegt keine wirksame Ehescheidung vor. 4. Die Eheschließung in Schottland ist zwar formell ordnungsgemäß erfolgt, jedoch als Doppelehe nichtig. 5. Dasselbe gilt für die Gültigkeit der Ehe nach deutschem Recht. 6. Bigamie ist auch nach schottischem Recht mit Strafe bedroht.

Nr. 23 England 1. Zustandekommen einer Ehe ohne Einhaltung einer Form bei faktlsdier allgemeiner Unmöglichkeit, die gesetzlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten einzuhalten. 2. Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils in England. 3. Internationale Zuständigkeit („Jurisdiction") für Ehescheidung nadi englischem Recht. 4. Wohnsitz („domicile11) im Sinne englisdien Rechts. 5. Verstoß eines deutschen Scheidungsurteils gegen englischen ordre public? 6. „Duress" als Hinderungsgrund für die Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils nach englischem internationalem Verfahrensrecht. Hamburg G 32/65 vom 24.1.1966

Herr G. C., Consultant on International Law in London, bittet um Auskunft über deutsches und englisches Internationales Eherecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 20. 7.1965 ist in London der britische Staatsangehörige Dr. Kurt M. verstorben. Er hatte im Jahre 1932 in Berlin die Deutsche Gertrud B. geheiratet und lebte dort als Mittelschullehrer. Im August 1938 siedelte der Verstorbene wegen rassischer Verfolgung in die Tschechoslowakei, im August 1939 nach England über; hier wollte er den vorliegenden Angaben zufolge für immer, jedenfalls auf unbestimmte Zeit verbleiben. Seine Ehefrau blieb zunächst in Deutschland zurück. Um nicht ihre Stellung zu verlieren, ließ sie sich von ihrem Ehemann in dessen Einverständnis scheiden. Nach Kriegsende ist sie ihrem Ehemann nach England gefolgt 16 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

FamUienrecht

242

und hat dort mit ihm bis zu seinem Tode zusammengelebt; auch sie hat im Jahre 1949 die britische Staatsangehörigkeit erworben. Laut Erklärung des Ehemannes vom 10. 1.1964 haben sich die Parteien weiterhin als verheiratet betrachtet. Im Scheidungsurteil des Landgerichts Berlin vom 24.10.1939 ist vermerkt, daß dem Beklagten die Scheidungsklage nebst Terminbestimmung und Ladung am 23.6.1939 zugestellt worden sei. Der Verstorbene konnte sich jedoch an keinerlei Zustellungen erinnern. Gefragt wird im Hinblick auf eine Witwenrente gemäß § 85 BEG - offensichtlich unter Verneinung einer analogen Anwendung von § 17 II 2 BEG - , ob die Ehe der Parteien im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BEG, am 1.10. 1953, nach englischem Recht noch bestanden habe. Es wird auf eine Auskunft des Beratungsausschusses für Ruhegehaltsansprüche jüdischer Gemeindebediensteter in Bonn sowie auf eine gutachtliche Stellungnahme der Solicitor-Firma Nairnsey, Fisher & Co. in London verwiesen; von beiden wird die Beachtlichkeit des deutschen Scheidungsurteils vom Standpunkt des englischen Rechts wegen Unzuständigkeit des deutschen Scheidungsgerichts sowie wegen fehlender Zustellung der Scheidungsklage an den Ehemann verneint. I. Wirksamkeit

des Scheidungsurteils

nach deutschem Recht

1. Das deutsche Internationale Privatrecht enthält keine Kollisionsnorm, die den Personenstand als solchen umfaßt. Der Personenstand eines Menschen wird vielmehr als Folge verschiedener familienrechtlicher Ereignisse gesehen, die jeweils einer gesonderten Anknüpfung unterliegen. So ist der Ehestand grundsätzlich durch eine gültige Eheschließung sowie den Nichteintritt eines Auflösungsgrundes bedingt. Letztere Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nur dann erfüllt, wenn das Scheidungsurteil schon nach deutschem Verfahrensrecht der Wirksamkeit entbehrt. Ob das seinerzeit unter Deutschen in Deutschland ergangene Urteil von englischen Gerichten anerkannt wird oder nicht, ist zunächst gleichgültig. 2. Nach deutschem materiellem Recht, nämlich dem Bundesgesetz über die Anerkennung freier Eheschließungen rassisch und politisch Verfolgter vom 23. 6. 1950 (BGBl. 226), ist die nachträgliche Anerkennung derjenigen freien Lebensgemeinschaften als Ehen gestattet, bei denen die Eheschließung aus rassischen oder politischen Gründen nicht möglich war. Auch wenn die Eheleute geschieden waren, ist die nachträgliche Anerkennung ihrer noch nach der Scheidung andauernden (geistigen) Gemeinschaft als Ehe zulässig - und zwar auch nach dem Tode eines von ihnen - , sofern die Umstände ergeben, daß den Partnern die formelle Aufrechterhaltung ihrer Ehe nicht zuzumuten war, daß sich aber trotz der gerichtlichen Scheidung

Scheidung

/ England

243

an ihrer inneren ehelichen Verbundenheit und ihrer gegenseitigen Treue nichts geändert hatte. In diesem Fall wird kraft Gesetzes die unter staatlichem Zwang ausgesprochene Scheidung rückgängig gemacht 1 . Das Anerkennungsgesetz erklärt indessen die freien Ehen nicht schlechterdings für (weiterhin) gültig. Es setzt vielmehr für die „Zuerkennung der Rechtswirkungen einer gesetzlichen Ehe" ein förmliches Anerkennungsverfahren voraus. Diesbezügliche Anträge konnten nur bis zum 31. 12. 1957 gestellt werden 2 . Eines förmlichen Anerkennungsverfahrens bedarf es indessen nicht, wenn das Scheidungsurteil unter Verletzung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zustande gekommen ist. In diesem Fall konnte es als sog. „Nidit-Urteil" die Ehe nicht auflösen 8 . Im vorliegenden Fall besteht indessen angesichts der Erklärung des verstorbenen Ehemannes, die Scheidung sei mit seinem Einverständnis erfolgt, kein Grund für die Annahme, die Ehe der Parteien sei aufgrund eines Verfahrens geschieden worden, das rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügte. Wenn auch die Beweggründe, die zur Scheidungsklage der Frau führten, allein den Umweltverhältnissen und nicht einem Mangel an ehelicher Gesinnung entsprangen, so steht dies der Rechtskraftwirkung des die Scheidung aussprechenden Urteils nicht entgegen; selbst dann nicht, wenn die wahren Beweggründe der Scheidungsklage dem Gericht erkennbar gewesen sein sollten 4 . Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Ehe der Parteien rechtswirksam geschieden worden ist. II. Nichtanerkennung der Scheidung im neuen Heimatstaat als Surrogat einer Wiederheirat? Es fragt sich nun, ob für die geschiedenen Ehegatten eine erneute Eheschließung miteinander sich deshalb erübrigte, weil sie die Staatsangehörigkeit eines Landes erwarben, in welchem das deutsche Scheidungsurteil nicht anerkannt wurde. 1. Grundsätzlich ist diese Frage - zu der in Deutschland bisher, soweit ersichtlich, eine gerichtliche Stellungnahme fehlt - aus folgenden Erwägungen zu bejahen: Der Gesetzgeber hat durch Art. 6 des AHK-Gesetzes Nr. 23 über die Rechtsverhältnisse der verschleppten Personen und Flüchtlinge vom 17. 3. 1950, durch das Bundesgesetz über die Anerkennung von Nottrauungen 1

Vgl. hierzu Küster, SJZ 1950, 807; Dolle, Familienrecht, Bd. I (1964) Anh. zu § 41, S. 647 f. 2 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter vom 7. 3. 1956 (BGBl. I 104). 3 Vgl. OLG Koblenz 7. 5. 1948, HEZ 2, 107; Hoümeyer, FamRZ 1956, 266 f. 4 Vgl. BGH 26. 2. 1960, FamRZ 1960, 198. 16 *

244

Familienrecht

vom 2. 12.1950 sowie durch das vorerwähnte Anerkennungsgesetz vom 23. 6.1950 gewissen nicht standesamtlich geschlossenen Ehen nachträglich seine Sanktion mit rückwirkender Kraft verliehen, ohne daß es in diesen Fällen einer Nachholung der gesetzlichen Eheschließungsform bedurfte. Diese Regelungen lassen den Grundsatz erkennen, daß bei faktischer allgemeiner Unmöglichkeit, die gesetzlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten einer Eheschließung einzuhalten, eine Ehe auch in anderer Form, notfalls - und das ist hier von Bedeutung - auch ohne Einhaltung jeglicher Form, zustande kommen kann 5 . Dieser Grundsatz ist auch in der Rechtsprechung anerkannt worden 8 . In gleicher Weise muß von dem Erfordernis einer förmlichen Eheschließung aber auch dann abgesehen werden, wenn eine Eheschließung zwar vielleicht möglich wäre, jedoch deshalb als nicht erforderlich erscheint, weil die Nupturienten ohnehin als verheiratet gelten. Auch sonst ist dem deutschen Internationalen Privatrecht die Anerkennung einer Ehe infolge Wechsels der Staatsangehörigkeit nicht unbekannt. So wird heute vom überwiegenden Teil der Rechtsprechung und Lehre die Möglichkeit der nachträglichen Heilung einer fehlerhaften - selbst nichtigen - Ehe bei gemeinsamem Staatsangehörigkeitswechsel beider Ehegatten bejaht 7 . Demgemäß ist im vorliegenden Fall die Ehe als gültig anzusehen, sofern das neue Heimatrecht der Parteien dem deutschen Scheidungsurteil die Anerkennung verwehrt. 2. Zur Bestimmung des Heimatrechts genügt indessen die britische Staatsangehörigkeit der Eheleute nicht, denn das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland stellt kein einheitliches Rechtsgebiet dar, sondern umfaßt zahlreiche Teilrechtsgebiete. Da im Vereinigten Königreich auch kein einheitliches Kollisionsrecht gilt, aufgrund dessen die maßgebende Teilrechtsordnung bestimmt werden könnte 8 , da ferner innerhalb des Vereinigten Königreichs keine besondere politische Gebietszugehörigkeit besteht, an die man in Analogie zum Staatsangehörigkeitsprinzip anknüpfen könnte, muß die nähere Bestimmung im W e g e einer Analogie zum deutschen Interlokalen Privatrecht erfolgen 9 . s

Vgl. Neuhaus, StAZ 1956, 195, 196. OLG Stuttgart 5. 11. 1962, FamRZ 1963, 39, bestätigt durch die Verweigerung des Armenrechts für die Revision durdi BGH 6. 5. 1963, FamRZ 1963, 352 Nr. 170. Zustimmend Gamillscheg, Festschrift Nipperdey I (1965) 344 f. 7 BGH 11. 6. 1958 (obiter), JZ 1959, 121 mit zust. Anm. Beitzke; RG 16. 5. 1931, RGZ 132, 416; KG 5. 8. 1937, JW 1938, 855; Palandt(-Lauteibach), BGB (25. Aufl. 1966), Art. 13 EGBGB, Anm. 1; Erman(-Marquordt), Handkommentar zum BGB, Bd. II (3. Aufl. 1962), Art. 13 EGBGB, Anm. 3 e und 10d. 8 Vgl. Falconbridge, Essays on the Conflict of Laws (2. Aufl. 1954) 202 ff., insb. 205 f. und (hinsichtlich der Unzulässigkeit eines Rückgriffs auf das englische Kollisionsrecht) 208, 209, 213 f. » Vgl. Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 138f.; Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 209 ff. ; Raape (5. Aufl. 1961) 149. 8

Scheidung

/

England

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Neben die Staatsangehörigkeit tritt auf diese Weise ergänzend der letzte Wohnsitz (i. S. des deutschen Rechts) oder der letzte gewöhnliche Aufenthalt der betreffenden Person(en) in ihrem Heimatstaat 1 0 . Das deutsche Internationale Privatrecht verweist somit im vorliegenden Fall auf das englische Recht. 3. Im englischen Recht ist die Anerkennung eines ausländischen Ehescheidungsurteils in erster Linie von der Jurisdiktion des Scheidungsgerichts abhängig: Besaß das ausländische Gericht bei Beginn des Scheidungsverfahrens nach den im folgenden darzulegenden Grundsätzen des englischen Internationalen Verfahrensrechts „Jurisdiction" (der Begriff umfaßt nach deutscher Terminologie sowohl Gerichtsbarkeit wie internationale Zuständigkeit), so wird das Urteil grundsätzlich anerkannt 1 1 . Dabei ist es gleichgültig, welches Recht der Scheidung zugrunde gelegt worden ist. In diesem Sinne haben die englischen Gerichte neuerdings wiederholt betont, daß es kein Hindernis für die Anerkennung einer am Aufenthaltsort der Frau erfolgten Scheidung bildet, wenn der im Urteil als maßgebend bezeichnete Scheidungsgrund dem englischen Recht unbekannt, ja nach englischen Begriffen befremdlich ist 1 2 . a) Grundsätzlich ist die jurisdiction eines Gerichts zur Scheidung einer Ehe nach englischer Auffassung dann gegeben, wenn die Parteien im Gerichtsstaat domiziliert sind 1 3 . Mit dieser Regel sind allerdings vereinzelte Entscheidungen nicht in Einklang zu bringen. In Metzger v. Metzger14 erkannte das englische Gericht die Ehescheidung eines deutschen Gerichts an, obwohl der Nachweis eines deutschen Domizils nicht erbracht werden konnte. Es war zwar nicht ausgeschlossen, daß die Parteien in Deutschland domiziliert waren, doch mußte das Gericht mangels eines sicheren Beweises davon ausgehen, daß die Zuständigkeit des deutschen Gerichts nur aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit angenommen worden war. Diese war allerdings bei beiden Parteien gegeben 1 5 . 1 0 V g l . Soergel(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), v o r Art. 7 EGBGB, A n m . 109ff., S. 538f. Börner, S t A Z 1956, 43 ff., 44f.; Staudinger(-Raape), Kommentar zum BGB, Bd. VI/2 (9. A u f l . 1931), Einl. H III 2 S. 35 ff. 1 1 V g l . für a l l e Dicey(-Morris), Conflict of L a w s (7. Aufl. 1958) 304 (Rule 42). 12 Mountbatten v. Mountbatten, [1959] P. 43, 64; Manning v. Manning, [1958] P. 112; Gerrard v. Gerrard (1958), Times, N o v . 18; Matchett v. Knapitsch-Malchett (1958), Times, Dec. 16. V g l . Rayden, Practice a n d L a w of D i v o r c e (9. Aufl. 1964) 859, 861 f.; Dicey(-Morris) 304 f., 322; Webb,Int. Comp. L. Q . 7 (1958) 374 ff.; Dopfiel, R a b e l s Z 23 (1958) 312-315, 318. 19 Harvey v. Farnie (1892), 8 A p p . C a s . 43; Bates v. Bates, [1906] P. 209; Wyler v. L y o n s , [1963] W . L . R . 610; Cheshire, Private International L a w (6. Aufl. 1961) 383ff.; Dicey(-Morris) 304 m . w . N . 1 4 [1936] A11E.R. 130. 1 5 V g l . auch Pastre v. Pastre, [1930] P. 80; Graveson, R e c o g n i t i o n of F o r e i g n D e c r e e s : Grotius S o c i e t y T r a n s a c t i o n s 37 (1952) 149, 155ff.; ders., The Conflict of L a w s (4. Aufl. 1960) 460.

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Familienrecht

Diese Entscheidungen scheinen eine gewisse Änderung in der englischen Haltung anzukündigen 1 6 . Sie reichen jedoch nicht aus, die Staatsangehörigkeit der Ehegatten schon de lege lata generell als entscheidendes Anknüpfungsmerkmal zu werten 1 6 4 . In erster Linie maßgebend ist vielmehr das Domizil der Parteien im Zeitpunkt der Klagerhebung. Dabei ist das eheliche Domizil stets einheitlich nach dem Domizil des Mannes zu bestimmen, auch wenn die Eheleute getrennt leben Domizil (domicile) im Sinne des englischen Rechts bedeutet die Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet. Jede Person hat ein derartiges Domizil, kann aber zur gleichen Zeit nur ein Domizil haben. Im einzelnen wird unterschieden zwischen dem durch Geburt erworbenen domicile of origin (Domizil des ehelichen Vaters bzw. der unehelichen Mutter im Zeitpunkt der Geburt) und dem domicile of choice. Letzteres kann eine volljährige Person dadurch erwerben, daß sie sich in einem anderen Land mit der Absicht niederläßt, dort für immer oder jedenfalls doch auf unbestimmte Zeit zu verbleiben (sog. animus manendi) und nicht mehr in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren (sog. animus non revertendi). Ob eine Person in einem anderen Land ein domicile of choice erworben hat, ist Tatfrage, bei deren Entscheidung nach der Praxis der englischen Gerichte der Dauer des Aufenthaltes in dem betreffenden Lande und den eigenen Äußerungen des Betroffenen besondere Bedeutung zukommt, darüber hinaus aber alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für oder gegen die Absicht sprechen, dauernd in diesem Lande zu verbleiben und nicht mehr in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren. Für den Fortbestand eines Domizils, insbesondere des Ursprungsdomizils, besteht eine Vermutung 1 8 . Im vorliegenden Fall dürfte der verstorbene Ehemann angesichts der Tatsache, daß er früher als Mittelschullehrer in Deutschland tätig war, wenigstens bis 1938 in Deutschland domiziliert gewesen sein. 16 Vgl. Graveson, Conflict 460: „The case of recognition of decrees pronounced by courts on the basis of nationality is thus greatly strenthened." Anm. der Red.: Siehe aber jetzt Indyka v. lndyka, [1967] 2 All E. R. 689 (H. L.), wonach nunmehr ausländische Scheidungsurteile in England immer dann anerkannt werden, wenn der Kläger im Gerichtsstaat wohnhaft gewesen ist und eine enge Beziehung („substantial connection") des Klägers zum Gerichtsstaat vorgelegen hat. Die „substantial connection" wird durch Staatsangehörigkeit oder Bestehen des ehelichen Wohnsitzes im Gerichtsstaat begründet. Dazu von Metzler, Anerkennung einer in Deutschland erwirkten Scheidung seitens der englischen Gerichte: N J W 1967, 1699. 17 Att.-Gen. ¡or Alberta v. Cook, [1926] A.C. 444 (P.C.); H.v.H., [1928] P. 206; Dicey(-Treitel) 119f. (Rule 13); Dopfiel 302f.; Henrich, Der Domizilbegriff im englischen IPR: RabelsZ 25 (1960) 456 ff., 486 ff. m . w . N . 18 Ausführlich hierzu: Henrich aaO; Cheshire 164 ff.; Graveson, Conflict 74ff.; M. Wolii, Private International Law (2. Aufl. 1950) 106ff.; Dicey(-Treitei) 85ff.; Schmitthoff 65 ff.

Scheidung / England.

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Ob er bei Prozeßbeginn (Juni 1939) durch seine Übersiedlung in die Tschechoslowakei dort ein Wahldomizil - sei es im böhmisch-mährischen oder im slowakischen Rechtsgebiet - erworben hatte, ist fraglich. Denn in der Regel wird ein Wahldomizil dann nicht erworben, wenn der neue Aufenthalt nicht freiwillig ist. Demgemäß erwerben Emigranten, die ihr Heimatland aus kriminellen, politischen, religiösen oder - wie im vorliegenden Fall - aus rassischen Gründen verlassen, am neuen Aufenthaltsort grundsätzlich kein Wahldomizil. Vielmehr wird angesichts des unfreiwilligen Weggangs vom Ort des bisherigen Domizils vermutet, daß der Betroffene dorthin zurückkehren wolle, sobald die Umstände dies erlauben 19 . Diese Vermutung - die hier durch das Verbleiben der Frau in Deutschland bestärkt wird - ist indessen widerleglich. Flüchtlinge erwerben dann ein Wahldomizil an ihrem neuen Aufenthaltsort, wenn sie unabhängig vom Weiterbestehen des Fluchtgrundes an diesem Ort bleiben wollen 20 . Im vorliegenden Fall ist der verstorbene Ehemann zunächst in die Tschechoslowakei und erst während des Scheidungsprozesses nach England gegangen. Wollte er in der Tschechoslowakei nur - wenn auch vielleicht auf unbestimmte Zeit - bessere Verhältnisse in Deutschland abwarten oder die spätere Übersiedlung nach England vorbereiten, so hatte er im Zeitpunkt der Scheidungsklage kein böhmisches bzw. slowakisches Wahldomizil erworben. Ohne Begründung eines neuen Domizils aber konnte er sein früheres deutsches Domizil nur dann aufgeben, wenn dieses nicht sein Geburtsdomizil war, worauf aber nichts hinweist. Immerhin ist auch denkbar, daß der Ehemann in der Tschechoslowakei vor der deutschen Besetzung (März 1939) ein Wahldomizil erworben hatte und dieses nur aufgrund der veränderten Umstände im August 1939 wieder aufgegeben hat. In diesem Fall kann die Jurisdiktion des deutschen Scheidungsgerichts nicht auf ein deutsches Domizil der Parteien gestützt werden. b) Ausnahmsweise wird nach englischem Recht bei einem von der Frau eingeleiteten Scheidungsverfahren die Jurisdiktion schon durch ihren dreijährigen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat begründet. Diese Sonderregel wurde im Jahre 1949 für Klagen vor englischen Gerichten durch sec. 1 des Law Reform (Miscellaneous Provisions) Act eingeführt, um die Benachteiligung der Ehefrau durch den Grundsatz der 19

May v. May, [1943] 2 All E. R. 146; Graumann v. Treitel (1940), 162 L. T. 383; Winans v. Att.-Gen., [1904] A. C. 288, 297; Cheshire 181; Graveson, Conflict 92 f.; Kahn, The Domicile of Choice of Immigrant and Deportee: S.A.L.J. 65 (1948) 220if. ; Turpin, Freedom of Choice in the Acquisition of a Domicile of Choice: S.A.L.J. 74 (1957) 201. 20 Per Collin, M. R., in Winans v. Att.-Gen.: „What is dictated by necessity in the first instance may afterwards become a matter of choice." Vgl. auch Cheshire 181; Dicey(-Treitel) 106.

248

Familienrecht

Einheitlichkeit des ehelichen Domizils zu mildern. Sie wurde von dort sachlich unverändert als sec. 18 (1) (b) in den Matrimonial Causes Act von 1950 übernommen 2 1 . Folgerungen hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile wurden in den Gesetzen von 1949 und 1950 aus der für England erlassenen Zuständigkeitsregelung zwar nicht gezogen. Die englischen Gerichte haben sie aber bald auf Klagen im Ausland entsprechend angewandt 2 2 . Nach diesen Entscheidungen steht fest, daß es für die Anerkennung einer im Aufenthaltsstaat der Frau erwirkten Scheidung in England keine Rolle spielt, aus welchen Gründen das Scheidungsgericht seine Zuständigkeit bejaht hat; insbesondere muß also nicht die dortige Zuständigkeitsregelung der englischen entsprechen. Entscheidend ist vielmehr, daß bei Vorliegen der gleichen Umstände in England die englischen Gerichte zur Scheidung zuständig gewesen wären. Dabei ist auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen 23 . Das Reziprozitätsprinzip greift anerkanntermaßen auch rückwirkend ein, wenn also eine entsprechende Zuständigkeitsregelung in England erst nach Erlaß des Scheidungsurteils eingeführt worden ist 24 . Die Frage, in welchem Maße der in sec. 18 (1) (b) des Matrimonial Causes Act von 1950 geforderte dreijährige gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau dauernd und regelmäßig sein muß, ist in der englischen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Anerkanntermaßen ist es aber unschädlich, wenn sich die Frau gelegentlich für einige Wochen oder auch Monate in ein anderes Land begeben hat, z. B. im Urlaub oder als Begleiterin ihres Mannes auf einer Geschäftsreise 25 . Im vorliegenden Fall kommt es also nur darauf an, ob die Ehefrau drei Jahre vor Erhebung der Scheidungsklage ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieser Bestimmung in Deutschland hatte. Gegebenenfalls war nach heutiger englischer Auffassung die Jurisdiktion des deutschen Scheidungsgerichts gegeben. Jedoch am Stichtag des 1.10.1953 hatten die Eheleute noch keinen Anlaß, von dieser späteren Rechtsprechung und damit der „Jurisdiction" eines deutschen Gerichts kraft dreijährigen Aufenthaltes der Frau auszugehen. Vielmehr bleibt es für den Fall, daß der Mann im Zeitpunkt der Klageerhebung ein böhmisches bzw. slowakisches Domi21 Deutsche Ubersetzung bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. III (3. Aufl.), Großbritannien 31 f.; vgl. auch Dicey(-Morris) 299 ff. (Rule40 Exception 2). 22 Grundlegend für den Durchbruch des Reziprozitätsprinzips: Travers v. Holley, [1953] P. 246 (C. A.), und Robinson-Scott v. Robinson-Scott, [1958] P. 71; ausführlich hierzu Doplfel aaO. Wie dort die gesamte spätere Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Rayden 861 f. 23 24 Vgl. Dopilel 310. Garwood v. Garwood, [1964] S. J. 359. 25 Stransky v. Stransky, [1954] P. 428, 437; Macrae v. Macrae, [1949] P. 397 (C.A.).

Scheidung / England

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zil hatte, bei der Wahrscheinlichkeit der Nichtanerkennung der deutschen Jurisdiction und daher des deutschen Scheidungsurteils in England. 4. Aber auch bei Bejahung der Jurisdiktion wird einer ausländischen Entscheidung in England dann die Anerkennung versagt, wenn sie gegen die englische „public policy" verstößt. Die Fälle, die in der englischen Gerichtspraxis unter diesem Gesichtspunkt zu einer Versagung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung führten, sind indessen auf die Vollstreckung ausländischer Leistungstitel beschränkt. Auch hier sind sie nicht zahlreich. So wurde in der Entscheidung Rousillon v. Rousillon 26 die Anerkennung und Vollstreckung eines französischen Urteils deshalb abgelehnt, weil die Urteilsforderung auf der Verletzung eines Vertrages beruhte, der als Einschränkung des freien Wettbewerbs nach englischem Recht nicht wirksam war. Ebenso wurde in der Entscheidung Re Macartney, Macfarlane v. Macartney21 dem Urteil eines Malteser Gerichts, das aufgrund der maltesischen Gesetze einem unehelichen Kind einen lebenslänglichen Unterhaltsanspruch gegen den Erben seines Erzeugers zusprach, in England die Anerkennung und Vollstreckung versagt. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß die Anerkennung eines über die Minderjährigkeit des Kindes hinausgehenden, zeitlich unbeschränkten Unterhaltsanspruchs den Grundsätzen des englischen Rechts widersprechen würde ! 7 a . Dagegen hat die Berufung auf die englische public policy bisher noch in keinem Fall zur Nichtanerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils geführt. Möglicherweise waren zwar derartige Erwägungen mit im Spiel, als der Court of Appeal in der Entscheidung R. v. Superintendent Registrar oi Marriage ior Hammersmith28 einer mohammedanischen talagh-Scheidung die Anerkennung versagte. Doch auch in diesem Fall stützte das Gericht seine Entscheidung nicht auf den ordre public, sondern in erster Linie auf die Feststellung, daß in England nur eine Scheidung aufgrund eines gerichtlichen Urteils Anerkennung finden könne; weiterhin wies das Gericht darauf hin, daß die talagh-Scheidung nur für polygame Ehen vorgesehen sei - für eine monogame Ehe, wie die zur Entscheidung stehende, komme sie schon ihrem Wesen nach nicht in Betracht. Eine Berufung auf die public policy fehlt und wird auch vom Schrifttum in diesem Zusammenhang nicht befürwortet 2 9 . 27 (1880), L.R. 14 Ch.D. 351. [1921] 1 Ch.D. 522. "" Vgl. auch sec. 4 (a) (V) des Foreign Judgment (Reciprocal Enforcement) Act von 1933, wonach die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils zu versagen und die bereits erfolgte Registrierung zu löschen ist, „if the registering court is satisfied that the enforcement of the judgment would be contrary to public policy in the country of the registering court." Vgl. audi Dicey(-Parry) 1002 ff. (Rule 185). 28 [1917] 1 K. B. 634. 29 Vgl. Cheshire 402ff. ; Dicey (-Morris) 305 f., 307 f.

250

Familienrecht

Aufschlußreich ist für den vorliegenden Fall die Entscheidung Igia v. Igia80, der ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zugrunde lag: Der Ehemann war Jude. Er war von Geburt in Polen domiziliert und siedelte später nach Berlin über. Hier hat er nach den Feststellungen des Gerichts ein Wahldomizil erworben. Er heiratete im Jahre 1926, wurde 1938 arrestiert und nach Polen ausgewiesen. In der Folgezeit ging er nach England, erwarb dort jedoch nach Auffassung des Gerichts erst durch seine Einbürgerung nach Beendigung des Krieges ein Wahldomizil. Seine Frau blieb zusammen mit dem aus der Ehe hervorgegangenen Kind zunächst in Deutschland zurück. Sie lebte hier mit einem anderen Mann zusammen und ließ sich 1942 auf Drängen der Gestapo von ihrem Ehemann scheiden. Nach dem Kriege kam es zu einer Versöhnung mit ihrem geschiedenen Ehemann. Sie folgte ihm nach England und lebte dort ein Jahr mit ihm zusammen. Später kam es zur endgültigen Trennung. Der geschiedene Ehemann wanderte in die USA aus und heiratete hier zum zweiten Mal. Das Gerichts hielt die Scheidung für wirksam, obwohl der Ehemann seinerzeit weder eine Ladung erhalten noch sonstwie Kenntnis von dem Verfahren erlangt hatte. Entscheidend für das Gericht war die Tatsache, daß auch das englische Verfahrensrecht in Ehesachen unter bestimmten Umständen eine Ersatzzustellung vorsieht oder gar von dem Erfordernis einer Zustellung absieht 30a . Nach dieser eindeutigen Stellungnahme des Court of Appeal dürfte es heute als gesicherter Bestandteil des englischen Internationalen Verfahrensrechts gelten, daß eine ausländische Scheidung nicht schon deshalb unwirksam ist, weil eine der Parteien nicht ordnungsgemäß geladen war, selbst wenn der Betroffene auch auf andere Weise keine Kenntnis von dem Verfahren erlangt hatte. Im vorliegenden Fall muß im übrigen angesichts der Erklärung des verstorbenen Ehemannes, daß die Scheidung so

[1951] P. 404. Per Pearce, J. 411: „As there is a discretion in our own court to dispense with service, we should be slow to brand a foreign decree as contrary to natural justice (particularly when it was made in time of war) merely because notice did not in fact reach the applicant." Ubereinstimmend Mäher v. Mäher, [1951] P. 342, 344 f., und Boettcher v. Boettcher, [1949] W. N. 83. Anders noch Williams, L. J., in Pemberton v. Hughes, [1899] 1 Ch. 781, 796: „The true principle seems to me to be that a judgement, whether in personam or in rem, of a superior court having jurisdiction over the person must be treated as valid till set aside either by the court itself or by some proceeding in the nature of a writ of error, unless there has been some defect in the initiation of proceedings or in the course of the proceedings, which would make it contrary to natural justice to treat the foreign judgment as valid, as, for instance, a case where there had been not only no service of the process, but no knowledge of it." Vgl. per Lord Penzance in Shaw v. Att.-Gen. (1870), L. R. 2 P. & M. 156, 162: „[The judgment of the foreign court] has, in addition to the want of jurisdiction, the incurable vice of being contrary to natural justice, because the proceedings are ex parte and take place in the absence of the party affected by them." 301

Scheidung / England

251

mit seinem Einverständnis erfolgt sei, davon ausgegangen werden, daß er von dem deutschen Scheidungsverfahren Kenntnis hatte. Der Fall Igra v. Igra unterscheidet sich indessen von dem vorliegenden in drei Punkten: a) Zunächst war der Ehemann zu Beginn des dortigen Verfahrens zweifelsfrei in Deutschland domiziliert. Die Entscheidungsgründe lassen nicht erkennen, ob dieser Punkt für maßgeblich erachtet wurde. Das ist deshalb nicht anzunehmen, weil das englische Verfahrensrecht auch bei Scheidungsklagen der Frau an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort eine Ersatzzustellung vorsieht bzw. ganz von dem Erfordernis einer Zustellung dispensiert 31 . Immerhin könnte die Domizilfrage - wenn auch vielleicht unbewußt - doch mitbestimmend für die kritische Beurteilung des ausländischen Urteils gewesen sein. b) Weiterhin weist Pearce,J., in seiner Urteilsbegründung mit Nachdruck darauf hin, daß der Ehemann das Scheidungsurteil in der Folgezeit durch seine Wiederheirat akzeptiert und dadurch etwaige Mängel geheilt habe 3 2 . c) Schließlich sah der Richter angesichts der Tatsache, daß die Frau in der Abwesenheit ihres Ehemannes mit einem anderen Mann zusammengelebt hatte, keinen Anlaß, auf die Frage einer .duress' seitens der Gestapo einzugehen. Die Formulierung deutet darauf hin, daß er bereit gewesen wäre, gegebenenfalls diesem Umstand Rechnung zu tragen 3 3 . Duress - d. i. Zwang, Nötigung i. S. von § 52 StGB, nicht von § 240 StGB 34 - ist seit langem als Anfechtungs- (früher Nichtigkeits-) Grund für Ehen anerkannt 3 5 . Dagegen ist duress bisher - soweit ersichtlich - nur in einem einzigen Fall als Nichtigkeitsgrund für ein ausländisches Scheidungsurteil anerkannt worden, nämlich in Burke v. Burke36. Auch hier nur obiter, da die Ehe der Parteien wegen Verletzung zwingender Formvorschriften des russischen Eheschließungsrechts für nichtig erklärt wurde. Dieser Fall lag wie folgt: Im November 1946 hatte ein britischer Staatsangehöriger vor einem Standesbeamten in Rußland mit einer Russin die Ehe geschlossen. Unmittelbar nach der Eheschließung war der Ehemann nach England 31

See. 42 Matrimonial Causes Act, 1857. „It must further be remembered that the husband himself is not complaining of want of natural justice in the decree against him, but has accepted it and acted on it by remarrying... The injured party, if there has been injury, has accepted it and acted on it." (412). 33 „As she was then living with another man, I doubt if the suggestion was very distasteful to her or if she was under duress in bringing divorce proceedings." (408 f.) 34 Vgl. Erdsick/Dietl, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, EnglischDeutsch, Teil I (1964) 160. 35 Nachweise bei Rayden 78. 36 Urteil vom 16. 3. 1955, The Times, March 17; vgl. auch Current Law Year Book 1955, Nr. 863. 32

252

Familienrecht

zurückgekehrt und hatte auch in der Folgezeit nicht mehr mit seiner Frau zusammengelebt. Im April 1952 ließ sich die Frau unter Druck („persecuted and tyrannized") von ihrem Mann scheiden, blieb ihm aber - wie das Gericht aufgrund eines an den Ehemann gerichteten Briefes als erwiesen ansah - auch weiterhin verbunden. Unter diesen Umständen wurde der russischen Ehescheidung die Anerkennung versagt, da sie gegen den Willen der Frau erfolgt sei 3 7 . Demgemäß erscheint im gegenwärtigen Zeitpunkt die Rechtslage nicht abschließend geklärt. Ob ein englisches Gericht die Androhung des Verlustes der Stellung als ausreichenden Druck erachten würde, um das Vorliegen von duress zu bejahen, und welche Bedeutung es der Tatsache beimessen würde, daß das Scheidungsverfahren im Einverständnis mit dem verstorbenen Ehemann durchgeführt worden ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Immerhin sprechen schwerwiegende Gründe dafür, daß ein englisches Gericht im vorliegenden Fall dem deutschen Scheidungsurteil die Anerkennung versagen und die Ehe als bis zum Tode des Mannes fortbestehend ansehen würde. III. Ergebnis Obwohl das deutsche Scheidungsurteil vom 24.10.1939 in Deutschland wirksam ist, konnten die Eheleute M. auch ohne neue Eheschließung am 1. 10.1953 als miteinander verheiratet angesehen werden, weil sie - jedenfalls bei einem böhmischen oder slowakischen Domizil im englischen Sinn zur Zeit der Klageerhebung, aber wohl auch bei noch fortbestehendem deutschem Domizil - von der Nichtanerkennung des Scheidungsurteils durch ihr damaliges Heimatrecht ausgehen durften.

Nr. 24 USA (New Jersey, New York) 1. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Scheidungssadien nach deutschem und US-amerikanisdiem internationalem Verfahrensredit. 2. Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils in den Staaten der USA, insbesondere in New Jersey und in New York. 3. Begründung eines Wahldomizils nach dem Recht New Jerseys. Hamburg G 113/66 vom 19. 7.1966 37 Per Barnard, J.: „Although the parties never lived together again it was clear from a letter written by the wife to the husband that she remained in love with him and that she was being persecuted and tyrannized to obtain a divorce. She had written a letter full of spirit in July, 1950, but after that the husband heard no more and in April, 1952, no doubt as a result of persecution, she had obtained a divorce in Russia which according to the law of this country was of no more weight than waste paper." (The Times aaO S. 4.)

Scheidung / USA (New Jersey,

New

York)

253

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg bittet in der Ehescheidungssache L. gegen L. um Auskunft über Internationales Privat- und Zivilprozeßrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien sind amerikanische Staatsangehörige. Sie haben am 29. 3. 1957 in New York geheiratet. Aus der Ehe ist der am 4.10.1958 geborene Sohn Evert hervorgegangen. Der Kläger, von Geburt Deutscher, ist im Jahre 1924 im Alter von vier Jahren zusammen mit seiner Mutter nach San Franzisko/Kalifornien gegangen. Dort ist er etwa als Siebzehnjähriger eingebürgert worden. 1945 zog der Kläger nach New York, wo er bis 1955 als Angestellter tätig war. 1955 wurde er Geschäftsführer für eine deutsche Reederei und blieb dies, bis er im Jahre 1960 nach Deutschland ging. Hier in Deutschland ist er als Vertreter für fünf amerikanische Firmen und eine norwegische Firma tätig. Der Kläger wird von diesen Firmen in amerikanischer Währung entlohnt. Als der Kläger zusammen mit seiner Familie im Jahre 1960 nach Deutschland verzog, geschah dies in der Absicht, dem Sohn Evert während der ersten Kindheitsjähre eine deutsche Erziehung zuteil werden zu lassen. Die Parteien planten, die Erziehung des Sohnes in Amerika fortzusetzen, sobald der Sohn 12 bis 13 Jahre alt sein würde. Ob die Parteien dann mit dem Sohn zusammen nach den USA zurückkehren würden oder ob sie den Sohn allein nach den USA schicken würden, war seinerzeit noch nicht entschieden. Die letzte Zeit vor ihrer Abreise nach Deutschland hatten die Parteien in New Jersey gelebt, wo sie gemeinsam ein Haus gekauft hatten. Dieses Haus hatten sie bei ihrer Abreise vermietet. Erst im März 1965 ist das Haus verkauft worden, und zwar deswegen, weil die Ehe der Parteien inzwischen einen ungünstigen Verlauf genommen hatte und weil die Parteien keinen Sinn mehr darin sahen, dieses recht teure Haus zu halten, wenn sie es nicht mehr gemeinsam bewohnen würden. Im übrigen war das Haus auch schwer zu vermieten. Der Kaufpreis, der für das Haus gezahlt worden ist, ist nur zu einem geringen Teil nach Deutschland transferiert worden, im wesentlichen befindet er sich noch in den USA bei einem gemeinsamen Bevollmächtigten der Parteien. Genaue Pläne darüber, was er im Falle einer Scheidung tun würde, hat der Kläger noch nicht gefaßt. Das hängt nach seiner Erklärung davon ab, wem der Sohn zugesprochen wird. Der Kläger will, sofern ihm der Sohn zugesprochen wird, die Erziehung seines Sohnes, wie geplant, zunächst in Deutschland fortsetzen. Falls der Mutter der Sohn zugesprochen würde, würde er wahrscheinlich nach den USA zurückkehren, um seinem Sohn näher zu sein. Die Mutter des Kindes, der das Amtsgericht Hamburg durch - einen inzwischen ausgesetzten - Beschluß vom 6.12.1965 die elterliche Gewalt übertragen hatte, ist mit dem Kind in die USA zurückgekehrt.

254

Familienrecht

Die Verwandten des Klägers, nämlich seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder sowie die Familien seiner Geschwister, leben in den Vereinigten Staaten. Die Parteien haben vor dem Landgericht Hamburg Klage und Widerklage auf Scheidung - jeweils gestützt auf in Deutschland begangene schwere Eheverfehlungen - erhoben. Das Landgericht hat Klage und Widerklage als unzulässig abgewiesen, da es an der deutschen Gerichtsbarkeit fehle. Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht fragt an, ob eine von ihm erlassene Entscheidung durch den Bundesstaat New Jersey oder einen möglicherweise an seiner Stelle in Betracht kommenden anderen amerikanischen Bundesstaat nach § 606 b Nr. 1 ZPO anerkannt werden würde.

I.

Staatsvertiäge

Da der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10. 1954 (BGBl. 1956 II 488), der laut Bekanntmachung vom 28. 6. 1956 (BGBl. II 763) am 14. 7.1956 in Kraft getreten ist, keine Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht in Ehescheidungssachen enthält und auch beide Staaten nicht Vertragspartner des Haager Abkommens zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiete der Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bett vom 12. 6.1902 sind 1 , sind die allgemeinen deutschen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Ehescheidungssachen und das deutsche Internationale Privatrecht zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts maßgebend.

II. Internationale

Zuständigkeit

Nach § 606 b Nr. 1 ZPO sind deutsche Gerichte für die Scheidung von Ehegatten, die beide nicht die deutsche, aber eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen, nur dann international zuständig, wenn (1) der gewöhnliche Aufenthaltsort des Mannes oder der Frau im Inland gelegen ist und (2) nach dem Heimatrecht des Mannes die von dem deutschen Gericht zu fällende Entscheidung anerkannt werden wird. Obwohl diese Vorschrift bei der zweiten Voraussetzung deutscher internationaler Zuständigkeit nur auf das Heimatrecht des Mannes abstellt, 1

Makaiov, Quellen des internationalen Privatrechts II (2. Aufl. 1960) 602 ff.

Scheidung

/ USA (New Jersey,

New

York)

255

verstößt sie - ebenso wie der frühere, gleichlautende § 606 III Nr. 1 ZPO nicht gegen Art. 3 II GG 2 . 1.Der gewöhnliche

Aufenthalt

des Mannes

Die Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei beurteilt sich nach deutschem Recht 3 . Unter gewöhnlichem Aufenthaltsort im Sinne der §§ 606 ff. ZPO ist der Ort zu verstehen, an dem jemand ständig oder wenigstens für längere Zeit, wenn auch nicht ununterbrochen, sich aufzuhalten pflegt, insbesondere den tatsächlichen Mittelpunkt seines Daseins hat. Die Absicht, den Aufenthaltsort zum Lebensmittelpunkt zu machen, ist - anders als bei der Wohnsitzbegründung - nicht erforderlich 4 . Da der Kläger seit 1960 in Deutschland lebt und bis auf weiteres hier zu bleiben gedenkt, kann unbedenklich davon ausgegangen werden, daß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. 2. Anerkennung

durch das Heimatrecht

des

Ehemannes

Da der Ehemann amerikanischer Staatsbürger ist, wird auf das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika verwiesen. Die USA sind jedoch - von wenigen Rechtsmaterien, die bundesrechtlich und damit einheitlich geregelt sind, abgesehen - kein einheitliches Rechtsgebiet; vielmehr hat jeder Einzelstaat sein eigenes internationales und materielles Privatrecht 5 . Das gilt auch hinsichtlich der Rechtsnormen, welche die Anerkennung ausländischer Entscheidungen regeln 6 . Allerdings bestimmt die amerikanische Bundesverfassung in der sogenannten füll faith and credit clause (Art. IV § 1), jeder Staat der Union habe gerichtliche Entscheidungen eines Schwesterstaates anzuerkennen. Der Supreme Court of the United States hat aus dieser Vorschrift folgende Grundsätze entwickelt: 1 BGH 18. 1. 1954, N J W 1954, 837 = IPRspr. 1954-1955 Nr. 90; BGH 29. 4. 1964, FamRZ 1964, 496, 497; OLG Koblenz 24. 5. 1960, N J W 1960, 2193; Baumbach-Lauterbach, ZPO (28. Aufl. 1965) Vorbem. B zu § 606 b; Neuhaus, Die internationale Zuständigkeit in Ehesachen nach dem Gleichberechtigungsgesetz: FamRZ 1958, 13,14. 3 BGH 19. 3. 1958, BGHZ 27, 47, 48 = IPRspr. 1958-1959 Nr. 1 (S. 2). 4 RG 6. 9. 1944, DR 1944, 913; OLG Kassel 11. 3. 1949, N J W 1949, 868; OLG Hamm 28. 11. 1956, MDR 1957, 17; OLG Frankfurt 12. 6. 1961, N J W 1961, 1586; 3 a zu § 606 ZPO; LG Freiburg/Br. 4. 11. 1947, N J W 1949, 153; Baumbach-Lauterbach, Stein-Jonas-Schönke-Pohle, ZPO II (18. Aufl. 1956 ff.) II 1 zu § 606; Wieczorek, ZPO III (1957) C I a zu § 606; Entholt, Zum Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts im Inland" i.S. des § 606 ZPO: N J W 1952, 292; Schneider, Begründet Freiheitsentzug den „gewöhnlichen Aufenthalt" i. S. des § 606 II 1 ZPO?: FamRZ 1960, 54. 6 Parker, Das Privatrecht der Vereinigten Staaten von Amerika (1960) l f . ; Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht II (1961) USA Grundzüge C I Rz. 35 c. • Peterson, Die Anerkennung ausländischer Urteile im amerikanischen Recht (1964) 19, 21 ff.

256

Familienrecht

(1) Die internationale Zuständigkeit („jurisdiction") für den Erlaß eines Scheidungsurteils setzt voraus, daß zumindest einer der Ehegatten im Gerichtsstaat domiziliert ist. (2) Ein Scheidungsurteil, in dem das Domizil einer Partei bejaht wird, ist von allen anderen Unionsstaaten anzuerkennen. (3) Eine Ausnahme hiervon gilt, wenn nur die klagende Partei am Verfahren teilgenommen hat (sog. ex-parte-Verfahren) und das Scheidungsurteil zu Unrecht ein Domizil des Klägers im Scheidungsstaat bejaht hat; in diesem Falle besteht kein Anerkennungszwang, und die beklagte Partei kann die Gültigkeit der Scheidung wegen fehlenden Domizils des Klägers bestreiten. Ein solches Bestreiten ist jedoch ausgeschlossen, wenn die beklagte Partei sich in dem Scheidungsverfahren persönlich oder durch einen Prozeßvertreter auf die Hauptsache eingelassen (general appearance) oder auch nur die Zuständigkeit des Gerichts bestritten (special appearance) hat; dann muß das Scheidungsurteil von allen anderen Unionsstaaten anerkannt werden 7 . Es handelt sich bei diesen Regeln jedoch um Grundsätze des amerikanischen inner staatlichen (interlokalen) Zivilprozeßrechts, die als Verfassungsrecht zwischen den amerikanischen Gliedstaaten gelten und für die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile keine unmittelbare Bedeutung haben. Mittelbar sind diese Grundsätze freilich auch für die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile bedeutsam. Denn wenn auch formell jeder amerikanische Gliedstaat nach seinen Grundsätzen internationalen Entgegenkommens (comity doctrine) selbständig über die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile befindet, neigen die Gerichte in den Einzelstaaten doch dazu, insoweit die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Anerkennung von Scheidungsurteilen, die in Schwesterstaaten ergangen sind 8 . 7 Williams v. North Carolina I, 317 U.S. 287 (1942); Williams v. North Carolina 11, 325 U.S. 226 (1945); Sherrer v. Sherrer, 334 U.S. 343 (1948); Coe v. Coe, 334 U.S. 78 (1948); Johnson v. Muelberger, 340 U.S. 581 (1951); vgl. Corpus Juris Secundum, Bd. 27 B (1959 mit Nachtrag 1966) „Divorce" §§ 335ff.; Goodrich-Scoles, Handbook of the Conflict of Laws (4. Aufl. 1964) 262; Knittel, Die zwischenstaatliche Anerkennung von Ehescheidungen innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika: RabelsZ 29 (1965) 751 ff.; Grasmann, Die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile in den USA als Voraussetzung der deutschen Zuständigkeit: FamRZ 1964, 345; Gräber, Die Scheidung der Ehe von USA-Bürgern, die sich in Deutschland befinden: FamRZ 1963, 493; Schwenk, Scheidung amerikanischer Ehen durch deutsche Gerichte: N J W 1955, 1707ff., 1708. 8 Corpus Juris Secundum, Bd. 27 B (1959 mit Nachtrag 1966) „Divorce" § 333; American Jurisprudence, Bd. 17 A (1957 mit Nachtrag 1965) „Divorce and Separation" § 959; Weiss, Col.L.Rev. 50 (1950) 409, 427; Habel, Conflict of Laws II (2. Aufl. 1958) 506f.; Knittel, RabelsZ 29 (1965) 751 (752).

Scheidung / USA (New Jersey, New

York)

257

a) Konkretisierung der deutschen Verweisungsnorm Da es für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen an einer bundesrechtlichen Regelung fehlt 8 , muß die Verweisung auf das Recht der USA „konkretisiert", d.h. es muß die maßgebende Teilrechtsordnung bestimmt werden. Nach der deutschen Rechtsprechung geschieht dies durch eine Unteranknüpfung an den Wohnsitz 10 . Die herrschende Lehre kommt über eine Unteranknüpfung an die Gliedstaatsangehörigkeit 1 1 zum gleichen Ergebnis. Denn nach der amerikanischen Bundesverfassung (14 Amendment § 1 Satz 1) hängt die Gliedstaatsangehörigkeit von dem Domizil in einem Gliedstaat ab 12 . Nach amerikanischer Auffassung erwirbt man das Domizil, indem man sich an einem Ort mit dem Willen niederläßt, ihn zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen 13 . Die Schwierigkeit, die subjektiven Voraussetzungen des Domizilerwerbs festzustellen, wird durch die Vermutung überbrückt, daß das Domizil in dem Staate liegt, in dem man sich seit längerer Zeit mit allen Anzeichen einer Hausstandsbegründung tatsächlich aufhält 1 4 . Da der Kläger vor seiner Übersiedlung nach Deutschland zuletzt in New Jersey gelebt und dort mit seiner Familie ein Haus bewohnt hat, das ihm und seiner Frau gehörte, darf davon ausgegangen werden, daß er ehemals ein Wahldomizil in New Jersey begründet hatte. Ob er dies Domizil später verloren hat, kann an dieser Stelle offen bleiben. Denn da bei Fehlen eines amerikanischen Wohnsitzes an das letzte amerikanische Domizil anzuknüpfen wäre 1 5 , bleibt es in jedem Falle bei der Verweisung auf das Recht von New Jersey. Erkennt New Jersey die Scheidung an, so muß sie auch von sämtlichen anderen amerikanischen Unionsstaaten anerkannt werden 1 6 . 9 Vgl. Peterson, Die Anerkennung ausländischer Urteile im amerikanischen Recht (1964) 19, 21 ff. 10 RG 21. 11. 1929, RGZ 126, 353; BGH 19. 3. 1958, BGHZ 27, 47 (51) = IPRspr. 1958-1959 Nr. 1 (S. 2) ; weitere Nachweise bei Soergel/Siebert(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Bern. 111 vor Art. 7 EGBGB N. 70. 11 Vgl. Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 214; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 150; Melchior, Die Grundlagen des deutschen IPR (1932) § 310. 12 Paudler v. Paudler, 185 F. 2 d 901 (5th Cir. 1950), cert, denied 341 U.S. 920 (1951). 13 Paudler v. Paudler, 185 F. 2 d 901 (5th Cir. 1950), cert, denied 341 U.S. 920 (1951); Seideman v.Hamilton, 173 F. Supp. 641 (D. C.Pa. 1959), affirmed275 F. 2 d 224 (3d Cir. I960); Corpus Juris Secundum, Bd. 28 (1941 mit Nachtrag 1966) „Domicile" § 6; American Jurisprudence, Bd. 17 A (1957 mit Nachtrag 1965) „Domicil" §§ 1 ff. (jeweils mit Nachweisen). 14 Beale, Proof of Domicile: U.Pa.L.Rev. 74 (1926) 552, 562f.; Note, Evidentiary Factors in the Determination of Domicile: Harv. L. Rev. 61 (1947/48) 1232, 1235. 15 Vgl. Ferid/Firsching, Rz. 37 c, S. 40 f.; Knauer, RabelsZ 25 (1960) 318, 320 N. 5. " Comment, N e w York - Approved Mexican Divorces - Are They Valid in Other States?: U . P a . L . R e v . 114 (1966) 771 (775ff.); Grasmann, FamRZ 1963, 345 (346).

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M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

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Familienrecht

b) A n e r k e n n u n g e i n e s deutschen Scheidungsurteils durch den Staat N e w Jersey Daß ein fremder Staat e i n noch zu fällendes Urteil anerkennen wird, kann niemals mit letzter Sicherheit v o r a u s g e s a g t werden. Es muß daher genügen, daß die A n e r k e n n u n g sehr wahrscheinlich ist 1 7 . N e w J e r s e y gehört zu d e n relativ w e n i g e n amerikanischen Staaten, in d e n e n sich eine gesetzliche Vorschrift über die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile findet. Zwar hat e s nicht das v o n der „National Conference of Commissioners on Uniform State Laws" ausgearbeitete Modellg e s e t z über die A n e r k e n n u n g v o n Ehescheidungen im Ausland (Uniform Divorce Recognition Act) a n g e n o m m e n 1 8 . Doch hat e s dafür schon im Jahre 1907 f o l g e n d e Bestimmung geschaffen, die seit d e m Jahre 1948 in Title 2 A Chapter 34 Section 22 der N e w J e r s e y Statutes Annotated enthalten ist: 2 A: 34-22. Judgment of other states or countries; lull faith and credit; exception Full faith and credit shall be given in all courts of this state to a judgment of nullity of marriage or divorce by a court of competent jurisdiction in another state of the United States when the jurisdiction of such court was obtained in the manner and in substantial conformity with the conditions prescribed in sections 2A: 34-9 to 2 A : 34-12 of this title. Nothing herein contained shall be construed to limit the power of any court to give such effect to a judgment of nullity or divorce by a court of a foreign country as may be justified by the rules of international comity! provided, that if any inhabitant of this state shall go into another state or country, in order to obtain a judgment of divorce for a cause which occurred while the parties resided in this state, or for a cause which is not ground

Volle Anerkennung ist von allen Gerichten dieses Staates einem Ehenichtigkeits- oder Scheidungsurteil eines international zuständigen Gerichts in einem anderen Staat der USA zu gewähren, wenn die internationale Zuständigkeit des betreffenden Gerichts in der Art und im grundsätzlichen Einklang mit den in §§ 2 A: 34-9 bis 2A : 34-12 dieses Titels vorgeschriebenen Bedingungen erlangt worden war. Keine Bestimmung ist so auszulegen, daß sie die Macht eines Gerichts beschränkt, einem Ehenichtigkeits- oder Scheidungsurteil eines ausländischen Gerichts die Wirkungen zu gewähren, die durch die Regeln internationaler Höflichkeit gerechtfertigt sind; mit dem Vorbehalt, daß wenn ein Einwohner dieses Staates in einen anderen Staat oder ein anderes Land geht, um ein Scheidungsurteil

17 OLG Koblenz 24. 5. 1960, N J W 1960, 2193; LG Heidelberg 3. 12. 1954, FamRZ 1955, 74 = IPRspr. 1954-1955 Nr. 184; LG Kassel 10. 12. 1952, N J W 1953, 307 = IPRspr. 1952-1953 Nr. 157. 18 Dieses von der National Conference im Jahre 1948 gebilligte Gesetz gilt heute in Kalifornien, Louisiana, Montana, Nebraska, New Hampshire, North Dakota, Rhode Island, South Carolina, Washington und Wisconsin (vgl. Uniform Laws Annotated, Bd. 9 A, 1965, 457).

Scheidung 1 USA (New Jersey, New for divorce under the laws of this state a judgment so obtained shall be of no force or effect in this state.

York)

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wegen eines Grundes zu erlangen, der sich während des Aufenthaltes der Parteien in diesem Staat (New Jersey) ereignete, oder w e g e n eines Grundes, der nach den Gesetzen dieses Staates (New Jersey) kein Scheidungsgrund ist, ein so erlangtes Urteil keine Kraft oder Wirkung in diesem Staat hat.

N e w J e r s e y unterscheidet also, wie dies auch in den anderen amerikanischen Staaten üblich ist, zwischen Urteilen amerikanischer Schwesterstaaten und solchen fremder Staaten. Wie der Verweis auf die §§ 2 A: 34-9 bis 2 A: 34-12, auf welche die soeben zitierte Vorschrift Bezug nimmt, ergibt, wird das Scheidungsurteil eines amerikanischen Schwesterstaates in New J e r s e y jedenfalls dann anerkannt, wenn der Beklagte ordnungsgemäß geladen war und 1.zur Zeit der Klageerhebung mindestens eine der Parteien ein „bona fide resident" des Gerichtsstaates war, und zwar, falls die Scheidungsklage nicht auf Ehebruch gestützt wird, mindestens zwei J a h r e lang, 2. eine der Parteien nach Entstehen des Klagegrundes ein „bona fide resident" des Gerichtsstaates geworden und für mindestens zwei J a h r e vor Klageerhebung geblieben ist, sofern der Klaggrund auch in dem früheren Domizilstaat als Scheidungsgrund anerkannt war. Der vom Gesetz verwendete Ausdruck „bona fide resident" wird von der Rechtsprechung in N e w J e r s e y dahingehend ausgelegt, daß eine der Parteien in dem Gerichtsstaat ihr Domizil (domicile) haben m u ß l e . Auch für die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils, die nach den Grundsätzen internationaler Höflichkeit erfolgt (comity), fordert die Rechtsprechung des Staates New Jersey, daß mindenstens eine der Parteien im Gerichtsstaat domiziliert war 2 0 . Ob eine Person in Deutschland ihr Domizil errichtet hat, beurteilt sich im Rahmen der Anerkennungsfrage nach dem letzten amerkanischen Heimatrecht dieser Person und nicht nach deutschem Recht als der lex fori 2 1 . Es kommt also darauf an, ob der 19 Voss v. Voss, 75 A. 2 d 889 (1950); Sprague v. Sprague, 23 A. 2 d 810 (1942). Ebenso die Praxis in den anderen Staaten: vgl. Note (Recent Cases), Vanderbilt L. Rev. 19 (1965) 151 (153). 20 State oi New Jersey v. De Meo, 118 A. 2 d 1, 56 A. L. R. 2 d 905 (1956); Fontany v. Fontany, 115 A. 2 d 6 1 0 (N.J.Super. 1955), modified on other grounds 122 A. 2 d 593 (1956) f Sprague v. Sprague, 23 A. 2 d 810 (1942). Ebenso - mit Ausnahme v o n N e w York - die Rechtsprechung der anderen amerikanischen Gliedstaaten: vgl. Ehrenzweig, Conflict of Laws (2. Aufl. 1962) 247; American Jurisprudence, Bd. 17 A (1957 mit Nachtrag 1965) „Divorce and Separation" § 960. 21 LG Heidelberg 3. 12. 1954, FamRZ 1955, 74 = IPRspr. 1954-1955 Nr. 184; irrig: RG 2. 6. 1932, RGZ 136, 361, 366 = IPRspr. 1932 Nr. 5; LG München 16. 10. 1953, IPRspr. 1952-1953 Nr. 304 a.

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Familiemecht

Kläger unter dem Blickwinkel des Rechts von N e w Jersey in Deutschland ein Domizil erworben hat. Der anglo-amerikanische Begriff „domicil" deckt sich nicht mit dem „Wohnsitz" im Sinne des deutschen Rechts. Das erklärt sich daraus, daß der Begriff im internationalen und interlokalen Privatrecht des common law Funktionen hat, die in anderen Rechten der „Staatsangehörigkeit" zugewiesen sind. So ist das Domizil nicht nur von Bedeutung für die internationale Zuständigkeit, sondern auch entscheidend für die Ermittlung des Rechts, das über Fragen der Legitimation, Adoption, Eheschließung, Übertragung von Mobiliarvermögen unter Lebenden und von Todes wegen entscheidet. Im Hinblick auf die Verschiedenheit dieser Funktionen ist es fraglich, ob man überhaupt einen einheitlichen Domizilbegriff bilden kann22, wie dies in der anglo-amerikanischen Theorie und Praxis versucht worden ist. Von dieser sind folgende Grundsätze entwickelt worden: Jeder Mensch erwirbt mit seiner Geburt ein Ursprungsdomizil (domicil of origin), das sich nach dem Domizil des Vaters oder - bei unehelichen Kindern - nach dem Domizil der Mutter richtet und das so lange fortbesteht, bis ein Domizil in einem anderen Staate begründet worden ist23. Da das Domizil im anglo-amerikanischen Recht - entsprechend der Staatsangehörigkeit im deutschen Recht - als Anknüpfungsmoment für das Personalstatut dient, kann eine Person immer nur ein Domizil haben; andererseits muß sie aber auch stets ein Domizil haben. Ein altes Domizil besteht deshalb so lange fort, bis es durch ein neues Domizil ersetzt worden ist24. Da ein Domizilwechsel mit einem Wechsel des Personalstatuts verbunden ist, stellt das amerikanische Recht an die Begründung eines Wahldomizils (domicil of choice) strengere Anforderungen als das deutsche Recht an die Wohnsitzbegründung. Der Erwerb eines Wahldomizils steht nach den in der Rechtsprechung immer wieder betonten Grundsätzen unter zwei Voraussetzungen: der Niederlassung an einem Ort zusammen mit der Absicht, diesen Ort für immer oder doch für unbestimmte Zeit zum Lebensmittelpunkt zu machen und dort ein Heim (home) zu begründen25. Wann diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, läßt sich nicht immer leicht beurteilen. Mit Sicherheit steht nur fest, daß einerseits die Vgl. Ehrenzweig, Conflict of Laws (1962) § 72. Restatement, Conflict of Laws (1934 mit Nachtrag 1948), §§ 14, 15; Corpus Juris Secundum, Bd. 28 (1941 mit Nachtrag 1966) „Domicile" §§ 5, 6; American Jurisprudence, Bd. 17 A (1957 mit Nachtrag 1965) „Domicil" §§ 13, 14. 24 Restatement, Conflict of Laws, §§ 23, 24; Goodiidi-Scoles, Handbook of the Conflict of Laws (4. Aufl. 1964) 33 ff., 39 ff.; Stumberg, Principles of Conflict of Laws (3. Aufl. 1963) 30 ff., 33 ff.j Leilai, The Law of Conflict of Laws (1959) § 9. 25 Vgl. Restatement, Conflict of Laws, §§ 11, 12, 13; Corpus Juris Secundum, Bd. 28 (1941 mit Nachtrag 1966) „Domicile" § 6; American Jurisprudence, Bd. 17 A (1957 mit Nachtrag 1965) „Domicil" §§ 25ff.; Goodrich-Scoies, 43 ff.; Stumberg, 18ff.; vgl. insbesondere für Soldaten: Bleckmann, N J W 1962, 2283ff. 22

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Scheidung / USA (New Jersey, New York)

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Absicht eines ständigen Verbleibens - anders als im englischen Recht für die Begründung eines Wahldomizils nicht erforderlich ist, andererseits aber die Absicht eines nur vorübergehenden Aufenthaltes dafür nicht ausreicht 26 . Die zwischen diesen Extremen liegenden Fälle lassen sich nicht derart sicher beurteilen. Es überrascht deshalb nicht, daß bei gleichem Sachverhalt verschiedene amerikanische Gerichte hinsichtlich der Domizilfrage mehrfach zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt sind 27 . Im Hinblick auf die Mobilität der amerikanischen Gesellschaft zeigt sich in der amerikanischen Praxis die Tendenz, die Anforderungen für den Domzilerwerb nicht zu überspannen. Diese Tendenz kommt schon rein äußerlich darin zum Ausdruck, daß die vom Domizilerwerber geforderte Absicht zunehmend dahin umschrieben wird, die betreffende Person dürfe gegenwärtig nicht die Absicht haben, ihren Aufenthaltsort zu verlassen („without any present intention of removing therefrom") 2 8 . So ist die Domizilbegründung durch Lehrer, Studenten und Geistliche bejaht worden, sofern die Betreffenden bei der Niederlassung nicht von vornherein die feste Absicht hatten, den Ort nach einer bestimmten Zeit wieder zu verlassen oder an einen früheren Wohnort zurückzukehren 29 . Freilich bleiben auch insoweit Schwierigkeiten in der Abgrenzung bestehen. Besonders schwierig sind die Fälle zu beurteilen, in denen jemand mehr als ein „home" hat. Nach der Rechtsprechung behält er hier das Domizil an dem Platz des früheren „home", falls er nicht das später erworbene „home" als sein Hauptheim (principal home) betrachtet, wofür ihn die Beweislast trifft 30 . Im Einklang mit diesen Grundsätzen verlangt die Rechtsprechung in New Jersey, soweit die Domizilfrage für die Anerkennung fremder Scheidungen zu beurteilen ist, daß die betreffende Person sich im Scheidungsstaat niedergelassen hat in der Absicht, ihr früheres Domizil aufzugeben und ein neues Domizil zu begründen 3 1 . Im vorliegenden Falle ist es im Hinblick auf die vom Kläger gemachten Angaben fraglich, ob die Gerichte in New Jersey die Voraussetzungen für einen Domizilwechsel als erfüllt ansehen würden. Es handelt sich um einen Grenzfall: Einerseits kann man davon ausgehen, der Kläger habe nach seinen Angaben die Absicht, in die USA zurückzukehren, bisher nicht aufgegeben, und kann von hier aus folgern, er habe sein amerikanisches Domizil beibehalten. Dafür spricht an sich auch der Umstand, daß die Ver26

Stumbeig, 20. Vgl. Restatement, Conflict of Laws (1948 Supplement) Erläuterungen zu § 11; Ehrenzweig, 240 (mit Nachweisen in N. 8). 28 Vgl. Goodrich-Scoles, 44 (mit Nachweisen). 29 Vgl. Stumbeig, 20f. (mit Nachweisen). 30 Restatement, Conflict of Laws, § 24; Goodrich-Scoles, 44. 31 Vgl. Zieper v. Zieper, 103 A. 2 d 366, 372 (1954); Kurilla v. Roth, 38 A. 2 d 862 (1944); Sprague v. Sprague, 23 A. 2 d 810 (1942); American Jurisprudence, Bd. 17 (1957 mit Nachtrag 1965) „Divorce and Separation" §§ 285 ff. 21

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Familienrecht

mutung für den Fortbestand des früheren Domizils besonders stark ist, wenn - wie hier - die Ersetzung eines amerikanischen Domizils durch ein ausländisches Domizil in Frage steht 32 . Anderseits kann man aber auch darauf abheben, der Kläger habe, als er mit seiner Familie nach Hamburg übersiedelte, beabsichtigt, nicht nur vorübergehend, sondern auf lange und im einzelnen noch unbestimmte Zeit in Deutschland, seinem Ursprungsland, zu bleiben. Von hier aus wäre es möglich, den Erwerb eines deutschen Wahldomizils zu bejahen. Da sich nicht mit Sicherheit feststellen läßt, wie die Gerichte in New Jersey die Domizilfrage beurteilen würden, soll im folgenden geprüft werden, ob mit der Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils nicht jedenfalls deshalb gerechnet werden kann, weil die Beklagte sich auf den Rechtsstreit eingelassen hat. Wie oben dargelegt, erkennen die amerikanischen Gliedstaaten Scheidungsurteile von Schwesterstaaten aufgrund der füll faith and credit clause auch dann an, wenn das Scheidungsgericht nach dem Recht des Anerkennungsstaates zwar nicht international zuständigwar, jedoch die beklagte Partei persönlich oder durch einen Prozeßvertreter aktiv an dem Scheidungsverfahren teilgenommen hat. Hiervon geht auch die Rechtsprechung in New Jersey aus 33 . Ob unter entsprechenden Voraussetzungen aufgrund der Comity-Lehre auch ausländische Scheidungen anerkannt werden 3 4 , läßt sich der dem Institut zugänglichen Rechtsprechung des Staates New Jersey nicht entnehmen. Diese hatte bisher fast nur mit - besonders gelagerten - mexikanischen Scheidungsurteilen zu tun 35 . Soweit es sich um brieflich erwirkte Scheidungen (sog. mail order divorces) handelte, die aufgrund schriftlicher Unterwerfungserklärungen ohne persönliches Erscheinen auch nur einer Partei in Mexiko erwirkt worden waren, lehnten die Gerichte die Anerkennung ab 36 . 82

Petition ol Oganesoff, 20 F. 2 d 978 (S. D. Cal. 1947); Strathmann v. Kinkelaar, 233 Pac. 215, 217 (Okla. 1925); In re Hoff's Estate, 33 N. Y. S. 2 d 60 (1942); Ex Parte Mullins, 174 P. 2 d 790 (Wash. 1946); Corpus Juris Secundum, Bd. 28 (1941 mit Nachtrag 166) „Domicile" § 16 a, zu Fußnote 91; Grasmann, FamRZ 1964, 345, 348; Rabel, Conflict of Laws I (2. Aufl. 1958) 165; Coudert, Some Considerations in the Law of Domicil: Yale L. J. 36 (1926/27) 949 ff„ 961. 33 Lawrence v. Lawrence, 190 A. 2 d 206 (N. J. Super. 1963); Hudson v. Hudson, 173 A. 2d 721 (N. J. Super. 1961), affirmed 178 A. 2d 721 (1962); Nappe v. Nappe, 120 A. 2 d 31, 34 (1956); Isserman v. Isserman, 93 A. 2 d 571 (1952). 84 Dafür eintretend Comment, U. Pa. L. Rev. 114 (1966) 771 (773). 85 Eine Ausnahme ist insoweit die Sache Fontany v. Fontany, 115 A. 2 d 610 (N.J. Super. 1965), modified on other grounds 122 A. 2 d 593 (1956): Hier wurde im Rahmen eines Streites um die Personensorge ein kubanisches Scheidungsurteil anerkannt, das in einem ex-parte-Verfahren ergangen war. Die internationale Zuständigkeit (jurisdiction) des kubanischen Gerichts wurde bejaht, da der kubanische Kläger, der eine Amerikanerin geheiratet hatte, seit der Heirat mit seiner Frau in Kuba gelebt hatte. 38 In re Cohen, 93 A. 2 d 4 (1952 - mit Nachweisen). Ebenso die Praxis der an-

Scheidung / USA (New Jersey, New

York)

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Audi der eintägige Aufenthalt einer Partei in Mexiko rechtfertigt nach der Rechtsprechung von N e w Jersey eine Anerkennung des Scheidungsurteils nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Kläger persönlich erschienen ist und die andere Partei anwaltschaftlich vertreten war. Die letzte dem Institut hierzu bekannt gewordene Entscheidung ist in der Sache War render v. Warrender37 ergangen: Die Klägerin war im Einverständnis mit dem Beklagten nach Mexiko geflogen, hatte dort bestimmte Urkunden unterzeichnet, die ihr von einem mexikanischen Anwalt vorgelegt wurden, und war am gleichen Tage in die USA zurückgekehrt. In dem mexikanischen Scheidungsurteil fand sich die Feststellung, beide Parteien unterwürfen sich durch ihre Anwälte der jurisdiction des mexikanischen Gerichts. Auch hier wurde dem mexikanischen Urteil die Anerkennung in N e w Jersey versagt. In der Begründung wurde zwar zunächst darauf hingewiesen, beide Parteien seien in N e w Jersey domiziliert und in dem mexikanischen Urteil werde nirgends erklärt, daß eine Partei ihren Aufenthalt oder ihr Domizil (residence or domicile) in Mexiko habe. Da das Gericht der Scheidung anschließend aber deshalb die Anerkennung verweigerte, weil sie gegen die public policy und die oben zitierte Anerkennungsvorschrift des Staates N e w Jersey verstoße, bleibt jedoch unklar, welche Rolle das fehlende mexikanische Domizil für die Nichtanerkennung des Scheidungsurteils spielte. Jedenfalls lassen sich aus der Nichtanerkennung jener mexikanischen Scheidungsurteile für den vorliegenden Fall keine Schlüsse ziehen. Denn anders als in jenen Fällen haben die Parteien im vorliegenden Fall jahrelang zusammen im (potentiellen) Scheidungsstaat gelebt und haben diesen Staat nicht in der Absicht aufgesucht, sich dort ein Scheidungsurteil zu verschaffen. Soweit ersichtlich, fehlt es bisher an einer Entscheidung des Staates N e w Jersey für einen vergleichbaren Fall. Auch die Rechtsprechung in den anderen Staaten ist insoweit nicht ergiebig. Eine Ausnahme gilt nur für den Staat N e w York. Hier hat die Rechtsprechung anerkannt, daß ausländische Scheidungsurteile auch bei fehlendem Domizil einer der beiden Parteien im Scheidungsstaat in demselben Umfang anerkannt werden wie Urteile der amerikanischen Schwesterstaaten. Dies gilt sogar für Urteile solcher Staaten, die eine Scheidungszuständigkeit nicht vom Domizil einer der Prozeßparteien abhängig machen38. deren Staaten: vgl. American Jurisprudence, Bd. 17 A (1957 mit Nachtrag 1965) »Divorce and Separation" § 960; Comment, Recognition of Foreign Divorce Decrees, U. Chi. L. Rev. 32 (1965) 802 (803). 37 190 A. 2 d 684 (N. J. Super. 1963), affirmed 200 A . 2 d 123 (1964). 88 Baylek v. Baylek, 206 N. Y. S. 2 d 359 (Sup. Ct. I960); Fricke v. Bechthold, 168 N. Y. S. 2 d 197 (Sup. Ct. 1957); Caswell v. Caswell, 111 N. Y. S. 2 d 875 (Sup. Ct. 1952); Mountain v. Mountain, 109 N. Y. S. 2 d 828 (Sup. Ct. 1951); Mitcheli v. Mitchell, 85 N. Y. S. 2 d 627 (Sup. Ct. 1949); In re Fleischer's Estate, 80 N. Y. S. 2 d 543 (Surr. Ct. 1948); Levitón v. Levitón, 6 N. Y. S. 2 d 535 (Sup. Ct. 1938); vgl. Note, N. Y.L. Forum 9 (1963) 603.

264

FamUienrecht

Der New Yorker Court of Appeals hat diese Praxis der Untergerichte kürzlich in der Sache Rosenstiel v. Rosenstiel39 bestätigt und dort entschieden, ein mexikanisches Scheidungsurteil sei in New York auch bei fehlendem mexikanischen Domizil einer Partei dann anzuerkennen, wenn der Kläger vor dem mexikanischen Gericht persönlich erschienen sei und die andere Partei sich durch einen Anwalt habe vertreten lassen. Das gelte selbst dann, wenn die ausländische Scheidung auf in New York nicht anerkannte Gründe gestützt werde 4 0 . Angesichts der gegenwärtigen allgemeinen Mobilität könne die Scheidungszuständigkeit aus praktischen Gründen nicht auf den Domizilstaat beschränkt werden. Auch bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen den lediglich formal gehandhabten Minimalanforderungen an die Domizilbegründung in manchen anderen amerikanischen Gliedstaaten - z. B. in Nevada - und den gleichermaßen als bloße Förmlichkeit wirkenden mexikanischen Zuständigkeitsvorschriften 41. Ob New Jersey dieser Rechtsprechung folgen wird, ist jedoch zumindest zweifelhaft. Die sehr weit gehende Anerkennungsfreudigkeit gegenüber ausländischen Scheidungsurteilen der New Yorker Praxis erklärt sich nämlich daraus, daß eine Scheidung nach dem bisherigen New Yorker Recht nur wegen Ehebruchs zugelassen war 4 2 , so daß die Gerichte sich dazu gedrängt sahen, das als zu starr empfundene Scheidungsrecht durch die „Hintertür" zu liberalisieren 43 . Inzwischen hat der Gesetzgeber in New York dem Reformbedürfnis durch eine Erweiterung der Scheidungsgründe Rechnung getragen 4 4 . Da New Jersey im Gegensatz zu New York schon bisher ein liberales Sdieidungsredit besaß 45 , besteht für die Gerichte dieses Staates wenig Anlaß, fremde Urteile in so weitem Umfang anzuerkennen wie die New Yorker Praxis. *» Urteil vom 9. 7. 1965, 209 N. E. 2d 709. 40 Im konkreten Fall hatte sich der klagende Ehemann nur für einige Stunden in Mexiko aufgehalten, sich in das Einwohnerregister eingetragen, die Klage eingereicht und damit den lokalen Zuständigkeitsvorschriften Genüge getan. 41 Ist die ausländische Entscheidung erwirkt worden, ohne daß ein persönlicher Kontakt (personal contact) einer Partei mit dem Gerichtsstaat bestand oder ist nur eine Partei vor dem ausländischen Gericht aufgetreten, ohne daß die andere in dem Scheidungsstaat geladen worden, erschienen oder vertreten war, so bleibt eine Anerkennung der ausländischen Scheidung allerdings weiterhin ausgeschlossen (209 N.E. 2d 711). 42 Vgl. Domestic Relations Law § 170, abgedruckt in McKinney's Consolidated Laws of New York, Bd. 14 (1964 mit Nachtrag 1965). 43 Vgl. Comment, U. Pa. L. Rev. 114 (1966) 771 (772, 779). 44 Domestic Relations Law § 170 i. d. F. der L. 1966 c. 254 vom 27. 4. 1966, in Kraft seit dem 1. 9. 1967. 45 So ist neben dem Ehebruch auch die böswillige zweijährige Verlassung und schwere Grausamkeit (extreme cruelty) als Scheidungsgrund anerkannt: vgl. Martindale-Hubbell, Law Directory IV (1966), New Jersey Law Digest, „Divorce".

Scheidung / USA (New Jersey, New

York)

265

Gleichwohl besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Rechtsprechung in N e w Jersey ein deutsches Scheidungsurteil im vorliegenden Falle, wo die Parteien jahrelang in Deutschland zusammengelebt haben, keine Umgehungsabsicht vorliegt und die Beklagte sich auf den Rechtsstreit eingelassen hat, anerkennen würde. Denn in den USA geht die Tendenz insgesamt in die Richtung einer zunehmenden Anerkennungsbereitschaft ausländischer Scheidungen. Soweit ausländischen Urteilen die Anerkennung versagt wird, geschieht dies letztlich regelmäßig deshalb, weil das ausländische Urteil gegen die public policy des Anerkennungsstaates verstößt, insbesondere weil dessen Recht umgangen werden sollte46. Offenbar ist dies - und nicht das fehlende Domizil einer Partei im Scheidungsstaat - auch der eigentlich tragende Grund der oben zitierten N e w Jersey Entscheidung in der Sache Warrender v. Warrender. Es überrascht deshalb nicht, daß in der amerikanischen Literatur zunehmend Stimmen laut werden, welche für die Preisgabe der Domiziltheorie plädieren und statt dessen den Gesichtspunkt der public policy des Anerkennungsstaates in den Vordergrund rücken. So tritt Ehrenzweig dafür ein, ausländische Scheidungen ohne Rücksicht auf die Domizilfrage anzuerkennen, sofern sie nicht gegen die „natürliche Gerechtigkeit" (natural justice) verstoßen i7 . Ähnlich ist von anderer Seite befürwortet worden, ausländischen Scheidungen nur dann die Anerkennung zu versagen, wenn die Parteien in Umgehungsabsicht gehandelt hätten. Hierbei sei darauf abzustellen, ob die Parteien beabsichtigt hätten, kurz nach Erhalt des ausländischen Scheidungsurteils in ihren Heimatstaat zurückzukehren. Fehle es an einer solchen Absicht, so sei die ausländische Scheidung anzuerkennen48. Zu erwähnen ist schließlich der Vorschlag von Stimson, die Zuständigkeit ausländischer Gerichte für Scheidungsverfahren - und damit die Anerkennung ihrer Scheidungsurteile - nicht vom Domizil, sondern vom Aufenthalt (physical presence) einer Partei im Scheidungsstaat abhängig zu machen; denn im Gegensatz zum Domizil, das von praktisch nicht kontrollierbaren subjektiven Absichten der betreffenden Person abhänge, lasse sich die Tatsache einer „physical presence" ohne Schwierigkeiten feststellen 49 . 46 Vgl. Note (Recent Cases), Conflict of Laws - Mexican Bilateral Divorce Decree Recognized Even Though Neither Party was a Mexican Domiciliary at Time of Divorce: Vanderbilt L. Rev. 19 (1965) 151, 153 - mit Nachweisen. 47 Ehrenzweig, Conflict of Laws (2. Aufl. 1962) § 73, S. 245. 48 Comment, Recognition of Foreign Divorce Decrees, U. Chi. L. Rev. 32 (1965) 802 (806 ff.). 49 Stimson, Jurisdiction in Divorce Cases - The Unsoundness of the Domiciliary Theory: A . B . A . J . 42 (1965) 222ff„ 294f. ; vgl. auch Stumberg, Principles of Conflict of Laws (3. Aufl. 1963) 301; Lellar, The Law of Conflict of Laws (1959) § 163.

266

Familienrecht

Obwohl man diese Stimmen nicht überbewerten darf, besteht doch im Hinblick auf die gekennzeichnete allgemeine Entwicklungstendenz und auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles - die Beklagte hat sich auf den Rechtsstreit eingelassen - eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Gerichte in N e w J e r s e y ein deutsches Scheidungsurteil in concreto selbst dann anerkennen würden, wenn sie den Kläger als nicht in Deutschland domiziliert ansehen sollten. Es muß der Beurteilung des anfragenden Gerichts überlassen bleiben, ob seine internationale Zuständigkeit unter diesen Umständen zu bejahen ist. Sollte das Gericht zu dem Schluß kommen, es sei nicht international zuständig, so würde das nicht zu seiner internationalen Rechtsverweigerung führen 5 0 . Denn obwohl die Ehefrau nach amerikanischem Recht das Domizil des Mannes teilt, ist heute doch fast allgemein anerkannt, daß sie für Zwecke der Scheidung ein eigenes Domizil begründen kann 5 1 . Auch in N e w J e r s e y ist dies anerkannt 5 2 . Es könnte also jedenfalls in den USA ein Scheidungsverfahren durchgeführt werden. III. Ergebnis 1. Das für die Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils maßgebende Heimatrecht des Mannes ist das Recht des Staates N e w Jersey. 2. Nach dem Recht von New J e r s e y wird ein deutsches Scheidungsurteil jedenfalls dann anerkannt, wenn zumindest eine der Parteien in Deutschland domiziliert ist. 3. Ob die Gerichte in N e w J e r s e y den Erwerb eines deutschen Wahldomizils durch den Kläger bejahen würden, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. 4. Selbst wenn die Rechtsprechung in N e w J e r s e y den Kläger als nicht in Deutschland domiziliert ansehen sollte, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils, da die Beklagte sich auf den Rechtsstreit eingelassen hat.

Nr. 25 Iran 1. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Scheidung von Ausländerehen. 2. Verhältnis zwischen Art. 8 Abs. 2 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.1929 und Art. 17 Abs. 4 EGBGB. 60

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt Grasmann, FamRZ 1964, 345 (352). Vgl. American Jurisprudence, Bd. 17 (1957 mit Nachtrag 1965) „Divorce and Separation" §§ 292 ff. 52 Vgl. Zieper v. Zieper, 103 A. 2 d 366 (1954). 51

Scheidung / Iran

267

3. Verhältnis zwischen Art. 18 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens vom 17.2. 1929 und Art. 13 Abs. 3 EGBGB. 4. Gültigkeitsvoraussetzungen der Eheschließung nach iranischem Recht. 5. Voraussetzungen und Verfahren der Ehescheidung nach iranischem Recht. MUnchen G 1210 - 63 vom 14. 3.1966 H e r r Rechtsanwalt Dr. jur. Franz.-J. G. in M ü n c h e n h a t d e m Institut folgenden SACHVERHALT unterbreitet: Ein iranischer S t a a t s a n g e h ö r i g e r islamischer Religion h a t in Deutschland zu e i n e m nicht n ä h e r f e s t g e s t e l l t e n Z e i t p u n k t nach d e m J a h r e 1954 eine deutsche S t a a t s a n g e h ö r i g e römisch-katholischer K o n f e s s i o n g e h e i r a tet. Die Ehe ist v o r e i n e m deutschen S t a n d e s b e a m t e n geschlossen w o r d e n . O b sie auch in d e r islamischen religiösen F o r m z u s t a n d e g e k o m m e n ist u n d ob die Eheschließung bei d e r d a f ü r z u s t ä n d i g e n kaiserlich-iranischen A u s l a n d s v e r t r e t u n g registriert w o r d e n ist, ergibt sich aus d e r A n f r a g e nicht. Der Ehemann, d e r sich seit 1954 u n u n t e r b r o c h e n in Deutschland a u f h ä l t u n d derzeit V e r w a l t e r e i n e r wissenschaftlichen A s s i s t e n t e n s t e l l e a n e i n e r deutschen U n i v e r s i t ä t s k l i n i k ist, h a t bei e i n e m deutschen Gericht g e g e n seine E h e f r a u auf Scheidung g e k l a g t . Er stützt d a s S c h e i d u n g s b e g e h r e n auf e h e w i d r i g e B e z i e h u n g e n s e i n e r E h e f r a u mit a n d e r e n M ä n n e r n . H e r r Rechtsanwalt Dr. G. w ü n s c h t zu w i s s e n : 1. O b ein deutsches Scheidungsurteil formell zulässig ist. 2. W e l c h e s Recht auf die Scheidung a n z u w e n d e n ist und, w e n n dies nicht d a s deutsche ist, nach welchen Rechtsnormen sich das Scheidungsbegehr e n richtet.

I. Vorbemerkung

zu den der

Staatsangehörigkeitsverhältnissen Beteiligten

A n d e r iranischen S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t des E h e m a n n e s b e s t e h t offenbar k e i n Zweifel. W e n n in d e r A n f r a g e die E h e f r a u als D o p p e l s t a a t e r i n b e zeichnet wird, so trifft dies e b e n f a l l s zu: Die E h e f r a u h a t durch ihre Eheschließung nach Art. 976 Ziff. 6 d e s iranischen Zivilgesetzbuches v o m 16.2.1935 die iranische S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t automatisch e r w o r b e n . I h r e deutsche S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t , die sie durch A b s t a m m u n g e r w o r b e n hatte, h a t sie durch eine nach d e m 31. 3.1953 geschlossene Ehe nicht v e r l o r e n .

268

Famüienrecht

Seit dem 1.4.1953 muß § 17 Nr. 6 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. 7.1913 als aufgehoben angesehen werden, da diese Bestimmung mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht zu vereinbaren ist 1 .

II. Die internationale Zuständigkeit eines deutschen zur Ehescheidung im vorliegenden Fall

Gerichts

Ist die örtliche Zuständigkeit gegeben, so ist ein deutsches Gericht zur Scheidung von Ausländerehen dann international zuständig, wenn entweder der Heimatstaat des Ehemannes das erstrebte Ehescheidungsurteil anerkennt (§ 606 b ZPO) oder aber es auf eine derartige Anerkennung nicht ankommt. Das letztere trifft hier zu: Die Ehefrau ist deutsche Staatsangehörige. Damit hat es auf die Anerkennung der Ehescheidung durch den Heimatstaat des Ehemannes überhaupt nicht anzukommen; § 606 b ZPO betrifft nur solche Fälle, in denen nicht mindestens einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Wenn die Ehefrau im vorliegenden Falle Doppelstaaterin ist, so ändert dies nichts daran, daß sie auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Das Personalstatut des Doppelstaaters mit zugleich inländischer Staatsangehörigkeit ist zwar nicht unbestritten insofern, als die früher herrschende Auffassung, wonach der inländischen Staatsangehörigkeit stets der Vorzug vor einer zugleich innegehabten ausländischen Staatsangehörigkeit zu geben ist, für den Bereich des internationalen Privatrechts (anders für das Völker- und das öffentliche Recht) nicht mehr aufrechterhalten werden kann 2. Einigkeit besteht aber darüber, daß jedenfalls bei Uberwiegen der Verbindungen zum Inland das inländische Recht Personalstatut sein soll. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben: Die Ehefrau lebt in Deutschland, ihre Beziehungen zum Iran, in dem sie offenbar niemals gelebt hat, sind weder sprachlich noch vermögensmäßig noch kulturell enger als ihre Bindungen zu Deutschland. Damit ist deutsches Recht das Personalstatut der Ehefrau. Daraus ergibt sich, daß es auf die Anerkennung der erstrebten Ehescheidung durch den Iran nicht anzukommen hat. Die deutsche internationale Zuständigkeit zur Ehescheidung ist daher gegeben, wenn die örtliche Zuständigkeit vorliegt. 1 Vgl. dazu Maßieller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht (2. Aufl.), Bern. 5b zu § 17 RuStAG. 2 Vgl. dazu Feiid, Zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Inländers mit zugleich ausländischer Staatsangehörigkeit, RabelsZ 1958, 498 ff., dazu etwa Kegel, IPR (2. Aufl.) 156.

Scheidung

III. Das auf die Ehescheidung 1. Die zugrundezulegende

269

/ Iran

anzuwendende

Recht

Kollisionsnorm

Im vorliegenden Falle ist das anzuwendende Recht nicht ohne weiteres Art. 17 EGBGB zu entnehmen, denn im Verhältnis zwischen Deutschland und dem Iran bestehen vertraglich vereinbarte Kollisionsnormen. Sie sind enthalten in dem Niederlassungsabkommen vom 17. 2. 1929, RGBl. 1930 II S. 1006. Nach dem zweiten Weltkrieg ist das Abkommen aufgrund der Bekanntmachung über deutsch-iranische Vorkriegsverträge vom 15. 8. 1955 mit Wirkung vom 4.11.1954 wieder in Kraft getreten (BGBl. 1955 II S. 829) 3 . 2. Inhalt der einschlägigen

Kollisionsnormen

Maßgebend ist Art. 8 Abs. 2 des Abkommens. Danach bleiben die Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten in bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht im Gebiete des anderen Vertragsteils den Vorschriften ihrer Heimatgesetzgebung unterworfen. Es kann von der Anwendung dieser Gesetze durdi den anderen Teil (Anm. d. Inst.: d.i. der Aufenthaltsstaat) nur in besonderen Fällen und insofern abgewichen werden, als dies allgemein gegenüber jedem anderen fremden Staate geschieht. Im Schlußprotokoll des Abkommens werden nochmals die Materien im einzelnen aufgeführt, welche hier einschlägig sind. Darunter ist auch die Ehescheidung erwähnt. Damit unterliegt die Scheidung iranischer Staatsangehöriger in Deutschland dem iranischen Recht. Hiervon kann nur in Sonderfällen abgewichen werden (der gleichfalls offizielle französische Text des Abkommens spricht hier von einem Abweichen „ä titre exceptionnel" nur insoweit, als solche Abweichungen gegenüber jedem anderen Staate erfolgen). Art. 17 Abs. 1 EGBGB greift nur insofern unmittelbar ein, als diese Bestimmung das auf eine Scheidung anzuwendende Recht für den Fall festlegt, 3 Der Text des Abkommens ist abgedruckt bei Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, 2. Aufl. (Loseblattausgabe) Bd. II Tübingen 1960 Textziffer 32. Dieses Abkommen ist bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Abschnitt Iran, zwar in der Einleitung erwähnt, aber im Text (S. 5 u. 6 des Abschnitts Iran) offenbar versehentlich nicht berücksichtigt. Es fehlt aber auch bei Bülow-Arnold, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen. Wenn dort auf S. 943.1 davon die Rede ist, daß besondere Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik und Iran auf dem Gebiet des Rechtsverkehrs in Zivilund Handelssachen nicht bestehen, so hätte diese Bemerkung ergänzt werden müssen durch einen Hinweis auf das hier in Rede stehende Abkommen. Zu dem Abkommen vgl. etwa auch Wengler in seiner Entscheidungsbesprechung N J W 1962, 348.

270

Familienrecht

daß die Ehegatten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit sind. Dem Fall der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit ist das aus sonstigen Gründen unterschiedliche Personalstatut gleichzusetzen. Die Scheidung zweier staatenloser Ehegatten, die in verschiedenen Staaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Art. 29 EGBGB), würde sich also nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Ehemannes richten. Hat die Ehefrau deswegen ein anderes Personalstatut als der Ehemann, weil sie Doppelstaaterin ist, wie hier, so kommt es trotz des deutschen Personalstatutes der Ehefrau auf das Heimatrecht des Mannes an. Dies ist eine Folge von Art. 17 Abs. 1 EGBGB. Gegen diese Vorschrift kann nicht etwa der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau ins Feld geführt werden (in der Lehre zwar bestritten, aber einhellige Auffassung der RechtsprechungSa). 3. Fallgruppen, anzuwenden

auf welche ausnahmsweise ist

nicht iranisches

Recht

a) Nach Art. 17 Abs. 4 EGBGB ist im vorliegenden Falle hier deutsches Recht neben dem iranischen insoweit zu berücksichtigen, als eine Scheidung nur dann ausgesprochen werden kann, wenn sie sowohl nach dem iranischen als auch nach dem deutschen Recht begründet ist. Diese subsidiäre Geltung deutschen Scheidungsrechtes ist eine derartige Ausnahme und gilt nicht nur gegenüber dem Iran, sondern gegenüber allen Staaten. Sie ist daher durch den deutsch-iranischen Niederlassungsvertrag nicht berührt. b) Die Ausschaltung iranischen Rechtes durch die deutsche öffentliche Ordnung (Art. 30 EGBGB). Im deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen ist der ordre public nicht ausdrücklich vorbehalten. Es erhebt sich daher die schwierige Frage, ob aufgrund des Art. 30 EGBGB iranische Vorschriften, die an sich anzuwenden wären, von einer Anwendung in Deutschland ausgeschlossen werden können. Diese Frage wird sich nicht allgemein beantworten lassen. Es wird vielmehr in jedem einzelnen Fall zu unterscheiden sein, ob die mit dem deutschen ordre public nicht zu vereinbarenden iranischen Bestimmungen derart sind, daß ihre Ausschaltung sich ausschließlich gegen den Iran richten würde, oder aber, ob Bestimmungen solcher Art auch dann ausgeschaltet werden, wenn sie in anderen Rechtsordnungen sich finden.

Nachweise bei Palandt-Lauterbach, Bern. 17 vor Art. 7 EGBGB.

Scheidung

/

271

han

/V. Beantwortung der Vorfrage, ob die Ehe, deren Scheidung hier begehrt wird, überhaupt eine gültige Ehe ist, die geschieden werden kann 1. Das

Problem

Soll eine Ehe geschieden werden, so muß sie gültig zustande gekommen sein. Die Vorfrage, ob eine Ehe gültig zustande gekommen ist, beurteilt sich nicht nach jenem Recht, welches für die Scheidung maßgebend ist, sondern nach dem Eheschließungsstatut. Auch diese Materie ist nach Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens in Verbindung mit dem Schlußprotokoll von der kollisionsrechtlichen Regelung des Abkommens erfaßt. 2. Das maßgebende

Recht

Soweit es sich um die materiellen Gültigkeitserfordernisse der Ehe handelt, ist für den Ehemann gemäß dem deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen iranisches Recht, für die Ehefrau gem. Art. 13 EGBGB deutsches Recht maßgebend. Was die Form der Eheschließung anlangt, so ist im Bereich des deutschen Rechtes die Ehe dann als gültig anzusehen, wenn sie standesamtlich geschlossen ist (Art. 13 Abs. 3 EGBGB). Da dieser letzgenannte Standpunkt in Deutschland jedem anderen Staate gegenüber eingenommen wird, ist die Anwendung von Art. 13 Abs. 3 EGBGB gegenüber einer iranischen Ehe mit dem Abkommen vereinbar 4 . 3. Zur materiellrechtlichen Recht

Gültigkeit

der Eheschließung

nach

iranischem

In Betracht kommt hier die verschiedene Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Hier wird bedeutungsvoll, daß nach Art. 1061 des iranischen BGB 5 die iranische Regierung eine besondere Genehmigung für die Eheschließung bestimmter Beamter und im öffentlichen Dienst beauftragter Personen, aber auch von Studierenden, die mit einem Stipendium ausgestattet sind, anordnen kann, wenn es sich um Eheschließungen mit Ausländerinnen handelt. Nach einer bei Bergmann, aaO, Fußnote zu Art. 1061 des iranischen BGB mitgeteilten Regelung bedürfen iranische Studenten, denen von der Regierung eine Devisengenehmigung für ihre Studien gewährt wird, zu einer Eheschließung mit einer Ausländerin der Genehmigung des iranischen Kultusministeriums in Teheran. Kaufen sie ihre Devisen auf dem freien Markte, so sollen sie einer solchen Genehmigung nicht bedürfen. Sie müssen aber eine Unbedenklichkeitserklärung des irani4 5

Vgl. in diesem Sinne audi Wengler, N J W 1962, 348. Abgedruckt bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsredit.

Familienrecht

III

sehen Generalkonsulats einholen 6 . Ob der Kläger von diesen Bestimmungen umfaßt wird, ergibt sich aus der Anfrage nicht einwandfrei. Es kann im Rahmen dieses Gutachtens davon abgesehen werden, darauf einzugehen, ob die genannte Bemerkung bei Bergmann wirklich zutrifft. Sie geht auf eine amtliche Auskunft eines iranischen Konsulats zurück. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob Ehen, die unter Verletzung derartiger iranischer Bestimmungen nach iranischem Recht als Nicht-Ehen anzusehen sind, mit der Wirkung, daß es zu einer hinkenden Ehe kommt. Für diesen Fall wird im Anschluß an die sachrechtliche Würdigung das Erforderliche vorsorglich zu bemerken sein. 4. Unerheblichkeit die Verhältnisse

dei Registrierung im Iran

der Ehe nach neueren

Berichten

über

Feststellungen des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik im Iran hatten ergeben, daß die iranischen Behörden die von einem deutschen Standesbeamten geschlossene Ehe eines iranischen Staatsangehörigen für das iranische Gebiet (also nicht nur bei Studentenehen) als gültig nur dann anerkennen würden, wenn die Ehe nach dem iranischen Gesetz über die Eheschließung und Ehescheidung vom 5. 8. 1931 von einer iranischen Auslandsvertretung registriert worden ist 7 . Nach neueren Feststellungen aber kann von der Richtigkeit dieser Auffassung nicht mehr ausgegangen werden 8 . Dies entspricht auch offenbar eher dem Art. 969 des iranischen BGB, der grundsätzlich für die Form der Rechtsgeschäfte die Ortsform genügen läßt, und besondere Einschränkungen für die Form der Eheschließung nicht enthält. Damit wird grundsätzlich im vorliegenden Fall von einer auch nach iranischem Recht wirksamen Ehe ausgegangen werden können.

V. Scheidung

der Ehe bei Vorliegen einer auch nach iranischem wirksamen Ehe

Recht

1. Der iranische Rechtszustand ist bezüglich des materiellen Scheidungsrechts in der Anfrage zutreffend dargestellt. Maßgebend ist im Gebiete des gesamten Personenrechtes in einem sehr weiten Sinne (also auch einschließlich etwa des Erbrechts) religiöses Recht. Das iranische bürgerliche • Vgl. StAZ 1955, 144. Vgl. dazu Bericht der Gesandtschaft der Bundesrepublik in Teheran in StAZ 1954, 106, ferner Neuhaus, StAZ 1961, 136, sowie die Feststellungen des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik, dazu StAZ 1956, 83. 8 Vgl. dazu die Mitteilungen in StAZ 1965, 272 u. a. 7

Scheidung / Iran

273

Gesetzbuch gilt nur für die Rechtsbeziehungen der mohammedanischen Bevölkerung, welche dem schiitischen Ritus angehört. Mohammedanisches Recht gilt auch bei Religionsverschiedenheit der Ehepartner. 2. Es gilt demgemäß Willkürscheidung und zwar einseitig zugunsten des Mannes, wie dies in Art. 1133 des iranischen ZGB in die Worte gekleidet ist: „Der Mann kann seine Frau verstoßen, wann er will." Der Vollzug dieser Willkürscheidung ist gewissen förmlichen Regeln unterworfen. Dies ergibt sich zunächst aus Art. 1134 des iranischen ZGB (die von Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht übernommene Ubersetzung ist allerdings nicht ganz glücklich. Es wäre richtiger folgende Übersetzung: „Die Verstoßung muß ausgesprochen werden durch die Anwendung des Wortes .talagh'. Dies muß geschehen in Gegenwart von mindestens zwei vertrauenswürdigen Zeugen männlichen Geschlechts, welche den Ausspruch der Verstoßung hören. " 8 ) 3. Der Grundsatz der Willkürscheidung ist in Deutschland nicht anwendbar. Zu seiner Ausschaltung braucht aber nicht erst auf Art. 30 EGBGB zurückgegriffen zu werden (Art. 30 EGBGB wird lediglich zur Ausschaltung der Wirkungen eines außerhalb Deutschlands erfolgten „talagh" heranzuziehen sein). Es folgt dies vielmehr schon aus Art. 17 Abs. 4 EGBGB. Nach dieser Bestimmung, die eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Gedankens der Vorbehaltsklausel, wie er in Art 30 ausgedrückt ist, enthält, kann eine Ehe auf Grund ausländischen Rechtes im Inland nur dann geschieden werden, wenn der Scheidungsgrund des ausländischen Rechtes auch nach inländischem Recht eine Scheidung rechtfertigt. Daß die Scheidung durch eine einseitige Erklärung vorgenommen wird, ist nun nicht ausschließlich eine Frage des Verfahrensrechtes. Hier steckt auch ein materiellrechtlicher Kern des Inhalts, daß die Scheidung durch Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Eine derartige rechtsgeschäftliche Scheidung, insbesondere durch einseitige Erklärung eines der Beteiligten, ist aber mit dem Grundsatz des Art. 17 Abs. 4 EGBGB unvereinbar. Wo die Willkürscheidung ausgeschlossen ist, ist auch kein Raum für eine rechtsgeschäftliche Scheidung, jedenfalls nicht durch einseitige Erklärung. Damit ist der materiellrechtliche Gehalt des „talagh" im deutschen Rechtsbereich ausgeschaltet. Diese Ausschaltung erfolgt lediglich auf Grund von Art. 17 Abs. 4 EGBGB. Art. 11 ist hier nicht heranzuziehen. Denn diese Bestimmung hat es nur zu tun mit der Form von Rechtsgeschäften. Die Maßgeblichkeit iranischen Scheidungsrechtes würde eine in den Formen des iranischen Scheidungsrechtes rechtsgeschäftlich vollzogene Scheidungserklärung nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB rechtfertigen. Das Verhältnis des iranischen und des deutschen materiellen Ehescheidungsrechtes im Hinblick auf Art. 17 Abs. 4 EGBGB ist das zweier konzentrischer Kreise: den weiteren Kreis bildet das iranische Scheidungsrecht mit seiner unbe9

18

Vgl. dazu Aghababian, Législation Iranienne Actuelle, 94. M a t . : 11, Gutachten 1965/66

274

FamiHenrecht

schränkten, ja sogar grundlosen oder willkürlichen Scheidungsmöglichkeit. Der engere Kreis, aus dem allein die Scheidungsgründe genommen werden können, wird durch das deutsche materielle Scheidungsrecht dargestellt. 4. Das Rechtsinstitut des „talagh" hat aber auch eine verfahrensrechtliche Seite, die in Art. 1134 des iranischen ZGB vor allem zum Ausdruck kommt. Letztlich ist dieser Bestimmung eine Doppelnatur eigen: Sie enthält sowohl den Satz, daß die Scheidung ein Rechtsgeschäft ist, also auch jenen, wie es zu dieser Scheidung kommt. Der materiellrechtliche Gehalt ist bereits gewürdigt. Soweit der Satz verfahrensrechtlich ist, findet er im Inhalt keine Beachtung; denn ein inländisches Gericht hat, selbst dann, wenn es in der Sache selbst ausländisches Recht anzuwenden hat, sein Verfahren ausschließlich nach seiner eigenen Verfahrensordnung auszurichten. Dies ist der Fundamentalsatz des internationalen Zivilprozeßrechtes, der im vorliegenden Falle auf keine Abweichung oder Ausnahme stößt 10 . Die Maßgeblichkeit inländischen Scheidungsverfahrensrechtes schließt das verfahrensrechtliche Element des Rechtsinstituts „talagh" im Inland aus. Es muß übrigens im Gegensatz zu der bei Soergel-Kegel, Rz. 45 ff. zu Art. 17 EGBGB vertretenen Auffassung als ein Bestandteil des inländischen Verfahrensrechts angesehen werden, daß Scheidungen nur gerichtlich vorgenommen werden können. Die gegenteilige Auffassung übersieht, daß dies der Gesamtstruktur unseres Verfahrensrechts widersprechen würde, und verliert sich allzusehr in der Suche nach einer positivrechtlichen Bestimmung, welche diesen immanenten Satz unseres gesamten Scheidungsverfahrens expressiv verbis enthalten würde. Letztlich ergibt sich das Monopol der Ehescheidung durch staatliche Gerichte auch aus dem besonderen Schutz, den der Staat der Ehe nach dem Grundgesetz angedeihen lassen will (vgl. Art. 6 Abs. 1 GG) n . Mit der mohammedanischen Scheidung durch „talagh" haben sich im übrigen deutsche Gerichte schon häufig beschäftigt, vgl. etwa den Nachweis bei Soergel-Kegel, Art. 17 EGBGB, Fußnote 9 zu Rz. 42. Zu den dort erwähnten Erkenntnissen ist noch der vom Landgericht Köln am 29. 1. 1962 entschiedene und in MDR 1962, 903 veröffentlichte Fall zu erwähnen. Er ist deswegen hier besonders lehrreich, weil dort eine bereits nach iranischem Recht durch „talagh" aufgelöste Ehe auf Antrag des iranischen Ehemannes in Deutschland nochmals geschieden wurde. Es wurde dem Ehemann, obwohl er selbst nach iranischem Recht die Ehe durch „talagh" aufgelöst hatte, noch ein Rechtsschutzbedürfnis zugebilligt, die Scheidung der Ehe in einer Art und Weise zu erwirken, die in den europäischen Staaten anerkannt wird. 10 Vgl. zu diesen Fragen Riezlei, Internationales Zivilprozeßrecht. Tübingen 1949, 91 ff. 11 In diesem Sinne auch Beitzke, FamRZ 1960, 126 u. 127, sowie FamRZ 1959, 507.

Scheidung / Iran

275

VI. Hiifserwägungen für den Fall, daß eine hinkende Ehe angenommen weiden müßte 1. Sollte sich ergeben, daß die bei Bergmann berichtete Auskunft des Iranischen Generalkonsulats in Hamburg über die Notwendigkeit einer Genehmigung des iranischen Kultusministeriums zur Eheschließung iranischer Studenten in Deutschland zutrifft, sollte der Kläger weiter unter den von der Genehmigungspflicht umfaßten Personenkreis gehören und sollte weiter die dann notwendige Genehmigung im vorliegenden Falle nicht erteilt sein und sollte endlich das Fehlen einer Genehmigung nach iranischem Recht eine Nicht-Ehe zur Folge haben, dann käme es zu einer hinkenden Ehe. Nach deutschem Recht wäre die Ehe, da vor einem deutschen Standesbeamten geschlossen, auf alle Fälle wirksam (Art. 13 Abs. III EGBGB). 2. Die Scheidung bei Vorliegen einer hinkenden Ehe a) Grundsätzliches Im Falle eines matrimonium claudicans ist bezüglich Scheidung und Aufhebung der Ehe kein Raum für Anwendung desjenigen Rechtes, welches die in Rede stehende Verbindung als matrimonium non existens betrachtet. Denn ein Recht, das den Bestand einer Ehe nicht anerkennt, kann deren Scheidung und Auflösung auch nicht für sich in Anspruch nehmen 12 . b) Folgerungen Liegt ein matrimonium claudicans in dem hier in Frage stehenden Sinne vor, so ist auf die Scheidung von vornherein deutsches Recht anzuwenden. Dies wird nicht durch das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen gehindert. Denn bei der Anwendung deutschen Rechtes auf eine hinkende Ehe handelt es sich ebenfalls um eine Lösung, die nicht nur dem Iran gegenüber, sondern allen anderen Staaten gegenüber eingreift, wenn eine hinkende Ehe vorliegt.

12 So schon RG 105/365, ferner Staudinger-Raape, 399 ff. und Palandt, Anm. 4 b zu Art. 17 EGBGB mit weiteren Nachweisen, ferner Soergel-Kegel, Rz. 22 zu Art. 17 EGBGB mit umfangreichen Nadiweisungen. Anderer Meinung neuerdings Raape, Lehrbuch, 5. Aufl. 296 ff., im Gegensatz zu dem oben zitierten Kommentar.

18 *

2. KINDSCHAFT a) Ehelichkeit Siehe auch Nr. 37, 38, 39, 40, 41, 43

Nr. 26 Italien 1. Maßgebendes Recht für die Ehelichkeit eines Kindes nadi deutschem und italienischem internationalem Privatrecht. 2. Maßgebendes Recht für die Ehelichkeitsanfechtung nach deutschem und italienischem internationalem Privatrecht. 3. Ehelichkeit eines während bestehender Ehe der Mutter empfangenen und geborenen Kindes nach italienischem Recht. 4. Beseitigung der Ehelichkeit eines Kindes nach italienischem Recht. München G 1234 - 64 vom 9.5.1966 A. SACHVERHALT Ein lediger deutscher Staatsangehöriger ist Vater von drei Kindern, die am 9. 1. 1958 und am 14. 11. 1959 in Deutschland geboren wurden. Mutter dieser Kinder ist eine italienische Staatsangehörige, die ihrerseits mit einem italienischen Staatsangehörigen verheiratet ist. Diese Ehe wurde bereits vor Geburt der genannten Kinder in Italien geschlossen. Durch ein Urteil des Landgerichts Verona vom 30.5.1956 wurde für diese Ehe die Trennung von Tisch und Bett angeordnet. Die Wehrbereichsverwaltung VI in M. bittet um Beantwortung folgender Fragen: 1. Gelten die Kinder, ähnlich wie gemäß § 1593 BGB, als eheliche Kinder der Mutter und deren italienischen Ehemannes oder aber bewirkt die Geburt der Kinder während der Zeit der Trennung von Tisch und Bett deren Unehelichkeit (Art. 18 Abs. 1 EGBGB)? 2. Hat die Mutter der Kinder, anders als im deutschen Recht, die Möglichkeit einer Anfechtung der ggf. anzunehmenden Ehelichkeit dieser Kinder?

Ehelichkeit

/

277

Italien

3. Wenn nicht die Mutter, wer hat ggf. sonst in Deutschland die Möglichkeit einer solchen Anfechtung? 4. Könnte für einen solchen Anfechtungsrechtsstreit ein deutsches Gericht sachlich und örtlich zuständig sein? B. GUTACHTEN I. Das anwendbare 1. Das auf die Ehelichkeit

Recht

der Kinder anwendbare

Recht

Nach Art. 18 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Ehelichkeit eines Kindes nach dem Heimatrecht des Ehemannes der Kindsmutter zur Zeit der Geburt. Da es im zu begutachtenden Fall um die Ehelichkeit der Kinder im Verhältnis zum italienischen Ehemann der Mutter geht, findet zunächst eine Verweisung auf italienisches Recht statt. 2. Das Problem der a)

Rückverweisung

Grundlagen

Bevor das italienische Sachrecht zur Anwendung gebracht wird, bedarf es einer Prüfung, ob Italien die Verweisung des deutschen Rechts auch annimmt. Zwar ist Art. 18 Abs. 1 EGBGB in Art. 27 EGBGB nicht aufgezählt. Es ist aber allgemein herrschende Auffassung, daß eine evtl. Rückverweisung zu beachten wäre 4 . b) Das maßgebliche

italienische

Kollisionsrecht

Mit dem Eltern-Kind-Verhältnis befassen sich im italienischen internationalen Privatrecht Art. 17 und 20 der Disposizione sulla Legge in Generale. Die Vorschriften lauten in deutscher Übersetzung: Art. 17 Abs. 1 Der Personenstand und die Handlungsfähigkeit sowie die familienrechtlichen Beziehungen einer Person bestimmen sich nach dem Recht des Staates, dem sie angehört. Art. 20 Abs. 1 Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern bestimmen sich nach dem Heimatrecht des Vaters, oder nach dem der Mutter, wenn nur die Mutterschaft festgestellt ist oder wenn nur die Mutter das Kind legitimiert hat.

Bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Vorschriften ist festzuhalten, daß nach der einhellig herrschenden Auffassung Art. 20 Abs. 1 aaO nur die Ausgestaltung eines Eltern-Kind-Verhältnisses betrifft, dessen Begründung oder Feststellung also bereits voraussetzt. Letztere '

1

Vgl. Soergel-Kegel,

9. Aufl. Rz. 38 zu Art. 18 EGBGB.

278

Familienrecht

beurteilt sich ausschließlich nach Art. 17 aaO 2 . Maßgeblich ist deshalb das Heimatrecht der Person, deren Statut betroffen ist. In der italienischen Lehre und Rechtsprechung hat sich nun ein lebhafter Streit entwickelt, ob bei verschiedener Staatsangehörigkeit von Ehemann der Mutter und Kind in erster Linie der Status des Ehemannes, des Kindes oder der Familie in Frage stehe. Während eine frühere Auffassung, wie sie bei Monaco, Nov. Digesto Italiano Band VII (1957) Filiazione 312, geschildert wird, den Status von Ehemann und Kind in den Vordergrund stellt und deshalb nach Art. 17 aaO deren Heimatrechte kumulativ anwenden wollte, steht die ganz überwiegende neuere Lehre auf dem Standpunkt, daß es sich um eine Frage des Familienstatus handle. Hieraus wird gefolgert, daß Art. 17 insoweit eine Lücke enthalte, denn der Gesetzgeber habe diesen Fall nicht bedacht. Die Lücke könne nur geschlossen werden durch die Heranziehung des Vaterrechts als Familienstatut, wie es in Art. 20 aaO vorgesehen sei 3 . Diese neuere Entwicklung erübrigt eine nähere Erörterung der Staatsangehörigkeit der Kinder. Da der Ehemann der Kindsmutter italienischer Staatsangehöriger ist, nimmt Italien nach den vorgenannten Grundsätzen die Verweisung an, so daß es insoweit bei der Anwendbarkeit italienischen Sachrechts verbleibt. 3. Das auf die Anfechtung der Ehelichkeit

anwendbare

Recht

Da die Kindsmutter gleichfalls die italienische Staatsangehörigkeit besitzt, bleibt es hinsichtlich der Anfechtung der Ehelichkeit der Kinder ebenfalls bei der Kollisionsregel des Art. 18 Abs. 1 EGBGB, denn Art. 18 Abs. 2 EGBGB enthält nur eine Sondervorschrift bei deutscher Staatsangehörigkeit der Kindsmutter. Demnach beurteilt sich die Ehelichkeitsanfechtung zunächst nach italienischem Recht. 4. Problem der

Rückverweisung

Das italienische Recht hat für die Ehelichkeitsanfechtung eine besondere Regel nicht entwickelt. Vielmehr sieht es in ihr ein rein statusrechtliches Institut, das sich nach den oben bereits aufgezeigten Regeln beurteilt 4 . Damit bleibt es hinsichtlich der Voraussetzung einer Anfechtung beim italienischen Recht, eine Rückverweisung findet nicht statt. 2 Balladore PaUieri, Diritto Internazionale Privato (1950) 189f., Valdinoci in Riv. trim. dir. proc. civ. (1961) 706 f. 3 Vgl. Balladore PaUieri 194 f., Socini, La Filiazione Nel Diritto Internazionale Privato (1958) 57 ff., Valdinoci aaO, letzterer auch mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 4 Vgl. Balladore PaUieri 190, Valdinoci 709 m. w. N.

Ehelichkeit / Italien II. Das danach anzuwendende 1. Die Ehelichkeit

279 Sachrecht

der Kinder

Mit der Ehelichkeit der während bestehender Ehe der Mutter geborenen und empfangenen Kinder befaßt sich Art. 231 Codice Civile. Die Vorschrift lautet in deutscher Übersetzung: Art. 231 Der Ehemann ist der Vater der während der Ehe empfangenen Kinder.

Dabei macht das Gesetz keinen Unterschied zwischen vollgültig bestehender Ehe und einer solchen, die von Tisch und Bett getrennt ist. Dies zeigt sidi besonders in der Regelung, die das Anfechtungsrecht gefunden hat und auf die nachfolgend eingegangen wird. Es ist sonach festzustellen, daß der Ehemann der Kindsmutter als ehelicher Vater der Kinder anzusehen ist. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß das italienische Recht schon aus diesem Grund eine Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zulassen würde. 2. Die Beseitigung a)

der

Ehelichkeit

Einleitendes

Hinsichtlich der Beseitigung der Ehelichkeit verfolgt der Codice Civile eine andere Systematik als das deutsche Recht. Wie Torrente, Manuale di Diritto Privato, 4. Aufl. 1960, 690, feststellt, hängt der Ehelichkeitsstatus eines Kindes von vier Voraussetzungen ab: Das Kind muß von einer bestimmten Mutter geboren sein, die ihrerseits mit einem bestimmten Mann verheiratet war, der das Kind gezeugt hat oder als Erzeuger vermutet wird, vorausgesetzt, daß die Zeugung während der Ehe erfolgte. Aus dem Mangel einer jeden dieser vier Voraussetzungen kann sich der Fortfall der Ehelichkeit ergeben und folglich kennt das italienische Recht verschiedene Klagearten. Hinsichtlich der Ausräumung der Vaterschaft bzw. der von Art. 231 aufgestellten Vaterschaftsvermutung ist die azione di disconoscimento nach Art. 233 ff. Codice Civile möglich, die am besten als Vaterschaftsaberkennungsklage bezeichnet werden kann. Die Ausräumung der anderen drei Voraussetzungen durch den Nachweis einer Entbindungsvortäuschung, einer Kindesunterschiebung, einer Ungültigkeit der Ehe der Kindsmutter und eines weiteren, hier nicht interessierenden Gesichtspunktes wird durch die azione di contestazione della legittimità ermöglicht, die in Art. 248 Codice Civile geregelt ist. Diese Klage läßt sich am besten mit Ehelichkeitsbeseitigungsklage bezeichnen, wenn man dabei im Auge

280

Familienrecht

behält, daß auch die Vaterschaftsaberkennungsklage zum Verlust der Ehelichkeit führt. b) Die

Vaterschaftsaberkennungsklage

Sind die Kinder während bestehender Ehe der Kindsmutter geboren, so ist für die Klage des Ehemannes Art. 235 Codice Civile maßgeblich. Die Vorschrift lautet: Art. 235 Der Ehemann kann die Ehelichkeit eines während der Ehe empfangenen Kindes nur anfechten in folgenden Fällen: 1. wenn er in der Zeit zwischen dem dreihundertsten und einhundertachtzigsten Tage vor der Geburt wegen Abwesenheit oder aus anderen Gründen seiner Frau tatsächlich unmöglich beiwohnen konnte; 2. wenn er in der angegebenen Zeit impotent war, auch wenn die Impotenz nur in einer Zeugungsunfähigkeit bestand; 3. wenn er während dieser Zeit von seiner Frau gesetzlich getrennt lebte, sei es auch nur auf Grund einer vorübergehenden behördlichen Anordnung, sofern nicht zwischen den Ehegatten eine wenn auch nur vorübergehende Vereinigung stattgehabt hat; 4. wenn die Frau während dieser Zeit einen Ehebruch begangen und dem Ehemann die Schwangerschaft sowie die Geburt des Kindes verheimlicht hat. In diesem Fall ist der Ehemann berechtigt, alle anderen Tatsachen zum Beweise heranzuziehen, daß seine Vaterschaft ausgeschlossen ist. Die Erklärung der Mutter allein schließt die Vaterschaft nicht aus.

Eine weitere Vorschrift über die Klageberechtigung besteht nicht, so daß weder die Mutter noch die Kinder oder eine sonstige Person Klage erheben könnten. Für die Bestellung eines Pflegers für den Ehemann ist in Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 EGBGB unter den gegenwärtigen Voraussetzungen keine Möglichkeit ersichtlich, so daß es keines weiteren Eingehens auf diese Frage bedarf. Rein abrundend sei nur darauf hingewiesen, daß die italienischen Gerichte das Klagerecht wiederholt als höchstpersönliches Recht des Ehemannes der Kindsmutter betrachtet haben, das ihm aus moralischen Gründen eingeräumt ist und daher nicht von Dritten wahrgenommen werden kann 5 . Um der anfragenden Behörde eine umfassende Beurteilung zu ermöglichen, sei audi noch hingewiesen auf Art. 244 Codice Civile. Diese sich mit den Klagefristen befassende Regel lautet: Art. 244 Die Anfechtungsklage muß sowohl im Fall des Art. 233 wie auch im Fall des Art. 235 von dem Ehemann binnen einer Frist von drei Monaten erhoben werden, welche beginnt: 8 Vgl. Appellationsgericht Mailand Foro It. 1951 I 951 und Tribunale von Florenz Foro It. 1947 I 79.

Ehelichkeit

/ Italien

281

mit dem Tage der Geburt, wenn er sich zu dieser Zeit an dem Orte befindet, an dem das Kind geboren wird; mit dem Tage seiner Rückkehr an den Ort, an dem das Kind geboren ist oder an dem sich der eheliche Wohnsitz befindet, wenn er abwesend war. Wenn er nachweist, daß er an diesem Tage keine Kenntnis von der Geburt gehabt hat, so läuft die Frist in jedem Fall erst von dem Tage an, an dem er diese Kenntnis erlangt hat.

c) Die Ehelichkeitsbeseitigungsklage

des Art. 248 Codice

Civile

Die Vorschrift lautet: Art. 248 Die Klage auf Bestreitung der Ehelichkeit, sei sie gegründet auf die Nichtigkeit der Ehe oder auf Vortäuschung der Entbindung oder Unterschiebung eines neugeborenen Kindes oder auf die Geburt eines Kindes nach dreihundert Tagen seit Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe, steht denjenigen zu, die nach der Geburtsurkunde des Kindes als dessen Eltern gelten und jedem, der ein Interesse daran hat. Die Klage ist unverjährbar. Falls sie sich gegen ein minderjähriges oder sonstwie geschäftsunfähiges Kind richtet, finden die Bestimmungen des vorhergehenden Artikels Anwendung. In dem gerichtlichen Verfahren müssen beide Eltern vorgeladen werden.

Da die sehr beschränkten Gründe, die eine Erhebung dieser Klage rechtfertigen können, in dem vorgelegten Fall nicht zutreffen, wird auf eine weitere Erörterung der Vorschrift verzichtet.

III.

Schlußbemeikung

Da ausschließlich eine Klage durch den in Italien lebenden Ehemann der Kindsmutter, der italienischer Staatsbürger ist, in Betracht kommt, erübrigt sich eine Stellungnahme zur Frage der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts. Das Institut entnimmt insoweit aus der Formulierung der Anfrage, daß die Zuständigkeitsfrage nur dann Interesse erlangt hätte, wenn eine der in Deutschland ansässigen Personen, insbesondere die Kindsmutter oder die Kinder selbst, klageberechtigt gewesen wären. Es ist also davon auszugehen, daß die Kinder eheliche Kinder des Ehemannes der Kindsmutter sind, vorbehaltlich einer Anfechtung der Vaterschaft durch diesen. Dabei ist Voraussetzung, daß die Klagefristen des Art. 244 Codice Civile noch nicht verstrichen sind.

Familieniecht

282

b) Eheliche Kindschaft Siehe auch Nr. 18, 32, 43, 44, 46

Nr. 27 Niederlande 1. Maßgebendes Recht für Minderjährigkeit und eheliche Kindschaft nach deutschem und niederländischem IPR. 2. Gesetzliche Vormundschaft des Uberlebenden Elternteils und Gegenvormundschaft nach niederländischem Recht. 3. Qualifikation der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils und der Gegenvormundschaft im Rahmen der Art. 19 und 23 EGBGB und des Haager Vormundschaftsabkommens. 4. Genehmigungsbedürftige Geschäfte des Vormunds nach niederländischem Recht. 5. Internationale Zuständigkeit deutscher Vormundschaftsgerichte für Maßregeln, die nach ausländischem Recht nötig sind, bei inländischem gewöhnlichem Aufenthalt des Mündels. Köln 114/64 vom 22. 2.1965

Mit Verfügung vom 14. Dezember 1964 bittet das Amtsgericht Düsseldorf in der Vormundschaftssadie W. um eine Auskunft über niederländisches Familienrecht. SACHVERHALT Die Antragstellerin Elisabeth W. und ihre beiden Kinder Hans Günther W., geb. am 14. Juli 1945, und Maria W., geb. am 13. März 1950, haben ihren Ehemann bzw. Vater, den am 30. Juni 1963 in Düsseldorf verstorbenen Niederländer Wilhelm W., nach niederländischem Recht zu j e Vs beerbt und befinden sich in ungeteilter Erbgemeinschaft. Sowohl die Antragstellerin als auch die beiden Kinder besitzen die niederländische Staatsangehörigkeit und haben ihren gemeinschaftlichen Wohnsitz in Düsseldorf. In einem am 2. Dezember 1964 in Düsseldorf aufgenommenen notariellen Vertrag hat die Antragstellerin, für sich und ihre Kinder handelnd, ein in Düsseldorf belegenes Nachlaßgrundstück verkauft und aufgelassen. Sie beantragt nunmehr die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der im Namen ihrer Kinder abgegebenen Erklärungen.

Eheliche Kindschait /

Niederlande

283

Das Vormundschaftsgericht bittet um die Beantwortung folgender Fragen: „l.Ist nach Art. 19 EGBGB niederländisches Recht anwendbar oder über Art. 28 deutsches Recht? 2. Enthält das niederländische Familienrecht evtl. eine Rüdeverweisung im Sinne des Art. 27 EGBGB? 3. Ist das deutsche Vormundschaftsgericht überhaupt zuständig, da Mutter und Kinder Ausländer sind? 4. Kann die Mutter nach dem Tod ihres Mannes die Kinder ohne weiteres vertreten oder bedarf es der Bestellung eines Vormundes oder Pflegers? 5. Ist zur Wirksamkeit der Grundstücksveräußerung oder des Grundstückserwerbs eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforlich?" GUTACHTEN

I. Bestimmung

des auf die Minderjährigkeit und die eheliche anzuwendenden Rechts

Kindschait

Der gesetzlichen Vertretung der Kinder der Antragstellerin einschließlich der hierzu erforderlichen Maßnahmen des Vormundschaftsgerichts bedarf es nur insoweit, als die Kinder unmündig sind. Die Minderjährigkeit einer Person ergibt sich nach deutschem IPR auch als Vorfrage der ehelichen Kindschaft aus Art. 7 EGBGB. Gemäß Art. 7 I EGBGB richtet sich die Geschäftsfähigkeit nach dem Heimatrecht. Da die beiden Kinder der Antragstellerin die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen, verweist Art. 7 I EGBGB hinsichtlich ihrer Minderjährigkeit somit auf das niederländische Recht. Die Schutzvorschrift des Art. 7 III EGBGB findet schon deshalb keine Anwendung, weil beide Kinder nach deutschem Recht minderjährig wären. Die eheliche Kindschaft unterliegt nadi Art. 19 S. 1 EGBGB, der nicht gegen Art. 3 II GG verstößt, dem Heimatrecht des Vaters. Ist der Vater gestorben, so gilt das Heimatrecht der Mutter. Art. 19 S. 1 EGBGB spricht diese Grundsätze zwar nur für den Fall der deutschen Staatsangehörigkeit aus, ist aber unstreitig zur allseitigen Kollisionsnorm zu erweitern 1 . Da die Antragstellerin Niederländerin ist, verweist das deutsche IPR somit auch hinsichtlich der ehelichen Kindschaft auf das niederländische Recht. Auf Grund der niederländischen Staatsangehörigkeit der Kinder findet Art. 19 S. 2 EGBGB keine Anwendung. 1 Kegel in Soergel-Siebert (9. Aufl. 1961) Bern. 1 - 3 zu Art. 19; bach, (24. Aufl. 1965) Anm. 2 zu Art. 19.

Palandt-Lauter-

284

Familienrecht

Wie sich aus Alt. 27 EGBGB ergibt, beziehen sich die Verweisungen des deutschen IPR auf das niederländische internationale Privatrecht. Daß Art. 19 EGBGB in Art. 27 EGBGB nicht ausdrücklich erwähnt wird, beruht lediglich auf seiner Fassung als einseitiger Kollisionsnorm. Auch im Bereich der ehelichen Kindschaft gilt das für anwendbar erklärte Recht nur vorbehaltlich seiner Rück- oder Weiterverweisung 2 . Im niederländischen IPR bestimmen die Art. 6, 7 und 9 des Gesetzes vom 15. Mai 1829 (Algemeene Bepalingen der Wetgeving van het Koninkrijk, abgek. AB) in der Fassung des Gesetzes vom 26. April 1917 (Staatsblad Nr. 303): Art. 6: „De wetten, betreffende de regten, den Staat en de bevoegdheid der personen, verbinden de Nederlanders, ook wanneer zij zieh buiten 's lands bevinden."

Die Gesetze über die Rechte, den Status sowie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Personen gelten für Niederländer, auch wenn sie sich außerhalb des Landes befinden.

Art. 7: „Ten opzigte van onroerende goederen geldt de wet van het land of der plaats, alwaar die goederen gelegen zijn."

In Ansehung unbeweglichen Vermögens gilt das Gesetz des Landes oder Ortes, an dem das Vermögen belegen ist.

Art. 9: „Het burgerlijk regt van het Koningrijk is hetzelfde voor vreemdelingen, als voor de Nederlanders, zoolang de wet niet bepaaldelijk het tegendeel vaststelt."

Das Bürgerliche Recht des Königreichs gilt in gleicher Weise für Ausländer wie für Niederländer, solange das Gesetz nicht ausdrücklich das Gegenteil feststellt.

Aus den Art. 6 und 9 ergibt sich die Geltung des Staatsangehörigkeitsprinzips im gesamten Personen- und Familienrecht. Hierunter fallen insbesondere auch die Geschäftsfähigkeit bzw. Mündigkeit einer Person und die elterliche Gewalt einschließlich der Vertretungsmacht hinsichtlich des Kindesvermögens und der etwa erforderlichen Genehmigungen des Vormundschaftsgerichts. Die Streitfrage, ob im Bereich der ehelichen Kindschaft das Heimatrecht des Vaters bzw. der Mutter oder das Heimatrecht des Kindes den Vorzug verdient 3 , bedarf hier keiner Entscheidung, da im vorliegenden Fall Eltern und Kinder Niederländer sind bzw. gewesen sind. 2 Kegel, Bern. 50 zu Art. 19 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; PalandtLauterbach, Anm. 3 zu Art. 27. 3 Siehe dazu Hol's-Gravenhage 10. 5. 1951 NJ 1952 Nr. 405; van Brakel, Grondslagen en Beginselen van Nederlands Internationaal Privaatrecht (3. Aufl. 1953) 190/191; Mulder, Inleiding tot het Nederlandsch Internationaal Privaatrecht (2. Aufl. 1947) 126.

Eheliche Kindschaft /

Niederlande

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Das Heimatrecht als Personalstatut gilt auch hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens. Art. 7 AB gilt grundsätzlich nur im eigentlichen Sachenrecht und führt nicht zu einer kollisionsrechtlichen Spaltung im Personenund Familienrecht 4 . Das niederländische IPR enthält somit weder hinsichtlich der Mündigkeit noch der ehelichen Kindschaft eine Rück- oder Weiterverweisung. II.

Vormundschaitsstatut

Das Vormundschaftsstatut ergibt sich im Verhältnis zu den Niederlanden nicht aus Art. 23 EGBGB, sondern aus dem Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige vom 12. Juni 1902 (RGBl. 1904, 240; BGBl. 1955 II l) 5 . Das Haager Vormundschaftsabkommen regelt sowohl die internationale Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts als auch das anzuwendende Recht. Das anzuwendende Recht ergibt sich insbesondere aus den Art. 1, 3 und 5 des Abkommens. Danach gelten praktisch dieselben Grundsätze wie im deutschen IPR. Das Heimatrecht des Mündels als grundsätzlich geltendes Vormundschaftsstatut bestimmt stets über die Voraussetzungen und den Zeitpunkt der Entstehung und Beendigung der Vormundschaft. Durchführung und Inhalt der Vormundschaft beurteilen sich dagegen nach dem Recht des Staates, in dem die Vormundschaft angeordnet und geführt wird. Hierzu gehören insbesondere die Auswahl und Bestellung des Vormunds sowie seine Rechte und Pflichten einschließlich seiner Beaufsichtigung durch das Vormundschaftsgericht 6 . Art. 27 EGBGB findet bei staatsvertraglichen Kollisionsnormen grundsätzlich keine Anwendung. Vielmehr ist im Zweifel anzunehmen, daß Rückund Weiterverweisung ausgeschlossen sind 7 . Dies gilt auch für das Haager Vormundschaftsabkommen 8 . In Anwendung des Haager Vormundschaftsabkommens bestimmen sich somit die Voraussetzungen der Entstehung einer Vormundschaft über die Kinder der Antragstellerin nach niederländischem Recht. Das auf die Durchführung und den Inhalt der Vormundschaft anzuwendende Recht hängt dagegen davon ab, ob die Vormundschaft in Deutschland oder in den Niederlanden geführt wird. 4 HR 17. 5. 1929 W. 12006; van Brakel 204; Mulder 30; van der Ploeg, Les régimes matrimoniaux et le droit successoral dans le droit international privé néerlandais, Les régimes matrimoniaux et les successions en droit international privé (1963) 977 fi. (980). 6 Kegel, Bern. 37 zu Art. 23; Palandt-Lauterbach, Anhang zu Art. 23, Anm. 3 a. 6 Siehe dazu Kegel, Bern. 39 i.V. m. Bern. 5-12 und 22-25 zu Art. 23; Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 346-352; Palandt-Lauterbach, Anm. 3 c zu Art. 23. 7 Erman-Arndt (3. Aufl. 1962), Anm. 10 zu Art. 27; Kegel, Bern. 33 zu Art. 27; Palandt-Lauterbach, Anm. 3 zu Art. 27; Raape bei Staudinger (9. Aufl. 1931), Anm. F zu Art. 27; Wolff, Das Internationale Privatredit Deutschlands (3. Aufl. 1954) 79. 8 Kegel, Bern. 39 zu Art. 23.

286

Familienrecht

III. Art. 28 EGBGB und Art. 6 II des Haager

Vormundschaitsabkommens

Das Vormundsdiaftsgeridit fragt ausdrücklich nach der Anwendbarkeit des Art. 28 EGBGB. Der Geltungsbereich dieser Vorschrift ist stark umstritten. Nach herrschender Lehre, zum Teil auch nach der Rechtsprechung, gilt Art. 28 EGBGB nicht nur für in- und ausländische Sondervermögen zugunsten bestimmter Personen, sondern auch in den Fällen materiell- und kollisionsrechtlicher bzw. nur kollisionsrechtlicher Vermögensspaltung. Richtiger Ansicht nach erfaßt die Vorschrift dagegen nur ausländische Sondervermögen zugunsten bestimmter Personen, z. B. Fideikommisse, Lehen oder Erbhöfe im Ausland9. Im vorliegenden Fall bedarf diese Streitfrage jedoch keiner Entscheidung. Das von der Antragstellerin für sich und im Namen ihrer Kinder veräußerte Grundstück liegt in Deutschland und gehört ersichtlich zu keinem Sondervermögen zugunsten bestimmter Personen. Da das deutsche Recht ferner keine allgemeine Vermögensspaltung kennt, sei es materiellrechtlicher, sei es kollisionsrechtlicher Art, kommt die Anwendung des Art. 28 EGBGB auch bei seiner weitestgehenden Auslegung nicht in Betracht. Aus diesen Gründen scheitert auch die Anwendbarkeit des Art. 6 II des Haager Vormundschaitsabkommens, soweit das Abkommen hier überhaupt eingreift. Diese Vorschrift bestimmt den Vorrang der lex rei sitae vor dem Vormundschaftsstatut für Grundbesitz, welcher zu einem Sondervermögen zugunsten bestimmter Personen gehört, entspricht also - mit der Beschränkung auf Grundbesitz - dem Art. 28 EGBGB10. Weder Art. 28 EGBGB noch Art. 6 II des Haager Vormundschaftsabkommens schränken somit die Anwendbarkeit niederländischen Rechts im bisher festgestellten Rahmen ein. /V. Die niederländische Regelung der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils und der Bestellung eines Gegenvormunds Nach niederländischem Recht endet die Minderjährigkeit mit der Vollendung des 21. Lebensjahres, mit der Heirat des Minderjährigen oder mit seiner Volljährigkeitserklärung; jeder Minderjährige steht entweder unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft (Art. 353 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, Burgerlijk Wetboek, abgek. BW). 9 Kegel, Bern. 5-11 zu Art. 28 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum; Kegel, IPR 142-146. 10 Frankenstein, Internationales Privatrecht, Bd. 4 (1935) 257/258; Kegel, Bern. 41 zu Art. 23; Meili-Mamelok, Das internationale Privat- und Zivilprozeßrecht auf Grund der Haager Konventionen (1911) 286/287; Walker, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1934) 873/874; ferner Palandt-Lauterbach, Anhang zu Art. 23, Anm. 3 c; Wolti 225.

Eheliche Kindschait /

Niederlande

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Die elterliche Gewalt umfaßt, ähnlich wie im deutschen Recht, die Personensorge (Art. 355 und 356 BW) und die Vermögenssorge (Art. 357-360 BW). Sie endet u. a. mit der Auflösung der Ehe. Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, so ist der überlebende Elternteil kraft Gesetzes gesetzlicher Vormund der gemeinsamen minderjährigen Kinder, sofern er nicht im Zeitpunkt des Todes des anderen Elternteils von der elterlichen Gewalt ausgeschlossen gewesen ist (Art. 378BW.). Das niederländische Recht sieht die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils als echte Vormundschaft an. Ebenso wie auf die beiden anderen Arten der Vormundschaft, nämlich die seitens der Eltern von Todes wegen bestimmte Vormundschaft (tutela testamentaria) und die vom Vormundschaftsgericht angeordnete Vormundschaft (tutela dativa), finden die Vorschriften des niederländischen BGB über die Vormundschaft unmittelbare Anwendung. Gleichwohl bestehen gewisse Unterschiede zwischen der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils (ouder-voogdij) und den beiden anderen Arten der Vormundschaft (derdevoogdij). So kann z. B. Eltern-Vormund im Gegensatz zu der durch einen Dritten geführten Vormundschaft nur eine natürliche Person sein. Auch obliegt die für den Dritten grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur jährlichen Rechnungslegung dem Eltern-Vormund nur im Falle ihrer ausdrücklichen Auferlegung durch das Vormundschaftsgericht. Vor allem aber bleibt der Eltern-Vormund Träger der außerhalb der elterlichen Gewalt bestehenden elterlichen Rechte und Pflichten. Hierunter fallen beispielsweise die Zustimmung zur Heirat des Kindes, die Mitwirkung beim Abschluß eines Ehevertrages durch das Kind sowie einerseits das elterliche Recht auf Achtung und Ehrerbietung, andererseits die erhöhte elterliche Verpflichtung zur Sorge für die Person des Kindes u . Der wesentliche Unterschied zwischen der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils und der elterlichen Gewalt besteht weniger in der Ausgestaltung der Personen- und Vermögenssorge - die wichtigsten Bestimmungen über die Vermögenssorge des Vormunds finden auf die Vermögenssorge der Eltern ohnehin entsprechende Anwendung (Art. 433 - 441 b BW i.V.m. Art. 359 BW) - , als in der bei der gesetzlichen Vormundschaft zwingend vorgeschriebenen Anordnung einer Gegenvormundschait. über die Bestellung 402 BW:

des Gegenvormunds

bestimmen die Art. 401 und

Art. 401: „in elke voogdij benoemt de rechter tenzij anders is bepaald, de kantonrechter - een toezienden voogd."

11 Siehe dazu Asser-Scholten-Wiarda, (9. Aufl. 1957) 661/662.

Bei jeder Vormundschaft ernennt der Richter - soweit nichts Gegenteiliges bestimmt ist, der Amtsrichter - einen Gegenvormund. Natuurlijke Personen en Familierecht

288

Familieniecht

Art. 402: „De voogd, die van reditswege optreedt, of door een ouder is benoemd, is verplicht dadelijk na den aanvang zijner voogdij een toezienden voogd te doen benoemen. Verzuim van deze verplichting kan aanleiding geven tot de ontzetting des voogds overeenkomstig artikel 419, onverminderd zijn aansprakelijkheid voor schaden, kosten en interessen."

Der Vormund, der von Rechts wegen auftritt oder durch einen Elternteil ernannt ist, ist verpflichtet, unverzüglich nach dem Antritt seiner Vormundschaft einen Gegenvormund zu benennen. Die Verletzung dieser Verpflichtung kann Veranlassung geben zur Entlassung des Vormunds nach Artikel 419, unbeschadet seiner Haftung für Schäden, Aufwendungen und Zinsen.

Der überlebende Elternteil ist also zur Benennung eines Gegenvormunds berechtigt und verpflichtet. Die Bestellung des Gegenvormunds erfolgt durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts. Die Gegenvormundschaft beginnt grundsätzlich mit der Rechtskraft des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts (Art. 404 BW). Sofern nicht die besonderen Befreiungsgründe des Art. 414 BW vorliegen, ist der von dem überlebenden Elternteil benannte und daraufhin vom Vormundschaftsgericht bestellte Gegenvormund verpflichtet, die Gegenvormundschaft auszuüben (Art. 404 a BW). Allgemein gesehen besteht die Aufgabe des Gegenvormunds nicht in der Ausübung einer zusätzlichen „vormundschaftlichen Gewalt" über den Minderjährigen, sondern in der Beaufsichtigung des Vormunds im Interesse des Mündels, insbesondere für den Fall der Interessenkollision zwischen Mündel und Vormund (Art. 407 BW). Im einzelnen sind die wichtigsten Aufgaben des Gegenvormunds: 1. Die Veranlassung der Errichtung eines Nachlaßverzeichnisses durch den Vormund im Falle des Anfalls einer Erbschaft an den Minderjährigen (Art. 408 BW); 2. die Wahrnehmung der Aufgaben des Vormunds, wenn dieser selbst an ihrer Wahrnehmung verhindert ist (Art. 409 BW); 3. die Überwachung der für den Vormund vorgeschriebenen Errichtung eines Verzeichnisses des Vermögens des Minderjährigen nach dem Antritt der Vormundschaft (Art. 428 BW); 4. die Erhebung der Nichtigkeitsklage bei Rechtsgeschäften, die der Vormund ohne die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abgeschlossen hat (Art. 435 BW); 5. die Überwachung des Vormunds bei der Auseinandersetzung einer Erbschaft, an der der Mündel beteiligt ist (Art. 1118 BW) 12 . 12

Siehe zu den Aufgaben des Gegenvormunds im einzelnen Asser - Schölten Wiarda 799-805; de Bie-van de Werk, Kinderrecht, 1. Teil (4. Aufl. 1958) 209/210; Pitlo-Meijling, Het Personenrecht (4. Aufl. 1955) 359/360.

Eheliche Kindschait /

Niederlande

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V. Qualifikation der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Gegenvormundschaft Elternteils und der anzuordnenden Ob die nach niederländischem Recht somit bestehende gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils und die nach niederländischem Recht anzuordnende Gegenvormundschaft unter das Kindschaftsstatut oder das Vormundschaftsstatut fallen, ist eine Frage der Qualifikation. Diese Frage ist hier deshalb von praktischer Bedeutung, weil Inhalt und Durchführung der Vormundschaft in Anwendung des Haager Vormundschaftsabkommens wie nach Art. 23 EGBGB deutschem Recht unterlägen, wenn die Vormundschaft in Deutschland geführt wird, während in Anwendung des Kindschaftsstatuts für Entstehung, Inhalt und Durchführung der Vormundschaft einheitlich niederländisches Recht gelten würde. Auf die verschiedenen Theorien zur Qualifikation kann hier nicht eingegangen werden. Die wohl noch herrschende Meinung, der insbesondere die deutsche Rechtsprechung folgt, qualifiziert nach den Systembegriffen des eigenen Rechts (lex fori-Theorie). Richtiger Ansicht nach hat die Qualifikation dagegen nach dem Zweck der Kollisionsnormen unter Abwägung der ihnen zugrunde liegenden internationalprivatrechtlichen Interessen zu erfolgen (internationalprivatrechtliche Qualifikation) 13 . Im vorliegenden Fall wird die Qualifikation zusätzlich erschwert, weil sich das Vormundschaftsstatut aus dem Haager Vormundschaftsabkommen ergibt. Bei Staatsverträgen kann die Qualifikation mit Sicherheit nicht auf die eigenen Systembegriffe abgestellt werden, allenfalls auf die gemeinsamen Systembegriffe der beteiligten Staaten. Richtiger Ansicht nach erfolgt die Qualifikation hier nach dem Zweck der staatsvertraglichen Kollisionsnorm und den ihr zugrunde liegenden Interessen. Die Entstehungsgeschichte des Staatsvertrags und die Praxis anderer Vertragsstaaten sind zu beachten 14 . Wenn Art. 19 EGBGB die eheliche Kindschaft grundsätzlich dem Heimatrecht des Vaters bzw. der Mutter unterstellt, so geschieht dies aufgrund des Parteiinteresses der Beteiligten an der Anwendung ihres Heimatrechts. Das Personalstatut des Kindes tritt hinter dem Personalstatut der Eltern zurück, weil es sich um Folgen der Ehe handelt und die Ehewirkungen im weiteren Sinne möglichst einem einheitlichen Recht unterliegen sollen. Das Kind stammt aus der Ehe und soll deshalb deren Recht hinnehmen 15 . Aus diesem Grunde gilt Art. 19 EGBGB grundsätzlich für das gesamte Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und dem ehelichen Kind. Im Rahmen der elterlichen Gewalt umfaßt er sowohl die Personen- als 13 Kegel, tum; Kegel, 14 Kegel, nationalen 15 Kegel,

19

Bern. 35-43 vor Art. 7 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und SchriftIPR 95-106. Bern. 44 vor Art. 7; vgl. Melchior, Die Grundlagen des deutschen interPrivatrechts (1932) 178-182. IPR 312/313 und 314.

M a t . : 11, Gutachten 1965/66

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auch die Vermögenssorge einschließlich der Vertretungsmacht hinsichtlich des Kindesvermögens und der hierbei erforderlichen Genehmigungen des Vormundschaftsgerichts 16 . Die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils ist praktisch eine Fortwirkung der elterlichen Gewalt. Als Ehewirkung im weiteren Sinne gehört sie zum Rechtsverhältnis zwischen Eltern und ehelichem Kind und unterliegt deshalb nach deutschem IPR nicht dem Vormundschaftsstatut des Art. 23, sondern dem Kindschaftsstatut des Art. 19 E G B G B W a s für das Verhältnis zwischen Art. 19 und Art. 23 EGBGB gilt, gilt nicht notwendig für das Verhältnis zwischen Art. 19 EGBGB und dem Haager Vormundschaitsabkommen. Ob dieses Abkommen auch auf die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils anwendbar ist, ist weder seinem Wortlaut noch seiner Entstehungsgeschichte zu entnehmen 18 . Dies ist um so erstaunlicher, als in den Vertragsstaaten drei Systeme gelten: Der Fortbestand der elterlichen Gewalt in grundsätzlich vollem Umfang, z. B. in Deutschland, die Fortdauer der elterlichen Gewalt hinsichtlich der Personensorge in Verbindung mit einer gesetzlichen Vormundschaft hinsichtlich des Vermögens des Kindes, z. B. in Belgien, und der Ersatz der elterlichen Gewalt durch die gesetzliche Vormundschaft in grundsätzlich vollem Umfang, z. B. in den Niederlanden 19 . Im Fall Boll, in dem es sich u. a. auch um die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils handelte, hat der Internationale Gerichtshof die Anwendbarkeit des Vormundschaftsabkommens ausdrücklich offengelassen 20 . In seiner Besprechung dieser Entscheidung meint Kollewijn aaO, die niederländische Regelung der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils falle unter das Haager Vormundschaftsabkommen und befindet sich damit in Übereinstimmung mit dem niederländischen Schrifttum, welches allerdings nicht näher auf diese Frage eingeht; Entscheidungen liegen nicht vor 2 1 . 16 Kegel, Bern. 17 zu Art. 19 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; PalandtLauteibach, Anm. 4 zu Art. 19. 17 OLG München HRR 1938 Nr. 1463; Kegel, Bern. 7 zu Art. 19 und Bern. 2 zu Art. 23; Kegel, IPR 315 und 348; Palandt-Lauterbach, Anm. 4 zu Art. 19 und Anm. 3 a zu Art. 23 EGBGB. 18 Kollewijn, Het Haagse Voogdijverdrag voor het Internationale Hof van Justitie, NTIR VI (1959) 311 ff. (314/315), mit Nachweisen aus den Protokollen der Haager Konferenz. 19 Van Overbeck, Essai sur la délimitation du domaine des conventions de droit international privé, Jus et Lex (Festschrift Gutzwiller, 1959) 325 ff. (335). 2 0 C. I. J. 28. 11. 1958 Recueil 1958, 54 (65). 21 Kösters-Dubbink, Algemeen Deel van het Nederlandse Internationaal Privaatrecht (1962) 630; Mulder 127/128; vgl. die Erläuterungen der belgisdi-niederländisch-luxemburgisdien Studienkommission zu Art. 10 der Benelux-Konvention, abgedruckt bei Oflerhaus, Eenvormige Wet betreffende het Internationaal Privaatredit (1957) 67.

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Diese auf dem niederländischen IPR beruhende Qualifikation der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils ist für Deutschland nicht verbindlich und vermag auch nicht zu überzeugen. Der Zweck des Haager Vormundschaftsabkommens deckt mit Sicherheit nur diejenigen Fälle, in denen ein Minderjähriger den elterlichen Schutz entbehrt und in denen deshalb ein Vormund bestellt werden soll, der an Stelle der Eltern die Personen- und Vermögenssorge übernimmt. Die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils gehört nicht zu diesen Fällen, sondern ist praktisch eine Fortwirkung der elterlichen Gewalt. Dies gilt auch für die oben erörterte Ausgestaltung der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils im niederländischen Recht. Sie unterliegt deshalb nicht dem Haager Vormundsdiaftsabkommen, sondern dem Statut der ehelichen Kindschaft 22 . Im übrigen besteht auch außerhalb Deutschlands weitgehende Ubereinstimmung über die restriktive Auslegung des Haager Vormundschaftsabkommens, insbesondere über seine Unanwendbarkeit auf die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elterateils 2 3 . Fällt somit die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils weder unter das allgemeine Vormundschaftsstatut des Art. 23 EGBGB noch unter das Haager Vormundschaftsabkommen, sondern unter das Statut der ehelichen Kindschaft, so folgt daraus nicht notwendig, daß dies auch für die Gegenvormundschaft gilt. Für die Unterstellung auch der Gegenvormundschaft unter das Statut der ehelichen Kindschaft spricht ihr enger Zusammenhang mit der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils und deren ebenfalls dem Kindschaftsstatut unterliegenden Überwachung durch das Vormundschaftsgericht. Dieser enge Zusammenhang ist internationalprivatrechtlich zu beachten, weil seine Berücksichtigung dem Ordnungsinteresse am inneren Entscheidungseinklang dient 2 4 . Für die Unterstellung der Gegenvormundschaft unter das Vormundschaftsstatut sprechen das Parteiinteresse des Kindes an der Anwendung seines Heimatrechts und das Interesse des Gegenvormunds und des Vormundschaftsgerichts an der Anwendung des eigenen Rechts hinsichtlich des Inhalts und der Durchführung der Gegenvormundschaft. Die Unterstellung der Gegenvormundschaft des niederländischen Rechts unter das 22 OLG München HRR 1938 Nr. 1463; KG FamRZ 1963, 576; Erman-Arndt, Anhang zu Art. 23 EGBGB, Anm. 2 b ; Kegel, Bern. 7 zu Art. 19 und Bern. 38 zu Art. 23; Kegel, IPR 315; Knöpiel, Das Haager Vormundschaftsabkommen und das Sorgerecht der Eltern aus geschiedener Ehe, FamRZ 1959, 483-485; Palandt-Lauterbach, Anhang zu Art. 23, Anm. 3 c. i.V. m. Anm. 3 a zu Art. 23; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 410. 23 Meili-Mameiok 274; van Overbeck 336 und 337; Walker 869; anders anscheinend für Belgien de Vos, Le problème des conflits de lois, Bd. I (1946) 253 und 255. 2 4 Vgl. Kegel, IPR 39/40.

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Vormundschaftsstatut würde auch ihrem Zweck entsprechen, der nicht in der Unterstützung des überlebenden Elternteils, sondern in der Wahrnehmung der Interessen des Minderjährigen gegenüber dem gesetzlichen Vormund besteht, insbesondere für den Fall einer Interessenkollision 25 . Diese Erwägungen führen sicherlich zu einer Unterstellung der Gegenvormundschaft unter das Vormundschaftsstatut, wenn auch die eigentliche Vormundschaft diesem Statut unterliegt. Wenn dagegen bei der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils dem Parteiinteresse des Elternteils an der Anwendung seines Heimatrechts und dem Ordnungsinteresse an einer einheitlichen Anknüpfung der Ehewirkungen im weiteren Sinne der Vorrang gegeben wird, so sind das Parteiinteresse des Kindes und die Interessen des Gegenvormunds sowie des Vormundschaftsgerichts an einer unterschiedlichen Beurteilung der Gegenvormundschaft gering. Andererseits würde diese unterschiedliche Beurteilung der Gegenvormundschaft zu praktischen Unzuträglichkeiten führen, weil jedenfalls Inhalt und Durchführung der Gegenvormundschaft im Aufenthaltsstaat einem anderen Recht unterlägen als die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils. So wäre im vorliegenden Fall die gesetzliche Vormundschaft der Antragstellerin nach niederländischem Recht durchzuführen, die in Deutschland angeordnete Gegenvormundschaft dagegen nach deutschem Recht. Das Vormundschaftsgericht müßte abwechselnd niederländisches oder deutsches Recht anwenden, je nachdem, ob es im Verhältnis zu der Antragstellerin oder zum Gegenvormund tätig wird. Aus diesen Gründen unterliegt die im Falle der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils anzuordnende Gegenvormundsdiaft nach deutschem IPR nicht dem Vormundschaftsstatut, sondern dem Statut der ehelichen Kindschaft. Im übrigen fallen auch sonst nicht alle Fälle der Vormundschaft und Pflegschaft unter das Vormundschaftsstatut. So gilt beispielsweise für die Abwesenheitspflegschaft unter Umständen das internationale Erb- oder Ehegüterrecht. Auch unterliegen die Beteiligtenpflegschaft nach § 1913 BGB, die Sammlungspflegschaft nach § 1914 BGB und die Pflegschaft des Art. 18 II 2 EGBGB nicht dem Vormundschaftsstatut 26 . Auch für die im Falle der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils anzuordnende Gegenvormundschaft gilt die Abgrenzung des deutschen IPR zwischen Kindschafts- und Vormundschaftsstatut nicht notwendig für das Haager Vormundschaftsabkommen. Dem Abkommen selbst ist hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf die Gegenvormundschaft nichts zu entnehmen. Entscheidungen liegen nicht vor; im Schrifttum wird die Frage ersichtlich nur von Meili-Mamelok und 25 26

Siehe dazu oben V. Kegel, Bern. 3 zu Art. 23; Palandt-Lauterbach,

Anm. 1 b zu Art. 23.

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Walker angeschnitten. Meili-Mamelok aaO S. 276 meinen, unter das Haager Vormundschaftsabkommen fielen diejenigen Fälle nicht, in denen der Minderjährige nicht als solcher bevormundet werde, z. B. wenn die Vormundschaft des ordentlichen Vormundes nicht ausreiche und ein „außerordentlicher Vormund", ein Pfleger oder ein Beistand bestellt werden müsse. Grund der „außerordentlichen Bevormundung" sei hier nicht die Minderjährigkeit als solche, sondern regelmäßig eine Interessenkollision zwischen Mündel und ordentlichem Vormund. Walker aaO S. 869 beschränkt sich auf die Feststellung, das Haager Vormundschaftsabkommen gelte nicht für die „Pflegschaft", die nach manchen Rechten neben der Vormundschaft angeordnet werde, ferner nicht für die „sogenannte Beistandschaft". Diese Äußerungen sind wohl dahin zu verstehen, daß die Gegenvormundschaft überhaupt nicht unter das Haager Vormundschaftsabkommen fällt. Ihnen ist zugegeben, daß der eigentliche Zweck des Vormundschaftsabkommens, nämlich die Personen- und Vermögenssorge für den Minderjährigen im Falle des Fortfalls des elterlichen Schutzes sicherzustellen, die Gegenvormundschaft nicht unmittelbar erfaßt. Dem Gegenvormund obliegt grundsätzlich nicht die Personen- und Vermögenssorge, sondern die Überwachung des Vormunds in Wahrnehmung der Interessen des Mündels. Andererseits ist nicht anzunehmen, daß das Haager Vormundschaftsabkommen eine unterschiedliche Anknüpfung von Vormundschaft und Gegenvormundschaft bezweckt. Ob aus diesen Gründen die Gegenvormundschaft entgegen der Ansicht von Meili-Mamelok und Walker dem Haager Vormundschaftsabkommen unterliegt, wenn dies auch bei der Vormundschaft der Fall ist, bedarf hier aber keiner Entscheidung. Weil das Abkommen die gesetzliche Vormundschaft des überlebenden Elternteils nicht geregelt hat, ergibt es auch nichts für die neben der gesetzlichen Vormundschaft anzuordnende Gegenvormundschaft. Die jedenfalls insoweit bestehende Lücke des Abkommens nötigt zur (ergänzenden) Auslegung aufgrund der im Spiel befindlichen internationalprivatrechtlichen Interessen. Diese intemationalprivatrechtliche Interessenabwägung ist oben bereits innerhalb des deutschen IPR vorgenommen worden und führt hier zu keinem anderen Ergebnis: die neben der gesetzlichen Vormundschaft des überlebenden Elternteils anzuordnende Gegenvormundschaft unterliegt ebenso wie die gesetzliche Vormundschaft selbst nicht dem Haager Vormundschaftsabkommen, sondern dem Statut der ehelichen Kindschaft. Da im vorliegenden Fall als Statut der ehelichen Kindschaft einheitlich niederländisches Recht gilt, bestimmen sich Entstehung und Durchführung sowohl der gesetzlichen Vormundschaft der Antragstellerin als auch der anzuordnenden Gegenvormundschaft nach niederländischem materiellem Recht.

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VI. Eriorderlichkeit der Genehmigung des Vormundschaftsgeiichts zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücks iür den Minderjährigen Uber die wichtigsten der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfenden Rechtsgeschäfte des Vormunds bestimmen die Art. 432-435 BW: Art. 432: „De voogd kan, onverminderd zijn aansprakelijkheid voor aan zijn siecht beheer te wijten schaden, voor den minderjarige alle handelingen verrichten, welke hij in diens belang noodzakelijk, nuttig of wenschelijk acht, behoudens het bepaalde bij de volgende artikelen." Art. 433

Der Vormund darf, unbeschadet seiner Haftung für durch seine schlechte Verwaltung verursachte Schäden, für den Minderjährigen alle Handlungen verrichten, welche er in dessen Interesse als notwendig, nützlich oder wünschenswert erachtet, vorbehaltlich der Bestimmungen der folgenden Artikel.

Abs.l:

„De voogd behoeft maditiging van de kantonrechter om de navolgende handelingen voor rekening van de minderjarige te verrichten: a) beschikken en aangaan van overeenkomsten tot beschikking over goederen van de minderjarige, tenzij de handeling geld betreft, als een gewone beheersdaad kan worden beschouwd, of kraditens rechterlijk bevel geschiedt; b) giften doen, andere dan gebruikelijke, niet bovenmatige; c) een making of gift, waaraan lasten of voorwaarden zijn verbonden, aannemen; d) geld lenen of de minderjarige als borg of hoofdelijke medeschuldenaar verbinden; e) overeenkomen dat een boedel, waartoe de minderjarige gerechtigd is, voor een bepaalde tij onverdeeld wordt gelaten.

Der Vormund bedarf der Genehmigung des Amtsrichters, um folgende Rechtsgeschäfte für Rechnung des Minderjährigen vorzunehmen: a) Verfügungen und der Abschluß von Verträgen, die auf eine Verfügung über Güter des Minderjährigen gerichtet sind, es sei denn, daß das Geschäft Geld betrifft, als gewöhnliche Verwaltungshandlung angesehen werden kann oder kraft richterlichen Befehls erfolgt; b) Schenkungen, soweit sie nicht gebräuchlich und nicht übermäßig sind; c) die Annahme eines Vermächtnisses oder einer Schenkung, die mit Lasten oder Bedingungen verbunden ist; d) die Aufnahme von Geld oder die Eingehung einer Verpflichtung des Minderjährigen als Bürge oder Mitschuldner; e) die Vereinbarung, daß eine Erbschaft, an der der Minderjährige beteiligt ist, für eine bestimmte Zeit unverteilt gelassen werden soll.

u

Art. 434 „De voogd kan, zonder dat de kantonrechter de te sluiten overeenkomst goedkeurt, geen goederen van den minderjarige koopen of huren.

Der Vormund darf, ohne daß der Amtsrichter den abzuschließenden Vertrag genehmigt, keine Vermögensgegenstände des Minderjährigen kaufen oder mieten.

Eheliche Kindsdiaft / Ingeval van openbare verkoop, verhuur of verpachting moet de goedkeuring binnen een maand daarna zijn aangevraagd." Art. 435 „Een in strijd met artikel 433 of 434 verrichte rechtshandeling ten name van de minderjarige kan op vordering of verweer van zijn zijde worden nietig verklaard, tenzij de handeling hem geen nadeel heeft berokkend of de wederpartij te goeder trouw was. Rechten te goeder trouw door derden verkregen worden geeerbiedigt."

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Im Falle eines öffentlichen Verkaufs einer öffentlichen Vermietung oder einer öffentlichen Verpachtung muß die Genehmigung innerhalb eines Monats danach beantragt werden. Eine unter Verletzung der Artikel 433 oder 434 vorgenommene Handlung im Namen des Minderjährigen kann auf sein Verlangen oder seine Einrede für nichtig erklärt werden, es sei denn, daß die Handlung ihm keinen Nachteil gebracht hat oder die Gegenpartei gutgläubig war.

Uber die Voraussetzungen der Erteilung der vormundschaftsgerichtlidien Genehmigung bestimmt Art. 441 a BW: Ait. 441 a „Aanwijzingen en maditigingen, als in deze afdeling bedoeld, geeft de kantonrechter slechts, indien dit hem in het belang van de minderjarige noodzakelijk, nuttig of wenselijk blijkt te zijn. Hij kan een bijzondere of een algemene machtiging geven en daaraan zodanige vorwaarden verbinden, als hij dienstig oordeelt. Hij kan een gegeven aanwijzing of machtiging te allen tijde intrekken of de daaraan verbonden voorwaarden wijzigen."

Die in dieser Abteilung behandelten Anweisungen und Ermächtigungen erteilt der Amtsrichter nur, wenn ihm dies im Interesse des Minderjährigen notwendig, nützlich oder wünschenswert erscheint. Er kann eine besondere oder eine allgemeine Genehmigung geben und damit diejenigen Bedingungen verbinden, die er für zweckmäßig hält.

Im Gegensatz zum Grundstückserwerb bedarf somit die Veräußerung eines dem Mündel gehörenden Grundstüdes nach Art. 433 BW der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Das Vormundschaftsgericht hat die Genehmigung zu erteilen, soweit ihm die Grundstücksveräußerung als notwendig, nützlich oder wünschenswert erscheint (Art. 4 4 1 a BW). Der ohne die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung geschlossene Vertrag ist allerdings nicht - wie nach deutschem Recht - schwebend unwirksam, sondern kann nur unter den Voraussetzungen des Art. 435 BW aufgrund der Klage, der Widerklage oder der Einwendung im Rechtsstreit für nichtig erklärt werden 2 7 .

27

Asser - Schölten - Wiarda 733 ; de Bie-van de Werk 233 ; Pitlo-Meijling 376/377.

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Familieniecht

VII. Internationale Zuständigkeit des

VoTmundschattsgerichts

Die internationale Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts in Vormundschaftssachen, die materiellrechtlich dem Statut der ehelichen Kindschaft unterliegen, ist weder durch Staatsvertrag noch gesetzlich geregelt und ergibt sich insbesondere weder aus Art. 23 EGBGB noch aus dem Haager Vormundsdiaftsabkommen 2 8 . Gewöhnlich wird die internationale Zuständigkeit in diesen Vormundschaftssachen aus einer analogen Anwendung der § § 4 3 und 44 FGG oder aus einer allgemeinen Fürsorgepflicht des Aufenthaltsstaates abgeleitet. Beide Gesichtspunkte sind verwertbar und ergeben als mögliche Anknüpfungspunkte: Den gewöhnlichen oder schlichten Aufenthalt des Kindes, seine Staatsangehörigkeit, die Anwendbarkeit eigenen Rechts, das Bestehen eines Fürsorgebedürfnisses oder eine Zuständigkeitsrück- oder Zuständigkeitsweiterverweisung 2 9 . Diese Anknüpfungspunkte stehen selbständig nebeneinander und schließen sich auch nicht in der Weise aus, daß einer von ihnen vorrangig herangezogen werden muß. Im vorliegenden Fall kommt in erster Linie die Aufenthaltszuständigkeit in Betracht. In entsprechender Anwendung der §§ 43 I und 36 11 FGG und aufgrund der staatlichen Fürsorgepflicht ist das Vormundschaftsgericht international zuständig, wenn das Kind seinen gewöhnlichen oder schlichten Aufenthalt, der hier an die Stelle des Wohnsitzes tritt, im Inland hat. Ob der Staat, dessen Recht die eheliche Kindschaft beherrscht, die internationale Zuständigkeit des deutschen Vormundschaftsgerichts und seine Entscheidung anerkennt, ist ohne Bedeutung so . Da die beiden Kinder der Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Düsseldorf, also im Inland besitzen, besteht somit unabhängig von der Anerkennung durch das niederländische Recht die internationale Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts. Dies gilt sowohl für die Anordnung der Gegenvormundschaft als auch für die Genehmigung der von der Antragstellerin vorgenommenen Grundstücksveräußerung. Das dabei einzuhaltende Verfahren ergibt sich nach allgemeinen Grundsätzen aus dem deutschen Recht als lex fori. Den deutschen Gerichten wird nur die Anwendung ausländischen materiellen Rechts zugemutet, nicht dagegen die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts 3 1 .

BayObLGZ 1959, 8 (10/11); KG FamRZ 1963, 576; Kegel, Bern. 28 zu Art. 19. Siehe dazu Kegel, Bern. 35-40 zu Art. 19; Kegel, IPR 318/319. 30 BayObLGZ 1959, 8 (15-24); KG FamRZ 1963, 576 (577); Kegel, Bern. 36 und 43 zu Art. 19 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 51 Kegel, Bern. 45 zu Art. 19 und Bern. 310 vor Art. 7 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Palandt-Lauterbach aaO, Vorbem. vor Art. 7, Anm. 15. 28

29

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Ergebnis 1.Die gesetzliche Vertretung der Kinder der Antragstellerin unterliegt ausschließlich dem niederländischen materiellen Recht. 2. Nach niederländischem Recht ist die Antragstellerin seit dem Tode ihres Ehemannes gesetzlicher Vormund der gemeinsamen minderjährigen Kinder. Das Vormundschaftsgericht hat einen von der Antragstellerin zu benennenden Gegenvormund einzusetzen. Die von der Antragstellerin vorgenommene Grundstüdesveräußerung bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. 3. Sowohl für die Anordnung der Gegenvormundschaft als auch für die Genehmigung der Grundstücksveräußerung besteht die internationale Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts. Das dabei einzuhaltende Verfahren richtet sich nach deutschem Recht.

Nr. 28 Niederlande 1. Internationale Zuständigkeit deutscher und niederländischer Gerichte zur (nach niederländischem Recht erforderlichen) Bestellung eines Gegenvormundes. 2. Mafigebendes Recht für die Bestellung eines Gegenvormundes über ein minderjähriges eheliches Kind nach deutschem und niederländischem IPR. 3. Qualifikation der Gegenvormundschaft niederländischen Rechts als Vormundschaft oder Teil der elterlichen Gewalt. 4. Anwendung des Haager Vormundschaftsabkommens auf die Gegenvormundschaft niederländischen Rechts. 5. Auswahl des Gegenvormunds niederländischen Rechts durch ein deutsches Gericht. Hamburg G 137/66 vom 19. 9.1966

Herr Rechtsanwalt Dr. D. in Stuttgart bittet um eine Auskunft über Internationales und niederländisches Vormundschaftsrecht. Frau Ingrid K. war mit dem niederländischen Staatsangehörigen Frits Di. verheiratet. Die Eheleute lebten in Stuttgart. Die Ehe ist im J a h r e 1964 durch das LG Stuttgart aus dem Verschulden des Ehemannes geschieden worden. Im Scheidungstermin hatten die Eheleute vereinbart, daß die elterliche Gewalt über ihren im J a h r e 1960 geborenen Sohn Peter, der niederländischer Staatsangehöriger ist, der Mutter übertragen werden solle. Der Vater sollte ein Besuchsrecht haben.

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Familienrecht

Die Ehefrau hat inzwischen den amerikanischen Staatsangehörigen J. K. geheiratet. Die Eheleute leben mit dem Kinde Peter Di. in Ludwigsburg. Durch Beschluß vom 22. 2. 1965 hat das AG Stuttgart-Bad Cannstatt Frau K. zum Hauptvormund für Peter Di. bestellt, die Bestellung des Gegenvormundes hingegen einem niederländischen Gericht überlassen. Diese Entscheidung ist damit begründet, daß nach Art. 401 II des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches für das Kind ein Hauptvormund und ein in den Niederlanden lebender Gegenvormund bestellt werden müsse. Das deutsche Gericht könne nur den Hauptvormund bestellen, während die Bestellung des Gegenvormundes durch ein niederländisches Gericht erfolgen müsse. Das Gericht habe sich wegen der Bezeichnung des zuständigen Gerichts bereits an die Niederländische Botschaft in Bonn gewendet. Ob die Anfrage Erfolg gehabt hat, ist nicht mitgeteilt. Es werden folgende Fragen gestellt: 1. Ist für die Bestellung des Gegenvormunds ausschließlich oder wahlweise ein niederländisches oder deutsches Gericht zuständig? 2. Kann das deutsche Gericht, falls es zuständig ist, einen in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen als Gegenvormund bestellen oder müßte es einen in den Niederlanden lebenden niederländischen Staatsangehörigen (der vom deutschen Gericht praktisch nicht überwacht werden könnte) bestellen? 3. Kann ein niederländisches Gericht, falls es zuständig ist, einen in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen zum Gegenvormund bestellen oder müßte das niederländische Gericht einen in den Niederlanden lebenden niederländischen Staatsangehörigen zum Gegenvormund bestellen?

A. Anwendung des Haager

Voimundschaitsabkommens

Die internationale Zuständigkeit der deutschen und niederländischen Gerichte zur Bestellung des Gegenvormundes sowie die anzuwendende Rechtsordnung hängen davon ab, ob die Entscheidung nach dem Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige vom 12. 6. 1902 (RGBl. 1904, 240; BGBl. 1955 II 1) zu treffen ist oder vielmehr nach den Normen des staatsvertraglich nicht gebundenen Internationalen Privat- und Verfahrensrechts. Das Gericht hat offenbar das letztere angenommen. Das Institut ist hingegen der Ansicht, daß das Haager Abkommen maßgebend ist. Ob das Haager Abkommen für die Regelung des Sorgerechts für Kinder in Deutschland geschiedener Niederländer gilt, wird in Deutschland und in den Niederlanden verschieden beurteilt. In Deutschland selbst sind die Meinungen zu dieser Frage geteilt.

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I. Die deutsche

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Auffassung

1. Das Haagei Vormundschaftsabkommen ist nach deutscher Auffassung unmittelbar nur auf Vormundschaftssachen im engeren Sinne anzuwenden. Darunter ist zu verstehen die Ausübung einer Schutzgewalt über ein Kind, das der elterlichen Gewalt entbehrt 1 . Daher ist das Abkommen in ständiger Rechtsprechung und unter Zustimmung der Rechtslehre nicht angewendet worden, wenn es um vormundschaftliche Angelegenheiten eines unter elterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen eines Vertragsstaates ging 2 . Insbesondere haben die Gerichte stets erkannt, daß die Regelung des Sorgerechts für Kinder aus geschiedenen Ehen nicht unter das Vormundschaftsabkommen fällt 3 . Diese Auffassung stimmt auch mit der im Ausland wohl vorherrschenden Ansicht über den sachlichen Anwendungsbereich des Vormundschaftsabkommens überein 4 . 2. Nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Internationalen Privatrechts gehört die Regelung des Sorgerechts für die Kinder aus einer geschiedenen Ehe zum Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern. Dieses Rechtsverhältnis richtet sich gemäß Art. 19 EGBGB, der heute von Rechtslehre und Rechtspraxis als allseitige Kollisionsnorm verstanden wird, nach dem Recht des Staates, dem der Vater angehört 6 . Diese Verweisung auf das niederländische Recht gilt nach der heute allgemein anerkannten Auslegung des Art. 27 EGBGB freilich nur unter dem Vor1

KG 17. 4. 1914, KGJ 46 A 27 (33). BayObLG 6. 12. 1933, J W 1934, 699 = IPRspr. 1934 Nr. 63 (Einschränkung der elterlichen Gewalt) ; KG 4. 2. 1927, OLGE 46, 200 = IPRspr. 1926-1927 Nr. 87 (Pflegschaft) ; KG 17. 4. 1914, KGJ 46 A 27 (Verkehrsregelung getrennt lebender Eheleute). 3 KG 27. 6. 1963, FamRZ 1963, 576; BayObLG 16. 1. 1959, BayObLGZ 1959, 8 (11) = IPRspr. 1958-1959 Nr. 208; OLG München 29. 8. 1938, JFG 18, 155 = HRR 1938 Nr. 1463; KG 10. 2. 1933, IPRspr. 1933 Nr. 47 = J W 1933, 2065; BayObLG 8. 10. 1930, BayObLGZ 30 (1931) 338 = IPRspr. 1931 Nr. 84. Ebenso die Rechtslehre: Kegel, Internationales Privatredit (2. Aufl. 1964) 315, 317; Soergel/Siebert(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Anm. 38 zu Art. 23 EGBGB, Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 410; Erman(-Marquordt), BGB (3. Aufl. 1962) Anm. 2 zu Anhang zu Art. 23 EGBGB; Palandt(-Lauterbach), BGB (25. Aufl. 1966) Anm. 3 b zu Anhang zu Art. 23 EGBGB; Brand/Hensel, Die Vormundschafts-, Familienrechts- und Fürsorgeerziehungssachen in der gerichtlichen Praxis (2. Aufl. 1963) 370. 4 E. Alexander, Die Vormundschaft für Ausländer in der Schweiz und für Auslandsschweizer (Abhandlungen zum schweizerischen Recht 99, 1934) 117; van Hille, Traités de droit international privé de la Haye: Répertoire de droit international X (1931) 587 ff., 630 no. 184; Meili/Mamelck, Das internationale Privat- und Zivilprozeßrecht auf Grund der Haager Konventionen (Zürich 1911) 274; Walker, Internationales Privatrecht (5. Aufl. Wien 1934) 869. 5 RG 25. 1. 1940, RGZ 162, 329 (332); SoergelfSiebert(-Kegel), Anm. 10 zu Art. 19 EGBGB mit weiteren Nachweisen. 1

300

Familienrecht

behalt, daß nicht das niederländische Internationale Privatrecht auf das deutsche Recht zurückverweist. 3. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Regelung des Sorgerechts für Kinder von Ausländern ist grundsätzlich nach den (ungeschriebenen) Regeln des deutschen Internationalen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu bestimmen 6 . II. Die niederländische

Auflassung

Zum Verständnis der niederländischen Auffassung ist vom materiellen Recht der Niederlande auszugehen. 1. Nach dem niederländischen materiellen Recht ist die elterliche Gewalt mit Auflösung der Ehe beendet. Bei Scheidung der Ehe ist einer der Ehegatten zum Vormund des Kindes zu ernennen und ein Gegenvormund zu bestellen. Das ergibt sich aus folgenden Vorschriften des Burgerlijk Wetboek (B.W.): Art. 284 B. W.: 1. Na het uitspreken der echtsdieiding benoemt de reditbank over ieder der wettige kinderen van de echtgenoten een der ouders tot voogd en voorziet zij tevens in de toeziende voogdij. 2. Een ouder, die staande huwelijk de ouderlijke magt niet bezat, komt voor deze benoemingen niet in aanmerking. 3. Heeft de beslissing, bedoeld in het eerste lid, niet alle wettige kinderen der echtgenoten betroffen, dan kan de rechtbank haar aanvullen. 4. Zij doet zulks op verzoek van een of beide ouders, van den raad voor de kinderbescherming of ambtshalve.

1. Nach dem Ausspruch der Ehescheidung bestellt die Rechtsbank für jedes der ehelichen Kinder der Ehegatten einen der Eltern zum Vormund und sorgt zugleich für die Gegenvormundschaft. 2. Ein Elternteil, der während der Ehe nicht die elterliche Gewalt besaß, wird bei diesen Ernennungen nicht berücksichtigt. 3. Hat die im ersten Absatz geregelte Entscheidung nicht alle ehelichen Kinder betroffen, dann kann die Rechtsbank sie ergänzen. 4. Sie tut dies auf Antrag eines der beiden Eiternteile, des „raad voor de kinderbescherming" (Jugendamt) oder von Amts wegen.

2. Aus dieser vormundschaftlichen Natur der elterlichen Gewalt nach Scheidung folgern Rechtsprechung und Rechtslehre in den Niederlanden, daß die Regelung des Sorgerechts nach Scheidung auch kollisionsrechtlich zum Vormundschaftsstatut zählt. Es ist also nicht, wie in Deutschland, das Kindschaftsstatut maßgebend. Das hat zur Folge, daß nach Ehescheidung das Sorgerecht für minderjährige Kinder aus Vertragsstaaten des Haager Vormundschaftsabkommens unter Beobachtung der Regeln dieses Abkommens geregelt wird 7 . 6 7

Kegel, IPR 315, 317; Soergel/Siebert(-Kegel), Anm. 28 f., 34 ff. zu Art. 19 EGBGB, Rechtbank (Rb.) Haarlem 25. 11. 1941, Nederlandse Jurisprudentie (N.J.) 1942

Eheliche

Kindschait

/

Niederlande

301

Auch die niederländischen Konsularbehörden in der Bundesrepublik Deutschland vertreten diese Auffassung, wie sich aus einer Mitteilung der niederländischen Botschaft in Bonn an das Institut ergibt. III. Lösung des Konflikts 1. Die deutsche Praxis hat bisher vier verschiedene Wege eingeschlagen. a) Im Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz, daß über die Qualifikation das Recht des befaßten Gerichtes entscheide 8 , geht die Mehrheit des Schrifttums und gehen wohl auch einige Oberlandesgerichte davon aus, daß die Sorgerechtsregelung durch ein deutsches Vormundschaftsgericht ausschließlich nach deutschem Recht als Frage der Eltern-Kind-Beziehung zu qualifizieren ist, so daß unter Ausschluß des Haager Abkommens für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung nach Art. 19 EGBGB und für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach den ungeschriebenen Regeln des deutschen Internationalen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden werden müsse 9 . Auf die besondere Ausgestaltung der Sorgerechtsregelung im niederländischen materiellen Recht und die dem entsprechende abweichende Qualifikation im niederländischen Internationalen Privatrecht wird hierbei keine Rücksicht genommen. Ebenso verzichtet diese Auffassung bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit auf die Zusammenarbeit mit den niederländischen Heimatbehörden der Beteiligten; sie beschwört damit die Gefahr doppelter, sich widersprechender Regelungen in Deutschland und in den Niederlanden herauf. Dieser Ausgangspunkt hat in der Praxis zu zwei divergierenden Folgerungen geführt. aa) Einige Vormundschaftsgerichte setzen sich über Wortlaut und Konstruktion des anwendbaren niederländischen Rechtes hinweg. Sie übertragen dem sorgeberechtigten Elternteil das Sorgerecht und bestellen ihn nicht, wie Art. 284 B. W. vorsieht, zum Vormund. Das ist offenbar eine extreme Folge der Qualifikation nach der lex fori. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß die Vertretungsbefugnis eines in dieser Weise mit dem Nr. 770; Rb. Breda 19. 9. 1939, N. J. 1940 Nr. 1069; Rb. Haarlem 31. 5. 1938, N. J. 1939 Nr. 75; Rb. 's-Gravenhage 3. 8. 1923, N. J. 1924, S. 78; siehe auch Hoger Raad (H. R.) 1. 5. 1958, N. J. 1958 Nr. 432, und Rb. Amsterdam 22. 1. 1940, N. J. 1940 Nr. 332. Kosters/Dubbink, Algemeen Deel van het Nederlandse Internationaal Privaatrecht (1962) 630; Kollewijn, De Haagse Voogdijverdrag voor het Internationaal Hof van Justitie: Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht 6 (1959) 311 ff., 315; Mulder, Inleiding tot het Nederlandsch Internationaal Privaatrecht (2. Aufl. 1947) 127 f.; A. Klein, Het Haagsche Voogdijverdrag en zijn toepassing in Nederland (Diss. Leiden 1931) 27 ff. 8 Siehe zuletzt BGH 12. 7. 1965, N J W 1965, 2052. 9 Siehe die oben unter I 1 zitierten Entscheidungen.

302

Familienrecht

Sorgerecht betrauten Elternteiles im niederländischen Rechtsverkehr nicht anerkannt werden wird. bb) Andere Vormundschaftsgerichte wenden hingegen das maßgebende niederländische Recht getreu nach seinem Buchstaben an. Sie bestellen gemäß Art. 284 B.W. einen Elternteil zum Vormund und setzen ferner einen Gegenvormund ein. Dabei wird jedoch von dem Gebot des Art. 401 II B. W., einen „Reichseingesessenen" zum Gegenvormund zu bestellen, meist abgesehen. Gegen die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht, abgesehen von der autonomen Bestimmung der Zuständigkeit, daß die deutschen Vormundschaftsgerichte damit regelwidrig eine Vormundschaft nach ausländischem Recht führen müssen; auch können sich im niederländischen Rechtsverkehr Schwierigkeiten aus der Nichtbeachtung des Art. 401 II B. W. ergeben. b) Einige weitere Vormundschaftsgerichte vermeiden die wesentlichen Einwände gegen die unter a) skizzierten beiden Lösungen dadurch, daß sie den Art. 23 EGBGB anwenden. Damit sichern sie, daß das deutsche Vormundschaftsgericht nur im Einverständnis mit den niederländischen Heimatbehörden international zuständig wird und daß die anzuordnende Vormundschaft nach deutschem Recht geführt wird. Zugleich trägt man im Ergebnis der vom deutschen Recht abweichenden Qualifikation der Sorgerechtsregelung durch die Niederlande Rechnung. In diesem Punkt bleibt jedoch eine Inkonsequenz, da nicht einzusehen ist, warum diese Vormundschaft nicht dem Haager Vormundschaftsabkommen unterstehen soll. c) Wohl die Mehrheit der deutschen Vormundschaftsgerichte hält das Haager Vormundschaftsabkommen für anwendbar. Das ergibt sich aus einer Umfrage des Instituts sowie aus einer Mitteilung der Niederländischen Botschaft in Bonn 10 . Diese Einstellung geht zum Teil auf die Haltung der niederländischen Konsularbehörden zurück, die stets auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs in den Niederlanden und auf die niederländische Auffassung zu dieser Frage hinweisen. Eine Stütze für diese Praxis ist in einem älteren Beschluß des Kammergerichts aus dem Jahre 1913 in einem „niederländischen" Fall zu finden. Das Gericht leitete aus der Regelung des niederländischen materiellen Rechts, nach der die infolge Scheidung erloschene elterliche Gewalt durch die Bestellung eines Elternteils zum Vormund zu ersetzen ist, eine Einschränkung des Art. 19 EGBGB ab: In einem solchen Fall wolle diese Vorschrift nur den Fortfall der elterlichen Gewalt durch die Scheidung regeln; dagegen falle die Neuregelung als solche unter das Vormundschaftsabkommen 11 . Dieser gerade auf das Verhältnis zu den Niederlanden be10 Als konkrete Entscheidung liegt dem Institut freilich nur ein unveröffentlichter Beschluß des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg v o m 17. 5. 1965 vor 52 VII H 12378. 11 KG 28. 11. 1913, KGJ 45 A 18 (28f.), insoweit in RJA 13, 178 nicht abgedruckt.

Eheliche Kindschalt /

Niederlande

303

zügliche Teil der Entscheidung ist eigenartigerweise in Vergessenheit geraten. Die spätere Rechtsprechung der Obergerichte ist von der Entscheidung nicht abgerückt. Das Reichsgericht hat die Frage im Jahre 1940 in einem Streitverfahren ausdrücklich offengelassen 12 . Das OLG München und das Kammergericht selbst haben zwar später in „niederländischen" Sorgerechtsfällen das Vormundschaftsabkommen für unanwendbar erklärt; aber diese Bemerkungen sind nur beiläufig gemacht und tragen die Entscheidungen nicht; auch setzen sich beide Gerichte mit der älteren Entscheidung des Kammergerichts nicht auseinander 13 . 2. Im deutschen Schrifttum hat sich Knöpiel ausdrücklich gegen die Anwendung des Haager Vormundschaftsabkommens in „niederländischen" Fällen ausgesprochen. Er begründet seine Auffassung ausschließlich damit, daß der Begriff der Vormundschaft in dem Abkommen im deutschen Sinne auszulegen sei 14 . Die Auffassung von Knöpfe! überzeugt jedoch nicht. Er übersieht die abweichende Auslegung des Vormundschaftsabkommens durch die Niederlande, geht nicht auf die praktischen Bedürfnisse des deutsch-niederländischen Rechtsverkehrs ein, berücksichtigt weder die Rechtsprechung der deutschen Obergerichte noch die Praxis der deutschen Vormundschaftsgerichte und läßt auch eine positive Lösung vermissen. 3. In der jüngeren internationalen Literatur ist inzwischen klar erkannt worden, daß die Vormundschafts-Begriffe der Vertragsstaaten des Haager Abkommens in wesentlichen Punkten divergieren und daher eine einheitliche Festlegung dieses Begriffes zu starr ist. Mosconi ist deshalb der Ansicht, daß dem Heimatrecht des betroffenen Kindes entnommen werden müsse, ob nach Scheidung der Ehe der Eltern eine Vormundschaft eintreten und damit das Abkommen anwendbar sein soll. Er kann sich dabei auf Art. 5 des Abkommens stützen, der ausdrücklich über den Zeitpunkt und die Gründe für den Beginn der Vormundschaft die Gesetze des Heimatstaates des Minderjährigen entscheiden läßt 15 .

12

RG 25. 1. 1940, RGZ 162, 329 (336). KG 27. 6. 1963, FamRZ 1963, 576; OLG München 29. 8. 1938, JFG 18, 155 = HRR 1938 Nr. 1463. 14 Knöpiel, Das Haager Vormundschaftsabkommen und das Sorgerecht der Eltern aus geschiedenen Ehen: FamRZ 1959, 483 ff. Auf ihn beziehen sich: Raape, Erman(-Marquordt) und Palandt(-Lauterbach) (oben N. 3). 15 Mosconi, La tutela dei minori in diritto intemazionale privato (1965) 225f.; ähnlich Lipstein, The Hague Conventions on Private International Law, Public Law and Public Policy: International and Comparative Law Quarterly 1959, 506 ff., 509 f. 13

304

Familienrectit

4. Nach Auffassung des Instituts ist dieser zuletzt erwähnten Ansicht jedenfalls im Ergebnis zu folgen. a)

Begründung

aa) Mosconi und Lipstein müssen darauf verzichten, dem Haager Abkommen einen einheitlichen Anwendungsbereich zuzuschreiben. Der Anwendungsbereich des Abkommens hängt vielmehr davon ab, wie weit das Heimatrecht des jeweils in Frage stehenden Kindes den Begriff der Vormundschaft zieht, insbesondere also, ob es die Sorgerechtsregelung nach Scheidung der Eltern dazu zählt oder nicht. Aus praktischen Erwägungen scheint es jedoch besser, diesen Nachteil in Kauf zu nehmen, insbesondere wenn der betroffene Vertragsstaat (hier die Niederlande) selbst diese Auffassung vertritt. Vom theoretischen Standpunkt läßt sich gegen diese Auffassung anführen, daß sie über die Qualifikation entgegen der allgemeinen Regel die lex causae (und nicht die lex fori) entscheiden läßt. Diese Ausnahme von der allgemeinen Regel muß jedoch bei der Auslegung staatsvertraglich vereinbarter Kollisionsnormen zulässig sein, um das gewünschte Ziel des internationalen Entscheidungseinklanges zu erreichen. bb) Aber auch wenn man mit der herrschenden Ansicht in Deutschland den engeren Vormundschaftsbegriff des deutschen Rechts zugrunde legt (unter den die Sorgerechtsregelung nach Scheidung der Eltern nicht fällt) und daher von Art. 19 EGBGB ausgeht, gelangt man zu demselben Ergebnis. Nach Art. 19 EGBGB ist im vorliegenden Fall das niederländische Heimatrecht des Vaters anzuwenden, jedoch nur unter Vorbehalt einer Rückverweisung (Art. 27 EGBGB) 16 . Das niederländische Internationale Privatrecht erklärt seinerseits (wie unter II dargelegt) das Haager Vormundschaftsabkommen für anwendbar. Das Abkommen ist insoweit als Teil der niederländischen Rechtsordnung zu betrachten. Man kann in ihm aber auch einen Teil der deutschen Rechtsordnung sehen; insoweit liegt dann eine nach Art. 27 EGBGB zu beachtende Rückverweisung auf das deutsche Recht vor 17 . Sowohl bei Qualifikation des Vormundschaftsbegriffes nach der lex causae als auch bei Zugrundelegung des engeren deutschen Vormundschaftsbegriffes ergibt sich also, daß das Haager Abkommen auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden ist. b) Folgen Nach Art. 5 des Vormundschaftsabkommens bestimmen sich der Zeitpunkt und die Gründe für den Beginn der Vormundschaft nach dem Gesetz des Heimatstaates des Minderjährigen, hier also nach niederländischem Soeigel/Siebert(-Kegel), Anm. 50 zu Art. 19 EGBGB mit Nachweisen. Dazu eingehend Drobnig, Die Regelung des Sorgerechts für Kinder geschiedener Niederländer: FamRZ 1966, 84 ff. 16

17

Eheliche Kindschaít /

Niederlande

305

Recht (dessen Inhalt oben unter II 1 mitgeteilt ist). Dagegen richten sich Anordnung und Führung der Vormundschaft nach dem Recht des Aufenthaltsortes, hier also nach deutschem Recht, falls ein Gericht des Aufenthaltsstaates für die Vormundschaft international zuständig ist (Art. 3 des Abkommens). Ob dies der Fall ist, hat das Gericht nach dem in Art. 8 I des Abkommens festgelegten Verfahren durch Verständigung mit den niederländischen Heimatbehörden zu ermitteln. Die Anfrage ist auf diplomatischem Wege zu übermitteln 18 . Sollten die niederländischen Behörden auf die Anordnung der Vormundschaft verzichten und sollte damit das deutsche Gericht international zuständig werden, so ist die Vormundschaft nach deutschem Recht anzuordnen und zu führen. Das bedeutet im einzelnen: aa) Das deutsche Gericht muß nicht, wie es das niederländische Recht vorschreibt, neben dem Vormund einen Gegenvormund bestellen. Ob eine Mit- oder eine Gegenvormundschaft erforderlich ist, hat das deutsche Gericht nach deutschem Recht zu beurteilen, da diese Frage die Anordnung und Führung der Vormundschaft im Sinne des Art. 3 des Abkommens und nicht etwa den Grund für den Beginn der Vormundschaft im Sinne des Art. 5 betrifft 19 . bb) Sollte das deutsche Gericht eine Gegenvormundschaft für nötig halten, so braucht dafür nicht ein „Reichseingesessener" (Art. 401 II B. W.) ausgewählt zu werden. Denn die Wahl des Gegenvormundes bestimmt sich ebenfalls ausschließlich nach deutschem Recht. cc) Für die Bestellung des Vormundes kommt hingegen nur einer der Elternteile (und nicht etwa ein Dritter) in Betracht. Das ergibt sich aus dem Wesen der Sorgerechtsregelung nach Scheidung. Ansprüche einzelner Personen, zum Vormund berufen zu werden, sind nach dem Kindschaftsstatut zu beurteilen 2 0 . dd) Diese Lösung bringt die Sorgerechtsregelung für niederländische Kinder in Deutschland geschiedener niederländischer Ehegatten in Ubereinstimmung mit der niederländischen Auffassung. Sie dient daher dem internationalen Rechtsverkehr und vermeidet widersprechende Entscheidungen in Deutschland und in den Niederlanden. Die Lösung befreit die deutschen Gerichte von der grundsatzwidrigen und lästigen Notwendigkeit, eine Vormundschaft nach ausländischem Recht anordnen und führen zu müssen. Die Lösung deckt sich auch im Ergebnis weitgehend mit der Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1913 sowie mit der Praxis der Mehrheit der deutschen Vormundschaftsgerichte 21 . 18

Siehe etwa Preuß. JMVerfg. v. 12. 10. 1906, Preuß. JMB1. 301. Anderer Ansicht KG 28. 11. 1913, KGJ 45 A 18 (29). 20 Frankenstein, Internationales Privatrecht IV (1935) 250 ff. ¡ anderer Ansicht allerdings Staudinger(-Raape), Bern. B III 4 b zu Art. 23 EGBGB (freilich mit Einschränkungen). 21 Zu allem näher Drobnig aaO. 19

20

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

Familienrecht

306

ee) Vom Standpunkt des Instituts aus können sich die schwierigen und zweifelhaften Probleme der Anfrage überhaupt nicht stellen. Schließt sich das Gericht dieser Auffassung an, so wird es sich empfehlen, noch nachträglich das Einverständnis der niederländischen Behörden zu der Übernahme der Vormundschaft durch das Gericht einzuholen.

B. Anwendung

des staatsvertraglich

nicht gebundenen

Kollisionsrechtes

Sollte das Vormundschaftsgericht hingegen an der Auffassung festhalten, daß das Haager Abkommen hier nicht eingreift und deshalb gemäß Art. 19 EGBGB die Vormundschaft nach niederländischem Recht anzuordnen und zu führen ist, so kommt es auf die Lösung der gestellten Fragen an. I. Internationale

Zuständigkeit

lür die Bestellung des

Gegenvormundes

1. Deutsches Gericht. Da das Vormundschaftsgericht Stuttgart seine internationale Zuständigkeit für die Bestellung der Mutter als Hauptvormund ihres Kindes angenommen hat, muß dieses Gericht im Grundsatz auch für die Bestellung des Gegenvormundes international zuständig sein. Das ergibt sich mangels einer geschriebenen Norm aus dem inneren Zusammenhang, der zwischen Hauptvormundschaft und Gegenvormundschaft besteht. Es wäre nicht nur praktisch untunlich, sondern würde gegen die auf gegenseitige Ergänzung und Zusammenspiel angelegten Funktionen der beiden Vormundschaften verstoßen, wenn diese von Gerichten verschiedener Staaten angeordnet und beaufsichtigt würden. Ein deutsches Gericht ist jedoch nicht ausschließlich zuständig für die Anordnung der Gegenvormundschaft. Im deutschen Internationalen Vormundschaftsrecht ist die Zuständigkeit der Gerichte am Aufenthaltsort eines Ausländers in aller Regel nur subsidiär gegenüber der Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates des Mündels, hier also der niederländischen Gerichte. Ausdruck dieser Subsidiarität sind einerseits die Vorschriften des Haager Vormundschaftsabkommens, welche die Zuständigkeit der Gerichte des Aufenthaltstaates des Mündels von einer Anzeige an die Behörden seines Heimatstaates und deren Einverständnis abhängig machen (Art. 8). Im autonomen deutschen Kollisionsrecht andererseits macht Art. 23 EGBGB die Anordnung einer Vormundschaft über Ausländer von der Feststellung abhängig, daß der Heimatstaat die Fürsorge nicht übernimmt; auch diese Feststellung kann nur durch Anzeige an die Heimatbehörden der Schutzperson getroffen werden. Angesichts dieser eindeutigen Tendenz zur Subsidiarität der internationalen Zuständigkeit für Vor-

Eheliche Kindschait / Niederlande

307

mundschaften über Ausländer kann für die Bestellung eines Elternteils zum Vormund, welche im Rahmen des Art. 19 EGBGB erfolgt, nichts anderes gelten. Deutsche Gerichte sind also, da die Bestellung der Hauptvormundschaft in Deutschland erfolgt ist, auch für die Bestellung des Gegenvormundes international zuständig. Ihre Zuständigkeit ist jedoch keine ausschließliche und richtigerweise lediglich eine subsidiäre. 2. Niederländische Gerichte. Für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit niederländischer Gerichte zur Bestellung eines Gegenvormundes gelten - mangels geschriebener Normen und einschlägiger Entscheidungen - ähnliche Gesichtspunkte wie für die Zuständigkeit deutscher Gerichte: Angesichts des inneren Zusammenhanges von Haupt- und Gegenvormundschaft erscheint es unwahrscheinlich, daß ein niederländisches Gericht sich für die isolierte Bestellung des Gegenvormundes für zuständig hält, geschweige denn eine ausschließliche Zuständigkeit dafür in Anspruch nimmt. Die niederländischen Gerichte nehmen vielmehr aufgrund des Haager Abkommens, das sie auch auf die Sorgerechtsregelung nach Scheidung anwenden (oben A II), als Heimatstaat eines niederländischen Mündels nur eine primäre Zuständigkeit für die gesamte Vormundschaft in Anspruch, d. h. mit der Möglichkeit des Verzichtes zugunsten des Aufenthaltstaates. Davon wird, wenn alle Beteiligten in Deutschland wohnen, nach einer Mitteilung des niederländischen Generalkonsulats in Hamburg und nach den Erfahrungen des Instituts auch regelmäßig Gebrauch gemacht. Es erscheint aber zweifelhaft, ob sich die niederländischen Gerichte an der Vervollständigung einer Vormundschaft beteiligen würden, die nach ihrer Auffassung vertragswidrig (nämlich ohne ihr Einverständnis) angeordnet worden ist. Angesichts der Umstände des Falles ist es nicht wahrscheinlich, daß sich niederländische Gerichte zur Bestellung des Gegenvormundes für international zuständig halten werden. II. Auswahl

des Gegenvormundes

durch ein deutsches

Gericht

Art. 401 II B. W. schreibt, wie das Amtsgericht richtig erkannt hat, vor, daß zum Gegenvormund nur eine in den Niederlanden wohnhafte Person, nämlich ein „Reichseingesessener" bestellt werden kann. Die mehr als formelle Bedeutung dieser Vorschrift im Rahmen des niederländischen Vormundschaftsrechtes ergibt sich daraus, daß nach Art.413 Fall 2 B . W . die Gegenvormundschaft erlischt, wenn der Gegenvormund seinen Wohnsitz aus den Niederlanden verlegt. Die volle Bedeutung dieser Regeln ergibt sich jedoch erst aus Art. 78 a B . W . : Der Wohnsitz eines niederländischen Kindes, dessen Hauptvormund nicht in den Niederlanden wohnt, befindet sich bezüglich der Vormundschaft am Wohnsitz des Gegenvor20 *

308

Familienrecht

mundes; fällt der Gegenvormund weg, so bleibt jener Wohnsitz bestehen, bis ein neuer Gegenvormund bestellt worden ist. Alle diese Vorschriften hängen eng miteinander zusammen. Sie sollen nämlich sicherstellen, daß für die Vormundschaft eines minderjährigen niederländischen Mündels stets ein niederländisches Gericht zuständig ist 2 2 . Diese gesetzlichen Vorschriften sind ein besonderer Ausdrude für den Anspruch, daß niederländische Gerichte für Vormundschaften über niederländische Kinder primär international zuständig sind. Nur im Rahmen eines Staatsvertrages wie des Haager Abkommens können die Niederlande auf diese primäre Zuständigkeit verzichten, zumal ihnen Art. 4 des Vertrages die Befugnis zum Widerruf vorbehält. Auch diese Erwägungen sprechen also für die vom Institut vertretene Anwendung des Haager Abkommens auf den vorliegenden Fall. Sollte das Gericht jedoch an seiner Ansicht festhalten, so ist zu bedenken, daß rechtlich und praktisch die Beobachtung des Art. 401 II B.W. durch ein deutsches Vormundschaftsgericht unmöglich ist. Rechtlich, weil das deutsche Gericht nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen nicht die Befugnis hat, einen in den Niederlanden wohnhaften niederländischen Staatsangehörigen zum Vormund zu bestellen; das wäre eine Überschreitung der deutschen Gerichtsgewalt. Es ist auch zweifelhaft, ob sich ein niederländisches Gericht etwa im Wege internationaler Rechtshilfe zur Unterstützung einer nach seiner Auffassung vertragswidrigen Vormundschaft hergeben würde. Praktisch aber ist dem deutschen Gericht weder eine sachgemäße Auswahl noch eine angemessene Überwachung eines in den Niederlanden wohnhaften Gegenvormundes möglich. Deshalb wird das deutsche Gericht von der Beobachtung des Art. 401 II B.W. absehen müssen. Es ist freilich damit zu rechnen, daß einer solchen Gegenvormundschaft und damit der gesamten Vormundschaft in den Niederlanden die Rechtswirkungen versagt werden. III. Auswahl des Gegenvormundes

durch ein niederländisches

Gericht

Angesichts der Verknüpfung des Art. 401 II B. W. mit anderen Vorschriften und der sich daraus ergebenden grundsätzlichen Bedeutung für die internationale Zuständigkeit niederländischer Vormundschaftsgerichte erscheint es ausgeschlossen, daß ein niederländisches Gericht sich über die Regel des Art. 401 II B. W. hinwegsetzen dürfte oder würde. Die niederländische Rechtsprechung gibt dafür auch keine Anhaltspunkte. Ein niederländisches Gericht müßte also einen in den Niederlanden lebenden „Reichseingesessenen" zum Gegenvormund bestellen. 22 Asser - Scholten-Wiarda, Handleiding tot de beoefening van het Nederlands Burgerlijk Recht I 1 (9. Aufl. 1957) 664f.; Pitlo/Maijling, Het Personenrecht naar het Nederlands Burgerlijk Wetboek (4. Aufl. 1955) 98, 357.

Eheliche Kindschaft / Italien C.

309

Zusammenfassung

Die sehr erheblichen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten, die bei Beantwortung der Anfrage aufgezeigt wurden (Abschnitt B), lassen sich sämtlich vermeiden durch die vom Institut befürwortete Anwendung des Haager Vormundschaftsabkommens auf den vorliegenden Fall (Abschnitt A). Im Rahmen dieses Abkommens erledigen sich sämtliche gestellten Fragen.

Nr. 29 Italien 1. Maßgebendes Recht für elterliche Gewalt nach deutschem und italienischem internationalem Privatrecht. 2. Personen- und Vermögenssorge ehelicher Kinder sowie Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Geschäfte des Sorgeberechtigten vor und nach Trennung der Eltern von Tisch und Bett nach italienischem Recht. 3. Verteilung der elterlichen Gewalt und Unterhaltsregelung für Kinder nach Trennung der Eltern von Tisch und Bett nach italienischem Recht. Hamburg G 144/65 vom 15. 9.1965

Das Rechtsamt der Stadt W . bittet um Rechtsauskunft über die sich aus der elterlichen Gewalt ergebenden Rechte und Pflichten nach italienischem Recht. Es soll insbesondere untersucht werden, wie sich das Sorgerecht für die ehelichen Kinder eines italienischen Staatsangehörigen und einer deutschen Staatsangehörigen „nach der Scheidung, während des Scheidungsverfahrens und bei ungestörter Ehe" gestaltet.

I. Internationales

Privatrecht

Uber die Zulässigkeit von Maßnahmen, die die Sorge für die Person des Kindes betreffen, entscheidet das von Art. 19 EGBGB berufene Recht. Es ist heute in Lehre und Rechtsprechung einhellige Meinung, daß die einseitige Kollisionsnorm des Art. 19 zur allseitigen zu erweitern ist. Das bedeutet, daß, wenn der Vater Ausländer ist, dessen ausländisches Heimatrecht Anwendung findet 1 . Art. 19 ist nicht etwa wegen Verstoßes gegen 1 Vgl. Kegel in Soeigel, Kommentar zum BGB V (9. Aufl. 1961) Anm. 1 zu Art. 19 EGBGB; M. Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschland (3. Aufl. 1954) 214ff.; BGHZ 1, 306; BayObLGZ 1959, 8.

Familienrecht

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Art. 3 Abs. 2 GG seit dem 1. April 1953 außer Kraft getreten 2 . Die nach Art. 19 EGBGB ausgesprochene Verweisung auf das Heimatrecht des Mannes ist als eine Gesamtverweisung aufzufassen, d. h. als Verweisung auch auf die Kollisionsnormen des anzuwendenden Rechts s . Eine Rück- oder Weiterverweisung findet nach italienischem Recht, das ebenfalls dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz folgt, nicht statt. Art. 20 prel. (Einführungsgesetz zum Codice civile) bestimmt, daß die Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern von dem Heimatrecht des Vaters geregelt werden. Es findet also materielles italienisches Recht Anwendung.

II. Die elterliche Gewalt bei bestehender

und nicht gestörter

Ehe

Da Italien nicht vom Gleichberechtigungsgrundsatz ausgeht, steht die Ausübung der elterlichen Gewalt grundsätzlich dem Vater zu. Art. 316 C. c.: Esercizio della patria potestà. - Il figlio è soggetto alla potestà dei genitori sino all'età maggiore o all'emancipazione. Questa potestà è esercitata dal padre. Dopo la morte del padre e negli altri casi stabiliti dalla legge essa è esercitata dalla madre.

Ausübung der väterlichen Gewalt. Das Kind ist bis zum Mündigkeitsalter oder bis zur Volljährigkeitserklärung der elterlichen Gewalt unterworfen. Diese Gewalt wird vom Vater ausgeübt, Nach dem Tode des Vaters und in den anderen vom Gesetz vorgesehenen Fällen wird sie von der Mutter ausgeübt.

Nur bei Verhinderung des Vaters tritt die Mutter an dessen Stelle. Alt. 317 C. c.: Impedimento del padre. - Nel caso di lontananza o d'altro impedimento che renda impossibile al padre l'esercizio deila patria potestà, questa è esercitata dalla madre.

Verhinderung des Vaters. - Im Falle seiner Abwesenheit oder eines anderen Hindernisses, das dem Vater die AusÜbung seiner elterlichen Gewalt unmöglich macht, wird diese von der Mutter ausgeübt.

Nur aus wichtigem Grunde kann dem Vater die elterliche Gewalt entzogen werden. Art. 330 C.c.: Decadenza dalla patria potestà. - Il tribunale può pronunziare la decadenza dalla patria potestà quando il genitore

Entziehung der väterlichen Gewalt. Das Gericht kann die Entziehung der väterlichen Gewalt aussprechen, wenn

2 Vgl. die vorläufige Stellungnahme des Instituts in RabelsZ 18 (1953) 119f.; BayObLG 6. 2. 1962, NJW 1962, 1013 f. 3 Vgl. M. Wollt 216.

Eheliche Kindschalt / Italien viola o trascura con grave pregiudizio del figlio i doveri ad essa inerenti.

311

der Vater die mit ihr verbundenen Pflichten zum schweren Schaden des Kindes verletzt oder vernachlässigt.

Art. 331 C.c.: Passaggio della patria potestà alla madre. - Quando, pronunziata la decadenza, l'esercizio della patria potestà passa alla madre, il tribunale può in speciali circostanze impartire disposizioni alle quali la madre deve attenersi. Il tribunale può anche ordinare che il figlio venga allontanato dalla casa paterna.

Ubergang der väterlichen Gewalt auf die Mutter. Wenn nach Ausspruch der Entziehung die Ausübung der väterlichen Gewalt auf die Mutter übergeht, kann das Gericht unter besonderen Umständen Vorschriften erlassen, an die die Mutter sich halten muß. Das Gericht kann auch die Entfernung des Kindes aus dem väterlichen Hause anordnen.

Bei schlechter Führung des Vaters, die aber nicht zur Entziehung der elterlichen Gewalt berechtigt, kann das Gericht die im Interesse des Kindes n o t w e n d i g e n Maßnahmen treffen. Art. 333 C. c.: Condotta del genitore pregiudizievole Dem Kinde nachteiliges Verhalten des al figlio. Vaters. Quando la condotta del genitore non Wenn das Verhalten des Vaters nicht e tale da dar luogo alla pronunzia di derartig ist, daß die Entziehung der decadenza prevista dall'art. 330, ma elterlichen Gewalt gemäß Art. 330 ausappare comunque pregiudizievole al gesprochen werden kann, aber gleichfiglio, il tribunale puö, secondo le cir- wohl für das Kind schädlich erscheint, costanze, adottare i provvedimenti kann das Gericht je nach den Umstänconvenienti all'interesse del figlio e den die Maßnahmen treffen, die dem puö anche disporre l'allontanamento di Interesse des Kindes entsprechen. Es lui dalla casa paterna. kann auch die Entfernung des Kindes aus dem väterlichen Haus anordnen. D e m Inhaber der elterlichen Gewalt ist es untersagt, selbst oder durch Strohmänner Rechte oder V e r m ö g e n s w e r t e d e s Minderjährigen zu erw e r b e n (Art. 323 Cod. civ.). Im übrigen hat der Vater ein gesetzliches Nutznießungsrecht am V e r m ö g e n des Kindes, s o l a n g e er die elterliche Gewalt ausübt; a u s g e n o m m e n sind die Erträge aus der e i g e n e n Berufstätigkeit des Minderjährigen oder v o n solchen Vermögenswerten, die dem Minderjährigen ausdrücklich zum Zweck der Berufsausbildung überlassen wurden, ferner Erträge aus Schenkungen oder Erbschaften, deren A n n a h m e v o m Inhaber der elterlichen Gewalt v e r w e i g e r t wurde (Art. 324 Cod. civ.). Für eine Reihe v o n Geschäften bedarf der Vater der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung; z. B. für Veräußerung und Verpfändung v o n Fahrnis und Immobilien, für die A n n a h m e v o n Schenkungen und Vermächtnissen unter Bedingungen, für den Abschluß v o n Mietverträgen mit einer

312

Familienrecht

Dauer von mehr als 9 Jahren oder von Darlehensverträgen. Außer diesen beispielhaft genannten Geschäften enthält Art. 320 I die Generalklausel, daß alle Handlungen, die „die Grenzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung übersteigen", vom Vormundschaftsrichter genehmigt werden müssen. Die Ausübung eines Handelsunternehmens durch den Minderjährigen darf nur mit Zustimmung der Beschlußkammer des Landgerichts erfolgen, das vorher eine gutachtliche Stellungnahme des Vormundschaftsrichters einholt (Art. 320IV). Bei Interessenkollisionen wird vom Vormundschaftsgericht ein Pfleger bestellt: Art. 320 V C.c.: Se sorge conflitto d'interessi tra figli soggetti alla stessa patria potestà o tra essi e il padre, il giudice tutelare nomina ai figli un curatore speciale.

Wenn ein Interessenkonflikt zwischen Kindern entsteht, die der gleichen elterlichen Gewalt unterworfen sind, oder zwischen den Kindern und dem Vater, ernennt der Vormundschaftsrichter einen besonderen Pfleger für die Kinder.

III. Die elterliche Gewalt nach gerichtlicher oder Ehescheidung

Ehetrennung

1. Da das italienische Recht eine Ehescheidung nicht kennt, sind hier zwei Fälle auseinanderzuhalten: a) Die Ehe ist durch ein italienisches Gericht getrennt worden, und zwar entweder in Form der einverständlichen Trennung (einverständliche Trennung mit gerichtlicher Bestätigung, separazione consensuale omologata, Art. 158 Cod. civ.) oder der gerichtlichen Trennung im eigentlichen Sinne (Trennung durch Gerichtsurteil mit Schuldausspruch, separazione per colpa, separazione giudiziale, Art. 151-153 Cod. civ.). Durch eine solche Trennung wird die Ehe nicht dem Bande nach gelöst, jedoch haben die Ehegatten ein Recht zum Getrenntleben. b) Die Ehe ist durch ein deutsches Gericht geschieden worden. Das ist im Hinblick auf Art. 17 III EGBGB möglich, wenn die Ehefrau Klägerin ist und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. 2. Hinsichtlich des Sorgerechts können die Fälle der Trennung und Scheidung gleichbehandelt werden. Da es in Italien keine Ehescheidung gibt, fehlen zwar gesetzliche Bestimmungen darüber, wie die elterliche Gewalt nach einer Lösung der Ehe aufgeteilt wird. Es bestehen jedoch keine Bedenken, die Grundsätze zu übernehmen, die für das Eltern-Kind-Verhältnis nach einer Ehetrennung aus Verschulden des Mannes entwickelt worden sind 4 . 4

Cicu, La filiazione (2. revidierter Nachdruck der 2. Aufl. 1958) 314, 316; vgl.

Eheliche Kindschaft / Italien

313

3. Gesetzliche Grundlage ist Art. 155 Cod. civ.: Provvedimenti riguardo ai figli. Il tribunale che pronunzia la separazione dichiara quale dei coniugi deve tenere presso di sè i figli e provvedere al loro mantenimento, alla loro educazione e istruzione. In ogni caso il tribunale può per gravi motivi ordinare die la prole sia collocata in un istituto di educazione o presso una terza persona. Qualunque sia la persona a cui i figli sono affidati, il padre e la madre conservano il diritto di vigilare la loro educazione.

Maßnahmen hinsichtlich der Kinder. Das Gericht, das die Ehetrennung ausspricht, bestimmt auch, welcher der Ehegatten die Kinder bei sich behalten und für ihren Unterhalt, ihre Erziehung und ihre Ausbildung sorgen soll. Aus wichtigen Gründen kann das Gerieht anordnen, daß die Kinder in einem Erziehungsinstitut oder bei dritten Personen untergebracht werden. Unabhängig davon, wem die Kinder anvertraut sind, behalten der Vater und die Mutter das Recht, die Erziehung zu überwachen.

Die Vorherrschaft des Vaters in einer normalen, d. h. nicht getrennten und nicht geschiedenen Ehe beruht auf seiner Stellung als Familienoberhaupt und nicht auf einem Recht, das die entsprechenden Rechte der Mutter ausschließt. Das Gericht hat daher im Falle einer Trennung oder Auflösung der Ehe volle Ermessensfreiheit bei Regelung der elterlichen Gewalt 5 . 4. Wenn das Kind der Mutter anvertraut wird, muß daher die Ausübung der väterlichen Gewalt entsprechend geregelt werden. Der Mutter obliegt in diesem Fall die Sorge für den Unterhalt, die Erziehung und die Ausbildung des Kindes, und das Gericht muß ihr die entsprechenden Rechte und Pflichten übertragen". Dabei kommt es nur auf das Interesse des Kindes an, ohne daß die Vorzugsstellung des Vaters als solche berücksichtigt wird 7 . Eine gerichtliche Entscheidung nach Art. 155 Cod. civ., mit der die Sorge für die Person der Kinder der Mutter anvertraut wird, modifiziert also die Ausübung der elterlichen Gewalt, die im Normalfall dem Vater zusteht. Indem festgelegt wird, bei welchem Elternteil sich das Kind aufhalten und wer es erziehen soll, wird - bei Übertragung auf die Mutter - dem Vater die Sorge für die Person der Kinder genommen. Ihm bleiben die Vermögenssorge und die gesetzliche Vertretung. Diese können ihm nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der Art. 317, 330 Cod. civ. (siehe oben zu II) entzogen werden. Trib. Palermo 24. 2. 1950, Monitore dei Tribunali 1950, 216 (Ehenichtigkeitserklärung). 5 Cicu 316; Cass. 5. 4. 1940, Foro It. 1940 Sp. 874 mit zust. Anm. Cicu = Rivista di diritto civile 1940, 482; Cass. 18. 7. 1941, Rivista di diritto matrimoniale 1942, 175. 6 Cicu 314 f. 7 Cass. civ. 23. 7. 1962, n. 2047, Giur. it. Rep. s. v. Separazione dei coniugi, n. 32; App. Venedig 28. 4. 1948, Monit. trib. 1949, 26.

314

Familieniecht

Aus dem Bestehenbleiben der elterlichen Gewalt beim Vater folgt, daß dieser, wie es sich aus Art. 155 III Cod.civ. ergibt, ein Recht zur Überwachung der Erziehung des Kindes behält. Dieses Recht umfaßt die Möglichkeit, bei einschneidenden Fragen über die Gestaltung der Lebensführung des Kindes mitzuwirken, z. B. bei der Berufswahl u. ä. Kommt es dabei nicht zur Einigung zwischen den getrennten Ehegatten, so hat nicht etwa derjenige, der die Personensorge ausübt, den Stichentscheid, vielmehr muß dann die Frage durch das Vormundschaftsgericht geregelt werden 8 . Das Gericht muß auch darüber befinden, in welchem Maße die Eltern zum Unterhalt der Kinder beizutragen haben. Die Vorschrift des Art. 810 der inzwischen aufgehobenen Prozeßordnung von 1865, die vorsah, daß das Gericht die Unterhaltspflicht nach dem Maße der Schuld bestimmen sollte, ist in die neue Prozeßordnung von 1940 nicht aufgenommen worden. Derjenige Elternteil, dem die Kinder nicht zugesprochen sind, kann nicht die Unterhaltsleistung mit der Begründung verweigern, er wolle den Unterhalt des Kindes durch Aufnahme in seinen Haushalt in natura erbringen 9 . Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, geht das italienische Recht im wesentlichen bei der Verteilung der Ausübung der Funktionen der elterlichen Gewalt von den gleichen Gesichtspunkten aus wie das deutsche Recht. Zur Illustrierung der Praxis seien noch einige Leitsätze aus der Rechtsprechung genannt: Die Übertragung der Ausübung von Funktionen der elterlichen Gewalt auf den anderen Ehegatten schließt nicht den Verlust der elterlichen Gewalt als solcher ein 1 0 . Für die Verteilung des Personensorgerechts ist sowohl unerheblich, daß der Vater Inhaber der elterlichen Gewalt ist, als auch die Frage, wen die Schuld einer Trennung trifft. Bei der Auswahl des Ehegatten, dem das Sorgerecht übertragen werden soll, kommt es allein auf die bessere Eignung zur Erziehung und Betreuung der Kinder an 1 1 . Die Tatsache, daß die Ehe aus Verschulden des einen oder anderen Ehegatten getrennt ist, kann keinen Einfluß auf die Verteilung des Personensorgerechts haben 1 2 . Sprechen jedoch keine besonderen Gründe für eine anderweitige Regelung, sind im allgemeinen die Kinder dem nichtschuldigen Teil anzuvertrauen 1S . App. Bari 7. 11. 1924, Foro It. Rep. 1925, 1652. • App. Milano 21. 4. 1935, Riv. Dir. Matr. 1935, 475. 10 App. Milano 7. 10. 1938, Mon. Trib. 1939, 142. 11 Cass. 3. 7. 1962, n. 2064, Giust. Civ. Mass. 1962, 1006; App. Trieste 23. 7. 1957, Giust. Civ. Mass 1957, 37. 1 2 Cass. 10. 8. 1962, n. 2546, Giust. Civ. Mass. 1962, 1210. 13 App. Brescia 4. 5. 1938, Foro It. Rep. 1938, 1778. 8

Eheliche Kindschaft / Italien

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Die Tatsache, daß jemand ein schlechter Ehegatte ist, besagt noch nicht, daß er nicht ein guter und liebevoller Elternteil sein kann, dem die Sorge über die Kinder anvertraut werden kann 1 4 . Maßgebend für die Regelung der Personensorge ist das Wohl des Kindes 15 . Da das Kind demjenigen Teil anvertraut werden soll, bei dem es am besten aufgehoben ist, würde es dem Zweck dieser Forderung widersprechen, wenn das Kind in wechselnden Zeitabschnitten teils dem Mann, teils der Frau zugesprochen würde 16 . Maßnahmen über die Zuweisung des Kindes stellen keine Sanktion gegen den schuldigen Teil dar, sondern haben ausschließlich im Interesse des Kindes zu erfolgen. Der Richter kann daher nach seinem Ermessen das Kind auch dem schuldigen Teil zuweisen, wenn dieser seine vorwerfbare Lebensführung nicht fortsetzt oder dies sich nicht zum Schaden des Kindes auswirken würde 17 . Eine Abänderung der nach Art. 155 Cod. civ. erfolgten Regelung kann jederzeit im Wege der Klage beantragt werden (Art. 710 Cod.proc. civ.). Der Klage wird stattgegeben, wenn z. B. der Elternteil, dem das Kind anvertraut ist, sich einer schlechten Lebensführung schuldig macht und dadurch das Wohl des Kindes beeinträchtigt oder schon ganz allgemein dann, wenn eine andere Unterbringung sich für das Kind als günstiger erweist 18 . 5. Die Parteien können bei veränderten Umständen jederzeit im ordentlichen Rechtsweg eine Änderung der zum Personenrecht getroffenen Anordnung beantragen (Artt. 708 IV, 7101 Cod. proc. civ.). 6. Parteivereinbarungen über die Ausübung der Personensorge sind trotz Schweigens des Gesetzes in Italien zulässig und üblich. Dies trifft vor allem für den Fall der einverständlichen Trennung zu (Art. 158 Cod. civ., siehe oben zu III 1). Die in einer Vereinbarung über die Ehetrennung getroffenen Abreden über das Schicksal der Kinder werden durch die gerichtliche Bestätigung der Ehetrennung miterfaßt und dadurch sanktioniert 19. Die gerichtliche Bestätigung einer Vereinbarung über die elterliche Gewalt setzt allerdings voraus, daß die Vereinbarung gerechtfertigt ist und den Interessen der Kinder entspricht 20 . Die Frage, welche Vereinbarun14 Cass. 30. 12. 1941, Foro It. Rep. 1941, 1392; App. Torino 8. 3. 1957, Giust. Civ. Mass. 1957, 36; App. Trieste 2. 8. 1955, Giust. Civ. Mass. 1955, 29. 1 5 App. Venezia 27. 3. 1956, Giust. Civ. Mass. 1956, 31; App. Lecce 24. 1. 1957, Giust. Civ. Rep. 1957 s. v. Separazione dei coniugi, n. 156; Cass. 21. 7. 1960, Giust. Civ. Mass. 1960, 771; Cass. 8. 2. 1955, n. 353, Foro It. Mass. 1955, 74. w Cass. 4. 6. 1959, n. 1677, Giust. Civ. Mass. 1959, 574; a. M. Gangì, Il matrimonio (3. Aufl. Milano 1953) 310. 17 App. Napoli 12. 6. 1956, Giust. Civ. Rep. 1956 s. v. Separazione dei coniugi, n. 157. 18 App. Venezia 23. 8. 1928, Foro It. Rep. 1928, 1675; Cass 9. 5. 1935, Foro It. Rep. 1935, 1844. 19 Azzolina, La separazione personale dei coniugi (2. Aufl. 1951) 198 ff., 204 ff. 2 0 Cass. 5. 4. 1940, Foro It. 1940, 874.

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Familienrecht

gen in diesem Rahmen getroffen werden können, insbesondere wieweit die Parteien in die gesetzliche Regelung der elterlichen Gewalt eingreifen können, ist - infolge des Schweigens des Gesetzes - in Literatur und Rechtsprechung sehr umstritten 21 . Eine Abrede der Parteien, daß der Vater für das eine und die Mutter für das andere Kind die elterliche Gewalt erhalten soll, erscheint bei Berücksichtigung der in Schrifttum und Rechtsprechung zutage tretenden Grundgedanken dann unbedenklich, wenn man diese Regelung einschränkend dahin auslegt, daß sie nur die Ausübung der elterlichen Gewalt betrifft. Nach der Literatur liegt in einer solchen Vereinbarung nicht ein (unzulässiger) Verzicht des jeweils zurückstehenden Elternteils auf die elterliche Gewalt, sondern das Anerkenntnis, daß das Interesse der Kinder es erfordere, sie dem anderen Elternteil anzuvertrauen 22 . Denn das italienische Recht berücksichtigt auch in familienrechtlichen Sachen, soweit es mit der Familienordnung vereinbar ist, in erster Linie den Parteiwillen. Daß die hier von den Parteien getroffene Regelung den Kindern nachteilig wäre, läßt sich nicht ohne weiteres sagen. Die Entscheidung hierüber hängt von den Umständen des Falles ab, ist also reine Tatfrage.

/V. Die Personensorge während Schwebens eines oder Scheidungsverfahrens

Ehetrennungs-

Leben die Eheleute ohne richterliche Entscheidung getrennt, so wird durch diese tatsächliche Trennung an der elterlichen Gewalt grundsätzlich nichts geändert. Wenn die Kinder aber bei der Mutter leben, so übt diese die elterliche Gewalt aus, da davon ausgegangen wird, daß der Vater im Sinn von Art. 317 Cod. civ. an der Ausübung wegen der räumlichen Trennung verhindert ist 23 . Die Abwesenheit des Vaters muß, um die elterliche Gewalt auf die Mutter im Sinne des Art. 317 Cod. civ. übergehen zu lassen, von Dauer sein 24 . Während der Abwesenheit des Vaters hat die Mutter die gesetzliche Vertretung des Kindes. Das berechtigt sie, u. a. Unterhaltsklage gegen den Mann zu erheben 25 . Im übrigen kennt das italienische Recht einstweilige Maßnahmen im Sinne der Einstweiligen Anordnungen des § 627 der deutschen ZPO. Bei der gerichtlichen Trennung im Sinne von Art. 153 Cod. civ. trifft der VorVgl. Azzolina aaO. Cicu 317; Azzar iti-Mar tinez, Diritto civile italiano II (2. Aufl. 1943) 980. 2 3 Vgl. Azzolina 231. - In gleichem Sinne audi OLG Hamburg 13.7.1949, IPRspr. 1945-49 Nr. 23 S. 42 ff. (hierzu OGH BrZ 22. 9. 1950, IPRspr. 1950-51 Nr. 1 S. 1 ff.). 2 4 Trib. min. Bari 30. 12. 1953, Foro It. Rep. 1954, 1894. 25 Parisi, Minori e loro organi giudiziari di protezione (Rom 1960) Anm. 39 zu Art. 317 Cod. civ. 21 22

Eheliche Kindsdiaft

/ USA

(Massachusetts)

317

sitzende der zuständigen Kammer des Landgerichts nach Art. 708 III Cod. prov. civ. die im Interesse der Kinder notwendigen Maßnahmen 2 6 . Für diese einstweiligen Maßnahmen gelten keine anderen Maßstäbe als im deutschen Recht, d. h. die Entscheidung wird von den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und des Kindesinteresses bestimmt.

Nr. 30 USA (Massachusetts) 1. Maßgebendes Redit für elterlldie Gewalt über das Kind eines IRO-Flilditlings nach deutschem internationalem Privatredit. 2. Internationale Zuständigkeit in Sorgerechtsangelegenheiten („custody" und „guardianship) nach deutschem und US-amerikanischem Recht, insbesondere nach dem Recht des Staates Massachusetts. 3. Versteckte RückVerweisung fUr Personen- und Vermögenssorge durch das Redit des Staates Massachusetts. Hamburg G 123/65 vom 26.10.1965

Das Amtsgericht Hamburg bittet in der Sorgerechtssache N. um Auskunft über Internationales Privatrecht. Es handelt sidi um die Regelung des Sorgerechts für das 1963 geborene Kind Nikolaj N. Die Eltern des Kindes sind aus beiderseitigem Verschulden 1964 durch das Landgericht Hamburg geschieden worden. In einem Vergleich, den sie im Scheidungsverfahren vor Gericht geschlossen haben, sind sie übereingekommen, daß die elterliche Gewalt über das Kind der Mutter zufallen soll. Die Mutter (geboren 1942) ist deutsche Staatsangehörige. Der Vater (geboren 1912) ist seinem Volkstum nach Lette. Er besaß bis zur Eingliederung Lettlands in die UdSSR (1940) die lettische Staatsangehörigkeit. 1944 verließ er Lettland und lebte ab 1945 als Flüchtling in Deutschland. Hier ist er von der UNRRA, sodann von der IRO betreut worden. Im Dezember 1962 hat er in Hamburg geheiratet. Im Anschluß an die Ehescheidung ist er im Oktober 1964 in die USA gegangen. Nach seinen Angaben hat er seinen Wohnsitz „zur Zeit" in Boston (Massachusetts), wo seine Mutter und Schwester leben, beabsichtigt jedoch, nach Deutschland zurückzukehren. 28 Für die einverständliche Trennung (Art. 158 Cod. civ.) gilt das allerdings nicht, da hier die gerichtliche Bestätigung der Trennung nur erfolgt, wenn sich die Parteien auch über das Sorgerecht für die Kinder geeinigt haben, Art. 711 III Cod. civ.

318

Familienrecht

Gefragt wird, welches Recht für die Regelung der elterlichen Gewalt zur Anwendung kommt und welchen Inhalt dieses Recht hat. I. Deutsches Internationales

Privatrecht

Die Sorgerechtsregelung richtet sich in analoger Anwendung von Art. 19 EGBGB nach dem Recht des Kindesvaters. Diese Vorschrift ist durch den Gleichheitsgrundsatz nicht aufgehoben worden 1 . Sie gilt auch, wenn die Ehe der Kindeseltern geschieden ist 2 . Zur Beantwortung der Frage nach dem Recht des Kindesvaters ist die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 heranzuziehen, die in der Bundesrepublik seit 1953 gilt 3 . Sie bestimmt, daß sich die Rechtsstellung jedes Flüchtlings nach dem Recht seines Wohnsitzstaates richtet (Art. 12). Die Konvention ist in der Bundesrepublik auch auf solche Flüchtlinge anzuwenden, die außerhalb der Bundesrepublik wohnhaft sind. Einer der in Art. 1 der Konvention genannten Ausschließungsgründe liegt nach dem in den Akten mitgeteilten Sachverhalt nicht vor. Insbesondere der Ausschließungstatbestand des Art. 1 D - „Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zur Zeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen" -

greift nicht ein. Es ist nämlich anzunehmen, daß der Kindesvater unter die Zuständigkeit des Hochkommissars fällt. Das ergibt sich aus folgendem: 1. Der Kindesvater ist nach seinen Angaben von der IRO betreut worden. Die IRO, die 1947 aus der UNRRA hervorgegangen ist, stellte ihre Tätigkeit zum 31. Januar 1952 ein 4 . Die Aufgaben der Flüchtlingsbetreuung gingen, teilweise schon vor diesem Zeitpunkt, auf den Hochkommissar über. Das Amt des Hochkommissars ist im Jahre 1949 von den Vereinten Nationen beschlossen und 1951 errichtet worden 6 . 2. Der Kindesvater erwähnte die Betreuung durch den Hochkommissar offenbar nur deshalb nicht, weil er nicht danach gefragt worden ist. Das Gericht hatte ihm die Frage vorgelegt: „Wurden Sie als Verschleppter oder Flüchtling von der IRO betreut?" 3. Im übrigen schließt auch eine Betreuung durch die IRO die Anwendung des Abkommens nicht aus. Mit dem oben zitierten Ausschließungstatbestand des Art. 1 D (Betreuung durch Organisationen der Vereinten Nationen) ist nicht die damals vor der Auflösung stehende IRO gemeint. 1

BayObLG 6. 2. 1962, BayObLGZ 1962, 39 = NJW 1962, 1013. RGZ 162, 329 (332, 334); BayObLG 21.3. 1952, BayObLGZ 1952, 74 = IPRspr. 1952-1953 Nr. 317. s 4 BGBl. 1953 II 559. Yearbook of the United Nations 1951, 524. « Yearbook of the United Nations 1948-1949, 18-19, 592-599. 2

Eheliche Kindschait

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Die Vorschrift geht vielmehr auf einen Vorschlag der arabischen Staaten zurück, die hiermit die Palästina-Flüchtlinge von dem Schutz des Abkommens ausschließen -wollten 8 . Ein besonderer Akt der „Anerkennung" als Flüchtling im Sinn der Konvention durch eine deutsche Behörde ist für Flüchtlinge, die sich außerhalb der Bundesrepublik aufhalten, nicht erforderlich 7 . Die Rechtsstellung als heimatloser Ausländer, die der Kindesvater offenbar noch genießt 8 , steht der Anwendung der Konvention nicht entgegen. Es ist nach alledem von der Anknüpfungsregel der Konvention (Art. 12) auszugehen. Hiernach richtet sich die Sorgerechtsregelung nach dem Recht am Wohnsitz des Kindesvaters, hilfsweise nach dem Recht seines Aufenthaltslandes. Was unter „Wohnsitz" im Sinne dieser Regel zu verstehen ist, erscheint zweifelhaft. Einigkeit besteht darüber, daß es keinen international einheitlichen Wohnsitzbegriff gibt und daß der Begriff deshalb von jedem Staat nach seinem Landesrecht ausgefüllt werden muß 9 . Umstritten ist jedoch, in welcher Weise diese Ausfüllung für das deutsche Recht zu erfolgen hat. Unter Berufung auf den Zweck der genannten Kollisionsnorm tritt ein Teil des Schrifttums dafür ein, den „Wohnsitz" mit dem „gewöhnlichen Aufenthalt" gleichzusetzen 10 . Demgegenüber wird von anderer Seite die Ansicht vertreten, eine solche Ausfüllung sei mit dem Wortlaut des Abkommens nicht mehr vereinbar. Denn wenn auch der Wohnsitzbegriff in den einzelnen Staaten nicht übereinstimme, seien doch „Wohnsitz" und „gewöhnlicher Aufenthalt" dem internationalen Sprachgebrauch geläufige Begriffe. Man könne deshalb schwerlich annehmen, daß es den Landesrechten über die Anwendung ihres Wohnsitzbegriffes hinaus überlassen worden sei, den Begriff „Wohnsitz" durch den ganz anderen Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts" zu ersetzen 11 . Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, welche von diesen Ansichten vorzuziehen ist und ob der Kindesvater einen „Wohnsitz" i. S. von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention in Hamburg oder in Boston (Massachusetts) hat. Denn wie im fol• Yearbook of the United Nations 1950, 578 mit Anmerkung 158. Die Wiedergabe des Inhalts v o n Art. 1 D der Konvention in Palandt(-Lauteibach), BGB (24. Aufl. 1965) Anhang III zu Art. 29 EGBGB, Vorbem. 2 Mitte, ist daher unrichtig. 7 Asylverordnung von 1953 (BGBl. I 3) §§ 1, 5, 24. 8 Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer von 1951 (BGBl. I 269) §§ 1, 2. • Palandt(-Lauterbach), Anhang III zu Art. 29 EGBGB; Soergel/Siebert(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Art. 29 EGBGB Anhang Anm. 23 ; Mezger, Das Personalstatut der Flüchtlinge seit dem 25. Dezember 1953: JZ 1954, 663 (664). 10 Erman(-Arndt), Handkommentar zum BGB (3. Aufl. 1962), Anhang zu Art. 29 EGBGB, unter d), Art. 13 Bern, a) (S. 1696); Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 156 f.; Mezgei aaO 664. 11 Palandt(-Lauterbach) aaO; SoergeUSiebert(-Kegel) aaO; ebenso wohl auch Nagel, RabelsZ 22 (1957) 186.

320

Familienrecht

genden dargelegt wird, verweist das Recht von Massachusetts auf das deutsche Recht zurück. Da dieses die Rüdeverweisung annimmt 1 2 , steht somit fest, daß letztlich in jedem Fall das deutsche Recht zur Anwendung kommt. II. Das Kollisionsrecht 1.

des Staates

Massachusetts

Personensorge

Wie allgemein im Kollisionsrecht der nordamerikanischen Teilstaaten, gibt es auch in Massachusetts keine ausdrückliche Norm, die bestimmt, welches materielle Recht für die Übertragung der Personensorge („custody") nach Scheidung der Eltern maßgebend sein soll. Die amerikanischen Gerichte prüfen lediglich, ob im Einzelfall ihre internationale Zuständigkeit („jurisdiction") gegeben ist, und wenden, sofern sie sich für zuständig ansehen, jeweils das am Gerichtsort geltende materielle Recht an 1 3 . Die Frage nach dem maßgeblichen Recht entscheidet sich also faktisch nach den Regeln, welche die internationale Zuständigkeit für Sorgerechtsentscheidungen ordnen. Sind nach amerikanischer Auffassung im vorliegenden Fall die deutschen Gerichte international zuständig, so bedeutet das - weil diese Gerichte dann als lex fori das deutsche Recht anzuwenden befugt sind - eine „versteckte" Rückverweisung auf das deutsche materielle Recht, die im Rahmen des Art. 27 EGBGB zu beachten ist 14 - Es fragt sich also, ob den deutschen Gerichten im vorliegenden Fall nach amerikanischer Auffassung „jurisdiction" zukommt. Zunächst forderten die Gerichte in fast allen amerikanischen Staaten als Voraussetzung der „jurisdiction", daß das Kind sein Domizil im Gerichtsstaat haben müsse, weil allein der Domizilstaat berufen sei, die persönlichen Verhältnisse und den Status des Kindes zu regeln 1 6 . 12

Soeigel!Siebert(-Kegel), Art. 19 EGBGB Anm. 50 mit weiteren Nachweisen. Goodrich, Conflict of Laws (4. Aufl. 1964) 271 ff.: Stimson, Conflict of Laws (1963) 280j Stumberg, Principles of Conflict of Laws (3. Aufl. 1963) 319 ff.j Ehrenzweig, Conflict of Laws (1962) 281 ff. ; Leiiar, Conflict of Laws (1959) 346ff.; American Jurisprudence Bd. 17 (mit Nachtrag 1965) „Divorce and Separation" § 811; Corpus Juris Secundum Bd. 67 (1950 mit Nachtrag 1965) „Parents and Child" § 13 b, S. 668, 670, 671. 14 Vgl. BayObLG 6. 2. 1962, oben N. 1; Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 132 f.; Neuhaus, Grundbegriffe 190 ff.; Gündisch, FamRZ 1961, 332 (334 ff.); Dopfiel, RabelsZ 23 (1958) 299 (318ff.); Melchior, Die Grundlagen des deutschen IPR (1932) 228. A. A. Wengler, N J W 1959, 127, und teilweise Beitzke in Anm. zu KG 13. 7. 1959, N J W I960, 244, sofern nur eine konkurrierende deutsche Zuständigkeit besteht. Die Bedenken von Wengler und Beitzke sind von Gündisch aaO überzeugend widerlegt worden. 15 Vgl. z. B. Goodrich aaO 271; Beale, Conflict of Laws II (1935) 717 f.; Restate13

Eheliche Kindschait

/ USA

(Massachusetts)

321

Schon seit längerem halten sich einige Staaten aber auch dann für zuständig, w e n n b e i d e Eltern ihrer Gerichtsbarkeit unterworfen sind, ungeachtet der Frage, w o das Kind domiziliert ist, w e i l die Rechte der Eltern durch die Sorgerechtsregelung berührt w e r d e n 1 8 . Schließlich wird die Zuständigkeit in Sorgerechtssachen unter Berufung auf den Fürsorgegedanken häufig bei bloßem Aufenthalt d e s Kindes im Gerichtsstaat bejaht 1 7 . Massachusetts hat die Zuständigkeit seiner Gerichte in den hier interessierenden Fällen gesetzlich geregelt. Die General Laws of Massachusetts bestimmen in Chapter 208: § 28. Care and Maintenance of Minor Children „Upon decree of divorce, or petition of either parent, or of a next friend in behalf of the children, after notice to both parents, after such decree, the court may make such decree as it considers expedient relative to the care, custody and maintenance of the minor children of the parties, and may determine with which of the parents the children or any of them shall remain, or may award their custody to some third person if it seems expedient or for the benefit of the children; and afterward may from time to time, upon the petition of either parent, or of a next friend, revise and alter such decree or make a new decree, as the circumstances of the parents and the benefit of the children may require."

§ 29. Same when divorce obtained of Commonwealth

out

„If, after a divorce has been decreed in another jurisdiction, minor children of

§ 28. Pflege und Unterhaltung jähriger Kinder

minder-

Auf Grund eines Scheidungsurteils oder Antrags eines Elternteils oder eines Pflegers („next friend") namens der Kinder kann das Gericht nach Benachrichtigung beider Eltern nach Erlaß eines solchen Urteils eine ihm zweckmäßig erscheinende Entscheidung hinsichtlich der Pflege, Sorge und Unterhaltung der minderjährigen Kinder der Parteien treffen und kann bestimmen, bei welchem Elternteil die Kinder oder eines von ihnen bleiben sollen, oder kann ihre Personensorge einem Dritten übertragen, falls dies zweckmäßig oder für die Kinder vorteilhaft erscheint, und später kann es von Zeit zu Zeit, auf Antrag eines Elternteils oder Pflegers, die Entscheidung überprüfen und ändern oder eine neue Entscheidung treffen, wie es die Umstände der Eltern und das Wohl der Kinder erfordern mögen. § 29. Dasselbe nach Erlangung der Scheidung außerhalb des Commonwealth [Massachusetts'] Wenn, nachdem in einem anderen Rechtsgebiet eine Scheidung ausgespro-

ment of the Law of Conflict of Laws (1934) §§ 117, 145, 146; Annotation in 9 ALR 2d 434, 439 (1950) mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 16 Vgl. z. B. May v. May, 253 N. Y. S. 606 (App. Div. 1931), Robinson v. Robinson, 3 N. Y. S. 2 d 882 (App. Div. 1938), affirmed 17 N. E. 2 d 448 (N. Y. 1938); Annotiation, Jurisdiction of court to award custody of child domiciled in state but physically outside it: 9 ALR 2 d 434, 440 (1950). 17 Sampsell v. Superior Court in and ior Los Angeles County, 197 P. 2 d 739 (Cai. 1948); vgl. audi Leflar 349 und die Annotiation in 9 ALR 2 d 434, 440 (1950). 21

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

322

Familienrecht

the marriage are inhabitants of or residents in this commonwealth, the superior or probate court for the county in which said minors or any of them are inhabitants or residents, upon petition of either parent or of a next friend in behalf of the children, after notice to both parents, shall have the same power to make decrees relative to their care, custody, education and maintenance, and to revise and alter such decrees or make new decrees, as if the divorce had been decreed in this commonwealth."

chen. ist, minderjährige Kinder aus der Ehe in diesem Staate [Massachusetts] wohnen oder sich aufhalten, soll der Superior oder Probate Court der Grafschaft, in der die besagten Minderjährigen oder einer von ihnen wohnt oder sich aufhält, auf Antrag eines Elternteils oder eines Pflegers („next friend") namens der Kinder, nach Benachrichtigung beider Eltern, die gleiche Befugnis haben, Entscheidungen hinsichtlich ihrer Pflege, Sorge, Erziehung und Unterhaltung zu treffen und solche Entscheidungen zu überprüfen und zu ändern oder neue Entscheidungen zu treffen, als ob die Scheidung in diesem Staat [Massachusetts] erfolgt wäre.

Obwohl die zitierten Vorschriften nur die eigene Zuständigkeit des Staates Massachusetts regeln, wird man ihnen entnehmen dürfen, daß nach dem Recht von Massachusetts die Gerichte eines anderen Staates unter entsprechenden Voraussetzungen als für die Entscheidung zuständig angesehen werden. Da im vorliegenden Fall die Ehe der Kindeseltern in Deutschland geschieden worden ist und sich das Kind zudem in Deutschland aufhält, sind also nach amerikanischer Auffassung die deutschen Gerichte für die Sorgerechtsregelung zuständig und somit berechtigt, das deutsche Recht - die lex fori - anzuwenden. Die insoweit gegebene „versteckte" Rückverweisung nimmt das deutsche Recht nach Art. 27 EGBGB an, und zwar auch dann, wenn die Rückverweisung sich nicht nur auf das deutsche materielle Recht, sondern auch auf das deutsche Kollisionsrecht bezieht. In diesem Falle ist die Rückverweisung nämlich nach herrschender Ansicht abzubrechen 18. 2.

Veimögenssoige

Fraglich ist allerdings, ob die Rückverweisung für alle Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kind gilt, die im deutschen Recht unter den Begriff der elterlichen Gewalt fallen. Im Recht von Massachusetts umfaßt nämlich die „custody" nur die Personensorge einschließlich der Vertretung des Kindes in persönlichen Angelegenheiten. Die Vermögenssorge und die Vertretung des Kindes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten obliegt den Eltern nicht ipso iure, sondern die Kinder stehen insoweit unter dem Schutz des Gerichtes, das im Bedarfsfall einen „guardian of the 18

RG 2. 6. 1932, RGZ 136, 361 (366), BGH 14. 2. 1958, NJW 1958, 750.

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323

(Massachusetts)

property" bestellt. Im Normalfall wird es einen Elternteil des Kindes mit diesem Amt betrauen 1 9 . Gemäß Chapter 201, § 1 der General Laws of Massachusetts sind die Gerichte des Bezirks, in dem der Minderjährige seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, zur Ernennung eines „guardian of the property" berufen. Audi in dieser Vorschrift ist eine versteckte Kollisionsnorm zu sehen 2 0 . Da das Kollisionsrecht des Staates Massachusetts also auch hinsichtlich der Vermögenssorge auf das deutsche Recht verweist, ist über alle Bestandteile der elterlichen Gewalt einheitlich nach deutschem Recht zu entscheiden.

III. Internationale Zuständigkeit (im Sinne des deutschen eines deutschen Vormundschaitsgerichts

Rechts)

Die Anknüpfungspunkte für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in einem Fall wie dem vorliegenden sind weder völkerrechtlich noch durch die deutsche Gesetzgebung geregelt. Insbesondere sind weder das Haager Vormundschaftsabkommen noch Art. 23 I EGBGB anwendbar 2 1 . Jedoch ist das Amtsgericht Hamburg nach den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen international zuständig. Man kommt zu diesem Ergebnis sowohl, wenn man auf den Aufenthalt des Kindes abstellt und eine „Aufenthaltszuständigkeit" aus Analogie zu den §§ 43 I, 36 I FGG oder aus staatlicher Fürsorgepflicht ableitet 22 , als auch, wenn man davon ausgeht, daß in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ein „Gleichlauf" zwischen anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit besteht („Statutszuständigkeit") 23 , als auch, wenn man eine Zuständigkeit für den Fall bejaht, daß der Heimatstaat des Kindes eine Zuständigkeitsverweisung ausspricht, d.h. seinerseits die deutschen Gerichte für international zuständig erklärt („Verweisungszuständigkeit") 24. Die örtliche und die sachliche Zuständigkeit regeln sich als Verfahrensfragen nach der lex fori, also nach deutschem Recht 25 . 19 American Jurisprudence Bd. 25 (1940 mit Nachtrag 1965) „Guardian and Ward" § 10; Peck, The Law of Persons and Domestic Relations (3. Aufl. 1930) 390; Annotation, Right of natural guardian to custody or control of infant's property: ALR6 (1920) 115. 20 Vgl. Corpus Juris Secundum Bd. 39 (1944 mit Nachtrag 1965) „Guardian and Ward" § 2 ; Goodrich aaO 376 ff.; Leilar aaO 400. 21 BayObLG 16. 1. 1959, BayObLGZ 1959, 8. 22 Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 19 EGBGB Anm. 36 mit zahlreichen Nachweisen. 23 Dölle, RabelsZ 27 (1962) 201 (212); Neuhaus, Grundbegriffe 242f., 246ff. ; Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 19 EGBGB Anm. 38, 43. 24 Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 19 EGBGB Anm. 40 mit Nachweisen. 25 Soergei/Siebertf-Kegel), Art. 19 Anm. 45. 21

Familienrecht

324

IV.

Ergebnis

Das Amtsgericht Hamburg ist international zuständig, die elterliche Gewalt über das Kind Nikolaj N. zu übertragen. Es hat deutsches materielles Recht anzuwenden.

c) Uneheliche Kindschaft Siehe audi Nr. 34, 42, 69

Nr. 31 Osterreich 1. Maßgebendes Recht für den Unterhaltsanspruch eines unehelidien Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland gegen den österreichischen Vater. 2. Qualifikation des Vaterschaftsanerkenntnisses gem. § 1718 BGB im Rahmen des Haager Ubereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24. 10. 1956. 3. Die Regelung der Geschäftsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung bei Vaterschaftsanerkenntnissen von Minderjährigen nach österreichischem Recht. 4. Zuständigkeit eines deutschen Vormundschaftsgerichts zur Erteilung einer nach österreichischem Recht vorgeschriebenen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. 5. Vermerk eines nach ausländischem Recht unwirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses eines ausländischen Erzeugers bei dem Geburteneintrag eines unehelichen Kindes gem. § 29 PStG. München EV 12/66 vom 2. 2. 1966

A. SACHVERHALT Am 17. August 1965 wurde Alexander B. in Immenstadt i. Allgäu unehelich geboren. Mutter ist die am 7. März 1948 in Blaibach geborene und auch dort wohnhafte Kettlerin Helga Magdalena B. S.; nach Angabe des Standesbeamten ist sie staatenlos und in Besitz eines Fremdenpasses, es sei jedoch der Besitz der jugoslawischen Staatsangehörigkeit nicht auszuschließen. Als Kindsvater wird der am 8. April 1945 in Blaibach geborene und auch dort wohnhafte Obst- und Gemüsehändler August S. in Anspruch genommen. Der Kindsvater ist österreichischer Staatsangehöriger. Er hat am 18. Oktober 1965 vor dem Standesamt Immenstadt die Vaterschaft aner-

Uneheliche

Kindschaft

/

325

Österreich

kaimt. Sein Vater und gesetzlicher Vertreter hat seine Einwiligung zu diesem Vaterschaftsanerkenntnis erteilt. Die Kindsmutter und die Eltern der Kindsmutter gaben hierzu ihre Zustimmungs- bzw. Einverständniserklärung ab. Das Amtsgericht Immenstadt bittet um gutachtliche Stellungnahme zur Unterhaltsverpflichtung und zum Vaterschaftsanerkenntnis. I. Stellungnahme

zur Unterhaltsverpflichtung

des

Kindsvaters

1. Grundsatz Nach Art. 21 Halbs. 1 ist für die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters gegenüber dem Kind und für seine Ersatzpflicht gegenüber der Mutter maßgebend das Heimatrecht der Mutter, und zwar im Zeitpunkt der Geburt des Kindes 2. Regelung des Haager

Übereinkommens

Das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht v. 24. 10. 1956 - BGBl. 61 II 1013 ist u. a. von der Bundesrepublik und Österreich ratifiziert worden und gilt ab 1. 1. 1962 für diese Staaten. Für den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gilt hiernach an Stelle des Heimatrechts der Mutter das Recht des jeweiligen gewöhnlichen Aufenthaltsstaates des Kindes. Art. 1 Abs. I und IV des Übereinkommens lauten: Ob, in welchem Ausmaß und von wem ein Kind Unterhalt verlangen kann, bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. „Kind" im Sinne dieses Ubereinkommens ist jedes eheliche, uneheliche oder an Kindes statt angenommene Kind, das unverheiratet ist und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Damit beurteilt sich der Unterhaltsanspruch des unehelichen Klägers nach deutschem Recht. II. Stellungnahme 1. Das anzuwendende

zum Vaterschaftsanerkenntnis

nach § 1718 BGB

Recht

a) Wie in Art. 5 Abs. II klargestellt wird, regelt das Abkommen nur Unterhaltsverpflichtungen, nicht jedoch die familienrechtlichen Beziehungen der Parteien. Art. 5 Abs. II lautet: 1 Vgl. Soergel-Kegel, Art. 21 EGBGB RdNr. 3; Palandt-Lauterbach 1965), Anm. 1 zu Art. 21 EGBGB.

(25. Aufl.

326

Familienrecht

Das Ubereinkommen regelt das Kollisionsrecht nur auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht. Der Frage der sonstigen familienrechtlichen Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger und der Frage der Abstammung kann durch Entscheidungen, die auf Grund dieses Ubereinkommens ergehen, nicht vorgegriffen werden.

Eine Unterhaltsentscheidung, die auf Grund des Abkommens ergeht, präjudiziert somit nicht die Abstammungs- und familienrechtlichen Fragen zwischen den Parteien 2 . Ob nach diesen Grundsätzen das Vaterschaftsanerkenntnis nach § 1718 BGB in den Bereich des „Unterhalt-Verlangen-Könnens" im Sinne des Ubereinkommens fällt, ist nicht abschließend geklärt. Im Gegensatz etwa zum romanischen Vaterschaftsanerkenntnis hat das Vaterschaftsanerkenntnis nach § 1718 BGB keinerlei familienrechtliche Folgen. Durch das Vaterschaftsanerkenntnis nach § 1718 BGB wird lediglich für den Zahlvaterschaftsprozeß die Einrede des Mehrverkehrs ausgeschlossen. Wenn Art. 1 Abs. I, IV des Ubereinkommens für die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem unehelichen Kind das Recht des jeweiligen Aufenthaltsstaates des Kindes entscheiden läßt, dann dürfte sich dies nicht nur auf Grund, Inhalt, Höhe und Dauer der Unterhaltspflicht beziehen, sondern auch darauf, wer Schuldner - also wer Zahlvater ist; nach diesem Recht beurteilt sich damit auch die Frage, ob die Vaterschaft überhaupt bewiesen werden darf, ob sie bewiesen werden muß oder vermutet wird und widerlegt werden muß, wie lange die Empfängnis dauert - und schließlich auch die Frage, ob die Einrede des Mehrverkehrs gilt. Dem Grundgedanken des Haager Übereinkommens würde widersprochen, wenn man auf dem Gebiete des Unterhaltsrechts für Uneheliche die praktisch so wichtige Frage nach dem Zahlvater ausklammern würde. b) Zu diesen schwierigen Qualifikationsfragen des Haager Ubereinkommens muß aber in diesem Zusammenhang nicht abschließend Stellung genommen werden, da im vorliegenden Fall das durch Art. 1 Abs. I Haager Ubereinkommen berufene Recht des Aufenthaltsstaates des Kindes mit dem nach Art. 21 EGBGB grundsätzlich berufenen Heimatrecht der Mutter zusammenfällt. Heimatrecht der Kindsmutter ist das deutsche Recht; dies ergibt sich aus Art. 29 EGBGB, wonach das Heimatrecht einer staatenlosen Person das des gewöhnlichen Aufenthaltes ist. Dieser Grundsatz gilt auch für die Fälle, in denen eine ausländische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen werden kann 8 . c) Der Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 21, 29 EGBGB steht auch nicht entgegen, daß die über den Unterhaltsanspruch hinausgehen2 Vgl. Petersen, Die 8. Haager Konferenz, Unterhaltsabkommen, in RabelsZ 24 (1959), 30 ff. (35). 3 Vgl. Ferid, Der Neubürger im IPR (1949) 53; Soergel-Kegel, Vorbem. 112 zu Art. 7 EGBGB.

Uneheliche Kindschaft / Österreich

327

den Rechtsverhältnisse zwischen Erzeuger und unehelichem Kind nicht an Art. 21 EGBGB und damit an das Heimatrecht der Mutter, sondern in analoger Anwendung der Art. 18-20 EGBGB an das Heimatrecht des Vaters anknüpfen 4 . Die Frage des Vaterschaftsanerkenntnisses ist gerade bei Ausländern für die unterhaltsrechtlichen Wirkungen und für den Personenstand deutlich auseinanderzuhalten 5 . Im Hinblick auf § 1718 BGB beurteilt sich damit das Vaterschaftsanerkenntnis nach deutschem Recht (soweit es sich um die Beischreibung nach § 2 9 1 PStG handelt, vgl. unten III). 2. Form Uber die Formfrage entscheidet Art. 11 EGBGB. Nach Art. 11 Abs. I EGBGB wird hiernach deutsches Recht sowohl als lex causae als auch als lex loci für maßgeblich erklärt. 3.

Geschäftsfähigkeit

a) Anzuwendendes Recht Maßgebend für die Geschäftsfähigkeit ist nach Art. 7 Abs. I EGBGB das Heimatrecht des Anerkennenden. Damit findet österreichisches Recht Anwendung. b) Inhalt des anzuwendenden österreichischen Rechts (1) Im Zeitpunkt der Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses war der Kindsvater nach § 21 ABGB noch minderjährig. § 21 ABGB gem. GStGBl. Nr. 96/1919 § 1 lautet: „Diejenigen, welche wegen Mangels an Jahren, Gebrechen des Geistes oder anderer Verhältnisse wegen, ihre Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen unfähig sind, stehen unter dem besonderen Schutze der Gesetze. Dahin gehören: Kinder, die das siebente; Unmündige, die das vierzehnte; Minderjährige, die das einundzwanzigste Jahr ihres Lebens noch nicht zurückgelegt haben; . . . "

(2) Der Minderjährige kann nach österreichischem Recht lediglich vorteilhafte Versprechungen annehmen, nicht aber ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters Lasten übernehmen oder selbst Versprechen abgeben, §§ 865,152 ABGB. § 865: „Wer den Gebrauch der Vernunft nicht hat, wie auch ein Kind unter sieben Jahren, ist unfähig, ein Versprechen zu machen oder es anzunehmen. Andere Personen hingegen, welche von einem Vater, Vormunde oder Kurator abhängen, 4

Vgl. OLG Frankfurt StAZ 1953, 253 unter Hinweis auf Martin Woiff, IPR 219

und Raape, IPR 236. 5

Vgl. Beitzke, Das Vaterschaftsanerkenntnis, StAZ 1961, 329 ff. (334).

328

Familienrecht

können zwar ein bloß zu ihrem Vorteile gemachtes Versprechen annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte Last übernehmen, oder selbst etwas versprechen, hängt die Gültigkeit des Vertrages nach den, in dem dritten und vierten Hauptstücke des ersten Teiles, gegebenen Vorschriften in der Regel von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des Gerichtes ab. Bis diese Einwilligung erfolgt, kann der andere Teil nicht zurücktreten, aber eine angemessene Frist zur Erklärung verlangen." § 152: „Die unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder können ohne ausdrückliche oder doch stillschweigende Einwilligung des Vaters keine gültige Verpflichtung eingehen.. Der Vollständigkeit wegen sei noch darauf hingewiesen, daß der Minderjährige, der von den Eltern nicht mehr verpflegt wird, über die durch eigenen Fleiß erworbenen Sachen verfügen kann. § 151 ABGB lautet: „Uber das, was ein obgleich minderjähriges, jedoch außer der Verpflegung der Eltern stehendes Kind durch seinen Fleiß erwirbt, sowie auch über Sachen, die einem Kinde nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauche übergeben worden sind, kann es frei verfügen." Die Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnisse nach § 151 ff. ABGB sind aber einschränkend auszulegen 6 . § 151 ABGB ist demgemäß auch nie auf die Anerkennung der außerehelichen Vaterschaft durch einen Minderjährigen angewendet worden; die Gerichte haben vielmehr den Standpunkt vertreten, daß das Anerkenntnis zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters bedarf 7 . (3) Gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ist bis zur Erlangung der Großjährigkeit (Vollendung des 21. Lebensjahres) dessen Vater, 147 ff. ABGB. Der V a t e r hat hierbei nach österr. Recht keine unbegrenzte Vertretungsmacht. Die Begrenzungsfälle der Vertretungsmacht des Vaters sind aber im österreichischen Recht nicht mit jener Klarheit hervorgehoben, wie dies etwa im deutschen Recht in § 1643 in Verbindung mit den dort zitierten Bestimmungen ausgearbeitet ist. Der Ausgangspunkt für die Annahme von Beschränkungen der väterlichen Vertretungsmacht im österr. Recht ist die Erwägung, daß der V a t e r als Vermögensverwalter die Stellung eines Vormundes hat. (4) Äußerst strittig ist v o r allem die Frage, ob der gesetzliche Vertreter allein handeln darf oder ob er seinerseits die Genehmigung des VormundVgl. ABGB Manzsche Ausgabe mit der bei § 151 aufgeführten Rechtsprechung. Vgl. Wentzel, Plessl im Kommentar zum ABGB, herausgegeben von Klang, und Gschnitzer, 1. Bd., 2. Halbbd., Anm. II, 2 zu § 164 unter Hinweis auf E 9 VII. 1952, SZ XXV/195, ferner Erbacher, Rechtsnatur des Vaterschaftsanerkenntnisses, ö s t 1952, 39. Nach der Entscheidung des OGH vom 15. 2. 1950 im Dsterr. Wohlfahrtswesen 1950, Heft 6 betrifft die im Vaterschaftsanerkenntnis enthaltene Verpflichtungserklärung nicht nur das Einkommen, das der Minderjährige durch eigenen Fleiß erwirbt. 6

7

Uneheliche

Kindschait /

Österreich

329

schafts-(Pflegschafts-)gerichts einholen muß. Diese Frage könnte, soweit es sich um einen minderjährigen Vater handelt, der unter Vormundschaft steht, eindeutig bejaht werden 8 . W a s aber nun den minderjährigen Vater betrifft, der unter väterlicher Gewalt seines ehelichen Vaters steht, so ist dieselbe Frage bedeutend schwieriger zu beantworten. Während beim Vormund in den § § 2 1 6 und 223 ABGB der Vormund eindeutig verpflichtet wird, in allen wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten seines Mündels, ob sie nun persönlicher oder wirtschaftlicher Art sind, die Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes einzuholen, läßt die Regelung des Verhältnisses des Vaters zum Vormundschaftsgericht eine ähnliche Klarheit vermissen. Aus § 149 ABGB wird entnommen, daß der eheliche Vater, soweit es sich um die Verwaltung des Kindesvermögens handelt, die Stellung eines Vormundes oder Kurators hat, daß er somit in allen Geschäften, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören und die von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen darf 9 . Die Frage, ob die Zustimmung des ehelichen Vaters zum Vaterschaftsanerkenntnis seines minderjährigen Sohnes der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, könnte somit schon dann bejaht werden, wenn es sich bei dem Anerkenntnis um ein das Vermögen des Kindes betreffendes Geschäft handelt, das nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört und von größerer Wichtigkeit ist. Dies ist beim Vaterschaftsanerkenntnis nach § 1718 BGB der Fall. W i e Guggumos in StAZ 1950, 250 zutreffend ausgeführt hat, ist die Anerkennung sowohl als Geständnis eine Tatsache (das Zugeben der außerehelichen Beiwohnung innerhalb der Empfängniszeit) wie auch ein einseitiges, nicht empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft (die Kundschaft des Willens, die aus der erfolgten Beiwohnung entstehenden privatrechtlichen Folgen auf sich zu nehmen). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch die österreichische Rechtsprechung und Praxis: Das Landgericht für ZRS Wien hat in der Entscheidung vom 26. 5. 1950, ö s t e r r . Wohlfahrtswesen 1950, Heft 9, das Vaterschaftsanerkenntnis des minderjähriVgl. OStA 1953, 70. Vgl. Bratsch im K/angschen Kommentar, 1/1, 872 f. und das ebendort in Anm. 7 angeführte Schrifttum, die dort genannten Entscheidungen u. a. OGH vom 23. 7. 1935, 2 Bl. 1935, 821 und vom 12. 7. 1938, SZ X X , 169. Edlbacher, Muß die Erklärung des ehelichen Vaters, womit er dem Anerkenntnis der Vaterschaft seines minderjährigen Sohnes zustimmt, pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden? in: ÖStA 1955, 41 gelangt zu dem Ergebnis, „daß der eheliche Vater in Ansehung des Kindesvermögens immer dann um die pflegschaftliche Genehmigung einzukommen hat, wenn es sich nicht um reine Verwaltungsmaßnahmen handelt; hierbei ist es gleichgültig, ob der Vater über das positive Vermögen seines Kindes unmittelbar verfügt oder ob er dem Kind eine spätere zu erfüllende Verpflichtung aufbürdet." 8 9

330

Familienrecht

gen ehelichen Sohnes als durch das Pflegschaftsgericht genehmigungspflichtig erklärt. Edlbacher, aaO, gelangt zu folgendem Ergebnis: „Jedenfalls wird es einer vorsichtigen Rechtsübung entsprechen, wenn der Standesbeamte, sobald ihm das Vaterschaftsanerkenntnis eines minderjährigen Vaters, der selbst unter väterlicher Gewalt steht, vorliegt, nicht nur die Zustimmungserklärung des ehelichen Vaters des Minderjährigen, sondern auch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung verlangt." Die unterschiedliche Haltung im Schrifttum ist darauf zurückzuführen, daß Streit über die Frage herrscht, ob im Vaterschaftsanerkenntnis nur ein Rechtsgeständnis oder aber ein Feststellungsvertrag zu erblicken ist 10 .

Es kann nicht Aufgabe der Anwendung österr. Rechts im deutschen Rechtskreis sein, darüber zu entscheiden, inwieweit die geschilderten Argumentationen tatsächlich als stichhaltig anzusehen sind. Es muß für die Anwendung des österr. Rechts im Inland maßgebend sein, daß aus diesen Argumenten die österreichische Praxis und die Rechtsprechung die oben wiedergegebene Schlußfolgerung zieht, daß der Vater bei der Zustimmungserklärung zum Vaterschaftsanerkenntnis seines minderjährigen Sohnes der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Damit ergibt sidi, daß das vom minderjährigen Erzeuger am 5. Okt. 1965 vor dem Standesbeamten abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung bedarf. 4. Die Zuständigkeit zur Erteilung der

eines deutschen Genehmigung

Vormundschaltsgerichtes

Mit der Feststellung, daß nach österr. Recht das nach deutschem Recht abzugebende Vaterschaftsanerkenntnis der Genehmigung des „Pflegschaftsgerichtes bedarf", da aufgrund dieses Anerkenntnisses dem Minderjährigen eine später zu erfüllende Verpflichtung aufgebürdet werden kann, ist im vorliegenden Falle die kollisionsrechtliche Arbeit noch nicht beendet. Es ergibt sich vielmehr als schwierigstes Problem erst die Frage, ob ein deutsches Vormundschaftsgericht diese nach österr. Recht vorgeschriebene Genehmigung erteilen kann. a) Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann die bei zivilen Streitsachen geübte Trennung von formellem und materiellem Recht wegen der engen Verbindung von materiellen und Verfahrensvorschriften in diesem Bereich nicht durchgeführt werden 11 . Während für bloß beurkundende Tätigkeit von Staatsbehörden und Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Satz locus regit actum anerkannt werden kann, ist dies für Genehmigungen nicht möglich. Diese betreffen nicht lediglich die Form, son10

Vgl. Wenzel, Plessl, aaO. Vischer, Die rechtsvergleichenden Tatbestände im Internat. Privatrecht (1953) 77 mit weiteren Literaturnachweisen. 11

Uneheliche Kindschaft / Österreich

331

dem ein die Sache selbst betreffendes Anfordernis, ein notwendiger Teil des Rechtsgeschäftes selbst. Infolge dieser engen Verbundenheit von materiellem Recht und Verfahrensrecht kann ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit genehmigend wohl nur dann tätig werden, wo es inländisches Recht anzuwenden hat. Dies folgt aus dem Prinzip des Gleichlaufes zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit 12 . b) Wenn aber der Grund für das Nichttätigwerden von Behörden nur im fehlenden Gleichlauf von materiellem Recht und Verfahrensrecht zu sehen ist, so folgt daraus zwingend, daß dann, wenn dieser Gleichlauf funktionell besteht, obgleich ausländisches materielles Recht auf inländisches Verfahrensrecht trifft, auch im Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Behörde tätig werden kann. Derartiger funktioneller Gleichlauf trotz Zusammentreffens ausländischen materiellen und inländischen Verfahrensrechtes ist als gegeben anzusehen, wenn das ausländische materielle Recht mit dem in diesem Falle vergleichbaren inländischen materiellen Recht äquivalent ist. Folglich ist bei jeder Maßnahme rechtsvergleichend zu prüfen, ob eine Äquivalenz zwischen ausländischem und inländischem Sachrecht besteht 1 S . Der Genehmigung einer Behörde der freiwilligen Gerichtsbarkeit in dem Falle, in dem rechtsvergleichend der Gleichlauf vom inländischen und anzuwendenden ausländischen materiellen Recht festgestellt ist, steht auch nicht entgegen, daß der übrige Tatbestand sich nach ausländischem materiellem Recht bestimmt und zu diesem nun als Wirksamkeitsvoraussetzung die inländische Genehmigung als ein Teil dieses Tatbestandes tritt. Denn dieser Fall tritt j a nur ein, wenn die Sachrechte äquivalent sind. Dann aber ist dem ausländischen Sachrecht ein genau entsprechender Akt eigen. Die Schutzfunktion, die in ausländischen Bestimmungen liegt, ist dann dadurch gewahrt, daß die inländische Behörde das ausländische Recht anwendet, folglich auch die in diesem Rechtsgebiet geltenden Abwägungen zu treffen hat und dazu auch tatsächlich in der Lage ist, eben wegen des Gleichlaufes des eigenen materiellen Rechts mit dem ausländischen. Daß eine vom ausländischen Recht geforderte Wirksamkeitsvoraussetzung von inländischer Behörde gesetzt werden kann, folgt auch aus den Darlegungen bei Vischel 79, der mit Recht annimmt, daß z. B. ein deutsches Nachlaßgericht bei ausländischem Erbstatut auch bei ausländischen Nachlässen, die ausländischem Recht unterstehen, dann tätig werden muß, wenn das ausländische Erbstatut Maßnahmen kennt in entsprechender Weise und Ausgestaltung, wie sie für deutsche Nachlaßgerichte vorgesehen sind. c) Man wird im vorliegenden Fall zu dem Schluß kommen müssen, daß das Vormundschaftsgericht eine Genehmigung nach österr. Recht erteilen So Vischer, Die rechtsvergleichenden Tatbestände im IPR, 79. Vischer 79 mit weiteren Literaturnachweisen! im Ergebnis so auch M. Wolff, IPR 217. 12

13

332

Familienrecht

kann, weil der Grundcharakter der österr. Genehmigungspflicht mit demjenigen der deutschen Genehmigungspflicht übereinstimmt. (1) Sinn der österr. Regelung ist die Gewährleistung einer gerichtlichen Aufsicht bei bedeutenden, in das Vermögen des Mündels einschneidenden Geschäften zu gewährleisten. (2) Dieser österr. Regelung entspricht im deutschen Recht die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bei bestimmten Geschäften des Vormundes. Daß im österr. Recht eine Generalklausel „wichtige Geschäfte", im deutschen Recht eine kasuistische Aufzählung erfolgt, ändert nichts an der Gleichartigkeit der Vorgänge. Die Oberaufsicht des Vormundschaftsgerichts nach österr. Recht hat denselben Inhalt und dieselbe Regelung wie nach deutschem Recht. Das Vormundschaftsgericht hat insoweit gleichartige Obliegenheiten. (3) Man kann also beim österr. und deutschen materiellen Recht bezüglich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bei Geschäften des Vormunds von einem Gleichlauf des materiellen Rechts sprechen. Folglich kann gemäß dem oben II 3 b) (3) und (4) Dargelegten das deutsche Vormundschaftsgericht hier genehmigend mitwirken. An der funktionellen Gleichartigkeit der Obliegenheit des deutschen Vormundschaftsgerichts mit demjenigen des österr. Pflegschaftsgerichts ändert die Tatsache nichts, daß nach deutschem Recht im vorliegenden Falle materiell eine Genehmigungspflicht nicht gegeben ist. (4) Eine andersartige Auffassung würde möglicherweise im vorliegenden Falle praktisch zu einer Rechtsverweigerung führen, denn zwar besteht für Österreicher im Ausland eine Hilfszuständigkeit des Bezirksgerichts Wien. Diese Zuständigkeit scheidet aber wegen der praktischen Schwierigkeit und der durch die Entfernung sich ergebenden langen Dauer ihrer Beschaffung tatsächlich aus. d) Im vorliegenden Falle kommt das deutsch-österreichische Vormundschaftsabkommen vom 5. Februar 1927, das ab 1.10.1959 wieder angewandt wird (vgl. BGBl. II S. 1250), nicht zur Anwendung, denn dieses Abkommen hat es lediglich mit der Vormundschaft im technischen Sinne, nicht aber mit der obervormundschaftlichen Beaufsichtigung der elterlichen Gewalt zu tun. Immerhin kann dem Abkommen der Grundsatz entnommen werden, daß den Behörden des Aufenthaltsstaates die Zuständigkeit zu vormundschaftsgerichtlichen Maßnahmen zugesprochen wird. Wenn dies auch nur ausdrücklich im Bereich der Vormundschaft im engeren Sinne gilt, läßt sich daraus doch der Schluß ziehen, daß die beiden Vertragsstaaten zwar nicht allgemein die vormundschaftsgerichtlichen Maßnahmen dem Aufenthaltsstaat zusprechen, daß sie aber, wenn ein funktioneller Gleichlauf zwischen dem Heimatstaat und dem Aufenthaltsstaat besteht, die Vormundschaftsgerichtliche Behörde des Aufenthaltsstaates zur Vornahme einzelner vormundschaftsgerichtlicher Funktionen für zuständig erklärt.

Uneheliche Kindschait /

Österreich

333

Anmerkung Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die mit der Erlangung der für die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses erforderlichen Genehmigung einerseits und dem Umstand andererseits, daß der minderjährige Erzeuger in nicht allzu langer Zeit großjährig wird und damit weder väterlicher noch pflegschaftsgerichtlicher Einwilligung bedarf, könnte es zweckmäßig sein, zunächst zu warten und den Kindsvater nach seiner Vollendung des 21. Lebensjahres nochmals zur Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses zu veranlassen.

III. Zur Beischreibung im

Geburtenbuch

W e n n § 29 PStG von der Anerkennung der Vaterschaft spricht, meint er damit die Ist-Vaterschaft und nicht die Zahlvaterschaft. Das heißt: Im Sinne des § 29 PStG hat der uneheliche Vater seine Vaterschaft nur anerkannt, wenn er damit zum Ausdruck bringen will, daß er sich als Erzeuger des Kindes betrachtet 1 4 . Inhaltlich verlangt das Anerkenntnis deshalb die Erklärung des Inanspruchgenommenen, daß ein unehelich geborenes Kind als von ihm erzeugt betrachte und auch von andern betrachtet wissen wolle 1 5 . In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht allerdings Übereinstimmung darüber, daß das den Geburtseintrag des unehelichen Kindes beigeschrieb e n e Vaterschaftsanerkenntnis lediglich die Bedeutung der Registrierung des Anerkenntnisses habe, nicht aber der Beurkundung der Abstammung diene - also nicht mehr beweisen kann und soll, als daß er eine derartige Erklärung in öffentlicher Urkunde erfolgt sei l e . Aus diesen Gründen hält die Rechtsprechung die Beischreibung des Vaterschaftsanerkenntnisses eines ausländischen Erzeugers bei dem Geburteneintrag eines unehelichen Kindes für zulässig, auch wenn das Anerkenntnis nach dem ausländischen Recht unwirksam ist 17 . Allerdings k a n n die Beischreibung dann nur Wirkungen für das deutsche Recht haben und k a n n nicht für personenrechtliche Beziehungen zwischen unehelichem Kind und Erzeuger herangezogen werden, die sich - wie auch die Legitimation nach Art. 22 EGBGB - nach dem Heimatrecht des Vaters beurteilen.

14 Vgl. 1938, 7. 15 Vgl. 19 Vgl. Maßieller, 17 Vgl.

Pfeiffer-Strickert,

§ 29 PStG, Anm. 2 und 8; ferner OLG München, StAZ

Brandis-Maßieller, § 29 Anm. 1. RGZ 68, 61; KG in JFG 13, 385; OLG Frankfurt StAZ 53, 253; BrandisaaO. OLG Frankfurt, aaO und Pieifier-Strickert, Anm. 17.

334

Familienrecht

Nr. 32 Jugoslawien 1. Maßgebendes Recht für die gesetzlidie Vertretung eines unehelichen Kindes nach deutschem und jugoslawischem internationalem Prlvatrecht. 2. Gesetzliche Vertretung (ehelicher und unehelicher) Minderjähriger nach jugoslawischem Recht. 3. Anwendung des Haager Unterhaltsabkommens im Verhältnis zu Staaten, die nicht Vertragsstaaten sind, wenn sich der Berechtigte in Deutschland gewöhnlich aufhält. Hamburg G 136/66 vom 17.11. 1966

Das Amtsgericht Vorsfelde bittet in der Familienrechtssache S. um Auskunft über Internationales Privat- und jugoslawisches Familienrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Vormundschaftsgericht Vorsfelde hat zu prüfen, welche Maßnahmen im Interesse des außerehelich geborenen Kindes Olga S. zu ergreifen sind. Sowohl die unverheiratete Mutter des am 8.11.1965 geborenen Kindes als auch der Erzeuger besitzen die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Gefragt wird, ob 1. die Kindesmutter gesetzlicher Vertreter ist oder eine Vormundschaft eingerichtet werden muß; 2. es zulässig und erforderlich ist, daß der Erzeuger ein Vaterschaftsanerkenntnis und eine Unterhaltsverpflichtung abgibt, und welcher Form das Anerkenntnis bedarf. Zur 1. Frage: 1. Deutsches Internationales Privatrecht. - Das Rechtsverhältnis zwischen einer ausländischen Mutter und ihrem unehelichen Kind einschließlich dessen (gerichtlicher wie außergerichtlicher) gesetzlicher Vertretung richtet sich in entsprechender Anwendung von Art. 20 EGBGB grundsätzlich nach den Gesetzen des Staates, dem die Mutter angehört 1 . Soweit es sich um Unterhaltsansprüche des Kindes und die gesetzliche Vertretung bei der Geltendmachung dieser Ansprüche handelt, kommt Art. 1 des Haager Ubereinkommens vom 24.10. 1956 als Sondervorschrift in Betracht; siehe dazu unten 4. Ferner gelten Sondervorschriften für Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention l a . Vgl. für alle Palandt(-Lauterbach), BGB (25. Aufl. 1966) 2 zu Art. 20 EGBGB. Vgl. Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. 7. 1951, BGBl. 1953 II 560. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Abkommen durch 1

la

Uneheliche

Kindschaft

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Jugoslawien

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Art. 12 Nr. 1 der Flüclitlingskonvention bestimmt: „Das Personalstatut lb jedes Flüchtlings bestimmt sich nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, nach dem Recht seines Aufenthaltslandes."

Offenbar ist jedoch die Kindesmutter als Gastarbeiterin und nicht als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in die Bundesrepublik Deutschland gelangt. Im folgenden wird von dieser Unterstellung ausgegangen. (Sollte die Unterstellung nicht zutreffen, so würde sich das Rechtsverhältnis zwischen der Mutter und ihrem unehelichen Kind nach deutschem Recht richten.) Das deutsche Internationale Privatrecht verweist hier somit zunächst auf das jugoslawische Recht, vorbehaltlich einer gemäß Art. 27 EGBGB zu beachtenden Rückverweisung dieses Rechtes auf die deutschen Gesetze. 2. Das jugoslawische Internationale Privatrecht enthält keine gesetzliche Kollisionsnorm für die Beziehungen zwischen Eltern und ihren (ehelichen wie außerehelichen) Kindern. Nach Ansicht des jugoslawischen Schrifttums entscheidet das gemeinsame Heimatrecht 2 . Das Kind hat offenbar aufgrund des im jugoslawischen Staatsangehörigkeitsrecht geltenden Abstammungsprinzips die jugoslawische Staatsangehörigkeit erworben 3 . Es liegt hier also keine Rückverweisung vor. 3. Jugoslawisches materielles Recht. - Das geltende jugoslawische Recht geht vom Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern aus; die Eltern haben gegenüber ehelichen und unehelichen Kindern grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten4. Dieser Grundsatz der Gleichberechtigung findet seinen Ausdruck darin, daß für die gesetzliche Vertretung der ehelichen und der unehelichen Kinder regelmäßig die gleichen Vorschriften gelten. Das genannte Grundgesetz über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern (in Zukunft als „Grundgesetz" zitiert) bestimmt in Art. 8 I: „Minderjährige Kinder werden von den Eltern vertreten." Gesetz vom 1. 9. 1953 (BGBl. II 559) zugestimmt und es zugleich als inländisches Recht in Kraft gesetzt. - Zum Beitritt Jugoslawiens: Bekanntmachung vom 16.2. 1961 (BGBl. II 140). l b Besser: Die Rechtsstellung - vgl. Makarov, RabelsZ 20 (1955) 133. 2 Vgl. Eisnei, Medunarodno privatno pravo, I (Internationales Privatrecht, Agram/Zagreb 1953) 332 f. 3 Vgl. Art. 2 des Gesetzes über die jugoslawische Staatsangehörigkeit vom 15. 9. 1964, Sluzbeni list Nr. 38/1964; deutsche Ubersetzung u. a.: Bergmann(-Lipowschek), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl. (Loseblattsammlung), s. v. Jugoslawien 6 ff. 4 Vgl. Art. 59 IV der neuen jugoslawischen Verfassung von 1962; deutsche Übersetzung u.a.: Die Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (Belgrad 1963) 35; Art. 3 des Grundgesetzes über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern vom 1. 12. 1947 in der Neufassung vom 1. 3. 1965; deutsche Übersetzung: Bergmann(-Lipowschek), s. v. Jugoslawien 41 ff.

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Familienrecht

Die Vertretung minderjähriger Kinder durch ihre Eltern ist e i n Bestandteil des sogenannten Elternrechts; die allgemeinen Vorschriften über das Elternrecht g e l t e n daher auch für die gesetzliche Vertretungsmacht 5 . Uber das Elternrecht bestimmt das „Grundgesetz" in Art. 14: „Ist ein Elternteil gestorben oder nicht bekannt oder ist ihm das Elternrecht entzogen oder ist er für geschäftsunfähig erklärt worden, dann steht das Elternrecht dem anderen Elternteil allein zu." Der Fall, daß „ein Elternteil . . . nicht bekannt ist", liegt insbesondere dann vor, w e n n kein Gerichtsurteil über die Vaterschaft ergangen und auch k e i n e förmliche Anerkennung des unehelichen Kindes gemäß den Vorschriften des „Grundgesetzes" erfolgt ist 6 . Die einschlägigen Vorschriften des „Grundgesetzes" zur A n e r k e n n u n g und gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung lauten: Art. 24: (I) Als Vater eines außerehelich geborenen Kindes wird der Mann angesehen, der das Kind als sein eigenes anerkennt oder dessen Vaterschaft durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt ist. (II) Der Vater kann das Kind vor dem Matrikelführer, durch eine öffentliche Urkunde oder im Testament als sein Kind anerkennen. (III) Diese Anerkennung ist nur dann gültig und in das Matrikelbuch einzutragen, wenn die Kindesmutter dieser Anerkennung, von der sie vom Matrikelführer zu benachrichtigen ist, zustimmt. (IV) Stimmt die Mutter dieser Anerkennung nicht zu oder äußert sie sich binnen eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Matrikelführers nicht, so kann derjenige, der das Kind anerkannt hat, beim Gericht die Klage auf Feststellung, daß er der Vater des Kindes ist, erheben. (V) Ist die Mutter nicht mehr am Leben oder verschollen, so gibt der Vormund mit Genehmigung der Vormundschaftsbehörde die Erklärung ab. Art. 25: (I) Die Klage auf Feststellung der Vaterschaft für das uneheliche Kind kann in seinem Namen von der Mutter erhoben werden, solange sie das Elternrecht ausübt, bzw. vom Vormund mit Genehmigung der Vormundschaftsbehörde, von dem Kinde selbst aber binnen fünf Jahren seit Erreichung der Volljährigkeit. M a n g e l s einer Anerkennung oder eines Urteils über die Vaterschaftsfeststellung im Sinne der angeführten Vorschriften steht der Mutter eines 5

Vgl. Artt. 6ff. „Grundgesetz"; Finzgar, Rodbinsko pravo (Familienrecht, Laibach/Ljubljana 1957) 116 ff.; Prokop, Odnosi roditelja i djece po zakonodavstvu FNRJ (Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern nach der Gesetzgebung der FVR Jugoslawien, Agram/Zagreb 1954) 62 ff. 6 Vgl. Bakic, Pravni polozaj vanbracne dece u FNRJ (Die Rechtsstellung des unehelichen Kindes in der FVR Jugoslawien, Belgrad 1957) 111; Finzgar 123; Prokop 78.

Uneheliche

Kindschait

/

Jugoslawien

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unehelichen Kindes kraft Gesetzes das Elternrecht (somit auch die Vertretungsmacht) allein zu; sie braucht nicht zum Vormund bestellt zu werden 7 . Am Rande sei bemerkt, daß nach Ansicht der Rechtsprechung und des Schrifttums trotz Anerkennung oder Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung über die Vaterschaftsfeststellung die elterliche Gewalt dann allein von der Mutter ausgeübt wird, wenn die Eltern nicht zusammenleben und sich das Kind bei der Mutter aufhält 8 . Nach allem wird das uneheliche Kind durch seine Mutter gesetzlich vertreten, vorbehaltlich einer Sonderregelung für die (gerichtliche und außergerichtliche) Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufgrund des unter 1 genannten Haager Ubereinkommens vom 24. 10. 1956. 4. Haager Übereinkommen. - Das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (BGBl. 1961 II 1013) ist für die Bundesrepublik Deutschland am 1. 1. 1962 in Kraft getreten (BGBl. 1962 II 16). Daß Jugoslawien - soweit zu übersehen dem Abkommen bisher nicht beigetreten ist 9 , steht seiner Anwendung hier nicht entgegen. Denn nach den Bestimmungen des Abkommens hängt seine Anwendung nicht davon ab, daß auch der Heimatstaat des Kindes oder der des Unterhaltsverpflichteten Vertragsstaat ist. In der Konvention ist nirgends - außer in der Ausnahmevorschrift des Art. 2 II - auf die Staatsangehörigkeit der Beteiligten abgestellt. Vielmehr wird lediglich gefordert, daß nach den Kollisionsnormen des Übereinkommens das Recht eines Vertragsstaates Anwendung findet (Art. 6). Das ist der Fall, wenn sich das Kind in einem Vertragsstaat gewöhnlich aufhält (Art. 1 I). Dagegen braucht kein zweiter Vertragsstaat beteiligt zu sein. Es genügt vielmehr, wenn das Kind - wie offenbar hier - seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat und für diesen das Übereinkommen in Kraft getreten ist 10 . 7

Bakic 111, Finzgar 123. Artt. 8 II, 13 I „Grundgesetz" in analoger Anwendung; Bakic 111. 9 Vgl. Sluzbeni list, Medunarodni ugovori i drugi sporazumi, bis einschließlich Nr. 7/1966; Bergmann(-Lipowschek), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl. (Loseblattsammlung, Stand 1966) s. v. Jugoslawien 16. 10 Ebenso: Conférence de la Haye de d. i. p., Documents relatifs à la Huitième Session (1957) 131 f.; Denkschrift der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 2585/3. Wahlperiode, zu Art. 6 des Ubereinkommens, abgedruckt bei Maßleller, Das gesamte Familienrecht II, Deutsches internationales und interzonales Recht (1965) 114; Kreisgericht Wels 11. 3. 1963, Z. f. Rvgl. 4 (1963) 112; Sedlacek, Z. f. Rvgl. 4 (1963) 240; Scheudier, Das Haager Unterhaltsstatutabkommen: Z. f. Rvgl. 4 (1963) 82 ff. (83 f.); ders., Jur. Bl. (Wien) 1964, 452 N. 7; Urbach, Neue Aspekte des internationalen Unterhaltsrechts: ZBIJugR 1961, 112 ff. (115); Erman(-Marquordt), Handkommentar zum BGB, 3. Aufl., II (1962), Anh. vor Art. 13 EGBGB, Anm. A 2b, A 2 i ; Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 319; Mezger, Les Conventions de la Haye sur la loi applicable et sur la reconnaissance et l'exécution des décisions en matière d'obligations alimentaires envers les enfants: Travaux 8

22

Mat.: 11, Gutaditen 1965/66

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Familienrecht

Aber nicht nur der Wortlaut des Übereinkommens gebietet eine solche Auslegung, nach der im Rahmen von Art. 1 des Ubereinkommens die allgemeinen Kollisionsnormen des EGBGB ausgeschaltet werden. Sie ergibt sich ebenso aus dem Gedanken der Entscheidungsharmonie mit den anderen Vertragspartnern - die ja ebenfalls auf den Unterhaltsanspruch eines jugoslawischen Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland deutsches Recht anwenden würden - wie aus den mit der Anknüpfung des Ubereinkommens an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes verfolgten Zielen. Die Regelung der Haager Konvention beruht nämlich auf der Erwägung, daß die am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes geltende Rechtsordnung unter Berücksichtigung der dort bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse den Unterhaltsanspruch des Kindes sowie dessen gerichtliche Geltendmachung in der seinen Interessen dienlichsten Weise zu regeln vermag. Die Regelung soll außerdem sicherstellen, daß die Unterhaltsansprüche der in demselben Lande lebenden Kinder nach dem gleichen Recht beurteilt werden 1 1 . Aus den dargelegten Zwecken des Übereinkommens ergibt sich, daß mit dem Recht des Aufenthaltsstaates des Kindes nur die Sachnormen dieses Rechts, nicht auch die auf andere Rechtsordnungen verweisenden Kollisionsnormen gemeint sind, die das Übereinkommen ja gerade ausschalten will 12 . Wie sich aus Art. 1 III ergibt, ist das Unterhaltsstatut des Art. 1 I des Übereinkommens auch für die Frage maßgebend, welche Person oder Behörde befugt ist, die Unterhaltsklage zu erheben 1 3 . Damit ist jedoch nicht gesagt, daß die gesetzliche Vertretung im Unterhaltsprozeß des außerehelichen Kindes, das sich in Deutschland aufhält, allein nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn des Übereinkommens folgt, daß „außer dem nach dem Recht des Aufenthaltsstaates Vertretungsberechtigten auch derjenige das Kind im du Comité Français de d. i. p. 19/20 (1958-59) 123 ff. (131): de Winter, Développements récents dans le droit international en matière d'obligations alimentaires: Nederlands Tijdsdirift voor Internationaal Recht 4 (1957) 133 ff. (152). Ebenso neuestens von Schack zur gleichen Frage beim Haager Ubereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Redit: DNotZ 1966, 131 ff. (137). Irrig offenbar Deutsches Institut für Vormundschaftswesen, DAVorm. XXXV (1962) 137; östOGH 12. 6. 1963, Z. f. Rvgl. 4 (1963) 106 (111) = Jur. Bl. 1964, 465 (467). 11 Denkschrift der Bundesregierung zu Art. 1, abgedruckt bei Maßieller 109. 12 Vgl. Conférence de la Haye de d. i. p., Actes de la Huitième Session (1957) 310; Denkschrift der Bundesregierung, zu Art. 1, abgedruckt bei Maßteller 110; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 372; Erman(-Marquordt), Anh. vor Art. 13 EGBGB Anm. A 2c; Palandt(-Lauterbach), Anh. zu Art. 21 EGBGB Bern. 3 a.E. 13 Siehe hierzu auch: Denkschrift... bei Maßteller 110; Petersen, RabelsZ 24 (1959) 31 ff. (33); Erman(-Marquordt), Anhang vor Art. 13 EGBGB Anm. 2 e ; Scheucher, Z. f. Rvgl. 4 (1963) 89.

Uneheliche Kindschaft / Griechenland, Südafrikanische

Union

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Unterhaltsprozeß vertreten kann, dem nach dem Personalstatut die gesetzliche Vertretung zusteht" l 4 . Somit ist im vorliegenden Falle alternativ nach deutschem oder nach jugoslawischem Recht zu beurteilen, wer zur gerichtlichen Geltendmachung der Unterhaltsansprüche des außerehelichen Kindes befugt ist. Zur 2. Frage: W i e sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, richten sich der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes und dessen Voraussetzungen nach deutschem Recht. Das gilt auch für die Frage, ob zur Durchsetzung des Unterhaltsbegehrens ein Vaterschaftsanerkenntnis und die Abgabe einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich sind und welcher Form sie bedürfen. Dabei ist das Vaterschaftsanerkenntnis des § 1718 BGB von dem des jugoslawischen Rechts (Art. 24 „Grundgesetz") zu unterscheiden. Durch das letztere wird ein über die Unterhaltspflicht hinausgehendes familienrechtliches Verhältnis zwischen dem Vater und seinem außerehelichen Kind begründet; ob dies beabsichtigt ist, wird vor Entgegennahme eines etwaigen Anerkenntnisses zu prüfen und die Erklärung entsprechend zu formulieren sein.

Nr. 33 Griechenland, Südafrikanische Union Kollision von Mutter-Kinder-Verhältnis und Vater-Kind-Verhältnis bei unehelichem Kind einer verheirateten Frau, die die griediische und die südafrikanische Staatsangehörigkeit besitzt, und eines Griechen. München G 1090 - 60 vom 5. 7.1965 Herr Rechtsanwalt Horst K. in München hat dem Institut folgenden SACHVERHALT unterbreitet: Frau Li., gesch. Z., geb. Lü., hat am 7. 2.1961 in München ein Mädchen geboren, das als eheliches Kind der Eheleute Li. in das Personenstandsbuch des Standesamtes München III eingetragen wurde. Frau Li. war in 1. Ehe mit dem Kaufmann Z., der die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, verheiratet. 14 Vgl. von Schack, Unterhaltsstatut und gesetzliche Vertretung: ZBIJugR 1966, 245 ff. (246 f.). - Die dort entwickelten Argumente werden von Scheucher (aaO) übersehen.

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Familienrecht

Frau Li. besitzt die griechische und die südafrikanische Staatsangehörigkeit. Die Ehe mit Z. wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg am 23. November 1955 geschieden. Rechtskräftig wurde das Urteil am 22. März 1956. Beide Parteien tragen die Schuld an der Scheidung. Durch den Ehemann, in 2. Ehe Li., wurde die Ehelichkeit des am 7.2.1961 geborenen Kindes angefochten. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts München I wurde festgestellt, daß das beklagte Kind ein eheliches Kind des Klägers nicht ist. Die Mutter des Kindes hat bei ihrer Vernehmung als Zeugin vor Gericht angegeben, daß der Vater des Kindes ihr geschiedener Mann Z. ist. Beim Amtsgericht München wurde das Kind aufgrund des Urteils des Landgerichts München I als unehelich mit dem Namen Lü., geb. 7. 2. 1961, geführt. Nach einem Besuch des in Griechenland lebenden Z. in München erhielt die Mutter des Kindes von dem Amt für öffentliche Ordnung, Einwohnermeldeamt der Landeshauptstadt München am 10. September 1963 eine Fotokopie einer Aufenthaltsbescheinigung, die zur Vorlage beim Amtsgericht München bestimmt war, mit der bescheinigt wird, daß das Kind Z., geb. 7.2.1961 in München, infolge der Unehelichkeitserklärung den Familiennamen Z. führt. Die Mutter des Kindes hat eine Einwilligung zur Namensänderung nicht erteilt. Ebensowenig hat die Mutter etwa zugestimmt, daß das Sorgerecht für das Kind auf den geschiedenen Mann Z. übergeht. Z. maßt sich dieses Recht aber an. Einer Aufforderung zur Erklärung, daß das Sorgerecht ausschließlich der Mutter zusteht, hat der uneheliche Vater abgelehnt. Herr Rechtsanwalt Horst K. bittet um Klärung folgender Fragen: 1 .'Ist das Kind, das nach deutschem Recht als unehelich geboren gilt, nach griechischem Recht ebenfalls „unehelich", besitzt es etwa die Staatsangehörigkeit des Vaters (griechisch) oder der Mutter (südafrikanisch) oder besitzt es sowohl die griechische und die südafrikanische Staatsangehörigkeit? 2. Stehen dem Kindsvater nach griechischem Recht irgendwelche Sorgeund Erziehungsrechte zu? 3. In welchem Umfang ist der Vater des Kindes unterhaltspflichtig? 4. Hat der Vater das Recht, ohne Einwilligung der Mutter, dem Kinde den Namen Z. zu geben? 5. Steht nach südafrikanischem Recht der Mutter das alleinige Sorge- und Erziehungsrecht zu? Die Mutter ist von ihrem Vater als ausschließliche Vertreterin des Kindes des an eine Gesellschaft gebundenen Vermögens des Kindes, das es von seinem Großvater mütterlicherseits geerbt hat, bestellt worden. 6. Ist die Zuständigkeit des Amtsgerichts München, Vormundschaftsgericht, gegeben?

Uneheliche Kindschait / Griechenland,

Südafrikanische

Union

341

A) DAS ANZUWENDENDE RECHT

Kollisionsrechtlich ist nicht nur zu unterscheiden zwischen den Rechtsbeziehungen eines unehelichen Kindes zu seiner unehelichen Mutter einerseits und jenen zu seinem außerehelichen Erzeuger andrerseits, sondern es muß auch bei Untersuchung der Rechtsbeziehungen des unehelichen Kindes zu dem außerehelichen Erzeuger unterschieden werden zwischen unterhaltsrechtlichen und sonstigen Beziehungen. Ergibt sich, daß verschiedene Rechtsordnungen maßgebend sind und treten Widersprüche auf, so zeigen sich noch besondere Probleme. Die nachfolgende Darstellung geht bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung vom Standpunkt des deutschen internationalen Privatrechts aus und erörtert die kollisionsrechtliche Lösung der an diesem Fall beteiligten anderen Rechtssysteme nur insoweit, als sie für die Erledigung der in Deutschland anhängig zu machenden Verfahren von Bedeutung sind. I. Das iüi das Rechtsverhältnis zwischen dem unehelichen und seiner Mutter maßgebende Recht 1. Die kollisionsrechtliche

Kinde

Grundnorm

Das Rechtsverhältnis zwischen einem unehelichen Kind und dessen Mutter ist Gegenstand der kollisionsrechtlichen Regelung in Art. 20 EGBGB. Diese Vorschrift ist nach einhelliger Auffassung zu einer allgemeinen Kollisionsnorm auszudehnen. Dies bedeutet, daß Art. 20 nicht nur die Anwendbarkeit deutschen Unehelichenrechtes abgrenzt, sondern daß diese Bestimmung in dem Sinne zu verstehen ist, daß das Rechtsverhältnis zwischen dem unehelichen Kind und seiner Mutter nach dem Heimatrecht der Mutter zu beurteilen ist. 2. Die Bestimmung des Personalstatuts

der Mutter

a) Nach der Anfrage ist die uneheliche Mutter Doppelstaaterin und besitz sowohl die griechische wie auch die südafrikanische Staatsangehörigkeit. Es muß nach Sachlage angenommen werden, daß sie die südafrikanische Staatsangehörigkeit entweder durch Abstammung erworben hat oder aber auch durch Einbürgerung. Nach dem südafrikanischen Staatsangehörigkeitsgesetz von 1949 ist die Eheschließung mit dem NichtSüdafrikaner kein Verlustgrund der südafrikanischen Staatsangehörigkeit. Dies ergibt sich aus See. 12 des genannten Gesetzes. Dort heißt es wörtlich: See. 12 A married woman shall, subject to provisions of this Act, be capable of ac-

Eine verheiratete Frau ist nach Maßgäbe dieses Gesetzes imstande, die

342

Familienrecht

quiring and losing South African citizenship in all respects as if she were an unmarried person, and no woman shall acquire or lose South African citizenship by reason merely of a marriage contracted by her.

südafrikanische Staatsangehörigkeit ebenso zu erwerben und zu verlieren, als ob sie unverheiratet wäre. Keine Frau soll die südafrikanische Staatsangehörigkeit lediglich auf Grund ihrer Heirat erwerben oder verlieren.

(Vorausgesetzt ist dabei, daß die Ehe nach 1949 geschlossen worden ist. Darauf ist deswegen hinzuweisen, weil aus der Anfrage das Eheschließungsdatum nicht ersichtlich ist. Die Gesetzesbestimmungen Südafrikas sind enthalten in Band 14 der Sammlung geltender Staatsangehörigkeitsgesetze, herausgegeben von der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg, Frankfurt am Main 1955.) Für die Frage, ob die Ehefrau automatisch die griechische Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung mit einem griechischen Staatsangehörigen erworben hat, käme wiederum auf das Datum der Eheschließung an, denn in Griechenland ist am 20. 9.1955 ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen worden. Nach dessen Art. 4 tritt ein automatischer Erwerb der griechischen Staatsangehörigkeit nicht mehr ein, wenn die Ehefrau nach ihrem Heimatrecht ihre bisherige Staatsangehörigkeit trotz der Eheschließung beibehält. Aus der dem Institut vorliegenden Anfrage G 1088 65 ergibt sich aber, daß die Ehe ganz offenbar bereits vor 1955 geschlossen sein muß, denn aus der Ehe ist ein am 25.2.1955 geborener Sohn hervorgegangen. Damit beurteilt sich der automatische Erwerb der griechischen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung noch nach dem alten griechischen Recht. Dieses ist enthalten in Art. 21 des griechischen ZGB von 1856. Dort heißt es wörtlich: Die Ausländerin, die einen Griechen geheiratet hat, wird Griechin.

(Das ZGB von 1856 ist 1946 durch ein neues ZGB von 1940 ersetzt worden, nicht aber hinsichtlich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften, die weiterhin bis 1955 gelten.) Voraussetzung für den Erwerb der griechischen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung ist allerdings, daß die Ehe gemäß Art. 1367 des griechischen ZGB in kirchlicher, insbesondere in orthodoxer Form vor sich gegangen ist. b) Darüber, wie das Personalstatut eines Mehrstaaters zu bestimmen sei, fehlt im deutschen internationalen Privatrecht eine gesetzliche Regelung. Die Ansichten über die Bestimmung des Personalstatuts des Mehrstaaters gehen denkbar weit auseinander: aa) Es ist die Auffassung vertreten worden 1 , daß bei mehrfacher Staats1

Vor allem von Kahn, Iherings Jahrb. 30, 69. Weitere Vertreter dieser Auf-

Uneheliche Kindschait / Griechenland, Südafrikanische Union

343

angehörigkeit diese rechtliche Beziehung als Anknüpfung versage und durch eine andere Anknüpfung, etwa den Wohnsitz, zu ersetzen sei. Gegen diese mit dem Staatsangehörigkeitsprinzip unvereinbare und in ihren Ergebnissen oft unbillige Auffassung hat sich mit Recht die herrschende Meinung gewendet 2 . bb) Die herrschende Meinung beraubt daher nicht die Staatsangehörigkeit ihrer Bedeutung als Anknüpfung, sondern versucht, allerdings auf recht verschiedenen Wegen, unter den mehreren Staatsbürgerschaften die entscheidende zu ermitteln. aaa) Zur Lösung des Problems hat man versucht, möglichst feste, allgemeine Grundsätze zu finden. Sie lassen sich dahin zusammenfassen, daß beim Zusammentreffen einer ausländischen mit der inländischen Staatsbürgerschaft der letzteren der Vorzug gegeben wird 8 , während sich bei Konkurrenz mehrerer ausländischer Staatsangehörigkeiten die Meinungen wiederum spalten 4 : die einen reichen der Staatsbürgerschaft die Palme, die durch den Wohnsitz 5 verstärkt wird, andere dagegen lassen die zuletzt erworbene 6 , dritte aber die ältere Staatsangehörigkeit entscheiden; während nach einer weiteren Auffassung wenigstens subsidiär bei Wohnsitzmangel der durch Abstammung vermittelten Staatsbürgerschaft die Entscheidung zukommt. Die geschilderten starren Grundsätze aber haben alle den Nachteil, daß sie im Einzelfall Härten mit sich bringen. Diese Härten sind für die Beteiligten nicht leichter zu ertragen, wenn man sie auf die Notwendigkeit der Rechtssicherheit verweist und ihnen bedeutet, derartige Härten „gehörten nun einmal zur Tragik des sujet mixte". Eine starre Lösung wurde schon in den Materialien des BGB abgelehnt, da „eine abstrakte Lösung nicht möglich sei und die Entscheidung dem Einzelfall überlassen werden müsse" 7 .

fassung besonders aus der romanischen Rechtslehre und Rechtsübung vgl. bei Staudinger-Raape 785/786, ferner bei Makarov, Staatsangehörigkeit 288. 2 Nachweise bei Makarov u. Staudinger-Raape aaO. 3 Nachweise bei Staudinger-Raape 787; Makarov, Staatsangehörigkeit 290; Frankenstein I 92 Anm. 67; Walker 102 Anm. 50. 4 Umfassendes, auf internationaler und rechtsvergleichender Schau basierendes Material über die einzelnen Vertreter dieser verschiedenen Anschauungen vgl. bei Makarov, Staatsangehörigkeit 290 ff. s Walker 106; Plank, Anm. 2 zu Art. 29 EG; Staudinger-Raape 788, wobei Raape allerdings, wie unten zu zeigen, seinen abstrakten Standpunkt insofern nicht konsequent durchführt, als er (793, 794) bei nachträglicher Aufspaltung des Heimatstaates von Staatenlosen doch einer individuellen Lösung das Wort redet, die darauf abstellt, zu welchem der mehreren Rechtsgebiete die engeren Beziehungen bestanden. • v. Bar I 261; Niemeyer 64; Barazetti 22 - der letztgenannte Autor wird bei Staudinger-Raape für die Theorie des Wohnsitzstaates angeführt. 7 Nachweise bei Graf Luxburg in Böhms Zeitschrift Bd. 23, 93.

344

FamUienrecht

bbb) Mit Rücksicht hierauf hat sich eine Reihe von A u t o r e n 8 um eine subjektiv-individuelle Lösung bemüht. Unter ihnen ist besonders Frankenstein (I 89 ff.) bemerkenswert, nach dem es stets auf den psychologischen Zusammenhang zwischen dem Doppelstaater und einer der Rechtsordnungen der beteiligten Staaten ankommt (ähnlidi Isay, Die mehrfache Staatsangehörigkeit, J W 24, 1481, der den Gedanken einer „stillschweigenden Option" entwickelt). Die gegen Frankensteins Lösung vorgetragenen Bedenken der Unklarheit und der Unsicherheit dieses Kriteriums* schlagen jedoch durch. ccc) Geboten erscheint eine vermittelnde Auffassung, welche die Nachteile sowohl der individuellen als auch jene der abstrakten Methode vermeidet. Die Bedenken der Unsicherheit und Unbestimmtheit, die zu Recht gegen die erstere erhoben wurden, sind dadurch zu vermeiden, daß man nicht, wie Frankenstein, auf einen psychologischen Zusammenhang, auf eine im Einzelfalle zu konstruierende - oft aber nur zu fingierende-Option zugunsten einer Rechtsordnung abstellt, und auch nicht die Entscheidung der Rechtsordnung zukommen läßt, die einem Staate angehört, dessen Nationalität geeignet ist, den Parteien bestimmte Rechtsanschauungen zu vermitteln 1 0 , sondern indem man unter den mehreren Rechtsordnungen der den Vorzug gibt, mit welcher der Doppelstaater durch einen, wie er genannt sein möge, „organischen" Zusammenhang verbunden ist. Solche „organische" Verbindung ist im Gegensatz zu dem - oft schwer nachweisbaren und einem willkürlichen Wedisel unterworfenen - psychologischen Zusammenhang nicht in der Hauptsache durch subjektive Merkmale gekennzeichnet. Als objektive Merkmale für das Vorliegen eines organischen Zusammenhanges mit einer Rechtsordnung kommen in Betracht insbesondere der Wohnsitz oder Aufenthalt in dem betreffenden Lande, evtl. Ausübung öffentlich-rechtlicher Funktionen, politische Tätigkeit gleich einem Inländer, besonders Teilnahme an Volksabstimmungen oder W a h l e n (dies fiel in dem bekannten Streitfall Canevaro zwischen Italien und Peru besonders ins Gewicht) u , oder - bei Fehlen eines Wohnsitzes in einem der in Betracht kommenden Staaten - Eintragung in die Konsulatsmatrikel, Inanspruchnahme konsularischen oder diplomatischen Schutzes; insbesondere aber ist auch ein eventuell klar negatives Verhalten gegen einen der mehreren beteiligten Staaten oft als Indiz für eine Lösung der Verbindung zu dem einen und damit für ein Akzentuieren derjenigen zu dem anderen Staat aufschlußreich, etwa Ablehnung der Entrichtung von Abgaben oder Steuern. Die Leistung von Militärdienst hat im vorliegenden Fall keine Bedeutung als Kriterium. Unter Umständen wird auch die Vermögensdis8 Vgl. die Nachweise bei Makarov, Staatsangehörigkeit 295 und bei StaudingerRaape aaO. 8 10 Staudinger-Raape aaO. So Grai Luxburg, NiemZ 23, 94. 11

Vgl. dazu Makarov, Staatsangehörigkeit 296 und die dort angeführte Literatur

Uneheliche

Kindschaít

/ Griechenland,

Südafrikanische

Union

345

Position des sujet mixte einen (für sich allein wohl aber nur ausnahmsweise ausschlaggebenden) Anhaltspunkt dafür abgeben können, welchem der mehreren Staaten er tatsächlich nähersteht, so etwa wenn er sein Kapital ganz oder doch überwiegend in einem der mehreren Staaten festgelegt, besonders durch Erwerb v o n Grundbesitz, und sich von j e d e m finanziellen Zusammenhang mit anderen Staaten, deren Angehörigkeit er auch besitzt, gelöst hat (es werden sich hier, mehr oder weniger abgewandelt, manche der Rechtsgedanken v e r w e r t e n lassen, die seinerzeit zu der Frage „Gebietsangehörigkeit durch Grundbesitz" entwickelt worden w a r e n 1 2 . F e r n e r werden ins Gewicht fallen die von Raape, der an sich der abstrakten Lösung anhängt, für die Bestimmung des Heimatstatuts von Personen aus nachträglich geteilten Rechtsgebieten herangezogenen M e r k male, wie Familiengut, Erziehung, Sprache, Verwandtschaft oder Geburtsort. Erst in j e n e n , wohl nicht allzu zahlreichen, Fällen, in denen dieser organische Zusammenhang versagt, indem er entweder zu k e i n e m der in Betracht kommenden Staaten eine Brücke schlägt oder umgekehrt den Doppelstaater mit beiden gleich intensiv verbindet, ist es gerechtfertigt, zu allgemeinen, starren Grundsätzen seine Zuflucht zu nehmen, denn erst in diesen Fällen sind eventuelle Härten wirklich unvermeidbar und erg e b e n sich wohl meist aus dem eigenen V e r h a l t e n des Doppelstaaters: in ihnen hat es auf die letzterworbene, weil intensivst wirksame Staatsangehörigkeit anzukommen. In der internationalen Lehre hat denn auch eine ähnliche Auffassung weitgehend sich durchgesetzt, die v o n der „effektiven" oder der „stärksten" Staatsangehörigkeit spricht (nationalité a c t i v e ) 1 3 . Diese auf o b j e k tiven M e r k m a l e n aufgebaute Auffassung wird allein der Sachlage gerecht. Eine derartige, auf den Einzelfall abstellende Regelung findet sich im übrigen auch mehrfach in ausländischen Gesetzgebungen des internationalen Privatrechts, so gerade etwa in Art. 31 Abs. 2 des jetzt geltenden griechischen Zivilgesetzbuches. Dort heißt es wörtlich: Hat eine Person mehrfache ausländische Staatsangehörigkeit, so findet das Recht des Staates Anwendung, mit dem sie enger verbunden ist. c) Aus der Anfrage lassen sich k e i n e Gesichtspunkte entnehmen, die eine Entscheidung ermöglichen, welche der beiden Staatsangehörigkeiten der Kindsmutter ihre effektive ist, zu welchem ihrer beiden Heimatstaaten sie einen engeren organischen Zusammenhang hat. V e r b i n d e t sie mit Griechenland nichts anderes als die inzwischen aufgelöste Ehe mit ihrem geschiedenen Ehemann, hat sie dort nicht gelebt 12 Vgl. dazu die bei Gieike, Deutsches Privatrecht I 452 Anm. 2 angeführte Literatur. 13 Vgl. die Nachweise bei Makarov, Staatsangehörigkeit 295 f., ebenso Grai Luxbuig in Böhms Z. Bd. 23, 94 unter Hinweis auf Gebhard und Kahn.

346

Familienrecht

und beherrscht sie die Sprache nicht, ist sie familienmäßig und sprachmäßig dagegen noch stark mit Südafrika verbunden, ist sie dort geboren und aufgewachsen, dann spricht sehr viel dafür, daß das südafrikanische Recht als Heimatstaat anzusehen ist. Da die Anfrage dies im einzelnen aber nicht erkennen läßt, muß im vorliegenden Fall einstweilen die kollisionsrechtliche Beurteilung alternativ gegeben werden. 3. Kollisionsrechtliche Lösung, wenn die griechische der Kindsmutter ihre effektive Staatsangehörigkeit

ist

Staatsangehörigkeit

Ergeben die noch erforderlich werdenden tatsächlichen Feststellungen, daß man die griechische Staatsangehörigkeit als die effektive Staatsangehörigkeit der Kindsmutter anzusehen hat, so führt Art. 20 EGBGB zur Maßgeblichkeit griechischen Rechtes. Vor Anwendung des gemäß Art. 20 EGBGB für das Verhältnis zwischen unehelicher Mutter und ihrem Kind maßgeblichen griechischen Rechts ist noch die Frage der Rückverweisung (Art. 27 EGBGB) zu prüfen. Eine Rückverweisung auf deutsches Recht kommt dann zustande, wenn das von den deutschen Kollisionsnormen als maßgeblich erklärte Recht seinerseits den Fall nicht selbst entscheiden, sondern diese Entscheidung dem deutschen Recht zurückgeben will. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine solche Rückverweisung durch das ausländische Kollisionsredit für den deutschen Richter zu beachten. Es kommt im vorliegenden Falle zu einer Rückverweisung durch das griechische internationale Privatrecht dann, wenn dieses etwa auf dem Wohnsitzprinzip beruht und den Wohnsitz der unehelichen Mutter für die hier in Frage stehenden Rechtsverhältnisse für maßgeblich erklärt. Die einschlägige Vorschrift ist Art. 19 des griechischen Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese Bestimmung lautet: Die Rechtsverhältnisse zwischen einem unehelichen Kinde und seiner Mutter richten sich nach ihrem letzten gemeinsamen Heimatrecht und in Ermangelung eines solchen nach dem Heimatrecht der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes.

Damit kommt es im vorliegenden Falle nicht zu einer Rückverweisung. Es hat vielmehr bei der sich aus Art. 20 EGBGB ergebenden Anwendbarkeit griechischen Rechtes sein Bewenden, soweit es sich um das Verhältnis zwischen unehelicher Mutter und Kind handelt. Dagegen könnte aus einer etwaigen griechischen Staatsangehörigkeit des Kindes (dessen Staatsangehörigkeitsverhältnisse unten noch näher zu prüfen sein werden) nichts für die Maßgeblichkeit griechischen Rechtes abgeleitet werden, da ja Art. 20 EGBGB nicht auf das Statut des Kindes, sondern auf dasjenige der Mutter abstellt (hingegen mehrfach in der Lehre erhobene Bedenken mögen rechtspolitisch erwägenswert sein, müssen aber bei der klaren, positivrechtlichen Formulierung des Art. 20 EGBGB zurücktreten) .

Uneheliche Kindschalt / Griechenland, Südafrikanische

Union

347

4. Kollisionsrechtliche Lage, wenn die südafrikanische Staatsangehörigkeit der Kindsmutter als effektive Staatsangehörigkeit anzusehen ist a) Ergibt sich aus den oben als notwendig bezeichneten weiteren tatsächlichen Feststellungen ein Übergewicht der südafrikanischen Staatsangehörigkeit, eine engere Verbindung zu Südafrika als zu Griechenland, dann führt Art. 20 EGBGB hier zum südafrikanischen Recht. Vor dessen Anwendung ist aber, wie stets, wenn die deutschen Kollisionsnormen auf ein ausländisches Recht verweisen, gemäß Art. 27 EGBGB zunächst noch die Frage der Rüdeverweisung zu prüfen. Ob es zu einer Rüdeverweisung kommt, muß sich aus dem internationalen Privatrecht Südafrikas ergeben. Dabei ist gleich auf folgendes hinzuweisen: Das südafrikanische Recht beruht materiell auf einer Mischung zwischen alt-holländischem und englischem Recht, wobei das altholländische Recht stark römisch-rechtlich geprägt ist. Man spricht daher von einem sog. RomanDutch-Law. Rein formell ist die Privatrechtsgesetzgebung in Südafrika heute noch Sache der einzelnen Provinzen, nicht der Union. Es wäre daher unter Umständen noch erforderlich, die Ursprungsprovinz der Kindsmutter festzustellen, wenn auch faktisch der Rechtszustand in den verschiedenen Provinzen weitaus überwiegend materiell gleichen Inhalt hat. Für die kollisionsrechtliche Beurteilung kann von folgendem ausgegangen werden: Grundsätzlich gelten die Grundsätze des englischen internationalen Privatrechts auch für die Südafrikanische Union. Dies trifft zu auch für das Eherecht, zumal beide Rechtssysteme dem Domizilprinzip folgen 14 . Danach gilt: Hat die Kindsmutter in Deutschland ein „domicil", so ist vom südafrikanischen Standpunkt aus das deutsche Recht ihr Personalstatut. Es kommt, wenn das domicil in Deutschland gelegen ist, daher deutsches Recht auch für die Rechtsverhältnisse zwischen der Kindsmutter und ihrem unehelichen Kind zur Anwendung, weil das südafrikanische Recht auf das deutsche eine Rückverweisung (Art. 27 EGBGB) aus dem Gesichtspunkt des domicil enthält. b) Wesentlich ist, daß die Kindsmutter in Deutschland verheiratet ist. Es muß angenommen werden, daß der jetzige Ehemann, dessen Staatsangehörigkeit sich aus der Anfrage nicht ergibt, weil es nach deutschem Recht darauf auch nicht ankommt, in Deutschland dauernd lebt und dort ein „domicil" im anglo-amerikanischen und südafrikanischen Sinne hat. Immerhin muß zur Verdeutlichung der Frage folgendes ausgeführt werden: aa) Entscheidend ist, daß der südafrikanische Begriff des domicil sich an den englischen gleichlautenden Begriff anlehnt. Der englische Begriff des domicil wiederum ist dadurch gekennzeichnet, daß er nicht mit dem deutschen Wohnsitzbegriff vergleichbar ist, sondern vielmehr die Zuge14

R. W. Lee, Introduction to Roman-Dutdi-Law (1956 4th Edition) 455.

348

Familienrecht

hörigkeit zu einem Rechtsgebiet bedeutet 1 5 . Es gibt darum kein „domicil" in einer bestimmten Stadt, sondern nur ein „domicil" in einem territorialen Rechtsgebiet, so etwa in England oder in Schottland, nicht aber in Großbritannien, da dieses verschiedene Rechtsgebiete vereinigt 1 6 . bb) Aus dieser grundsätzlichen Verschiedenheit des englischen und des ihm nachgebildeten südafrikanischen domicil-Begriffes ergeben sich im einzelnen die nachstehenden Folgerungen: Jedermann muß ein „domicil" und kann nur ein „domicil" haben 1 7 . Nach englischer Auffassung erhält jede Person mit der Geburt ein „domicil", das sog. „domicil of origin" 1 8 . Dieses ist in der Regel das „domicil" des Vaters 1 9 . Dieses „domicil of origin" geht nur verloren bei Begründung eines neuen, selbst gewählten Domizils, eines sog. „domicil of choice". An den Nachweis der Aufgabe des „domicil of origin" werden strengste Anforderungen gestellt. Die Grundregel für den Erwerb eines „domicil of choice" gibt Dicey (89): „Every independent person can acquire a domicil of choice, b y the combination of residence (factum), and intention of permanent or indefinite residence (animus manendi), but not otherwise". Erforderlich sind also die Aufenthaltsbegründung und die Absicht, ständig an dem neu gewählten Aufenthaltsort zu bleiben. cc) Diese Absicht, der animus manendi, ist schwer definierbar. Eine Abgrenzung läßt sich am besten an Hand von Beispielen gewinnen. So verneint etwa Cheshire (170) den animus manendi, wenn die Person, die ein neues Aufenthaltsland gewählt hat, sich vorbehält, bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses dieses wieder zu verlassen. Nach Dicey (93) behält ein Engländer, der nach Amerika geht, um dort sein Glück zu versuchen, der aber im Falle, daß er es dort zu einem kleinen Vermögen bringt, wieder nach England zurückzukehren beabsichtigt, sein englisches „domicil". In diesem Falle ist ein noch so langer Aufenthalt in dem fremden Land von keiner Bedeutung 2 0 . Weiter ist erforderlich der Abbruch der Beziehungen zum ursprünglichen Domizil 21 . Hierbei sind auch die kleinsten und unbedeutendsten Umstände zu berücksichtigen (vgl. Cheshire, 171: „There is no act, no circumstance in a man's life, however trivial it may be in itself, which ought to be left out of consideration in trying the question whether there was an intention to change the domicil." Raapedrückt es so aus (70): Ob jemand, der in der Jugend von Glasgow nach London zog und dort sein ganzes Leben verbrachte, ohne jemals Schottland wiedergesehen zu haben, wenigstens eine Glasgower Zeitung 15 Vgl. Graupner, NJW 1954, 827, vgl. auch Raape, Internationales Privatrecht (4. Aufl. 1955) 69. 17 " Vgl. Latey on Divorce (14. Aufl. 1952) 472 f. Vgl. Raape 70. 18 Vgl. Dicey, Conflict of Law (6. Aufl. 1949) 88; Schmitthoff, The English Conflict of Laws (6. Aufl. 1954) 73. 19 Vgl. Cheshire, Private International Law (5. Aufl. 1957) 183. 21 Dicey 93: 25 Jahre! Dicey 94.

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349

gehalten hat oder ob Freunde ihn einmal sagen hörten: „I am a Scotchman", vollends, ob er in seinem Testament als sein „domicil" Schottland angegeben hat - alles das spielt eine Rolle." c) Die Merkmale für das Vorliegen eines „domicil" waren in dieser gutachtlichen Äußerung deswegen eingehend darzulegen, damit bei der weiteren Behandlung des Falles die domicil-Frage ohne erneute Rückfrage beim Institut eigenständig entschieden werden kann. Ergibt diese Entscheidung, daß der Ehemann ein „domicil" in Deutschland hat, so fragt sich weiter, welche Bedeutung dies vom südafrikanischen Standpunkt aus für das domicil der Ehefrau hat. Hier ist hinzuweisen auf das Werk von Maasdorp, The Institutes of South African Law, neu herausgegeben von Bede. Dort ist auf Seite 32 ausdrücklich festgestellt: With respect to the consequences of marriage, the law of the matrimonial domicile, that is, of the domicile of the husband at the time of the marriage, which by the marriage becomes, as will appear later on, the domicile of the wife also, . . . will have to be followed,

W a s die Ehewirkungen anlangt, so muß das Recht des ehelichen domicil befolgt werden, d. h. das domicil des Ehemannes zur Zeit der Eheschließung, welches durch die Eheschließung auch, wie noch zu zeigen sein wird, auch zum domicil der Frau wird.

Hat also der Ehemann ein domicil in Deutschland, so ist damit auch ein domicil der Ehefrau in Deutschland gegeben. Dies hat zur Folge, daß bei Maßgeblichkeit südafrikanischen Rechtes als Personalstatut der Ehefrau auf Grund des deutschen domicil kraft Rückverweisung durch das südafrikanische Recht (aller Provinzen) das deutsche Recht für das Rechtsverhältnis zwischen der Kindsmutter und ihrem außerehelichen Kind maßgebend ist. II. Das für die rechtlichen Beziehungen zwischen dem außerehelichen Kind und seinem griechischen außerehelichen Erzeuger anzuwendende Recht 1. Die

Unterhaltspflicht

Gemäß Art. 21 EGBGB beurteilt sich die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem unehelichen Kind nach den Gesetzen des Staates, dem die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört. Dies würde wiederum zur Maßgeblichkeit des Personalstatuts der Mutter führen. Hier ist aber folgendes zu beachten: Die Bestimmung des Art. 21 EGBGB ist durch das Haager Übereinkommen über das auf die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24. 10. 1956 (BGBl. 1961 II S. 1013 ff.) ersetzt. Dieses Übereinkommen ist am 1. 1. 1962 in Kraft getreten (BGBl. 1962 II S. 16) und damit in der Bundesrepublik als Ratifikationsstaat geltendes Recht.

350

Familienrecht

Nach Art. 1 dieses Abkommens bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ob, in welchem Ausmaß und von wem es Unterhalt verlangen kann. Da das Kind in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, kommen die einschlägigen Bestimmungen des deutschen BGB zur Anwendung. Nach seinem Art. 6 findet das Abkommen auf alle Fälle Anwendung, in welchen das Recht eines Vertragsstaates anzuwenden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Heimatstaat der Mutter oder eines sonstigen Beteiligten dem Abkommen beigetreten ist. Es ist vielmehr schlechthin Art. 21 hinsichtlich des Unterhalts gegenüber dem unehelichen Kind (ebenso Art. 19 hinsichtlich der Unterhaitsverpflichtung gegenüber dem ehelichen Kind) außer Kraft gesetzt 22 . Dies führt dazu, daß hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung deutsches Recht maßgebend ist und bleibt, solange das Kind in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2. Nicht unterhaltsrechtliche lichem Kind

Beziehungen

zwischen Erzeuger und

unehe-

a) Das deutsche Kollisionsrecht enthält in Art. 21 EGBGB eine ausdrückliche Regelung nur hinsichtlich der hier nicht in Rede stehenden unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Vater und seinem unehelichen Kind. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf andere Rechtsbeziehungen scheidet nach ganz allgemeiner Ansicht somit aus (lediglich Neumeyer, Internationales Privatrecht [2. Aufl. 1930] 22, will sämtliche Beziehungen des Erzeugers zu seinem unehelichen Kind dem heimatlichen Recht der Mutter z. Z. der Geburt unterstellt wissen). b) Umstritten ist die Frage einer entsprechenden Anwendung des Art. 21 EGBGB. Diese wird insbes. von Nußbaum23 mit der Begründung bejaht, man könne die zusammenhängenden unterhaltsrechtlichen und persönlichen Folgen der unehelichen Vaterschaft nicht nach verschiedenen Rechtsordnungen beurteilen. Der gleichen Ansicht sind u. a. Ebstein, Zur Anwendung von Art. 21 EGBGB, Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt 20 (1928/29) 18, sowie das Gutachten des Archivs deutscher Berufsvormünder Rdbf. 5 (1929/30) S. 147 ff. Demgegenüber ist jedoch mit Frankenstein2t zu betonen, daß es sich bei den Alimentenansprüchen und den familienrechtlichen Beziehungen um völlig verschiedene Rechtseinrichtungen handelt, die einer Gleichbehandlung keineswegs bedürfen. 22 Die entscheidenden Vorschriften des Haager Abkommens etwa bei Palandt, Anhang zu Art. 21 EGBGB. 23 Deutsches internat. Privatrecht, 1932, 176 Note 4. 24 Internationales Privatrecht, Bd. IV (1935) 108 Note 102.

sind abgedruckt

Uneheliche

Kindschait

/ Griechenland,

Südafrikanische

Union

351

Bei der singulären Ausgestaltung des Art. 21 EGBGB ist daher eine analoge Anwendung nicht gerechtfertigt25. c) Die nicht unterhaltsrechtliche Stellung zum Vater kann sich also nur noch entweder nach dem Heimatrecht des Vaters oder dem des Kindes oder aber nach beiden zusammen richten. aa) Gegen die letzte Möglichkeit spricht bereits die praktische Erwägung, daß der Richter möglichst nicht gehalten sein soll, stets die Erfordernisse zweier verschiedener Rechtsordnungen nachprüfen zu müssen. bb) Für eine Anwendung des Heimatrechts des Kindes sprechen zwar rechtspolitische Erwägungen. Diese Regelung, die sich etwa das finnländische Gesetz über das internationale Privatrecht vom 5. Dezember 1929 zu eigen gemacht hat, bietet den Vorteil, die wünschenswerte Einheit der für das Kind maßgebenden Statuten zu verwirklichen. Sie wird daher auch mit Recht de lege ferenda gefordert. De lege lata besteht aber in Deutschland die Möglichkeit einer Anwendung des Heimatrechts des Kindes noch nicht. cc) Es bleibt vor allen Möglichkeiten daher nur die, auf die Frage der nicht unterhaltsrechtlichen Beziehungen zum Vater das Heimatrecht des Vaters anzuwenden. Diese Ansicht kann auch als die durchaus herrschende bezeichnet werden26. Für sie spricht insbesondere die Analogie zu Art. 20 EGBGB. Richtet sich das Rechtsverhältnis zwischen Mutter und Kind nach dem Heimatrecht der Mutter, so liegt es nahe, das Rechtsverhältnis zwischen Vater und Kind nach dem Heimatrecht des Vaters zu bestimmen. Ferner kann in jenen Fällen, in denen der Erzeuger die Vaterschaft anerkannt hat (was sich hier bisher nicht aus der Anfrage ergibt) zu ihrer Stützung auch Art. 18 EGBGB herangezogen werden; denn durch die Anerkennung wird insbesondere in den romanischen Rechten die Stellung des unehelichen Kindes sehr stark der eines ehelichen Kindes angenähert, und die eheliche Abstammung eines Kindes beurteilt sich bekanntlich nach dem Recht des „Hauptes"27, d. h. des Vaters. d) Vor der Anwendung des griechischen Rechtes ist wiederum die Frage der Rüdeverweisung gem. Art. 27 EGBGB zu prüfen. Eine Rückverweisung ist aber hier zu verneinen, denn nach Art. 20 des griechischen BGB vom Vgl. auch Staudinger-Raape (9. Aufl. 1931) 530. Vgl. Staudinger-Raape, aaO; Soergel-Kegel, Art. 21 EGBGB Anm. 4; AchillesGreitf, Art. 21 EGBGB Anm. 1; RGR-Komm.-Hallanik, Bd. IV, Vorbem. 5 vor § 1705; Palandt-Lauterbach (19. Aufl. 1960) Art. 21 EGBGB, Anm. 3 a ; Erman-Marquordt, Handkommentar, Art. 21 EGBGB, Bern. 5; Lewald, Das deutsche internat. Privatrecht auf Grundlage der Rechtsprechung (1931) 145f.; Veith (vgl. Hdwb. Bd. IV (1933) 429; Martin Wolti 187; Raape, Internat. Privatrecht (Lehrbuch) (4. Aufl. 1955) 246; Schwoerer, RabelsZ 16 (1951) 49 f.; von der Rspr. vor allen Dingen LG Berlin II, StAZ 1924, 248; LG Frankfurt, IPRspr. 1928 Nr. 51; AG Marburg/Lahn, StAZ 1953, 177; OLG Frankfurt, StAZ 1953, 253 f. 27 Raape, 236. 25 26

352

Familienrecht

15. 3. 1940 werden die Rechtsbeziehungen zwischen einem unehelichen Kind und seinem Erzeuger gleichfalls nach dem Heimatrecht des Erzeugers zur Zeit der Geburt des Kindes beurteilt. Damit hat es insoweit bei der Maßgeblichkeit griechischen Rechtes sein Bewenden, als es sich um die nichtunterhaltsmäßigen Beziehungen zwischen Erzeuger und Kind handelt. 3. Die praktischen Auswirkungen

der kollisionsrechtlichen

Regelung

Nach der deutschen materiellrechtlichen Regelung, wie sie im BGB enthalten ist, erschöpft sich die Rechtsstellung des unehelichen Vaters in seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind und seiner Ersatzpflidit gegenüber der Mutter. Im Gegensatz zu diesen auf dem Abstimmungsprinzip beruhenden schwachen Folgen der unehelichen Vaterschaft lassen viele ausländische, namentlich die romanischen Rechtsordnungen, starke, fast der ehelichen Kindschaft gleiche Folgen sowohl für den Vater wie für die Mutter eintreten, wenn sie das Kind anerkennen. Für alle über die bloße Unterhaltspflicht hinausgehenden Folgen der Anerkennung ist demnach hier das griechische Recht anzuwenden. B) INHALT DER ANZUWENDENDEN NICHTDEUTSCHEN SACHNORMEN FÜR DIE RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN KINDESMUTTER UND KIND

I. Sollte sich ergeben, daß die effektive Staatsangehörigkeit der Kindsmutter die griechische ist und daß daher griechisches Recht das im Sinne von Art. 20 EGBGB maßgebende Personalstatut der Kindsmutter ist, so gilt: 1. Einschlägig sind folgende Bestimmungen des griechischen ZGB: Art. 1530 Das nichteheliche Kind hat im Verhältnis zur Mutter und den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Art. 1662 Das minderjährige uneheliche Kind steht unter Vormundschaft; dabei handelt es sich immer um eine übertragene Vormundschaft. Als Vormund kann auch die Mutter bestellt werden. Bei freiwilliger oder gerichtlicher Anerkennung der Vaterschaft kann auch der Vater als Vormund bestellt werden. Art. 1663 Die Sorge für die Person des unehelichen Kindes steht der Mutter zu. Das Gericht kann etwas anderes anordnen. Art. 1664 Der Elternteil, welchem die Sorge für das uneheliche Kind nicht zusteht, behält das Recht, mit dem Kinde zu verkehren. Das Nähere darüber regelt das Gericht.

Uneheliche Kindschaft / Griechenland,

Südafrikanische

Union

353

Art. 1665 Die Vorschriften betr. die Vormundschaft über Minderjährige finden in den Fällen, in denen das Gesetz nichts anderes bestimmt, auch auf die Vormundschaft über uneheliche Kinder Anwendung, gleichgültig, ob diese anerkannt sind oder nicht. Die Pflichten des Familienrates nimmt der Richter wahr.

2. Es ergibt sich also: a) Nach griechischem Recht hat die uneheliche Mutter nicht die elterliche Gewalt. b) Das Kind bedarf daher zu seiner gesetzlichen Vertretung eines Vormundes. Damit greift mit Rücksicht auf die ausländische Staatsangehörigkeit des Kindes Art. 23 EGBGB ein. Die „Fürsorgebedürftigkeit" im Sinne dieser Bestimmung ist damit gegeben, daß das Kind nach seinem Heimatrecht ohne gesetzliche Vertretung ist. c) Da nach griechischem Recht im Verhältnis zur Mutter die rechtlichen Beziehungen unabhängig von einer Anerkennung der Mutterschaft bestehen, war die Vornahme einer Anerkennungserklärung gemäß § 29 a PStG nicht erforderlich. II. Sollte sich dagegen die südafrikanische Staatsangehörigkeit der Kindsmutter als ihre effektive erweisen und damit als Personalstatut das südafrikanische Recht anzusehen sein, so kommt es nach den obigen Ausführungen zu einer Rückverweisung auf deutsches Recht. Es bedarf daher insoweit keiner weiteren Darstellung. Es ist auch in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, daß es sehr problematisch ist, wenn von einer Bestellung der Kindsmutter als Vertreterin für ein bestimmtes Vermögen die Rede ist. Gesetzliche Vertretungen ergeben sich nicht aus der Parteiwillkür, sondern ausschließlich aus dem Gesetz. Im deutschen Rechtsbereich bleibt eine derartige gewillkürte Vertretungsbefugnis schon deswegen außer Betracht, weil nach deutschem Recht die uneheliche Kindsmutter auch heute noch nicht die gesetzliche Vertretung des Kindes innehat (vgl. § 1707 BGB). Die in der Frage 5 aufgeworfene Problematik, ob der unehelichen Mutter nach südafrikanischem Recht das alleinige Sorge- und Erziehungsrecht zusteht, kann unbeantwortet bleiben, da es auf das südafrikanische Recht wegen der Rückverweisung nicht anzukommen hat.

23

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

354

Familienrecht

C) DIE GRIECHISCHEN SACHNORMEN FÜR DIE NICHTUNTERHALTSRECHTLICHEN BEZIEHUNGEN ZWISCHEN AUSSEREHELICHEM ERZEUGER UND UNEHELICHEM KIND

I. Der

Ausgangspunkt

Zum Verständnis der Problematik ist nochmals daran zu erinnern (vgl. oben die Bemerkungen im kollisionsrechtlichen Teil), daß sich nach deutschem Recht die Rechtsstellung des unehelichen Vaters erschöpft in seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind und in seiner besonderen Ersatzpflicht gegenüber der Mutter. Die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind hat ihre Rechtsgrundlage in der Abstammung (Abstammungsprinzip). Die romanischen Rechte dagegen befolgen bei der unehelichen Kindschaft das sog. Anerkennungsprinzip, d. h. es kommt grundsätzlich nicht auf die Abstammung an, sondern auf die Anerkennung der Elternschaft (in den meisten romanischen Ländern auch auf die Anerkennung der MutterschaftI). Ist das Kind aber anerkannt, so erschöpfen sich die Folgen der Anerkennung nicht in der Entstehung einer Unterhaltsverpflichtung, sondern es entsteht zwischen dem Anerkennenden und dem Kind ein Verwandtschaftsverhältnis, das teilweise geringere Wirkungen hat, als die eheliche Kindschaft. II. Der griechische

Standpunkt hinsichtlich der unehelichen ist wie folgt einzuordnen:

Kindschaft

Griechenland steht hinsichtlich der unehelichen Kindschaft in der Mitte zwischen dem Abstammungssystem des deutschen Rechtes und dem Anerkennungssystem der romanischen Rechte. Der Mutter gegenüber gilt das Abstammungssystem, dem Vater gegenüber dagegen ist auf die Anerkennung abgestellt. Dies ergibt sich aus Art. 1532 des griechischen BGB. Diese Bestimmung lautet in ihrem hier allein wesentlichen Satz 1: Art. 1532 Der Vater kann das uneheliche Kind als eigenes anerkennen.

Ein Widerruf der freiwilligen Anerkennung ist nach Art. 1534 Satz 2 des griechischen BGB unwirksam. Von besonderer Bedeutung ist noch in allen romanischen Rechten, ob ein Kind ehewidrig ist, insbesondere ob es, wie hier, im Ehebruch erzeugt wurde. Während die Rechte, die das Anerkennungssystem befolgen, sonst die Anerkennung von ehewidrigen Kindern ausschließen, ist derartige Ausschließung nach griechischem Recht nur dann gegeben, wenn der Kinds-

Uneheliche Kindschaft / Griechenland, Südafrikanische

Union

355

vater anderweitig verheiratet ist. Für diesen Fall bestimmt Art. 1538 lediglich: Art. 1538 Ist der Vater zur Zeit der Anerkennung verheiratet, so kann das anerkannte Kind im ehelichen Haushalt nur mitwohnen, wenn die Ehefrau des Vaters zustimmt.

Entscheidend ist daher, ob der Kindsvater das Kind anerkannt hat. Solange keine formgerechte Anerkennung vorliegt, bestehen zwischen dem Kind und dem Erzeuger überhaupt keine Rechtsbeziehungen.

III. Die verschiedenen

Arten der

Anerkennung

Das griechische Recht unterscheidet eine freiwillige Anerkennung (Art. 1532 ff. des ZGB von 1940) und eine erzwungene. Die Möglichkeit, auch die Anerkennung durch ein gerichtliches Verfahren zu erzwingen, ist ebenfalls ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den griechischen und den romanischen Rechten. Auch sie zeigt, daß das griechische Recht in der Mitte steht zwischen den romanischen Rechten mit dem Anerkennungsprinzip und dem deutschen mit dem Abstammungsprinzip. Ein derartiges „gerichtlich anerkanntes" Kind ist gemäß Art. 1545 unterhaltsberechtigt. über die Unterhaltspflicht hinausgehende Rechtsbeziehungen bestehen aber bei der gerichtlichen, also bei der nichtfreiwilligen, erzwungenen Anerkennung nicht.

IV. Die „freiwillige 1. Voraussetzungen

der

Anerkennung"

und ihre

Folgen

Anerkennung

Einschlägig sind hier die Art. 1532-1534, die im Wortlaut folgen: Art. 1532 Der Vater kann das uneheliche Kind als eigenes anerkennen. Ist der Vater gestorben oder für verschollen erklärt oder leidet er an einer Geisteskrankheit, so kann die Anerkennung durch den Großvater der väterlichen Seite erfolgen. Art. 1533 Die Anerkennung durch den Vater oder Großvater der väterlichen Seite erfolgt durch einseitige Erklärung vor einem Notar oder durch Testament (freiwillige Anerkennung). Art. 1534 Die freiwillige Anerkennung hat persönlich und ohne Bedingung oder Frist zu erfolgen. Der Widerruf der freiwilligen Anerkennung ist unwirksam. 23 *

Familienrecht

356

Es erscheint vieleicht nicht unwesentlich, auch auf die Anfechtungsmöglichkeit hinzuweisen, welche der Mutter und dem Kind zustehen. Sie ergeben sich aus den Art. 1535 und 1536: Art. 153 5 Die Mutter, das Kind oder seine Erben oder jeder, der daran Interesse hat, sind berechtigt, die freiwillige Anerkennung aus dem Grunde anzufechten, daß der Anerkennende nicht der Vater oder Großvater des Kindes sei. Art. 1536 Die Anfechtung der Anerkennung ist nach drei Monaten, seitdem der Anfechtende von ihr Kenntnis erlangte, ausgeschlossen. In jedem Falle aber ist die Anfechtung zwei Jahre nach der Anerkennung unzulässig. 2. Die Wirkungen

der freiwilligen

Anerkennung

Sie ergeben sich aus Art. 1537-1539 des griechischen ZGB: Art. 1537 Das uneheliche Kind erhält durch die freiwillige Anerkennung den Familiennamen des Vaters und hat, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die Rechte und Pflichten eines ehelichen Kindes. Art. 1538 Ist der Vater zur Zeit der Anerkennung verheiratet, so kann das anerkannte Kind im ehelichen Haushalt nur mitwohnen, wenn die Ehefrau des Vaters zustimmt. Art. 1539 Das Erbrecht des freiwillig anerkannten unehelichen Kindes dem Vater gegenüber beschränkt sich auf die Hälfte, wenn es mit ehelichen Abkömmlingen oder Eltern oder mit der Frau des Vaters zusammentrifft.

V. Folgerungen

aus der griechischen

Rechtslage

Soweit die rechtliche Beurteilung in Griechenland selbst vorzunehmen wäre, ergibt sich im Hinblick auf den vorliegenden Fall: Das Kind hat, wenn eine freiwillige Anerkennung vorliegt, den Namen des Vaters erhalten. Der Vater ist auch gesetzlicher Vertreter und sorgeberechtigt. Der Name wird nicht etwa rechtsgeschäftlich oder durch einen Verwaltungsakt oder eine Gerichtsentscheidung „gegeben", die Namenswirkung tritt vielmehr automatisch ein.

Uneheliche

Kindschaft

/ Griechenland,

Südafrikanische

Union

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D) AUSWIRKUNG DER GESCHILDERTEN GRIECHISCHEN RECHTSLAGE IM DEUTSCHEN BEREICH

I. Beurteilung für den Fall, daß griechisches Recht das der Kindsmutter ist

Personalstatut

Ergibt sich, daß die griechische Staatsangehörigkeit als die effektive Staatsangehörigkeit der Kindsmutter anzusehen ist, so beurteilen sich die gesamten Fragen schlechthin nach griechischem Recht. Das Kind ist durch eine etwaige Anerkennung des Vaters, die allerdings nach der tatsächlichen Seite noch dargetan werden müßte, in die Stellung eines ehelichen Kindes nach griechischem Recht eingerückt. Das stimmt auch mit dem Personalstatut der Mutter überein. Eine Konfliktslage ist nicht entstanden. Zu erwägen wäre allerdings in diesem Falle, ob etwa Art. 30 EGBGB gegen die volle Auswirkung dieses griechischen Rechtszustandes in Deutschland ein Hindernis darstellt. Dies ist wohl hier zu verneinen. Denn die deutsche Gesetzgebung ist im Augenblick um eine Reform des Unehelichenrechts in Richtung einer weiteren Verbesserung der Stellung dieser Kinder bemüht. Es läßt sich daher nicht sagen, daß ein Recht, welches diesen Kindern nach freiwilliger Anerkennung die Stellung von ehelichen Kindern verleiht, einen Gedanken verwirklicht, der mit der deutschen öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. II. Lage, wenn die südafrikanische Staatsangehörigkeit die effektive ist

der Mutter

Ist das Personalstatut der Mutter das südafrikanische Recht und kommt es daher hier zu einer Rückverweisung auf deutsches Recht, so ergeben sich Kollisionen zwischen dem Personalstatut der Mutter, welches die Namensführung derart regelt, daß das Kind den Namen der Mutter zu führen hat (§ 1706 Abs. 1 BGB), und dem oben geschilderten griechischen Rechtszustand, wonach das Kind den Namen des Vaters zu führen hat, falls er es freiwillig anerkannt hat. Zu diesem Konflikt ist folgendes auszuführen: Unstreitig gebührt dem Heimatrecht des Vaters auch die Entscheidung darüber, ob mit der Anerkennung eine Änderung des Familiennamens des Kindes eintritt 28 . Ebenso unzweifelhaft ist jedoch, daß nach Art. 20 EGBGB das Heimatrecht der Mutter darüber entscheidet, ob das Kind den Familiennamen der Mutter erhält 29 . Bestritten ist aber, ob im Falle eines 2 8 Vgl. Soergel-Kegel, 9. Aufl. Rdz. 36 zu Art. 21 mit weiteren Nachweisen; Eiman-Maiquoidl, 2. Aufl. Bern. 5 zu Art. 21; Palandt-Laulerbach, 21. Aufl. Anm. 3a zu Art. 21. 2 8 Vgl. z. B. Soergel-Kegel, Randz. 13 zu Art. 20.

358

Familienrecht

Konfliktes zwischen dem Heimatrecht des Vaters und dem der Mutter in dieser Frage dem ersteren oder dem letzteren der Vorrang gebührt. Ein solcher Konflikt besteht hier zwischen dem als Vaterrecht anzuwendenden griechischen Recht, nach dem das Kind infolge der Anerkennung den Familiennamen des Vaters erwirbt (vgl. oben e) und dem als Mutterrecht anzuwendenden deutschen Recht, nach dem das Kind auch nach einer Anerkennung den Familiennamen der Mutter behält. Während Kegel in diesem Fall dem Heimatrecht des Vaters den Vorrang gewährt, da die uneheliche Mutter nur insoweit einzutreten habe, als dem Vater Rechte fehlen, ihre Rechte also - im Gegensatz zu denjenigen des Vaters - anpassungsfähig seien 30 , läßt die wohl herrschende Meinung hier nur die Regelung des deutschen Rechtes zum Zuge kommen. Begründet wird dies meist damit, daß im Konfliktsfall das Heimatrecht der Mutter vorzugehen habe 3 1 . Die herrschende Lehre beruft sich zur Begründung ihrer Ansicht nach Auffassung des Instituts zu Recht auf den Grundsatz der Näherberechtigung des Mutterrechts. Nach der Rechtsanschauung aller auf dem Prinzip der Unterscheidung zwischen ehelicher und unehelicher Abstammung aufbauenden Rechtsordnungen ist für die Rechtssphäre des Kindes die Person der Mutter von größerer Bedeutung als die des Vaters. Es erscheint daher gerechtfertigt, auch im Falle eines Konflikts in der Namensfrage dem Heimatrecht der Mutter den Vorrang zu lassen. Demnach behält das Kind für den deutschen Rechtsbereich den Familiennamen der Mutter, während es nach griechischem Recht den Namen des Vaters führt. Die gegenteilige Auffassung wird allerdings vertreten. Die Rechtsprechung hat hier keine klare Linie. Entsprechendes muß für den Konflikt des griechischen und des deutschen Rechtes hinsichtlich der Erziehungsgewalt und des Sorgerechtes sowie der gesetzlichen Vertretung gelten. Hier muß das Mutterrecht überwiegen, wenn das für die Beziehungen zwischen Kind und Vater, soweit es sich nicht um Unterhalt handelt, maßgebliche Heimatrecht des Vaters in diesen Fragen unvereinbar ist mit der sachrechtlichen Regelung, welche das für die Beziehungen zwischen Kind und Mutter maßgebende Recht getroffen hat. Es handelt sich hier um den Konflikt zwischen der Anwendung von zwei jeweils einschlägigen deutschen Kollisionsnormen. Hiezu ergibt sich im einzelnen: Am entschiedensten in dieser Richtung geht wiederum die Auffassung von Kegel in Soergel-Kegel, Bern. 17 zu Art. 21 EGBGB. Allerdings nimmt er zu der Konfliktsfrage und zu dem Angleichungsproblem als solchem nicht ausdrücklich Stellung. Auch die von ihm in Fußnote 34 erwähnte 30

Vgl. Soergel-Kegel, Rdz. 23 zu Art. 21. So Erman-Marquordt, Bern. 5 zu Art. 21; Staudinger-Raape, Raape, IPR 5. Aufl. 369 : RGR Kommentar Anm. 5 vor § 1705. 31

9. Aufl. 532;

Uneheliche Kindschaft / Griechenland, Südafrikanische Union

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zahlreiche Rechtsprechung enthält keinen Fall, der sich gerade um das hier akute Problem, nämlich um die Kollision zwischen dem Sorgerecht der Mutter und dem Verkehrsrecht des Vaters drehen würde. Insbesondere ist die von Kegel, aaO, erwähnte Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg in D.A. Bd. 33 (1960) 135 für den hier vorliegenden Fall nicht unmittelbar einschlägig: Dort ist zwar die Rede, daß die Anerkennung dem Kind nach griechischem Recht weitgehend Rechte verschafft, über das Sorgerecht ist aber nichts gesagt. Es handelt sich im übrigen bei der genannten Entscheidung um eine solche in einer Legitimationsangelegenheit. Wenn Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 369 die Angleichung auf Kosten des Vaterrechts und zugunsten des Mutterrechtes vornimmt, und dies damit begründet, daß die Mutter im Verhältnis zum unehelichen Kind die größere Bedeutung hat, so muß dies auch heute noch überzeugen. Das Sorgerecht der Mutter entspricht der von der Mutter zu tragenden Verantwortung für das persönliche Wohl des Kindes. Ein Eingriff in dieses Sorgerecht, der nicht nach dem Mutterrecht, aber nach dem Recht des Vaters begründet wäre, muß daher als nicht tragbar erscheinen. Die besondere Bedeutung der Mutter für das uneheliche Kind läßt es gerechtfertigt erscheinen, sie als die „Näherberechtigte" anzusehen, deren Heimatrecht nicht anzugleichen ist, während sich das Heimatrecht des dem Kinde fernerstehenden Erzeugers eine derartige Angleichung gefallen lassen muß. Die bis heute wohl einleuchtendste Darstellung dieser Fragen ist im übrigen von Staudinger-Raape im Kommentar zum EGBGB auf S. 531 ff. zu finden. Diese Auffassung hat zur Folge, daß die mit dem Mutterrecht kollidierenden staatsangehörigkeitsrechtlichen und namensrechtlichen Folgen, die sich aus dem Heimatrecht des Vaters ergeben könnten, außer Betracht bleiben 32 . Dies gilt aber auch für das Sorgerecht. Ja, man müßte sogar sagen, daß hier der größte Konfliktsstoff zwischen den beiden Statuten liegen kann. Dies ändert aber nichts daran, daß etwa die erbrechtlichen Folgen der Anerkennung sich durchaus nach dem Heimatrecht des Vaters bemessen. Hier liegt keine Prädominanz des Heimatrechtes der Mutter oder des Heimatrechtes des Kindes vor, auf die zu achten wäre. Es darf allerdings darauf hingewiesen werden, daß ein Beschluß des Oberlandesgerichts Bremen vom 27. 12. 196333, sich hinsichtlich des Verkehrsrechtes des griechischen Vaters, der in Deutschland lebt und hier in notarieller Urkunde seine Vaterschaft anerkannt hat, sich der gegenteiligen Auffassung angeschlossen hat und grundsätzlich ein Recht zum persönlichen Verkehr mit dem unehelichen Kind, das bei seiner deutschen Mutter lebt, anerkannt hat. Aber auch die genannte Entscheidung, die im übrigen nicht überzeugen kann, will dann nicht dem Heimatrecht des 32 33

Vgl. dazu die Entscheidung des AG Bayreuth in StAZ 1963, 12. Abgedruckt in NJW 1964, 555.

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Familienrecht

außerehelichen Vaters den Vorzug geben, wenn der Normenwiderspruch zwischen den beiden Rechtsordnungen zu einander ausschließenden Ergebnissen führen würde. Dies ist ohne weiteres aber beim Namensredit der Fall. Es gilt aber auch hinsichtlich der gesetzlichen Vertretung und des Sorgerechtes und trotz der genannten Entscheidung des OLG Bremen hinsichtlich des bloßen Verkehrsrechts. Denn das Verkehrsrecht ist immerhin eine Beeinträchtigung des Personensorgerechtes der Mutter. In dieser Beziehung muß das Mutterrecht aus den oben geschilderten Gründen den Vorzug haben. E) ZUR STAATSANGEHÖRIGKEIT DES KINDES

I. Die griechische

Staatsangehörigkeit

Uber den Erwerb und den Verlust seiner Staatsangehörigkeit entscheidet jeder Staat selbst. Für den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vaters gilt also das griechische Recht nicht auf Grund einer kollisionsrechtlichen Verweisung, sondern kraft des Satzes, daß über die Zugehörigkeit zu einem Staat das Recht des Staates entscheidet, um dessen Angehörigkeit es geht. Gemäß Art. 3 des Gesetzesdekrets Nr. 3370 vom 20. 9. 1955 über die griechische Staatsangehörigkeit erwirbt der vor Vollendung seines 21. Lebensjahres durch freiwillige Anerkennung als Kind eines Griechen Anerkannte vom Zeitpunkt der Anerkennung ab die griechische Staatsangehörigkeit. Demnach besitzt das Kind die griechische Staatsangehörigkeit. Voraussetzung ist allerdings, daß Griechenland das deutsche Ehelichkeitsanfechtungsurteil anerkennt. Hiegegen dürften jedoch keine Bedenken bestehen.

II. Die südafrikanische

Staatsangehörigkeit

Nach dem heute geltenden südafrikanischen Staatsangehörigkeitsgesetz wird beim Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt unterschieden zwischen der Geburt im Inland und der Geburt außerhalb der Südafrikanischen Union. Nach See. 1 Ziff. VIII tritt beim unehelichen Kind die Mutter an die Stelle des Vaters. Es ist mithin ein außerhalb der Südafrikanischen Union geborenes Kind dann südafrikanischer Staatsangehöriger, wenn die Mutter in der Union geboren war oder wenn sie zur Zeit der Geburt zu dem Kreis jener Personen gehörte, denen eine Einbürgerungsurkunde der Union ausgestellt worden war (See. 5 des genannten Gesetzes von 1949). Damit besteht die Möglichkeit, daß das Kind ebenfalls Doppelstaater ist. Bei dem Kind wird ebenso wie bei der Mutter die Frage des Personalstatutes durch die effektive Staatsangehörigkeit bestimmt.

Uneheliche

Kindschait

/ Griechenland,

Südafrikanische

Union

361

F) DIE ZUSTÄNDIGKEIT DES AMTSGERICHTS MÜNCHEN VORMUNDSCHAFTSGERICHT Hier wird zu unterscheiden sein, welche Maßnahme vom Amtsgericht München verlangt wird. I. Soweit es sich darum handelt, eine Personenstandseintragung herbeizuführen oder abzuändern, ergibt sich die Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes (allerdings nicht als Vormundschaftsgericht) aus dem Vorliegen der Haupteintragung bei einem inländischen Standesamt (vgl. dazu §§ 45 ff. PStG). II. W i r d etwa die Anordnung einer Vormundschaft oder die Bestellung eines Pflegers erforderlich, so greift mit Rücksicht auf die ausländische Staatsangehörigkeit des Kindes Art. 23 EGBGB ein. (Weder im Verhältnis zu Griechenland noch im Verhältnis zur Südafrikanischen Union gilt das Haagei Vormundschaftsabkommen vom 12.6. 1902, so daß die Regel des Art. 23 EGBGB hier nicht durch Staatsverträge kodifiziert wird. III. Soweit sonstige vormundschaftsgerichtliche Tätigkeit in Betracht kommt (etwa Einwirkungen auf bestehende elterliche Gewaltverhältnisse etc.) ergibt sich die Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes aus den §§ 36, 43 FGG in der Art und Weise, w i e diese Bestimmungen in der deutschen internationalrechtlichen Praxis ausgelegt werden. V g l . dazu die grundlegende Entscheidung des BayerObLG vom 16.1.1959, FamRZ 1959, 364 ff. G) ZUSAMMENFASSUNG I. Das anzuwendende Recht 1. Das Rechtsverhältnis zwischen Mutter und Kind bemißt sich im vorliegenden Fall nach dem Recht jenes Staates, dem die Mutter kraft einer ihrer beiden Staatsangehörigen am nächsten steht (vgl. Art. 20 EGBGB). Dies gilt nicht für die Unterhaltsverpflichtung. Diese richtet sich auch der Mutter gegenüber nach deutschem Recht, solange das Kind in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Haager Unterhaltsabkommen von 1956). a) Ist griechisches Recht Personalstatut, so kommt es nicht zu einer Rückverweisung (Art. 27 EGBGB) auf deutsches Recht. b) Ist dagegen südafrikanisches Recht Personalstatut, so beurteilt sich das Rechtsverhältnis zwischen Mutter und Kind kraft Rückverweisung nach deutschem Recht, da die Mutter in Deutschland ihr „domicil" im südafrikanischen Sinne hat. 2. Die unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen Kind und Erzeuger richten sich, solange das Kind in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufent-

Familienredit

362

halt hat, nach deutschem Recht (Haager Unterhaltsabkommen von 1956 in Abweichung von Art. 21 EGBGB). 3. Die nicht unterhaltsmäßigen Beziehungen zwischen Erzeuger und Kind beurteilen sich nach griechischem Recht (analoge Anwendung von Art. 20 EGBGB). II. Inhalt des anzuwendenden

Rechtes

1. Soweit es auf griechisches Recht ankommt, hat die Mutter keine elterliche Gewalt. W e n n der V a t e r das Kind „freiwillig anerkannt" hat, so ist dieses ein eheliches Kind des Erzeugers geworden. Es führt auch dessen Namen. 2. Die geschilderte Rechtslage nach griechischem Recht erleidet in Deutschland insofern Einschränkungen, als die griechische Regelung als diejenige des Heimatstaates des Vaters mit einem andersartigen Personalstatut der Mutter kollidiert. Beim unehelichen Kind gebührt dem Recht der Mutter der Vorzug.

Legitimation Siehe auch Nr. 12

Nr. 34 Niederlande 1. Maßgebendes Recht für Legitimation durch nachfolgende Ehe der Kindesmutter mit einem Niederländer, der die Vaterschaft wahrheitswidrig anerkannt hat, nach deutschem und niederländischem internationalem Privatrecht. 2. Abgrenzung zwischen EheschiieBungs-, Kindschafts- und Legitimationsstatut nach deutschem internationalem Privatrecht. 3. Maßgebendes Recht für das Vaterschaftsanerkenntnis nach deutschem und niederländischem IPR. 4. Wirksamkeit eines wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkenntnisses nach niederländischem Recht. 5. Wirkungen einer in gutem Glauben eingegangenen für nichtig erklärten Ehe nach niederländischem Recht. 6. Einwilligungserfordernisse entsprechend Art. 22 Abs. 2 EGBGB bei nach ausländischem Recht wirksamer Legitimation durch nachfolgende Ehe zwischen der Kindesmutter und einem wahrheitswidrig Anerkennenden. 7. Anfechtung des Vatersdiaftsanerkenntnisses nach niederländischem Recht. Köln 33/ 65 vom 21.6.1965

Legitimation

/

Niederlande

363

Die 6. Zivilkammer des Landgerichts in Wuppertal hat mit Schreiben vom 16. März 1965 in dem Legitimationsfeststellungsverfahren, das die Kinder Adam, Eva und Robert Andreas G. betrifft, um Auskunft über niederländisches Ehe- und Kindschaftsrecht gebeten. SACHVERHALT Adam, Eva und Robert Andreas G. sind als uneheliche Kinder ihrer Mutter, einer deutschen Staatsangehörigen, in Deutschland geboren worden. Im Juli 1961 erkannte ein Niederländer namens F. seine Vaterschaft an und verpflichtete sich zur Unterhaltsleistung. Am 9. November 1962 ging die Mutter mit dem niederländischen Staatsangehörigen E. vor dem Standesbeamten in Rheden/Niederlande die Ehe ein. Die Heiratsurkunde weist aus, daß E. ein Vaterschaftsanerkenntnis in der Form des Art. 337 Buchst, a Burgerlijk Wetboek (BW) abgegeben hat. Daraufhin hat das Amtsgericht in Wuppertal durch Beschluß vom 16. Dezember 1963 gemäß § 31 PStG festgestellt, daß die minderjährigen Kinder durch die Eheschließung vom 9. November 1962 legitimiert worden seien. Hiergegen hat die Mutter Beschwerde eingelegt, über die jetzt die 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal zu entscheiden hat. Auf Klage der Mutter hat das Landgericht in Augsburg durch Urteil vom 13. November 1963 die Ehe gemäß § 19 EheG für nichtig erklärt. In diesem Verfahren hat E. unter Eid bestätigt, daß er sich zu der Eheschließung mit der Mutter der Kinder nur aus Mitleid bereitgefunden habe. Damals sei die Mutter von einem anderen Mann erneut schwanger gewesen und sie habe befürchtet, als Lehrerin aus dem Staatsdienst entlassen zu werden, falls sie nicht heirate. Es sei von Anfang an vereinbart gewesen, keine eheliche Gemeinschaft aufzunehmen. Geschlechtliche Beziehungen hätten zu keiner Zeit bestanden und die Eheleute hätten sich gleich nach der Eheschließung wieder getrennt. Durch Urteil des Landgerichts Regensburg vom 6. 5.1964 ist festgestellt worden, daß ein am 20. 2.1963 geborenes weiteres Kind nicht von E. abstammt. Am 15. Mai 1964 hat die Mutter vor dem Standesbeamten in Venlo mit F. die Ehe geschlossen. F. hat bei der Heirat nach Art. 337 BW alle vier Kinder seiner Ehefrau als seine Kinder anerkannt. Die Eheleute leben in Deutschland. Die Kammer meint, das nach niederländischem Recht wirksame Vaterschaftsanerkenntnis durch E. sei auch in Deutschland anzuerkennen. Die Folgen des Ehenichtigkeitsurteils vom 13. November 1963 seien hinsichtlich der Kinder über Art. 22 EGBGB dem niederländischen Recht zu entnehmen.

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Familienrecht

Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 16. März 1965 fragt die Kammer an, a) ob im Sinne des Artikels 150 des Burgerlijk Wetboek i.d. F. des Gesetzes vom 26. 1. 1956 die Ehegatten die Ehe bereits dann nicht „in gutem Glauben" geschlossen haben, wenn sie den Sachverhalt kannten, aufgrund dessen später die Ehe für nichtig erklärt worden ist, b) oder ob der gute Glaube im Sinne der genannten Bestimmung nur dann ausgeschlossen ist, wenn beide Ehegatten sich bewußt waren, daß die Ehe rechtsgültig bzw. „nichtig" (= jederzeit vernichtbar) sei. GUTACHTEN Bevor Art. 150 BW behandelt wird, soll untersucht werden, ob diese Vorschrift im vorliegenden Fall überhaupt anzuwenden ist. Zur Klärung dieser Frage werden vorab die kollisions- und materiellrechtlichen Probleme, die sich aus der Verbindung der Mutter zu E. für die Rechtsstellung der Kinder ergeben, behandelt.

A. ART. 22 ABS. 1 EGBGB

I. Hauptfrage 1. Deutsches internationales

der

Legitimation

Privatrecht

Aus Art. 22 Abs. 1 EGBGB ist die allseitige Kollisionsnorm abzuleiten, daß sich die Legitimation eines unehelichen Kindes nach dem Heimatrecht des Vaters oder Annehmenden beurteilt 1 . Insbesondere bestimmt das Heimatrecht des Vaters, ob die Heirat die Legitimation zur Folge hat 2 . Da E. niederländischer Staatsangehöriger ist, verweist das deutsche Recht für die Legitimation auf das Recht der Niederlande. Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 22 EGBGB bestehen insoweit, als im vorliegenden Fall feststeht, daß E. nicht der natürliche Vater der Kinder ist. Art. 22 EGBGB setzt aber für die Legitimation voraus, daß die zu legitimierenden Kinder von den Eheleuten abstammen oder aufgrund des nicht angefochtenen Anerkenntnisses eine solche Vermutung besteht. In den Fällen, in denen das ausländische Recht möglicherweise die Legitimationswirkung auch ohne Abstammung eintreten läßt, kann man Art. 22 1 BGH FamRZ 1960, 229 m. Anm. Bosch = StAZ 1960, 206 m. Anm. Gündisdi 319; Kegel in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. V (9. Aufl. 1961), Art. 22, Bern. 1, 878; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 377; Wölfl, Das internationale Privatrecht Deutschlands (3. Aufl. 1954) 220. 2 Kegel in Soergel-Siebert, aaO, Art. 22 Bern. 24, 884.

Legitimation / Niederlande

365

EGBGB nicht direkt anwenden. Es ist aber angebracht, ihn entsprechend anzuwenden 3 . Der Anwendung eines durch entsprechende Anwendung von Art. 22 EGBGB berufenen Rechts, das die Legitimation entgegen der natürlichen Abstammung zuläßt, steht insbesondere Art. 30 EGBGB nicht entgegen 4 . Demnach verweist im vorliegenden Fall das deutsche Kollisionsrecht für die Legitimation der Kinder, unabhängig von dem Erfordernis tatsächlicher Abstammung von den Eheleuten, auf das niederländische Recht. Diese Verweisung ist als Kollisionsnormverweisung zu behandeln, obwohl Art. 27 EGBGB nicht ausdrücklich Art. 22 EGBGB erwähnt 5 . Eine Rück- oder Weiterverweisung des niederländischen Rechts ist daher zu beachten. Die Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 2 EGBGB wird erst dann bedeutsam, wenn nach dem anzuwendenden ausländischen materiellen Recht eine wirksame Legitimation vorliegt. 2. Niederländisches

internationales

Privatredit

Für die Anknüpfung familienrechtlicher Fragen ist auf Art. 6 und 9 des Gesetzes vom 15. Mai 1829 („Houdende algemeene bepalingen der wetgeving v a n het koningrijk", abgekürzt AB) zurückzugehen. Art. 6 AB sieht vor, daß die niederländischen Gesetze über die Rechte und den Stand von Personen auch für die im Ausland befindlichen Niederländer gelten. Art. 9 AB ordnet die Anwendung niederländischen Rechts auf Ausländer nur insoweit an, als das Gesetz nichts anderes bestimmt. Rechtsprechung und Lehre leiten aus diesen Vorschriften den Satz ab, daß die persönlichen Verhältnisse eines Menschen nach seinem Heimatrecht zu beurteilen sind 6 . Streitig ist allerdings, ob sich die Legitimation bei verschiedener Staatsangehörigkeit nach dem Heimatrecht des Vaters oder des Kindes bestimmt. Zum Teil wird angenommen, im Interesse des Kindes sei an seine Staatsangehörigkeit anzuknüpfen 7 . Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung stellen dagegen auf die Staatsangehörigkeit des Vaters ab. Für diese Anknüpfung spricht insbesondere, daß sich nach dem niederländischen Recht an die Legitimation des unehelichen Kindes der 3

Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 12, 881. KG West JZ 1958, 366 m. Anm. Schwoerer; Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 52, 890-891; anders Raape 386-387, Fn. 162/3, für die Fälle, daß Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit nach dem niederländischen Anerkenntnissystem legitimiert werden sollen. 5 OLG Hamm FamRZ 1959, 28; KG West NJW 1960, 248, 250f. m. abl. Anm. Beitzke-, Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 48, 890; Raape 380. 8 Höge Raad 17. 5. 1929, Weekblad van het Recht (W.) 1929, Nr. 12006; van Brakel, Grondslagen en Beginselen van Nederlands Internationaal Privaatrecht (3. Aufl. 1953) 179. 7 Mulder, Inleiding tot het Nederlandsdi Internationaal Privaatrecht (2. Aufl. 1947) 124. 4

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Familienrecht

Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vaters anschließt, Art. 1 a des niederländischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 12. Dezember 1892 8 . Da im niederländischen Recht das Anerkenntnis des Kindes durch den Vater nichtig ist, wenn die Mutter nicht zugestimmt hat (Art. 338 Buchst, d BW, abgedruckt unten B I), verweist allerdings insoweit wegen hier deutscher Staatsangehörigkeit der Mutter das niederländische IPR auf das deutsche Recht zurück und diese Rückverweisung ist nach Art. 27 EGBGB zu beachten (unten III 2). Im übrigen bestimmt sich dagegen die Legitimation wegen der niederländischen Staatsangehörigkeit E.s auch nach niederländischem IPR nach dem niederländischen materiellen Recht. II. Vorfrage

der Ehe

Ob die Kinder durch die Heirat der Eltern legitimiert worden sind, unterliegt dem Legitimationsstatut. Dagegen muß die Frage, ob eine gültige Ehe vorliegt, gesondert angeknüpft werden 9 . Bei der Heirat einer Deutschen mit einem Niederländer ist das Haager Abkommen über die Eheschließung vom 12. 6.1902 (RGBl. 1904, 221, 249) zu beachten 10 . Das Abkommen ist im Verhältnis zu den Niederlanden ausdrücklich wieder für anwendbar erklärt worden u . Der Geltungsbereich des Abkommens wird durch Art. 8 festgelegt. Danach ist das Abkommen anzuwenden auf die Heirat von Personen, von denen mindestens eine den Vertragsstaaten angehört, sofern die Ehe im Gebiete der Vertragsstaaten geschlossen worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Ehe ist in den Niederlanden geschlossen worden zwischen der deutschen Staatsangehörigen G. und dem Niederländer E. Demnach ist diese Ehe kollisionsrechtlich nach den Regeln des Haager Abkommens über die Eheschließung zu behandeln. 1. Grundsatz des Art. 1 Haager

Eheschließungsabkommen

Nach Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen beurteilt sich die Eingehung der Ehe nach dem Heimatrecht der Verlobten. Ihrem Inhalt nach entspricht diese Vorschrift dem deutschen und niederländischen Kolli8 Höge Raad 10. 3. 1938 in Nederlandsche Jurisprudentie (N. J.) 1938 Nr. 853 mit zust. Anm. Kosters-, Hof Amsterdam 24.1.1913, W. 1913 Nr. 9438; Rechtbank'sHertogenbosch 30. 10. 1952, N. J. 1953 Nr. 275; van Brakel 189; van Hasselt in Répertoire de Droit International, Bd. 6 (1930) Nr. 200. 9 OLG Hamm FamRZ 1959, 28; Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 21, 884. Ebenso BGH N J W 1965, 1129 für Art. 18 EGBGB. 10 Die amtliche Ubersetzung des französischen Urtextes ist wiedergegeben bei Kegel in Soergel-Siebert, im Anschluß an Art. 13, Bern. 101, 745-748. 11 Vgl. Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 24. 12. 1954, BGBl. 1955 II 1; vgl. zur Anwendung auf Grund dieser Erklärung KG-West FamRZ 1958, 324 m. Anm. Neuhaus 463.

Legitimation

/

Niederlande

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sionsrecht 12 . Bei der Auslegung von Art. 1 kann daher auf das deutsche und niederländische Kollisionsrecht zurückgegriffen werden. Da im vorliegenden Fall die Mutter Deutsche ist, bestimmen sich die sachlichen Voraussetzungen der Heirat für sie nach deutschem Recht. Für E. tritt demgegenüber eine Verweisung auf das niederländische Recht ein. 2. Geltungsbereich des Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen (Abgrenzung gegen Art. 18 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 EGBGB) Da Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen der Regelung von Art. 13 Abs. 1 EGBGB entspricht, treten bei seiner Anwendung die gleichen Probleme der Abgrenzung auf, wie sie im deutschen Kollisionsrecht zwischen Art. 13 Abs. 1 EGBGB und den Art. 18 Abs. 1, 22 Abs. 1 EGBGB behandelt werden. Die Verweisung auf das Personalstatut der Verlobten gilt nicht nur für die Voraussetzungen der Eheschließung, sondern auch für die Folgen, die sich aus dem Fehlen der Voraussetzungen ergeben. Diese Folgen richten sich grundsätzlich nach dem verletzten Ehestatut 13 . Allerdings ist zweifelhaft, ob dies auch für die Folge der Ehelichkeit der Kinder gilt. Manche wollen diese Frage aus Art. 13 EGBGB ausklammern und über Art. 18 Abs. 1 EGBGB nach dem Heimatrecht des Vaters beurteilen 14 . Dieselbe Ansicht könnte für Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen vertreten werden. Jedoch ist die Ehelichkeit der Kinder als Folge der fehlerhaften Ehe dem Art. 13 EGBGB zu unterstellen. Denn es geht hier nicht um die Folgen fehlender Vaterschalt, sondern um eine Folge der fehlenden Ehe1S. Dasselbe ist für Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen anzunehmen. 12 Deutschland: Art. 13 Abs. 1 EGBGB; hierzu BGHZ 27, 375 (379); Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 1, 723; Raape 236; Wölfl 188. Niederlande: van Brakel 180; Mulder 110. 18 Zu Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen: Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 102, 746; Lewald, Haager Konventionen zum Internationalen Privatrecht, in Strupp, Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, 1. Aufl., 1. Bd. (1924), 454, 460-461. Zu Art. 13 Abs. 1 EGBGB: Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 73, 739. Zum niederländischen Recht: Höge Raad 23. 5. 1919, W. 1919 Nr. 10436; van Brakel 181; Mulder 110-111. 14 KG OLG 42, 97; KG DJZ 1931, 375 = IPRspr. 1931 Nr. 83; Lewald, Das deutsche internationale Privatrecht (1931) 130; Frankenstein, Internationales Privatrecht, Bd. IV (1935), 12-14; Wolff 213; RG J W 1938, 108 nimmt zu dieser Frage nicht abschließend Stellung. 15 RG LZ 1914, 869; OLG München OLG 42, 98; Dölie, Zur Behandlung der bigamischen Ehe im internationalen Privatrecht, Festschrift für Gustav Boehmer (1954) 134 (142-144); Erman-Marquordt, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (3. Aufl. 1962), Bd. 2, Art. 13, Bern. 4 c, 1605; Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 82, 741; Raape 343.

368

Familienrecht

Art. 18 Abs. 1 EGBGB ist nur anzuwenden, wenn die Abstammung der Kinder vom Muttergatten geklärt werden muß 16 . Im vorliegenden Fall steht aber fest, daß die Kinder von E. nicht abstammen. Die Frage ist nicht, ob sie trotz fehlender Abstammung ehelich bleiben (Art. 18 Abs. 1 EGBGB), sondern ob sie trotz fehlender Abstammung durch Eheschließung legitimiert werden konnten (Art. 22 Abs. 1 EGBGB) und ob sie trotz Nichtigerklärung der Ehe ehelich bleiben (Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen). Allerdings könnte das Fortbestehen der Ehelichkeit trotz Nichtigerklärung der Ehe auch dem Legitimationsstatut Art. 22 Abs. 1 EGBGB) unterstehen. Dies ist möglicherweise dann anzunehmen, wenn in dem als Legitimationsstatut berufenen materiellen Recht die nichtige Ehe für die Legitimation unehelicher Kinder anders (stärker oder schwächer) wirkt als für den Status in der Ehe geborener Kinder. Denn wenn ein materielles Recht eine allgemeine Regel (hier: Folgen nichtiger Ehe für Kinder) für einen Sonderfall (hier: Legitimation unehelicher Kinder) abwandelt, greift gewöhnlich nicht die deutsche Kollisionsnorm für die allgemeine Regel (hier: Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen) ein, sondern die deutsche Kollisionsnorm für den Sonderfall (hier: Art. 22 Abs. 1 EGBGB)17. Indessen kennt weder das deutsche Recht (§§ 1591 I 1 Halbs. 2, 1719 Halbs. 2 BGB) noch das niederländische Recht (darüber B III 3 b) einen solchen Unterschied.

Demnach entscheiden die von Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen berufenen Rechte, ob im vorliegenden Fall die Kinder trotz Nichtigerklärung der Ehe legitimiert bleiben. 3. Schwächeres Recht Verletzt die Heirat die Heimatrechte beider Verlobten, so gilt im deutschen Recht der Grundsatz des schwächeren Rechts: anzuwenden ist das Recht, das für den Verstoß die härtere Folge vorsieht 1 8 . Für Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen ist dasselbe anzunehmen. 4. Wirkung des Nichtigkeitsurteils

vom 13.11. 1963

Die Maßgeblichkeit des neben dem deutschen Heimatrecht der Mutter im vorliegenden Fall von Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen berufenen niederländischen Heimatrechts des Muttergatten könnte dadurch eingeschränkt sein, daß das Nichtigkeitsurteil des Landgerichts Augsburg auch im Zusammenhang des niederländischen Rechts maßgebend und demgemäß eine etwaige Nichtanerkennung dieses Urteils in den Niederlanden gleichgültig wäre. 16 17 19

Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 82, 741; Raape 343 f. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 42 vor Art. 7, 519 f. Dölle 139-142; Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 83, 741; Raape 238.

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Niederlande

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Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden zwischen dem internationalen Verfahrensrecht und d e m internationalen Privatrecht. Nach deutschem internationalem (Privat-)Verfahrensrecht entscheidet das deutsche materielle Verfahrensrecht als l e x fori über d e n Umfang der bindenden Wirkung des rechtskräftigen Urteils 1 9 . Nach deutschem materiellem Verfahrensrecht wirkt das Urteil gemäß s e i n e m Inhalt, gleich, ob man diese Bindungswirkung aus der Rechtskraft oder aus a l l g e m e i n e n Prozeßgrundsätzen ableitet 2 0 . Das Urteil des LG Augsburg sagt i n d e s s e n nur, daß die Ehe nichtig ist. Dieser Ausspruch bindet auch, s o w e i t nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB das niederländische Recht über d e n Fortbestand der Legitimation zu entscheiden hat 2 1 . Dasselbe ist anzunehmen für Art. 1 d e s Haager Eheschließungsabkommens. Zwar bestimmt Art. 2 Abs. 3: „Unbeschadet der Bestimmungen des Artikel 6 Abs. 1 dieses Abkommens ist kein Vertragsstaat verpflichtet, eine Ehe schließen zu lassen, die mit Rücksicht auf eine vormalige Ehe oder auf ein Hindernis religiöser Natur gegen seine Gesetze verstoßen würde. Die Verletzung eines derartigen Ehehindernisses kann jedoch die Nichtigkeit der Ehe in einem anderen Lande als in dem, wo die Ehe geschlossen wurde, nicht zur Folge haben." Jayme N J W 1965, 18 f. versteht diese Vorschrift dahin, daß die Vorfrage des Bestehens einer gültigen Ehe für den Fall der Wiederheirat auch insoweit nach dem Heimatrecht jedes Verlobten zu beurteilen ist, als es auf internationales Ver/ahrensrecht ankommt, nämlich auf die Anerkennung eines ausländischen Eheurteils, vor allem eines ausländischen Scheidungsurteils. Zwar sei das Vorfragenproblem zur Zeit der Entstehung noch nicht bekannt gewesen. Aber selbständige Anknüpfung der Vorfrage gefährde die erstrebte Rechtsvereinheitlichung. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Gefahr der Abkommen liegt darin, daß sie die Entwicklung hemmen (deswegen sind sie von vielen Vertragsstaaten gekündigt worden). Sie sind daher eng auszulegen: das Vorfragenproblem war nicht erkannt und ist deswegen auch nicht geregelt. Indessen kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an. Denn wie unten B III 3 c gezeigt werden wird, ist für die Beurteilung des Fortbestandes der Legitimation auch dann von einer nach niederländischem Recht gültigen Ehe mit E. auszugehen, wenn das Urteil des LG Augsburg in den Niederlanden anerkannt wird. Daher kann auch auf sich beruhen, ob das Urteil des LG Augsburg anerkannt wird, wofür übrigens die Zulassung der Kindesmutter zur Eheschließung mit dem Erzeuger spricht. A b g e s e h e n v o n der durch das Urteil des LG Augsburg begründeten Nichtigkeit der Ehe, bleibt es jedoch bei der Maßgeblichkeit des niederländischen Rechts. 19

Vgl. Kegel-Lüderitz, Hindernis des Bandes für Ausländer trotz Scheidung in Deutschland?, FamRZ 1964, 57-58. 20 21 Kegel-Lüderitz 58. Vgl. Kegel-Lüderitz 58 mit Nachweisen. 24 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

Familieniecht

370

Audi BGHZ 41, 136-151 = FamRZ 1964, 188-192 steht nicht entgegen. Hier hatte der vierte Senat zu entscheiden, ob ein Spanier von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses nach § 10 Abs. 2 EheG befreit werden konnte. Der Spanier wollte eine Deutsche heiraten; diese war bereits einmal verheiratet gewesen und ihre Ehe war von einem deutschen Gericht rechtskräftig geschieden worden. Der Senat entschied, daß das Scheidungsurteil hinter der Rechtswahl nach Art. 13 EGBGB zurücktreten müsse. Die Wirksamkeit der Scheidung wurde unselbständig angeknüpft und dem Heimatrecht des Spaniers unterstellt. Zur Begründung wies der Senat insbesondere auf den Schutz des deutschen Verlobten hin. Die Nichtanerkennung der früheren Scheidung in Spanien könne ihm erhebliche Schwierigkeiten bereiten 22 . Aus der Annahme, für die Wiederheirat Geschiedener unterliege die Wirkung des deutschen Scheidungsurteils dem von Art. 13 EGBGB berufenen Auslandsrecht, folgt jedoch nicht, daß für den Fortbestand der Legitimation durch nachfolgende Ehe trotz Nichtigerklärung der Ehe die Wirkung eines deutschen Ehenichtigkeitsurteils dem von Art. 13 EGBGB berufenen Auslandsrecht unterliegt. Denn wenn das Ehenichtigkeitsurteil nicht anerkannt wird, entsteht dem deutschen unehelichen Kind kein Schaden. Gilt es doch auch nach § 1719 Halbs. 2 BGB weiterhin als Kind des ehemaligen Muttergatten. Außerdem bestehen gegen die Ansicht des BGH zur Wiederheirat in Deutschland Geschiedener Bedenken 23 , und dem Rechtsausschuß des Bundestags ist vom Plenum ein Antrag überwiesen worden, den Art. 13 Abs. 1 EGBGB zur Ausschaltung der Ansicht des BGH wie folgt zu fassen: „Die Voraussetzungen der Ehe werden hinsichtlich jedes Verlobten nach dem Recht des Staates beurteilt, dem er angehört. Hat ein deutsches Gericht durch rechtskräftiges Urteil eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden oder festgestellt, daß die Ehe nicht besteht, so steht diese Ehe einer erneuten Eheschließung auch dann nicht entgegen, wenn das Urteil in einem ausländischen Staate nicht anerkannt wird." 24 Demnach ist, soweit niederländisches Recht anzuwenden ist, aufgrund des deutschen Nichtigkeitsurteils anzunehmen, daß die Ehe nichtig ist. III. Vorlrage 1. Deutsches

internationales

des

Anerkenntnisses

Privatrecht

Wie die Vorfrage nach der Gültigkeit der Ehe (oben II) muß audi die Vorfrage nach der Gültigkeit des von E. erklärten Anerkenntnisses der Kinder selbständig angeknüpft werden. Denn in den Rechten des sog. „Anerkenntnissystems", zu denen die Niederlande mit Einschränkungen gehören, verschafft bereits das Anerkenntnis des unehelichen Kindes durch einen Mann (regelmäßig den Erzeuger) dem Kind annähernd die Stellung eines ehelichen Kindes dieses Mannes. Heirat der Kindesmutter BGHZ 41, 136, 146 = FamRZ 1964, 188, 191. Vgl. den oben zitierten Aufsatz von Kegel und Lüdeiitz. 24 Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/3088 und 178. Sitzung, Berlin 7. 4. 1965, 8982 B - 8983 D. 22

23

Legitimation

/

Niederlande

371

verstärkt dann nur noch die Stellung des Kindes bis zur völligen Gleichheit mit einem ehelichen Kind. Aus diesen Gründen wird nach deutschem IPR ein solches Anerkenntnis nach dem Heimatrecht des Anerkennenden beurteilt 25 . Demnach gilt für das Anerkenntnis E.s wie für die Legitimation das niederländische Recht. 2. Niederländisches

internationales

Privatrecht

Auch nach niederländischem IPR entscheidet über die Gültigkeit des Anerkenntnisses das Heimatrecht des Mannes 26 . Nur, soweit die Legitimation davon abhängt, daß die Mutter dem Anerkenntnis des Kindes durch den Vater zustimmt, wird das Erfordernis der Zustimmung vom niederländischen IPR dem Heimatrecht der Mutter unterstellt 27 . Diese Rückverweisung ist nach Art. 27 EGBGB zu beachten. IV.

Zwischenergebnis

Ob die Kinder Adam, Eva und Robert Andreas G. durch die Heirat ihrer Mutter mit E. legitimiert worden sind, entscheidet das niederländische Recht. Dieses verlangt Heirat der Kindesmutter und Anerkenntnis der Kinder durch den Muttergatten (oben I). Die Gültigkeit der Ehe richtet sich nach deutschem und niederländischem Recht. Den Ausschlag gibt das Recht, das die schwächeren Wirkungen eintreten läßt. Da ein deutsches Nichtigkeitsurteil vorliegt, ist auch für das niederländische Recht von der Nichtigkeit der Ehe auszugehen (oben II). Die Gültigkeit des von E. erklärten Anerkenntnisses richtet sich nach niederländischem Recht. Nur für das Erfordernis der Zustimmung der Mutter gilt kraft Rückverweisung deutsches Recht (oben III). B. MATERIELLES RECHT

I. Anerkenntnis

der

Vaterschaft

Nach niederländischem Recht erfordert die Legitimation ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis des Muttergatten und eine gültige Heirat. Art. 327 BW: „Een natuurlijk kind wordt door het huwelijk zijner ouders gewettigd, indien het voor of bij de huwelijksvoltrekking door den vader is erkend." 25 26 27

24

Ein uneheliches Kind wird durch die Heirat seiner Eltern legitimiert, wenn es vor oder bei der Eheschließung durch den Vater legitimiert wird.

Kegel in Soergel-Siebert, Art. 21, Bern. 1, 858 f., Bern. 17, 862 f., Bern. 36-37, 868. Höge Raad 10. 3. 1938, N. J. 1938 Nr. 853; van Brakel 189. van Brakel 189 mit Rechtsprechungsnadiweisen.

372

Familienrecht

Im vorliegenden Fall hat E. das erforderliche Anerkenntnis bei der Eheschließung abgegeben. Nach dem Sachverhalt ist davon auszugehen, daß das Anerkenntnis die vorgeschriebene Form gemäß Art. 337 Buchst, a BW eingehalten hat. Der Wirksamkeit des Anerkenntnisses könnte jedoch entgegenstehen, daß E. nicht der natürliche Vater der Kinder ist. Es ist daher zu untersuchen, welchen Einfluß die fehlende Abstammung auf die Wirksamkeit des Anerkenntnisses hat. In Art. 338 BW sieht das niederländische Recht eine Reihe von Fällen vor, in denen das Anerkenntnis nichtig ist: „De erkenning is nietig, indien zij: a) een gevolg is van dwang, dwaling of bedrog; b) door een minderjarige tengevolge van verleiding gedaan is; c) geschied is door iemand, die den leeftijd van achttien jaar niet bereikt heeft, tenzij zij bij de voltrekking van zijn huwelijk heeft plaats gehad; d) bij het leven der moeder zonder haar toestemming gedaan is; de toestemming kan gegeven worden bij de akten, bedoeld in het voorgaand artikel."

Das Anerkenntnis ist nichtig, wenn es a) auf Zwang, Irrtum oder Täuschung beruht; b) von einem Minderjährigen erklärt worden ist infolge einer Verleitung hierzu-, c) von jemand erklärt wird, der das achtzehnte Lebensjahr nodi nicht erreicht hat, außer wenn es bei seiner Heirat ausgesprochen wird; d) zu Lebzeiten der Mutter ohne ihre Zustimmung erfolgt ist; die Zustimmung kann in der Form der Urkunden, die im vorhergehenden Artikel bezeichnet sind, erteilt werden.

Die in Art. 338 Buchst, d bezogene Vorschrift des Art. 337 BW führt folgende Möglichkeiten der einzuhaltenden Form auf: „bij akten van geboorte en huwelijk; door een akte van erkenning, overeenkomstig artikel 38; door alle andere authentieke akten."

zu den Geburts- und Heiratsurkunden; durch eine Anerkenntnisurkunde nach Art. 38; durch alle anderen öffentlichen Urkunden.

Im Rahmen dieser Vorschrift wird die fehlende Abstammung nicht aufgeführt. Dennoch wird zum Teil gelehrt, in den Fällen der fehlenden Abstammung sei das Anerkenntnis und demgemäß die Legitimation ebenso nichtig wie in den Fällen von Art. 338 BW 28 . Die Gerichte entscheiden jedoch anders. Zwar nimmt auch der Höge Raad an, daß ein fehlerfreies Anerkenntnis die Abstammung des Kindes vom Anerkennenden voraussetze 29 . Doch behandelt er das Fehlen der Abstammung als einen Mangel, der nur die Anfechtbarkeit („vernietig28 Assei-Wiarda, Handleiding tot de Beoefening van het Nederlands Burgerlijk Recht, 1. Teil Personenrecht (9. Aufl. 1957) 510-513. 2 » Höge Raad 29. 9. 1943, N. J. 1943 Nr. 796.

Legitimation

/

Niederlande

373

baarheid") des Anerkenntnisses zur Folge hat 30 . Die Anfechtung des Anerkenntnisses geschieht durch Klage, die wenn erfolgreich, sowohl das Anerkenntnis wie die Legitimation beseitigt (näher unten D.). Demnach hat E. durch seine Erklärung bei der Heirat die Voraussetzungen eines zunächst gültigen Anerkenntnisses erfüllt. II. Zustimmung der Mutter zum

Vaterschaftsanerkenntnis

Aus Art. 338 Buchst, d BW ist zu entnehmen, daß nach niederländischem Recht das wirksame Anerkenntnis die Zustimmung der Mutter erfordert. Allerdings hat sich aus dem niederländischen Kollisionsrecht ergeben, daß das Erfordernis der Zustimmung dem Personalstatut der Mutter, hier dem deutschen Recht untersteht (s. oben A III). Das materielle deutsche Recht kennt jedoch keine Zustimmung der Mutter zum Anerkenntnis durch den, der sich als Vater ausgibt. Man könnte erwägen, aus dem Einverständnis der Mutter mit der Legitimation, die sie in einem solchen Fall bei der Heirat ausdrückt, gleichzeitig ihre Zustimmung zum Anerkenntnis herzuleiten. Doch kommt es darauf nicht an. Denn nach niederländischem Recht ist die Zustimmung der Mutter zum Anerkenntnis überhaupt nicht erforderlich, wenn ihr Personalstatut keine Zustimmung vorsieht. Insoweit wird Art. 338 Buchst, d BW durch das Heimatrecht der Mutter im Einzelfall korrigiert 31 . Daraus ergibt sich, daß im vorliegenden Fall das Anerkenntnis auch ohne Zustimmung der Mutter wirksam erfolgt ist.

III. Gültigkeit der Ehe 1. Deutsches Recht: Ehestatut der Mutter Aufgrund des Urteils des Landgerichts Augsburg vom 13.11.1963 steht fest, daß die Ehe nichtig ist. 2. Niederländisches Recht: Ehestatut des

Muttergatten

Auch im Rahmen des niederländischen Rechts steht durch das Urteil des LG Augsburg fest, daß die Ehe nichtig ist (oben A II 4). Folgt man dem nicht, dann wäre die Ehe fehlerhaft, wenn sie keine „voltrokken huwelijk' wäre. Das sind die Fälle der Nichtehe. Beispiele dieser Art sind die Heirat von Personen gleichen Geschlechts oder die Eheschließung vor Privat30 Höge Raad 15. 3. 1951, N. J. 1951 Nr. 260; Höge Raad 16. 11. 1951, N. J. 1952 Nr. 39. 81 van Brakel 189 mit Nachweisen.

Famüienrecht

374

personen 32 . Andererseits liegt eine „voltrokken huwelijk" schon dann vor, wenn die äußeren Umstände den Schein einer wirksamen Eheschließung rechtfertigen. Insbesondere ist dann unbeachtlich, was die Parteien insgeheim wirklich wollten 33 . Hier kann davon ausgegangen werden, daß die Eheschließung zwischen der Mutter und E. ordnungsgemäß abgewickelt wurde, insbesondere die erforderlichen Erklärungen vor dem Standesbeamten abgegeben worden sind. Es ist daher anzunehmen, daß die Eheschließung einer „voltrokken huwelijk" genügt. Nach niederländischem Recht könnte sich die Fehlerhaftigkeit auch aus den Gründen ergeben, die die Nichtigkeit der Ehe bewirken. Hierzu zählen u. a. Bigamie, nahe Verwandtschaft, fehlerhafte Willensbildung, Fehlen des Mindestalters und fehlerhafte Zustimmung der Eltern bei Minderjährigen 34 . Unter diese Gründe fällt jedoch nicht der Fall, daß die Ehe nur geschlossen wird, um nach außen den Eindruck einer Ehe zu erwecken, obwohl die Aufnahme ehelicher Beziehungen nicht gewollt ist. Daher wäre die Ehe zwischen Mutter und E. nach niederländischem Recht gültig, wenn nicht wegen des Urteils des LG Augsburg auch im Rahmen des niederländischen Rechts Nichtigkeit der Ehe angenommen werden müßte. 3. Schwächeres

Recht

a) Deutsches Recht Nach deutschem Recht bleiben die Kinder ehelich, auch wenn die legitimierende Ehe für nichtig erklärt wird (§ 1719 Halbs. 2 BGB). b) Niederländisches Recht Hier bestimmt Art. 150 B W : „Een huwelijk, hetwelk nietig verklaard is, heeft niettemin alle deszelfs burgerlijke gevolgen, zoo wel ten opzigte der echtgenooten, als van de kinderen, wanneer hetzelve te goeder trouw door beide de echtgenooten is aangegaan."

Eine für nichtig erklärte Ehe hat gleichwohl deren bürgerliche Rechtsfolgen, sowohl in Ansehung der Ehegatten als auch der Kinder, wenn sie in gutem Glauben durch beide Ehegatten eingegangen worden ist.

Die Kammer möchte erfahren, ob schon Kenntnis nichtigkeitsbegründender Tatsachen den guten Glauben der Eheleute ausschließt oder ob die Eheleute auch die Vernichtbarkeit der Ehe gekannt haben müssen. Im niederländischen Schrifttum werden Rechts- und Tatirrtum nicht unterschieden. Es finden sich nur die allgemeinen Hinweise, daß „goede trouw" der Ehegatten ausreiche, die in Art. 150 B W vorgesehenen Folgen eintreten zu lassen 3 5 . Nur in dem W e r k von Veegens-Oppenheim klingt 33 Asser-Wiarda Asser-Wiarda 124. 124. Vollständige Aufzählung der Nichtigkeitsgründe bei Asser-Wiarda 125-133. 35 Asser-Wiarda 134; Land, Verklaring van het Burgerlijk Wetboek (2. Aufl. 1914), 137; Pitlo-Meijling, Het Personenrecht naar het Nederlands Burgerlijk Wetboek (2. Aufl. 1950) 151-152; vgl. auch die Bemerkungen zum Neuentwurf in Parlamentaire Geschiedenes vanhetNieuwe Burgerlijk Wetboek, 1. Bd. (1962), 225. 32

34

Legitimation /

Niederlande

375

an, daß sowohl der Irrtum über Tatsachen wie auch über die Rechtmäßigkeit die Ehegatten als gutgläubig erscheinen lassen 36 . Diese Auffassung wird man als zutreffend anzusehen haben. Sie entspricht dem Interesse, den Kindern möglichst weitgehend entgegen zu kommen und ihnen die Rechtsstellung als eheliche Kinder zu erhalten. Sie deckt sich mit der einhelligen Meinung in Frankreich und Belgien 37 , und das fällt ins Gewicht, weil Art. 150 BW aus dem romanischen Rechtskreis übernommen worden ist und inhaltlich mit Art. 201 C. c. übereinstimmt. Demnach sind die Eheleute gutgläubig im Sinne von Art. 150 BW, wenn sie entweder die nichtigkeitsbegründenden Tatsachen oder die aus ihnen folgende Vernichtbarkeit der Ehe nicht gekannt haben. c) Vergleich Da das niederländische Recht für den Bestand der Legitimation trotz Nichtigerklärung der Ehe guten Glauben der Eheleute fordert (oben b), das deutsche Recht dagegen nicht (oben a), könnte das niederländische Recht nach Art. 1 Haager Ehesdiließungsabkommen als das schwächere zum Nachteil der Kinder anwendbar sein. Hier muß näher bestimmt werden, was unter dem „schwächeren Recht" zu verstehen ist. Schwächeres Recht könnte sein: a) das Recht, das in der Hauptiolge den Ehemangel am stärksten wirken läßt; solche Folgen sind Nichtehe, nichtige, anfechtbare, aufhebbare, gültige Ehe; dem danach schwächeren Recht wären alle Nebenfolgen zu entnehmen, daher im vorliegenden Fall die Ehelichkeit der Kinder dem deutschen Recht; b) für die Hauptfolge das Recht, das für sie den Ehemangel am stärksten das Recht, das für sie wirken läßt, und für jede einzelne Nebenfolge bei der schwächeren Hauptiolge die schwächere Wirkung eintreten läßt; danach wäre im vorliegenden Fall die Ehe nichtig (deutsches Recht), aber die Ehelichkeit der Kinder hinge ab vom guten Glauben der Eheleute (niederländisches Recht bei nichtiger Ehe); c) für die Hauptiolge das Recht, das für sie den Ehemangel am stärksten wirken läßt, und für jede einzelne Nebenlolge das Recht, das für sie bei der Hauptiolge desselben Rechts die schwächere Wirkung eintreten läßt; danach wäre im vorliegenden Fall die Ehe nichtig (deutsches Recht) und die Ehelichkeit der Kinder hinge nicht ab vom guten Glauben der Eheleute (deutsches Recht; aber auch niederländisches Recht, da nach ihm die Ehe gültig ist); Veegens-Oppenheim, Schets van het Nederlandsdi Burgerlijk Recht (3. Aufl. 1923), 1. Teil, 106. 37 Nachweise bei Kaipers, Nichtehe und nichtige Ehe im französischen und belgischen Recht (Diss. Köln 1962) 45.

376

FamiHeniecht

d) das Recht, das bei einem Vergleich sämtlicher Folgen das schwächere ist; das wäre vielleicht, wenn eines der Rechte Nichtehe mit Gutglaubensschutz, das andere nichtige oder anfechtbare Ehe ohne Gutglaubensschutz annimmt, das Recht, das die Nichtehe annimmt; im vorliegenden Fall wäre es das deutsche, weil die Ehe nach niederländischem Recht keinen Fehler hat; die Kinder blieben daher nach deutschem Recht ohne Rücksicht auf guten Glauben der Eheleute ehelich. Grund der Berufung des schwächeren Rechts ist: kein Gatte soll mehr belastet werden als nach seinem Heimatrecht 38 . Daher ist die dritte der oben genannten Möglichkeiten die richtige: man wählt die schwächere Hauptfolge; die Nebenfolge bestimmt man aufgrund der Hauptfolge, die das Heimatrecht jedes Verlobten annimmt, und wählt die schwächere. Danach ist, wie bemerkt, im vorliegenden Fall die Ehe nichtig; die Kinder aber bleiben ehelich, ohne Rücksicht auf guten Glauben der Eltern, weil diese Folge in Deutschland bei nichtiger und in den Niederlanden bei gültiger Ehe eintritt. Hierfür spricht auch eine ungeschriebene Regel des deutschen IPR: man darf nicht durch Anwendung von Teilen verschiedener Rechtsordnungen auf denselben Fall zu Ergebnissen kommen, die von dem übereinstimmenden Inhalt der angewandten Rechtsordnungen abweichen 39 . Diese Regel ist im Zweifel auch auf Staatsverträge und deswegen auch auf Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen anzuwenden.

Das Ergebnis wird auch nicht dadurch verschoben, daß in den Niederlanden (nach niederländischem IPR und deswegen vielleicht auch nach niederländischer Auslegung von Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen) für den Fortbestand der Legitimation Art. 150 BW als schwächeres Recht gewählt werden würde und wir das (als eine Art „Innenverweisung*) zu beachten hätten 4 0 . Denn das niederländische IPR bestimmt die Folgen einer fehlerhaften Ehe nach dem verletzten Recht (oben A II 2) und, da vorliegend nur das deutsche Recht verletzt ist, nach diesem, so daß es auf guten Glauben der Eheleute nicht ankommt (§ 1719 Halbs. 2 BGB). Allerdings hat das LG Augsburg die Ehe für nichtig erklärt und sein Urteil wirkt auch im Zusammenhang des niederländischen Rechts (oben A II 4). Zwar wirkt es nur, soweit es die Nichtigkeit ausspricht, nicht hinsichtlich seiner Gründe. Dennoch muß auf die Gründe zurückgegangen werden, um festzustellen, nach welchem Recht die Ehe für nichtig erklärt worden ist. Es hift nicht, unabhängig von dem Urteil (etwa ohne Kenntnis seiner Gründe) festzustellen, welche Rechte anwendbar sind und nach welchem der anwendbaren Rechte die Ehe nichtig ist. Denn es kann sein, 38 Kegel in Soergel-Siebert, Art. 13, Bern. 84, 741 für Art. 13 EGBGB, dem Art. 1 Haager Eheschließungsabkommen entspricht. 39 Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 39, 110. 40 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 27, Bern. 12, 938.

Legitimation

/

Niederlande

377

daß nach den anwendbaren Rechten die Ehe gültig ist. So ist es im vorliegenden Fall, wenn § 19 EheG im Sinne der h. M. verstanden wird, daß er nur den Fall der echten Namensheirat, nicht den Fall der Legitimationsheirat trifft 41 . Da das LG Augsburg die Ehe nach § 19 EheG für nichtig erklärt hat und die Ehe nach niederländischem Recht gültig war, ist die Folge für den Bestand der Legitimation den in diesem Punkte übereinstimmenden beiden Rechten zu entnehmen: die Legitimation besteht fort. Sie besteht fort nach deutschem Recht, weil trotz Nichtigkeit der Ehe guter Glaube der Eheleute nicht nötig ist (§ 1719 Halbs. 2 BGB), und nach niederländischem Recht, weil wegen Gültigkeit der Ehe guter Glaube der Eheleute nicht möglich ist. IV.

Zwischenergebnis

Die Legitimation ist nach niederländischem Recht trotz fehlender Vaterschaft E.s zunächst wirksam. Jedoch kann sein Anerkenntnis durch Klage angefochten und damit auch die Legitimation zu Fall gebracht werden (oben I). Zustimmung der Mutter zum Anerkenntnis E.s ist nach deren insoweit maßgebenden deutschen Recht nicht erforderlich (oben II). Die Nichtigerklärung der Ehe ändert nichts am Fortbestand der Legitimation. Im deutschen Recht kommt es auf guten Glauben der Eheleute nicht an (§ 1719 Halbs. 2 BGB). Im niederländischen Recht ist Art. 150 BW, nach dem es auf guten Glauben der Eheleute ankommt, nicht anwendbar, weil die Ehe nach niederländischem Recht gültig wäre (oben III). C. ART. 22 ABS. 2 EGBGB

Dem bisherigen Ergebnis - Wirksamkeit der Legitimation vorbehaltlich einer Anfechtung des Anerkenntnisses des Muttergatten und damit der Legitimation durch Klage - könnte Art. 22 Abs. 2 EGBGB entgegenstehen. Diese Vorschrift behält, wenn das Kind deutsch ist (wie hier), die Einwilligung des Kindes vor und ebenso dessen, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, soweit das deutsche Recht solche Einwilligung fordert 42 . Für die Legitimation durch nachfolgende Ehe fordert das deutsche Recht keine Einwilligung von Kind und Mutter so wenig wie zum Anerkenntnis des Kindes durch den Ehemann. Aber solange der Eintritt der Legitimation vom Vormundschaftsgericht nicht rechtskräftig festgestellt ist, kann die Mutter wie jedermann die fehlende Vaterschaft und damit den Nicht41

Z. B. Vogel in Soergel-Siebert, IV (1963), § 19 EheG, Bern. 2, 708; a. M. Schwimann FamRZ 1958, 46 f. (gegen den der Fall spricht, daß Fräulein Schmitz Herrn Schmitz pro forma heiratet, damit das Kind legitimiert wird). 42 Näher Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 3-7, 878-880.

378

Familienrecht

eintritt der Legitimation geltend machen (vgl. § 1721 BGB). Die durch das Anerkenntnis des Muttergatten begründete Vermutung der Vaterschaft und damit der Legitimation (§ 1720 Abs. 2, Abs. 1, § 1719 BGB) ist im vorliegenden Fall widerlegt. Deshalb hat die Legitimation nach deutschem Recht hier überhaupt nicht stattgefunden. Sie ist, solange sie nicht rechtskräftig festgestellt ist, Nicht-Legitimation. Es fragt sich, ob diese Folge in entsprechender Anwendung von Art. 22 Abs. 2 EGBGB eintritt oder ob wenigstens im deutschen Recht ZustimmungseTiordernisse entsprechend der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung und der Annahme an Kindes Statt auszubilden sind. In Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 12, 881 und in Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 1964, 339 hat Kegel die Ansicht vertreten, soweit nach niederländischem Recht eine Legitimation durch Heirat der Kindesmutter (vorbehaltlich einer Anfechtungsklage) selbst dann wirksam sei, wenn dem Standesbeamten die Unwahrheit des Anerkenntnisses des Muttergatten bekannt sei, müßten aufgrund von Art. 22 II EGBGB im BGB EinwilligungserioTdernisse analog §§ 1726,1741,1746 BGB entwickelt werden. Diese Meinung muß aus folgenden Gründen korrigiert werden: Man muß bei der Legitimation durch nachfolgende Ehe zwischen dem Fall der Vaterschaft und dem Fall der Nichtvaterschaft des Muttergatten unterscheiden. Im ersten Fall besteht kein Bedarf für Zustimmungen des Kindes oder seiner Verwandten: es wird nur der Zustand hergestellt, der längst hätte bestehen sollen. Ist dagegen der Muttergatte nicht der Vater, dann liegt es wie bei der Adoption (durch einen Nichtvater) und wie bei der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung: es wird nicht der Zustand hergestellt, der bereits hätte bestehen sollen. Denn es fehlt entweder an der Vaterschaft (Adoption) oder an der Ehe (Legitimation durch Ehelichkeitserklärung). Aus diesem Grunde erschien es notwendig, Einwilligungen analog §§ 1726, 1741, 1746 BGB zu verlangen, wenn ein fremdes Recht (hier das niederländische) die Legitimation durch nachfolgende Ehe mit einem Nichtvater erlaubt (zum mindesten vorläufig, nämlich vorbehaltlich einer Anfechtung des Anerkenntnisses und damit der Legitimation durch Klage). Audi das niederländische Recht verlangt jedenfalls Einwilligung der Mutter (Art. 338 Buchstabe d BW). Nur willigt die Mutter ein in das Anerkenntnis des Kindes durch den Ehemann. Denn dieses Anerkenntnis schafft in denRechten des „Anerkenntnissystems" dem Kinde annähernd die Stellung eines ehelichen Kindes 49 .

Praktisch lief das darauf hinaus, solche Legitimationen zu unterbinden. Denn die nötigen Einwilligungen (die analog §§ 1730, 1748 III, 1750 BGB gerichtlich oder notariell hätten beurkundet sein müssen) wären kaum je erteilt worden. Daher kommt man dem Zweck des Art. 22 II EGBGB näher, wenn man an 43

Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 10, Art. 22, 880.

Legitimation / Niederlande

379

Stelle der Einwilligung den gesetzlichen Rechtszustand nach BGB setzt. Dieser ging vor der Änderung der §§ 1719, 1721 durch das FamRÄndG vom 11.8.1961 dahin, daß jedermann unbeschränkt die Unwirksamkeit der Legitimation durch den Nichtvater geltend machen konnte. Seitdem ist die Geltendmachung der Unwirksamkeit erheblich eingeschränkt durch § 1721 nF. Im vorliegenden Fall kann jedoch offen bleiben, welcher Ansicht man folgt. Verlangt man Zustimmung von Mutter und Kind, dann fehlt hier jedenfalls die Zustimmung der Kinder (die Mutter hat vielleicht dem bei der Heirat abgegebenen Anerkenntnis E.s zugestimmt, vielleicht auch in der nach Art. 11 Abs. 1 Satz EGBGB ausreichenden Form des niederländischen Rechts, und das mag ausreichen). Läßt man den gesetzlichen Zustand des deutschen Rechts eintreten, dann darf wegen erwiesener Nichtvaterschaft E.s das Vormundschaftsgericht den Eintritt der Legitimation nicht nach § 31 PStG feststellen. In beiden Fällen ist die Legitimation unwirksam.

D. ANFECHTUNG DES ANERKENNTNISSES NACH ART. 342 BW

Glaubt die Kammer, daß im vorliegenden Fall Art. 22 Abs. 2 EGBGB nicht zum Zuge kommt (weil weder im deutschen materiellen Recht Zustimmungserfordernisse auszubilden seien, noch der gesetzliche Zustand nach deutschem materiellem Recht zu berücksichtigen sei), so muß sie von einer zunächst wirksamen Legitimation ausgehen, die aber durch erfolgreiche Klage auf Anfechtung des Anerkenntnisses, das E. erklärt hat, zu Fall gebracht werden kann. So ist in anderen Fällen entschieden worden 4 4 . Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, daß im Interesse der Mutter und ihrer Kinder der schließlichen Legitimation durch die Ehe mit F. möglichst wenig Hindernisse in den W e g gelegt werden sollten. Es w ä r e daher zu erwägen, das Beschwerdeverfahren auszusetzen und der Mutter oder den Kindern Gelegenheit zur Anfechtungsklage zu geben. Das niederländische Recht ist nicht nur für die Legitimation, sondern auch für das Anerkenntnis maßgebend (oben A III). Es regelt die Anfechtung des Anerkenntnisess in Art. 342 BW. Art. 342 BW: „Erkenning en inroeping van Staat kunnen door iederen belanghebbende, alsmede door het openbaar ministerie, worden betwist."

Das Anerkenntnis und die Feststellung familienrechtlicher Verhältnisse können von jedem Beteiligten, ebenso wie durch die Staatsanwaltschaft, angefochten werden.

44 Vgl. AG Hamburg FamRZ 1965, 286 (betr. Frankreich); früher schon KG JZ 1958, 366 m. zust. Anm. Schwoerer (betr. Frankreich); LG Freiburg, JZ 1956, 253 m. zust. Anm. Schwoerer (betr. Frankreich); LG Koblenz, DAVorm. 31 (1959), 342 (betr. Niederlande).

380

Familienrecht

Es handelt sich um eine negative Statusklage. Ihr Ziel ist die Feststellung, daß die Kinder von E. nicht wirksam anerkannt worden sind, da er nicht der leibliche Vater der Kinder ist. Wird diese Klage erfolgreich durchgeführt, so entfällt auch die Legitimation 45 . Für die Geltendmachung der fehlenden Vaterschaft gilt im einzelnen: „Beteiligt" und damit klageberechtigt ist insbesondere die Mutter, da ihre Stellung als Vormund der Kinder (nach Art. 380 BW) betroffen ist. Dagegen ist streitig, ob auch der Anerkennende selbst das Anerkenntnis durch Klage anfechten kann. Der Höge Raad hat dies einmal verneint 4 6 , während das Schrifttum es meist bejaht 4 7 . Die Anfechtungsklage ist an keine Frist gebunden. Die Wirkungen einer erfolgreichen Anfechtung des Anerkenntnisses bestimmt Art. 342 Abs. 2 BW: „Nadat een vonnis, waarbij de betwisting van een erkenning gegrond is verklaard, in kracht van gewijsde is gegaan, wordt de erkenning geacht nimmer burgerlijke gevolgen te hebben gehad. Te goeder trouw door derden verkregen rechten zullen hierdoor nochtans niet worden geschaad

Nachdem ein Urteil, durch das die Anfechtung eines Anerkenntnisses für begründet erklärt worden ist, in Rechtskraft erwachsen ist, wird das Anerkenntnis so behandelt, als habe es nie zivilrechtliche Folgen gehabt. Der Erwerb von Rechten durch gutgläubige Dritte soll hierdurch nicht beeinträchtigt werden.

Demnach beseitigt die nach Art. 342 BW erfolgreich erhobene Anfechtungsklage sowohl das Anerkenntnis wie die Legitimation. Ergeht ein solches Urteil, bevor die Kammer in dem hier schwebenden Verfahren entschieden hat, so kann sie der Beschwerde der Mutter stattgeben. Anschließend könnte das zuständige Amtsgericht einen neuen Beschluß nach § 31 PStG fassen und feststellen, daß die Kinder durch die Ehe der Mutter mit F. legitimiert worden sind. E. GESAMTERGEBNIS

Ob die Kinder Adam, Eva und Robert Andreas G. durch die Heirat ihrer Mutter mit E. legitimiert worden sind, entscheidet das niederländische Recht. Dieses verlangt Heirat der Kindesmutter und Anerkenntnis der Kinder durch den Muttergatten (oben AI). Die Gültigkeit der Ehe richtet sich nach deutschem und niederländischem Recht. Den Ausschlag gibt das Recht, das die schwächeren Wirkungen eintreten läßt. Da ein deutsches Nichtigkeitsurteil vorliegt, ist auch für das niederländische Recht von der Nichtigkeit der Ehe auszugehen (oben All). 45 46 47

Höge Raad 14. 4. 1944, N. J. 1944 Nr. 284; Asser-Wiarda Höge Raad 6. 11. 1930, W. 1930 Nr. 12231. Asser-Wiarda 518 mit Nachweisen.

517.

Legitimation / Belgien

381

Die Gültigkeit des von E. erklärten Anerkenntnisses richtet sich nach niederländischem Recht. Nur für das Erfordernis der Zustimmung der Mutter gilt kraft Rückverweisung deutsches Recht (oben A III). Die Legitimation ist nach niederländischem Recht trotz fehlender Vaterschaft E.s zunächst wirksam. Jedoch kann sein Anerkenntnis durch Klage angefochten werden und damit auch die Legitimation zu Fall gebracht werden (oben B I). Zustimmung der Mutter zum Anerkenntnis E.s ist nach dem insoweit maßgebenden deutschen Recht nicht erforderlich (oben B II). Die Nichtigerklärung der Ehe ändert nichts am Fortbestand der Legitimation. Im deutschen Recht kommt es auf guten Glauben der Eheleute nicht an (§ 1719 Halbs. 2 BGB). Im niederländischen Recht ist Art. 150 BW, nach dem es auf guten Glauben der Eheleute ankommt, nicht anwendbar, weil die Ehe nach niederländischem Recht gültig wäre (oben B III und insbesondere zum guten Glauben nach Art. 150 BW B III 3 b). Die Legitimation ist jedoch nach dem von Art. 22 Abs. 2 EGBGB insoweit berufenen deutschen Recht unwirksam, entweder weil die Kinder (und vielleicht auch die Mutter) der Legitimation nicht zugestimmt haben oder weil die Legitimation nach § 31 PStG noch nicht bestätigt ist und wegen erwiesener Nichtvaterschaft auch nicht bestätigt werden darf (oben C).

Nr. 35 Belgien 1. Maßgebliches Recht für Legitimation durch nachfolgende Ehe nach deutschem und belgischem internationalem Privatrecht, wenn der Ehemann der Mutter Staatenloser oder Flüchtling ist und in Belgien wohnt. 2. Legitimation durch nachfolgende Ehe trotz Nichtvaterschaft des Ehemannes der Mutter nadi belgischem Recht. 3. Vereinbarkeit einer nach ausländischem (belgischem) Recht wirksamen Gefälligkeitslegitimation mit dem deutschen ordre public. Hamburg G 164/65 vom 10. 3.1966

Das Amtsgericht Oldenburg (Oldb.) bittet in der Legitimationssache C. um Auskunft über belgisches Recht. Das Gericht fragt, „ob die am 18. 8. 1946 in Hahn/Oldb. geborene Krystina C. dadurch legitimiert worden ist, daß die Mutter des Kindes am 6.12.1952 in Möns (Belgien) den Bergmann Franko G. geheiratet hat, wobei beide Eheleute unverzüglich erklärt haben, das oben genannte

382

Familieniecht

Kind anzunehmen und zu legitimieren". Es weist darauf hin, daß G. nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Aus den mitübersandten Akten ergibt sich nicht, welche Staatsangehörigkeit die jetzigen Eheleute G. besitzen, sondern nur, daß sie weder deutsche noch belgische Staatsangehörige sind. Der Ehemann ist am 26. 3. 1922 in Shitomir (Ukraine) als Kind dort wohnhafter Eltern geboren, die Kindesmutter am 18.11.1923 in Olchowa, „polnische Ukraine", ebenfalls als Kind dort wohnhafter Eltern. Die Kindesmutter wohnte zur Zeit der Geburt des Kindes „im Lager Bockhorn" und wurde in einem „British DP Hospital" entbunden. I. Internationale

Zuständigkeit

Ist die Geburt des Kindes in einem deutschen Geburtenbuch eingetragen, so ist das deutsche Vormundschaftsgericht zur Anordnung der Beischreibung der Legitimation am Rande des Geburteneintrags auch dann international zuständig, wenn die Legitimation selbst nach ausländischem Recht erfolgt ist. Daß das Legitimationsstatut weitere Erfordernisse für die Legitimation aufstellt, als sie im deutschen Recht vorgesehen sind, hindert die internationale Zuständigkeit nicht

II. Deutsches Internationales

Privatrecht

Die Legitimation eines unehelichen Kindes richtet sich, da nach allgemeiner Auffassung Art. 22 EGBGB als allseitige Kollisionsnorm zu lesen ist 2 , nach dem Heimatrecht des Vaters. Vater im Sinne des Legitimationsrechtes ist hier Franko G. Im folgenden wird unterstellt, daß Franko G. entweder staatenlos ist oder infolge von Ereignissen, die vor dem 1.1.1951 eingetreten sind, und aus begründeter Furcht vor Verfolgung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, d. h. nunmehr Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. 7. 1951 ist, dem sowohl Deutschland als auch Belgien als Vertragsstaaten angehören 3 . In beiden Fällen ist - nach Art. 29 EGBGB bzw. Art. 12 des Abkommens - statt seines Heimatrechts belgisches Recht anzuwenden, falls nicht das belgische Kollisionsrecht eine Rück- oder Weiterverweisung ergibt 4 . KG 9. 12. 1957, N J W 1958, 635 = IPRspr. 1956/57 Nr. 120. SoergeUSiebert(-Kegei), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Art. 22 Rz. 1 mit weiteren Nachweisen; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 377. s BGBl. 1953 II 559; 1954 II 619. 4 Vgl. SoergeI/Siebert(-KegeI), Art. 22 Rz. 48 mit weiteren Nachweisen. 1

2

Legitimation III. Belgisches

/ Belgien

Internationales

383 Privatrecht

Das belgische Recht enthält keine ausdrückliche, dem Art. 22 EGBGB entsprechende Vorschrift über das Legitimationsrecht, sondern nur die einseitige Kollisionsnorm des Art. 3 III des belgischen Code civil. Art. 3 III C. c.: „Les lois concernant l'état et la capacité des personnes régissent les Belges, même résidant en pays étranger."

Die [belgischen] Gesetze über den Personenstand und die (Geschäfts-) Fähigkeit sind für die Belgier maßgebend, auch wenn sie sich im Ausland aufhalten.

Aus dieser Vorschrift wird aber hergeleitet, daß die Legitimation als persönliches Rechtsverhältnis sich nach dem Heimatrecht der Beteiligten richtet. Bei verschiedenem Heimatrecht der Beteiligten gibt die herrschende Meinung in Belgien dem Heimatrecht des Vaters den Vorzug 5 . Da auch Belgien die Staatenlosen nach ihrem Wohnsitzrecht behandelt 8 und, wie gesagt, dem Genfer Flüchtlingsabkommen beigetreten ist, so bleibt es bei der Maßgeblichkeit belgischen Rechts. IV. Materielles

belgisches

Recht

Die Legitimation eines unehelichen Kindes richtet sich in Belgien nach Art. 331 C. c. in der Fassung vom 10. 2.1958. Art. 331 I: „Les enfants nés hors mariage sont légitimés par le mariage subséquent de leurs père et mère lorsque ceux-ci les ont légalement reconnus avant leur mariage ou qu'ils les reconnaissent dans l'acte même de célébration."

Die außerehelich geborenen Kinder werden durch die nachfolgende Ehe ihres Vaters und ihrer Mutter legitimiert, wenn diese sie gesetzmäßig vor ihrer Eheschließung anerkannt haben oder sie in der Eheschließungsurkunde selbst anerkennen.

Im vorliegenden Fall ist zwar Franko G. nicht Kindes. Aber die belgische Literatur behandelt offensichtlich nicht von beiden anerkennenden nicht als problematisch7. Das beruht darauf, daß 5

der wirkliche Vater des den Fall, daß das Kind Ehepartnern abstammt, im belgischen Recht die

Trib. civ. Bruges 18. 3. 1959, zitiert bei van Reepinghen, Recueil annuel de Jurisprudence belge 1963, 365 Nr. 7; Graulich, Principes de droit international privé (1961) 74 (no. 100) und 111 (no. 156); Pouliet, Manuel de d. i. p. beige (3. Aufl. 1947) 468 (nos. 394 f.) ; de Vos, Le problème des conflits de lois I (1946) 225 f. (nos. 183 f.) unter Anführung einer Entscheidung des Zivilgerichts Brüssel v. 22.11. 1910. • Graulich no. 88. 7 Vgl. de Page, Traité élémentaire de droit civil belge, Bd. I (3. Aufl. 1962) no. 1237.

384

Familienrecht

legitimierende Wirkung der Eheschließung nicht eigentlich auf der Abstammung beruht (so nach dem deutschen Abstammungsprinzip), sondern auf der förmlichen Anerkennung des Kindes (gemäß dem französischen Anerkennungsprinzip). Ein Anerkenntnis aber ist nach belgischem Recht auch dann, wenn es den Tatsachen nicht entspricht, wirksam, solange es nicht von irgendeinem daran Interessierten angefochten wird. Art. 339: „Toute reconnaissance de la part du père ou de la mère, de même que toute réclamation de la part de l'enfant pourra être contestée par tous ceux qui y auront intérêt."

Jedes Anerkenntnis von Seiten des Vaters oder der Mutter, ebenso wie jede Beanspruchung (des ehelichen Status) von Seiten des Kindes, kann durch jeden, der daran ein Interesse hat, angefochten werden.

Auch die belgische Rechtsprechung setzt die Wirksamkeit eines bewußt falschen Anerkenntnisses („reconnaissance de complaisance" oder „reconnaissance mensongère") als selbstverständlich voraus. So etwa dann, wenn sie dem Vater, der die Unrichtigkeit seines Anerkenntnisses kannte, ein Anfechtungsrecht zubilligt 8 . Das Ergebnis stimmt mit der Rechtslage in Frankreich überein, wo im wesentlichen gleichlautende Artikel des Code civil gelten. Auch hier setzt die Rechtsprechung bei bewußt falschem Anerkenntnis die Wirksamkeit als selbstverständlich voraus 9 . Es ergibt sich also, daß nach belgischem ebenso wie nach französischem Recht die Wirksamkeit einer Legitimation nicht davon abhängig ist, daß das Kind tatsächlich von den anerkennenden Ehepartnern abstammt. V. Deutscher ordre public In der deutschen Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Feststellung einer nach ausländischem Recht eingetretenen Legitimation, die auf einem wider besseres Wissen abgegebenen Anerkenntnis beruht, gegen den deutschen „ordre public" (Art. 30 EGBGB) verstößt. Man hat dabei freilich meist den Fall im Auge, daß das zu legitimierende Kind bisher die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Nach deutschem Recht wäre eine solche Legitimation nicht möglich; nach belgischem Recht ist sie gültig, aber jederzeit anfechtbar. Das Kammergericht hält diese Abweichung für nicht so erheblich, daß sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstieße 1 0 . 8 Liège 6. 2. 1947, zit. bei: Waleiie-Delahaye, Répertoire décennal de la Jurisprudence Belge 1947-55, 41 no. 59; vgl. für einen anderen Fall eines „Gefälligkeitsanerkenntnisses": Trib. Bruxelles 20. 6. 1953, zit. bei van Reepinghen, Recueil 1958, 413 no. 7. 8 Paris 7. 11. 1958 und 28. 5. 1959, D. 1960. J. 10, zit. bei van Reepinghen, Recueil 1960, 413 no. 13. 10 KG 9. 12. 1957 mit zust. Anm. Schwoerer in JZ 1958, 368 f.

Legitimation

/ Belgien

385

Demgegenüber behauptet das Landgericht Memmingen u , die jederzeitige Anfechtbarkeit sei unvereinbar mit dem Zweck des deutschen Personenstandsregisters, eine sichere Grundlage für die beurkundeten Personenstandsverhältnisse zu schaffen. Aber auch nach deutschem Recht können ja die Legitimationswirkungen durch eine Anfechtung beseitigt werden, so daß jede Legitimation mit einer gewissen Unsicherheit belastet ist. Dürfte eine zunächst wirksame, aber anfechtbare Legitimation nicht ins Personenstandsregister eingetragen werden, so würde dieses seinen Zweck verfehlen, alle bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen widerzuspiegeln. Ferner wird gegen die Wirksamkeit einer „Gefälligkeitslegitimation" in Deutschland eingewandt, sie knüpfe unter Umständen gegen den Willen des Kindes ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihm und einer anderen Person. Ein solches Ergebnis ist nach Ansicht des OLG Karlsruhe 1 2 mit den Grundsätzen des deutschen Rechts jedenfalls dann unvereinbar, wenn das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat. Aus den Vorschriften der §§ 1726 I i. V.m. 1728, 1751 II BGB folge nämlich, daß ein Kind von diesem Zeitpunkt an gegen seinen Willen weder für ehelich erklärt noch adoptiert werden könne. Ob dieser Grundsatz die Anwendung des Art. 30 EGBGB bei der unfreiwilligen Legitimation eines deutschen Kindes rechtfertigen würde, kann hier dahinstehen, da es sich hier um ein ausländisches Kind handelt. Denn nach Art. 22 II EGBGB ist bei ausländischem Legitimationsstatut die nach den deutschen Gesetzen erforderliche Einwilligung des Kindes nur dann einzuholen, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Gründe, die für eine Anwendung des Art. 30 EGBGB vorgebracht werden, sind also nicht überzeugend. Es ist daher jedenfalls für den Fall, daß das legitimierte Kind nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, der überwiegenden Ansicht zu folgen, welche die Verletzung des deutschen „ordre public" durch eine „Gefälligkeitslegitimation" verneint 1 3 . Dieses Ergebnis entspricht für den vorliegenden Fall auch der Billigkeit, weil das Kind anderenfalls einen „hinkenden" Personenstand erhalten würde: Nach deutschem Recht gälte es weiterhin unter dem Namen C. als uneheliches Kind, nach belgischem Recht unter dem Namen G. als eheliches.

11

LG Memmingen 14. 7. 1956, JZ 1957, 28 = IPRspr. 1956/57 Nr. 121. OLG Karlsruhe 31. 12. 1964, JZ 1965, 648. 13 Siehe auch LG Freiburg 26. 7. 1965, FamRZ 1965, 622; 9. 5. 1955, JZ 1956, 253 mit zust. Anm. Schwoerer = IPRspr. 1954/55 Nr. 109; Palandt-Lauterbach, BGB (25. Aufl. 1966) Art. 22, Anm. 4 a a. E.; Schwoerer, StAZ 1953, 145 ff. (147 f.). 12

25 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

386

Familienrecht VI.

Ergebnis

Gegen die Eintragung der Legitimation im deutschen Geburtenbuch bestehen - unter der Voraussetzung, daß Franko G. staatenlos oder Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens ist - keine Bedenken.

Nr. 3 6 Italien

1. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Feststellung der Legitimation eines Kindes. 2. Maßgebendes Recht für die Legitimation durch nachfolgende Ehe nach deutschem und italienischem Internationalen Privatrecht. 3. Formelle und sachliche Voraussetzungen für eine Legitimation durch nachfolgende Ehe, insbesondere Vater- und Mutterschaftsanerkenntnis und deren Voraussetzungen, nach italienischem Recht. 4. Legitimation trotz Anerkennungsverbot nach italienischem Recht. Hamburg G 110/66 vom 23.9.1966

Das Vormundschaftsgericht Wolfsburg bittet in der Sache Angela J. um Auskunft über italienisches Familienrecht. Angela J. ist am 1.3.1964 in Wolfsburg geboren. Die Ehe ihrer Eltern ist am 3.10.1963 geschieden worden. Da die Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit keinen ehelichen Verkehr mit ihrem Ehemann gehabt hatte, hat dieser die Ehelichkeit des Kindes angefochten; der Klage ist durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 15.1.1965 stattgegeben worden. Erzeuger des Kindes ist der ledige italienische Staatsangehörige Amleto D. gewesen. Dieser hat die Vaterschaft in der notariellen Urkunde des Notars B.vom 14.5.1966 anerkannt; auch die Kindesmutter hat die Mutterschaft in der gleichen Urkunde anerkannt. Herr D. und die Kindesmutter haben am 26.5.1966 in Wolfsburg geheiratet. Das Amtsgericht Wolfsburg bittet um Auskunft darüber, ob bzw. ab wann das Kind nach italienischem Recht durch die Eheschließung legitimiert ist. I. Internationale

Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts für die Feststellung der Legitimation ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Geburt des Kindes in einem deutschen Geburtenbuch eingetragen ist. Dies gilt im Interesse einer ordnungsgemäßen Führung der Personenstandsbücher

Legitimation

/ Italien

387

auch in den Fällen, in denen die Legitimation materiell von einem ausländischen Recht beherrscht wird und dieses entweder die Legitimation an strengere Voraussetzungen knüpft als das deutsche Recht 1 oder eine derartige Maßnahme nicht für erforderlich hält 2 . Grundsätzlich ist die internationale Zuständigkeit des deutschen Vormundschaftsgerichts nach § 31 PStG selbst dann gegeben, wenn der fremde Staat die ausschließliche Zuständigkeit zur Feststellung der Legitimation für seine Behörden in Anspruch nimmt, vorausgesetzt, daß es sich lediglich um eine rein deklaratorische Feststellung des Eintritts der Legitimation handelt. Nur wenn das maßgebliche Legitimationsstatut eine konstitutive Rechtsgestaltung vorsieht, ist die Inanspruchnahme ausschließlicher Zuständigkeit seitens der Gerichte (Behörden) des Legitimationsstatuts zu beachten und den deutschen Gerichten eine (konkurrierende) Zuständigkeit zu versagen, damit „hinkende" Legitimationen vermieden werden 8 . II. Bestimmung des 1. Deutsches Internationales

Legitimationsstatuts

Privatrecht

Die Frage der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung richtet sich, wie dem von Rechtsprechung und Lehre zur vollkommenen (allseitigen) Kollisionsnorm entwickelten Art. 22 EGBGB zu entnehmen ist, nach dem Heimatrecht des Erzeugers des unehelichen Kindes im Zeitpunkt der Eheschließung 4 . Das deutsche Internationale Privatrecht verweist somit im vorliegenden Fall für die Voraussetzungen der Legitimation auf das italienische Recht. Eine Rück- oder Weiterverweisung durch das italienische Kollisionsrecht wäre jedoch zu beachten (Art. 27 EGBGB)5. 2, Italienisches Internationales

Privatrecht

Die in Italien herrschende Auffassung beurteilt die Legitimation durch nachfolgende Ehe gemäß Art. 20 prel. (Einleitung zum Codice civile) über 1 Beitzke, Internationale Zuständigkeit in Legitimationssachen, in: Festschrift für H. Kraus (1954) 20 (29); Dölie, Uber einige Kernprobleme des internationalen Rechts der freiwilligen Geriditsbarkeit: RabelsZ 27 (1962) 201 (231). 2 OLG Hamm 2. 5. 1949, IPRspr. 1945/49 Nr. 78; Pieiffer/Strickert, PStG (1961) 436; Schmitt, Die Eintragung in deutsche Personenstandsbücher in Fällen mit Auslandsbeziehung, hrsg. v o n Peters (1960) 132ff.; Gymnich, StAZ 1960, 132f. 3 LG Stuttgart 8. 6. 1956, IPRspr. 1956/57 Nr. 122; AG Leonberg 6. 10. 1955, IPRspr. 1954/55 Nr. 112; Serick, Parallelwirkungen im Internationalen Privatrecht: RabelsZ 21 (1956) 207 (232); Schwenn in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955) 364ff.; Beitzke 30; Makarov, SJZ 1950, 911 f. (Anm. zu OLG Nürnberg 8. 5. 1950). 4 RGZ 125, 265 (268); Soergel(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Art. 22 EGBGB Anm. 1-8, 20; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 377; M. Woiff, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 220. 5 Vgl. für alle: Soergel(-Kegei), Art. 22 EGBGB Anm. 48.

25 *

Familieniecht

388

die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern ebenfalls nach dem Heimatrecht des Vaters 6 . Eine Rüdeverweisung liegt hier also nicht vor. III. Die Legitimation 1. Form und

nach italienischem

Recht

Wirkungen

Das italienische Recht kennt ebenso wie das deutsche eine Legitimation durch nachfolgende Ehe (Artt. 280 bis 290 Cod. civ.). Nadi Art. 283 Cod. civ. erlangen die durch nachfolgende Ehe legitimierten Kinder die Rechtsstellung ehelicher Kinder vom Tage der Eheschließung an, sofern sie von beiden Eiternteilen in der Heiratsurkunde oder in einem vor der Ehe aufgenommenen Akt anerkannt werden, bzw. vom Tage der Anerkennung an, wenn die Eltern die Anerkennungserklärung erst nach der Eheschließung abgeben. Das in notarieller Urkunde abgegebene Anerkenntnis der Vaterschaft bzw. Mutterschaft genügt hinsichtlich der Form den Erfordernissen des Art. 2541 Cod. civ. Ein besonderes Legitimationsverfahren kennt das italienische Recht nicht. Mit der Heirat der Eltern, die das Kind formell anerkannt haben, erhält das Kind ipso iure den Status eines durch nachfolgende Ehe legitimierten Kindes 7 . Die Feststellung der Legitimation wird nicht als Akt der freiwilligen oder streitigen Gerichtsbarkeit angesehen, sondern nur als eine rechtliche Bestätigung eines Tatgeschehens, nämlich der Eheschließung der Eltern des Kindes. Entspricht eine im Ausland erfolgte Bestätigung der italienischen Rechtsanschauung, so werden keine Bedenken gegen ihre Wirksamkeit in Italien erhoben 8. 2.

Legitimationshindernisse

Ein Legitimation durch nachfolgende Ehe kann nur erfolgen, wenn das Kind anerkannt werden kann (Art. 281 Cod. civ.). Art. 281: Weder durch nachfolgende Ehe noch durch Erlaß des Staatsoberhaupts können Kinder legitimiert werden, die nicht anerkannt werden können (Art. 251-253). Art. 251: Kinder von Personen, zwischen denen eine auch nur uneheliche Verwandtschaft in der geraden Linie unbeschränkt oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade oder eine Schwägerschaft in gerader Linie besteht, können von ihren • Vgl. Monaco, L'efficacia della legge nello spazio (2. Aufl. 1964) 217 f. 7 Cicu, La filiazione (2. Aufl. 1958) 220. 8 Morelli, Studi di diritto processuale civile internazionale (1961) 454 f.

Legitimation / Italien

389

Eltern nicht anerkannt werden, es sei denn, daß diese zur Zeit der Empfängnis das zwischen ihnen bestehende Band nicht kannten. Art. 252: Ehebruchskinder können von dem Elternteil anerkannt werden, der zur Zeit der Empfängnis nicht verheiratet war. Sie können auch von dem Elternteil anerkannt werden, der zur Zeit der Empfängnis verheiratet war, falls die Ehe durch den Tod des anderen Ehegatten aufgelöst ist. Wenn aus der aufgelösten Ehe eheliche oder legitimierte Kinder oder Abkömmlinge von solchen vorhanden sind, hat die Anerkennung erst von dem Tage an Wirkung, an dem sie, nach Anhörung des Staatsrats, durch staatliches Dekret zugelassen ist. Die Anerkennung wird nicht zugelassen, wenn die ehelichen oder legitimierten Kinder noch nicht volljährig sind und wenn sie nicht vorher gehört wurden.

Anerkennungshindernisse liegen vor bei Erzeugung in Blutschande oder im Ehebruch. Das letztgenannte Hindernis ist bei der Kindesmutter gegeben, denn diese war im Zeitpunkt der Erzeugung verheiratet. Es bestehen somit nach italienischem Recht zwar keine Bedenken gegen das Vaterschaftsanerkenntnis, jedoch gegen das Mutterschaftsanerkenntnis. Auf diese Bedenken hat das deutsche Recht Rücksicht zu nehmen. Denn die Anerkennung beider Elternteile als gesetzliche Voraussetzung für eine Legitimation unterliegt einheitlich dem Legitimationsstatut. Für das Mutterschaftsanerkenntnis kommt also nicht etwa Mutterrecht - also möglicherweise deutsches Recht, wenn die Mutter ihre deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten hat - zur Anwendung. Das wird vor allem daraus gefolgert, daß nach Art. 283 Cod. civ. das Anerkenntnis nur eines Elternteils für die Legitimation nicht ausreicht und daß deshalb notwendigerweise das beiderseitige Anerkenntnis dem Legitimationsstatut unterliegt 9 . Da aus der ersten Ehe der Kindesmutter zwei Kinder hervorgegangen sind (geboren 1961 und 1962), wird auch das Anerkennungshindernis des Art. 252 III C. c. erheblich. IV. Möglichkeit der Legitimation

trotz

Anerkennungsverbot

Das Verbot der Anerkennung eines außerhalb der Ehe gezeugten Kindes bezweckt den Schutz der italienischen Familie. Besteht die Ehe nicht mehr, weil sie durch Tod eines Partners aufgelöst ist, und sind keine ehelichen Kinder vorhanden, dann ist es dem überlebenden Partner gestattet, die Anerkennung zu vollziehen (Art. 252 II, III Cod. civ.). Literatur und • Vgl. Socini, La filiazione nel diritto internazionale privato (1958) 151; Jayme, Spannungen bei der Anwendung italienischen Familienrechts durch deutsche Gerichte (1961) 125.

390

Familienrecht

Rechtsprechung haben in Fortentwicklung dieses Grundgedankens sich überwiegend dafür ausgesprochen, Anerkennung und Legitimation dann für zulässig zu halten, wenn die frühere Ehe durch eine im Ausland erfolgte Scheidung aufgelöst ist und dieses Scheidungsurteil in Italien anerkannt wird 10 . Es bestehen keine Bedenken, dieser Rechtsprechung zu folgen, denn sie steht mit den Grundprinzipien des italienischen Familienrechts nicht in Widerspruch u . Es muß also geprüft werden, ob das deutsche Scheidungsurteil, durch das die Ehe der Kindesmutter mit ihrem deutschen Ehemann geschieden wurde, in Italien anerkennungsfähig ist. Diese Frage ist zu bejahen. Wenn die Scheidungsurteile ausländische Staatsangehörige betreffen und deren Ehe nicht in Italien geschlossen war, so wird dieses Scheidungsurteil in Italien anerkannt 12 . Hinzu kommt im vorliegenden Fall nodi, daß aus der geschiedenen Ehe minderjährige Kinder vorhanden sind. Auch diese Tatsache steht nach Ansicht des Instituts einer Legitimation nicht entgegen. Wenn auch Literatur und Entscheidungen zu dieser Frage nicht ermittelt werden konnten, ist doch von folgenden Erwägungen auszugehen: Die Anerkennungsverbote des Art. 252 C. c. bezwecken den Schutz der italienischen Familie. Wenn die neuere Rechtsprechung, wie dargelegt, eine Anerkennung zuläßt, falls die Ehe von Ausländern durch ein ausländisches Scheidungsurteil gelöst wurde, dann kann das italienische Recht auch nicht beanspruchen, in den ausländischen Familienverband der geschiedenen Ehe, zu der es überhaupt keine Beziehungen hat, durch staatliche Kontrolle in Form der in Art. 252 III C. c. vorgesehenen Ausnahmegenehmigung unter Anhörung der ehelichen Kinder einzugreifen. Problematisch bleibt, ob die vom deutschen Vormundschaftsrichter festzustellende Legitimation davon abhängt, daß zuvor das Scheidungsurteil durch ein förmliches Delibationsverfahren vor dem zuständigen italienischen Oberlandesgericht in Italien anerkannt worden ist. Die hier bekannt gewordenen Entscheidungen gehen - sofern sich dies nicht nach dem Haager Ehescheidungsabkommen, dem Deutschland nicht mehr angehört, erübrigte - von einer vorangegangenen Delibation aus 13 . Das Institut 10 App. Perugia 14. 5. 1950, Foro It. 1951, I, 222; Consiglio di Stato 15. 4. 1955, Foro It. 1956, III, 58; Cutrupia, Riconoscibilità della prole adulterina concepita in costanza di matrimonio sciolto per divorzio: Foro It. 1952, IV, 185 ff.; Bove, Sull' applicabilità dell'art. 252 c.c.: Dir. Giur. 1956, 339 ff.; Stella Richter/Sgroi, Commentario del Codice civile I, 2, Delle persone e della famiglia (1958) art. 252, 5. A. M. Cicu, La filiazione (2. Aufl. 1958) 154; Loiacono, La scioglimento del matrimonio per divorzio e l'art. 252 c. c.: Riv. Dir. Matr. 1958, 202 ff., bes. 232. 11 So im Ergebnis auch Jayme, StAZ 1965, 308 f. 12 Cass. 19. 5. 1962, Riv. Dir. Matr. 1963, 148; Monaco aaO 200. 13 Vgl. die in N. 10 genannten Entscheidungen des App. Perugia und des Consiglio di Stato. Ebenso auch Stella Richter/Sgroi aaO. - A. M. Cutrupia aaO 189 mit bedenklicher Begründung (vgl. Jayme, StAZ 1965, 309).

Legitimation / Spanien

391

neigt dazu, der Rechtsprechung zu folgen, denn das italienische Recht legt das Schwergewicht bei der Beachtung von Auslandsentscheidungen auf die Anerkennung. Erst durch diese werden kraft ausdrücklicher Bestimmung der Artt. 796 f. Cod. proc. civ. die nach dem Recht des Urteilsstaates (Deutschland) bestehenden Urteilswirkungen auf Italien erstreckt. V. Ergebnis Die Kindesmutter hat an dem für den italienischen Heimatort ihres jetzigen Mannes zuständigen Oberlandesgericht das Scheidungsurteil des Landgerichts Hildesheim vom 3.10.1963 im W e g e des Delibationsverfahrens anerkennen zu lassen. Erst nach erfolgter Anerkennung kann die Legitimation vom Vormundschaftsgericht ausgesprochen werden. Da die Anerkennung durch die Eltern vor ihrer Heirat erfolgt ist, tritt die Legitimation mit dem Zeitpunkt der Eheschließung ein (Art. 283 Cod. civ.).

Nr. 37 Spanien 1. MaSgebendes Recht für Legitimation nach deutschem und spanisdiem IPR. 2. Maßgebendes Recht für die Vorfragen der Legitimation durdi nadifolgende Ehe (Unehelichkeit des Kindes, gültige Heirat der Eltern) nach deutschem internationalem und materiellem Familienredit. 3. Feststellung der Ehelichkeit eines Kindes trotz Fehlens einer in Deutschland anerkannten Ehe nach deutschem IPR. Hamburg G 190/65 vom 21. 2.1966 Das Amtsgericht Wolfsburg hat das Institut in der Legitimationssache Marquez P. um Erstattung einer Rechtsauskunft über Internationales Privatrecht und spanisches Kindschaftsrecht gebeten. Aus den übersandten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Die spanischen Staatsangehörigen römisch-katholischer Konfession Alejos Vicens M. und Mercedes Marquez P. haben am 14.12.1963 vor dem katholischen Priester in Helmstedt (Niedersachsen) die Ehe geschlossen; diese Eheschließung ist im Zivilregister des spanischen Konsulats in Hannover Bd. I S. 129 eingetragen. Am 1. 7. 1965 ist die Ehe vor dem Standesbeamten in Wolfsburg geschlossen worden. Keiner der Eheleute war schon einmal verheiratet. Die Eheleute haben einen gemeinsamen Sohn, der am 3 0 . 3 . 1 9 6 5 in Wolfsburg geboren wurde. Sie haben das Kind am 22.9.1965 zu Protokoll des Vormundschaftsrichters in Wolfsburg anerkannt.

392

Familienrecht

Der Vater ist in Denia, Provinz Alicante, geboren. Vor seiner Ubersiedlung nach Wolfsburg hat er immer in Denia gewohnt. Auch seine Eltern sind in Denia geboren und haben ständig dort gelebt. Die Mutter ist in Valtierra, Provinz Navarra, geboren. Sie hat, solange sie in Spanien lebte, immer in der Provinz Navarra gewohnt, desgleichen ihre Eltern. Das Gericht bittet im Hinblick auf § 31 Personenstandsgesetz um Auskunft darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitpunkt die Legitimation des Kindes durch die nachfolgende Eheschließung seiner Eltern eingetreten ist. 1. Internationale

Zuständigkeit

für das

Legitimationsfeststellungsveiiahien

Die internationale Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts für die Feststellung der Legitimation gemäß § 31 PStG ist dann gegeben, wenn die Geburt des Kindes in einem deutschen Geburtenbuch eingetragen ist II. Ermittlung des

Legitimationsstatuts

1. Aus Art. 22 I EGBGB ist der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, daß sich die Legitimation eines unehelichen Kindes nach den Gesetzen des Staates richtet, dem der Vater zur Zeit der Legitimation angehört (Legitimationsstatut) 2 . Nach Art. 27 EGBGB ist vom deutschen Richter eine Rüdeverweisung des spanischen IPR gegebenenfalls zu beachten, denn Art. 27 EGBGB ist über die fünf dort ausdrücklich genannten Fälle hinaus auch im Rahmen des Art. 22 EGBGB anzuwenden3. 2. Das spanische Internationale Privatrecht ist im Cödigo civil vom 24.7.1889 (C. c.) - der Kodifikation des gemeinen spanischen Rechts im Gegensatz zu den sogenannten Foralrechten einzelner Provinzen - nur fragmentarisch geregelt. Die hier einschlägige spanische Kollisionsnorm ist gesetzlich nicht fixiert. Die spanische Rechtslehre vertritt die Ansicht, daß die Legitimation eines unehelichen Kindes durch nachfolgende Eheschließung der Eltern nach dem Heimatrecht des Ehemannes der Mutter zur Zeit der Eheschließung zu beurteilen ist 4 . 1 Soergel/Siebertf -Kegel), BGB, V (9. Aufl. 1961) Art. 22 EGBGB Rz. 28; Keidel, Freiwillige Gerichtsbarkeit (8. Aufl. 1963) § 69 FGG Rz. 5. 2 Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 377; SoergellSiebert(-Kegel), Art. 22 EGBGB Rz. 1, 8; Woitf, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 220. 3 SoergellSiebert(-Kegel), Art. 22 EGBGB Rz. 48 mit Nachweis der Rechtsprechung in N. 35. 4 Goldschmidt, Sistema y filosofía del derescho internacional privado II (2. Aufl. Buenos Aires 1954) 327; Verplaetse, Derecho internacional privado (1954) 425.

Legitimation

/

Spanien

393

3. Nur gemeinspanisches Recht kommt zum Zuge, denn die Foralredite kennen keine Bestimmungen über die Legitimation unehelicher Kinder. Im übrigen gilt in der Provinz Alicante, der Heimat des Vaters, auf dessen Reditsgebietszugehörigkeit es im vorliegenden Fall allein ankommt, überhaupt nur das gemeinspanische Recht. III. Geltungsbereich

des

Legitimationsstatuts

1. Das Legitimationsstatut bestimmt, ob ein Anerkenntnis durch die Eltern und ob eine gerichtliche Feststellung der Legitimation nötig ist 5 . 2. Hingegen bestimmt es nicht, ob das Kind unehelich ist. Die uneheliche Abstammung des Kindes ist Voraussetzung dafür, daß überhaupt die Kollisionsnorm über die Legitimation zum Zuge kommt 6 . a) Die Voraussetzung des Art. 22 EGBGB, daß das Kind unehelich ist, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht des Staates, dem der Ehemann der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört (Art. 18 EGBGB, zur allseitigen Kollisionsnorm erweitert) 7 . b) Die Voraussetzung des Art. 18 EGBGB, daß der in Frage kommende Mann „Ehemann der Mutter" war - d. h. hier, daß die kirchliche Eheschließung vom 14.12.1963 gültig ist - , wird von der Rechtsprechung und dem überwiegenden neueren Schrifttum nach Art. 13 EGBGB beurteilt 8 . Gemäß Art. 13 III EGBGB bestimmt sich die Form einer Ehe, die im Inland geschlossen wird, ausschließlich nach den deutschen Gesetzen; eine Ehe kommt also nur dann zustande, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden hat ( § 1 1 1 EheG). Eine Ausnahme bildet § 15 a I EheG. Danach kann eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, vor einer von der Regierung des Landes, dessen Staatsangehörigkeit einer der Verlobten besitzt - hier also der spanischen Regierung - , ordnungsgemäß ermächtigten Person in der von den Gesetzen dieses Landes vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Nach dem Beschluß des BGH vom 22. 1. 1965» genügt als solche Ermächtigung nicht eine gesetzliche Bestimmung, welche den Bürgern des betreffenden Landes auch im Ausland die Eheschließung vor einem Priester befiehlt (Art. 1387 griech. ZGB bzw. hier Artt. 42, 75 span. C. c.). VielSoergel/Siebertf -Kegel), Art. 22 EGBGB Rz. 22 mit Rspr. in N. 9 f. Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 239. 7 Palandt(-Lauterbach), BGB (25. Aufl. 1966) Art. 22 EGBGB Anm. 3; Erman (-Marquordt), Handkommentar zum BGB, Bd. II (3. Aufl. 1962), Art. 22 EGBGB Anm. 2b, bb, S. 1656; Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 22 EGBGB Rz. 21; Raape 382. 8 Siehe BGH 22. 1. 1965, BGHZ 43, 213 mit weiteren Nachweisen = N J W 1965, 1129 = JZ 1965, 531 m. Anm. Wengler = FamRZ 1965, 311 m. Anm. Bosch = StAZ 1965, 152. Vgl. auch Neuhaus, Grundbegriffe 88 f. 9 Vorige Note. 5

6

394

Familienrecht

mehr bedarf es einer ausdrücklichen Benennung von Geistlichen durch die Regierung des betreffenden Staates 1 0 . Die spanische Regierung hat erst unter dem 2.3.1964 dem Auswärtigen Amt in Bonn eine Liste der zur Vornahme von Eheschließungen zwischen spanischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland ermächtigten katholischen Priester übersandt, und zwar ohne eine Rückwirkung auszusprechen. Hiernach erfüllt eine Ehe, die bereits am 14.12.1963 von Spaniern in Deutschland nur vor einem Geistlichen geschlossen worden ist, nicht die Voraussetzungen des § 15 a EheG Es handelt sich also - trotz Gültigkeit der Eheschließung nach spanischem Recht - vom deutschen Standpunkt um eine Nichtehe (sog. hinkende Ehe); der Mann ist für die deutsche Rechtsordnung nicht „Ehemann der Mutter" und daher eine Beurteilung der ehelichen Abstammung des Kindes nach Art. 181EGBGB nicht möglich. c) Der Status des Kindes hängt unter diesen Umständen davon ab, ob eine Feststellung der Ehelichkeit trotz Fehlens einer vom deutschen Recht anerkannten Ehe in Analogie zu Art. 18 I EGBGB nach dem Heimatrecht eines bloß hypothetischen oder fiktiven Ehemannes der Mutter erfolgen kann 1 2 . Es handelt sich hier - abgesehen von den Fällen der als ehelich geltenden Brautkinder bzw. der Kinder aus „postmortalen Ehen" und der Ehelichkeit kraft Anerkennung - vor allem um die Rechtsstellung von Kindern aus „hinkenden Ehen". Diese letzte Frage ist in Rechtsprechung und Schrifttum heftig umstritten; es sind wenigstens fünf verschiedene Meinungen festzustellen: (1) Kind unehelich 1 »; (2) Kind unehelich, wenn seine Eltern sich nicht nur vorübergehend in der BRD aufhalten 1 4 ; 1 0 Dem Beschluß folgt die gesamte seitherige Rechtsprechung (siehe etwa: OLG Frankfurt 26. 4. 1965, StAZ 1965, 218; BayObLG 4. 1. 1966, BayObLGZ 1966, 1 = FamRZ 1966, 144 m. Anm. Neuhaus) und Ministerialpraxis (siehe etwa: Runderlaß des niedersächsischen Ministers des Inneren vom 15. 9. 1955, StAZ 1965, 325), im Ergebnis - trotz einiger Vorbehalte - auch Neuhaus, Das Vorfragenproblem bei Feststellung des Status von Kindern nur kirchlich getrauter Ausländer: FamRZ 1965, 541 ff. sub I. 11 Vgl. RdErl. des Nds. Mdl vom 20. 5. 1964, 14. 9. 1964 und 25. 1.1965, StAZ 1964, 213, 268, 1965, 71. 12 Vgl. Neuhaus, Grundbegriffe 69 und Vorfragenproblem 542 f. sub II und III Abs. 4. 1 3 RG 16. 2. 1914, LeipzZ 1914, 869; OLG München 10. 3. 1921, OLGRspr. 42, 98; AG Berlin-Mitte 4. 7. 1932, IPRspr. 1932 Nr. 95; LG Hamburg 27. 2.1954, StAZ 1956, 115 = IPRspr. 1954-55 Nr. 98; BGH 22. 1. 1965 (dazu kritisch Neuhaus, Vorfragenproblem sub. II 2, und Wengler, Anm. in J Z sub. 2); Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 307, und SoergelfSiebert(-Kegel) Art. 18 Rz. 5; vgl. auch Rabel, The Conflict of Laws, Bd. I (2. Aufl. 1958) 608. 14 OLG Celle 5. 6. 1963, FamRZ 1964, 209, im Anschluß an Henrich, FamRZ 1958, 122 ff. 123 (rechte Sp.).

Legitimation (3) Kind einer (4) Kind einer (5) Kind

/ Spanien

395

ehelich, wenn das Heimatrecht seiner Eltern es auch bei Annahme Nichtehe einem ehelichen gleichstellen würde 1 5 ; ehelich, wenn das Heimatrecht seiner Eltern es auch bei Annahme nichtigen Ehe einem ehelichen gleichstellen würde 1 6 ; ehelich 17 .

Folgt m a n einer der drei erstgenannten Ansichten, so ist hier das Kind v o m Standpunkt des deutschen Rechts unehelich. Zu (3) ergibt sich dies daraus, daß nach spanischem Recht Kinder, die aus einer Nichtehe hervorgehen, unehelich sind 1 8 . Schließt man sich h i n g e g e n einer der b e i d e n letztgenannten Ansichten an, so ist das Kind v o m Standpunkt d e s deutschen Rechts ehelich. Zu (4) folgt dies aus Art. 69 C. c., wonach Kinder, die aus einer (zivilen) nichtigen Ehe hervorgehen, ehelich sind. Ait. 69 CC: El matrimonio contraído de buena fe produce efectos civiles, aunque sea declarado nulo. Si ha intervenido buena fe de parte de uno solo de los cónyuges, surte únicamente efectos civiles respecto de él y de los hijos. La buena fe se presume, si no consta lo contrario. Sie hubiere intervenido mala fe por parte de ambos cónyuges, el matrimonio sólo surtirá efectos civiles respecto de los hijos.

Die in gutem Glauben geschlossene Ehe erzeugt bürgerliche Wirkungen, auch wenn die Ehe für nichtig erklärt worden ist. Wenn guter Glaube nur auf seiten des einen Gatten vorhanden war, entstehen die bürgerlichen Wirkungen nur bezüglich dieses Gatten und der Kinder. Der gute Glaube wird vermutet, wenn nicht das Gegenteil feststeht. Wenn beide Gatten in schlechtem Glauben waren, so erzeugt die Ehe nur bezüglich der Kinder bürgerliche Wirkungen 19.

Das Institut vertritt die Ansicht zu (5), indem e s die Ehelichkeit nach dem Heimatrecht d e s als Vater in Betracht k o m m e n d e n M a n n e s beurteilt 15 Staudinger(-Raape) 456¡ Raape, MDR 1948, 98 ff. (99 linke Sp.); Raape, Die Staatsangehörigkeit kraft Eheschließung und kraft Abstammung (1948) 70 f. (diese Ausführungen, vgl. auch aaO 67 f., verdeutlichen die pauschale, auf den hier interessierenden Fall nicht bezogene und daher insofern mißverständliche Stellungnahme von Raape, IPR 343). 16 KG 9. 7. 1937, J W 1937, 2526 (2527) = HRR 1937 Nr. 1446 = JFG 16, 55 = StAZ 1937, 332; Frankenstein, IPR, Bd. I (1926) 235 f.; wohl auch Lewald, Das deutsche IPR (1931) 129 f.; Wolff 213. 17 AG Mannheim 15. 9. 1953, StAZ 1955, 159 = (teilw.) FamRZ 1955, 303 Nr. 375 = IPRspr. 1952-53 Nr. 176; Wengler, JZ 1965, 536 f.; Palandt(-Lauterbach), Art. 18 EGBGB Bern. 3; Seiick, RabelsZ 21 (1956) 233 f.; vgl. Neuhaus, Grundbegriffe 239; Nußbaum 141. 18 Pérez González und Castán Tobeñas in Enneccerus/Kipp/Wolft, Tratado de derecho civil IV, Derecho de familia II (2. Aufl. 1952) Anhang zu § 26, S. 170. 19 übersetzt bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht V (3. Aufl.), Spanien 15.

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Familienrecht

und das Bestehen einer Ehe insofern - als bloße Voraussetzung der Ehelidikeit nach spanischem Recht - den Maßstäben dieses Rechtes unterwirft. Die Sanktion des Art. 13 III EGBGB muß sich nicht auf die Kinder erstrecken 20 . / V . Ergebnis

Nach Auffassung des Instituts ist für eine Legitimation durch nachfolgende Ehe kein Raum, da das Kind bereits von Geburt an nach dem spanischen Heimatrecht seines Vaters ehelich ist. Der Eintrag im Geburtsregister ist entsprechend zu berichtigen. Um die allseitige Anerkennung der Ehelichkeit des Kindes zu sichern, empfiehlt es sich vielleicht, den Eltern zu einer entsprechenden Statusklage im Sinne des § 640 ZPO zu raten. Nr. 38 Algerien 1. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Feststellung der Legitimation. 2. Maßgebendes Recht für Legitimation durch nachfolgende Ehe nach deutschem und algerischem (französischem) internationalem Privatrecht. 3. Fortgeltung französischen Rechts in Algerien für bestimmte Personengruppen. 4. Erwerb der algerischen Staatsangehörigkeit durch Abstammung. 5. Anerkennung der Vaterschaft nach mohammedanisdiem (malekitischem) Recht. Köln 99/64 vom 10. 3.1965

Das Amtsgericht Wuppertal, Dienststelle Wuppertal-Barmen, hat mit Schreiben vom 23.10.1964 in der Vormundschaftssache des Amtsmündels Yasmin J. um eine Auskunft über algerisches Recht gebeten.

SACHVERHALT Am 24. 8. 1964 hat die deutsche Staatsangehörige Renate J. mit dem algerischen Staatsangehörigen Ahmed S., wohnhaft in Wuppertal-Elberfeld, vor dem Standesbeamten in Wuppertal-Elberfeld die Ehe geschlos20

Vgl. die entsprechende Haltung zum Bestehen einer Ehe als Ehehindernis im Beschluß des BGH vom 12.2.1964, BGHZ 41, 136. Dazu Neuhaus, Vorfragenproblem 543 f.

Legitimation

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Algerien

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sen. Sie sind die natürlichen Eltern der am 6. September 1963 in Pforzheim geborenen Yasmin J., deren Geburt beim Standesamt Pforzheim beurkundet ist. Bei der Eheschließung haben die Eheleute S. erklärt, die Eltern der Yasmin J. zu sein. Der Ehemann S. hat ferner zu gerichtlichem Protokoll vom 6.10.1964 eidesstattlich versichert, in der Zeit vom 8.11.1962 bis 9. 3.1963 mit seiner jetzigen Ehefrau geschlechtlich verkehrt zu haben. Im gleichen Protokoll hat die Kindesmutter erklärt, in der gleichen Zeit mit keinem anderen Mann als mit ihrem jetzigen Ehemann geschlechtlich verkehrt zu haben. Beide Eheleute haben beantragt festzustellen, daß das Kind durch ihre Eheschließung die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes erlangt hat. GUTACHTEN A. VERFAHRENSRECHT

Internationale

Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Ehe ist gegeben, wenn die Geburt des Kindes in Deutschland im Geburtenbuch beurkundet oder das Kind infolge der Legitimation in ein Familienbuch einzutragen ist, oder der Vater oder das Kind zur Zeit der Legitimation die deutsche Staatsangehörigkeit hatte Das Kind hat gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 RuStAG als uneheliches Kind einer Deutschen durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Seine Geburt ist in einem deutschen Geburtenbuch beurkundet. Ferner ist mit Rücksicht auf die Eheschließung gemäß § 12 PStG ein Familienbuch anzulegen, in das gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 PStG die durch die Eheschließung legitimierten Kinder einzutragen sind. Die deutsche internationale Zuständigkeit ist daher im Hinblick auf jeden dieser Anknüpfungspunkte gegeben. B. VORFRAGE

Die Legitimation eines Kindes durch nachfolgende Ehe setzt voraus, daß die natürlichen Eltern des Kindes wirksam die Ehe geschlossen haben. Die Wirksamkeit der Eheschließung ist eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage 2 . 1 Kegei in Soergel-Siebert, Komm, zum BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), Art. 22 EGBGB, Bern. 28, 885; AG Hamburg 12. 7. 1962, StAZ 1963, 301 (302). 2 Kegel in Soergel-Siebert, Komm, zum BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Art. 22, Bern. 17, 21,47, 882, 884, 890.

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Familienrecht

Dem mitgeteilten Sachverhalt läßt sich nichts entnehmen, was gegen die Gültigkeit der vor dem deutschen Standesbeamten geschlossenen Ehe spricht. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß die Ehe - jedenfalls nach deutscher Rechtsauffassung - wirksam geschlossen wurde. C. BESTIMMUNG DES FÜR DIE LEGITIMATION MASSGEBLICHEN RECHTS (LEGITIMATIONSSTATUT)

I. Deutsches Internationales

Privatrecht

über die Legitimation eines unehelichen Kindes entscheidet nach der von Lehre und Rechtsprechung zur allseitigen Kollisionsnorm ausgebildeten Bestimmung des Art. 22 Abs. 1 EGBGB das Heimatrecht des Vaters s . Zu prüfen ist, ob das danach berufene algerische Redit eine Rückverweisung ausspricht, die nach der aus Art. 27 EGBGB abgeleiteten allgemeinen Regel zu beachten ist 4 . II. Algerisches internationales

Privatrecht

1. Allgemeines Der seit Juli 1962 bestehende selbständige algerische Staat 5 hat nach dem Abkommen von Evian vom 19. 3.1962 5a volle Souveränität auch hinsichtlich der Gesetzgebung erhalten und bestimmt danach seine Rechtsquellen selbst. Nach dem Abkommen und der von Algerien dazu angegebenen „Garantieerklärung" (déclaration des garanties) 8 bleibt der bisherige Rechtszustand unverändert, soweit er nicht mit der algerischen Souveränität in Widerspruch steht und der algerische Staat das bisher geltende Recht nicht abändert. Insbesondere ist es für Fragen des Personalstatuts bei dem nach Personengruppen verschiedenen Privatrecht geblieben: Die Angehörigen der verschiedenen Personengruppen haben jeweils ihr eigenes „Statut". So ist das französische Zivilrecht für Franzosen und die Algerier, für die es bisher als „statut civil de droit commun" galt, auch weiterhin maßgeblich. Das ergibt sich aus der algerischen „Garantieerklärung" und dem Abkommen von Evian, das im 2. Kapitel unter A II 2 b bestimmt: „Iis [les citoyens français de statut civil de droit commun] conserveront leur 3

Sie [die französischen Bürger mit dem zivilrechtlichen Statut des allgemeinen

Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22 EGBGB, Bern. 1, 878. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22 EGBGB, Bern. 48, 890 mit Nachweisen, Art. 27 EGBGB, Bern. 28, 942. 5 Vgl. Dalloz, Nouveau Répertoire de Droit, mise à jour 1964, s. „Algérie", Nr. 264-266. 6a Journal officiel de la République française (J. O.), 1962, S. 3019-3022. • J. O. 1962, 3022-3024. 4

Legitimation statut personnel qui sera respecté et appliqué par les juridictions algériennes."

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Algerien

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Redits] behalten ihr Personalstatut, das von den algerischen Gerichten zu berücksichtigen und anzuwenden ist.

In der algerischen Garantieerklärung h e i ß t e s i m 2. Kapitel, Nr. 8: „Les Algériens de statut civil de droit Die Algerier mit dem zivilrechtlichen commun sont en droit de se prévaloir Statut des allgemeinen Rechts haben de leur statut personnel non coranique das Recht, sich bis zur Verkündung jusqu'à la promulgation en Algérie d'un eines Zivilgesetzbuches, an deren Auscode civil à l'élaboration duquel ils arbeitung sie zu beteiligen sind, auf seront associés." ihr Personalstatut zu berufen.

In gleicher Weise ist es auch hinsichtlich des internationalen Privatrechts bei dem bisherigen Rechtszustand geblieben. Hier sind weiterhin die Grundsätze des französischen Kollisionsrechts maßgebend, soweit sie nicht der Souveränität Algeriens widersprechen oder vom algerischen Gesetzgeber abgeändert wurden. Eine Abänderung findet sich im 3. Teil der algerischen Garantieerklärung, unter 6, wonach ein Franzose, der sich in Algerien aufhält, aber nicht die algerischen Bürgerrechte genießt, nach seinem Heimatrecht beerbt wird, während nach französischem internationalem Privatrecht für bewegliche Sachen das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers und für unbewegliche Sachen das Recht des Belegenheitsortes maßgeblich ist 7 . Der Rechtszustand hat sich auch insoweit geändert, als bei Rechtsbeziehungen, bei denen auf der einen Seite Franzosen oder Ausländer beteiligt waren, das lokale (religiöse) Recht der auf der anderen Seite beteiligten Algerier keinesfalls mehr wie früher unanwendbar bleibt 8 . Demnach ist das für die Legitimation maßgebliche Recht unter Anwendung der im übrigen unverändert fortgeltenden Grundsätze des französischen internationalen Privatrechts zu bestimmen. 2.

Anknüpfungspunkte

Nach französischem internationalem Privatrecht wird die Legitimation wie die anderen familienrechtlichen Beziehungen grundsätzlich dem Heimatrecht der Beteiligten unterworfen 9 . Bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Beteiligten herrscht Streit darüber, ob das anzuwendende Recht wie bei der unehelichen Abstammung an die Staatsangehörigkeit des Kin7 Batiffol, Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) Nr. 650 a. E., 711. 8 Uber den früheren Rechtszustand vgl. Luchaire, Droit d'outre-mer, Précis Dalloz (3. Aufl., Paris 1959) Nr. 265, 220, 221; Dalloz, Nouveau Répertoire de Droit (2. Aufl., Paris 1962), s. „Algérie", Nr. 222-225; Gonidec, Droit d'outre-mer, 2. Bd. (Paris 1960) Nr. 146. 9 Batiffol, Nr. 392, 487; Loussouam in Juris-Classeur de Droit international (Paris 1956) sub Paternité-Filiation, Fascicule 548, Nr. 139; Dalioz(-Ponsard), Nouveau Répertoire de Droit (2. Aufl., Paris 1964), s. „Légitimation" Nr. 41.

Familienrecht

400

des geknüpft werden soll 10 , oder ob die Rechtsordnung berufen ist, nach der sich die ,Ehewirkungen' beurteilen: Nämlich das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten oder, bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, das Recht ihres gemeinsamen Wohnsitzes 11 . Die früher auch vertretene Meinung, maßgeblich sei das Heimatrecht des Vaters, findet heute keine Anhänger mehr 1 2 . 3.

Rückverweisurig

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, welcher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist, da beide zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht führen. a) Deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes Knüpft man an die Staatsangehörigkeit des Kindes an, so folgt die Rückverweisung auf das deutsche Recht daraus, daß das Kind Jasmin zwar nicht die algerische Staatsangehörigkeit, wohl aber gemäß § 4 Abs. 1, S. 1 RuStAG, als uneheliches Kind einer deutschen Mutter, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Daß das Kind Jasmin nicht die algerische Staatsangehörigkeit erworben hat, ergibt sich aus dem insoweit maßgeblichen algerischen Recht. Denn nach einem international anerkannten Rechtssatz ist die Entscheidung, ob jemand die Staatsangehörigkeit eines Staates hat, nach dem Recht dieses Staates zu treffen 13 . aa) Algerisches Staatsangehörigkeitsrecht Das algerische Gesetz Nr. 63-56 vom 27. März 1963, welches das algerische Staatsangehörigkeitsrecht regelt, bestimmt in Art. 5: „Est de nationalité algérienne par filiation: 1° l'enfant né d'un père algérien; 2° l'enfant né d'une mère algérienne et d'un père inconnu." 13°

Algerischer Staatsangehöriger kraft Abstammung ist: 1. Das Kind eines algerischen Vaters; 2. Das Kind einer algerischen Mutter und eines unbekannten Vaters.

10 Dalloz(-Ponsard), Nr. 41 ; Fiancescakis, Une extension discutable de la jurisprudence; Rivière, Journal de droit international 1956, 254-290 [286-290]; Paris 2. 7. 1926, Journal 1927, 77 (französisches Kind); vgl. Martin de la Moutte, in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs, s. „Legitimation", 345. 11 Batifiol, Nr. 477, 530, 531; Loussouarn in Lerebours - Pigeonnière, Nr. 466 B, 571. 12 Vgl. Bat iffol, Nr. 477, 531 und die Fußnote 96 a.E., ibid.; Dalloz(-Ponsaid), Nr. 41. 13 Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 155; Makarov, Allgemeine Regeln des Staatsangehörigkeitsrechts (2. Aufl. 1961) 161; Neuhaus, Grundbegriffe des internationalen Privatrechts (1962) 238. 13 * Zitiert nach dem Abdruck in Revue critique de droit international privé 1963, S. 426.

Legitimation / Algerien

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Bei dem Erwerb der algerischen Staatsangehörigkeit kommt es, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, darauf an, daß zwischen Vater und Kind die Rechtsbeziehung der „filiation", der Abstammung im Rechtssinne steht. Die tatsächliche Abstammung genügt nicht. Die Rechtsbeziehung der „filiation" ist Vorfrage für den Erwerb der algerischen Staatsangehörigkeit. Nach welchem Recht diese Vorfrage zu entscheiden ist, geht aus dem algerischen Staatsangehörigkeitsgesetz nicht hervor. Auch in Rechtsprechung oder Literatur konnten wegen der Neuheit des Gesetzes noch keine Hinweise für die Lösung dieser Frage gefunden werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß das algerische Recht sich weitgehend an das Vorbild des französischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19.10. 1945 hält 14 . Das französische Staatsangehörigkeitsgesetz bestimmt in Art. 27: „La filiation ne produit effet en matière d'attribution de la nationalité que si elle est établie dans les conditions déterminées par la loi civile française."

Die Abstammung entfaltet für den Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit nur dann Wirkungen, wenn sie nach den vom französischen Zivilrecht insoweit aufgestellten Voraussetzungen festgestellt wird.

Die Bestimmung wird allgemein als eine Verweisung auf materielles französisches Recht verstanden 15 . Es kann deswegen davon ausgegangen werden, daß nach algerischem Recht diese Vorfrage in gleicher W e i s e zu lösen ist. Anzuwenden ist also materielles algerisches Recht. Im Bereich des Familienrechts enthält das algerische Recht keine einheitliche Regelung. Vielmehr richtet sich das anzuwendende Recht für Algerier, die nicht das „Statut civil de droit commun" haben - also nach französischem Zivilrecht zu beurteilen sind - , nach der Religions- und Stammeszugehörigkeit. Im vorliegenden Fall läßt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen, ob Ahmed S. das „Statut civil de droit commun" hat und welcher Religionsrichtung oder welchem Stamm er angehört. Falls er zu der kleinen Minderheit gehören sollte, die das „Statut civil de droit commun" hat, ist er danach zu beurteilen, wenn er sich daraul beruft (Algerische „Garantieerklärung", 2. Kapitel, Nr. 8; Text und Übersetzung siehe oben C II). Da für die Angehörigkeit zu dieser Gruppe kein Hinweis gegeben ist und Ahmed S. sich nicht auf sein besonderes „Statut" berufen hat, ist das „Statut civil de droit commun", d.h. französisches Zivilrecht, nicht auf ihn anwendbar. Das maßgebliche Recht richtet sich vielmehr nach seiner Religions- und Stammeszugehörigkeit.

Abgedruckt bei Dailoz, Code civil, 1965, 11-35. Batifiol, Nr. 391, 449; Loussouarn in Juris-Classeur de droit international, „Paterunité-Filiation", Fase. 548, Nr. 11-15. 14

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Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Familieniecht

Da sich dem Sachverhalt hinsichtlich der Religionszugehörigkeit nichts entnehmen läßt, wird angenommen, daß Ahmed S. - wie der größte Teil der algerischen Bevölkerung - mohammedanischen Glaubens ist. Für die Mohammedaner ist die Verordnung vom 23. 10. 1943 maßgebend 18. Sie bestimmt in Art. 4 : „En ce qui concerne le statut personnel et les successions, les Musulmans sont régis par le rite auquel ils appartiennent ou si leur rite est incertain, par les coutumes de leur pays d'origine... Le Statut personnel des indigènes musulmans habitant le territoire cabyle, mais originaires ou faisant partie d'une tribu arabe est régi par le droit musulman. Dans les territoires du Nord à l'exclusion du M'Zab, tout Musulman est présumé, sauf preuve contraire, appartenir au rite malékite..."

Was das Personalstatut und das Erbrecht betrifft, werden die Mohammedaner nach dem Ritus beurteilt, dem sie angehören, oder wenn ihr Ritus unbestimmt ist, nach dem Gewohnheitsrecht ihrer Ursprungsgegend... Das Personalstatut der eingeborenen Mohammedaner, die berberisches Gebiet bewohnen, aber Mitglieder eines arabischen Stammes sind oder daraus stammen, werden nach mohammedanischem Recht beurteilt. In den Gebieten des Nordens, mit Ausnähme von Kabylien, und in den Gebieten des Südens, mit Ausnahme von M'Zab, wird jeder Mohammedaner, wenn das Gegenteil nicht bewiesen ist, als Angehöriger des malektischen Ritus angesehen...

Danach ist also davon auszugehen, daß jeder Mohammedaner, soweit er nicht aus Kabylien oder M'Zab stammt, als Angehöriger des malekitischen Ritus zu behandeln und in Fragen des Personalstatuts nach dem Recht dieses Ritus' zu beurteilen ist 17 . Da im vorliegenden Fall das Gegenteil nicht bewiesen ist und sogar jeder gegenteilige Hinweis fehlt, ist Ahmed S. als Malekite zu betrachten und für das Personalstatut das malekitische Recht maßgebend. Danach stammt das außereheliche Kind von seinem Erzeuger ab, wenn es von ihm als eheliches Kind anerkannt worden ist. Eine solche Anerkennung setzt voraus: 1. Die Vaterschaft des Annehmenden muß in tatsächlicher Hinsicht möglich sein. So muß z. B. zwischen Kind und Anerkennendem ein genügend großer Altersunterschied bestehen. 2. Die Anerkennung darf nicht erkennen lassen, daß das Kind aus einem unerlaubten, nämlich außerehelichen Verkehr (zina') hervorgegangen ist. Der Anerkennende muß daher im Zeitpunkt des Verkehrs, im Zeit16

J. O. 1944, 1748-1752. Vgl. Luchaire, Droit d'outre-mer (Paris 1959) 247; Dalloz, Nouveau Répertoire de Droit, mise à jour 1964, Paris, s. .Algérie", 209. 17

Legitimation / Algerien

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punkt der Geburt oder in einem dazwischen liegenden Zeitpunkt verheiratet gewesen sein. 3. Die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann darf nicht schon feststehen 1 8 . Wegen Nr. 2 entfällt aber die Möglichkeit einer legitimierenden Anerkennung des Kindes. Nach dem maßgeblichen Recht des malekitischen Ritus' stammt das Kind Yasmin also nicht von Ahmed S. ab. Ein Erwerb der algerischen Staatsangehörigkeit kraft Abstammung nach Art. 6 Nr. 1 des algerischen Staatsangehörigkeitsgesetzes ist damit ausgeschlossen. bb) Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 RuStAG erwarb das Kind aber mit der Geburt als uneheliches Kind einer deutschen Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit. cc) Ergebnis Knüpft das vom deutschen internationalen Privatrecht berufene algerische Kollisionsrecht hinsichtlich der Legitimation durch nachfolgende Ehe an die Staatsangehörigkeit des Kindes an, so verweist es auf das deutsche Recht zurück, da das Kind wohl die deutsche, nicht aber die algerische Staatsangehörigkeit besitzt. b) Wohnsitz der Eltern in Deutschland Hält man das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten, oder, bei verschiedener Staatsangehörigkeit, das Recht ihres gemeinsamen Wohnsitzes zur Entscheidung über die Legitimation für maßgeblich, so ist das Ergebnis das gleiche. Die Ehegatten sind nämlich verschiedener Staatsangehörigkeit, weil die Ehefrau S. durch die Eheschließung die algerische Staatsangehörigkeit ihres Mannes nicht erworben hat, und damit auch für das algerische internationale Privatrecht weiterhin deutsche Staatsangehörige ist. Das ergibt sich aus Art. 12 des Gesetzes Nr. 63-96 vom 27. 3. 1963 über die algerische Staatsangehörigkeit, der bestimmt: „La femme étrangère qui épouse un Algérien peut acquérir la nationalité algérienne par l'effet du mariage. Elle devra déclarer expressément avant la célébration du mariage qu'elle répudie sa nationalité d'origine.

Die ausländische Frau, die einen algerisehen Staatsangehörigen heiratet, kann algerische Staatsangehörigkeit durch die Ehe erwerben. Sie muß ausdrücklich vor der Eheschließung erklären, daß sie auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit verzichtet.

18 Milliot 292, 293 ; Bousquet 160, 161; Juris-Classeur de droit comparé (M. Magne-RouchaudJ, 2e Fascicule, Nr. 9.

26 "

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Familienrecht

Cette déclaration peut être faite sans autorisation même si la femme est mineure. La demande est adressée au ministre de la justice qui peut la rejeter. Faute de rejet dans un délai de 6 mois, la nationalité algérienne est acquise et prend effet à compter de la date du mariage à la condition que le mariage n'ait été ni annulé, ni dissous à la date de l'acquiescement exprès ou tacite du ministre de la justice." 1 »

Für diese Erklärung ist, auch wenn die Frau minderjährig ist, eine Genehmigung nicht erforderlich. Der Antrag wird an den Justizminister gerichtet, der ihn zurückweisen kann. Wird er nicht innerhalb von 6 Monaten zurückgewiesen, so tritt der Erwerb der algerischen Staatsangehörigkeit ein, und zwar mit Wirkung vom Zeitpunkt der Eheschließung an, es sei denn, daß die Ehe im Zeitpunkt, in dem der Justizminister dem Antrag ausdrücklich oder stillschweigend entspricht, für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist.

Die algerische Staatsangehörigkeit wird also nur auf Antrag erteilt. Außerdem wird der Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit verlangt. Dafür, daß diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, liegen keine Anhaltspunkte vor. Es kann d e s w e g e n davon ausgegangen werden, daß die Ehefrau die algerische Staatsangehörigkeit nicht erworben hat. W e g e n der verschiedenen Staatsangehörigkeit der Ehegatten ist also Anknüpfungspunkt für das maßgebliche Recht der gemeinsame tatsächliche Wohnsitz der Ehegatten 2 0 , der g e g e b e n ist, w e n n die Ehegatten sich tatsächlich im selben Land niedergelassen haben 2 1 . Demnach kommt deutsches Recht auch dann zur Anwendung, w e n n man nicht an die Staatsangehörigkeit des Kindes anknüpft. Das algerische Kollisionsrecht verweist damit auf das deutsche Recht zurück. Die Legitimation des Kindes Yasmin durch die Eheschließung seiner Eltern beurteilt sich nach deutschem Recht.

D. ZUSAMMENFASSUNG Das nach deutschem internationalem Privatrecht für die Legitimation maßgebende algerische Recht enthält eine Rückverweisung auf das deutsche Recht, ü b e r die Legitimation hat daher deutsches Recht zu entscheiden. Danach ist das Kind durch die (gültige) Heirat seiner natürlichen Eltern ehelich geworden.

19 Zitiert nach dem Abdruck in Revue critique de droit international privé 1963, 426-432. 20 Cour de cassation, 22. 2. 1961, Revue critique de droit international privé (Revue), 1961, 382; 15. 5. 1961 („ Ortiz c. Ortiz"), Revue 1961, 545; 15. 5. 1961 („Tarwid c. Wirtensohn"), Revue 1961, 547. 21 Cour de cassation, 15. 5. 1961 (Tarwid c. Wirtensohn), aaO.

Legitimation

/ Nigeria

405

Nr. 39 Nigeria 1. Maßgebendes Recht für Legitimation und die Vorfrage der unehelichen Abstammung nach deutschem und nigerianischem IPR. 2. Interpersonal maßgebendes Recht für Familienangelegenheiten in Nigeria. 3. Unehelichkeit und Legitimation eines Kindes nadi „common law" Nigerias (Englands). Hamburg G 184/65 vom 13. 7.1966

Das Amtsgericht Ahrensburg bittet in der Vormundschaftssadie K. um Auskunft über Internationales Privatrecht und das in der Föderation Nigeria geltende Kindschaftsrecht. Aus der übersandten Akte ergibt sich folgender Sachverhalt: Am 15. 6. 1962 wurde Ursula K. als uneheliche Tochter einer deutschen Staatsangehörigen in Hamburg geboren. Erzeuger des Kindes ist der am 30.10.1938 in B./Nigeria geborene nigerianische Staatsangehörige Luke E., der katholischer Glaubenszugehörigkeit ist. Er ist zu Studienzwecken nach Deutschland gekommen. Die Kindeseltern haben am 17. 9. 1965 in Ahrensburg die Ehe geschlossen. Soweit aus der Akte ersichtlich ist, haben sie sich mit der Durchführung des Legitimationsverfahrens einverstanden erklärt. Das Amtsgericht bittet um Auskunft über das auf eine Legitimation anwendbare Recht. I. Internationale

Zuständigkeit

Das Amtsgericht ist für die Feststellung der Legitimation nach § 31 PStG international zuständig, weil die Geburt des Kindes im deutschen Personenstandsregister eingetragen ist 1 . Soweit es sich lediglich um eine deklaratorische Feststellung des Eintritts der Legitimation, nicht aber um eine konstitutive Rechtsgestaltung handelt, ist es für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte unerheblich, ob die Legitimation deutschem oder ausländischem Recht untersteht und ob letzteres etwa den Eintritt der Legitimation an strengere Voraussetzungen knüpft als das deutsche Recht 2 . 1 Vgl. SoergelfSiebeTt(-Kegel), Komm, zum BGB V (9. Aufl. 1961) Anm. 28 zu Art. 22 EGBGB; AG Hamburg 12. 7. 1962, StAZ 1963, 301. 2 Vgl. Beitzke, Internationale Zuständigkeit in Legitimationssachen, in: Festschrift für H. Kraus (1954) 20 (29); DöIIe, über einige Kernprobleme des internationalen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit, RabelsZ 27 (1962) 201 (231); LG Stuttgart, IPRspr. 1956/57 Nr. 122.

406

Familienrecht

II. Eheliche oder uneheliche

Abstammung

Eine Legitimation setzt die Unehelichkeit des Kindes voraus. Diese Frage ist gesondert anzuknüpfen. Für sie gilt Art. 18 EGBGB, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 273. 1.Ait. 18 EGBGB Aus Art. 18 EGBGB ist der Grundsatz zu entnehmen, daß die Ehelichkeit eines Kindes nacii dem Recht desjenigen Staates beurteilt wird, dem der Ehemann der Kindesmutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört 4 . Der Ehemann der Mutter ist nigerianischer Staatsangehöriger. Demnach verweist das deutsche IPR auf das Recht der Föderation Nigeria. 2. Rück- oder

Weiteiveiweisung

In der Föderation Nigeria gelten einheitlich internationalprivatrechtliche Regeln, die im wesentlichen mit jenen des englischen Rechts identisch sind 8 . a) Statut der Ehelichkeit Nach der im anglo-nigerianischen Kollisionsrecht überwiegenden Ansicht ist die Ehelichkeit eines Kindes nach dem Domizilrecht des Ehemannes der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes zu beurteilen 6 . b) Domizil Das anglo-nigerianische Kollisionsrecht unterscheidet zwischen dem bei Geburt erworbenen „domicile of origin" (abgeleitet vom Domizil des Vaters zur Zeit der Geburt) und dem „domicile of choice" (Wahldomizil). Letzteres kann eine volljährige Person erwerben, wenn sie sich an einem anderen Ort als dem Ursprungsdomizil mit der Absicht niederläßt, dort 3

Vgl. SoergeI/Siebert(-Kegel), Anm. 17 zu Art. 22 und Anm. 38 zu Art. 18 EGBGB: Palandt(-Lauterbach), Komm, zum BGB und EGBGB (25. Aufl. 1966) Anm. 3 zu Art. 22 und Anm. 1 zu Art. 18 EGBGB; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1962) 239. 4 Vgl. SoergelfSiebert(-Kegel), Anm. 11 zu Art. 18 EGBGB; Palandt(-Lauterbach) Anm. 2 zu Art. 18 EGBGB. 6 Siehe zur Maßgeblichkeit des englischen Kollisionsrechts und der auf diesem Gebiet ergehenden Entscheidungen englischer Gerichte Elias, Groundwork of Nigerian Law (1954) 265. - Insbesonders werden auch die einschlägigen englischen Standardwerke zum IPR als Autoritäten anerkannt; Elias (aaO) nennt als solche Dicey, Cheshire und Graveson. 6 Vgl. Re Andros (1883), 24 Ch. D. 637, per Kay J. (642): „... that by international law, as recognized in this country, those children are legitimate whose legitimacy is established by the law of the father's d o m i c i l e R e Bischolsheim [1948] Ch. 79; Re Grove (1888), 40 Ch. D. 216 (244); Re Don's Estate (1857), 4 Drew. 194 (198); Dicey(-Morris), Conflict of Laws (7. Aufl. 1958) 420.

Legitimation

/

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Nigeria

für immer oder doch für unbestimmte Zeit zu bleiben (sog. animus manendi) und an den Ort des bisherigen Domizils nicht mehr zurückzukehren (sog. animus non revertendi). Ob auf diese Weise ein Wahldomizil im Sinne des anglo-nigerianisdien Rechts erworben wurde, ist Tatfrage, bei welcher Dauer und Zweck des Aufenthalts sowie alle Umstände zu berücksichtigen sind, die Rückschlüsse auf die Motive der Aufenthaltsnahme zulassen 7 . Im vorliegenden Fall kann das Institut mangels Kenntnis der näheren Umstände nicht abschließend beurteilen, ob der Ehemann bei (oder nach) der Aufenthaltsnahme in Deutschland einen solchen „animus manendi" besessen hat und daher in Deutschland ein Domizil erworben hat. Da er jedoch zu Studienzwecken nach Deutschland gekommen ist, dürfte wahrscheinlicher sein, daß er zu irgendeinem Zeitpunkt nach Abschluß dieser Studien in seine Heimat zurückkehren will, der zur Begründung eines „domicile of choice" erforderliche animus manendi also zu verneinen ist. Sollte das Amtsgericht die Feststellung treffen, daß der Ehemann zur Zeit der Geburt des Kindes in Deutschland domiziliert war, so ist die Frage der ehelichen Abstammung kraft Rückverweisung nach deutschem Recht zu beurteilen. Andernfalls kommt das in Nigeria geltende Recht zur Anwendung. III. Common Law und Customary

Law

In der Föderation Nigeria gelten nebeneinander aus England übernommenes Recht und sogenanntes „Customary Law", d. h. Eingeborenenrecht einschließlich religiösen (mohammedanischen) Rechts. Außerdem waren bisher die einzelnen Regionen der Föderation Nigeria (Lagos, Ost-, Nord- und Westregion) weitgehend autonom und konnten eigene Gesetze erlassen 8 . Auszugehen ist von den Bundesgesetzen Nigerias, d. h. von den für die gesamte Föderation geltenden Regelungen, die eine nähere Bestimmung des jeweils anwendbaren Rechtes treffen. Die Verfassung der Föderation Nigeria sieht für bestimmte Materien eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor. Gemäß Nr. 23 der Anlage zur Verfassung zählen hierzu sämtliche Bestimmungen 7 Ausführlich hierzu Henrich, Der Domizilbegriff im englischen IPR, RabelsZ 25 (1960) 436 ff.; siehe auch Dicey(-Treitel) 35 ff.; Elias, Groundwork 265 ff. 8 Vgl. Park, The Sources ofNigerian Law (1963) 38 f f N w a b u e z e , Themachinery of justice in Nigeria (1963) 30ff.; Allott, Essays in African Law (1960) 55ff., 153ff.; Elias, The Nigerian legal system (1963) 21 ff., 172ff. - Im Verlauf der Militärrevolte vom 14./15. Jan. 1966, die u. a. einen zentralistischen Aufbau Nigerias zum Ziele hatte, wurden die Regionalparlamente aufgehoben (vgl. Roucek, Der Aufstand der Militärs in Schwarz-Afrika, in: Europa-Archiv 1966, 359 ff. auf S. 363). Soweit ersichtlich, hat jedoch dieser Umsturz noch keine Auswirkungen auf das bislang geltende Privatrecht, insbesondere die Regionalgesetze, gehabt.

408

Familienrecht

über Eheangelegenheiten im weitesten Sinne, soweit sie nicht Ehen betreffen, die dem Eingeborenen- oder islamischen Recht unterstehen; letztere sind der Regionalgesetzgebung und -rechtsprechung überlassen'. Auf die hiernach dem Bund vorbehaltenen (d. h. „non-customary") Eheangelegenheiten kommen die Bestimmungen der Interpretation Ordinance (Chap. 89 der bereinigten Gesetzsammlung der Föderation von Nigeria, 1958) zur Anwendung. W i e sich aus s. 45 (1) dieses Gesetzes ergibt, sind danach für diese der Bundesgesetzgebung vorbehaltenen Eheangelegenheiten im wesentlichen die Grundsätze des Common Law maßgeblich. 45 (1) „Subject to the provisions of this section and except in so far as other provision is made by any Federal law, the common law of England and the doctrines of equity, together with the statutes of general application that were in force in England on the 1st day of January, 1900, shall be in force in Lagos and, in so far as they relate to any matter within the exclusive legislative competence of the Federal legislature, shall be in force elsewhere in the Federation."

45 (1) Nach Maßgabe der Vorschriften dieses Paragraphen und soweit nicht ein Bundesgesetz eine andere Regelung trifft, sollen das englische Common Law und die Grundsätze des Equity-Redits zusammen mit den (territorial) allgemein anwendbaren Gesetzen, die am 1. Januar 1900 in England in Kraft waren, in Lagos und - soweit sie Angelegenheiten betreffen, die zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes gehören - auch in der übrigen Föderation gelten.

Eine über diese Regelung noch hinausgehende Bestimmung enthält das Recht der Nordregion, das mit Rücksicht auf die Herkunft des Mannes - B./Northern Region - im vorliegenden Fall zu beachten ist. Gemäß s. 32 des Northern Region High Court Law, 1955, ist in sämtlichen Ehesachen grundsätzlich das in England maßgebliche Recht anzuwenden 1 0 . Die Abgrenzung, welche Ehen im Sinne der erwähnten Verfassungsbestimmung dem Eingeborenen- oder dem von England übernommenen Recht unterstehen, ergibt sich aus s. 34 des Northern Region High Court Law, 1955: „(1) The High Court shall observe, and enforce the observance of, every native law and custom which is not repugnant to natural justice, equity, and good conscience, nor incompatible either directly or by implication with any law for the time being in force, and nothing in this law shall deprive any

(1) Das Obergericht beachtet und erzwingt die Beachtung aller einheimischen Rechtssätze und -bräuche, soweit sie nicht einer fairen Justiz, der Billigkeit und der Redlichkeit widerstreiten und weder direkt noch mittelbar mit einem derzeit geltenden Gesetz unvereinbar sind, und nichts in diesem Ge-

9 Siehe hierzu im einzelnen Oluwole Iduwo Odumosu, The Nigerian Constitution: History and Development (1963) 104 ff., 395. 10 Siehe Laws of the Northern Region of Nigeria (1955) Gesetz Nr. 8/1955 [auf S. A 84],

Legitimation person of the benefit of any such native law or custom. (2) Such laws and customs shall be deemed applicable in causes and matters where the parties thereto are natives and also in causes and matters between natives and non-natives where it may appear to the court that substantial injustice would be done to either party by a strict adherence to the rules of English law.

(3) No party shall be entitled to claim the benefit of any native law or custom, if it shall appear either from express contract or from the nature of the transactions out of which any suit or question may have arisen, that such party agreed that his obligations in connection with such transactions should be regulated exclusively by English law or that such transactions are transactions unknown to native law or custom.

(4) In cases where no express rule is applicable to any matter in controversy, the court shall be governed by the principles of justice, equity and good conscience."

/ Nigeria

409

setz soll irgendeine Person der Rechtsvorteile eines solchen einheimischen Rechtssatzes oder -brauches berauben. (2) Derartige (einheimische) Rechtssätze und -brauche sollen auf Streitigkeiten und Angelegenheiten angewandt werden, deren Parteien Einheimische sind, ferner auf Streitigkeiten und Angelegenheiten zwischen Einheimischen und Nichteinheimischen, bei denen dem Gericht deutlich wird, daß durch eine strenge Befolgung des englischen Rechts einer Partei erhebliches Unrecht angetan würde. (3) Keine Partei ist berechtigt, die Rechtsvorteile eines einheimischen Rechtssatzes oder -brauches zu beanspruchen, wenn entweder aus einer ausdrücklichen Abrede oder aus der Natur der Geschäfte, aus denen ein Verfahren oder eine Streitfrage hervorgegangen ist, deutlich wird, daß die Partei zugestimmt hat, daß ihre Verpflichtungen in Verbindung mit diesen Geschäften ausschließlich nach englischem Recht geführt werden sollten, oder wenn solche Geschäfte oder Angelegenheiten den einheimischen Rechtssätzen und -brauchen unbekannt sind. (4) In Fällen, in denen keine ausdrückliche Regel auf die Streitfrage Anwendung findet, soll das Gericht sich leiten lassen von den Grundsätzen einer fairen Justiz, der Billigkeit und der Redlichkeit.

Zwar ist der Kindesvater „native" im Sinne der Interpretation Ordinance, Chap. 89 s. 3. Da aber die Frage der Ehelichkeit nicht nur ihn, sondern auch das Kind und die Kindesmutter angeht, handelt es sich hier um eine A n g e l e g e n h e i t („matter") zwischen „natives" und „non-natives" im Sinne der s. 34 (2) des Northern Region High Court Law, 1955. Die Ehelichkeit des Kindes wäre deshalb nur dann nach „customary law" zu beurteilen, w e n n die A n w e n d u n g bundesgesetzlicher Regeln und des englischen Rechts grob unbillig wäre D a v o n kann hier nicht die Rede sein. Grundsätzlich setzt nämlich eine Unterstellung unter das „customary law" voraus, daß die Betroffenen und 11

Vgl. Abs. 2 der oben zitierten s. 34 des Northern Region High Court Law.

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Familienrecht

das jeweils in Rede stehende Rechtsverhältnis zu diesem eine enge Beziehung aufweisen. Aus diesem Grunde sind Eheangelegenheiten einschließlich der Frage nach der Ehelichkeit eines Kindes nicht dem „customary law" zu unterwerfen, wenn die Eheschließung nach englischem oder einem vergleichbaren Recht erfolgt ist oder die Würdigung des Verhaltens der Beteiligten und der gesamten Umstände keine enge Beziehung zum „customary law" erkennen lassen 12 . Da die Eheschließung in Deutschland und damit in deutscher Form erfolgt ist und die Beteiligten sich mit der Durchführung des Legitimationsverfahrens hier in Deutschland einverstanden erklärt haben dürften, besteht hier keine enge Verbindung zum „customary law" des Kindesvaters. Mithin ist das in Nigeria übernommene „englische" Recht anzuwenden. /V. Inhalt des anwendbaren Rechts Nach englischem Common Law waren Kinder grundsätzlich nur dann ehelich, wenn sie entweder vor oder während einer Ehe empfangen wurden und diese Ehe entweder im Zeitpunkt ihrer Geburt bereits bestand oder durch den Tod des Vaters aufgelöst wurde 1S . Dieser Grundsatz ist durch bundesgesetzliche Regelungen der Föderation nicht abgeändert worden. Vielmehr geht der Legitimacy Act der Föderation Nigeria (Chap. 103 der bereinigten Gesetzessammlung, 1948 Bd. IV) jedenfalls insoweit von diesem Grundsatz aus, als er einer Eheschließung der Eltern nach Geburt des Kindes eine legitimierende Wirkung beilegt. Demnach ist das Kind, was seinen Status ohne die Wirkungen der nachfolgenden Eheschließung angeht, unehelich. V. Legitimation 1.Art. 22 EGBGB Hinsichtlich der Hauptfrage der Legitimation verweist das deutsche internationale Privatrecht - wie aus Art. 22 EGBGB zu entnehmen ist - auf das Heimatrecht des unehelichen Vaters im Zeitpunkt der Eheschließung. Mithin wird wiederum auf das in Nigeria geltende Recht verwiesen. 2. Rück- oder

Weiterverweisung

Die Kollisionsregeln des Common Law stellen für die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung auf das Domizilrecht des unehelichen Vaters ab, und zwar kumulativ auf das Recht am Domizil zur Zeit der 12

Vgl. Park 101, 104, 113, 131 f.; Daniels, The Common Law in West-Africa (1964) 381; Allott 210, 217. 13 Vgl. Bromley, Family Law (2. Aufl. 1962) 269 ff. und die dortigen Nachweise.

Legitimation

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411

Geburt d e s Kindes und zur Zeit der Eheschließung. Bei e i n e m zwischenzeitlich erfolgten Domizilwechsel ist das Kind nur dann ehelich, w e n n beide Rechte eine legitimatio per subsequens matrimonium anerkennen 1 4 . Nach d e n heute g e l t e n d e n G e s e t z e n Nigerias (wie übrigens auch Englands) kommt es für die Legitimation nur auf das Domizil des unehelichen Vaters im Zeitpunkt der Eheschließung an. Die einschlägigen Bestimmung e n des bereits erwähnten nigerianischen Legitimacy A c t (die nahezu wörtlich mit j e n e n d e s englischen Legitimacy Act, 1926-1959, übereinstimmen) sagen: 9 (1) „Where the parents of an illegitimate person marry or have married one another, whether before or after the commencement of this Ordinance, and the father of the illegitimate person was or is, at the time of the marriage, domiciled in a country, other than Nigeria, by the law of which the illegitimate person becomes legitimated by virtue of such subsequent marriage, that person, if living, shall in Nigeria be recognized as having been so legitimated from the commencement of this Ordinance or from the date of the marriage, which-ever last happens, notwithstanding that his father was not at the time of the birth of such person domiciled in a country in which legitimation by subsequent marriage was permitted by law."

9 (1) Wenn die Eltern einer unehelichen Person einander heiraten oder geheiratet haben - sei es vor oder nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes - und wenn der Vater der unehelichen Person zur Zeit der Eheschließung in einem Land außerhalb Nigerias domiziliert war oder ist, nach dessen Recht die uneheliche Person kraft dieser Legitimation durch nachfolgende Eheschließung legitimiert wurde, so wird diese Person, falls sie am Leben ist, in Nigeria als so legitimiert angesehen, (und zwar) vom Inkrafttreten dieses Gesetzes oder vom Zeitpunkt der Eheschließung an, je nachdem welcher Zeitpunkt später liegt, auch wenn der Vater zur Zeit der Geburt der Person nicht in einem Lande domiziliert war, in dem die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung gesetzlich zugelassen war.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß nach d e n nigerianischen Gesetzesbestimmungen - s o w e i t d i e s e d e m Institut v o r l i e g e n - das Kind auch dann durch die nachfolgende Eheschließung seiner Eltern legitimiert wurde, w e n n der Ehemann der Mutter im Zeitpunkt der Eheschließung in Nigeria domiziliert war und daher das nigerianische Recht a n z u w e n d e n ist.

14

Nachweise bei Dicey(-Morris)

435.

Familienrecht

412

Nr. 40 Syrien 1. Maßgebendes Recht für die Legitimation und deren Vorfragen (hier Unehelichkeit des Kindes) nach deutschem und syrischem IPR. 2. Maßgebendes Recht für familienrechtliche Fragen nach syrischem interpersonalem Recht. 3. Legitimation eines Kindes und Legitimation durch Anerkennung nach islamischem Recht sunnitisch-hanafitischer Schule. Köln 85/66 vom 21.12. 1966

Das Amtsgericht Ahlen i. Westf. hat durch Verfügung vom 9. 9. 1966 in der Legitimationssache Günter S. um ein Gutachten über syrisches Legitimationsrecht gebeten. SACHLAGE Am 14.10. 1965 wurde Günter S. in Ahlen i. Westf. als unehelicher Sohn der deutschen Staatsangehörigen evangelischer Konfession Roselies S. geboren. Am 23.11.1965 erkannte der syrische Staatsangehörige Mohamed D. aus Aleppo/Syrien, wohnhaft in Ahlen i. Westf., vor dem Amtsgericht Ahlen i. Westf. die Vaterschaft über das Kind Günter S. an. Am 2. 8.1966 schlössen der Erzeuger und die Kindesmutter vor dem Standesbeamten in Ahlen i. Westf. die Ehe. Das Amtsgericht Ahlen i. Westf. bittet um Beantwortung der Frage, ob durch die nachfolgende Eheschließung der Eltern das vorehelich geborene Kind legitimiert worden ist.

RECHTSLAGE A. KOLLISIONSRECHT

I. Deutsches Internationales 1. Hauptfrage

der Legitimation

Privatrecht

des Kindes: Art. 22 EGBGB

Ein Staatsvertrag zwischen Syrien und der Bundesrepublik Deutschland, der sich mit Fragen der Legitimation vorehelich geborener Kinder durch die nachfolgende Ehe der Eltern befaßt, besteht nicht. Es gelten daher die allgemeinen deutschen Kollisionsregeln.

Legitimation

/ Syrien

413

Aus Art. 22 I EGBGB folgt, da diese Vorschrift zur allgemeinen Kollisionsnorm auszubauen ist, daß sich die Legitimation eines Kindes nach den Gesetzen des Staates, dem der Vater zur Zeit der Legitimation angehört, bestimmt 1 . Dieser Grundsatz ist durch Art. 3 II, 117 GG nidit aufgehoben worden 2 . Insbesondere bestimmt das Heimatrecht des Vaters, ob die Heirat der Eltern eines vorehelich geborenen Kindes dessen Legitimation zur Folge hat 3 . Dabei ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Legitimation wirksam wird 4 . Da Mohamed D. zur Zeit der Heirat Staatsangehöriger der Republik Syrien war, verweist das deutsche internationale Privatrecht auf das Recht dieses Staates. Diese Verweisung umfaßt alle Arten der Legitimation, wie sie in §§ 1719-1740 BGB umschrieben oder in wesensgleichen Regeln ausländischer Rechte enthalten sind 5 . 2. Vorfrage

der Ehelichkeit

des Kindes: Art. 18 EGBGB

Voraussetzung für die Anwendung der Regeln des Art. 22 EGBGB ist die Unehelichkeit des Kindes. Für die Prüfung der ehelichen oder unehelichen Abstammung eines Kindes ist nach herrschender Meinung selbständig nach Art. 18 EGBGB anzuknüpfen 6 . Gemäß Art. 18 I EGBGB, der zu einer allseitigen Kollisionsnorm auszubauen ist, beurteilt sich die eheliche Abstammung eines Kindes nach dem Heimatrecht des Ehemanns der Mutter 7 . Art. 18 greift jedoch nur ein, wenn es darum geht, ob ein Kind deswegen ehelich ist, weil seine Mutter bei Geburt oder früher verheiratet gewesen ist 8 . War die Mutter unverheiratet wie im vorliegenden Fall, so greift Art. 18 überhaupt nicht ein: das Kind ist unehelich 9 . 1 BGH FamRZ i960, 229 = StAZ 1960, 206 m. Anm. v. Gündisch, 319; SoergelKegel, Komm. z. BGB (9. Aufl. 1961), Art. 22 EGBGB Anm. 1; Raape, Leo, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 377; Martin Wölfl, Das internationale Privatredit Deutschlands (3. Aufl. 1954) 220. 2 OLG Hamm FamRZ 1959, 28; Soergel-Kegel, vor Art. 13 EGBGB Anm. 9. 3 Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB Anm. 24. 4 OLG Celle JZ 1954, 702 m. Anm. v. Neuhaus-, Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB Anm. 8. 5 Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB Anm. 9. 6 Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB Anm. 21; Palandt-Lauterbach, Komm. z. BGB (25. Aufl. 1966), Art. 22 EGBGB Anm. 3; Neuhaus, Paul Heinrich, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts (1962) 239. 7 Soergel-Kegel, Art. 18 EGBGB Anm. 11 m. w. Nachweisen; Palandt-Lauterbach, Art. 18 EGBGB Anm. 2. 8 Soergel-Kegel, Art. 18 EGBGB Anm. 3 m. w. Nachweis; BGHZ 43, 213 (218); BayObLGZ 1966, 1 (5) = FamRZ 1966, 144 m. Anm. Neuhaus. » Soergel-Kegel ebenda; OLG Celle FamRZ 1964, 209 = StAZ 1963, 240; BayObLGZ 1966, 1 (6) = FamRZ 1966, 144. A. M. Wengler JR 1963, 41; Neuhaus 146 f.

414

Familienrecht

Aber auch wenn man Art. 18 anwendet, ergibt sich im vorliegenden Fall nichts anderes. Denn dann verweist er auf syrisches Recht, da der Ehemann der Kindesmutter die syrische Staatsangehörigkeit besitzt. Es kann dann dahingestellt bleiben, ob für die Ehelichkeit oder Unehelichkeit des Kindes syrisches Recht gilt oder deutsches Recht, auf das das syrische internationale Privatrecht - nach Art. 27 EGBGB beachtlich - möglicherweise zurückverweist; denn auch nach syrischem Familienrecht ist ein Kind, das vor der Eheschließung seiner Eltern geboren wird, grundsätzlich unehelich 10 . 3. Beachtüchkeit einer Rückverweisung in Art. 22 EGBGB Da im Rahmen des Art. 22 EGBGB eine Rüdeverweisung gemäß Art. 27 EGBGB durch das internationale Privatrecht des Staates, dem der Vater angehört, beachtlich i s t u n d somit möglicherweise kein syrisches materielles Recht zur Anwendung gelangt, ist zunächst die Frage der Rückverweisung zu klären 12 . II. Syrisches Internationales Privatrecht 1. Quelle Das syrische Recht enthält in den Art. 7-30 SyrZGB Nr. 84 v. 18. 5.1949 eine umfangreiche Kodifikation des internationalen Privatrechts 13 , die fast wörtlich aus dem ägyptischen Zivilgesetzbuch von 1948 übernommen worden ist 14 . 2. Keine Rückverweisung in iamilienrechtlichen Fragen Das syrische internationale Privatrecht enthält keine kodifizierte Bestimmung darüber, nach welchem Recht sich die Legitimation eines Kindes bestimmt. 10 Vgl. Art. 128-135 der „Loi sur le statut personnel" Nr. 59 v. 17. 9. 1953, in: Recueil des lois syriennes et de la législation financière, Suppl. Nr. 6, Damaskus o. J., 17f.; in deutscher Ubersetzung in: Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsredit (3. Aufl. 1965) Bd. 6, s. v. Vereinigte Arabische Republik 2. Syrien, 94f.; vgl. im übrigen Bilmen, Omer Nasuhî, Hukuki Islâmiyye v e Istilahati Fikhiyye Kamusu, Bd. 2 (Istanbul 1950) 422-433; Saihzâde, Magma' 1-anhur, Bd. 1, Istanbul 1310 H./1892, 376-380. 11 OLG Hamm FamRZ 1959, 28; KG-West N J W 1960, 248 (250 f.), m. Anm. v. Beitzke. 12 Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB Anm. 48; Erman-Marquordt, Komm. z. BGB (3. Aufl. 1962), Art. 22 EGBGB Anm. 6; Raape 380. 13 Vgl. Makaiov, A. N., Quellen des internationalen Privatrechts (Berlin 1953), Bd. 1, s. v. Syrien, 1-6; auszugsweise bei Bergmann, aaO, Bd. 6, s. v. Vereinigte Arabische Republik, 81 f. 14 Vgl. The Egyptian Civil Code, hrsg. v. Perrott, Fanner & Sims Marshall, Alexandrien 1952, 6-9.

Legitimation

/

Syrien

415

Aus Art. 141 SyrZGB „Les effets du mariage, y compris ceux qui concernent le patrimoine,

seront

soumis à la loi nationale du mari, au moment de la conclusion du mariage." 1 5

Die Wirkungen der Ehe, einschließlich der vermögensrechtlichen, sind dem Heimatrecht des Ehemannes im Zeitpunkt der Eheschließung unterworfen.

ist jedoch zu folgern, daß das syrische internationale Privatrecht auch in Legitimationsfragen nicht auf deutsches materielles Redit zurückverweist. Im übrigen ist zu beachten, daß Syrien ein Land ist, dessen Rechtssystem auch, heute noch weitestgehend vom islamischen Recht bestimmt wird, so daß die Grundsätze des islamischen „internationalen Privatrechts" in Zweifelsfragen zur Bestimmung des syrisdien internationalen Privatrechts heranzuziehen sind. Nach den Vorschriften des anzuwendenden islamischen Kollisionsrechts unterliegen alle Muslims, gleichgültig in welchem Lande sie sich aufhalten, islamischem Recht jedenfalls in allen familienrechtlichen Fragen, weil der Grundsatz gilt (folgend aus der engen Verbindung islamischen Rechts mit der islamischen Religion; vgl. Qur'an IV, 140, V, 54 f.), daß islamisches Recht anderen Rechtssystemen überlegen sei und sich ihnen deshalb nicht „unterwerfen" könne 16 . Da das syrische internationale Privatrecht somit nicht auf deutsches Recht zurückverweist, ist syrisches materielles Recht im vorliegenden Fall anzuwenden. B. SYRISCHES MATERIELLES RECHT

I. Vorbemerkung In Syrien gibt es kein einheitliches Familienrecht. Welche familienrechtlichen Vorschriften auf eine bestimmte Person in Syrien anzuwenden sind, bestimmt sich wie im Libanon nach der Religionszugehörigkeit des Betroffenen 17 . 1 5 Text bei Anhoury-Syriani, Code Civil, in: Recueil des lois syriennes et de législation financière, Suppl. Nr. 2, Damaskus o. J., 2. 16 Cardahi, Choucri, La conception et la pratique du droit international privé dans l'Islam, in: Recueil des Cours de l'Académie du Droit international, Bd. 60 (1937 II), 511 ff. (599, 603); derselbe, Conflict of Law, in: Khadduri-Liebesny, Law in the Middle East, Bd. 1 (Washington 1955) 333 ff. (337) ; Hamidullah, Muhammad, La notion musulmane du droit international privé, in: Annales de la Faculté du Droit d'Istanbul 18 (1962) 320 ff. (333); Hartmann, Richard, Die Religion des Islam (Berlin 1944) 61; Ramadan, Said, Islamic Law. (London 1961) 145, 150 (zur Prävalenz islamischen Familienrechts) ; Fyzee, Asaf, Outlines of Muhammadan Law (3. Aufl. Oxford 1964) 59. 17 Tyan, Emilie und Baz, Jean, Le droit moderne au Liban et en Syrie, in: Handbuch der Orientalistik, 1. Abt., Erg. Bd. 3 (Leiden-Köln 1964) 344 ff. (357); vgl. auch Bergmann, Bd. 6, s. v. Vereinigte Arabische Republik, 79.

416

Familienrecht

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich nicht, welcher Religionsgemeinschaft Mohamed D. angehört. Daraus jedoch, daß er zwei arabische Vornamen, insbesondere den Namen „Mohamed" führt, ist mit Sicherheit zu schließen, daß er wie die überwiegende Mehrheit der Syrer Muslim ist. Somit ist auf ihn das für muslimische Syrer geltende Familienrecht anzu wenden. II.

Rechtsquellen

Familienrechtliche Fragen muslimischer Syrer werden vornehmlich nach der „Loi sur le Statut personnel" Nr. 59 v. 17. 9.1953 bestimmt, die eine Kodifikation islamisch-hanafitischen Rechts (mit einigen modernen Abweichungen) darstellt18. Ferner ist bei der Interpretation syrischen Rechts, da in Syrien der islamisch-hanafitische Ritus der herrschende ist 19 , dessen überkommenes Recht zur Bestimmung und Ergänzung der „Loi sur le Statut personnel" heranzuziehen 20 .

III. Kodifizierte

Legitimationsregeln

Die syrische „Loi sur le Statut personnel" enthält keine ausdrückliche Bestimmung zur legitimatio per matrimonium subsequens. Lediglich die Art. 134-136 enthalten einige Bestimmungen über die Anerkennung der Vaterschaft. Art. 135 bestimmt: „La reconnaissance de la paternité ou de maternité faite par une personne de filiation inconnue, en faveur d'un enfant de filiation inconnue, n'établit cette dernière filiation que dans le cas où la personne en faveur de qui elle est faite n'en reconnaît le bien-fondé et si la différence d'âge la présume." 2 1

Die Anerkennung der Vaterschaft oder der Mutterschaft einer Person unbekannter Abstammung zugunsten eines Kindes unbekannter Abstammung erzeugt ein Kindschaftsverhältnis nur in dem Fall, daß die Person, zu dessen Gunsten sie erfolgt ist, sie als wohlbegründet anerkennt und wenn der Altersunterschied hierfür eine Vermutung schafft.

18 Vgl. Tyan-Baz 356 f.; Schacht, Joseph, An Introduction to Islamic Law (Oxford 1964) 103; Anderson, J. N. D., Recent Reforms in Family Law in the Arab World, in: ZvglRWiss. 65 (1963), Iff. (1, 8f., 11). 19 Vgl. Arminjon-Nolde-Wolif, Traité de droit comparé, Bd. 3 (Paris 1951) 405; Schacht, Joseph, The Law of the Near and Middle East, in: Background of the Middle East, hrsg. v. Jackh, Ernst (Ithaca, N. Y. 1952) 195 ff. (199). 20 Vgl. für die ähnliche Rechtslage im Iran, Amilian, A. M. La formation du mariage en droits iranien et musulman (Paris 1938) 13 f. 21 Text nach Recueil des lois s y r i e n n e s . . . , aaO, S 18.

Legitimation

/ Syrien

417

Verständlich wird diese Vorschrift, die typisch islamisch-rechtlich ist, erst durch ihre Einordnung in das System des hanafitischen Familienrechts, wobei insbesondere zu beachten ist, daß das islamisch-rechtliche Institut der unbekannten Abstammung („maghül an-nasab") in gänzlich anderem Sinne verstanden wird als in europäischen Rechtssystemen 22 . IV. Islamisch-rechtliche

Bestimmungen

zur Legitimation

eines Kindes

1. Grundsatz Das islamische Recht aller Riten kennt weder eine Adoption 23 , noch eine Legitimation eines Kindes durch die nachfolgende Ehe seiner Eltern im Sinne europäischer Rechtssysteme 24 . Die Ablehnung beider Institute beruht vornehmlich auf der koranischen Vorschrift Sure XXXIII, 4f. 2 5 . Dennoch kennt das islamische Recht jedenfalls in der Rechtspraxis, Möglichkeiten, unehelich geborene Kinder zu legitimieren; denn die allgemeine Tendenz geht dahin, Kinder möglichst nicht unehelich aufwachsen zu lassen 26 . 2.

Legitimationsgründe

Die Legitimität eines Kindes hängt nach islamischem Recht (aller Riten) vom Tatbestand des sog. „firäf" ab 27 . „Firäs" ist die legitime geschlechtliche Verbindung eines Mannes mit einer Frau 28 . 22

Vgl. Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail (1888) lo Allahabad 189, zit. n. Fyzee, Asaf, Cases in the Muhammadan Law of India and Pakistan (Oxford 1965) 199 ff. (210, 216, 223): Abdullah Efendi, Behcet ül-Fetäva (2. Aufl., Istanbul 1289) H./1872, Bd. 2, 438 (ausführliches Reditsgutachten); ferner: Bilmen 433; Mulla, D. F., Principles of Mahomedan Law (14. Aufl., Kalkutta 1955) 291; Saksena, K. P., Muslim Law as Administered in India and Pakistan (4. Aufl., Lucknow-Dehlhi 1963) 308; Wengler, Wilhelm, Die Anerkennung des Kindes im Islamrecht und ihre Bedeutung für das deutsche Personenstandsrecht, in: JR 1964, 201 ff. (202) (= StAZ 1964, 149-155). 23 Vgl. Bergsträsser, G., Grundzüge des islamischen Rechts (Berlin-Leipzig 1935) 87; Schacht, Introduction 166; Ansay, Sabri Sakir, Hukuk Tarihinde Islam Hukuku (3. Aufl. Ankara 1958) 218; Fyzee, Asaf, Outlines of Muhammadan Law (3. Aufl. Oxford 1964) 180; Santillana, David, Istituzioni di diritto musulmano malichita con riguardo anche al sistema sciafiita, Bd. 1 (Rom 1926) 239. 24 Fyzee 181; Saksena 306; Verma, Babu Ram, Mohammedan Law in India and Pakistan (3. Aufl., Allahabad 1959) 203, 209; Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 236; Habibur Rahman v. Altai Ali (1921) 48 I. A. 114; zit. n. Fyzee, Cases 248ff. (251). 25 Vgl. Santillana 239; Bergsträsser 87; Spies-Pritsch, Klassisches islamisches Recht, in: Handbuch der Orientalistik 220 ff. (227); Schacht, Introduction 166; Ansay 218; Ataay, Aytekin, Medeni hukukda evläd edinme, 1. Heft (Istanbul 1957) 21-27. 26 Vgl. Bilmen 432; Saksena 314; Verma 201; Wengler 203; Fyzee 182. 27 al-Haiabi, Ibrahim, Multaqä '1-abhur, Istanbul 1309 H./1891, 65; Bilmen 421, 424f.; Santillana 236. 28 Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail zit. n. Fyzee, Cases 226; Bilmen 27

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

418

Familienrecht

Diese legitime Verbindung muß zur Zeit der Erzeugung eines Kindes bereits bestanden haben, anderenfalls ist das Kind illegitim und k a n n durch keine nachträgliche Handlung (Eheschließung oder Anerkennung) mehr legitimiert werden 2 9 ; denn das islamische Strafredit bedroht jeden Geschlechtsverkehr außerhalb einer legitimen Verbindung mit der Todesstrafe (Steinigung) 30 und verweigert einem in einer solchen Verbindung gezeugten Kind („walad az-zinä") jedes in der Abstammung („nasab") begründete Recht 31 . Als legitime Geschlechtsverbindung (und somit als Legitimationsgründe) gelten nach islamischem Recht: a) die rechtsgültige Ehe („nikä as-sahih"); b) die irrtümliche Annahme des Bestehens einer rechtlichen Erlaubnis zum Geschlechtsverkehr seitens des Mannes („subhat milk"); c) die rechtlich mangelhafte Ehe („nikäh al-fasid"); d) das Konkubinat eines freien Muslims mit einer Sklavin. - diese vierte Möglichkeit bleibt bei den nachfolgenden Erörterungen außer Betracht - 3 2

a) Gültige Ehe Beurteilt man die Vorfrage nach dem Zustandekommen einer gültigen Ehe nach deutschem IPR („selbständige" Anknüpfung der Vorfrage), dann fehlt eine Ehe. Denn nach Art. 13 III EGBGB mit § 11 EheG kann in Deutschland nur vor dem Standesbeamten geheiratet werden. Aber auch w e n n man die Vorfrage „unselbständig" anknüpft, nämlich dem für die Hauptfrage der Legitimation maßgebenden syrischen IPR überläßt, das keine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht (oben A II 2), ist es nicht anders. Denn das Zustandekommen einer gültigen Ehe setzt nach islamischem Recht den beiderseits erklärten Eheschließungswillen der Partner voraus. Diese Erklärungen bedürfen keiner Form 3 3 .

421; Juynboll, Th. W., Handleiding tot de Kennis van de Mohammedaansche Wet (4. Aufl. Leiden 1930) 215; Rahim, Abdur, The Principles of Muhammadan Jurisprudence (Lahore 1963) 342. 29 Vgl. Mulla 287; Abu Zahra, Muhammad, Family Law, in: Khadduri-Liebesny 132ff. (152); Fyzee 181 f.; Rahim 342; V e r n a 200f.; Saksena 302f. ; vgl. auch Wengler 201. 30 Vgl. Qur'ân XXIV, 1-5; Bergsträsser 96; Schacht, Introduction 175; Ansay 281. 31 Hartmann 81; Juynboll 218; Santillana 240; Verma 208 f. 32 Vgl. Musa, Yusuf, Ahkam al-ahwal as-sahsiya al-fiqh al-islâm (Kairo 1958) 362, 364; auch Bilani, Béchir, Le droit musulman de la famille et des successions, in: Catala-Gervais, Le droit libanais (Paris 1963) Bd. 1, 98ff. (118-120); Verma 200f.; Bilmen 421, 424, 430; Rahim 342f.; Santillana 242. 33 Abu Zahra 133; Bergsträsser 82; Schacht, Introduction 161; Rahim 328; Ansay 197; Bilmen 13 f.

Legitimation

/

Syrien

419

Sie müssen mindestens sechs Monate vor der Geburt eines Kindes erfolgt sein; anderenfalls gilt das Kind nach hanafitischer Auffassung als außerhalb der Ehe gezeugt und ist deshalb illegitim 34 . Ob im vorliegenden Fall die Eltern des Kindes zu diesem Zeitpunkt, das heißt vor der standesamtlichen Trauung und sechs Monate vor der Geburt des Kindes (also im April 1965) solche nach islamischem Recht geforderten Eheerklärungen ausgetauscht haben, läßt sich aus den übersandten Akten nicht entnehmen. Diese Frage kann aber dahinstehen; denn in jedem Fall fehlt es an einem weiteren Erfordernis für die Wirksamkeit einer Ehe bereits zu jener Zeit. Nach islamisch-hanafitischem Recht ist nämlich für eine wirksame Eheschließung das Zeugnis zweier unbescholtener Zeugen erforderlich. Dabei verlangen dieHanafiten (im Gegensatz zu den anderen sunnitischen Riten), daß die Zeugen bei Abschluß des Ehevertrags (und nicht erst zum Beispiel bei Vollzug der Ehe) zugegen sind 35 . Selbst wenn also im vorliegenden Fall der Abschluß eines mündlichen Ehevertrags zwischen den Eltern mindestens sechs Monate vor der Geburt des Kindes behauptet werden sollte, werden aller Wahrscheinlichkeit nach keine Zeugen zugegen gewesen sein. Der Legitimationsgrund der nach islamisch-hanafitischem Recht gültigen Ehe („nikäh as-sahih") entfällt somit. b) Irrtümer des Mannes Die Lehre vom Irrtum als Legitimationsgrund, die im islamischen Recht häufig angewandt wird 38 , geht davon aus, daß an sich jeder Geschlechtsverkehr, der nicht innerhalb einer Ehe oder eines Konkubinats mit einer Sklavin stattfindet, rechtswidrig und strafwürdig ist, da eine Frau einem Mann nach islamischem Recht grundsätzlich verboten („haram") ist, und dieser Grundsatz nur durch die beiden Erlaubnistatbestände der Ehe, die allerdings als verdienstlich gilt, und der Sklaverei eingeschränkt wird 37 . Dennoch kann ein Irrtum („subha") des Mannes über die Identität der Partnerin („subha fi-l-milk"), über die Rechtmäßigkeit der Beiwohnung trotz Kenntnis aller Tatumstände („subha fi-l-fi'l") oder über die Gültigkeit eines in Wirklichkeit rechtlich mangelhaften („fasid") oder nichtigen („batil") Ehevertrages („subha fi-l-'aqd an-nikäh") in vielen Beziehungen zur Gleichstellung einer solchen Verbindung mit einer gültigen Ehe („nikäh as-sahih") und damit auch zur Legitimation eines in einer solchen Verbindung gezeugten Kindes führen 3 8 . 34

Vgl. Fyzee 181; Bilmen 426; Saksena 301. Musa 73; Fyzee 90; Schacht, Introduction 161; Ansay 197; Beigstiässei 82; Abu Zahra 133; Rahim 328; al-Halabi 45. 36 Vgl. Schacht, Introduction 163. 37 Vgl. dazu Ghasiti v. Umrao Jan (1893) 20 I. A. 193, zit. n. Fyzee, Cases, 90 ff. (94); al-Halabi 79 f.; Ansay 281 f.; Schacht, Introduction 178; Beigsträsser 99. 38 Musa 366; al Kdsäni, Abu Bakr b. Mas'ud, Kitab bada'i' as-sana'i fi tartib 35

27 *

Familienrecht

420

„L'enfant issu d'une cohabitation par erreur sur la légitimité de la femme ou dans l'acte de mariage, est déclaré légitime s'il est reconnu. Il en est de même de l'enfant né d'une cohabitation par erreur dans la personne de la femme."

Ein Kind aus einer Beiwohnung, die auf einem Irrtum über die Legitimität der Frau [als Ehefrau] oder über die Eheschließung beruht, gilt als legitim [ehelich], wenn es anerkannt wird. Das gleiche gilt hinsichtlich des Kindes aus einer Beiwohnung, die auf einem Irrtum über die Person der Frau beruht 39 .

Die von deutschen Gerichten vereinzelt vertretene Auffassung 4 0 , daß Geschlechtsverkehr im „guten Glauben" mit der Folge der Legitimität des Kindes bereits dann vorliege, wenn er in beiderseitigem Einverständnis erfolgt sei, kein gesetzliches Hindernis zur Eheschließung bestehe und die Partner später miteinander die Ehe eingehen, beruht anscheinend auf der inkorrekten Ubersetzung des Begriffs „subha" in Art. 1164, 1165 IranZGB. Art. 1164 IranZGB lautet in der Übersetzung bei Bergmann: „Die Bestimmungen der vorhergehenden Artikel sind auch bei dem gutgläubigen außerehelichen Geschlechtsverkehr anwendbar, selbst wenn die Mutter des Kindes nicht in einem Irrtum war." Art. 1165

IranZGB:

„Ein im außerhelichen Geschlechtsverkehr geborenes Kind gilt ausschließlich als Kind desjenigen, der in gutem Glauben war; waren beide in einem Irrtum, so gilt es als Kind von beiden." Bei Heranziehung der französischen Übersetzung Aghababians 4 1 , der das W o r t „subha" aus dem persischen Originaltext korrekt mit „erreur" wiedergibt, wird die Fehlinterpretation persisch-islamischen Rechts durch die beiden genannten Gerichte deutlich. Art. 1164 IranZGB lautet bei Aghababian: „Les dispositions des articles précédents sont également applicables dans le cas d'un enfant issu d'une cohabitation par erreur, alors même que l'erreur ne serait pas le fait de la mère." as-sara'i, Bd. 2 (Kairo 1326) H./1908, 335 ; vgl. auch Art. 342 des ägyptischen (verfaßt von Muhammad Qadri Pasha) „Code du statut personnel et des successions d'après le rite hanafite" von 1292 H./1875, abgedruckt in: Wathelet, J. A. und Brunton, R. G., Codes égyptiens et lois usuelles en vigueur en Egypte, Bd. 1 (2. Aufl., Brüssel 1922) 724. 39 Schacht, Introduction 176, 178; Juynboll 218, 298 ; Linant de Bellefonds Y., Traité de droit musulman comparé (Paris 1965) Bd. 1, 414 f., Bd. 2, 154 f., 157 f. 4 0 Vgl. AG Hamburg StAZ 1961, 290 (= DAVorm 1961, 319); AG Ebingen MDR 1964, 1006 (= DAVorm 1965, 30). 41 Vgl. Aghababian, Raphael, Législation iranienne actuelle (Paris 1951), Bd. 2, 95.

Legitimation Art. 1165

/

Syrien

421

IranZGB:

„La parenté de l'enfant né à la suite d'une cohabitation par erreur demeure établie vis-à-vis de la partie qui était dans l'erreur. Si les deux parties étaient dans l'erreur, la filiation reste établie vis-à-vis de tous les deux."

Entscheidend für die Legitimationswirkung einer außerehelichen Beiwohnung sind nach islamischem Recht (aller Riten) entgegen der Ansicht der beiden zitierten Gerichte nicht die Absichten der beiden Partner, sondern ausschließlich die erwähnten Irrtümer des Mannes bei der Beiwohnung (mit der Ausnahme von Art. 1165 S. 2 IranZGB) 42 . Im vorliegenden Fall sind jedoch keine Anzeichen dafür vorhanden, daß sich der Erzeuger des Kindes bei dem Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter vor der standesamtlichen Trauung über ihre Identität, über die Rechtmäßigkeit der Beiwohnung nach islamischem Recht oder über das Bestehen eines Ehevertrages geirrt hat, so daß ein Irrtum („subha") als Legitimationsgrund für das Kind ausscheidet. c) Rechtlich mangelhafte Ehe Audi eine rechtlich mangelhafte Ehe („nikäh alfasid") führt nach der islamisch-hanafitischen Lehre zur Legitimation eines Kindes, wenn das Kind nicht früher als sechs Monate nach der ersten Beiwohnung geboren wird 43 . Bei einer rechtlich mangelhaften Ehe kommt es im Gegensatz zur gültigen Ehe also nicht auf den Tag des Vertragsschlusses an. Ob der bei Rechtsgeschäften nach hanafitischer Auffassung allgemein geltende Unterschied zwischen heilbaren Mängeln („fasid") und unheilbaren Mängeln („batil") 44 auch bei dem nichtvermögensrechtlichen Ehevertrag besteht, und falls ja, ob dieser Unterschied von Bedeutung für die Legitimationswirkung einer fehlerhaften („fasid") Ehe ist, wird innerhalb der einzelnen sunnitischen Riten nicht einheitlich beantwortet 45 . In jedem Fall aber ist nach islamisch-hanafitischer Auffassung eine ohne Zeugen geschlossene Ehe, der kein weiterer Mangel anhaftet, zwar nicht gültig, aber „firâç" (oben 2 vor a), das heißt Legitimationsgrund für die in einer solchen Ehe gezeugten Kinder, unabhängig von der dogmatischen EinRichtig: LG Berlin DA Vorm 1964, 332, 335. Biimen 430; Verma 201; Rahim 342 f. 41 Vgl. Bergsträsser 31 f.; Schacht, Introduction 121; Linant de Belieionds Bd. 1, 78-85; Spies, Otto, Das System der Nichtigkeit im islamischen Recht, in: Deutsche Landesreferate zum VI. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung (BerlinTübingen 1962) 87ff. (87, 89, 92 f.). 45 Vgl. Spies 93; Musa 439; Schacht, Introduction 163; Rahim 330; Qadii, Anwar Ahmad, Islamic Jurisprudence in the Modern World (Bombay 1963) 123f.; Ameer Ali, Mahommedan Law (5. Aufl., Kalkutta 1929) Bd. 2, 328 f. 42

43

422

Famihenrecht

Ordnung d i e s e r Ehe in d a s S y s t e m der M ä n g e l v o n R e c h t s g e s c h ä f t e n i m i s l a m i s c h e n Recht 4 ®. Art. 134: „Est frappé de nullité absolue:

Absolut nichtig ist:

1« ...

1. . . .

2« . . . 3« . . .

2. . . .

4 e Le mariage contracté sans témoins." Art. 135: „Les enfants issus de c e s unions sont considérés comme légitimes, s'ils naissent dans les termes fixés à la deuxième section du chapitre .Paternité et filiation'."

3. . . . 4. Die Ehe, die ohne Zeugen geschlossen ist. Die Kinder aus solchen Ehen werden als ehelich betrachtet, w e n n sie innerhalb der Fristen, die in der z w e i t e n Abteilung des Kapitels .Vaterschaft und Abstammung' bestimmt sind, geboren werden.

Ob im vorliegenden Fall von den Beteiligten der Nachweis des Bestehens einer nach islamisch-hanafitischem Recht fehlerhaften Ehe („nikäh al-fasid") geführt werden kann, erscheint zweifelhaft. Es k a n n jedoch dahingestellt bleiben, weil das islamische Recht für die Fälle, in denen der Nachweis eines Legitimationsgrundes nicht oder nur sehr schwer geführt werden kann, ein besonderes Beweismittel zur Verfügung stellt. Aus demselben Grunde k a n n dahingestellt bleiben, ob eine Legitimation durch fehlerhafte Ehe („nikäh al-fasid") nicht deswegen entfallen müßte, weil die Vorfrage des Bestehens einer solchen Ehe „selbständig" anzuknüpfen ist, dann aber nach Art. 13 III EGBGB mit § 11 EheG keine fehlerhafte, sondern eine Nichtehe vorliegt (vgl. oben a). 3. Beweismittel

für die Legitimität eines

Kindes

Nach islamischem Recht gilt die Anerkenntniserklärung („iqrär") eines Mannes, er sei der Erzeuger eines bestimmten Kindes, als Beweis dafür, daß dieses Kind v o n ihm abstammt 4 7 . Abstammung („nasab") bedeutet nach islamischem Recht immer nur eheliche Abstammung; denn eine uneheliche Abstammung w ä r e nach islamischem Recht ein Widerspruch in sich 48 . 46 Musa 363; Rahim 342; Verma 201; vgl. auch Santillana 277; ferner Art. 134, 135 des ägyptischen „Code du Statut personnel et des successions d'après le rite hanafite", 689. 47 al-Halabi 65; Bilmen 442f.; Saksena 301 f.; Fyzee 181 f.; Rahim 343. 48 Sadik Husain v. Hashim Ali (1916) 43 I. A. 212, zit. n. Fyzee, Cases 238 ff. (245); LG II Berlin StAZ 1933, 327 (= IPRspr. 1933, 109ff. [112f.]); Schacht, Joseph, Anm. zu LG Berlin II StAZ 1933, 329; Wengler 202.

Legitimation

/

Syrien

423

4. Qualifizierung des „iqrär" Ursprünglich wurde das Anerkenntnis („iqrär") im islamischen Recht als bloßes Beweismittel für die bereits (materiell) bestehende Legitimität eines Kindes qualifiziert49. Dies folgt aus der Tatsache, daß ein uneheliches Kind („walad az-zinä") als Frucht einer mit der Todesstrafe bedrohten Handlung unter keinen Umständen nachträglich legitimiert werden kann 50 . Es erscheint daher fraglich, ob die islamisch-rechtlichen Vorschriften über die Anerkennung eines Kindes von der Verweisung des deutschen internationalen Privatrechts auf syrisches materielles Recht mit umfaßt werden, oder ob sie als bloße Regeln über Beweismittel, die der lex fori unterstehen 51 , in Deutschland nicht anzuwenden sind. Soweit ersichtlich, wird das Anerkenntnis („iqrär") jedoch lediglich von der islamischen Rechtstheorie als eine bloße Beweisvorschrift gewertet. Die Rechtspraxis, die von der Theorie der legalen Umgehungsgeschäfte („hiyal") 62 gebilligt wird, betrachtet dagegen das Anerkenntnis („iqrär") als selbständigen Grund für die Legitimation eines Kindes53. Die Legitimität eines Kindes steht mit der Abgabe der Anerkennungserklärung rückwirkend vom Zeitpunkt der Geburt an fest 64 . Die indische Rechtsprechung zum islamischen Recht sieht infolgedessen die Regeln über das Anerkenntnis nicht als „rules of evidence" im Sinne von sec. 17, Indian Evidence Act, 1872, sondern als Teil des materiellen Rechts an 55 . Folglich sind diese Regeln des islamischen Rechts auch in Deutschland als Teil des syrischen materiellen Rechts zu behandeln 56 ; ähnlich wird die Regel des Art. 1341 Cc, daß bei Verträgen über 50 frs. der Zeugenbeweis ausgeschlossen ist, trotz ihrer prozessualen Einkleidung in 4 9 Vgl. Bargandi, zit. n. Muhammad Ailahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 208; al-Haiabi 65; Saihzäde 377 f. 50 Verma 209 mit Rechtsprediungsnachweisen; Bilmen 432; Hartmann 80f.; Santillana 242. 5 1 Vgl. Kegel, Gerhard, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 317, 330 f., 341,377. 5 2 Vgl. dazu Schacht, Introduction 78-82 (insbesondere 79); derselbe, The Schools of Law and Later Developments of the Shari'a in: Khadduri-Liebesny 57 ff. (77-80); Vesey-Fitzgerald, S. G., Nature and Sources of the Shari'a, in: KhadduriLiebesny 85 ff. (107 f.). 53 Habibur Rahman v. Altai Ali (1921) 48, I. A. 114, zit. n. Fyzee, Cases 248 ff. (252); Muhammad Ailahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 209, 214, 221 f., 226, 235; Rechtsgutachten („fetäva") bei Abdullah Eiendi 438f.; und bei Ali Eiendi, Fetava-i Ali Efendi, Bd. 2, Istanbul 1325 H./1907, 96; vgl. auch Bergmann, Bd. 6, s. v. Vereinigte Arabische Republik S. 66 Fn. 2. 54 Santillana 241; Verma 208; vgl. Habibur Rahman v. Altai Ali, zit. n. Fyzee, Cases 251 f. 55 Muhammad Ailahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 221 f.; Mulla 289; Fyzee, Outlines 186; Saksena 302, 310, 313; Verma 206. ä e Vgl. auch Wengler 204.

Familienrecht

424

Deutschland gemäß ihrer tatsächlichen Funktion als zivilreditliche Formvorschrift behandelt 57 . Da demnach die Legitimation nicht mehr auf einer - sei es auch mangelhaften - Ehe fußt, sondern auf dem Anerkenntnis des Vaters, fällt sie nicht unter Art. 13 EGBGB (mit der Folge, daß sie bei „selbständiger" Anknüpfung der Vorfrage nach einer Ehe gemäß Art. 13 III EGBGB mit § 11 EheG nicht zustande käme), sondern unter Art. 22 EGBGB (so daß sie wegen Alleinmaßgeblichkeit des syrischen Rechts nach Art. 22 I EGBGB stattfinden kann). 5. Voraussetzungen

für die Wirksamkeit

eines

Anerkenntnisses

Die vier sunnitischen Riten stellen für die Feststellung der ehelichen Abstammung eines Kindes aufgrund eines Vaterschaftsanerkenntnisses („iqrär") verschiedene Wirksamkeitsvoraussetzungen auf. Insbesondere stellt die in Nordafrika herrschende malikitische Rechtsquelle strengere Voraussetzungen an einen wirksamen „iqrär" 58 als der in Syrien herrschende hanafitische Ritus. Nach islamisch-hanafitischem Ritus ist in Fällen vorehelicher Geburt eines Kindes unter folgenden Voraussetzungen die Anerkennung des Kindes durch seinen Erzeuger möglich: a) Altersunterschied Der Anerkennende muß zur Erzeugung des Kindes altersmäßig in der Lage gewesen sein. Insbesondere wird ein bestimmter Altersunterschied erfordert, der nach hanafitischer Auffassung mindestens I2V2 Jahre betragen muß 59 . Diese Bedingung ist im vorliegenden Fall zweifelsfrei erfüllt. b) Unbekannte Abstammung Das Kind muß unbekannter Abstammung sein („maghül an-nasab"). Nach islamisch-hanafitischem Recht ist diese Voraussetzung dann erfüllt, wenn nicht feststeht, daß das Kind legitim von einem anderen Mann abstammt 60 . Stünde dagegen lediglich die illegitime Abkunft des Kindes von einem Dritten fest, so wäre dies kein Hindernis für einen „iqrär" 61 ; denn " Vgl. BGH JZ 1963, 167 m. Anm. v. Lüderitz (= LM Art. 11 EGBGB Nr. 4) entgegen BGH JZ 1955, 702 m. Anm. v. Gamiilscheg; Soergel-Kegei, Art. 11 EGBGB, Anm. 22 m. w. Nachweisen; vgl. auch Raape 218-220; Neuhaus 79-82. 68 Vgl. Biimen 433-438; Abu Zahra 151-153; Milliot, Louis, Introduction à l'étude du droit musulman, Paris 1953, 391-393; Santillana 240f. 59 Baigandi, zit. n. Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 210; Saksena 308 Fn. 29; Rahim 343; Verma 210; Manek, M. D., Handbook of Mahomedan Law (6. Aufl. Bombay 1961) 69; Mulla 292. 60 Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 216 (unter Bezugnahme auf Fatâwâ Qâdîhân) 223; Saksena 308; Biimen 210; vgl. auch das Reditsgutachten („fetva") von Abdullah Eiendi 438. 61 Zweifelnd Wengler 204.

Legitimation

/

Syrien

425

der arabische Terminus für Abstammung („nasab") ist eindeutig nur auf die legitime Abstammung eines Kindes bezogen 62 ; ein illegitimer „nasab" ist nach islamischem Recht undenkbar 6 3 . Darüber hinaus ist einer der Gründe, nur ein Kind unbekannter Abstammung („maghül an-nasab") anerkennen zu lassen, daß sich der Anerkennende nicht der Strafe des „qadf", das heißt Verleumdung wegen Unzucht, schuldig machen soll 64 . Als „qadf" gilt insbesondere die wahrheitswidrige Beschuldigung einer unbescholtenen Frau, Unzucht getrieben zu haben, und die Bestreitung der Legitimität ihres Kindes 65 . Im vorliegenden Fall ist weder eine legitime noch illegitime Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als dem Anerkennenden bekannt, so daß auch insoweit einer Anerkennung des Kindes kein Hindernis entgegensteht. c) Zustimmung des Kindes Ein Kind hat nach islamischem Recht seine Zustimmung zu der Anerkenntniserklärung seines Erzeugers ausdrücklich oder konkludent zu erteilen, wenn es bereits urteilsfähig ist 66 . Das im Jahre 1965 geborene Kind besitzt jedoch nach islamisch-hanafitischem Recht noch nicht das urteilsfähige Alter (das frühestens mit dem 7. Lebensjahr beginnt), um als „sabi ga'qil" (verständiger oder unterscheidungsfähiger Minderjähriger) seine Zustimmung zu dem Anerkenntnis geben zu müssen 6 7 . Eine stellvertretende Verweigerung der Zustimmung in Fällen eines „tifl" (noch nicht urteilsfähiges Kind) durch die Mutter ist dem islamischen Recht nicht bekannt, weil die Herbeiführung eines legitimen Kindschaftsverhältnisses für das Kind ausschließlich als vorteilhaft angesehen wird 68 . Die Voraussetzung der Zustimmung des Kindes ist folglich hier ohne Bedeutung. d) Anerkennung als legitimes Kind Die Anerkennung eines Kindes durch seinen Erzeuger darf in keiner Weise darauf hindeuten, ein Kind sei illegitimer Abkunft. Die hanafitische Rechtsschule hat deshalb folgende Lehre entwickelt. 62 Sadik Husain v. Hashim Ali, zit. n. Fyzee, Cases 245; al-Halabi 64 f.; Bilmen 420; Ansay 214; auch Schacht, Anm. zu LG II Berlin StAZ 1933, 329. 63 Schacht, Anm. zu LG II Berlin StAZ 1933, 329; Wengler 202; Ansay 214. 64 Vgl. dazu Juynboll, Th. W., s. v. kadhi, in; Handwörterbuch des Islam (Leiden 1941), 247 f.; Schacht, Introduction 179; Bergsträsser 99 f. 65 Schacht, Introduction 179; Bergsträsser 99; Ansay 289 f. 68 Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 211, 213; Abu Zahra 153; Manek 69; Mulla 292. 67 Vgl. Schacht, Introduction 124 f.; Bergsträsser 35 f.; Ansay 61 f. 68 Musa 382; Bilmen 432.

426

Familienrecht

Ein „iqrär" ist ein abstraktes Schuldverhältnis („dain mutlaq"), das auf dem Anerkenntnis einer Schuld ohne Rücksicht auf ihren Entstehungsgrund beruht69. Dieses ursprünglich nur dem Schuldrecht angehörende Institut ist auf dem Wege der „hiyal" (legale Umgehungsgeschäfte) in das Familienrecht übertragen worden und wird von den Hanafiten als abstrakter Legitimationsnachweis aufgefaßt70. In der islamisch-hanafitisdien Rechtspraxis wird zur Feststellung des Legitimitätsnachweises seit mehreren Jahrhunderten für ausreichend erachtet, wenn in der Anerkennungserklärung des Erzeugers nicht zum Ausdruck kommt, daß das Kind außerehelich geboren worden ist; weitere Untersuchungen werden nicht angestellt. In klassischer Kürze stellt ömer Nasuhi Bilmen folgende Formeln einander gegenüber71: „Bu, benim evlädimdir." „Bu, benim zinadan mütevellid gocugumdur."

Dies ist mein Kind, und Dies ist mein aus unerlaubtem Geschlechtsverkehr herrührendes Kind.

Im ersten Fall erfolgt eine Legitimierung des Kindes durch die Erklärung, im zweiten Fall nicht. Im ersten Fall wird auf die dem Anerkenntnis zugrunde liegenden Tatsachen nicht eingegangen, weil nach hanafitischer Auffassung möglichst vermieden werden soll, daß ein Kind mit dem Makel („säibe") der Illegitimität behaftet leben muß und der „iqrär" in dieser einfachen Form als ausreichendes Beweismittel für die Legitimität des Kindes angesehen wird 72 . Ein zweiter Grund für diese Rechtspraxis liegt darin, eine Frau möglichst vor der Strafe der „zinä" zu bewahren, die bei näherer Untersuchung einzelner Fälle sicherlich gegeben wäre 73 . Die Erklärung eines Mannes, er erkenne ein Kind als seinen Sohn (oder als seine Tochter) an, ist in dieser Form nach hanafitischem Recht ein unwiderrufliches, rechtsgültiges Vaterschaftsanerkenntnis mit der Folge, daß das Kind von Geburt an als legitim gilt74. 69 al-Halabi 132f.; Saihzäde Bd. 2, 228-234; Bergsträsser 60; Schacht, Introduction 144; Ansay 145-147. 70 Vgl. al-Halabi 64 f.; Bergsträsser 68; Schacht, Introduction 151; Hartmann 80. 71 Bilmen 432 (Nr. 53). 72 Bilmen 432; vgl. auch Saksena 314; Verma 201; auch Fyzee, Outlines 182; Qadri 162. 73 Fyzee 182. 74 Vgl. die Rechtsgutachten („fetäva") der Seyh ül-Isläm: Ali Eiendi (1674-1686) 96-98; Feyzulläh Eiendi (1695-1703), Feyziyye Fetävasi, Bd. 2, Istanbul 1325 H./ 1907175-178; Abdullah Eiendi (1718-1730) 438-441; Uryänizäde Ahmed Es'ad Eiendi, (1878-1889), in; Mecmua-i Cedide, hrsg. v. Ali al-Murtaza, Istanbul 1329 H./1911, Bd. 2, 452; ferner Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail, zit. n. Fyzee, Cases 210 (Bargandi), 213 (Fatäwä 'Alamgiriya), 215 (Fatäwä Qädihan), 222 (Hidaya); Saksena 306; Suka, Alhaji Ahmadu, Conflict of Islamic Law and Customary Law of Family Relations in Northern Nigeria, in: Journal of the Centre of Islam Legal

Legitimation

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Vgl. Schacht, Anm. zu LG II Berlin 24. 4. 1933, StAZ 1933, 329: „Von jeher stand man in der Handhabung des islamischen Rechts dem Problem gegenüber, die ein für allemal festgelegte, so gut wie unabänderliche Theorie mit den wechselnden Bedürfnissen der Praxis in Einklang zu bringen. Ohne ihrem absoluten Geltungsanspruch das mindeste zu vergeben, hat die Theorie selbst Mittel entwickelt, um diesen Zwiespalt zu überbrücken; ein sehr beliebtes Mittel ist das Anerkenntnis, das zur Schaffung von Fiktionen gilt. Das islamische Gesetz kennt nur die eheliche Vaterschaft; ein Kind, dessen uneheliche Geburt vor dem islamischen Gesetz feststeht, kann unter keinen Umständen ehelich werden. Wenn aber jemand, sei . . . er der Ehegatte der Kindesmutter oder nicht, einfach die Vaterschaft (und das ist im islamischen Recht nichts anderes als die eheliche Vaterschaft) zu dem Kinde anerkennt, so ist das Anerkenntnis (vorausgesetzt, daß es den allgemeinen Bedingungen entspricht) unwiderruflich wirksam..." Ebenso lautete eine zum vorliegenden Fall am 11. 11. 1966 in Istanbul erteilte mündliche Rechtsauskunft der beiden hanafitischen Rechtsgelehrten Mufti $ahabettin Ergin und Muzaffer Ozak.

Ein solches Vaterschaftsanerkenntnis kann mit voller Rechtswirkung für die syrische Rechtsordnung vor einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde erklärt werden 75 . Voraussetzung für ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis ist jedoch, wie ausgeführt worden ist, die Vermeidung eines jeden Hinweises auf die außereheliche Erzeugung des Kindes 76. Der Gebrauch des Wortes „uneheliches Kind" in der Vaterschaftsanerkennungserklärung vor dem Amtsgericht Ahlen i. Westf. erweckt den Anschein außerehelichen Geschlechtsverkehrs („zinä"). Da diese Erklärung auf dem Formular eines deutschen Amtsgerichts erscheint, ist davon auszugehen, daß damit offensichtlich Unehelichkeit im Sinne deutschen materiellen Rechts gemeint ist: Der Begriff der Illegitimität im islamischen Recht ist bedeutend enger; er umfaßt zum Beispiel nicht Kinder aus rechtlich mangelhaften Ehen oder Kinder, die aufgrund eines Irrtums gezeugt worden sind.

so daß dieses Anerkenntnis nach islamisch-hanafitischem Recht als ausreichend erachtet werden kann. Vorsorglich ist jedoch dem Vater des Kindes anzuraten, das Kind in einer neuen Erklärung als „sein legitimes Kind" oder als „sein Kind" anzuerkennen. Die Anerkennung eines Kindes als legitim ist auch dann wirksam, wenn ein Kind in einer früheren Erklärung als im außerehelichen Geschlechtsverkehr („zinä") gezeugt bezeichnet worden ist 77 . Studies 1 (o. J.), 12 ff. (16); Zutreffend auch Rdschr. d. BMdl v. 14. 4. 1954, in: StAZ 1954, 159 ff. (161 f.) speziell zur syrischen Rechtspraxis. 75 Heilmann, Namensrecht der Frau infolge Eheschließung, eheliche Abstammung der Kinder und Staatsangehörigkeit nach syrischem Recht, in: StAZ 1965, 170 f. 78 Bilmen 432; Musa 342; Saksena 306. 77 as-Sarahsi, Sams al-a'imma Muhammad, Kitäb al-mabsüt fi'l furü', Bd. 17,

Familieniecht

428 e) Sonstige Voraussetzungen

Ferner sind die weiteren Voraussetzungen eines wirksamen Anerkenntnisses, nämlich Volljährigkeit, geistige Gesundheit, Erklärungsabsicht und Willensfreiheit im vorliegenden Falle, da nichts entgegensteht, als gegeben anzunehmen 78 . Ferner fordert das islamisch-hanafitisdie Recht, daß dem Anerkenntnis niemand widerspricht. Mit Widerspruch in diesem Sinne ist die Tatsache gemeint, daß ein anderer präsumtiver Erzeuger dem Anerkennenden die Vaterschaft streitig macht 70 . Ein solcher Widerspruch ist im vorliegenden Fall, soweit ersichtlich, nicht erhoben worden, so daß alle Voraussetzungen für ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis nach islamisch-hanafitischem Recht und damit auch gemäß Art. 135 der syrischen „Loi sur le Statut personnel" erfüllt sind 80 .

V. Wirkungen des

Anerkenntnisses

Das Kind Günter erlangt durch das Anerkenntnis in jeder Hinsicht die Stellung eines von Anfang an unzweifelhaft ehelichen Kindes 81 . C. ART. 22 II EGBGB

Nach Art. 22 II EGBGB ist bei ausländischer Staatsangehörigkeit des Vaters und deutscher Staatsangehörigkeit des Kindes die Legitimation unwirksam, wenn die nach deutschem Recht nötige Einwilligung des Kindes oder eines dem Kinde familienrechtlich Verbundenen fehlt. Das Kind Günter ist deutsch. Denn es ist von einer deutschen Mutter unehelich geboren (§411 RuStAngG). Es ist zugleich Syrer. Denn Art. 2 des Gesetzes Nr. 67 über die Staatsangehörigkeit der Arabischen Republik Syrien vom 31.10.1961 bestimmt 82 : „Die Staatsangehörigkeit der Arabischen Republik Syrien besitzt von Amts wegen: a) das in Syrien oder außerhalb des syrischen Staatsgebietes geborene Kind, dessen Vater die syrische Staatsangehörigkeit besitzt; b) ..." Kairo 1331 H./1912, 157f.; Sachau, Eduard, Muhammedanisches Recht nach schaflitischer Lehre (Stuttgart-Berlin 1897) 447. 78 Vgl. dazu Saksena 308-310; Verma 207f.; Manek 69; Mulla 291 f. 79 Saksena 311 mit Rechtsprechungsnachweisen; Verma 205; Fyzee, Outlines 185. 80 Ebenso: Rechtsauskunft ¡-¡ahabettin Ergin und Muzaffer Ozak. 81 Santillana 241; Musa 384; Fyzee, Outlines 185; Mulla 286; Rahim 343; Verma 208; Saksena 301, 306. 82 Text nach Oppermann-Yousry, Das Staatsangehörigkeitsrecht der arabischen Staaten, Ergänzungsband (Frankfurt 1964) S. 127.

Legitimation

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Syrien

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Diese Vorschrift ist vielleicht nicht anzuwenden auf uneheliche Kinder, die von ihren Vätern nicht anerkannt sind. Sie gilt aber sicher für ein Kind, das sein Vater anerkannt hat, und damit auch für das Kind Günter. Gleichwohl zählt für das deutsche IPR und damit auch für Art. 22 II EGBGB allein die deutsche Staatsangehörigkeit, nämlich entweder weil die deutsche Staatsangehörigkeit stets den Ausschlag gibt (h. M.) oder weil sich das Kind in Deutschland gewöhnlich aufhält (Mindermeinung)83. Für die Legitimation durch nachfolgende Ehe verlangt das BGB keine Einwilligung des Kindes oder eines Dritten. Dagegen müssen in die Ehelichkeitserklärung eines Minderjährigen Kind und Mutter einwilligen (§§ 1726-1730 BGB). Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um eine Ehelichkeitserklärung (legitimatio per rescriptum principis). Aber §§ 1726 bis 1730 BGB sind auf die Legitimation durch Anerkenntnis entsprechend anzuwenden 84 . Allerdings sind diese Einwilligungen entbehrlich, soweit es um eine Legitimation erst von der Heirat an geht; denn die Heirat würde nach BGB auch ohne Einwilligungen legitimieren. Daher ist mit Wirkung von der Heirat an das Kind Günter schon jetzt legitimiert. Anders liegt es, soweit die Legitimation schon für die Zeit zwischen der Geburt des Kindes und der Heirat der Eltern wirken soll, wie dies nach syrisch-islamischem Recht geschieht (oben B V). Hierfür müssen das Kind Günter und seine Mutter entsprechend §§ 1726-1730 BGB einwilligen. Zwar hat Günter, da die Legitimation von der Heirat seiner Eltern (2. 8. 1966) an wirkt, von da an seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren (§17 Nr. 5 RuStAngG) und ist nur noch Syrer. Aber daraus folgt nicht, daß nun auch ohne seine und seiner Mutter Einwilligung die Legitimation zurückwirkt auf den Zeitpunkt seiner Geburt (14.10. 1965). Denn den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit begründet nach den Worten des § 17 Nr. 5 RuStAngG nur eine „nach den deutschen Gesetzen wirksame" Legitimation (was sich übrigens fast von selbst versteht). Für die Zeit zwischen Geburt des Kindes und Heirat der Eltern ist aber ohne Einwilligung von Kind und Mutter die Legitimation nicht wirksam. Es liefe den Grundsätzen des Statutenwechsels zuwider85, wenn man die erst vom Staatswechsel des Kindes an ohne Einwilligungen wirkende Legitimation zurückwirken ließe auf die Zeit zwischen Geburt und Staatswechsel (= Heirat der Eltern), in der ohne Einwilligungen keine Legitimation eintreten kann. Streitstand bei Soergel-KegeJ, Art. 29 EGBGB Anm. 29 mit Nachweisen. Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB Anm. 12 mit Nachweisen in Fn. 24; KG OLGZ 1966, 244 (249); Beitzke ZblJR 1962, 181 und StAZ 1962, 241 a. E. f. Dahingestellt OLG Karlsruhe (Zivilsenat Freiburg) FamRZ 1965, 624 = JZ 1965, 648 = OLGZ 1965, 99. 85 Vgl. Soergel-KegeJ, vor Art. 7 EGBGB Anm. 278 für das internationale Sachenrecht. 83 84

Familienrecht

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D. ERGEBNIS

Das Kind Günter ist von der Heirat seiner Eltern an legitimiert. Falls Günter und seine Mutter in die Legitimation nach §§ 1726-1730 BGB in entsprechender Anwendung einwilligen, wirkt die Legitimation schon vom Tage der Geburt Günters an. Nr. 41 Iran 1. Maßgebendes Recht für die Legitimation eines unehelichen Kindes und für die Vorfrage der ehelichen oder unehelichen Abstammung nach deutschem und iranischem internationalem und iranischem interpersonalem Familienrecht. 2. Eheliche und uneheliche Abstammung eines Kindes sowie Voraussetzungen und Wirkung eines Vaterschaftsanerkenntnisses nach iranischem (schiitischem) Recht. Hamburg G 38/65 vom 18.8.1966

Das Amtsgericht Kassel bittet in der Vormundschaftssache Siamak B. um Auskunft über Internationales Privatrecht und Prozeßrecht sowie über iranisches Kindschaftsrecht. Aus den Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Siamak B. wurde am 8.6.1964 in Kassel als Kind der deutschen Ruth Eva B. geboren. Am 29. 6. 1964 erkannte der iranische Staatsangehörige Hossyn S., geboren am 25. 5. 1934, in vollstreckbarer Urkunde beim Stadtjugendamt Kassel an, der Vater des „unehelichen Kindes" Siamak B. zu sein; er ist Mohammedaner. Am 2.12.1964 schlössen die Eltern des Kindes vor dem Standesbeamten in Kassel die Ehe. Das Gericht fragt: 1. Wie ist die Rechtsstellung eines unehelichen Kindes nach der Eheschließung eines iranischen Erzeugers und der Mutter nach iranischem Recht? 2. Würde auch nach iranischem Recht ein Legitimationsbeschluß lediglich deklaratorische Bedeutung haben, oder sieht das maßgebliche Legitimationsstatut eine konstitutive Rechtsgestaltung vor, und - wenn letzteres der Fall ist - ist das deutsche Vormundschaftsgericht dafür zuständig? I. Anwendbares Recht 1. Gemäß Art. 8 III des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II 1010) bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten in bezug auf das Familienrecht auch im Gebiete des anderen Staates den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze

Legitimation

/ Iran

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u n t e r w o r f e n E i n e zu Art. 8 III des Abkommens abgegebene Erklärung, die nach dem Schlußprotokoll „einen wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet", lautet: „Die vertragschließenden Staaten sind sich darüber einig, daß das Personen-, Familien- und Erbrecht, das heißt das Personalstatut, die folgenden Angelegenheiten umfaßt: Ehe, . . . Vaterschaft, Abstammung, Annahme an Kindes Statt..., ferner alle anderen Angelegenheiten des Familienrechts unter Einschluß aller den Personenstand betreffenden Fragen."

Hiernach ist die Staatsangehörigkeit das maßgebliche Anknüpfungsmoment. Da jedoch nicht gesagt ist, auf wessen Staatsangehörigkeit es ankommen soll, wenn die Beteiligten verschiedenen Staaten angehören, bleibt es insofern bei dem nationalen Kollisionsrecht jedes der beiden Vertragsstaaten 2. 2. Im deutschen Internationalen Privatrecht richtet sich die Legitimation eines unehelichen Kindes gemäß einem von Lehre und Rechtsprechung aus der einseitigen Kollisionsnorm des Art. 22 I EGBGB abgeleiteten Grundsatz nach dem Recht des Staates, dem der Vater zur Zeit der Legitimation angehört 3 . Dieser Grundsatz ist durch Artt. 3 11/117 GG nicht aufgehoben worden 4 . Voraussetzung für die Anwendung des Art. 22 EGBGB ist jedoch die uneheliche Abstammung des Kindes. Bei der Prüfung der ehelichen oder unehelichen Abstammung des Kindes ist nach herrschender Meinung selbständig nach Art. 18 EGBGB anzuknüpfen 5 . Gemäß Art. 181 EGBGB beurteilt sich die eheliche Abstammung nach dem Heimatrecht des Ehemannes der Mutter. Zwar bestimmt Art. 18 dies nur für den Fall, daß der Ehemann Deutscher ist; von Lehre und Rechtsprechung ist diese Vorschrift aber zu einer allseitigen Kollisionsnorm ausgebaut worden 6 . Der Ehemann der Mutter ist iranischer Staatsangehöriger. Demnach verweist das deutsche Internationale Privatrecht ebenso hinsichtlich der Frage der ehelichen oder unehelichen Abstammung des 1

Das Abkommen ist gemäß Bekanntmachung vom 15. 8. 1955 (BGBl. 1955 II 829) weiterhin gültig. Es ist auszugsweise abgedruckt bei Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, Bd. II (2. Aufl. 1960/61) Nr. 32. 2 Vgl. Schweizer Bundesgericht 2. 7. 1959, BGE 85 II 153 ff. (168), zu der entsprechenden Bestimmung des Niederlassungsabkommens zwischen der Schweiz und dem Iran vom 25. 4. 1934 (auszugsweiser Abdruck des Abkommens bei Makarov Nr. 38). 3 Paiandt(-Lauterbach), BGB (25. Aufl. 1966), Art. 22 EGBGB Anm. 2; Soergel/ Siebert(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), Art. 22 EGBGB Anm. 1. 4 OLG Hamm 10. 11. 1958, FamRZ 1959, 28; Soergel/Siebert(-Kegel), vor Art. 13 EGBGB Anm. 9. 5 Palandt(-Lauterbach), Art. 22 EGBGB Anm. 3 und Art. 18 EGBGB Anm. 3; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1962) 239; Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 22 EGBGB Anm. 21. • Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 18 EGBGB Anm. 11 mit Rechtsprechungsnachweisen.

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Familieniecht

Kindes wie - bei unehelicher Abstammung - hinsichtlich seiner etwaigen Legitimation auf das iranische Recht. Zu prüfen bleibt jedoch, ob das iranische Internationale Privatrecht eine nach dem Grundsatz des Art. 27 EGBGB zu beachtende Rüdeverweisung enthält 7 . 3. Das iranische Internationale Privatrecht enthält im iranischen Zivilgesetzbuch (ZGB) - II. Teil von 1935 - eine einzige Kollisionsnorm über das auf die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern anwendbare Recht. Art. 904: Die Beziehungen zwischen den Eltern und den Kindern bestimmen sich nach dem Heimatrecht des Vaters, vorbehaltlich des Falles, in dem die Abstammung des Kindes nur gegenüber der Mutter festgestellt wird und in welchem sich die Beziehungen des Kindes zu seiner Mutter nach dem Heimatrecht der letzteren richten8.

Danach ist für die Beziehungen des Kindes zu seinem Vater stets das Heimatrecht des Vaters maßgeblich. Ehelichkeits- und Legitimationsstatut ist also hier das iranische Recht. 4. Zu beachten ist daher das iranische interreligiöse Recht. Das iranische ZGB gilt nämlich in seinem personenrechtlichen Teil nur für Angehörige der iranische Staatsreligion, des Islam der ga'faritischen Schule („Zwölfer Schiiten") 9 . Mangels gegenteiliger Angaben in den dem Institut vorliegenden Akten wird unterstellt, daß der iranische Vater, wie die Mehrzahl aller Perser, der schiitischen Richtung des Islam angehört, so daß die Regeln des ZGB anwendbar sind. II. Iranisches materielles

Kindschaitsrecht

Das iranische ZGB enthält in seinem achten Buch, das durch Gesetz vom 8. 4.1935 verkündet worden ist, folgende hier einschlägige Bestimmungen über die Abstammung eines Kindes 10 : Art. 1158: Das während der Ehe geborene Kind gilt als das des Mannes, es sei denn, daß zwischen dem Geschlechtsverkehr und der Geburt weniger als sechs und mehr als zehn Monate liegen. Art. 1161: Hat in den Fällen der vorhergehenden Artikel der Ehemann seine Vaterschaft ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt, so kann er die Ehelichkeit nicht mehr anfechten. 7

Soeigel/Siebertf-Kegel), Art. 27 EGBGB Anm. 28. Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl., s. v. Iran 8. 9 Bergmann 4; Aghababian, Législation Iranienne Actuelle (Paris 1951) 123; ders., Persisches Zivilgesetzbuch (Manuskript 1938) 4. 10 Bergmann 20f. 8

Legitimation

/ Iran

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Art. 1164: Die Bestimmungen der vorhergehenden Artikel sind auch bei dem gutgläubigen außerehelichen Geschlechtsverkehr anwendbar, selbst wenn die Mutter des Kindes nicht in einem Irrtum war. Art. 1165: Ein im außerehelichen Geschlechtsverkehr geborenes Kind gilt ausschließlich als Kind desjenigen, der in gutem Glauben war; waren beide in einem Irrtum, so gilt es als Kind von beiden. Art. 1166: Ist die Ehe der Eltern des Kindes wegen eines Ehehindernisses nichtig, so gilt das Kind als ehelich hinsichtlich des Elternteils, der das Hindernis nicht kannte; es ist unehelich hinsichtlich des andern. Kannten beide Eltern es nicht, so ist das Kind hinsichtlich beider ehelich. Art. 1167: Ein Kind geboren aus zena (böswilligem unerlaubtem Geschlechtsverkehr) steht in keiner Beziehung zu dem zani (dem schuldigen Mann).

Diese Artikel sind, wie der größte Teil der Vorschriften des iranischen ZGB über das „Statut personnel", nur eine Wiedergabe des klassischen islamischen Rechts der schiitischen Schule, so daß auch islamisches Recht zur Auslegung der wiedergegebenen Artikel des ZGB herangezogen werden muß n . 1. Legitimitätstatbestände sind gemäß den hier wiedergegebenen Artikeln des ZGB in völliger Übereinstimmung mit dem islamischen Recht: a) die gültige (vgl. Art. 1158 ZGB) und die nichtige Ehe (vgl. Art. 1166 ZGB); b) gutgläubiger außerehelicher Geschlechtsverkehr (vgl. Artt. 1164, 1165 ZGB). Zu a): Die Eltern des hier in Rede stehenden Kindes haben unzweifelhaft erst nach dessen Geburt geheiratet, so daß es nicht ehelich im Sinne der Artt. 1158,1166 ZGB sein kann. Zu b): „Gutgläubigkeit" im Sinne der Artt. 1164, 1165 ZGB und des islamischen Rechts liegt vor bei: (1) Irrtum über die Identität des Partners („subha fi al-milk"), (2) Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Beiwohnung trotz Kenntnis aller Tatumstände („subha fi al-fi'l"), (3) Irrtum über die Gültigkeit eines - in Wirklichkeit mangelhaften - Ehekontraktes („subha fi al-'aqd")12. 11 Vgl. Amilian, Le mariage en droits iranien et musulman, Bd. I (Paris 1938) 15; Amid, Le divorce en droit iranien (Paris 1939) 40; Guerry, Recueil des lois concernant les Musulmans Schyites II (Paris 1872) 166 f. 12 Musa, ahkam al-ahwal al-sahsiyya fi al-fiqh al-islami (Kairo 1958) 366; Abu Zahra, al-ahwal al-sahsiyya (Kairo 1957) 156; al-Dhahabi, al-ahwal al-sahsiyya

28

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

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Familiemecht

Offensichtlich vereinzelte Entscheidungen, wonach „Geschlechtsverkehr in gutem Glauben" mit der Folge der Legitimität des Kindes schon dann vorliegt, w e n n der Verkehr in beiderseitigem Einverständnis erfolgt ist, k e i n gesetzliches Hindernis der Eheschließung besteht und beide Partner später die Ehe miteinander eingehen 1 3 , beruhen anscheinend auf der falschen Übersetzung des arabischen W o r t e s „subha" (= Irrtum), das in dies e m Zusammenhang auch im persischen Text gebraucht wird, mit „gutem Glauben" 1 4 . Entscheidend für die Legitimität einer außerehelichen Beiwohnung ist nach islamischem Recht nicht die auf eine zukünftige Ehe gerichtete Absicht der Partner, sondern allein das V o r l i e g e n eines der oben angeführten Irrtümer bei der Beiwohnung 1 5 . 2. Schon in Art. 1161 ZGB w e i s t das iranische Zivilgesetzbuch auf die Möglichkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses hin. Hierzu enthält das ZGB noch folgende Bestimmungen: Art. 1260: Ein Anerkenntnis kann durch jede hinreichend deutliche Erklärung erfolgen. Art. 1262: Der Anerkennende muß volljährig und geistig gesund sein, er muß mit Absicht und freiem Willen handeln. Daher ist das Anerkenntnis eines Minderjährigen, eines Geisteskranken und desjenigen, der ohne Absicht oder unter Zwang handelt, ohne Wirkung. Art. 1273: Das Anerkenntnis der Vaterschaft ist nur gültig: 1. wenn die Zuerkennung der Vaterschaft nach Gewohnheit und Recht möglich ist; 2. wenn die Person, in bezug auf die die Vaterschaft anerkannt wird, dieses Anerkenntnis bestätigt; das gilt nicht für die Anerkennung der Vaterschaft über einen Minderjährigen; in diesem Fall hängt die Wirksamkeit davon ab, daß niemand widerspricht 16 . baina madhhab ahl al-sunna wa al-ga'fariyya (Baghdad 1958) 332; Aziz Ahmad, Islamic Law in Theorie and Practice (Lahore 1956) 258. 13 AG Hamburg 15. 1. 1961, StAZ 1961, 290; AG Ebingen 10. 12. 1963, DA Vorm. 1965, 30 = MDR 1964, 1006. 14 Die französische Ubersetzung in Aghababian, Législation... 95, lautet dagegen korrekt „erreur". 15 Abu Zahra 156. - Richtig LG Berlin 14. 2. 1964, DA Vorm. 1964, 331. 16 Übersetzung des Instituts aus dem persischen Text in: Ghanun-é meden-i (Teheran o. J.). Wenn in Art. 1273 Nr. 1 auf die „Gewohnheit" Bezug genommen wird, so ist damit nicht etwa ein neben dem islamischen Recht stehendes Gewohnheitsrecht gemeint, wie in einem Erlaß des Bremer Senators für Inneres vom 3. 8. 1965 StAZ 1966, 72) offensichtlich angenommen worden ist. Der im Originaltext stehende arabisch-persische Terminus ,,'ada" ist nur eine Wiedergabe des islamischen Rechts selbst, das damit die Möglichkeit der Erzeugung des Kindes fordert. Vgl. statt aller Barvajardi, kulliyat-é hughugh-é islami (Teheran 1335 H./1957 n. Chr.) 206.

Legitimation

/ Iran

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a) Rechtsnatur des Anerkenntnisses. - Das islamische Recht stellt dem (präsumtiven) Vater die Anerkennungserklärung für den Fall zur Verfügung, daß der Nachweis einer legitimen Geschlechtsverbindung nur schwer oder gar nicht zu führen ist 1 7 . Das Anerkenntnis hat ursprünglich keine konstitutive Bedeutung, sondern ist lediglich Beweismittel für eine objektiv bereits bestehende Legitimität des Kindes. Das ergibt sich schon daraus, daß das islamische Recht den Geschlechtsverkehr außerhalb einer legitimen Verbindung unter schwere Strafe stellt und dem in solch einem Verkehr gezeugten Kind, dem „walad al-zina", nicht nur jedes durch die Abstammung begründete Recht verweigert (Art. 1167 ZGB), sondern auch seine nachträgliche Legitimierung - als eine Billigung seiner Zeugung absolut ausschließt 18 . Es könnte daher fraglich sein, ob die islamischen Vorschriften über das Anerkenntnis von der Verweisung des deutschen Internationalen Privatrechts auf materielles iranisches Recht in Art. 18 EGBGB umfaßt werden oder ob sie als bloße Beweismittelregeln - solche sind der lex fori zu entnehmen 19 , in Deutschland nicht anzuwenden sind. Die Anerkennungserklärung ist aber nur in der Theorie ein reines Beweismittel. Nach der Praxis ist das Anerkenntnis nicht auf eine Stufe mit den üblichen Beweismitteln zu stellen, es wirkt vielmehr als selbständiger Grund für die Legitimität eines Kindes; diese steht mit Abgabe der Erklärung rückwirkend vom Zeitpunkt der Geburt an fest. „Von jeher stand man in der Handhabung des islamischen Rechts dem Problem gegenüber, die ein für allemal festgelegte, so gut wie unveränderliche Theorie mit den wechselnden Bedürfnissen der Praxis in Einklang zu bringen. Ohne ihrem absoluten Geltungsanspruch das mindeste zu vergeben, hat die Theorie selbst Mittel entwickelt, um diesen Zwiespalt zu überbrücken; ein sehr beliebtes Mittel ist das Anerkenntnis, das zur Schaffung von Fiktionen dient... Das islamische Gesetz kennt nur die eheliche Vaterschaft; ein Kind, dessen uneheliche Geburt vor dem islamischen Gesetz feststeht, kann unter keinen Umständen ehelich werden... Wenn aber jemand, sei . . . er der Ehegatte [der Kindesmutter] oder nicht, einfach die Vaterschaft (und das ist im islamischen Recht nichts anderes als die eheliche Vaterschaft) zu dem Kinde anerkennt, so ist dies Anerkenntnis (vorausgesetzt, daß es den allgemeinen Bedingungen entspricht) unwiderruflich wirksam..." 2 0 Abu Zahra 422. Vgl. Fyzee, Outlines of Muhammadan Law (3. Aufl. Oxford 1964) 184; Wengler, Die Anerkennung des Kindes im Islamrecht und ihre Bedeutung für das deutsche Personenstandsrecht: JR 1964, 201 f.; Abu Zahra 414, 422; Musa 362. 19 Vgl. BGH 17. 1. 1966, Betrieb 1966, 692; Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 377. 20 Schacht, Anm. zu LG II Berlin 24. 4. 1933, StAZ 1933, 329. In der Sache ebenso Abu Zahra 422 und besonders Justice Mahmood in Muhammad Allahdad v. Muhammad Ismail (1888), 10 Allahdad 289, in Fyzee, Cases in the Muhammadan Law of India and Pakistan (Oxford 1965) 199 ff. (235). 17

18

28 *

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Familienrecht

Teilweise bezeichnet die islamische Rechtslehre das Anerkenntnis sogar ausdrücklich neben der Ehe als selbständigen Grund für die Legitimität eines Kindes 21 . Die pakistanische Rechtsprechung zum islamischen Recht sieht demgemäß die Regeln über das Anerkenntnis nicht als „rules of evidence", sondern als Teil des materiellen Rechts an 22 . Auch in Deutschland ist daher diese Regelung als Teil des materiellen Rechts zu behandeln 23 , so wie etwa die Bestimmung des französischen Code civil, daß bei Verträgen über 50 Frs. der Zeugenbeweis ausgeschlossen ist (Art. 1341), in Deutschland trotz ihrer prozessualen Einkleidung gemäß ihrer tatsächlichen Funktion als zivilrechtliche (Form-)Vorschrift behandelt wird 24 . b) Voraussetzungen. - Einig sind sich alle Rechtsschulen des Islam darin, daß ein Vaterschaftsanerkenntnis nur in den Fällen wirksam sein kann, in denen die Erzeugung des Kindes in „zina", d.h. außerhalb einer legitimen Verbindung, nicht feststeht. Denn das Vaterschaftsanerkenntnis basiert auf der Annahme, daß das anerkannte Kind vor dem anerkennenden Vater tatsächlich abstammt und daß diese Abstammung das Ergebnis eines legitimen Geschlechtsverkehrs zwischen den Eltern ist. Wenn eine dieser beiden Bedingungen erwiesenermaßen nicht erfüllt ist - bei der ersten durch den Beweis, daß das Kind von einem anderen Mann erzeugt ist, und bei der zweiten durch den Beweis, daß eine legitime Verbindung zwischen Anerkennendem und Kindesmutter zum Empfängniszeitpunkt unmöglich war, dann ist das Anerkenntnis selbst wirkungslos 25 . (1) Das Nichtvorliegen der zweiten Voraussetzung - der legitimen Verbindung - wird kaum jemals bewiesen werden können, da die Ehe auch formlos geschlossen werden kann. Art. 1062 ZGB: Die Ehe wird durch Angebot und Annahme in Ausdrücken geschlossen, die deutlich die Absicht erkennen lassen, eine Ehe einzugehen 2 6 . 2 1 So Abd el-Fattah al-Sayed Bey, La Filiation en Droit Egyptien (1932) 15; Ahmad Musallim, al-quanun al-dawli al-hass, Bd. II (Kairo 1956) 196. 2 2 High Court Lahore 14. 2. 1962 in Abdul Ghani v. Taleh Bibi, All Pakistan Legal Decisions 1 9 6 2 - 1 1 - 5 3 1 ff. (541); Ahmad (oben N. 12) 253. 23 Wengler 204. 24 Vgl. SoergelfSiebert(-Kegel), Art. 11 EGBGB Anm. 22 mit Fußn. 6. - Allgemein zur funktionellen Qualifikation Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1962) 79 ff. 2 5 So Justice Mahmood aaO mit ausführlicher Begründung dafür, daß ein Anerkenntnis nur Unsicherheiten beseitigen, nicht aber bewiesene Tatsachen ausräumen kann. Ebenso Syed Ameer Ali, Mohammedan Law, Bd. II (Lahore 1965) 199; Sadik Husain v. Hashim Ali: Fyzee, C a s e s . . . 238ff. (247); Habibur Rahman v. Altaf Ali: Fyzee 248ff. (251 f.). 26 Bergmann 14. Daneben bestehende Formvorschriften sind ohne Bedeutung für die Gültigkeit der Ehe: Amirian 375.

Legitimation

/ Iran

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Im übrigen gehören die nichtige Ehe sowie irrtümlicher Geschlechtsverkehr in gutem Glauben ebenfalls zu den legitimen Verbindungen. Für diese Fälle kann zwar der positive Beweis der Legitimität kaum jemals geführt werden, ebenso aber auch nicht der Gegenbeweis, so daß hier das Anerkenntnis zur Beseitigung der Unsicherheit zum Zuge kommt 27 . Das Anerkenntnis des biologischen Kindesvaters ist also in der Regel gültig. Auch im vorliegenden Fall kann die Möglichkeit legitimer Verbindung zwischen den Eltern zur Zeit der Empfängnis des Kindes nicht ausgeschlossen werden. Allerdings darf der Anerkennende nach der Lehre aller Rechtsschulen in seinem Anerkenntnis nicht selbst auf die illegitime Erzeugung des Kindes hinweisen 28 . Der Gebrauch des Wortes „uneheliches Kind" in der vorliegenden Anerkennungserklärung muß nicht als ein solcher Hinweis auf „zina" aufgefaßt werden, da die Erklärung auf einem Formular des Jugendamtes abgegeben ist, das offenbar nur die Unehelichkeit im Sinne des deutschen Rechts meint, während der islamische Begriff der Illegitimität enger ist (z. B. Kinder aus gutgläubig-irrtümlichem Geschlechtsverkehr nicht umfaßt). Jedoch ist dem Kindesvater vorsorglich anzuraten, das Kind in einer neuen Erklärung als „sein legitimes Kind" anzuerkennen. Das Anerkenntnis eines Kindes als legitim ist auch dann wirksam, wenn das Kind vorher als in „zina" empfangen bezeichnet worden ist 29 . (2) Auch gegen die tatsächliche Voraussetzung der biologischen Abstammung spricht im vorliegenden Fall nichts. (3) Die weiteren Voraussetzungen eines wirksamen Anerkenntnisses, die Art. 1262 ZGB ebenfalls im Einklang mit dem islamischen Recht aufstellt 30 , nämlich Volljährigkeit, geistige Gesundheit, Erklärungsabsicht und Willensfreiheit des Anerkennenden, sind hier wohl gegeben. (4) Das iranische ZGB fordert in Art. 1273 ebenso wie das schiitische Recht31, daß dem Anerkenntnis niemand widerspricht. Mit Widerspruch ist hier die Tatsache gemeint, daß ein weiterer präsumtiver Vater dem Anerkennenden die Vaterschaft streitig macht 32 . Ein solcher Widerspruch ist anscheinend ebenfalls nicht erhoben worden. (5) Die Zustimmung des Kindes oder eines zu seiner Vertretung eingesetzten Pflegers ist nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 1273 ZGB nicht nötig. 27 Justice Mahmood aaO; LG Kairo 20. 1. 1957 in: Kharuia, sarh qanun al-ahwal al-sahsiyya, Bd. II (Baghdad 1963) 187; vgl. auch Bousquet, La morale de l'islam et son ethique sexuelle (Paris 1953) 62. 28 Musa 342; Abu Zahra 424; Dhahabi 340; LG Alexandrien in: Kharuia 188. 28 al-Sarakhsi, al-mabsut, Bd. 17 (Kairo 1331 H./1912 n.Chr.) 157f. 30 Vgl. Dhahabi 339. 31 Ouerry 166f.; Barvajardi 207. 32 Barvajardi aaO; Syed Ameer Ali 204.

Familienrecht

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Die nach Art. 22 II EGBGB i.V.m. § 1276 BGB bei einer Legitimation durch Ehelichkeitserklärung erforderliche Einwilligung der Mutter ist im vorliegenden Fall schon deshalb entbehrlich, weil die Eltern des Kindes inzwischen die Ehe geschlossen haben 8 3 . (6) Besondere Formvorschriiten gibt es für das iranisch-islamische Anerkenntnis gemäß Art. 1260 ZGB nicht 3 4 . Soll das Anerkenntnis jedoch in Iran für einen Urkundenbeweis gebraucht werden, so ist es vom zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertreter Irans in Deutschland oder Deutschlands in Iran zu beglaubigen. Art. 1295 ZGB: Die iranischen Gerichte erkennen den im Ausland errichteten Urkunden die Beweiskraft, die diese Urkunden nach den Gesetzen des Errichtungsstaates haben, unter der Bedingung zu, daß: 1.-3. . . . 4. der diplomatische oder konsularische Vertreter Irans in dem Staat, in dem die Urkunde errichtet worden ist, oder der diplomatische oder konsularische Vertreter dieses Staates in Iran bestätigt hat, daß die Urkunde gemäß den Gesetzen dieses Staates errichtet worden ist.

Auch ist die Abgabe eines nochmaligen Anerkenntnisses vor dem iranischen Konsul möglich, wie dem Institut aus einem anderen Fall bekannt ist 3 5 . c) Wirkung. - Durch das Vaterschaftsanerkenntnis erlangt das Kind rückwirkend den Status eines ehelichen Kindes. Es wird damit auch iranischer Staatsangehöriger. Art. 976 ZGB:

Iraner sind: 1. ... 2. alle in Iran oder im Ausland geborenen Kinder eines iranischen Vaters".

Diese Vorschrift gilt nämlich auch für nachträglich anerkannte Kinder 3 7 . III. Ergebnis Auf die Fragen des Gerichts ist zu antworten: Zu 1.: Nicht durch die Eheschließung des iranischen Erzeugers mit der Mutter, sondern durch dessen Anerkenntnis erlangt das Kind nach iranischem Recht rückwirkend die Stellung eines ehelichen Kindes. 33 34 35 36 37

AG Hamburg 19. 4. 1963, StAZ 1964, 74; Wengler 204. Vgl. auch Abu Zahra 416. Ebenso Erlaß des Bremer Senators für Inneres vom 3. 8. 1965, StAZ 1966, 72. Bergmann 1. Vgl. für die entsprechende Rechtslage in der VAR: Musallim 196.

Legitimation / Indien

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Zu 2.-. Die Feststellung dieser Wirkung kann nur deklaratorisch sein. Für einen konstitutiven gerichtlichen oder sonstigen behördlichen Akt ist kein Raum. Nr. 42 Indien 1. Nichteintritt der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung bei Anwendbarkeit des Hindu-Rechts. 2. Rechtsstellung des unehelichen Kindes nach diesem Recht. 3. Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public. München EV 150/65 vom 25.5.1965

SACHVERHALT Eine deutsche Staatsangehörige katholischer Religion hat am 2.9.1964 in Deutschland außer der Ehe einen Knaben geboren. Als Erzeuger des Kindes ist ein indischer Staatsangehöriger bezeichnet, der der HinduReligion angehört. Der als Kindsvater bezeichnete Inder hat die Vaterschaft nicht anerkannt, jedoch nach der Geburt des Kindes mit der Mutter die Ehe vor einem deutschen Standesbeamten geschlossen. Das Amtsgericht München wünscht eine gutachtliche Stellungnahme, ob das Kind durch die Heirat der Eltern legitimiert worden ist. I. Internationale

Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts für die Feststellung der Legitimation ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Geburt des Kindes im Geburtenbuch eingetragen ist, wenn das Kind infolge der Legitimation in ein Familienbuch einzutragen ist oder wenn zur Zeit der Legitimation der Vater oder das Kind Deutscher war (§ 31 Abs. 1 PStG) 1 . Ist die internationale Zuständigkeit des deutschen Vormundschaftsgerichts nach § 31 PStG gegeben, so wird diese Zuständigkeit nicht dadurch eingeschränkt, daß die Legitimation gegebenenfalls materiell von einem ausländischen Recht beherrscht wird und dieses die Legitimation an strengere Voraussetzungen knüpft als das deutsche Recht 2 . 1 Vgl. Soergei-Siebeit(-Kegel), Kommentar zum BGB V (9. Aufl. 1961), Art. 22 EGBGB Anm. 28. 2 Vgl. Beitzke, Internat. Zuständigkeit in Legitimationssachen in Festschrift für H. Kraus (1954) 20 (29); Dölle, über einige Kernprobleme des internat. Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit, RabelsZ 27 (1962) 201, 231.

440

Familienrecht

Dies gilt allerdings nur, soweit es sich lediglich um eine rein deklaratorische Feststellung des Eintritts der Legitimation handelt. Ergibt sich die Legitimation erst aufgrund eines Gestaltungsaktes, nicht aber kraft Gesetzes, so ist nach der in Rechtsprechung und Lehre überwiegenden Meinung die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nur dann gegeben, wenn das Legitimationsstatut die deutschen Gerichte ausdrücklich oder mittelbar zu einer solchen Tätigkeit ermächtigt. Andernfalls muß die Rechtsgestaltung den ausländischen Gerichten vorbehalten bleiben, um „hinkende" Legitimationen zu vermeiden 3 . Ein richterlicher Gestaltungsakt im Falle einer Legitimation durch nachfolgende Eheschließung bildet jedoch, wie ein rechtsvergleichender Überblick zeigt, die Ausnahme. Als Beispiel wäre Art. 331 Abs. 3 des französischen Code Civil zu nennen (Ehebruchskinder). In der Regel handelt es sich um eine deklaratorische Feststellung, daß die Legitimation von Gesetzes wegen bereits eingetreten ist. Für sie bedarf es zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte einer Ermächtigung des Legitimationsstatuts nicht. Ergebnis Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die (deklaratorische) Feststellung, ob durch eine nachfolgende Eheschließung eine Legitimation eingetreten ist oder nicht, ist gegeben. Sieht das maßgebliche Recht ausnahmsweise einen (konstitutiven) Gestaltungsakt vor, so ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nur gegeben, wenn das maßgebliche Recht die deutschen Gerichte ausdrücklich oder mittelbar zu diesem Gestaltungsakt ermächtigt. Sollte sich im vorliegenden Fall herausstellen, daß das maßgebliche Recht die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung ausnahmsweise in dieser Art geregelt hat, so wäre noch einmal auf die Frage der internationalen Zuständigkeit zurückzukommen. II. Anzuwendendes 1. Deutsches internationales

Recht

Privatrecht

Aus Art. 22 Abs. 1 EGBGB ist der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, daß sich die Legitimation eines unehelichen Kindes nach dem Recht desjenigen Staates richtet, dem der Kindsvater zur Zeit der Geburt angehört 4 . 3 Vgl. LG Stuttgart, Beschl. v. 8. 6. 1956, IPRspr. 1956/57 Nr. 122; AG Leonberg, Beschl. v. 6. 10. 1955, IPRspr. 1965/55 Nr. 112; aus dem Schrifttum vgl. Beitzke 30; Makarov, SJZ 1950, 911 ff. (Anm. zu OLG Nürnberg, U. vom 8. 5. 1950); Serick, Parallelwirkungen im internat. Privatrecht, RabelsZ 21 (1956) 207 (232); vgl. auch Schwerin in „Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955) 364 ff. 4 Vgl. RGZ 125, 265 (268); Soergel-Siebert(-Kegel), Art. 22 EGBGB Anm. 1-8, 20;

Legitimation

/ Indien

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Das anfragende Gericht geht also zutreffend davon aus, daß das deutsche internationale Privatrecht im vorliegenden Fall zunächst auf das indische Recht verweist, wobei jedoch eine etwaige Rück- oder Weiterverweisung durch das indische internationale Privatrecht zu beachten wäre 5 . Die Vorfrage der rechtlichen Existenz und Gültigkeit der Ehe ist dagegen gesondert anzuknüpfen 6 . Im deutschen internationalen Privatrecht sind für die Form und die Eingehung einer Ehe grundsätzlich, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, die Vorschriften der Art. 11 u. 13 EGBGB maßgebend. Danach bestimmt sich die Form einer Ehe, die im Inland geschlossen wird, ausschließlich nach deutschem Recht (Art. 13 Abs. 3 EGBGB), so daß im vorliegenden Fall hinsichtlich der Gültigkeit der Ehe keine Zweifel bestehen. 2. Das indische internationale

Privatrecht

a) Das indische Kollisionsrecht beruht auf den in der englischen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die allerdings in Indien weithin kodifiziert worden sind und gelegentlich auch in der Praxis eine selbständige Fortbildung erfahren haben. Speziell zur Frage der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung gibt es jedoch keine kodifizierte Norm, und auch die indische Rechtsprechung scheint sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt zu haben. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß ein indisches Gericht auf die einschlägige englische Rechtsprechung zurückgreifen würde. b) Die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung ist in England erst durch den Legitimacy Act von 1926 eingeführt worden. Schon lange vorher war jedoch in der englischen Rechtsprechung der kollisionsrechtliche Grundsatz anerkannt, daß sich die Legitimation nach der lex domicilii des unehelichen Vaters richtet 7 . Nach den kollisionsrechtlichen Grundsätzen des Common Law war allerdings zur Anerkennung der Legitimation erforderlich, daß der Vater nicht nur zur Zeit der Eheschließung, sondern bereits bei der Geburt des Raape, Internat. Privatrecht (5. Aufl. 1961) 377; Palandt(-Lauterbach), Kommentar zum BGB (22. Aufl. 1963), Art. 22 EGBGB Anm. 2; M. Wölfl, Das internat. Privatrecht Deutschlands (3. Aufl. 1954) 220. 5 Vgl. Soeigel-Siebeit(-Kegel), Art. 22 EGBGB Anm. 48; Raape 380; Palandt (-Lauterbach), Art. 22 EGBGB Anm. 1. 6 Vgl. Soergel-Siebert(-Kegel), Art. 22 EGBGB, Anm. 21; Kegel, Internat. Privatrecht (1960) 310; Raape 382. 7 Vgl. Re Goodman's Trusts (1881) 17. Ch. D. 266 (C. A.), zustimmend zitiert in der indischen Literatur, etwa bei Paruck, The Indian Succession Act (4. Aufl. 1953) 28; Re Grove (1888) 40 Ch. D. 216; weitere Nachweise bei Dicey(-Morris), Conflict of Laws (7. Aufl. 1958) 435 ff.

442

Familienrecht

Kindes in einem legitimationsfreundlichen Land domiziliert war. Dies wurde in der Rechtsprechung mit der Überlegung begründet, daß eine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung nur dann möglich sei, wenn das Kind die Fähigkeit dazu schon mit der Geburt erworben habe Das Gesetz von 1926 brachte demgegenüber insofern eine Erleichterung, als seitdem in England - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nur noch auf das Recht des väterlichen domicil im Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen ist (sec. S. 1). Es erscheint fraglich, ob sich diese erleichterte Regelung auch in Indien durchgesetzt hat 9 . Die Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn aus dem Sachverhalt ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, daß der Kindsvater zwischen der Geburt des Kindes und der Eheschließung sein domicil gewechselt hätte. c) Der Begriff des domicil wird in Indien im Anschluß an das englische Recht bestimmt und entspricht weder dem Wohnsitz noch dem Aufenthalt im deutschen Recht. Es wird zwischen dem durch Geburt erworbenen „domicil of origin" (Domizil des Vaters zur Zeit der Geburt) und dem „domicil of choice" unterschieden, das eine volljährige Person dadurch erwerben kann, daß sie sich in einem anderen Land mit der Absicht niederläßt, dort für immer oder auf unbestimmte Zeit zu verbleiben (animus manendi) und nicht in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren (animus non revertendi) 1 0 . In Indien sind die englischen Domizilregeln - mit kleinen, hier nicht interessierenden Abweichungen - für den Bereich des internationalen Erbrechts im Indian Succession Act - XXXIX of 1925 kodifiziert worden. Vgl. See. 7 ff. des Gesetzes; im übrigen gelten die Grundsätze des englischen Rechts n . Im vorliegenden Fall ist anzunehmen, daß der Kindsvater von Geburt in Indien domiziliert ist, wo vermutlich sein Vater zur Zeit seiner Geburt domiziliert war. Nach Deutschland ist er nur für die Zeit der Ausbildung als Student gekommen. Er will hier offenbar nicht auf die Dauer verbleiben. Bei dieser Sachlage hat der Kindsvater nach anglo-indischer Rechts8

Vgl. Re Grove aaO; Re Wright's Trusts (1856) 69 E. R. 920. Unklar: Dixit-Ranganath, Private International Law I960, 99. Eine ausführliche Darstellung des Domizilbegriff gibt: Henrich, Der Domizilbegriff im englischen internat. Privatrecht, RabelsZ 25 (1950) 456ff.; vgl. audi: Dicey(-Treitel) 85 ff. 11 Vgl. etwa: D. P. Joshi v. The State of Madhya Bharat and another, 1953, A. I. R. S. C. 334] aus dem Schrifttum: Rama Rao, Conflict of Laws in India: RabelsZ 23 (1958) 259 (274); vgl. audi Dixit-Rangenath 14, unter Berufung auf die englische Entscheidung: Moorhouse v. Lord (1863) 10 H. L. Cas. 272: „The present intention of making a place a person's permanent home can exist only where he has no other idea than to continue there without looking forward to any event certain or uncertain which might induce him to change his residence." 9

10

443

Legitimation / Indien

auffassung kein Wahldomizil in Deutschland erworben, sondern sein indisches Ursprungsdomizil beibehalten 12 . Es bleibt somit bei der Anwendung des indischen Rechts. 3. Indisches interpersonales

Recht

Die Gebiete des Familien- und Erbrechts sind in Indien - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nicht einheitlich geregelt. Vielmehr lebt jede in Indien ansässige Person - sofern sie nicht britischer oder europäischer Abstammung ist - nach ihrem Personalstatut (personal law), d. h. nach dem Recht der religiösen Gemeinschaft, der sie angehört. Somit ist im vorliegenden Fall auf das Hindu-Recht abzustellen. (Hingewiesen sei darauf, daß das Hindu-Recht verschiedene Schulrichtungen aufweist, wobei in erster Linie zwischen der Mitakshara-Schule - mit Untergliederungen - und der Dayabhaga-Schule zu unterscheiden ist. Es wird widerleglich vermutet, daß eine Hindu-Familie nach dem Recht der in ihrem Aufenthalts-Staat als maßgeblich anerkannten Rechtsschule lebt. Die Frage der Schulzugehörigkeit der Familie des Kindsvaters dürfte jedoch hinsichtlich der hier interessierenden Frage keine Rolle spielen 13 . III. Der indische Rechtszustand bezüglich der Legitimation eines von einem Hindu erzeugten außerehelichen Kindes 1. Uneinheitlidikeit

des indischen Personen- und

Familienrechts

Die Bestrebungen, das bürgerliche und das öffentliche Recht für den ganzen Staat einheitlich zu gestalten, sind noch nicht sehr weit gediehen. Damit muß heute mit dem Recht der einzelnen Religionsgemeinschaften gerechnet werden, soweit es sich um Fragen des Personen- und Familienrechts handelt. Im vorliegenden Falle kommt es auf das religiöse Recht der HinduReligionsgemeinschaft an. Im weltlichen indischen Recht findet sich eine einzige positivrechtliche Vorschrift über die eheliche Kindschaft. Sie ist im Special Marriage Act Nr. 43 vom 9.10. 1954, Chapter III section 18 I enthalten. Die Vorschrift lautet: „Subject to the provisions contained in Sub-Sec. (2) of Sec. 24, where a certificate of marriage has been finally entered in the Marriage Certificate Book 12

Vorausgesetzt, daß eine Heiratsurkunde endgültig in das Heiratsregister entsprechend den Vorschriften dieses Kapitels eingetragen ist, gilt die Heirat

Vgl. dazu Dicey(-Cowen) (6. Aufl. 1955) 125: kein Domizilwechsel durch Studienaufenthalt im Ausland, auch wenn sich der Student dort verheiratet. 15 Zur Spaltung innerhalb des Hindu-Rechts im einzelnen vgl. Mulla, Principles of Hindu-Law (12. Aufl. 1959) 1 ff.

444

Familienrecht

under this chapter, the marriage shall, as from the date of such entry, be deemed to be a marriage solemnized under this Act, and all children born after the date of the ceremony of marriage (whose names shall also be entered in the Marriage Certificate Book) shall in all respects be deemed to be and always to have been the legitimate children of their parent."

vorbehaltlich § 24 II dieses Gesetzes mit ihrem Abschluß als erfolgt, und alle Kinder, die nach der Heirat geboren wurden und deren Namen ebenfalls in das Heiratsregister eingetragen werden, gelten in jeder Hinsicht als ehelich.

Von der Legitimation ist hier nicht die Rede. Auch die übrigen, die Kindschaft bezüglichen familienrechtlichen Gesetze wie der „Guardian and W a r d s A c t 1890" in Verbindung mit dem „Majority A c t 1875" enthalten nichts über die Legitimation. 2. Legitimation

durch nachfolgende

Eheschließung

a) Hinsichtlich der Frage der Legitimation unehelicher Kinder durch nachfolgende Eheschließung sind im Hindu-Recht drei Entwicklungsstufen zu unterscheiden. Für die klassischen Schriften des Hindu-Rechts ist dabei charakteristisch, daß sich diese nur mit der Abstammung von Söhnen beschäftigen, während Töchter nirgends erwähnt werden. b) Die ältesten indischen Rechtsquellen erkennen nur den in der Ehe erzeugten und geborenen Sohn (aurasa) als „Sohn" an. In der Folgezeit haben jedoch weitere Gruppen minderberechtigter Söhne Berücksichtigung gefunden, die als Verwandte anerkannt und in Ermangelung besser berechtigter Söhne zum Erbrecht zugelassen wurden. Zu diesen gehört auch der von einem ledigen Mädchen vor der Ehe geborener Sohn (kanina), der von den Schriftstellern dieser Epoche teils dem mütterlichen Großvater, teils aber auch dem späteren Ehemann der Kindesmutter als „Sohn" zugerechnet wird 1 4 . In neuerer Zeit hat sich jedoch weitgehend die ursprüngliche strenge Rechtsauffassung wieder durchzusetzen vermocht 1 5 . 14 Vgl. dazu Sen-Gupta, Evolution of Ancient Indian Law (1953) 138-140, 144 d. 153f.; Jolly, Grundriß der Indo-arischen Philologie und Altertumskunde II/8; Recht und Sitte (1896) 71-73: Sarkar, A Treatise on Hindu-Laws (7. Aufl. 1933) 187 f. und dortige Nachweise. 15 Vgl. Cour, The Hindu Code (4. Aufl. 1938) 907 f.: „The law against illegitimacy has been rather strengthened than weakened with the passage of time. In ancient society, when any connection was regarded as a marriage, niyog was customary, there was little scope for illegitimacy... In later times, as the rules of morality became more rigid, the idea of legitimacy became more pronounced, and at the present day, when the law of legitimacy has received a fresh stimulus from the western school of morality, there is little room for revision of the rights of an illegitimate relation"; vgl. auch Jolly 73; Sen-Gupta 155; Derrett, Hindu Law Past

Legitimation

/ Indien

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c) In der modernen indischen Rechtsprechung und Literatur besteht daher Einigkeit darüber, daß als Söhne im Sinne des allgemeinen HinduRechts - von Adoptivsöhnen abgesehen - nur solche anzusehen sind, die in gültiger Ehe geboren worden sind 1 6 . In beschränktem Ausmaß bestehen allerdings Ausnahmen für den Sohn eines „sudra", der unter gewissen Voraussetzungen als Mitglied der Familie angesehen wird 1 7 . Besondere Rechtsgewohnheiten, die eine Legitimation unehelicher Kinder durch nachfolgende Eheschließung zulassen, scheinen sich allerdings in einzelnen Gegenden Indiens und vielleicht auch in einzelnen Kasten und Familien bis in die Gegenwart erhalten zu haben 1 8 . Im vorliegenden Fall ist bisher noch nichts vorgetragen, woraus geschlossen werden könnte, daß in der Familie des Kindsvaters ein derartiges besonderes Gewohnheitsrecht besteht. An dieses Gewohnheitsrecht w ä r e n im übrigen auch strenge Anforderungen zu stellen 1 9 . Es empfiehlt sich, dem Kindesvater noch einmal Gelegenheit zu geben, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Es wird anheimgestellt, gegebenenfalls das Institut um eine erneute Stellungnahme zu bitten. Kommen besondere Rechtsgewohnheiten nicht in Betracht, so ist auf die allgemeinen Grundsätze des Hindu-Rechts zurückzugreifen. Sie sehen, wie dargelegt wurde, eine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung nicht vor. 3. Rechtsstellung

unehelicher

Kinder

a) Die Feststellung einer Legitimation gemäß § 1719 BGB und § 31 PStG kann auch dann in Betracht kommen, wenn das nach Art. 22 EGBGB maßgebliche Recht zwar eine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung nicht kennt, dem Kinde jedoch - etwa aufgrund eines Anerkenntnisses der Vaterschaft oder einer gerichtlichen Feststellung derselben - die Stellung eines ehelichen Kindes einräumt. Dieser Grundsatz ist von der Rechtsprechung entwickelt worden 2 0 .

and Present, 175, 109, vgl. aber 110; . . . „legitimation by subsequent marriage would be a practical and humane innovation to introduce." 19 Zutreffend OLG Hamm, Beschl. v. 10. 11. 1958, FamRZ 1959, 28; vgl. Gupta, Hindu Law in British India (2. Aufl. 1947) 398; Sarkar 176f.; Treveiyan, Hindu Law as Administered in British India (3. Aufl. 1929) 106; aus der Rechtsprechung vgl. vor allem: Chinnammal v. Varadarajulu (1892), 15 Mad. 307. 17 Vgl. Gopalakrishan-Sethi-Menon, Codified Hindu Law (2. Aufl. 1960), The Hindu Succession Act (1956) 176. 18 Vgl. Jolly 76; Treveiyan 106 und dortige Nachweise; vgl. auch OLG Hamm, aaO. 19 Vgl. Chinnammal v. Varadarajulu, aaO, 310 f. 20 Vgl. LG Tübingen, Beschl. v. 13. 1. 1954, IPRspr. 1954/55 Nr. 116; LG Saarbrücken, Beschl. v. 3. 11. 1955, IPRspr. 1954/55 Nr. 17.

446

Familientecht

Einem Kinde, das nach dem maßgeblichen materiellen Auslandsrecht die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes im Sinne des deutschen Rechts inne hat, darf die praktische Verwirklichung derselben nicht deshalb verwehrt werden, weil es an der hierfür erforderlichen, diesen Sonderfall ausdrücklich erfassenden, verfahrensmäßigen Vorschrift fehlt, obwohl sachlich auch die nach deutschem bürgerlichem Recht erforderliche materielle Voraussetzung für die begehrte Feststellung gleichfalls gegeben ist 21 . b) Im einzelnen ist über die Rechtsstellung unehelicher Kinder nach Hindu-Recht folgendes zu bemerken: aa) Erbrecht Dem Vater gegenüber ist ein Erbrecht der unehelichen Kinder stets ausgeschlossen, wenn dieser einer der drei höheren Kasten angehört. Dagegen ist bei der Kaste der Sudras zwischen Söhnen und Töchtern zu unterscheiden. Während die unehelichen Töchter auch in diesem Fall nicht erbberechtigt sind 22 , können uneheliche Söhne unter gewissen Voraussetzungen, auf die im einzelnen einzugehen der vorliegende Fall keinen Anlaß bietet, die Hälfte des väterlichen Erbteils verlangen, das ihnen bei ehelicher Abstammung zustehen würde 23. Dagegen haben uneheliche Kinder gegenüber ihrer Mutter, mit der sie gemäß sec. 3 (1) i des Hindu Seccession Act, 1956, verwandt sind, ein Erbrecht, gleichgültig, welcher Kaste die Mutter angehörte 2 4 . bb) Unterhaltspflicht des Vaters Maßgeblich für die Unterhaltsansprüche unehelicher Kinder gegenüber ihrem Erzeuger ist heute der Hindu Adoption and Maintenance Act, 1956. Bereits nach dem zuvor geltenden Recht hatten sowohl uneheliche Söhne als auch uneheliche Töchter Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Vater. Die Söhne waren jedoch bei weitem besser gestellt, da sie in jedem Falle während ihrer Minderjährigkeit - nach einer Rechtsschule sogar auf Lebenszeit - einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater hatten, sofern ihnen kein Erbrecht zustand. Dagegen hatten uneheliche Töchter keinen eigentlichen Rechtsanspruch auf Unterhalt gegen ihren Vater; ergänzend kam jedoch sec. 488 des Code of Criminal Procedure, 1898, zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift konnte der Vater unehelicher Kinder zu Unterhaltszahlungen verurteilt werden, soweit diese bedürftig waren 2 5 . 21

So mit Recht LG Tübingen, aaO 332 f. Vgl. Gopalakrishmnan-Sethi-Menon, The Hindu Succession Act (1956) 179; Mulla 11 ff. und dortige Nachweise. 23 Vgl. Gopalakrishnan-Sethi-Menon 41, 176f.; Chaudhari, Hindu Marriage Act, 1955 (2. Aufl. 1957) 258f.; Thevelyan 106. 24 Vgl. Gopalakrishnan-Sethi-Menon 177, 179. 25 Vgl. Gopalakrishnan-Sethi-Menon, Hindu Adoption and Maintenance Act 1956, 71 f. 22

Legitimation

/

Indien

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Dagegen bestimmt heute sec. 20 des Hindu Adoption und Maintenance Act, 1956, daß die Eltern ihren minderjährigen Kindern, gleichgültig, ob ehelich oder unehelich, zum Unterhalt verpflichtet sind. Insoweit besteht kein Unterschied. cc) Elterliche Gewalt Die Sorge für die Person und - unter gewissen Einschränkungen - für das Vermögen eines Kindes steht in erster Linie seinen Eltern als „natural guardians" zu. Dies gilt sowohl für eheliche als auch für uneheliche Kinder. Allerdings besteht kraft gesetzlicher Vorschrift ein Vorrecht jeweils eines Elternteils: Nach Maßgabe des Hindu Minority and Guardianship Act, 1956, ist der Vater „natural guardian" der ehelichen Kinder, erst nach ihm die Mutter 25a. Dagegen ist die Mutter „natural guardian" ihrer unehelichen Kinder; erst nach ihr hat der Vater diese Rechtsstellung inne 26 . Im übrigen können die indischen Gerichte (nach englischem Vorbild) stets abweichende Bestimmungen treffen, sofern das Kindeswohl dies als zweckdienlich erscheinen läßt. Die Anerkennung der Vaterschaft ist nach Hindu-Recht für die Rechtsstellung der unehelichen Kinder ohne Bedeutung. Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß das Hindu-Recht jedenfalls hinsichtlich des Erbrechts und der elterlichen Gewalt deutlich zwischen ehelichen und unehelichen Kindern unterscheidet. Die Legitimationserklärung kann somit auch nicht darauf gestützt werden, daß nach dem maßgeblichen Recht die Legitimationswirkung ihrem Inhalt nach eingetreten sei. IV. Ausschaltung des aus den indischen Rechtsnormen folgenden Ergebnisses durch die deutsche Vorbehaltsklausel (Art. 30 EGBGB)? Bei diesem Ergebnis könnte es nicht bleiben, wenn die Anwendung des Hindu-Rechts gegen den deutschen ordre public verstieße. Nach Art. 30 EGBGB ist die Anwendung eines ausländischen Rechtssatzes ausgeschlossen, wenn diese gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt. Dieser Fall kann auch dann gegeben sein, wenn das ausländische Recht ein Rechtsinstitut nicht kennt. Jedem Staate ist es jedoch überlassen, ob und inwieweit er die Rechtswohltat der Legitimation solchen außerehelichen Kindern zukommen läßt, deren Eltern nachträglich die Ehe eingehen. Kennt ein Staat diese Rechtswohltat nicht oder wendet er sie in geringerem Maße an, als dies nach 25a

Vgl. Sec. 6 (a) des Hindu Minority and Guardianship Act 1956. Vgl. sec. 6 (b) des Hindu Minority and Guardianship Act 1956; vgl. auch Gopaiakrishnan-Sethi-Menon, The Hindu Minority and Guardianship Act 1956, 29 ff., 18 ff. 26

448

Familienrecht

deutschem Recht der Fall ist, so kann eine solche Regelung nicht etwa als mit der deutschen öffentlichen Ordnung oder den deutschen guten Sitten unvereinbar angesehen werden 2 7 .

e) Adoption Siehe auch Nr. 53

Nr. 43 Spanien 1. Maßgebendes Recht ffir die Adoption nach deutschem IPR. 2. Ehelichkeit und gesetzliche Vertretung eines Kindes nach spanischem Recht. 3. Internationale Zuständigkeit deutscher Vormundschaftsgerichte zur Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen ausländischen Eltern und Kindern. 4. Entziehung der elterlichen Gewalt nach spanischem Recht. 5. Voraussetzungen der Adoption nach deutschem Recht. Bonn vom 26. 9.1966 VORBEMERKUNG

1. Da der Sachverhalt nicht angibt, ob die spanischen Ehegatten aufgrund eines Gerichtsbeschlusses getrennt leben, wird in folgendem davon ausgegangen, daß ein solcher Gerichtsbeschluß nicht erwirkt worden ist. 2. Das gleiche gilt bezüglich der Abwesenheit des Mannes; auch hier wird vorerst unterstellt, daß sie nicht gerichtlich festgestellt worden ist. 3. Unter II. wird dann geprüft, ob und wie sich die Rechtsfolgen ändern, wenn die vorerwähnten Gerichtsbeschlüsse vorliegen. I. 1. Zur Frage: „Was muß ich zur Adoption unternehmen, und an wen muß ich mich wenden?"

Die Adoption des spanischen Kindes bestimmt sich nach deutschen Gesetzen, da der Annehmende 1 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (Art. 22 I EGBGB). Voraussetzung ist ein Adoptionsvertrag, der mit dem gesetzlichen Vertreter des Kindes geschlossen werden muß (§§ 1741, 1751 BGB). Die gesetz27 Vgl. dazu die - ebenfalls einen indischen Fall betreffende - Entscheidung des OLG Hamm vom 10. 11. 1958, abgedruckt in FamRZ 1959, 28. 1 Entsprechendes gilt in den folgenden Ausführungen, wenn beide Ehegatten das spanische Kind adoptieren wollen.

Adoption

/ Spanien

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liehe Vertretung des Kindes hängt von seiner Ehelichkeit ab. Ob das Kind ehelich oder unehelich geboren worden ist, entscheidet sich nach spanischem Recht (Art. 18 IEGBGB). Da die Ehe der Eltern des Kindes weder für nichtig erklärt noch getrennt ist, gilt das Kind als ehelich (Art. 108 spanZGB). Obwohl der Ehemann der Mutter vermutlich nicht der Vater des Kindes ist, verhindert im spanischen Recht die eindeutige gesetzliche Regelung die Unehelichkeit des Kindes. Gemäß Art. 19 EGBGB bestimmt sich daher die gesetzliche Vertretung des Kindes nach spanischem Recht 2 ; sie obliegt allein dem Vater des Kindes (Art. 155 spanZGB). Zwar ist im vorliegenden Fall der Vater tatsächlich an der Wahrnehmung der gesetzlichen Vertretung des Kindes verhindert; das spanische Zivilgesetzbuch kennt für diesen Fall jedoch keine Ausnahmeregelung 3 . Ob dennoch die Mutter in einem solchen Fall das Kind vertreten kann, ist in der spanischen Rechtslehre umstritten 4 . Die diese Frage bejahende Ansicht ist jedoch so wenig anerkannt, daß man daraufhin im vorliegenden Fall nicht ein gesetzliches Vertretungsrecht der Mutter anerkennen kann, insbesondere wenn es sich um eine so entscheidende Regelung handelt wie der Abschluß eines Adoptionsvertrages. Der Adoptionsvertrag muß folglich mit dem gesetzlichen Vater des Kindes, d. h. mit dem Ehemann der Mutter abgeschlossen werden. Der Adoptionsvertrag muß bei gleichzeitiger Anwesenheit des Vaters und des Annehmenden vor einem Notar geschlossen werden (§ 1750 BGB). Jedoch kann der Vater einen Dritten zum Vertragsabschluß bevollmächtigen (§ 1751 a BGB). In der Vollmacht müssen bereits die Parteien, zwischen denen der Adoptionsvertrag geschlossen wird (Annehmender und Angenommener), genau bezeichnet sein; sie bedarf außerdem der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Im vorliegenden Fall kann der Vater folglich durch notariell beurkundete Vollmacht einen Deutschen beauftragen, den Vertrag in seinem Namen für das Kind zu schließen. Weiter ist die persönliche Einwilligung beider Elternteile in die Adoption erforderlich (§ 1747 I BGB); sie bedarf ebenfalls der notariellen Beurkundung (§ 1748 BGB). Die Beurkundung durch einen spanischen Notar dürfte ausreichen. Der Vater könnte diese Einwilligung mit der erwähnten 2 Art. 19, nicht Art. 23 EGBGB entscheidet hierüber: LG Hannover FamRZ 1960, 170 mit insoweit zustimmender Anm. v. Beitzke-, Staudingei-Raape, Einführungsgesetz 2. T. (9. Aufl. München 1931), Berlin, Leipzig, 554. 3 Wie sie das deutsche Recht in § 1678 BGB z. B. kennt. 4 Verneinend: Maniesa y Navarro, Commentarios al Código civil Español, tomo II (Madrid 1957), Art. 154; bejahend: Castan Tobenas, Derecho civil Español, Común y toral, tomo V Vol. II (Madrid 1958) 165; eine gerichtliche Regelung in Anlehnung an die Art. 170, 171 spanZGB schlägt vor: BorrelI y Soler, Derecho civil Español, tomo IV (Barcelona 1955) 154.

29

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

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Familienrecht

notariellen Vollmacht verbinden. Der Adoptionsvertrag bedarf - auch wenn der Vater eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt - der Genehmigung des örtlich zuständigen Vormundschaftsgerichts 5 , örtlich zuständig ist das Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk, das Kind seinen Aufenthalt hat (§ 36 FGG). Schließlich bedarf der Adoptionsvertrag der Bestätigung durch das zuständige Gericht (§ 1741 BGB). Gemäß § 66 FGG ist für diese Bestätigung der Adoption eines ausländischen Kindes das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz hat 8 . 2. Zur Frage: „Wie erhält das Kind bis zur Adoption einen Vormund?"

Die Ernennung eines Vormundes für ein spanisches Kind bestimmt sich nach den Vorschriften des Haager Abkommens zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige, das zwischen Spanien und Deutschland Gültigkeit hat 7 . Nach Art. 5 dieses Abkommens bestimmen sich die Voraussetzungen der Vormundschaft über ein spanisches Kind nach spanischem Recht. Gemäß Art. 199 spanZGB ist Voraussetzung der Vormundschaft über einen Minderjährigen, daß dieser nicht mehr unter elterlicher Gewalt steht. Da im vorliegenden Fall das Kind noch unter der elterlichen Gewalt der spanischen Eltern steht, ist eine Vormundsbestellung nicht möglich; hieran ändert auch nichts die „Abtretungserklärung" der Mutter, da diese nach spanischem und nach deutschem Recht keine rechtliche Bedeutung hat. 3. In folgendem soll untersucht werden, ob ein deutsches Gericht den spanischen Eltern des Kindes die elterliche Gewalt entziehen kann. Erforderlich ist eine internationale Zuständigkeit deutscher Vormundschaftsgerichte für eine solche Maßnahme. Sie wird auch bei ausländischen Kindern heute von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung für die erforderlichen Maßnahmen zur Regelung des Verhältnisses Eltern-Kinder anerkannt 8 . Diese internationale Zuständigkeit wird aus einer analogen Anwendung der §§ 43, 44 FGG gefolgert; sie findet ihre sachliche Berechtigung darin, daß der Staat allen Personen gegenüber, die sich auf seinem 5 Erman-Marquordt, Bürgerliches Gesetzbuch (3. Aufl. Münster 1962), Art. 22 4c EGBGB; Soergel-Kegel, Bürgerliches Gesetzbuch (9. Aufl. Stuttgart 1961), Art. 22 EGBGB RN 17. 6 H. L. Erman-Marquordt, Art. 22 EGBGB 4f.; Soergel-Kegel, Art. 22 EGBGB RN 35. 7 Palandt (25. Aufl. München, Berlin 1966), Art. 23 EGBGB Anhang 3a. 8 KGJ 45, 18; BayOLG N J W 1959, 1038; OLG Hamm FamRZ 1965, 92; Beitzke in Festschrift, f. H. Lehmann (1956) 493ff.; Erman-Marquordt, Art. 19,8 EGBGB; Palandt, Art. 19,5 u. Art. 23,1 EGBGB; Schwimann, FamRZ 1959, 325ff. ; SoergelKegel, Art. 19 RN 35ff.; Staudinger-Raape 478.

Adoption

/

Spanien

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Staatsgebiet aufhalten, zu fürsorgenden Maßnahmen berechtigt ist. Die anfänglichen Bedenken gegen diese Zuständigkeit, die sich aus Art. 23 EGBGB ergaben, sind bereits sehr früh durch das Kammergericht ausgeräumt worden, und zwar in einer ausführlich begründeten Entscheidung 9 . Zweifelhaft war bis vor kurzem nur, ob die Zuständigkeit auch gegeben ist, wenn sich Beteiligte (hier: die Eltern) im Ausland aufhalten. Das Fürsorgerecht des Staates besteht jedoch gerade dem Bedürftigen gegenüber, der sich in seinem Gebiet aufhält, und ist unabhängig davon, wo sich dritte Personen aufhalten. Das Fürsorgebedürfnis des Kindes wird aber eher noch erhöht, wenn die Eltern sich im Ausland aufhalten; daher muß auch in diesem Fall die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts bejaht werden 10 . Ohne Rücksicht darauf, daß sich die Mutter in Spanien, der Vater in England befindet, hat das Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk das Kind seinen Aufenthalt hat, die internationale Zuständigkeit für Maßnahmen, die die elterliche Gewalt betreffen u . Welche Maßnahmen getroffen werden können, insbesondere unter welchen Voraussetzungen die elterliche Gewalt aberkannt werden kann, bestimmt sich nach spanischem Recht (Art. 19 EGBGB). Gemäß Art. 171 spanZGB können den Eltern die Gerichte die elterliche Gewalt entziehen, wenn diese die Kinder mit übertriebener Härte behandeln oder Weisungen, Ratschläge und Beispiele geben, die in sittlicher Hinsicht verderblich sind. In der spanischen Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, daß der Fall, daß ein Elternteil die Familie verläßt, unter Art. 171 spanZGB fällt 12 . Das Vormundschaftsgericht kann meines Erachtens daher dem Vater die elterliche Gewalt entziehen. Zweifelhaft ist, ob auch bezüglich der Mutter die Voraussetzungen des Art. 171 spanZGB vorliegen, da sie das Kind erst verlassen hat, nachdem ein deutsches Ehepaar sich zur Pflege bereit erklärt hat. Wird sich die Mutter in Zukunft nicht mehr um das Kind kümmern, auf Briefe nicht antworten, die erforderlichen notariell beglaubigten Erklärungen nicht schikken (ohne sich sonst irgendwie des Kindes anzunehmen), werden auch in ihrer Person die Voraussetzungen erfüllt sein, unter welchen man ihr die elterliche Gewalt aberkennen kann. 4. Entzieht das Vormundschaftsgericht auf dem vorbezeichneten Weg dem Vater oder beiden Eltern die elterliche Gewalt, führt das bezüglich der Adoption und der Vormundsbestellung zu folgenden Konsequenzen: KGJ45, 18 (20 ff.). So heute h. L.: BayOLG N J W 1959, 1038; Palandt, Art. 195; Soergel-Kegel, Art. 19 RN 42; Staudinger-Raape 479. 11 Daß auch die elterliche Gewalt entzogen werden kann, erwähnen ausdrücklich: KGJ 45, 18; Palandt, Art. 23 l a ; Staudinger-Raape 478. 12 Medina y Maranon Leyes Civiles de Espana (Madrid 1958) tomo 1 Art. 171, 4; Manresa y Navarro, Art. 171. 9

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29 *

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Familienrecht

a) Dem Vater wird allein die elterliche Gewalt entzogen: Die Mutter wird allein Trägerin der elterlichen Gewalt; sie vertritt damit das Kind auch beim Abschluß des Adoptionsvertrages (Art. 155 spanZGB). Die Mutter muß somit die erforderlichen Erklärungen abgeben, die oben näher erläutert sind; sie muß insbesondere einen Dritten (z. B. irgendeinen Deutschen) durch notariell beglaubigten Akt bevollmächtigen, den Adoptionsvertrag zu schließen und außerdem ihre ebenfalls notariell beglaubigte Einwilligung in die Adoption erklären. Auch in diesem Fall bleibt aber die notariell beglaubigte Einwilligung des Vaters erforderlich (§ 1747 BGB). Auf diese Einwilligung kann jedoch verzichtet werden, wenn der Aufenthalt des Vaters dauernd unbekannt ist (§§ 1747 I, 1746 II BGB). Läßt sich nach angestellten Ermittlungen der Aufenthaltsort des Vaters, d. h. des Ehemanns der Mutter nicht feststellen, ist dessen Einwilligung nicht erforderlich. Auch in diesem Fall kann keine Vormundschaft angeordnet werden, da das Kind immer noch unter der elterlichen Gewalt der Mutter steht. b) Beiden Eltern wird die elterliche Gewalt entzogen: Jetzt muß dem Kind ein Vormund als gesetzlicher Vertreter bestellt werden. Das Verfahren der Vormundschaftsbestellung bestimmt sich nach dem bereits zitierten Haager Abkommen: Auf diplomatischem Weg 1 3 ist den in Spanien zuständigen Stellen mitzuteilen, daß das Kind nicht mehr unter elterlicher Gewalt steht und daher eines Vormundes bedarf (Art. 8 H.Abk.). Lehnen die spanischen Behörden aus irgendeinem Grund die Vormundbestellung ab (z. B. weil sie die Entziehung der elterlichen Gewalt durch ein deutsches Gericht nicht anerkennen) oder äußern sie sich überhaupt nicht, kann das deutsche Vormundschaftsgericht einen Vormund bestellen (Art. 3 H.Abk.). Der von spanischen Behörden oder dem deutschen Vormundschaftsgericht ernannte Vormund vertritt das Kind als gesetzlicher Vertreter. Mit ihm ist dann nach dem bereits dargestellten Verfahren der Adoptionsvertrag abzuschließen. Immer ist jedoch noch erforderlich, daß beide Eltern in die Adoption einwilligen. Wie oben bereits gesagt, kann auf diese Einwilligung nur verzichtet werden, wenn der Aufenthalt des Vaters und der Mutter dauernd unbekannt ist (§§ 1747 I, 1746 II BGB). Läßt sich weder die Anschrift des Vaters noch die der Mutter ausfindig machen, ist ihre Einwilligung nicht erforderlich. Ist der Aufenthaltsort des Vaters oder der Mutter bekannt, muß der Vater bzw. die Mutter - notariell beurkundet - einwilligen. Einen Ausnahmefall kennt der § 1747 III BGB, in dem die Einwilligung eines Elternteils durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden kann, 13

Palandt,

Art. 23 EGBGB A n h a n g 3c.

Adoption / Spanien

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„wenn dieser seine Pfliditen gegenüber dem Kind dauernd gröblich verletzt oder die elterliche Gewalt verwirkt hat, und wenn er die Einwilligung böswillig verweigert und das Unterbleiben der Annahme an Kindes Statt dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde". Ob diese Voraussetzungen alle vorliegen, kann vorerst noch nicht gesagt werden; nur auf diese Möglichkeit sei hier verwiesen.

II. Ist die Ehe der Eltern gerichtlich getrennt oder liegt ein Abwesenheitsbeschluß bezüglich des Mannes vor, so ändern sich die obigen Ergebnisse wie folgt: Sowohl der Abwesenheitsbeschluß 14 als auch der Trennungsbeschluß 13 verhindern die Ehelichkeit des Kindes; das Kind gilt als unehelich. ü b e r ihr Kind steht der Mutter die elterliche Gewalt nur dann zu, wenn sie das Kind in der Geburtsurkunde, einem Testament oder anderen öffentlichen Urkunden anerkannt hat (Art. 131/154 spanZGB). Die Formerfordernisse einer solchen Urkunde bestimmen sich nach dem Recht des Errichtungsortes, bei Errichtung in Deutschland also nach deutschem Recht (Art. 11 spanZGB). Erforderlich ist ein Anerkenntnis in einer öffentlichen Urkunde (notarielle oder gerichtliche Beurkundung) oder ein vom Standesbeamten beurkundetes Anerkenntnis (§§ 29 a, 29 PStG); gemäß Art. 2 des Zustimmungsgesetzes v. 15. 1.1965 zu dem Ubereinkommen über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder 16 ist ebenfalls das Jugendamt befugt, das Anerkenntnis der unehelichen Mutter zu beurkunden 1 7 . Liegt ein solches Anerkenntnis vor, steht der Mutter allein die elterliche Gewalt über das Kind zu (Art. 154 II spanZGB). Das Verfahren der Adoption bestimmt sich in diesem Fall nach den gleichen Regeln, die oben unter 4 a näher erläutert sind. Da in diesem Fall das Kind unehelich ist, ist die Einwilligung des Vaters nicht erforderlich (§ 1747 BGB). Eine Vormundschaft kann nicht angeordnet werden, da das Kind unter der elterlichen Gewalt der Mutter steht. Hat die Mutter das Kind nicht in einer der beschriebenen Formen anerkannt, steht das Kind nicht unter der elterlichen Gewalt der Mutter (Art. 154 II spanZGB). Dem nicht anerkannten unehelichen Kind der spani14

Span. Lehre, Nachweise bei Ahrens, Die Voraussetzung ehelicher Abstammung, Bonner Rechtswissenschaftl. Abhandlungen, Bd. 68 (Bonn 1965), 50 FN 91. 15 Art. 108 span. ZGB, dazu Ahrens 48. 16 Veröffentlicht in StAZ 1965, 37 ff. 17 Daß das Abkommen in diesem Fall auch zugunsten der spanischen Mutter gilt, obwohl Spanien nicht Vertragsstaat ist, folgt aus Art. 3 des Abkommens.

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Familienrecht

sehen Mutter fehlt weiter die spanische Staatsangehörigkeit 1 8 ; daher ist das Kind staatenlos. Anknüpfungspunkt bezüglich der Vormundschaftsbestellung ist die Staatsangehörigkeit des Kindes (Art. 23 EGBGB), da es staatenlos ist, sein gewöhnlicher Aufenthaltsort (Art. 29 EGBGB) le . Die Vormundsdiaftsbestellung für das Kind richtet sich daher nach deutschem Recht; ihm kann gemäß der §§ 1773 ff. BGB ein Vormund bestellt werden. Mit dem Vormund des Kindes kann der Adoptionsvertrag geschlossen werden; die Adoption bestimmt sich nach deutschem Recht (Art. 22 EGBGB), dessen Verfahren bereits beschrieben worden ist. Die Mutter muß auch in diesem Fall in die Adoption einwilligen (§ 1747 BGB), es sei denn, der Aufenthaltsort der Mutter ist dauernd unbekannt.

f) Vormundschaft, Pflegschaft Siehe auch Nr. 27, 28, 31, 43

Nr. 44 Irak 1. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft Uber ausländische (hier: irakische) Kinder. 2. Maßgebendes Recht für die Vorfragen einer Ergänzungspflegschaft (Minderjährigkeit, elterliche Gewalt) nadi deutschem und irakischem internationalem und irakischem interpersonalem Privatrecht. 3. Eintritt der Volljährigkeit nadi irakischem Recht. 4. Elterliche Gewalt nach kanonischem Recht. 5. Ergänzungspflegschaft nach dem im Irak geltenden islamischen Recht. Kiel 7/66 vom 5. 3. 1966

Mit Schreiben vom 2. Februar 1966 hat das Amtsgericht in B. das Institut für Internationales Recht um ein Gutachten zu der Frage gebeten, ob das Amtsgericht für minderjährige irakische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik leben, eine Pflegschaft anordnen darf. Aus dem mit Verfügung vom 16. Februar 1966 dem Institut übersandten Pflegschaftsakten ist folgender Sachverhalt zu entnehmen: 18 19

Art. 17 spanZGB; Manresa y Navarro Palandt, Art. 23 EGBGB 2.

tomo I (Art. 17 S. 297).

Vormundschaft

/ Pllegschait

/ Irak

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Im Jahre 1965 wurden die Kinder R. K. (geb. am 7. März 1952 in B./Irak) und S. K. (Geburtsdatum unbekannt) von ihrem Onkel, dem Jesuitenpater K., in die Bundesrepublik gebracht, um sie hier - offenbar im Einverständnis mit den Eltern Sl. und Sa. (wohnhaft in Ba./Irak) - weiterführende katholische Schulen besuchen zu lassen. R. K. ist mit kurzer Unterbrechung seit seiner Ankunft in der Bundesrepublik bei der Familie G. in B. in Pflege. Eine Pflegeerlaubnis ist dem Ehemann G. vom Kreisjugendamt H. erteilt. Die Schwester des R. K. - S.- befindet sidi in Internatspflege bei den Armen Schulschwestern, Kloster Br. bei B. Die Kinder stehen in brieflichem Kontakt mit den Eltern. Der Unterhalt für die Kinder wird bisher weder von den Eltern der Kinder noch von dem Onkel bezahlt. Bisher hat der Pflegevater G. die Ausgaben für R. K. aus eigenen Einkünften bestritten. Anläßlich einer Erkrankung des R. K., die eine Krankenhausbehandlung erforderte, sind nunmehr Zweifel aufgetaucht, wer die Kinder in der Bundesrepublik gesetzlich vertritt, insbesondere den notwendig gewordenen Antrag auf Übernahme der Heilkosten durch das Sozialamt B. stellen kann. Es konnte bisher nicht ermittelt werden, ob dem Onkel der Kinder von den Eltern das Sorgerecht übertragen worden ist. Das Kreisjugendamt H. hat angesichts dieser Lage bei dem Amtsgericht in B. die Anordnung einer Sorgerechtspflegschaft gemäß § 1909 BGB (Ergänzungspflegschaft) beantragt und als Pfleger für beide Kinder den Pflegevater des R. K., Herrn G., vorgeschlagen. Das Amtsgericht in B. hat Bedenken gegen die Anordnung einer Pflegschaft über die Kinder, die die irakische Staatsangehörigkeit besitzen, und hat dem Institut für Internationales Recht folgende Frage zur Begutachtung gestellt: Ist das Amtsgericht in B. befugt, eine Sorgerechtspflegschaft über R. K. und S. K. anzuordnen? I. Während die §§ 36, 37 des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit über die Zuständigkeit deutscher Vormundschaftsgerichte nach deutschem Recht Auskunft geben 1 , ergibt sich die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts zu Anordnungen gegenüber Ausländern im deutschen Inland aus Art. 23 Abs. I des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Danach kann „im Inland auch über einen Ausländer, sofern der Staat, dem er angehört, die Fürsorge nicht übernimmt", eine Pflegschaft angeordnet werden, „wenn der Ausländer nach den Gesetzen dieses Staates der Fürsorge bedarf oder im Inland entmündigt ist". 1 Siehe dazu Keidel, Freiwillige Gerichtsbarkeit (8. Aufl. München und Berlin 1963), Rdz. 1 zu § 36 und Rdz. 4 zu § 37 FGG; Staudinger-Raape, Kommentar zum BGB (9. Aufl. München, Berlin und Leipzig), Anm. III, l c - zu Art. 23 EGBGB.

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Familienrecht

Uber die Regelung der internationalen Zuständigkeit für deutsche Gerichte gegenüber Ausländern hinaus enthält Art. 23 EGBGB den kollisionsrechtlichen Grundsatz, daß die Voraussetzungen für die Entstehung oder Anordnung einer Pflegschaft dem Heimatrecht des Betroffenen zu entnehmen sind 2 . Zu diesen Voraussetzungen nach Heimatrecht gehört insbesondere, daß nach diesem Recht ein Fürsorgebedürfnis besteht, d. h. zum Beispiel, daß der von der Pflegschaftsanordnung Betroffene nach Heimatrecht nicht volljährig ist oder nicht unter elterlicher Gewalt steht. Für eine Pflegschaftsanordnung durch deutsche Gerichte über einen Ausländer ist dann kein Raum, wenn der Ausländer nach seinem Heimatrecht volljährig ist oder unter elterlicher Gewalt steht 8 . Ob der unter Pflegschaft zu stellende Ausländer in seinem Heimatland minderjährig ist oder nicht unter elterlicher Gewalt steht und sich somit nach dem Heimatrecht des Ausländers ein Fürsorgebedürfnis ergibt, ist unter selbständiger Anknüpfung nach Art. 7 und 19 EGBGB zu entscheiden 4 . Die Rückverweisung des ausländischen Rechts auf das deutsche Recht ist sowohl bei Art. 23 als auch bei den Artikeln 7 und 19 EGBGB beachtlich 5 . Für Art. 23 kann sogleich an dieser Stelle festgestellt werden, daß das irakische Recht die Verweisung annimmt, indem es in § 20 des 1953 in Kraft getretenen Zivilgesetzbuchs (IrZGB)8 bestimmt, daß für Vormundschafts-(Pflegschafts) fragen das Heimatrecht des Betroffenen maßgebend ist. Das Fürsorgebedürfnis ist in diesem Fall also nach irakischem Recht zu klären. Auf die weitere Voraussetzung des Art. 23 EGBGB für die Anordnung einer Pflegschaft über Ausländer durch ein deutsches Gericht, daß der Heimatstaat die Fürsorge selbst nicht übernimmt, ist - soweit erforderlich - erst später einzugehen. Es ist im vorliegenden Fall zunächst zu prüfen, ob die nach deutschem Recht minderjährigen Kinder R. K. und S. K. auch nach ihrem Heimatrecht minderjährig sind, und ferner, ob sie unter elterlicher Gewalt stehen.

2 Siehe dazu Kegel in Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 9. Aufl., Bd. V (Einführungsgesetz), Stuttgart 1961, Rdz. 1 und 5 zu Art. 23; Staudinger-Raape, Anm. III l a zu Art. 23; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. Berlin und Frankfurt/M. 1961) 404. 3 So Kegel in Soergel-Siebert, Rdz. 15 zu Art. 23; Staudinger-Raape, Anm. III l a zu Art. 23; Erman-Marquordt, Handkommentar zum BGB, 2. Bd. (3. Aufl. Münster 1962) Anm. 3 zu Art. 23. 4 Siehe dazu für andere Kegel in Soergel-Siebert, Rdz. 5 und 31 zu Art. 23. 5 Siehe dazu für andere Kegel in Soergel-Siebert, Rdz. 24 zu Art. 7, Rdz. 50 zu Art. 19 und Rdz. 32 zu Art. 23. • Siehe dazu Küppers, Das irakische Zivilgesetzbuch, in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 61/62 (1959-60) 186.

Vormundschaft

/ Pflegschaft / Irak

457

II. 1. Nach Art. 7 EGBGB ist das Heimatrecht einer Person maßgebend für die Frage, ob sie minderjährig oder volljährig ist. Da die Kinder R. K. und S. K. irakische Staatsangehörige sind, ist hier irakisches Recht maßgebend. Dieses nimmt die Verweisung des deutschen Kollisionsrechts an. Nach §18 IrZGB richtet sich „die Geschäftsfähigkeit nadi dem Gesetz des Staates, dem eine Person angehört" 7 . In dem IrZGB ist, abweichend von den Regeln des traditionellen moslemischen Rechts, die Volljährigkeit allgemein auf die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt (§§ 46, 106 IrZGB) 8 . R.K. ist 1952 geboren, ist also auch nach seinem Heimatrecht minderjährig. Seine Schwester S., deren Geburtsdatum hier unbekannt ist, dürfte nach dem vorliegenden Sachverhalt jünger als ihr Bruder sein. Mit diesem im tatsächlichen liegenden Vorbehalt ist davon auszugehen, daß auch S. K. minderjährig nach ihrem Heimatrecht ist. Aufgrund der Minderjährigkeit der Kinder wäre somit ein Fürsorgebedürfnis nach dem Heimatrecht der Kinder als Voraussetzung für eine Pflegschaftsanordnung durch das deutsche Vormundschaftsgericht anzunehmen. 2. Bei der Untersuchung der Frage, ob die Kinder unter elterlicher Gewalt stehen, ist von der Vorschrift des Art. 19 EGBGB auszugehen. Diesem Artikel ist für das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und ehelichen Kindern der allgemeine kollisionsrechtliche Grundsatz zu entnehmen, daß das Heimatrecht des Vaters ausschlaggebend ist. In diesem Fall wird also auf irakisches Recht verwiesen. Auch diese Verweisung nimmt das irakische Recht an. In § 19 Abs. II-IV IrZGB wird bestimmt, daß das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nach dem Recht des Vaters geregelt wird 9 . Das irakische Familienrecht ist nicht in dem bereits erwähnten IrZGB, sondern in einem 1959 erlassenen besonderen Personalitätsstatutsgesetz enthalten. Nach seinem Art. 2, Abs. I finden „die Bestimmungen dieses Gesetzes . . . auf alle Iraker Anwendung, soweit sie nicht durch besondere Gesetze davon ausgenommen sind". 10

Solche „besonderen Gesetze" sind die für die religiösen Minderheiten geltenden Familienrechtsbestimmungen 11 . 7

Siehe dazu Küppers 190. Siehe zum traditionellen moslemischen Recht, das die Volljährigkeit an die Geschlechtsreife oder die Heirat knüpfte, Mohammad Abu Zahra, Family Law, in Khaddur und Liebesny, Law in the Middle East (Washington 1955) 194; Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl. Frankfurt/M. 1957 mit Ergänzung von 1961) Anm. III zum Abschnitt „Irak", 5. 9 Siehe dazu Küppers 190. 10 Zitiert nach Bergmann, Abschnitt „Irak", 6. 11 So Bergmann, Anm. III 1 zum Abschnitt „Irak"; Anderson, A Law of Personal 8

458

Familienrecht

Das irakische Recht verweist bezüglich der religiösen Minderheiten also weiter auf deren besondere Familienrechtsgesetze. Der Vater K. ist römisch-katholischen Glaubens. Die Verweisung des Art. 2, Abs. I des irakischen Personalstatutgesetzes geht also auf das kanonische Recht. Im Codex iuris canonici wird in den canones 1113 und 89 folgende Regelung getroffen: Can. 1113:

Can. 1113:

Parentes gravissima obligatione tenentur prolis educationem tum religiosam et moralem, tum physicam et civilem pro viribus curandi, et etiam temporali eorum bono providendi.

Den Eltern obliegt die ernste Pflicht, für die religiöse und sittliche wie körperliche und bürgerliche Erziehung ihrer Kinder nach Kräften zu sorgen und sich um deren zeitliches Wohl zu kümmern.

Can. 89:

Can. 89:

Persona maior plenum habet suorum iurium exercitium; minor in exercitio suorum iurium potestati parentum vel tutorum obnoxia manet, iis exemptis in quibus ius minores a patria potestate exemptos habet.

Der Großjährige genießt die volle Ausübung seiner Rechte; der Minderjährige bleibt bei der Ausübung seiner Rechte der Gewalt seiner Eltern oder Vormünder unterworfen, ausgenommen bei den Rechten, für die das (kanonische) Recht die Minderjährigen von der elterlichen Gewalt freistellt 12 .

Danach untersteht das katholische Kind bis zu seiner Volljährigkeit, also in diesem Fall R. K. und S. K., unter elterlicher Gewalt. Ein Fürsorgebedürfnis für die Kinder ist somit, da die elterliche Gewalt im Heimatland über die Kinder besteht, insoweit abzulehnen. Es erhebt sich jedoch die weitere Frage, ob das irakische oder das katholische Recht entsprechend der deutschen Regelung des § 1909 BGB ein Fürsorgebedürfnis annimmt, wenn eine Person trotz Bestehens elterlicher Gewalt oder einer Vormundschaft fürsorgebedürftig ist, etwa weil die Eltern aus tatsächlichen Gründen an der Ausübung ihrer elterlichen Gewalt verhindert sind. III. 1. Die Frage nach einer besonderen, die Vorschriften über die elterliche Gewalt ergänzenden Pflegschaftsregelung ist gemäß der Verweisung des Art. 23 EGBGB auf das Heimatrecht der Betroffenen nach irakischem Recht zu beantworten 13 . Das irakische Recht selbst verweist wiederum in dem Status for Iraq, in International Comparative Law Quarterly, Bd. 9 (i960), 542 Fußnote 3. 12 Übersetzung des Verf. in Anlehnung an Eichmann-Moersdori, Lehrbuch des Kirchenrechts aufgrund des Codex iuris Canonici (10. Aufl. München, Paderborn, Wien 1958). 13 Vgl. oben I dieses Gutachtens.

Vormundschaft

/ Pflegschaft / Irak

459

erwähnten Art. 2, Abs. I des Personalstatutsgesetzes für familienrechtliche Regelungen auf das Recht der religiösen Minderheiten 14 . Demzufolge ist hier zunächst zu prüfen, ob das für die katholischen Kinder R. K. und S. K. in erster Linie maßgebende kanonische Recht eine besondere Regelung dahin trifft, daß im Falle der Verhinderung der Eltern ein Pfleger das Sorgerecht über die Kinder ausüben soll. Das ist nicht der Fall. Aus dem schon zitierten Can. 89 des Codex iuris canonici 1 5 sowie aus dem Can. 1648 des Codex iuris canonici ergibt sich lediglich, daß die elterliche Gewalt über einen Minderjährigen entweder von den Eltern oder von dem Vormund oder einem „gesetzlichen Vertreter" ausgeübt wird, sei es generell (so Can. 89) oder zu dem speziellen Fall der Vertretung vor kirchlichen Gerichten (so Can. 1648). Ein besonderes Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers, etwa wie es in § 1909 BGB vorgesehen ist, findet sich im Codex iuris canonici nicht. Insoweit weist das kanonische Recht eine Lücke auf, so daß es an einem „besonderen Gesetz" im Sinne des Art. 2, Abs. I des irakischen Personalstatutsgesetzes fehlt, dem die katholischen Kinder unterworfen sein könnten. Daraus folgt, daß die Frage nach einer eventuellen gesetzlichen Regelung der Ergänzungspflegschaft im Heimatrecht der Kinder nach allgemeinem irakischem Recht zu beantworten ist. 2. Das irakische Personalstatutsgesetz enthält selbst keine Regelung über eine die elterliche Gewalt ergänzende Pflegschaft. In den Artikeln 55 bis 57 ist das „Nähren und die Personensorge" des Kindes geregelt: Alt. 55: Die Mutter ist verpflichtet, ihr Kind zu nähren, es sei denn, daß sie durch Krankheit daran gehindert ist. Alt. 56: Die Kosten für das Nähren des Kindes sind von der Person zu tragen, welche zum Unterhalt verpflichtet ist; die Kosten sollen der Ernährung entsprechen. Art. 57: (1): Die Mutter hat das erste Recht, die Pflegschaft für das Kind auszuüben und für dasselbe während der Ehe und nach der Scheidung zu sorgen. (2): Um zur Ausübung der Pflegschaft fähig zu sein, muß die Frau vertrauenswürdig, fähig zur Führung der Sorge über das Kind und dessen Überwachung und nicht verheiratet sein mit einer Person, die mit dem zu versorgenden Kinde nicht verwandt ist. (3): W e n n die Ehegatten hinsichtlich der Kosten und der Dauer der Pflegschaft verschiedener Meinung sind, so hat der Kadi dies unter Berücksichtigung der Interessen des Kindes festzusetzen.

11 15

Vgl. oben II, 2. dieses Gutachtens. Vgl. oben II, 2. dieses Gutachtens.

460

Familienrecht

(4): Der Vater und ein anderer Vormund sind berechtigt, die Angelegenheiten des unter Pflegschaft stehenden Kindes, seine Aufziehung und seine Erziehung zu überwachen, bis es das siebente Lebensjahr erreicht; der Vater soll aber nachts nicht mit der Pflegerin schlafen, sofern der Kadi nichts anderes bestimmt. (5): Der Kadi kann die Verlängerung der Pflegezeit für ein Kind anordnen, wenn dessen Interesse dies offensichtlich verlangt 16 .

Keine der angeführten Vorschriften besagt etwas über das hier anstehende Problem. Jedoch ist das Personalstatutsgesetz eine unvollständig gehaltene Gesetzesregelung, die in Art. 1 ausdrücklich auf die subsidiäre Geltung des allgemeinen moslemischen Rechts verweist: (2): „Ist keine gesetzliche Bestimmung anwendbar, so ist auf die Bestimmung des mohammedanischen Rechtes zurückzugreifen, die mit den Bestimmungen dieses Gesetzes am besten übereinstimmt. (3): Im allgemeinen sollen sich die Gerichte von den Grundsätzen der mohammedanischen Rechtsprechung und Rechtslehre im Irak und anderen islamischen Ländern, deren Gesetze den irakischen Gesetzen entsprechen, leiten lassen." 17

Es ist deshalb zu fragen, ob das moslemische Recht eine der deutschen Ergänzungspflegschaft entsprechende Regelung kennt. Das ist nicht der Fall. Zwar hat das moslemische Recht verschiedene Formen einer Vormundschaft bzw. ähnlicher Gewaltverhältnisse geschaffen, die im wesentlichen auf dem Sippenprinzip beruhen, d. h. daß die Sippe über die Sorge für die Sippenangehörigen - seien sie minderjährig oder geisteskrank wacht. Diese Vormundschaften oder Pflegschaften gliedern sich auf in die gesetzliche und die testamentarische, wobei die erste Art wiederum nach drei Untergruppen zu unterscheiden ist: 1. die Pflegschaft der Aufzucht, die in Art. 55-57 des irakischen Personalstatutsgesetzes geregelt ist, sich bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres erstreckt und der Mutter oder ihren Verwandten obliegt 18 , 2. die geistige oder erzieherische Pflegschaft, die dem Vater oder einem seiner Verwandten zusteht und 3. die Vermögenssorge, die - soweit das Kind überhaupt Vermögen hat vom Vater ausgeübt wird 19 . Die testamentarische Pflegschaft tritt nur ein, wenn der Vater gestorben ist. Soweit er keinen testamentarischen Pfleger eingesetzt hat, nimmt in einigen arabischen Ländern der Kadi diese Einsetzung vor 20 . 16

Zitiert nach Bergmann, Abschnitt „Irak", 13. Zitiert nach Bergmann, Abschnitt „Irak", 6. 18 Vgl. oben III, 2. dieses Gutachtens. 19 Siehe dazu Colomer, Droit Musulman (Rabat und Paris 1963) 80; Muhammad Abu Zahra, Family Law, 154 ff. 20 Siehe dazu Colomer 80. 17

Vormundschaft

/ Pflegschaft / Irak

461

In den übrigen Fällen trifft die Durchführung der Fürsorgemaßnahmen für das Kind entweder den Vater oder die Mutter bzw. automatisch, ohne daß es einer staatlichen Maßnahme bedarf, deren Verwandte. Da somit aufgrund dieser Automatik eine Situation mangelnder Fürsorge für das Kind z. B. durch Abwesenheit der Eltern nicht eintreten kann, bedurfte das moslemische Recht einer Regelung entsprechend dem § 1909 BGB nicht. Jedoch hat sich - vor allem unter dem Einfluß westlicher Rechtssysteme - in modernen arabischen Rechten ein Wandel dahin vollzogen, daß die Rolle des Staates bei der Fürsorge für Kinder größer geworden ist. Nicht nur in dem schon erwähnten Fall, daß ein testamentarischer Vormund oder Pfleger vom Vater nicht ernannt ist 21 , sondern auch in dem Fall, daß die Ausübung elterlicher Gewalt z. B. durch Dissens der Eltern behindert ist, sehen einige arabische Rechtsordnungen den staatlichen Eingriff durch den Kadi vor. Dies gilt insbesondere für den Irak 22 . Aufgrund dieser in einzelnen Landesrechten deutlich werdenden Grundeinstellung ist heute die rechtliche Zulässigkeit eines staatlichen Eingriffs in die Personensorge für minderjährige Kinder nicht mehr auszuschließen. Sind die Eltern - wie im vorliegenden Fall - an der Ausübung der elterlichen Gewalt über die im Ausland befindlichen Kinder verhindert, dürfte die Notwendigkeit staatlicher Fürsorge wie in den oben aufgeführten Fällen auch nach irakischem und allgemeinem moslemischem Recht gegeben sein. Für die Zuständigkeit der Anordnung einer Pflegschaft durch ein deutsches Gericht kommt es deshalb nach Art. 23 EGBGB nunmehr nur noch darauf an, festzustellen, ob der Irak die Fürsorge selbst übernimmt. Da diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Irak zur Zeit nicht bestehen, kann davon ausgegangen werden, daß dies nicht der Fall ist 23 . Somit sind die Voraussetzungen für die Anordnung einer Pflegschaft durch ein deutsches Gericht über die irakischen Kinder nach Art. 23 EGBGB gegeben. Zusammenfassung

Nach Art. 23 EGBGB ist für die Beurteilung der Frage, ob ein deutsches Vormundschaftsgericht eine Pflegschaft über minderjährige irakische Staatsangehörige anordnen kann, irakisches Recht und zugleich - da die Betroffenen katholisch sind, kanonisches Recht maßgebend. Nach beiden Rechten stehen die Kinder K. in ihrem Heimatstaat unter elterlicher Ge21

Vgl. oben III, 2. dieses Gutachtens; ferner Colomer 80. Vgl. Art. 57, Abs. III des Personalstatutsgesetzes des Irak, oben III, 2. dieses Gutachtens. 23 Vgl. zur Frage der NichtÜbernahme der Fürsorge durch den Heimatstaat bei fehlenden diplomatischen Beziehungen Kegel in Soergel-Siebert, Rdz. 15 zu Art. 23 EGBGB. 22

462

Familieniecht

walt. Dennoch ist in diesem Fall die Anordnung einer Pflegschaft als zulässig anzusehen, da das insofern allein maßgebliche irakische Recht in besonders gelagerten Umständen bei fehlender Möglichkeit, die elterliche Gewalt auszuüben, einen staatlichen Eingriff zuläßt. Da zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Irak diplomatische Beziehungen nicht bestehen, ist davon auszugehen, daß der Irak selbst die Fürsorge nicht übernimmt. Somit sind die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des zuständigen deutschen Vormundschaftsgerichts - Fürsorgebedürfnis nach Heimatrecht und NichtÜbernahme der Fürsorge durch den Heimatstaat im Sinne des Art. 23 EGBGB gegeben und ist die Anordnung einer Pflegschaft zulässig.

IV. Erbrecht

1. GESETZLICHE ERBFOLGE Siehe auch Nr. 14, 56, 62, 63, 64

Nr. 45 Niederlande 1. Anwendung niederländischen Rechts als deutsches Partikularrecht auf die Erbfolge nach einem Deutschen, der 1961 in einem von 1949 bis 1963 niederländisch verwalteten deutschen Gebiet (Elten) gestorben ist. 2. Erbstatut nach niederländischem internationalem Privatrecht. 3. Gesetzliche Erbfolge nach niederländischem Recht. 4. Gesetzlicher Güterstand von Eheleuten, die in einem von 1949 bis 1963 niederländisch verwalteten Gebiet gewohnt haben. Köln 5/65 vom 25.2.1965

Das Landgericht Kleve (4. Zivilkammer) bittet mit Schreiben vom 4. J a n u a r 1965 um eine Auskunft über internationales Privatrecht und niederländisches Recht. SACHVERHALT Am 16. Juli 1961 starb in Emmerich der zuletzt in Elten wohnhafte Deutsche Franz H. Er ist von seiner Ehefrau und zwei Töchtern überlebt worden. Eine Verfügung von Todes wegen hat er nicht hinterlassen. Die Eheleute sind in Elten geboren und haben dort 1927 geheiratet. Die Töchter sind dort 1927 und 1930 geboren. Es wird unterstellt, daß die Eheleute auch weiterhin in Elten gelebt haben. Die Witwe des Erblassers hat bei dem Amtsgericht Emmerich einen gemeinschaftlichen Erbschein des Inhalts beantragt, daß sie zu V2 und die beiden Töchter zu 1 /t den Erblasser beerbt haben. Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, daß niederländisches Erbrecht anzuwenden sei, nach dem die Ehefrau und die beiden Töchter den Erblasser zu je V3 beerbt hätten. Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

464

Erbrecht

Elten liegt in dem Teil der Bundesrepublik Deutschland, der vom 23. April 1949 bis zum 1. August 1963 unter niederländischer Verwaltung gestanden hat. An diesem Tage - nämlich vier Wochen nach Austausch der Ratifikationsurkunden - sind in Kraft getreten (BGBl. 1963 II, 1078): 1. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Regelung von Grenzfragen und anderen zwischen beiden Ländern bestehenden Problemen (Ausgleichsvertrag) vom 8. April 1960, Zustimmungsgesetz vom 10. Juni 1963 (BGBl. 1963 II 458, 461-462); 2. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über den Verlauf der gemeinsamen Landesgrenze, die Grenzgewässer, den grenznahen Grundbesitz, den grenzüberschreitenden Binnenverkehr und andere Grenzfragen (Grenzvertrag) vom 8. April i960, Zustimmungsgesetz vom 10. Juni 1963 (BGBl. 1963 II 458 und 463 bis 601). Aufgrund dieses Sachverhalts bittet das Landgericht um die Beantwortung folgender Fragen: „I. Gibt es internationale oder niederländische Rechtsnormen, die für die in Elten lebenden Deutschen während der Zeit der niederländischen Verwaltung wirksam niederländisches Erbrecht eingeführt haben? II. Hat insbesondere der Grenscorrectiebesluit 1949 diese Wirkung zu I herbeigeführt? III. Haben solche evtl. erlassenen Normen (zu I und II) den in § 24 Abs. 1 EGBGB niedergelegten Grundsatz, daß ein Deutscher immer nach den Gesetzen beerbt wird, durchbrechen können? Oder ist § 24 Abs. 1 EGBGB auf den vorliegenden Fall gar nicht anzuwenden, weil das Eltener Gebiet kein „Ausland" geworden war? IV. Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Deutsch-Niederländische Grenzvertrag vom 8. April 1960 (Bundesgesetzblatt II 1963 S. 463), insbesondere sein Artikel 22?" GUTACHTEN A. DAS FÜR DIE BEERBUNG DES ERBLASSERS MASSGEBENDE RECHT (ERBSTATUT)

I. Deutsches internationales

Privatrecht

Nach Art. 24 Abs. 1 EGBGB wird ein Deutscher nach den deutschen Gesetzen beerbt. Maßgebend ist das Personalstatut des Erblassers beim Tode 1 . Der Erblasser H. ist beim Tode Deutscher gewesen. 1 Kegel in Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), vor Art. 24 Rdz. 3 und 4, 910; Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 354.

Gesetzliche Erbfolge /

Niederlande

465

Die Verweisung des deutschen IPR führt jedoch nicht vollständig zu dem maßgeblichen materiellen Recht, wenn in Deutschland zur Zeit des Erbfalles verschiedenes Recht galt. Dann greift noch das deutsche interlokale Privatrecht ein. II. Deutsches inteilokales

Privatrecht

1. Grenzänderung Auf der Londoner Deutschlandkonferenz vom 7. Juni 1948 einigten sich die drei Westmächte und die Beneluxländer darüber, gewisse geringfügige Berichtigungen der Westgrenzen Deutschlands vorzunehmen 2 . In Verfolg dieser Einigung wurde am 28. März 1949 ein Schlußkommunique bekanntgegeben, nach dem 31 Grenzberichtigungen vorgenommen und diese Gebiete der „Verwaltung der Nachbarländer unterstellt" werden sollten 3 . Die Grenzänderungen wurden mit Wirkung vom 23. April 1949 wirksam 4 . Der Wohnsitz des Erblassers (Elten) lag zum Zeitpunkt des Todes in diesem vorläufig unter niederländische Verwaltung gestellten deutschen Gebiet. 2. Niederländische

Gesetzgebung

Das Königreich der Niederlande hat die unter seine Verwaltung gestellten Gebiete seinem Hoheitsgebiet angegliedert und dort niederländisches Recht eingeführt. Koninklijk Besluit van 22 April 1949, houdende voorlopige voorzieningen in verband met de toevoeging van enig Duits gebied aan het Grondgebied van bet Rijk, ter correctie van de Oostelijke grens daarvan.

Königlicher Beschluß vom 22. April 1949 über vorläufige Maßnahmen in bezug auf die Angliederung einiger deutscher Gebietsteile an das Hoheitsgebiet des Staates zur Berichtigung der östlichen Grenzen dieses Gebietes

Staatsblad

Staatsblad nr. J 180/181:

nr. J. 180/181:

Art. 1.

Art. 1

„De gebieden, bedoeldinbovenvermeld protocol, zoals deze omschreven zijn in

„Die Gebiete im Sinne des obenerwähnten Protokolls, wie diese in der Anlage

2

Vgl. Das Londoner Deutschland-Kommunique vom 7. Juni 1948, EuropaArchiv (EA) (1948), 1437 [1438], 3 Vgl. EA (1949), 2038; Schmoller-Maier-Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts (1957), § 24a (A I 3b, Fn. 23) 7f. 4 Vgl. Britische Militärregierungsverordnung Nr. 184 vom 23. April 1949, Brit. ABl. 1083; abgeändert durch AHKG Nr. 20: Änderung der Verordnung Nr. 184 der Britischen Militärregierung (vorläufige Grenzberiditigung) vom 9. Februar 1950, SaBl. 1950, 137. 30

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

466

Erbrecht

de bij dit besluit behorende bijlage, worden, te rekenen van 23 April 1949, te 6 uur voormiddag, geadit te behoren tot het grondgebied van het Rijk, Deze gebieden worden verder in dit besluit aangeduid als het bij het Rijk gevoegde gebied."

dieses Beschlusses umschrieben werden, gehören mit Wirkung vom 23. April 1949, um 6 Uhr vormittags, zum Hoheitsgebiet des Staates. Diese Gebiete werden weiter im Beschluß als das angegliederte Gebiet bezeichnet."

Art. 2. „Te rekenen van het in artikel 1 bedoelde tijdstip geldt in het bij het Rijk gevoegde gebied bij uitsluiting het Nederlandse recht, voorzover niet bij of kraditens dit besluit anders isbepaald."

Art. 2

Art. 29. „1. Nalatenschappen, die na het in art. 1 bedoelde tijdstip openvallen, vererven en worden vereffend naar Nederlandse recht. 2. Vöör dat tijdstip geldig gesloten erfovereenkomsten blijven van kracht. 3. Uiterste willen, welke vöör het in artikel 1 bedoelde tijdstip overeenkomstig het tevoren geldende recht zijn gemaakt, dodi niet zijn opgemaakt voor of door of in bewaring gegeven bij een openbaar ambtenaar, zijn ten aanzien van de vorm van kracht, indien de erflater binnen een jaar na dat tijdstip overlijdt.

Art. 29 „1. Hinterlassenschaften, welche nach der im Art. 1 genannten Zeit anfallen, werden nach niederländischem Recht vererbt und beglichen. 2. Die vor dieser Zeit gültig abgeschlossenen Erbverträge bleiben in Kraft. 3. Letztwillige Verfügungen, welche vor der im Art. 1 genannten Zeit gemäß dem vorher geltenden Recht getroffen wurden, jedoch nicht von einem öffentlichen Beamten oder in seiner Gegenwart abgefaßt wurden oder einem solchen Beamten zur Verwahrung übergeben wurden, sind in formeller Hinsicht in Kraft, wenn der Erblasser innerhalb eines Jahres nach dieser Zeit stirbt. 4. Verfügungen über eine Familienanwartschaft (erfstellingen over de hand)v welche vor der im Art. 1 genannten Zeit zur Ausführung gelangt sind oder in vorher abgeschlossenen Erbverträgen, die erst nach dieser Zeit zur Ausführung gelangen, enthalten sind, werden durch das vorher geltende Recht geregelt."

4. De erfstellingen over de hand, welke vöör het in artikel 1 bedoelde tijdstip tot uitvoering gekomen zijn of welke vervat zijn in tevoren gesloten erfovereenkomsten, die eerst na dat tijdstip tot uitvoering komen, worden geregeld door het tevoren geldende recht."

„Von der im Art. 1 genannten Zeit an gilt in dem angegliederten Gebiete ausschließlich das niederländische Recht, insoweit dieser Beschluß oder eine auf Grund dieses Beschlusses erlassene Anordnung nichts anderes bestimmt."

Art. 36.

Art. 36

„1. Mannelijke en ongehuwde vrouwelijke vreemdelingen, die de Duitse nationaliteit bezitten, meerderjarig zijn in de zin van het burgerlijk wetboek

„1. Männliche und unverheiratete weibliche Fremde, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, großjährig sind im Sinne des Bürgerlichen Ge-

Gesetzliche

Erbfolge /

e n behalve op het in artikel 1 bedoelde tijdstip ook op 23 Februari 1948 in de zin van het burgerlijk wetboek woonplaats hadden in het bij het Rijk gevoegde gebied, worden, behoudens het bepaalde in het tweede lid, vanaf het in artikel 1 bedoelde tijdstip behandeld als w a r e n zij Nederlanders, zonder de Staat van Nederlander te verkrijgen.

2. Uitgewesen kunnen worden de in het vorige lid bedoelde personen, die tengevolge v a n het denazificatieprogramma of wegens het begaan v a n een oorlogsmisdrijf veroordeelt of uit een functie verwijderd zijn, of die als smokkelaar bekend Staat, of die tevoren uit Nederland uitgewezen zijn. 3. Gehuwde vrouwen delen in de behandeling v a n haar man en minderjarige kinderen in de behandeling v a n hun vader of moeder."

Niederlande

467

setzbuches (burgerlijk wetboek) und außer der in Art. 1 genannten Zeit auch am 23. Februar 1948 im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches ihren Wohnsitz in dem angegliederten Gebiet hatten, werden vorbehaltlich der Bestimmung des 2. Absatzes von der im Art. 1 genannten Zeit an behandelt, als w ä r e n sie Niederländer, ohne jedoch die niederländische Staatsangehörigkeit zu erwerben. 2. Ausgewiesen können werden die im vorigen Absatz bezeichneten Personen, die infolge des Entnazifizierungsprogramms oder wegen Begehung eines Kriegsverbrechens verurteilt oder aus einer Stellung entlassen worden sind oder die als Schmuggler bekannt sind oder die früher aus den Niederlanden ausgewiesen worden sind. 3. Verheiratete Frauen werden behandelt wie ihr Ehemann, minderjährige Kinder wie ihr Vater oder ihre Mutter."

D i e s e r Königliche Beschluß v o m 22. A p r i l 1949 w u r d e durch das i m w e s e n t l i c h e n i n h a l t s g l e i c h e G r e n z b e r i c h t i g u n g s g e s e t z v o m 26. S e p t e m b e r 1951, „ W e t v a n 26 S e p t e m b e r 1951 tot v e r v a n g i n g v a n h e t g r e n s c o r r e c t i e b e s l u i t 1949 (Grenscorrectiewet)" - Art. 65 - 5 abgelöst, d a s g e m ä ß Art. 2 d e s G e s e t z e s v o m 21. A p r i l 1949 über die Befugnis, v o r l ä u f i g e M a ß n a h m e n in b e z u g auf die V e r w i r k l i c h u n g v o n b e s t i m m t e n Berichtigungen der N i e derländisch-deutschen G r e n z e z u treffen („Wet, in z a k e b e v o e g d h e i d tot h e t treffen v a n v o o r l o p i g e v o o r z i e n i n g e n in v e r b a n d mit de v e r w e z e n l i j k i n g v a n b e p a a l d e c o r r e c t i e s in d e N e d e r l a n d s - D u i t s e grens", Staatsblad nr. J. 180), e r l a s s e n w e r d e n mußte. D i e hier erheblichen Vorschriften lauten: Gesetz vom 26. September 1951 zum Ersatz des Grenzberichtigungsbeschlusses von 1949 (Grenzberichtigungsgesetz), Staatsblad

nr. 434:

Art. 1

Art. 1

„1. De gebieden, bedoeld in bovenvermeld protocol, zoals deze in het terrein

„1. Die Gebiete im Sinne des obenerwähnten Protokolls, wie diese in

5 Staatsblad nr. 434; in Kraft getreten am 1. J a n u a r 1952 gemäß Beschluß vom 14. Dezember 1951, Staatsblad nr. 560.

30 *

Erbrecht

468

zijn afgebakend, en omsdireven zijn in de bij deze wet behorende bijlage, met uitzondering van het gebied, gelegen als vermeld in artikel 3, lid 3, kolom 1, oder i2 en o2, van deze wet, worden, te rekenen van 23 April 1949, te 6 uur voormiddag, geacht te behoren tot het grondgebied van het Rijk.

ihrem Umfang abgesteckt und in der Anlage zu diesem Gesetz beschrieben werden, gehören mit Ausnahme des Gebietes, das in Art. 3 Abs. 3, Spalte 1, Ziffer i2 und o 2 dieses Gesetzes beschrieben ist (dabei handelt es sich um Gebiete «bei Ubbergen östlich zwischen den Grenzpfählen 627 und 626 und bei Kerkrade östlich zwischen den Grenzpfählen 232 A und 229, welche vom 24. September 1949, um 8 Uhr vormittags, und vom 16. Juli 1949, um 8 Uhr vormittags, an zum niederländischen Staatsgebiet gehören), mit Wirkung vom 23. April 1949, um 6 Uhr vormittags, zum Hoheitsgebiet des Reiches.'

2. . . .

2....

3.... 4.... 5...."

3.... 4.... 5....

Art. 2 „Te rekenen van het in artikel 1 bedoelde tijdstip geldt in het bij het Rijk gevoegde gebied bij uitsluiting het Nederlandse recht, voorzover niet bij of kraditens deze wet anders is bepaald."

„Von der in Art. 1 genannten Zeit an gilt in den angegliederten Gebieten ausschließlich das niederländische Recht, insoweit dieses Gesetz oder ein aufgrund dieses Gesetzes erlassene Anordnung nichts anderes bestimmt."

Art. 29 und Art. 36 dieses Gesetzes stimmen mit Art. 29 und Art. 36 des Königlichen Beschlusses vom 22. April 1949 wörtlich überein s ". 3. Bindung der Bundesrepublik

Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 4 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen v o m 26. Mai 1952 8, zur Beachtung der britischen Militärregierungsverordnung Nr. 184 und des AHKG Nr. 20 verpflichtet: Art. 1 Abs. 1 S. 4: „Rechtsvorschriften, durch welche die vorläufigen Grenzen der Bundesrepublik festgelegt worden sind, oder die nach anderen Bestimmungen des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten oder der Zusatzverträge in Kraft bleiben, dürfen nur mit Zustimmung der Drei Mächte geändert oder aufgehoben werden."

6

* Oben A l l .

6

BGBl. 1955 II, 405 [406],

Gesetzliche Erbfolge /

Niederlande

469

Die Bundesrepublik hat zwar diese Abtretungen deutscher Gebiete an die Niederlande zur vorläufigen Grenzberichtigung völkerrechtlich nicht anerkannt 6 ". Sie hat aber, wie sich auch aus der Begründung und der Denkschrift zur BRDrucks. 307/60 ergibt 7 , die ausschließliche Herrschaft eines fremden Rechts- und Wirtschaftssystems über die Bewohner dieser Gebiete dadurch anerkannt, daß sie sich mit dem Königreich der Niederlande über den Übergang vom niederländischen zum deutschen Recht einigte. Der Grenzvertrag (Ausgleichsvertrag) vom 8. April 1960 enthält darüber Bestimmungen in den Art. 21 bis 31, von denen hier Art. 21 bis 23 in Betracht zu ziehen sind: Art. 21: „(1) Für den Übergang vom niederländischen Recht zum deutschen Recht in den in Artikel 4 bezeichneten Gebieten gelten die Bestimmungen der Art. 22 bis 31. (2) Die Anwendung des niederländischen Rechts auf Niederländer in den Fällen, in denen das deutsche internationale Privatrecht auf die nationalen Gesetze der Beteiligten verweist, bleibt unberührt." Art. 22: „Der Ubergang vom niederländischen Recht zum deutschen Recht in den in Art. 4 bezeichneten Gebieten hat, soweit in den Art. 23 bis 29 nichts anderes bestimmt ist, grundsätzlich keinen Einfluß auf die vor Inkrafttreten dieses Vertrages erworbenen bürgerlichen Rechte." Art. 27: „Eheverträge, die vor Inkrafttreten dieses Vertrages abgeschlossen und in das hierfür bestimmte niederländische Register eingetragen worden sind, können bis zum Abschluß eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Vertrags nach Maßgabe des niederländischen Rechts gegen Dritte geltend gemacht werden."

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß mit Abschluß des Vertrages auch die Bundesrepublik zugestand, daß vorher in den verwalteten Gebieten das niederländische Recht galt und daß daher das niederländische und nicht das deutsche Recht auf vorher in den verwalteten Gebieten wohnhafte Deutsche anzuwenden ist. Art. 21 und 22 stehen damit in Einklang: Art. 21 Abs. 2 stellt die künftige Anwendung des deutschen internationalen Privatrechts und somit die Anwendung des niederländischen Rechts auf Niederländer sicher, wenn das deutsche IPR auf niederländisches Recht verweist. Art. 22 enthält die grundsätzliche Anerkennung der •* Vgl. Schmoller-Maier-Tobler, § 24a (A I 3b Fn. 23) 8; BR-Drucksache 307/60, Begründung zu Artikel 2 des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Regelung von Grenzfragen und anderen zwischen beiden Ländern bestehenden Problemen (Ausgleichsvertrag), 2; BR-Sitzungsbericht 224, Sitzung v. 28. Oktober i960, 494 D. 7 BRDrucks. 307/60, 2 und 114.

Erbrecht

470

vor Inkrafttreten des Vertrages erworbenen bürgerlichen Rechte, d. h. der vor Inkrafttreten nach dem damals geltenden niederländischen Recht erworbenen Rechte. Seine Bedeutung erschöpft sich darin, die Nichtrückwirkung der in dem Vertrage enthaltenen Regeln über den Übergang vom niederländischen zum deutschen Recht sicherzustellen 8 . Die Annahme der Geltung niederländischen Rechts während der niederländischen Auftragsverwaltung entspricht auch einer Regel des deutschen räumlichen Kollisionsrechts: welches Privatrecht als Recht eines Gebietes anzuwenden ist, hängt nicht davon ab, ob ein Staat, eine Regierung, ein Gebietserwerb völkerrechtlich anerkannt wird oder nicht; vielmehr kommt es darauf an, welches Privatrecht in dem Gebiet tatsächlich allgemein angewandt wird 9 . Demnach sind die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, das tatsächlich geltende Recht anzuwenden. 4. Erbstatut Da die Bundesrepublik die Abtretung der Grenzgebiete an die Niederlande nicht anerkannt hat, die abgetretenen Gebiete daher deutsch geblieben sind, während allerdings niederländisches Recht in ihnen galt, entscheidet nicht unser internationales, sondern unser interlokales Privatrecht, wann deutsches und wann niederländisches Privatrecht anzuwenden ist. über die Erbfolge entscheidet das interlokale Personalstatut des Erblassers, grundsätzlich also das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts beim Tode 1 0 . Da der Erblasser H. zur Zeit seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Elten im Gebiet unter niederländischer Verwaltung hatte, verweist das interlokale Recht auf das in diesem Gebiet geltende (niederländische) Recht. 5. Beachtlichkeit

von Rück- und

Weiterverweisung

Soweit das deutsche interlokale Recht auf eine in einem Teilgebiet geltende Rechtsordnung verweist, ist zu prüfen, ob das berufene Recht eine Rück- oder Weiterverweisung enthält 8 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 29 Anh. 17-18, 972-973 zu HeimatlAuslG v. 25.4.1951 (BGBl. I, 269) und Anh. 30, 978 zum Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28. 7. 1951 (BGBl. 1953 II, 560). 9 Kegel, IPR, 8f.; vgl. Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts (1962) 230; Wengler, Fragen der Faktizität und Legitimität bei der Anwendung fremden Rechts, Lewald-Festschrift (1953) 615-632 [619-623]; im Ergebnis ebenso; Beschluß OLG Köln v. 8. Aug. 1960, in 8 W 16/60 (7 T 510/59 LG Aachen), 10-12 (Bl. 108-110 d. A. 7 T 510/59). 10 Kegel, IPR, 371 und 161 f. 11 Kegel in Soergel-Siebert, Art. 27 Rdz. 38, 943; Kegel, IPR, 138 und 139.

Gesetzliche Erbfolge / Niederlande

471

Eine Rück- oder Weiterverweisung müßte sich aus dem niederländischen Recht ergeben. Diese Rück- oder Weiterverweisung könnte sein eine solche des im Grenzgebiet geltenden niederländischen mterlokalen oder internationalen Privatrechts. Eine solche des mterlokalen Privatrechts z. B., wenn in den Niederlanden nicht wie bei uns der gewöhnliche Aufenthalt entschiede, sondern der Wohnsitz (z. B. ein minderjähriger deutscher Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt bei den Großeltern in Elten, seinen letzten gesetzlichen Wohnsitz bei den Eltern in Amsterdam); eine solche des internationalen Privatrechts z. B., wenn in den Niederlanden über die Erbfolge in Grundstücke nicht wie bei uns das letzte Heimatrecht des Erblassers, sondern die lex rei sitae entschiede (z. B. ein deutscher Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Elten hinterläßt Grundbesitz in Belgien). 6. Niederländisches

internationales

Privatrecht

a) Geltung Keine der Bestimmungen über den Übergang vom deutschen zum niederländischen Recht (Art. 9 bis 34 des Königlichen Beschlusses und Art. 8 bis 34 des Grenzberichtigungsgesetzes) sagt etwas über die Geltung des niederländischen internationalen Privatrechts in den zu den Niederlanden geschlagenen Gebieten. Aufgrund der allgemeinen Einführung des niederländischen Rechts in diesen Gebieten ist jedoch anzunehmen, daß dort auch die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln des niederländischen IPR anzuwenden waren 12 . b) Erbstatut Die Anknüpfung der Erbfolge unterliegt in den Niederlanden keiner besonderen gesetzlichen Regelung. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der familienrechtlichen Verhältnisse im Erbrecht beurteilt das Schrifttum die 12 Kosters-Dubbink, Algemeen Deel van het Nederlandse Internationaal Privaatredit, 1962, 323-324; vgl. Höge Raad (HR) v. 5. Dezember 1952, Nederlandse Jurisprudentie (N. J.) 1953 No. 34 zur Frage der Gültigkeit eines vor dem 23. April 1949 abgeschlossenen Erbvertrages und der Anwendung des niederländischen Erbrechts auf den Erbfall, der sich nach Einführung des niederländischen Rechts ereignete: „Art. 29 Abs. 2 (des Königlichen Beschlusses und des Grenzberichtigungsgesetzes) kann kaum eine weitergehende Bedeutung haben, als zu bestimmen, daß erbrechtliche Verfügungen, die in nach deutschem Recht gültigen Erbverträgen vorkommen, ihre Geltung als - vertragliche - letztwillige Verfügung behalten.

Derartige letztwillige Verfügungen werden ebenso wie die, welche in einer anderen - einseitigen - als rechtsgültig anerkannten Form abgefaßt sind und sich auf die in Abs. 1 bestimmten Hinterlassenschaften beziehen, zufolge dieser Vorschrift in Wirkung und Folgen vom niederländischen Recht beherrscht und demnach durch die Rechte derer beschränkt, die aufgrund dieser Vorschrift nach niederländischem Recht Anspruch auf einen gesetzlichen Erbteil machen."

472

Eibrecht

gesetzliche Erbfolge einhellig nach dem letzten Heimatrecht des Erblassers 13 . Auch die Rechtsprechung entscheidet grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers zur Zeit seines Todes 1 4 . In drei instanzgerichtlichen Entscheidungen wird allerdings abweichend vom obigen Standpunkt niederländisches Recht als Recht des letzten Wohnsitzes von Niederländern angewandt 15 . Im Hinblick auf diese Entscheidungen wird die Meinung vertreten, daß das niederländische IPR das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers anwende, wenn dieser besondere Bindungen zu der Rechtsordnung seines letzten Wohnsitzes gehabt habe 1 6 . Geht man vom letzten Heimatrecht des Erblassers aus, so ist für die Erbfolge nach Franz H., obwohl er die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat, das niederländische Recht maßgebend, weil er nach Art. 36 Abs. 1 des Königlichen Beschlusses und des Grenzberichtigungsgesetzes wegen Wohnsitzes im Grenzgebiet am 23. 2.1948 und am 23. 4. 1949 wie ein Niederländer zu behandeln war. Folgt man der zweiten Ansicht, daß im niederländischen IPR das Wohnsitzprinzip herrsche, so ist das Ergebnis nicht anders. Diese Ansicht wird zwar grundsätzlich insoweit abgelehnt, als sie eine Rück- oder Weiterverweisung des niederländischen IPR aufgrund des Wohnsitzprinzips für möglich hält 1 7 . Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob das Wohnsitzprinzip die Anwendung des letzten Heimatrechts des Erblassers zugunsten einer erweiterten Anwendung des niederländischen Rechts, wie sie hier wegen der tatsächlichen Zugehörigkeit zur niederländischen Rechts13 van Brakel, Grondslagen en Beginselen van Nederlands Internationaal Privaatredit (3. Aufl. 1953) 213-214; Kosters-Dubbink 637 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Meijers, Verzamelde Privaatrechtelijke Opstellen, Bd. II (1955) 334-337; Mulder, Internationaal Privaatrecht (2. Aufl. 1947) 205. 14 Rechtbank (Rb)'s-Gravenhage, NJ 1936 Nr. 305; Rb Arnhem NJ 1938 Nr. 777; Hoi's-Gravenhage NJ 1942 Nr. 327 und NJ 1947 Nr. 743; Rb Rotterdam NJ 1954 Nr. 769; HoVs-Hertogenbosch NJ 1958 Nr. 238, bestätigt durch HR NJ 1958 Nr. 393; vgl. ebenso HR NJ 1959 Nr. 188. 15 Hof Amsterdam NJ 1947 Nr. 66; Hol Leeuwarden NJ 1954 Nr. 328; Rb Utrecht NJ 1955 Nr. 372. 18 LG Koblenz JZ 1959, 316 [317] mit Bezug auf Baade N J W 1957, 171 [172] und 1426. 17 Czapski, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit nach holländischem Erbstatut, N J W 1957, 1425 mit Schlußwort von Baade, N J W 1957, 1426; Drobnig, Anmerkung zu LG Koblenz JZ 1959, 316 (317); van Sasse van Ysselt, NJW 1958, 1668; Kisch, Weekblad voor Privaatrecht, Notarisambt en Registratie (WPNR) 1954, 543 (544); van Sasse van Ysselt, The Netherlands Private International Law of Succession and the German Courts, Nederlands Tijdschrift voor International Recht (NTvJR) 1959, 384-386; van der Ploeg, Les régimes matrimoniaux et le droit successoral dans le droit international privé néderlandais in „Les régimes matrimoniaux et les successions en droit international privé" (Brüssel 1963) 977 f. (1010-1013); OLG Hamm NJW 1964, 553.

Gesetzliche Erbfolge / Niederlande

473

Ordnung in Betracht gezogen werden müßte, durchbricht. Der Grund der Ablehnung dieser Ansicht kommt hier nicht zum Tragen. Denn bei Anwendung des Wohnsitzprinzips würde hier niederländisches Recht berufen, das zum Zeitpunkt des Erbfalls in den von den Niederlanden gemäß dem Königlichen Beschluß und dem Grenzberichtigungsgesetz dem Reich („Rijk") einverleibten Gebieten galt. Somit kann die Entscheidung zwischen Staatsangehörigkeitsprinzip und Wohnsitzprinzip hier dahinstehen, da bei Anwendung beider niederländisches Recht berufen wird. Eine Rückverweisung findet also nicht statt. c) Vererbung von Grundbesitz Entgegen einer älteren Entscheidung des Höge Raad 18 , in der auf die Vererbung von Grundsätzen die lex rei sitae angewandt wurde, und entgegen zwei weiteren Entscheidungen, in denen der Höge Raad offen ließ, ob die lex rei sitae im internationalen Erbrecht anwendbar sei 19 , ist es sonst in Rechtsprechung und Schrifttum ganz herrschende Meinung, daß das Heimatrecht des Erblassers auch für die Vererbung von unbeweglichem Vermögen maßgibt und die lex rei sitae auf das internationale Sachenrecht beschränkt bleibt 20 . Danach ist davon auszugehen, daß das niederländische Kollisionsrecht auch für das unbewegliche Vermögen keine Rückverweisung enthält. Dementsprechend beurteilt auch die deutsche Rechtsprechung allgemein die Beerbung von Niederländern, die in Deutschland gestorben sind, einheitlich nach niederländischem Recht 21 . Nach dem niederländischen internationalen Privatrecht findet also niederländisches materielles Recht Anwendung. Eine Rück- oder Weiterverweisung des niederländischen internationalen Privatrechts liegt daher nicht vor. 7. Niederländisches

interlokales

Privatrecht

Auch das niederländische interlokale Privatrecht enthält keine Rückoder Weiterverweisung. Das ergeben Art. 2 (Einführung des niederländischen Rechts) und 36 Abs. 1 (Behandlung deutscher Männer als Niederländer) mit Art. 29 Abs. 1 (Einführung des niederländischen Erbrechts ohne Aufschub) des Königlichen Beschlusses und des Grenzberichtigungsgesetzes. 18

HR, Weekblad van het Recht (W) 1907 Nr. 8524. HR NJ 1943 Nr. 202; HR NJ 1959 Nr. 188. 20 Hoi den Haag NJ 1947 Nr. 743; Hot den Haag in HR NJ 1959 Nr. 188; Rh Maastricht W 1921, 10681; Rb Arnhem NJ 1938 Nr. 777; van Brakel 214; KostersDubbink 637 mit weiteren Nachweisen. 21 KG DR 1941, 1611; KG (West) IPRspr. 1950/51 Nr. 110; OLG Düsseldorf NJW 1963, 2227; a. M. LG Koblenz JZ 1959, 316 mit abl. Anm. von Drobnig, aaO. 10

Eibrecht

474

III.

Zwischenergebnis

Nach deutschem IPR in Verbindung mit deutschem interlokalem Privatrecht wird Franz H. nach niederländischem materiellem Recht beerbt. B. NIEDERLÄNDISCHES MATERIELLES ERBRECHT Uber die gesetzliche Erbfolge bestimmen die Art. 899 und 899 a I des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijk Wetboek, B W ) : Art. 899: „De kinderen of hunne afstammelingen erven van hunne ouders, grootouders, of verdere bloedverwanten in de opgaande linie, sonder onderscheid van kunne of eerstgeboorte, en zelfs wanneer zij uit verschillende huwelijken verwekt zijn. Zij erven voor gelijke deelen bij hoofden, wanneer zij allen in den eersten graad zijn en uit eigen hoofde geroepen worden; zij erven bij staken, wanneer zij allen, of een gedeelte hunner, bij plaatsvervulling opkomen."

Die Kinder oder ihre Abkömmlinge erben von ihren Eltern, Großeltern oder weiteren Blutsverwandten aufsteigender Linie, ohne Unterschied ihres Geschlechts oder ihrer Erstgeburt, und auch dann, wenn sie aus verschiedenen Ehen stammen. Sie erben zu gleichen Teilen nach Köpfen, wenn sie alle im ersten Grad und aus eigenem Recht berufen sind; sie erben nach Stämmen, wenn die Berufung aller, oder eines Teiles von ihnen, durch Erbvertretung erfolgt.

Art. 899 a I „Voor zoovel betreft de nalatensdiap van den vooroverleden echtgenoot wordt de langstlevende echtgenoot voor de toepassing der bepalingen van dezen Titel met een wettig kind des overledenen gelijkgesteld, met dien verstände, dat bij tweede of verder huwelijk, indien er kinderen of afkomelingen uit het vroeger huwelijk aanwezig zijn, de nieuwe echtgenoot niet meer mag erven dan het minste gedeelte hetwelk een dier kinderen, of bij vöör-overlijden deszelfs afkomelingen, bij plaatsvervulling, genieten, en zonder dat in eenig geval, het erfdeel het Vierde deel van de goederen des erflaters mag te boven gaan."

In Ansehung des Nachlasses des vorverstorbenen Ehegatten wird der überlebende Ehegatte bei der Anwendung der Bestimmungen dieses Titels einem ehelichen Kind des Erblassers gleichgestellt, mit der Maßgabe, daß im Falle einer zweiten oder weiteren Ehe, wenn Kinder oder Abkömmlinge aus der früheren Ehe vorhanden sind, der neue Ehegatte nicht mehr erben darf, als den geringsten Teil desjenigen, welches eines dieser Kinder, oder im Falle seines Vorversterbens dessen Abkömmlinge kraft Erbvertretung erhalten, und ohne daß in irgendeinem Fall der Erbteil den vierten Teil des Vermögens des Erblassers übersteigt.

W i e sich aus dieser Vorschrift ergibt, besteht die erste Erbenordnung nach niederländischem Recht aus den Abkömmlingen des Erblassers und seinem überlebenden Ehegatten 2 2 . 22 Asser-Meijers-van 1957) 30.

der Ploeg

(5. Aufl. 1956) 41; Pitlo, Het Erfrecht (3. Aufl.

Gesetzliche

Erblolge

/

Niederlande

475

Der Erblasser ist also von seiner Frau und seinen beiden Töchtern zu je Vs beerbt worden. C. EHEGÜTERSTATUT

Der Erbteil der W i t w e erhöht sich um l U, wenn § 1371 I n. F. BGB anwendbar ist. Diese Vorschrift gilt allerdings erst seit dem l . J u l i 1958 (vgl. Art. 8 I Nr. 3, II Nr. 4 GleichberG). Vorher galt der gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung (§§ 1363-1425 a. F. BGB). I. Deutsches internationales

Privatrecht

Die allgemeinen deutschen Kollisionsnormen, die das internationale Ehegüterrecht regeln (Art. 15 EGBGB), werden durch das Haager Ehewirkungsabkommen vom 17. Juli 1905, dessen Wiederanwendung zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich festgestellt ist, verdrängt 2 3 . Art. 2 des Abkommens lautet: „In Ermangelung eines Vertrages ist für die Wirkungen der Ehe sowohl auf das unbewegliche als auf das bewegliche Vermögen der Ehegatten das Gesetz des Heimatstaates des Mannes zur Zeit der Eheschließung maßgebend. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit der Ehegatten oder des einen von ihnen ist ohne Einfluß auf das eheliche Güterrecht." 24

Da die Eheleute H. einen Ehevertrag nicht abgeschlossen haben, findet das Heimatrecht des Mannes zur Zeit der Heirat - hier deutsches Recht auf die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe Anwendung. Mit diesem Grundsatz stimmen auch die deutschen und niederländischen allgemeinen Kollisionsregeln überein 2 5 . Ob der Erbteil des § 1371 I n. F. BGB im Sinne des Art. 2 des Haager Ehewirkungsabkommens als Eheschließung auf das Vermögen anzusehen ist und daher unter Art. 2 fällt, kann offen bleiben. Denn wenn dies nicht der Fall sein sollte, gilt Art. 15 EGBGB und nach herrschender Meinung fällt § 1371 I BGB unter Art. 15 EGBGB: § 1371 I BGB will eine Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und aufgrund der Ehe abwickeln, nicht dem überlebenden ohne Rücksicht auf solche Sonderordnung allein kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen beteiligen 2 6 . 23

BGBl. 1955 II 1. RGBl. 1912, 453, 475; Kegel in Soergel-Siebert, Art. 15 Rdz. 43, 773 i.V.m. Anh. zu Art. 16 Rdz. 1, 781-782 und unter II, 783. 25 Vgl. Art. 15 EGBGB; HR W 1929 Nr. 12006; Rb Haailem NJ 1956 Nr. 274; Kosters-Dubbink 618. 28 Palandt-Lauterbach, BGB (23. Aufl.), Art. 15 EGBGB Bern. 4; Müller-Freien24

476

Erbrecht

II. Deutsches inteilokales

Privatrecht

Nach Ansicht des BGH, dem das Landgericht Kleve mutmaßlich folgen wird, ist interlokales Güterrechtsstatut das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Ehemannes bei Heirat, und zwar unwandelbar27. Der BGH hat indessen nicht entschieden (der Fall gab dazu keinen Anlaß), ob der gewöhnliche Aufenthalt des Mannes bei Heirat auch dann maßgebend ist, wenn die Rechtsspaltung erst nachher eingetreten und der gewöhnliche Aufenthalt inzwischen gewechselt ist. In solchem Fall sollte es auf den Anknüpfungspunkt (nach BGH gewöhnlicher Aufenthalt des Mannes) im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsspaltung ankommen 28 . Die Frage stellt sich hier nicht. Denn der Ehemann hat bei Heirat und anscheinend seitdem immer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Elten gehabt. „Unwandelbar" ist das Güterrechtssiafui: es gilt stets dieselbe Rechtsordnung. Dagegen kann sich der Inhalt dieser Rechtsordnung (das materielle Ehegüterrecht) ändern und solche Wandlungen sind zu beachten: ob altes oder neues Güterrecht anzuwenden ist, entscheiden die Ubergangsregeln der anwendbaren Rechtsordnung29. Im vorliegenden Fall ist interlokal das in Elten geltende Ehegüterrecht maßgebend. Dieses ist durch die Einführung niederländischen Rechts am 23. 4. 1949 geändert worden (Art. 1, 2 des Königlichen Beschlusses und des Grenzberichtigungsgesetzes, oben A II 2). Nach Art. 15 des Grenzberichtigungsgesetzes (ebenso Art. 17 des Königlichen Beschlusses) bestimmen sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe von Eheleuten, die vor dem in Art. 1 des Grenzberichtigungsgesetzes bestimmten Zeitpunkt (23.4.1949) geheiratet haben, nach dem Recht, das bei Heirat galt. Art. 15: „De rechten van echtgenoten, vöör het in artikel 1 bedoelde tijdstip getrouwd, worden ten opzichte van hun goederen geregeld door het recht dat ob het ogen-

„Die Rechte der Eheleute, die vor der in Art. 1 bestimmten Zeit geheiratet haben, bestimmen sich hinsichtlich ihres Vermögens nach dem Rechte, das im

fels J Z 1957, 690 Fn. 33; Ferid FamRZ 1957, 72f.; Braga ebenda 341 (mit Einschränkung); Thiele FamRZ 1958, 397; Rheitmann FamRZ 1959, 314; Tröster Rpfleger 1962, 257; implicite auch BGHZ 40, 32. A. M. Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961), 336-338 (mit Einschränkung wie Braga). 27 BGHZ 40, 32 (35). Zum Streitstand und zur Ansicht des Verfassers SoergelSiebert, Art. 15 Bern. 45, 774 und IPR, 289. 28 Kegel in Soergel-Siebert und IPR ebenda. Ebenso z. B. OLG Bremen FamRZ 1960, 1958 (gewöhnlicher Aufenthalt des Mannes); I G Aachen FamRZ 1962, 385 mit Anm. von Meyer-Stolte (gewöhnlicher Aufenthalt des Mannes). 29 Kegel in Soergel-Siebert, Art. 15 EGBGB Bern. 4, 766 mit Nachweisen in Fn. 5.

Gesetzliche Erbfolge / blik van het huwelijk gold. Deze echtgenoten kunnen geen huwelijkse voorwaarden meer maken of wijzigen."

Niederlande

477

Augenblick ihrer Heirat galt. Diese Eheleute können einen Ehevertrag nidit mehr machen oder ändern."

Diese Vorschrift ist eine Übergangsregel: sie gehört dem intertemporalen Privatrecht an. Sie verweist auf deutsches Ehegüterrecht, wie es bei Heirat (1927) und - seitdem unverändert - bei Einführung des niederländischen Rechts (23.4.1949) gegolten hat. Sie umfaßt dagegen nicht spätere Änderungen des deutschen Ehegüterrechts und damit nicht § 1371 I n. F. BGB. Dies wäre nur möglich, wenn Art. 15 des Grenzberichtigungsgesetzes (und ebenso Art. 17 des Königlichen Beschlusses) dem räumlichen (internationalen oder interlokalen) Privatrecht der Niederlande angehörte, mithin eine Rückverweisung vorläge. Indessen gelten zwar internationalprivatrechtlich entweder Art. 2 des Haager Abkommens oder das niederländische IPR, die beide auf deutsches Recht als Heimatrecht des Mannes bei Heirat verweisen (oben C I). Aber interioica/privatrechtlich verweisen Art. 36 Abs. 1 des Königlichen Beschlusses und des Grenzberichtigungsgesetzes (oben A II 2) auf niederländisches Recht. Eine Rüdeverweisung liegt daher nicht vor. Die spätere Einführung des deutschen Rechts wirkte nicht zurück (Art. 22, 27 Grenzvertrag, oben A II 3); erfolgte zudem erst nach dem Tode des Erblassers H. (1961). D. NIEDERLÄNDISCHES MATERIELLES EHEGÜTERRECHT

Als niederländisches materielles Ehegüterrecht gelten im vorliegenden Fall fort §§ 1363-1425 a. F. BGB. § 13711 n. F. BGB findet keine Anwendung. Die Witwe hat daher kein zusätzliches gesetzliches Erbrecht in Höhe eines Viertels des Nachlasses. E. ERGEBNIS

I. Art. 29 des Grenzberichtigungsbeschlusses vom 22. April 1949 und des Grenzberichtigungsgesetzes vom 26. September 1951 haben für die in Elten lebenden Deutschen während der Zeit der niederländischen Verwaltung wirksam niederländisches Erbrecht eingeführt (Fragen I und II). II. Diese niederländischen Rechtsvorschriften haben nicht den Grundsatz des Art. 24 Abs. 1 EGBGB durchbrochen, müssen jedoch interlokalrechtlich als tatsächlich geltendes Recht in Deutschland angewandt werden (Frage III). III. Der deutsch-niederländische Ausgleichs-(Grenz-)Vertrag vom 8. April 1960 geht von der Geltung des niederländischen Rechts in den unter

478

Erbrecht

niederländischer Verwaltung befindlichen deutschen Gebieten aus; Art. 22 enthält die Anerkennung der vor dem Inkrafttreten des Vertrages erworbenen Rechte und bestimmt, daß die Vorschriften über den Übergang vom niederländischen zum deutschen Recht nicht zurückwirken (Frage IV). IV. Der Erblasser ist von seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern zu j e V3 beerbt worden. § 1371 Abs. 1 n. F. BGB findet keine Anwendung; die Witwe hat daher nicht V4 + (Vs x 3/4 = iU) = V2 geerbt.

Nr. 46 Italien 1. Die Bedeutung des Niefibrauchs, der dem Uberlebenden Ehegatten nach italienischem Erbrecht beim Zusammentreten mit Kindern zusteht, im Hinbiidt auf in Deutschland gelegene Nachlaßgrundstttcke. 2. Zuständigkeit deutscher Nadilafigeridite zur Entgegennahme der Erklärung der Erbschaftsannahme unter Vorbehalt der Inventarerriditung bei minderjährigen Erben. 3. Die Inventarerrichtung zur Herbeiführung der beschränkten Erbenhaftung. 4. Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht der Mutter nadi italienischem Recht und Zuständigkeit deutsdier Vormundschaftsgerichte zu eventuell erforderlichen Genehmigungen und Pflegerbestellung. München EV 164/66 vom 1.7.1966

Das Amtsgericht Dachau - Nachlaßgericht - hat dem Institut folgenden SACHVERHALT unterbreitet: Am 19. 3.1966 verstarb mit letztem Wohnsitz in Deutschland ein italienischer Staatsangehöriger ohne Hinterlassung einer Verfügung von Todes wegen. Er wurde überlebt von seiner Witwe und 7 minderjährigen Kindern, die sämtliche die italienische Staatsangehörigkeit besitzen. Zum Nachlaß gehören deutsche Grundstücke. Eine Verschuldung des Nachlasses ist nach Sachlage nicht ausgeschlossen. Das Nachlaßgericht wünscht eine gutachtliche Äußerung „1. über die für den Erbfall, insbes. auch im Hinblick auf einen zu erteilenden beschränkten Erbschein einschlägigen Bestimmungen des wohl zur Anwendung kommenden italienischen Rechts. Steht der Witwe überhaupt ein Erbrecht neben den Kindern zu? Es wird angenommen, daß die Mutter die Erbschaft für die minderjährigen Kinder nur unter dem Vorbehalt des Inventars annehmen kann. Ich

Gesetzliche

Erbfolge

479

/ Italien

bitte daher gegebenenfalls das Gutachten auch auf diesen Fragenkomplex zu erstrecken. Wer ist zur Aufnahme des Inventars zuständig? Das Gericht, der Notar oder eine sonstige Behörde oder Person? Was ist alles in das Inventar aufzunehmen. Sind besondere Formvorschriften oder Fristen zu beachten? Gilt die von der Mutter am 29.4.1966 für die minderjährigen Kinder vorbehaltlos erklärte Annahme der Erbschaft bereits als unter Vorbehalt des Inventars angenommen oder kann bzw. muß diese Erklärung noch nachgeholt werden? 2. weiter darüber, ob die elterliche Gewalt über die minderjährigen Kinder nach dem Tode des Vaters auf die Mutter übergegangen ist oder ob das deutsche Gericht gemäß Art. 23 EGBGB etwa Vormundschaft einzuleiten oder sonstige vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen zu ergreifen hat. Enthält das italienische Recht eine dem § 1682 BGB entsprechende Bestimmung über die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und hat gegebenenfalls das deutsche Gericht die Vorlage des Vermögensverzeichnisses zu überwachen?" A. DIE BEERBUNG

I. Das anzuwendende

Recht

Maßgeblich ist das italienische Erbrecht, auch hinsichtlich der Vererbung der deutschen Grundstücke. Es kommt nicht zu einer Rüdeverweisung. Art. 25 Satz 2 EGBGB greift schon aus tatsächlichen Gründen nicht ein. Zur Begründung dieses Ergebnisses darf auf die bei den Akten des Amtsgerichts Dachau AZ VI 108/53 Bl. 28 befindliche gutachtliche Äußerung des Instituts in der Sache RA 212/59 vom 7.10.1959 verwiesen werden. II. Die gesetzliche 1.

Beerbung des Erblassers nach italienischem

Recht

Vorbemerkung

Das italienische Bürgerliche Recht ist enthalten im Codice Civile (R. Decreto vom 16. 3.1942 No262). Das Erbrecht bildet (zusammen mit dem Recht der Schenkungen unter Lebenden) das II. Buch dieser Kodifikation, welche - nach nur geringfügigen Änderungen - auch heute noch nach der Beseitigung des faschistischen Regimes gilt 1 Zugrunde gelegt ist die Ausgabe von Franchi (Ausgabe 1966, bei Hoepli, Mailand).

und Feroci,

Quattro Codici

Erbrecht

480 2. Nachlaßregelung

in Anwendung

des italienischen

gesetzlichen

Erbrechts

a) Der Erblasser hat im vorliegenden Fall an Personen, die als Erben in Betracht kommen, hinterlassen: seine Ehefrau sowie sieben eheliche Kinder. b) Erbrecht des überlebenden Ehegatten aa) Maßgebliche Vorschriften des Codice Civile Art. 581 ff. regelt die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten. Art. 581 lautet: „Quando col coniuge concorrono figli legittimi, soli o con figli naturali, il coniuge ha diritto all'usufrutto di una quota di eredità. L'usufrutto è della metà dell'eredità, se alla successione concorre un solo figlio, e di un terzo negli altri casi. I diritti "del coniuge possono essere soddisfatti nel modo indicato dall'art. 547."

Treffen mit dem Ehegatten eheliche Abkömmlinge zusammen, sei es allein, sei es zusammen mit natürlichen Abkömmlingen, so hat der überlebende Ehegatte Anrecht auf einen Nießbrauch an einem Bruchteil der Erbschaft. Der Nießbrauch steht dem überlebenden Ehegatten an der Hälfte der Erbschaft zu, wenn ein erbberechtigter Abkömmling vorhanden ist; der Nießbrauch steht ihm nur an einem Drittel zu, wenn mehr als ein erbberechtigter Abkömmling vorhanden ist. Die Ansprüche des Ehegatten können nach Maßgabe des Art. 547 abgefunden werden.

Art. 547 lautet: „E in facoltà degli eredi di soddisfare le ragioni del coniuge mediante l'assicurazione di una rendita vitalizia o mediante l'assegno di frutti di beni immobili o capitali ereditari, da determinarsi di commune accordo o, in mancanza, dall'autorità giudiziaria avuto riguardo alle circostanze del caso. Fino a che non sia soddisfatto delle sue ragioni, il coniuge conserva i propri diritti di usufrutto su tutti i beni ereditari."

Die Erben haben die Wahl, die Ansprüche des Ehegatten abzufinden, indem sie ihm eine lebenslängliche Rente zusichern oder indem sie ihm die Erträgnisse von Grundstücken oder von zur Erbschaft gehörigen Kapitalien zuwenden, welche in gegenseitigem Einvernehmen zu bestimmen wären oder, bei NichtZustandekommen derartiger Einvernehmens, durch richterliche Entscheidung, welche auf die Umstände des Falles Rücksicht zu nehmen hat. Bis zur Abfindung seiner Ansprüche behält der Ehegatte die ihm zustehenden Nießbrauchsrechte an den gesamten Nachlaßgütern.

Gesetzliche

Erbfolge

/ Italien

481

bb) Bedeutung des dem Ehegatten bei Zusammentreffen mit Kindern nach italienischem Recht zustehenden Nießbrauchsrechts Die Anwendung dieser Vorschriften auf den vorliegenden Erbfall ergibt das Problem der sog. Qualifikation, das immer dann entsteht, wenn im Inland ausländische Rechtsinstitute rechtlich zu subsumieren sind, die einen vom entsprechenden inländischen Rechtsinstitut verschiedenen Inhalt haben. Dabei hat der Richter nach herrschender Auffassung, wie dies sich im vorliegenden Falle auch praktisch nicht anders durchführen läßt, seine eigenen Rechtsbegriffe zugrunde zu legen, nicht diejenigen des an sich maßgebenden Rechtes. Ob die Witwe „Erbin" ist, d. h. ob sie in einem von einem deutschen Nachlaßgericht auszustellenden Erbschein als „Erbin" zu bezeichnen ist, bestimmt sich danach, ob ihre Stellung derjenigen eines Erben deutschen Rechts entspricht, mit anderen Worten: ob sie „Gesamtnachfolgerin" ist. Nach der italienischen Regelung erhalten die Kinder den Gesamtnachlaß zu Eigentum, davon die eine Hälfte unbeschränkt, die andere beschränkt durch einen Nießbrauch des überlebenden Ehegatten. Dieser Nießbrauch kann an im Inland gelegenen Gegenständen gemäß dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der lex rei sitae nur nach deutschem Recht begründet werden und bestehen. Daß nach italienischem Recht, welches für die Beerbung maßgebend ist, der Nießbrauch unmittelbar, ohne rechtsgeschäftliche Bestellung, entsteht, ist gleichgültig: das Erbstatut als sog. Gesamtstatut, welches den gesamten Nachlaß erfaßt, muß zurücktreten hinter den besonderen Kollisionsnormen der lex rei sitae (vgl. Art. 28 EGBGB). Eine besondere Kollisionsnorm des deutschen Rechtes als der lex rei sitae besagt aber, daß für die Entstehung von dinglichen Rechten im Inland ausschließlich die deutsche Rechtsordnung maßgebend ist. Dieser Grundsatz gilt allgemein im deutschen internationalen Privatrecht 2 . Daher sind die inländischen sachenrechtlichen Vorschriften über die Entstehung eines Nießbrauchs im vorliegenden Falle unbeschadet der entgegenstehenden Regelung des italienischen Rechtes anwendbar. Nach den inländischen Bestimmungen über den Nießbrauch bedarf es aber einer rechtsgeschäftlichen Bestellung (§§ 1030 ff. BGB). Damit aber ist die Witwe Nachlaßgläubigerin, der ein Anspruch auf Bestellung eines Nießbrauchs an Nachlaßgegenständen in Höhe einer Quote des Nachlasses zusteht, nicht aber ist sie Erbin. Da das Nutznießungsrecht keine Gesamtnachfolge der Ehefrau begründet, kann es auch nicht im gegenständlich beschränkten Erbschein vermerkt werden. Dies hängt mit folgendem zusammen: Das deutsche 2 Vgl. etwa schon Palandt, vor Art. 13 EGBGB mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

31

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

482

Erbrecht

Nachlaßgericht hat selbst dann, wenn es in der Sache selbst ausländisches Erbrecht anzuwenden hat, sein Verfahren immer nach inländischem Recht auszugestalten. Es ist ein Bestandteil des auf Erteilung eines Erbscheins und auch eines gegenständlich beschränkten Erbscheins nach § 2369 BGB abzielenden Verfahrens, daß nur eine Gesamtrechtsnachfolge in den Erbschein aufzunehmen ist. Einzelberechtigten, insbesondere die Stellung als Nachlaßgläubiger (etwa auch als Vermächtnisnehmer) haben im Erbschein, auch im gegenständlich beschränkten Erbschein, keinen Raum. cc) Insbesondere kann nicht etwa die Ehefrau als eine Vorerbin bezeichnet werden. Sie hat im Gegensatz zum Vorerben des deutschen Rechts keine Verfügungsmacht über die Nachlaßsubstanz. Der Witwe steht lediglich ein Anspruch auf Einräumung eines Nießbrauches in der im Gesetz vorgesehenen Höhe zu. Insoweit hat sie einen Anspruch gegen die Kinder. Sie gerät dadurch in einen Interessenkonflikt mit den Kindern, der die Prüfung notwendig machen wird, inwieweit ein Pfleger oder ein sonstiger besonderer gesetzlicher Vertreter für die Kinder zu bestellen ist. Dabei ist, da die Kinder italienische Staatsangehörige sind, Art. 23 EGBGB zu beachten. Das zwischen der Bundesrepublik und Italien als lex specialis gegenüber Art. 23 EGBGB geltenden Haager Vormundschaftsabkommen von 1902 greift hier nicht ein, da es nur für Vormundschaften im technischen Sinne gilt. (Das auf der IX. Haager Konferenz geschlossene Abkommen über die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht hinsichtlich des Schutzes Minderjähriger vom 5. 10.1961, welches einen weiteren sachlichen Geltungsbereich hätte, ist noch nicht, insbesondere noch nicht von der Bundesrepublik ratifiziert und daher noch nicht in Kraft 3 .) c) Für die Erbfolge der Kinder ist maßgeblich Art. 566 des Codice Civile. Diese Bestimmung lautet: AI padre e alla madre succedono i figli legittimi in parti uguali.

III. Dei

Vater und Mutter werden von den eheliehen Kindern zu gleichen Teilen beerbt.

Eibgang

Aus der Maßgeblichkeit des italienischen Rechtes folgt nicht nur, daß sich die Höhe des Erwerbes jedes einzelnen Erben nach italienischem Recht richtet. Italienisches Recht ist vielmehr auch dafür maßgebend, wie die Erbenstellung erlangt wird und welchen Inhalt sie hat, ferner auch dafür, in welcher Weise für die Nachlaßverbindlichkeiten gehaftet wird, sowie dafür, ob und gegebenenfalls wie eine Beschränkung der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten auf den Nachlaß herbeigeführt werden kann. 3

Vgl. dazu Ferid, RabelsZ Bd. 27, 428 ff.

Gesetzliche Erbfolge / Italien 1. Allgemeiner

Grundsatz für den

483

Erbschaitserwerb

Das italienische Recht kennt nicht das Prinzip der Unmittelbarkeit der Erbfolge. Es ist vielmehr, ähnlich wie im römischen späteren Recht, nach dem Erbfall der Berufene noch nicht Erbe, sondern erwirbt die Erbschaft erst mit der Annahme der Erbschaft, dann aber rückwirkend vom Augenblick des Erbfalles an (Art. 459 CC). Ist der Erbe im Besitz der Erbschaft (der Besitz geht erst über durch die Annahme der Erbschaft), so wird er unwiderruflich und ohne die Möglichkeit, durch eine Inventarerrichtung seine Haftung noch zu beschränken, Erbe (Art. 485 CC). Lediglich insoweit die Erbschaft tatsächlich angenommen ist, kommt den zur Erbschaft Berufenen die Eigenschaft eines „Erben" auch etwa im Sinne von § 2369 BGB zu. Solange der Erbe nicht unwiderruflich angenommen hat, hat er noch nach italienischem Recht die Möglichkeit, „unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung" anzunehmen. Dies bedeutet, daß sich die Haftung auf im Inventar zu verzeichnende Gegenstände beschränkt. 2. Der Erwerb unter Vorbehalt bei minderjährigen Erben

der

Inventarerrichtung

Wie in der Anfrage bereits zutreffend hervorgehoben, können die minderjährigen Kinder hier als Erben nur unter Vorbehalt der Inventarerrichtung die Erbschaft annehmen. Maßgebend ist hierfür zunächst Art. 471 CC. Diese Bestimmung lautet: Art. 471

Art. 471

„Non si possono accettare le eredità devolute ai minori e agli interdetti, se non col beneficio d'inventario osservate le disposizioni degli articoli 321 e 374."

Erbschaften, welche Minderjährigen und Entmündigten angefallen sind, können nur unter dem Vorbehalt des Inventars und unter Beachtung der Bestimmungen der Art. 321 und 374 angenommen werden.

Außerdem ist noch Art. 489 CC zu beachten. Art. 489

Art. 489

„1 minori, gli interdetti e gli inabilitati non s'intendono decaduti dal beneficio d'inventario, se no al compimento di un anno dalla maggiore età, o dal cessare dello stato d'interdizione o d'inabilitazione, qualora entro tale termine non si siano conformati alle norme della presente sezione."

31 »

Minderjährige, Entmündigte und für beschränkt geschäftsfähig erklärte haben das Recht der Inventarerrichtung nur dann verloren, wenn sie beim Ablauf eines Jahres nach Volljährigkeit oder nach Aufhebung der Entmündigung oder Erklärung als beschränkt Geschäftsfähige nicht die im vorigen Abschnitt aufgestellten Erfordernisse erfüllt haben.

484

Eibrecht

Die Annahme und der Vorbehalt des Inventars bedarf dann keiner Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes, wenn sie von den Eltern erklärt wird (vgl. die Bestimmungen des Art. 316 CC und dazu auch Art. 321 CC. Anders nach Art. 374 Ziff. 3, wenn der gesetzliche Vertreter ein Vormund ist.) Art. 316 CC lautet: „11 figlio è soggetto alla potestà dei genitori sino all'età maggiore o all'emancipazione. Questa potestà è esercitata dal padre. Dopo la morte del padre e negli altri casi stabiliti dalla legge essa è esercitata dalla madre."

Art, 374 Zitìer 3 lautet: „11 tutore non può senza l'autorizzazione del giudice tutelare

1) ... 3) accettare eredità o rinunciar vi, accetare donazioni o legati soggetti a pesi o a condizioni;"

Das Kind steht bis zur Volljährigkeit oder zur Volljährigkeitserklärung unter elterlicher Gewalt. Die elterliche Gewalt wird vom Vater ausgeübt. Nach seinem Tode und in den anderen vom Gesetz vorgesehenen Fällen wird die elterliche Gewalt von der Mutter ausgeübt. Der Vormund kann nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes

1) ... 3) Erbschaften annehmen oder ausschlagen, Schenkungen oder Vermächtnisse annehmen, welche bedingt oder beschränkt gewährt sind;

3. Die Form der Annahme unter dem Vorbehalt

der

Inventarerrichtung

Im Gegensatz zur einfachen, vorbehaltslosen Annahme ist die Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung an besondere Formen gebunden (Art. 484 Abs. 2 des CC). Sie unterliegt außerdem dem Publizitätserfordernis der Eintragung in das italienische Erbschaftsregister (Art. 484 Abs. I CC) und in das italienische Grundpfandregister (Art. 484 Abs. II CC). Die Wirkung der Vorbehaltsannahme tritt nach italienischem Recht nur d a n n ein, wenn ein den Bestimmungen der italienischen Prozeßordnung (Art. 769 ff. C di proc. civ.) gemäßes Inventar entweder vor oder nach der Annahmeerklärung errichtet wird. Das Datum der Inventarerrichtung ist in das Register aufzunehmen oder beizuschreiben (Art. 484 Abs. IV und V). Aus Art. 489 ergibt sich, daß bei Minderjährigen das Inventar bis zu einem J a h r nach Erlangung der Volljährigkeit errichtet werden kann. Vorher stellt sich die Notwendigkeit, ein Inventar zu errichten, noch nicht. 4. Wesentlich erscheint noch, daß die Errichtung eines Inventars durch einen Erben den anderen zugute kommt. Dies ergibt sich aus Art. 510 CC. 5. Die Annahme für einen Minderjährigen, welche ohne Erklärung des Vorbehalts der Inventarerrichtung erfolgt ist, gilt als nicht geschehen.

485

Gesetzliche Erbloige / Italien

Dies ergibt sich aus der durchaus unterschiedlichen Bewertung der Annahme im italienischen gegenüber dem deutschen Recht. Das italienische Recht erblickt in der Annahme stets die Begründung des Haftungsverhältnisses. Der Volljährige, der uneingeschränkt angenommen hat, bleibt an seiner Annahmeerklärung festgehalten, wenn er auch nachträglich das Inventar errichten und dadurch die Haftung beschränken möchte. Bei Minderjährigen verbietet sich eine derartige Auffassung aus dem Schutz des Minderjährigen. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Mutter die Erklärung ohne den Vorbehalt der Inventarerrichtung abgegeben hat, so gilt solche Erklärung nicht als Annahme schlechthin, aber auch nicht als Annahme unter Inventarerrichtung. Denn es sind die Erfordernisse der Annahme und der Inventarerrichtung nicht gegeben. Damit hat die Mutter eine erneute Erklärung abzugeben, ob sie für die Kinder schlechthin ausschlägt oder aber unter Vorbehalt der Inventarerrichtung annimmt 4 . Die Möglichkeit, die Erbschaft anzunehmen, wird lediglich durch Art. 480 begrenzt 5 .

IV. Zuständigkeit

deutscher Nachlaßgerichte in derartigen

1. Vorfrage der Zuständigkeit

eines italienischen

Fällen

Gerichts

Es erscheint zweckmäßig, vor der Prüfung, ob deutsche Gerichte zuständig sind, sich die Frage vorzulegen, ob und gegebenenfalls welches italienische Gericht hier zuständig ist. Die Prüfung dieser Frage ergibt: a) Art. 769 Abs. 2 der italienischen Zivilprozeßordnung bestimmt, daß das Verfahren durch einen „Rekurs", mithin einen „Antrag" eröffnet wird. Der Antragsteller hat zu erklären, daß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinde hat, in der der Dienstsitz der Prätur ist. Notfalls hat er dort für die Zwecke des Verfahrens einen Wohnsitz zu wählen. Dies kann aber nicht bei irgendeinem Prätor geschehen. Zuständig ist vielmehr der Prätor, an dessen Gerichtssitz die Erbschaft „eröffnet" wurde 8 . Diese Bestimmung lautet in deutscher Übersetzung: „Die Erbschaft wird eröffnet im Augenblick des Todes in dem Orte, in dem der letzte Wohnsitz des Erblassers lag." 7

4 Wegen der Grundlage der italienischen Auffassung über die Annahme vgl. im übrigen auch die bei den Akten VI 108/53 des Amtsgerichts Dachau befindliche gutachtliche Äußerung vom 24. 2. 1965, Bl. 42 und 43 d. A. 5 Deutsche Ubersetzung Bl. 42 d. A. VI 108/53. ' Siehe auch Redenti, Diritto Processuale Civile Bd. III (Mailand 1954) 397. Vgl. Art. 456 des ital. CC. 7 Italienischer Text siehe bei Fetid-Fiisching aaO.

486

Erbrecht

Art. 43 des CC bestimmt über den Wohnsitz (in deutscher Übersetzung) : „Der Wohnsitz einer Person ist der Ort, an dem sie den Hauptsitz ihrer Angelegenheiten und Interessen fixiert hat."

Damit ist hier ein italienisches Nachlaßgericht nicht vorhanden. Es fehlt eine Bestimmung, welche dem § 73 Abs. 2 FGG entsprechen würde. Dies entspricht dem Grundsatz, den Giannatasio im großen Turiner (UtetVerlag) Kommentar zum Codice Civile Bd. II 1, S. 15 (am Schluß der Erläuterungen zu Art. 456 CC) aufstellt (bei der Frage der Zuständigkeit von Auslands- und Ausländererbfällen) : Manca nella legge una distinzione tra persona difunta di nazionalità italiana e persona difunta straniera...

Es fehlt im Gesetz ein Unterschied zwisehen italienischen und ausländischen Erblassern...

In der italienischen Literatur wird die Auffassung vertreten 8 , daß außer dem für die Erbschaftsabhandlung zuständigen Prätor des letzten Wohnsitzes (Art. 456 CC) auch jener die Inventarerrichtung anordnen könne, der auf Ansuchen des für die Erbschaftsabhandlung nach Art. 456 CC zuständigen Prätors die Versiegelung von in seinem Bezirk gelegenen Nachlaßgegenständen angeordnet habe. Auch daraus ergibt sich im vorliegenden Falle keine italienische örtliche Zuständigkeit. b) Für den Fall, daß die Erbschaft im Ausland „eröffnet" wurde, sieht Art. 22 der italienischen Zivilprozeßordnung in seinem zweiten Absatz folgendes vor: Art. 22 Abs. 2 Se la successione si è aperta fuori dello Stato, le cause suindicate sono di competenza del giudice del luogo in cui è posta la maggior parte dei beni situati nello Stato, o, in mancanza di questi, del luogo di residenza del convenuto o di alcuno dei convenuti.

Ist die

Erbschaft außerhalb des Staates (= Italien) eröffnet worden, so gehören die oben bezeichneten Rechtssachen zur Zuständigkeit des Richters des Ortes, an welchem sich das hauptsächliche inländische Vermögen befindet. Bei Fehlen eines solchen Ortes ist der Richter des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten oder eines der Beklagten zuständig.

Die hier in Bezug genommenen Sachen sind gemäß Art. 22 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 C. di proc. civ. folgende streitige Rechtsangelegenheiten: 1. Erbschaftsherausgabe- und Erbteilungsklage, 2. Klagen auf Rückgängigmachung der Erbschaftsteilung und auf Gewährleistung für die aus der Erbschaftsteilung sich ergebenden Vermögensquoten, 8 So Onotrio, Commento al Codice de Procedura Civile Bd. II (Turin 1957) 419, Textziffer 1207b, ferner Rocco, Trattato di Diritto Processuale Civile, Bd. V (Turin 1960) 337.

Gesetzliche Eibiolge / Italien

487

3. Klagen wegen Nachlaßverbindlichkeiten und Vermächtnissen, 4. Klagen gegen den Testamentsvollstrecker. Diese Sachen sind rein streitigen Charakters und umfassen nicht die Inventarerrichtung. Die grundsätzliche Auffassung geht eben dahin, daß eine italienische Zuständigkeit zur Entgegennahme der Inventarerrichtung nur dann gegeben ist, wenn die Erbschaft in Italien „eröffnet" worden ist. Selbst wenn man sich darüber hinwegsetzen und annehmen wollte, daß die Inventarerrichtung auch bei dem in Art. 22 Abs. 2 der italienischen Zivilprozeßordnung bezeichneten Gericht der Belegenheit des größten Teils des Vermögens möglich sein sollte, würde es im vorliegenden Fall an einer Zuständigkeit aus tatsächlichen Gründen fehlen, da nach dem Akteninhalt das Vermögen im wesentlichen in Deutschland sich befindet. Der italienische Standpunkt ist auch verständlich: Die Wohltat der Haftungsbeschränkung soll nicht durch irgendwelche Manipulationen derart erreicht werden können, daß den Gläubigern nicht hinreichend Kenntnis gegeben wird. Dies ergibt sich aus den sehr zahlreichen Publizitätsvorschriften, auf die unten im einzelnen noch einzugehen sein wird. c) Da der Erblasser seinen Wohnsitz nicht in Italien hatte, ist also im vorliegenden Falle kein italienisches Gericht für die Erbschaftsabhandlung, insbesondere auch keines für die Inventarerrichtung, örtlich zuständig. 2. Erwägungen zur Zuständigkeit

deutscher

Gerichte

Es ergibt sich nun die Frage, inwieweit ein deutsches Nachlaßgericht im vorliegenden Falle zuständig ist. Eindeutig ist die Zuständigkeit zur Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins nach § 2369 BGB. Außer Zweifel ist auch die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlaßgerichte zur sichernden Maßnahme. Darüber hinaus ist die Zuständigkeit unsicher und bestritten. a) In der Rechtsprechung wird weitgehend der Satz vertreten, daß die Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichtes nur soweit reiche wie die Maßgeblichkeit deutschen Rechts. Dies wird damit begründet, daß das deutsche Nachlaßverfahren eben auf das deutsche materielle Recht zugeschnitten sei. Folgt man dieser Auffassung, so kann im vorliegenden Fall ein gegenständlich beschränkter Erbschein erst dann erteilt werden, wenn dem deutschen Nachlaßgericht nachgewiesen wird, daß von dem Ursprungsgericht des Erblassers in Italien eine dem italienischen Recht entsprechende Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung im Sinne der oben erwähnten italienischen Vorschriften erklärt worden ist. Da ein italienisches Gericht, wie oben dargetan, aber hier überhaupt keine örtliche Zuständigkeit besitzt, könnte der Nachlaß überhaupt nicht

488

Erbrecht

abgehandelt werden. Es ist aber nicht nur aus diesem Grunde die geschilderte Stellung der bisherigen Praxis in dieser Form zu eng und genügt nicht mehr den gegenüber früher ungeahnt häufigen internationalen Verflechtungen. Daher ist, auch wenn ausländisches Erbrecht angewendet werden muß, das deutsche Nachlaßgericht auf alle Fälle zuständig, solche Amtshandlungen vorzunehmen, welche für die Erteilung des gegenständlich beschränkten Erbscheins erst die Voraussetzungen schaffen oder den gegenständlich beschränkten Erbschein inhaltlich beeinflussen. So muß auf alle Fälle angenommen werden, daß ein deutsches Nachlaßgericht etwa zur Eröffnung des Testamentes eines Ausländers zuständig ist, da es erst dadurch in die Lage versetzt wird, den gegenständlich beschränkten Erbschein zu erteilen, zu dessen Abfassung das deutsche Nachlaßgericht die Kenntnis des Testamentsinhalts benötigt. b) In gleicher Weise ist die Zuständigkeit eines deutschen Nachlaßgerichtes zur Entgegennahme der Ausschlagungserklärung zu bejahen 9 . Auch die Zuständigkeit der Entgegennahme der Annahmeerklärung bei volljährigen italienischen Erben ist zu bejahen, wenn auch die Annahme hier eine ganz andere Funktion hat als nach deutschem Recht. (Nach deutschem Recht schließt die Annahme lediglich die Ausschlagungsmöglichkeit aus, nach italienischem Recht, wie es oben dargelegt ist, begründet die Annahme erst die Erbeneigenschaft.) c) Die Schwierigkeit des vorliegenden Falles liegt darin, daß das italienische Recht, welches als Erbstatut darüber zu befinden hat, wie man die Erbeneigenschaft erlangt, den Erwerb der Erbschaft nicht im Augenblick des Ablebens eintreten läßt, sondern erst mit der Annahme (Art. 459 S. 1 CC), daß aber die Annahme im vorliegenden Fall nur unter Vorbehalt der Inventarerrichtung erklärt werden kann. d) Die Lösung wäre einfach, wenn das deutsche Nachlaßgericht sich darauf beschränken könnte, ein Zeugnis darüber zu erteilen, daß den Kindern nach italienischem Recht die Erbschaft „angefallen" ist. Diese Lösung verbietet sich aber aus rein rechtlichen und auch aus praktischen Erwägungen. Denn ein derartiger „Anfall" der Erbschaft bedeutet ja nach dem maßgeblichen Recht noch nicht den Erwerb. Hierfür ein Zeugnis zu erteilen ist dem deutschen Nachlaßgericht auch verfahrensmäßig nicht möglich, da auch nur eine vorübergehende Rechtslage zu bekunden nicht das Ziel des in § 2353 und auch in § 2369 BGB umrissenen Erbscheinsverfahrens ist. Außerdem könnte durch eine nachträgliche Ausschlagungserklärung dem Erbschein die Grundlage entzogen werden. e) Die Lösung scheint vielmehr in folgendem zu liegen: Nach Art. 489 CC, dessen Wortlaut oben mitgeteilt wurde, verlieren Minderjährige auf alle Fälle die Möglichkeit der Inventarerriditung und der sich daraus ergebenden Haftungsbeschränkung auf die Nachlaßgegen' So auch Soergel-Kegel,

Bern. 55 vor Art. 24 EGBGB.

Gesetzliche

Erbfolge

/

Italien

489

stände erst dann, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Erlangung der Volljährigkeit die Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung nicht erfüllen. Damit bedarf es bei Minderjährigen zur Wahrung der Möglichkeit, auf die Haftung zu beschränken, hier jedenfalls einstweilen nicht der Erfüllung jener Maßnahmen, die in Art. 484 CC und in der italienischen Zivilprozeßordnung vorgesehen sind. Es erscheint daher gerechtfertigt, die Mutter zur Abgabe der Erklärung zuzulassen, daß sie unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung als gesetzliche Vertreterin der Kinder für diese die Erbschaft annehme. Dadurch wird einerseits die Ausschlagung ausgeschlossen, andererseits geraten die Kinder aber nicht in den Zustand unbeschränkter Haftung, selbst wenn die weiteren Erfordernisse für die Haftungsbeschränkung durch die Inventarerrichtung im Augenblick nicht erfüllt werden können. Daß nach deutschem Recht eine Erbschaftsannahme nur unbedingt erklärt werden kann, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle, da das deutsche Recht ja insoweit nicht maßgebend ist. Dadurch, daß die Kinder auf diese Weise aber die Ausschlagungsmöglichkeit verloren haben, sind sie auf alle Fälle als „Erben" im Sinne des deutschen Rechtes zu betrachten. Wie sie dann im einzelnen haften, ist eine andere Frage. Auch diese Frage richtet sich dann später nach italienischem Recht.

V. Die Herbeiführung durch

der beschränkten Erbenhaitung Inventarerrichtung

1. Die Grundsätze des italienischen

Rechtes

a) Grundlegende materiellrechtliche Vorschriften Die Beschränkung der Haftung erfolgt nach italienischem Recht durch Errichtung eines Inventars. Das italienische Inventar hat mithin eine andere Funktion als das deutsche. Das deutsche Inventar kann bei Vorliegen eines sog. Inventardeliktes, d. h. bei Nichterstellung, Falscherstellung etc. (vgl. die §§ 1994 Abs. 1 Satz 2, 2005 BGB) die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung ausschließen. Die Wirkungen der italienischen Inventarerrichtung sind in Art. 490 des italienischen Codice Civile niedergelegt. Dort heißt es: Art.

490

L'effetto del beneficio d'inventario consiste nel tener distinto il patrimonio del defunto da quello dell'erede. Conseguentemente : 1. l'erede conserva verso l'eredità tutti i diritti e tutti gli obblighi die aveva

Die Wirkung des Vorbehalts der Inventarerrichtung besteht in einer Trennung des Nachlasses vom persönlichen Vermögen des Erben. Zufolgedessen gilt: 1. Der Erbe behält gegenüber dem Nachlaß alle Rechte und Pflichten, welche

490

Erbrecht er gegenüber dem Erblasser hatte außer denjenigen, welche durch den Tod erloschen sind. 2. Der Erbe ist nicht zur Zahlung der Nachlaßverbindlichkeiten und der Vermächtnisse über den W e r t der ihm zugefallenen Nachlaßgegenstände hinaus verpflichtet. 3. Die Nachlaßgläubiger und die Vermächtnisnehmer haben gegenüber den persönlichen Gläubigern des Erben ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Nachlaß. Sie sind jedoch nicht davon befreit, die Trennung der Gütermassen nach den Bestimmungen des folgenden Kapitels zu beantragen, w e n n sie dieses Recht auf vorzugsweise Befriedigung auch für den Fall aufrechterhalten wollen, daß der Erbe den Vorbehalt der Inventarerrichtung verwirkt oder darauf verzichtet.

verso il defunto, tranne quelli che si sono estinti per effetto della morte; 2. l'erede non è tenuto al pagamento dei debiti ereditari e dei legati oltre il valore dei beni a lui pervenuti;

3. i creditori dell'eredità e i legatari hanno preferenza sul patrimonio ereditario di fronte a creditori dell'erede. Essi però non sono dispensati dal domandare la separazione dei beni, secondo le disposizioni del capo seguente, se vogliono conservare questa preferenza anche nel caso che l'erede decada dal beneficio d'inventario o vi rinunzi.

b) S o n s t i g e italienische B e s t i m m u n g e n Es erscheint erforderlich, i m e i n z e l n e n sich mit d e n italienischen I n v e n tarvorschriften m a t e r i e l l e r u n d v e r f a h r e n s m ä ß i g e r Art b e k a n n t z u machen, b e v o r m a n die Ü b e r l e g u n g a n s t e l l e n kann, ob e i n e i n t e r n a t i o n a l e Zus t ä n d i g k e i t e i n e s nicht-italienischen, hier e i n e s d e u t s c h e n Gerichtes, als g e g e b e n a n z u s e h e n ist. D a b e i ergibt sich: aa) M a t e r i e l l e italienische V o r s c h r i f t e n Art. 484 L'accettazione col beneficio d'inventario si fa mediante dichiarazione, ricevuta da un notaio o dal cancelliere della pretura del mandamento in cui si è aperta la successione, e inserita nel registro delle successioni conservato nella stessa pretura. Entro un mese dall'inserazione, la dichiarazione deve essere trascritta, a cura del cancelliere, presso l'ufficio dei registri immobiliari del luogo in cui si è aperta la successione. La dichiarazione deve essere preceduta o seguita dall'inventario, nelle forme

Die Annahme unter Vorbehalt des InI ventars geschieht durch eine Erklärung, \ welche bei einem Notar oder beim Ur\ kkundsbeamten der Prätur abzugeben ist, in i deren Bezirk die Erbfolge eröffnet wurde. Sie ist in das bei dieser Prätur \ ggeführte Verzeichnis der Erbschaften eeinzutragen. I Innerhalb eines Monats v o n der Eint tragung ab muß die Erklärung auf Veraanlassung des Urkundsbeamten in das CGrundbuch des Ortes transkribiert \ werden, in welchem die Erbfolge eröffnet r wurde.

Gesetzliche

Erbfolge / Italien

prescritte dal codice di procedura civile. Se l'inventario è fatto prima della dichiarazione, nel registro deve pure menzionarsi la data in cui esse è stato compiuto. Se l'inventario è fatto dopo la dichiarazione, l'ufficiale pubblico che lo ha redatto deve, nel termine di un mese, far inserire nel registro l'annotazione della data in cui esso è stato compiuto.

491

Der Erklärung muß das in den von der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Formen errichtete Inventar vorhergehen oder nachfolgen. Ist das Inventar vor der Erklärung errichtet, so muß im Erbschaftsregister auch das Datum, an welchem es errichtet wurde, verzeichnet werden. Ist das Inventar nach der Erklärung errichtet, so muß der es aufnehmende Beamte innerhalb der Frist eines Monats das Datum der Inventarerrichtung in das Register eintragen lassen.

Art. 485 Il chiamato all'eredità quando a qualsiasi titolo è nel possesso di beni ereditari, deve fare l'inventario entro tre mesi dal giorno dell'apertura della successione o della notizia della devoluta eredità. Se entro questo termine lo ha cominciato ma non è stato in grado di completarlo, può ottenere dal pretore del luogo in cui si è aperta la successione una proroga che, salvo gravi circostanze, non deve eccedere i tre mesi. Trascorso tale termine senza che l'inventario sia stato compiuto, il chiamato all'eredità è considerato erede puro e semplice. Compiuto l'inventario, il chiamato che non abbia ancora fatto la dichiarazione a norma dell'articolo 484 ha un termine di quaranta giorni da quello del compimento dell'inventario medesimo, per deliberare se accetta o rinunzia all'eredità. Trascorso questo termine senza che abbia deliberato, è considerato erede puro e semplice.

Befindet sich der zur Erbschaft Berufene im Besitz des Nachlasses, gleich auf Grund welcher Titel, so hat er das Inventar innerhalb dreier Monate vom Tage der Eröffnung der Erbfolge oder der Kenntnis vom Anfall der Erbschaft zu errichten. W e n n er es innerhalb dieser Frist begonnen hat, aber nicht in der Lage war, es zu vollenden, so kann er vom Prätor des Bezirkes, in welchem die Erbfolge eröffnet ist, eine Verlängerung erhalten, welche vorbehaltlich wichtiger Gründe 3 Monate nicht überschreiten darf. Ist die genannte Frist abgelaufen, ohne daß das Inventar errichtet worden ist, so gilt der zur Erbschaft Berufene als vorbehaltsloser Erbe. Nach Errichtung des Inventars hat der Berufene, der noch nicht die Erklärung gemäß Art. 484 abgegeben hat, eine Frist von 40 Tagen von Errichtung des Inventars an, um sich über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft schlüssig zu werden. Ist diese Frist abgelaufen, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat, wird er als vorbehaltloser Erbe angesehen.

Art. 486 Durante i termini stabiliti dall'articolo precedente per fare l'inventario e per deliberare, il chiamato, oltre che esercitare i poteri indicati nell'art. 460, può

W ä h r e n d der im vorhergehenden Artikel bestimmten Inventurerrichtungsund Uberlegungsfristen kann der zur Erbschaft Berufene nicht nur die in Art.

492

Erbrecht

stare in giudizio come convenuto per rappresentare l'eredità. Se non compare, l'autorità giudiziaria nomina un curatore all'eredità a finche la rappresenti in giudizio. Art. 487 Il chiamato all'eredità, che non è nel possesso di beni ereditari, può fare la dichiarazione di accettare col beneficio d'inventario fino a che il diritto di accettare non è prescritto. Quando ha fatto la dichiarazione, deve compiere l'inventario nel termine di tre mesi dalla dichiarazione, salva la proroga accordata dall'autorità giudiziaria a norma dell'art. 485; in mancanza, è considerato erede puro e semplice. Quando ha fatto l'inventario non preceduto de dichiarazione d'accettazione, questa deve essere fatta nei quaranta giorni successive al compimento dell'inventario; in mancanza, il chiamato perde il diritto di accettare l'eredità.

Art. 488 Il chiamato all'eredità che non è nel possesso di beni ereditari, qualora, gli sia stato assegnato un termine a norma dell'art. 481, deve, entro detto termine, compiere anche l'inventario; se fa la dichiarazione e non l'inventario, è considerato erede puro e semplice. L'autorità giudiziaria può accordare una dilazione. Art. 489: Art. 490: Art. 491: Art. 492: Art. 493:

460 bezeichneten Befugnisse ausüben, sondern auch als Vertreter der Erbschaft gerichtlich verklagt werden. Erscheint er nicht, so benennt das Gericht einen Nachlaßpfleger zur Vertretung der Erbschaft vor Gericht.

Der zur Erbschaft Berufene, der sich nicht im Besitze des Nachlasses befindet, kann die Erklärung der Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung bis zur Verjährung seines Annahmerechtes abgeben. Hat er die Erklärung abgegeben, so muß er das Inventar innerhalb einer Frist von 3 Monaten von der Abgabe der Erklärung an errichten, unbeschadet einer vom Gericht gemäß Art. 485 zugebilligten Verlängerung. Tut er dies nicht, so gilt er als vorbehaltloser Erbe. Hat er das Inventar errichtet, ohne vorher die Annahmeerklärung abgegeben zu haben, so muß dies innerhalb von 40 Tagen seit Errichtung des Inventars erfolgen. Geschieht dies nicht, so verliert der Berufene das Recht, die Erbschaft anzunehmen. Ist dem zur Erbschaft Berufenen, der sich nicht im Besitz des Nachlasses befindet, eine Frist gemäß Art. 481 gesetzt, so muß er innerhalb dieser Frist auch das Inventar errichten. Gibt er lediglich die Erklärung ab, ohne das Inventar zu errichten, so wird er als vorbehaltloser Erbe angesehen. Das Gericht kann eine Fristverlängerung bewilligen.

siehenoben siehe oben Haftung des Vorbehaltserben nur für große Fahrlässigkeit. Sicherheitsleistungspflicht. Verwirkung des Vorbehalts durch Inventardelikte (unbefugte Veräußerung). Art. 494: Verwirkung des Vorbehalts durch bösgläubige Unvollständigkeit. Art. 495: Bestimmung über die Auszahlung.

Gesetzliche

Erbfolge

/ Italien

493

Art. 496: Rechnungslegungspflicht des Vorbehaltserben. Art. 497: Zahlung aus eigenen Mitteln des Vorbehaltserben nur bei Verzug der Rechnungslegung. Art. 498: Zahlungssperre bei Widerspruch eines Gläubigers. Art. 499: Vorschriften über die Abwicklung. Art. 500: Fristsetzung durch das Gericht. Art. 501: Veröffentlichung des Rangverzeidinisses. Art. 502: Befriedigung gemäß dem Rangverzeichnis. Art. 503: Abwicklungsverfahren bei Fehlen eines Widerspruchs von Nachlaßgläubigern. Art. 504: Vorgehen bei mehreren Vorbehaltserben. Art. 505: Verwirkung des Vorbehaltes bei Nichtbeachtung von Widersprüchen oder bei Verstoß gegen die Abwicklungsbestimmungen. Art. 506: Keine Einzelzwangsvollstreckungen mehr. Art. 507: Ausgabe des Nachlasses zugunsten der Gläubiger. Art. 508: Stellung eines Pflegers zur Durchführung der Abwicklung. Art. 509: Rechtslage, wenn sich die Gläubiger nicht auf die Verwirkung des Vorbehalts berufen. Art. 510: Wirkung des Vorbehaltes, den ein Vorbehaltserbe erklärt zugunsten eines anderen. Art. 511: Kosten 1 0 . Die materiellrechtlichen Vorschriften, die hier einschlägig sind, sind noch die Art. 512 ff. des Codice Civile, die über die Trennung der V e r mögensmassen des Erblassers und des Erben behandeln. Hieraus ergibt sich im einzelnen die Folge der Inventarerrichtung, nämlich die Rückgängigmachung der Universalsuccession. bb) Verfahrensrechtliche italienische Vorschriften Hierfür sind maßgebend die Art. 769 ff. des Codice si p r o c e d u r a Civile Der wesentliche Inhalt ist folgender:

u

.

Art. 769: Inventarerrichtung beim „Prätor" (funktionell dem Amtsgericht gleichstehend) oder durch einen vom Prätor zu bezeichnenden Notar. Art. 770: Bestimmungen über die Inventarerrichtung durch den Notar. Art. 771: Teilnahmeberechtigte Personen. Art. 772: Mitteilung an die Mitwirkungsberechtigten. Art. 773: Ernennung von Schätzleuten. Art. 774: Inventarerrichtungen, die länger als einen Tag dauern. Art. 775: Inhalt der Niederschrift über die Inventarerrichtung. Art. 776: Aufbewahrung durch Treuhänder. Art. 777: Anwendbarkeit der vorstehenden Bestimmungen auf andere Inventarisierungsfälle. 10 Die gesamten hier nicht wörtlich wiedergegebenen Bestimmungen finden sich in italienischer und in deutscher Sprache in dem Werk von Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Abschnitt Italien. 11 Diese Bestimmungen finden sich ebenfalls in dem genannten Werk von FeridFirsching, Abschnitt Italien, Texte D 146 ff.

494

Erbrecht

über die Zuständigkeitsfragen nach italienischem Recht ist oben bereits das Erforderliche mitgeteilt worden. 2. Die Anwendung

dieser Bestimmungen

im deutschen

Bereich

Die Errichtung eines italienischen Inventars in Deutschland erscheint ausgeschlossen. Es handelt sich hier zum großen Teil um Verfahrensvorschriften, deren Anwendung auf Italien begrenzt ist. Es ist daher gelegentlich in Entscheidungen geltend gemacht worden, in derartigen Fällen könnte außerhalb Italiens eine Haftungsbeschränkung überhaupt nicht herbeigeführt werden. Wenn dies innerhalb Italiens ebenfalls gelte, so hätten dies die deutschen Gerichte nicht zu vertreten. Ursache und Schuld dafür sei in der italienischen Gesetzgebung zu erblicken, welche keine Aushilfszuständigkeit für Auslandswohnsitz ihrer im Ausland versterbenden Staatsangehörigen hat. Das Bayer. Oberste Landesgericht hat erst kürzlich in einer - noch nicht veröffentlichten - Entscheidung diese Auffassung verworfen und sich auf den Standpunkt gestellt, es müsse in derartigen Fällen dann eben ein Inventar nach deutschem Recht errichtet werden. Diesem Inventar komme dann die Funktion der Haftungsbeschränkung nach italienischem Recht zu. Die geschilderte Entscheidung des Bayer. Obersten Landesgerichts verdient vollen Beifall. Nur auf dem hier aufgezeigten Weg kann einerseits vermieden werden, daß italienische Minderjährige in Deutschland zum Gegenstand einer Rechtsverweigerung werden, deren Folge die unbeschränkte Erbenhaftung ist. Andererseits ist die vom Bayer. Obersten Landesgericht gezeigte Lösung auch deswegen zu begrüßen, weil sie es vermeidet, deutschen Gerichten Tätigkeiten zuzumuten, die diesem funktionell fremd sind. Das Institut möchte - schon aus Kostenersparnisgründen - im Augenblick es sich versagen, die sehr schwierigen Überlegungen dem Gericht darzutun, die zu der genannten Lösung geführt haben. Außerdem ist die Frage der Haftungsbeschränkung durch Inventarerrichtung ja hier deswegen nicht besonders eilig, weil die Frist für die Inventarerrichtung erst mit Ende jenes Jahres abläuft, in welchem die minderjährigen Erben volljährig werden. B. GESETZLICHE VERTRETUNG DER KINDER DURCH DIE MUTTER

I. Das für die Vertretungsmacht

maßgebende

Recht

Gemäß Art. 19 EGBGB ist für die Frage der Vertretungsmacht der Mutter hinsichtlich ihrer minderjährigen ehelichen Kinder italienisches Recht maßgebend. Eine Rückverweisung auf deutsches Recht kommt nicht zustande.

Gesetzliche

Erbfolge

/ Italien

495

Entscheidend ist im vorliegenden Falle Art. 20 des disp.prel., welche Bestimmung lautet: Art. 20 Legge regolatrice dei rapporti tra genitori e figli. - I rapporti tra genitori e figli sono regolati dalla legge nazionale del padre, ovvero da quella della madre se soltano la maternità è accertata o se soltanto la madre ha legittimato il figlio. I rapporti tra additante e adottato sono regolati dalla legge nazionale dell'adottante al tempo dell'adozione.

Maßgebendes Recht für die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern. - Die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern werden vom Heimatrecht des Vaters oder, wenn nur die Mutterschaft festgestellt ist oder nur die Mutter das Kind legitimiert hat, von dem der Mutter geregelt. Die Rechtsverhältnisse zwischen Adoptierendem und Adoptiertem werden vom Heimatrecht des Adoptierenden im Zeitpunkt der Adoption geregelt.

Damit kommt es nicht zu einem renvoi. Maßgeblich für die Frage, ob das Rechtsgeschäft genehmigungspflichtig ist, ist nicht das deutsche, sondern das italienische Recht.

II. Die gesetzliche

Vertretungsmacht

der Mutter als solche

A n sich kennt das italienische Recht dem Grundsatz nach nur eine sog. väterliche Gewalt. Nach dem Tode des Vaters übt aber die Mutter gemäß Art. 316 letzter Satz des italienischen Codice Civile nach dem Ableben des Vaters die elterliche Gewalt aus. Mithin ist die Mutter im vorliegenden Fall gesetzliche Vertreterin.

III. Die Frage einer Genehmigungspllicht vorzunehmenden Handlungen

für die von der im allgemeinen

Mutter

Einschlägig ist Art. 320 des Codice Civile, der, soweit hier wesentlich, lautet: Art. 320 Il padre rappresenta i figli nati e nascituri in tutti gli atti civili e ne amministra i beni. Egli tuttavia non può alienare ipotecare, dare in pegni i beni del figlio, rinunziare a eredità, accetare donazioni o legati soggetti a pesi e condizioni, chiedere divisioni, contrarre in nome di

Der Vater vertritt die bereits geborenen Kinder und die nascituri in allen privaten Rechtsgeschäften und verwaltet ihr Vermögen. Er kann jedoch nur im Falle der Notwendigkeit oder der offenbaren Zweckmäßigkeit und nur mit vorheriger Zustimmung des Vormundschaftsrichters

Erbrecht

496

lui mutui, locazioni oltre il novennio o, compiere altri atti eccedenti i limiti dell'ordinaria amministrazione, nè transigere o promuovere giudizi relativi a tali atti, se non per necessità o utilità evidente del figlio stesso e dopo autorizzazione del giudice tutelare ...

Gegenstände des Kindesvermögen veräußern, belasten oder verpfänden...

IV. Folgerungen aus Art. 320 für den vorliegenden Fall Zur Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung bedarf die Mutter keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Sie bedarf aber der vormundschaftlichen Genehmigung für jede Verfügung über den Nachlaß, also auch zur Abhebung vom Konto. V. Die Zuständigkeit

eines deutschen Gerichtes zu der nach Art. 320 CC

„autorizzazione"

Hinsichtlich der obervormundsdiaftlichen Maßnahmen, die jenen entsprechen, welche im deutschen Recht sich aus § 1643 BGB ergeben, besteht dann eine internationale Zuständigkeit deutscher Vormundschaftsgerichte, wenn eine örtliche Zuständigkeit gegeben ist 12 . Es kommt hiermit auf den Wohnsitz oder den Aufenthalt an. Wohnt eine ausländische Familie in Deutschland, so ist die deutsche Vormundschaftsbehörde befugt, die erforderlichen Maßnahmen zur Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern zu treffen, die sich aus den von der deutschen Vormundschaftsbehörde nach Art. 19 EGBGB anzuwenden ausländischen Recht ergeben 13 . Damit ist im vorliegenden Falle auch die internationale Zuständigkeit deutscher Vormundschaftsgerichte gegeben. VI. Die Frage einer Interessenkollision und den Kindern

zwischen

Mutter

In Art. 320 Abs. V heißt es: Se sorge conflitto d'interessi tra figli soggetti alla stessa patria potestà o tra essi e il padre, il giudice tutelare nomina ai figli un curatore speciale.

12

13

Vgl. dazu Keidel, § 36 FGG, Anm. 2c.

Entsteht ein Interessenkonflikt zwischen mehreren Kindern, welche unter der gleichen elterlichen Gewalt stehen oder zwischen diesen und dem Vater, so ernennt der Vormundschaftsrichter den Kindern einen Pfleger.

Vgl. dazu Erman-Marquordt, Bern. 8 zu Art. 19 EGBGB, ferner Slaudingei-

Raape, § 36 FGG Anm. 5, 504.

Gesetzliche

Erbfolge

/

Italien

497

Das Institut will und darf dem anfragenden Gericht in der Frage nicht vorgreifen, ob im vorliegenden Falle ein Interessenkonflikt zwischen der Mutter und den Kindern als gegeben anzusehen ist. Bejaht das anfragende Gericht diese Frage, so wird die Bestellung eines Pflegers erforderlich. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 23 EGBGB zu prüfen. Hier sind die ausländischen minderjährigen Kinder nach ihrem Heimatrecht im vorliegenden Falle deswegen hilfsbedürftig, weil ihr gesetzlicher Vertreter eben nach diesem Recht infolge Interessenkonfliktes von der Ausübung der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist und insoweit auch nach italienischem Recht ein Pfleger zu bestellen ist. Außerdem stellt Art. 23 EGBGB als Voraussetzung für die Ernennung eines Pflegers über einen Ausländer noch auf, daß der Heimatstaat die Fürsorge nicht übernimmt. Diese Feststellung läßt sich ohne weiteres durch eine Anfrage beim italienischen Generalkonsulat in München treffen, das nach vielfachen Erfahrungen des Instituts in allen derartigen Fällen die Fürsorge nicht übernimmt. Daß zwischen Deutschland und Italien das Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige vom 12. 6. 1902, RGBl. 1904 S. 240 gemäß Bek. vom 14. 2. 1955, BGBl. II S. 188 wieder anzuwenden ist, spielt für den vorliegenden Fall keine Rolle. Denn das genannte Abkommen befaßt sich ausschließlich mit der Vormundschaft, nicht aber mit der Pflegschaft 14 . Sind die Voraussetzungen für eine Vormundschaft oder eine Pflegschaft nach Art. 23 EGBGB gegeben, so richtet sich die Vormundschaft und Pflegschaft als solche nach der lex fori 15 . Es sind daher weder die italienischen Bestimmungen über die Auswahl oder Berufung als Pfleger zu beachten, noch kommen die italienischen Bestimmungen über die Befugnisse des Pflegers, insbesondere auch über die seiner Grenzen zur Anwendung. Alle diese Fragen, insbesondere auch die Bestimmungen über die Befugnisse und den Umfang der Mitwirkung des Vormundschaftsgerichtes selbst richten sich nach deutschem Recht. Ob daher der Pfleger im vorliegenden Fall die Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes benötigt, richtet sich nicht nach italienischem, sondern ausschließlich nach deutschem Recht 18 . Der innere Grund für diese Regelung liegt darin, daß hier zum großen Teil Verfahrensnormen mit hereinspielen und daß ein Gericht stets sein eigenes Verfahrensrecht anzuwenden hat, mag auch in der Sache selbst ausländisches Recht zugrunde zu legen sein. Auf diese Weise können dann die ganzen Schwierigkeiten, die sich aus der Anwendbarkeit italienischen Kindschaftsrechtes ergeben, für die Zukunft vermieden werden. 14 15 18

32

Vgl. etwa bereits Palandt, Anhang zu Art. 23 Anm. 3b. Vgl. dazu etwa RG 170, 200. Vgl. zu dieser ganzen Frage etwa bereits Palandt, Anm. 5 zu Art. 23 EGBGB.

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

498

Erbrecht

VII. Fehlen einer Vorschrift von der Art, wie sie in § 1682 BGB zu finden ist Die geschilderte Übersicht über den italienischen Rechtszustand zeigt, daß Italien auf andere Weise die Interessen des Kindes sicherzustellen versucht, als dies nach der deutschen Rechtsordnung über § 1682 BGB bewirkt wird. Das italienische Recht sieht eine sehr genaue Überwachung durch den Vormundschaftsrichter hinsichtlich aller wichtigen Rechtsgeschäfte des überlebenden Ehegatten vor. Eine ausdrückliche Inventarpflicht ist dem überlebenden Ehegatten aber nicht auferlegt. Sonderbestimmungen gelten (vgl. Art. 340 CC) bei Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten. Im übrigen billigt das italienische Recht den Eltern noch ein Nutznießungsrecht am Kindesvermögen zu, das sich im vorliegenden Fall auch auf jene Teile des Kindesvermögens erstreckt, die an sich dem erbrechtlichen Nießbrauch nicht unterworfen sind.

Nr. 47 Rumänien (Nord-Siebenbürgen) 1. Zur ungarischen und rumänischen Staatsangehörigkeit. 2. Rumänisches internationales Privatrecht in Erbschaftssachen. 3. Rumänisches intertemporales und interterritoriales Recht. 4. Altösterreichisches Erbrecht. 5. Aufnahme des NieBbrauchs des überlebenden Ehegatten in den Erbschein. Hamburg G 206/65 vom 15.6.1966

Herr Johann B. aus F. bittet um Auskunft über Internationales Privatrecht sowie rumänisches und ungarisches Staatsangehörigkeits- und Erbrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Erblasserin ist Frau Rosina B. geborene H. aus Botsch (ungarisch: Bätos, rumänisch: Batos) in Nord-Siebenbürgen, gestorben am 1. 12. 1944 in St. Pölten (Österreich). Gemeinsam mit anderen Volksdeutschen war sie im September 1944 von der deutschen Wehrmacht aus Nord-Siebenbürgen evakuiert worden. Nach dem Tode der Erblasserin flüchteten ihre Angehörigen weiter nach Salzburg, im Jahre 1956 übersiedelten sie in die

Gesetzliche Erbiolge / Rumänien

(Nord-Siebenbürgen)

499

Bundesrepublik. Genaue Angaben über die Staatsangehörigkeit der Erblasserin fehlen. Eine Verfügung von Todes wegen ist nicht vorhanden. Als Erben kommen der Ehemann der Erblasserin und zwei Kinder in Betracht. Der Ehemann will (offenbar für Zwecke des Lastenausgleichs) einen Erbsdiein beantragen. Gefragt wird nach der Erbfolge. I. Rumänisches und ungarisches 1. Erwerb der rumänischen

Staatsangehörigkeitsrecht

Staatsangehörigkeit

Aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts ist davon auszugehen, daß die Erblasserin mit der Abtretung Siebenbürgens an Rumänien nach dem ersten Weltkrieg die rumänische Staatsangehörigkeit erworben hat 1 . Eine Option zugunsten der österreichischen oder ungarischen Staatsangehörigen ist offensichtlich nicht erfolgt. Die Erblasserin hätte sonst nämlich spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Friedensvertrages von Trianon Rumänien verlassen müssen 2 . 2. Erwerb der ungarischen und Verlust der rumänischen keit

Staatsangehörig-

Gemäß dem Wiener Schiedsspruch vom 30. 8. 1940 wurde Nord-Siebenbürgen von Rumänien an Ungarn abgetreten. Zur Staatsangehörigkeit der damaligen Bewohner Nord-Siebenbürgens bestimmt der Schiedsspruch unter 3.: „Alle rumänischen Staatsangehörigen, die am heutigen Tage in dem von Rumänien abzutretenden Gebiet ansässig sind, erwerben ohne weiteres die ungarische Staatsangehörigkeit. Sie sind berechtigt, innerhalb einer Frist von sechs Monaten für die rumänische Staatsangehörigkeit zu optieren. Die Personen, die von diesem Optionsrecht Gebrauch machen, haben das ungarische Staatsgebiet innerhalb einer weiteren Frist von einem Jahr zu verlassen und werden von Rumänien ü b e r n o m m e n . . 3

Die Erblasserin hat somit im Jahre 1940 die ungarische Staatsangehörigkeit erworben und die rumänische verloren 4 . 1

Vgl. Art. 70 des Friedensvertrages von St. Germain vom 10. 9. 1919, Art. 61 des Friedensvertrages von Trianon vom 4. 2. 1920 sowie Art. 3 I des Pariser Minderheitenschutzvertrages zwischen den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten und Rumänien vom 9. 12. 1919; Abdruck: bei Beitzke, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Albanien, Bulgarien und Rumänien (1951) 92 f. 2 Vgl. Artt. 63 I, III, 64 des Friedensvertrages von Trianon. 3 Vgl. Beitzke 93 f. 4 Siehe auch KG 21. 12. 1965, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 17 (1966) 167 f. 32 »

500

Erbrecht

3. Verlust der ungarischen und Wiedererwerb angehörigkeit?

der rumänischen

Staats-

Mit dem Verzicht Ungarns auf Nord-Siebenbürgen im Jahre 1945 haben die aus Nord-Siebenbürgen stammenden Volksdeutschen Flüchtlinge die ungarische Staatsangehörigkeit verloren 5 . Da die Erblasserin bereits im Jahre 1944 verstorben war, ist hier kein Verlust der ungarischen Staatsangehörigkeit eingetreten. Den Wiedererwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit durch Bewohner v o n Nord-Siebenbürgen hat Rumänien durch Gesetz vom 2. 4. 1945 und durch eine Verordnung vom 11. 8. 1945 geregelt 8 . V o m Wiedererwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit wurden die Flüchtlinge, die mit den feindlichen Truppen Nord-Siebenbürgen verlassen hatten, ausgeschlossen 7 . Nach allem besaß die Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes allein die ungarische Staatsangehörigkeit.

II. Deutsches Internationales

Privatrecht

Die Erbfolge nach einem Ausländer, der mit letztem Wohnsitz im Ausland gestorben ist, richtet sich in analoger Anwendung von Artt. 24, 25 und 27 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem er im Zeitpunkt seines Todes angehörte, vorbehaltlich einer Rück- oder Weiterverweisung dieses Rechts auf das deutsche oder ein drittes Recht 8 . Die Verweisung bezieht sich grundsätzlich auf das jetzige Recht des betreffenden Landes unter Berücksichtigung seiner intertemporalen Vorschriften; etwaige Änderungen, die nach dem Erbfall mit Wirkung für frühere Erbfälle eingetreten sind - sei es durch Rechtsprechung oder rückwirkende Gesetze - , sind also zu berücksichtigen 9 . Das entspricht nicht nur dem Wortlaut des EGBGB, sondern ist auch unter dem doppelten Gesichtspunkt des Entsdieidungseinklanges mit dem fremden Recht und der Zulassung einer rückwirkenden Selbstkorrektur dieses Rechts sinnvoll. Vernünftigerweise kommt jedoch eine rückwirkende Änderung des Erbrechts nur solange in Betracht, wie der Erbfall noch nicht abgewickelt ist; die Anordnung einer Neuverteilung bereits 5 VO 526/1945 und VO 5070/1945; abgedruckt bei Szlezak, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Ungarn (1959) 138; siehe auch Seelei, Die Staatsangehörigkeit der Volksdeutschen (1960) 85. 6 Gesetz Nr. 261 über die Regelung der Staatsbürgerschaft der Bewohner NordSiebenbürgens, deutsche Ubersetzung: Beitzke 96f.; VO Nr. 12 über die Regelung der Staatsbürgerschaft der Bewohner Nord-Siebenbürgens, deutsche Übersetzung: Beitzke 97-100. 7 Vgl. Art. 4e) der VO vom 11. 8. 1945. - Siehe auch Seeler 89 und Beitzke 66. 8 Vgl. für alle SoergelJSiebert(-Kegel), BGB, V (9. Aufl. 1961), Rz. 3, 74, 77 vor Art. 24 EGBGB mit Nachweisen. 9 Soeigel!Siebert(-Kegelj, Rz. 3 vor Art. 24 EGBGB mit Nachweisen in N. 3.

Gesetzliche

Eiblolge / Rumänien (Nord-Siebenbürgen)

501

ausgeschütteter Nachlässe ist selbst unter revolutionären Verhältnissen nicht bekannt geworden. Nun gehört das Lastenausgleichsverfahren in der Regel nicht zur Nachlaßauseinandersetzung, wenn der Erbfall vor dem 1. 4. 1952 eingetreten ist; denn der Ausgleichsanspruch ist erst am 1. 4. 1952 entstanden und gehört daher nicht zum Nachlaß des vor diesem Datum Verstorbenen, sondern kommt unmittelbar seinen Erben zu 10 . Immerhin ist denkbar, daß die Erbteilung hinsichtlich des verlorenen Vermögens, für das der Ausgleich erteilt werden soll, noch nicht durchgeführt war (vielleicht gerade wegen des Verlustes, wenn dieser vor Beginn oder während der Auseinandersetzung eintrat). J e nach Lage des Falles können daher nachträgliche Änderungen des Heimatrechtes des Erblassers berücksichtigt werden, die bis zum Abschluß der Erbauseinandersetzung oder mangels einer solchen bis zur Gegenwart erfolgt sind. Zweifelhaft ist jedoch die Maßgeblichkeit des jetzigen Rechts des Heimatstaates, wenn die engere Heimat des Erblassers, durch die er mit seinem letzten Heimatstaat verbunden war, nach seinem Tode durch Abtretung, Verselbständigung oder dergleichen (wieder) unter eine andere Souveränität getreten ist und daher die Bevölkerungsgruppe, zu welcher der Erblasser bei seinem Tode gehörte, die alte Staatsangehörigkeit verloren hat oder sie nur noch formell besitzt. Das EGBGB hat diesen Fall offenbar nicht im Auge gehabt. Sinngemäß kann dann nicht mehr der alte Heimatstaat befugt sein, in die Abwicklung schwebender Erbfälle einzugreifen, sondern nur der Nachfolgestaat; besonders deutlich wird dies, wenn man sich beispielsweise vorstellt, der abtretende Staat wolle etwa noch als gesetzlicher Erbe auftreten und somit vielleicht beachtliches Vermögen aus dem abgetretenen Gebiet an sich ziehen. Nach Ansicht des Instituts ist daher in Fällen wie dem vorliegenden trotz der ungarischen Staatsangehörigkeit der Erblasserin nicht von dem ungarischen, sondern von dem seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute in Nord-Siebenbürgen geltenden rumänischen Recht auszugehen 11 . III. Rumänisches

Internationales

Privatrecht

Das rumänische Internationale Privatrecht unterscheidet zwischen Immobiliar- und Mobiliarnachlaß. 1. Für die Immobiliarnachfolge gilt die lex rei sitae. Allerdings wird dieser Grundsatz im Gesetz nur für das Sachenrecht, und zwar für die in Rumänien belegenen Immobilien proklamiert (Art. 2 Codul civil von 10

BVerwG 14. 10. 1954, NJW 1955, 115; KG 19. 7. 1954, NJW 1954, 1331; Harmening, Lastenausgleich, Kommentar zur gesamten Lastenausgleichsgesetzgebung... (Loseblattsammlung, Stand 1. 9. 1964) Rz. 2 f. zu Art. 229. 11 Vgl. Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1962) 142 f. Die dort entwickelten Gesichtspunkte übersehen: OLG Hamburg 7. 3. 1966 (2 W 11/65) S. 9 f. und KG 30. 9. 1957, NJW 1958, 24 f.

502

Erbrecht

1865)12. Es besteht jedoch Übereinstimmung, daß der Grundsatz auch im Erbrecht anzuwenden ist 13 . Hieran hat sich, soweit ersichtlich, auch nach dem Zweiten Weltkrieg nichts g e ä n d e r t u . Für etwa in Nord-Siebenbürgen oder sonstwo in Rumänien belegenes unbewegliches Nachlaßvermögen ist somit rumänisches Erbrecht maßgebend 15 . Die Vererbung von unbeweglichem Vermögen außerhalb Rumäniens würde sich dagegen nach dem Recht des betreffenden Staates richten. Im folgenden wird davon ausgegangen, daß zum Nachlaß kein unbewegliches Vermögen außerhalb Rumäniens gehört. 2. Die Mobiliarnachfolge beurteilt sich gemäß rumänischem Internationalen Privatrecht grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers. In Fällen wie dem vorliegenden ist jedoch nicht anzunehmen, daß die rumänischen Gerichte an eine Staatsangehörigkeit anknüpfen, die allein aufgrund der vorübergehenden Abtretung Nord-Siebenbürgens während des Zweiten Weltkrieges erworben wurde und beim Tod der Erblasserin als Nord-Siebenbürgen bereits „befreit" war - nur noch formal bestand. Auszugehen ist vielmehr davon, daß die rumänischen Gerichte mit Rücksicht auf den automatischen Wiedererwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit durch die Bewohner Nord-Siebenbürgens im April 1944 auch die kurz zuvor dort verstorbenen Erblasser international-privatrechtlich wie rumänische Staatsangehörige behandeln. Eine Rück- oder Weiterverweisung des rumänischen Internationalen Privatrechts liegt somit nicht vor. /V. Rumänisches intertemporales

und interterritoriales

Recht

1. Das geltende rumänische Erbrecht ist in dem unter III genannten Codul civil von 1865 sowie im Gesetz über das Ehegattenerbrecht von 1944 geregelt 16 . Der Codul civil galt ursprünglich nur im Altreich (Regat). Er wurde dann bis zum Jahre 1945 in den seit 1878 mit Rumänien vereinten Gebieten eingeführt 1 7 . 12 Deutsche Ubersetzung: Bürgerliches Gesetzbuch für Rumänien, übersetzt von Baum und Bucov (Bukarest 1917); s. a. Makarov, Quellen des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl., I (1953 ff. ; Loseblattsammlung) Rumänien 2. 13 Vgl. Kassationsgerichtshof (Rumänien) 15. 4. 1940, deutsche Übersetzung: Zeitschrift für osteuropäisches Recht N. F. 9 (1942) 126 ff. mit Anm. von Prelicz; Alexianu, Das internationale Privatrecht und Fremdenrecht in Rumänien: Zeitschrift für osteuropäisches Recht N.F. 10 (1943) 141 ff. (175). 14 Vgl. Eberl, Unele probleme de drept succesoral, in lumina dreptului international privat romän: Justitia Nouä 21 (1965) Nr. 10, 59 ff.; Szdszy, Private International Law in the European People's Democracies (Budapest 1964) 379. 15 Vgl. zur Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Nachlaß Neuhaus, RabelsZ 19 (1954) 554-568. 18 Deutsche Übersetzung des Gesetzes vom 10. 6. 1944: Osteuropa-Recht 4 (1958) 331-333. 17 Vgl. das Gesetz über die Ausdehnung der Gesetzgebung des Altreichs auf das

Gesetzliche

Erbfolge / Rumänien

(Nord-Siebenbürgen)

503

Nur eines der Gesetze über die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Codul civil enthält eine intertemporalrechtliche Vorschrift für das Gebiet des Erbrechts. Es handelt sich um das genannte Gesetz vom 21. 6. 1943, nach dessen Art. 23 für alte Nachlässe das frühere Recht gilt. Es bestehen indessen keine Bedenken, den in dieser Vorschrift enthaltenen Grundsatz als eine allgemein gültige Regel des rumänischen Erbrechts aufzufassen, zumal er der auf dem Gebiete des internationalen Erbrechts üblichen Regelung entspricht 18 . 2. Im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin (1. 12. 1944) war, wie gesagt, der Codul civil noch nicht in allen seit 1878 mit Rumänien vereinten Gebieten eingeführt worden. Das interterritoriale Recht Rumäniens hatte keine einheitliche gesetzliche Regelung gefunden. Eine einschlägige Vorschrift findet sich jedoch in Art. 19 des oben unter 1. genannten Gesetzes aus dem Jahre 1943. Danach ist in Erbschaftssachen an den letzten Wohnsitz des Erblassers anzuknüpfen. Auch diese Bestimmung kann als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des interterritorialen Erbrechts Rumäniens angesehen werden. Die Erblasserin hatte ihren letzten Wohnsitz in Nord-Siebenbürgen. Dort galt vor der Einführung des Codul civil durch das angeführte Gesetz vom 4. 4. 1945 das österreichische ABGB von 1811 nach dem Stande von 1853, d. h. ohne die drei österreichischen Novellen aus den Jahren 1914 bis 191619. (Das im Jahre 1942 in Nord-Siebenbürgen eingeführte ungarische Privatrecht 20 findet auf Erbfälle, die nach dem 25. 10. 1944 eingetreten sind, d. h. nach der Räumung Nord-Siebenbürgens durch die Ungarn, keine Anwendung 21 .)

V. Altösterreichisches

Erbrecht - Darstellung im Erbschein

1. Die einschlägigen Bestimmungen des zur Zeit des Erbfalles in NordSiebenbürgen geltenden ABGB lauten: § 732:

Wenn der Erblasser eheliche Kinder des ersten Grades hat, so fällt ihnen die ganze Erbschaft zu; sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts, sie „Rumänien jenseits der Karpaten" vom 21. 6. 1943, Text: Monitorul Oficial 1943 I Nr. 142, sowie das Gesetz über die in Nord-Siebenbürgen anwendbare Gesetzg e b u n g . . . vom 4. 4. 1945, deutsche Ubersetzung: Jahrbuch für internationales Recht 9 (1961) 251 ff. 18 Vgl. Makarov, Postmortale Änderungen der Sachnormen des Erbstatuts: RabelsZ 22 (1957) 201-219. 19 Vgl. Geilke, WGO 2 (1959) 93 sowie die dort auf S. 96 abgedruckte Karte der früheren rumänischen Teilrechtsgebiete. 20 Vgl. Stoicoiu, Law in Eastern Europe, 5 (1961) 226. 21 Vgl. Art. 2 des Gesetzes vom 4. 4. 1945 über die in Nord-Siebenbürgen anwendbare Gesetzgebung...

504

Eibrecht

mögen bei Lebzeiten des Erblassers oder nach seinem Tode geboren sein. Mehrere Kinder teilen die Erbschaft nach ihrer Zahl in gleiche Teile. Enkel von noch lebenden Kindern, und Urenkel von noch lebenden Enkeln haben kein Recht zur Erbfolge. § 757:

Dem überlebenden Ehegatten des Erblassers gebührt, ohne Unterschied, ob er ein eigenes Vermögen besitze oder nicht, wofern drei oder mehrere Kinder vorhanden sind, mit jedem Kinde ein gleicher Erbteil: wenn aber weniger als drei Kinder vorhanden sind, der vierte Teil der Verlassenschaft zum lebenslangen Genüsse; das Eigentum davon bleibt den Kindern.

Aufgrund der angeführten erbrechtlichen Vorschriften des ABGB erhalten demnach die beiden Kinder jeweils die Hälfte des Nachlasses und der überlebende Ehegatte den Nießbrauch an einem Viertel des Nachlasses. 2. Umstritten ist, ob ein Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten im deutschen Erbschein zu vermerken ist 22 . Das Institut vertritt in seiner Gutachtenpraxis die Auffassung, daß zwischen Rechtsordnungen zu unterscheiden ist, die - wie das italienische Recht des Codice civile - der W i t w e nur einen Anspruch auf Einräumung des Nießbrauchs gewähren (ein solches gesetzliches Vermächtnis ist nicht in den Erbschein aufzunehmen), und solchen, die - wie der französische Code civil und das ungarische Fallrecht - ein Nießbrauchsrecht kraft Gesetzes entstehen lassen. Ein Nießbrauchsrecht der letzteren Art ist nach Auffassung des Instituts als echtes Erbrecht im deutschen Erbschein zu vermerken, ü b e r die rechtliche Natur des Nießbrauchsanspruchs des überlebenden Ehegatten nach dem früheren österreichischen Recht herrschte im Schrifttum und in der Rechtsprechung Österreichs Streit 2 3 . Offenbar wurde jedoch in Theorie und Praxis überwiegend die Meinung vertreten, daß der „Gatte . . . nicht zunächst bloß ein Forderungsrecht auf Bestellung des Fruchtgenusses, sondern sofort diesen selbst erlangt" 2 4 . Mangels gegenteiliger späterer Zeugnisse ist anzunehmen, daß diese Auslegung des § 757 ABGB a. F. auch in der Praxis Nord-Siebenbürgens vorherrschte. Die Erblasserin ist somit von ihren beiden Kindern je zur Hälfte beerbt worden; der überlebende Ehemann hat an einem Viertel des Nachlaßvermögens ein Nießbrauchsrecht geerbt, das im deutschen Erbschein zu vermerken ist.

22 Vgl. Greif, Der Nießbrauch des überlebenden Ehegatten...: MDR 19 (1965) 447 f. mit Nachweisen. 23 Vgl. Krasnopolski/Kafka, Lehrbuch des österreichischen Privatrechts, V (Erbrecht, 1914) 189 ff. und das dort angeführte Schrifttum. 24 Nachweise bei Krasnopoiski/Kafka 191 N. 4.

Gesetzliche Erbfolge / Polen VI.

505

Ergebnis

Erben des Nachlasses sind die beiden Kinder je zur Hälfte. Der überlebende Ehemann hat ein Nießbrauchsrecht an einem Viertel des Nachlaßvermögens geerbt. Dieses Nießbrauchsrecht ist nach Ansicht des Instituts im deutschen Erbschein zu vermerken.

Nr. 48 Polen 1. Zum Erwerb der russischen und polnischen Staatsangehörigkeit. 2. Polnisches internationales und intertemporales Privatrecht in Erbschaftssadien. 3. Kongreßpolnisches Erbrecht. 4. Aufnahme des Nießbrauchs des überlebenden Ehegatten in den Erbschein. Hamburg G 24/66 vom 5.8.1966 Das Amtsgericht Bad Oldesloe bittet in der Nachlaßsache F. um Auskunft über polnisches und russisches Staatsangehörigkeitsrecht, Internationales Privatrecht und polnisches Erbrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Erblasser ist der Landwirt Leopold F., geboren im J a h r e 1890 in Kamien (Kreis Chelm/Bezirk Lublin im sog. Kongreßpolen), gestorben ebendort am 23. 4. 1925. Nach den Angaben des Antragstellers besaß er im Zeitpunkt seines Todes entweder die polnische oder die russische Staatsangehörigkeit. Eine Verfügung von Todes wegen ist nicht vorhanden. Als Erben kommen die Witwe und drei Kinder in Betracht. Gefragt wird nach der Erbfolge. I. Russisches und polnisches

Staatsangehöiigkeitsrecht

1. Aufgrund des Sachverhalts ist davon auszugehen, daß der Erblasser die russische Staatsangehörigkeit durch Geburt in dem damals zum russischen Reich gehörenden Kongreßpolen erworben hatte. Der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit durch Geburt war im Gesetz über die Stände von 1864 zwar nicht ausdrücklich erwähnt 1 , doch galt im Staats1

Gesetz über die Stände vom 10. 2. 1864: Svod zakonov IX; deutsche (unvollständige) Übersetzung: Meder, Das Staatsangehörigkeitsrecht der UdSSR und der baltischen Staaten (1950) 12f.

506

Erbrecht

angehörigkeitsrecht des zaristischen Rußland der ungeschriebene Grundsatz, daß die ehelichen Kinder eines russischen Staatsangehörigen die Staatsangehörigkeit ihres Vaters erwerben 2 . Ferner ist davon auszugehen, daß der Erblasser außer der russischen Staatsangehörigkeit durch Eintragung in die Bücher der ständischen Bevölkerung Kongreßpolens die polnische Landeszugehörigkeit erworben hatte 3 . 2. Für den Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit durch Staatsangehörige des früheren russischen Reiches nach Wiedererstehen des polnischen Staates galten u. a. folgende Vorschriften: a) Vertrag zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten und Polen über den Minderheitenschutz vom 28.6.1919 (in Kraft getreten am 10.1. 1920)4: Art. 3: (I) Polen erkennt an, daß alle ... russischen Staatsangehörigen, welche zur Zeit des Inkrafttretens dieses Vertrages in den Gebieten ansässig sind, welche ... Bestandteile des polnischen Staates sind oder werden, von selbst und ohne Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten polnische Staatsangehörige werden... Art. 4: (I) Polen erkennt an, daß alle ... russischen Staatsangehörigen, welche auf dem genannten Gebiet von dort ansässigen Eltern geboren sind, von selbst und ohne Erfüllung weiterer Förmlichkeiten die polnische Staatsangehörigkeit erwerben, auch wenn sie selbst bei Inkrafttreten dieses Vertrages dort ihren gewöhnlichen Wohnsitz nicht haben. (II) Jedoch können diese Personen in den beiden auf das Inkrafttreten dieses Vertrages folgenden Jahren vor den zuständigen polnischen Behörden in dem Lande ihres Wohnsitzes die Erklärung abgeben, daß sie auf die polnische Staatsangehörigkeit verzichten... b) Gesetz über die polnische Staatsangehörigkeit getreten mit der Verkündung am 31.1. 1920)5:

vom 20. 1. 1920 (in Kraft

Art. 2: Mit dem Tage der Verkündung dieses Gesetzes wird ohne Unterschied des Geschlechts, Bekenntnisses und der Nationalität polnischer Staatsangehöriger, wer 2

Meder 11 f. Vgl. Makarov, Die russisch-polnischen Rechtsbeziehungen seit 1815 unter spezieller Berücksichtigung der Staatsangehörigkeitsfragen: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1 (1929) 330-367 (353-358). 4 Text: Dziennik Ustaw 1920 Nr. 110 Pos. 728; deutsche Übersetzungen: Geiike 51 f.; Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, VII/1 (Das Recht der Staatsangehörigkeit..., 1934-1940) 909 f. 5 Text: Dziennik Ustaw 1920 Nr. 7 Pos. 44; deutsche Übersetzungen: Geiike 52-54; Rechtsverfolgung... 163-169. 3

Gesetzliche

Erbfolge

/ Polen

507

l.im Gebiet des polnischen Staates ansässig ist, sofern ihm nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates zusteht...! 2. innerhalb des polnischen Staates geboren ist, sofern ihm nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates zusteht; 3. aufgrund internationaler Verträge die polnische Staatsangehörigkeit besitzt.

Der Erblasser hat aufgrund der angeführten Vorschriften die Staatsangehörigkeit des nach dem Ersten Weltkrieg wiedererstandenen polnischen Staates erworben. 3. Ein Verlust der polnischen Staatsangehörigkeit durch Abgabe einer Erklärung gemäß Art. 4 II des Minderheitenschutzvertrages liegt hier offenbar nicht vor. Die Anfrage enthält ferner keine Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasser aufgrund von Art. 6 des Rigaer Friedensvertrages von 1921 für die russische oder ukrainische Staatsangehörigkeit optiert hat 6 . Nach allem besaß der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes allein die polnische Staatsangehörigkeit.

II. Deutsches Internationales

Privatrecht

Die Erbfolge nach einem Ausländer, der mit letztem Wohnsitz im Ausland gestorben ist, richtet sich in analoger Anwendung von Artt. 24 f. EGBGB nach dem Recht des Staates, dem er im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Eine Rück- oder Weiterverweisung dieses Rechts auf das deutsche oder ein drittes Recht ist gemäß Art. 27 EGBGB zu beachten. Das deutsche Internationale Privatrecht verweist somit zunächst auf das polnische Recht. Die Verweisung bezieht sich grundsätzlich auf das jetzige Recht dieses Landes unter Berücksichtigung seiner intertemporalen Vorschriften. Etwaige Änderungen, die nach dem Erbfall mit Wirkung für frühere Erbfälle eingetreten sind - sei es durch Rechtsprechung oder rückwirkende Gesetze - , sind also zu berücksichtigen 7 . Das entspricht nicht nur dem Wortlaut des EGBGB, sondern ist auch unter dem doppelten Gesichtspunkt des Entscheidungseinklanges mit dem Heimatrecht und der Zulassung einer rückwirkenden Selbstkorrektur dieses Rechts sinnvoll. Vernünftigerweise kommt jedoch eine rückwirkende Änderung des Erbrechts nur solange in Betracht, wie der Erbfall noch nicht abgewickelt ist; die Anordnung einer Neuverteilung bereits ausgeschütteter Nachlässe ist selbst unter revolutionären Verhältnissen nicht bekannt geworden. 6 Vgl. Friedensvertrag zwischen Polen und Rußland sowie der Ukraine vom 18. 3. 1921, ratifiziert am 30. 4. 1921; Text: Dziennik Ustaw 1921 Nr. 49 Pos. 300; deutsche Übersetzungen: Freund, Rußlands Friedens- und Handelsverträge 1918 bis 1923 (1924) 161 ff.; Geilke 61 f. (Art. 6); Rechtsverfolgung . . . 157 f. (Art. 6). ' Vgl. Soergell Sieber t(-Kegel), BGB, 9. Aufl., V (1961) Rz. 4 vor Art. 24 EGBGB mit Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung in N. 3.

508

Erbrecht

III. Polnisches Internationales

Privatrecht

Das polnische Internationale Privatrecht geht in Erbschaftssachen vom Heimatrecht des Erblassers zur Zeit seines Todes aus. Das bestimmt Art. 34 des neuen polnischen Gesetzes über das Internationale Privatrecht von 19658. Eine Rüde- oder Weiterverweisung des polnischen Rechts, die nach Art. 27 EGBGB zu beachten wäre, liegt somit nicht vor. Es bleibt bei der Anwendung polnischen Rechts.

IV. Polnisches intertemporales

Recht

In Polen gilt seit dem 1. 1. 1965 das neue Zivilgesetzbuch vom 23. 4. 19649. Die zugehörigen Ubergangsbestimmungen sind in dem Gesetz über die Einführungsvorschriften zum Zivilgesetzbuch vom gleichen Tage enthalten 1 0 . Gemäß Art. LI dieses Gesetzes findet in Nachlaßsachen grundsätzlich das im Zeitpunkt des Erbfalles geltende Recht Anwendung. (Eine der in den Artt. LH ff. aufgeführten Ausnahmen liegt hier offensichtlich nicht vor.) V. Kongreßpolnisches

Erbrecht - Darstellung im Erbschein

1. Im Zeitpunkt des Todes galten in Polen auf dem Gebiete des Erbrechts mehrere Rechtsordnungen. (Eine Vereinheitlichung erfolgte erst durch das Dekret über das Erbrecht vom 8. 10. 1946.) In Kongreßpolen, mit dem der Erblasser durch Geburtsort und letzten Wohnsitz verbunden war, galt der im Jahre 1806 eingeführte Code Civil Napoleons mit Ausnahme des I. Buches (Artt. 1-515) und des 5. Titels des III. Buches (Artt. 1387-1581), an deren Stelle das Zivilgesetzbuch des Königreichs Polen vom 1. 6. 1825 und das Ehegesetz vom 16./28. 3. 1836 traten 1 1 . Maßgeblich sind danach die erbrechtlichen Vorschriften des Code Napoléon. Ihnen gehen jedoch konkurrierende Bestimmungen des polnischen 8 Gesetz vom 12. 11. 1965, in Kraft getreten am 1. 7. 1966, Text: Dziennik Ustaw 1965 Nr. 46 Pos. 290, deutsche (nicht immer genaue) Ubersetzung: WGO 7 (1965) 378ff. - Siehe auch Art. 28 des polnischen „Gesetzes über das für internationale Privatverhältnisse geltende Recht" vom 2. 8. 1926, deutsche Übersetzung: Makarov, Quellen des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl., I (1953ff.; Loseblattsammlung) Polen 16, der mit Art. 34 des neuen polnischen IPR-Gesetzes von 1965 übereinstimmt. 9 Text: Dziennik Ustaw 1964 Nr. 16 Pos. 93; deutsche Übersetzung: Vogel, Zivilgesetzbuch der Volksrepublik Polen (1965) 7 ff. 10 Text: Dziennik Ustaw 1964 Nr. 16 Pos. 94; deutsche Ubersetzung: Vogel 257 ff. 11 Meyer, Das kongreßpolnische Zivilrecht (1942) 1-7.

Gesetzliche Erbfolge / Polen

509

Zivilgesetzbuches v o n 1825 vor. D i e s e s hat insbesondere d e n überlebenden Ehegatten in Artt. 231-235 günstiger gestellt als der Code Napoléon. Die einschlägigen Vorschriften lauten: Code N a p o l é o n 1 2 : Art. 731: Die Erbschaften fallen den Kindern und Abkömmlingen des Erblassers, dessen Aszendenten und Seitenverwandten in der Ordnung und nach den Regeln an, die im folgenden bestimmt werden. Art. 745: Die Kinder oder deren Abkömmlinge beerben die Eltern, Großeltern oder übrigen Aszendenten, ohne Unterschied des Geschlechts oder der Erstgeburt, auch wenn sie aus verschiedenen Ehen stammen. Sie erben zu gleichen Teilen und nach Köpfen, wenn sie alle im ersten Grade stehen... Zivilgesetzbuch v o n 1825 l s : Art. 232: Dem überlebenden Ehegatten fällt nach dem verstorbenen Ehegatten ein dem Erbteil eines jeden Kindes, wobei der überlebende Ehegatte bei der Erbteilung als Kind gerechnet wird, gleicher Teil des Nachlasses und die Wahl des Teiles zu. Der auf den Ehegatten entfallende Erbteil gebührt ihm nur zum lebenslänglichen Nießbrauch. O b w o h l dem überlebenden Ehegatten nur e i n Nießbrauch zukam, wurde er in der polnischen Gerichtspraxis als Erbe angesehen. Der Nießbrauch fällt - so lautete die Begründung - erbrechtlich, ipso iure, an und braucht nicht (wie bei e i n e m Vermächtnis) v o n den Kindern bestellt zu werden. D i e s e A u f f a s s u n g kommt in einem Urteil der Zivilkammer d e s Obersten Gerichts Polens v o m 29. 5.1935 w i e folgt zum Ausdruck: „Nach der in Rechtsprechung und Rechtslehre herrschenden Meinung... ist der überlebende Ehegatte gemäß Art. 232 des polnischen Zivilgesetzbuches . . . nicht nur gewöhnlicher Nießbraucher, sondern zugleich auch Erbe nach dem verstorbenen Ehegatten, und alle den Nachlaß betreffenden Grundsätze finden auf ihn Anwendung; er übernimmt den Nachlaß des anderen Ehegatten ipso iure im Augenblick des Todes des Erblassers; er kann diese Erbschaft ausschlagen oder sie bedingungslos oder auch mit Rechtswohltat der Inventarerrichtung annehmen und haftet im Verhältnis zu seinem Nutzen für die Schulden und Lasten des Nachlasses." 14 12 Deutsche Ubersetzung aus: Die Zivilgesetze der Gegenwart, I, Frankreich, hrsg. von Heinsheimer u. a. (1932) 205 ff. 13 Deutsche Übersetzung: Meyer 66f. 14 Deutsche Ubersetzung: Zeitschrift für osteuropäisches Recht N. F. 3 (1936/37) 713-715, hier 714.

510

Erbrecht

2. Umstritten ist, ob ein Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten im deutschen Erbschein zu vermerken ist 15 . Das Institut vertritt in seiner Gutachtenpraxis die Auffassung, daß zwischen Rechtsordnungen zu unterscheiden ist, die - wie das italienische Recht des Codice civile - der Witwe nur einen Anspruch auf Einräumung des Nießbrauchs gewähren (ein solches gesetzliches Vermächtnis ist nicht in den Erbschein aufzunehmen), und solchen, die - wie der französische Code civil und das ungarische Fallrecht - ein Nießbrauchsrecht kraft Gesetzes entstehen lassen. Ein Nießbrauchsrecht der letzteren Art ist nach Auffassung des Instituts als echtes Erbrecht im deutschen Erbschein zu vermerken. Wie sich aus der oben angeführten Entscheidung des Obersten Gerichts Polens aus dem Jahre 1935 ergibt, erwarb nach dem früher in Kongreßpolen geltenden Recht der überlebende Ehegatte das Nießbrauchsrecht „ipso iure im Augenblick des Todes des Erblassers". Das Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten nach kongreßpolnischem Recht ist somit im deutschen Erbschein zu vermerken. V. Ergebnis Erben des Nachlasses sind die drei Kinder je zu einem Drittel. Die überlebende Ehefrau hat ein Nießbrauchsrecht an einem Viertel des Nachlaßvermögens geerbt. Dieses Nießbrauchsrecht ist nach Ansicht des Instituts im deutschen Erbschein zu vermerken.

Nr. 49 Sowjetunion (Ukraine) 1. Kollisionsrechtliche Vorschriften über Erbfolge in Staatsverträgen zwischen Deutschland und der Sowjetunion. 2. Sowjetische interterritoriale und intertemporale Erbrechtsnormen. 3. Sowjet-ukrainisches materielles Erbrecht. 4. Zur Frage, ob die deutsche Todeserklärung eines Sowjetbürgers, indem sie - abweichend vom Sowjetrecht - einen vermuteten Todestag festsetzt, damit zugleich den Zeitpunkt der Erbschaftseröffnung bestimmt. Hamburg G 114/66 vom 27.9.1966

Das Amtsgericht Cloppenburg bittet in der Nachlaßsache P. um Auskunft über Internationales Privatrecht und sowjet-ukrainisches Erbrecht. Erblasser ist der zuletzt in Landau (Ukrainische SSR) wohnhaft gewesene Josef P. Das Amtsgericht Cl. hat ihn durch Beschluß vom 29. 7. 15 Vgl. Greil, Der Nießbrauch des überlebenden E h e g a t t e n . . . : MDR 19 (1965) 447 f. mit Nachweisen.

Gesetzliche

Erbfolge

/ Sowjetunion

(Ukraine)

511

1965 mit Wirkung vom 31. 12. 1942 für tot erklärt. Der Erblasser hatte zur Zeit seines Todes die „russische" (lies: sowjetische) Staatsangehörigkeit. Eine Verfügung von Todes wegen ist nicht vorhanden. Als Erben kommen in Betracht seine zweite Ehefrau (die erste Ehefrau ist vorverstorben) und drei Kinder aus erster Ehe, von denen das dritte am 20. 4. 1944 gestorben ist, sowie ein Kind aus zweiter Ehe. Diese Personen haben angeblich die Erbschaft angenommen. Es wird ein Erbschein für LAG-Zwecke benötigt und daher nach der Erbfolge gefragt. I. Internationales 1. Staatsvertragliches

Piivatrecht

Recht

Staatsverträge, welche kollisionsrechtliche Vorschriften enthalten, verdrängen die Normen des deutschen Internationalen Privatrechts1- Eine erbrechtliche Kollisionsregel findet sich im Konsularvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR von 1958 2 , und zwar für die Erbfolge in unbewegliche Nachlaßgegenstände (Art. 28). Das Nachlaßabkommen von 1925 3 enthielt eine Regelung sowohl für unbewegliches als auch für bewegliches Vermögen. Aber dieses Abkommen ist mit Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und der Sowjetunion (22. 6. 1941) in seiner Wirkung suspendiert und seitdem nicht wieder in Kraft gesetzt worden 4 . Für die Erbfolge in bewegliches Vermögen ist somit vom autonomen (nicht staatsvertraglichen) deutschen Recht auszugehen. 2. Autonomes

deutsches

Recht

Die Erbfolge richtet sich in analoger Anwendung von Artt. 24, 25 und 27 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, vorbehaltlich einer Rück- oder Weiterverweisung 1 Soergel(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) Anm. 9 vor Art. 7 EGBGB mit Nachweisen. 2 BGBl. 1959 II 232; in Kraft getreten am 24. 5. 1959, BGBl. 1959 II 469. 3 Anlage zu Art. 22 des deutsch-sowjetischen Konsularvertrages von 1925; Text: RGBl. 1926 II 72; dazu: Makarov, Das internationale Erbrecht des deutsch-russischen Vertragswerkes vom 12. Oktober 1925: Zeitschrift für Osteuropäisches Recht 3 (1927) 3 - 1 8 und 113-126. 4 Zur Frage der Einwirkung des Krieges auf völkerrechtliche Verträge siehe Soergel(-Kegel), Anm. 11-18 vor Art. 7 EGBGB mit Nachweisen ( K e g e l selbst vertritt allerdings entgegen der amtlichen Praxis eine automatische Beendigung der Suspension mit Kriegsende; zum deutsch-sowjetischen Vertragswerk von 1925 insbesondere siehe ebd. Anm. 93 vor Art. 24 EGBGB; Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht (1955 ff.), III UdSSR Grdz. 50; Erman(-Amdt), Handkommentar zum BGB, Bd. II (3. Aufl. 1962) Anm. 7 vor Art. 7 EGBGB; Lüne, Mezdunarodnoe castnoe pravo (Internationales Privatrecht; Moskau 1949) 319.

512

Erbrecht

dieses Rechts auf das deutsche bzw. ein drittes Recht. Das deutsche Internationale Privatrecht verweist hier also auf das Recht der Sowjetunion. Die Verweisung bezieht sich auf das jetzt geltende Recht dieses Staates unter Berücksichtigung seiner intertemporalen Vorschriften 5 . 3. Autonomes

sowjetisches

Recht

Das sowjetische Internationale Privatrecht knüpft in Erbfällen an den letzten Wohnsitz des Erblassers an. Das bestimmen die am 1. 5. 1962 in Kraft getretenen „Grundlagen für die Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken" (im folgenden als „Grundlagen" zitiert) in Art. 127®. Eine inhaltsgleiche Regelung sieht das am 1.1. 1964 in Kraft getretene Zivilgesetzbuch der Ukrainischen SSR von 1963 (in Art. 570) vor 7 . Intertemporalrechtlich gelten die Kollisionsregeln der „Grundlagen" auch für Erbfälle, die vor dem 1. 5. 1962 eingetreten sind, aber nur dann, wenn die Erbschaft bis zu diesem Zeitpunkt von keinem der Erben angenommen worden (und auch nicht mangels Erben an den Staat übergegangen) ist 8 . Da im vorliegenden Fall der Erblasser erst im Jahre 1965 für tot erklärt worden ist, kommt eine frühere Annahme der Erbschaft nicht in Betracht. Es ist also von dem neuen Recht auszugehen. Der Erblasser war sowjetischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in der Sowjetunion. Auf die Erbfolge ist daher auch vom Standpunkt des sowjetischen Internationalen Privatrechts sowjetisches Erbrecht anzuwenden. II. Sowjetisches

interterritoriales

Recht

Beim Sowjetrecht ist zwischen unionseinheitlichem Recht und dem Recht der einzelnen Unionsrepubliken zu unterscheiden. Zu dem unionseinheitlichen Recht gehören die „Grundlagen", im übrigen gelten auf dem Gebiet des Erbrechts die Zivilgesetzbücher der jeweiligen Unionsrepubliken. Für Erbschaftsbeziehungen wird das „Recht des Ortes der Eröffnung der Erbschaft angewendet" („Grundlagen" Art. 18 Nr. 5). Als Ort der Eröffnung der Erbschaft gilt der letzte Wohnsitz des Erblassers. Danach ist im vorliegenden Fall das Recht der Ukrainischen SSR anzuwenden.

5 Soergel(-Kegei), Anm. 107 vor Art. 7 EGBGB und Anm. 4 vor Art. 24 EGBGB mit Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung. 6 Deutsche Ubersetzung: Arnold/Rathielder, Grundlagen des Zivilrechts und des Zivilprozeßrechts der UdSSR (1962); Artt. 18 und 122-129 zweisprachig in RabelsZ 27 (1962) 719 ff. 7 Grazdanski] kodeks Ukrainskoj SSR (Kiew 1964). 8 Dekret der UdSSR vom 10. 4. 1962 ( W S SSSR 1962 Nr. 15 Pos. 156) Art. 12.

Gesetzliche

Erbfolge

III. Sowjetisches

/ Sowjetunion

intertemporales

(Ukraine)

513

Recht

Das neue Zivilgesetzbuch (ZGB) der Ukrainischen SSR von 1963 ist auf alle Erbschaften anzuwenden, die bis zu seinem Inkrafttreten (1. 1. 1964) von keinem der Erben angenommen worden sind und auch nicht mangels Erben auf den Staat übergegangen sind 9 . IV. Sowjet-ukrainisches

materielles

Erbrecht

Als Erben der ersten Ordnung sind die Kinder, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers berufen. Sie erben zu gleichen Teilen (ZGB Ukr.SSR von 1963, Art. 529). Die zur Erbfolge berufenen Personen werden jedoch nach Sowjetrecht nicht bereits durch den Tod des Erblassers oder seine Todeserklärung Erben, sondern erst durch die Annahme der Erbschaft. Allerdings wird der Eigentumserwerb, sobald die Annahme erfolgt ist, auf den Tag der Erbschaftseröffnung zurückbezogen10. Die Annahme ist an keine Form gebunden 11 . Die Annahmefrist beträgt sechs Monate. Sie beginnt mit der Eröffnung der Erbschaft 12 . Als Zeitpunkt der Erbschaftseröffnung wird grundsätzlich der Todestag des Erblassers angesehen. Ist der Erblasser aber (wie hier) als Verschollener für tot erklärt worden, so tritt an die Stelle des Todestages der Zeitpunkt, an dem der Todeserklärungsbeschluß Rechtskraft erlangt hat 1 3 . Diese Regelung erklärt sich daraus, daß nach sowjetischem Recht in der Todeserklärung Verschollener kein vermutlicher Todestag festgesetzt wird. Es ist zweifelhaft, ob die genannte Regelung von einem sowjetischen Gericht auch dann angewendet würde, wenn die Todeserklärung durch ein ausländisches (hier ein deutsches) Gericht beschlossen worden ist, einen Sowjetbürger mit letztem Wohnsitz in der Sowjetunion betrifft und daher vom Sowjetrecht möglicherweise nicht anerkannt wird. Eine positiv9 Das einschlägige ukrainische Dekret über die Einführung des ZGB der Ukrainischen SSR von 1963 liegt hier im Wortlaut nicht vor. Der angeführte intertemporalrechtlidie Grundsatz ergibt sich aber aus der oben angeführten Ubergangsvorschrift für die „Grundlagen" (Dekret vom 10. 4. 1962, Art. 12). 10 Antimonov-Grave, Sovetskoe nasledstvennoe pravo (Sowjetisches Erbrecht, Moskau 1955) 47-49; ZGB Ukr. SSR von 1963, Art. 548. 11 Vgl. V. Tolstoj, Prinjatie nasledstva i otkaz ot ego prinjatija (Die Annahme der Erbschaft und der Verzicht auf deren Annahme): Sovetskaja Justicija 1966 Nr. 13, S. 20-22. 12 ZGB Ukr. SSR von 1963, Art. 549; vgl. ZGB Ukr. SSR von 1922, Art. 429. 13 ZGB Ukr.SSR von 1963, Artt. 21, 525. Vgl. Verordnung des Plenums des Obersten Gerichts der UdSSR vom 10. 4. 1957, Art. 1, aufgehoben durch Verordnung des gleichen Gerichts vom 1. 7. 1966 (Sovetskaja justicija 1966 Nr. 16, S. 29).

33

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

514

Erbrecht

rechtliche Regelung fehlt. Das Sowjetrecht bestimmt zwar, daß das Gericht „in Übereinstimmung mit dem Gesetz die Normen des ausländischen Rechts anwendet" 14 . Auf die Todeserklärung von Personen mit letztem Wohnsitz in der Sowjetunion soll aber nur Sowjetrecht angewendet werden 15 . Die etwaigen Bedenken eines sowjetischen Gerichts gegen die Berücksichtigung der deutschen Todeserklärung braucht das deutsche Nachlaßgericht jedoch nicht zu beachten. Denn sonst würde in Fällen, in denen keine sowjetische Todeserklärung erfolgt ist, die Nachlaßregelung und damit ein wesentlicher oder gar der Hauptzweck der deutschen Todeserklärung vereitelt 1 6 . Es ist jedoch streitig, ob die deutsche Todeserklärung eines Sowjetbürgers, indem sie - abweichend vom Sowjetrecht - einen vermuteten Todestag festsetzt, damit zugleich den Zeitpunkt der Erbschaftseröffnung bestimmt oder nicht 17 . Das Kammergericht vertritt die erstgenannte Ansicht. Es will das Heimatrecht des Erblassers nur mit der Maßgabe anwenden, daß der Erblasser zu dem in der deutschen Todeserklärung festgesetzten Zeitpunkt (vermutlich) gestorben ist. Soweit das Sowjetrecht - das Heimatrecht des Erblassers - den Tag der Rechtskraft der Todeserklärung für die Eröffnung der Erbfolge maßgebend sein läßt, soll es nicht zum Zuge kommen l s . Demgegenüber wird geltend gemacht, diese Ansicht bedeute einen Eingriff in das Erbstatut und führe zu einer Verletzung des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie, ohne daß dazu Veranlassung bestehe. Der § 12 II VerschG wolle, wie der BGH 1 9 betont hat, keine Konflikte schaffen, sondern Konflikte lösen. Die Vorschrift solle eine Todeserklärung ermöglichen, wenn ein entsprechender Akt des Heimatstaates nicht zu er1 4 Grundlagen des Zivilprozesses der UdSSR und der Unionsrepubliken von 1961 Art. 12 (deutsche Ubersetzung: Arnold/Rathfelder aaO); ZPO der RSFSR von 1964 Art. 10. Die Rechtsgrundlage vor 1961 bildete Art. 7 der ZPO der RSFSR von 1923 (dieser Vorschrift entsprach Art. 9 der ZPO der Ukr. SSR von 1929), der die Berücksichtigung im Ausland errichteter „Akte" betrifft. Deutsche Ubersetzung: Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, Bd. I (1953) s. v. UdSSR 14. 15 Lüne, Mezdunarodnoe castnoe pravo, 2. Aufl., Besonderer Teil (Moskau 1963) 39; deutsche Ubersetzung: Internationales Privatrecht II (Berlin 1964) 29f.; Lüne, Kollizionnye voprosy nasledstvennogo prava: Sovetskoe gosudarstvo i pravo 1940, Nr. 8-9, S. 132-150 (142); Makarov, Précis de droit international p r i v é . . . (Paris 1932) 182 Anm. 1; Loeber, Das Eheredit der Sowjetunion (Diss. Marburg 1950) 72-75, 121. 1 6 So auch Müller, Anm. zu KG 4. 5. 1965: FamRZ 1966, 213. 17 Diese Frage ist nicht nur für die Berechnung der Annahmefrist bedeutsam, sondern auch für die Bestimmung des Kreises der Erben, wenn ein naher Angehöriger des Erblassers - hier das dritte Kind - zwischen seinem vermuteten Todestag und der Rechtskraft der Todeserklärung gestorben ist. 18 KG 4. 5. 1965, FamRZ 1966, 210 (211). 19 Urteil vom 8. 1. 1965, BGHZ 43, 80 (84).

Gesetzliche Erbfolge / England

515

reichen ist, aber nicht Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit abweichend vom Heimatrecht bestimmen lassen 2 0 . Es folgt hieraus, daß es für die Bestimmung der Erben und für den Beginn der Annahmefrist auf den Zeitpunkt ankommt, an dem die deutsche Todeserklärung Rechtskraft erlangt hat. Zu diesem Zeitpunkt waren aber von den drei Kindern aus erster Ehe, die den vermuteten Todestag des Erblassers überlebt haben, nur noch zwei am Leben.

V . Ergebnis

Die (zweite) Ehefrau des Erblassers, die zwei noch lebenden Kinder aus erster Ehe und das Kind aus der zweiten Ehe sind Erben zu je 1U.

Nr. 50 England Mafigebendes Recht für die gesetzliche Erbfolge und den gesetzlichen Güterstand eines zuletzt in Deutschland wohnhaften Engländers nach deutschem und englischem internationalem Privatrecht. Köln 62/66 vom 13. 7.1966 Das Amtsgericht Münster hat das Institut in der Nachlaßsache T. durch Beschluß vom 24. 5.1966 um Auskunft über das anzuwendende Erbrecht gebeten. SACHVERHALT Am 8. Mai 1966 verstarb der britische Staatsangehörige Walter Joseph T. in Münster, seinem letzten Wohnsitz. Er wurde überlebt von seiner Ehefrau Elfriede T. und drei Kindern Walter, Sylvia und Martin, außerdem von seiner Mutter Ellen T. Ein Testament hat der Erblasser nicht hinterlassen; eine Güterrechtsvereinbarung besteht nicht. Der Erblasser wurde am 11. Nov. 1919 in Portsmouth in Großbritannien geboren. Seit 1949 wohnte er in Münster/Westf. Dort heiratete er am 14. Juli 1950 die deutsche Staatsangehörige Elfriede Th. In Großbritannien ist die Ehefrau niemals gewesen. 1951, 1954 und 1958 wurden die drei Kinder des Erblassers geboren, ebenfalls in Münster. Der Erblasser war persönlich haftender Gesellschafter der Firma K. oHG in Münster und hatte Grundbesitz in Münster. Der W e r t des Nachlasses beträgt etwa 80 000 DM. 20

33 *

Müller aaO.

516

Erbrecht

Die Witwe des Erblassers hat einen Antrag auf Erteilung eines Erbsdieins gestellt. Das Amtsgericht Münster bittet um Auskunft, wer die gesetzlichen Erben des Erblassers seien und zu welchen Quoten, ferner, ob nach britischem Recht irgendwelche Vorschriften bei Ausstellung des Erbscheins zu berücksichtigen seien. GUTACHTEN A. VORBEMERKUNG

Das Gericht scheint in seiner Anfrage davon auszugehen, daß „britisches" Recht anwendbar sei. Das muß jedoch zuvor untersucht werden. B. DAS ANWENDBARE ERBRECHT

I. Deutsches internationales

Privatrecht

Ein Staatsvertrag zwischen Großbritannien und Deutschland, der sich mit der Frage des anzuwendenden Erbrechts befaßt, besteht nicht. Es gelten daher die allgemeinen deutschen Kollisionsnormen. Aus den Art. 24, 25 EGBGB folgt der Grundsatz, daß ein Ausländer nach dem Recht seines Heimatstaates beerbt wird Da der Erblasser zur Zeit seines Todes die britische Staatsangehörigkeit besaß, verweist das deutsche Kollisionsrecht auf das Recht von Großbritannien. Diese Verweisung ist unvollständig. Denn das Vereinigte Königreich ist kein einheitliches Rechtsgebiet, sondern umfaßt einzelne Teilrechtsgebiete (so England, Schottland, Wales, Nordirland) 2 . In diesen Teilrechtsgebieten gelten teilweise verschiedenes Kollisionsrecht und materielles Recht. Die anzuwendende Teilrechtsordnung kann deshalb nicht vom „britischen" Recht her bestimmt werden. Man bedarf einer Unteranknüplung im deutschen internationalen Privatrecht, um festzustellen, welchen Gebietes Recht anwendbar ist 3 . Die Rechtsprechung knüpft überwiegend an den Wohnsitz in einem Teilrechtsgebiet an, ohne zu unterscheiden, ob Wohnsitz im Sinne des deutschen oder ausländischen Rechts gemeint ist 4 . 1

Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 354; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 412. 8 Kegel 135 u. 15; Cheshire, Private International Law (7. Aufl. 1965) 61; Falconbridge, Essays on the Conflict of Laws (2. Aufl. 1954) 202-206. » Siebert-Kegel, EGBGB (9. Aufl. 1961) vor Art. 7, Rdn. 111 (539); Börner, Personalstatut und Ehefähigkeit von Angehörigen der USA, StAZ 1956, 43-47. 4 BGHZ 27, 47 (51); OLG Karlsruhe DNotZ 1957, 424 (425); BayObLGZ 1962, 39 = N J W 1962, 1013.

Gesetzliche

Erbfolge / England

517

Wenn jedoch die Rechtssätze über Erwerb und Verlust des Wohnsitzes in den Teilrechtsordnungen nicht übereinstimmen, besteht die Gefahr des Doppelwohnsitzes oder der Wohnsitzlosigkeit. Es ist daher zweckmäßiger, entsprechend den Regeln des deutschen interlokalen Privatrechts den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers entscheiden zu lassen". Der Erblasser ist in Portsmouth in England geboren. Es wird unterstellt, daß er sich dort aufgehalten hat, bis er Großbritannien verließ. Dann hatte er sowohl Wohnsitz wie gewöhnlichen Aufenthalt in England. Das deutsche internationale Privatrecht verweist daher auf englisches Recht. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtnormverweisung. Das deutsche Recht beruft auch die fremden Kollisionsnormen. Eine Rückverweisung des englischen Rechts ist gemäß Art. 27 EGBGB zu beachten. II. Englisches internationales

Privatrecht

1. Grundsatz Nach englischem internationalem Privatrecht unterliegt der Nachlaß keinem einheitlichen Recht. Nach dem Prinzip der Nachlaßspaltung vererbt sich der bewegliche Nachlaß nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Sinne des englischen Rechts („domicil") hatte, der unbewegliche Nachlaß nach dem Recht des Lageorts6. 2. Das auf den beweglichen Nachlaß anwendbare

Recht

Da das internationale Privatrecht Englands für die Erbfolge in den beweglichen Nachlaß auf das Wohnsitzrecht verweist, ist zu prüfen, ob der Erblasser zur Zeit seines Todes nach englischem Recht seinen Wohnsitz („domicil") in Deutschland hatte. Der englische Wohnsitzbegriff ist wesentlich strenger als der deutsche 7. „Domicil" ist nicht so sehr die Verbundenheit mit einem Ort, als die Zuordnung zu einem Rechtsgebiet. Jeder Mensch muß ein „domicil" haben; niemand kann mehr als ein „domicil" haben 8 . Das englische Recht unterscheidet zwischen dem durch Geburt erworbenen „domicil of origin" und dem später freiwillig erworbenen Wahldomi8 Siebert-Kegel, vor Art. 7, Rdn. 111 (539); Kegel 138-139; LG Bielefeld N J W 1957, 1074 (1075). ' Cheshire 481, 514; Graveson, Conflict of Laws (5. Aufl. 1965) 461-465; Re Cohn (1945) Ch. 5; Re Annesley (1926) Ch. 692; Re Ross (1930) 1 Ch. 377; Duncan v. Lawson (1889), 41 Ch. D. 394; vgl. OLG München DFG 1937, 35. 7 Vgl. Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 72-75; Henrich, Der Domizilbegriff im englischen internationalen Privatrecht, RabelsZ 25 (1960), 456-495. 8 Cheshire 149.

518

Eibrecht

zil, dem „domicil of choice". Sein „domicil of origin" kann nur verlieren, wer zugleich ein neues „domicil (of choice)" erwirbt. Dieser Erwerb hat zwei Voraussetzungen: eine objektive und eine subjektive („factum et animus"). Objektiv ist notwendig, daß der Betreffende an dem neuen Ort seine „residence" hat, d. h. sich dort niedergelassen hat. Der Erblasser hat sich in Münster in Deutschland niedergelassen; dort ist seine „residence". A n die subjektiven Voraussetzungen stellt das englische Recht denkbar hohe Ansprüche. Gefordert wird der „animus manendi", die Absicht, an dem neuen Ort ständig zu bleiben und nicht mehr zum „domicil of origin" zurückzukehren. Bei der Ermittlung des „animus manendi" sind alle Umstände zu berücksichtigen, die auch nur entfernt auf eine solche Absicht schließen lassen. Hierbei spricht die Vermutung für die Beibehaltung des bisherigen „domicil's" 9 , insbesondere, wo das neue Domizil im Ausland liegen würde 10 . Die englische Rechtsprechung hat einen Katalog von Anhaltspunkten für einen solchen „animus manendi" entwickelt, die aber in verschiedenen Fällen unterschiedliche Bedeutung haben können. Es sind dies unter anderem: Langjähriger Aufenthalt (der grundsätzlich nicht allein entscheidend ist, aber eine Vermutung für ein neues „domicil" entstehen lassen kann), Eheschließung mit einer Angehörigen des neuen „residence"-Landes, Begründung eines eigenen Hausstandes und einer eigenen Wohnung, Anwesenheit der Familie, geschäftliche und berufliche Interessen11. Der Erblasser wohnte seit 17 Jahren in Deutschland. Er hat eine deutsche Frau geheiratet; die Familie lebte nur in Deutschland; die Ehefrau des Erblassers war nie in England. Der Erblasser hat in Deutschland Grundbesitz erworben, er war allein haftender Gesellschafter einer deutschen Firma. Das alles spricht dafür, daß er Münster in Deutschland zu seinem Wahldomizil gemacht hat. Entgegenstehende Umstände, insbesondere irgendwelche Äußerungen des Erblassers, eines Tages wieder nach England zurückkehren zu wollen, sind nicht bekannt. Es ist daher anzunehmen, daß er im Zeitpunkt seines Todes sein „domicil of choice" in Deutschland hatte. Das englische internationale Privatrecht verweist somit für den beweglichen Nachlaß auf deutsches Recht zurück. Diese Rückverweisung ist bindend, gleich, ob das fremde Recht auf die deutschen Sachnormen oder Kollisionsnormen verweist. Im letzteren Falle wird nach h. M. die Verweisung hier abgebrochen12. 10 Vgl. Cheshire 161. » Vgl. Raape, aaO. Vgl. im einzelnen mit weiteren Nachweisen: Henrich 466-469; Cheshire 153 bis 157; Graveson 161-164. 12 Siebert-Kegel, vor Art. 24, Rdn. 74 (926); Art. 27, Rdn. 16 (939); BGH N J W 1958, 750; RGZ 136, 361 (365f.); BayObLGZ 1958, 34 (38). 11

519

Gesetzliche Erbfolge / England

3. Das auf den unbeweglichen

Nachlaß anwendbare

Recht

Wenn sich nach, englischem internationalem Privatrecht der unbewegliche Nachlaß nach dem Recht des Lageortes vererbt, so scheint damit für den deutschen Grundbesitz auf deutsches Recht zurückverwiesen zu werden. Doch ist Sinn dieser Verweisung: Man selbst wendet aus ursprünglich öffentlichen, heute Verkehrs- und Ordnungsinteressen auf inländische Grundstücke das eigene Recht an. Das gleiche billigt man dem ausländischen Staat zu, aber nur soweit er denselben Interessen Rechnung trägt und ebenfalls eine solche Unterscheidung vornimmt. Es handelt sich insofern um eine „bedingte Verweisung". M. E. ist die Bedingung nicht erfüllt. Denn in Deutschland tritt die Anwendung deutschen Erbrechts auf deutsche Grundstücke zugunsten der Nachlaßeinheit zurück: Erbrechtlich werden unbewegliche Sachen wie bewegliche behandelt ls . Die Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden: Audi für „immovables" verweist das englische Recht auf das deutsche zurück. Der in Deutschland belegene Grundbesitz unterliegt daher ebenfalls deutschem Erbrecht. C. DAS ANWENDBARE EHEGÜTERRECHT

Bei der Frage, welche Ansprüche der überlebende Ehegatte und die Abkömmlinge gegen den Nachlaß haben, kann dem anwendbaren Ehegüterrecht entscheidende Bedeutung zukommen. Denn auch ehegüterrechtliche Ansprüche können mit dem Todesfall entstehen und die Rechte der Erben erheblich beeinträchtigen (vgl. § 1371 BGB). I. Deutsches internationales

Privatrecht

Nach dem aus Art. 15 EGBGB abzuleitenden Grundsatz bestimmen sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nach dem Heimatrecht des Mannes 14. Dieses Güterrechtsstatut ist nach h. M. unwandelbar; es gilt das Heimatrecht des Mannes bei der Heirat15. Da der Erblasser zur Zeit der Heirat Brite war und aus England stammte, verweist das deutsche internationale Privatrecht auf das Recht von Großbritannien und weiter auf englisches Recht19. Eine Rückverweisung des englischen internationalen Privatrechts ist wiederum zu beachten (Art. 27 EGBGB). 13 14 15 18

Vgl. Art. 25 S. 1 EGBGB, Kegel 355 f. BayObLGFamRZ 1959, 357/359; Siebert-Kegel, Art. 15, Rdn. 1 (765). Siebert-Kegel, Art. 15, Rdn. 4 (766), mit weiteren Nadiweisen. Vgl. oben B I.

520

Erbrecht

II. Englisches Internationales

Privatrecht

Güterrechtsstatut nach englischem internationalem Privatrecht ist für bewegliches Vermögen das Recht des ehelichen Wohnsitzes („matrimonial domicil"). Ehelicher Wohnsitz ist grundsätzlich der Wohnsitz des Mannes zur Zeit der Heirat. Für unbewegliches Vermögen ist Güterrechtsstatut das Recht des Lageortes Bei den strengen Anforderungen, die das englische Recht an die Begründung eines „domicil of choice" stellt, kann es zweifelhaft sein, ob der Erblasser zur Zeit seiner Heirat (1950) sein „domicil" bereits in Deutschland hatte. Doch kommt es darauf nicht an. Das englische Ehegüterrecht ist - im Gegensatz zum deutschen - nicht unwandelbar. Wird das „matrimonial domicil" geändert, so paßt sich das Ehegüterrecht dem an, wobei allerdings vertraglich gesicherte Rechte unberührt bleiben 18 . Selbst wenn also zur Zeit der Heirat der Erblasser noch keinen „animus manendi" gehabt haben sollte - das ist freilich unwahrscheinlich, denn dieser kommt gerade durch die Heirat und Begründung eines Hausstandes zum Ausdruck - , so ist das unschädlich, da er jedenfalls später ein deutsches „domicil" erworben hat. Stellt das von uns berufene Recht bei seiner Rückverweisung auf einen späteren Zeitpunkt ab, so folgen wir dem, ungeachtet unseres eigenen Prinzips der Unwandelbarkeit 1 9 . Da die Eheleute also ein deutsches „matrimonial domicil" erworben haben, ist deutsches Ehegüterrecht anwendbar.

D. ERGEBNIS

Der bewegliche und der in Deutschland belegene unbewegliche Nachlaß unterliegen deutschem Recht. Bezüglich des beweglichen und des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens gilt deutsches Ehegüterrecht.

17 Vgl. Graveson 304; Cheshire 458; Dicey-Morris, Conflict of Laws (7. Aufl. 1958) 655; jeweils mit weiteren Nachweisen. 18 Graveson 304; Dicey-Morris 657; teilweise abweichend Cheshire 460-464; jeweils mit weiteren Nachweisen. 19 Siebert-Kegei, Art. 15, Rdn. 37 (772), mit weiteren Nachweisen.

Gesetzliche Erbfolge /

USA-Oiegon

521

Nr. 51 USA - Oregon 1. Einordnung der Rechtsnatur des LAG-Anspruchs unter den Begriff „movable" i. S. des Erbrechts von Oregon im Wege der faktischen Angleichung. 2. Wertung einer Verzichtserklärung i. S. des Erbrechts von Oregon als Ausschlagung. 3. Problematik bei der Beschränkung der „Verzichtserklärung" auf den in der BRD belegenen LAG-Anspruch. 4. Besonderheiten des gesetzlichen Erbrechts nach dem Recht von Oregon und der danach zu erteilende Erbsebein. München EV 122/66 vom 16. 6.1966

SACHVERHALT Am 13. 7.1965 verstarb in Oregon der amerikanische Staatsangehörige Josef L. Der Erblasser stammte aus Ungarn, hatte sich aber offenbar für ständig in Oregon niedergelassen. Nach einer Auskunft des Deutschen Konsulats in Portland/Oregon hat er die amerikanische Staatsangehörigkeit bereits 1957 erworben. Audi hatte er in W. L./Oregon seine eheliche Wohnung. Der Erblasser starb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Am 14. 1. 1966 wurde von dem Notary Public Helma A. T. in Portland ein Erbscheinsantrag der Witwe des Erblassers beurkundet. Dabei erklärte die Witwe, daß sie das Erbrecht annehme. Sie überreichte gleichzeitig ein Schriftstück mit der Überschrift „Verzichterklärung". Diese Erklärung lautet: „Wir, die unterzeichneten Kinder ..., erklären hiermit, daß wir zu Gunsten unserer M u t t e r . . . auf unser gesetzliches Erbteil nach unserem Vater verzichten, soweit dieses Erbteil sich auf . . . Lastenausgleich bezieht."

Die Erklärung ist von den sechs Kindern des Erblassers unterschrieben, wobei die Unterschriften 1, 2, 3, 6 von dem deutschen Konsulat in Portland/Oregon beglaubigt sind. Die Unterschriften 4 und 5 wurden vor dem Notar Edgar A. A. in H./Kalifornien gezeichnet. Nach einer Stellungnahme des Deutschen Konsulats in Portland/Oregon erbt nach dem Recht von Oregon die Witwe alles und bekommen die Kinder des Erblassers erst den Überrest nach ihrem Tode. Beantragt wird die Ausstellung eines Erbscheins für die Erblasserwitwe als Alleinerbin. Das anfragende Gericht erbittet aufgrund dieses Sachverhalts eine gutachtliche Stellungnahme zum Erbscheinsantrag.

522

Erbrecht

A. DAS ANWENDBARE RECHT

I. Die maßgeblichen Regeln des deutschen Kollisionsrechts hinsichtlich dei gesetzlichen Erbfolge Da der Erblasser die amerikanische Staatsangehörigkeit zur Zeit seines Todes besaß, findet hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge zunächst eine Verweisung auf das Recht der Vereinigten Staaten und des näheren auf das Recht von Oregon statt 1 , da die USA keine bundeseinheitliche Privatrechtsordnung kennen. Vor einer Anwendung des danach maßgeblichen materiellen Rechts von Oregon ist jedoch die Frage einer Rückverweisung zu prüfen, denn die deutschen Kollisionsregeln und insbesondere auch Art. 25 EGBGB gehen vom Grundsatz der Gesamtverweisung aus, vgl. Art. 27 EGBGB.

II. Das Problem der Rückverweisung durch die des Staates Oregon

Kollisionsregeln

Die mit dem Erbrecht befaßten Vorschriften der Oregon Revised Statutes Band I Titel 12, „Estates of Decedents" enthalten kollisionsrechtliche Regeln nicht. Es wird daher für Oregon in gleicher Weise wie für die übrigen Staaten erforderlich, auf das sog. Common Law zurückzugreifen, das zwar unter organisatorischen Gesichtspunkten als Recht der Einzelstaaten verstanden wird, inhaltlich jedoch zur Ausbildung gleichlautender Regeln geführt hat. Dies erlaubt es, von den allgemeinen Regeln auch für Oregon auszugehen, sofern sich nicht Abweichungen dieses Rechts besonders ergeben. Festzustellen ist, daß das Konfliktsrecht auf dem Gebiet des Erbrechts übereinstimmend in den Vereinigten Staaten zwischen der Erbfolge in unbewegliches und bewegliches Vermögen unterscheidet. Die Erbfolge in unbewegliches Vermögen richtet sich nach der lex rei sitae, in bewegliches Vermögen nach dem Recht des Erblasserdomizils 2 . Bestätigt wird dies gleichfalls durch die Regeln in section 245 und 303 des Restatement of the Law of Conflict of Laws, 1934, des American Law Institute, einem privaten, aber in hohem Ansehen stehenden Kompilationsversuch der richterrechtlich entwickelten Regeln. Da das Kollisionsrecht von Oregon keine 1 Vgl. Art. 25 Satz 1 EGBGB und Soergel-Kegel, 9. Aufl. Randz. 3 vor Art. 24 EGBGB. 2 Vgl. Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Band II USA Grdz. C I Randz. 36.

Gesetzliche

Erbfolge /

USA-Oregon

523

Sondernormen erkennen läßt, ist also für diesen Fall von der kollisionsrechtlichen Nachlaßspaltung auszugehen. Es wird deshalb erforderlich, die Rechtsnatur des Lastenausgleichsanspruchs als „movable" oder „immovable" zu bestimmen. In der amerikanischen Literatur werden diese Begriffe teilweise identisch gebraucht mit „real" und „personal property" 3 . In diesem Sinne sind sie etwa verwendet in section 208 des Restatements, wo es in deutscher Ubersetzung heißt: Ob ein Recht (interest) an einem körperlichen Gegenstand „real" oder „personal property" ist, bestimmt sich nach dem Recht des Belegenheitsstaates.

Daher stellen Feiid-Firsching Randz. 36 c fest, daß auch die Qualifikation als „movable" oder „immovable" nach dem Belegenheitsstatut vorzunehmen ist. Keine Zweifel ergeben sich daran, daß der LAG-Anspruch als bei einer deutschen Behörde erfüllbar in Deutschland belegen ist. Demnach müßte auch die Qualifizierung des Anspruchs nach deutschem Recht erfolgen. Dem deutschen Recht ist nun aber die Begriffsunterscheidung des amerikanischen Rechts fremd. Wenn es in Deutschland die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen gibt, so hat das nichts mit den amerikanischen Begriffen „movable" und „immovable" zu tun. Hiervon geht auch der BGH in der Entscheidung vom 5. 6.1957 = IPRspr. 1958/ 1959 Nr. 146 aus. Er hat deshalb im Wege einer faktischen Angleichung, die freilich als solche nicht gekennzeichnet wird, einen eigenständigen deutschen Qualifikationsbegriff geschaffen, um auf diese Weise Rückerstattungsansprüche in das System des amerikanischen Kollisionsrechts einordnen zu können. Maßgeblich soll danach sein, ob der Rückerstattungsanspruch nach REG auf ein unbewegliches Gut im deutschen Sinne gerichtet ist, oder aber ob es sich nur um eine Ersatzleistung in Geld handelt. Ersterer soll „immovable", letzterer „movable" sein. Der vom BGH entwickelte Maßstab kann auch für den LAG-Anspruch verwendet werden. Dabei ist davon auszugehen, daß die Präambel des LAG ausdrücklich die Ansprüche auf das zurückgelassene Vermögen der Betroffenen unberührt läßt und vorbehält. Der Ausgleichsanspruch sollte also einen vorläufigen Ausgleich der Verluste darstellen und die Eingliederung der betroffenen Personenkreise erleichtern. Er ist damit aus einer grundlegenden Verbindung mit etwaigen unbeweglichen Vermögen herausgelöst und kann daher nur als movable qualifiziert werden. Damit beurteilt sich die Vererbung des LAG-Anspruchs nach dem Recht des Erblasser-Domizils, so daß es bei der Anwendung des Rechts des Staates Oregon verbleibt, da im Gegensatz zu sonst häufigen Fallgestaltungen der vorgelegte Sachverhalt keinen Anlaß zu Zweifeln am Domizil des Erblassers in diesem Staate gibt. 3

Vgl. Schwenn, N J W 1953, 1580.

524

Erbrecht

III. Geltungsbereich

des Erbstatuts

Da das Erbstatut über die im Erbrecht wurzelnden Erwerbs- und Verlustgründe der Erbenstellung entscheidet, ist davon auszugehen, daß sowohl die Möglichkeit einer Erbausschlagung, aber auch einer Erbauseinandersetzung sich nach dem Erbstatut beurteilt 4 .

B. DAS ANZUWENDENDE MATERIELLE RECHT

I. Das auf die Erbausschlagung anzuwendende materielle Recht 1. Die Rolle der Ausschlagung im Recht des Staates

Oregon

a) Grundsatz W i e die meisten amerikanischen Staaten kennt auch das gesetzliche Erbrecht von Oregon keine Möglichkeit zur Ausschlagung 5 . b) Die Systematik des Rechts von Oregon Die Auswirkungen des Fehlens eines der deutschen Ausschlagung entsprechenden Instituts wird nur verständlich, wenn man sich über die Eigenarten der englischen und amerikanischen Nachlaßabwicklung Klarheit verschafft. Dabei ist grundsätzlich zwischen der Abwicklung nach Einleitung eines probate-Verfahrens und ohne ein solches zu unterscheiden. Die im Rahmen eines Verfahrens vor dem Nachlaßgericht auf Antrag stattfindende Abwicklung des Nachlasses erfolgt durch Bestellung eines „personal representative" durch das Nachlaßgericht, der den Nachlaß vertritt und Forderungen eintreibt oder Schulden begleicht. In diesem Stadium des Verfahrens haben die Erben mit dem Nachlaß praktisch nichts zu tun, auch wenn sie als Titelträger zu betrachten sind. Ist die Abwicklung des Nachlasses beendet, so nimmt der Nachlaßverwalter die Aufteilung des Reinnachlasses an die Beteiligten vor 6 . Neben diesem ordentlichen Nachlaßverfahren sehen die Oregon Revised Statutes bei kleineren Nachlässen ein besonderes Abwicklungs- und Verteilungsverfahren vor, das vereinfacht ist, hier jedoch nicht weiter interessiert 7 . Ist jedoch die Durchführung eines amtlichen Verfahrens nicht beantragt, weder von den Beteiligten noch von etwaigen Gläubigern, so wird sehr häufig die Befriedigung der Gläubiger durch die Erben selbst vorgenom4

6

8 7

Vgl. Soergel-Kegel, Randz. 16, 18 vor Art. 24 EGBGB. Vgl. Ferid-Firsching, Randz. 87 und Texte III Nr. 35 (Oregon). Ferid-Firsching, Randz. 256-258. Vgl. Ferid-Firsching, Texte 4.

Gesetzliche

Erbfolge

/

USA-Oregon

525

men und im W e g e gütlicher Einigung die Verteilung des Reinnachlasses vereinbart 8 . c) Folgerungen für den vorliegenden Fall Die Eigenart des amerikanischen Rechts ergibt, daß im Falle gesetzlicher Erbfolge eine Ausschlagung nach deutschem Recht nicht erforderlich wird, da ihre Funktion weitgehend von anderen Instituten erfüllt wird. Ist der Nachlaß überschuldet und eine „administration" durchgeführt, so werden Gläubiger, die ihre Ansprüche nicht geltend gemacht haben, ausgeschlossen. Eine persönliche Haftung des Erben scheidet dann aus und es besteht insoweit kein Anlaß zur Ausschlagung 9 . Ist der Nachlaß positiv, so hat es jeder Erbe in der Hand, durch Geschäft unter Lebenden die Leistung des auf ihn fallenden Erlöses von dem Miterben zu erzielen. Der hier nicht weiter interessierende Grund, dies nicht im W e g e einer Ausschlagung zuzulassen, dürfte u. a. in erbsteuerrechtlichen Erwägungen liegen, die hier nicht bedeutsam werden, da die LAG-Forderung nicht vom Erbsteuerrecht Oregons erfaßt wird 1 0 . Ist dagegen eine „administration" nicht durchgeführt worden, so liegt es an der Vereinbarung, wie die Erben untereinander den Nachlaß verteilen. Im Ergebnis können damit die gleichen Wirkungen wie mit einer Ausschlagung erreicht werden. Diese Rechtslage bei Intestaterbfolge wird noch stärker verdeutlicht, wenn man sie der bei testamentarischer Erbfolge allgemein für möglich gehaltenen Ausschlagung gegenüberstellt 1 1 . Auch nach amerikanischer Auffassung kann niemand gezwungen werden, eine testamentarische Zuwendung anzunehmen. Diese Ausschlagung enthält nichts anderes als einen Verzicht darauf, an der Ausschüttung des Nachlasses beteiligt zu sein. Dieser „Verzicht", der nicht etwa mit dem deutschen Erbverzicht gleichzusetzen ist, betrifft die Rechte des Betreffenden auf Ausschüttung des Reinnachlasses. Er ist keine erbrechtliche Erklärung, sondern eine bloße Erklärung des gewöhnlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs unter Lebenden. Das Ergebnis geht deshalb zunächst dahin, daß das amerikanische Recht Möglichkeiten bietet, die zwar mit einer Ausschlagung im deutschrechtlichen Sinn nicht gleichgestellt werden können, dennoch aber im Ergebnis entsprechende Wirkungen äußern. Das Institut erachtet es deshalb als angemessen, Rechtshandlungen des amerikanischen Rechts und insbesondere des Rechts von Oregon als Ausschlagung zu bewerten, sofern sie zum Ausscheiden eines Beteiligten aus der Verteilung des Nachlasses führen. 8

Vgl. Ferid-Firsching, Randz. 260 Ziffer c.

8

Vgl. Ferid-Firsching,

10 11

Nr. 258.

Vgl. Ferid-Firsching, Texte 6. Vgl. Ferid-Firsching, Randz. 87.

526

Eibrecht

Die Berechtigung für eine derartige Angleichung sieht das Institut darin, daß die Unterschiede des amerikanischen und deutschen Rechts nicht so stark im Ergebnis als vielmehr in der unterschiedlichen Systematik beider Rechtsordnungen liegen 12 . Es ist daher grundsätzlich als möglich zu betrachten, daß die „Verzichterklärung" der Kinder des Erblassers im Wege der Angleichung als Ausschlagung bewertet werden kann. 2. Problematik der Beschränkung der „Verzichterklärung" BRD belegenen LAG-Anspruch

aul den in der

Das besondere Problem des vorliegenden Falls ist weiter darin zu erblicken, daß die „Verzichterklärung" der Kinder sich nicht auf den Nachlaß insgesamt erstreckt und sie von jeder Teilhabe an der Nachlaßverteilung ausschließt, sondern nur für einen konkret bezeichneten Gegenstand des in Deutschland belegenen Nachlasses, beschränkt auf den LAG-Anspruch, abgegeben wurde. Wie Kegel, IPR 368, hervorhebt, paßt der Begriff „Erben" für die Rechtslage des amerikanischen Rechts an sich nicht. Es kann sich deshalb, wie Kegel zutreffend feststellt, auch nur darum handeln, einen im amerikanischen Sinne am Reinnachlaß Beteiligten als Erben im Sinne des deutschen Erbsdieins zu „bezeichnen" 13. Die Frage für das Erbscheinsverfahren lautet deshalb auch nicht, ob die Erblasserwitwe Inhaberin des LAGAnspruchs geworden ist, sondern ob sie es als Alleinerbin und das heißt als Gesamtrechtsnachfolgerin geworden ist. Diese Feststellung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil im Erbscheinsverfahren nur die Erbenstellung geprüft wird und daher ein aus amerikanischem Erbrecht Berechtigter nur dann im Erbschein als Erbe ausgewiesen wird, wenn sich seine Berechtigung am Nachlaß einer Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des deutschen Erbrechts angleichen läßt. Daß nur in diesem Fall eine Erbscheinsausstellung in Frage kommt, zeigen durchweg die in der deutschen Literatur anzutreffenden Erbscheinsmuster bei englischen und amerikanischen Erbfällen. Sie gehen einhellig von der Situation des noch unverteilten Nachlasses aus und enthalten dementsprechend auch keinen Hinweis, daß einzelnen Erben bestimmt bezeichnete Gegenstände oder Rechte zugewiesen sind. Vielmehr werden ausschließlich die am unverteilten Reinnachlaß bestehenden Anteilsrechte der einzelnen Miterben bezeichnet 14 . Dagegen ist es nicht möglich, in dem 12

Vgl. Soergel-Kegel, Randz. 71 vor Art. 7 EGBGB, Kegel, IPR (2. Aufl., 106 f.). Ähnlich Raape, IPR (5. Aufl.) 452. 11 Dies gilt etwa für Kegel, IPR 369, Ferrid-Firsching, Randz. 63 a am Ende. Schwerin, N J W 1952, 1115 f. will den Erbschein dahingehend ausstellen, daß die Erben und ihre Erbteile unter Hinweis auf das maßgebliche Recht des US-Staates anzugeben seien. Ähnlich auch Staudinger-Firsching, Randz. 23 zu § 2369 BGB, wonach der Erbschein nur die Zuteilungsberechtigung am Reinnachlaß ausweisen 13

Gesetzliche

Erbfolge

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USA-Oregon

527

Erbschein einzelne Gegenstände aufzuführen15 und die Sonderrechte der Erben oder einzelner von ihnen zu bezeichnen. Dies folgt daraus, daß der Erbschein - auch der Fremdenrechtserbschein des § 2369 BGB - allgemein das Erbrecht hinsichtlich der im Inland befindlichen Nachlaßwerte bezeugt. Hiergegen kann auch nicht geltend gemacht werden, daß im Inland gerade nur ein bestimmter Nachlaßgegenstand vorhanden ist, denn dies ist eine rein tatsächliche Frage, die das Nachlaßgericht im Erbscheinsverfahren nicht prüfen kann. Legt man diese Erwägungen für den vorliegenden Fall zugrunde, so kann nicht davon gesprochen werden, daß die Witwe im Sinne eines auf die im Inland belegenen Nachlaßwerte beschränkten Erbscheines Alleinerbin ist. Sie hat nämlich eine etwaige Rechtsinhaberschaft an dem LAGAnspruch nicht infolge eines Ausscheidens der Kinder des Erblassers aus der Gesamtrechtsnachfolge erlangt, sondern dadurch, daß durch die Verzichterklärung dieser Anspruch aus der Gesamtrechtsnachfolge herausgelöst werden sollte. Im übrigen aber haben die Kinder auf etwaige weitere in Deutschland belegene Rechte privater oder öffentlicher Natur wie etwa Ansprüche nach dem BEG, nicht verzichtet. Wollte das Nachlaßgericht unter den gegebenen Umständen dennoch einen Erbschein ausstellen, so müßte es unzulässigerweise den Nachlaß in zwei Teile aufspalten. Ein Teil wäre die alleinige Erbenstellung der Witwe an dem aus dem LAG-Anspruch bestehenden Nachlaßteil, der zweite der Restnachlaß mit gesetzlicher Erbfolge nach Oregon-Recht. Bei einer solchen Erbscheinsfassung zeigt sich, daß die Witwe hinsichtlich des LAG-Anspruchs nicht mehr als Teilgesamtrechtsnachfolgerin, sondern als Sondernachfolgerin erscheinen würde. Das aber bedeutet, daß die Stellung, die sie etwa durch die Verzichterklärung der Kinder an dem LAG-Anspruch erworben hat, nicht dem Begriff des Erben im Sinne des deutschen Erbscheins angeglichen werden kann. Der Erbschein muß deshalb ohne Rücksicht auf die Verzichtserklärung abgefaßt werden. 3. Die Qualifizierung der Verzichtserklärung bei Verneinung einer Alleinerbenstellung der Witwe hinsichtlich des LAG-Anspruchs Kann in dem Verzicht der Kinder des Erblassers wegen seiner gegenständlichen Beschränkung keine im Wege der Angleichung zu erzielende Ausschlagung mit der Folge des Eintritts der Witwe als Alleinerbin gesehen werden, so fragt sich doch, ob diese Erklärungen und eine konklusoll. Dies hängt damit zusammen, daß der Erbschein lediglich dazu dient, den Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers zu legitimieren, Schwerin 1114. Raape, IPR (5. Aufl.) 452, will dementsprechend den amerikanischen, am Reinnadilaß berechtigten „heir" als „mittelbaren Gesamtrechtsnachfolger" in den Erbschein aufnehmen, ähnlich auch Fiisching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 1964, 30. 15 Ferid-Firsching, Deutschland, Randz. 69.

528

Erbrecht

dente Annahme durch die W i t w e nicht als Auseinandersetzungsvereinbarung betrachtet werden kann. Dieses Ergebnis könnte nur im W e g e der Angleicäiung erreicht werden, denn eine besondere Erbauseinandersetzung kennt das amerikanische Recht nicht. Grundsätzlich geht die Verteilung so vor sich, daß der vom Nachlaßgericht bestellte „administrator" nach Begleichung der Schulden, Einziehung der Forderungen und Ausschluß ungemeldeter Gläubiger eine Schlußrechnung erstellt. Aufgrund dieser Schlußrechnung erläßt dann der „probate court" ein „decree of distribution", das einen vollstreckbaren Titel darstellt und nur unter eng begrenzten Voraussetzungen anfechtbar ist16. Daneben ist oben bereits gezeigt worden, daß die Parteien auch das ordentliche Nachlaßverfahren völlig umgehen und nach Begleichung der Schulden zur freien Nachlaßverteilung schreiten können. Festzuhalten ist zunächst, daß sich die Befugnis des amerikanischen Nachlaßgerichts auf die in seinem Jurisdiktionsbereich liegenden Nachlaßwerte beschränkt, was schon daraus folgt, daß der „administrator" ein territorial gebundenes Amt ist17. Eventuelle gegenseitige Anerkennungen im inneramerikanischen Raum haben ihre Wurzel in dem Bundesverfassungsrecht und berühren das Verhältnis zum Ausland nicht. Ein Verteilungsbeschluß könnte daher Nachlaßgegenstände im Ausland nicht erfassen. Andererseits ist das amerikanische Verfahren in Deutschland nicht nachvollziehbar. Die einzige Möglichkeit, hier zur Verteilung eines amerikanischen Nachlasses zu gelangen, ist deshalb die vorstehend erwähnte Teilung durch Vereinbarung. Da das Wesen dieser Vereinbarung gerade darin besteht, die Reinnachlaßmasse aufzulösen, ist davon auszugehen, daß sie als eine Vereinbarung im Rahmen einer Erbauseinandersetzung verstanden werden kann. Dabei ist insoweit darauf hinzuweisen, daß Erbauseinandersetzungen und ihr Vollzug durch Rechtsübertragungen zwar die Erteilung eines Erbscheins nicht verhindern, andererseits aber in den Erbschein nicht aufzunehmen sind18. Auch als Erbauseinandersetzungserklärungen können die Verzichte der Erblasserkinder daher nichts an der Ausstellung eines Erbscheins nach dem gesetzlichen Erbrecht von Oregon hindern.

16 17 18

Vgl. Ferid-Firsching, USA, Randz. 292. Vgl. Schwerin, N J W 1952, 1114. Vgl. BayObLGZ 18, 225, Staudinger-Firsching,

Randz. 81 zu § 2353 BGB.

Gesetzliche

Erbfolge

/

USA-Oiegon

529

II. Die gesetzliche Erbfolge nach dem Recht von Oregon und der danach zu erteilende Erbschein 1. Die gesetzlichen

Vorschriften

des Staates

Oregon

Als völlig unverständlich muß die Erklärung des deutschen Konsulats in Portland/Oregon bezeichnet werden, daß nach dem Recht von Oregon die Witwe alles erbt. Diese Behauptung geht so sehr an der Rechtslage vorbei, daß sie nur durch die Annahme erklärt werden kann, daß das deutsche Konsulat sie ohne Zuhilfenahme der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der Oregon Revised Statutes aufgestellt hat. Dieser in seiner Art wohl einmalige Vorgang ist wenig geeignet, die Rechtsklärung im internationalen Bereich zu erleichtern. Die Stellungnahme des deutschen Konsulats ist daher nur als fehlgeleiteter Versuch zu werten, den Beteiligten die Verfolgung ihrer Rechte zu vereinfachen. Die im Titel 12, chapter 111 sect. 030 der Oregon Revised statutes enthaltene Vorschrift 19 lautet in ihrem hier interessierenden Teil: „(4) If the intestate leaves a surviving spouse and issue, such surviving spouse is entitled to receive one-half of the residue of the personal property; u

(4) Wird der Erblasser von seiner Witwe und Abkömmlingen überlebt, so ist die Witwe zu einer Hälfte am personal property berechtigt.

Hinsichtlich der übrigen Hälfte verweist Ziffer 3 aaO auf section 020. Nach dessen Ziffer 1 gilt das Prinzip der gleichen Anteile. Bevor danach die Fassung des Erbscheins dargestellt wird, ist noch auf sect. 030 Ziffer 1 aaO hinzuweisen: „(1) If the intestate leaves a widow, she shall be allowed all articles of her apparel and ornament, . . . and such property and provision for the use and support of herself and minor children as shall be allowed and ordered in pursuance of ORS 116.005 to 116.020."

(1) Wird der Erblasser von seiner Witwe überlebt, so sollen ihr alle Gegenstände ihrer Kleidung und ihres Schmuckes zugestanden werden. Dieses Eigentum und die Vorsorge für den Gebrauch und ihren eigenen als auch der minderjährigen Kinder Unterhalt soll nach ORS chapter 116.005 bis 116.020 zugestanden und verfügt werden.

Das Institut weist auf diese Vorschrift ganz besonders deshalb hin, weil bei Ferid-Firsching, USA Randz. 63 a ganz allgemein dieses Zugeständnis als Vorweg der Witwe bezeichnet wird. Dagegen zeigt sich bei Oregon, daß die Vorschrift nur dazu bestimmt ist, für die Witwe und die in ihrem Hause lebenden minderjährigen Kinder bis zum Abschluß des Erbschaftsverfahrens den Lebensunterhalt zu sichern. Eine Vorausberechtigung der 19

34

Hier zitiert nadi Prentice-Hall, Wills, Estate and Trust Service Band 2 Z. 2702.

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

530

Erbrecht

Witwe liegt darin nicht, mag ihr auch in den Rechtsordnungen anderer Staaten, wie etwa New York, eine derartige Wirkung zukommen. Klar ergibt sich das aus Martindale-Hubbel, Law Directory 1965, Band IV, Oregon, Executions (Allowances), 1614. Dort heißt es wörtlich: „Until the inventary has been filed, the widow or surviving husband and the minor children may remain in possession of the homestead, furniture, etc. The court may, by order, provide for the widow and minor children pending administration."

Bis zur Aufstellung des Nachlaßinventars (sc. in Durchführung der „administration") können der überlebende Ehegatte und die Kinder im Besitz von Wohnung und Möbeln bleiben. Durch Beschluß kann das Gericht während der „administration" für die Witwe und die minderjährigen Kinder Vorsorge treffen.

Handelt es sich bei der „allowance" nur um vorläufige Regelungen zugunsten der Witwe und Kinder, so haben sie audi keinen Einfluß auf die endgültige Zuteilungsberechtigung. Sie verlieren vielmehr mit dem Abschluß der „administration" ihre rechtliche Bedeutung. Bei der Erteilung eines Erbscheins spielt daher die „allowance" für die Witwe und die minderjährigen Kinder keine Rolle. 2. Der danach zu erteilende

Erbschein

Der Erbschein hat danach folgenden Wortlaut: „Unter Beschränkung auf den im Inland belegenen Nachlaß wird bezeugt, daß der am 13. Juli 1965 in W. L./Oregon verstorbene Josef L. in Anwendung des Rechts von Oregon beerbt wurde 1. von seiner Ehefrau Theresia L. zur Hälfte, 2. von seinen Kindern ... zu gleichen Teilen zur anderen Hälfte." Die grundsätzlich eintretende „administration" ist nach ganz einhelliger Auffassung zu vermerken. Die gegenteilige Ansicht von Kegel hat sich nicht durchsetzen können 2 0 .

III. Schlußbemerkung

hinsichtlich des weiteren Vorgehens der

Witwe

Obwohl im vorliegenden Verfahren zur Auswirkung der hier gewonnenen Ergebnisse an sich nicht Stellung zu nehmen ist, soll abschließend dennoch kurz auf einige wesentliche Gesichtspunkte hingewiesen werden. Durch den auf alle Erben lautenden Erbschein wird vor dem Lastenausgleichsamt die Berechtigung der in der Verzichtserklärung aufgeführten Abkömmlinge des Erblassers und der Witwe zur Vornahme der Erbaus20

Vgl. Ferid-Firsching,

aaO, USA Randz. 63a.

Gesetzliche Erbfolge /

USA-Oregon

531

einandersetzung und ihre Verfügungsbefugnis über die zum Nachlaß gehörende Forderung nach dem LAG ausgewiesen. Die Abtretung als Durchführung der Auseinandersetzung unterliegt als Verfügungsgeschäft allerdings nicht dem Erbstatut, sondern wird gesondert angeknüpft. Dabei ist maßgeblich das Recht der abgetretenen Forderung 21 . Maßgeblich ist daher deutsches Recht. Handelt es sich also etwa um die LAG-Hauptentschädigung, so ist von der Formfreiheit der Abtretung auszugehen, da § 244 LAG keine besonderen Vorschriften aufstellt und deshalb die allgemeinen Abtretungsvorschriften des BGB in Betracht kommen. Es ist dann ausschließlich dem Lastenausgleichsamt übertragen, die Abtretung als Durchführung der Auseinandersetzung auf ihre Ordnungsmäßigkeit hin zu überprüfen.

IV.

Zusammenfassung

1.Die Erbfolge hinsichtlich des LAG-Anspruches beurteilt sich nach dem Recht von Oregon als Domizilrecht des Erblassers, da der Anspruch als „movable" zu qualifizieren ist. Dieses Recht entscheidet auch über die Erbausschlagung und Erbauseinandersetzung. 2. Der Erbverzicht der Abkömmlinge kann im W e g e der Angleichung zwar grundsätzlich als Ausschlagung gewertet werden, obwohl das Recht von Oregon eine Ausschlagung im deutschen Sinne nicht kennt. Voraussetzung ist aber, daß sich der Verzicht nicht nur auf einen bestimmten Nachlaßgegenstand bezieht. Er muß vielmehr auf die Gesamtbeteiligung gerichtet sein. 3. Der Verzicht zugunsten eines Erben, der sich nur auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, kann bei dem begünstigten Erben nur eine Sondernachfolge hinsichtlich des fraglichen Gegenstandes begründen. Eine solche Sondernachfolge begründet beim Begünstigten keine Alleinerbenstellung hinsichtlich des Gegenstandes, sondern stellt sich als Übertragung eines Einzeltitels im Rahmen einer Erbauseinandersetzung dar. Als solche ist sie im Erbschein nicht zu vermerken. 4. Der Erbschein ist deshalb ausschließlich nach dem Recht von Oregon zu erstellen und umfaßt daher sowohl die Abkömmlinge als auch die Witwe des Erblassers. 5. Der Erbschein weist jedoch die Berechtigung der Erben zur Auseinandersetzung des Nachlasses und zur Abtretung des LAG-Anspruchs auf die Witwe des Erblassers aus. Die Ordnungmäßigkeit der Abtretung ist von dem Ausgleichsamt zu prüfen, spielt aber im Erbscheinsverfahren keine Rolle. 21

34

Vgl. Soergel-Kegel,

Randz. 250 vor Art. 7 EGBGB.

2. TESTAMENT Siehe auch Nr. 66, 67 Nr. 52 Belgien (Eupen-Malmedy) 1. Fortgeltung deutschen Rechts in Eupen-Malmedy für einen 1921 geschlossenen Erbvertrag. 2. Wandelbarkeit des Güterrechtsstatuts bei Staatsangehörigkeitswechsel durch Gebietsabtrennung. 3. Formgültigkeit eines Testaments nach belgischem Recht. 4. Verfügungsbeschränkung eines Testators hinsichtlich letztwilliger Zuwendungen an einen zweiten Ehegatten, wenn Kinder aus einer früheren Ehe vorhanden sind, nach belgischem Recht. 5. Nießbrauch des überlebenden Ehegatten am Nachlaß nach belgischem Recht im deutschen Erbschein. 6. Errichtung einer Stiftung durch Verfügung von Todes wegen nach belgischem Recht. Köln 65/65 vom 7.10.1965 Das Amtsgericht Jülich hat das Institut mit Schreiben vom 19. 5.1965 und Nachtrag vom 13, 7.1965 in der Erbscheinssache Theodor M. um Erstattung eines Gutachtens gebeten. SACHVERHALT Am 25.10.1964 ist in St. Vith, seinem letzten Wohnsitz, der Erblasser Theodor M. verstorben. Ihn haben überlebt seine zweite Ehefrau, ein Sohn und eine Tochter. Die Tochter beantragt einen Erbschein. Vor dem Erblasser ist ohne Hinterlassung von Abkömmlingen seine ledige Tochter Maria M. verstorben. Der Erblasser war in erster Ehe mit Emma M.-D. verheiratet. Nach Mitteilung des Gerichts haben die Eheleute in den ersten Jahren des Jahrhunderts geheiratet und ihren Wohnsitz noch vor dem ersten Weltkrieg

Testament

/ Belgien

(Eupen-Malmedy)

533

in St. Vith genommen. Der Erblasser, früher Deutscher, erwarb später als Einwohner von Eupen-Malmedy die belgische Staatsangehörigkeit und behielt sie bis zu seinem Tod. Am 3. 8. 1921 errichteten die Eheleute M.-D. vor dem Notar Deu. in St. Vith einen Erb vertrag. In diesem setzten sich die Eheleute „gegenseitig zu Alleinerben" und ihre Kinder zu Nacherben ein. Im Falle der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten sollte die Nacherbfolge bereits mit dem Tage der Eheschließung eintreten. Die Eheleute erklärten: „Wir behalten uns den Widerruf vor." Im Jahre 1948 verstarb die erste Ehefrau des Erblassers. Im Jahre 1959 schloß er die Ehe mit seiner zweiten Frau Emma geb. Seh. Am 1.10. 1963 errichtete der Erblasser ein eigenhändiges Testament. Darin hat der Erblasser eine Stiftung gegründet und ihr sein ganzes Vermögen vermacht. Die Verwaltung der Stiftung hat er einem fünfköpfigen Verwaltungsrat übertragen. Als Mitglied des Verwaltungsrats hat er den Dechanten von St. Vith benannt mit der Befugnis, die anderen Mitglieder zu bestimmen. Die Stiftung soll wohltätigen Zwecken dienen. Sie hat nach der Anordnung des Erblassers „ihren Anfang erst nach dem Tode" seiner zweiten Frau. Dieser hat er bis zu ihrem Tode die Nutznießung an seinem ganzen Vermögen vermacht und ferner bestimmt, daß sie, wenn die Einkünfte aus dem Nießbrauch nicht ausreichen sollten, „irgendein Grundstück oder Wald verkaufen" kann. Im Testament hat der Erblasser weiterhin erklärt, daß seine Kinder „in betreff ihrer Rechte vollständig abgefunden worden sind durch das Vermögen, welches ich ihnen zugewendet habe, und zwar mittels verschiedener aufeinanderfolgender Akten". Eine Aufstellung der zugewendeten Werte besitze der Notar R. in Malmedy. Die Antragstellerin ist der Ansicht, das Testament von 1963 sei wegen der bindenden Wirkung des Erbvertrages von 1921 unwirksam. Sie beantragt einen auf die im Inland befindlichen Nachlaßgegenstände beschränkten Erbschein, in dem die beiden Kinder des Erblassers als Erben zu je V2 ausgewiesen werden. Es wird unterstellt, daß der inländische Nachlaß nur aus beweglichen Gegenständen (Bankguthaben und Wertpapieren) besteht (Schreiben des Bevollmächtigten der Antragstellerin, Dr. M., vom 22. 7.1965 Bl. 2; im Antrag auf Testamentseröffnung des Notars Dr. S. - Amtsgericht Jülich IV 169/65 Bl. 1 - wird freilich außerdem ein Grundstück in Koslar erwähnt). Das Gericht fragt an, ob der von dem Erblasser am 3.8.1921 mit seiner damaligen Ehefrau errichtete Erbvertrag wirksam ist und demnach die Bindungswirkung dieses Vertrages zur Unwirksamkeit des Testaments führt, und ob dabei der Güterstand der Eheleute M.-D. eine Rolle spielt.

534

Erbrecht

GUTACHTEN A. GÜLTIGKEIT UND WIRKUNGEN DES ERBVERTRAGS

I. Internationales 1. Deutsches internationales

Piivatiecht

Piivatiecht

Nach dem aus Art. 24 und 25 EGBGB abzuleitenden Grundsatz richtet sich die Beerbung eines Ausländers nach seinem Heimatrecht. Das Erbstatut entscheidet auch über die inhaltliche Gültigkeit und Wirkung von Verfügungen von Todes wegen 1 . Heimatrecht des Erblassers ist das belgische Recht, da der Erblasser schon vor dem Abschluß des Erbvertrages die belgische Staatsangehörigkeit erworben hatte. Denn die im Versailler Vertrag (Art. 33 ff.) vorgesehene Abtretung der deutschen Kreise Eupen und Malmedy (zu dem St. Vith gehörte) wurde mit dem 10.1.1920 wirksam. Nach der Ratifikation der Volksabstimmung in den genannten Kreisen durch den Völkerbund am 20.9.1920 wurde der Souveränitätsübergang auf Belgien definitiv. Mit diesem Zeitpunkt verloren nach Art. 36 des Versailler Vertrags alle schon vor dem 1. 8.1914 in Malmedy wohnenden Deutschen ihre deutsche Staatsangehörigkeit und erwarben die belgische 2. Die Eheleute M. waren daher bei Abschluß des Erbvertrags am 3. 8.1921 belgische Staatsangehörige. Mit Rücksicht darauf kann dahingestellt bleiben, ob das Heimatrecht des Erblassers bei Abschluß des Vertrages oder beim Tode des Erblassers entscheiden soll. Im Hinblick auf evtl. Änderungen des belgischen internationalen oder materiellen Privatrechts ist darauf hinzuweisen: Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum an das Heimatrecht zur Zeit der Errichtung der Verfügung von Todes wegen angeknüpft wird 3 , soll lediglich der Fall des Staatsangehörigkeitswechsels besonders beurteilt, nicht aber das seinerzeit geltende ausländische Recht ohne Rücksicht auf seine intertemporalen Vorschriften angewandt werden 4 . Anzuwenden ist somit belgisches Recht einschließlich seiner zeitlichen und räumlichen Kollisionsregeln. Eine eventuelle Rückverweisung ist zu beachten 5 . 1 Kegel in Soergel-Siebert, Komm. z. BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), Bern. 3, 26, 27 vor Art. 24 und 25 EGBGB. 2 Vgl. dazu Nisot, La nationalité des habitants des cercles Eupen et Malmedy d'après le traité de paix de Versailles, Journal du droit international (Journal) 1921, 833-840, 834. 3 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 29-43 vor Art. 24, mit weiteren Nachweisen. 4 Vgl. Art. 24 Abs. 3 S. 1 EGBGB ; Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 29 vor Art. 24; allgemein Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 17. 8 Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. vor Art. 24, Bern. 74.

Testament

2. Belgisches

internationales,

/ Belgien

535

(Eupen-Malmedy)

inteitemporales

und interlokales

Recht

a) Gegenwärtiges belgisches internationales Privatrecht Beim Tode des Erblassers (1964) galt für das gesamte Staatsgebiet Belgiens grundsätzlich einheitliches, gewohnheitsrechtlich entwickeltes internationales Privatrecht. Es besagt: Gültigkeit und Wirkungen von Erbverträgen richten sich nach dem Erbstatut 6. Erbstatut ist für unbewegliches Vermögen das Recht des Ortes, an dem das Vermögen belegen ist, für bewegliches Vermögen das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers 7 . Der letzte Wohnsitz des Erblassers lag in St. Vith (Belgien). Für die Vererbung beweglichen Vermögens und in Belgien belegenen unbeweglichen Vermögens ist daher grundsätzlich belgisches Recht maßgeblich, ohne daß auf deutsches Recht zurückverwiesen wird. Da unterstellt wird, daß sich im Inland nur bewegliches Vermögen befindet, kann dahinstehen, ob im übrigen auf deutsches Recht zurückverwiesen wird. b) Räumliche Rechts Spaltung Das internationale Privatrecht Belgiens war zeitweilig räumlich gespalten. In den aufgrund des Versailler Vertrages von Deutschland an Belgien abgetretenen Gebieten galt zunächst deutsches Recht weiter. Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes v. 15.9.1919 (Loi concernant le gouvernement des territoires annexés à la Belgique par le traité de Versailles ..., Pasinomie 19191 Nr. 520) : „Les juridictions, tant belges que locales, appliqueront les lois, décrets et règlements en vigueur dans les territoires visés ci-dessus."

Die belgische und lokale Rechtspflege wendet diejenigen Gesetze, Verordnungen und Verfügungen an, die in den oben genannten Gebieten in Kraft sind.

Der Hohe Kommissar, dem durch Art. 1 des vorgenannten Gesetzes die Regierungsgewalt einschließlich des Rechts der Gesetzgebung über die abgetrennten Gebiete übertragen war, bestätigte im Dekret vom 15. 1. 1920, daß die deutsche Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivil-, Handels-, Straf- und Verfahrensrechts aufrechterhalten bleibe 8 . Damit galten auch die Regeln des EGBGB über das internationale Privatrecht fort 9 . Die Rechtseinheit wurde erst hergestellt durch Art. 1 der königlichen VO vom 28. 8. 8 De Vos, Le problème des conflits de lois (Brüssel 1946) I Nr. 366; Poullet, Manuel de droit international privé belge (3. Aufl. 1947) Nr. 322; Graulich, Principes de droit international privé (Paris 1961) Nr. 126. 7 De Vos, Nr. 317f. ; Poullet, Nr. 326; Graulich, Nr. 118. 8 Text nicht zugänglich, Inhalt mitgeteilt in Berufungsgericht (Cour dAppel) Liège, 8. 1. 1927, Pasicrisie 1927.2. 136. > Poullet, Manuel de droit international privé belge (3. Aufl. 1947) Nr. 250 bis.

Erbrecht

536

1926 (Arêté royal relatif à la mise e n vigueur des lois civiles et commerc i a l e s . . . , Pasimonie 1926 Nr. 448) : „A partir du janvier 1927, les lois civiles et commerciales en vigueur en Belgique ainsi que les arrêtés et règlements en exécution de ces lois, sont rendus obligatoires dans toute l'étendue des territoires rattachés à la Belgique par les articles 33, 34 et 35 du Traité de Versailles du 28 juin 1919."

Mit Wirkung vom 1. Januar 1927 werden die in Belgien geltenden Zivil- und Handelsgesetze sowie die zu ihrer Ausführung erlassenen Verordnungen und Verfügungen im gesamten Bereich der durch Art. 33, 34 und 35 des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1929 an Belgien abgetretenen Gebiete in Kraft gesetzt.

D i e s e Regelung b e z o g sich auch auf das internationale Privatrecht 1 0 . A l s der Erbvertrag geschlossen wurde (3.8.1921), galt somit in Belgien zweierlei internationales Erbrecht. Dieser Umstand ist erheblich, w e n n belgisches intertemporales Recht früheres internationales Privatrecht weiterhin für anwendbar erklärt. c) Intertemporales Recht Die durch die Rechtsänderung in d e n abgetretenen Gebieten entstanden e n Fragen suchen die Ubergangsbestimmungen der V O v. 28. 8 . 1 9 2 6 (s. o. A I 2 b) zu beantworten. Hier k o m m e n in Betracht: Art.X „Les donations faites entre époux sous l'empire de la loi ancienne conserveront le caractère d'irrévocabilité que leur attribue cette loi, sous réserve de l'application de l'article 299 du Code civil belge."

Die während der Herrschaft des alten Rechts vorgenommenen Schenkungen zwischen Ehegatten behalten die Unwiderruflichkeit, die ihnen dieses Recht gibt, vorbehaltlich der Anwendung des Art. 299 des belgischen Code civil.

Art. XI „Les substitutions fidéicommissaires contenues dans les pactes sur successions futures et les testaments conclus ou souscrits antérieurement à la mise en vigueur de la loi belge, mais venus à exécution postérieurement à cette date, conserveront les effets voulus par les contractants et les testateurs conformément aux §§ 2100 et suivants du Code allemand, alors même qu'elles seraient de celles prévues par l'article 896 du Code civil belge, sauf que les droits réciproques de l'avant et de l'ar-

10

Poullet aaO.

Die Einsetzung von Nacherben, die in den vor der Inkraftsetzung des belgischen Rechts geschlossenen oder unterschriebenen Erbverträgen und Testamenten enthalten sind, die aber erst nach diesem Zeitpunkt verwirklicht werden, behalten die von den Vertragschließenden oder den Testatoren gewollten Wirkungen entsprechend den §§ 2100 und folgenden des deutschen Gesetzbuches, selbst wenn sie die durch Art. 896 des belgischen Code civil geregelten Einsetzungen sind, außer daß

Testament / Belgien rière héritier seront déterminés par les articles 1053 et suivants du Code civil."

(Eupen-Malmedy)

537

die gegenseitigen Redite des Vor- und Nacherben durch die Artikel 1053 und folgende des Code civil bestimmt werden.

Ein Erbvertrag („institution contractuelle") ist nach allgemeinem belgischem Recht grundsätzlich unzulässig. Es handelt sich um einen Vertrag über eine noch nicht angefallene Erbschaft - der nach Art. 1130 Abs. 2 C. c. auch dann untersagt ist, wenn der Erblasser zustimmt - sowie um eine in Art. 943 C. c. grundsätzlich verbotene Zuwendung künftiger G ü t e r u . Vertragliche Verfügungen von Todes wegen können nur errichten: künftige oder gegenwärtige Ehegatten zugunsten des anderen Teils (Art. 1093 C. c.); Dritte zugunsten von künftigen Ehegatten und deren Kindern (Art. 1082 C. c.). Ehegatten können z.B. ihre Kinder nicht vertraglich bedenken 12 . Demgegenüber setzt Art. X I der Übergangsbestimmungen die Wirksamkeit von „pactes sur successsion future" in einem weiteren Fall - der Nacherbeneinsetzung - voraus. Daraus ist zu folgern, daß die Gültigkeit von vor dem 31.12.1926 geschlossenen Erbverträgen grundsätzlich nach früherem lokalem Recht beurteilt wird. Der am 3.8.1921 geschlossene Erbvertrag weist jedoch aus der Sicht allgemeinen belgischen Rechts Besonderheiten auf. So enthält er, soweit sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzten, eine „Schenkung unter Ehegatten". Der Begriff der „donation entre epoux" umfaßt nämlich nach belgischem Recht auch die „institution contractuelle" 1 S . Schenkungen unter Ehegatten sind nach allgemeinem belgischem Recht stets widerruflich (Art. 1096 Code civil). Indem Art. X der Ubergangsbestimmungen eine unter lokalem Recht begründete Bindung (Unwiderruflichkeit) respektiert, beurteilt es die Rechtsfolgen eines unter der Herrschaft lokalen Rechts geschaffenen Tatbestands weiterhin nach diesem Recht. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall der Scheidung (Art. 299 C. c.); sie liegt hier nicht vor. Soweit im Erbvertrag vom 3.8.1921 die Kinder zu Nacherben eingesetzt wurden, handelt es sich um eine „substitution fideicomenissaire" 1 4 . Sie ist nach allgemeinem belgischem Recht grundsätzlich verboten (Art. 896 C. c.). Vom Verbot ausgenommen sind Verfügungen von Eltern zugunsten ihrer Kinder als Vorerben und Enkeln als Nacherben (Artt. 897, 1048 C. c.) sowie Verfügungen zugunsten von Geschwistern als Vorerben und deren Kindern als Nacherben (Artt. 897, 1049 C. c.). Indem Art. X I der über11 Vgl. de Page, Traité élémentaire de droit civil beige (Brüssel 1947) , VIII/2 Nr. 1611 C, 1621. 12 Vgl. den Überblick bei de Page Nr. 1621. 15 Répertoire pratique du droit belge, Bd. IV (Brüssel-Paris 1950) sub. „Donations et testaments", Nr. 707-709; Dekkers, Précis de droit civil belge, Bd. III (Brüssel 1955) Nr. 1032. 14 Dekkers Nr. 1503-1508.

538

Erbrecht

gangsbestimmungen darüber hinaus die Einsetzung von Nacherben allgemein - trotz Art. 896 C. c. - für gültig erachtet, werden gleichfalls Rechtsfolgen eines unter lokalem Recht geschaffenen Tatbestandes nach diesem Recht beurteilt. Für die Rechtsbeziehungen zwischen Vor- und Nacherben gelten jedoch kraft ausdrücklicher Anordnung des letzten Halbsatzes von Art. XI die Art. 1053 ff. C. c. Hierin w e r d e n Bestimmungen über den Schutz d e s Nacherben, der Gläubiger des Vorerben, über Inventarerrichtung, Anlage von Einkünften und Registrierung getroffen (vgl. hierzu im einzelnen unten A l l 3). In den Übergangsbestimmungen nicht ausdrücklich erwähnt wird eine mehrseitige Verfügung von Todes wegen. Nach allgemeinem belgischem Recht können mehrere Personen nicht in ein und derselben Urkunde testieren, sei es zugunsten Dritter, sei es gegenseitig (Art. 968 C. c.). Ferner können Ehegatten während der Ehe in ein und derselben Urkunde sich weder unter Lebenden noch von Todes wegen gegenseitig beschenken (Art. 1097 C. c.). Die Übergangsbestimmungen regeln jedoch die Tatbestände, die weiterhin nach lokalem Recht beurteilt werden, nicht abschließend. Vielmehr heißt es im Begründungsbericht an den König 1 5 : „Si, dans les textes ci-joints, nous avons cru bon de formuler quelquesunes des conséquences qui résulteront de l'introduction de la législation belge dans les cantons rédimés, c'est, dans certains cas, à titre exemplatif et pour éviter toute équivoque; dans d'autres cas pour réserver formellement certains droits acquis qui pourraint être considérés comme incompatibles avec la mise en vigueur de certaines dispositions de notre législation auxquelles est rattaché un caractère d'ordre public."

Wenn wir es im beigefügten Text (sc. der Verordnung) für gut erachten, einige Rechtsfolgen, die sich aus der Einführung der belgischen Gesetzgebung in den befreiten Kantonen ergeben, zu formulieren, so geschieht dies in bestimmten Fällen beispielhaft und um jede Zweideutigkeit zu vermeiden; in anderen Fällen, um ausdrücklich gewisse wohlerworbene Rechte vorzubehalten, die als unverträglich mit der Inkraftsetzung bestimmter Vorschriften unserer Gesetzgebung betrachtet werden könnten, denen ordre public-Gehalt beigelegt wird.

Der Erbvertrag ist auch insoweit, als er gegenseitige Verfügungen mehrerer Personen enthält, ein Tatbestand, der unter altem Recht geschaffen wurde. Ihn aus diesem Grund für ungültig zu erklären, würde dem in Art. 2 C. c. enthaltenen allgemeinen Verbot rückwirkender Gesetze widersprechen. Dieser Grundsatz wurde im Begründungsbericht aaO ausdrücklich bekräftigt: 15

Rapport au Roi, Pasinomie 1926 Nr. 448 Anm. 1.

Testament / Belgien „En introduisant l'ensemble des lois civiles et commerciales en vigueur en Belgique dans les territoires rattachés à notre pays par le Traité de Versailles, nous n'entendons pas porter atteinte aux droits acquis sous l'empire de l'ancienne législation, et nous entendons respecter le principe de la non-rétroactivité des lois tel qu'il est consacré par l'article 2 du Code civil."

(Eupen-Malmedy)

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Mit der Einführung der Gesamtheit der in Belgien geltenden Zivil- und Handelsgesetze in den durch den Versailler Vertrag unserem Land angeschlossenen Gebieten beabsichtigen wir nicht, in die unter der Herrschaft der früheren Gesetzgebung erworbenen Rechte einzugreifen; wir beabsichtigen vielmehr, den Grundsatz der Nicht-Rückwirkung der Gesetze, so wie er durch Art. 2 des Code civil bestätigt wird, anzuerkennen.

Zudem verstieße die Annahme von Ungültigkeit mittelbar gegen den Zweck des Art.X d e r V O v. 28. 8.1926. Der Sinn des Verbotes der Artt.968, 1097 C. c. wird gerade darin gesehen, die Widerruflichkeit der Verfügungen zu sichern 16 . A r t . X dagegen schützt die Unwiderruflichkeit; damit sind auch Artt. 968 und 1097 C. c. ausgeschaltet. Der Erbvertrag vom 3. 8.1921 wird somit hinsichtlich Gültigkeit und Wirkungen - vorbehaltlich Artt. 1053 ff. C. c. - nach hüheiem lokalen Recht behandelt, wenn dieses seinerzeit auf ihn Anwendung fand. Dabei setzen die Übergangsbestimmungen voraus, daß früheres deutsches materielles Recht aufgrund früheren deutschen internationalen Privatrechts (EGBGB) anwendbar war. Damit richten sich implicite Gültigkeit und Wirkungen eines vor dem 31.12. 1926 geschlossenen Erbvertrages nach den Regeln früheren deutschen internationalen Privatrechts. Nur diese sind hier (bei Prüfung der Rückverweisung) erheblich. d) Interlokales Recht Deutsches internationales Privatrecht (als lokales internationales Privatrecht) ist nach belgischem intertemporalem Recht s. o. c) nur dann anzuwenden, wenn es bis zum 31.12.1926 für Gültigkeit und Wirkungen des Erbvertrags interlokal galt. Welches von mehreren internationalen Privatrechten über eine Rückverweisung bestimmt, hängt ab vom belgischen interlokalen Recht, wenn dieses räumlich nicht gespalten war 1 7 . Einheitliches interlokales Recht wurde jedoch durch Gesetz nicht unmittelbar geschaffen; denn Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes v. 15. 9.1919 (s. o. A I 2 b) regelt nicht interlokal-, sondern nur intertemporal-rechtlich, in welchen Fällen deutsches Recht weiter galt. Eine interlokale Regelung ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit 1 8 . Gemäß Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes v. 15. 9. 1919 wurden die abgetretenen Gebiete dem Gerichtsbezirk Verviers angeglie" Vgl. Répertoire pratique du droit beige Nr. 788; de Vos Nr. 407. 17 Kegel, IPR, 137 f. 18 Vgl. hierzu Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 109 vor Art. 7.

540

Erbrecht

dert; nach Abs. 2 blieben die lokalen Rechtspflegeorgane auf allen Gebieten zuständig, für die es der Hohe Kommissar so bestimmte. Lokale und „belgische" Rechtspflegeorgane hatten jedoch deutsches Recht weiter anzuwenden (Art. 4 Abs. 3, s. o. A I 2 b). Soweit „belgische" Organe ehemals deutsches Recht zu befolgen hatten, wurde offenbar vorausgesetzt, daß der eine Zuständigkeit begründende Tatbestand (Wohnsitz, Belegenheit) in den abgetretenen Gebieten eingetreten war. Doch richtete sich diese Zuständigkeit teils nach ehemals deutschen, teils nach belgischen Vorschriften. Einheitliche Regeln über die Gerichtsbarkeit bestanden daher nicht. Inwieweit die Gerichtspraxis ein einheitliches interlokales Privatrecht entwickelt hat, läßt sich angesichts der wenigen veröffentlichten Entscheidungen nicht sicher feststellen 19 . Die Anknüpfungsmöglichkeiten für die hier zu beantwortenden Rechtsfragen sind jedoch begrenzt. Angesichts der Regelung des belgischen internationalen Privatrechts ist wahrscheinlich, daß sich die Gültigkeit des Erbvertrages auch interlokal nach dem am Wohnsitz des Erblassers geltenden Recht richtet, soweit bewegliches Vermögen betroffen wird. Nach derzeitigem deutschem interlokalem Recht, das als lokales belgisches Recht die interlokale Regelung beeinflussen könnte, war ohne Rücksicht auf die Lage des Vermögens das Recht am letzten Wohnsitz des Erblassers maßgeblich 20 . Interlokales belgisches Recht konnte daher nur hinsichtlich der Vererbung unbeweglichen Vermögens einen unterschiedlichen Inhalt haben. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasser solches Vermögen außerhalb des abgetretenen Gebietes - und damit außerhalb des Rechtsgebietes seines Wohnsitzes - in Belgien besaß. Soweit ihm Grundstücke in Deutschland gehörten, träfe eine interlokale Verweisung auf das Recht des Lageortes ins Leere. Interlokal maßgeblich war daher allein das im abgetretenen Gebiet geltende internationale Privatrecht - sei es als Wohnsitz - , sei es als Belegenheitsrecht. Zum selben Ergebnis führt eine Anknüpfung an (gegenwärtiges) deutsches interlokales Recht, die hilfsweise dann vorzunehmen ist, wenn auch das ausländische interlokale Recht gespalten ist. Entscheidend ist der gewöhnliche Aufenthalt des Verfügenden, der sich hier mit seinem Wohnsitz deckt 21 . Gültigkeit und Wirkungen des am 3. 8.1921 geschlossenen Erbvertrages beurteilen sich somit nach dem Recht des EGBGB als lokalem belgischen internationalen Privatrecht. Dieses verweist nicht auf reichsdeutsches Recht zurück. Vgl. die bei Poullet 276 Anm. 2 mitgeteilten Entscheidungen. Vgl. Niemeyer, Das in Deutschland geltende internationale Privatrecht (1894) 86 (Bayern), 92 (Gemeines Recht), 99 (rheinisches Recht), 102 (Sachsen). 21 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 10 vor Art. 7; IPR, 138f. mit weiteren Nachweisen. 19

20

Testament / Belgien

(Eupen-Malmedy)

541

e) Zwischenergebnis Weder allgemeines noch intertemporal und interlokal anwendbares lokales belgisches internationales Erbrecht verweist auf deutsches Recht zurück, soweit bewegliches und in Belgien belegenes unbewegliches Vermögen vererbt wird. II. Belgisches materielles 1. Maßgebliches

Recht

Recht

Auch das materielle belgische Recht war zeitweilig gespalten. Aufgrund von Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes v. 15.9.1919 (Text oben A I 2 b) sowie des Dekretes vom 15.1.1920 (s. o. A I 2b) galt in den abgetretenen Gebieten zur Zeit des Abschlusses des Erbvertrages ehemals deutsches materielles Recht fort. Nach derzeitigem interlokalem Recht beurteilen sich Gültigkeit und Wirkungen des Erbvertrages nach diesem Teilrecht, da die Vertragschließenden im abgetretenen Gebiet wohnten und etwaiges unbewegliches Vermögen dort belegen war (s. o. A I 2 d). Gemäß belgischem intertemporalem Recht (Art. 2 C. c., Artt.X, XI VO v. 28.8.1926 i.V.m. ihrer Begründung) richten sich Gültigkeit und Wirkungen des Erbvertrages nach den Vorschriften des BGB vorbehaltlich Artt. 1053ff.C.c. (s. o. A I 2c). 2. Deutsches materielles

Recht (als belgisches

lokales

Recht)

Gemäß §§ 2274-2276 BGB war am 3.8.1921 ein wirksamer Erbvertrag geschlossen worden. Die im Erbvertrag getroffenen Verfügungen - Einsetzung des Ehegatten zum Vorerben, der Kinder zu Nacherben - waren nach § 2278 BGB zulässig. An sie war der Erblasser grundsätzlich gebunden. Die Vertragschließenden hatten sich den „Widerruf" vorbehalten. „Widerrufen" werden können nur Testamente. Doch können sich die Kontrahenten eines Erbvertrages den Rücktritt vorbehalten (§ 2293 BGB). Dies war hier offenbar gemeint. Nach dem Tode des anderen Vertragschließenden kann der Erblasser grundsätzlich durch Errichtung eines Testaments zurücktreten (§ 2297 S. 1 BGB). Wurden jedoch - wie hier - vertragsmäßige Verfügungen getroffen, so erlosch das Rücktrittsrecht mit dem Tode des anderen Vertragschließenden (§ 2298 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Vertragschließenden können jedoch mit der Wiederverheiratungsklausel Abweichendes bestimmt haben (§ 2298 Abs. 3 BGB). Sie lautet: „Falls der überlebende eine neue Ehe eingeht, tritt Nacherbfolge mit dem Tage der Eheschließung ein". Wiederverheiratungsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten werden nach heutiger herrschender Ansicht

542

Erbrecht

dahin verstanden, daß der überlebende Ehegatte im Falle der Wiederverheiratung mindestens von seiner Bindung befreit, wenn nicht seine Verfügung überhaupt gegenstandslos wird 22 . Entsprechendes gilt für den Erbvertrag23. Die Aufhebung der Bindung wird im Wege ergänzender Auslegung gefunden; maßgeblich sei der Wille „verständiger Erblasser" 2 4 . In Wahrheit wurde jedoch eine Auslegungsregel entwickelt 25 . Diese kann auf Rechtsverhältnisse, die in den abgetretenen Gebieten begründet wurden, nicht ohne weiteres angewandt werden. Hier ist grundsätzlich der Rechtszustand am 15. 9.1919 maßgebend. Zwar wurde die Abtretung erst am 20. 9.1920 endgültig wirksam; doch übte Belgien bereits zuvor durch Erlaß des Gesetzes vom 15. 9.1919 (s. o. A I 2b) Hoheitsrechte aus. Spätere Änderungen oder Neubildungen des deutschen Rechts wurden nicht mehr Bestandteil des lokalen belgischen Rechts. Zwar war auch vor 1919 ergänzende Auslegung einer Verfügung von Todes wegen möglich 26 . Doch kann die spätere Rechtsprechung nicht Richtlinie der hier erforderlichen rechtlichen Wertung sein, da 1919 noch andere Rechtsanschauungen herrschten. So hatte das KG 1918 (in OLGE 37, 261) ausgeführt: Die gegenseitige Abhängigkeit von Verfügungen (eines gemeinschaftlichen Testaments) können zwar für den Fall der Wiederverheiratung ausgeschlossen werden; in der Wiederverheiratungsklausel sei jedoch ein solcher Wille nicht - wie erforderlich - unzweideutig ausgedrückt. Unabhängig von der späteren Rechtsprechung ist der Erbvertrag jedoch wie folgt auszulegen: Mit der Wiederheirat entfällt für den überlebenden Ehegatten jeglicher Vorteil aus der Erbeinsetzung des Vorversterbenden. Es liegt daher nicht in seinem Interesse, auch für diesen Fall bindend eine Verfügung zu treffen. Dies gilt für beide Vertragschließenden in gleicher Weise. Dem Interesse des Vorversterbenden an der Begünstigung der Kinder wird in der Weise genügt, daß bei Wiederheirat das gesamte Vermögen des Vorversterbenden den Kindern zufällt, während bei einseitiger letztwilliger Verfügung dem überlebenden Ehegatten zumindest ein Pflichtteilsanspruch verbliebe; an die Stelle der - möglichen - quoten22 KG l b X 450/34, mitgeteilt in KG J W 1937, 2521, KG J W 1937, 2521; OLG München 1938 Nr. 881; KG J W 1938, 2748; NJW 1957, 1073. Staudinger-Dittmann (11. Aufl. 1960), § 2269 Bern. 29; Soergel-Siebert-Ehard-Eder (9. Aufl. 1961), § 2269 Bern. 5; Erman-Hense (3. Aufl. 1962), Bern. 1 C; Palandt-Keidei (24. Aufl. 1965), § 2269 Bern. 5 g. - Lange, Erbrecht (1962), 206 Anm. 2. Einschränkend, aber für den vorliegenden Fall zum selben Ergebnis gelangend: Johannsen in RGRK (11. Aufl. 1961) § 2269 Anm. 20, § 2271 Anm. 33; Domke, J W 1937, 2521 a. E. 23 KG J W 1938, 2748. 24 KG J W 1938, 2748. 25 Vgl. Domke, J W 1937, 2522; KG NJW 1957, 1073. 26 Staudinger-Herzielder (3./4. Aufl. 1909), Bern. II vor § 2066. Vgl. auch RGZ 99, 82 für Ersatzerbfolge von Geschwisterkindern.

Testament

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(Eupen-Malmedy)

543

mäßigen Teilung tritt eine solche nach Zeitabschnitten. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung nötigen, sind nicht ersichtlich. Dieser Auslegung steht die Entscheidung des KG in OLGE 37, 261 nicht insoweit entgegen, als sie eine ergänzende Auslegung implicite ablehnt. Denn die seinerzeit ausgelegte Klausel lautete: „Im Falle der Wiederverheiratung muß sich jedoch dieser (der überlebende Ehegatte) nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge auseinandersetzen." Der wiederheiratende Ehegatte war hier somit weiterhin am Nachlaß des Vorverstorbenen beteiligt. Es fehlte ihm nicht das Interesse, auch für diesen Fall über sein Vermögen zu verfügen. Audi bestand für den Vorversterbenden kein Anlaß, dem überlebenden ohne dessen Bindung eine zeitweise Alleinberechtigung einzuräumen, da die Kinder nach Wiederheirat nicht mehr als ihren gesetzlichen Erbteil erhielten. Allerdings läßt die Begründung der KG-Entscheidung erkennen, daß es auch im gegenwärtig zu beurteilenden Fall einen „unzweideutigen Willensausdruck" vermißt hätte. Doch beruht diese Forderung auf einer irrigen Gesetzesanwendung. Sowohl beim (vom KG zugrunde gelegten) § 2270 Abs. 2 wie dem hier in Betracht kommenden § 2298 BGB handelt es sich um Auslegungsregeln. Ihre Anwendung wird - was auch 1919 anerkannt war bereits durch jeden erkennbaren entgegenstehenden Willen ausgeschlossen; auch der im Wege ergänzender Auslegung zu ermittelnde „hypothetische Wille" reicht aus 27 . Soweit bei der hier vorgeschlagenen Auslegung des Erbvertrages die 1919 noch nicht voll ausgeprägte Methode der Interessenabwägung - Hecks grundlegende Schrift (Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz) war freilich bereits 1914 erschienen - befolgt wird, handelt es sich lediglich um zutreffende Interpretation der auch seinerzeit geltenden §§ 133,157, 2084 BGB. Der Erbvertrag vom 3. 8.1921 ist somit nach Ansicht des Unterzeichneten aufgrund des 1919 geltenden Rechts dahin zu verstehen, daß mit Wiederheirat mindestens die Bindung des Erblassers entfiel. Hiervon wird für die weitere Erörterung ausgegangen. Die endgültige Entscheidung muß dem Gericht überlassen bleiben, da der Erbvertrag - wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich - nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Ob die Anordnungen des überlebenden darüber hinaus bei Wiederheirat gegenstandslos wurden (so heute KG N J W 1957, 1073), kann dahinstehen. Nach Wegfall der Bindung konnte der Erblasser jedenfalls durch Errichtung eines inhaltlich abweichenden Testaments vom Erbvertrag zurücktreten (§§ 2293, 2297, 2298 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BGB; zur Gültigkeit des Testaments s. u. C.). " Vgl. Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte (3. Aufl. 1911) 117, 143; Oeitmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte (1914) 252-255 mit weiteren Nachweisen.

Erbrecht

544 3. Belgisches

materielles

Recht (Art. 1053 ü. C. c.)

Für die Rechtsbeziehungen zwischen Vor- und Nacherben gelten neben altem Recht Art. 1053 ff. C. c. (Art. 11 V O v. 28. 8.1926, oben A I 2 c). Hier kommen in Betracht: Art. 1055 C. c. „Celui qui fera les dispositions autorisées par les articles précédents, pourra, par le même acte, ou par un acte postérieur, en forme authentique, nommer un tuteur chargé de l'exécution de ces dispositions: ..." Art. 1056 C. c. „A défaut de ce tuteur, il en sera nommé un à la diligence du grevé, ou de son tuteur s'il est mineur, dans le délai d'un mois, à compter du jour du décès du donateur ou testateur, ou du jour que, depuis cette mort, l'acte contenant la disposition aura été connu." Art. 1057 C. c. „Le grevé qui n'aura pas satisfait à l'article précédent, sera déchu du bénéfice de la disposition; et dans ce cas, le droit pourra être déclaré ouvert au profit des appelés, à la diligence, soit des appelés s'ils sont majeurs, soit de leur tuteur ou curateur s'ils sont mineurs ou interdits, soit de tout parent des appelés majeurs, mineurs ou interdits, ou même d'office, à la diligence du procureur du Roi au tribunal de première instance du lieu où la succession est ouverte."

Wer in den vorgehenden Artikeln gestattete Verfügungen (Einsetzung von Nacherben) errichtet, kann in derselben oder einer späteren öffentlich beurkundeten Erklärung einen Pfleger ernennen, der die Verfügungen ausführt... Wird ein solcher Pfleger nicht vom Erblasser ernannt, so ist er auf Betreiben des Beschwerten (Vorerben) oder, wenn dieser minderjährig ist, seines Vormundes zu bestellen. Der Antrag muß innerhalb eines Monats nach Ableben des Verfügenden oder seit Bekanntwerden der Verfügung gestellt werden. Befolgt der Beschwerte (Vorerbe) vorstehenden Artikel nicht, so verliert er seine Rechte aus der Verfügung; in diesem Fall kann festgestellt werden, daß die Zuwendung den Nacherben anfällt; dies geschieht auf Antrag der Nacherben, wenn sie volljährig sind, ihres Vormunds, wenn sie minderjährig oder entmündigt sind, ihrer Eltern, gleichgültig, ob die Vorerben volljährig, minderjährig oder entmündigt sind, sowie von Amts wegen auf betreiben des Staatsanwalts beim Gericht erster Instanz des Bezirks, in dem die Erbschaft angefallen ist.

Ein Pfleger wurde hier weder im Erbvertrag noch durch den überlebenden Erblasser bestellt. Doch tritt der Rechtsverlust gemäß Art. 1057 C. c. nicht bereits aufgrund Gesetzes, sondern erst durch richterliches Urteil ein 2 8 . Ein solches Urteil ist hier nicht ergangen. Die Rechte der Nacherben bestimmen sich daher nach den Regeln des lokalen (deutschen) Rechts. 28 Kassationshof 25. 6. 1840, Pasicrisie 1840.1. 418 (425). Kluyskens, van Burgerlijk Recht (4. Aufl. Antwerpen 1955) III, 444.

Beginselen

Testament

4.

/ Belgien

(Eupen-Malmedy)

545

Zwischenergebnis

Gültigkeit und Wirkungen des Erbvertrages richten sich nach deutschem Recht (als belgisches lokales Recht). Hiernach erlosch mit Wiederheirat die Bindung des Erblassers an seine im Erbvertrag getroffene Verfügung. Er konnte diese somit durch Testament wirksam widerrufen. Die Rechte der Nacherben am Nachlaß ihrer Mutter richten sich ebenfalls nach deutschem Recht; sie bleiben von der einseitigen Verfügung des Erblassers unberührt.

B. EINFLUSS DES GÜTERSTANDES DER EHELEUTE M.-D.

I. Deutsches internationales

Privatrecht

Nach dem aus Art. 15 Abs. 1, 2 Halbs. 1 EGBGB abzuleitenden Grundsatz richten sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nach dem Heimatrecht des Mannes bei Heirat 29 . Ein späterer Staatsangehörigkeitswechsel des Mannes ist mit Rücksicht auf die Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts grundsätzlich gleichgültig. Anders ist es jedoch, wenn der Staatsangehörigkeitswechsel die Folge einer Gebietsabtrennung ist wie hier. Dann gilt das Recht des neuen Gebiets, wenn es nach interlokalem Privatrecht des Heimatstaates des Mannes bei Heirat maßgebend ist 30 . Nach deutschem interlokalem Privatrecht entscheidet der gewöhnliche Aufenthalt des Mannes im Zeitpunkt des Souveränitätswechsels31. Demnach ist belgisches Recht maßgeblich.

II. Belgisches

Recht

Belgisches Recht war bis 1927 räumlich gespalten. Interlokal galt seinerzeit für die güterrechtlichen Beziehungen das lokale Recht der abgetretenen Gebiete, sei es, weil die Eheleute dort wohnten, sei es, weil sie aus diesem Gebiet „stammten". Zivilgericht Bruxelles (Trib. civ.), 26. 6.1948 Pasicrisie 1948. 3. 93: „Le statut personnel... était régi par la loi locale allemande au titre de loi du lieu d'origine, seul critère pratiquement valable en dehors de la nationalité et

29 30 81

35

Das Personalstatut (welches die ehegüterrechtlichen Beziehungen beherrscht, vgl. Poullet Nr. 446 f.) richtet sich nach dem deutschen lokalen Recht, da es sich

Kegel in Soergel-Siebert, Art. 15 Bern. 1. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 108 vor Art. 7; IPR, 10 f. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 111 vor Art. 7; IPR, 161.

M a t . : 11, Gutachten 1965/66

546

Erbrecht

du domicile, pour déterminer la loi personnelle."

um das Gesetz des Herkunftsortes handelt - der einzigen Anknüpfung, die außer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz zur Bestimmung des Personalstatuts zur Verfügung steht.

Ob der Ehemann in concreto keinen Wohnsitz hatte oder das Gericht den Wohnsitz als Anknüpfung verwarf, ist nicht ersichtlich. Dabei ist hier unerheblich, ob Grundstücke außerhalb der abgetretenen Gebiete lagen; denn belgisches internationales w i e interlokales Recht knüpfen i n s o w e i t einheitlich an 3 2 . Intertemporal bestimmte Art. XII Abs. 1 der V O v. 28. 8.1926: „Les époux dont le régime matrimonial Die Ehegatten, deren güterrechtliche sera, lors de la mise en vigueur de la Beziehungen nach Inkraftsetzung des loi belge, régi par la loi locale, pourbelgischen Gesetzes vom lokalen Recht ront, dans les six mois après cette date, beherrscht werden, können binnen sechs opter pour un des régimes du droit Monaten nach Einführung dieses Rechts belge ou faire toutes conventions ma- für einen Güterstand belgischen Rechts trimoniales qui ne seront pas contraioptieren oder jeden Ehevertrag schlieres à ce droit. L'option se fera dans les ßen, der nicht belgischem Recht widerconditions de forme et de publicité spricht. Die Option erfolgt entsprechend établies ci-après." den nachstehenden Vorschriften über Form und Veröffentlichung. Damit wird vorausgesetzt, daß m a n g e l s besonderer Erklärung - für die hier k e i n e Anhaltspunkte b e s t e h e n - früheres deutsches Recht für die vor d e m 1 . 1 . 1927 begründeten güterrechtlichen Beziehungen weitergalt. Internationalprivatrechtlich scheidet damit eine Rückverweisung aus. Materiellrechtlich richtete sich der Güterstand nach d e n Bestimmungen d e s BGB auf dem Stande v o m 15. 9.1919 (s. o. A II 2). D a ein Ehevertrag nicht geschlossen war, galt der Güterstand der Nutzverwaltung (§§ 1363 bis 1425 BGB a. E.) S3 . Der Güterstand der Eheleute M.-D. blieb somit auf die hier zu beurteil e n d e Erbfolge ohne Einfluß.

C. GÜLTIGKEIT UND WIRKUNGEN DES TESTAMENTS VOM 1. 10. 1963 W a r der Erblasser nach Wiederheirat nicht mehr an den Erbvertrag v o m 3 . 8 . 1 9 2 1 gebunden (s. o. A II), so wird für s e i n e Beerbung das Testam e n t v o m 1 . 1 0 . 1 9 6 3 erheblich. 32

Poullet Nr. 442-447 für IPR; Trib. civ. Bruxelles interlokal (wenn auch unter Mißverständnis des Art. 28 EGBGB). 33 Vgl. Trib. civ. Bruxelles 26. 6. 1948, Pasicrisie 1948. 3. 93.

Testament

/ Belgien

(Eupen-Malmedy)

I. Internationales

547

Privatrecht

Auf das von dem belgischen Erblasser in Belgien errichtete Testament findet nach Art. 11 Abs. 1, 24 Abs. 1, 25 S. 1 EGBGB belgisches Recht Anwendung 34 . Auch nach belgischem internationalem Privatrecht ist belgisches Sachrecht als Ortsrecht (hinsichtlich der Form des Testaments) und als Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers (für die Erbfolge in bewegliche Sachen und in belgische Grundstücke) maßgeblich 35 . II. Belgisches materielles 1. Formgültigkeit

des

Recht

Testaments

Das vom Erblasser eigenhändig errichtete Testament ist nach Art. 969, 970 C. c. formgültig. Die genannten Vorschriften lauten: Art. 969 „Un testament pourra être olographe, ou fait par acte public ou dans la forme mystique."

Ein Testament kann ein eigenhändiges sein oder in einer öffentlichen Urkunde oder in geheimer Form errichtet werden.

Art. 970 „Le testament olographe ne sera point valable, s'il n'est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur: il n'est assujetti à aucune autre forme."

2. Die Verfügung zugunsten der

Das eigenhändige Testament ist nur gültig, wenn es von der Hand des Testators ganz geschrieben, datiert und unterzeichnet ist; irgendeiner anderen Form ist es nicht unterworfen.

Witwe

a) Verfügungsbeschränkung Der Erblasser hat seiner Ehefrau mindestens den Nießbrauch am gesamten Vermögen zugewandt. Hieran könnte er mit Rücksicht auf Vorbehaltsrechte (Pflichtteilsrechte dinglichen Charakters) seiner gesetzlichen Erben gehindert sein. Nach Art. 913 C. c. wird der verfügbare Anteil („quotité disponible") für Zuwendungen unter Lebenden und von Todes wegen bei zwei Kindern 34 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, vor Art. 24 EGBGB, Bern. 3, 22, 26, 27, 35, S. 910, 914,916. 3 5 Vgl. Poullet Nr. 322, 326, 477; Graulich Nr. 75, 76, 118, 125. Vgl. im übrigen oben A l l .

35 *

548

Erbrecht

allgemein auf ein Drittel festgesetzt. Für Verfügungen zugunsten von Ehegatten gelten jedoch Sonderbestimmungen. Art. 1094 C. c. bestimmt: n

.•.

Et pour le cas où l'époux donateur laisserait des enfants ou descendants, il pourra donner à l'autre époux, ou un quart en propriété et un autre quart en usufruit, ou la moitié de tous ses biens en usufruit seulement."

...

Und für den Fall, daß der zuwendende Ehegatte Kinder oder Abkömmlinge hinterläßt, kann er seinem Ehegatten entweder ein Viertel zu Eigentum und ein Viertel zum Nießbrauch zuwenden oder die Hälfte des Nachlasses allein zum Nießbrauch.

Stammen die Kinder, wie im vorliegenden Fall, aus einer vorhergehenden Ehe, so gilt eine weitere Sonderregel. Art. 1098 C. c. .L'homme ou la femme qui, ayant des enfants d'un autre lit, contractera un second ou subséquent mariage, ne pourra donner à son nouvel époux qu'une part d'enfant légitime le moins prenant, et sans que, dans aucun cas, ces donations puissent excéder le quart des biens."

Ein Mann oder eine Frau, die Kinder aus einer früheren Ehe haben und eine zweite oder weitere Ehe eingehen, können ihrem neuen Ehegatten nur soviel zuwenden, wie der Anteil des am wenigsten empfangenden ehelichen Kindes beträgt, ohne daß in irgendeinem Fall diese Zuwendung ein Viertel des Vermögens überschreiten darf.

Diese besonderen Vorschriften gehen den allgemeinen vor 3 6 . Für das Verhältnis von Art. 1098 zu Art. 1094 Abs. 2 C. c. ist zu beachten, daß die Beschränkung des verfügbaren Anteils der Vorstellung des Gesetzgebers entspringt, Kinder aus früheren Ehen seien besonders zu schützen; daraus folgt, daß der verfügungsfreie Rahmen aus beiden Vorschriften nicht kumuliert werden kann 3 7 . Bei zwei Kindern steht der überlebenden Ehefrau demnach der Höchstbetrag von einem Viertel des Vermögens des Erblassers zu. überschreiten die Zuwendungen an die Ehefrau den Rahmen des kapitalmäßig auf ein Viertel des Vermögens festgesetzten verfügbaren Anteils, so steht den Vorbehaltserben eine Herabsetzungsklage zu (Artt. 920, 921 C. c.). Bis zur Erhebung der Klage ist die Verfügung, auch soweit sie die „quotité disponible" überschreitet, jedoch voll wirksam. Nach Durchführung der Klage wirkt eine Herabsetzung auf den Tod zurück 38 . Solange die Klage nicht erhoben ist, können etwaige Rechte von Vorbehaltserben auch nicht im Erbschein ausgewiesen werden. b) Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden Für den Fall, daß eine Herabsetzungsklage erhoben wird, sei vorsorglich auf folgendes hingewiesen: 38 37

Kassationshof 3. 7. 1941, Pasicrisie 1941.1.273. 38 De Page VIII, 2 Nr. 1501, 1513. Kassationshof 3. 7. 1941 aaO.

Testament

/ Belgien

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549

Um die Höhe der Herabsetzung zu berechnen, wird von der beim Erbfall vorhandenen Vermögensmasse ausgegangen. Von ihr werden Schulden abgezogen; Schenkungen unter Lebenden werden hinzugerechnet. Das so gebildete (fiktive) Vermögen wird entsprechend den unter a) mitgeteilten Vorschriften rechnerisch in frei verfügbaren und den Pflichtteilsberechtigten vorbehaltenen Teil zerlegt (Art. 922 C. c.). Grundsätzlich fallen Schenkungen dem frei verfügbaren Teil zur Last. Unter Miterben entstehen Ausgleichspflichten („rapport"), falls nicht Abweichendes bestimmt ist (Art. 843 C. c.). Selbst wenn der Erblasser die Schenkung unter Erlaß der Ausgleichspflicht („dispense du rapport") oder als Voraus („par preciput") gewährte, hat der Begünstigte grundsätzlich den Teil zu erstatten, um den die Schenkung das frei verfügbare Vermögen übersteigt (Art. 844 C. c.). Ist der Begünstigte Vorbehaltserbe, so gelten Zuwendungen an ihn nur dann als aus dem frei verfügbaren Teil gewährt, wenn sie ausdrücklich unter Erlaß der Ausgleichspflicht oder als Voraus erfolgten (Art. 919 Abs. 1 C. c.). Fehlt eine solche Anordnung, so wird e contrario aus Art. 919 Abs. 1 C. c. gefolgert, daß die Zuwendung zu Lasten des vorbehaltenen Vermögens geschah. Das bedeutet: Die Zuwendung ist auf den Pflichtteil des Vorbehaltserben anzurechnen39. Nach Angabe des Erblassers haben die Kinder bereits zu seinen Lebzeiten Zuwendungen in Höhe ihres Pflichtteils erhalten, ohne daß sie von der Pflicht des „rapport" freigestellt wurden. Decken sich anrechnungspflichtiger Betrag und Vorbehaltsrecht, so ist für eine Herabsetzungsklage kein Raum. c) Rechtsstellung der Witwe Nach ausdrücklicher Anordnung des Erblassers soll seine Witwe auf Lebenszeit die Nutznießung des „gesamten Vermögens" erhalten. Außerdem kann sie bei Bedarf „irgendein Grundstück oder Wald verkaufen". Der Nießbraucher ist zur Verfügung über die Substanz des Gegenstandes, an dem ihm der Nießbrauch eingeräumt ist, nicht berechtigt (Art. 578 C. c.). Letztere Anordnung des Erlassers dürfte bedeuten, daß ihr insoweit ein (auf Bedürftigkeit) bedingtes Vermächtnis ausgesetzt ist. Doch kann dies zunächst dahingestellt bleiben, da hier nur bewegliches Vermögen zu beurteilen ist (vgl. aber unten C II 3 d). Wurde der Witwe ein Nießbrauch am gesamten Vermögen vermacht, so handelt es sich um ein Universal- oder Erbvermächtnis („leg universel"); wurde ihr (neben Eigentum am unbeweglichen Vermögen) ein Nießbrauch nur am beweglichen Vermögen vermacht, so ist dies ein Erbteilsvermächtnis („leg ä titre universel", Art. 1010) 40 . 39 De Page VIII/2 Nr. 1484: „Les libéralités faites sans dispense de rapport sont imputées sur la réserve du successible qui en a bénéficié." 4 0 Kassationshof 2. 5. 1952, Pasicrisie 1952.1.542; de Page, Bd. 8 Teil 2 Nr. 964B.

550

Erbrecht

In beiden Fällen entsteht der zugewandte Nießbrauch nach Annahme des Vermächtnisses als Erbrecht („droit de succession") mit dem Erbfall. Einer besonderen Übertragung bedarf es nicht 41 . Hierbei entsteht ein Nießbrauch an jedem einzelnen Gegenstand. Der Begriff der Gesamthandsgemeinschaft ist dem belgischen Recht unbekannt. Nach belgischem Recht hat die W i t w e demnach unmittelbar den Nießbrauch erworben. Eine Einschränkung der Rechte der W i t w e könnte sich aus Art. 1004 C. c. ergeben, der bestimmt: „Lorsqu'au décès du testateur il y a des héritiers auxquels une quotité de ses biens est réservée par la loi, ces héritiers sont saisis de plein droit, par sa mort, de tous les biens de la succession; et le légataire universel est tenu de leur demander la délivrance des biens compris dans le testament."

Sind beim Tode des Erblassers Erben vorhanden, denen das Gesetz eine Quote seines Vermögens vorbehält, so geht durch seinen Tod das ganze Vermögen in den Erbenbesitz dieser Vorbehaltserben über. Der Universalvermächtnisnehmer muß die Auslieferung des vom Testament umfaßten Vermögens v o n ihnen verlangen.

Diese Vorschrift betrifft aber nicht den Zeitpunkt der Entstehung des Nießbrauchs, sondern nur die Frage, von wann ab der Nießbrauch nach außen hin geltend gemacht und die Sachherrschaft an den mit dem Nießbrauch belasteten Gegenständen ausgeübt werden kann 4 2 . Am Nachlaß hat die W i t w e demnach einen Nießbrauch, der im vorliegenden Fall im Gegensatz zum Nießbrauch deutschen Rechts auch im Erbschein zu erwähnen ist. Die Aufnahme dieses Nießbrauchs in den Erbschein ist erforderlich, weil er - ebenso wie die Anordnung einer Nacherbfolge oder die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers - die Verfügungsmacht des Erben einschränkt 4 3 . Deshalb wird im Schrifttum allgemein vorgeschlagen, den Nießbrauch selbst bei Ablehnung der Qualifikation als Erbrecht im Erbschein zu vermerken, entweder analog nach §§ 2363, 2364 BGB 44 , oder unmittelbar durch Darstellung der materiellen Rechtslage 4 5 . Der Vermerk des Nießbrauchs würde auch nicht grundsätzlich mit dem deutschen Erbscheinsrecht unvereinbar sein. Denn es kennt auch andere Fälle, in denen ein Nießbrauch im Erbschein aufgenommen werden kann 4 6 . In diesem Sinne hat auch das OLG Köln in seinem Urteil vom 12. 3. 1959 entschieden 4 7 . 41

Dekkers Nr. 1218, 1220; de Page Bd. 8, 2. Teil Nr. 1043, 1033 E. Vgl. Dekkers Nr. 1229, 1239; de Page Bd. 8, 2. Teil Nr. 1080-1082. 43 Vgl. Kegel, IPR 368. 44 So Mezger, Die Beerbung von Franzosen in Deutschland, JZ 1965, 307. 45 Raape, Deutsches internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 451 f. 46 OLG Celle in MDR 1949, 165 für die Verwaltung und Nutznießung des überlebenden Ehegatten im Höferecht (vgl. § 14 HöfeO). 47 Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1959, S. 397 Ziff. 40; a. M. Bay42

Testament

/ Belgien

(Eupen-Malmedy)

551

Schon mit Rücksicht auf d i e s e Rechtslage k a n n d e m Erbscheinsantrag, in d e m der Nießbrauch der ü b e r l e b e n d e n Ehefrau nicht berücksichtigt wird, nicht s t a t t g e g e b e n w e r d e n . 3. Die

Stiftung

a) Errichtung der Stiftung Für die durch d i e l e t z t w i l l i g e V e r f ü g u n g a n g e o r d n e t e Errichtung der Stiftung ist b e l g i s c h e s Recht a n w e n d b a r . D a b e i k a n n d a h i n g e s t e l l t b l e i ben, ob d a s b e l g i s c h e Recht als Erbstatut o d e r als das Recht d e s Sitzes der S t i f t u n g 4 8 b e r u f e n wird, da in b e i d e n F ä l l e n auf d a s b e l g i s c h e Recht v e r w i e s e n wird. Im b e l g i s c h e n Recht w i r d die Errichtung e i n e r Stiftung durch T e s t a m e n t in d e m G e s e t z v o m 27. Juni 1921 g e r e g e l t 4 9 . Art. 27 dieses Gesetzes bestimmt: „Toute personne peut, moyennant l'apJ e d e Person kann mit Zustimmung der probation du Gouvernement, affecter Regierung durch öffentliche Urkunde par acte authentique ou par testament oder eigenhändiges Testament ihr Verolographe tout ou partie de ses biens à mögen ganz oder teilweise zur Grünla création d'un établissement d'utilité dung einer gemeinnützigen Anstalt publique qui jouit de la personnalité (Stiftung) bestimmen, die unter den folcivile dans les conditions déterminées genden Bedingungen Rechtsfähigkeit ci-après. genießt. Seuls seront considérés comme étant d'utilité publique les établissements qui, à l'exclusion de la poursuite d'un gain matériel, tendent à la réalisation d'une oeuvre d'un caractère philanthropique, religieux, scientifique, artistique, pédagogique."

Gemeinnützigkeit h a b e n nur die Anstalten, die unter Ausschluß materiellen Gewinnstrebens auf die Verwirklichung eines philanthropischen, wissenschaftlichen, religiösen, künstlerischen oder pädagogischen Zweckes gerichtet sind.

D i e s e V o r a u s s e t z u n g e n sind für d i e Stiftung d e s Erblassers erfüllt. S i e entspricht auch d e n w e i t e r e n w e s e n t l i c h e n Erfordernissen, d i e sich a u s Art. 30 e r g e b e n . Danach m u ß e i n e s o d e r m e h r e r e der Z i e l e der Stiftung a n g e g e b e n u n d z u m i n d e s t e i n V e r w a l t e r der Stiftung b e z e i c h n e t s e i n 6 0 . D i e Stiftung w i r d durch d e n W i l l e n d e s Stifters u n d mit d e m Rechtsgeschäft ObLG, Beschl. vom 13. 1. 1961, BayObLGZ 1961, 4, 19f. (für ital. Recht); Greif, Der Nießbrauch des überlebenden Ehegatten nach schweizerischem, italienischem und französischem Recht im Erbschein nach § 2369 BGB, MDR 1965, 447-448, der aber übersieht, daß der Nießbrauch mit dem Erbfall dem Ehegatten dinglich zusteht, und daß nicht nur ein obligatorischer Anspruch gegen die Erben gegeben ist. 48 So BayObLG 17. 3. 1965, N J W 1965, 1438 (Leitsatz). 49 Abgedruckt in Servais-Mechelynck, Les Codes et les Lois spéciales les plus usuelles en vigueur en Belgique (Brüssel 1956) 678-682. 50 Vgl. Répertoire pratique du droit beige, Bd. 4 (Brüssel 1950) sub. „Établissements publics et d'utilité publique", Nr. 117.

Erbrecht

552

begründet, durch das der Stifter sein Vermögen oder einen Teil seines Vermögens zu dem gemeinnützigen Zweck bestimmt. Sie k a n n daher testamentarisch bedacht werden, bevor sie Rechtsfähigkeit erlangt hat 5 1 . Rechtsfähigkeit (personalité civile) erwirbt die Stiftung nämlich erst und nur, wenn sie gemäß Art. 28 und 30 durch königlichen Beschluß genehmigt ist. Zu diesem Zweck haben die gesetzlichen Erben das Testament der belgischen Regierung zu übermitteln. Die Genehmigung, durch die die Existenz der Stiftung anerkannt wird, muß erteilt werden, wenn die Stiftung, wie im vorliegenden Fall, die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt 5 2 . b) Zeitpunkt der Errichtung und des Vermögensübergangs Ist die Stiftung durch die Genehmigung rechtsfähig geworden, so gehen die ihr zugewendeten Rechte zu dem durch Art. 29 Abs. 2 des Gesetzes vom 27.6.1921 näher bestimmten Zeitpunkt auf sie über 5 3 . Art. 29 Abs. 2: „Sauf la volonté contraire du fondateur, les droits de l'établissement d'utilité publique remonteront soit au jour où l'acte de fondation aura été communiqué au Gouvernement, soit au jour du décès du fondateur."

Vorbehaltlich entgegenstehenden Willens des Stifters wirken die Rechte der Stiftung zurück entweder auf den Tag, an dem das Errichtungsgeschäft der Regierung vorgelegt worden ist, oder auf den Tag des Todes des Stifters.

Ob der Erblasser hier Abweichendes gewollt hat, ist fraglich. Er hat erklärt: „Diese Stiftung hat ihren Anfang erst nach dem Tode meiner F r a u . . . Nach seinem Tode bekommt meine Frau die Nutznießung meines ganzen Vermögens, solange sie lebt." Hiermit k a n n eine Bedingung oder eine Zeitbestimmung ausgedrückt sein. Nach belgischem Recht besteht der Unterschied zwischen aufschiebender Bedingung und Zeitbestimmung darin, daß die Zeitbestimmung nur die Ausübung des Rechts, die Bedingung aber den Übergang des Rechts aufschiebt. Handelt es sich um eine Zeitbestimmung, so geht das (nackte) Eigentum bereits mit dem Erbfall über 5 4 . Dies ergibt sich aus Art. 1041 C. c.: „La condition qui, dans l'intention du testateur, ne fait que suspendre l'exécution de la disposition, n'empêchera pas l'héritier institué, ou le légataire, d'avoir un droit acquis et transmissible à ses héritiers."

51 52 53 54

Die Bedingung, die nach der Absicht des Testators die Durchführung seiner Verfügung nur aufschieben soll, hindert nicht, daß der eingesetzte Erbe oder der Vermächtnisnehmer ein wohlerworbenes und auf seine Erben übertragbares Recht hat.

De Page Bd. 1 (1948), Nr. 528, 529, und Bd. 8, 1. Teil, Nr. 126, 3°. Répertoire pratique du droit beige Nr. 26, 28-31, 134, 138. Répertoire pratique du droit beige Nr. 143. De Page Bd. 8, 1. Teil (2. Aufl. 1962) Nr. 358.

Testament / Belgien

(Eupen-Malmedy)

553

Diese Vorschrift, die eine Auslegungsregel älteren Rechts änderte, besagt jedoch nicht, daß jedes künftige Ereignis nur als Zeitbestimmung und nicht als Bedingung wirkt. Maßgeblich ist vielmehr der Wille des Verfügenden 5 5 . Dieser wird nach allgemeinen Regeln ermittelt. Die für die Vertragsauslegung maßgeblichen Vorschriften (Art. 1156-1164 C. c.) sind entsprechend anwendbar. Außerurkundliche Umstände können berücksichtigt werden 5 6 . Hier spricht der Wortlaut „soll ihren Anfang haben" dafür, daß das Vermögen erst beim Tode der Ehefrau auf die Stiftung übergehen soll (Bedingung i. S. des belgischen Rechts). Art. 1041 C. c. wie Art. 1156 C. c. verbieten jedoch eine Buchstabenauslegung. Ein entsprechender Wille des Erblassers ist möglich. Für die Zeit bis zum Tode der Ehefrau wäre hinsichtlich des nackten Eigentums (zumindest) am beweglichen Nachlaß dann keine Regelung getroffen. Die gesetzlichen Erben hätten einzutreten. Die Anordnung wäre auch nicht als Nacherbeneinsetzung verboten (Art. 896 C. c., s. o. A I 2 c), da dies voraussetzt, daß der Nacherbe erst beim Tod des Vorerben - nicht aber eines Dritten (hier: der Witwe) - berechtigt wird 5 7 . Daß die Berechtigung der Stiftung bedingt sein soll, ist jedoch unwahrscheinlich. Sind die gesetzlichen Erben bis zum Tode der Frau Eigentümer und Forderungsinhaber, so können sie über das bewegliche Vermögen - vorbehaltlich der Rechte der Frau verfügen 5 8 . Allerdings sind derartige Verfügungen, soweit sie den Übergang der Rechte auf die Stiftung verhindern oder beeinträchtigen, mit dem Tode der Frau rückwirkend unwirksam 5 9 . Doch werden bei Verfügung über bewegliche Sachen - und nur sie sind hier zu beurteilen - Dritte in Belgien nach dem Grundsatz „possession vaut titre" (Art. 2279 C. c.) geschützt 80 . Die Rechte der Stiftung können bei Annahme einer Bedingung durch Zwischenberechtigte daher zumindest gefährdet werden. Hinzu kommt: Gesetzliche Erben des Erblassers, denen bei Annahme einer Bedingung bis zum Tode der Ehefrau das nackte Eigentum zustehen würde, sind hier seine Kinder je zur Hälfte. Dies ergibt sich aus Art. 745 C. c. „Les enfants ou leurs descendants succèdent à leurs père et mère, aïeuls, aïeules, ou autres ascendants, sans distinction de sexe ni de primogéniture, et encore qu'ils soient issus de différents mariages. 55

Die Kinder oder ihre Abkömmlinge beerben ihre Eltern, Großeltern oder andere Aszendenten, ohne Unterschied des Geschlechts oder der Erstgeburt, und auch wenn sie aus verschiedenen Ehen stammen.

De Page Bd. 8, l.Teil (1962) Nr. 285. " Kluyskens Bd. 3 Nr. 222; de Page Bd. 8, 2. Teil Nr. 1742 C. 57 De Page Bd. 8, 2. Teil Nr. 1741. 58 Dekkers Bd. 2 Nr. 1288. 50 De Page Bd. 1 (2. Aufl. 1962), Nr. 166; ders., Bd. 8, 1. Teil, Nr. 289. 60 De Page Bd. 1 Nr. 166 Ziff. 2. 6

554

Erbrecht

Ils succèdent par égales portions et par tête, quand ils sont tous au premier degré et appelés de leur chef..."

Sie erben zu gleichen Teilen und nach Köpfen, wenn sie sich alle im ersten Grad befinden und aus eigenem Recht berufen sind...

Die Ehefrau, der kraft Gesetzes nur ein Nießbrauch an einem Viertel des Nachlasses zusteht (Art. 767 Abs. 2 § 1 C. c.), ist hier bereits durch Testament bedacht. Bei Annahme einer Bedingung hätte der Erblasser somit seinen Kindern das nackte Eigentum für die Zeit bis zum Tode der Frau eingeräumt. Damit hätten sie eine Rechtsstellung - wenn auch zweifelhaften wirtschaftlichen Wertes - erlangt. Nach der Schlußklausel des Testaments hat der Erblasser seine Kinder durch Zuwendungen unter Lebenden jedoch „in betreff ihrer Rechte vollständig abgefunden". Dem ist zu entnehmen, daß ihnen von Todes wegen keine Rechte zustehen sollen. Daher ist es wahrscheinlich, daß der Tod der Ehefrau lediglich Zeitbestimmung sein sollte, die Stiftung mithin bereits mit dem Tod des Erblassers entstehen und das Vermögen auf sie übergehen sollte. Nach belgischem Recht darf die Willensermittlung freilich nicht die durch den Wortlaut gesetzten Grenzen überschreiten 61 . Das ist jedoch nicht der Fall, da die Ausdrucksweise „soll ihren Anfang haben" zwanglos dahin verstanden werden kann, daß die Stiftung erst nach dem Tode der Frau in den Genuß des ihr zugewandten Vermögens gelangen und in der ihr vorgeschriebenen Weise tätig werden soll. Nach Ansicht von de Page (Bd. 8, l.Teil Nr. 358) sind aufschiebende Zeitbestimmungen „sehr selten"; sie dienten lediglich dem Zweck, dem Erben oder einem Dritten einen Nießbrauch einzuräumen. Gerade dieser Fall liegt hier vor. Auf die unterschiedliche Rechtsstellung des Inhabers nackten Eigentums und des Inhabers aufgeschobenen Eigentums braucht hier nicht eingegangen zu werden 62 . Sollte man gleichwohl zweifeln, ob die Stiftung bedingt oder nur mit auigeschobener Ausübung bedacht wurde, so ist auf Art. 29 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes (s. o. C II 3 b) zurückzugreifen. Hiernach wirken die Rechte der Stiftung im Zweifel auf den Tag des Todes des Stifters zurück. Der weiterhin genannte Termin (Vorlage des Errichtungsgeschäfts) dürfte nur Stiftungen unter Lebenden betreffen. Die Stiftung ist daher - vorbehaltlich der Genehmigung - im Augenblick des Todes des Erblassers entstanden; sie ist Eigentümerin der zum beweglichen Nachlaß gehörenden Sachen und Inhaberin der Forderungen. Bis zum Tod der Witwe kann sie lediglich nicht Einräumung des Besitzes und die Früchte verlangen 63 . Da das Eigentum am beweglichen Nachlaß 61 62 63

De Page Bd. 2 Nr. 566B (mit Nachweisen aus der Rechtsprechung), Nr. 368. Vgl. dazu de Page Bd. 8, 1. Teil Nr. 358-360. Vgl. de Page Bd. 8, 1. Teil Nr. 360.

Testament

/ Belgien

(Eupen-Malmedy)

555

nur einer Person (der Stiftung) vermacht wurde, handelt es sich nicht um verbotene Nacherbeneinsetzung 64 . c) Rechte der Vorbehaltserben Gemäß Art. 37 des Gesetzes vom 27. 6.1921 kann „die Gründung einer Stiftung die Rechte der Vorbehaltserben nicht beeinträchtigen". Aus Art. 37 Abs. 2 ergibt sich jedoch, daß diese Rechte - wie allgemein - im Klagewege geltend gemacht werden müssen 6 5 . Auf die Ausführungen unter 2 a, b wird verwiesen. Frei verfügbar ist ein Drittel des Vermögens (Art. 913 C. c., s.o. C II 2 a). d) Nichtigkeit des Stiftungsgeschäfts? Nimmt man an, der Witwe sei das Eigentum am unbeweglichen Nachlaß vermacht (s. o. C II 2 c), so könnte diese Anordnung wegen Verstoßes gegen das Substitutionsverbot nichtig sein (Art. 896 C. c., s. o. A 12 c). Dieses Verbot wird jedoch eng ausgelegt. Eine „substitution" setzt voraus: 1. eine doppelte, aufeinanderfolgende Zuwendung derselben Gegenstände, 2. die Auflage an den Erstbegünstigten, den Gegenstand zu bewahren und zu übergeben („charge de conserver et de rendre"), 3. Übergang der Rechte auf den Zweitbegünstigten beim Tode des Erstbegünstigten 66 . Ist der Erstbegünstigte nicht zur Erhaltung der Gegenstände verpflichtet, sondern kann er über sie verfügen, so handelt es sich nicht um eine „substitution" 67. Ein solches Verfügungsrecht war hier der Witwe im Notfall eingeräumt. Daher dürfte die Anordnung keine verbotene „substitution" sein. Selbst wenn jedoch die Verfügung hinsichtlich der Grundstücke nichtig sein sollte, folgt daraus nicht die Unwirksamkeit des Gesamtgeschäits. Dies ergibt sich aus folgenden Vorschriften und Rechtsgrundsätzen: Art. 900 C. c. bestimmt: „Dans toute disposition entre-vifs ou testamentaire, les conditions impossibles, celles qui seront contraires aux lois ou aux moeurs, seront réputées non écrites."

Bei jeder Verfügung unter Lebenden oder durch Testament gelten unmögliehe Bedingungen und solche, die den Gesetzen oder guten Sitten widersprechen, als nicht geschrieben.

Diese Vorschrift betrifft nicht nur Bedingungen im technischen Sinne 68 . Im übrigen gilt der Grundsatz des „favor testamenti" und die Auslegungsregel des Art. 1157 C. c. 69 : 84

De Page Bd. 8, 1. Teil Nr. 359. Vgl. auch Répertoire pratique du droit belge, aaO, sub. „Établissements publics et d'utilité publique" Nr. 135. •• De Page Bd. 8, 2. Teil Nr. 1741. 67 Zivilgericht Ypres, 29. 4. 1931, Pasicrisie 1931.3.8. Vgl. auch Berufungsgericht (Cour d'Appel) Bruxelles, 13. 12. 1907, Pasicrisie 1908.2.304. 88 De Page Bd. 8, 1. Teil Nr. 324. 88 Vgl. Kluyskens Bd. 3 Nr. 222; de Page Bd. 8, 2. Teil Nr. 1742 B. 85

556

Erbrecht

„Lorsqu'une clause est susceptible de deux sens, on doit plutôt l'entendre dans celui avec lequel elle peut avoir quelque effet, que dans le sens avec lequel elle n'en pourrait produire aucun."

Ist eine Bestimmung mehrdeutig, so ist sie eher dahin zu verstehen, daß sie Wirkungen äußert, als sie so auszulegen, daß sie ins Leere geht.

Ist eine Verfügung insgesamt im Zweifel gültig und als wirksame gewollt, so muß dies auch für teilbare Einzelanordnungen gelten, die hier zu beurteilen sind 7 0 . Etwas anderes gilt nur, wenn eine „Bedingung" zugleich Ausdruck des (verbotenen) Zwecks des Gesamigeschäfts ist 7 1 . Dies ist hier nicht der Fall. Ferner ist zwar Art. 896 Abs. 2 C. c., der bei einer Substitution Nichtigkeit nicht nur der Vor-, sondern auch der Nacherbenbestimmung vorschreibt, eine Ausnahme von Art. 900 C. c. Doch gilt dies nur insoweit, als auch die Einsetzung des Vorerben nichtig ist. Dagegen werden im übrigen erlaubte Verfügungen über sonstiges Vermögen von der Nichtigkeit des Art. 896 C. c. nicht erfaßt 7 2 . Schließlich verliert die Errichtung der Stiftung bei etwaiger Nichtigkeit der Grundstückszuwendungen auch nicht wegen fehlender Mittel ihren Sinn, da ausreichendes bewegliches Vermögen vorhanden ist. Hinsichtlich des hier allein interessierenden beweglichen Vermögens ist die Stiftung somit - für den Fall ihrer Genehmigung - wirksam errichtet und Rechtsinhaberin geworden. e) Rechtslage bei Nichtgenehmigung der Stiftung Möglich ist, daß die genehmigende Behörde hinsichtlich der Voraussetzungen oder der Zeitbestimmung eine abweichende Rechtsansicht vertritt. Dies ist als konkretes Anzeichen belgischen Rechts beachtlich 73 . Wird die Genehmigung verweigert, so ist das Stiftungsgeschäft hinfällig; es tritt insoweit gesetzliche Erbfolge ein. Wird die Genehmigung noch nicht erteilt, weil der Tod der W i t w e als Bedingung verstanden wird, so sind die gesetzlichen Erben zwischenberechtigt. Gesetzliche Erben sind die Kinder zu je V2 (Art. 745 C. c., s. o. C II 3 b). Im letzteren Fall bildet jedoch die aufschiebend bedingte Zuwendung an die Stiftung eine wesentliche Einschränkung der Verfügungsmacht der Erben. Sie ist eine Beschränkung, wie sie in ähnlicher Weise nach deut70

Vgl. auch de Page Bd. 2 Nr. 786 für Verträge. Vgl. Kassationshof 31. 10. 1952, Pasicrisie 1953.1.110 mit weiteren Nachweisen in der Konklusion des Generalstaatsanwalts. 72 Französischer Kassationshof 27. 6. 1894, Dalloz, Jurisprudence générale, Recueil périodique 1895.1.204, für Belgien zustimm, zitiert in Servais-Mechelynck Anm. zu Art. 896 C. c. 73 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 98 vor Art. 7. 71

Testament

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557

schem Recht bei der Anordnung einer Nacherbschaft eintritt. Die Zuwendung an die Stiftung und deren dadurch entstehenden bedingten Rechte sind daher entsprechend § 2363 BGB in den Erbschein aufzunehmen. Zwischenergebnis

4.

Das Testament vom 1.10.1963 ist nach anwendbarem belgischem Recht formgültig. Die Zuwendung des Nießbrauchs an die W i t w e und die Verfügungen zugunsten der Stiftung sind wirksam. Erbe ist für den Fall ihrer (rückwirkenden) Genehmigung die Stiftung. Wird die Stiftung nicht genehmigt oder erfolgte ihre Einsetzung nach Ansicht der genehmigenden Behörde aufschiebend bedingt, so sind die Kinder insoweit (gesetzliche) Erben zu je V2. Im Erbschein ist der Nießbrauch der Witwe zu vermerken, da es sich um ein Erbrecht handelt. Ist die Stiftung nach Ansicht der genehmigenden Behörde bedingt bedacht, so hat sie die Stellung eines Nacherben.

D. HILFSGUTACHTEN: ERBRECHTLICHE ANSPRÜCHE DER WITWE M. BEI BINDUNG DES ERBLASSERS DURCH DEN ERBVERTRAG

Sollte der Erblasser entgegen der vom Unterzeichneten vertretenen Ansicht (s. o. A II 2) mit Wiederheirat von seiner Bindung an den Erbvertrag vom 3. 8.1921 nicht befreit sein, so stellt sich die Frage, ob das Erbrecht der zu Erben eingesetzten Kinder des Erblassers nicht durch ein Pflichtteilsrecht der Witwe M. eingeschränkt ist. Das maßgebliche belgische Recht s. o. A I 2 a) wendet auf die nach dem 1.1. 1927 eingetretenen Erbfälle grundsätzlich nicht mehr das BGB, sondern den Code civil beige an, soweit nicht die (s. o. A 1 2 c) erwähnten Ausnahmen eingreifen. Sie betreffen die unter dem BGB wirksam getroffenen letztwilligen Verfügungen, die auch nach Einführung des belgischen Rechts wirksam bleiben sollen. Die gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsansprüche richten sich dagegen nach dem (neuen) belgischen Recht. Nach dem Recht des Code civil kommt der Ehefrau aber kein Pflichtteilsanspruch zu. Das ergibt sich aus Art. 916 C. c., der bestimmt 7 4 : „A défaut d'ascendants et de descendants, les libéralités par actes entrevifs ou testamentaires pourront épuiser la totalité des biens."

74

Vgl. Répertoire

pratique

In Ermangelung v o n Aszendenten und Abkömmlingen können die Freigebigkeiten durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder mittels Testaments das ganze Vermögen erschöpfen.

du droit beige aaO Nr. 272; Dekkers

Bd. 3 Nr. 1412.

558

Erbrecht

Das den Kindern des Erblassers aufgrund des Erbvertrages eingeräumte Erbrecht wird daher nicht durch Pflichtteilsansprüche der Witwe des Erblassers beeinträchtigt. Der Witwe stehen jedoch güterrechtliche Ansprüche zu. Auch insoweit ist international und intertemporal gegenwärtiges belgisches Recht maßgeblich (s. o. B II). Da die Eheleute M. offenbar keinen Ehevertrag geschlossen hatten, lebten sie im gesetzlichen Güterstand. Dies ist die „communauté légale (gesetzliche Gütergemeinschaft), genauer auch als „communauté de meubles et acquêts" (Fahrnis- und Errungenschaftsgemeinschaft) bezeichnet. Außerhalb dieser in Art. 1400-1496 C. c. geregelten Gütergemeinschaft bleiben grundsätzlich nur die vor der Heirat erworbenen Grundstücke der Ehegatten. Das restliche Vermögen bildet das Gesamtgut. Nach der Auflösung der Gütergemeinschaft können die Ehefrau oder ihre Erben die Gütergemeinschaft entweder annehmen oder ausschlagen („acceptation ou renonciation à la communauté"). Im Falle der Annahme erfolgt die Teilung des Gesamtguts (Art. 1474 C. c.).

E. ERGEBNIS Das in Deutschland befindliche Vermögen des Erblassers, das - wie unterstellt - nur aus beweglichen Gegenständen besteht, wird wie folgt vererbt: 1. Nach dem maßgeblichen belgischen Recht beurteilen sich Gültigkeit und Wirkungen des am 3.8.1921 geschlossenen Erbvertrages, insbesondere eine etwaige Bindung des Erblassers, nach dem in den abgetretenen Gebieten weitergeltenden deutschen Recht auf dem Stande vom 15.9. 1919 (oben A I ) . 2. Der Güterstand der Eheleute M.-D. richtete sich nach demselben Recht. Es galt der Güterstand der Nutzverwaltung. Er bleibt auf die Erbfolge ohne Einfluß (oben B). 3. Legt man den Erbvertrag nach derzeitigem deutschem Recht ergänzend aus, so endete nach Ansicht des Unterzeichneten die Bindung des Erblassers mit einer Wiederheirat (oben A II 2). 4. Das Testament vom 1. 10. 1963 ist nach maßgeblichem belgischem Recht formgültig (oben C H I ) . 5. Hierin wurde wirksam eine Stiftung errichtet, der das Vermögen bereits beim Tod des Erblassers anfallen soll. Für den Fall ihrer Genehmigung ist sie Erbe (oben C II 3). 6. Der Witwe steht kraft Testaments ein Nießbrauch zu, der im Erbschein zu vermerken ist (oben C II 2 c). 7. Wird die Stiftung nicht genehmigt, so sind, abgesehen vom Nießbrauch der Witwe, Erben kraft Gesetzes die Kinder zu j e V2. Gleiches gilt, wenn

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die Stiftung zur Zeit noch nicht genehmigt wird, weil ihre Rechte bedingt sind. Für diesen Fall sind die Kinder Vorerben, die Stiftung ist Nacherbe (oben C II 3 e). 8. Sollte das Gericht der Ansicht sein, die Bindung des Erblassers an den Erbvertrag sei mit Wiederheirat nicht erloschen, so ist er aufgrund dieses Vertrages von seinen Kindern zu je V2 beerbt worden. Ein Pflichtteilsanspruch der W i t w e besteht nicht. Sie hat lediglich güterrechtliche Ansprüche, die nicht im Erbschein zu vermerken sind (oben D).

Nr. 53 Belgien 1. Maßgeblichkeit des vom Erblasser testamentarisch bestimmten Rechts für die Erbfolge mit Ausnahme von Pflichtteils- und Noterbrechten nach belgischem internationalem Privatrecht. 2. Bedingte Rückverweisung durch belgisches IPR für Erbfolge in deutsche Grundstücke oder Grundstücksrechte. 3. Form eines Testaments nach belgischem Recht. 4. „Quotité disponible" belgischen Rechts. 5. Mafigebendes Recht für Adoption nach deutschem und belgischem IPR. 6. Voraussetzungen der Adoption nach belgischem Recht. 7. „Saisine" belgischen Rechts. 8. Rechtsstellung eines „héritier réservataire" und eines „légataire à titre universel" nach belgischem Recht. 9. Gesetzlicher Nießbrauch des überlebenden Ehegatten an einer zum Nachlaß gehörenden Forderung nach belgischem Recht. Köln 126/65 vom 8. 3.1966

Das Amtsgericht Düsseldorf hat das Institut durch Verfügung vom 22. Dezember 1965 in der Nachlaßsache Ernst G. um Auskunft über belgisches Erbrecht und Adoptionsrecht gebeten.

SACHVERHALT Am 7. Oktober 1963 verstarb der im J a h r e 1904 geborene Belgier Ernst G. in Belgien, wo er in Woluwe-Saint-Pierre seinen letzten Wohnsitz hatte. Der Erblasser war in erster Ehe mit Frau Georgette, geb. L., verheiratet gewesen. Diese Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind, wurde

560

Erbrecht

durch Urteil des Tribunal de première instance in Brüssel am 18. Juni 1951 geschieden. Am 27. Oktober 1951 heiratete der damals staatenlose Erblasser, der in Belgien lebte, Frau Jeanne, geb. S. Für diese Ehe galt nach dem vor einem belgischen Notar geschlossenen Ehevertrag Gütertrennung. Vor der Heirat erkannte Frau J e a n n e G. für ihren im J a h r e 1947 außerehelich geborenen Sohn Tom S. die Mutterschaft an. Ein entsprechender Vermerk ist vom Standesbeamten in das Geburtsregister in Etterbeek, dem Geburtsort des Kindes, eingetragen worden. Nach der Heirat adoptierte der Erblasser das Kind. Der Adoptionsvertrag vom 31. 3.1952, dem die Mutter zustimmte, wurde notariell beurkundet (Bl. 30-31 R.). Das Tribunal de première instance in Brüssel hat die Adoption am 11. Juli 1952 bestätigt. Sie ist im Geburtsregister vermerkt und im Moniteur Belge - Belgisch Staatsblad - vom 25,/26. August 1952 angezeigt worden. Der Erblasser hat ein handschriftliches Testament hinterlassen. Es trägt das Datum vom 31. März 1952 und ist eigenhändig unterschrieben. Der Erblasser bezieht sich zunächst auf belgisches Recht und sieht dann vor: „J'institue mon épouse légataire universelle de ma succession. En cas d'existence d'enfants ou descendants, ce legs universel sera réduit à la plus forte quotité disponible en pleine propriété et usufruit, des biens de ma succession, avec dispense pour mon épouse survivante, de fournir caution pour l'usufruit qu'elle recueillera en vertu des présentes."

Aufgrund dieses Testaments hat die überlebende Ehefrau J e a n n e G. beantragt, ihr einen gegenständlich beschränkten Erbschein zu erteilen, in dem sie und ihr Sohn als Erben aufgeführt werden. Der Erbschein wird benötigt zur Geltendmachung von Rückerstattungsansprüchen, die sich auf Hausrat beziehen, der in Kleve entzogen worden ist. Das Gericht bittet um ein Gutachten über die Erbfolge nach Ernst G. Es wird unterstellt, daß der Erblasser am 31. 3.1952, d. h. bei Abschluß des Adoptionsvertrags und Errichtung des Testaments, zwar noch staatenlos gewesen ist, aber sich in Belgien gewöhnlich aufgehalten hat.

Testament

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Belgien

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GUTACHTEN A. INTERNATIONALES PRIVATRECHT (IPR)

I. Das auf den Erb fall anzuwendende Recht 1. Deutsches IPR Aus den Art. 24, 25 EGBGB folgt der Grundsatz, daß ein Ausländer nach dem Recht seines Heimatstaates beerbt w i r d D i e s e Regel gilt grundsätzlich auch für Verfügungen von Todes wegen 2 . Wechselt jedoch der Erblasser nach der Errichtung einer letztwilligen Verfügung die Staatsangehörigkeit, so können Gültigkeit und Wirkungen ausnahmsweise nach dem Personalstatut des Erblassers zur Zeit der Errichtung beurteilt werden 3 . Diese unterschiedliche Anknüpfung könnte hier bedeutsam sein, weil, wie unterstellt, der Erblasser bei der Errichtung des Testaments staatenlos war, während er beim Tode Belgier war. Da der Erblasser aber, wie ebenfalls unterstellt, bereits bei Testamentserrichtung (31. 3.1952) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hatte, war sein Personalstatut auch schon zu dieser Zeit belgisches Recht, Art. 29 EGBGB. Das deutsche IPR verweist somit im vorliegenden Fall für alle Fragen des testamentarischen Erbrechts auf belgisches Recht. Diese Verweisung ist über Art. 27 EGBGB als Kollisionsnormverweisung zu behandeln 4 . Eine Rück- oder Weiterverweisung des belgischen Rechts ist daher zu beachten. 2. Belgisches IPR Das belgische IPR folgt dem Grundsatz der Nachlaßspaltung. Unbewegliches Vermögen vererbt sich nach der lex rei sitae, bewegliches Vermögen nach Wohnsitzrecht 5 . Für das Testamentsrecht gilt jedoch eine Ausnahme. Denn Inhalt und Wirkungen der letztwilligen Verfügung bestimmen sich grundsätzlich nach dem Recht, auf das der wirkliche oder mutmaßliche 1 Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 354; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 412; Wölfl, Das internationale Privatrecht Deutschlands (3. Aufl. 1954) 227. 2 Kegel in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. V (9. Aufl. 1961), Vorbem. 27 vor Art. 24, 914. 3 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 40-43 vor Art. 24, 917-919. 4 Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 74 vor Art. 24, 926. 5 Tribunal civil de Bruxelles 17. 12. 1958, J . T . 1959, 134; Graulich, Principes de droit international privé (1961), Nr. 118, S. 83; Poullet, Manuel de droit international privé Belge (3. Aufl. 1947) Nr. 326, S. 374-376; De Vos, Le problème des conflits de lois, Bd. I (1946) Nr. 318, S. 353.

33

Mat.: 11, Gutaditen 1965/66

562

Erbrecht

Wille des Erblassers hinweist („la loi d'autonomie") 6 . Im vorliegenden Fall bezieht sich der Erblasser ausdrücklich auf belgisches Recht. Daher beurteilen sich Inhalt und Wirkungen des Testaments nach materiellem belgischem Recht. Die Nachlaßspaltung für bewegliches und unbewegliches Vermögen bleibt jedoch insoweit bedeutsam, als sich Pflichtteilsrechte und Noterbrechte aus dem allgemeinen Erbstatut ergeben 7 . Es ist daher zu klären, ob für die Rückerstattungsansprüche eine Rückverweisung auf deutsches Recht eintritt. Die Entscheidung hängt davon ab, ob diese Ansprüche, die in Deutschland, dem Sitz des Schuldners, belegen sind, als beweglich oder unbeweglich qualifiziert werden. Da das belgische IPR die Begriffe beweglich und unbeweglich verwendet, verweist das deutsche IPR auch für die Qualifikation auf belgisches Recht8. Das belgische Recht verweist seinerseits auf das Recht der belegenen Sache9. Da die Rückerstattungsansprüche in Deutschland belegen sind, verweist das belgische Recht für die Qualifikation dieser Ansprüche auf deutsches Recht zurück. Das deutsche IPR kennt keine Unterscheidung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen. Die herrschende Meinung nimmt dennoch die Rückverweisung an10 und versucht, die Qualifikation nach dem Zweck der deutschen Kollisionsnorm zu treffen 11 . Dabei werden nur solche Rechte als unbeweglich angesehen, die sich auf Grundstücke beziehen. So wertet der Bundesgerichtshof Rückerstattungsansprüche, die sich auf Grundstücke beziehen, als unbewegliches Vermögen, nicht aber Gesellschaftsanteile, außer vielleicht, das bleibt dahingestellt, wenn das Vermögen einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts allein aus unbeweglichem Vermögen besteht12. • Graulich Nr. 125, S. 88; Poullet Nr. 480, S. 561; De Vos Bd. I, Nr. 358, S. 388. Ebenso für das luxemburgische Recht Bernecker, Internationales Privat- und Prozeßrecht im Großherzogtum Luxemburg, RabelsZ 27 (1962/63) 263, 298. 7 Graulich Nr. 125, S. 88; Poullet Nr. 481, S. 562. 8 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 45 vor Art. 7, 520, Vorbem. 275 vor Art. 7, 583; Kegel, Internationales Privatrecht 130; Neuhaus, Anmerkung zu OLG Frankfurt 2. 7. 1953, RabelsZ 19 (1954), 556, 559; Raape 112 f. » Graulich Nr. 51, S. 43; Poullet Nr. 340, S. 396; De Vos Bd. 1, Nr. 227, S. 278 f. (abweichend Bd. 2, Nr. 836, S. 849f.). Ebenso aus der französischen Literatur: Bartin, Principes de droit international privé, l.Bd. (1930) Nr. 88, S.236; LèreboursPigeonnière, Précis de droit international privé (6. Aufl. 1954) Nr. 256, S. 273; Rolin, Principes du droit international privé, 2. Bd. (1897) 292. A.A.: Lèrebours-Pigeonnière-Loussouarn, Droit international privé (8. Aufl. 1962) Nr. 361, S. 430; Batiffol, Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) Nr. 651, S. 711-713. 10 OLG Frankfurt N J W 1954, 111 = RabelsZ 19 (1954), 554 mit Anm. Neuhaus 556-568. 11 BGHZ 24, 352, 368f.; Raape 416f. 12 BGHZ 24, 352, 361, 368.

Testament

/

Belgien

563

Neuhaus zählt zum unbeweglichen Vermögen - abgesehen von Alleinoder Miteigentum - Forderungen auf Übertragung von Grundstücken und Grundstücksrechten und damit auch Rückerstattungsansprüche an Grundstücken sowie Grundstückszubehör, Dienstbarkeiten, Reallasten und Vorkaufsrechte an Grundstücken 1 3 . Im vorliegenden Fall beziehen sich die Rückerstattungsansprüche auf Hausrat, der nicht als Grundstückszubehör anzusehen ist. Sie sind daher nach der herrschenden Meinung als bewegliches Nachlaßvermögen zu qualifizieren und vererben sich nach belgischem Recht. Dasselbe Ergebnis folgt, wenn man entgegen der herrschenden Meinung die auf der Nachlaßspaltung beruhende Rückverweisung überhaupt ausschließt. Sinn der Rückverweisung für unbewegliches Vermögen ist es: Man selbst wendet auf inländische Grundstücke das inländische materielle Recht uneingeschränkt an, ursprünglich hauptsächlich aus öffentlichem Interesse (das Grundvermögen war politisch bedeutsam), heute vornehmlich aus Verkehrs- oder Ordnungsinteressen (Durchsichtigkeit der Rechtslage für den Verkehr, Vermeidung schwer anwendbaren Rechts für Gerichte und Behörden). Das gleiche Recht billigt man einem ausländischen Staat zu, und zwar immer und nur soweit, wie dessen Interesse reicht; deswegen enthält man sich einer Grenzziehung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen und überläßt sie dem Belegenheitsstaat. Es handelt sich also um eine bedingte Rückverweisung: Das ausländische materielle Recht wird angewandt unter der Bedingung, daß es nach dem ausländischen IPR anzuwenden ist. Auch das deutsche IPR kennt bedingte Verweisungen, nämlich in Art. 28 EGBGB und in den Fällen, in denen die Regeln zum Schutz des inländischen Verkehrs auch zum Schutz des ausländischen Verkehrs angewandt werden 1 4 . Das deutsche Recht erfüllt die Bedingung jedoch nicht. Denn seit der Mitte des 18. Jahrhunderts hat man sich in Deutschland für die Nachlaßeinheit entschieden, und Savigny hat sie endgültig durchgesetzt 1 5 . Die Nachlaßeinheit bedeutet dem deutschen Recht mehr als die Anwendung deutschen Erbrechts auf unbewegliches Vermögen. Im Sinne der bedingten Rückverweisung Belgiens behandelt das deutsche Recht alle Nachlaßgegenstände (selbst Grundstücke) als bewegliches Vermögen 1 6 . Daher verweist das belgische IPR für die Erbfolge nicht auf deutsches Recht zurück.

13 Neuhaus, RabelsZ 19 (1954), 556, 562-566; vgl. auch Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1962), 75, ohne Entscheidung, wie im Einzelfall zu qualifizieren ist, jedenfalls ohne abweichende Stellungnahme; als beweglich habe nur zu gelten, was von keiner Seite als unbeweglich in Anspruch genommen wird. Wie Neuhaus: Firsching, Deutsch-amerikanische Erbfälle (1965) 86. Zum Teil abweichend Raape 416-418. 14 15 16 Kegel 139-148. Kegel 355 f. Vgl. KegeJ 131.

36 »

564

Erbrecht

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Erblasser nach belgischem Recht beerbt worden ist. Nach diesem Recht beurteilen sich auch Inhalt und Wirkungen des Testaments. II. Form des

Testaments

1. Deutsches IPR Das deutsche Kollisionsrecht verweist für die Form eines Rechtsgeschäfts alternativ auf das Geschäftsrecht, Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB, und auf das Ortsrecht, Art. 11, Abs. 1, S. 2 EGBGB. Da belgisches Recht Gesdiäftsrecht ist und das Testament in Belgien aufgesetzt worden ist, wird das belgische Recht als Formstatut berufen. 2. Belgisches IPR Auch nach belgischem Recht genügt die Ortsform 17 . Daneben reicht es aus, wenn der ausländische Erblasser in Belgien in der Form seines Personalstatuts testiert 18 . Da der Erblasser, wie unterstellt, zur Zeit der Testierung zwar staatenlos war, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hatte, verweist das belgische IPR für die Form des Testaments weder weiter noch zurück. Daher bestimmt sich auch die Form des Testaments nach materiellem belgischem Recht.

B. MATERIELLES RECHT

I. Form des

Testaments

Für die Form des holografischen Testaments sehen die einschlägigen Bestimmungen vor: Art. 969 C. c.: „Un testament pourra être olographe, ou fait par acte public ou dans la forme mystique." Art. 970

C.c.:

„Le testament olographe ne sera point valable, s'il n'est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur: il n'est assujetti à aucune autre forme." 17 18

Ein Testament kann holographisch sein, in einer öffentlichen Urkunde errichtet werden oder die Form des mystischen Testaments haben. Das holographische Testament ist nicht gültig, wenn es nicht vom Testator im ganzen eigenhändig geschrieben, datiert und unterschrieben ist: es ist keiner anderen Form unterworfen.

Graulich Nr. 74, S. 54; Poullet Nr. 477-479, S. 557-561. Graulich Nr. 76, S. 55 f.; Pouliet Nr. 478, S. 558-560.

Testament

/

Belgien

565

Das in der Ablichtung vorliegende Testament (Bl. 26 d. A.) entspricht diesen Anforderungen. Das Testament ist daher formgültig. II. Erbfolge

nach dem

Testament

Der Erblasser hat seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt und sie für den Fall, daß Kinder vorhanden sein sollten, mit dem größtmöglichen Erbteil bedacht. Diese Testierweise erklärt sich aus der Regelung des belgischen Erbrechts. Denn hier kann der Erblasser zugunsten des überlebenden Ehegatten nur über einen Teil des Nachlasses verfügen („quotité disponible"), wenn erbberechtigte Nachkömmlinge vorhanden sind. Die einschlägige Bestimmung sieht v o r : Art. 1094 C. c. „L'époux pourra, soit par contrat de mariage, soit pendant le mariage, pour le cas où il ne laisserait point d'enfants ni descendants, disposer en faveur de l'autre époux, en propriété de tout ce dont il pourrait disposer en faveur d'un étranger, et en outre, de l'usufruit de la totalité de la portion dont la loi prohibe la disposition au préjudice des héritiers. Et pour le cas où l'époux donateur laisserait des enfants ou descendants, il pourra donner à l'autre époux, ou un quart en propriété et un autre quart en usufruit, ou la moitié de tous ses biens en usufruit seulement."

Ein Ehegatte kann sowohl durch Ehevertrag als auch während der Ehe für den Fall, daß er keine Abkömmlinge hinterlassen würde, zugunsten des anderen Ehegatten dem Eigentum nach über alles verfügen, worüber er zum Vorteil eines Fremden verfügen könnte, und außerdem über den Nießbrauch am gesamten Erbteil, für den das Gesetz die Verfügung zum Nachteil der Erben untersagt. Und für den Fall, daß der schenkende Ehegatte Kinder oder Abkömmlinge hinterlassen sollte, kann er dem anderen Ehegatten entweder ein Viertel zu Eigentum und ein weiteres Viertel zum Nießbrauch oder allein den Nießbrauch an der Hälfte seines ganzen Vermögens zuwenden.

Es ist unstreitig, daß diese Vorschrift unter Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen (Art. 9 1 3 - 9 1 9 C. c.) für die Testierung zugunsten des überlebenden Ehegatten eine besondere „quotité disponible" vorsieht 1B. Im vorliegenden Fall trifft Art. 1094 Abs. 2 C. c. zu, sofern die Adoption des Tom G. wirksam ist. Denn der Adoptierte erhält gegenüber dem Annehmenden das Erbrecht eines ehelichen Kindes. Art. 352 C. c.: „L'adopté et ses descendants légitimes n'acquièrent aucun droit de succession

Das adoptierte Kind und seine eheliehen Abkömmlinge erwerben gegen-

" Dekkers, Précis de droit civil Belge, 3. Bd. (1955) Nr. 1331, S. 800; De Page, Traité élémentaire de droit civil Belge, 8. Bd. (2. Aufl. 1947) Nr. 1438, S. 1532.

Eibrecht

566

sur les biens des parents de l'adoptant. Mais ils ont sur la succession de l'adoptant les mêmes droits que ceux qu'y auraient un enfant ou les descendants légitimes."

über den Eltern des Annehmenden kein Erbrecht. Sie haben aber gegenüber dem Annehmenden dieselben Erbrechte wie sie ein Kind oder die ehelichen Abkömmlinge des Annehmenden haben würden.

Daher ist zunächst zu prüfen, ob Tom G. wirksam adoptiert worden ist.

III. Adoption des Tom G. 1. Anwendbares

Recht

Aus Art. 22 Abs. 1 EGBGB ist die allseitige Kollisionsnorm abzuleiten, daß sich die Adoption nach dem Heimatrecht des Annehmenden beurteilt 2 0 . Da der Erblasser, wie oben unterstellt, bei Abschluß der Adoption zwar noch staatenlos gewesen ist, sich aber in Belgien gewöhnlich aufgehalten hat, ist nach Art. 29 EGBGB belgisches Recht maßgebend. Im belgischen IPR richtet sich die Adoption nach dem Heimatrecht der Beteiligten 2 1 . Es wird unterstellt, daß Tom G. bei Wirksamwerden der Adoption Belgier war. Der Erblasser war noch nicht Belgier (wie unterstellt), hatte aber gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien. Das belgische IPR wählt als Anknüpfung für Staatenlose den Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt 2 2 . Da der Erblasser, wie unterstellt, in Belgien lebte, war mithin belgisches Recht gemeinsames Personalstatut der Beteiligten. Eine Rückverweisung tritt daher nicht ein. Mithin beurteilt sich die Adoption nach belgischem Recht. Für die Form der Adoption genügt sowohl nach deutschem wie nach belgischem IPR belgisches materielles Recht als Ortsrecht 2 3 . 2. Materielles

belgisches Recht

Nach den zur Zeit der Adoption geltenden Vorschriften, die inzwischen teilweise geändert worden sind, war die Wirksamkeit des Adoptionsvertrags an folgende materielle Voraussetzungen geknüpft: Art. 344 C. c. (a. F.): „Pour pouvoir adopter, il faut être âgé de plus de 35 ans, n'avoir ni descen20

Um adoptieren zu können, muß man älter als 35 Jahre sein und darf weder

Kegel in Soergel-Siebert, Art. 22, Bern. 9, 880; Raape 393; Wolff 220. 22 Graulich Nr. 101, S. 75. Graulich Nr. 88, S. 67. 23 Vgl. Art. 11 Abs. 1 S. 2 EGBGB und für Belgien Graulich Nr. 72, S. 53 mit Nachweisen. 21

Testament / Belgien dant légitime ni enfant naturel reconnu, sauf s'il s'agit de l'adoption de cet enfant. L'adoptant doit avoir au moins quinze ans de plus que la personne qu'il se propose d'adopter..." Ait. 345 C. c.: „... Nul époux ne peut adopter qu'avec le consentement de l'autre époux, à moins que celui-ci ne soit déclaré absent ou qu'il n'y ait séparation de corps. Art. 346 C. c.: „Si la personne à adopter est mineure et a encore ses père et mère, ceux-ci doivent consentir l'un et l'autre à l'adoption."

567

einen ehelichen Abkömmling noch ein anerkanntes uneheliches Kind haben, außer wenn es um die Adoption eines solchen Kindes geht. Der Annehmende muß fünfzehn Jahre älter sein als die Person, die er adoptieren will...

Ein Ehegatte kann nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten adoptieren, sofern dieser nicht für abwesend erklärt wird oder eine Trennung von Tisch und Bett ausgesprochen ist. Ist die Person, die adoptiert werden soll, minderjährig, und hat sie noch Vater und Mutter, so müssen diese zur Adoption zustimmen.

Im v o r l i e g e n d e n Fall sind die a n g e g e b e n e n Erfordernisse erfüllt worden. Der Erblasser war bei der A d o p t i o n über 35 Jahre alt und gleichzeitig mehr als 15 Jahre älter als Tom G. Außerdem hat die Antragstellerin der A d o p t i o n zugestimmt. Allerdings enthalten die A k t e n k e i n e n H i n w e i s darauf, daß auch der uneheliche Vater des Kindes zugestimmt hat. Insoweit ist zu unterstellen, daß der natürliche Vater die Vaterschaft nicht anerkannt hat. Dann erforderte die Wirksamkeit der Adoption nur die Zustimmung der Mutter, die das Kind anerkannt hatte 2 4 . Der Adoptionsvertrag und die erforderlichen Zustimmungen w a r e n g e richtlich oder notariell zu beurkunden: Art. 354 C. c.: „La personne qui se propose d'adopter et celle qui veut être adoptée, si elle est majeure, ou si, même mineure, elle a atteint l'âge de 16 ans, se présenteront devant le juge de paix du domicile de l'adoptant ou devant un notaire pour y passer acte de leurs consentements respectifs. Si l'adopté a moins de 16 ans, l'acte est passé en son nom par son représentant légal.

Die Person, die adoptieren will, und jene, die adoptiert werden will, sofern sie volljährig ist oder als Minderjährige das Alter von 16 Jahren erreicht hat, müssen vor dem Friedensrichter am Wohnort des Annehmenden oder vor einem Notar erscheinen, um das Rechtsgeschäft ihrer beiderseitigen Einwilligung urkundlich aufzunehmen. Wenn der Angenommene noch nicht 16 Jahre alt ist, wird das Rechtsgeschäft durch seinen gesetzlichen Vertreter in seinem Namen abgeschlossen.

24 Vgl. Page, Traité élémentaire de droit civil Belge, Bd. 1 (3. Aufl. 1962) Nr. 1256, S. 1306.

Erbrecht

568

Le consentement des père et mère, celui du conjoint de l'adopté et celui du conjoint de l'adoptant, sont donnés dans l'acte même d'adoption ou par acte authentique séparé devant notaire ou devant le juge de paix de leur domicile respectif...

Die Zustimmung des Vaters und der Mutter sowie des Ehegatten des Angenommenen und des Ehegatten des Annehmenden müssen entweder in derselben Urkunde oder in einer anderen öffentlichen Urkunde durch den Notar oder den Friedensrichter am Ort des jeweiligen Wohnsitzes protokolliert werden.

Der zwischen dem Erblasser und der Antragstellerin im Namen ihres Sohnes geschlossene Vertrag erfüllt die vorgeschriebene Form. Im übrigen bedurfte die Adoption der gerichtlichen Bestätigung und der Verkündung der positiven Entscheidung („homologation") im Moniteur Belge (Art. 355, 357 C. c.). Die in der Ablichtung vorliegende Anzeige zeigt, daß das Adoptionsverfahren auch insoweit ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Mithin sind die materiellen und formellen Voraussetzungen der Adoption des Sohnes der Antragstellerin durch den Erblasser erfüllt worden. Die Adoption ist daher gültig. 3.

Zwischenergebnis

Der Erblasser hatte den Sohn der Antragstellerin, Tom G. (früher S.), wirksam adoptiert. IV. Rechtsstellung

der

Begünstigten

Nach Art. 1094 Abs. 2 C. c. erhält die Antragstellerin aufgrund der testamentarischen Zuwendung ein Viertel des Nachlasses zu unbeschränktem Eigentum sowie den Nießbrauch an einem weiteren Viertel des Nachlasses. Tom G. erbt kraft Gesetzes drei Viertel des Nachlasses, wobei ein Viertel mit dem Nießbrauch der Antragstellerin belastet ist. Es kann davon ausgegangen werden, daß beide Begünstigte ihre Rechte angenommen haben. Das belgische Recht gewährt jedem Begünstigten, gleichgültig ob kraft Gesetzes oder testamentarisch bedacht, zunächst nur eine Option („droit à la succession"). Diese wandelt sich mit der Annahme in ein echtes Erbrecht um, das auf den Tod des Erblassers zurückwirkt („droit de succession"). Die erforderliche Annahme k a n n sowohl ausdrücklich wie auch stillschweigend erklärt werden. Art. 778 C.c.: „L'acceptation peut être expresse ou tacite: elle est expresse, quand on prend le titre ou la qualité d'héritier dans un acte authentique ou privé; elle est tacite, quand l'héritier fait un acte

Die Annahme kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen: sie ist ausdrücklich erklärt, wenn man sich in einer öffentlichen oder privaten Urkünde das Recht oder die Eigenschaft

Testament / Belgien qui suppose nécessairement son intention d'accepter, et qu'il n'aurait droit de faire qu'en sa qualité d'héritier.

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eines Erben beimißt; sie erfolgt stillschweigend, wenn der Erbe eine Handlung vornimmt, die notwendig seinen Willen zur Annahme ausdrückt, und die er nur im Hinblick auf das ihm zukommende Erbrecht berechtigt wäre vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin den Willen zur Annahme zumindest mit dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins erklärt. Im folgenden wird daher davon ausgegangen, daß sie die ihr zustehenden Rechte mit dem Tod des Erblassers erlangt hat 2 5 . Für ihren Sohn gilt dasselbe auch ohne Erklärung des Annahmewillens; es kann daher auf sich beruhen, daß die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Sohnes auch für ihn die Annahme erklärt hat. Auch sonst ist die erbrechtliche Stellung beider verschieden und nunmehr zu erläutern. 1. Tom G. Er hat kraft Gesetzes den ihm vorbehaltenen Teil erhalten und damit die Rechtsstellung eines Reservatserben („héritier réservataire") erlangt 28 . In dieser Eigenschaft hat er das Eigentum an drei Vierteln des Nachlasses erhalten. Daneben hat er mit dem Tode des Erblassers den Besitz am gesamten Nachlaß erworben („saisine"): Art. 1004 C. c.: „Lorsqu'au décès du testateur il y a des héritiers auxquels une quotité de ses biens est réservée par la loi, ces héritiers sont saisis de plein droit, par sa mort, de tous les biens de la succession; et le légataire universel est tenu de leur demander la délivrance des biens compris dans le testament."

Sind beim Tode des Erblassers Erben vorhanden, denen das Gesetz einen Teil seines Vermögens vorbehält, so geht mit seinem Tod der Besitz am gesamten Vermögen auf diese Erben über, und der Universalbegünstigte ist gehalten, die Auslieferung des in dem Testament bezeichneten Vermögens von ihnen zu verlangen.

Die „saisine" hat den Zweck, dem Erben unmittelbaren Zugang zur Erbschaft zu verschaffen und ihn vor Eingriffen Dritter zu schützen. Der Reservatserbe erlangt daher „saisine" unmittelbar beim Tode des Erblassers und unabhängig von der Annahme der Erbschaft 27 . Sie endet, wenn der Erbe tatsächlich Besitz ergriffen hat oder ihn Dritten überläßt. In diesen Fällen bedarf es nicht mehr des Schutzes, den der fiktive Besitz der 25 28 27

Vgl. zur Rückwirkung Dekkers, 3. Bd. Nr. 523, S. 336, Nr. 1220, S. 744. Dekkers, 3. Bd. Nr. 1320, S. 795, Nr. 1331, S. 800. Cour de Cassation 27. 3. 1879, Pas. 1879,1, 188; Dekkers, 3. Bd., Nr. 495, S. 320.

570

Erbrecht

„saisine" einräumt28. Tom G. hat daher als Reservatserbe 3U des Nachlasses zu Eigentum erworben und gleichzeitig an dem gesamten Nachlaß Besitz („saisine") erlangt. 2. Antragstellerin a) Grundsatz Als testamentarisch Begünstigte, die auf einen Teil des gesamten Nachlasses (V4) eingesetzt ist, hat die Antragstellerin die Rechtsstellung einer „légataire à titre universel" (Erbteilnehmerin). Die gleiche Position besitzt sie hinsichtlich des Nießbrauchs an einem weiteren Viertel des Nachlasses 29. Mit der Annahme der Erbschaft hat die Antragstellerin hinsichtlich des zugewandten Viertels rückwirkend unbelastetes Eigentum erworben („propriété") 30 . Ebenso steht ihr der Nießbrauch an einem weiteren Viertel des Nachlasses vom Zeitpunkt des Todes zu, sofern sie die Annahme der Zuwendung innerhalb eines Jahres nach dem Tode des Erblassers erklärt hat31. Der belgische Code civil sieht für den Nießbrauch des „légataire à titre universel" keine ausdrückliche Regelung vor. Z. T. wird auch angenommen, der Nießbrauch setze erst mit der „délivrance" ein 32 ; diese Streitfrage mag aber dahinstehen, da sie zur Entscheidung des vorliegenden Falles nicht beiträgt. Im Unterschied zu ihrem Sohn hat die Antragstellerin jedoch keine „saisine" erlangt. Denn der „légataire à titre universel" erwirbt grundsätzlich keine „saisine" 33 . Er ist in der Regel darauf angewiesen, daß ihm im W e g e der „délivrance" (Aushändigung) der Besitz oder Mitbesitz entsprechend seinem Erbrecht eingeräumt wird. Die fehlende „saisine" berührt jedoch weder den Rechtserwerb noch die Verfügungsbefugnis über die erworbenen Rechte des „légataire à titre universel". Denn die „saisine" bezieht sich ausschließlich auf den Besitz, nicht aber auf die Rechtszuständigkeit34. Daher steht es dem „légataire à titre universel" grundsätzlich frei, schon vor der „délivrance" über die erworbenen Rechte zugunsten Dritter zu verfügen 35 . Mithin hat die Antragstellerin trotz der fehlenden „saisine" mit dem Tode des Erblassers Miteigentum („copropriété") zu V4 am Nachlaß (Bruchteilseigentum an Hierzu De Page, 9. Bd. (2. Aufl. 1946) Nr. 504, S. 361. Vgl. Dekkers, 3. Bd., Nr. 1197, S. 732. 30 De Page, 8. Bd. (2. Aufl.), Nr. 1043, S. 1152f. 31 So die h. M., vgl. Dekkers, 3. Bd. Nr. 1249, S. 760. 32 Vgl. Dekkers, aaO. 33 Dekkers, 3. Bd. Nr. 1222, S. 745 f. 34 Dekkers, 3. Bd. Nr. 1220, S. 744. 35 De Page, 8. Bd. Nr. 1043, S. 1152 f. Zur Begründung dieser Auffassung wird auf Art. 1014 C.c. verwiesen, w o die Verfügungsbefugnis für das „legs particulier" ausdrücklich vorgesehen ist. Die Vorschrift wird für das „legs à titre universel" analog angewandt, vgl. Dekkers, 3. Bd. Nr. 1220, S. 744. 28

29

Testament / Belgien

571

jedem einzelnen Gegenstand) und Nießbrauch an einem weiteren Viertel des Nachlasses erlangt. b) Geltendmachung des Erbteils Der „légataire à titre universel" hat gegenüber dem Erben, dem die „saisine" zusteht, einen Anspruch auf Einräumung des Besitzes oder Mitbesitzes, der ihm kraft des Erbrechts gebührt. Art. 1011 C.c.: „Les légataires à titre universel seront tenus de demander la délivrance aux héritiers auxquels une quotité des biens est réservée par la loi¡ à leur défaut, aux légataires universels; et à défaut de ceux-ci, aux héritiers appelés dans l'ordre établi au titre des Successions."

Die Erbteilnehmer sind gehalten, die Auslieferung von den Erben, denen das Gesetz einen Teil des Nachlasses vorbehalten hat, zu verlangen; fehlen sie, dann von den Universalerben, und, fehlen auch sie, von den Erben in der Reihenfolge, die unter dem Titel „Successions" vorgesehen ist.

Im v o r l i e g e n d e n Fall k o m m t j e d o c h d i e B e s o n d e r h e i t hinzu, d a ß d e r in D e u t s c h l a n d b e l e g e n e N a c h l a ß nicht a u s Sachen, s o n d e r n a u s F o r d e r u n g e n b e s t e h t : H i e r g r e i f t d i e V o r s c h r i f t d e s Art. 1220 C. c. e i n : „L'obligation qui est susceptible de di- Die teilbare Forderung muß erfüllt wervision, doit être exécutée entre le créanden, als ob sie unteilbar wäre. Die cier et le débiteur comme si elle Teilbarkeit ist nur anzuwenden gegenétait indivisible. La divisibilité n'a d'apüber den Erben des Gläubigers oder plication qu'a l'égard de leurs héritiers, Schuldners; sie sind zur Geltendqui ne peuvent demander la dette ou machung der Forderung nur berechtigt qui ne sont tenus de la payer que pour oder zur Erfüllung verpflichtet im Verles parts dont ils sont saisis ou dont ils hältnis der Teile, an denen sie unmittelsont tenus comme représentant le bar Besitz erlangt haben oder für die créancier ou le débiteur." sie als Rechtsnachfolger des Gläubigers oder des Schuldners gelten.

Diese Vorschrift, die auch für das Verhältnis zwischen „héritier réservataire" und „légataire à titre universel" gilt 38 , ergibt, daß jeder Erbberechtigte dem Schuldner gegenüber den Teil einer Forderung verlangen kann, der seinem Erbteil entspricht. Obwohl der Wortlaut der Vorschrift vermuten läßt, daß auch bei Forderungen eine „délivrance" nötig ist („saisis"), verlangt die wohl herrschende Meinung in Belgien dies nicht. Vielmehr wird im Hinblick auf Art. 1220 C. c. die „saisine" bezüglich Forderungen abgelehnt, weil der Schutz des Erben sie nicht fordere und sie im System der Erbauseinandersetzung von Forderungen als Anomalie erscheine 37 . Im vorliegenden Fall ist daher nicht erforderlich, daß die Antragstellerin eine „délivrance" eines Viertels der Rückerstattungsansprüche nachweist. 36

Vgl. De Page, 9. Bd. 2. Aufl., Nr. 1332, S. 993. Zur Begründung im einzelnen De Page, 9. Bd. Nr. 1330, S. 991 f.; 3. Bd. Nr. 718, S. 451. 37

Dekkeis,

Erbrecht

572

Sie ist vielmehr nach Art. 1220 C. c. berechtigt, als „légataire à titre universel" 1 /t der Ansprüche im eigenen Namen zu verlangen. c) Geltendmachung des Nießbrauchs Für den Nießbrauch an einem Viertel des Nachlasses gelten dieselben Regeln, wie sie zum Erbteil ausgeführt worden sind. Audi hier muß der Begünstigte grundsätzlich nach Art. 1011 C. c. vorgehen und sich den Besitz an jenen Gegenständen einräumen lassen, an denen er Nießbrauch hat. Im vorliegenden Fall gilt jedoch auch wieder die Besonderheit, daß der in Deutschland belegene Nachlaß aus Forderungen besteht. Die Antragstellerin hat an einem Viertel der Rückerstattungsansprüche einen Nießbrauch erhalten, und es fragt sich, ob sie als Nießbraucherin berechtigt ist, den ihr zustehenden Anteil der fälligen Forderungen einzuziehen. Die Frage ist im belgischen Recht umstritten. Gegen diese Einziehungsbefugnis spricht, daß der Nießbraucher dadurch mehr erhält, als ihm zusteht, und das Vermögen des Eigentümers erheblich gefährdet werden kann. Dennoch gestattet die herrschende Meinung dem Nießbraucher die Einziehung. Der Eigentümer wird dadurch geschützt, daß der Nießbraucher nach Ablauf seines Rechtes das Kapital der Forderung erstatten muß. Ist der Nießbraucher zur Zeit der Einziehung illiquide, muß er Sicherheit leisten. Im übrigen hat der Nießbraucher nach der Einziehung das Geld ordnungsgemäß anzulegen 38 . Demnach hat die Antragstellerin kraft des Nießbrauchs das Recht, ein weiteres Viertel der Rückerstattungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. d) Zusammenfassung Die Antragstellerin ist als Miterbin zu Vi am Nachlaß (als Bruchteilseigentümerin) berechtigt. Daneben steht ihr ein Nießbrauchsrecht an einem weiteren Viertel des Nachlasses zu. Aufgrund dieser Rechte kann sie die Rückerstattungsansprüche zur Hälfte im eigenen Namen geltend machen. C. ERTEILUNG DES ERBSCHEINS I.

Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichts zur Erteilung eines Erbscheins für das in Deutschland belegene Nachlaßvermögen ergibt sich aus § 2369 Abs. 1 BGB39. Die örtliche Zuständigkeit wird durch § 73 Abs. 3 FGG bestimmt. 38

Hierzu im einzelnen Cour d'Appel Gand 5. 12. 1898, Pas. 1899, II, 317; Dekkers, 1. Bd. (1954) Nr. 1239-1241, S. 703f.; De Page, 6. Bd. (2. Aufl. 1942) Nr. 324-325, S. 255 f. 39 BayObLGZ 1961, 79, 80; Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 54-56 vor Art. 24, 921 f.

Testament

/ Belgien

573

II. Fassung des Erbscheins Da die Erbfolge dem belgischen Recht unterliegt, ist ein Fremdrechtserbschein nach § 2369 Abs. 1 BGB zu erteilen 40 . Dabei ist das ausländische Erbrecht möglichst genau anzugeben, damit die Vermutung der Richtigkeit (§ 2365 BGB) und der Gutglaubensschutz (§§ 2366, 2367 BGB) dem wirklich Berechtigten nicht zum Nachteil gereichen 41 . Im vorliegenden Fall ist die Antragstellerin als Erbin zu 1U und ihr Sohn Tom G. als Erbe zu 3U anzugeben. Dies entspricht der gleichwertigen Rechtsstellung, die beide als Bruchteilseigentümer an den Nachlaßgegenständen erworben haben. Fraglich ist, ob auch der Nießbrauch im Erbschein angegeben werden muß. Im deutschen Recht wird der Nießbrauch des Ehegatten als Vermächtnis angesehen, das nicht im Erbschein zu vermerken ist 42 . Diese Behandlung des Nießbrauchs würde dem materiellen belgischen Recht jedoch nicht gerecht werden. Denn die Verfügungsbefugnis des Nießbrauchers (hier die Einziehungsbefugnis der Antragstellerin) stellt für den Rechtsträger eine wichtige Beschränkung dar. Deshalb erscheint es erforderlich, den Nießbrauch im Erbschein zu vermerken 4 3 . Dieser Vermerk widerspricht auch nicht den Grundsätzen des deutschen Erbscheinrechts. Denn es gibt noch andere Fälle, in denen ein Nießbrauch im Erbsdiein eingetragen wird 4 4 . Im übrigen ist die Antragstellerin darauf angewiesen, sich durch den Erbschein auch hinsichtlich des Viertels, an dem ihr Nießbrauch besteht, als Einziehungsberechtigte auszuweisen. Ergebnis Es wird unterstellt, daß der Erblasser am 31.3.1952 und damit bei Abschluß des Adoptionsvertrages und Errichtung des Testaments noch, staatenlos gewesen ist, sich aber in Belgien gewöhnlich aufgehalten hat. Der Erblasser wird nach belgischem Recht beerbt. Nach diesem Recht beurteilen sich Form, Inhalt und Wirkungen des Testaments und das Reservatserbrecht des Tom G. (oben A). Das Testament des Erblassers ist formgültig (oben B I). Aufgrund des Testaments stehen der Antragstellerin das Bruchteilseigentum an Vi des Nachlasses und der Nießbrauch an einem weiteren Viertel des Nachlasses zu (oben B II). 40

Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 68 vor Art. 24, 925. Kegel 368. 42 OLG Hamm, N J W 1954, 1733; vgl. auch Mezger, Die Beerbung von Franzosen in Deutschland, JZ 1956, 307. 43 Vgl. Kegel 337. Im Ergebnis ebenso Mezger, JZ 1956, 307; Raape 451 f. 44 Vgl. OLG Celle MDR 1949, 165, betr. die Verwaltung und Nutznießung des überlebenden Ehegatten im Höferecht (§ 14 HöfeO). 41

574

Erbrecht

Neben der Antragstellerin ist ihr Sohn Tom G. kraft Gesetzes Erbe geworden, da der Erblasser ihn wirksam adoptiert hatte (oben B III). Tom G. hat die Rechtsstellung eines „héritier réservataire". Als solcher hat er 3 /i des Nachlasses zu Eigentum und gleichzeitig den Besitz des gesamten Nachlasses („saisine") erhalten. Die Antragstellerin ist an allen Nachlaßgegenständen Bruchteilseigentümerin zu 1 /i. Zusammen mit ihrem Recht auf Nießbrauch ist die Antragstellerin berechtigt, die Hälfte der Nachlaßforderungen im eigenen Namen geltend zu machen (oben B IV). Das international und örtlich zuständige Nachlaßgericht hat einen gegenständlich beschränkten Fremdrechtserbschein auszustellen. In dem Erbschein sind die Antragstellerin als Erbin zu l U und Tom G. als Erbe zu 3A» anzugeben. Außerdem ist der Nießbrauch der Antragstellerin an einem weiteren Viertel des Nachlasses zu vermerken (oben C). Der Erbschein könnte folgenden Wortlaut haben: „Der am 7. Oktober 1963 mit letztem Wohnsitz in Woluwe-Saint-Pierre, Belgien, verstorbene Ernst G. ist nach belgischem Recht beerbt worden. Erben sind der Sohn Tom G. zu 3/i und die überlebende Ehefrau Jeanne G., geb. S., zu 1U (Bruchteilsgemeinschaft). Der überlebenden Ehefrau steht außerdem ein Nießbrauch an einem weiteren Viertel des Nachlasses zu Lasten des Tom G. zu. Aufgrund des Nießbrauchs ist die überlebende Ehefrau zur anteilmäßigen Einziehung von Nachlaßforderungen (lU) berechtigt." Dieser Erbschein gilt nur für das im Inland belegene Nachlaßvermögen des Erblassers. Nr. 54 England / Frankreich 1. Formwirksamkeit eines Testaments nach englischem Redit. 2. Erbstatut eines an seinem letzten Wohnsitz in Frankreich verstorbenen britischen Staatsangehörigen. 3. Angleichung der Begriffe des französischen Erbvermächtnisses und der deutschen Erbenstellung. 4. Rechtsstellung des Pflichtteilserben nach französischem Recht. 5. Rechtsstellung eines Testamentsvollstreckers nach französischem Recht. Hamburg G 2/66 vom 2.12. 1966

Das Amtsgericht Hamburg bittet in der Nachlaßsache G. um Auskunft über Internationales Privatrecht und französisches Erbrecht. Aus der übersandten Akte ergibt sich folgender Sachverhalt: Am 23. 1. 1962 ist in G. (Frankreich), seinem letzten Wohnsitz, der britische Staatsangehörige Dr. G. verstorben. Der Erblasser war aus

Testament

/ England/F

rankreich

575

Kaaden (Österreich) gebürtig. Er hat nach dem ersten Weltkrieg vermutlich die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit erworben. Später ist er nach England und schließlich nach Frankreich übergesiedelt; er hatte im Zeitpunkt seines Todes nicht mehr die Absicht, nach England zurückzukehren. Im übrigen haben sowohl französische wie englische Gerichte oder Behörden, soweit sie mit dem Nachlaß befaßt waren, angenommen, der Erblasser habe seinen letzten Wohnsitz in Frankreich gehabt. Der Erblasser hinterließ bei seinem Tode seine im Jahre 1959 von ihm geschiedene erste Frau, seine zweite Frau und drei Kinder aus erster Ehe, von denen das jüngste, Michael, am 20. 6.1929 geboren ist. Im Jahre 1948 hatte der Erblasser in London ein Zweizeugentestament errichtet, in dem er seiner ersten Ehefrau sein in Newcastle-on-Tyne gelegenes Haus nebst Zubehör sowie seinen beiden älteren Kindern, einem Sohn und einer Tochter, je 100 Pfund Sterling vermachte. Sein restliches Vermögen „vermachte" er Treuhändern, die es für den jüngsten Sohn Michael halten sollten, bis dieser das 30. Lebensjahr erreicht habe. Zu Treuhändern und zugleich Testamentsvollstreckern bestellte er zwei Brüder und seinen „Sachwalter". Die Tochter hat durch eine Erklärung, die ein Vertreter in ihrem Namen zu Protokoll der Geschäftsstelle des Tribunal de Grande Instance in Paris abgegeben hat, auf ihr „Erbe" verzichtet. Die von ihr erteilte Vollmacht war ausdrücklich auf diesen Verzicht gerichtet und war im übrigen von einem deutschen Notar beurkundet worden. Zur Geltendmachung von Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsansprüchen ist ein gegenständlich beschränkter Erbschein gemäß § 2369 BGB beantragt worden. Das Gericht bittet um eine gutachtliche Stellungnahme. I. Formwirksamkeit 1. Anzuwendendes

des

Testaments

Recht

Grundsätzlich wird die Form eines Testaments durch das Erbstatut als das für seinen Inhalt maßgebende Recht bestimmt (Art. 1111 EGBGB); es genügt jedoch, wenn es den am Errichtungsort maßgebenden Formvorschriften (Ortsrecht) entspricht (Art. 1112 EGBGB) K 2. Formwirksamkeit

nach englischem Recht

Das Testament wurde in England errichtet. Mithin genügt zur Formwirksamkeit die Beachtung der englischen Formvorschriften. 1 Vgl. für alle Soergel/Siebertf-Kegel), EGBGB, Anm. 35.

BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), vor Art. 24

576

Erbrecht

Maßgebend für die Form eines Testaments ist sec. 9 des Wills Act von 1837. Diese Bestimmung lautet: „No will shall be valid unless it shall be in writing and executed in manner hereinafter mentioned; (that is to say) it shall be signed at the foot or end thereof by the testator, or by some other person in his presence and by his direction; and such signature shall be made or acknowledged by the testator in the presence of two or more witnesses present at the same time, and such witnesses shall attest and shall subscribe the will in the presence of the testator, but no form of attestation shall be necessary."

„Ein Testament ist nur gültig, wenn es geschrieben und in der nachstehend aufgeführten Form vollzogen ist: es muß am Schluß oder Ende vom Testator oder von einer anderen Person in seiner Gegenwart und nach seinem Willen unterschrieben sein; die Unterschrift muß vom Testator in Gegenwait von zwei oder mehr Zeugen, die gleichzeitig anwesend sind, vollzogen oder anerkannt werden, und die Zeugen müssen das Testament bestätigen und unterschreiben in Gegenwart des Testators, doch ist für die Bestätigung die Einhaltung einer bestimmten Form nicht erforderlich."

Wie sich aus sec. 20 des Interpretation Act von 1889 ergibt, ist die Schriftform eingehalten, wenn das Testament in Maschinenschrift, Druck oder dergleichen aufgesetzt worden ist 2 . Demnach bestehen gegen die Formwirksamkeit des vorliegenden Testaments keine Bedenken.

II. Eibstatut 1. Deutsches Internationales

Privatrecht

Die inhaltliche Gültigkeit und die Wirkungen eines Testaments beurteilen sich nach dem Erbstatut. Dieses entscheidet auch darüber, wie die Erbschaft erworben wird, ob und unter welchen Voraussetzungen sie ausgeschlagen werden kann und ob ein Testamentsvollstrecker ernannt werden kann und welche Befugnisse er gegebenenfalls hat 3 . Das Erbstatut bestimmt sich nach Artt. 24, 25 EGBGB. Danach wird ein Ausländer - auch wenn er im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz nicht im Inland hatte - nach den Gesetzen desjenigen Staates beerbt, dem er im Zeitpunkt seines Todes angehörte 4 . Im vorliegenden Fall war der Erblasser Angehöriger des Vereinigten Königreichs von Großbritannien Vgl. Tristram/Coote, Probate Practice (21. Aufl. 1960) 36. Soergei/Siebert(-Kegel), vor Art. 24 EGBGB, Anm. 16 ff.; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 443; M. Wolff, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 227 f.; Palandt(-LauterBGB II bacti), BGB (25. Aufl. 1966) Art. 24 EGBGB, Anm. 3, 5; Erman(-Marquordl), (3. Aufl. 1962) Art. 24/25 EGBGB, Anm. 3 a. 4 BGH 21. 12. 1955, BGHZ 19, 315 = IPRspr. 1954-55, Nr. 136; Soergel/Siebert (-Kegel), vor Art. 24 EGBGB, Anm. 3 u. 4. 2

3

Testament

/

England/Frankreich

577

und Nordirland und seiner Kolonien. Ob er daneben noch die tschechoslowakische oder österreichische Staatsangehörigkeit besessen hatte, ist gleichgültig, da der Erblasser zu diesen Staaten offensichtlich keine Verbindungen mehr besaß und demgemäß die britische Staatsangehörigkeit als die „effektive" und damit als die allein maßgebende anzusehen ist 5 . Damit verweist das deutsche Internationale Privatrecht auf das im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und seiner Kolonien geltende Recht. Dies genügt jedoch zur Bestimmung des maßgebenden Heimatrechts nicht, da das Vereinigte Königreich kein einheitliches Rechtsgebiet darstellt, sondern mehrere Teilrechtsgebiete umfaßt. Insofern stellt sich die Frage nach der maßgebenden Teilrechtsordnung. Nun gibt es auch kein einheitliches britisches interlokales Recht, aufgrund dessen die maßgebende Teilrechtsordnung bestimmt werden könnte 8 . Desgleichen besteht innerhalb des Vereinigten Königreichs keine politische Gebietszugehörigkeit. Daher muß die nähere Bestimmung des maßgebenden Rechts selbständig vom Standpunkt des deutschen Internationalen Privatrechts im Wege einer Analogie zum Interlokalen Privatrecht erfolgen 7 . Neben die Staatsangehörigkeit tritt auf diese Weise ergänzend der letzte Wohnsitz (i. S. des deutschen Rechts) oder der letzte gewöhnliche Aufenthalt im Heimatstaat 8 . Mithin verweist das deutsche Internationale Privatrecht im vorliegenden Fall zunächst auf das englische Recht. Eine Rück- oder Weiterverweisung durch das englische Kollisionsrecht auf das deutsche oder ein anderes Erbrecht ist jedoch gegebenenfalls zu beachten (Art. 27 EGBGB) 9 . 2. Englisches Internationales Privatrecht Das englische Kollisionsrecht unterscheidet - in Übereinstimmung mit den übrigen Rechten des anglo-amerikanisdien Rechtskreises - zwischen unbeweglichem und beweglichem Vermögen und erklärt für das erstere das Recht des Lageortes (lex rei sitae), für das letztere dagegen das Recht 5 Vgl. Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 156; Soergel/Siebertf-Kegel), Art. 29 EGBGB, Anm. 28; Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts (2. Aufl. 1962) 311 ff.; Melchior, Grundlagen des deutschen IPR (1932) 448; Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 112. 6 Vgl. Falconbridge, Essays on the Conflict of Laws (2. Aufl. 1954) 202 ff., insbes. 205 f. und (hinsichtlich der Unzulässigkeit des unmittelbaren Rückgriffs auf das englische Kollisionsrecht) 206, 209, 215 f. 7 Vgl. Kegel 138f.; Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 209ff.; Raape 149. 8 Vgl. Soergel/Siebertf-Kegel), vor Art. 7 EGBGB, Anm. 109 ff., S. 536; Börner, Personalstatut und Ehefähigkeit von Angehörigen der USA: StAZ 1956, 43ff., 44f.; Staudinger(-Raape), Kommentar zum BGB, Bd. VI/2 (9. Aufl. 1931), Einl. H III 2, S. 35 ff. 9 Vgl. für alle Soergel/Siebertf-Kegel), vor Art. 24 EGBGB, Anm. 74.

37

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

578

Erbrecht

desjenigen Staates für maßgeblich, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes domiziliert war10. a) Die Entscheidung darüber, was als unbewegliches Vermögen anzusehen ist, wird dem Recht des Lageortes überlassen11. Der deutsche Richter nimmt diese Teilrüdeverweisung an12. Er sieht sich aber vor die Schwierigkeit gestellt, daß das deutsche Recht die Unterscheidung von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen zwar für Sachen, nicht aber für Vermögenswerte Rechte kennt. Hier ist darauf abzustellen, in welcher Beziehung das betreffende Recht zu einer Sache steht. So wird ein Rückerstattungsanspruch in der Rechtsprechung13 und im überwiegenden Teil des Schrifttums14 dann als unbewegliches Vermögen qualifiziert, wenn er auf Rüdeerstattung eines Grundstücks gerichtet ist. Ob es sich im vorliegenden Fall u. a. um einen solchen Anspruch handelt, ist der Gerichtsakte nicht zu entnehmen. Gegebenenfalls untersteht die Erbfolge insoweit deutschem Recht. Dabei kann die unterschiedliche Behandlung von beweglichen und unbeweglichen Nachlaßteilen im vorliegenden Fall zur Anwendung verschiedener Rechtsordnungen führen. Eine solche Spaltung des Nachlasses hätte zur Folge, daß jeweils die der gleichen Rechtsordnung unterliegenden Nachlaßteile als selbständiger Sondernachlaß zu behandeln wären. Das ist in der deutschen Lehre und Praxis einhellig anerkannt. Vgl. BGH 5. 6. 195715: „Dies bedeutet, daß diese Verweisung, obwohl sie eine Teilverweisung ist, trotzdem insofern eine totale ist, als das Recht, auf das verwiesen wird, grundsätzlich in allen Beziehungen für die Beerbung des Sondernachlasses maßgebend ist. Jeder durch die Spaltung entstandene Nachlaßteil ist grundsätzlich als selbständig anzusehen. Das besagt, daß, soweit auf einen Teil deutsches Recht anzuwenden ist, es so anzusehen ist, als ob dieser Teil den gesamten Nachlaß bildete." 16

Demgemäß wäre gegebenenfalls für den dem deutschen Recht unterliegenden unbeweglichen Nachlaß nicht ein gegenständlich beschränkter 10 Vgl. Cheshire, Private International Law (7. Aufl. 1965) 472 ff., 501 ff.; Gravesoii, The Conflict of Laws (4. Aufl. 1960) 419ff.; Dicey(-Treitel), Conflict of Laws (7. Aufl. 1958) 518ff., 598ff., M. Wolff, Private International Law (2. Aufl. 1956) 567ff.; Goldschmidt, in: Die Zivilgesetze der Gegenwart, Bd. II/2 England (1931) 245 f. 11 Cheshire 399; M. Wolff 502 ff. 12 BGH 5. 6. 1957, BGHZ 24, 352 (355) = IPRspr. 1956-57, Nr. 146; OLG Frankfurt/M. 2. 7. 1953, RabelsZ 19 (1954) 554 mit ausführlicher Anmerkung vonNeuhaus. 13 BGH 5. 6. 1957 aaO; OLG Frankfurt/M. 2. 7. 1953 aaO. 14 Raape 418; Neuhaus, RabelsZ 19 (1954) 565. 15 BGHZ 24, 352 (355) = IPRspr. 1956-57, Nr. 146. 18 Siehe auch Palandt(-Lauterbach), Art. 24 EGBGB, Anm.2; Erman(-Marquordt), Artt. 24/25 EGBGB, Anm. 9; Raape 419 f.; Staudinger(-Raape), Art. 25 EGBGB, Anm. C V 1, S. 706; Nußbaum 359; M. Wolff, Das IPR Deutschland (3. Aufl. 1954) 226,233.

Testament

/

England/Frankreich

579

Fremdrechtserbschein gemäß §2369 BGB, sondern einEigenrechtserbschein gemäß § 2353 BGB zu erteilen. Aus ihm muß allerdings hervorgehen, daß seine Gültigkeit auf diesen dem deutschen Recht unterstehenden Nachlaß beschränkt ist 17 . b) Für die Erbfolge in bewegliches Vermögen ist dagegen nach englischem Kollisionsrecht das Recht des Domizilstaates des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes maßgebend. Dabei ist nicht etwa vom Domizilbegriff des möglichen Domizillandes, sondern vom Domizilbegriff des englischen Rechts auszugehen 18 . Domizil im Sinne des englischen Rechts bedeutet die Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet. Jede Person hat ein derartiges Domizil, kann aber zur gleichen Zeit auch nur ein Domizil haben. Es wird unterschieden zwischen dem durch Geburt erworbenen domicile of origin (Domizil des ehelichen Vaters bzw. der unehelichen Mutter im Zeitpunkt der Geburt) und dem domicile of choice. Letzteres kann eine volljährige Person dadurch erwerben, daß sie sich in einem anderen Land mit der Absicht niederläßt, dort für immer oder jedenfalls doch auf unbestimmte Zeit zu verbleiben (sog. animus manendi) und nicht mehr in das Land des bisherigen Domizils für dauernd zurückzukehren (sog. animus non revertendi) 19. Im vorliegenden Fall dürfte der Erblasser bei Geburt ein österreichisches, später ein tschechoslowakisches Domizil erworben haben. Dieses Ursprungsdomizil hat er spätestens mit Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit durch ein englisches Wahldomizil ersetzt. Im Zeitpunkt seines Todes hatte der Erblasser dagegen mit Sicherheit ein Wahldomizil in Frankreich erworben. Zwar geht aus der Akte nicht eindeutig hervor, ob der Erblasser für immer in Frankreich bleiben wollte. Es genügt jedoch nach den dargelegten Grundsätzen zur Begründung eines Wahldomizils, wenn der Betreffende auf unbestimmte Zeit an seinem neuen Aufenthaltsort zu bleiben gedenkt, sofern er nicht die Absicht hat, in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren. Demgemäß verweist das englische Kollisionsrecht hinsichtlich des beweglichen Teils des Nachlasses für die Erbfolge auf das in Frankreich geltende Recht. Eine Rück- oder Weiterverweisung durch das französische Kollisionsrecht wäre jedoch auch hier zu beachten 20 . 17

OLG Köln 3. 12. 1954, N J W 1955, 755; BayObLG 27. 11. 1959, N J W 1960, 755 (776); Soergel/Siebert(-Kegel), vor Art. 24 EGBGB, Anm. 67 mit weiteren Nachweisen. 18 Re Askew, Majoribanks v. Askew, [1930] 2 Ch. 259, 265 ; Re Annesley, Davidson v. Annesley, [1926] Ch. 692, 705; Re Martin, Loustalan v. Loustalan, [1900] P. 211 ; Dicey(-Treitel) 124. 19 Ausführlich hierzu Henrich, Der Domizilbegriff im englischen IPR: RabelsZ 25 (1960) 456ff. ; vgl. auch Cheshire 143ff. ; Graveson 74ff.; Dicey(-Treitel) 85ff.; M. WoW (oben N. 10) 106 ff.; Schmitthoti, The English Conflict of Laws (3. Aufl. 1954) 69 ff. 20 Vgl. Cheshire 55ff.; Dicey(-Morris) 64 ff. (Rule 1). 37 *

580

Erbrecht

3. Französisches Internationales

Privatrecht

Erbstatut des beweglichen Vermögens ist sowohl für die gesetzliche w i e für die testamentarische Erbfolge das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers21. Der testierende Erblasser kann freilich seine letztwillige Verfügung für alle Fragen, die das Erbstatut nicht zwingend regelt, einem anderen, von ihm gewählten Recht unterwerfen (loi d'autonomie) 22 . Eine solche „ W a h l " ist allerdings nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung nur eine materiellrechtliche Verweisung und besitzt deshalb nur für die Auslegung des Testaments eine Bedeutung 23 . Da der Erblasser im vorliegenden Fall seinen letzten Wohnsitz in Frankreich hatte, bestimmt sich die Erbfolge in sein bewegliches Vermögen nach materiellem französischem Recht. Die Weiterverweisung durch das englische Internationale Privatrecht wird also angenommen.

III. Materielles

französisches

Erbrecht

Erben (héritiers) sind nach französischem Recht nur die gesetzlichen Erben. Hingegen ist ein durch Testament Begünstigter stets nur Vermächtnisnehmer (légataire), und zwar auch dann, wenn ihm der gesamte Nachlaß zugewendet wird. Dieser dogmatische Unterschied zum deutschen Recht darf allerdings keinen Einfluß haben auf den Inhalt eines deutschen Erbscheins, in dem eine Erbfolge nach französischem Recht bescheinigt wird. In ihm ist vielmehr diejenige Person als Erbe auszuweisen, welche die Stellung eines deutschen Erben hat, ohne daß es auf ihre Qualifizierung als Erbe oder Vermächtnisnehmer durch das französische Recht ankommt. Charakteristisch für die Stellung des deutschen Erben im Rechtsverkehr aber ist seine an das Eigentum geknüpfte Befugnis, unmittelbar über den Nachlaß zu verfügen. Das Recht zur unmittelbaren Verfügung über den Nachlaß ist demnach das Kriterium dafür, ob eine bestimmte, durch den Erbfall begünstigte Person im Erbschein aufzuführen ist oder nicht.

21 Civ. 13. 11. 1951, Clunet 79 (1952) 662; Batitiol, Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) no. 653; Loussouam, J. Cl. Droit international privé, fasc. 557 B, no. 2. 22 Trib. civ. Seine 26. 2. 1958 (Potocki), Clunet 86 (1959) 430 mit Anm. Ponsard, best, von Paris 16. 5. 1960, J.C.P. 1960. II. 11 736 mit Anm. Gavalda; Batitiol no. 653; Boulanger, Étude comparative du droit international privé des successions en France et en Allemagne (1964) nos. 90 ff. 23 Batitiol no. 653; Loussouam no. 6.

Testament

/

England/Frankreich

581

A. RECHTSSTELLUNG DES ERBVERMÄCHTNISNEHMERS

a) Begriff des Erbvermächtnisses Wendet der Erblasser einem oder mehreren Begünstigten die Gesamtheit seines Nachlasses zu, so setzt er ihnen ein Erb- oder Universalvermächtnis (legs universel) aus. Art. 1003

C.civ.:

Le legs universel est la disposition testamentaire par laquelle le testateur donne à une ou plusieurs personnes l'universalité des biens qu'il laissera à son décès.

Ein Erbvermächtnis ist diejenige testamentarische Verfügung, durch welche der Erblasser einer oder mehreren Personen das ganze Vermögen zuwendet, welches er bei seinem Ableben hinterlassen wird 24 .

In seiner rechtlichen Ausgestaltung steht das Erbvermächtnis der dem französischen Recht unbekannten Erbeinsetzung freilich sehr nahe 2 5 . Es unterscheidet sich sowohl vom Erbteilvermächtnis (legs à titre universel) wie vom Stückvermächtnis (legs particulier). Ordnet der Erblasser an, daß gewisse Personen jeweils bestimmte Gegenstände oder einen bestimmten Geldbetrag erhalten sollen und der Rest des Nachlasses einer weiteren Person zufallen soll, so ist diese Erbvermächtnisnehmer, jene aber sind Stückvermäditnisnehmer 28 . Nun hat allerdings im vorliegenden Fall der Erblasser das für seinen Sohn Michael bestimmte Erbvermächtnis nicht unmittelbar ihm ausgesetzt, sondern dritten Personen als Treuhändern nach englischem Recht (trustees). Dem Sohn sollte das Vermächtnis erst dann zustehen, wenn er das 30. Lebensjahr erreicht hat. Es kann jedoch dahinstehen, wie eine derartige Anordnung vom Standpunkt des französischen Rechts aus zu verstehen ist; denn da der Sohn beim Tode seines Vaters bereits 30 Jahre alt war, ist die Anordnung des „trusts" praktisch nicht wirksam geworden. b) Eigentum und Verfügungsmacht des Erbvermächtnisnehmers 1. Der Erbvermäditnisnehmer ist - wie alle Vermächtnisnehmer nach französischem Recht - dinglich Berechtigter; denn das Eigentum an den in das Vermächtnis fallenden Gegenständen geht mit dem Erbfall auf ihn 24 Deutsche Übersetzung: Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, s. v. Frankreich, Texte B. 25 Planiol/Ripertf-Trasbot/Loussouarn), Traité pratique de droit civil français V (2. Aufl. 1957) no. 611; vgl. Staudinger(-Boehmer), BGB V/1 (11. Aufl. 1954) Einl. § 1 4 , Rz. 29; Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht I (1961), s . v . Frankreich, Rz. 56, 162. 28 Riom. 23. 12. 1889, D. P. 1892. 1. 451; Planioi/Ripert(-Trasbot/Loussouarn) V no. 614, S. 770; Loussouarn in: Dalloz, Rép. droit civil, s.v. Legs, no. 119; Colin/ Capitant(-Julliot de la Morandière), Cours élémentaire de droit civil français III (10. Aufl. 1950) no. 1842, S. 940.

582

Erbrecht

über. Das Gesetz sagt dies zwar ausdrücklich nur für das Stückvermächtnis (Art. 1014), doch ist allgemein anerkannt, daß Gleiches auch für die beiden anderen Vermäditnisarten gilt 27 . 2. Wird ein Vermächtnisnehmer auch unmittelbar durch den Erbfall Eigentümer der ihm vermachten Gegenstände, so ist er jedoch nicht ohne weiteres zur Verfügung über sie berechtigt. Der Erbvermächtnisnehmer ist es ohne jegliche Formalität nur dann, wenn er die „saisine" hat, die übrigen Vermächtnisnehmer niemals. Mit „saisine" aber wird die Rechtsstellung desjenigen umschrieben, der sich in den körperlichen Besitz (possession) der zum Nachlaß gehörenden Sachen setzen darf und ohne weiteres berechtigt ist, die Rechte des Erblassers auszuüben und seine Forderungen geltend zu machen 28 . Sind neben dem Erbvermächtnisnehmer Pflichtteilserben am Nachlaß beteiligt, so steht ihnen die „saisine" am gesamten Nachlaß zu, und der Erbvermächtnisnehmer muß von ihnen die Aushändigung (délivrance) der in das Vermächtnis fallenden Gegenstände verlangen. Art. 1004

C.civ.:

Lorsqu'au décès du testateur il y a des héritiérs auxquels une quotité de ses biens est réservée par la loi, ces héritiers sont saisis de plein droit, par sa mort, de tous les biens de la succession; et le légataire universel est tenu de leur demander la délivrance des biens compris dans le testament.

Sind beim Ableben des Erblassers Erben vorhanden, denen das Gesetz eine Quote seines Vermögens vorbehält, so geht durch seinen Tod das ganze Vermögen der Erbschaft auf diese Vorbehaltserben von Rechts w e g e n über. Der Erbvermächtnisnehmer muß die Auslieferung des vom Testament umfaßten Vermögens von ihnen verlangen 2 9 .

Gehört der Erbvermächtnisnehmer aber selbst zu den Pflichtteilserben, so hat auch er die „saisine" und ist deshalb für denjenigen Nachlaß teil, der seinem Erbvermächtnis entspricht, nicht auf eine Aushändigung durch die Erben angewiesen 30 . 27 Planiol/Ripertf-Trasbot/Loussouarn) V no. 636; Aubry/Rau(-Esmein), Droit civil français XI (6. Aufl. 1956) § 717, S. 354; Loussouarn no. 167. 28 PIaniol/Ripert(-Maury/ViaHeton) IV (2. Aufl. 1956) no. 195; Aubry/Rau (-Esmein), Droit civils français IX (6. Aufl. 1953) § 609 B, Anm. 14; Breton in: Dalloz, Rép. droit civil, s. v. Successions, no. 717; Petitjean, Fondements et mécanisme de la transmission successorale en droit français et droit anglais (1958) no. 308; vgl. auch: Ferid-Firsching, Rz. 211. 29 Deutsche Übersetzung: Ferid-Firsching. 30 Civ. 29. 8. 1897, D. 1897. 1. 409; Planioi/Ripert(-Trasbot/Loussouarn) V no. 642; Colin/Capitantf-Julliot de la Morandière) III no. 1853, B; Loussouarn no. 236; Aubry/Rau(-Esmein) XI § 719, S. 369; Baudry-Lacantinerie/Colin, Traité théorique et pratique de droit civil: Des Donations entre vifs et des testaments II (3. Aufl. 1905) no. 2313 bis.

Testament

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rankreich

583

B. RECHTSSTELLUNG DES PFLICHTTEILSERBEN a) Pflichtteilsberechtigte Der Erblasser ist z u g u n s t e n s e i n e r A b k ö m m l i n g e s o w i e s e i n e r V o r fahren in direkter Linie in s e i n e r Testierfreiheit beschränkt. Er kann, w e n n er v o n e i n e r P e r s o n aus d e m b e g ü n s t i g t e n Kreis ü b e r l e b t wird, nur ü b e r e i n e n Teil s e i n e s V e r m ö g e n s (quotité disponible) v e r f ü g e n . D e s s e n H ö h e h ä n g t ab v o n der Gradnähe u n d Zahl der Berechtigten. Hinterläßt der Erblasser w i e hier drei eheliche Kinder, s o beträgt der frei v e r f ü g b a r e Teil d e s N a c h l a s s e s e i n V i e r t e l u n d der Pflichtteil e i n e s j e d e n K i n d e s e b e n f a l l s je e i n V i e r t e l . Art. 913 C. civ.: Les libéralités, soit par actes entre vifs, soit par testament, ne pourront excéder la moitié des biens du disposant, s'il ne laisse à son décès qu'un enfant légitime; le tiers, s'il laisse deux enfants; le quart, s'il en laisse trois ou u n plus grand nombre. L'enfant naturel légalement reconnu a droit à une réserve. Cette réserve est une quotité de celle qu'il aurait eue s'il eût été légitime, calculée en observant la proportion qui existe entre la portion attribuée à l'enfant naturel au cas de succession ab intestat et celle qu'il aurait eue dans le même cas s'il eût été légitime. Sont compris dans le présent article, sous le nom d'enfants, les descendants en quelque degré que ce soit. Néanmoins ils ne sont comptés que pour l'enfant qu'ils représentent dans la succession du disposant.

Freigebigkeiten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Testament dürfen nicht die Hälfte des Vermögens des Verfügenden übersteigen, w e n n derselbe bei seinem Tode nur ein eheliches Kind zurückläßt; nicht den dritten Teil, w e n n er zwei Kinder zurückläßt; nicht den vierten Teil, wenn er deren drei oder mehr zurückläßt. Das gesetzmäßig anerkannte natürliche Kind hat ein Pflichtteilserbrecht. Dieses Pflichtteilserbrecht ist ein Bruchteil dessen, was es im Falle der Ehelichkeit erhalten würde. Es wird berechnet unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen dem Erbteil des unehelichen Kindes und dem Erbteil des Kindes im Falle der Ehelichkeit. Als „Kinder" sind in dem vorhergehenden Artikel die Abkömmlinge zu verstehen, welchen Grades sie auch sein mögen; sie werden jedoch nur für das Kind gerechnet, welches sie bei der Erbfolge in dem Nachlaß des Verfügenden repräsentieren 3 1 .

D i e ü b e r l e b e n d e n A b k ö m m l i n g e d e s Erblassers schließen s e i n e e t w a noch l e b e n d e n Eltern v o n der Erbfolge u n d damit v o m Pflichtteilsrecht aus. D i e W i t w e d e s Erblassers ist nicht pflichtteilsberechtigt; s i e hat l e d i g lich e i n e n Unterhaltsanspruch g e g e n d e n Nachlaß, w e n n s i e bedürftig ist (Art. 205). 31

Deutsche Ubersetzung:

Ferid-Firsching.

584

Erbrecht

b) Erbenstellung der Pflichtteilserben Beim Pflichtteilsrecht handelt es sich nicht um eine Berechtigung eigener Art, sondern um gesetzliche Erbfolge in den Teil des Nachlasses, welcher der Verfügung des Erblassers entzogen ist 32 . Die Pflichtteilsberechtigten haben deshalb nicht nur einen obligatorischen Anspruch auf Auszahlung ihres Pflichtteils, sondern ein materielles Vorbehaltserbrecht 33 . Ihre Stellung ist sogar stärker als diejenige der testamentarisch Begünstigten, da - wie bereits ausgeführt wurde - grundsätzlich sie und nicht diese die „saisine" am Nachlaß haben.

C. AUSSCHLAGUNG DES PFLICHTERBTEILS

a) Form der Ausschlagung Ein Pflichtteilsberechtigter kann auf seinen Pflichtteil verzichten, indem er die Erbschaft ausschlägt. Dies geschieht durch eine ausdrückliche Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts. Art. 784 C. civ.: La renonciation à une succession ne se présume pas; elle ne peut plus être faite qu'au greffe du tribunal de grande instance dans l'arrondissement duquel la succession s'est ouverte, sur un registre tenu à cet effet.

Die Erbausschlagung wird nicht vermutet; sie kann künftig nur noch auf der Geschäftsstelle des „tribunal de grande instance", in dessen Bezirk der Erbfall eintritt, zur Eintragung in die dazu eigens geführten Register erklärt werden.

Der Erbe kann sich vertreten lassen, muß aber seinen Vertreter ausdrücklich zur Ausschlagung der Erbschaft bevollmächtigen 34 . Da die Tochter des Erblassers dies durch eine notarielle Erklärung getan hat, ist die in ihrem Namen erklärte Ausschlagung der Erbschaft wirksam. b) Wirkung der Ausschlagung Die Erbausschlagung wirkt zurück auf den Zeitpunkt des Erbfalls. Art. 785 C. civ.: L'héritier qui renonce est censé n'avoir jamais été héritier.

Der ausschlaggebende Erbe wird so angesehen, als wäre er nie Erbe gewesen.

Allerdings hat sie keinen Einfluß auf die Berechnung des für den Erblasser frei verfügbaren Teil seines Vermögens. Hierfür entscheidend ist vielmehr 32

Planiol/Ripertf-Trasbot/Loussouarn) V no. 24. Colin/Capitant(-Julliot de la Morandiere) III nos. 1494, 1551; Ferid-Firsching, Rz. 189; Staudinger(-Boehmer), Einl. § 14, Rz. 28. 34 Rouen 31. 5. 1950, D. 1950. J. 742 (Unwirksamkeit einer in Deutschland ausgestellten notariellen Generalvollmacht); Breton no. 705. 33

Testament

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England/Frankreich

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die Zahl der Pflichtteilsberechiigien im Zeitpunkt seines Todes. Der ihnen vorbehaltene Teil des Nachlasses (réserve) unterliegt nach ständiger Rechtsprechung endgültig der gesetzlichen Erbfolge, so daß der Erbteil des Ausschlagenden gemäß der allgemeinen Vorschrift des Art. 786 C. civ. den übrigen Pflichtteilsberechtigten zuwächst 35 . Somit vergrößert sich dadurch, daß die Tochter des Erblassers ihren Pflichterbteil ausgeschlagen hat, derjenige ihrer beiden Brüder auf je 3/s des Nachlasses.

D. ERNENNUNG EINES TESTAMENTSVOLLSTRECKERS

Die Stellung des Testamentsvollstreckers (exécuteur testamentaire) ist nach französischem Redit im allgemeinen wesentlich schwächer als nach deutschem Recht. Er hat nämlich, wenn sie ihm vom Testator nicht eingeräumt worden ist, nicht die „saisine" am Nachlaß und ist damit nicht zur Verfügung über die zu diesem gehörenden Gegenstände befugt. Art. 1025 C. civ.: Le testateur pourra nommer un ou plusieurs exécuteurs testamentaires.

Der Erblasser kann einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen.

Art. 1026 C. civ.: Il pourra leur donner la saisine du tout, ou seulement d'une partie de son mobilier; mais elle ne pourra durer au delà de l'an et jour à compter de son décès. S'il ne la leur a pas donnée, ils ne pourront l'exiger.

Er kann bestimmen, daß das unbeschränkte, gegen Dritte wirksame Besitzrecht an seinem Mobiliarvermögen ganz oder nur zum Teil auf den oder die Testamentsvollstrecker übergehen sollj aber dieser Zustand kann nidit länger als Jahr und Tag, v o n seinem Ableben an gerechnet, dauern. Hat er ihnen diese Rechtsstellung nicht verliehen, so können der oder die Testamentsvollstrecker sie nicht verlangen 3 6 .

Die Funktion des Testamentsvollstreckers ohne „saisine" beschränkt sich darauf, die Erfüllung der testamentarischen Bestimmungen durch die Erben oder Erbvermächtnisnehmer zu überwachen und unter bestimmten Umständen die Sicherung des Nachlasses und den Verkauf von Bestandteilen des beweglichen Vermögens zu veranlassen 3 7 . Der Besitz und die Verwaltung des Nachlasses aber steht allein den Erben oder Erbvermächtnisnehmern zu 38 . 35 Civ. 13.8. 1866, S. 1866 1. 383; Req. 10. 6. 1902, D. P. 1904. 1. 425; Civ. 23. 6. 1926, D. P. 1927. 1. 65; Pianiol/Ripertf-Trasbot/Loussouarn) V no. 35; Aubry/Rau (-Esmein) XI § 681; abl.: Coiin/Capitant(-Julliot de la Morandiere) III no. 1506. 31 Deutsche Übersetzung: Ferid-Firsching. 37 38 Vgl. Ferid-Firsching Rz. 180. Aubry/Rau(-Esmein) XI § 711, S. 325.

586

Erbrecht

Stärker ist die Stellung des Testamentsvollstreckers, wenn ihm der Testator ausdrücklich oder auch nur stillschweigend die „saisine" über den Nachlaß eingeräumt hat. Kraft dieses Titels kann er nämlich vom beweglichen Nachlaß Besitz ergreifen und insbesondere die zu diesem gehörenden Forderungen geltend machen 39 . Es ist allerdings zweifelhaft, inwieweit die „saisine" des Testamentsvollstreckers die Verfügungsbefugnis der Erben beeinträchtigt; denn es herrscht Ubereinstimmung darüber, daß sie die „saisine" der Erben oder Erbvermächtnisnehmer nicht berührt. Im Vergleich zu dieser soll die „saisine" des Testamentsvollstrekkers vielmehr nur eine tatsächliche, durch die ihm obliegenden Aufgaben bedingte Innehabung (détention) des beweglichen Nachlasses bedeuten 4 0 . Es ließe sich hieraus der Schluß ziehen, daß die Erben an einer wirksamen Verfügung über die zum beweglichen Nachlaß gehörenden Gegenstände nicht gehindert sind. Jedenfalls aber steht die „saisine" dem Testamentsvollstrecker höchstens ein Jahr und einen Tag zu (Art. 1026), ohne daß der Testator diese Frist verlängern könnte 4 1 . Mit Ablauf der Frist wird der Testamentsvollstrecker zwar nicht von den ihm vom Testator übertragenen Aufgaben entbunden, aber er verliert die „saisine" am Nachlaß 42 . Jedoch kann das Gericht, falls dies erforderlich ist, nach Ablauf der Jahresfrist den Testamentsvollstrecker oder eine andere Person zum Verwalter (administrateur judicaire) des Nachlasses bestellen 43 . Aus den Akten ergibt sich aber nicht, daß die vom Testator ernannten Testamentsvollstrecker zu gerichtlichen Nachlaßverwaltern bestellt worden sind oder daß dies beantragt worden ist. Im übrigen sind auch keine Umstände ersichtlich, wegen derer die Bestellung derartiger Verwalter erforderlich erscheint. Deshalb ist davon auszugehen, daß die vom Erblasser ernannten Testamentsvollstrekker, falls sie jemals die „saisine" am Nachlaß gehabt haben sollten, diese jedenfalls inzwischen verloren haben.

38

Aubry/Rau(-Esmein) XI § 711, S. 328f.; Colin/Capitant(-Julliot de la Morandière) III no. 1885; PIaniol/Ripert(-Trasbot/Loussouarn) V no. 691, S. 864 f. (mit der Einschränkung, daß der Testamentsvollstrecker nicht gerichtlich gegen den Schuldner vorgehen kann). 40 Trib. Seine 31. 8. 1871, Paris 18. 12. 1871, D. 1873. 2. 15; Trib. Seine 25. 2. 1911, Gaz. Pal. 1911. II. 643; Planiol/Ripert(-Trasbot/Loussouarn) V no. 685; Coiin/Capitant(-JulIiot de la Morandière) III no. 1884; Petitjean nos. 326, 328; Verdot, La délimitation des pouvoirs de l'exécuteur testamentaire, D. 1963. Chr. 75 ff. no. 16. 41 Planiol/Ripert(-Trasbot/Loussouarn) V no. 687; Colin/Capitant(-Julliot de la Morandière) III no. 1887; Aubry/Rau(-Esmein) XI § 711, S. 327 f.; Verdot no. 16. 42 Bordeaux 16. 11. 1903, D. 1904.5.331; Planiol/Ripertf-Trasbot/Loussouarn) no. 692; Colini Capitanti-Julliot de la Morandière) III no. 1887. 43 Req. 10. 2. 1903, D. 1904. 1. 113; Grenoble 12. 1. I960, D. 1960. Somm. 85; Planiol/Ripertf-Trasbot/Loussouarn) Vno.687; Colin/Capì tantf-Julliot delà Morandière) III no. 1887; Verdot nos. 22 ff.

Testament / Italien

587

E. FASSUNG DES ERBSCHEINS

Die pflichtteilsberechtigten Kinder des Erblassers sind nach französischem Recht Erben und deshalb mit ihrem Pflichterbteil im Erbsdiein aufzuführen. Nachdem die Tochter des Erblassers rüdewirkend auf ihren Pflichtteil verzichtet hat, beträgt der Pflichterbteil ihrer beiden Brüder j e 3/8. Das restliche Viertel steht dem Sohn Michael des Erblassers als Erbvermächtnis zu. Er ist insoweit ebenfalls als Erbe im Erbschein aufzuführen; denn der Erbvermächtnisnehmer hat zumindest dann eine dem Testamentserben des deutschen Rechts vergleichbare Stellung, wenn er die „saisine" am Nachlaß hat und somit über ihn verfügen kann. Ein Vermerk über die vom Testator angeordnete Testamentsvollstrekkung ist nicht in den Erbschein aufzunehmen, weil die von ihm ernannten Testamentsvollstrecker keine „saisine" (mehr) am Nachlaß haben und die Verfügungsbefugnis der Erben schon aus diesem Grunde nicht (mehr) durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung beschränkt ist.

Nr. 55 Italien 1. Mafigebendes Recht für die Erbfolge nach deutschem und Italienischem internationalem Erbrecht. 2. Auslegung eines italienischem Erbrecht unterliegenden Testaments. 3. Erbeinsetzung, Pflichtteilsrecht, Widerruf eines Testaments kraft Gesetzes und Anfechtung wegen Irrtums nach italienischem Recht. 4. Nießbrauch des überlebenden Ehegatten am NachlaB nach italienischem Recht. 5. Rechtsverhältnisse in einer Erbengemeinschaft italienischen Rechts. Mttnchen EV 222/65 vom 7. 7.1965

SACHVERHALT Am 22.1.1965 ist mit letztem Wohnsitz in Deutschland ein italienischer Staatsangehöriger verstorben. Er wurde überlebt von seiner Ehefrau aus zweiter Ehe, zwei Kindern aus erster Ehe und drei Kindern aus zweiter Ehe, darunter einem zur Zeit des Erbfalls etwa lV2jährigen Sohn. Ob die Ehefrau erster Ehe noch lebt, ob die Ehe (trotz Unscheidbarkeit einer Ehe nach italienischem Recht) etwa in Deutschland aufgrund Art. 17 Abs. 3 EGBGB oder in Verletzung der einschlägigen deutschen international-privatrechtlichen oder der italienischen Bestimmungen geschie-

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Erbrecht

den ist, wie es zur zweiten Eheschließung kam, das ergibt sich aus den Akten nicht. Im Jahre 1960, also einige Jahre vor der Geburt des jüngsten Sohnes, hatte der Erblasser in Deutschland ein privatschriftliches, eigenschriftliches, datiertes und unterschriebenes Testament errichtet, das im wesentlichen folgenden Inhalt hat: „Da meine Kinder Italo und Bianca dank der Fürsorge ihrer Eltern einen guten Start in das Leben hatten, glaube ich es vor meinem Gewissen vertreten zu können, wenn mein Einfamilienhaus zu gleichen Teilen unter meinen Kindern Diana und Markus aufgeteilt wird. Sollte Italo und Bianca ein unabdingbares Pflichtteil zustehen, so bestimme ich, daß dieses insgesamt DM 5000.- nicht übersteigen soll. Meine Ehefrau Elisabeth besitzt, vorausgesetzt, daß sie keine weitere Ehe eingeht und auch in keinem eheähnlichen Verhältnis lebt, so lange sie lebt, das Wohn- und Nutznießungsrecht an meinem Gesamt-Vermögen. Sollte sie jedoch sich über diese Voraussetzungen hinwegsetzen, so ist die Erbteilung nach den vorangegangenen Gesichtspunkten durchzuführen. Hierbei ist ein etwa von meiner Ehefrau Elisabeth zu beanspruchendes Pflichtteil - in Abänderung meines auf der Vorderseite niedergelegten Willens - jedoch von dem Teil zu kürzen, der meinem Sohn Markus zufallen soll."

Der in Deutschland befindliche Nachlaß besteht im wesentlichen nur aus einem Grundstück mit Einfamilienhaus. Die Staatsangehörigkeit der Kinder und der Ehefrau zweiter Ehe ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hat eine gutachtliche Äußerung darüber angefordert, wer im Hinblick auf das Testament des Erblassers, der die italienische Staatsangehörigkeit besaß, Erbe geworden ist. Kann ein Erbsdiein nach deutschem Recht bei Anwendung des italienischen materiellen Erbrechts erteilt werden?

GUTACHTEN I. Das anzuwendende

Recht

1. Gemäß Art. 25 Satz 1 EGBGB gelangt man im vorliegenden Fall zur Maßgeblichkeit italienischen Rechts. Vor seiner Anwendung ist jedoch zu prüfen, ob dessen Kollisionsnormen nicht eine Rückverweisung auf das deutsche Recht, etwa im vorliegenden Fall als das Recht des Wohnsitzes oder als die lex rei sitae, enthalten. 2. Dies ist nicht der Fall: Entsprechend der allgemeinen Bedeutung, welche der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment im italienischen internationalen Privatrecht zukommt, erklärt Art. 23 der Einführungsbestimmungen (disposizioni preliminari) des Codice Civile von 1942 das Recht desjenigen Staates für maßgebend, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte.

Testament Art. 23 dis. prel.

/

Italien

589

lautet:

Le successioni per causa di morte sono regolate, ovunque siano i beni, dalla legge dello Stato al quale apparteneva, al momento della morte, la persona della cui eredità si tratta.

Die Erbfolge richtet sich nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte, gleich wo sich die Erbmasse befinden möge.

3. Damit ist also nicht (im Gegensatz etwa zum französischen, aber auch zu dem in den meisten US-Einzelstaaten geltenden räumlichen Kollisionsrecht) bei Grundstücken eine Rüdeverweisung auf die lex rei sitae gegeben, die zu einer Spaltung des Nadilaßstatutes führen würde. 4. Für die Form des Testamentes ist demnach maßgebend entweder das italienische Recht als Wirkungsstatut (Art. 11 Abs. I Satz 1 EGBGB) oder der Ort der Testamentserrichtung, also deutsches Recht (Art. 11 Abs. I Satz 2 EGBGB). Dies entspricht auch der Regelung des italienischen IPR in Art. 26 der Disp. Prel. zum Codice Civile. Diese Bestimmung lautet in ihrem hier einschlägigen Teil: Art.

26

La forma degli atti tra vivi e degli atti di ultima volontà è regolata dalla legge del luogo nel quale l'atto è compiuto o da quella che regola la sostanza dell'atto, ovvero dalle legge nazionale del disponente o da quella dei contraenti, se è comune.

Die Form von Geschäften unter Lebenden oder von letztwilligen Verfügungen richtet sich nach dem Rechte des Vornahmeortes oder nach dem Wirkungsstatut oder aber nach dem Heimatrecht des Verfügenden oder der Vertragschließenden, wenn es ihr gemeinsames Heimatrecht ist.

5. Zu prüfen ist noch, ob nicht im Hinblick auf die möglicherweise gegebene Eigenschaft der Witwe als Doppelstaaterin mit deutschem Wohnsitz die Vorschrift des Art. 25 Satz 2 EGBGB Anwendung zu finden hat, wonach Deutsche erbrechtliche Ansprüche auch dann geltend machen können, wenn sie nur nach deutschen Gesetzen begründet sind. Dies ist jedoch im vorliegenden Falle zu verneinen, denn die Bestimmung des Art. 25 Satz 2 kommt nur zur Anwendung, wenn der Heimatstaat des Erblassers mit letztem Wohnsitz in dem betreffenden Staate versterbende Deutsche erbrechtlich anderen Gesetzen als den deutschen unterwirft, indem er etwa die Erbfolge nicht nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, sondern nach dem letzten Domizil beurteilt oder aber auch die Erbfolge in Grundstücke, die im Sterbestaat gelegen sind, nach der lex rei sitae und nicht nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip bemißt. Italien steht nun, wie oben in Ziffer 2 gezeigt, erbrechtlich völlig auf dem Staatsangehörigkeitsprinzip. Ein mit letztem Wohnsitz in Italien versterbender Deutscher würde daher - auch hinsichtlich seines in Italien

Erbrecht

590

belegenen Nachlasses - von italienischen Gerichten nur nach deutschem Recht erbrechtlich beurteilt werden. Es kommt mithin auch nicht insoweit deutsches Recht hinsichtlich des inländischen Nachlasses zur Anwendung, als die Erben deutsche Staatsangehörige sind. II. Die Formgültigkeit

des

Testamentes

1. Nach den oben mitgeteilten Grundsätzen des Art. 11 EGBGB genügt die Einhaltung der deutschen Form, da das Testament hier errichtet wurde. 2. Das Testament würde im übrigen auch den italienischen Formvorschriften genügen (Art. 602 CC), deren Erfordernisse: Ganzschriftlichkeit, Datierung und Unterschrift im vorliegenden Fall hier ebenfalls gewahrt sind. III. Die Reichweite

des

Erbstatuts

Das Erbstatut ergreift alle mit dem Erbfall zusammenhängenden Fragen. Dies bedeutet insbesondere, daß der Erwerb der Erbschaft nach italienischem Recht erfolgt. Das italienische Recht muß also Bestimmung darüber treffen, ob die Erbschaft unmittelbar mit dem Erbfall übergeht oder aber ob sie erst durch eine besondere Erklärung oder aber durch eine gerichtliche Einweisung erworben wird. Auch die Frage, inwieweit Minderjährige eine Erbschaft erwerben und zu diesem Erwerb eine besondere vormundschaftsgerichtliche Genehmigung benötigen oder aber den Erwerb nur eingeschränkt, etwa unter dem Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung, erklären können, ist vom italienischen Recht zu beantworten. Desgleichen bestimmt das italienische Recht darüber, wie das Verhältnis mehrerer Miterben untereinander geregelt ist, ob eine Gesamthandsberechtigung vorliegt oder eine Mitberechtigung nach Bruchteilen. Auch das Pflichtteilsrecht bemißt sich selbstverständlich nach italienischem Recht. IV. Die materielle 1. Frage der

Würdigung

des Testamentes

nach italienischem

Recht

Gesamtrechtsnachiolge

In dem Testament verfügt der Erblasser, daß die zwei älteren Kinder aus zweiter Ehe zu gleichen Teilen das Einfamilienhaus erhalten sollen. Der Ehefrau zweiter Ehe wird ein lebenslängliches Wohn- und Nutznießungsrecht „an dem Gesamtvermögen" unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumt. Zunächst ist schon zu prüfen, ob der Erblasser die beiden älteren Kinder aus zweiter Ehe zu Erben einsetzen oder ihnen nur

Testament

/

591

Italien

ein Vermächtnis zuwenden wollte. Diese Frage ist Gegenstand von in Art. 588 des italienischen Codice Civile enthaltenen Auslegungsregeln. Die genannte Bestimmung hat folgenden Wortlaut: Art.

588

Le disposizioni testamentarie, qualunque sia l'espressione o la denominazione usta dal testore, sono a titolo universale e attribuiscono la qualità di erede, se comprendono l'universalità o una quota dei beni del testatore. Le altre disposizioni sono a titolo particolare e attribuiscono la qualità di legatario. L'indicazione dei beni determinati o di un complesso di beni non esclude die la disposizione sia a titolo universale, quando risulta che il testatore h a inteso assegnare quei beni corno quota del patrimonio.

Die testamentarischen Verfügungen bedingen gleichgültig welchen Ausdruck oder welche Bezeichnung der Erblasser gewählt hat, die Universalrechtsnachfolge. W e n n sie das V e r m ö g e n des Erblassers im ganzen oder zum Teil zum Gegenstand haben, vermitteln sie die Stellung eines Erben. Die anderen Verfügungen bedingen Sonderrechtsnachfolge und machen den Bedachten zum Vermächtnisnehmer.

Die Angabe von bestimmten Vermögensgegenständen oder eines Inbegriffs von Vermögensgegenständen hindert nicht die Annahme einer universalen Rechtsnachfolge, wenn sich ergibt, daß der Erblasser die Vermögensgegenstände als Bruchteile des Gesamtvermögens zuwenden wollte. Der Erblasser unterschied in seinem Testament zwar zwischen dem Einfamilienhaus, das er den Kindern zuwendete, und dem „Gesamtvermögen", an dem er ein Wohn- und Nutznießungsrecht bestellte. Die Unterscheidung ist aber nicht ganz klar und wohl auch gegenstandslos, da nach dem Akteninhalt doch das Einfamilienhaus den wesentlichen Teil des Nachlasses darstellt. Daher bestehen keine Bedenken gegen die Annahme, daß der Erblasser den beiden älteren Kindern zweiter Ehe sein Vermögen zuwenden, daß er sie zu Gesamtrechtsnachfolgern einsetzen wollte, da ja praktisch das Einfamilienhaus das Vermögen des Erblassers darstellte. Unrichtig wäre im vorliegenden Fall ein Zurückgreifen auf deutsche Auslegungsregeln, wie sie etwa in § 2087 ff. BGB enthalten sind. 2. Pflichterbrechte der nicht als Erben eingesetzten italienischem Recht

Kinder

nach

Der Erblasser hat nicht alle seine Kinder zu Erben eingesetzt. Er hat die Kinder aus erster Ehe bewußt übergangen (nicht etwa wie im Falle des § 2079 des deutschen BGB unbewußt). Von dem jüngsten Sohne hat er nichts gewußt. Das italienische Recht hat das Recht der pflichtteilsberechtigten Kinder am Nachlaß der Eltern ganz anders geregelt als das deutsche.

592

Erbrecht

Daraus ergeben sich auch e i n e Reihe v o n Unterschieden für die Uberg e h u n g v o n im Testament nicht g e n a n n t e n Kinder, die zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht vorhanden waren. A. DIE RECHTSSTELLUNG DES ZUR ZEIT DER TESTAMENTSERRICHTUNG NOCH NICHT GEBORENEN JÜNGSTEN SOHNES AUS ZWEITER EHE a) Frage e i n e s gesetzlichen Widerrufes (Art. 687 CC) Ein Widerruf kraft G e s e t z e s tritt dann ein, w e n n der durch Universaloder Singulareinsetzung V e r f ü g e n d e zur Zeit der Testamentserrichtung kinderlos war oder v o m V o r h a n d e n s e i n v o n Kindern oder A b k ö m m l i n g e n nichts w u ß t e (Art. 687 CC). Dieser, eine unwiderlegliche Widerrufsvermutung schaffende Fall der Nachgeburt v o n Kindern greift nicht ein, w e n n der Testator zwar Kinder hatte, aber nachträglich noch andere als die zur Zeit der Testamentserrichtung vorhandenen oder bekannt g e w e s e n e n Kinder dazu g e k o m m e n oder ihm bekannt g e w o r d e n sind. Der Widerruf kraft G e s e t z e s bleibt auch außer Betracht, w e n n der Erblasser eine allenfallsige Nachkommenschaft bereits in d e m Testament in Rechnung gestellt hatte. Die maßgebliche Vorschrift ist in Art. 687 CC enthalten. D i e s e Bestimmung lautet: Art. 687 Le disposizioni a titolo universale o particolare, fatte da chi al tempo del testamento non aveva o ignorava di aver figli o discendenti, sono revocate di diritto per l'esistenza o la sopravvenienza di un figlio o discendente legittimo del testatore, benché postumo, o legittimato o adottivo, ovvero per il riconoscimento di un figlio naturale. La revocazione ha luogo anche se il figlio è stato concepito al tempo del testamento, e, trattandosi di figlio naturale legittimato, anche se è già stato riconosciuto del testatore prima des testamento e soltanto inseguito legittimato. La revocazione non ha invece luogo qualora il testatore abbia provveduto al caso che esistessero o sopravvenissero figli o discendenti da essi.

Wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Kinder oder Nachkommen hatte oder ihm deren Existenz unbekannt war, so gelten Anordnungen der Universal- oder Singularrechtsnachfolge kraft Gesetzes bei Existenz oder dem Hinzukommen auch nach dem Tode des Erblassers von ehelichen, legitimierten, adoptierten oder anerkannten natürlichen Kindern oder Nachkommen als widerrufen. Ein gleiches gilt auch dann, wenn ein Kind im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits erzeugt war und im Falle eines legitimierten, natürlichen Kindes auch dann, wenn es schon vor der Testamentserrichtung vom Erblasser anerkannt war und lediglich die Legitimation später erfolgte. Der Widerruf tritt jedoch (nicht ein, wenn der Erblasser für den Fall, daß Kinder oder Nachkommen von diesen existieren sollten, Vorsorge getroffen hat.

Testament

/

Italien

593

Damit bleibt der Widerruf kraft Gesetzes außer Betracht. b) Fehlerhaftigkeit des Testamentes wegen Irrtum? Im deutschen Recht ist § 2079 BGB ein Sonderfall der Irrtumsanfechtung. Ein Testament kann im italienischen Recht ebenfalls wegen Irrtums angefochten werden (Art. 624 CC). Dabei begründet der Irrtum über einen Beweggrund, gleichgültig ob er tatsächlicher oder rechtlicher Natur ist, die Anfechtbarkeit einer testamentarischen Verfügung, wenn der Beweggrund aus dem Testament ersichtlich ist und der einzige war, der den Erblasser zu der Verfügung bestimmt hat. Die Irrtumsanfechtung wird nach italienischem Recht aber nicht durch eine empfangsbedürftige oder amtsempfangsbedürftige Erklärung herbeigeführt (vgl. § 2081 BGB). Es bedarf vielmehr der Erhebung einer besonderen Anfechtungsklage, die in fünf Jahren nach Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von dem Irrtum verjährt (Art. 624 Abs. 3). Es wäre daher erforderlich, daß das nicht im Testament berücksichtigte Kind zweiter Ehe eine derartige Anfechtungsklage anstellt und daß in dem darauf ergehenden Urteil ausgesprochen wird, daß das Testament wegen Irrtums zu Recht angefochten ist. Das Kind könnte dabei nicht durch die Mutter vertreten werden, da auch nach italienischem Recht hier eine Interessenkollision gegeben ist. Es müßte dem Kind damit ein besonderer Pfleger bestellt werden. Mit Rücksicht auf die wohl italienische Staatsangehörigkeit des Kindes wäre bei der Bestellung des Pflegers Art. 23 EGBGB zu beachten, wonach zunächst der Heimatstaat zu erklären hat, daß er die Fürsorge nicht übernimmt und wonach weiterhin der Ausländer nach seinem Heimatrecht nicht ordnungsgemäß vertreten sein muß. Solange eine derartige Anfechtungsklage nicht durchgeführt ist, ist das irrtümlich zustande gekommene Testament einstweilen wirksam. c) Unabhängig von einer Irrtumsanfechtung stehen dem übergangenen Kind aus zweiter Ehe auch die Rechte eines Pflichtteilsberechtigten zu, in dessen Pflichtteil eingegriffen worden ist. Es wird also, unabhängig von der durchzuführenden Anfechtungsklage, ebenso behandelt wie die gleichfalls nicht zu Erben eingesetzten beiden Kinder aus der ersten Ehe.

B. DER EINGRIFF IN DIE PFLICHTTEILSRECHTE DER BEIDEN KINDER ERSTER EHE U N D DES N A C H DER TESTAMENTSERRICHTUNG GEBORENEN JÜNGSTEN SOHNES A U S DER ZWEITEN EHE

Die vom Erblasser verfügte Benachteiligung der drei pflichtteilsberechtigten Kinder bedingt ein Eingehen auf die Bedeutung des Pflichtteilsrechts für die materielle Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung, die solches Pflichtteilsrecht beeinträchtigt. Hierzu gilt: 38 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

594

Erbrecht

a) Hier wird nach dem insoweit maßgeblichen italienischen Recht von Bedeutung, daß das Pflichtteilsrecht der in dem Testament ausgeschlossenen Pflichtteilsbereditigten nach italienischem Recht sich nidit nur als obligatorischer Anspruch (wie nach §§ 2303 ff. BGB) darstellt, sondern gemäß Art. 546 des CC ein materielles Noterbrecht bildet (ähnlich wie im französischen und den meisten Rechten, welche ein Pflichtteilsrecht gewähren). Diese Konstruktion des Pflichtteilsrechtes bewirkt, daß der Erblasser überden für die Pflichtteilsberechtigten bestimmten Teil (diesog. „riserva") nicht letztwillig verfügen kann. Tut er es dennoch, so ist seine letztwillige Verfügung, welche hierauf nicht Rücksicht genommen hat, auf Klage zu reduzieren und auf diejenige Quote, über die der Erblasser verfügungsberechtigt ist (entsprechend der „portion disponible" des französischen Rechtes) zu beschränken. b) Die hier in Betracht kommenden Bestimmungen des italienischen Pflichtteilsrechtes sind die Art. 536 ff. des CC. Nach Art. 536 sind „Vorbehaltserben" (= Pflichtteilsberechtigte) die ehelichen Kinder, die ehelichen Vorfahren, die unehelichen Abkömmlinge und der Ehegatte. Nach Art. 537 ist zugunsten der ehelichen Kinder die Hälfte des Vermögens des Erblassers vorbehalten, wenn er nur ein Kind hinterläßt, 2/s des Vermögens des Erblassers, wenn mehr als ein Kind hinterlassen ist. Art. 536 Abs. 3 gibt den Abkömmlingen ehelicher Kinder ein Repräsentationspflichtteilsrecht. c) Die in Betracht kommenden italienischen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: Art. 536 Le persone, a favore delle quali la legge riserva una quota di eredità o altri diritti nella successione, sono i figli legittimi, gli ascendenti legittimi, i figli naturali e il coniuge. Ai figli legittimi sono equiparati i legittimati e gli adottivi. A favore dei discendenti dei figli legittimi o naturali, i quali vengono alla successione in luogo di questi, la legge riserva gli stessi diritti che sono riservati ai figli legittimi o naturali.

Die Personen, zugunsten derer das Gesetz einen Teil des Nachlasses oder andere Erbrechte vorbehält, sind die ehelichen Kinder, die ehelichen Aszendenten, die natürlichen Kinder und der Ehegatte. Den ehelichen Kindern sind die legitimierten und adoptierten Kinder gleichgestellt. Zugunsten der Abkömmlinge der ehelichen oder natürlichen Kinder, welche an deren Stelle erben, behält das Gesetz die gleichen Rechte vor, welche den ehelichen oder natürlichen Kindern vorbehalten sind.

Art. 537 A favore dei figli legittimi è riservata la metà del patrimonio del genitore se

Zugunsten der ehelichen Kinder ist die Hälfte des Vermögens des Erblassers

Testament questi lascia un figlio solo, e sono riservati i due terzi se i figli sono più, salvo quanto è disposto dagli articoli 541 e 542 per i casi de concorso.

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vorbehalten, wenn dieser nur ein Kind hinterläßt, zwei Drittel des Vermögens des Erblassers sind vorbehalten, wenn dieser mehr als ein Kind hinterläßt. Dies gilt vorbehaltlich dessen, was in den Fällen der Art. 541 und 542 für das Zusammentreffen mit anderen Berechtigten bestimmt ist.

Art. 542 Nr. 2 trifft den hier einschlägigen Fall der Konkurrenz des überlebenden Ehegatten mit mehreren ehelichen Kindern. Die Vorschrift lautet: Quando i figli sono più, la quota di patrimonio riservata ad essi e al coniuge è complessivamente di due terzi. Su questa quota al coniuge spetta l'usufrutto di una porzione pari al quarto del patrimonio del defunto. La residua parte della quota di riserva e la nuda proprietà dei beni assegnati in usufrutto al coniuge sono ripartite tra i figli.

Sind mehrere Kinder vorhanden, so beträgt der ihnen und dem Ehegatten vorbehaltene Teil insgesamt zwei Drittel des Nachlasses. Hiervon gebührt dem Ehegatten der Nießbrauch an einem Viertel des Gesamtnachlasses. Der Rest des vorbehaltenen Nachlaßteiles und das bloße Eigentum an dem Ehegatten zum Nießbrauch zugewendeten Vermögen wird unter den Kindern verteilt.

d) Aus diesen Bestimmungen ist für den vorliegenden Fall abzuleiten: Den Kindern steht insgesamt eine Vorbehaltsquote von 2/s zu. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, daß jedem einzelnen Kind auch eine Quote von 2/s dessen verbleiben muß, was ihm kraft Gesetzes zustehen würde. Hier sind nun fünf Kinderstämme zu berücksichtigen, auf welche der Nachlaß zu gleichen Teilen fallen würde. (Daß die Ehefrau hier keine Rolle spielt, ist noch darzutun). Es müßte daher, soll das Pflichtteilsrecht der drei übergangenen Kinder nicht verletzt werden, jedes von ihnen in Höhe von 2 /i5 Erbe werden, welcher Bruchteil den Betrag von 2/s eines Fünftels ausmacht. Die Ehefrau ist bei der Pflichtteilsfestsetzung nicht zu berücksichtigen. Denn die ihr nach italienischem gesetzlichem Erbrecht zustehenden Berechtigungen sind nicht als Gesamtrechtsnachfolge anzusehen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: aa) Maßgebliche Vorschriften des Codice Civile Art. 581 ff. regeln die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten. Art. 581 lautet: Quando con coniuge concorrono figli legittimi, soli o con figli naturali, il coniuge ha diritto all'usufrutto di una quota di eredità.

Treffen mit dem Ehegatten eheliche Abkömmlinge zusammen, sei es allein, sei es zusammen mit natürlichen Abkömmlingen, so hat der überlebende

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L'usufrutto è della metà dell'eredità, se alle successione concorre u n solo figlio, e di u n terzo negli altri casi.

I diritti del coniuge possono essere soddisfatti nel modo indicato dall'art. 547. Art. 547

Ehegatte Anrecht auf einen Nießbrauch a n einem Bruchteil der Erbschaft. Der Nießbrauch steht dem überlebenden Ehegatten an der Hälfte der Erbschaft zu, w e n n ein erbrechtlicher Abkömmling vorhanden ist; der Nießbrauch steht ihm nur an einem Drittel zu, w e n n mehr als ein erbberechtigter Abkömmling vorhanden ist. Die Ansprüche des Ehegatten können nach Maßgabe des Art. 547 abgefunden werden.

lautet:

E in facoltà delle eredi di soddisfare le ragioni del coniuge mediante l'assicurazione di u n rendita vitalizia o mediante l'assegno di frutti di beni immobili o capitali ereditari, da determinarsi di commune accordo o, in mancanza dall'autorità giudiziaria avuto riguardo alle circonstanze dell caso.

Fina a che non sia soddisfatto delle sue ragioni, il coniuge conserva i propri diritti di usufrutto su tutti i beni ereditari.

Die Erben h a b e n die Wahl, die Ansprüche des Ehegatten abzufinden, indem sie ihm eine lebenslängliche Rente zusichern oder indem sie ihm die Erträgnisse von Grundstücken oder von zur Erbschaft gehörigen Kapitalien zuwenden, welche in gegenseitigem Einvernehmen zu bestimmen w ä r e n oder, bei Nichtzustandekommen derartigen Einvernehmens durch richterliche Entscheidung, welche auf die Umstände des Falles Rücksicht zu nehmen hat. Bis zur Abfindung seiner Ansprüche behält der Ehegatte die ihm zustehenden Nießbrauchsrechte an den gesamten Nachlaßgütern.

bb) B e d e u t u n g d e s d e m E h e g a t t e n b e i Z u s a m m e n t r e f f e n mit Kindern nach i t a l i e n i s c h e m Recht z u s t e h e n d e n Nießbrauchsrechts D i e A n w e n d u n g d i e s e r Vorschriften auf d e n v o r l i e g e n d e n Erbfall ergibt d a s Problem der sog. Qualifikation, d a s immer d a n n entsteht, w e n n im Inland ausländische Rechtsinstitute rechtlich z u s u b s u m i e r e n sind, die e i n e n v o m e n t s p r e c h e n d e n inländischen Rechtsinstitut v e r s c h i e d e n e n Inhalt haben. D a b e i hat der Richter nach herrschender A u f f a s s u n g , w i e d i e s sich i m v o r l i e g e n d e n Falle auch praktisch nicht anders durchführen läßt, s e i n e e i g e n e n Rechtsbegriffe zugrunde zu l e g e n , nicht d i e j e n i g e n d e s a n sich m a ß g e b e n d e n Rechtes. Ob die W i t w e „Erbin" ist, d. h. ob s i e in e i n e m v o n e i n e m d e u t s c h e n Nachlaßgericht a u s z u s t e l l e n d e n Erbschein als „Erbin" z u b e z e i c h n e n ist, b e s t i m m t sich danach, ob ihre S t e l l u n g d e r j e n i g e n e i n e s „Erben" d e u t s c h e n Rechts entspricht, mit a n d e r e n W o r t e n , ob s i e „Gesamtnachfolgerin" ist.

Testament

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Nach der italienischen Regelung erhalten die Kinder den Gesamtnachlaß zu Eigentum, davon die eine Hälfte unbeschränkt, die andere beschränkt durch einen Nießbrauch des überlebenden Ehegatten. Dieser Nießbrauch kann an im Inland gelegenen Gegenständen gemäß dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der lex rei sitae nur nach deutschem Recht begründet werden und bestehen. Damit aber ist die Witwe Nachlaßgläubigerin, der ein Anspruch auf Bestellung eines Nießbrauches an Nachlaßgegenständen in Höhe einer Quote des Nachlasses zusteht, nicht aber ist sie Erbin. cc) Insbesondere kann nicht etwa die Ehefrau als eine Vorerbin bezeichnet werden. Sie hat im Gegensatz zum Vorerben des deutschen Rechtes keine Verfügungsmacht über die Nachlaßsubstanz. Der Witwe steht lediglich ein Anspruch auf Einräumung eines Nießbrauches in der im Gesetz vorgesehenen Höhe zu. Insoweit hat sie einen Anspruch gegen die Kinder. Sie gerät dadurch in einen Interessenkonflikt mit den Kindern, der die Prüfung notwendig machen wird, inwieweit ein Pfleger oder ein sonstiger besonderer gesetzlicher Vertreter für die Kinder zu bestellen ist. Dabei wird, da die Kinder italienische Staatsangehörige sind, Art. 23 EGBGB zu beachten sein. Das zwischen der Bundesrepublik und Italien als lex specialis gegenüber Art. 23 EGBGB geltende Haager Vormundschaftsabkommen greift hier nicht ein, da es nur für Vormundschaften im technischen Sinne, nicht aber für Pflegschaften gilt (anders soweit die Pflegschaft nur eine vorläufige Maßregel im Sinne von Art. 7 des Abkommens darstellt) 1 . dd) Damit hat die Witwe kein gesetzliches Erbrecht im deutschen Sinne. Sie hat aber auch kein Pflichtteilsrecht im deutschen Sinne. Es steht ihr als Pflichtteilsrecht lediglich der Nießbrauch an einem Viertel des Nachlasses zu. Dieser Nießbrauch an dem Nachlaßviertel muß der Witwe aber erst bestellt werden. Sie ist damit Nachlaßgläubigerin, nicht aber Erbin. Damit wird aber auch an der Gesamtquote, die als Erbteil den Kindern vorbehalten ist, dann nichts geändert, wenn die Witwe mit den Kindern zusammentrifft und Art. 542 Abs. 2 des Codice Civile eingreift. 3. Die Bedeutung der genannten Pflichtteilsrechte

für die

Erbenstellung

a) ü b e r die Frage der Wirksamkeit einer pflichtteilsbeeinträchtigenden Verfügung ist zu bemerken: Zunächst ist die letztwillige Verfügung auch insofern gültig, als ihr Inhalt mit dem Pflichtteilsrecht unvereinbar ist. Die Unvereinbarkeit kann lediglich dazu führen, daß die pflichtteilswidrige Verfügung auf jenes 1

Das Haager Vormundschaftsabkommen ist etwa abgedruckt bei PalandtLauterbach, Anhang nach Art. 23 EGBGB.

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Erbrecht

Maß zurückgeführt wird, das das Pflichtteilsrecht des Sohnes nicht beeinträchtigt. Diese Herabsetzungsklage setzt aber voraus, daß der übergangene Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft „unter Vorbehalt der Inventarerrichtung" (hierzu vgl. unten) angenommen hat. Es muß mithin erst eine Herabsetzung erfolgen. Ob solche Herabsetzung einzutreten hat, hängt aber davon ab, ob die übergangenen Kinder aus erster Ehe ein solches Herabsetzungsbegehren stellen. Sehr kennzeichnend wird die Rechtslage dargestellt bei Casati e Russo, Manuale del Diritto Civile Italiano (Turin 1948) 208: L'azione di riduzione si comporta come azione di risoluzione. Le disposizioni che intaccano la riserva non sono nulle de iure, nè possono dirsi annullabili. Esse viceversa sono efficaci e producono il loro effetto finché i destinatari delle disposizioni di legge non invocano queste a lore tutela. Nulla vieta a detti destinatari di preferire, anche per respetto alla memoria del defunto, die la voluntà di lui abbia piena ed irrevocabile realizzazione.

Die Herabsetzungsklage ist als Auflösungsklage zu behandeln. Die pflichtteilsbeeinträchtigenden Bestimmungen sind nicht automatisch nichtig und können auch nicht als anfechtbar angesehen werden. Sie sind im Gegenteil gültig und haben ihre Rechtswirksamkeit, solange die Vorbehaltserben nicht das Gesetz zu ihrem Schutz anrufen. Nichts verbietet es den genannten Vorbehaltserben, es vorzuziehen, etwa aus Rücksicht auf das Andenken des Verstorbenen dem Willen des Verstorbenen volle und unwiderrufliche Verwirklichung zu gewähren.

E azione personale, di accertamento costitutivo, soggetta alla prescrizione ordinaria.

Die Klage ist eine persönliche, sie ist auf eine konstitutive Feststellung gerichtet (praktisch eine Gestaltungsklage) und unterliegt der gewöhnlichen Verjährung (Anm. d. Instituts: die ordentliche Verjährung beträgt nach italienischem Recht 10 Jahre).

b) Solange die Herabsetzungsklage nicht erhoben ist, ist einstweilen von der testamentarischen Verfügung auszugehen. Der Schwebezustand, der auf diese W e i s e herbeigeführt wird, und die Gefahr, daß zunächst aufgrund des Testaments ein Erbschein ausgestellt wird, der später aufgrund einer Herabsetzungsklage sich als unrichtig erweisen würde, könnte vielleicht auf folgende W e i s e vermieden werden: Zweckmäßigerweise würden vielleicht die übergangenen Kinder zu einer Erklärung veranlaßt, ob sie beabsichtigen, die Herabsetzungsklage zu erheben. Erklären sie, daß sie dies nicht beabsichtigen, so ist dies als ein Verzicht auf die Erhebung der Herabsetzungsklage anzusehen 2 . Hierfür ist eine Form nicht vorgesehen, da es an einer Vorschrift fehlt, welche 2

Lite.

Vgl. Feiid-Firsching, Internat. Erbrecht, Abschnitt Italien, Grundzüge, RU 186

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hier eine besondere Form vorschriebe, wie dies für die Erbausschlagung nach Art. 519 CC zutrifft. Beabsichtigen dagegen die übergangenen Kinder ein Herabsetzungsbegehren zu stellen, so bedarf es bei Anerkennung durch die eingesetzten Erben nicht der Durchführung eines Rechtsstreites. Das Herabsetzungsbegehren würde dazu führen, daß die übergangenen Kinder zu j e 2/i5 Erben würden. Sind sich die benachteiligten Pflichtteilsberechtigten und die Begünstigten nicht einig, so müßte innerhalb der Zehnjahresfrist des Art. 2946 (Beginn mit Erbfall) eine Klage auf Herabsetzung angestrengt werden. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob deutsche Gerichte hier zuständig wären, da Gestaltungsklagen vor deutschen Gerichten in aller Regel nur angebracht werden können, wenn diese im deutschen Recht begründet sind. Verfahrensmäßig darf noch darauf hingewiesen werden, daß eine Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichtes zur Veranlassung der hier angeregten Erklärungen auch dann besteht, wenn in der Sache selbst ausländisches Recht anzuwenden ist. Denn es handelt sich hier um Maßnahmen, welche nicht etwa der in diesem Falle von einem deutschen Gericht nicht vorzunehmenden Auseinandersetzung dienen, sondern welche zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins nach § 2369 BGB erforderlich sind. 4. Die Festsetzung des Pflichtteils auf 5000 DM durch den Erblasser Der Erblasser, der bei Abfassung seines Testamentes entweder nicht oder sehr schlecht beraten war, hat gemeint, ein etwaiges „unabdingbares Pflichtteilsrecht" seiner Kinder aus erster Ehe zahlenmäßig festsetzen zu können. Diese Auffassung des Erblassers ging fehl. Es ist gerade mit dem Wesen des Pflichtteilsrechts eine Einwirkung des Erblassers auf die Höhe des Pflichtteilsrechtes nicht vereinbar. Möglicherweise kann diese Klausel gedeutet werden als Zuwendung eines Vermächtnisses in Höhe von 5000 DM an die beiden Kinder erster Ehe. Bei einer derartigen Beurteilung, hinsichtlich deren das Institut, da es sich um eine Tatsachenbeurteilung handelt, dem anfragenden Gericht nicht vorgreifen darf, greift Art. 551 des Codice Civile ein. Diese Bestimmung lautet wie folgt: Art. 551 Se a un legittimario é lasciato un legato, in sostituzione della legittima, egli puö rinunziare al legato e chiedere la legittima. Se preferisce di conseguiré il legato, perde il diritto di chiedere un supple-

Wenn einem Pflichtteilserben ein Vermächtnis an Stelle des Pflichtteils zugewendet worden ist, kann er auf das Vermächtnis verzichten und den Pflichtteil wählen. Wenn er das Vermächtnis vorzieht, verliert er das Recht, eine Ergänzung des

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mento, nel caso che il valore del legato sia inferiore a quello della legittima, e non acquista la qualità di erede. Questa disposizione non si applica quando il testatore ha espressamente attribuito al legittimario la facoltà di chiedere il supplemento. Il legato in sostituzione della legittima grava sulla porzione indisponible. Se però il valore del legato eccede quello della legittima spettante al legittimario, per l'eccedenza il legato grava sulla disponibile.

Vermächtnisses bis zur Höhe des Wertes des Pflichtteils zu verlangen und erwirbt auch nicht die Erbeneigensdiaft. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Erblasser dem Pflichtteilserben ausdrücklich das Recht eingeräumt hat, eine solche Ergänzung zu verlangen. Das an Stelle des Pflichtteils getretene Vermächtnis lastet auf dem nicht frei verfügbaren Vermögensteil. Wenn aber der Wert des Vermächtnisses den Wert des dem Pflichtteilserben zustehenden Pflichtteils übersteigt, so fällt der Mehrwert des Vermächtnisses dem frei verfügbaren Vermögen zur Last.

Hier wird auch bedeutungsvoll Art. 564 Abs. 2. Diese Bestimmung lautet: In ogni caso il legittimario, che domanda la riduzione di donazioni o di disposizioni testamentarie, deve imputare alla sua porzione legittima le donazioni e i legati a lui fatti, salvo che ne sia stato espressamente dispensato.

IV. Die Frage

des Erwerbs

In jedem Fall muß der Pflichtteilserbe, der die Kürzung der Schenkungen oder der testamentarischen Verfügungen begehrt, sich auf seinen Pflichtteil alle ihm gewährten Schenkungen und Vermächtnisse anrechnen lassen, es sei denn, daß er von einer solchen Anrechnung ausdrücklich befreit ist.

der Erbeneigenschalt

nach italienischem

Recht

W i e bereits einleitend hervorgehoben wurde, ist für die Frage, ob und wann der zur Erbschaft Berufene die Erbschaft erwirbt, hier nicht deutsches, sondern italienisches Recht als Erbstatut maßgebend. 1. Das italienische Recht kennt nicht das Prinzip der Unmittelbarkeit der Erbfolge. Es ist vielmehr, ähnlich wie im römischen späteren Recht, nach dem Erbfall der Berufene noch nicht Erbe, sondern erwirbt die Erbschaft erst mit der Annahme der Erbschaft, dann aber rückwirkend vom Augenblick des Erbfalles an (Art. 459 CC). Ist der Erbe im Besitz der Erbschaft (der Besitz geht erst über durch die Annahme der Erbschaft), so wird er unwiderruflich und ohne die Möglichkeit, durch eine Inventarerrichtung seine Haftung noch zu beschränken, Erbe (Art. 485 CC). Lediglich insoweit die Erbschaft tatsächlich angenommen ist, kommt den zur Erbschaft Berufenen die Eigenschaft eines „Erben" auch im Sinne von § 2369 BGB zu. Solange der Erbe nicht unwiderruflich angenommen hat, hat er noch nach italienischem Recht die Möglichkeit, „unter dem Vorbehalt der

Testament

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Inventarerrichtung" anzunehmen. Dies bedeutet, daß sich die Haftung auf die im Inventar zu verzeichnenden Gegenstände beschränkt. Es muß indes als zweifelhaft bezeichnet werden, ob ein deutsches Nachlaßgericht zur Entgegennahme einer Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung zuständig ist. Das deutsche Nachlaßgeridit ist bei Anwendung von ausländischem Erbrecht nur in der Lage, gemäß § 2369 BGB einen gegenständlich beschränkten Erbschein auszustellen. Der gegenständlich beschränkte Erbschein kann lediglich die Erbeneigenschaft ausweisen, nicht aber eine Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung. Die Frage des Vorbehalts der Inventarerrichtung erscheint im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf eine doch immerhin nicht auszuschließende Uberschuldung des Nachlasses und mit Rücksicht auch darauf, daß nur bei einer Vorbehaltsannahme die Herabsetzungsklage erhoben werden kann, recht bedeutungsvoll. Dazu kommt noch folgendes: Soweit die Kinder minderjährig sind, kann eine Annahme überhaupt nur unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung erklärt werden (Art. 471, 489 CC). 2. Die Beschränkung der Haftung erfolgt nach italienischem Recht durch Errichtung eines Inventars. Das italienische Inventar hat mithin eine andere Funktion als das deutsche. Das deutsche Inventar kann bei Vorliegen eines sog. Inventardeliktes, d. h. bei Nichterteilung, Falscherstellung etc. (vgl. die §§ 1994 Abs. 1 Satz 2, 2005 BGB) die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung ausschließen. Die Wirkungen der italienischen Inventarerrichtung sind in Art. 490 des italienischen Codice Civile niedergelegt. Dort heißt es: Art. 490

Ait. 490

L'effetto del beneficio d'inventario consiste nel tener distinto il patrimonio del defunto da quello dell'erede. Conseguentemente : 1. l'erede conserva verso l'eredità tutti i diritti e tutti gli obblighi che aveva verso il defunto, tranne quelli die si sono estinti per effetto della morte;

Die Wirkung des Vorbehalts der Inventarerrichtung besteht in einer Trennung des Nachlasses vom persönlichen Vermögen des Erben. Zufolgedessen gilt:

2. l'erede non è tenuto al pagamento dei debiti ereditari e dei legati oltre il valore dei beni a lui pervenuti;

2. Der Erbe ist nicht zur Zahlung der Nachlaßverbindlichkeiten und der Vermächtnisse über den Wert der ihm zugefallenen Nachlaßgegenstände hinaus verpflichtet.

3. i creditori dell'eredità e i legatari hanno preferenza sul patrimonio ereditario di fronte a creditori dell'ere-

3. Die Nachlaßgläubiger und die Vermächtnisnehmer haben gegenüber den persönlichen Gläubigern des

1. Der Erbe behält gegenüber dem Nachlaß alle Rechte und Pflichten, welche er gegenüber dem Erblasser hatte außer denjenigen, welche durch den Tod erloschen sind.

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Erbrecht

de. Essi però non sono dispensati dal domandare la separazione dei beni, secondo le disposizioni del capo seguente, se vogliono conservare questa preferenza anche nel caso che l'erede decada dal beneficio d'inventario o vi rinunzi.

Erben ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Nachlaß. Sie sind jedoch nicht davon befreit, die Trennung der Gütermassen nach den Bestimmungen des folgenden Kapitels zu beantragen, wenn sie dieses Recht auf vorzugsweise Befriedigung auch für den Fall aufrechterhalten wollen, daß der Erbe den Vorbehalt der Inventarerrichtung verwirkt oder darauf verzichtet.

3. Es erscheint erforderlich, im einzelnen sich mit den italienischen Inventarvorschriften materieller und verfahrensmäßiger Art bekannt zu machen, bevor man die Überlegung anstellen kann, ob ein deutsches Gericht dazu in der Lage ist, eine Annahme dem Vorbehalt der Inventarerrichtung entgegenzunehmen. Dabei gilt: a) Materielle italienische Vorschriften Art. 484 L'accettazione col beneficio d'inventario si fa mediante dichiarazione, ricevuta da un notaio o dal cancelliere della pretura del mandamento in cui si è aperta la successione, e inserita nel registro delle successioni conservato nella stessa pretura. Entro un mese dall'inserzione, la dichiarazione deve essere trascritta, a cura del cancelliere, presso l'ufficio dei registri immobiliari del luogo in cui si è aperta la successione. La dichirazione deve essere preceduta o seguita dall'inventario, nelle forme prescritte dal codice di procedura civile. Se l'inventario è fatto prima della dichiarazione, nel registro deve pure menzionarsi la data in cui esso è stato compiuto. Se l'inventario è fatto dopo la dichiarazione, l'ufficiale pubblico che lo ha redatto deve, nel termine di un mese, far inserire nel registro l'annotazione della data in cui esso è stato compiuto.

Die Annahme unter Vorbehalt des Inventars geschieht durch eine Erklärung, welche bei einem Notar oder beim Urkundsbeamten der Prätur abzugeben ist, in deren Bezirk die Erbfolge eröffnet wurde. Sie ist in das bei dieser Prätur geführte Verzeichnis der Erbschaften einzutragen. Innerhalb eines Monats von der Eintragung ab muß die Erklärung auf Veranlassung des Urkundsbeamten in das Grundbuch des Ortes transkribiert werden, in welchem die Erbfolge eröffnet wurde. Der Erklärung muß das in den von der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Formen errichtete Inventar vorhergehen oder nachfolgen. Ist das Inventar vor der Erklärung errichtet, so muß im Erbschaftsregister auch das Datum, an welchem es errichtet wurde, verzeichnet werden. Ist das Inventar nach der Erklärung errichtet, so muß der es aufnehmende Beamte innerhalb der Frist eines Monats das Datum der Inventarerrichtung in das Register eintragen lassen.

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Art. 485 Il chiamato all'eredità quando a qualsiasi titolo è nel possesso di beni ereditari, deve fare l'inventario entro tre mesi dal giorno dell'apertura della successione o della notizia della devoluta eredità. Se entro questo termine lo ha cominciato ma non è stato in grado di completarlo, può ottenere dal pretore del luogo in cui si è aperta la successione una proroga che, salvo gravi circostanze, non deve eccedere i tre mesi.

Trascorso tale termine senza che l'inventario sia stato compiuto, il chiamato all'eredità è considerato erede puro e semplice. Compiuto l'inventario, il chiamato che non abbia ancora fatto la dichiarazione a norma dell'articolo 484 ha u n termine di quaranta giorni da quello del compimento dell'inventario medesimo, per deliberare se accetta o rinunzia all'eredità. Trascorso questo termine senza che abbia deliberato, è considerato erede puro e semplice.

Befindet sich der zur Erbschaft Berufene im Besitz des Nachlasses, gleich auf Grund welcher Titel, so hat er das Inventar innerhalb dreier Monate vom Tage der Eröffnung der Erbfolge oder der Kenntnis vom Anfall der Erbschaft zu errichten. W e n n er es innerhalb dieser Frist begonnen hat, aber nicht in der Lage war, es zu vollenden, so kann er vom Prätor des Bezirkes, in welchem die Erbfolge eröffnet ist, eine Verlängerung erhalten, welche vorbehaltlich wichtiger Gründe 3 Monate nicht überschreiten darf. Ist die genannte Frist abgelaufen, ohne daß das Inventar errichtet worden ist, so gilt der zur Erbschaft Berufene als vorbehaltloser Erbe. Nach Errichtung des Inventars hat der Berufene, der noch nicht die Erklärung gemäß Art. 484 abgegeben hat, eine Frist von 40 Tagen von Errichtung des Inventars an, um sich über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft schlüssig zu werden. Ist diese Frist abgelaufen, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat, so wird er als vorbehaltloser Erbe angesehen.

Art. 486 Durante i termini stabiliti dall'articolo precedente per fare l'inventario e per deliberare, il chiamato, oltre che esercitare i poteri indicati nell'art. 460, può stare in giudizio come convenuto per rappresentare l'eredità. Se non compare, l'autorità giudiziaria nomina un curatore all'eredità affinchè la rappresenti in giudizio.

W ä h r e n d der im vorhergehenden Artikel bestimmten Inventarerrichtungsund Uberlegungsfristen kann der zur Erbschaft Berufene nicht nur die in Art. 460 bezeichneten Befugnisse ausüben, sondern auch als Vertreter der Erbschaft gerichtlich verklagt werden. Erscheint er nicht, so benennt das Gericht einen Nachlaßpfleger zur Vertretung der Erbschaft vor Gericht.

Alt. 487 Il chiamato all'eredità che non è nel possesso di beni ereditari, può fare la dichiarazione di accettare col beneficio d'inventario fino a che il diritto di accettare non è prescritto.

Der zur Erbschaft Berufene, der sich nicht im Besitze des Nachlasses befindet, kann die Erklärung der Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung bis zur V e r j ä h r u n g seines Annahmerechtes abgeben.

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Quando h a fatto la dichiarazione, deve compiere l'inventario nel termine di tre mesi dalla dichiarazione, salva la proroga accordata dall'autorità giudiziaria a norma dell'art. 485; in mancanza, è considerato erede puro e semplice. Quando ha fatto l'inventario non preceduto da dichiarazione d'accettazione, questa deve essere fatta nei quaranta giorni successivi al compimento dell'inventario; in mancanza, il chiamato perde il diritto di accettare l'eredità.

Hat er die Erklärung abgegeben, so muß er das Inventar innerhalb einer Frist von 3 Monaten von der Abgabe der Erklärung an errichten, unbeschadet einer vom Gericht gemäß Art. 485 zugebilligten Verlängerung. Tut er dies nicht, so gilt er als vorbehaltloser Erbe. Hat er das Inventar errichtet, ohne vorher die Annahmeerklärung abgegeben zu haben, so muß dies innerhalb von 40 Tagen seit Errichtung des Inventars erfolgen. Geschieht dies nicht, so verliert der Berufene das Recht, die Erbschaft anzunehmen.

Art. 488 Il chiamato all'eredità, che non è nel possesso di beni ereditari, qualora gli sia stato assegnato u n termine a norma dell'art. 481, deve, entro detto termine, compiere anche l'inventario; se fa la dichiarazione e non l'inventario, è considerato erede puro e semplice. L'autorità giudiziaria una dilazione.

può

accordare

Ist dem zur Erbschaft Berufenen, der sich nicht im Besitze des Nachlasses befindet, eine Frist gemäß Art. 481 gesetzt, so muß er innerhalb dieser Frist auch das Inventar errichten. Gibt er lediglich die Erklärung ab, ohne das Inventar zu errichten, so wird er als vorbehaltloser Erbe angesehen. Das Gericht kann eine Fristverlängerung bewilligen.

b) Verfahrensrechtliche italienische Vorschriften aa) Hierfür s i n d m a ß g e b e n d die Art. 769 ff. d e s C o d i c e di p r o c e d u r a Civile. D i e s e B e s t i m m u n g e n finden sich e b e n f a l l s in d e m g e n a n n t e n W e r k v o n Ferid-Firsching, Abschnitt Italien, T e x t e D, S. 146 ff. D e r w e s e n t l i c h e Inhalt ist f o l g e n d e r : Art. 769: Inventarerrichtung beim „Prätor" (funktionell dem Amtsgericht gleichstehend) oder durch einen vom Prätor zu bezeichnenden Notar. Art. 770: Bestimmungen über die Inventarrichtung durch den Notar. Art. 771: Teilnahmeberechtigte Personen. Art. 772: Mitteilung an die Mitwirkungsberechtigten. Art. 773: Ernennung von Schätzleuten. Art. 774: Inventarerrichtungen, die länger als einen Tag dauern. Art. 775: Inhalt der Niederschrift über die Inventarerrichtung. Art. 776: A u f b e w a h r u n g durch Treuhänder. Art. 777: Anwendbarkeit der vorstehenden Bestimmungen auf andere Inventarisierungsfälle. bb) Für die Z u s t ä n d i g k e i t gilt nach italienischem Recht: Art. 769 A b s . 2 der italienischen Z i v i l p r o z e ß o r d n u n g bestimmt, daß das V e r f a h r e n durch e i n e n „Rekurs", m i t h i n e i n e n „Antrag" eröffnet wird.

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Der Antragsteller hat zu erklären, daß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinde hat, in der der Dienstsitz der Prätur ist. Notfalls hat er dort für die Zwecke des Verfahrens einen Wohnsitz zu wählen. Dies kann aber nicht bei irgendeinem Prätor geschehen. Zuständig ist vielmehr der Prätor, an dessen Gerichtssitz die Erbschaft „eröffnet" wurde 3 . Diese Bestimmung lautet in deutscher Ubersetzung: „Die Erbschaft wird eröffnet im Augenblick des Todes in dem Orte, in dem der letzte Wohnsitz des Erblassers lag." 4

Art. 43 des CC bestimmt über den Wohnsitz (in deutscher Übersetzung) : „Der Wohnsitz einer Person ist der Ort, an dem sie den Hauptsitz ihrer Angelegenheiten und Interessen fixiert hat."

Damit ist hier ein italienisches Nachlaßgericht nicht vorhanden. Es fehlt eine Bestimmung, welche dem § 73 Abs. 2 FGG entsprechen würde. Dies entspricht dem Grundsatz, den Giannatasio im großen Turnier (UtetVerlag) Kommentar zum CC Bd. II 1, 15 (am Schluß der Erläuterungen zu Art. 456 CC) aufstellt (bei der Frage der Zuständigkeit von Auslands- und Ausländererbfällen) : Manca nella legge una distinzione tra persona difunta di nazionalità italiana e persona difunta straniera..."

Es fehlt im Gesetz ein Unterschied zwisehen italienischen und ausländischen Erblassern..."

In der italienischen Literatur wird die Auffassung vertreten 5 , daß außer dem für die Erbschaftsabhandlung zuständigen Prätor des letzten Wohnsitzes (Art. 456 CC) auch jener die Inventarerrichtung anordnen könne, der auf Ansuchen des für die Erbschaftsabhandlung nach Art. 456 CC zuständigen Prätors die Versiegelung von in seinem Bezirk gelegenen Nachlaßgegenständen angeordnet habe. Auch daraus ergibt sich im vorliegenden Falle keine italienische örtliche Zuständigkeit. cc) Für den Fall, daß die Erbschaft im Ausland „eröffnet" wurde, sieht Art. 22 der italienischen Zivilprozeßordnung in seinem zweiten Absatz folgendes vor: Art. 22 Abs. 2 Se la successione si è aperta fuori dello Stato, le cause suindicate sono di competenza del giudice del luogo in cui è posta la maggior parte dei beni situati nello Stato, o, in mancanza di questi,

Ist die Erbschaft außerhalb des Staates (= Italien) eröffnet worden, so gehören die oben bezeichneten Rechtssachen zur Zuständigkeit des Richters des Ortes, an welchem sich das hauptsächliche in-

3 Siehe auch Redenti, Diritto Processuale Civile Bd. III (Mailand 1954) 397. Vgl. Art. 456 des italienischen Codice Civile. 4 Italienischer Text siehe bei Ferid-Firsching aaO. 5 So Onofrio, Commento al Codice de Procedura Civile, Band II (Turin 1957) 419, Textziffer 1207 b, ferner Rocco, Trattato di Diritto Processuale Civile, Bd. V (Turin 1960) 337.

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Erbrecht

del luogo di residenza del convenuto o di alcuno dei convenuti.

ländische Vermögen befindet. Bei Fehlen eines solchen Ortes ist der Richter des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten oder eines der Beklagten zuständig.

Die hier in Bezug genommenen Sachen sind gemäß Art. 22 Abs. 1 Ziff. 1—4 C. di Proc. Civ. folgende streitige Rechtsangelegenheiten: 1. Erbschaftsherausgabe- und Erbteilungsklage, 2. Klagen auf Rückgängigmachung der Erbschaftsteilung und auf Gewährleistung für die aus der Erbschaftsteilung sich ergebenden Vermögensquoten. 3. Klagen wegen Nachlaßverbindlichkeiten und Vermächtnisse. 4. Klagen gegen den Testamentsvollstrecker.

Diese Sachen sind rein streitigen Charakters und umfassen nicht die Inventarerrichtung. Die grundsätzliche Auffassung geht eben dahin, daß eine italienische Zuständigkeit zur Entgegennahme der Inventarerrichtung nur dann gegeben ist, wenn die Erbschaft in Italien „eröffnet" worden ist. Selbst wenn man sich darüber hinwegesetzen und annehmen wollte, daß die Inventarerrichtung auch bei dem in Art. 22 Abs. 2 der italienischen Zivilprozeßordnung bezeichneten Gericht der Belegenheit des größten Teils des Vermögens möglich sein sollte, würde es im vorliegenden Fall an einer Zuständigkeit aus tatsächlichen Gründen fehlen, da nach dem Akteninhalt das Vermögen im wesentlichen sich in Deutschland befindet. Der italienische Standpunkt ist auch verständlich: Die Wohltat der Haftungsbeschränkung soll nicht durch irgendwelche Manipulationen derart erreicht werden können, daß den Gläubigern nicht hinreichend Kenntnis gegeben wird. Dies ergibt sich aus den sehr zahlreichen Publizitätsvorschriften auf die oben hingewiesen worden ist. 4. Es ist daher die nachstehende Schlußfolgerung zu ziehen: Da ein italienisches Gericht hier in keiner Weise zuständig ist, würde es zu einer Rechtsverweigerung für die Beteiligten führen, wenn ein deutsches Gericht nicht die Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung entgegennehmen würde. Eine derartige Funktion ist einem deutschen Gericht an sich nicht wesensfremd. Das Entscheidende ist die Abgabe der Annahmeerklärung. An der Annahmeerklärung ändert sich auch durch den Inventarvorbehalt nichts. Sie bleibt weiterhin ungeteilt und unbedingt. Der Vorbehalt beeinflußt lediglich die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. Im vorliegenden Falle könnte eine Haftungsbeschränkung und die sonstigen Rechtsfolgen, etwa die Möglichkeit einer Herabsetzungsklage (eine Beschränkung der Erbenhaftung nach deutschem Recht durch Nachlaßverwaltung oder Nachlaßkonkurs ist deswegen nicht möglich, weil das deutsche Recht insoweit nicht anwendbar ist). Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt eine derartige Rechtsverweigerung nicht hin. Es muß daher die Spannung zwischen dem in der Sache selbst anzuwendenden ausländischen und dem inländischen Ver-

Testament

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Italien

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fahrensrecht derart gelöst werden, daß eine ausländische materiellrechtliche Vorschrift auch dann angewendet wird, wenn sie gewisse Voraussetzung verfahrensmäßiger Art aufstelle, die im Inland nicht vorhanden sind. Hierzu ist allerdings notwendig, daß die betreffende Tätigkeit einem deutschen Gericht nicht völlig funktionsfremd ist. Die Entgegennahme einer Erbschaftsannahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung ist gegenüber der Entgegennahme einer Erbschaftsannahme ohne einen solchen Vorbehalt nicht derart wesens- und funktionsfremd, daß sie einem deutschen Gericht nicht zugemutet werden könnte. V. Ausgestaltung des

Gemeinsctiaitsverhältnisses

1. Der Codice von 1942 lehnt sich in der Regel des Miterbenverhältnisses an den Codice von 1865 und damit mittelbar an die Regelung des Code Civil an, von welch letzterem Gesetz sich die neue italienische Kodifikation in einer Reihe anderer Fragen entfernt hat. Gemäß seinen Vorbildern regelt der neue Codice nur (in den Art. 713 ff.) die „divisione", d. h. die Teilung, die Auseinandersetzung. Der dieser „divisione" vorausgehende Zustand wird nicht besonders geregelt, weil das Gesetz die Beteiligten auf Teilung in viel größerem Maße hinführen will, als dies nach deutschem Recht der Fall ist. 2. Romanisch-rechtlichen Grundsätzen und Vorbildern entsprechend kennt der Codice keine gesamthänderische Erbengemeinschaft, jedenfalls nicht bei teilbaren Gegenständen. Dies entspricht dem romanischen Grundsatz: Nomina sunt ipso jure divisa. Dementsprechend lautet Art. 718 CC: Ciascun coerede può chiedere la sua parte in natura dei beni mobili e immobili dell'eredità, salve le disposizioni degli articolo seguenti.

Jeder Miterbe kann an den beweglichen und unbeweglichen Nachlaßgegenständen seinen Anteil in Natur verlangen vorbehaltlich der folgenden Bestimmungen.

(Art. 719 ff. treffen keine für Forderungen einschlägigen Bestimmungen). 3. Für Forderungen gilt auch dann, wenn sie Miterben zustehen, der Grundsatz des Art. 1314: Se più sono i debitori o i creditori di una prestazione divisible e l'obbligazione non è solidale, ciascuno dei creditori non può domandare il soddisfacimento del credito che per la sua parte, e ciascuno dei debitori non è tenuto a pagare il debito che per la sua parte.

Bei Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern in Ansehung einer teilbaren Leistung kann jeder Gläubiger, wenn es sich nicht um ein Gesamtschuldverhältnis handelt, die Befriedigung der Forderung nur für seinen Teil verlangen und jeder Schuldner muß nur den auf ihn treffenden Anteil bezahlen.

Diese Bestimmung leidet, wie gesagt, keine Ausnahme für den Fall der Miterben 6 . • Vgl. dazu Casatti-Russo,

Manuale del Diritto Civile Italiano, 263, 413.

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Erbrecht

VI. Vorsorglicher Hinweis auf die Bedeutung der Unaullöslichkeit der Ehe dem Bande nach bei Fortleben beider Ehegatten nach italienischem Recht Der Hinweis in dem Testament, die beiden Kinder aus erster Ehe hätten durch ihre beiden Eltern günstige Lebensbedingungen zu erwarten, läßt darauf schließen, daß die erste Ehe des Erblassers anders als durch den Tod seiner ersten Ehefrau aufgelöst worden ist. In Übereinstimmung mit der deutschen kollisionsrechtlichen Regelung konnte eine derartige Ehescheidung mit Rücksicht auf die Unscheidbarkeit der Ehe nach italienischem Recht nur dann erfolgen, wenn die Ehefrau erster Ehe die deutsche Staatsangehörigkeit, die sie seinerzeit offenbar unter der uneingeschränkten Geltung des § 17 Ziff. 6 des Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetzes durch die Eheschließung mit dem Erblasser verloren hatte, wieder zurückerworben hatte und dann aufgrund Art. 17 Abs. 3 EGBGB ihrerseits auf Scheidung geklagt hatte. Nach italienischem Recht, das für die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen auch der zweiten Ehe des Erblassers maßgebend war (vgl. Art. 13 EGBGB), konnte sich aber der Erblasser trotz der deutschen Scheidung nicht gültig wieder verheiraten. Es liegt daher die Annahme nahe, daß der seinerzeit zuständige Oberlandesgerichtspräsident rechtsirrig die Befreiung von dem Erfordernis eines Ehefähigkeitszeugnisses (vgl. § 10 des Ehegesetzes von 1946) gewährt hat. Denn ein Ehefähigkeitszeugnis hätte der Erblasser von Italien nie bekommen, solange seine Ehefrau aus erster Ehe noch lebte. Weiter ist erforderlich, daß der Standesbeamte - entgegen Art. 13 EGBGB - die Eheschließung nicht nach italienischem Recht auf ihre materiellen Voraussetzungen geprüft hat, sondern aufgrund der zu Unrecht erteilten Befreiung vom Ehefähigkeitszeugnis das Aufgebot entgegengenommen und die Eheschließung vorgenommen hat. Treffen alle diese Annahmen, für die nach dem Akteninhalt eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu bestehen scheint, zu, so lebte der Erblasser nach italienischem Recht in einer bigamen Ehe. Die Kinder aus der zweiten Ehe sind nach italienischer Auffassung in diesem Fall Ehebruchskinder, die auch nicht anerkannt werden können. Daraus können sich sehr große Schwierigkeiten ergeben, auf die das Institut in diesem Stadium lediglich vorsorglich hinweisen möchte. Da die Annahme des Instituts nach dem Akteninhalt noch nicht ohne weiteres feststeht, soll aus Gründen der Kostenersparnis in diesem Stadium auf die weiteren Fragen, die hier angedeutet werden, nicht eingegangen werden. Es soll einstweilen dieser Hinweis genügen. Ergibt sich die Richtigkeit der Vermutung des Instituts, so wird sich das äußerst schwierige Problem der Vorfrage stellen, welche Bedeutung es hat, daß nach italienischem Recht die zweite Ehe bigam und die Kinder aus der zweiten Ehe Ehebruchskinder sind.

Testament / Italien VII. Zur

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Zuständigkeit

Gemäß § 2369 BGB ist ein deutsches Nachlaßgericht jedenfalls zuständig, einen gegenständlich beschränkten Erbschein zu erteilen. Diese Zuständigkeit umfaßt aber auch alle jene Amtshandlungen, die erforderlich sind, um einen derartigen gegenständlich beschränkten Erbschein überhaupt erteilen zu können oder die auf den Inhalt dieses gegenständlich beschränkten Erbscheins einwirken. Hierunter fällt etwa die Testamentseröffnung, die Entgegennahme von Erbschaftsannahmen oder -aussdilagungen. VIII.

Zusammeniassung

1.Die Erbfolge beurteilt sich nach italienischem Recht auch hinsichtlich deutscher Grundstücke und auch dann, wenn es sich um Erben deutscher Staatsangehörigkeit handelt. 2. Die Zuwendung eines Einfamilienhauses kann nach italienischem Recht als Erbeinsetzung anzusehen sein. 3. Die übergehung eines zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht geborenen Abkömmlings rechtfertigt die Erhebung einer Anfechtungsklage. 4. Der Eingriff in die Pflichtteilsrechte gibt den Rechtsgrund zu einer Herabsetzungsklage. 5. Die überlebende Ehefrau hat lediglich Nutzungsrechte, die weder als Erb- noch als Pflichtteilsrechte im Sinne des deutschen Rechtes angesehen werden können. Diese Nutzungsrechte sind nicht im Erbschein aufzunehmen. 6. Vor Durchführung der Herabsetzungsklage ist das Testament einstweilen gültig. Die Beteiligten können durch Abgabe entsprechender Erklärungen den Schwebezustand kürzen. 7. Minderjährigen Kindern muß wegen Interessenkollision mit der Mutter ein besonderer Pfleger bestellt werden. Hierbei ist Art. 23 EGBGB zu berücksichtigen. 8. Die Herabsetzungsklage ist nur möglich, wenn die Kinder „unter Vorbehalt der Inventarerrichtung11 angenommen haben. Minderjährige können überhaupt nicht in dieser Form annehmen. Eine Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung kann gegenüber einem deutschen Nachlaßgericht erklärt werden. 9. Vor Annahmeerklärung sind die Kinder nicht Erben geworden. Die Erben sind einstweilen unbekannt. 10. Nach Erwerb der Erbschaft besteht unter den mehreren Miterben kein Gesamthandsverhältnis, sondern eine Gemeinschaft nach Bruchteilen. 39

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Erbrecht

11. Lebt die Ehefrau erster Ehe des Erblassers noch oder lebte sie zur Zeit der Eingehung der zweiten Ehe noch, so ergibt sich die Vorfrage, ob in diesem Falle mit Rücksicht auf das Vorliegen einer Doppelehe die Ehefrau zweiter Ehe und deren Kinder überhaupt erbberechtigt sind. Nr. 56 Argentinien, Frankreich 1. Maßgebendes Recht für die Erbfolge nach einem Argentinier mit letztem Wohnsitz in Argentinien nadi deutschem und argentinischem IPR, wenn zum Nachlaß außerhalb Argentiniens belegene Immobilien gehören. 2. Testamentsform nach argentinischem Recht. 3. Quotenvermächtnis und Erbeinsetzung nadi argentinischem Recht. 4. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrechte der Kinder und des Ehegatten nadi argentinischem Redit. 5. Maßgebendes Recht für Güterstand nach deutschem und französischem IPR. 6. Gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht nach argentinischem, französischem und deutschem Ehegüterrecht und argentinischem Erbrecht. Köln 18/66 vom 6. 5.1966 Das Amtsgericht Neuss hat in der Nachlaßsache Irmgard A., geb. Sch., mit Schreiben vom 31. 1. 1966 um eine Auskunft über internationales Privatrecht und argentinisches Erbrecht gebeten. SACHVERHALT Die Erblasserin starb am 9. 5.1961 in Darwin, Provinz Rio Negro (Argentinien). Sie wurde überlebt von ihren zwei Kindern aus erster Ehe namens Barbara L., geb. St., und Johann Peter Wilhelm St., ihrem dritten Ehemann Georg A. und dem Stiefsohn aus zweiter Ehe Willi U. Die dritte Eheschließung der Erblasserin erfolgte am 12.2.1948. Die Erblasserin wohnte zu diesem Zeitpunkt in München. Am 10. 10. 1951 hatte die Erblasserin in München ein handschriftliches Testament (mit Zusatzverfügung vom 29. 8.1953) errichtet, in dem sie ihren dritten Ehemann Georg A. als „Universalerben" einsetzt. Neben einigen Vermächtnissen und Ersatzerbenanordnungen setzte die Erblasserin in diesem Testament vorsorglich ihre Kinder auf den Pflichtteil ein mit der Bestimmung, daß das aufgrund eines Vertrags vom 2 8 . 3 . 1 9 2 4 aus ihrem Vermögen auf die Kinder übertragene auf den Pflichtteil angerechnet werden solle.

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Am 22. 10. 1960 hatte die Erblasserin in Lago Hermoso San Martin de los Andes (Argentinien) ein neues handschriftliches Testament in argentinischer Sprache errichtet. Die Erblasserin bestimmte in diesem Testament: Lego a mi hijo, J u a n Pedro Guillermo St. mi casa habitación en lago Hermoso, San Martin de los Andes Provincia de Neuquén, con los terrenos que la circundan, asi como los muebles y todo el inventario, que se encuentran en la misma. Lego a mi hija Barbara St. de L. mis alhajas. Estos dos legados serán imputados sobre sus partes legitimas. Lego el quinto disponible de mis bienes entre mi actual esposo don J e r g e A. y mi hijastro Willi U. con facultad de acrecer entre ellos. Nombro como albacea testamentario a Doctor Miguel Angel Ch.

Ich vermache meinem Sohn Hans Peter Wilhelm St. mein Wohnhaus in Lago Hermoso, San Martin de los Andes, Provinz Neuquén mit den umliegenden Grundstücken, sowie das Mobiliar und das ganze Inventar, die sich in demselben befinden. Ich vermache meiner Tochter Barbara St. de L. meinen Schmuck. Diese zwei Vermächtnisse sind auf ihre Pflichtteile anzurechnen. Das verfügbare Fünftel meines Vermögens vermache ich meinem derzeitigen Mann, Herrn Georg A. und meinem Stiefsohn Willi U. mit gegenseitigem Anwachsungsrecht. Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich Doktor Miguel Angel Ch.

Die Tochter der Erblasserin beantragt die Ausstellung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, in dem sie und ihr Bruder als Erben zu j e Vz ausgewiesen werden. Im Widerspruch hierzu beantragt der Stiefsohn der Erblasserin einen Erbschein, in dem er als Erbe zu einem Zehntel des Nachlasses ausgewiesen wird. Es wird davon ausgegangen, daß die Erblasserin bei Errichtung des Testaments vom 10. 10.1951 und des Zusatzes vom 29. 8.1953, bei Errichtung des Testaments vom 22. 10.1960 sowie im Zeitpunkt ihres Todes ausschließlich argentinische Staatsangehörige war und am 22. 10. 1960 ihren Wohnsitz in Lago Hermoso, San Martin de los Andes, Provinz Neuquén (Argentinien) hatte. Es wird außerdem davon ausgegangen, daß der Ehemann der Erblasserin zum Zeitpunkt der Heirat französische Staatsangehörigkeit hatte. Der in Deutschland befindliche Nachlaß besteht in der Hauptsache aus der Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft. Es ergeht Anfrage, in welcher Form der beantragte gegenständlich beschränkte Erbschein zu erstellen ist.

39 »

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Erbrecht

GUTACHTEN I. Internationales

Privatrecht

Nach dem aus Art. 24 und 25 EGBGB abzuleitenden Grundsatz bestimmt sich die Beerbung einer Person nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte 1 . Die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen beurteilt sich etwas abweichend davon nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung angehörte 2 . Da die Erblasserin sowohl bei Errichtung der Testamente als auch bei ihrem Tode argentinische Staatsangehörigkeit hatte, richtet sich die Erbfolge und die Wirksamkeit der Testamente nach argentinischem Recht. Hierbei ist entsprechend Art. 27 EGBGB eine eventuelle Rückverweisung des argentinischen internationalen Privatrechts zu beachten 3 . Art. 3283 des heute noch geltenden argentinischen Código Civil von 1869 (Cc) bestimmt für den vorliegenden Fall: El derecho de sucesión al patrimonio del difunto, es regido por el derecho local del domicilio que el difunto tenia a su muerte, sean los sucesores naciónales o extranjeros.

Das Erbrecht am Nachlaß des Verstorbenen wird nach dem örtlichen Recht des Wohnsitzes bestimmt, welchen der Erblasser bei seinem Tode hatte, mögen seine Erben Inländer oder Ausländer sein.

Ergänzend bestimmen für die testamentarische Erbfolge Art. 3611 und 3612 Cc: Art. 3611: La ley del actual domicilio del testador, al tiempo de hacer su testamento, es la que decide de su capacidad o incapacidad para testar.

Das Gesetz des jeweiligen Wohnsitzes des Testators zur Zeit der Testamentserriditung entscheidet über seine TeStierfähigkeit oder -Unfähigkeit.

Art. 3612: El contenido del testamento, su validez o invalidez legal, se juzga según la ley en vigor en el domicilio del testator al tiempo de su muerte.

Der Inhalt des Testaments, seine Reditsgültigkeit oder Ungültigkeit, beurteilt sich nach dem Recht des Wohnsitzes des Testators zur Zeit seines Todes.

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß das argentinische Recht bei der Bestimmung des Erbstatuts grundsätzlich dem Wohnsitzprinzip folgt. Die überwiegende argentinische Rechtsprechung nimmt jedoch an, daß dieser 1 Kegel in Soergel-Siebert, Komm. z. BGB, Bd. 5 (9. Aufl. 1961) Bern. 3 vor Art. 24 EGBGB, 910 mit weiteren Nachweisen. 2 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 29 vor Art. 24 EGBGB, 914. 3 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 74 vor Art. 24 EGBGB, 926.

Testament

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Grundsatz durdi die Vorschriften der Art. 10 und 11 Cc eine Ausnahme erleide 4 . Art. 10 und 11 Cc bestimmen: Ait. 10: Los bienes raíces situados en la República son exclusivamente regidos por las leyes del país, respecto a su calidad de tales, a los derechos de las partes, a la capacidad de adquirirlos, a los modos de trensferirlos, y a las solemnidades que deben acompañar esos actos. El título, por lo tanto, a una propiedad raíz, sólo puede ser adquirido, transferido o perdido de conformidad con las leyes de la República.

In der Republik belegene unbewegliche Güter unterliegen hinsichtlich ihrer Eigenschaft als unbewegliches Gut, der Rechte der Parteien, der Fähigkeit, sie zu erwerben, der Arten, sie zu übertragen und der dabei zu beachtenden Förmlichkeiten ausschließlich den Landesgesetzen. Rechtstitel auf unbewegliches Vermögen können daher nur nach den Gesetzen der Republik erworben, übertragen und verloren werden.

Art. 11: Los bienes muebles que tienen situación permanente y que se conservan sin intención de transportarlos, son regidos por las leyes del lugar en que están situados; pero los muebles que el propietario lleva siempre consigo, o que son de su uso personal, esté o no en su domicilio, como también los que se tienen para ser vendidos o transportados a otro lugar, son regidos por las leyes del domicilio del dueño.

Bewegliche Güter, die eine beständige Lage haben und deren Transport nicht beabsichtigt ist, unterliegen den Gesetzen des Ortes, an welchem sie sich befinden; Mobilien, welche der Eigentümer stets bei sich trägt oder die zu seinem persönlichen Gebrauche dienen, mögen diese sich an seinem Wohnsitz befinden oder nicht, ebenso die Sachen, deren Verkauf oder Transport an einen anderen Ort beabsichtigt ist, unterliegen den Gesetzen des Wohnsitzes des Eigentümers.

Aufgrund dieser Artikel unterwirft die genannte Rechtsprechung die Vererbung der in diesen Vorschriften umschriebenen Gegenstände argentinischem Recht, wenn sie in Argentinien belegen sind, während die Vererbung der Mobilien, die der Erblasser stets bei sich trug oder die zu seinem persönlichen Gebrauch dienten, nach dem am letzten Wohnsitz des Erblassers geltenden Recht beurteilt wird. Die überwiegende Lehre in Argentinien lehnt dagegen eine solche Nachlaßspaltung ab. Nach dieser Lehre gelten die Art. 10 und 11 Cc lediglich für den Erwerb unter Leben4 Siehe die Rechtsprechungsübersichten bei del Prado, Derecho internacional privado, Bd. 2 (1961), 436-454, bei Goldschmidt, Sistema y filosofía del derecho international privado, Bd. 2 (2. Aufl. 1954), 427-429 und bei Salas, Código civil y leyes complementarias anotados, Bd. 3 (1959), Anm. 2 zu Art. 3283, S. 1513; ebenso Sarsfíeld, Código Civil (1962), Anm. zu Art. 3283 Cc.

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Erbrecht

den, nicht dagegen für den Erwerb von Todes wegen. Aufgrund des Art. 3283 Cc herrsche im Erbrecht der Grundsatz der Nachlaßeinheit 5 . Der Streit zwischen Rechtsprechung und überwiegender Lehre bezog sich bisher lediglich auf in Argentinien gelegene Nachlaßgegenstände. Die in den Rechtsprechungsübersichten mitgeteilten Entscheidungen behandelten bisher ausschließlich die Frage, ob in Argentinien belegene Grundstücke und sonstige Gegenstände mit festem Standort gemäß Art. 10 und 11 Cc nach argentinischem Recht vererbt werden, auch wenn der Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland verstorben ist. Mit Ausnahme der genannten Entscheidung des Appellationsgerichts von Bahia Bianca liegen bisher - soweit ersichtlich - keine Entscheidungen dafür vor, daß die Art. 10 und 11 Cc auch für solche Gegenstände gelten, die sich im Ausland befinden 6 . Auch deutet der Wortlaut des Art. 10 Cc (nicht dagegen der des Art. 11 Cc) darauf hin, daß nur in Argentinien belegenes Vermögen gemeint ist. Gegen eine Anwendung der Art. 10 und 11 Cc auf ausländisches Vermögen spricht weiterhin die von Saisfield1 vorgebrachte Erwägung, daß die in Argentinien belegenen Gegenstände deshalb nach argentinischem Recht zu beurteilen seien, weil sie als Teil des Territoriums der Republik (Argentinien) anzusehen seien. Es ist nicht anzunehmen, daß argentinische Gerichte diesen Gedanken, der dem besonderen Schutz argentinischer Belange dient, auch auf Gegenstände im Bereich ausländischer Staaten anwenden würden. Auch Goldschmidt8 meint, es dürfe gehofft werden, daß ein argentinisches Gericht „von dem Grundsatz der Nachlaßeinheit ausgehen wird", wenn es mit einem Nachlaß befaßt wird, der aus im Ausland belegenem Vermögen besteht. Die oben zitierte Entscheidung des Appellationsgerichts Bahia Bianca hat dieser „Hoffnung" bereits entsprochen. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, daß das argentinische internationale Privatrecht im vorliegenden Fall für das in Deutschland belegene Vermögen der Erblasserin auf deutsches Recht zurückverweist. Die Erbfolge nach der Erblasserin ist daher nach argentinischem Erbrecht zu beurteilen. Soweit die Formgültigkeit der von der Erblasserin errichteten Testamente in Frage steht, genügt auch die Beachtung des am Errichtungsort geltenden Rechts (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). 5 Goldschmidt 425 f.; derselbe, Einführung in das argentinische internationale Privatrecht, Jahrbuch für internationales Recht 7 (1957), 306; del Prado 429, 439; Vico, Curso de derecho international privado, Bd. 2 (4. Aufl. 1961), 27; de Gasperi, Tratado de derecho hereditario, Bd. 1 (1953), 103; Prayones-Cacici, Derecho de sucesion (1957), 37 f. Ebenso in neuester Zeit das Appellationsgericht von Bahia Bianca, 25. 6. 1965, La Ley vom 14. 10. 1965, 9 f., mit zustimmender Anmerkung von Goldschmidt. 6 Goldschmidt, Sistema y filosofia del deredio international privado, Bd. 2, 429; Vico 33. 7 Anm. zu Art. 3283 Cc. 8 Jahrbuch für int. Recht Bd. 7 (1957), 306 f.

Testament

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II. Argentinisches

Erbrecht

1. Gültigkeit des handschriftlichen Testaments vom

22.10.1960

über die Gültigkeit des handschriftlichen Testaments bestimmen Art. 3622,3639 und 3641 Cc: Art. 3622: Las formas ordinarias de testar son: el testamento ológrafo, el testamento por acto público y el testamento cerrado.

Die allgemeinen Testierformen sind: das handschriftliche Testament, das Testament durch öffentliche Urkunde und das verschlossene Testament.

Ait. 3639: El testamento ológrafo para ser válido en cuanto a sus formas debe ser escrito todo entero, fechado y firmado por la mano misma del testator. La falta de alguna de estas formalidades lo anula en todo su contenido.

Das eigenhändige Testament muß, um formgültig zu sein, vom Testator eigenhändig im ganzen geschrieben, datiert und unterschrieben sein. Fehlt eines dieser Formerfordernisse, so ist es seinem ganzen Inhalt nach ungültig.

Ait. 3641: El testamento ológrafo debe ser escrito precisamente con caracteres alfabéticos y puede escribirse en cualquier idioma.

Das eigenhändige Testament muß deutlich in Buchstaben geschrieben sein und kann in jeder Sprache verfaßt werden.

Nach diesen Vorschriften ist das Testament der Erblasserin vom 22.10. 1960 formgültig. Durch dieses Testament werden die früheren testamentarischen Bestimmungen der Erblasserin vom 10.10.1951 und 29. 8.1953 aufgehoben. Dies ergibt sich aus Art. 3828 Cc. Er lautet: El testamento posterior anula el anterior en todas sus partes, si no contiene confirmación del primero.

2. Inhalt des Testaments vom

Das spätere Testament beseitigt das frühere in vollem Umfang, wenn es keine Bestätigung des vorigen enthält.

22.10.1960

a) Die Verfügung zugunsten des Ehemannes und des Stiefsohnes Die Erblasserin hat in ihrem Testament vom 22.10. 1960, abgesehen von den Stückvermächtnissen, lediglich über ein Fünftel ihres Nachlasses verfügt. Fraglich ist, ob die Verfügung über dieses Fünftel als eine Erbeinsetzung oder lediglich als ein Vermächtnis zugunsten des Ehemannes und des Stiefsohnes anzusehen ist. Das Wort „lego" (ich vermache) in dem Testament der Erblasserin spricht für ein Vermächtnis, und zwar für ein sog. „legado de cuota" (Quotenvermächtnis). Die Einsetzung auf einen Teil

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Erbrecht

des Nachlasses gibt im argentinischen Recht oft zu der Zweifelsfrage Anlaß, ob eine Erbeinsetzung oder ein „legado de cuota" gewollt ist. Als ausschlaggebendes Unterscheidungsmerkmal wird das gegenseitige „derecho de acrecer" (Anwachsungsrecht) angesehen. Rebora9 führt insoweit ausdrücklich aus: „El legatario de cuota es un sucesor universal sin derecho de acrecer, en tanto quel el coheredero es igualmente sucesor universal, pero con derecho de acrecer." (Deutsch: Der Quotenvermächtnisnehmer ist ein Universalnachfolger ohne Anwachsungsrecht, während der Miterbe ebenfalls ein Universalnachfolger ist, aber mit Anwachsungsrecht.) 10 Daß das gegenseitige Anwachsungsrecht das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung zwischen dem „legatario de cuota" (Quotenvermächtnisnehmer) und dem „heredero" (Erbe) ist, wird aus Art. 3718 Cc hergeleitet. Dieser bestimmt: Si las dispositiones testamentarias absorbieran en legados la universalidad de los bienes del testator, sólo se tendrán por institución de herederos, cuando exista entre los diversos legatarios una conjunción que pueda dar lugar al derecho de acrecer entre ellos.

Wenn die testamentarischen Bestimmungen in Form v o n Vermächtnissen das gesamte Vermögen des Testators erfassen, dann können sie nur als Erbeinsetzung angesehen werden, wenn zwischen den verschiedenen „Vermächtnisnehmern" eine Beziehung besteht, die zwischen ihnen ein Anwachsungsrecht zur Entstehung bringen kann.

Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall keine unmittelbare Anwendung, da die Vermächtnisse der Erblasserin in ihrem Testament vom 22.10.1960 nicht den ganzen Nachlaß erschöpfen. Sie erfassen allerdings in vollem Umfang den Teil des Nachlasses, über den die Erblasserin nach argentinischem Recht frei verfügen konnte (über den frei verfügbaren Teil siehe die anschließende Ziff. 3). Praktisch wird durch eine solche Verfügung der gesamte Nachlaß erschöpft, nämlich *h des Nachlasses fallen den Pflichtteilsberechtigten von Gesetzes wegen zu, ohne daß der Erblasser insoweit Abweichendes bestimmen kann, und das restliche Fünftel steht den im Testament Bedachten zu. Art. 3718 Cc wird daher auf diesen Fall analog angewandt, d. h. auch die auf das restliche Fünftel eingesetzten „Vermächtnisnehmer" sind Erben, wenn zwischen ihnen und den Pflichtteilsberechtigten ein Anwachsungsrecht besteht, aufgrund dessen sie im Falle des Vorversterbens oder der Erbunwürdigkeit der Pflichtteilsberechtigten im Verhältnis ihrer Quoten an dem frei werdenden Pflichtteil (4/s des Nachlasses) beteiligt werden sollen 11 . 9

Derecho de las sucesiones, Bd. 1 (2. Aufl. 1952), 454 (§ 284). Siehe auch de Gasperi, Tratado de derecho hereditario Bd. 3 (1953), 475 (Nr. 130), der ausführt, daß die Vermächtnisnehmer kein Anwachsungsrecht haben, und Sarsfíeld, Código civil (1962), Anm. zu Art. 3719 Cc. 11 De Gasperi, Bd. 3 (1953), 504 (Nr. 537) mit weiteren Hinweisen. 10

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Läßt sich ein Wille des Erblassers, der auf Einräumung eines solchen Anwachsungsrechts gerichtet ist, nicht feststellen, dann bleibt es bei der Regel des Art. 3719 Cc. Dieser bestimmt: „No constituye institución de heredero la dispositión por la cual el testador hubiese legado la universalidad de sus bienes con asignación de partes.

Die Verfügung, durch die der Testator sein gesamtes Vermögen durch Zuweisung von Teilen vermacht, stellt keine Erbeinsetzung dar.

Demnach sind der Ehemann und der Stiefsohn der Erblasserin - soweit jeder mit einem Zehntel des Nachlasses bedacht ist - lediglich „legatarios de cuota", wenn sich nicht aus dem Testament ergibt, daß ihnen ein Anwachsungsrecht sowohl gegeneinander als auch gegenüber den Pflichtteilserben zustehen sollte. Nach dem Wortlaut des Testaments steht ihnen ein solches Anwachsungsrecht nur „entre ellos" (deutsch: zwischen ihnen) zu. Aus dem Testament läßt sich dagegen nicht entnehmen, daß auch im Verhältnis zu den Pflichtteilserben ein solches Recht bestehen sollte. Auch aus dem Inhalt der Akten ergibt sich dafür nichts. Der Ehemann und der Stiefsohn der Erblasserin sind daher lediglich als „legatarios de cuota" anzusehen. Die rechtliche Stellung des „legatario de cuota" ist im argentinischen Recht umstritten. Die ältere Rechtsprechung und heute noch ein Teil der Lehre behandeln den „legatario de cuota" als Universalnachfolger des Erblassers („sucesor universal"), der unmittelbar mit dem Erbfall in Höhe seiner Quote an die Stelle des Erblassers tritt. Er wird nach dieser Auffassung mit dem Erbfall in Höhe seiner Quote Eigentümer der Nachlaßgegenstände und erlangt dadurch entsprechende Verfügungsbefugnis 1 2 . Nach der heute überwiegenden Rechtsprechung und wohl auch der überwiegenden Lehre ist der „legatario de cuota" lediglich Einzelnachfolger („sucesor particular"). Er erlangt mit dem Erbfall keinerlei Verfügungsmacht. Er ist lediglich Nachlaßgläubiger13. Folgt man der überwiegenden Rechtsprechung, dann bedeuten die Quotenvermächtnisse der Erblasserin zugunsten ihres Ehemannes und ihres Stiefsohnes keine Erbeinsetzung. Da die Erblasserin auch im übrigen in ihrem Testament vom 22.10. 1960 keine Erben eingesetzt hat, wird der gesamte Nachlaß nach den gesetzlichen Erbrechtsregeln vererbt. Der Ehemann und der Stiefsohn der Erblasserin sind aufgrund der Quotenvermächtnisse lediglich Nachlaßgläubiger. 12 Siehe Rebota, Bd. 1, 453-457, mit Hinweisen auf die ältere argentinische Rechtsprechung 457 ¡ siehe auch die Rechtsprechungshinweise bei Fornieles, Tratado de las sucesiones Bd. 1 (4. Aufl. 1958), 78. 18 Siehe die zahlreichen Rechtsprechungshinweise bei Fornieles, Bd. 1, 78 (Nr. 30 bis), und bei Salas, Código civil anotado, Bd. 3 (1959), Bern. 1 und 5 zu Art. 3719 Cc, 1720f.; siehe auch de Gasperi, Bd. 1, 475f., und Fornieles. Bd. 2 (1958), 180 f. (Nr. 200).

Erbrecht

618 b) Stückvermächtnisse

Uber die Zulässigkeit der zwei Stüdcvermächtnisse der Erblasserin zugunsten ihrer Kinder und der Verfügung, daß diese Vermächtnisse auf den Pflichtteil ihrer Kinder anzurechnen seien, siehe unten Ziff. IV. c) Ernennung eines Testamentsvollstreckers Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers ist nach Ait. 3844 Cc zulässig. Die genannte Vorschrift lautet: El testador puede nombrar una o más personas encargadas del cumplimiento de su testamento. 3. Gesetzliche

Erbfolge

und

Der Testator kann eine oder mehrere Personen ernennen, die mit der Ausführung seines Testaments beauftragt sind.

Pilichtteilsiechte

Da die Erblasserin keinen Erben eingesetzt hat, tritt gesetzliche Erbfolge ein. Der argentinische Código civil bestimmt hierfür im vorliegenden Fall: Ait. 3565 Cc: Los hijos legítimos del autor de la sucesión, sean de un solo o de varios matrimonios, lo heredan por derecho proprio y en partes iguales, salvo los derechos que en este Titulo se dan a los hijos naturales, y al viudo o viuda sobreviviente.

Die ehelichen Kinder eines Erblassers, mögen sie aus einer oder verschiedenen Ehen stammen, beerben ihn aus eigenem Recht und zu gleichen Teilen, unbeschadet der Rechte, die nach diesem Titel den unehelichen Kindern und dem überlebenden Ehegatten zustehen.

Ait. 3570 Cc: Si han quedado viudo o viuda e hijos legítimos, el cónyuge sobreviviente tendrá en la sucesión, la misma parte que cada uno de los hijos.

Ist ein Witwer oder eine Witwe neben ehelichen Kindern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte bei der Erbfolge denselben Teil wie jedes der Kinder.

Für den Pílichtteil der Kinder und des Ehegatten der Erblasserin bestimmen Art. 3591-3593 Cc: Ait. 359 í: La legítima de los heredos forzosos es un derecho de sucesión limitado a determinada porción de la herencia. La capacidad del testador para hacer sus disposiciones testamentarias respecto de su patrimonio, sólo se extiende hasta la concurrencia de la porción legítima que la ley asigna a sus herederos.

Das Pflichtteilsrecht (legitima) der Noterben ist ein Eherecht, das auf einen bestimmten Anteil am Nachlaß begrenzt ist. Die Befugnis des Testators, über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen, reicht nur so weit, wie der Pflichtteil nicht beeinträchtigt wird, den das Gesetz den Erben zuweist.

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Ait. 3592: Tienen una porción legítima, todos los llamados a la sucesión intestada en el orden y modo determinado en los cinco primeros capítulos del Título anterior.

Alle, die als gesetzliche Erben berufen sind, erhalten einen Pflichtteil gemäß der Erbfolgeordnung und der Art und Weise, wie es in den ersten fünf Kapiteln des vorhergehenden Artikels bestimmt ist.

Art. 3593: La porción legítima de los hijos legítimos es cuatro quintos de todos los bienes existentes a la muerte del testador y de los que deben colacionarse a la masa de la herencia; observándose en su distribución lo dispuesto en los arts. 3570 y 3579.

Der Pflichtteil ehelicher Kinder beträgt i k aller beim Tode des Erblassers vorhandenen sowie der auszugleichenden Vermögensteile; bei ihrer Verteilung sind die Vorschriften der Art. 3570 und 3579 zu beachten.

Der in Art. 3593 Cc a. E. erwähnte Art. 3579 regelt das hier nicht interessierende Verhältnis von ehelichen zu unehelichen Kindern. Aus Art. 3570 in Verb, mit Art. 3593 Cc ergibt sich, daß der Ehegatte, der den Erblasser neben ehelichen Kindern überlebt, im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge und des Pflichtteilsrechts zunächst grundsätzlich einem ehelichen Kind gleichgestellt wird. Art. 3575 und 3576 Cc enthalten jedoch zwei wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz. Sie bestimmen: Art. 3575: Cesa también la sucesión de los cónyuges entre si, si viviesen de hecho separados sin voluntad de unirse, o estando provisoriamente separados por juez competente.

Das Erbrecht zwischen den Ehegatten endet auch, wenn sie getrennt leben ohne den Wunsch, sich wieder zu vereinigen, oder wenn sie durch Spruch des zuständigen Richters vorläufig getrennt sind.

Art. 3576: En todos los casos en que el viudo o la viuda es llamado a la sucesión en concurrencia con descendientes o ascendientes, no tendrá parte alguna en la división de los bienes que correspondiesen al cónyuge premuerto, a título de gananciales del matrimonio con el referido viudo o viuda.

In allen Fällen, in denen der Witwer oder die Witwe zusammen mit Abkömmlingen oder Aszendenten zur Erbfolge berufen ist, nimmt der Witwer oder die Witwe nicht teil an der Verteilung der Vermögensgegenstände, die dem vorverstorbenen Ehegatten als Errungenschaft aus der Ehe mit ihm oder ihr zustehen würden.

Aus Art. 3575 Cc ergibt sich, daß der Ehemann am Nachlaß der Erblasserin dann kein Erbrecht hat, wenn beide zum Todeszeitpunkt der Erblasserin getrennt und ohne Wunsch, sich wieder zu vereinigen, gelebt haben. Ob dies der Fall war, ist Tatfrage (vgl. Bl. 18 f. d. A.).

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Erbrecht

Art. 3576 Cc trägt den argentinischen Bestimmungen über das Ehegüterrecht Rechnung. Gesetzlicher Güterstand ist nach argentinischem Recht die Errungenschaftsgemeinschaft. Sie begründet ein gesellschaftsähnliches Verhältnis zwischen den Ehegatten (sociedad conyugal, Art. 1261-1274 Cc). Bei der Auflösung der „sociedad conyugal", die auch durch Tod eines Ehegatten erfolgen kann (Art. 1291 Cc), sind die „bienes proprios" (Eigengut jedes Ehegatten) von den „bienes gananciales" (Errungenschaft) zu unterscheiden. Die „bienes gananciales" werden bei der Auflösung der „sociedad conyugal" durch den Tod eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Gatten und den Erben des verstorbenen Gatten hälftig geteilt (Art. 1315 Cc). Da der überlebende Ehegatte bereits güterrechtlich an der Hälfte der „bienes gananciales" beteiligt ist, schließt der genannte Art. 3576 Cc eine Erbberechtigung des überlebenden Ehegatten an diesen Gütern aus. Hinsichtlich der „bienes proprios" des vorverstorbenen Ehegatten behält er dagegen sein Erbrecht und sein Pflichtteilsrecht, die ihm Art. 3570 und 3593 Cc gewähren, da er an diesem Vermögen güterrechtlich nicht beteiligt wird. Demnach kommt es im vorliegenden Fall für die Vererbung des Nachlasses darauf an, wieweit der in Deutschland belegene Nachlaß aus „bienes proprios" der Erblasserin oder aus der in den Nachlaß der Erblasserin fallenden Hälfte der „bienes gananciales" der Ehegatten bestand. Bezüglich der „bienes proprios" der Erblasserin sind nach Art. 3565, 3570 Cc gesetzliche Erben die beiden Kinder und der Ehemann der Erblasserin zu je ein Drittel. Soweit dagegen „bienes gananciales" im Sinne des Art. 3576 Cc zum Nachlaß gehören, sind die Kinder der Erblasserin Erben je zur Hälfte. Ob zu dem in Deutschland belegenen Nachlaß der Erblasserin „bienes gananciales" im Sinne des Art. 3576 Cc gehören, hängt davon ab, in welchem Güterstand die Erblasserin mit ihrem Ehemann gelebt hat.

III. Die güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten und deren Einfluß auf das Erbrecht 1. Internationales

Privatrecht

Die Vorfrage nach dem Güterstand, in dem die Erblasserin lebte, ist selbständig anzuknüpfen 14 . Nach dem aus Art. 15 EGBGB abzuleitenden Grundsatz beurteilen sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nach dem Heimatrecht des Mannes bei Heirat. Es wird davon ausgegangen, daß der Ehemann der Erblasserin bei Heirat französische Staatsangehörigkeit hatte. Das deutsche 14

Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 73 vor Art. 24, 926.

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internationale Privatrecht verweist daher für die Beurteilung des Güterstandes der Erblasserin auf französisches Recht. Hierbei ist entsprechend Art. 27 EGBGB eine eventuelle Rück- oder WeiterveTweisung des französischen internationalen Privatrechts zu beachten. Das französische Recht kennt keine Vorschrift, in der das für den Güterstand der Ehegatten geltende Recht bestimmt wird. Die französische Rechtsprechung und Lehre beurteilt den Güterstand seit langem einhellig nach der Rechtsordnung, deren Geltung dem ausdrücklichen, stillschweigenden oder hypothetischen Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung entspricht 15 . Die Ehegatten können daher bei der Heirat im Ehevertrag einen Güterstand wählen, der nach dem Recht ihres Wohnsitzes, dem Heimatrecht eines Ehegatten oder sonst einer Rechtsordnung, mit der die Ehegatten irgendwie verbunden sind, zulässig ist. Haben die Ehegatten bei Heirat nichts vereinbart, dann ist grundsätzlich als Güterrechtsstatut das bei Heirat am Wohnsitz der Ehegatten geltende Recht anzuwenden. Diese Rechtsordnung entspricht nach französischer Auffassung am meisten dem hypothetischen Parteiwillen der Ehegatten und wird daher überwiegend zur Ermittlung des gesetzlichen Güterstandes der Ehegatten herangezogen 16. Hatten die Ehegatten bereits bei Heirat vor, ihren Wohnsitz nach der Heirat in ein anderes Land zu verlegen, und sind sie daraufhin nach dort verzogen, dann ist Güterrechtsstatut die Rechtsordnung, die an dem bei Heirat in Aussicht genommenen Wohnsitz gilt 17 . In vereinzelten Entscheidungen stellte die französische Rechtsprechung auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten bei Heirat ab 18 . Im vorliegenden Fall steht nicht fest, ob die Ehegatten vor oder bei der Eheschließung ausdrücklich oder stillschweigend eine Rechtsordnung vereinbart haben, nach der sich ihre güterrechtlichen Beziehungen beurteilen sollten. Haben sie eine solche vereinbart, dann ist diese maßgebend. Zweifelhaft ist die Rechtslage, wenn die Ehegatten keine güterrechtlichen Abreden getroffen haben. Da die Erblasserin bei Heirat Argentinierin und ihr Ehemann Franzose war, kommt in diesem Fall eine Anknüpfung an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit nicht in Betracht. Hatten die Ehegatten bei Heirat in München - wo die Erblasserin zum Zeitpunkt 15

Siehe die umfangreichen Hinweise bei Batifiol, Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) 685-700 (Nr. 630-638), und bei Lerebours-Pigeonnière-Loussouarn, Droit international Privé (8. Aufl. 1962) 559-565. w Siehe die umfangreichen Rechtsprechungshinweise bei Lerebours-PigeonnièreLoussouarn 565 Fußnote 2 (für gesetzlichen Güterstand) und bei Batitfol 689-695 (für gesetzlichen Güterstand) und 696 (für vereinbarten Güterstand). 17 Siehe Batifiol 691 f. mit Hinweisen 692 Fußnote 14. 18 Nachweise bei Batifiol 692 f. (N. 635).

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Erbrecht

der Heirat und auch noch einige Zeit danach als wohnhaft gemeldet war ihren gemeinsamen Wohnsitz, dann ist im Hinblick auf die überwiegende französische Rechtsprechung deutsches Recht als Güterrechtsstatut anzuwenden. Hatten die Ehegatten bei Heirat allerdings bereits fest vor, ihren Wohnsitz nach Argentinien zu verlegen, und sind sie auch beide dorthin gezogen, dann ist argentinisches Recht Güterrechtsstatut. Hatte der Ehemann der Erblasserin bei Heirat dagegen seinen Wohnsitz in Frankreich und hatten die Ehegatten zu diesem Zeitpunkt noch keine feste Vorstellung, wo sie gemeinsamen Wohnsitz begründen würden, dann bleibt nur die Möglichkeit, an den gesetzlichen Wohnsitz der Ehegatten anzuknüpfen. Dieser Wohnsitz befindet sich, wie sich aus Art. 108 Abs. 1 Code civil ergibt, am Wohnsitz des Ehemannes. Die genannte Vorschrift bestimmt: La femme mariée n'a point d'autre domicile que celui de son m a r i . . .

Die Ehefrau hat keinen anderen Wohnsitz, als den ihres M a n n e s . . .

Einige französische Entscheidungen haben bei der Ermittlung des Güterrechtsstatuts an den gesetzlichen Wohnsitz angeknüpft 1 9 . Falls der Ehemann der Erblasserin bei Heirat in Frankreich wohnte und ein gemeinschaftlicher Wohnsitz zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Aussicht genommen war, ist demnach französisches Güterrecht anzuwenden. In Betracht zu ziehen sind daher im vorliegenden Fall argentinisches, französisches und deutsches Güterrecht, je nachdem, was die Ehegatten vereinbart haben oder wo sie in Ermangelung einer Vereinbarung bei Heirat wohnten oder nach der Heirat zu wohnen beabsichtigten. 2. Materielles Güterrecht und argentinisches

Erbrecht

a) Ehevertrag Den Akten läßt sich nichts darüber entnehmen, ob die Ehegatten einen Güterstand durch Ehevertrag vereinbart hatten. Hatten sie Gütertrennung vereinbart, was nach argentinischem Güterrecht unzulässig ist (Art. 1217 Cc) und nach französischem Güterrecht nur durch Ehevertrag vor oder bei Heirat möglich ist (Art. 1394, 1536 code civil), dann wird der überlebende Ehegatte nach dem Tod des andern nicht güterrechtlich an gemeinschaftlichem Vermögen beteiligt. Es sind in diesem Fall keine „bienes gananciales" im Sinne des Art. 3576 Cc (Text oben II 3) vorhanden. Der Ehemann der Erblasserin wird in diesem Fall nach Art. 3570 Cc (Text oben II 3) neben den beiden Kindern Erbe zu einem Drittel des gesamten Nachlasses. Im folgenden wird davon ausgegangen, daß die Ehegatten keine ehevertraglichen Abmachungen getroffen haben und daher gesetzlicher Güterstand gilt. 19

Siehe die Hinweise bei BatiHoI 690 Fußnote 10.

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b) Gesetzlicher Güterstand der Ehegatten nach argentinischem Güterrecht und argentinisches Erbrecht Nach argentinischem Güterrecht steht dem überlebenden Ehegatten nach dem Tod des andern die Hälfte der während der Ehe gemachten Errungenschaft („bienes gananciales") zu (siehe oben II 3). Zu den „bienes gananciales" gehören nach Art. 1271 Cc alle während der Ehe erworbenen Gegenstände, außer wenn sie von einem Ehegatten als Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworben worden sind. Die genannte Vorschrift bestimmt: Ait. 1271 Cc: Pertenecen a la sociedad como gananciales, los bienes existentes a la disolución de ella, si no se prueba que pertenecían a alguno de los cónyuges cuando de celebró el matrimonio, o que los adquirió después por herencia, legado o donación.

Der Gemeinschaft gehören als Errungenschaft die bei ihrer Auflösung vorhandenen Vermögensgegenstände, wenn nicht bewiesen wird, daß sie einem der Ehegatten bei Heirat gehört haben oder daß sie danach durch Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworben worden sind.

Aufgrund der Art. 3570, 3576 Cc (Text oben II 3) ist der Ehemann der Erblasserin, wenn argentinisches Güterrecht anzuwenden ist, Erbe an einem Drittel des Vermögens der Erblasserin, das diese bereits bei Heirat besessen hat oder nach der Heirat durch Erbfolge, Vermächtnis oder Schenkung erworben hat. Bezüglich der Hälfte der „bienes gananciales", die in den Nachlaß der Erblasserin fällt, scheidet der Ehemann dagegen nach Art. 3576 Cc aus der Erbfolge aus. c) Gesetzlicher Güterstand der Ehegatten nach französischem Güterrecht und argentinischem Erbrecht Die Ehegatten lebten nach französischem Ehegüterrecht im gesetzlichen Güterstand der „communauté légale", sofern sie nicht vor oder bei der Heirat etwas anderes vereinbart hatten. Dieser Güterstand kennt drei Vermögensmassen: 1. das Gesamtgut der Ehegatten, 2. das Eigenvermögen des Mannes und 3. das Eigenvermögen der Frau. W a s zum Gesamtgut gehört, ergibt sich aus Art. 1401,1402 code civil a. F. Diese bestimmen: Art. 1401: La communauté se compose activement: 1° De tout le mobilier que les époux possédaient au jour de la célébration du mariage, ensemble de tout le mobi-

Die Aktiven der Gütergemeinschaft bestehen: 1. aus dem gesamten beweglichen Vermögen, das die Ehegatten am Tage der Eheschließung besaßen, sowie aus dem

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Erbrecht

lier qui leur échoit pendant le mariage à titre de succession ou même de donation, si le donateur n'a exprimé le contraire; 2° De tous les fruits, revenus, intérêts et arrérages, de quelque nature qu'ils soient, échus ou perçus pendant le mariage, et provenant des biens qui appartenaient aux époux lors de sa célébration, ou de ceux qui leur sont échus pendant le mariage, à quelque titre que ce soit; 3° De tous les immeubles qui sont acquis pendant le mariage. Art. 1402: Tout immeuble est réputé acquêt de communauté, s'il n'est prouvé que l'un des époux en avait la propriété ou possession légale antérieurement au mariage, ou qu'il lui est échu depuis à titre de succession ou donation.

gesamten beweglichen Vermögen, das ihnen während der Ehe durch Erbschaft oder selbst durch Schenkung anfällt, falls nicht der Schenker das Gegenteil ausdrücklich bestimmt hat; 2. aus allen während der Ehe fällig gewordenen oder gezogenen Früchten, Einkünften, Zinsen und Leistungen jeder Art, die von dem den Ehegatten bei Eheschließung gehörenden oder ihnen während der Ehe aus irgendeinem Rechtsgrund angefallenen Vermögen herrühren; 3. aus allen während der Ehe erworbenen Liegenschaften.

Jede Liegenschaft wird als Erwerb der Gütergemeinschaft betrachtet, wenn nicht bewiesen wird, daß einer der Ehegatten schon vor der Ehe das Eigentum oder den rechtmäßigen Besitz daran hatte oder daß sie ihm seither durch Erbschaft oder Schenkung angefallen ist.

Diese Vorschriften sind zwar inzwischen durch Gesetz vom 13.7.1965 mit Wirkung vom 1.2.1966 geändert worden. Der Güterstand der Ehegatten, die durch den Tod der Erblasserin bereits im Jahre 1961 endete (Art. 1441 Ziff. 1 code civil a. F.), beurteilt sich jedoch noch nach den vor dem 1.2.1966 geltenden Güterrechtsbestimmungen. Zum Gesamtgut der Ehegatten, sofern sie im gesetzlichen Güterstand des französischen Rechts gelebt haben, gehörte nach Art. 1401 code civil das voreheliche bewegliche Vermögen jedes Ehegatten, das gesamte während der Ehe erworbene Vermögen (bewegliches und unbewegliches) mit den im folgenden genannten Ausnahmen, und die Früchte und Einkünfte aus dem Eigenvermögen der Ehegatten. Das während der Ehe erworbene bewegliche Vermögen gehört nach Art. 1401 Ziff. 1 code civil a. E. allerdings dann zum Eigenvermögen, wenn es einem Ehegatten durch Testament oder Schenkung mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bestimmung zugewendet wurde, daß es zum Eigenvermögen des bedachten Ehegatten gehören solle. Außerdem gehört nach Art. 1402 code civil zum Eigenvermögen das unbewegliche Vermögen, wenn es nachweislich vorehelich oder während der Ehe durch Erbfolge oder Schenkung erworben ist. Zum beweglichen Vermögen, das grundsätzlich zum Gesamtgut gehört, gleichgültig ob es vorehelich ist oder erst während der Ehe erworben

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wurde, zählt das französische Recht auch den wirtschaftlichen Wert der Beteiligung an einer Personalgesellschaft 20 . Für die Verteilung des Vermögens nach Auflösung des Güterstandes durch den Tod der Erblasserin bestimmen Art. 1470 und 1474 code civil a. F.: Art. 1470: Sur la masse des biens, chaque époux ou son héritier prélève: 1° Ses biens personnels qui ne sont point entrés en communauté, s'ils existent en nature, ou ceux qui ont été acquis en remploi; 2° Le prix de ses immeubles qui ont été aliénés pendant la communauté, et dont il n'a point été fait remploi! 3° Les indemnités qui lui sont dues par la communauté.

Aus der Gütermasse nimmt jeder Ehegatte oder sein Erbe vorweg: 1. sein nicht in die Gütergemeinschaft gefallenes persönliches Vermögen, wenn es in Natur vorhanden ist, oder das als Wiederanlage erworbene; 2. den Preis seiner während der Gütergemeinschaft veräußerten Liegenschaften, der nicht wiederangelegt ist; 3. die ihm aus der Gütergemeinschaft zu leistenden Entschädigungen.

Ait. 1474: Après que tous les prélèvements des deux époux ont été exécutés sur la masse, le surplus se partage par moitié entre les époux ou ceux qui les représentent.

Nachdem die VorwegnahmenbeiderEhegatten aus der Masse durchgeführt sind, wird der Uberrest unter den Ehegatten oder deren Rechtsnachfolgern in zwei gleiche Teile geteilt.

Daraus ergibt sich, daß nach dem Tod der Erblasserin dem Ehemann nach französischem Recht die Hälfte des Gesamtgutes zusteht. Die andere Hälfte fällt in den Nachlaß der Erblasserin. Fraglich ist, ob die in den Nachlaß fallende Hälfte in vollem Umfang zu den „bienes gananciales" im Sinne des Art. 3576 des argentinischen Código civil (Text oben II 3) gehört, an denen der Erblasser erbrechtlich nicht beteiligt ist. Nach argentinischem Güterrecht gehört zu den „bienes gananciales" nur das während der Ehe erworbene Vermögen (Art. 1271, 1272 Código civil), nicht dagegen die voreheliche Fahrnis. Nach dem Wortlaut des Art. 3576 Cc wird deshalb der Ehegatte nur bezüglich der während der Ehe gemachten Errungenschaft erbrechtlich ausgeschlossen. Dieser Vorschrift ist jedoch unbedenklich der Grundsatz zu entnehmen, daß der Ehegatte des Erblassers nur an den „bienes proprios" des Erblassers, an denen er nicht schon güterrechtlich teilhat, erbrechtlich beteiligt werden soll; dagegen soll er erb rechtlich ausgeschlossen sein, soweit er nach dem jeweils geltenden Güterrechtsstatut güterrechtlich hälftig am Gesamtgut 20 Siehe Planiol-Ripeit, Traité pratique de droit civil français, Bd. 8 (2. Aufl. 1957), 396 mit Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen in Fußnote 3; RipertBoulanger, Traité de droit civil, Bd. 4 (1959), 96 (Nr. 268); Mazeaud, Leçons de droit civil, Bd. 1 (2. Aufl. 1959), 1139 (N. 1109).

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Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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beteiligt wird. Daraus ergibt sich, daß der Ehemann der Erblasserin von der Erbfolge ausgeschlossen ist, soweit er nach französischem Güterrecht am Gesamtgut beteiligt ist. Er nimmt daher bezüglich der der Erblasserin zustehenden Hälfte der vorehelichen Fahrnis und des während der Ehe errungenen Vermögens, soweit es sich dabei nicht ausnahmsweise um Eigengut der Erblasserin handelt, nicht an der Erbfolge teil. Erben sind demnach - sofern im vorliegenden Fall nach dem oben unter III 1 Ausgeführten überhaupt französisches Güterrecht anzuwenden ist an der in den Nachlaß fallenden Hälfte des Gesamtguts die beiden Kinder der Erblasserin je zu V2. Das Eigengut der Erblasserin erben dagegen nach Art. 3570 Cc der Ehemann und die beiden Kinder der Erblasserin zu je V3. d) Gesetzlicher Güterstand der Ehegatten nach deutschem Güterrecht und argentinisches Erbrecht Hatten die Erblasserin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Heirat ihren ehelichen Wohnsitz in Deutschland und beurteilt sich deshalb der Güterstand der Ehegatten gemäß dem oben III 1 Ausgeführten nach deutschem Güterrecht, dann ist gesetzlicher Güterstand der Ehegatten die Zugewinngemeinschaft des BGB. Nach § 1371 Abs. 1 BGB erhält der überlebende Ehemann als pauschalen Zugewinnausgleich ein Viertel des Nachlasses der Erblasserin, wenn § 1371 Abs. 1 BGB als güterrechtliche Vorschrift zu qualifizieren ist. Er erhält es nicht, wenn § 1371 Abs. 1 BGB zum Erbrecht gehört. Denn nur die deutschen güterrechtlichen Vorschriften sind unter den genannten Voraussetzungen anzuwenden, nicht dagegen deutsche erbrechtliche Bestimmungen. In der Literatur wird zum Teil die Ansicht vertreten, der Zugewinnausgleich sei erbrechtlich zu qualifizieren, weil sich aus § 1931 Abs. 3 BGB eine enge Verknüpfung der Vorschrift des § 1371 BGB mit dem Erbrecht ergebe und weil § 1371 BGB den Zugewinnausgleich auch dann gebe, wenn ein Zugewinn überhaupt nicht erzielt sei 2 1 . Demgegenüber werten andere den Zugewinnausgleich gemäß § 1371 BGB als güterrechtlich22. " Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Bern. 5 zu § 1931 BGB, 27; Maßfeller, Güterrechtliche Fragen des Gleichberechtigungsgesetzes, Betr. 1958, 563-566 (566): Krüger-Breetzke-Nowack, Kommentar zum Gleichberechtigungsgesetz (1958), Vorbem. vor § 1371 BGB, 340. - Raape 336-338 gibt dem überlebenden Ehegatten den Ausgleich gemäß §§ 1371 Abs. 2, 1373-1383, 1390 BGB ohne die Beschränkung auf den Pflichtteil, vielmehr unter Gewährung des gesetzlichen Erbteils nach dem ausländischen Recht. 22 Gaul, Besprechung von Soergel-Siebert, BGB, Bd. 5 (9. Aufl. 1961) in FamRZ 1961, 500-503 (501); Ferid, Zwei Gesichtspunkte zur „erbrechtlichen Lösung" des Zugewinnausgleichs bei Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten, FamRZ 1957, 70-73 (73); Braga, Das ehegüterrechtliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten, FamRZ 1957, 334-342 (341); Thiele, Die Nahtstellen von Erbrecht und Güterrecht in der Zugewinngemeinschaft, FamRZ 1958, 393-398 (397).

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Bei der Qualifikation ist der Zweck der materiellen Rechtssätze zu beachten. Danach sind güterrechtliche Rechtsinstitute alle die Regelungen, die das Vermögen des Ehemannes während und aufgrund der Ehe einer Sonderregelung unterwerfen oder - bei restloser Gütertrennung - trotz der Ehe von einer Sonderregelung absehen. Das gilt sowohl für die Vorschriften, die bei Bestehen der Ehe eingreifen, als auch für solche, die für den Fall der Auflösung der Ehe rechtliche Vorsorge treffen 23 . Daraus ergibt sich: Der Zugewinnausgleich gemäß § 1371 BGB ist ein güterrechtliches Rechtsinstitut. Dafür spricht zunächst ein formaler Grund: die systematische Einordnung der Vorschrift im Gesetz. Darüber hinaus geben folgende materielle Gründe den Ausschlag: Der Zugewinnausgleich ist fest an den gesetzlichen Güterstand gekoppelt; er ist dagegen kein Institut eines allgemeingültigen Ehegattenerbrechts, d. h. des Rechts der Beteiligung des überlebenden Ehegatten an dem Vermögen des Verstorbenen wegen der lebenslangen Gemeinschaft, wie z.B. § 1931 BGB. Die Vorschriften über den Ausgleich eines Zugewinns nehmen die Regel zum Ausgangspunkt, daß während der Ehe von den beiden Eheleuten durch gemeinsame Arbeit und Aufwendungen ein Zugewinn erreicht wurde. Der Ausgleich stellt dann keine unentgeltliche Zuwendung dar wie eine erbrechtliche Zuwendung; er dient vielmehr der Auseinandersetzung einer gemeinsam erarbeiteten Vermögensmasse. Die Vorschrift, daß für die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten die tatsächliche Erzielung eines Zugewinns unerheblich ist, hat nur einen Ausnahmefall im Auge und kann deswegen nicht den Charakter der Vorschrift bestimmen. Zudem war der Sinn des § 1371 Abs. 1 HS 2 BGB, Schwierigkeiten bei einer Berechnung des Zugewinns bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten auszuschließen und dafür pauschal ein zusätzliches quotenmäßiges Erbrecht zu gewähren. Die Form, in der der güterrechtliche Ausgleich vorgenommen wird, ist von untergeordneter Bedeutung. Sie kann materiell keine Rechtsänderung erzeugen: Die Form des Ausgleichs durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils macht den Ausgleich nicht zu einem erbrechtlichen Institut 24 . Ebenso spricht für die güterrechtliche Qualifikation, daß der Anspruch auf den Zugewinnausgleich im Falle einer Erbunwürdigkeit nicht ohne weiteres hinfällig wird 25 . Daraus ergibt sich, daß der Zugewinnausgleich des § 1371 BGB als güterrechtliches Rechtsinstitut zu qualifizieren ist. § 1371 BGB ist daher im vorliegenden Fall anzuwenden, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand des deutschen Rechts gelebt hatten. Der Ehemann der Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 6 zu Art. 15 EGBGB, 766; vgl. Raape 335. Ferid, FamRZ 1957, 73; Braga, FamRZ 1957, 341; Thiele, FamRZ 1958, 397; vgl. RGRK-BGB (10./11. Aufl. 1960), Bd. IV/1, Bern. 1 zu § 1371 BGB, 147; ErmanGoerke, Gleichberechtigungsgesetz (1958) 37. 25 RGRK-BGB, Bern. 28 zu § 1371 BGB, 154; Eiman-Goeike 40. 23 24

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Erblasserin erhält danach aus güterrechtlichen Gründen ein Viertel des Nachlasses. Es fragt sich, ob der überlebende Ehemann neben dieser güterrechtlichen Beteiligung am Nachlaß auch noch nach argentinischem Erbrecht an diesem beteiligt ist. Einer weiteren Beteiligung nach Art. 3570 Cc (Text oben II 3) zu gleichem Anteil wie jedes der Kinder der Erblasserin könnte allenfalls Art. 3576 Cc (Text oben II 3) entgegenstehen. Diese Vorschrift ist jedoch ihrem Inhalt nach nur anzuwenden, wenn die Ehegatten kraft Ehegüterrechts Gesamtgut besaßen, das nach dem Tod eines Ehegatten hälftig geteilt wird, wie dies beim argentinischen und französischen gesetzlichen Güterstand (siehe oben III 2 a-c) der Fall ist. Bei der Zugewinngemeinschaft des deutschen Rechts gibt es jedoch kein Gesamtgut kraft Ehegüterrechts, sondern nur Eigenvermögen jedes Gatten. Der „Zugewinnausgleich" findet lediglich dadurch statt, daß der überlebende Ehegatte ein Viertel des Nachlasses des vorverstorbenen erhält. Der Zugewinnausgleich nach deutschem Recht ist daher mit der argentinischen güterrechtlichen Regelung, von der Art. 3576 Cc ausgeht, nicht vergleichbar. Diese Vorschrift ist deshalb nicht anwendbar, wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft des BGB lebten. Der überlebende Ehemann der Erblasserin ist in diesem Fall nach Art. 3570 Cc auch erbrechtlich am Nachlaß beteiligt. Die Verteilung des Nachlasses geschieht dabei in folgender Weise: Das deutsche Güterrechtsstatut bestimmt, welchen Anteil der Ehegatte aus dem Nachlaß aus güterrechtlichen Erwägungen erhält. Das argentinische Recht bestimmt, wie der Restnachlaß unter die Erben quotenmäßig zu verteilen ist 26 . Der überlebende Ehegatte erbt demnach kraft deutschen Güterrechts ein Viertel des Nachlasses. Die verbleibenden 3 /i des Nachlasses erben die beiden Kinder und der Ehemann der Erblasserin zu gleichen Teilen. Der Ehemann erbt demnach insgesamt die Hälfte des Nachlasses; die beiden Kinder erben je ein Viertel.

IV. Gültigkeit der beiden

Stückvermächtnisse

Die beiden Vermächtnisse der Erblasserin in ihrem Testament vom 22.10. 1960 zugunsten der beiden Kinder sind nach Art. 3751 Cc wirksam. Dieser lautet: Pueden legarse todas las cosas y derechos que están en el comercio, aun las que no existen todavía, pero que existirán después.

2

« Ebenso Ferid, FamRZ 1957, 73.

Gegenstand eines Vermächtnisses können alle übertragbaren Sachen und Rechte sein, auch wenn diese noch nicht bestehen, jedoch in Zukunft bestehen werden.

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Auch die Bestimmung, daß die beiden Vermächtnisse auf den Pflichtteil der beiden Kinder anzurechnen seien, ist wirksam. Dies ergibt sich aus Art. 3600 Cc. Dieser bestimmt: Ait. 3600 Cc: El heredero forzoso, a quien el testador dejase por cualquier título, menos de la legítima, sólo podrá pedir su complemento.

Der Pflichterbe, dem der Testator auf Grund irgendeines Titels weniger als den Pflichtteil hinterläßt, kann nur dessen Ergänzung fordern.

V. Inhalt des Eibscheins Im Erbschein sind zunächst nach § 2353 BGB die Erbteile der Erben auszuweisen. Sofern die Erblasserin mit ihrem Ehemann im gesetzlichen Güterstand des argentinischen oder französischen Rechts gelebt hat, ist im Erbschein auszuweisen, daß das Eigengut der Erblasserin die beiden Kinder und der Ehemann der Erblasserin zu je Va erben, und daß die in den Nachlaß fallende Hälfte des Gesamtguts die Kinder je zur Hälfte erben. Dabei ist darzustellen, daß zum Eigengut der Erblasserin, falls argentinisches Güterrecht anzuwenden ist, das voreheliche Vermögen und das während der Ehe durch Erbfolge, Vermächtnis oder Schenkung erworbene Vermögen der Erblasserin gehören, zum Gesamtgut dagegen das während der Ehe erworbene Vermögen, außer dem, das ein Ehegatte durch Erbfolge, Vermächtnis oder Schenkung erworben hat. Bei Geltung französischen Güterrechts ist darzustellen, daß zum Eigengut der vor der Ehe vorhandene Grundbesitz gehört, zum Gesamtgut dagegen die voreheliche Fahrnis und das während der Ehe erworbene Vermögen, soweit es nach dem oben III 2 b Ausgeführten nicht ausnahmsweise zum Eigengut gehört. Es kann dabei darauf hingewiesen werden, daß nach französischem Recht der Anteil an einer Kommanditgesellschaft zum beweglichen Vermögen gezählt wird (siehe oben III 2 b). Lebte die Erblasserin mit ihrem Ehemann im Güterstand des deutschen Rechts, dann sind in dem Erbschein der Ehemann zu V2 und die beiden Kinder als Erben zu je 1U auszuweisen. Nach § 2364 BGB ist auch die Ernennung des Testamentsvollstreckers in den Erbschein aufzunehmen. Dies gilt nach dem Zweck des § 2364 BGB jedoch nur dann, wenn durch die Ernennung des Testamentsvollstreckers die Verfügungsbefugnis der Erben beschränkt wird. Das argentinische Erbrecht trifft bezüglich der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstrekkers vom deutschen Recht abweichende Bestimmungen. Art. 3851, 3852 Cc bestimmen insoweit: Ait. 3851 Cc: Las facultades del albacea serán las que designe el testador con arreglo a las leyes; y si no las hubiere desi-

Der Testamentsvollstrecker hat die Befugnisse, die der Testator in Ubereinstimmung mit den Gesetzen bestimmt;

630

Erbrecht

gnado, el ejecutor testamentario tendrá todos los poderes que según las circunstancias, sean necesarios para la ejecución de la voluntad del testador.

und wenn er sie nicht bestimmt hat, hat der Testamentsvollstrecker alle Rechte, die nach den Umständen zur Ausführung des Willens des Testators erforderlich sind.

Art. 3852 Ce:

Habiendo herederos forzosos, o herederos instituidos en el testamento, la posesión de la herencia corresponde a los herederos, pero debe quedar en poder del albacea tanta parte de elle, cuanta fuese necesaria para pagar las deudas y legados, si los herederos no opusiesen, respecto de los legados, que en ellos van a ser perjudicados en sus legítimas.

Sind Pflichterben oder durch Testament eingesetzte Erben vorhanden, dann kommt der Besitz der Verfügungsgewalt über den Nachlaß den Erben zu, muß aber insoweit beim Testamentsvollstrecker bleiben, als dies zur Begleichung der Schulden und Vermächtnisse erforderlich ist, sofern nicht die Erben bezüglich der Vermächtnisse einwenden, daß durch sie ihre Pflichtteilsrechte verletzt werden.

Aus Art. 3852 Cc ergibt sich, daß der Testamentsvollstrecker gegenüber Pflichterben (hier die beiden Kinder und wahrscheinlich auch der überlebende Ehemann) nur insoweit über den Nachlaß verfügen kann, als dies zur Begleichung der Nachlaßschulden und zur Erfüllung der Vermächtnisse der Erblasserin erforderlich ist. Soweit danach eine Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers besteht, ist dies nach § 2364 BGB im Erbschein zu vermerken. Da jedenfalls die Erfüllung der im Testament der Erblasserin enthaltenen Quotenvermächtnisse noch aussteht, ist im Erbschein auszuweisen, daß der Testamentsvollstrecker zu deren Erfüllung über den Nachlaß verfügen kann. Soweit noch andere Nachlaßschulden und Vermächtnisse (siehe das Schmuckvermächtnis zugunsten der Tochter) bestehen, die den in Deutschland belegenen Nachlaß berühren, ist die entsprechende Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers ebenfalls im Erbschein zu erwähnen. Dagegen sind die beiden Stückvermächtnisse zugunsten der beiden Kinder und die Quotenvermächtnisse zugunsten des Ehemannes und des Stiefsohnes nicht in den Erbschein aufzunehmen, da sie nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Nachlaß begründen. Bezüglich der Quotenvermächtnisse gilt das allerdings nur, wenn man der überwiegenden Rechtsprechung in Argentinien folgt (siehe oben II 2). Folgt man dieser, dann ist der Erbscheinsantrag des Stiefsohnes U. zurückzuweisen. Der Erbscheinsantrag der Tochter kann erst erledigt werden, wenn feststeht, in welchem Güterstand die Erblasserin mit ihrem dritten Ehemann gelebt hat.

Testament / VI.

Argentinien/Frankreich

631

Ergebnis

Die Erblasserin wird nach argentinischem Erbrecht beerbt. Das Testament der Erblasserin vom 22.10.1960 ist nach argentinischem Erbrecht wirksam. Das frühere Testament der Erblasserin vom 10.10.1951 einschließlich der Zusatzverfügung vom 2 9 . 8 . 1 9 5 3 wurde durch dieses Testament aufgehoben. Die Verfügungen der Erblasserin in diesem Testament zugunsten ihres dritten Ehemannes und ihres Stiefsohnes stellen ein „legado de cuota" (Quotenvermächtnis) dar, aufgrund dessen diese beiden nach Ansicht der überwiegenden argentinischen Rechtsprechung lediglich Nachlaßgläubiger, dagegen nicht Universalnachfolger der Erblasserin werden. Mangels einer testamentarischen Erbeinsetzung wird der gesamte Nachlaß nach argentinischen gesetzlichen Erbrechtsregeln vererbt. Ein Erbrecht des Ehemannes entfällt, wenn er zum Todeszeitpunkt der Erblasserin von dieser getrennt lebte und die Eheleute nicht den Willen hatten, sich wieder zu vereinigen (nach Art. 3575 Cc). Nach Art. 3570, 3576 Cc sind Erben des Eigenguts („bienes proprios") der Erblasserin der Ehemann, soweit er nicht nach Art. 3575 Cc von der Erbfolge ausscheidet, und die beiden Kinder zu j e ein Drittel, Erben der Hälfte des Gesamtgutes, die in den Nachlaß fällt, dagegen allein die beiden Kinder j e zur Hälfte. Ob und in welchem Umfang Gesamtgut vorhanden ist, richtet sich nach dem Güterrechtsstatut. Güterrechtsstatut ist im vorliegenden Fall - vorausgesetzt daß der Ehemann der Erblasserin zum Zeitpunkt der Heirat Franzose war - die Rechtsordnung, von deren Geltung die Erblasserin und ihr Ehemann bei Abschluß eines eventuellen Ehevertrags vor oder bei der Heirat ausdrücklich oder stillschweigend ausgegangen sind. Fehlt eine solche vertragliche Vereinbarung, dann ist Güterrechtsstatut die Rechtsordnung, in deren Bereich sich bei Heirat der gemeinsame Wohnsitz der Ehegatten befand oder in deren Bereich er sich nach der zum Zeitpunkt der Heirat geäußerten Absicht der Ehegatten später befinden sollte, sofern die Ehegatten diesen beabsichtigten Wohnsitz nach der Heirat gegründet haben. In Zweifelsfällen entscheidet der Wohnsitz des Ehemannes. Nach welcher Rechtsordnung danach die güterrechtlichen Beziehungen zwischen der Erblasserin und ihrem dritten Ehemann zu beurteilen sind, ist Tatfrage. In Betracht kommen das argentinische, französische und deutsche Güterrecht. Haben die Ehegatten wirksam Gütertrennung vereinbart, dann besteht kein Gesamtgut. Erben sind in diesem Fall bezüglich des ganzen Nachlasses die Kinder und der dritte Ehemann der Erblasserin, falls er nicht nach Art. 3575 Cc als Erbe ausscheidet, zu j e einem Drittel. Lebten die Ehegatten dagegen im gesetzlichen Güterstand des argentinischen oder französischen Rechts, dann gilt für die Erbfolge das oben unter III 2 a - c

632

Erbrecht

Ausgeführte. Lebten sie im gesetzlichen Güterstand des deutschen Rechts, dann erbt der überlebende Ehemann aus güterrechtlichen Gründen ein Viertel vorweg und, falls er nidit nach Art. 3575 Cc als Erbe ausscheidet, ein weiteres Viertel kraft Erbrechts. Die beiden Kinder der Erblasserin erben in diesem Fall j e ein Viertel. Im Erbschein ist das Erbrecht der beiden Kinder und - soweit ein solches besteht - das des überlebenden Ehemanns der Erblasserin auszuweisen. Weiterhin ist in den Erbschein aufzunehmen, daß der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung der Quotenvermächtnisse und des Vermächtnisses zugunsten der Tochter und zur Begleichung von Nachlaßschulden über den Nachlaß der Erblasserin verfügen kann. In den Erbschein sind dagegen nicht die von der Erblasserin angeordneten Stückvermächtnisse aufzunehmen. Soweit man der oben unter II 2 genannten überwiegenden argentinischen Rechtsprechung zur Stellung des „legatario de cuota" folgt, sind im Erbschein auch nicht die beiden Quotenvermächtnisse der Erblasserin zugunsten ihres Ehemannes und ihres Stiefsohnes auszuweisen. Der Erbscheinsantrag des Stiefsohnes ist danach zurückzuweisen. Der Erbscheinsantrag der Tochter der Erblasserin kann erst erledigt werden, wenn der Güterstand zwischen der Erblasserin und ihrem dritten Ehemann ermittelt ist. Nr. 57 Schweden, Schweiz 1. Form eines eigenhändigen sowie eines öffentlichen Testaments nach schweizerischem Recht. 2. Erbstatut nach schwedischem IPR. 3. Bedeutung einer Nießbrauchbestellung im Nachlaß nach schwedischem Recht. 4. Die Rechtsstellung der durch letztwillige Verfügung als Erben eingesetzten Enkel des Erblassers bei gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs zugunsten der Erblasserwitwe und Übertragung der unbeschränkten Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses auf den Vater der Erben nach schwedischem Recht. 5. Die Stellung des Testamentsvollstreckers nach schwedischem Recht. 6. Erbeinsetzung eines non conceptus nach schwedischem Recht. 7. Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten nach schwedischem Recht. Kiel 2/66 vom 21. 2. 1966

Am 28. 11. 1964 verstarb der schwedische Staatsangehörige E. N. (Erblasser) im schweizerischen Kanton Tessin, wo er seinen letzten Wohnsitz hatte. Zum Nachlaß gehören u. a. Grundstücke in Berlin(-West). Der Erblasser hat ein eigenhändig geschriebenes Testament vom 12. 9.1955 mit einem Nachtrag in gleicher Form vom 6. 6. 1957 sowie drei öffentlich er-

Testament /

Schweden/Schweiz

633

richtete Testamentsnachträge - vom 7.6. i960, vom 7. 11. 1963 und vom 3. 9.1964 - hinterlassen. Die eigenhändigen Verfügungen sind vom Erblasser und j e zwei Zeugen unterschrieben, die Unterschriften von einem Notar in L. (Schweiz) beglaubigt. Die Testamentsnachträge von 1960, 1963 und 1964 sind vor demselben Notar in der Weise errichtet worden, daß der Testator den geschriebenen Nachtrag vor dem Notar und j e zwei Zeugen als eine seiner testamentarischen Bestimmungen bezeichnet hat, daß er sie im Beisein der Urkundspersonen gelesen oder vorgelesen bekommen hat und daß er, die Zeugen und der Notar die darüber aufgenommene Urkunde unterschrieben haben. Die letztwilligen Verfügungen sind am 16. 12. 1964 vor dem Nachlaßgericht in L. (Schweiz) eröffnet worden. Eine Ausfertigung der von dem Notar darüber aufgenommenen Urkunden liegt der Akte bei. Darin sind die letztwilligen Verfügungen in ihrer Ursprache Deutsch wiedergegeben. Die Urkunde ist außerdem ins Schwedische übersetzt und nach der schwedischen Fassung ins Deutsche übertragen. In dem Testament vom 12. 9.1955 (Originalfassung) hat der Erblasser daraufhingewiesen, daß er mit seiner Ehefrau in Gütergemeinschaft lebe. Er hat dann angeordnet, daß seine Witwe, die ihn überlebt hat, „als Nutznießerin Zeit ihres Lebens unbeschränktes Verfügungsrecht über mein gesamtes Eigentum haben (soll), ohne Rechenschaft ablegen zu müssen", „Eigentümer meiner gesamten Hinterlassenschaft" sollen seine drei Enkelkinder G.-K., L.-J. und V. B. N., die Kinder seines einzigen Sohnes L. N., werden. Nach dem Testamentsnachtrag vom 7. 11. 1963 sollen die Kinder aus der zweiten Ehe seines Sohnes den genannten Kindern aus erster Ehe gleichberechtigt sein. Aus der zweiten Ehe von L. N. ist die am 25. 3. 1963 geborene G. H. N. hervorgegangen. Die Ehe besteht noch. Die Verwaltung des Nachlasses soll nach dem Testament der Vater der Erben, L. N., führen. Ihm ist testamentarisch die Befugnis übertragen, die Verwaltung auf Rechnung der Erben bis an sein Lebensende zu führen, alle dazu erforderlichen Dispositionen nach eigenem Ermessen zu treffen, die Auslagen und das Honorar für die Verwaltung zu bestimmen, ohne den Erben oder irgendeiner Behörde gegenüber Rechenschaft schuldig zu sein. Er ist ermächtigt, den Nachlaß unter die Erben zu einer von ihm zu wählenden Zeit in einer ihm überlassenen Weise zu verteilen. Er wird zum Testamentsvollstrecker und Nachlaßverwalter eingesetzt. Aufgrund dieser Verfügungen hat der Notar J . H. in B. im Auftrag von L. N. beim Nachlaßgericht in B. den Antrag gestellt, einen auf den in Deutschland belegenen Teil des Nachlasses beschränkten Erbschein auszustellen. Er hat, ausgehend von der aus dem Schwedischen ins Deutsche rückübertragenen Fassung der letztwilligen Verfügungen, beantragt, die Witwe des Erblassers als befreite Vorerbin und die vier Enkel des Erblassers als Nacherben auszuweisen.

634

Erbrecht

Zur Vorbereitung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht das Institut für internationales Recht an der Universität Kiel unter Übersendung der Akten um ein Gutachten über die Erbfolge in den in Deutschland belegenen Nachlaß, insbesondere über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügungen sowie über die Testamentsvollstreckerschaft nach der anzuwendenden Rechtsordnung gebeten.

I. Foimgültigkeit der letztwilligen

Verfügungen

Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB genügt für die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäftes die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Die letztwilligen Verfügungen sind also dann bestimmt formgültig, wenn die Form ihrer Errichtung dem am Ort ihrer Errichtung M. (Tessin) geltenden, also dem schweizerischen Recht entspricht. Für die Erbfolge in das in Deutschland belegene Vermögen sind vom Inhalt her nur das Testament vom 12.9.1955 und der Nachtrag vom 7.11. 1963 erheblich. Die Gültigkeit des eigenhändig geschriebenen Testamentes bestimmt sich nach Art. 505 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) u. „Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluß der Angabe von Ort, Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben, sowie mit seiner Unterschrift zu versehen."

Da die angegebenen Erfordernisse bei der Errichtung des Testaments beachtet sind - ihre Beachtung wird sogar im einzelnen notariell bezeugt - , ist das Testament formgültig. Der Nachtrag vom 7.11.1963 ist mit öffentlicher Beurkundung errichtet. Die Formerfordernisse dafür sind in den Art. 499-501 ZGB enthalten 2 : Art. 499 Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind. Art. 500 Der Erblasser hat dem Beamten seinen Willen mitzuteilen, worauf dieser die Urkunde aufsetzen läßt und dem Erblasser zu lesen gibt. Die Urkunde ist vom Erblasser zu unterschreiben. Der Beamte hat die Urkunde zu datieren und ebenfalls zu unterschreiben. 1 Ferid-Firschirtg, Internationales Erbrecht, München ab 1955 (Loseblattwerk), Bd. 1, Schweiz, Texte S. 53. 2 Ferid-Firschirtg 52.

Testament

/

635

Schweden/Schweiz

Art. 501 Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, daß er die Urkunde gelesen habe und daß der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und daß er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe. Es ist nicht erforderlich, daß die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten.

Aus der notariellen Urkunde über diesen Testamentsnachtrag geht hervor, daß diese Formerfordernisse eingehalten wurden. Sowohl das Testament vom 12.9.1955 wie auch der Nachtrag vom 7.11. 1963 sind also nach schweizerischem Recht formgültig. Die Verfügungen sind folglich gemäß Art. 1 1 1 2 EGBGB auch für Deutschland gültig, ohne daß ihre Gültigkeit nach dem Erbstatut nachgeprüft werden müßte.

II. Erbfolge aufgrund der letztwilligen

Verfügungen

1. Erbstatut Die materielle Gültigkeit und die Auslegung der letztwilligen Verfügungen richtet sich nach der Rechtsordnung, die für die Erbfolge nach dem Erblasser maßgeblich ist. Nach dem in Art. 24 I und 25 EGBGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsatz wird der Erblasser nach dem Recht des Staates beerbt, dem er zur Zeit seines Todes angehört hat. Da der Erblasser Schwede ist, verweist das deutsche Kollisionsrecht für diese Erbfolge auf schwedisches Recht. Das schwedische Kollisionsrecht für diesen Fall ist in Kap. 1 § 1 des Gesetzes vom 5. 3.1937 über die internationalen Rechtsverhältnisse betreffend den Nachlaß niedergelegt. § 1 Satz 1 der Vorschrift lautet 3 : Rätt tili arv efter svensk medborgare varde, ändä att han ej hade hemvist i riket, bedömd enligl svensk lag.

Uber das Erbrecht nach einem schwedischen Staatsangehörigen entscheidet, auch wenn er nicht im Inland Wohnsitz hatte, schwedisches Recht.

Deutschem und schwedischem Kollisionsrecht zufolge wird der Erblasser also nach schwedischem materiellem Erbrecht beerbt; materielle Gültigkeit und Auslegung der letztwilligen Verfügungen ist danach zu bestimmen.

3 Sveriges Rikes Lag (SRL) (83. Aufl. Stockholm 1961) 164. Deutsche setzung nach Michaeli, Internationales Privatrecht (Stockholm 1948) 238.

Uber-

636 2. Anordnungen zugunsten der

Erbrecht

Witwe

Unter I des Testaments vom 12. 9. 1955 wird angeordnet, daß die Witwe des Erblassers Zeit ihres Lebens als Nutznießerin unbeschränktes Verfügungsrecht über den gesamten Nachlaß haben soll. Nach III des Testaments sollen Eigentümer die Enkelkinder werden. In der in die Akte eingehefteten Rückübersetzung des Testaments werden statt dessen die Worte „Immobiliarrechtsinhaberin" und „meinen Enkeln ... zufallen" gebraucht, womit der Erblasserwille nicht zum Ausdruck kommt. Der Erblasser, der Jurist war, hat seine Witwe also nicht zur Eigentümerin des Nachlasses, sondern zur „Nutznießerin" machen wollen. Nutznießung ist der im schweizerischen Zivilgesetzbuch, Art. 745 ff., gebrauchte Ausdruck für Nießbrauch. Nach dem Erblasserwillen sollte die Witwe also Nießbraucherin am Nachlaß werden, allerdings mit der Befugnis, über die Nachlaßgegenstände zu verfügen, und unter Befreiung von jeder Rechenschaftspflicht. Das dem schweizerischen (Art. 474, 484 II, 745 ZGB) und dem deutschen Recht (§§ 1085, 1089 BGB) bekannte Rechtsinstitut des Nießbrauchs an dem Nachlaß ist im schwedischen Erbgesetz (Ärvdabalk) im 12. Kapitel geregelt. Der Nießbrauch ist dort ähnlich wie im deutschen Recht ausgestaltet: Der Nießbraucher verwaltet das Gut und zieht die Erträge, muß dabei aber die Rechte und das „Beste" des Eigentümers wahren; er darf das Gut in der Regel mit eigenem nicht vermischen (§ 3). Das Gut haftet nicht für Schulden des Nießbrauchers (§ 7); es gilt der Grundsatz der dinglichen Ersetzung (§ 8). Eine gesetzliche Ermächtigung des Nießbrauchers zur Veräußerung von Nießbrauchgut findet sich in § 4 nur für Fahrnis, die keinen besonderen W e r t für den Eigentümer hat. Die letztwilligen Verfügungen über den Nießbrauch der Witwe weichen insoweit von dem gesetzlichen Modell ab, als die Nießbraucherin über das Gut verfügen können soll und darin, daß sie keine Rechenschaftspflicht trifft. Diese Anordnungen sind zulässig, da im schwedischen Recht die Vorschriften über den Nießbrauch am Nachlaß gegenüber dem Testament nachgiebiges Recht sind. Das wird in dem die Nießbrauchsvorschriften einleitenden § 2 des 12. Kapitels des Ärvdabalk (Ä 12 : 2) ausdrücklich festgestellt 4 : Här nägon genom testamente erhällit nyttjanderätten tili egendom, vartill äganderätten vid testators död eller senare skall tillfalla annan, gäller vad

Hat jemand durch Testament den Nießbrauch am Vermögen erhalten, an dem das Eigentumsrecht beim Tode des Testators oder später einem anderen zu-

4 SRL, 137. Deutsch nach Schlegelberger/ von Setzt Wrede /Dix, Das Zivilrecht der nordischen Länder, I. Abt. Lfg. 4a: Schwedisches Familien- und Erbrecht (Berlin 1939) 128.

Testament

/

637

Schweden/Schweiz

nedan i 3-9 §§ stadgas, sävitt ej annat följer av testamentet.

fallen soll, so gelten die unten in den §§ 3-9 getroffenen Bestimmungen, soweit sich nicht aus dem Testament etwas anderes ergibt.

W e n n so die Witwe nach schwedischem Recht „befreite" Nießbraucherin geworden ist, so bleibt doch für die Frage, ob sie in den Erbschein und ob und wo sie im Grundbuch einzutragen ist, zu erwägen, welcher Stellung nach deutschem Recht ihre Rechtsposition entspricht. Die Nießbrauchbestallung am Nachlaß hat in Schweden eine ähnliche Funktion wie sie die Vorerbschaft im deutschen Recht hat. Dennoch erscheint es nicht angemessen, den Nießbrauch des schwedischen Rechts in eine Vorerbschaft deutschen Rechts umzudeuten mit der Folge, daß die Witwe als Vorerbin im Erbschein und als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen wäre. Die durch das Testament angeordnete Rechtsposition der Witwe läßt sich nämlich auch nach deutschem Recht als Nießbrauch konstruieren, der mit einer testamentarisch übertragenen Verfügungsberechtigung und der testamentarischen Auflage an die Erben, keine Rechenschaft zu verlangen, verbunden ist. W e n n diese Stellung auch in fast allen praktischen Auswirkungen und nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Stellung eines Vorerben gleicht, so würde mit einer Umdeutung zudem die dingliche Rechtslage verändert werden. Endlich hatte der Erblasser auch nach schwedischem Recht die Wahl, seine Witwe nach Ä 12 : 1 als Vorerbin einzusetzen, so daß auch der Erblasserwille gegen eine Umdeutung des vermachten Nießbrauchs in eine Vorerbenstellung spricht. Die Rechtsstellung der Witwe entspricht also im deutschen Recht am ehesten der eines Nießbrauchers, so daß die Witwe weder in den Erbschein noch als Eigentümerin ins Grundbuch einzutragen ist. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Witwe ein güterrechtlicher Anteil an dem Gesamtgut der Gütergemeinschaft mit dem Erblasser zusteht, der nicht in den Nachlaß fällt und eine Auseinandersetzung auch nach Güterrecht erfordern dürfte, wenn die Witwe nicht ein inhaltlich gleiches Testament gemacht hat und nach ihrem Tode eine Auseinandersetzung aus praktischen Gründen unterbleiben kann. 3. Die Rechtsstellung

der Enkelkinder

und des Sohnes des

Erblassers

Nach Abschnitt III des Testaments sollen die Enkelkinder des Erblassers, die Kinder seines einzigen Sohnes L., die Eigentümer des Nachlasses werden. Damit sind die Enkelkinder als Testamentserben eingesetzt, wenn sie in ihrem Eigentum nicht soweit beschränkt sind, daß man sie nicht mehr als Erben ansehen kann, oder wenn ihrem Vater nicht eine solche Stellung eingeräumt ist, die ihn zunächst zum Vorerben macht.

638

Erbrecht

Die Enkelkinder sind in ihrem Eigentum am Nachlaß zunächst durch die Anordnung zugunsten der Erblasserwitwe beschränkt. Da deren Recht jedoch als Nießbrauch anzusehen ist, schließt es eine Erbenstellung der Enkelkinder nicht aus. Weiterhin sind sie von der Verwaltung des ihnen zufallenden Eigentums dadurch ausgeschlossen, daß die Verwaltung ihrem Vater für die Zeit seines Lebens mit erheblichen Befugnissen übertragen ist. Nach schwedischem Redit hindert der Ausschluß von der Verwaltung des Nachlasses aber nicht, die Berechtigten als Testamentserben anzusehen. Im § 1 Abs. 2 des 19. Kapitels des Ärvdabalk (Ä 19 : 1 II) geht das Gesetz ausdrücklich davon aus, daß dem Testamentserben die Verwaltung entzogen worden ist 5 : Skal enligt testamente egendomen vara undantagen delägarnas förvaltning...

Ist nach einem Testament das Vermögen der Verwaltung der Berechtigten entzogen... (kann u. U. ein Nachlaßverwalter bestellt werden).

Es wäre zu erwägen, den Sohn des Erblassers L. N. dann als Vorerben und die Enkel entsprechend als Nacherben anzusehen, wenn seine Befugnisse die eines Verwalters derart überschritten, daß seine Stellung der eines fiduziarischen Erben gliche. Er ist nach der letztwilligen Verfügung zunächst Testamentsvollstrecker. Seine Stellung ist im Ä 19 :1 I wie folgt umschrieben 6 : . . . Har nágon genom testamente blivit utsedd att i avseende á förvaltningen träda i arvingars och universella testamentstagares stalle (testamentsexekutor)...

... Ist jemand durch Testament dazu ausersehen worden, hinsichtlich der Verwaltung an die Stelle der gesetzlichen oder Testamentserben zu treten (Testamentsvollstrecker)...

Seine Befugnisse gehen aus Ä 19 :201 hervor 7 : Förordnande att vara testamentsexekutor skall, savitt ej annat framgär av testamentet, anses innefatta bemyndigande att företaga alla för boets utredning erforderliga atgärder.

Eine Bestellung zum TestamentsvollStrecker ist, soweit sich nicht aus dem Testament etwas anderes ergibt, als eine Ermächtigung zur Vornahme aller für die Nachlaßverwaltung erforderlichen Maßnahmen anzusehen.

In der wiedergegebenen Vorschrift ist ausdrücklich vorgesehen, daß der Umfang der Ermächtigung anders bestimmt werden kann. Die L. N. im Testament vom 12. 9.1955 erteilte Ermächtigung ist insoweit weiter als die gesetzlich vorgesehene, als sie sachlich nicht nur die erforderlichen, sondern die von ihm für zweckmäßig gehaltenen Dispositionen umfaßt und als sie zeitlich nicht auf die für die Abwicklung des Nachlasses erforder5

SRL 145; Schlegelberger / v. Seth / Wrede / Dix 133. Seth/Wrede/Dix « SRL 145; deutsch nach Schlegelberger/v. 7 SRL 148; deutsch nach Schlegelberger/v. Seth/Wrede/Dix

133. 136.

Testament

/

Schweden/Schweiz

639

liehe Zeit beschränkt ist. Außerdem wird er von jeder Aufsicht und Rechenschaftspflicht freigestellt. Zudem ist der Testamentsvollstrecker in Schweden kraft Gesetzes (Ä 2 3 : 5 II) „skiftesman", was als Teilungsmann oder Auseinandersetzungsmann zu übersetzen ist. Nach Ä 23 : 8 II nimmt der „skiftesman" die Erbteilung dann von sich aus vor, wenn sich die Erben über die Aufteilung des Nachlasses auch mit seiner Hilfe nicht einigen. Im Testament wird L. zusätzlich ermächtigt, Zeit und Art der Auseinandersetzung zu bestimmen. Mit der Klausel, daß dabei der Anteil der Enkel nicht gleich groß zu sein braucht, wird die von ihm durchzuführende Teilung unanfechtbar. W e n n L. N. den Nachlaß tatsächlich und in Geschäften unter Lebenden wie sein Erbteil behandeln würde, dann wären infolge der testamentarischen Ermächtigungen und Befreiungen seine Geschäfte nach außen hin gültig und er könnte nach dem Willen des Erblassers dafür auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Welche Grenzen ein solcher Ausschluß der Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers nach schwedischem Recht hat, braucht zur Vorbereitung für die Ausstellung eines Erbscheins und eines Testamentvollstreckerzeugnisses jedoch nicht abschließend geklärt zu werden: W e n n ein solcher Haftungsausschluß unbegrenzt möglich ist, dann ist es nicht nötig, die Stellung von L. N. in eine Erbenstellung umzudeuten. W e n n der Haftungsausschluß nur begrenzt zulässig ist, mag allerdings eine Kollision zwischen der Anordnung zugunsten der Enkelkinder und der zugunsten von L. N. entstehen. Doch w e n n auch der Erblasser seinen Sohn im Vertrauen auf ihn und zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten bei der Verwaltung fremden Vermögens sehr frei gestellt hat, so kann nicht angenommen werden, daß er dann, wenn die Freistellung an rechtliche Schranken stößt, ihm das zu verwaltende Vermögen zu Eigentum übertragen wollte. So stark die Rechtsposition von L. N. als Verwalter des Nachlasses auch ist, so bleibt er demnach doch Verwalter fremden Vermögens und muß nicht als Erbe oder Vorerbe angesehen werden. Er ist Testamentsvollstrecker, die Enkelkinder des Erblassers allein sind Erben. 4. Der Kreis der Erben In Abschnitt III des Testaments vom 12. 9.1955 hat der Erblasser die Kinder seines Sohnes L. N. aus erster Ehe, nämlich G. K., L.-J. und V. B. zu Erben eingesetzt. Im Testamentsnachtrag vom 7. 11. 1963 hat er bestimmt, daß die Kinder aus der 1962 geschlossenen zweiten Ehe seines Sohnes die gleichen Rechte wie die genannten haben sollen. Am 5. 3. 1963 war in der zweiten Ehe seines Sohnes die Tochter G. H. geboren. Die zweite Ehe seines Sohnes besteht noch, so daß nicht auszuschließen ist, daß aus ihr noch mehr Kinder hervorgehen werden. Die Formulierung im Testamentsnachtrag vom 2. 11. 1963 ist so allgemein gehalten, daß aus ihr nicht

640

Erbrecht

zu entnehmen ist, die Erbeinsetzung solle sich nur auf die Kinder aus jener Ehe beziehen, die zur Zeit des Erbfalles schon geboren sind. Wenn die Erbeinsetzung von non concepti nach schwedischem Recht zulässig ist, dann muß der Testamentsnachtrag vom 7. 11. so verstanden werden, daß auch die non concepti jener Ehe mit zum Kreis der Erben gehören sollen. Das schwedische Recht läßt in begrenztem Umfang zu, daß auch non concepti Erben werden können. Das geht aus Abs. 2 der folgenden Bestimmung Ä 9 : 2 hervor 8 : Förordnande tili annan än den som är född vid testators död eller da är avlad och sedermer födes med liv är utan verkan. Utan hinder av vad nu är sagt gäller förordnande, enligt vilket blivande arvsberättigade avkomlingar tili nägon, som enligt första stycket äger taga testamente, skola erhälla egendom tili füll ägo sist vid dennes död eller da annan, som skall ätnjuta rätt tili egendomen, avlider eller hans rätt eljest upphör. Ej mä i sadant förordnande olikhet göras mellan syskon, vilka ej äro födda eller avlade vid testators död.

Eine Verfügung zugunsten einer anderen Person als einer solchen, die zur Zeit des Todes des Testators geboren oder damals erzeugt war und später lebend geboren wird, ist unwirksam, Unbeschadet obiger Vorschrift ist eine Verfügung gültig, nach der zukünftige erbberechtigte Abkömmlinge einer Person, die nach Abs. 1 testamentarisch bedacht sein kann, Eigentum zu vollem Besitz spätestens bei deren Tod erhalten sollen oder dann, wenn ein anderer, der ein Recht an dem Vermögen haben soll, stirbt oder dessen Recht sonstwie erlischt. In einer solchen Verfügung darf zwischen Geschwistern, die beim Tode des Testators nicht geboren oder erzeugt waren, kein Unterschied gemacht werden.

Die non concepti der zweiten Ehe von L. N. wären Abkömmlinge einer nach Abs. 1 der Vorschrift erbfähigen Person, denn L. hat zur Zeit des Erbfalles gelebt. Das zweite Erfordernis der Erbeinsetzung von non concepti nach dieser recht komplizierten Bestimmung ist, daß die werdenden Erben spätestens mit dem Tode der Person, als deren Abkömmlinge sie zu Testamentserben eingesetzt sind, das Erbe zu vollem Eigentum erhalten. Hierin tritt der Sinn der Beschränkung, nämlich durch diese zeitliche Begrenzung die Bildung von Fideikommißvermögen zu verhindern, zutage 9. Das Erbrecht der eingesetzten Testamentserben war zunächst beschränkt durch den Nießbrauch der Erblasserwitwe. Bis dahin war es kein „egendom tili füll ägo" für die Erben. Danach ist es der Verwaltung durch L. N., dem auch eine recht umfassende Verfügungsbefugnis zusteht, unterworfen. Diese Belastung hört spätestens mit dessen Tode auf, so daß den Testa8

SRL 133f.; deutsch

unter Anlehnung an Schlegelberger

/ v.

Seth/Wrede/Dix

126. 9

Vgl. dazu Erik Lind, in: Schlegelberger/v. S e t h / W r e d e / D i x 38 f.

Testament

/ Schweden,

Schweiz

641

mentserben dann, wie vom Gesetz gefordert, das „egendom tili füll ägo" zustehen würde. Im gleichen Zeitpunkt ist auch spätestens der Kreis der Erben geschlossen, so daß bei einer Erbteilung zu diesem Zeitpunkt keine Schwierigkeiten aus der Unsicherheit über den Kreis der Erben mehr bestünden. Schwierigkeiten können dann entstehen, wenn L. N. den Nachlaß des Erblassers gemäß seiner testamentarischen Ermächtigung zu einer Zeit verteilt, zu der seine zweite Ehe noch besteht und weitere Nachkommen aus dieser Ehe nicht ausgeschlossen sind. Diese möglichen Schwierigkeiten haben aber nicht zur Folge, daß die Erbeinsetzung sich nicht auf die non concepti aus dieser Ehe beziehen kann, sondern daß bei einer Verteilung Vorsorge dafür zu treffen ist, daß die Erb anspräche der non concepti erfüllt werden können. Dem einzigen modernen Kommentar zum Ärvdabalk zufolge ist nämlich eine Verteilung solange aufzuschieben, bis der Kreis der Erben geschlossen ist, oder aber bei der Verteilung ein hinreichender Rest zurückzubehalten, aus dem Nachgeborene befriedigt werden können. Sollte doch der ganze Nachlaß unter die zur Zeit der Verteilung lebenden Erben verteilt worden sein, so haben nachgeborene Erben einen Auskunfts- und Ausgleichsanspruch10. Nach schwedischem Erbrecht ist also die letztwillige Verfügung des Erblassers, daß die Kinder aus der ersten und zweiten Ehe seines Sohnes L. Testamentserben werden, auch mit dem Sinn zulässig, daß zum Kreis der Erben gleichfalls die non concepti zählen. Entsprechend der so auszulegenden und rechtlich zulässigen Verfügung des Erblassers sind seine Testamentserben also seine Enkel G. K., L.-J., V. B. und G. H. N. und die Kinder, die L. N. in seiner zweiten Ehe noch geboren werden. Da nicht feststeht, ob und wieviele Kinder L. N. in seiner zweiten Ehe noch geboren werden, lassen sich zur Zeit die Erbanteile der Erben nicht bestimmen. 5. Beschränkung

der Erben durdi

Pflichtteilsrechte?

Die Testamentserben wären in ihrem Erbrecht beeinträchtigt, wenn von den gesetzlichen Erben Pflichtteilsrechte, die in Kapitel 7 des Ärvdabalk zu einem echten Noterbrecht ausgestaltet sind, geltend gemacht worden wären. Nach Ä 7 :3 II muß ein Pflichtteilsberechtigter sein Recht binnen sechs Monaten geltend machen; anderenfalls verliert er sein Recht. Als pflichtteilsberechtigter Abkömmling kommt nur der einzige Sohn des Erblassers, L., in Frage. Er hat ein Pflichtteilsrecht nicht geltend gemacht, sondern hat das Testament u. a. dadurch anerkannt, daß er als Testamentsvollstrecker einen Erbscheinsantrag aufgrund des Testamentes gestellt hat. Die Testamentserben sind durch Pflichtteilsrechte also nicht in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt. 10 Siehe Gösta Walin, Kommentar tili Ärvdabalken, Del I, Arv och Testamente (Stockholm 1963) 136.

41 Mat.: 11, Gutaditen 1965/66

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Erbrecht

Ergebnis 1.Die für die Erbfolge in die in Deutschland befindlichen Nachlaßgegenstände erheblichen letztwilligen Verfügungen genügen den Formvorschriften des schweizerischen Rechts und sind deshalb für den deutschen Rechtsbereich gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB formgültig. 2. Die materielle Gültigkeit der letztwilligen Verfügungen und ihre Auslegung richtet sich nach schwedischem Erbrecht. 3. Nach Abschnitt I des Testamentes vom 12. 9.1955 ist die Witwe des Erblassers nicht Vorerbin, sondern Nießbraucherin des Nachlasses geworden. Es ist jedoch auf ihren güterrechtlichen Anteil an dem Gesamtgut der Gütergemeinschaft mit dem Erblasser hinzuweisen. 4. Testamentserben nach schwedischem Recht sind gemäß Abschnitt III des Testaments und dem Nachtrag vom 7. November 1963 die Enkel des Erblassers G. K., L.-J., V. B. und G. H. sowie die Kinder, die in der zweiten Ehe L. N.s noch geboren werden. Da der Kreis der Erben noch nicht geschlossen ist, können die Erbanteile gegenwärtig nicht festgestellt werden. 5. Die Verwaltung des Nachlasses obliegt und steht zu dem Sohn des Erblassers und Vater der Erben L. N. als Testamentsvollstrecker nach schwedischem Recht. 6. Die Stellung der Erben und die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers ist durch Noterb- oder Pflichtteilsrechte nicht beschränkt.

Nr. 58 England, Polen 1. Maßgebendes Recht fUr Erbfolge und gesetzlichen Güterstand nadi deutschem, englischem und polnischem Internationalen Privatrecht. 2. Auslegung eines Testaments, „contingent" oder »vested interest", „gift over" nach englischem Recht. 3. Auslegung eines unter Verwendung englisdier Rechtsinstitute errichteten Testaments nach polnischem Erbrecht. 4. Verbot der Vor- und Nadierbfolge, Nießbrauch und Vermächtnis nach polnischem Redit. 5. Gesetzlicher Güterstand nach polnischem intertemporalem und von 1950 bis 1964 geltendem materiellen Familienrecht. 6. Wiedergutmachungsansprüche als Sondergut nach polnischem Ehegüterrecht. Köln 54/66 vom 19.10.1966

Testament

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Polen

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Das Amtsgericht Düsseldorf, Abt. 43, hat durch Verfügung vom 16. Mai 1966 in der Nachlaßsache Janina R. um eine Rechtsauskunft über englisches und polnisches internationales und materielles Erbrecht und Ehegüterrecht gebeten. SACHVERHALT Am 10. Juni 1964 verstarb in London Janina R., geb. K. Die am 16.12. 1899 in Posen geborene Erblasserin lebte zuletzt in Llandudno, Caernarvonshire/Wales. Zur Zeit ihres Todes besaß die Erblasserin die britische Staatsangehörigkeit, die sie durch Naturalisation laut Urkunde vom 17. 4. 1962 erworben hatte. Vorher besaß sie die polnische Staatsangehörigkeit. Sie war verheiratet mit dem Landwirt Ignacy R., mit dem sie am 17. 1. 1921 in Zaniemysl, Kreis Sroda, Woiwodschaft Poznan (Posen)/Polen die Ehe geschlossen hatte. Der Ehemann hat die Erblasserin überlebt. Er hat seinen Wohnsitz in Poznan/Polen und besitzt die polnische Staatsangehörigkeit. Die Eheleute lebten einverständlich getrennt. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, Barbara Z., geb. R., geboren am 1. November 1921 in Gorszewice Krs. Posen, und Krvstina (Christine) S., geb. R., gesch. T., geboren am 17. 7. 1923 in Gorszewice Krs. Posen. Beide haben die Erblasserin überlebt. Die Tochter Barbara Z. hat zwei Abkömmlinge, Edward und Jan Z., die Tochter Krystina S. eine Tochter aus ihrer geschiedenen Ehe, Margaret T., geboren am 20.11.1947 in London. Die Erblasserin hat am 10. 3. 1964 in England vor einem vereidigten Notar ein in Maschinenschrift geschriebenes Testament in Gegenwart von zwei Zeugen errichtet, das in beglaubigter Abschrift bei den Akten liegt und u. a. folgenden Inhalt hat: 1. I Appoint Stephan G. and Frederick D. (hereinafter called „my Trustees") to be the Executors and Trustees of this my will and the Trustees for all the purposes of the Settled Land Act 1925. 2.1 Give all my personal chattels as defined by Section 55 (1) (x) of the Administration of Estates Act 1925 to such of them my grandchildren Margaret T. of Llandudno aforesaid and Edward Z. and Jan Z. both of Hampstead London as shall survive me and if more than one as tenants in common in equal shares so far as practicable except that the share of my said granddaughter shall be double the share of each grandson. 3. I Devise and bequeath the residue of my property whatsoever and wheresoever to my Trustees Upon Trust to sell and call in the same with power to postpone such sale and calling in indefinitely and to retain any part thereof (including any freehold and/or leasehold property of which I may die possessed) in its existing state of investment without being responsible for loss and out of the proceeds of such sale and calling in and out of m y ready money to pay my 41 *

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Erbrecht

funeral and testamentary expenses and debts and Subject thereto my Trustees shall hold the residue of the said moneys and the investments for the time being representing the same and such part of my estate as shall for the time being remain unsold and unconverted (all of which premises are hereinafter referred to as „my residuary estate") Upon the trusts following (that is to say): a) My Trustees shall out of the annual income from my residuary estate pay to my said grandsons Edward Z. and Jan Z. or to their parent or guardian as my Trustees think fit the sum of One Pound per week commencing at the date of my death until my said grandsons shall respectively attain the age of twentyone years for their own personal use and benefit. b) Subject as aforesaid my Trustees shall hold my residuary estate as to both the capital and income thereof for my said granddaughter Margaret T. if she shall attain the age of twentyone years absolutely and during her minority my Trustees may at their discretion apply all or any part of the residue of the income from my residuary estate for her maintenance education or benefit in such manner as they may think fit but with particular reference in furtherance of her musical education and subject as aforesaid shall invest the surplus income (if any) and the resulting income thereof in augmentation of the capital of my residuary estate and my Trustees may raise any part or parts of the capital of my residuary estate during the minority of my said granddaughter and may pay or apply the same for her advancement or benefit (with particular reference to her musical career and for the purchase of a good piano of German manufacture) as my Trustees shall think fit Provided that no such advancement shall be made unless my Trustees shall be satisfied at the time of such advancement that any subsisting interest of my said grandsons in the income of my residuary estate is not thereby prejudiced. c) If the trusts hereinbefore declared shall fail or determine then subject to the trusts powers and provisions hereinbefore declared and contained and to the powers by law vested in my Trustees and to every or any exercise of such powers my Trustees shall hold my residuary estate and the income thereof In Trust for such of my said grandsons Edward Z. and Jan Z. as shall survive me and attain the age of twentyone years and if both as tenants in common in equal shares absolutely. 4. . . . 5. . . . In Witness whereof I have to this my Will hereunto set my hand the day and year first before written Signed by the said Janina R. as and for her last Will in the presence of us both being present at the same time who at her request in her presence and in the presence of each other have hereunto subscribed our names as witnesses: -

Janina R.

G.G.B. Solicitor G . D . M. S. Civil Servant

Testament

/ England,

Polen

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Am 31.5.1964 fügte sie dem Testament ein Kodizill mit Vermächtnissen hinzu, das ebenfalls von der Erblasserin und zwei Zeugen unterschrieben ist und sich ebenfalls in beglaubigter Abschrift bei den Akten befindet. Den „executors" wurde am 27.10.1964 das „probate" erteilt. Zum Nachlaß gehören Wiedergutmachungsansprüche in Deutschland. Der „executor" Stephan G. hat bei dem Amtsgericht Düsseldorf die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins des Inhalts beantragt, daß Alleinerbin der am 10. 6.1964 verstorbenen Janina R. deren Enkelin Margaret T. ist. Ferner hat er die Erteilung eines gegenständlich beschränkten gemeinschaftlichen Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt. Das Gericht bittet um eine Rechtsauskunft darüber, ob Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis wie beantragt erteilt werden können oder welchen Inhalt diese haben müßten. GUTACHTEN A. DAS AUF DEN ERBFALL ANZUWENDENDE RECHT (ERBSTATUT)

I.

Staatsvertrag

Soweit ein zwischen Deutschland und einem ausländischen Staat geschlossener Staatsvertrag internationalprivatrechtliche Normen enthält, gehen diese den allgemeinen Regeln, wie sie für das Erbrecht in Art. 24-26 EGBGB enthalten sind, vor 1 . Im Verhältnis zwischen Deutschland und Großbritannien gelten das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20. 3. 1928 (RGBl. II, S. 624)2, und der Konsularvertrag vom 30. 7.1956 (BGBl. 1957 II S. 285). Beide Verträge enthalten jedoch keine Bestimmungen über das anzuwendende Erbrecht, so daß die allgemeinen deutschen Kollisionsnormen maßgeben. II. Deutsches internationales

Privatrecht

1. Art. 24, 25 EGBGB Aus Art. 24 Abs. I, 25 S. 1 EGBGB ist der Grundsatz herzuleiten, daß jeder nach den Gesetzen des Staates beerbt wird, dem er im Zeitpunkt 1 RGZ 105, 340 (341) (betr. Haager Ehescheidungsabkommen); Kegel in SoergelSiebert, BGB-Komm., Bd. V (9. Aufl. 1961), Bern. 9 vor Art. 7 EGBGB, 510, mit weiteren Nachweisen. 2 Vgl. Nr. 19 der Bekanntmachung über die Wiederanwendung deutsch-britischer Vorkriegsverträge vom 13. März 1953 (BGBl. II, 116).

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Erbrecht

seines Todes angehörte (Heimatrecht)3. Da die Erblasserin zur Zeit ihres Todes britische Staatsangehörige war - eine „englische" Staatsangehörigkeit gibt es nicht! - verweist das deutsche internationale Privatrecht auf „britisches" Recht. Ob die Erblasserin möglicherweise ihre polnische Staatsangehörigkeit behalten hat, kann an dieser Stelle offenbleiben: Es würde die Staatsangehörigkeit entscheiden, zu der die Erblasserin die engere Beziehung hatte. Das ist hier die britische, da die Erblasserin in England zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte 4 . 2. Unteranknüpiung Diese Verweisung auf das Recht Großbritanniens ist unvollständig: Sie bestimmt nicht, ob englisches oder schottisches Recht maßgeben soll. England mit Wales einerseits und Schottland andererseits sind getrennte Rechtsgebiete. Audi ihr Kollisionsrecht ist verschieden. Es muß daher durch eine Unteranknüpfung, die an die Verweisung unserer Kollisionsnorm anzubauen ist, die maßgebliche Teilrechtsordnung bestimmt werden 5 . Der überwiegende Teil der deutschen Rechtsprechung knüpft an den Wohnsitz in einem der Teilrechtsgebiete an, ohne zu sagen, ob Wohnsitz im Sinne des deutschen oder des englischen bzw. schottischen Rechts gemeint ist6. Anstelle des Wohnsitzes läßt man - wie im deutschen interlokalen Privatrecht - besser den gewöhnlichen Aufenthalt entscheiden. Hilfsweise ist der Reihe nach anzuknüpfen an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt, den schlichten Aufenthalt, den letzten schlichten Aufenthalt, die im Einzelfall engste Verbindung zu einem der Teilgebiete und äußerst hilfsweise an die Landeshauptstadt7. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin Janina R. in Großbritannien war Llandudno/Caernarvonshire in Wales. Daher verweist das deutsche internationale Privatrecht auf das auch in Wales geltende englische Recht. Knüpft man mit dem überwiegenden Teil der deutschen Rechtsprechung an den Wohnsitz der Erblasserin an, so zeigen sich deutlich die Schwächen J RGZ 91, 139 (141) (Belgien); BGH N J W 1959, 1317 (1318) (USA): Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 3, 4 vor Art. 24 EGBGB, 910: Palandt-Lauterbach, BGB-Komm. (25. Aufl. 1966) Bern. 2 zu Art. 24 EGBGB, 1752. 4 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 28 zu Art. 29 EGBGB, 964 f. 5 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 111 vor Art. 7 EGBGB, 539; Kegel, Internationales Privatrecht (2. Aufl. 1964) 138; Börner, Personalstatut und Ehefähigkeit von Angehörigen der USA, StAZ 1956, 43-47 (44 a. E. unter II.). 6 Z. B. BGHZ 27, 47 (51) = FamRZ 1958, 216 (217) m. Anm. Neuhaus 279 = N J W 1958, 830 (831); OLG Karlsruhe DNotZ 1957, 424 (425) = FamRZ 1957, 224 (beide Entscheidungen USA); Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 111 vor Art. 7 EGBGB, Fn. 70, 539, mit weiteren Nachweisen. 7 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 111 vor Art. 7 EGBGB, 539, mit weiteren Nachweisen; Kegel, IPR, 139; vgl. LG Bielefeld FamRZ 1957, 268 (269) = N J W 1957, 1074 (1075) (interlokal).

Testament

/ England,

Polen

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dieser Anknüpfung: Bestimmt man den Wohnsitz im Sinne des deutschen Rechts (§§ 7, 8 BGB), so fällt er mit dem gewöhnlichen Aufenthalt - Llandudno in Wales - zusammen. Läßt man jedoch das „domicil" im Sinne des englischen Rechts entscheiden 8 , so kommt man nicht weiter, da die Erblasserin in England (Wales) keinen Wohnsitz im Sinne des englischen Rechts begründet hatte (siehe hierzu näher unten A III 2). Obwohl Art. 25 S. 1 EGBGB nur für die Erbfolge selbst die Anwendung des Heimatrechts vorschreibt, richten sich auch die gesamte Nachlaßabwicklung, die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers und die Wirkungen des Testaments nach dem berufenen englischen Recht 9 . Auch die Auslegung einer letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem Erbstatut 10 . Gemäß Art. 27 EGBGB hat der deutsche Richter eine Verweisung des nach den deutschen Kollisionsnormen maßgebenden Rechts auf deutsches Recht oder das Recht eines dritten Staates zu beachten. Daher ist bei der Ermittlung des auf den Erbfall anzuwendenden materiellen Rechts zunächst zu prüfen, welches Recht die englischen Kollisionsnormen ihrerseits berufen. III. Englisches internationales

Privatrecht

1. Nachlaßspaltung Im englischen internationalen Privatrecht gilt das Prinzip der Nachlaßspaltung, d. h. es gilt der Grundsatz, daß bei beweglichen Nachlaßgegenständen („movables") das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes ihren Wohnsitz („domicil") - im Sinne des englischen Rechts - gehabt hat (lex domicilii), bei Grundstücken und Grundstücksrechten („immovables") jedoch das Recht des Staates, in dem das Grundstück belegen ist (lex rei sitae)11. Wiedergutmachungsansprüche, um die es hier geht, stellen nach englischem wie nach deutschem Recht bewegliches Vermögen dar. Das englische internationale Privatrecht verweist daher für die Wiedergutmachungsansprüche auf das Recht des letzten Wohnsitzes („domicil") der Erblasserin. Dabei bestimmt das verweisende, also das englische Recht, wo die Erblasserin ihren letzten Wohnsitz hatte 1 2 . 8 So BayObLG FamRZ 1957, 225 (226); BayObLGZ 1958, 34 (39) (beide Entscheidungen USA). 9 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 23 vor Art. 24 EGBGB, 914, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung und Bern. 49, 50, 920. 10 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 47 vor Art. 24 EGBGB, 919, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 11 Re Cohn [1945], Ch. 5; Re Annesley [1926], Ch. 692; Re Ross [1930], 1 Ch. 377; Duncan v. Lawson [1889], 41 Ch. D. 394; Cheshire, Private International Law (7. Aufl. 1965) 481, 514-515; vgl. OLG München DFG 1937, 35. 12 Vgl. RGZ 145, 85 (86) (CSR); BGH N J W 1959, 1317 (1318); BayObLGZ 1958, 34

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Erbrecht

2. Wohnsitz („domicil") der Erblasserin Der Wohnsitz („domicil") im Sinne des englischen Rechts deckt sich nicht mit dem Wohnsitz im Sinne des deutschen Rechts. Der englische „domicil"Begriff ist wesentlich strenger als der deutsche Wohnsitzbegriff. Unter „domicil" versteht das englische Recht die Zugehörigkeit zu einem Rechtskreis 13. Jede Person muß ein Domizil und kann zur gleichen Zeit nur ein einziges Domizil haben. Das englische Recht unterscheidet zwischen dem durch Geburt erworbenen Ursprungsdomizil („domicil ol origin") und einem freiwillig erworbenen Wahldomizil („domicil oi choice"). Sein Ursprungsdomizil verliert der Mensch nur dann, wenn er sich in einem anderen Rechtsgebiet niederläßt („residence") und dabei die Absicht hat, dort für immer oder doch für unbestimmte Zeit zu bleiben („animus manendi"), d.h. wenn er ein neues, ein Wahldomizil („domicil of choice") begründet. Sein Wahldomizil verliert er wiederum dann, wenn er ein neues Wahldomizil erwirbt oder aber wenn er sein altes Wahldomizil mit derAbsicht, dorthin nicht zurückzukehren, verläßt („animus non revertendi") 1 4 . Neben diesen beiden Domizilsarten gibt es das „domicil by Operation ol law" (oder „derivate domicil" oder „domicil of dependency") für bestimmte abhängige Personen, z. B. Kinder und Ehefrauen. Sie erhalten kraft Gesetzes ein „domicil" zugewiesen 15 . Von der Heirat an teilt die Ehefrau den Wohnsitz des Ehemannes, und zwar bis zur Auflösung der Ehe, z. B. durch Tod oder Scheidung. Während der Dauer der Ehe behält die Ehefrau in jedem Fall den Wohnsitz des Ehemannes, selbst wenn sie sich von ihrem Mann trennt, einen eigenen Hausstand in einem anderen Land gründet und die Absicht hat, dort für immer zu bleiben. Erst nach Autlösung der Ehe kann sie ein eigenes „domicil of choice" erwerben 1 6 . (39) (beide Entscheidungen USA); Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 75 vor Art. 24 EGBGB, 926; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 72. 13 Vgl. hierzu und zu dem Folgenden: Raape, IPR, 72-75; Henrich, Der Domizilbegriff im englischen internationalen Privatrecht, RabelsZ 25 (I960), 456-495; Cheshire 143-165. " Dicey-Treitel, Conflict of Laws (7. Aufl. 1958) 95-99; Cheshire 151-162; Henrich 459-476. 15 Cheshire 165-169; Dicey-Treitel 118-123; Henrich 481-490. 16 Re Scullard [1957], Ch. 107 [1956] 3 All E. R. 898; Cheshire 167; Dicey-Treitel 119-121; Henrich 486. Mitunter ist diese strenge Regelung, die schon in den USA wesentlich gelockert worden ist (Restatement, Conflict of Laws [1934], § 28; 17 A Am. Jur., Domicil, §§ 54-63), als das letzte Relikt der Unterwerfung der Frau unter den Mann im englischen Recht angesehen worden (so noch Cheshire in seiner 6. Aufl. 1961, 192); doch hat die letzte „Royal Commission on Marriage and Divorce" von 1956 nachgewiesen, daß diese Regelung auf der gegenseitigen Pflicht der Eheleute zur Lebensgemeinschaft beruht (siehe hierzu Cheshire [7. Aufl.] 167-168).

Testament / England,

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Polen

Der Ehemann der Erblasserin lebt noch und hat sein „domicil" in Posen (Poznan)/Polen. Mithin hatte die Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes ihren Wohnsitz in Polen. Das englische internationale Privatrecht verweist daher für die Erbfolge in die Wiedergutmachungsansprüche auf polnisches Recht. Der englische Richter hat eine Rüde- oder Weiterverweisung des vom englischen IPR berufenen Rechts auf das englische Recht oder das Recht eines dritten Staates zu beachten 17 . Daher ist zunächst zu ermitteln, welches Recht die polnischen Kollisionsnormen ihrerseits berufen.

IV. Polnisches internationales 1.

Recht

Verweisung

Seit 1.7.1966 ist in Polen das Gesetz vom 12.11.1965 über das Internationale Privatrecht in Kraft 18 . Art. 34 dieses Gesetzes bestimmt 19 : „Nachlaßsachen bestimmen sich nach dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes."

Bis zum 1.7.1966 galt das Gesetz vom 2. August 1926, betr. das für internationale Privatverhältnisse geltende Recht 20 . Maßgebend war Art. 28 Abs. I21: „Für Erbangelegenheiten ist das Heimatrecht des Erblassers zur Zeit seines Todes anzuwenden."

Da das neue Gesetz insoweit keine Änderung gebracht hat, braucht nicht geprüft zu werden, ob intertemporal das neue oder das alte Gesetz anzuwenden ist. Die Erblasserin besaß im Zeitpunkt ihres Todes die britische Staatsangehörigkeit. Möglicherweise hat sie aber auch ihre polnische Staatsangehörigkeit behalten. Nach dem polnischen Staatsangehörigkeitsgesetz vom 19.1.1951 2 2 geht die polnische Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit unter bestimmten Voraussetzungen verloren 23 : Cheshire 55-56. Dziennik Ustaw v. 17. November 1965 Nr. 46, Pos. 290; deutsche Ubersetzung in WGO. - Die wichtigsten Gesetzgebungsakte in den Ländern Ost-, Südosteuropas und in den ostasiatischen Volksdemokratien, 7. Jahrgang 1965, 378-382. 19 WGO 382. 20 Dziennik Ustaw (1926), Nr. 101, Pos. 581-, deutsche Ubersetzung in Ostrecht 1926, 1090-1096; Zeitschr. f. intern. Recht 39 (1928), 191-201; M a k a i o v , Quellen des internationalen Privatrechts, Bd. I, Gesetzestexte (2. Aufl. 1953), Polen 4-20. 21 Makarov 18 mit Berichtigung in RabelsZ 22 (1957), 205, Fußn. 13. 22 Dziennik Ustaw (1951) Nr. 4, Pos. 25. 23 Geiike, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Polen, GSG, 1952, 117 f. 17

18

Erbrecht

650 Art. 11 St AG:

„1. Ein polnischer Staatsangehöriger kann eine fremde Staatsangehörigkeit nur nach erwirkter Zustimmung der polnischen Behörden zum StA-Wechsel erwerben. 2.-4. . . . 5. Der Erwerb einer fremden StA gemäß Abs. 1-4 zieht den Verlust der polnischen StA nach sich."

Gemäß Art. 13 StAG entscheidet der Staatsrat auf Antrag des Präsidenten des Ministerrates über den Verlust der polnischen Staatsangehörigkeit 2 4 . Art. 11 Ziff. 1 StAG kann nicht verhindern, daß ein Pole eine fremde Staatsangehörigkeit auch ohne Zustimmung der polnischen Behörde erwirbt. Der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit richtet sich ausschließlich nach dem fremden StA-Recht, so daß ein Pole trotz Art. 11 StAG nach fremdem Recht Mehrstaater sein kann. Art. 11 StAG will daher lediglich verhindern, daß sich ein Pole in Polen mit Erfolg auf eine fremde Staatsangehörigkeit berufen kann 2 5 . Ob die Erblasserin im Sinne des polnischen Rechts die polnische oder die britische Staatsangehörigkeit besitzt, hängt also davon ab, ob die polnischen Behörden die Zustimmung zum Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit gegeben haben. Haben die Polen ihre Zustimmung erteilt, so hat die Erblasserin ihre polnische Staatsangehörigkeit verloren. Sie besitzt dann nur die britische Staatsangehörigkeit. Liegt die polnische Zustimmung nicht vor, so ist die Erblasserin für Polen Polin. Aus den Akten ergibt sich nichts. Für die Erstattung des Gutachtens wird davon ausgegangen, daß die polnischen Behörden ihre Zustimmung zum Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit erteilt haben, die Erblasserin also auch für Polen britische Staatsangehörige ist. Das polnische internationale Privatrecht verweist somit auf das britische Recht zurück. Sollte die polnische Zustimmung nicht vorliegen, so ist die Erblasserin für Polen Polin. Das polnische IPR verweist dann unmittelbar auf eigenes materielles Recht. Aber auch wenn die Erblasserin Britin war, gilt im Ergebnis polnisches Recht (unten CI). 2.

Unteranknüpiung

Diese Verweisung ist unvollständig. Großbritannien ist ein Vielrechtsstaat (s. o. A II 2). In ihm gilt nicht nur verschiedenes materielles Recht, sondern auch verschiedenes internationales und interlokales Privatrecht. Dem berufenen „britischen" Recht, das es nicht gibt, kann also nicht entnommen werden, welche Teilrechtsordnung in casu maßgibt. Daher muß das polnische IPR selbst - wie das deutsche IPR - eine Unteranknüpfung an seine Verweisung anbauen. Wie das polnische IPR unteranknüpft, ob 24

Geilke

36, 118.

25

Geilke 37 f.

Testament

/ England,

Polen

651

an den (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt, den (letzten) Wohnsitz - im Sinne des polnischen Rechts - oder an einen anderen Anhaltspunkt, ist nicht klar ersichtlich. Das polnische interlokale Privatrecht, das zum Vergleich herangezogen werden kann (vgl. A II 2), ist in dem Gesetz vom 2.8.1926 über interlokales Privatrecht26 geregelt und bestimmt in 27 Art. 27 Abs. I: „Für Erbangelegenheiten gilt das Recht, welches für den Erblasser zur Zeit seines Todes hinsichtlich seiner Person maßgebend war."

Das Personalstatut ist nach Art. 1 dieses Gesetzes das an seinem Wohnsitz geltende Recht. Was unter „Wohnsitz" zu verstehen ist, sagt 28 Art. 3 Abs. 1: „Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes ist der Ort im Gebiete der Republik Polen, an dem ein polnischer Staatsangehöriger wohnt, mit der Absicht, sich dort dauernd aufzuhalten. Hat er mehrere Wohnsitze, so gilt das Recht desjenigen Ortes, an dem der Haupt- oder überwiegende Teil seines Tätigkeitsbereiches zusammentrifft. Ein polnischer Staatsangehöriger, welcher im Auslande wohnt, unterliegt dem an seinem letzten Wohnsitz in Polen geltenden Recht. Läßt sich ein Wohnsitz in Polen überhaupt nicht feststellen, so ist das für die Staatshauptstadt geltende Recht anzuwenden."

Es liegt nahe, in Anlehnung an diese Regelung im polnischen interlokalen Recht an den letzten Wohnsitz der Erblasserin in England unteranzuknüpfen. Ob dabei der Wohnsitz im Sinne des polnischen Rechts - wohl richtig - oder im Sinne des berufenen englischen Rechts („domicil") zu bestimmen ist, kann dahinstehen. Denn der letzte Wohnsitz der Erblasserin im Sinne des polnischen Rechts war Llandudno/Caernarvonshire in Wales (Art. 3 Abs. 1; siehe auch unten DI 3). Bestimmt man hingegen den Wohnsitz nach englischem Recht, so muß man an das Recht der Landeshauptstadt anknüpfen, da ein englisches „domicil" fehlt (siehe ausführlich oben A III 2). Auch in diesem Fall ist das englische Recht berufen (Staatshauptstadt). 3. Beachtlichkeit eines Renvoi Nach polnischem IPR ist eine Rück- oder Weiterverweisung des nach den polnischen Kollisionsnormen berufenen Rechts auf polnisches Recht oder das Recht eines dritten Staates zu beachten. Das polnische IPR folgt jedoch nur einer einmaligen Rück- oder Weiterverweisung und auch nur dann, wenn sie von der nach polnischem IPR maßgebenden „lex patriae" 26

Dziennik Ustaw (1926), Pos. 550; deutsche Übersetzung bei Makarov (S. 2 Portugal); Ostrecht 1926, 1096-1099. 27 28 Makarov 36. Makarov 26.

26-38

Erbrecht

652

ausgesprochen wird. Verweist das von den polnischen Kollisionsnormen berufene Recht auf polnisches Recht zurück oder aber weiter auf das Recht eines dritten Staates, so betrachtet das polnische IPR diesen Renvoi als Sachnormverweisung. Es wendet ohne Rücksicht auf das IPR des durch Renvoi berufenen Rechts unmittelbar dessen materielles Recht an, bricht also ab 29 . Hierzu bestimmte das bis zum 1.7.1966 geltende Gesetz vom 2.8.1926 über das internationale Privatrecht (siehe oben A IV 1) in 30 Art. 36: „Ist nach einem in diesen Vorschriften als maßgebend bezeichneten fremden Heimatrecht ein Rechtsverhältnis nach einem anderen Recht zu beurteilen, so ist in Polen dieses andere Recht anzuwenden."

Etwas weiter geht das neue Gesetz vom 12.11.1965 über das internationale Privatrecht (siehe oben A IV 1), indem es jeder Verweisung des vom polnischen IPR berufenen Rechts, auch wenn dies nicht das Heimatrecht ist, folgt und dann abbricht 31 : Art. 4: § 1. Ist nach ausländischem Recht, das durch dieses Gesetz für maßgebend erklärt wird, auf ein konkretes Rechtsverhältnis polnisches Recht anzuwenden, so findet polnisches Recht Anwendung. § 2. Ist nach ausländischem Recht, das durch dieses Gesetz für maßgebend erklärt wird, auf ein konkretes Rechtsverhältnis ein anderes ausländisches Recht anzuwenden, so findet das so bezeichnete ausländische Recht Anwendung.

Die Verweisung des polnischen IPR auf das englische Recht zielt also zunächst auf das englische Kollisionsrecht. V. Englisches internationales

Privatrecht

1. Verweisung Nach englischem internationalem Privatrecht entscheidet über die Erbfolge in die Wiedergutmachungsansprüche, die als bewegliches Vermögen („movables") anzusehen sind, das polnische Recht, da die Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes ihren Wohnsitz in Polen hatte (siehe ausführlich oben A I V 1). 29 Przybylowski, Odeslanie w polskim prawie miedzynarodowym prywatnym (Der Renvoi im polnischen IPR), Panstwo i Prawo (Staat und Recht), Bd. 14,1 (1959), 44-52. Lasok, Polish Private International Law, in: Law in Eastern Europe, No. 6, Studies in Polish Law (1962) 121-167 (130); Szäszy, Private International Law in The European People's Democracies (1964) 138 und 141, Fußn. 11; Szäszy, Private International Law in Socialist Countries, Recueil des Cours (1964) I, 166-307 (224,

226). 30

Makarov 18.

31

WGO 378.

Testament / England,

Polen

653

Es kann dahingestellt bleiben, ob das englische Recht die vom polnischen IPR ausgesprochene Rüdcverweisung als Kollisionsnormverweisung auffaßt oder ob es diesen Renvoi als Sachnormverweisung behandelt und ihn abbricht. Denn in beiden Fällen wird die Verweisung des englischen IPR auf das polnische in Polen als Sachnormrückverweisung behandelt, d. h. polnisches materielles Recht angewandt (oben A IV 3). 2.

.¡oreign-court"-Theorie

Tatsächlich herrscht im englischen internationalen Privatrecht die „¡oreign-court"-Theorie oder die Doktrin des „double or total renvoi" oder die „English doctrine of renvoi" 3 2 . Danach hat der englische Richter genau so zu entscheiden wie die (ausländischen) Gerichte des Staates, auf dessen Recht das englische IPR verweist, in der Sache entscheiden würden, hier also, wie polnische Gerichte in der Sache entscheiden würden. Das englische IPR bricht daher nicht selbst den Renvoi ab, sondern fragt, wie das fremde Recht einen erneuten Renvoi behandelt 38 . Die polnischen Gerichte nehmen die Rückverweisung des englischen IPR an und brechen sie ab (oben A IV 3). Dem folgt das englische IPR nach seiner „foreign-court"-Theorie. Es faßt den Renvoi des polnischen IPR als Kollisionsnormverweisung auf und verweist für die Erbfolge in die Wiedergutmachungsansprüche auf polnisches Recht zurück. Erbstatut ist mithin polnisches Recht.

B. DIE FORM V O N TESTAMENT UND KODIZILL

Bedenken gegen die Form des Testamentes vom 10.3.1961 können sich lediglich daraus ergeben, daß die Erblasserin in der Form des ZweiZeugen-Testamentes letztwillig verfügt hat. I.

Staatsvertrag

Deutschland und Großbritannien haben beide das im Haag beschlossene „Abkommen über das internationale Privatrecht der Form testamentarischer Verfügungen" vom 5.10.1961 unterzeichnet und ratifiziert. Das Abkommen ist für Großbritannien am 5.1.1964 in Kraft getreten und für Cheshire 57. Re Asken [1930], 2 Ch. 259; Re Annesiey [1926], aaO; Cheshire 55-73; DiceyMorris 69-70, 72; vgl. hierzu Kigel in Soergel-Siebert, Bern. 27 zu Art. 27 EGBGB, 942; Kegel, IPR, 125-127, mit ausführlicher Begründung. 32

33

654

Erbrecht

die Bundesrepublik am 1.1.1966 durch Bekanntmachung vom 29.12.1965 (BGBl. 1966 II, II) 3 4 . Gemäß seinem Art. 8 ist das Abkommen nur in den Fällen anzuwenden, in denen der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens gestorben ist. Da die Erblasserin vor dem Inkrafttreten des Abkommens in der Bundesrepublik (1.1. 1966) gestorben ist (10.6.1964), bleibt das Abkommen als Teil des deutschen Rechts außer Betracht. Es greifen die allgemeinen deutschen Kollisionsnormen ein.

II. Deutsches internationales

Privatrecht

Die Form einer Verfügung von Todes wegen wird im deutschen internationalen Privatrecht selbständig angeknüpft, und zwar alternativ an das Wirkungsrecht, Art. 11 Abs. I S. 1 EGBGB, oder an das Ortsrecht, Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB. Wahrt das Testament die Form eines dieser beiden Rechte, so ist es formgültig 35 . Im Rahmen des Ortsrechts (Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB) genügt es, wenn die Verfügung von Todes wegen in der Form vorgenommen worden ist, die von dem am Vornahmeort geltenden materiellen Recht vorgeschrieben ist. Eine von dem am Vornahmeort geltenden Kollisionsrecht ausgesprochene etwaige Rück- oder Weiterverweisung bleibt dann unberücksichtigt. Art. 11 Abs. I S. 2 BGB will den Parteien eines Rechtsgeschäfts, hier der letztwillig verfügenden Erblasserin, zur Erleichterung die Ortsform offenhalten 36 . Das am 10. 3.1964 in England errichtete Testament ist daher formgültig, wenn es den englischen materiellrechtlichen Formvorsdiriften entspricht. Maßgebend sind hierbei die Formvorschriften, die zur Zeit der Testamentserrichtung, am 10.3.1964, galten 37 . III. Englisches materielles

Recht

Abgesehen von einigen Ausnahmen für Nottestamente von Soldaten und Seeleuten muß nach englischem Recht ein Testament in der Form errichtet sein, die durch Section 9 des Wills Act, 1837, vorgeschrieben ist. " Übersicht nach dem Stand vom 15. März 1966 in Revue critique de droit international privé 1966, 142. Das Abkommen ist abgedruckt in BGBl. 1965 II, 1145-1151; Ratifizierungsgesetz vom 27. August 1965, BGBl. II, 1144. 35 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 35 vor Art. 24 EGBGB, 916. s t RG J W 31, 2784 (2785) (Österreich); Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 5 und 28 zu Art. 11 EGBGB, 692 und 698, Bern. 35 vor Art. 24 EGBGB, 916; Palandt-Lauterbach, Bern. 1 zu Art. 11 EGBGB, 1716. " Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 26 zu Art. 11 EGBGB, 698.

Testament

/ England,

Polen

655

Sec. 9 Wills Act, 1837, bestimmt 38 : „No will shall be valid unless it shall be in writing and executed in manner hereinafter mentioned; (that is to say,) it shall be signed at the foot or end thereof b y the testator, or by some other person in his presence and by his direction; and such signature shall be made and acknowledged by the testator in the presence of two or more witnesses present at the same time, and such withnesses shall attest and shall subscribe the will in the presence of the testator, but no form of attestation shall be necessary."

Ein Testament ist nur dann gültig, wenn es geschrieben und folgendermaßen vollzogen ist; (das heißt,) es muß am Schluß oder Ende vom Testator oder in seiner Gegenwart und nach seiner Weisung von einer anderen Person unterschrieben sein, und diese Unterschrift muß von dem Testator bei gleichzeitiger Anwesenheit zweier oder mehrerer Zeugen vollzogen oder anerkannt sein, und diese Zeugen müssen das Testament in Gegenwart des Testators bestätigen und unterschreiben, doch ist für die Bestätigung die Einhaltung einer Form nicht erforderlich.

Diese Formvorschrift bezieht sich auch auf ein Kodizill, wie Section 1 des Wills Act, 1837, bestimmt 39 : „ . . . t h e word .will' shall extend to a testament, and to a codicil..."

. . . das Wort „will" bezieht sich auf ein Testament und auf ein Kodizill...

Das englische Wort „testament" bezeichnet eine umfassende Festlegung des letzten Willens, während ein „codicil" gebraucht wird, um kleine Änderungen, Ergänzungen oder spezielle Vermächtnisse vorzunehmen 40 . Die hiernach vorgeschriebene Schriftform ist gewahrt, wenn das „testament" oder „codicil" maschinengeschrieben, gedruckt, lithographiert oder photographiert oder in einer sonstigen Art gefertigt ist, die Worte in sichtbarer Form wiedergibt 41 . Wie sich aus den bei den Akten liegenden beglaubigten Abschriften ergibt, entsprechen „Testament" und „Kodizill" diesen Formvorschriften. Sie sind daher beide ioimgültig.

C. DIE ERBFOLGE UND DIE RECHTSSTELLUNG DER BEGÜNSTIGTEN

I.

Ausgangspunkte

Die Erbfolge und damit verbunden die Rechtsstellung der Begünstigten ergeben sich aus dem Testament. Insoweit gilt für die Auslegung des Testaments, da es sich um die Wirkungen einer letztwilligen Verfügung 38

Abgedruckt bei Tristram and Coote's Probate Practice (2. Aufl. 1964) 861. *• Tristram and Coote's Probate Practice 859. 40 Williams, On Wills (2. Aufl. 1961), 112. 41 Section 20 des Interpretation Act, 1889, abgedruckt in Halsbury's Statutes of England, Bd. 24 (2. Aufl. 1950) 222.

656

Erbrecht

handelt, das Personalstatut der Erblasserin beim Tode, also das Erbstatut 42 . Erbstatut ist polnisches Recht (siehe oben A V 2). In Polen ist am 1.1.1965 das neue Zivilgesetzbuch vom 23.4.1964 in Kraft getreten 43 , das allerdings nach seinen EinführungsVorschriften (Art. LI) auf den vorliegenden Erbfall nicht anzuwenden ist 4 4 : Art. LI: „Auf Nachlaßangelegenheiten findet das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers geltende Recht Anwendung, sofern die nachstehenden Vorschriften nichts anderes bestimmen."

Der Erbfall unterliegt dem Dekret vom 8.10.1946 über das Erbrecht in Polen (ErbRDE)45. Die Erblasserin hat indes ihre letztwillige Verfügung dem englischen Erbrecht angepaßt, das wesentlich vom polnischen abweicht. Sie hat unter falschem Recht testiert. Es sind daher die Grundsätze des Handelns unter falschem Recht heranzuziehen 48 . Wie diese Grundsätze im polnischen Recht aussehen, kann nach der zur Verfügung stehenden Literatur nicht ermittelt werden; sie werden jedoch kaum von denjenigen des deutschen Rechts abweichen. Danach muß ermittelt werden, wie sich die testamentarischen Anordnungen auf das wirklich anzuwendende Erbrecht übertragen lassen. Dabei ist zunächst festzustellen, welche Bedeutung die getroffenen Verfügungen nach englischem Recht haben. Anschließend müssen diese Verfügungen unter möglichst weitgehender Beachtung des Willens der Erblasserin in die Rechtsformen umgedeutet werden, die das Erbstatut zur Verfügung stellt. Die Lösung ist demnach aufgrund der rechtlichen Möglichkeiten zu finden, die das in Wirklichkeit anzuwendende polnische Erbrecht bietet 47 . II. Die Anordnungen 1. Rechtsstellung

der

der Erblasserin

unter englischem

Erbrecht

Begünstigten

Die Erbfolge nach englischem Recht - sowohl die Intestat- wie die Testaterbfolge - unterscheidet sich von der Erbfolge nach polnischem Recht vor allem dadurch, daß nach englischer Rechtsauffassung der Nachlaß nicht unmittelbar den Begünstigten anfällt, sondern zunächst auf einen 42 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 47 vor Art. 24 EGBGB, 919, mit weiteren Nachweisen; siehe oben A II 2. 4 3 Dziennik Ustaw (1964), Nr. 16, Pos. 93; in deutscher Übersetzung Heft 69 der Berichte des Osteuropa-Instituts an der freien Universität Berlin (1965). 4 4 Zivilgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Heft 69, 273. 4 5 Dziennik Ustaw 1946, Nr. 60, Pos. 328. 4 6 Vgl. hierzu im deutschen Recht Kegel, IPR, 32, 364; M. Wölfl, Das internationale Privatrecht Deutschlands (3. Aufl. 1954) 87, 89-91; Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 83 vor Art. 7 EGBGB, 530 und Bern. 47, 48 vor Art. 24 EGBGB, 919, 920. 47 Kegel, IPR, 32; Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 83 vor Art. 7 EGBGB, 530.

Testament / England, Polen

657

- oder mehrere - Erbschaftsverwalter, den sogen, „personal representative" übergeht, und zwar bei testamentarischer Erbfolge auf den vom Erblasser ernannten und gerichtlich mit dem „probate" bestellten „executor". Dieser „personal representative" verwaltet den Nachlaß für den oder die materiell Begünstigten treuhänderisch bis zur endgültigen Verteilung. Seine Zwischenschaltung bewirkt, daß das englische Erbrecht nicht zwischen dinglich berechtigten Erben und schuldrechtlich berechtigten Vermächtnisnehmern unterscheidet. Alle Begünstigten sind auf schuldrechtliche Ansprüche gegen die Erbschaftsverwaltung angewiesen, wenn ihnen auch gewisse dingliche Schutzrechte zustehen. Das englische Erbrecht unterscheidet zwischen dem „specific legatee", dem Begünstigten bezüglich bestimmter einzelner Nachlaßgegenstände, und dem „residuary legatee", dem Begünstigten ohne Beschränkung auf bestimmte Gegenstände, bzw. dem „specific" und „residuary devisee", dem Begünstigten bezüglich die Erbfolge in Grundvermögen. Von einem „specific legatee" spricht man, wenn der Erblasser einem Begünstigten einzelne bestimmte Gegenstände oder Teile seines Vermögens hinterlassen hat 48 , von einem „residuary legatee" dagegen, wenn der Erblasser über sein ganzes Vermögen verfügt hat und der Begünstigte einen Anteil oder eine Quote, nicht aber bestimmte Gegenstände des Nachlasses erhält 49 . 2. Die Anordnungen

bezüglich

„personal

chatteis"

Die Erblasserin hat in ihrem Testament ihre Enkelkinder Margaret T. und Edward und Jan Z. als Begünstigte hinsichtlich ihrer gesamten „personal chatteis as defined by Section 55 (1) (x) of the Administration of Estates Act 1925" eingesetzt. „Personal chatteis" nach Section 55 (1) (x) des „Administration of Estates Act 1925" sind 50 „carriages, horses, stable furniture and effects (not used for business purposes), motor cars and accessories (not used for business purposes), garden effects, domestic animals, plate, plated articles, linen, china, glass, books, pictures, prints, furniture, jewellery, articles of household or personal use or ornament, musical and scientific instruments and

Fuhrwerke, Pferde, Stalleinrichtung und -gerate (soweit sie nicht in geschäftlichem Gebrauch sind), Autos und Zubehör (soweit sie nicht im geschäftlichen Gebrauch sind), Gartengeräte, Haustiere, Geschirr, veredelte Bestecke, Leinen, Porzellan, Glas, Bücher, Bilder, Drucke, Möbel, Schmuck, Haushaltsgegenstände und Gegenstände des per-

48 Robertson v. Broadbent [1883] 8. App. Cas. 812, 815; Tristram and Coote's Probate Practice, 189; Parry, The Law of Succession (4. Aufl. 1961) 76-78; Bailey, The Law of Wills (5. Aufl. 1957) 100-101. 49 Mason v. Ogden [1903] A. C .1-6; Tristram and Coote's Probate Practice, 179-184; Parry 81; Bailey 103-104, 226. i0 Halsbury's Statutes of England, Bd. 9, 762.

42

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

Erbrecht

658

apparatus, wines, liquors and consumable stores, but do not include any chattels used at the death of the intestate for business purposes nor money or securities for money."

sönlichen Gebrauchs und Dekorationsgegenstände, musikalische und wissenschaftliche Instrumente und Gerätschaften, Weine, geistige Getränke und verbrauchbare Vorräte, jedoch ausschließlich der Gegenstände, die dem gesetzlich beerbten Erblasser bei seinem Tode im Beruf dienten, ausschließlich auch von Geld und Geldsicherheiten.

Es handelt sich dabei um bestimmte Nachlaßgegenstände. Die insoweit Begünstigten sind als „specific legatees" anzusehen 51 . Unter diese „specific legacies" nach See. 55 (1) (x) Administration of EstatesAct 1925 fallen nicht die Wiedergutmachungsansprüche, um die es hier geht, ü b e r sie hat die Erblasserin mit dem Rest des Nachlasses unter Ziffer 3 testamentarisch verfügt. 3. Die Anordnungen

bezüglich des

Restnachlasses

ü b e r den Restnachlaß hat die Erblasserin folgendes angeordnet: 1. Der Restnachlaß soll zunächst auf die „executors" als Treuhänder übergehen, und zwar bis die Enkelin Margaret T. ihr 21. Lebensjahr vollendet. Gleichzeitig hat die Erblasserin die Aufgaben der „executors" umrissen (Ziffer 3, 3 b). 2. Bis sie ihr 21. Lebensjahr erreicht, soll die Enkelin Margaret aus den Einkünften und gegebenenfalls aus dem Kapital nach Ermessen der „executors" unterhalten und in ihrer Musiklaufbahn gefördert werden (Ziffer 3 b). 3. Die Enkel Edward und Jan Z. sollen mit Vollendung ihres 21. Lebensjahres anstelle der Enkelin Margaret den Restnachlaß zu gleichen Teilen - wenn nur noch einer lebt, er allein - den Restnachlaß erhalten, falls diese wegfällt (Ziffer 3 c). 4. Bis zu ihrem 21.Lebensjahr sollen dieEnkel aus den Einkünften wöchentlich 1 engl. Pfund erhalten (Ziffer 3). a)

„executors"

Es fragt sich, welche Rechtsstellung die diesbezüglich Begünstigten nach englischem Recht haben. Die beiden „executors" sind die „personal representatives". Ihre Aufgabe ist es, den vorhandenen Nachlaß zu sammeln, die Gläubiger zu befriedigen und entsprechend den testamentarischen Verfügungen den Restnachlaß zu verteilen 5 2 . Daneben hat die Erblasserin den „executors" noch 51 Williams, On Executors and Administrators (14. Aufl. 1960) 870-871 (Bd. 2) und die dort zusammengestellten Entscheidungen englischer Gerichte. 62 Williams 383-437 (Bd. 1); Bailey 6-7, 106-111; Parry 47-48.

Testament

/ England,

Polen

659

einige weitere und zusätzliche Aufgaben gestellt, die sich aus dem Testament ergeben. Sie sind unmittelbar durch das Testament mit dem Tod der Erblasserin in ihr Amt eingesetzt. Das „probate" wirkt nur deklaratorisch53. Die zeitliche Begrenzung ihres Amtes auf die Zeit der Minderjährigkeit der Enkelin Margaret ist zulässig 54 . Mehrere „executors" werden als „an individual person" angesehen. Sie haben eine „joint and entire authority over the whole property". Der einzelne „executor" kann nicht über seinen Anteil verfügen. Betrifft die Handlung eines „executors" das Nachlaßvermögen, so wird sie als Handlung aller „executors" angesehen. Jeder „executor" hat die Befugnis, über das ganze Vermögen zu verfügen 5 5 . b) „legatees", „conditions" und „giit over" Begünstigte des Nachlasses ist in erster Linie die Enkelin Margaret. Ihr soll der Restnachlaß nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres übergeben werden. Sie ist nicht auf bestimmte Nachlaßgegenstände, sondern nach Abzug der „specific legacies" auf den unbestimmten Restnachlaß eingesetzt. Sie ist daher nach den oben unter C I dargelegten Grundsätzen als „residuary legatee" anzusehen. Da sie jedoch noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, der Restnachlaß ihr aber erst übertragen wird, „ii she shall attain the age oi twentyone years absolutely", fragt sich, ob sie schon jetzt als „residuary legatee" angesehen werden darf. Eine solche Bestimmung kann nach englischem Recht verschiedene Bedeutung haben: aa) Sie kann eine „condition precedent" sein. In diesem Fall steht der Enkelin zunächst ein „contingent interest" (etwa: ungefestigtes Recht) zu, das erst dann zu einem „vested interest" (etwa: gefestigtes Recht) wird, wenn die Enkelin das Alter von 21 Jahren erreicht. Stirbt die Enkelin vorher, so entfällt ihr „interest". Die „Anwartschaft" steht nicht ihren Erben zu, sondern sie erlischt. Der Nachlaßanteil fällt den anderen „residuary legatees", den „specific legatees" oder dem gesetzlichen „heir" der ursprünglichen Erblasserin zu. bb) Sie kann eine „condition subsequent" sein. In diesem Falle hat die Enkelin sofort ein „vested interest". Stirbt die Enkelin vorher, so vererbt es sich vorbehaltlich anderer Anordnungen der ursprünglichen Erblasserin bei Eintritt der Bedingung auf ihre Erben 56 . 53 Biles v. Caesar [1957] 1. W. L. R. 156; Wooley v. Clark [1822], 5 B. & Aid. 744; Williams 58-59 (Bd. 1) mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Parry 47; Cockshutt-Coates in Gibson's Probate (16. Aufl. 1958) 96; Tristram and Coote's Probate Practice, 127; Bailey 8. " Tristram and Coote's Probate Practice, 128. 65 Williams 432 (Bd. 1). 58 Vgl. zu beiden Williams 662-663 (Bd. 2); Ker, Wills, Probate and Administration (1959) 131-132; Williams, On Wills (2. Aufl. 1961) 563.

42 »

660

Erbrecht

Ob eine „condition precedent" oder eine „condition subsequent" vorliegt, richtet sich nach dem Testament selbst. Die englischen Gerichte neigen dazu, in Zweifelsfällen der Annahme einer „condition subsequent" den Vorzug zu geben. Dafür spricht schon die nach englischem Recht bestehende Vermutung, daß der Nachlaß so früh wie möglich den Begünstigten zufallen soll 57 : „In cases where there is a doubt as to the time of vesting, the presumption is in favour of early vesting of the gift and accordingly it vests at the death of the testator or at the earliest moment after that the date which is possible in the context, whether the gift is of real or personal property."

In Fällen, in denen in bezug auf den Zeitpunkt des Rechtsanfalls Zweifel besteht, geht die Vermutung zugunsten des frühen Wirksamwerdens der Zuwendung; und dementsprechend fällt die Erbschaft mit dem Tode des Erblassers oder im frühesten darauf folgenden Zeitpunkt an, wie nach den Umständen möglich ist, gleich ob es sich um beweglichen oder unbeweglichen Nachlaß handelt 68 .

Einen wichtigen Anhaltspunkt bietet außerdem die Anordnung der Erblasserin, daß die „executors" der Enkelin Margaret schon während der Minderjährigkeit Einkünfte des Nachlaßvermögens als Unterhalt auszahlen dürfen (Ziffer 3 b). Dies spricht dafür, das Recht der Enkelin vor Eintritt der Bedingung schon als „vested interest subject to divestment" und nicht als „contingent" anzusehen 59 . Die testamentarische Anordnung geht in dieser Richtung sogar noch weiter: Sie gestattet den „executors", während der Minderjährigkeit der Enkelin auch Zuschüsse aus dem Bestand des Nachlasses selbst zu gewähren (Ziffer 3 b). Darüber hinaus spricht auch die Anordnung einer „gilt Over", d. h. der Bestimmung, daß bei Fortfall des „conditionally" Begünstigten vor Eintritt der „condition" ein anderer berechtigt sein soll, für eine „condition subsequent" 6 0 . Mithin soll die Enkelin Margaret schon mit dem Tod der Erblasserin ein „vested interest" erhalten, das lediglich dann aufgehoben werden soll, wenn die Enkelin vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres stirbt. Die Enkelin Margaret ist daher „residuaiy legatee" nach englischem Recht unter einer „condition subsequent". " Williams, Wills, 563-564. 58 Rhodes v. Rhodes (1882), 7 App.Cas. 192, 211; Parker (or Keswick) v. Parker (or Keswick), [1936] 3 AU E. R. 653; vgl. auch Halsbury's Laws of England (3. Aufl. 1957) Bd. 39, 915. 59 In re Astor, Astor v. Astor [1922], 1 Ch. 364, 368. 60 So schon Edward v. Hammond (1684), 3 Lev. 132; siehe auch Re Richman [1918], S. A. L. R. 209; Publice Trustee v. Gower [1924], N. Z. L. R. 1233, zitiert nach Williams, Wills, 570, Fußn. (a)-(b); ebenso Williams, Wills, ebenda.

Testament

/ England,

Polen

661

Daraus ergibt sich: Stirbt die Enkelin Margaret nach Vollendung des 21. Lebensjahres, so ist dies ohne Einfluß auf ihre Rechtsstellung als „residuary legatee". Denn mit der Vollendung des 21. Lebensjahres ist der Eintritt der von der Erblasserin gestellten auflösenden Bedingung nicht mehr möglich, und das „vested interest" der Enkelin am Nachlaß der Erblasserin, das bis dahin „subject to divestment" war, ist „indefeasable" (unzerstörbar) geworden. Der Nachlaß fällt dann bei weiterem Erbgang an die Erben der Enkelin. Für den Fall, daß die Enkelin Margaret vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres stirbt, hat die Erblasserin unter Ziffer 3 c bestimmt: „If the trusts ... shall fail or determine then subject to the trusts ... my Trustees shall hold my residuary estate and the income thereof In Trust for such of my said grandsons Edward Z. and Jan Z. as shall survive me and attain the age of twentyone years and if both as tenants in common in equal shares absolutely". Das Wort „fail" meint den Fall, daß die „trusts" nicht zur Entstehung gelangen, während „determine" gerade im Gegensatz zu „fail" bedeutet, daß die „trusts" zwar entstanden, aber wieder beendet sind. Da die „trusts" einschließlich der Einsetzung der Enkelin als „residuary legatee" unter einer „condition subsequent" zur Entstehung gelangt sind, paßt vorliegend „determine", nicht „fail". „The trusts shall determine", wenn die Enkelin vor Erreichen ihres 21. Lebensjahres stirbt. Danach geht infolge des Eintritts der auflösenden Bedingungen das „interest" der verstorbenen Enkelin unter. Wegen der „gift over" erlangen aber nunmehr die beiden Enkel Edward und Jan Z. dieses „interest". Da die Erblasserin auch deren Berechtigung davon abhängig macht, daß sie das 21. Lebensjahr vollenden, fragt es sich wiederum, ob sie ein „contingent interest" oder ein „vested interest subject to divestment" erlangen (siehe oben C II 3 b). Das letztere ist anzunehmen: Die Erblasserin hat in Ziffer 3 a ihres Testaments Auszahlungen von wöchentlich 1 engl. Pfund an die Enkel Edward und Jan Z. zu deren Unterhalt angeordnet. Dies spricht für ein „vested interest" (siehe oben C II 3 b). Werden die Enkel 21 Jahre alt, so wird damit ihr Recht „indefeasable". Sterben sie vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres, so tritt die auflösende Bedingung ein, und das Recht der Enkel ist „divested". Da für diesen Fall eine testamentarische Anordnung fehlt, fällt der Nachlaß dann den gesetzlichen Erben („heirs") der Erblasserin zu 61 . 4.

Zwischenergebnis Die Rechtslage nach englischem Recht stellt sich also so dar, daß

1. die Enkelin Margaret T. „residuary legatee" unter der „condition subsequent" („vested interest"), daß sie das 21. Lebensjahr erreicht, ist, 61

Halsbury's

Laws of England, Bd. 39, 948.

662

Erbrecht

2. die Enkel Edward und Jan Z. eine „gift over" ebenfalls unter der „condition subsequent" („vested interest"), daß sie das 21. Lebensjahr erreichen, haben, 3. alle drei Enkel „specific legatees" bezüglich der „personal chatteis" sind und 4. der Nachlaß zunächst auf zwei „executors" als „personal representatives" übergeht.

III. Die Anordnungen 1. Erbeinsetzung

und

der Erblasserin unter polnischem

Erbrecht

Vermächtnis

Im polnischen Erbrecht kommen zwei Rechtsformen in Betracht, in die man die Anordnungen der Erblasserin umdeuten kann: die Erbeinsetzung und das Vermächtnis. Bei der Entscheidung, welchem erbrechtlichen Institut im polnischen Recht die testamentarischen Verfügungen der Erblasserin entsprechen, ist mit Hilfe der ausnahmsweise rückwirkenden Auslegungsregel des Art. 948 des neuen polnischen Zivilgesetzbuches vom 23. 4.1964 (siehe oben C I) der wirkliche Wille der Erblasserin zur Zeit der Testamentserrichtung zu ermitteln 62 . Art. 948 des ZGB vom 23. 4. 1964: § 1. Das Testament ist so auszulegen, daß die möglichst vollständige Verwirklichung des Willens des Erblassers gewährleistet wird. § 2. Kann das Testament verschieden ausgelegt werden, so ist diejenige Auslegung anzuwenden, die es gestattet, die Verfügung des Erblassers aufrechtzuerhalten und ihnen einen vernünftigen Inhalt zu geben.

Die Regeln über die Testamentsauslegung sind Ausdrude einer gesetzlichen Tendenz und finden daher auch auf Erbfälle Anwendung, die vor Inkrafttreten des neuen Zivilgesetzbuchs eingetreten sind 62a . Im polnischen Recht wird der Erbe Gesamtrechtsnachtolger des Erblassers, und das Eigentum am Nachlaß geht nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Erbfolge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers kraft Gesetzes auf die Erben über 6 3 : Art. 32 ErbRDE: „Spadkobierca nabywa spadek z moey samego prawa z chwila otwarcia spadku." 62

Der Erbe erwirbt die Erbschaft kraft Gesetzes mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlasses.

Zivilgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Heft 69, 223 f. Geilke in Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 91, S. 68, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 63 Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Texte, S. 9. 62a

Testament

/ England,

Polen

663

Der Erwerb der Erbschaft tritt also mit dem Tod des Erblassers ein, ohne daß es der Mitwirkung des Erben oder des Gerichtes bedarf 64 . Demgegenüber kennt das polnische Recht auch ein Vermächtnis, das sich - ebenso wie im deutschen Recht - von der Erbeinsetzung zunächst dadurch unterscheidet, daß dem Begünstigten ein bestimmter Nachlaßgegenstand vermacht wird (Art. 130-133 ErbRDE) 65 . Das Vermächtnis gibt dem Begünstigten nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Beschwerten; dieser Anspruch richtet sich auf Leistung des vermachten Nachlaßgegenstandes 66 : Alt. 113 § 1 ErbRDE: „Zapis stwarza dla zapisobiercy prawo zadania od obciazonego spelnienia swiadczenia, stanowiacego przedmiot zapisü."

Ein Vermächtnis begründet für den Vermächtnisnehmer ein Recht gegen den Beschwerten auf Erfüllung der Leistung, die Gegenstand des Vermächtnisses ist.

Mithin haben die testamentarisch Begünstigten im polnischen Recht eine ganz andere rechtliche Stellung als im englischen Recht. Wirtschaftlich gesehen hat aber der „residuary legatee" eine Stellung, die der des testamentarischen Erben polnischen Rechts gleichkommt: Ihm verbleibt - ebenso wie dem Erben polnischen Rechts - nach Bezahlung der Nachlaßschulden das Restvermögen. Man kann daher den „residuary legatee" englischen Rechts in einen Erben polnischen Rechts umdeuten 67 . Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des „specific legatee" entspricht demgegenüber weit mehr der Position des Vermächtnisnehmers polnischen Rechts. Beide Rechtsformen sind auf eine gegenständlich bestimmte Zuwendung aus dem Nachlaß ausgerichtet. Man deutet daher den „specific legatee" besser in einen Vermächtnisnehmer als in einen Erben polnischen Rechts um 68 . Demnach ist die Enkelin Margaret als „residuary legatee" als Erbin nach polnischem Recht anzusehen. Soweit sie, die beiden Enkel sowie andere Begünstigte die „personal chatteis" im Sinne von See. 55 (1) (x) Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 144, S. 89. Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 114, S. 77 und Polen Texte, 33-34. 6 8 Vgl. hierzu auch Geilke in Ferid-Firsdiing, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 115, S.77. 87 Vgl. zu der ganz ähnlichen Sachlage bei Umdeutung ins deutsche Recht Gottheiner, Zur Anwendung englischen Erbrechts auf Nachlässe in Deutschland, RabelsZ 21 (1956), 3 6 - 7 2 (67f.); Schwenn,Die Anwendung der § § 2 3 6 9 und 2368BGB auf Erbfälle mit englischem Erbstatut, N J W 1952, 1113-1116 (1113) und die dort in Anm. 5 zitierte Rechtsprechung; Kegel, IPR, 368 a. E.; Raape, IPR, 451-452; Firsching, Testamentsvollstrecker - executor - trustee, DNotZ 1959, 354-373 (356ff.); Firsching, Deutsdi-amerikanisdie Erbfälle (1965) 128f., 136f. 8 8 Vgl. wiederum zur ähnlichen Situation im deutschen Recht Gottheiner 67; Schwenn 1113; Firsching in Staudingers Komm, zum BGB, Bd. V (10./11. Aufl. 1960), Bern. 23 zu § 2369 BGB, 1962. Firsching, Deutsch-amerikanische Erbfälle (1965), 136f. 84 65

664

Erbrecht

A.E.A. 1925 und Geldbeträge nach dem Kodizill vom 31. 3. 1964 als „specific legatees" erhalten haben, sind sie als Vermächtnisnehmer anzusehen. 2.

Testamentsvollstreckung

Mit der Bezeichnung der Enkelin Margaret als Erbin ist der materiellen Rechtslage, wie sie sich nach englischem Recht bietet, nur recht unvollkommen Rechnung getragen. Solange die „executors" als „personal representatives" über den Nachlaß verfügungsberechtigt sind, ist die Enkelin als Erbin nicht befugt, über Gegenstände des Nachlasses zu verfügen. Es fragt sich daher, wie die Stellung der „executors" ins polnische Recht umgedeutet werden kann. Voraussetzung ist, daß sich die Befugnisse der „executors" überhaupt auf außerhalb Englands befindliche Nachlaßgegenstände erstrecken. Das ist nach englischer Rechtsauffassung der Fall 69 . Die rechtliche Stellung des „executor" kommt der des Testamentsvollstreckers nach polnischem Recht (Art. 137-144 ErbRDE) am nächsten: Ebenso wie der „executor" hat der Testamentsvollstrecker die Aufgabe, den Nachlaß zu verwalten, die Nachlaßschulden zu begleichen und den Restnachlaß entsprechend den testamentarischen Anordnungen zu verteilen 70 . Art. 140 ErbRDE: „§ 1. Wykonawca testamentu obowiazany jest stosownie do woli spadkodawcy wykonac rozporzadenia zamieszczone w testamencie. § 2. Jezeli z woli spadkodawcy nie wynika nie innego, wykonawca testamentu obowiazany jest zarzadzac spadkiem i splacac dlugi spadkowe. Moze byc pozywany w sprawach, wynikajacych z zarzadu spadkiem oraz z tytulu roszczen przeciwko spadkodawcy, jak röwniez moze sam pozywac, gdy zajdzie tego potrzeba.

§3. ..."

§1. Der Testamentsvollstrecker ist nach dem Willen des Erblassers verpflichtet, die im Testament enthaltenen Verfügungen zu erfüllen. § 2. Ergibt sich aus der letztwilligen Verfügung des Erblassers nichts Abweichendes, so ist der Testamentsvollstrecker verpflichtet, den Nachlaß zu verwalten und die Nachlaßverbindlichkeiten zu begleichen. Er kann in den aus der Nachlaßverwaltung resultierenden Rechtsstreitigkeiten und aus Forderungen gegen den Erblasser verklagt werden, ebenso wie er auch notfalls selbst klagen kann. §3. ...

Danach ergibt sich der Aufgabenbereich in erster Linie aus dem Testament selbst. Die Testamentsvollstreckung entfällt demnach, sobald die Enkelin Margaret ihr 21. Lebensjahr erreicht. 89 70

Dicey-Parry 569-571. Vgl. hierzu Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 123, S. 80.

Testament / England,

Polen

665

Bei einer Mehrheit von Testamentsvollstreckern - wie vorliegend - hat jeder von ihnen selbständig im Rahmen der Nachlaßverwaltung die vollen Befugnisse eines Testamentsvollstreckers (Art. 142 ErbRDE) n . Mithin sind die beiden „executors* als Testamentsvollstrecker im Sinne des polnischen Rechts anzusehen, die ihre Aufgabe bis zum 21. Lebensjahr der Enkelin Margaret (Erbin) wahrnehmen 7 2 . 3. Verbot der Vor- und Nacherbiolge - Umdeutung der „gilt over" Es fragt sich nunmehr noch, wie die Anordnung einer „gift over" für die Enkel Edward und Jan Z. ins polnische Recht umgedeutet werden kann. Es kommen Ersatzerbschaft, Nacherbschaft, eventuell auch Bestellung eines Nießbrauches oder Aussetzung eines Vermächtnisses in Betracht. Ersatzerbschalt, die es wie im deutschen Recht auch im polnischen Erbrecht gibt (Art. 105 ErbRDE), entfällt: Sie wirkt immer auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurück. Der zuerst Berufene darf nicht Erbe geworden sein. Als Ersatz tritt eben der danach Berufene ein. Vorliegend ist die Enkelin Margaret aber bereits mit dem Tode der Erblasserin Erbin nach polnischem Recht geworden, so daß ein Ersatzerbe gar nicht mehr zum Zuge kommen könnte 73. Die testamentarische Anordnung einer „gift over" zugunsten der beiden Enkel Edward und Jan gleicht eher einer Nacherbschait, wobei die Enkelin Margaret, da sie schon vor ihrem 21. Lebensjahr Zahlungen aus den Einkünften und dem Kapital des Nachlasses erhalten soll, als befreite Vorerbin - wie es das deutsche Recht kennt - anzusehen ist 74 . Die testamentarische Anordnung einer Vor- bzw. Nacherbschait ist jedoch nach polnischem Erbrecht ungültig. Die Vor- und Nacherbfolge beruht auf einer bedingten Erbeinsetzung. Das polnische Erbrecht erklärt jede Beschränkung der Erbeinsetzung durch Bedingungen oder Befristungen für nichtig. Art. 104 ErbRDE: „§ 1. Warunki lub terminy, ograniczajace ustanowienie spadkobiercy, nwaza sie za nie napisane. Ustanowienie spadkobiercy jest niewazne, jezeli z woli spadkodawcy wynika, ze bez ograniczenia tego ustanowienia warunkiem 71

§ 1. Bedingungen und Befristungen, durch die die Erbeinsetzung beschränkt werden, gelten als nicht geschrieben. Die Einsetzung eines Erben ist ungültig, wenn sich aus der letztwilligen Verfügung des Erblassers ergibt, daß die Einset-

Geilke in Ferid-Firsciiing, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 124, S. 80. Vgl. zu der ganz ähnlichen Situation im deutschen Recht Schwenn 1113; Raape, IPR, 452-453. 73 Vgl. zum Ersatzerben Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 107, S. 75. 74 Vgl. etwa OLG Celle NdsRpfl. 49, 176 (177). 72

666

Erbrecht lub terminem nie zostaloby ono dokonane.

zung ohne Beschränkung durch Bedingungen und Fristen nicht erfolgt wäre.

§ 2. W szczegölnosci niewazne jest rozporzadzenie, przez ktöre spadkodawca zobowiazuje spadkobierce do zachowania i pozostawienia przeznaczonego mu spadku na przypadek jego smierci innym osobom. Niewaznosc takiego rozporzadzenia nie pociaga za soba, w braku odmiennej woli spadkodawcy, niewaznosci ustanowienia pierwszego spadkobiercy.

§ 2. Insbesondere ist eine Verfügung ungültig, durch die der Erblasser dem Erben die Verpflichtung auferlegt, das diesem zufallende Erbe zu erhalten und es für den Fall des Todes anderen Personen zu überlassen. Die Ungültigkeit einer solchen Verfügung führt in Ermangelung einer betreffenden Willenserklärung des Erblassers nicht zur Ungültigkeit der Einsetzung des ersten Erben.

§ 3. Dopuszczalne jest przeznaczenie spadku jednej osobie, jako spadkobiercy, przy röwnoczesnym obciazeniu tego spadku prawem uzytkowania na rzecz drugiej osoby.

§ 3. Zulässig ist die Bestimmung einer Person zum Erben unter gleichzeitiger Belastung ihrer Erbschaft mit einem Nutznießungsredit zugunsten einer anderen Person.

W e n n audi Art. 104 § 2 ErbRDE d e m Wortlaut nach nur d e n Fall des Todes des Vorerben als auflösende Bedingung nennt, findet das Verbot der Vor- und Nacherbfolge doch in allen Fällen einer Nacherbschaft A n w e n d u n g 7 5 . Mithin ist e s nach polnischem Recht nicht möglich, die „gift over" in eine Nacherbschaft mit befreiter Vorerbschaft umzudeuten. In der Praxis wird das Verbot der Vor- und Nacherbschaft häufig umgangen, und zwar durch Einsetzung e i n e s bedingten Nutznießungsrechtes, w i e e s Art. 104 § 3 ErbRDE (siehe oben C III 3) ausdrücklich gestattet, oder eines bedingten Vermächtnisses. Dies geschieht e t w a in der W e i s e , daß der Erblasser s e i n e n gesetzlichen Erben unbedingt zum Erben beruft, d e n Nachlaß aber mit einem Nutznießungsredit belastet zugunsten der Person, die ursprünglich als Vorerbe v o r g e s e h e n war. D i e s e s Nutznießungsrecht ist dann auflösend bedingt durch d e n Tod d e s Berechtigten. V o r l i e g e n d kann eine solche Umdeutung d e s V e r b o t e s durch Nießbrauch schon deshalb nicht zum Ziele führen, w e i l der Nießbrauch k e i n Verfügungs-, sondern lediglich e i n Gebrauchsrecht gewährt 7 6 . Art. 252 des ZGB vom 23. 4. 64: „Eine Sache kann mit dem Recht belastet werden, sie zu gebrauchen und ihre Nutzungen zu ziehen (Nießbrauch)." 75 Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 107, S. 75 mit Nachweisen aus der polnischen Rechtsprechung. 76 Zivilgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Heft 69, 64.

Testament / England,

Polen

667

Die Enkelin Margaret, zu deren Gunsten in diesem Fall ein solches Nutznießungsrecht bestellt wäre, soll jedoch nach dem Testament schon während ihrer Minderjährigkeit auch aus dem Bestand des Nachlasses Zuwendungen erhalten können. Sie ist auch schon während ihrer Minderjährigkeit als Erbin - abgesehen von der Testamentsvollstreckung - verfügungsberechtigt, weswegen sie nach deutschem Recht als befreite Vorerbin anzusehen wäre. Die Annahme eines auflösend bedingten Nießbrauchs zugunsten der Enkelin Margaret wird daher nicht ausreichend ihrer Stellung nach dem Testament gerecht. Auch die Umdeutung in ein auflösend bedingtes Vermächtnis entfällt: Ein Vermächtnis kann zwar bedingt oder befristet errichtet werden (Art. 120 § 1 ErbRDE, Wortlaut s.u. C III 3 a. E.). Es kann sich jedoch nur auf bestimmte Nachlaßgegenstände beziehen, nicht auf den ganzen Restnachlaß (siehe oben C III 1). Werden bestimmte Nachlaßgegenstände in solchem Umfang vermacht, daß es sich praktisch um den ganzen Restnachlaß handelt, dann wird angenommen, daß der Begünstigte zum Erben eingesetzt ist. Ait. 103 ErbRDE: „Jezeli spadkodawca przeznaczyl oznaczonej osobie tylko poszczegölne prawa majatkowe, ktôre wyczerpuja prawie caly spadek, osobe te nwaza sie w razie watpliwosci za powolana do calego spadku..."

Hat der Erblasser einer bestimmten Person nur einzelne Vermögensrechte zugeschrieben, die den Nachlaß nahezu erschöpfen, so wird diese Person im Zweifel als zum ganzen Nachlaß berufen angesehen...

Eine bedingte Erbeinsetzung ist aber ungültig (siehe näher C III 3). Auch das neue polnische ZGB vom 23.4.1964 verbietet eine bedingte oder befristete Erbeinsetzung (Art. 962 ZGB, Heft 69, 227 f.), so daß auch von dort her keine Lösung möglich ist. Es enthält allerdings - anders als das Erbrechts-Dekret - in Art. 964 ZGB eine Auslegungsregel, daß die Anordnung einer Nacherbschaft als Anordnung einer Ersatzerbschaft anzusehen ist 77 . Art. 964 ZGB vom 23. 4. 64: „Eine testamentarische Anordnung, durch die der Erblasser den Erben zum Behalten und zur Überlassung der erworbenen Erbschaft an einen anderen verpflichtet, hat nur die Wirkung, daß der andere für den Fall zur Erbschaft berufen ist, daß der Erbe nicht Erbe sein wollte oder nicht konnte. Ergibt sich jedoch aus dem Testament oder aus den Umständen, daß der Erbe ohne diese Beschränkung nicht berufen worden wäre, so ist die Berufung des Erben ungültig."

Diese Auslegungsregel kann als Ausdruck einer gesetzlichen Tendenz auch auf Erbfälle angewandt werden, für die intertemporal das neue ZGB noch nicht gilt (siehe oben C III 1). 77

Zivilgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Heft 69, 228.

668

Erbrecht

Diese Auslegungsregel führt hier jedoch schon deshalb nicht weiter, weil die Enkelin Margaret nach ihrer Rechtsstellung, wie sie sich aus dem Testament ergibt, nicht als Vorerbin anzusprechen ist. Sie ist deshalb nicht durch testamentarische Anordnung wie eine Vorerbin „zum Behalten und zur Überlassung der erworbenen Erbschaft an einen anderen verpflichtet". Sie ist vielmehr gerade von diesen Verfügungsbeschränkungen der Vorerbin durch testamentarische Anordnung betieit. Nach allem stellt das polnische Recht kein erbrechtliches Institut zur Verfügung, in das die „gift over" des englischen Rechts zugunsten der Enkel Edward und Jan umgedeutet werden könnte. Die Anordnung der „gift over" ist daher nach dem maßgebenden polnischen Recht ungültig. Bei dieser Sachlage fragt es sich, ob durch die Ungültigkeit der „gift over" auch die Erbeinsetzung der Enkelin Margaret ungültig wird. Gemäß Art. 104 § 1 S. 2 ErbRDE (Wortlaut s. o. C III 3) hängt dies davon ab, ob sidi aus der letztwilligen Verfügung ergibt, daß die Erblasserin ihre Enkelin Margaret auch ohne die Bedingung zur Erbin eingesetzt hätte. Nach dem Willen der Erblasserin, wie er im Testament zum Ausdruck kommt, ist dies zu bejahen: Die Erblasserin wollte vornehmlich ihre Enkelin Margaret begünstigen. Dies geht einmal daraus hervor, daß sie ihre Enkelin an erster Stelle als „residuary legatee" eingesetzt hat, zum anderen daraus, daß die Enkelin schon während ihrer Minderjährigkeit Zuwendungen aus dem Bestand des Nachlasses erhalten durfte. Angesichts der Ungültigkeit der „gift over" zugunsten der Enkel Edward und Jan fragt es sich, wie die Zuwendung von wöchentlich einem engl. Pfund an diese Enkel in das polnische Recht umgedeutet werden kann. Man mag an einen Nießbrauch oder ein Vermächtnis denken. Ein Nießbrauch entfällt deshalb, weil er ein Gebrauchsrecht über den Nachlaß oder einen Teil des Nachlasses gewährt. Den Enkeln ist aber kein Gebrauchsrecht eingeräumt, sondern lediglich eine fortlaufende Zahlung in bestimmter Höhe aus den Einkünften des Nachlasses. Daher liegt es nahe, ein Vermächtnis anzunehmen: Die Enkel Edward und Jan erhalten eine bestimmte Geldsumme aus den Einkünften des Nachlasses, ohne selbst - etwa durch Begleichung von Nachlaßschulden - beschwert zu sein. Dieses Vermächtnis ist unter der auflösenden Bedingung, daß die Enkel das 21. Lebensjahr erreichen, errichtet. Ein solches bedingtes Vermächtnis ist zulässig. Art. 120 § 1 ErbRDE: „Spadkodawca moze ustanowic zapis ograniczajac go warunkiem lub terminem."

Der Erblasser kann ein durch eine Bedingung oder eine Befristung beschränktes Vermächtnis errichten.

Testament / England,

Polen

669

4. Pflichtteil Schließlich fragt sich noch, ob die Erbschaft der Enkelin Margaret dadurch eingeschränkt ist, daß bestimmten nahen Verwandten der Erblasserin ein Pflichtteilsrecht zusteht. Im Gegensatz zum englischen Erbrecht, das das Pflichtteilsrecht nicht kennt 7 8 , steht bestimmten nahen Verwandten des Erblassers nach polnischem Recht ein Pilichtteilsrecht zu, und zwar den Abkömmlingen (Kinder und Enkelkinder) des Erblassers, seinem Ehegatten und seinen Eltern, sofern sie in Ermangelung eines Testaments zur gesetzlichen Erbfolge berufen wären (Art. 1 7 , 1 8 , 2 1 , 1 4 5 ErbRDE) 7 9 . Danach kommen die beiden Töchter der Erblasserin, Barbara Z. und Krystina S., und ihr Ehegatte Ignacy R. als Pflichtteilsberechtigte in Betracht. W i e im deutschen Recht ist das Pflichtteilsrecht im polnischen Recht nicht als dingliches Noterbrecht ausgestaltet. Vielmehr gibt das Gesetz eine obligatorische

Forderung

gegen den Erben in Höhe einer bestimmten

Quote (der Hälfte) des gesetzlichen Erbteils 8 0 : Art. 151 ErbRDE: „Spadkobierca konieczny ma prawo do zachowku bez wzgledu na to, czy spadkodawca pozostawil testament. Zachowek wynosi polowe wartosci tego, co spadkobierca konieczny otrzymalby przy dziedziczeniu ustawowym, przyjmujac za podstawe obliczenia Zachowku wartosc spadku, ustalona wedlug przepisöw niniejszego rozdzialu."

Der Noterbe hat ein Recht auf den Pflichtteil ohne Rücksicht darauf, ob der Erblasser ein Testament hinterlassen hat. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des Erbteils, den der Noterbe bei gesetzlicher Erbfolge erhalten hätte, wobei als Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil der Wert des Nachlasses dient, wie er nach den Vorschriften dieses Abschnittes zu bestimmen ist.

Die Pflichtteile beschränken daher nicht dinglich die Erbschaft der Enkelin Margaret. Die Berechtigten sind lediglich Gläubiger der Erbin. Die Pflichtteilsrechte sind demnach nicht in dem Erbschein zu vermerken. 5.

Zwischenergebnis

Nach Umdeutung der testamentarischen Anordnungen der Erblasserin ins polnische Recht ergibt sich folgende Rechtslage: 78 Vgl. Ferid in Staudingers Komm., Bd. V, Bern. 176, 177 vor § 2303 BGB, 15121513; ein im Ergebnis dem Pfliditteilsredit ähnliches Institut kennt das englische Recht in der Möglichkeit einer gerichtlichen Unterhaltsanordnung zugunsten von „dependants" des Erblassers, die weder gesetzlich erbberechtigt noch testamentarisch bedacht sind, im „Family Provision Act (The Inheritance Act), 1938" (Halsbury's Statutes of England, Bd. 9, 795-799); Ferid in Staudingers Komm., Bd. V, Bern. 177 vor § 2203 BGB, 1513. '» Vgl. Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 127, S. 81-82. 8 0 Vgl. hierzu auch Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 126, 132, 139-140, S. 81, 83, 85-86, mit Nachweisen aus der polnischen Rechtsprechung.

670

Eibiecht

1. Die Enkelin Margaret T. ist Alleinerbin des Nachlasses der Erblasserin. 2. Der Nachlaß ist mit einer Testamentsvollstreckung (zwei Testamentsvollstrecker) bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres der Enkelin Margaret belastet. 3. Zugunsten der Enkel Edward und Jan Z. und zugunsten anderer naher Verwandter sind im Testament und in dem Kodizill Vermächtnisse errichtet. 4. Die Töchter und der Ehemann der Erblasserin sind pflichtteilsberechtigt.

D. GÜTERRECHTLICHER AUSGLEICH DER EHEGATTEN

Da der Ehemann der Eblasserin noch lebt, ist zu prüfen, in welchem Güterstand die Eheleute lebten und ob dem Ehegatten güteriechtliche Ansprüche gegen den Nachlaß der Erblasserin zustehen, die den Umfang des Nachlasses beschränken. I. Internationales

Privatrecht

Zweifelhaft ist, ob im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Polen das Haager Ehewirkungsabkommen vom 17. 7.1905 gilt 81 . M. E. hat der zweite Weltkrieg die Fortgeltung des Abkommens mit den Feindstaaten nicht berührt. Von der Rechtsprechung wird die Fortgeltung allerdings verneint 82 . 1. Haager

Ehewirkungsabkommen

Nach Art. 2 des Haager Ehewirkungsabkommens unterliegen die Wirkungen der Ehe auf das Vermögen der Ehegatten dem Heimatrecht des Mannes bei Heirat. Das ist hier das polnische Recht, da die Ehegatten bei Heirat die polnische Staatsangehörigkeit besaßen. Gemäß Art. 2 Abs. II ist eine Änderung der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten - vorliegend der Erblasserin von polnischer zu britischer Staatsangehörigkeit - bedeutungslos. Obschon das Abkommen darüber schweigt, ist anzunehmen, daß nach Art. 2 das Heimatrecht des Mannes bei Heirat einschließlich seiner späteren Änderungen gilt, soweit diese nach dem intertemporalen Privatrecht des Heimatstaats des Mannes anzuwenden sind. Das Abkommen ist als Sachnormverweisung gemeint und beruft unmittelbar materielles Recht 83 . 81

Näher Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 1 Anhang zu Art. 16 EGBGB, 782. BayObLGZ i960, 370 (375 a.E.) (Italien); vgl. Kegel in Soergel-Siebert, ebenda und Bern. 11-14, insbes. Bern. 16 vor Art. 7 EGBGB, 511-513. 83 Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 33 zu Art. 27 EGBGB, 942-943. 82

Testament / England,

2. Deutsches internationales

Polen

671

Privatrecht

Folgt das Gericht der Meinung der Rechtsprechung und verneint es die Fortgeltung des Haager Ehewirkungsabkommens zwischen Feindstaaten, so greifen die allgemeinen deutschen Kollisionsnormen ein. Nach Art. 15 Abs. I und II HS 1 EGBGB unterliegt das eheliche Güterrecht dem Heimatrecht des Ehemannes bei Heirat 84 . Bei Heirat besaß der Ehegatte der Erblasserin die polnische Staatsangehörigkeit. Das deutsche IPR verweist daher auf polnisches Recht bei Heirat einschließlich seiner späteren Änderungen. Insofern führen also Art. 2 des Haager Ehewirkungsabkommens (s. o. D i l ) und Art. 15 EGBGB zum selben Ergebnis und kann offen bleiben, ob das Abkommen anzuwenden ist. Ein Unterschied könnte sich nur aus einer Rückverweisung ergeben: Sie ist nach Art. 27 EGBGB zu beachten, nach dem Haager Ehewirkungsabkommen nicht. 3. Polnisches internationales

Privatrecht

Das am 1.7.1966 in Kraft getretene polnische Gesetz vom 12.11. 1965 über das internationale Privatrecht (s. o. A IV 1) enthält keine Übergangsvorschrift. Doch können ohne Bedenken die intertemporal-rechtlichen Grundsätze des materiellen polnischen Rechts herangezogen werden, wie sie z. B. in Art. XXVI des neuen polnischen ZGB vom 23. 4.1964 zum Ausdruck gekommen sind 85 : Art. XXVI

des ZGB vom 23. 4. 1964:

„Auf die vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs entstandenen Rechtsverhältnisse findet das bisherige Recht Anwendung, es sei denn, daß die nachstehenden Vorschriften etwas anderes bestimmen."

Danach kommt dem neuen polnischen IPR-Gesetz keine rückwirkende Kraft zu. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. 7.1966) galt das Gesetz vom 2.8. 1926 betr. das für internationale Privatverhältnisse geltende Recht (s. o. A IV 1). Auch dieses Gesetz enthält keine Übergangsvorschriften. Nach den allgemeinen intertemporalen Grundsätzen findet es auf das 1921 durch die Eheschließung entstandene Güterrechtsverhältnis keine Anwendung. Man muß daher auf das Recht vor 1926 zurückgehen. Es galt gebietsweise verschiedenes Recht, und zwar deutsches, österreichisches, französisches und russisches Recht 86 . «4 RGZ 91, 403 (407) (Rußland); BGH FamRZ 1954, 110 (Schweiz); BayObLGZ 1959, 89 (95) = FamRZ 1959, 357 (359) (Tschechoslowakei); Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 1 zu Art. 15 EGBGB, 765. 8 5 Zivilgesetzbuch der Volksrepublik Polen, Heft 69, 268. 8« Übersicht bei Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Grdz., Rdz. 7-11, S. 18, 19 und Übersichtskarte Polen Anhang, 11; Korkisch, Das Privatrecht im ehemals polnischen Staatsgebiet, ZAIP 12 (1938/39) 850-879 (851-855); Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. I (2. Aufl. 1938), Polen 495.

Erbrecht

672

Ein einheitliches Recht, aus dem sich das interlokal maßgebende Recht ergeben könnte, fehlte. Vom Standpunkt des deutschen IPR wird das interlokal maßgebende Recht an erster Stelle durch den gewöhnlichen Aufenthalt bestimmt 87 . Die Eheleute hatten die Ehe in Zanjemysl, Kreis Sroda, Woiwodschaft Poznan (Posen) geschlossen. Es wird angenommen, daß sie dort oder aber in Gorszewice Krs. Posen, wo ihre beiden Kinder geboren sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. In der Woidwodschaft Posen galt deutsches Recht mit Ausnahme der Kreise Kaiisch, Kolo, Konin und Turek, in denen kongreßpolnisches (französisches) Recht galt 88 . Nach dem somit als polnisches Recht geltenden Art. 15 EGBGB entscheidet das Heimatrecht des Mannes bei Heirat (s. o. D I 2), also das polnische Recht. Auch wenn man die Frage nach dem intertemporal anwendbaren Recht offen läßt, ist das Ergebnis in casu nicht anders. Denn auch die beiden außer Art. 15 EGBGB in Betracht kommenden polnischen IPR-Gesetze verweisen auf das eigene materielle Recht. Art. 14 des JPR-Gesetzes vom 2. 8. 1926 bestimmt: 1. Für die persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander ist das Recht ihres Heimatstaates maßgebend... 2.

...

3. Ein Wechsel der Staatsangehörigkeit allein führt an sich noch zu keiner Änderung des gesetzlichen Güterrechts; für dieses gilt das Recht des Heimatstaates des Ehemannes zur Zeit der Eingehung der Ehe weiter.

Danach gilt polnisches Recht; denn die Eheleute sind bei Heirat beide Polen gewesen. Art. 17 des IPR-Gesetzes vom 12. 11. 65 bestimmt: § 1. Die persönlichen und die Vermögensbeziehungen zwischen Ehegatten bestimmen sich nach deren gleichzeitigem Heimatrecht... § 2 . ...

§ 3. In Ermangelung eines gemeinsamen Heimatrechts der Ehegatten ist das Recht des Staates maßgebend, in dem die Ehegatten ihren Wohnsitz haben, während polnisches Recht maßgebend ist, sofern die Ehegatten ihren Wohnort nicht im gleichen Staat haben."

Polnisches Recht ist vorliegend berufen, entweder weil die Ehegatten während der Ehe beide noch Polen gewesen sind oder weil sie keinen Wohnsitz (im Sinne des polnischen Rechts) im selben Staat gehabt haben. Die Erblasserin hat ihren Wohnsitz in England gehabt. Art. 25 des ZGB vom 23. 4. 1964 bestimmt: .Wohnsitz einer natürlichen Person ist der Ort, an dem sie in der Absicht ständigen Aufenthalts verweilt." 87 88

Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 111 vor Art. 7 EGBGB, 539. Geilke in Ferid-Firsching, Bd. III, Polen Anhang, S. 10 und Karte S. 11.

Testament I England,

Polen

673

Daß die Ehefrau einen eigenen Wohnsitz begründen kann, folgt aus Art. 26 § 2 des ZGB, der den Wohnsitz des Kindes bei getrennten Wohnsitzen der Eltern bei bestehender Ehe regelt. Mithin verweist das polnische IPR in jedem Fall auf materielles polnisches Recht. Berufen ist das gegenwärtige polnische materielle Güterrecht einschließlich seiner Übergangsvorschriften. Mithin kann offen bleiben, ob Art. 2 des Haager Ehewirkungsabkommens (s. o. D I 1) oder Art. 15 EGBGB anzuwenden ist.

II. Polnisches materielles

Ehegüterrecht

Am 1 . 1 . 1 9 6 5 ist der Familien- und Vormundschaftskodex, Gesetz v o m 2 5 . 2 . 1 9 6 4 (FVK) in Kraft getreten 8 9 . Übergangsvorschriften enthält das Gesetz vom 2 5 . 2 . 1 9 6 4 über die Einführungsbestimmungen zum Familienund Vormundschaftskodex 9 0 . Art. V und VIII bestimmen 9 1 : Art. V: Die Bestimmungen des FVK finden auf die in ihm geregelten Verhältnisse selbst dann Anwendung, wenn diese vor seinem Inkrafttreten begründet wurden, es sei denn, daß die nachfolgenden Bestimmungen eine abweichende Regelung treffen. Art. VIII: Unterliegen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FVK die Vermögensverhältnisse der Ehegatten der gesetzlichen Gütergemeinschaft im Sinne des Familienkodex von 1950, so werden die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FVK vorhandenen Bestandteile des Vermögens der Ehegatten von diesem Zeitpunkt ab dem Gemeinschaftsvermögen oder dem Sondervermögen gemäß den Bestimmungen des FVK zugerechnet. Der bereits am 10. 6 . 1 9 6 4 mit dem Tode der Erblasserin aufgelöste Güterstand fällt danach nicht unter den F V K von 1964. Vorher galt der Familienkodex, Gesetz vom 27. 6. 1950, in Kraft getreten am 1 . 1 0 . 1 9 5 0 9 2 . Das Einführungsgesetz zu diesem Familienkodex enthält in Art. XVIII eine Ubergangsbestimmung 9 3 . 89 Dziennik Ustaw v. 5. 3. 1964 Nr. 9, Pos. 308; deutsche Übersetzung bei Geilke in Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. IV (3. Aufl. 1965), Polen, S. 20-52. 90 Dziennik Ustaw, Pos. 60; in deutscher Ubersetzung bei Geilke in Bergmann, Bd. IV, Polen, S. 52-54. 91 Geilke in Bergmann, Bd. IV, Polen, S. 53, 54. 92 Dziennik Ustaw vom 22. 8. 1950, Nr. 34, Pos. 308; in deutscher Übersetzung bei Geilke in Bergmann, Polen, S. 21-35 (alte Lieferung, Ablege-Ordner). 93 Vgl. hierzu Mainczyk, Das Ehegüterrecht Polens (Diss. Köln 1966) 40.

43

Mat.: 11, Gutachten 196S/66

Erbrecht

674 Art. XVIII:

Unterlagen bei Inkrafttreten des Familienkodex die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten dem im Dekret über das Ehegüterrecht vorgesehenen gesetzlichen Güterstand, so finden die Vorschriften des Familienkodex über den gesetzlichen Güterstand auf das noch vorhandene Errungenschaftsvermögen der Ehegatten ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt seines Erwerbs Anwendung. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach den intertemporalrechtlichen Vorschriften, die das Einführungsdekret zum Ehegüterrechtsdekret enthält 9 4 , fand das Dekret über das Ehegüterrecht vom 2 9 . 5 . 1 9 4 6 , in Kraft getreten am 1 . 1 0 . 1 9 4 6 9 5 , auch auf die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten Anwendung, die vor seinem Inkrafttreten geheiratet hatten (Art. X). Hatten die Ehegatten keinen Ehegütervertrag geschlossen - wovon ausgegangen werden kann - , so unterlagen sie dem gesetzlichen Güterstand allerdings erst nach Ablauf eines Jahres seit Inkrafttreten des Dekretes, also erst ab 1. 10. 1946 (Art. X I ) 9 6 . Die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten unterliegen also vorliegend dem Familienkodex von 1950. Die einschlägigen Vorschriften lauten 9 7 : Art. 21: § 1. Vermögensgegenstände, die einer der Ehegatten während des Bestehens der Ehe angeschafft und die seinen Erwerb bilden, sind gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (gesetzliche Gütergemeinschaft). § 2. Die gesetzliche Gütergemeinschaft umfaßt nicht Gegenstände, die im Wege der Erbfolge, durch Vermächtnis oder durch Schenkung erworben sind, Gegenstände zum persönlichen Gebrauch sowie die zur Berufsausübung notwendigen Gegenstände. Art. 25: § 1. Vom Zeitpunkt der Beendigung der gesetzlichen Gütergemeinschaft an finden in Ansehung des bisher zu ihr gehörenden Vermögens die Vorschriften über Miteigentum entsprechende Anwendung. § 2. Beiden Ehegatten gebühren gleiche Anteile an dem bisher zur gesetzlichen Gütergemeinschaft gehörenden Vermögen. Art. 26: Bei der Teilung des bisher zur gesetzlichen Gütergemeinschaft gehörenden Vermögens hat jeder Ehegatte die Ausgaben und die Aufwendungen zu erstatten, die aus diesem Vermögen zugunsten seines persönlichen Vermögens erfolgten. Er kann andererseits die Erstattung solcher Ausgaben und Aufwendungen verlangen, die er aus seinem persönlichen Vermögen zugunsten des gemeinschaftlichen Vermögens getätigt hat. 04 95 98 97

Dziennik Ustaw 1946 Nr. 31, Pos. 197. Dziennik Ustaw 1946 Nr. 31, Pos. 196. Mainczyk 22/23. Geilke in Bergmann, Polen, S. 24-25 (alte Lieferung, Ablege-Ordner).

Testament / England,

Polen

675

Mithin lebten die Ehegatten im Güterstand einer Eirungenschaitsgemeinsctiaft, die von der Auflösung der Ehe an dinglich wirkte. Die während der Ehe erworbenen Güter werden gemeinschaftliches Eigentum. Für das voreheliche, in die Ehe eingebrachte Vermögen jedes Ehegatten bewendet es bei Gütertrennung (arg. Art. 21 § 1)98. Während des Bestehens der Ehe kann die gesetzliche Gütergemeinschaft auf Verlangen eines Ehegatten aus wichtigem Grund nur durch gerichtliche Anordnung aufgehoben werden (Art. 24 § 1) M . Obwohl die Ehegatten einverständlich getrennt lebten, bestand mithin die gesetzliche Gütergemeinschaft bis zum Tode der Erblasserin fort. III.

Wiedergutmachungsansprüche

Der Güterstand der Erblasserin hat folgenden Einfluß auf den Umfang ihres Nachlasses: Der Nachlaß, dessen Alleinerbin die Enkelin Margaret T. ist, setzt sich zusammen aus: 1. dem gesamten vorehelichen Vermögen der Erblasserin, 2. demjenigen Vermögen, das die Erblasserin während der Ehe durch Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworben hat, und demjenigen, das ihren persönlichen Bedürfnissen und ihrer Berufsausübung diente, und 3. der Hälfte des übrigen während der Ehe erworbenen Vermögens beider Ehegatten. Auf die Erbquoten selbst hat der Güterstand keinen Einfluß. Zu welchem dieser drei Vermögenskomplexe die Entschädigungsansprüche gehören, kann von hier aus nicht bestimmt werden. Denn aus den Akten ergibt sich nicht, aus welchem Schadenstatbestand diese hergeleitet werden. Immerhin werden die Grenzen der Errungenschaft im polnischen Recht eng gezogen 100 . Handelt es sich um Wiedergutmachungsansprüche für Schaden an Freiheit, Körper oder Gesundheit, so zählen diese zu dem in Art. 21 § 2 auf98

Vgl. Mainczyk 41-63; Boschan, Europäisches Familienrecht (3. Aufl. 1963), 341 f.; Korkisch, Das Privatrecht Ost-Mitteleuropas in rechtsvergleichender Sicht, RabelsZ 23 (1958), 201-230 (213 f., insbes. 213 Fußn. 50); Schmied, Das Familienrecht der Volksdemokratien 1945-1951, RabelsZ 17 (1952), 227-243 (237 f.). 99 Bei Entmündigung eines Ehegatten endet die gesetzliche Gütergemeinschaft kraft Gesetzes (Art. 24 § 2). 100 Grzybowski, Das Eheredit der Volksrepublik Polen in Leske-Löwenleld, Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, Bd. 1: Das Eherecht der europäischen Staaten, 1. Teil, 1. Lieferg., 32 mit Beispielen und Nachweisen; Mainczyk 43-47, 57, mit Beispielen und eingehender Darstellung der Lehre und Rechtsprechung. 43»

Eibrecht

676

geführten Sondergut, also zum persönlichen Vermögen der Erblasserin. Hierfür spridit, daß diese Ansprüche in dem neuen polnischen Familienund Vormundschaftskodex vom 25. 2.1964 ausdrücklich zum Sondervermögen gerechnet werden: Art. 33 FVK v. 25. 2. 64: „Das Sondervermögen jedes der Ehegatten umfaßt: 1.-6. . . .

7. die als Schadensersatz für eine erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder als Ausgleich für erlittene Unbill erworbenen Gegenstände; ...

8.-10. ... Danach wäre der Ehemann weder erbrechtlich noch güterrechtlich an den Wiedergutmachungsansprüchen der Erblasserin mitberechtigt.

E. VERFAHREN

I. Zuständigkeit

des

Nachlaßgerichts

Da die Erbfolge in den Nachlaß der Erblasserin und die Testamentsvollstreckung dem polnischen Recht unterliegen, ergibt sich die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf zur Erteilung des Erbscheins und des Testamentsvollstreckerzeugnisses für die Wiedergutmachungansprüche in Deutschland aus §§ 2369, 2368 Abs. III BGB101. Sachlich und örtlich zuständig ist das Amtsgericht Düsseldorf gemäß §§ 72, 73 Abs. III FGG. II. Erbschein Entsprechend der dargestellten Rechtslage nach polnischem Recht ist ein Erbschein zu erteilen, nach dem die Enkelin Margaret T. als Alleinerbin ausgewiesen wird. In dem Erbschein ist die Testamentsvollstreckung durch zwei Testamentsvollstrecker zu vermerken (§ 2364 Abs. I BGB). Die Befugnisse des Testamentsvollstreckers bestimmen sich nach dem Erbstatut, also nach polnischem Recht (s. o. A V 2)102. Jeder der beiden Testamentsvollstrecker kann nach polnischem Recht im Rahmen der Nachlaßverwaltung selbständig verfügen (s. o. C III 2). Die Vermächtnisse und Pflichtteilsrechte sind im Erbschein nicht aufzuführen, da sie nur schuldrechtliche Ansprüche gegen die Erbin gewähren. 101

Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 54, 68, 72 vor Art. 24 EGBGB, 921, 925, 926. Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 23 vor Art. 24 EGBGB, 914, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 102

Testament

/ England,

Polen

677

Gemäß § 2369 BGB ist ein gegenständlich auf das in Deutschland befindliche Vermögen beschränkter Erbschein zu erteilen. In dem Erbschein ist ein entsprechender Vermerk aufzunehmen. Mit Rücksicht auf § 181 Abs. II BEG empfiehlt sich der Hinweis, daß der Erbschein nur zur Vorlage im Wiedergutmachungsverfahren ausgestellt wird, beispielsweise durch Aufnahme des Vermerks: „Nur zu verwenden im Wiedergutmachungsverfahren." III. Das

Testamentsvollstreckerzeugnis

Den Testamentsvollstreckern kann ein Zeugnis gemäß § 2368 BGB ausgestellt werden 1M . Gemäß § 2368 Abs. III BGB finden die Vorschriften über den Erbschein entsprechende Anwendung. Auch § 2369 ist analog heranzuziehen. Es ist daher nur ein gegenständlich beschränktes Zeugnis auszustellen 104 . Die Unterschiede in der Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers nach deutschem und polnischem Recht müssen, soweit sie für seine Verfügungsmacht dritten Personen gegenüber erheblich sind, in dem Testamentsvollstreckerzeugnis beschrieben werden 105 , so hier die von § 2224 BGB abweichende Befugnis der beiden Testamentsvollstrecker nach polnischem Recht, selbständig im Rahmen der Nachlaßverwaltung verfügen zu können. Mit Rücksicht auf § 181 Abs. II BEG ist wiederum ein entsprechender Hinweis zu empfehlen. Gesamtergebnis

Es wird vorgeschlagen, den Erbschein und das Testamentsvollstreckerzeugnis entsprechend dem Antrag wie folgt abzufassen: I. „Beschränkter Erbschein Nur zu verwenden im Wiedergutmachungsverfahren. Die am 10. 6.1964 mit letztem Wohnsitz in Llandudno, Caernarvonshire/ Wales verstorbene Janina R., geb. K., ist kraft Testaments von ihrer Enkelin Margaret T. als Alleinerbin nach polnischem Recht beerbt worden. Den Nachlaß verwalten zwei Testamentsvollstrecker nach polnischem Recht, bis die Erbin das 21. Lebensjahr vollendet hat. Jeder der beiden 103

Kegel, IPR, 368-369; Raape, IPR, 452-453; Schwenn 1116. Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Bern. 2 zu § 2368 BGB, 491 ; Firsching in Staudingers Komm., Bern. 32 zu § 2368 BGB, 1951. 105 KG OLG 40, 158. 104

678

Erbrecht

Testamentsvollstrecker k a n n im Rahmen der Nachlaßverwaltung selbständig verfügen. Dieser Erbschein gilt nur für das in Deutschland belegene Nachlaßvermögen." II. „Gemeinschaftliches beschränktes Testamentsvollstreckerzeugnis Nur zu verwenden im Wiedergutmachungsverfahren. Der Kartograph Stephan G., London, England, und der Steuereinnehmer Frederick D. Llandudno, Caernarvonshire/Wales, sind zu Testamentsvollstreckern nach der am 10. 6. 1964 mit letztem Wohnsitz in Llandudno, Caernarvonshire/Wales verstorbenen Janina R., geb. K., bestellt worden. Die Testamentsvollstreckung unterliegt polnischem Recht. Sie endet, wenn die Erbin Margaret T. das 21. Lebensjahr vollendet hat. Jeder der Testamentsvollstrecker ist im Rahmen der Nachlaßverwaltung alleinverfügungsberechtigt. Diese Testamentsvollstreckerzeugnis gilt nur für das in Deutschland befindliche Nachlaßvermögen."

Nr. 59 Wolhynien (UdSSR, Polen)

Die Annexion von Wolhynien durdi die UdSSR und ihre Auswirkungen auf die vor dem zweiten Weltkrieg errichteten Testamente wolhynisch-polnischer Staatsangehöriger. Hamburg G 5/65 vom 19. 8.1965

Das Amtsgericht Peine bittet in der Nachlaßsache H. um Auskunft über polnisches und deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Internationales Privatrecht und früher in Wolhynien geltendes Erbrecht. Der Anfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Erblasserin ist die im J a h r e 1870 im Kreise Luzk/Wolhynien (damals Rußland, von 1921 bis 1939 Polen, seitdem UdSSR/Ukrainische SSR) geborene Ottilie H. geb. L. Sie hat im Jahre 1889 den ebenfalls aus Wolhynien stammenden Landwirt Friedrich H. geheiratet. Der erste eheliche Wohnsitz war in R./Kreis Luzk. Die Erblasserin ist am 18.3.1951 an ihrem letzten Wohnsitz in Peine gestorben; der Ehemann war dort bereits am 20.8.1948 gestorben. Die Erblasserin wird als deutsche Staatsangehörige bezeichnet. Der Antragsteller Christoph H. - ein Sohn der Erblasserin - hat einen Erbschein für Lastenausgleichszwecke beantragt, in dem er als Alleinerbe aufgeführt wird. Er bezieht sich für seinen Antrag auf eine im J a h r e 1936

Testament

/ Wolhynien

(UdSSR,

Polen)

679

vor dem Dorfschulzen von R. in polnischer Sprache errichtete Urkunde, in der es unter der Überschrift „Testament" heißt (übersetzt): „Ich, Friedrich H. . . . und meine Ehefrau Ottilie geborene L., wohnhaft in R., . . . sind bei Gesundheit und vollem Verstand und übergeben hiermit unsere Wirtschaft in der Größe von achtzehn ha . . . nebst dem zu dieser Wirtschaft gehörenden Wald und dem gesamten toten Inventar meinem Sohn Christoph H. vom 27. März 1936 . . . ab. Von der oben genannten Fläche reserviere ich für mich und meine Frau für unseren Unterhalt bis zu unserem Lebensende . . . Außerdem verpflichtet sich der Sohn Christoph, uns für unseren Unterhalt folgende Leistungen zu gewähren: . . . Christoph verpflichtet sich, seinen Geschwistern aus der oben genannten Landwirtschaft 2 358 . . . Pud Weizen zu g e b e n . . . Wenn ein Elternteil stirbt, verringern sich die Unterhaltskosten um die Hälfte. Nach dem Tode der Eltern entfallen die diesbezüglichen Verpflichtungen und alle Sachen gehören dem Christoph. Ausgenommen sind die Kleider der Mutter, die zwischen den 4 Töchtern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollen... Dieses Testament soll so bleiben, wie es verfaßt worden ist; keiner hat das Recht, es abzuändern."

Die Urkunde wurde vom Ehemann der Erblasserin, dessen Sohn Christoph und drei weiteren Kindern, drei Schwiegersöhnen der Erblasserin, zwei Zeugen sowie dem Dorfschulzen von R., nicht aber von der Erblasserin unterzeichnet. Unter den Unterschriften findet sich der Stempel des Dorfschulzen (Soltys gromady) von R./Gemeinde (gmina) Sz. Das „Testament" trägt kein Datum und wurde offenbar von einem Dritten geschrieben. Das Amtsgericht hat aufgrund dieser Urkunde am 25. 6.1964 einen Erbschein für Zwecke des Lastenausgleichs erteilt, nach dem der Antragsteller Alleinerbe des Ehemannes der Erblasserin ist. Der Antragsteller sowie der frühere Dorfschulze von R. sind der Ansicht, daß der Antragsteller gemäß dem „Testament" auch Alleinerbe der Erblasserin geworden sei, da nach den früher in Wolhynien geltenden Gesetzen und Recht der Bauern der Ehemann alle Rechtsgeschäfte - einschließlich der Errichtung von Testamenten - für die Ehefrau habe vornehmen können. Gefragt wird, ob diese Ansicht richtig ist und „Überlassungsvertrag und Testament der Eheleute H. rechtswirksam" sind. 1. [Entfällt, betrifft

Staatsangehörigkeitsiragen]

[Es wird ausgeführt, daß die Erblasserin zur Zeit der Errichtung des Testaments die polnische und im Zeitpunkt ihres Todes die deutsche Staatsangehörigkeit besaß.]

680

Erbrecht

II. Deutsches Internationales

Privatrecht

Nach Art. 24 I EGBGB wird ein Deutscher, unabhängig von seinem letzten Wohnsitz, nach den deutschen Gesetzen beerbt. Für die Gültigkeit letztwilliger Verfügungen von Personen, die - wie die Erblasserin - erst nach Testamentserrichtung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, enthält Art. 24 III 1 EGBGB eine Ausnahme: Erwirbt ein Ausländer, der eine Verfügung von Todes w e g e n errichtet... hat, die Reichsangehörigkeit, so wird die Gültigkeit der Errichtung... nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er zur Zeit der Errichtung... angehörte...

Die Gültigkeit der Testamentserrichtung im Sinne der angeführten Vorschrift umfaßt die Fragen der Testamentsfähigkeit, Form, Stellvertretung, Willensmängel und deren Folgen, nicht dagegen Fragen des Inhalts (der inhaltlichen Zulässigkeit und deren Wirkungen) Gemäß Art. 24 III 2 EGBGB in Verbindung mit Art. 1112 EGBGB genügt jedoch die Beachtung der Formvorschriften des Ortes, an dem das Testament errichtet worden ist. Die Verweisungen des deutschen Internationalen Privatrechts beziehen sich grundsätzlich auf das geltende Recht eines Staates unter Berücksichtigung seiner intertemporalen Vorschriften 2 . Im Falle einer Gebietsabtretung ist jedoch zweifelhaft, ob das Recht des abtretenden oder das des erwerbenden Staates maßgebend ist. Im folgenden wird daher vorsorglich sowohl das polnische als auch das sowjetische Recht geprüft. Eine Rück- oder Weiterverweisung ausländischen Rechts auf das deutsche oder ein drittes Recht ist im Rahmen des Art. 24 III 1 EGBGB zwingend, bei Art. 1112 fakultativ zu beachten 3 . Es werden daher auch die polnischen und sowjetischen Regeln des Internationalen Erbrechts herangezogen. III. Polnisches 1. Internationales

Kollisionsrecht

Privatrecht

Das polnische Internationale Privatrecht ist in dem „Gesetz über das für internationale Privatverhältnisse geltende Recht" von 1926 geregelt 4 . 1

H. M., vgl. Ermanf-Marquordt), Handkommentar zum BGB, II (3. Aufl. 1962), Nr. 4 b zu Art. 24 EGBGB und die dort angeführte Literatur. 2 Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts (1962) 143 f. und 202f.j Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 124; Soergel/Siebert (-Kegel), BGB, V (9. Aufl. 1961), Rdnr. 107 vor Art. 7 EGBGB. 3 Vgl. Soergel/Siebeitf-Kegel), Rdnrn. 73, 78 f. vor Art. 24 EGBGB, Rdnr. 28 zu Art. 27 EGBGB, Rdnrn. 5, 28 zur Art. 11 EGBGB, jeweils mit Nachweisen. 4 Gesetz vom 2. 8. 1926, Text: Dziennik Ustaw 1926 Nr. 101 Pos. 581 j deutsche Ubersetzungen: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht (Loseblattsammlung),

Testament / Wolhynien

(UdSSR, Polen)

681

Einzelne Bestimmungen des Gesetzes v o m 2. 8. 1926 werden zwar im polnischen Schrifttum mit Rücksicht auf die veränderte Rechtslage in der Volksrepublik Polen als nicht mehr in vollem Umfange anwendbar angesehen, diese Bedenken treffen indessen für die hier einschlägigen Bestimmungen (Artt. 5, 29) nicht zu. Sie sind nach w i e vor geltendes Recht 5 . Die angeführten Vorschriften lauten: Art. 5: Die Form eines Rechtsgeschäftes ist dem Recht unterworfen, das für das Rechtsgeschäft gilt; es genügt jedoch die Beachtung des Rechts, das am Ort der Errichtung des Rechtsgeschäfts gilt, sofern dieser Ort feststeht. Alt. 29: Letztwillige Verfügungen und Erbverträge sind nach dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der Vornahme dieser Rechtshandlung zu beurteilen. Eine Rück- oder Weiterverweisung des polnischen Rechts, die nach Art. 27 EGBGB zu beachten wäre, liegt somit nicht vor. 2. Intertemporales

(übergangs-)iíechí

Seit dem 1 . 1 . 1965 gilt in Polen das neue Zivilgesetzbuch v o m 23. 4. 1964 e . Zuvor war das Erbrecht in dem Erbrechtsdekret v o n 1946 geregelt 7 . Die intertemporalen Vorschriften zum neuen Zivilgesetzbuch sind in dem Gesetz v o m 23. 4.1964 über die Einführungsbestimmungen zum Zivilgesetzbuch enthalten 8 . Gemäß Art. LH § 1 dieses Gesetzes finden auf Testamente, soweit es sich um die Beurteilung der Testierfähigkeit v o n Personen, die Form und Willensmängel handelt, die Gesetze Anwendung, die im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments galten. Das polnische intertemporale Recht verweist hier somit auf die im Jahre 1936 in Polen geltenden Gesetze. Polen Texte 57 f. (Artt. 5, 28-40); Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, I (2. Aufl. 1953 ff., Loseblattsammlung), Polen 4-20; Berichtigung der Übersetzung in RabelsZ 22 (1957) 205 Nr. 13. - Anm. d. Red.: Seit dem 1. 7. 1966 gilt in Polen das neue Gesetz über das Internationale Privatrecht vom 12. 11. 1965, Text: Dziennik Ustaw 1965 Nr. 46 Pos. 290, deutsche (nicht immer genaue) Übersetzung: WGO 7 (1965) 378 ff. Den Artt. 5 und 29 des alten Gesetzes entsprechen die Artt. 12 und 35 S. 1. 6 Vgl. Babinski, Zagadnienia wspolczesnego polskiego praw mi^dzynarodowego prywatnego (Fragen des zeitgenössischen polnischen Internationalen Privatrechts; Warschau 1958) 22-42, insbes. 29 f. • Text: Dziennik Ustaw 1964 Nr. 16 Pos. 93. 7 Erbrechtsdekret vom 8. 10. 1946; Text: Dziennik Ustaw 1946 Nr. 60 Pos. 328; deutsche Übersetzungen: Ferid/Firsching, Polen Texte 2-45; Harbich, Das polnische Erbrecht (1957) 8-43. 8 Text: Dziennik Ustaw 1964 Nr. 16 Pos. 94.

682 3. Interterritoriales

Erbrecht

Recht

Vor dem zweiten Weltkrieg bestanden in Polen verschiedene Teilrechtsgebiete 9 . (Eine Vereinheitlichung des Erbrechts erfolgte erst durch das unter III 2 aufgeführte Erbrechtsdekret von 1946.) Die anzuwendende Teilrechtsordnung muß anhand des polnischen interlokalen Privatrechts ermittelt werden. Dieses ist in dem „Gesetz über das für innere Privatrechtsverhältnisse maßgebliche Recht" vom 2. 8. 1926 geregelt 10 . Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes lauten: Art. 1: Die persönliche Fähigkeit eines polnischen Bürgers ist nach den an seinem Wohnort geltenden Gesetzen zu beurteilen. Art. 3: (I) Als Wohnort im Sinne dieses Gesetzes gilt derjenige Ort im Gebiete Polens, in dem ein polnischer Bürger in der Absicht ständigen Aufenthalts w o h n t . . . Art. 28: Letztwillige Verfügungen und Erbverträge sind nach dem Recht des Erblassers im Zeitpunkt der Vornahme dieser Rechtshandlungen zu beurteilen.

Die Erblasserin hatte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ihren Wohnsitz in Wolhynien. Wolhynien gehörte zum Rechtsgebiet des Svod zakonov (Sammlung der russischen Gesetze) n .

IV. Sowjetisches 1. Internationales

Kollisionsrecht

Privatrecht

Das sowjetische Internationale Privatrecht ist in den „Grundlagen für die Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken" von 1961 (im folgenden „Grundlagen" zitiert) und in den mit den Kollisionsnormen der „Grundlagen" übereinstimmenden Vorschriften der neuen Zivilgesetzbücher der Unionsrepubliken geregelt 12 . ü b e r die Formgültigkeit letztwilliger Verfügungen heißt es in Art. 127 der „Grundlagen": 9

Geilke in Ferid/Firsching, Polen Grdz. 18 f.s Korkisch, RabelsZ 12 (1938/39) 852 N. 1, 863 f. 10 Text: Dziennik Ustaw 1926 Nr. 101 Pos. 580; deutsche Ubersetzungen: Ferid/ Firsching, Polen Texte 56; Makarov, Polen 26-36. 11 Vgl. Geilke in Ferid/Firsching, Polen Grdz. 19. 12 „Grundlagen" vom 8. 12. 1961, in Kraft seit dem 1. 5. 1962, Text: W S SSSR 1961 Nr. 50 Pos. 525; deutsche Ubersetzungen: Arnold/Rathieider, Grundlagen des Zivilrechts und des Zivilprozeßrechts der UdSSR (1962) 76; Waehler, WGO 4 (1962) 11; Institut, RabelsZ 27 (1962/63) 722.

Testament

/ Wolhynien

(UdSSR,

Polen)

683

(II) Die Fähigkeit einer Person, ein Testament zu errichten oder aufzuheben, wird ebenso wie die Form der Errichtung eines Testaments und dessen Aufhebung durch das Recht des Landes bestimmt, in dem der Testator im Zeitpunkt der Errichtung oder Aufhebung seinen Wohnsitz hatte. Ein Testament oder dessen Aufhebung können jedoch wegen Nichtbeachtung der Form nicht als unwirksam angesehen werden, wenn diese den Erfordernissen des Ortes der Vornahme der Rechtshandlung oder den Erfordernissen des sowjetischen Rechts genügt. (III) Die Erbfolge in Gebäude, die in der UdSSR belegen sind, bestimmt sich in allen Fällen nach dem sowjetischen Recht. Nach dem gleichen Recht bestimmt sich auch die Fähigkeit einer Person, ein Testament zu errichten oder aufzuheben, sowie dessen Form, w e n n durch Testament über ein Gebäude, das in der UdSSR belegen ist, verfügt wird. Eine R ü c k v e r w e i s u n g auf das deutsche Recht l i e g t demnach nicht vor. 2. Interterritoriales

Recht

D i e Form e i n e s Rechtsgeschäftes ist g e m ä ß Art. 18 Nr. 3 der „Grundlagen" nach d e m Recht zu beurteilen, das am Ort der V o r n a h m e d e s Rechtsgeschäftes gilt. D a s s o w j e t i s c h e interterritoriale Recht v e r w e i s t hier somit auf das Recht der Ukrainischen SSR. 3. Sowjet-ukrainisches

intertemporales

Recht

In der Ukrainischen SSR gilt seit d e m 1.1. 1964 das n e u e Z i v i l g e s e t z buch der Ukrainischen SSR v o m 1 8 . 7 . 1 9 6 3 1 3 . Das Z i v i l g e s e t z b u c h ist a n die S t e l l e d e s Z i v i l g e s e t z b u c h e s der Ukrainischen SSR v o n 1922 g e t r e t e n 1 4 . Das n e u e Z i v i l g e s e t z b u c h ist auf d i e j e n i g e n „rechtlichen V e r h ä l t n i s s e " a n z u w e n d e n , die nach s e i n e m Inkrafttreten ( 1 . 1 . 1 9 6 4 ) „entstanden" sind, ferner auf „Rechte u n d Pflichten aus a l t e n Rechtsverhältnissen", s o f e r n die b e t r e f f e n d e n Rechte u n d Pflichten nach d i e s e m Zeitpunkt e n t s t a n d e n sind 1 5 . D i e N o r m e n d e s n e u e n Z i v i l g e s e t z b u c h e s der U k r a i n i s c h e n SSR h a b e n demnach grundsätzlich k e i n e Rückwirkung. D i e s e r Grundsatz dürfte - m a n g e l s ausdrücklicher gesetzlicher R e g e l u n g - auch für die Formgültig15 Text: Grazdanskij Kodeks Ukrainskoj SSR (Zivilgesetzbuch der Ukrainischen SSR: Kiew 1964) 5-203. 14 Text: Grazdanskoe zakonodatelstvo SSSR i Sojuznych Respublik (Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken; Moskau 1957) 255-302. 16 Diese intertemporalrechtlichen Grundsätze ergeben sich aus dem Erlaß über die Einführung der „Grundlagen" vom 10. 4. 1962 ( W S SSSR 1962 Pos. 156) sowie aus dem Erlaß der RSFSR vom 12. 6. 1964 ( W S RSFSR 1964 Pos. 416) über die Einführung des Zivilgesetzbuches der RSFSR. Die dem Institut bisher nicht vorliegenden Einführungsbestimmungen zum neuen Zivilgesetzbuch der Ukrainischen SSR dürften die gleichen Regeln enthalten.

684

Erbrecht

keit von Testamenten gelten. (Ausnahmen von diesem Grundsatz wären lediglich ,in favorem testamenti' denkbar, wenn auch praktisch kaum erforderlich, da die Vorschriften des neuen und alten ukrainischen Zivilrechts über die Testamentsform - geboten ist regelmäßig die notarielle Form im wesentlichen übereinstimmen.) Damit erhebt sich zugleich die Frage, ob die Formgültigkeit des in Wolhynien vor dessen Einverleibung in die UdSSR errichteten Testaments nach dem früher dort geltenden Recht oder nach dem seit 1939 in Wolhynien geltenden Zivilgesetzbuch der Ukrainischen SSR von 1922 zu beurteilen ist. Intertemporale Vorschriften zur Einführung des Sowjetrechts in Wolhynien fehlen. Es bestehen jedoch keine Bedenken, die anläßlich der (etwa gleichzeitigen) Einverleibung Estlands, Lettlands und Litauens in die UdSSR ergangenen intertemporalen Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Der Erlaß der UdSSR über die provisorische Anwendung der Gesetzgebung der RSFSR auf dem Gebiet der Litauischen, Lettischen und Estnischen SSR von 1940 bestimmt in Art. 416: Uber Vermögensstreitigkeiten aus zivilrechtlichen... Verhältnissen erkennen, unabhängig von dem Zeitpunkt ihrer Entstehung, die Gerichtsorgane... gemäß den... Gesetzbüchern der RSFSR...

Eine ausführlichere Regelung enthält das sowjetisch-estnische Dekret vom 30.12.1940 über die Einführung des Zivilgesetzbuches der RSFSR in der Estnischen SSR17. In Art. 3 des Dekrets heißt es: Akte und Rechtsgeschäfte, die vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der RSFSR... vorgenommen wurden, sind auch dann gültig, wenn sie nicht in schriftlicher Weise oder notarieller Form vorgenommen wurden, vorausgesetzt, daß sie der Sache nach nicht im Widerspruch zur sozialistischen Rechtsordnung stehen.

Der angeführten Vorschrift ist zu entnehmen, daß die im Jahre 1940 in der Estnischen SSR eingeführten sowjetischen Gesetze sich nicht auf Testamente erstrecken sollten, die vor der Eingliederung in Übereinstimmung mit dem seinerzeit geltenden Recht errichtet worden sind. Diese Annahme wird durch ein Urteil des Obersten Gerichts der UdSSR aus dem Jahre 1948 gestützt 18 . 18

523.

Deutsche Übersetzung: Zeitschrift für osteuropäisches Recht N. F. 7 (1940/41)

17 Nachdruck: Chronologiceskoe sobranie zakonov Estonskoj SSR... (Chronologische Sammlung der Gesetze der Estnischen SSR...) Band I: 1940-1941 (1953) 193-195. 18 Vgl. Sudebnaja praktika Verchovnogo Suda SSSR (Gerichtspraxis des Obersten Gerichts der UdSSR) 1948 Nr. 5 (S. 3); deutsche Übersetzung: Baltisches Recht Nr. 2 (1963) 19-20.

Testament / Wolhynien (UdSSR, Polen)

685

In dem Urteil wird die Gültigkeit eines in Estland während der deutschen Okkupation im Jahre 1944 geschlossenen Erbvertrages bejaht. Die Gültigkeit war von den Gerichten der unteren Instanzen in Zweifel gezogen worden, weil das sowjetische Recht keine Erbverträge kennt. Entsprechende Entscheidungen lassen sich zwar für Wolhynien nicht nachweisen. Soweit jedocäi aus diesem Grunde Zweifel bestehen sollten, ob auch bei Einführung des Sowjetrechts in Wolhynien auf eine rückwirkende Regelung früher errichteter Testamente verzichtet wurde, ist von dem Grundsatz auszugehen, daß eine Rüdewirkung nicht vermutet wird. Sollte das Sowjetrecht gleichwohl auch abgeschlossene Sachverhalte erfassen wollen, wäre eine solche „.revolutionäre' zeitliche Kollisionsnorm des Sowjetrechts" von einer Anwendung durch die deutschen Gerichte ausgeschlossen (Art. 30 EGBGB)19. Insgesamt ergibt sich, daß sowohl nach dem polnischen als auch nach dem sowjetischen Recht die Gültigkeit des Testaments aufgrund des früher in Wolhynien geltenden Rechts zu beurteilen ist. V. Wolhynisches

Testamentsrecht

In Wolhynien galten, wie gesagt (vgl. III 3), die zivilrechtlichen Vorschriften der Gesetzessammlung des russischen Reiches (Svod zakonov, 1. Teil des X. Bandes). Das russische Recht wurde in der am 1.8.1915 bestehenden Fassung angewandt 20 . Einige erbrechtliche Bestimmungen des Svod zakonov waren durch den polnischen Gesetzgeber aufgehoben oder geändert worden 21 . Insbesondere hatte eine Verordnung aus dem Jahre 1927 das Gewohnheitsrecht der Bauern und damit auch das Gewohnheitsrecht in den Erbschaftssachen der Dorfbewohner und Kolonisten aufgehoben 22 . 19

Vgl. Makarov, Die Einführung der Sowjetgesetzbücher in den der Sowjetunion neu angegliederten Gebieten: Zeitschrift für osteuropäisches Recht N. F. 7 (1940/41) 423-441 (441). 20 Artt. 1 f. der Verordnung vom 26. 3. 1927 über den Reditszustand in den Wojewodschaften Wilna, Nowogrodek, Polesien und Wolhynien...; Text: Dziennik Ustaw 1927 Nr. 31 Pos. 258; deutsche Übersetzung: Zeitschrift für Ostredit 1 (1927) 246 f.: siehe auch Bossowski, Zeitschrift für Ostredit 1 (1927) 244-246. 21 Vgl. die Übersicht bei Bossowski, Spadkowe prawo, Wojewödstwa wschodnie (Das Erbrecht der östlichen Wojewodschaften): Encyklopedja podr^czna prawa prywatnego, IV Heft 5 (Enzyklopädie des Privatrechts; Warschau 1940) 2179. 22 VO vom 17. 10. 1927, Text: Dziennik Ustaw 1927 Nr. 92 Pos. 824 (geändert durch das Gesetz vom 14.4. 1937: Dziennik Ustaw 1937 Nr.30 Pos. 223); siehe hierzu: Oberstes Gericht Polen 26. 11. 1929, deutsche Ubersetzung: Zeitschrift für Ostredit 4 (1930) 985 f. mit Anmerkung von Bossowski (986-990); Rymowicz/ Swi^cicki, Prawo cywilne ziem wsdiodnidi, I (Das Zivilrecht der östlichen Gebiete; Warschau 1932), Nr. 19 zu Art. 1184 (S. 665); vgl. auch (zum früheren Gewohnheits-

Erbrecht

686

Die in Wolhynien fortgeltenden Bestimmungen des Svod zakonov sahen zwei ordentliche Testamentsformen vor: öffentliche und private Testamente. Den öffentlichen Testamenten waren die sogenannten „Dorftestamente" gleichgestellt 2 3 . Danach konnten die Dorfbewohner ihren letzten Willen - soweit er Vermögen bis zum W e r t e von 2000 Zloty betraf - in der Gemeindeverwaltung in Gegenwart von zwei Zeugen mündlich zu Protokoll des Bürgermeisters der Gemeinde (gminna) oder dessen Stellvertreter erklären. Der Testator erhielt dann eine Ausfertigung der gesamten Eintragung in das Vertrags- und Testamentsbuch der Gemeinde 2 4 . Bei dem vorliegenden Testament, das vor dem Dorfschulzen (soltys gromady), nicht jedoch v o r dem Gemeindebürgermeister (wójt gminny) errichtet wurde, handelt es sich offenbar nicht um die Ausfertigung einer solchen Eintragung in das Vertrags- und Testamentsbuch einer Gemeinde. Die Formgültigkeit ist hier somit nach den allgemeinen Vorschriften des Svod zakonov über privatschriftliche Testamente zu beurteilen: Svod zakonov,

Teil 1 des X.

Bandes:

Art. 1045: Private Testamente werden am Aufenthaltsort des Testators geschrieben. Das private Testament kann auf Papier beliebigen Formats und Ausmaßes geschrieben werden... Art. 1046: Das private Testament wird entweder in seinem ganzen Umfang vom Testator eigenhändig oder, auf dessen Verlangen und nach dessen Diktat, von einem anderen geschrieben; in jedem Falle muß es vom Testator unterzeichnet sein. Die Unterschrift muß Vor-, Vatersnamen und Familien- oder Zunamen enthalten. Art. 1048: Wenn das Testament von einem anderen geschrieben ist, so muß es außer der eigenhändigen Unterschrift des Testators die Unterschrift desjenigen enthalten, der das Testament geschrieben hat, ferner die Unterschriften von drei oder wenigstens zwei Zeugen, wenn sich unter diesen der Seelsorger des Testators befindet. In der Unterschrift muß auch der Stand des Testators genau angegeben sein. Die Vereinigung der Funktion des Schreibers, des für den Testator unterrecht der Dorfbewohner und Kolonisten): Ballerstedt, Erbrecht und Erbsitten des Bauerntums in Polen: Osteuropa 14 (1938/39) 415-426; Rymowicz/Swiqcicki 663665; Klibanski, Handbuch des gesamten russischen Zivilrechts, II (1917) 128-130; Tjutrjumov, Zakony grazdanskie..., 3. Aufl. (Die Zivilgesetze...; St. Petersburg 1911), Nrn. 1-24 zu Art. 1184 (S. 791-794). 23 Vgl. Allgemeine Gesetze betr. die Bauern (Beilage zum Gesetzbuch über die Stände, Ausgabe 1902, Buch I Art. 110 Anm. 2), Nachdruck: Rymowicz/Swifcicki 545, geändert durch Art. 6 der VO vom 17. 10. 1927 (Dziennik Ustaw 1927 Nr. 92 Pos. 824) und durch Art. 1 des Gesetzes vom 14. 4. 1937 (Dziennik Ustaw 1937 Nr. 30 Pos. 223). 24 Vgl. Bossowski, Encyklopedja . . . 2184.

Testament

/ Wolhynien

(UdSSR,

Polen)

687

schreibenden und des Zeugen in einer Person ist verboten. Deshalb darf der Schreiber des Testaments weder die Unterschrift für den Testator leisten, noch darf er Testamentszeuge sein oder für einen Zeugen unterschreiben; in gleicher Weise kann eine Person, die für den Testator unterschreibt, weder Testamentszeuge sein, noch kann sie für einen Zeugen unterschreiben. Art. 1053: Wenn der Testator nicht zu unterschreiben vermag oder wegen Krankheit nicht eigenhändig unterschreiben kann, so muß das Testament, abgesehen von den Zeugen, an Stelle des Erblassers und auf dessen Verlangen von einer anderen Person unterschrieben sein. Diese Person muß dieselben Eigenschaften besitzen, die für einen glaubwürdigen Testamentszeugen erforderlich sind. Außerdem muß in der Unterschrift dieser Person besonders angegeben sein, ob sie wegen des Unvermögens des Testators, zu schreiben, oder wegen seiner Krankheit unterschrieben hat. Art. 1066: Testamente, welche entgegen den im Gesetz bestimmten Formvorschriften errichtet sind, werden zur Bestätigung nicht angenommen.

Wie sich aus den aufgeführten Vorschriften ergibt, verstößt die vorliegende Urkunde, wenn sie als Testament der Erblasserin gelten soll, gegen das Formerfordernis des Art. 1048, nach dem der Testamentsschreiber die letztwillige Verfügung unterschreiben muß, sowie gegen das der eigenhändigen Unterzeichnung durch den Testator (Art. 1046; die Voraussetzungen des Art. 1053 liegen offensichtlich nicht vor). Eine Befugnis des Ehemannes, seine Frau bei allen Rechtsgeschäften - einschließlich der Errichtung von Testamenten - zu vertreten, war dem zur Zeit der Testamentserrichtung in Wolhynien geltenden Recht nicht bekannt 2 5 . Angesichts der beiden festgestellten Mängel kann - im Interesse einer Kostenersparnis - offenbleiben, ob weitere Formverstöße und damit Ungültigkeitsgründe darin zu sehen sind, daß die letztwillige Verfügung als gemeinschaftliches Testament entworfen und mit einem Hofübergabevertrag verbunden ist, obwohl gemäß Art. 1032 des Svod zakonov ein Testament lediglich Verfügungen einer Person enthalten darf. Am Rande sei schließlich bemerkt, daß nach Art. 81 §§ 1 f. der polnischen Notarordnung vom 27.10.1933 Verträge, die den Übergang des Eigentums an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, der notariellen oder gerichtlichen Form bedürfen. VI. Ergebnis Die im Jahre 1936 in Wolhynien errichtete Urkunde ist als Testament der Erblasserin wegen Verstoßes gegen wesentliche Formvorschriften ungültig. 25 Dagegen ist unerheblich, daß der Vatersname in der Unterschrift des Ehemannes der Erblasserin entgegen der Vorschrift des Art. 1046 fehlt. Vgl. Klibanski, Anm. zu Art. 1047.

Erbrecht

688

Nr. 60 Südafrikanische Union 1. Gemeinsames Testament in der Südafrikanischen Union und seine Bindungswirkung. 2. Teilrückverweisung bei kollisionsrechtlicher Nachlafispaltung und ihre Auswirkungen auf den Erbschein. 3. Wirkungen der Bestellung eines Erben zum Executor für den Erbscheinsinhalt. Hamburg G 122/65 vom 15. 9.1965

Das Amtsgericht Hamburg bittet in den Nachlaßsachen G. um Auskunft über Internationales Privat- und Verfahrensrecht sowie südafrikanisches Erbrecht. Aus den übersandten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Am 11.10.1960 ist in Johannesburg (Südafrika), seinem letzten Wohnsitz, der südafrikanische Staatsangehörige Heinrich G. G. verstorben. Seine Ehefrau, Helene G. geb. T., war bereits am 10. 6. 1959 in Johannesburg verstorben; auch sie besaß im Zeitpunkt ihres Todes die südafrikanische Staatsangehörigkeit und hatte ihren Wohnsitz in Johannesburg. 1. Die Erblasser haben am 10. 1. 1957 in Johannesburg ein gemeinschaftliches Zweizeugentestament errichtet, durch das sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Nach dem Tode des überlebenden Ehegatten sollte der Nachlaß zu gleichen Teilen auf folgende Personen vererbt werden: a) b) c) d)

Herbert E. G. (Sohn) ; Günther J. G. (Sohn) ; Ronald S. G. (Enkelsohn); Eric B. G. (Enkelsohn).

Ein weiterer gemeinsamer Sohn der Erblasser, Kurt M. G., ist in dem gemeinschaftlichen Testament nicht bedacht worden. Zum „executor" haben die Erblasser für den ersten Erbfall einander gegenseitig, für den zweiten Erbfall Herrn Gabriel P., Kapstadt, bestimmt. Dieser hat durch Affidativ (Eidesstattliche Erklärung) vom 27.11.1964 die Übernahme des Amtes abgelehnt. 2. Nach dem Tode seiner Ehefrau hat der Erblasser Heinrich G. G. am 7. 4. 1960 in Johannesburg ein weiteres Zweizeugentestament errichtet. Hierin hat er in Abweichung von dem gemeinschaftlichen Testament seine drei Söhne zu Erben benannt, und zwar a) Kurt M. G. zu Va; b) Herbert E. G. und c) Günther J. G. zu je 1U des Nachlasses. Zur „executrix" wurde Frau Lucie G., Johannesburg, ernannt.

Testament / Südafrikanische Union

689

Die Begünstigten zu 1) haben zur Vorlage beim Amt für Wiedergutmachung in Hamburg die Erteilung von gegenständlich beschränkten Erbscheinen dahingehend beantragt, daß gemäß dem gemeinschaftlichen Testament vom 10.1.1957 die Erblasserin Helene G. von ihrem Ehemann Heinrich G. G. als Alleinerbe, dieser von den Antragstellern zu je des Nachlasses beerbt worden sind. Sie halten das spätere Testament des Erblassers Heinrich G. G. vom 7.4. 1960 für unwirksam, da der Erblasser angesichts des gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tode seiner Ehefrau nicht befugt gewesen sei, anderweitige letztwillige Verfügungen zu treffen. Das Gericht bittet um eine gutachtliche Stellungnahme.

I. Gültigkeit 1.

der Testamente

vom 10. 1. 1957 bzw. 7. 4. i960

Formwirksamkeit

a) Grundsätzlich wird die Form eines Testaments durch das Erbstatut als das für seinen Inhalt maßgebende Recht bestimmt (Art. 1 1 1 1 EGBGB); es genügt jedoch, wenn es den am Errichtungsort geltenden Formvorschriften (Ortsiecht) genügt (Art. 1112 EGBGB) K b) Die südafrikanischen Formerfordernisse für Testamente sind durch den Wills Act von 1953 (abgeändert durch den Wills Amendment Act von 1957) für das gesamte Gebiet der Südafrikanischen Union (jetzt Südafrikanische Republik) einheitlich geregelt worden. Die einschlägigen Bestimmungen (sec. 2 - 1 a) dieses Gesetzes lauten: „No will executed on or after the first day of January, 1954, shall be valid unless (1) the will is signed at the end thereof by the testator or by some other person in his presence and by his direction; and (2) such signature is made by the testator or by such other person or is acknowledged by the testator and, if made by such other person, also by such other person, in the presence of two or more competent witnesses present at the same time; and (3) such witnesses attest and sign the will in the presence of the testator and 1

44

Vgl. Soergel(-Kegei) M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

Ein Testament, das am 1. Januar 1954 oder später errichtet wird, ist nur unter folgenden Voraussetzungen gültig: (1) Das Testament muß am Schluß vom Testator oder in Gegenwart des Testators und nach seiner Anweisung von einer anderen Person unterzeichnet werden. (2) Diese Unterschrift muß in gleichzeitiger Gegenwart von zwei oder mehr zeugnisfähigen Personen vom Testator oder der anderen Person vollzogen oder vom Testator und, wenn sie von einer anderen Person vollzogen wird, auch von dieser anerkannt werden. (3) Die Zeugen müssen das Testament in Gegenwart des Testators und des

BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), vor Art. 24 EGBGB Anm. 35.

Erbrecht

690

of each other and, if the will is signed by such other person, in the presence also of such other person; and

(4) if the will consists of more than one page, each page is so signed by the testator or by such other person and by such witnesses; and (5) if the will is signed by the testator by the making of a mark or by some other person in the presence and by direction of the testator, a magistrate, justice of the peace, commissioner of oaths or notary public certifies at the end thereof that he has satisfied himself as to the identity of the testator and that the will so signed is the will of the testator, and if the will consists of more than one page, each page is signed by the magistrate, justice of the peace, commissioner of oaths or notary public who so certifies."

oder der anderen Zeugen sowie, falls das Testament von einer anderen Person unterzeichnet ist, auch dieser anderen Person bezeugen und unterzeichnen. (4) Falls das Testament mehr als eine Seite umfaßt, muß jede Seite in der angegebenen Weise vom Testator oder der anderen Person und den Zeugen unterzeichnet werden. (5) Falls das Testament vom Testator durch Handzeichen oder von einer anderen Person in Gegenwart des Testators und nach seiner Anweisung unterzeichnet wird, muß ein magistrate, justice of the peace, commissioner of oath oder notary public am Schluß des Testaments bescheinigen, daß er sich von der Identität des Testators und davon überzeugt hat, daß das in dieser Weise unterzeichnete Testament das Testament des Testators ist (dem Willen des Testators entspricht), und, falls das Testament mehr als eine Seite umfaßt, muß jede Seite von dem bescheinigenden magistrate, justice of the peace, commissioner of oaths oder notary public unterzeichnet werden.

Eine e i g e n h ä n d i g e Niederschrift, w i e sie § 2247 I BGB vorsieht, ist in Übereinstimmung mit d e m englischen Recht nicht erforderlich. V i e l m e h r erklärt der südafrikanische Interpretation A c t v o n 1957, der auch auf den W i l l s A c t v o n 1953-1957 A n w e n d u n g findet, in sec. 3 ausdrücklich, daß unter „writing" auch eine maschinenschriftliche Erklärung zu v e r s t e h e n ist. Desgleichen ergeben sich nach südafrikanischem Erbrecht k e i n e Bed e n k e n daraus, daß die Eheleute ihren letzten W i l l e n in einer einzigen Urkunde niedergelegt haben. Gemeinschaftliche Testamente (joint oder mutual wills) sind auch nach südafrikanischem Erbrecht zulässig 2 . Somit sind beide Testamente formwirksam errichtet worden. 2. Materielle

Gültigkeit

a) Die inhaltliche Gültigkeit und die W i r k u n g e n eines Testaments beurteilen sich nach dem Erbstatut. D i e s e s bestimmt sich nach Artt. 24/25 2 Näheres zum gemeinschaftlichen Testament, insbesondere zu seiner Bindungswirkung, unten unter 2c.

Testament

/ Südafrikanische

691

Union

EGBGB. Danach wird ein Ausländer - auch wenn er zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz nicht im Inland hatte - nach den Gesetzen desjenigen Staates beerbt, dem er im Zeitpunkt seines Todes angehörte 3 . Mit der in der deutschen kollisionsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung wohl herrschenden Meinung ist das Institut der Auffassung, daß auch die Frage, inwieweit ein Erblasser an ein gemeinschaftliches Testament gebunden war, nach dem zur Zeit des Erbfalles maßgebenden Erbstatut zu beurteilen ist; diesem obliegt auch die Entscheidung, ob die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Verfügungen überhaupt als wechselseitige, d. h. einander bedingende, getroffen werden konnten. Andere stellen insoweit auf das Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ab oder schlagen die Kumulation beider Rechte vor 4 . Da im vorliegenden Fall zu unterstellen sein dürfte, daß die Erblasser bereits im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (1957) die südafrikanische Staatsangehörigkeit besaßen, kann die Kontroverse hier indessen auf sich beruhen. Maßgebend ist in jedem Fall das Recht der südafrikanischen Republik. Eine Rück- oder Weiterverweisung durch das südafrikanische Kollisionsrecht auf das deutsche oder ein drittes Recht wäre jedoch gemäß Art. 27 EGBGB zu beachten. b) Das Internationale

Privatrecht

der Südafrikanischen

Republik

unter-

scheidet - in Ubereinstimmung mit den übrigen Rechten des anglo-amerikanischen Rechtskreises - zwischen unbeweglichem und beweglichem Vermögen und erklärt für das erstere das Recht des Lageortes (lex rei sitae), für das letztere dagegen das Recht desjenigen Staates für maßgebend, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes domiziliert war 5 . Die Entschei3 BGH 21. 12. 1955, BGHZ 19, 315 = IPRspr. 1954-55 Nr. 136; Soergel(-Kegel), vor Art. 24 EGBGB Anm. 3 und 4. 4 Für Heimatrecht beim Tode: OLG Frankfurt/M. 2. 7. 1953, NJW 1954, 111; OLG Neustadt/Weinstr. 29. 2. 1952, IPRspr. 1952-53 Nr. 234; Palandt(-Lauterbach), BGB (24. Aufl. 1965) Art. 24 EGBGB Anm. 3; Neuhaus/Gündisch, Gemeinschaftliche Testamente amerikanischer Erblasser: RabelsZ 21 (1956), 550ff. (556f.); Frankenslein, IPR, Bd. III (1934) 522ff. (anders noch Bd. I [1926] 136); Zilelmann, IPR, Bd. II (1912) 184. Für Heimatrecht bei Errichtung: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht (Stand 1964) Bd. I, sub. Deutschland, Grundzüge, Anm. 39f.; Erman(-Marquordt), Handkommentar zum BGB, Bd. II (3. Aufl. 1962), Artt. 24/25 EGBGB Anm. 4e; Soergel(-Kegei), vor Art. 24 EGBGB Anm. 41 ff.; Staudinger(-Raape), Kommentar zum BGB, Bd. VI/2 (9. Aufl. 1931) Art. 24 EGBGB Anm. F III, S. 680 und Art. 25 EGBGB Anm. B IV 2e, S. 702ff.; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 433f. Für Kumulation beider Rechte: Lewald, Das deutsche IPR (1931) 320f. 5 Vgl. Hahlo/Kahn, The Union of South Africa (The British Commonwealth, hrsg. von Keeton, Bd. V, 1960) 753ff.; Kahn, Choice of Law in Succession in the South African Conflict of Laws: South African Law Journal 73 (1956) 303-304, 312-313; Maasdorp(-Hall), Institutes of South African Law, Bd. I (8. Aufl. 1958) 104; Meyerowitz, Law and Practice of Administration of Estates (2. Aufl. 1954) 204; Lee(-Honoré), South African Law of Property, Family Relations and Successions

44 »

692

Eibrecht

dung darüber, was als unbewegliches Vermögen anzusehen ist, wird dem Recht des Lageortes überlassen 6 . Der deutsche Richter nimmt diese Teilrückverweisung an 7 . Er sieht sich aber vor die Schwierigkeit gestellt, daß das deutsche Recht die Unterscheidung von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen zwar für Sachen, nicht aber für Vermögenswerte Rechte kennt. Hier ist darauf abzustellen, in welcher Beziehung das betreffende Recht zu einer Sache steht. So wird ein Rückerstattungsanspruch in der Rechtsprechung 8 und im überwiegenden Teil des Schrifttums 9 dann als unbewegliches Vermögen qualifiziert, wenn er auf Rückerstattung eines Grundstücks gerichtet ist. Ob es sich im vorliegenden Fall u. a. um einen solchen Anspruch handelt, ist der Gerichtsakte nicht zu entnehmen. Gegebenenfalls ist die materielle Gültigkeit des Testaments insoweit kraft Rückverweisung nach deutschem Recht zu beurteilen. Für die testamentarische Erbfolge in bewegliches Vermögen ist dagegen - wie gesagt - nach dem Kollisionsrecht der Südafrikanischen Republik das Recht des Domizilstaates der Erblasser im Zeitpunkt ihres Todes maßgebend. Für die Bestimmung des Domizils unterscheidet das südafrikanische Kollisionsrecht - ebenfalls in Übereinstimmung mit den übrigen Rechten des anglo-amerikanischen Rechtskreises - zwischen dem durch Geburt erworbenen domicile of origin (Domizil des ehelichen Vaters bzw. der unehelichen Mutter zur Zeit der Geburt) und dem domicile of choice. Letzteres kann eine volljährige Person dadurch erwerben, daß sie sich in einem anderen Land mit der Absicht niederläßt, dort für immer oder jedenfalls auf unbestimmte Zeit zu verbleiben (sog. animus manendi) und nicht mehr in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren (sog. animus non revertendi) 10 . Im vorliegenden Fall dürfte die Domizilfrage keinen Zweifeln unterliegen. Der langjährige Aufenthalt in Südafrika und der Erwerb der südafrikanischen Staatsangehörigkeit weisen vielmehr mit Sicherheit darauf hin, daß die Erblasser im Zeitpunkt ihres Todes in Südafrika domiziliert waren. Es bleibt also bei der Anwendung des Testamentsrechts der Südafrikanischen Republik. (1954) 148 f. Zum englischen Recht vgl. Cheshire, Private International Law (6. Aufl. 1961) 461, 588; Dicey(-Morris), Conflict of Laws (7. Aufl. 1958) 518, 598; Martin Wölfl, Private International Law (2. Aufl. 1950) 567, 575. 6 Lee(-Honore) 148; Cheshire 462; Martin Woilf 502 ff. 7 BGH 5. 6. 1957, BGHZ 24, 352 (355) = IPRspr. 1956-57 Nr. 146; OLG Frankfurt/M. 2. 7. 1953, RabelsZ 19 (1954) 554 mit ausführlicher Anmerkung von Neuhaus. 8 BGH 5. 6. 1957 aaO; OLG Frankfurt/M. 2. 7. 1953 aaO. 9 Raape 418; Neuhaus 565. 10 Vgl. hierzu Hahlo(-Kahn) 732 ff.; Maasdorp(-Hali) 4ff. Zum englischen Domizilbegriff vgl. Cheshire 164ff.; Dicey(-Treitel) 85ff. ; Henrich, Der Domizilbegriff im englischen IPR: RabelsZ 25 (1960) 456 ff.

Testament

/ Südafrikanische

Union

693

c) Das südafrikanische Erbrecht kennt sogenannte „mutual wills", d.h. gegenseitig voneinander abhängige letztwillige Verfügungen, durch die zwei Personen (nicht unbedingt Eheleute) einander gegenseitig und auf den Tod des Uberlebenden einen Dritten bedenken. Derartige wechselbezügliche Testamente sind zwar zu Lebzeiten beider Teile - einzeln oder gemeinsam - frei widerruflich, doch entfällt grundsätzlich die Widerrufsmöglichkeit mit dem ersten Todesfall. Nur wenn der überlebende das ihm Zugewandte ausschlägt, kann er seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen aufheben. Nimmt er es dagegen an - wie es im vorliegenden Fall offenbar geschehen ist - , so kann er die Rechte eines im wechselbezüglichen Testament auf den Tod des überlebenden bedachten Dritten nicht mehr beschränken oder gar vernichten; darauf abzielende letztwillige Verfügungen sind unwirksam (void) u . Somit ist das wechselbezügliche Testament der Eheleute G. vom 10.1. 1957 durch das spätere Einzeltestament des überlebenden Ehemannes vom 7. 4. 1960 nicht aufgehoben worden. Die inhaltliche Gültigkeit des ersten Testaments wird auch nicht dadurch berührt, daß der eine der Söhne der Erblasser, Kurt M. G., darin nicht bedacht worden ist, da das südafrikanische wie das englische Erbrecht ein Pflichtteils- oder Noterbrecht der nächsten Angehörigen des Erblassers nicht kennt 1 2 . II. Deutscher

Erbschein

1. Form Die unterschiedliche Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen durch das Internationale Privatrecht der Südafrikanischen Republik kann im vorliegenden Fall zur Anwendung verschiedener Rechtsordnungen führen. Eine solche Spaltung des Nachlasses hätte zur Folge, daß jeweils die der gleichen Rechtsordnung unterliegenden Nachlaßteile als selbständiger Sondernachlaß zu behandeln wären. Das ist in der deutschen Lehre und Praxis einhellig anerkannt 1 8 . Demgemäß wäre gegebenenfalls für den dem deutschen Recht unterliegenden unbeweglichen Nachlaß nicht ein gegenständlich beschränkter 11 Vgl. hierzu Wi'JJe, Principies of South African Law (5. Aufl. 1961) 263 f.; Hahlo(-Kahn) 644 ff.¡ Síeyn, The Law of Wills in South Africa (2. Aufl. 1948) 177ff.; Geffen, The Laws of South Africa Affecting Women and Children (1928) 200ff.; Bell, Drafting of Wills (1926) 11 ff.; Juta, The Law of Wills as Administered in the Courts (1916) 50 ff. 12 Vgl. Wille 271 f.; Hahlo(-Kahn) 625f. 1 3 BGH 5. 6. 1957 aaO 355; Palandt(-Lauteibach), Art. 24 EGBGB Anm. 2; Erman (-Marquordt), Artt. 24/25 EGBGB Anm. 9; Raape 419f.; Martin Wolff, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 226, 233; Staudinger(-Raape), Art. 25 EGBGB Anm. C V 1, S. 706; Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 359.

694

Erbrecht

Fremdrechtserbschein, sondern ein gewöhnlicher Eigenrechtserbschein gemäß § 2353 BGB zu erteilen, aus dem allerdings hervorgehen muß, daß seine Gültigkeit auf diesen dem deutschen Recht unterstehenden Nachlaß beschränkt i s t u . Handelt es sich dagegen bei den geltend gemachten Ansprüchen nach den dargelegten Grundsätzen um bewegliches Vermögen, so kommt nur ein gegenständlich beschränkter Fremdrechtserbschein in Betracht. Die Internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichts zu seiner Erteilung ergibt sich aus § 2369 BGB. Es ist dabei gleichgültig, ob das Erbstatut die Institution des Erbscheins kennt 1 5 und ob es den deutschen Erbschein anerkennt 1B . Das Verfahren (insbesondere die formellen Voraussetzungen der Erteilung) unterliegt in beiden Fällen deutschem Recht 17 . 2. Inhalt Bei der Abfassung des Erbscheins ist auf die vom deutschen Recht abweichende Rechtsstellung des Erbschaftsverwalters Rücksicht zu nehmen. Denn in der Südafrikanischen Republik - wie allgemein in anglo-amerikanischen Ländern - geht der Nachlaß nicht unmittelbar auf die Erben über, sondern er fällt zunächst im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an einen Erbschaftsverwalter, den sogenannten personal representative des Erblassers. Das ist bei testamentarischer Erbfolge in der Regel ein vom Erblasser im Testament ernannter „executor" (Testamentsvollstrecker). Lehnt dieser aber - wie im vorliegenden Fall - die Übernahme des Amtes ab, so fällt die Erbschaftsverwaltung dadurch nicht etwa fort, sondern an seine Stelle tritt ein vom Nachlaßgericht durch sogenannte „letters of administration" mit rückwirkender Kraft in seine Rechte eingesetzter „executor dative", dem auch bei gesetzlicher Erbfolge die Erbschaftsverwaltung obliegt. Der „personal representative" - „executor" oder „executor dative" verwaltet den Nachlaß treuhänderisch (in trust) zugunsten der Nachlaßbeteiligten. Seine Aufgabe besteht in erster Linie darin, die Nachlaßforderungen einzutreiben und den Nachlaß in Geld umzusetzen sowie die Nachlaßverbindlichkeiten zu begleichen; alsdann hat er den verbleibenden Restnachlaß nach Maßgabe der testamentarischen Anordnungen des Erblassers bzw. der gesetzlichen Erbfolgeregeln zu verteilen. Für die Dauer der Erbschaftsverwaltung liegt bei ihm die alleinige Verfügungsbefugnis über die Nachlaßgegenstände. Zwar kann er von den Erben für 14 OLG Köln 3. 12. 1954, N J W 1955, 755; BayObLG 27. 11. 1959, N J W i960, 775 (776); Soergel(-Kegel), vor Art. 24 EGBGB Anm. 67 mit w e i t e r e n Nachweisen. 15 OLG Colmar 30. 12. 1912, KGJ 15, 314. 18 Vgl. Soergel(-Kegel), v o r Art. 24 EGBGB Anm. 68. 17 Vgl. Soergel(-Kegel), vor Art. 24 EGBGB Anm. 69.

Testament

/ Südafrikanische

Union

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eine Pflichtverletzung zur Verantwortung gezogen werden, doch wird hierdurch nur das Innenverhältnis betroffen; nach außen ist der „personal representative" der einzige und alleinige Berechtigte 18 . Dies gilt auch für Entschädigungsansprüche, auf die sich sowohl nach südafrikanischer 19 als auch nach deutscher Auffassung 20 ebenfalls die Rechte des „personal representative" erstrecken. Der Erbe erwirbt also nach anglo-amerikanischem Recht nur dann sofort die Verfügungsbefugnis über den Nachlaß, wenn er zugleich „personal representative" ist. Aus diesem Grund ist es auch möglich, sinnvoll und üblich, den Begünstigten zugleich zum „executor" zu ernennen, wie es im vorliegenden Fall für die Erbfolge nach dem erstverstorbenen Ehegatten geschehen ist. Das wechselbezügliche Testament vom 10.1. 1957 ist somit dahin auszulegen, daß sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und sich einander die sofortige Verfügungsbefugnis über den Nachlaß einräumen wollten. In die deutsche Rechtsterminologie übertragen, entspricht das der Einsetzung eines durch Testamentsvollstreckung nicht beschränkten Alleinerben. Da sich die volle Rechtsstellung des Erblassers Heinrich G. G. nach südafrikanischem Recht aber erst aus dem Nebeneinander von Erbenstellung und Testamentsvollstreckeramt ergibt, empfiehlt es sich, im Erbschein zu vermerken, daß eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist und daß der Alleinerbe dieses Amt bekleidet hat 2 1 . Für die Erbfolge nach dem Letztverstorbenen (Heinrich G. G.) ist dagegen eine Testamentsvollstreckung bzw. Erbschaftsverwaltung durch einen Dritten vorgesehen. Audi auf sie ist in entsprechender Anwendung des § 2364 im Erbschein hinzuweisen, etwa mit den Worten: „Es besteht Erbschaftsverwaltung nach südafrikanischem Recht." Hingegen wäre es trotz der formellen Inhaberstellung des „personal representative" verfehlt, ihn als Erben zu bezeichnen; denn er erhält seine Rechtsstellung nicht im eigenen Interesse, sondern lediglich zur Erfüllung seiner Verwaltungsaufgaben. 18 Vgl. Wille 248 ff.; Hahlo(-Kahn) 623; Beinart, Heir and Executor: Acta Jurídica 1960, 223 ff.; Maasdorp(-Hall) 99 ff.; Meyerowitz 92 ff. 19 Vgl. die obigen Nachweise. 2 0 Vgl. Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 368; Raape 451; Staudinger(-Firsching), Bd. V/2 (10./11. Aufl. 1960) § 2368 Anm. 34; Gottheiner, Zur Anwendung englischen Erbrechts auf Nachlässe in Deutschland: RabelsZ 21 (1956) 36 ff. (37); Wengler, Fragen des deutschen Erbscheinrechts für Nachlässe, auf die englisches Intestaterbrecht anwendbar ist: J R 1955, 41; Schwenn, Die Anwendung der §§ 2369 und 2368 BGB auf Erbfälle mit englischem Erbstatut: N J W 1952, 1113; Frankenstein, Bd. IV (1935) 488 f. 21 Die Bedenken des Reichsgerichts (RGZ 77, 177; 163, 57 f.) gegen eine Einsetzung des Alleinerben zum Testamentsvollstrecker greifen im vorliegenden Fall nicht durch, da eine derartige Regelung im Bereich des anglo-amerikanischen Erbrechts sinnvoll und mit der Rechtsstellung des Alleinerben durchaus zu vereinbaren ist.

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Erbrecht

Nr. 61 USA (New York) 1. Nachlaßspaltung im amerikanischen internationalen Privatrecht und ihre Auswirkung auf die Vererbung von Rückerstattungs- und Entschädigungsansprüchen. 2. Betrifft die RUckverweisung auf deutsches Recht als Belegenheitsstatut von Grundstudien auch die Form letztwilliger Verfügungen? 3. Erstreckt sich der Wirkungskreis eines vom amerikanischen Nadilaßgericht eingesetzten administrators auch auf in Deutschland befindliches Vermögen? Hamburg G 245/64 vom 17. 5.1965

Das Amtsgericht Bad Homburg v. d. H. bittet in der Nachlaßsache F. um Auskunft über Internationales Privatrecht und amerikanisches Erbrecht. Aus den mitübersandten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Der amerikanische Staatsangehörige Siegismund F. ist am 24. 5.1954 in Köppern/Taunus auf einer Besuchsreise gestorben. Der Erblasser hatte seinen letzten Wohnsitz in Brooklyn im Staate New York. Zu seinem Nachlaß gehören Wiedergutmachungsansprüche. Den Akten kann nicht entnommen werden, ob sie auf Rüdeerstattung oder Entschädigung oder auf beides gerichtet sind. Der Erblasser hatte am 5. 5.1954 ein Testament errichtet, und zwar - wie sich aus dem Testament ergibt („... at present temporarily residing at T.Straße, S./Taunus, bei Bad Homburg, Germany...") - in Deutschland. Es ist in englischer Sprache abgefaßt, mit der Schreibmaschine geschrieben und vom Erblasser und drei in den USA domizilierten Zeugen unterschrieben. In diesem Testament hat der Erblasser Frau Else H. aus Brooklyn/ New York zur Alleinerbin und seine Nichte Friedel F. aus Berlin zur Ersatzerbin eingesetzt. Frau Else H. hat beim Amtsgericht Bad Homburg v. d. H. einen Erbschein für Wiedergutmachungszwecke beantragt. Das Amtsgericht fragt an, 1. ob das Testament vom 5. 5. 1954 wirksam errichtet worden ist, 2. welches Recht für die Vererbung der Wiedergutmachungsansprüche zur Anwendung kommt und 3. ob das eventuell zur Anwendung kommende amerikanische Recht Bestimmungen über Pflichtteils- oder Noterbrechte der Geschwister eines Erblassers enthält,

Testament

/ USA (New

York)

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I. Quellen Der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 448), der nach der Bekanntmachung vom 28. 6. 1956 (BGBl. II 763) am 14. 7.1956 in Kraft getreten ist, enthält keine Bestimmungen über Fragen der internationalen Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts in Nachlaßangelegenheiten. Es sind deshalb die deutschen Vorschriften und Rechtsgrundsätze über die Fragen maßgebend. II. Internationale

Zuständigkeit

Grundsätzlich sind deutsche Nachlaßgerichte für die Erteilung von Erbscheinen nur dann international zuständig, wenn sich die Erbfolge nach deutschem Recht richtet. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Gleichlaufs zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht 1 . Jedoch haben die deutschen Gerichte auch bei ausländischem Erbstatut nach § 2369 I BGB einen auf das inländische Vermögen beschränkten Fremdrechtserbschein zu erteilen. Dabei gilt nach § 2369 II 2 BGB ein Anspruch als im Inland befindlich, wenn für die Frage ein deutsches Gericht zuständig ist. Wiedergutmachungsansprüche gehören danach zum inländischen Vermögen, da sie vor deutschen Behörden und Gerichten geltend gemacht werden müssen (§§ 27, 28 BRüG, §§ 173 ff. BEG). Ob ein unbeschränkter Eigenrechtserbschein nach § 2353 BGB oder ein beschränkter Fremdrechtserbschein nach § 2369 I BGB zu erteilen ist, hängt also von dem Recht ab, das auf die Erbfolge anzuwenden ist. III. Anzuwendendes 1. Deutsches Internationales

Recht

Erbrecht

Ein Ausländer wird - auch wenn er zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz nicht im Inland hatte - gemäß dem Grundsatz der Artt. 24, 25 EGBGB nach den Gesetzen des Staates beerbt, dem er zur Zeit seines Todes angehörte 2. Da Art. 27 EGBGB nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre auch auf diesen Grundsatz Anwendung findet 3 , gilt dies freilich nur unter 1

Pikart-Henn, Lehrbuch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (1963) 42; Dolle, über einige Kernprobleme des internationalen Rechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit: RabelsZ 27 (1962/63) 201, 212 ff. 2 BGH 21. 12. 1955, BGHZ 19, 315 = IPRspr. 1954-1955 Nr. 136; Soergelf Siebert (-Kegel), BGB Bd. V (9. Aufl. 1961), Bern. 3 und 4 vor Art. 24 EGBGB. 3 Für alle: Soergel/Siebertf-Kegel), Bern. 3 u. 74 vor Art. 24 EGBGB.

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Erbrecht

dem Vorbehalt, daß die primär berufene Rechtsordnung ihrerseits angewandt werden will und keine Rüde- oder Weiterverweisung ausspricht. Infolge der amerikanischen Staatsangehörigkeit des Erblassers verweist also das deutsche Internationale Privatrecht (IPR) auf das IPR der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Verweisung bedarf der näheren Bestimmung, da es in den USA weder ein bundeseinheitliches IPR noch ein bundeseinheitliches Privatrecht gibt. Beide Materien werden vielmehr durch die 53 amerikanischen Teilrechtsordnungen geregelt. Selbst ein bundeseinheitliches interlokales Privatrecht fehlt, das die im Einzelfall anwendbare Teilrechtsordnung bestimmt. Die Bundesgerichte wenden vielmehr jeweils das IPR des Staates an, in dem sie ihren Sitz haben. Hierbei sind sie auch an die Rechtsprechung ihres Sitzstaates gebunden 4 . Die deutsche Rechtsprechung wendet in Fällen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung an die amerikanische Staatsangehörigkeit einer Person faktisch das Recht desjenigen amerikanischen Gliedstaates an, in welchem diese Person in dem für die Anknüpfung maßgebenden Zeitpunkt nach amerikanischem Recht domiziliert war 5 . Diese Rechtsprechung steht in Ubereinstimmung mit der Lehre, die in Fällen der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bei einem Staat mit räumlicher Rechtsspaltung und ohne einheitliches interlokales Privatrecht eine Unteranknüpfung an eine Gliedstaatszugehörigkeit vornimmt 8 . Eine solches Gliedstaatszugehörigkeit wird durch den 14. Zusatz zur amerikanischen Bundesverfassung begründet. Dort heißt es: All persons born or naturalized in the United States, and subject to the jurisdiction thereof, are citizens of the United States and of the State wherein they reside...

Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert worden sind und deren Herrschaftsgewalt unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Staates, in dem sie wohnen...

4 Erie R. Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64 (1938); Klaxon Co. v. Stentor Electric MFG. Co., 313 U.S. 487; Rheinstein, Das Kollisionsrecht im System des Verfassungsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika: Festschrift für Rabel I (1954) 539 ff. 6 RG 30. 11. 1906, RGZ 64, 389; BGH 15. 4. 1959, N J W 1959, 1317 = RabelsZ 25 (1960) 313; BayObLG 25.7.1956, BayObLGZ 1956,285 = IPRspr. 1956-1957 Nr. 136 a ; BayObLG 7. 2. 1958, BayObLGZ 1958, 34; OLG Frankfurt 25. 2. 1954, IPRspr. 1954 bis 1955 Nr. 170; OLG Karlsruhe 29. 1. 1956, FamRZ 1957, 224 = IPRspr. 1956-1957 Nr. 136 b. 6 Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 214; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 150; Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht USA Grundzüge C I Rdz. 37 b; Knauer, RabelsZ 25 (1960) 318, 320 Fußn. 5; Nußbaum, Grundzüge des IPR (1952) 133/134; Melchior, Die Grundlagen des deutschen IPR (1932) 451; Staudinger(-Raape), Kommentar zum BGB, Bd. VI/2 (9. Aufl. 1931) Einl. H III 2 (S. 37); Frankenstein, IPR I (1926) 93. - Die von Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) 139, empfohlene Unterknüpfung dürfte zu keinem anderen Ergebnis führen.

Testament

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Diese Bestimmung wird dahin ausgelegt, daß die Gliedstaatszugehörigkeit von dem Domizil in einem Gliedstaat abhängt 7 . W a s unter Domizil im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, bestimmt das Bundesrecht, d. h. die Rechtsprechung der Bundesgerichte zu dieser Vorschrift und insbesondere zu der Bestimmung, die bei Verschiedenheit der Gliedstaatszugehörigkeit der Prozeßparteien (diversity of citizenship) die sachliche Zuständigkeit der Bundesgerichte begründet. Bei dieser Bestimmung des Domizils sind die Bundesgerichte an das Recht des Sitzstaates nicht gebunden 8 . Aufgrund dieses bundesrechtlichen Domizilbegriffs erwirbt eine Person ein Wahldomizil, indem sie sich an einem Ort mit dem Willen niederläßt, ihn zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen 9 . Ein solcher Domizilwille wird dann vermutet, wenn jemand für längere Zeit an einem Ort einen Hausstand begründet 1 0 . Da der Erblasser sich im Staate N e w York niedergelassen hatte, darf davon ausgegangen werden, daß er in diesem Staate sein Domizil errichtet hatte. Das einmal begründete Domizil wird nicht schon durch vorübergehende Abwesenheit aufgegeben 1 1 . Daher hat der Erblasser sein New Yorker Domizil durch seine Besuchsreise nach Deutschland nicht verloren. Das deutsche IPR verweist also für die Erbfolge primär auf das Recht von N e w York. 2. Das IPR von New York a) Erbstatut Uber das Erbstatut enthält das Recht von N e w York in § 47 Decedent Estate Law folgende Bestimmung 1 2 : 7

Paudler v. Paudler, 185 F. 2d 901 (5th Cir. 1950), cert, denied 341 U.S. 920 (1951). Dies ergibt sich daraus, daß die Auslegung sowohl des 14. Verfassungszusatzes als auch der Zuständigkeitsvorschrift (28 U. S. C. A. § 1332) eine Interpretation von Bundesrecht darstellt. Vgl. Federal Practice and Procedure with Forms I (1960 und 1964 Suppl.) § 26 und die dort zitierte Rechtsprechung der Bundesgerichte zum Domizilbegriff. 9 Harding v. Standard Oil Co., 128 Fed. 42 (Cir. Ct. III. 1910); Paudler v. Paudler, 185 F. 2d 901 (5th Cir. 1950), cert, denied 341 U.S. 920 (1951); Seidemanv. Hamilton, 173 F. Supp. 641 (D. C. Pa. 1959), affirmed 275 F. 2d 224 (3d Cir. 1960). 10 Rüssel v. N e w Amsterdam Cas. Co., 325 F. 2d 996 (8th Cir. 1964); Broadstone Realty Corp. v. Evans, 213 F. Supp. 261 (D.C.N.Y. 1962); T. P. Laboratories, Inc. v. Huge, 197 F. Supp. 860 (D. C. Md. 1961). 11 Jardine v. Intehar, 213 F. Supp. 598 (D.C.W. Va. 1963); Walker v. Paradise Taxicabs, Inc., 202 F. Supp. 469 (D. C. Puerto Rico 1962); Horns v. Jogan, 204 F. Supp. 108 (D.C.Pa. 1962). 12 McKinney's Consolidated Laws of N e w York Annotated XIII (1949 und 1963 Suppl.). - Anm. d. Red.: Seit dem 1. 9. 1967 ist das Decedent Estate Law durch das Estates, Powers and Trusts Law (EPTL) abgelöst worden (abgedruckt bei McKinney XVII B, 1967). Die IPR-Vorschriften finden sich in § 3-5.1. Der Rechtszustand blieb im wesentlichen unverändert. 8

Erbrecht

700

„The validity and effect of a testamentary disposition of real property, situated within the state, or of an interest in real property so situated, which would descend to the heir of an intestate, and the manner in which such property or such an interest descends, where it is not disposed of by will, are regulated by the laws of the state, without regard to the residence of the decedent. Except where special provision is otherwise made by law, the validity and effect of a testamentary disposition of any other property situated within the state, and the ownership and disposition of such property, where it is not disposed of by will, are regulated b y the laws of the state or country, of which the decedent was a resident, at the time of his death..."

Die Gültigkeit und Wirkung einer testamentarischen Verfügung über inländisches Grundvermögen oder über ein Recht an inländischem Grundvermögen, das auf den Erben eines Intestaterblassers übergehen würde, und die Art, in der solches Vermögen und ein solches Recht vererbt wird, wo darüber durch Testament nicht verfügt worden ist, werden von den inländischen Gesetzen bestimmt ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Erblassers. Ausgenommen, wo eine abweichende Sonderregelung durch Gesetz getroffen worden ist, bestimmen sich die Gültigkeit und Wirkung einer testamentarischen Verfügung über alles andere inländische Vermögen und das Eigentum an solchem Vermögen und seine Verteilung, wo darüber durch Testament nicht verfügt worden ist, nach den Gesetzen des Staates oder des Landes, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz h a l t e . . .

D a s IPR v o n N e w Y o r k u n t e r s c h e i d e t a l s o G r u n d s t ü c k e u n d G r u n d s t ü c k s r e c h t e v o n a l l e m a n d e r e n V e r m ö g e n . Z w a r r e g e l t § 47 D e c e d e n t E s t a t e L a w n u r die N a c h f o l g e in d a s im S t a a t e N e w Y o r k b e l e g e n e V e r m ö g e n ; j e d o c h w i r d d i e s e K o l l i s i o n s n o r m in Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der herrschenden amerikanischen Rechtsprechung und Lehre dahin verstanden, d a ß auch a u s w ä r t i g e G r u n d s t ü c k e u n d G r u n d s t ü c k s r e c h t e n a c h der R e c h t s o r d n u n g , in d e r e n G e b i e t sie l i e g e n (lex r e i sitae)

13(

und das übrige

V e r m ö g e n , a l s o die Mobilien, n a c h d e m Recht des l e t z t e n W o h n s i t z e s des E r b l a s s e r s v e r e r b t w e r d e n , u n d z w a r s o w o h l t e s t a m e n t a r i s c h als auch b e i gesetzlicher Erbfolge14. Im v o r l i e g e n d e n F a l l soll die E r b f o l g e in W i e d e r g u t m a c h u n g s - u n d E n t schädigungsansprüche

bestimmt

werden.

Handelt

es

sich h i e r b e i

um

Mobilien, s o w e r d e n sie a l s o n a c h N e w Y o r k e r R e c h t als der l e x domicilii v e r e r b t , h a n d e l t e s sich u m Immobilien, so b e s t i m m t die l e x rei s i t a e die Erbfolge. O b g e w i s s e V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e w e g e n e n g e r B e z i e h u n g zu e i n e m G r u n d s t ü c k als u n b e w e g l i c h e s V e r m ö g e n g e l t e n , o b w o h l sie s e l b s t k e i n e 1 3 In re Fagan's Estate, 84 N.Y. S. 2d 558, 560 (1948); In re Sandfords Will, 81 N.Y. S. 2d 377, 380 (1948); In re Ellis' Estate, 139 N.Y. S. 640, 644 (1954). 14 In re Gifford's Will, 18 N.E. 2d 663 (N.Y. 1938); In re Sherman's Will, 71 N . Y . S. 2d 492, 496 (1947); In re Ruppaner's Will, 37 N . Y . Supp. 429, 432 (1895).

Testament

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York)

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Grundstücke sind, überläßt das Recht von New York in Übereinstimmung mit einem allgemeinen Grundsatz des amerikanischen Rechts der Entscheidung des Staates, in dem das betreffende Grundstück liegt 15 . Beziehen sich also die Wiedergutmachungsansprüche auf ein in Deutschland belegenes Grundstück, so verweist das Recht von New York für die Frage, ob diese Ansprüche zum unbeweglichen Vermögen gehören, auf das deutsche Recht zurück. Das geltende deutsche Zivilrecht kennt diese Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen nicht. Im IPR wird jedoch nach ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre diese Unterscheidung dann getroffen, wenn fremdes Kollisionsrecht sie von uns fordert 16 . Aufgrund dieser Praxis werden auf Rückübertragung deutscher Grundstücke gerichtete Rückerstattungsansprüche zum unbeweglichen Vermögen gezählt 17 . Alle anderen Wiedergutmachungsansprüche werden dagegen als bewegliches Vermögen angesehen 1 8 . Je nachdem gilt für die Erbfolge somit deutsches Recht oder das Recht des Staates, in dem der Erblasser nach dem Recht von New York seinen letzten Wohnsitz hatte. Im Gegensatz zu der Bestimmung der Gliedstaatszugehörigkeit wird hier also der New Yorker Domizilbegriff zugrunde gelegt, da es um die Auslegung einer New Yorker Kollisionsnorm geht. Der New Yorker Domizilbegriff weicht von den oben erwähnten Grundsätzen des amerikanischen Bundesrechts über den Erwerb und Verlust eines Wahldomizils nicht ab 19 . Die Erbfolge in die Mobilien des Erblassers richtet sich also nach dem Recht von New York als dem letzten Heimatrecht des Erblassers. b) Formstatut Was die Form eines im Ausland errichteten Testaments angeht, so bestimmt das New Yorker Recht in § 22 a Decedent Estate Law 20 : „A will executed without this state in the mode prescribed by the law, either of the place where executed or of the testator's domicile, shall be deemed to

Ein Testament, das außerhalb dieses Staates in der vom Recht entweder des Errichtungsorts oder des Erblasserdomizils vorgeschriebenen Art und Weise

15 Restatement, Conflict of Laws (1934) § 208; In re Piazza's Estate, 130 N.Y. S. 2d 244, 247 (1954); In re Haldeman's Estate, 143 N. Y. S. 2d 396, 399 (1955). 19 BGH 5. 6. 1957, BGHZ 24, 352 = IPRspr. 1956-1957 Nr. 146; ausführlich Neuhaus, RabelsZ 19 (1954) 556. 17 BGH 5. 6. 1957, BGHZ 24, 352, 361/62 = IPRspr. 1956-1957 Nr. 146; OLG Frankfurt/M. 3. 7. 1953, N J W 1954, 111 = IPRspr. 1952-1953 Nr. 238 = RabelsZ 19 (1954) 554. 18 Recktenwald, RzW 9 (1958) 3 Fußnote 9; Erlanger, RzW 9 (1958) 206. 19 Isaacson v. Hefferman, 64 N.Y. S. 2d 726 (1946); Clapp v. Clapp, 71 N. Y. S. 2d 354 (1947); Dirksen v. Dirksen, 72 N. Y. S. 2d 865 (1947). 20 Siehe auch Harnik, Das Testamentsrecht des Staates N e w York, ZfRvgl. 1964, 224, 230 ff.

702

Eibrecht

be legally executed, and shall be of the same force and effect as if executed in the mode prescribed by the laws of this state, provided, such will is in writing and subscribed by the testator."

errichtet worden ist, soll als gesetzmäßig errichtet angesehen werden und soll die gleiche Kraft und Wirkung haben, wie wenn es in der von den Gesetzen dieses Staates vorgeschriebenen Art und Weise errichtet wäre, vorausgesetzt allerdings, daß solch ein Testament schriftlich abgefaßt und vom Erblasser unterschrieben ist.

Das New Yorker Recht verweist also für die Formgültigkeit ohne Unterscheidung zwischen Verfügungen über bewegliches und unbewegliches Vermögen alternativ auf das am Errichtungsort geltende Recht und auf das Domizilredit des Erblassers, allerdings unter dem Vorbehalt gewisser Mindestanforderungen. Da der Erblasser bei Errichtung des Testaments und zur Zeit seines Todes dasselbe Domizil hatte, kann dahingestellt bleiben, welcher dieser beiden Zeitpunkte nach § 22 a Decedent Estate Law maßgebend ist. Nach New Yorker Recht ist also das ganze Testament formgültig, wenn es den New Yorker Formvorschriften entspricht. Zu prüfen bleibt jedoch, ob auch das deutsche IPR, von dem der deutsche Richter auszugehen hat, die Formgültigkeit aller im Testament getroffenen Verfügungen nach dem Recht von New York beurteilt. 3. Formstatut nach deutschem IPR Für die Form eines Rechtsgeschäfts stellt Art. 11 EGBGB eine selbständige Kollisionsnorm auf. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Form eines Rechtsgeschäfts nach den Gesetzen, die für das den Gegenstand des Rechtsgeschäfts bildende Rechtsverhältnis maßgebend sind (Geschäftsrecht: Art. 1 1 1 1 EGBGB), oder alternativ nach den am Vornahmeort geltenden Gesetzen (Ortsrecht: Art. 1 1 1 2 EGBGB). Da das in Deutschland errichtete Testament des Erblassers F. den deutschen Formvorschriften nicht genügt, kommt es allein auf das Geschäftsrecht an. W i e oben (zu III 1) bereits ausgeführt, beruft das deutsche IPR als Geschäftsrecht für erbrechtliche Fragen primär das letzte Heimatrecht des Erblassers. Diese primär berufene Rechtsordnung verweist im vorliegenden Fall - wie zu III 2 dargelegt - für die Vererbung deutscher Immobilien auf deutsches Recht zurück. Fraglich ist nun, ob eine solche Rückverweisung hinsichtlich des Inhalts und der Wirkungen einer Verfügung von Todes wegen auch für die Form bindend ist 2 1 oder ob insofern die Kolli2 1 So OLG Karlsruhe 13. 12. 1919, OLGRspr. 40, 159; Palandt(-Lauterbach), BGB (24. Aufl. 1965) Anm. 1 zu Art. 11 EGBGB; M. Wolif, Das IPR Deutschlands (2. Aufl. 1949) 110; Habicht, IPR nach dem EGBGB (1907) Anm. IV A 2 zu Art. 27 EGBGB (212 f.); unentschieden Neuhaus 183.

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York)

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sionsnormen, die das primär berufene Recht für Formfragen enthält (zusätzlich oder gar ausschließlich), in Betracht gezogen werden müssen 22 . Die erste Lösung befriedigt nur für den Fall, daß auch das Kollisionsrecht der primär berufenen Rechtsordnung die Form zwingend dem von ihr berufenen Wirkungsstatut unterwirft. Die zweite Ansicht leistet allerdings der Möglichkeit Vorschub, daß Form- und Wirkungsstatut, deren Kongruenz Art. 1 1 1 1 EGBGB offensichtlich anstrebt, auseinanderfallen. Jedoch kann diese Folge aus folgenden Gründen in Kauf genommen werden: 1. Auf diese Weise wird der Entscheidungseinklang mit dem Heimatrecht gefördert: auch hinsichtlich der Form entscheiden die deutschen Gerichte ebenso, wie die Gerichte jenes Staates entscheiden würden. 2. Das deutsche IPR selbst durchbricht in Satz 2 des Art. 11 I EGBGB den in Satz 1 aufgestellten Grundsatz. 3. Die moderne Tendenz des Internationalen Privatrechts geht allgemein dahin, die Form der Rechtsgeschäfte und insbesondere der letztwilligen Verfügungen nach einer Mehrzahl fakultativ berufener Rechtsordnungen zu beurteilen 2 3 . 4. Die strenge Bindung der Form an das für den Inhalt geltende Recht würde bei getrennter Anknüpfung von beweglichem und unbeweglichem Nachlaß durch das Heimatrecht - wie sie gerade das New Yorker Recht vorsieht - unter Umständen dazu führen, daß nicht über den ganzen Nachlaß in einheitlicher Form testiert werden kann. Im Ergebnis ist das vorliegende Testament also jedenfalls dann formgültig, wenn es den Formvorschriften entspricht, auf die das Kollisionsrecht von New York als die nach deutschem IPR primär maßgebende Rechtsordnung verweist, d. h. - wie oben zu III 2 b dargelegt - den New Yorker Formvorschriften. 22 In diesem Sinne Kegel, IPR 220; SoergellSiebert(-Kegel), Anm. 4 (mit Fußn. 7) zu Art. 11 und Bern. 35 (mit Fußn. 15) vor Art. 24 EGBGB; Erman(-Arndt), Handkommentar zum BGB, Bd. II (3. Aufl. 1962), Anm. 9 zu Art. 11 EGBGB; Melchior 236 f. - sämtlich allerdings unter irrtümlicher Berufung auf die zuerst bei Melchior falsch wiedergegebene Karlsruher Entscheidung - ; Raape, IPR 423; Liebetrau, Die Testamentsform im deutschen IPR (Diss. Hamburg 1936) 75, 77. 23 Vgl. Art. 1 des auch von Deutschland unterzeichneten, aber (am 17. 5. 1965) noch nicht ratifizierten Haager Übereinkommens vom 5. 10. 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht, abgedruckt in: Conférence de la Haye de Droit International Privé: Actes et Documents de la Neuvième Session III (1961) 155 sowie in RabelsZ 27 (1962) 545 ff. Dieser Artikel läßt bis zu acht verschiedene Rechtsordnungen zu und gilt nach Art. 3 des Übereinkommens nicht einmal abschließend: weitergehende nationale oder staatsvertragliche Regeln können daneben Anwendung finden. - Das Ubereinkommen ist für die Bundesrepublik seit dem 1. 1. 1966 in Kraft (BGBl. 1965 II 1144, 1966 II 11).

Eibrecht

704

IV. New Yorker i.

Sachrecht

Testamentsform

Der § 21 Decedent Estate Law bestimmt über die Form eines Testaments 24 : „Every last will and testament of real or personal property, or both, shall be executed and attested in the following manner:

Jede Verfügung von Todes wegen über unbewegliches oder bewegliches Vermögen oder beides muß in folgender Weise errichtet und beglaubigt werden:

1. It shall be subscribed by the testator at the end of the will. 2. Such subscription shall be made by the testator in the presence of each ot the attesting witnesses, or shall be acknowledged by him, to have been so made, to each of the attesting witnesses.

1. Sie muß vom Erblasser am Ende unterschrieben werden. 2. Diese Unterschrift muß vom Erblasser in Gegenwart eines jeden der beglaubigenden Zeugen vollzogen werden oder muß von ihm gegenüber jedem der beglaubigenden Zeugen anerkannt werden, daß sie so vollzogen worden ist. 3. Der Erblasser muß zur Zeit der Unterschriftsleistung oder der Unterschriftsanerkennung erklären, daß die so unterschriebene Urkunde seine Verfügung von Todes wegen ist. 4. Wenigstens zwei beglaubigende Zeugen sind erforderlich, von denen jeder auf Bitten des Erblassers seinen Namen an das Ende der Verfügung setzen muß.

3. The testator, at the time of making such subscription, or at the time of acknowledging the same, shall declare the instrument so subscribed, to be his last will and testament. 4. There shall be at least two attesting witnesses, each of whom shall sign his name as a witness, at the end of the will, at the request of the testator."

Dieser Vorschrift, die eine handschriftliche Errichtung der Verfügung v o n Todes w e g e n nicht fordert, entspricht das v o r l i e g e n d e Testament. Es ist also formgültig. 2.

Erbfolge

Bei V o r l i e g e n einer Verfügung v o n Todes w e g e n richtet sich gemäß N e w Yorker Recht die Erbfolge ausschließlich nach ihr. Ein Noterbrecht naher A n g e h ö r i g e r kennt das Recht v o n N e w York nicht 2 5 . Danach ist also allein Frau H. als Rechtsnachfolgerin berufen. 24

Siehe auch Harnik 224 ff. - Jetzt: § 3-2.1 EPTL. Davids, New York Law of Wills I (1923) §§ 149-196; für das Verhältnis zwischen Erblasser und Geschwisterkindern: In re Goodhart, 159 N. Y. Supp. 261 (1916); In re D'Arschot's Will, 143 N.Y. Supp. 732 (1913). 25

Testament / USA (New York)

705

3. Rechtsstellung des Erben Die Rechtsstellung eines Erben nach dem Recht von N e w York unterscheidet sich so erheblich von derjenigen, die ein Erbe eines dem deutschen Recht unterliegenden Nachlasses einnimmt, daß es zweifelhaft erscheint, ob jener überhaupt einem Erben deutschen Rechts entspricht und deshalb als solcher in einem Erbschein ausgewiesen werden darf. Nach dem Erbrecht von N e w York erlangen die Erben mit dem Erbfall nicht sofort die Verfügungsbefugnis über den Nachlaß. Vielmehr wird vom zuständigen Nachlaßgericht - auf Antrag der durch die Erbfolge Begünstigten oder der Nachlaßgläubiger - ein Erbschaftsverwalter eingesetzt, der erst nach Sammlung der Nachlaßgegenstände und Befriedigung der Nachlaßgläubiger den Restnachlaß an die durch die Erbfolge Begünstigten auszukehren hat 29 . Hat der Erblasser im Testament keinen Erbschaftsverwalter benannt, so setzt das Nachlaßgericht einen sogenannten „administrator with the will annexed" ein, auf den der bewegliche Nachlaß - für den allein im vorliegenden Fall das N e w Yorker Recht gilt - zur Abwicklung übergeht, und zwar rückwirkend auf den Erbfall 27 . Sachlich und örtlich zuständig ist im vorliegenden Fall der Surrogate's Court der Grafschaft des Staates N e w York, in welcher der Erblasser zur Zeit seines Todes domiziliert war; ob der Erblasser Vermögen in N e w York hinterlassen hat oder nicht, ist dabei unerheblich28. Eine solche amerikanische Erbschaftsverwaltung könnte für den vorliegenden Fall unberücksichtigt bleiben, wenn entweder a) ausländischer Nachlaß einer in N e w York angeordneten administration nicht unterliegt oder b) Wiedergutmachungsansprüche von einer solchen administration ausgenommen sind oder c) von einer administration in N e w York Befreiung erteilt oder eine solche Erbschaftsverwaltung bereits abgeschlossen worden ist. a) Territorialer Wirkungsbereich einer administration Die Frage nach dem territorialen Wirkungsbereich einer administration wird verdunkelt durch das Nebeneinander von domiciliary administration und ancillary administration. 26 Ferid/Firsching, USA Grundzüge C II B, G II; Grossmann, Erbrecht und Nadilaßbehandlung in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Leske-Loewenfeld, Die Rechtsverfolgung im internationalen Rechtsverkehr IX/1 (1930) 140-173; Rheinstein, The Law of Decedents' Estates (2. Aufl. 1955) 562-595; Leach, Cases and Text on the Law of Wilis (2. Aufl. 1951) 176 f., 185-191. 27 § 133 Surrogate's Court Act (McKinney's Consolitated Laws of New York Annotated, Special Advance Issue 1963); Priest v. Watkins, 38 Am. Dec. 584 (N. Y. 1842). - Jetzt: § 1418 Surrogate's Court Procedure Act - SCPA - (McKinney LVIII B, 1967). 28 § 45 Nr. 1 Suirogate's Court Act. - Jetzt: § 206 (1) SCPA.

45

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

706

Erbrecht

Domiciliary administration ist die im Domizilstaat des Erblassers angeordnete Erbschaftsverwaltung. Daneben kann jeder andere amerikanische Gliedstaat bei Bedarf eine ancillary administration (Hilfs-Erbschaftsverwaltung) anordnen, um die inländischen Gläubiger aus dem inländischen Nachlaß zu befriedigen, bevor der Überschuß dem domiciliary administrator ausgekehrt wird 29 . Die ancillary administration ist territorial auf das im Staat der ancillary administration belegene Vermögen beschränkt 30 . Auch für die domiciliary administration wird behauptet, daß sie auf das im Domizilstaat belegene Vermögen beschränkt sei 31 . Aus dem Recht New Yorks läßt sich dies jedoch nicht folgern. Weder in den ausführlichen gesetzlichen Bestimmungen über die Erbschaftsverwaltung noch in der Rechtsprechung wird eine in New York angeordnete domiciliary administration auf das in New York belegene Vermögen beschränkt. Im Gegenteil ist sie gelegentlich sogar ausdrücklich auf das im Ausland belegene Vermögen erstreckt worden 3 2 . Die Tatsache, daß üblicherweise die anderen amerikanischen Staaten trotzdem für ihr Gebiet eine ancillary administration anordnen, besagt nichts gegen den Anspruch des Domizilstaates auf universelle Wirkung der domiciliary administration, auch wenn jene Staaten ständig betonen, daß eine domiciliary administration nur territoriale Wirkung habe 3 3 . Diese Haltung kann den Geltungsanspruch der domiciliary administration nur faktisch begrenzen, wobei sogar fraglich ist, ob sie dies überhaupt tut. Im Jahre 1949 haben nämlich die Conference of Commissioners on Uniform State Laws (Konferenz der Beauftragten für die Ausarbeitung inhaltlich gleichlautender Gliedstaatgesetze) und die American Bar Asso29 Ferid/Firsching, USA Grundzüge C II B, Rdz. 56; Schouler, The Law of Wills, Executors and Administrators IV (1923) 2799-2832; Atkinson, Handbook of the Law of Wills (2. Aufl. 1953) 585-593; Corpus Juris Secundum, Bd. 34 (1942 und 1964 Supp.) Executors and Administrators §§ 988-1015. 30 Schouler IV 2799; Atkinson 590; American Jurisprudence, Bd. 21 (1939 und 1964 Supp.) Executors and Administrators § 863; Collins v. Collins, 63 S. E. 2d 811 (S. C. 1951). 31 Beale, A Treatise on the Conflict of Laws III (1935) § 507. 1; Am. Jur., Bd. 21 (1939) Executors and Administrators § 860; im deutschen Schrifttum: Firsching, Deutsch-amerikanische Erbfälle (1965) 109; Raape 453; Slaudinger(-Firsching),BGB, Bd. V/2 (10./11. Aufl. 1960) Anm. 34 zu § 2368 BGB. 32 In re Lucy's Estate, 136 N.Y. S. 2d 549 (1954). Daß in diesem Fall die Erbschaftsverwaltung auf den französischen Nachlaß ausgedehnt werden mußte, beruhte nicht darauf, daß dieser Nachlaß nicht ipso iure der Erbschaftsverwaltung unterlag, sondern auf dem Umstand, daß über das ausländische Vermögen nicht verfügt worden war und deshalb der testamentarische Erbschaftsverwalter (executor) in den letters testamentary (Zeugnis des testamentarischen Erbschaftsverwalters) auch nur als Verfügungsberechtigter über das inländische Vermögen ausgewiesen wurde. Ebenso: In re Wolf's Estate, 117 A. 2d 535 (N. J. 1955). 33 Wilcox v. District Court of Salt Lake County, 272 P. 2d 157 (Utah 1954); Cannon v. Cannon, 45 S. E. 2d 34 (N. C. 1947); Joseph v. National Bank of West Virginia, 21 S. E. 2d 141 (W. Va. 1942).

Testament / USA (New York)

707

ciation (Amerikanischer Anwaltsverein) einen Uniform Ancillary Administration of Estates Act den amerikanischen Gliedstaaten zur Annahme empfohlen 34 . Nach diesem Entwurf, der bisher allerdings nur von Wisconsin zum Gesetz erhoben worden ist, muß dem Erbschaitsverwalter, der vom Domizilstaat des Erblassers ernannt ist, auch in den übrigen amerikanischen Gliedstaaten die Möglichkeit gegeben werden, den Nachlaß zu verwalten. Unabhängig davon erteilen zahlreiche Staaten, darunter auch New York, einem im Ausland bereits eingesetzten Erbschaftsverwalter „ancillary letters of administration" für den inländischen Nachlaß, damit auch dieser von demselben Verwalter - unter Aufsicht des inländischen Nachlaßgerichts - abgewickelt werden kann 3 5 . Diese Regelung ist nur dann sinnvoll, wenn der Erbschaftsverwalter des Domizilstaates überhaupt den Anspruch erhebt, auch den ausländischen Nachlaß zu verwalten. Dazu kann ihn aber nur das Recht des Domizilstaates verpflichten. Dies geschieht auch 36 . Die universelle - über den Domizilstaat hinausreichende - Wirkung der domiciliary administration wird auch in Deutschland anerkannt 3 7 . Eine in New York angeordnete domiciliary administration erstreckt sich also auch auf den in Deutschland belegenen Mobiliarnachlaß. b) Behandlung von Wiedergutmachungsansprüchen Auch Wiedergutmachungsansprüche fallen in den Nachlaß und sind nicht wie z. B. Familienerbstücke und Hausrat von der Erbschaftsverwaltung von vornherein ausgenommen 38 . Das deutsche Recht, in dem die Ansprüche ihren Entstehungsgrund haben, unterwirft ihre Vererbung insoweit keiner Sonderregelung. c) Befreiung von einer Administration oder Abschluß einer solchen Eine Befreiung von der Erbschaftsverwaltung kennt das New Yorker Recht nur für kleine Nachlässe, über die nicht testiert worden ist 39 - Solange 34

Uniform Laws Annotated, Bd. 9 (1957) 58 ff. § 161 des Surrogates Court Act von New York (Gilbert-Bliss, Civil Practice of New York Annotated, Bd. 13 A [1953 und 1962 Supp.] 327). - Jetzt: § 1607 SCPA. 3e Corpus Juris Secundum, Bd. 33 (1942 und 1964 Supp.) Executors and Administrators § 175. Vgl. auch den Fall Re Paramythiotis'Estate, 181 N.Y. S. 2d 590 (1958), in dem ein New Yorker domiciliary administrator in New York eine Erbschaftsbesitzerin im Ausland belegener Nachlaßgegenstände erfolgreich auf Herausgabe verklagte. 37 Kegel, IPR 368 f.; Knauer, RabelsZ 25 (1960) 318, 323 N. 21; Schwenn, NJW 1952, 1113. 38 Vgl. für die Ausnahmen: Woerner, A Treatise on the American Law of Administration (3. Aufl. 1923) II 897; Rheinstein, The Law of Decedents'Estates (2. Aufl. 1955) 628 ff. 39 §§ 137 ff. Surrogate's Court Act in der Fassung des am 1. 7. 1964 in Kraft getretenen Law 1963, C. 495 (McKinney's Consolidated Laws of New York 35

45 »

708

Erbrecht

also eine Erbschaftsverwaltung noch nicht stattgefunden hat oder wenn feststeht, daß nach bereits erfolgtem Abschluß einer solchen sie neu eröffnet werden kann, muß davon ausgegangen werden, daß auch der inländische Mobiliarnachlaß noch nicht auf die Erben als Rechtsnachfolger übergegangen ist.

V. Einsetzung eines administrator in Deutschland? Deutsche Gerichte sind nicht international zuständig, bei amerikanischem Erbstatut einen administrator für das deutsche Nachlaßvermögen einzusetzen 40 . Das entspricht dem amerikanischen Recht. Für die domiciliary administration ergibt es sich bereits aus deren Namen: sie wird nur im Staat des letzten Domizils des Erblassers angeordnet. Ob dagegen eine ancillary administration im Inland - besonders zum Schutz inländischer Gläubiger - angeordnet wird, hat nach amerikanischer Auffassung jeder Staat, in dem sich Vermögen eines Erblassers mit ausländischem letztem Domizil befindet, selbst zu bestimmen 41 . New York würde also Maßnahmen der stärkeren deutschen lex rei sitae hinnehmen, wenn Deutschland für sich die Zuständigkeit zum Schutze inländischer Gläubiger in Anspruch nähme. Aber da das deutsche Recht eine ancillary administration nicht kennt, entfällt das Problem der Einsetzung eines ancillary administrator.

V/. Fassung des Erbscheins 1. Soweit es sich bei den Wiedergutmachungsansprüchen um Immobilien handelt, ist ein Eigenrechtserbschein nach § 2353 BGB zu erteilen. Wenn nur ein Teil des Nachlasses nach deutschem Recht vererbt wird, ist der Erbschein auf diesen Teil zu beschränken 42 . Es ist also gegebenenfalls in den Erbschein die Beschränkung aufzunehmen, daß er nur für die inländischen Immobilien gilt, zu denen jedoch die auf Rückerstattung deutscher Grundstücke gerichteten Wiedergutmachungsansprüche gehören. Annotated, Surrogates Court Act with 1963 Amendments, 1963). - Jetzt: §§ 1301 ff. SCPA. 40 So die herrschende Praxis: vgl. Wengler, JR 1955, 41. - Anders Kegel, IPR 366 f. 41 Am. Jur., Bd. 21 (1939 und 1964 Supp.) Executors and Administrators § 854; Woerner I 576; Beale III § 468. 1. 42 BayObLG 27. 10. 1959, N J W I960, 775, 776/7; OLG Köln 3. 12. 1954, N J W 1955, 755 = IPRspr. 1954-1955 Nr. 132; Brand/Kleeff, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis (2. Aufl. 1961) 572; Soergel/Siebert(-Kegel), Anm. 67 vor Art. 24 EGBGB.

Testament

/ USA (New

York)

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2. Soweit es um inländisches bewegliches Vermögen geht, das nach New Yorker Recht vererbt wird, kommt nur ein Fremdrechtserbschein nach § 2369 BGB (gegenständlich beschränkter Erbschein) in Betracht. Dabei erhebt sich die Frage, wer als Erbe auszuweisen ist: der Erbschaftsverwalter, auf den der Nachlaß mit seiner Einsetzung durch das Nachlaßgericht übergeht, oder die durch das Testament letztlich begünstigte Person. Die herrschende Meinung hat dieses Problem in dem letzten Sinne gelöst 43 . Der Erbschaftsverwaltung wird am besten dadurch Rechnung getragen, daß in den Erbschein ein Hinweis aufgenommen wird: „Der Nachlaß unterliegt der Erbschaftsverwaltung nach New Yorker Recht." 44 Diese Bezeichnung der Begünstigten als „Erben" rechtfertigt sich damit, daß der Erbschaftsverwalter - obwohl zunächst formeller Eigentümer - nicht selbst in den Genuß des Nachlasses kommt, sondern ihn nur verwaltet und nach Befriedigung der Gläubiger an die Bedachten verteilt. Dabei haben die Begünstigten mehr Rechte als nach deutschem Recht ein bloß schuldrechtlich berechtigter Vermächtnisnehmer. Sie haben nämlich im Konkurs des Erbschaftsverwalters ein Aussonderungsrecht und können bei treuwidriger Veräußerung von Nachlaßgegenständen durch den Verwalter ein Verfolgungsrecht gegenüber Dritten ausüben 45 . Außerdem ist in dem Erbschein anzugeben, daß sich die Erbfolge nach dem Recht von New York richtet 49 . 3. Eigenrechtserbschein und Fremdrechtserbschein können in einer Urkunde verbunden werden 47 . VII.

Ergebnis

1. Der Erblasser wird aufgrund seines formwirksam errichteten Testaments von Frau H. als Alleinerbin beerbt. 2. Die Erbfolge in Wiedergutmachungsansprüche, die auf Rückerstattung deutscher Grundstücke gerichtet sind, richtet sich nach deutschem Recht. Dies ist in einem auf diese Nachlaßgegenstände beschränkten Eigenrechtserbschein zu bekunden. 3. Hinsichtlich der Erbfolge in alle anderen Wiedergutmachungsansprüche ist Frau H. in einem auf das inländische bewegliche Vermögen beschränkten Fremdrechtserbschein nach § 23691 BGB auszuweisen. Dieser Erbschein 43 Kegel, IPR 368-, Raape 452; Ferid/Firsching, Grundzüge USA C III Rz. 60d, 63a, 63b; Wengler, J R 1 9 5 5 , 4 3 ff.; Schwenn, Die Anwendung der §§ 2369 u. 2368 BGB auf Erbfälle mit englischem oder amerikanischem Erbstatut: N J W 1952, 1113, 1115. 4 4 So Kegel, IPR 368; Gegen die Aufnahme eines solchen Hinweises: Ferid/ Firsching, Grundzüge USA C III Rz. 63a, 63b; Wengler 42, Fußn. 8; Schwenn 1116. 45 Page, Law of Wills VI (4. Aufl. 1962) § 59.2 (S. 383 ff.). 4« Kegel, IPR 368; Raape 452; Firsching, Nachlaßrecht (Handbuch der amtsgerichtlichen Praxis, Bd. 6 (2. Aufl. 1960) 163; Schwenn 1116. 47 Firsching, Nachlaßrecht 163.

Erbrecht

710

muß die Hinweise enthalten, daß sich die Erbfolge nach dem Recht von New York richtet und daß der Nachlaß der Erbschaftsverwaltung nach derselben Rechtsordnung unterliegt.

Nr. 62 USA - Kalifornien 1. Besonderheiten nach dem Recht des Staates Kalifornien bei in Briefen enthaltenen letztwilligen Verfügungen. 2. Zur bedingten Verfügung von Todes wegen. 3. Auslegung des Testaments. 4. Anpassung und Umdeutung anglo-amerikanischer Rechtsbegriffe bei Erteilung eines deutschen gegenständlich beschränkten Erbscheins. München G 1232-64 vom 10. 6.1966

A. SACHVERHALT

Der ledige Erblasser war US-Staatsbürger und ist mit letztem Wohnsitz in R., Kalifornien/USA, am 13. 6. 1965 verstorben. In mehreren Briefen aus den Jahren 1959-1964 an seine Neffen Richard und Martin J. sowie an seinen Neffen Herbert J. und dessen Ehefrau Anna hat er Bestimmungen über die Verteilung von Vermögenswerten getroffen, die nach Auskunft der Sparkasse der Stadt Berlin West vom 5. 4. 1966 in Wertpapieren im Nennwert von 43 400 - DM und Barguthaben in Höhe von 29 500 - DM bestehen. Ferner besteht noch ein Bankguthaben von mindestens 8 200.- DM West der Deutschen Bank. Das Nachlaßgericht Charlottenburg bittet um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Sind die Briefe des Erblassers als gültige Verfügungen von Todes wegen zu werten, oder welche Briefe enthalten gültige Verfügungen von Todes wegen? 2. Enthalten die Briefe nur bedingte Erbeinsetzungen und sind die Bedingungen eventuell dadurch entfallen, daß der Erblasser die Operation im Jahre 1959 überlebte? 3. Inwieweit enthalten die Briefe Widerrufe, gültige Erbeinsetzungen, Anordnungen von Testamentsvollstreckungen und welche Auslegungsregeln sind nach kalifornischem Recht dafür zu beachten?

Testament / USA-Kaliiornien

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B. I. Das anzuwendende

Recht

1. Das Erbstatut a) Mit Rücksicht auf die amerikanische Staatsangehörigkeit des Erblassers ist gemäß Art. 25 EGBGB grundsätzlich amerikanisches Erbrecht maßgebend. Das bürgerliche Recht der USA ist jedoch nicht einheitlich, seine Regelung ist vielmehr Angelegenheit der einzelnen Bundesstaaten. Daher tritt zu dem international-privatrechtlichen Problem noch die interlokalrechtliche Frage nach der zuständigen Teilrechtsordnung. Die interlokalrechtliche Frage wird in den USA nicht vom Bund, sondern von den Einzelstaaten geregelt. Hierbei stellt es das im wesentlichen diesbezüglich einheitliche Common Law der Einzelstaaten auf domicil in dem betreffenden Staat ab 1 . Deutsches IPR, verbunden mit den interlokalrechtlichen Grundsätzen des Common Law, führen damit zur Maßgeblichkeit des Domizilrechts des Erblassers. Damit ist das Recht des Staates Kalifornien allgemeines Erbstatut. b) Mit der Ermittlung des Domizilrechts ist aber die kollisionsrechtliche Arbeit noch nicht abgeschlossen. Wie immer, so ist auch bei Art. 25 EGBGB das ausländische Kollisionsrecht nach einer nach Art. 27 EGBGB zu beachtenden Rück- oder Weiterverweisung zu befragen. Das Kollisionsrecht des Staates Kalifornien unterscheidet - wie die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der übrigen amerikanischen Staaten zwischen beweglichem und unbeweglichem Nachlaß. Der bewegliche Nachlaß untersteht der lex domicilii, der unbewegliche der lex rei sitae. Da im vorliegenden Fall zum Nachlaß nur bewegliche Vermögenswerte zählen, verbleibt es somit bei dem von Art. 25 EGBGB berufenen kalifornischen Erbstatut. 2. Das auf die Form der Testamente anzuwendende

Recht

Da sich der Erbfall vor dem 1.1. 1966 ereignete, ist bei der Frage nach der Formgültigkeit des Testamentes nicht auf das nunmehr geltende Übereinkommen über das auf die Form letzwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5. 10. 1961 (BGBl. 65 II 1145) abzustellen 2 . Es ver1

Vgl. Staudinger-Raape,

Anm. I 2a Einleitung vor Art. 7 EGBGB; Minor,

Conflict of Laws, § 37. 2 Das Übereinkommen wurde auf der 9. Haager Konferenz am 5. 10. 1961 unter anderem auch von der Bundesrepublik unterzeichnet. Der Bundestag hat ihm durch Gesetz vom 27. 8. 1965, BGBl. II 1144, zugestimmt. Es ist am 60. Tage nach Hinterlegung der dritten Ratifikationsurkunde eines Unterzeichnerstaates in Kraft ge-

712

Erbrecht

bleibt damit im vorliegenden Fall bei den Anknüpfungen des Art. I I I EGBGB. Die Form des Testamentes bestimmt sich nach Art. 1 1 1 1 EGBGB nach dem sogenannten Wirkungsstatut, der lex causae. Art. 1112 EGBGB stellt zusätzlich noch die Ortsform zur Verfügung (locus regit actum). Sowohl Ortsform wie Wirkungsstatut weisen auf kalifornisches Recht. II. Zur Gültigkeit der Testamente 1. Allgemeines

über die Testamentsform

nach kalifornischem

Recht

in den USA

über die Testamentsform in den Vereinigten Staaten ist allgemein folgendes zu sagen: Man unterscheidet in den Vereinigten Staaten - abgesehen von Louisiana - drei Formen von Testamenten: a) das schriftliche, vor Zeugen errichtete, b) das holographische und c) das mündliche oder nunkupative Testament. 2. Besonderheiten

nach dem Recht des Staates

Kalifornien

Das kalifornische Erbrecht ist im Probate Code of the State of California vom 11.5.1931 enthalten. Die Testamentsformen sind im Kapitel II des Code (§§ 50 ff.) geregelt. Wie oben (1) schon aufgeführt, kennt Kalifornien als Testamentsformen das Zeugentestament (witnessed will, § 50), das holographische Testament (holographica will, § 53) und das mündliche Testament (nuncupative will, § 54). Durch die Briefe des Erblassers kann nur die Form des holographischen Testamentes erfüllt sein; § 53 Probate Code lautet: „A holographic will is one that is entirely written, dated and signed by the hand of the testator himself. It is subj e c t to no other form, and need not be witnessed. No address, date or other matter written, printed or stamped upon the document, which is not incorporated in the provisions which are in the handwriting of the decedent, shall be considered as a n y part of the will."

Das holographische Testament muß in vollem Umfang v o m Testator persönlich handgeschrieben, datiert und signiert sein. Die Beachtung anderer Formen, insbesondere die Bezeugung, ist nicht erforderlich. Nicht als Bestandteil des Testaments gelten Adresse, Datum oder andere gedruckte oder auf das Dokument aufgedruckte Schriftzeichen, auf die nicht in dem handgeschriebenen Teil der Verfügung Bezug genommen wird.

treten (Art. 151 d. Übereinkommens), nämlich am 5. 1. 1965; für die Bundesrepublik ist es w e g e n der späteren Ratifikation erst am 1. 1. 1966 in Kraft getreten (BGBl. 66 II, 11).

Testament /

USA-Kaüíoinien

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Als Erfordernisse des holographischen Testamentes haben demnach zu gelten: 1. ganz eigenhändig geschrieben, 2. vom Erblasser datiert, 3. vom Erblasser unterschrieben, 4. zusätzlich hat die Rechtsprechung gerade im Hinblick auf Briefe und nicht als letztwillige Verfügung deklarierte Schriftstücke den Nachweis einer „testamentary intention" gefordert. 3. Zu den Briefen des Erblassers im

einzelnen:

a) Folgende Briefe des Erblassers können unter Umständen als letztwillige Verfügungen des Erblassers angesehen werden: (1) Ein vom Erblasser handgeschriebener datierter und unterzeichneter Luftpostbrief an Herrn Richard J. vom 22. 7.1959, der dem Nachlaßgericht Berlin-Charlottenburg als Testament eingereicht wurde und folgenden Inhalt hat: July 22 1959 528 South Parkview st. Los Angeles Calif. Lieber Richard - Ich gehe heute in das Samaritan Hospital in Los Angeles. Mein Doctor expects mich heimzuschicken in einer Woche in gutem Zustand, nach der Operation. Ich selbst fühle mich stark und gut auf den Beinen. Im Falle etwas unerwartetes passieren sollte, ernenne ich Dich zum Vollstrecker mit Vollmacht mein Geld in der Sparkasse in Form von Wertpapieren 1 2 3 4 5

Richard J. 1 mit zwei Knaben FrauJ. Bruder mit | mit Inge und Joachim Frau Eberhard Sohn (Quoten nicht leserlich)

Das Geld für die fünf Kinder ist bestimmt für die fünf Sparbücher der fünf Kinder, die vier Erwachsenen erhalten je ein neuntel des Geldes wie die anderen fünf Kinder Meine besten Wünsche für Euch George R. J."

(2) Ein ebenfalls vom Erblasser handgeschriebener datierter und unterzeichneter Luftpostbrief an Herrn Martin J. vom 2. bzw. 22. 7. 1959, der nachfolgend der Datierung vom 22. 7. 1959 folgenden Inhalt hat: „July 22 1959 Ich gehe ins Samariten Hospital Shato st. Los Angeles/California, welche will Dir mitteilen im Falle einer notwendigkeit. Ich bin in guten algemeinen Zustand aber es kann immer etwas passieren. Dann bist Du authorisiert das Geld der Deutschen Bank zu verteilen in gleiche Teile: Martin J. und Frau, Deine Kinder Ute, Hagen, Titzman, Dein Bruder Arnold J. und Frau und deren Kinder Inge, Joachim.

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Erbrecht

Das Geld für alle sex Kinder wird angelegt für deren Schulung. Du hast Vollmacht dieses zu regeln in privaten Wegen. Ich werde die Bank benachrichtigen darüber zu gleicher Zeit. Wenn alles gut geht, denke ich in gutem Zustand nach Hause zu gehen und Dir zu schreiben. Warte ein paar Wochen. Geld in zehn Teile. Jeder erhält ein Zehntel. Das Geld für die Kinder anzulegen als Vormund sicher. Zu 4 '/a °/o zwei anziehend im Ostern und Oktober ist für jedes Semester. „ (3) Ein v o m Erblasser handgeschriebener, datierter und mit „Rud" unterzeichneter Brief an Mrs. Anna J. v o m 4.11.1964 (eine Kopie dieses Briefes befindet sich bei der Sparkasse der Stadt Berlin) mit folgendem Inhalt: „General Deliver Nov. 4.64 Riverside Cal. Lieber Herbert + Anna Brief von Oct. 24 erhalten. In einem Monat kann ich 89 Jahre alt werden. Das Geld in Sp. werde ich verteilen. Seit 1957 war es mir nicht möglich Auskunft zu erhalten von der S. K. Dieses ärgerliche Geschäft mit der Sp. K. macht mich übel. Bitte versuche mir genaue Auskunft zu senden wie der Vierteljahr-Zustand im Quartal Juli oder Oct. ist- war. Um mit einer bestimmten Zeit rechnen zu können. Bitte Dich besuche die Kasse und frage über den Betrag im 3 Quartal. Wenn die von Bankgeheimnissen und anderen Schwierigkeiten sprechen und Dir die Auskunft nicht geben, sage ihnen es mir direct zuzusenden ohne Bank Reclame auf dem Umschlag. Addresse ist General Deliver, Riverside Cal. USA. Bitte sende mir die Oct. I st - Summe in der S. K. Ich bin müde von der Sache. Inliegend sind Quittung über Send, von 98, für Peck. Ihr könnt mit Richard die Sache besprechen. Grüße Rud. Desitin Quintment (Medikament?) mag in W Berlin im amerikanischen Teil der Stadt erhältlich zu sein. Sonst schicke ich eine 4 unzentube." Dem auf liniertem Din-A-4-Papier beidseitig beschriebenen Brief hat noch ein nicht signierter, v o m Erblasser mit blauem Kugelschreiber beschriebener Zettel folgenden Inhalts beigelegen: „Herbert + A. Nov. 4 th 64 Ich will das G. verteilt sehen Habe an Richard und Kasse geschrieben. 1 Rieh und Fr(au A Ella J.) Robert - Alfr(ed J. je 1=) 2 Herbert + Fr(au Anna J.) Joachim (E.) 3 Max + (Frau E.) Son (Wilfried)"

Teile 2 2 2 1 2 1 10

Die in Klammern wiedergegebenen Ergänzungen (im Original mit schwarzem Kugelschreiber eingetragen) sollen von handschriftlichen Ergänzungen eines Bankbeamten herrühren.

Testament

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USA-Kalifornien

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(4) Der Brief des Erblassers vom 29. 3.1964 aus dem Brockton Convalescent Hospital an Richard J. enthält, soweit lesbar, keine letztwilligen Verfügungen. b) Die Briefe des Erblassers vom 22. 7.1959 an Herrn Richard J. und Herrn Martin J.: Äußere

Form der

Briefe

(1) Der äußeren Form nach entsprechen beide Briefe den Erfordernissen, die § 53 Probate Code und im Anschluß hieran die Rechtsprechung aufgestellt haben. (a) Die Briefe sind vom Erblasser in vollem Umfang eigenhändig geschrieben und auch unterschrieben. Der Umstand, daß der Erblasser in seinem Brief an Martin J. nicht mit seinem vollen Namen, sondern nur mit „Rud." unterschrieben hat, stellt keinen Formmangel dar 3 . „The legal or true name of the testator is not required by the code section."

Das Gesetz schreibt nicht den gesetzliehen oder wahren Namen des Erblassers vor.

Entscheidend ist, daß der Erblasser - wie im vorliegenden Fall mit der Bezeichnung Rud, die auch in anderen Briefen des Erblassers Verwendung gefunden hat - sich ausreichend ausweisen kann. (b) Bezüglich des Datums ergeben sich insoweit Schwierigkeiten, als der Erblasser die Briefe nicht am 22. 7.1959 geschrieben haben kann, da die Briefe den Poststempel vom 13. 7. 1959 tragen. Ein Irrtum beim Abstempeln der Briefe erscheint ausgeschlossen, da - wie dem Poststempel zu entnehmen - die Briefe von verschiedenen Stempelmaschinen abgestempelt wurden. Der Supreme Court of California hat im Jahre 1904 (In re Fay's Estate, 145 C 82, 84 = 78 P 340) zu einem ähnlich gelagerten Fall Stellung genommen. Der Erblasser hatte als Datum der Testamentserrichtung den 25. 5. 1859 angegeben. Aus Ereignissen, auf die das Testament Bezug nahm, ergab sich jedoch, daß das Testament auf keinen Fall im Jahre 1859 errichtet worden sei; vieles sprach dafür, daß es im Jahre 1889 errichtet worden war. Die Entscheidung des Gerichts erging zwar zu § 1277 des alten an den Code Napoleon sich anlehnenden Civil Code, der aber, was die Formerfordernisse des holographischen Testamentes anbelangt, mit § 53 Probate Code identisch ist. Der Entscheidung sind - abgesehen von einigen dissenting opinions - die Gerichte auch nach dem Inkrafttreten des Probate Code gefolgt. Richter Cooper, der die einhellige Meinung des Gerichts vertrat, führte zu § 1277 Civil Code folgendes aus: „The legislature has not used the words ,truly dated' nor .correctly dated', but the world ,dated', which must be construed according to the approved usage 3

Vgl. Button's Estate (1930), 209 C 325, 328 = 287 P 964.

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Erbrecht

of the language (Civ. Code, § 13), and in its primary and general sense (Code Civ. Proc. § 1861). If w e should hold that the word .dated' means the true and correct time when the will was written, then any difference shown between the date given in the instrument and the time w h e n it was written would invalidate it. If, under such rule, a testator, in his right mind, by his own hand, should write his will, and date it J a n u a r y 1, 1903, and it should be shown by oral evidence to have been written J a n u a r y 1, 1904, the will would be void; and yet we know by constant experience that business men many times during the first few days of the new y e a r write the date of the old. And also many times w e get the wrong impression as to the day of the month, and instead of the correct date write the date as of the day preceding or even of the following day... An olographic will must be dated for the reason that the Legislature has said so, but w e do not think it would be a sound rule to hold that any mistake or error in the date would invalidate the will." Sinngemäße Ubersetzung: Das Gericht ist der Ansicht, daß es, da nicht „wahrheitsgemäßes" oder „korrektes" Datum verlangt werde, auf den allgemeinen Begriff Datieren ankomme und gelangt zu der Feststellung, daß falsches Datieren im täglichen Leben durchaus vorkomme. Es sei deshalb davon Abstand zu nehmen, ein fälschlich oder irrtümlich datiertes Testament als formnichtig zu behandeln. D i e s e s e h r w e i t e A u s l e g u n g ist letztlich in e i n e m f a v o r t e s t a m e n t i begründet, d e n kalifornische Gerichte auch in Fragen der T e s t a m e n t s f o r m anwenden4. „In ascertaining whether a will has been executed in compliance with statuatory requirements, a construction favoring validity is preferred."

Bei der Feststellung, ob ein Testament in Ubereinstimmung mit den gesetzliehen Vorschriften errichtet worden ist, ist einer der Gültigkeit des Testamentes günstigeren Auslegung der Vorzug zu geben.

A u s d i e s e n Gründen ist d a s falsche D a t i e r e n der Briefe durch d e n Erbl a s s e r im Hinblick auf § 53 Probate C o d e unschädlich. (c) D e n b e i d e n Briefen läßt sich die g e f o r d e r t e „testamentary intention" entnehmen5: „Execution with a testamentary intent is necessary uphold a holograph writing as a will."

Um ein Schriftstück als Testament anzuerkennen, ist die Abfassung mit der Absicht, letztwillig zu verfügen, erforderlich.

D i e Rechtsprechung ist hier in d e n Fällen, in d e n e n der Erblasser k e i n e andere als T e s t a m e n t b e z e i c h n e t e U r k u n d e h i n t e r l a s s e n hat, g r o ß z ü g i g verfahren: 4

Vgl. Moody Estate (1953) 118 Ca 2d 87 = 194 P 2d 83. Vgl. Wunderle Estate (1947) 302d 274 = 181 P2d 874 u. Golder Estate (1948) 31 C. 2d 848 = 193 P. 2d 465. 5

Testament

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USA-Kaiiíoinien

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In der oben zit. Entscheidung Button's Estate hat das Gericht einen Brief, bestehend aus 700 Worten, in dem nur 24 Worte sich mit testamentarischen Verfügungen befaßten, als holographisches Testament anerkannt; in der Sache Golder Estate, aaO, hat das Gericht es für ausreichend erachtet, daß der Erblasser im Post Scriptum letztwillig verfügt hat. (2) Zur Frage der bedingten Verfügung von Todes wegen (conditional will) Die mit der bedingten Verfügung von Todes wegen zusammenhängenden Fragen gehören zu den schwierigsten Auslegungsfragen des amerikanischen Testamentsrechtes. Dies gilt auch für Kalifornien, wo das sog. conditional will in § 24 Probate Code geregelt ist: „A will, the validity of which is made conditional by its own terms, shall be granted or denied probate, or denied effect after probate, in conformity with condition."

Ist die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung nach ihrem eigenen Wortlaut bedingt, kann die Gültigkeit des Testamentes nur im Einklang mit dieser Bedingung zuerkannt oder verweigert werden; (hat das Nachlaßgericht das Testament für gültig erkannt, so kann es die dadurch eingetretenen Rechtswirkungen bei nachträglichem Bedingungseintritt gemäß der Bedingung aufheben).

Wird, wie im vorliegenden Fall, das Testament im Hinblick auf den Tod in einem bestimmten Ereignis errichtet, so kann hierin ein allgemeiner Hinweis auf den Tod und die dadurch eintretende Erbfolge liegen, aber auch die Bedingung des Inhalts, daß die getroffenen Verfügungen nur gelten sollen, wenn der Tod tatsächlich bei dem ins Auge gefaßten Ereignis eintritt. (a) Die führende Entscheidung zu dieser Frage ist die Entscheidung des Supreme Court der Vereinigten Staaten in der Sache Eaton v. Brown aus dem Jahre 19046. Das Gericht hatte damals darüber zu befinden, ob dem das Testament einleitenden Satz „I am going on a Journey and may not ever return" eine Bedingung des Inhalts zu entnehmen war, daß dieses nur für den Fall gelten solle, daß die Erblasserin von der Reise, die sie unternahm, nicht zurückkehrte. (a) Richter Holmes bestätigte hierbei zunächst die Gültigkeit des alten Common-Law-Grundsatzes der wörtlichen Auslegung: „There is no doubt either of the danger in going beyond the literal and grammatical meaning of the words. The

Es besteht auch kein Zweifel an der Gefahr, über die buchstäbliche und grammatische Auslegung der Worte hinaus-

6 193 U.S. 411, 48 L. ed. 730, 24 Sup.C. 487; vgl. dazu auch Rheinstein, Decedents Estates (2. Aufl. 1955) 399 ff.

Cases on

Erbrecht

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English courts are especially and wisely careful not to substitute a lively imagination of what a testatrix would have said if her attention had been directed to a particular point, for what she has said in fact. On the other hand, to a certain extent, not to be exactly defined, but depending on judgment and tact, the primary import of isolated words may be held to be modified and controlled by the dominant intention, to be gathered from the instrument as a whole. Bearing these opposing considerations in mind, the court is of opinion that the will should be admitted to proof."

zugehen. Besonders die englischen Gerichte sind mit Recht darauf bedacht, nicht eine lebhafte Nachempfindung dessen, was die Erblasserin gesagt haben würde, w e n n ihre Aufmerksamkeit auf den bestimmten Umstand gelenkt worden wäre, an die Stelle ihrer tatsächlichen Äußerungen zu setzen. Andererseits kann - in einem bestimmten Ausmaß, das nicht genau definiert werden kann und vom Ermessen und Einfühlung des Richters abhängt - die primäre Bedeutung eines für sich dastehenden Wortes modifiziert und eingeschränkt werden von der aus dem Testament als Ganzen zu erschließenden verfolgten Absicht des Testators.

(bb) N a c h d i e s e n G r u n d s ä t z e n f o l g e r t e d a s Gericht, daß der Satz „I am g o i n g o n a j o u r n e y and m a y n e v e r return" offensichtlich nur die U m s t ä n d e schildern sollte, die die Erblasserin v e r a n l a ß t e n , über ihr V e r m ö g e n (unbedingt) zu v e r f ü g e n : „... it was natural to an uneducated mind to express the general contingency of death in the concrete form in which just then it was presented to her imagination."

. . . für die ungebildete Erblasserin war es ganz natürlich, die allgemeine Todesbedingung in der konkreten Form, in der er (der Tod) ihr gerade erschien, auszudrücken.

(cc) Das Gericht schließt sich w e i t e r der in der a l t e n e n g l i s c h e n Entscheidung S h i p - w i t h v. Cabell (19 Gratt 758, 783) g e ä u ß e r t e n Ansicht an, daß Gründe ersichtlich w e r d e n m ü s s e n , w a r u m der Erblasser nur b e d i n g t u n d später e t w a anders v e r f ü g e n h a b e w o l l e n : the gifts are of a kind that indicates an abiding and unconditional i n t e n t . . . The unlikelihood ot such a condition being attached to such gifts may be considered."

... die von der Erblasserin getroffenen Verfügungen sind solcher Art, daß eine unbedingte Einsetzungsabsicht angezeigt erscheint... Der Umstand, daß es unwahrscheinlich erscheint, daß der Erblasser eine derartige Verfügung von einer Bedingung abhängig gemacht hätte, kann vom Gericht in Erwägung gezogen werden.

(b) A n d e r e r s e i t s h a b e n englische Gerichte in e i n i g e n älteren Entscheid u n g e n ähnliche K l a u s e l n als echte B e d i n g u n g e n a n g e s e h e n . (aa) Lord H a r d w i c k e w i e s in der Sache Parsons v. L a n o e 6 a ein T e s t a m e n t m a n g e l s B e d i n g u n g s e i n t r i t t zurück, d a s w i e folgt b e g a n n : Vgl. Rheinstein 401.

Testament / „In case I should die before I return from the journey I intend, god willing, shortly to undertake to Ireland".

USA-Kalifornien

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Für den Fall, daß ich sterben sollte, bevor ich von der Reise zurückkehre, die ich - so Gott will - in Kürze nach Irland antrete.

Der Sachverhalt lag hier aber anders als im vorliegenden und vorgenannten Fall. Durch das Testament wären die Kinder des Testators enterbt worden, die erst nach der Errichtung des Testamentes geboren wurden. Aus diesem Grunde wollte man - wie der Lord Chancellor einräumte zu einer durch den Tod auf der Reise bedingten Erbeinsetzung gelangen. (bb) In der Sache Todd's Will (Watts & S. 145) hatte sich das Gericht mit folgender Testamentseinführung zu befassen: „my wish, desire and intention now is that if I should not return...

meine Absicht, Wille und Wunsch ist nun, falls ich nicht zurückkehren sollte...

Es maß hierbei dem Wort „nun" die Hauptbedeutung bei und führte aus, daß dadurch die Verfügung eindeutig zeitlich begrenzt worden sei. Lord Pencanze führte aus, daß das Gericht keine bedingte Verfügung angenommen hätte, wenn der Testator nur „should anything unfortunately happen to me while abroad" (sollte mir in Ubersee ein Unglück zustoßen) geschrieben hätte. (cc) Ähnliche Gesichtspunkte werden auch in den Entscheidungen Ambler, 561; 1 Ves. Sr. 192. Porter'Goods, L. R. 2 Prob. & Div. 22 und Mayd's Goods, L. R. 6 Prob. Div. 17, 19 angeführt; folgende Klauseln wurden nicht als Bedingungen angesehen; „On leaving this station for Thargomindah and Melborne, in case of my death on the way" (Mayd's Goods aaO). „In case of any fatal accident happening to me being about to travel by railway" (DObsons's Goods, L. R. 1 P & D 88). „If any thing should happen me while in India" (Estate of Vines [1910] Prob. Div. 147). „I am writing my Will if any thing Hapins te me Before I come Home"' (re Moore's Estate, 332 Pa 257, 2 A 2d 761, 762). „If enything happens to us on this trip that we shouldn't return" (National Bank of Commerce v. Wehrle 124 W. Va. 268, 20 S.E.2d 112, 115-116). „Should a misfortune befall me on my journeys and I thereby lose my life (re Langer's Estate 156 Misc. 440, 281 N. Y. S. 866, 868). „In case of accident I sign this my will" (Bateman v. Pennington, 3 Moore P. C. 223, 13 Reprint 95). „I leave this a memoranda of my wishes should anything happen to me during my intended trip" (re Redhead's Estate, 83 Miss. 141, 35 So. 761). „I am going away; I may never return. I leave my property..." (Cody v. Conly, 27 Grat. 313 68 Va. 313, 314). Zitiert nach dem Originaltext der Testamente; Rechtschreibfehler wurden wie auch bei den folgenden Zitaten nicht berichtigt. 7

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Erbrecht

„I am going on a Journey and may not ever return. And if I do not, this is my last request" (Eaton v. Brown, aaO). „Whereas I am going to go on a journey to Mexico, and should I die..." (re Rempel Estate 32 Man. 126, 68 Dom. L. R. 677, 678). „U anything happens that the operation is not successful I want you to have" ... (re Swords 3 Dom. L. R. 564, 566). „To whom it may consem that I, Michael P. Dowling, is to go on opperation for a groth in the head if anything serious should happen to me I leave all I own t o . . ( r e Dowling's Estate 16 Pa Dist. & Co. R 381). „Let all men known herby, if I get drowned this morning, March 7, 1872, that I bequeath all my property..." (French v. French, 14 WVa. 458, 462). (c) Die für Kalifornien maßgebliche Entscheidung ist die Entscheidung des District Court of A p p e a l in der Sache Black v. Taylor (in re Taylor's Estate) v o m 7. 8.1953. Das Gericht hatte sich damit zu befassen, ob in der Klausel in einem v o n e i n e m amerikanischen Matrosen 1944 im PazifikKrieg an einen Freund geschriebenen Brief eine letztwillige V e r f ü g u n g zu s e h e n war: „incase , Davie Jones' gets me out in the South Pacific ocean in other words lost at Sea I would very much like to turn my Bonds & cash in the bank also the pay I will have coming in the navy to..."

wenn ich im Südpazifik bleiben sollte 8 , mit anderen Worten: im Seekrieg gefallen, möchte ich gerne meine Wertpapiere und mein Bargeld bei der Bank ebenso wie meinen dann noch ausstehenden Sold ... geben.

Der Matrose überlebte d e n Krieg und starb 1952 in der N ä h e v o n Los Angeles. Bei der A u s l e g u n g der Testamentsbestimmung stellte sich das Gericht folgende Frage: „Did the testator intend, by the language used, to make the happening of the possibility referred to a condition precedent to the operation of the will, in which case the instrument is not entitled to probate if the condition is not fulfilled; or did he state the possibility of the happening merely as the motive or reason which led to the making of the instrument and which was carelessly stated in language suggestive of a condition, in which case the will becomes operative on the testa-

Hat der Testator durch die von ihm gebrauchten Worte die Absicht geäußert, daß die Ereignisse, auf die er Bezug genommen hat, vorher eintreten müssen, um die letztwillige Verfügung in Kraft zu setzen - dann könne das Schriftstück im Nachlaßverfahren nicht als Testament anerkannt werden; oder hat er der Möglichkeit des Eintritts des Ereignisses nur als Motiv Ausdruck verleihen wollen, das ihn zur Errichtung eines Testamentes veranlaßte und das unachtsamerweise in der Form

8 Anmerkung des Instituts: Davie Jones ist eine der sagenumwobenen englischen Seemanns- und Piratengestalten; unter „Davie Jones" locker (Seemannskiste) versteht die Umgangssprache der Seeleute die tiefsten Tiefen der Weltmeere; von Davie Jones geholt zu werden, heißt so viel wie ertrinken.

Testament / USA tor's death even if the event, the possibility of which appears to have induced the will, has not taken peace?"

Das Gericht fährt dann fort: „Rarely is it to be supposed that a testator means that the will he leaves unrevoked at his death was only meant to operate if he died at some particular time. The meaning of what Taylor said is, „knowing the uncertainty of human life, and being about to enter on something particularly dangerous, I make this w i l l . . . ... in case Davie Jones gets me out in the South Pacific Ocean was intended as an explanation why he made in his will at that time, to be effective whenever he might die; unless, of course, he revoked it."

(Kalifornien)

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einer Bedingung ausgedrückt wurde in diesem Falle könne die letztwillige Verfügung mit dem Tode des Testators in Kraft treten, auch wenn der Umstand, der den Testator zur Abfassung des Testamentes veranlaßt hat, nicht eingetreten ist. Nur in Ausnahmefällen kann angenommen werden, daß der Testator, der bei seinem Tode ein unwiderrufenes Testament hinterlassen hat, dessen Geltung nur für den Fall beabsichtigt, daß er zu einem bestimmten Zeitpunkt gestorben wäre. In Wahrheit hat Taylor (Testator) folgendes sagen wollen: „in Anbetracht der Unbestimmtheit des Lebens und des Umstandes, daß ich mich jetzt einer besonders großen Gefahr aussetzen muß, schreibe ich dieses Testament".

, . . . in case D a v i e J o n e s gets m e out in the South Pacific ocean' war als Erklärung beabsichtigt, warum er gerade jetzt sein Testament errichte, das g e l t e n sollte, w a n n immer er sterben sollte - sofern er es natürlich nicht widerrief. (d) Zusammenfassung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des v o r l i e g e n d e n Falles Die Worte, mit d e n e n der Erblasser seine letztwilligen V e r f ü g u n g e n einleitet, lauten: „Ich gehe heute in das Samaritan Hospital... im Falle etwas unerwartetes passieren sollte..." (Brief an Richard). „Ich gehe ins Samaritan Hospital, Shato st. Los Angeles, California, welche will Dir mitteilen im Falle einer notwendigkeit... Dann bist du authorisiert..." (Brief an Martin). Obgleich das Institut in dieser Frage der A u s l e g u n g nicht vorgreifen kann (und gerade der Supreme Court stellt es in seiner Entscheidung Eaton v. Brown ganz auf den Einzelfall ab: „each case must stand so much on its o w n circumstances and words"), sondern nur die Auslegungsgrundsätze und die v o n den maßgeblichen Gerichten als bedeutsam erachteten Umstände darlegen kann, möchte e s doch in der Nachlaßsache Dr. J. der Auffassung zuneigen, daß sich unter Berücksichtigung der oben dargelegten Regeln und der Besonderheiten des Einzelfalles d e n die Briefe ein46

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Erbrecht

leitenden Sätzen eine vom Erblasser beabsichtigte Bedingtheit der Verfügungen nicht ableiten läßt. (aa) Die einleitenden Sätze des Erblassers sollen den jeweiligen Empfänger der Briefe i. S. der Entscheidung des Supreme Court, aaO, und des kalifornischen Court of Appeals, aaO, die Umstände schildern, wie der Erblasser dazu kommt, jetzt und in der Form eines Briefes über sein Vermögen letztwillig zu verfügen. (bb) Kein vernünftiger Grund kann dafür angeführt werden, daß das Testament nur für den Fall des Versterbens im Samaritan Hospital gelten hätte sollen, sonst hätte der Erblasser zwischen 1959 und 1965 anders verfügt; der Testator wollte nicht ohne Testament versterben und wollte es auch nicht bei der gesetzlichen Erbfolge bewenden lassen. Dies zeigt ganz deutlich der Brief an Anna und Herbert, in dem er zumindest auf eines der Testamente (Brief an Richard) verweist. (c) Brief des Erblassers an Anna und Herbert vom 4.11.1964 nebst Beiblatt (1) Bei der nur skizzenhaften Darstellung kann es dem Erblasser an der oben b) (1) (c) dargestellten testamentary intention gefehlt haben. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob der Erblasser tatsächlich letztwillig verfügen wollte oder den Briefempfängern als Mitbegünstigten lediglich mitteilen wollte, wie er bereits vorher - nämlich in dem Brief an Richard - verfügt hat. Dafür spricht, daß der Erblasser den Brief an Richard, der letztwillige Verfügungen enthält, ausdrücklich erwähnt, ohne ihn zu widerrufen. Allerdings sind die im Brief an Richard vom 22. 7. 1959 aufgeführten Bedachten nicht mit denen im Jahre 1964 aufgezählten ganz identisch. Der Name Inge ist weggefallen; dafür treten nunmehr Max (Ehrhardt) und Frau hinzu. Ob hierin ein durch das hohe Alter und Verzweigtheit der weit entfernt lebenden Verwandtschaft bedingtes Versehen zu erblicken ist, oder ob der Erblasser im Jahre 1964 nochmals letztwillig verfügen wollte, kann aber letztlich dahingestellt bleiben. (2) Der Erblasser hat das Memorandum nicht unterschrieben. Zwar muß nach der kalifornischen Rechtsprechung die Unterschrift nicht unbedingt den getroffenen Verfügungen unmittelbar nachfolgen 9 : „A holographic testamentary instrument may be admitted to probate, although the testator wrote his name only in the beginning or at a place other than at the end, when it appears that the instrument is the completed declaration of decedent's desires."

8

Ein holographisches Testament kann als formgültig zugelassen werden, wenn auch der Testator nicht am Ende, sondem am Anfang oder an irgendeiner anderen Stelle seinen Namen gesetzt hat, soweit es klar ersichtlich ist, daß es sich um eine abgeschlossene und vollständige Erklärung des letzten Willens des Erblassers handelt.

Vgl. Bloch Estate (1952) 39 C 2d 570 = 248 P 2d 21.

Testament / USA

(Kalifornien)

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Hierbei muß sich der Umstand, daß die Unterschrift, die nicht unmittelbar der Verfügung folgt, die Verfügung deckt aus der Art der Abfassung der Urkunde selbst ergeben. Außerhalb der Urkunde selbst liegende Umstände können nicht angeführt werden 10 . Requirement that holographic will must be executed with testamentary intent must appear on the face of the document itself, and parol evidence is not admissible to show that a signature found elsewhere than at the end is a signature of execution.

Ein derartiger Wille kann im vorliegenden Fall aus dem Testament nicht erschlossen werden. Die Unterschrift unter dem Brief an Herbert und Anna deckt nicht die auf dem Beiblatt getroffenen Verfügungen, da keinerlei Beziehung zwischen den beiden Dokumenten hergestellt wurde. Hier hätte der Erblasser zumindest die Schriftstücke fortlaufend numerieren müssen, um einen gedanklichen Zusammenhang herzustellen. Der Umstand, daß der Erblasser die Rückseite des Briefes mit 2 numeriert hat, den die Verfügungen enthaltenen Zettel aber nicht, spricht eher gegen einen gewollten gedanklichen Zusammenhang. Der Umstand, daß sich beide Dokumente in einer Briefsendung befanden, ist nicht ausreichend, um die Unterschrift unter dem einen Dokument auch auf das andere zu erstredten. Der Brief vom 4.11.1964 enthält damit nach kalifornischem Recht keine wirksame Verfügung von Todes wegen. III. Die mateiieile Wirksamkeit

der

Testamente

1. Das Verhältnis der in dem Briei an Richard und in dem Brief an Martin getroüenen Verfügungen zueinander Zu einer abschließenden Stellungnahme reicht der bisher vom Gericht ermittelte Sachverhalt noch nicht aus. Insbesondere wäre zu klären: Wer sind die Bedachten? („zwei Knaben"?, „Sohn"?, „Bruder"?). Inwieweit sind die durch den Brief an Martin Bedachten mit den durch den Brief an Richard bedachten Personen identisch („Bruder", Inge, Joachim, Arnold)? Welche Gelder hat der Erblasser gemeint? Ist das „Geld in der Sparkasse" (Brief an Richard) mit „dem Geld in der Deutschen Bank" (Brief an Martin) identisch? Wollte der Erblasser über zwei verschiedene Vermögen verfügen? Nach den bisher bekannt gewordenen Umständen zeichnen sich die folgenden Auslegungsmöglichkeiten ab: a) Nur einer der Briefe war vom Erblasser als letztwillige Verfügung gedacht, der zweite sollte nur der Information dienen (vgl. dazu audi oben II, 3, c, (1)). Diese Auslegung wird aber wahrscheinlich daran 10 Vgl. Bloch Estate, aaO. 46 *

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Erbrecht

scheitern, daß die Bedachten weitgehend nicht identisch sind und - da beide Briefe das gleiche Datum tragen und sich auch sonst in Abfassung und Art gleichen - nicht festzustellen sein wird, welcher Brief die Verfügung und welcher nur die Mitteilung enthält. b) Der Erblasser hat zweimal über dasselbe Vermögen verfügt; dann wäre das Problem angesprochen, welcher Brief den Widerruf der früheren Verfügung darstellt. Da beide Briefe dasselbe Datum tragen und auch am selben Tag bei der Post aufgegeben wurden, wird sich eine Priorität nicht mehr feststellen lassen. Die Testamente wären dann - soweit sie sich widersprechen - nichtig. Zudem bestünden dann, wenn der Erblasser am nämlichen Tag zweimal über dasselbe Vermögen verfügt, ohne die frühere Verfügung aufzuheben, im Zusammenhang mit anderen Umständen (Datum, Schrift und Abfassung des Testamentes) begründete Zweifel an seiner Testierfähigkeit. c) Eine sinnvolle Auslegung bestünde nach der Auffassung des Instituts in folgendem: Die Briefe an Richard und Martin ergänzen sich zu einer einheitlich konzipierten Verfügung von Todes wegen. Hierfür (und gegen einen Widerruf) spricht der Umstand, daß der Erblasser die Briefe im engsten räumlichen und zeitlichen Zusammenhang abgefaßt hat. Das „Geld in der Sparkasse" und das „Geld in der Deutschen Bank" sind nach der Auffassung des Erblassers zwei verschiedene Vermögensmassen; über die Gelder bei der Sparkasse (Sparkasse der Stadt Berlin West?) sollte Richard nach den Wünschen des Erblassers verfügen können, über das Guthaben bei der Deutschen Bank Martin. 2. Zu den Anordnungen

des Erblassers

Es ergibt sich hier ein doppeltes Problem: zunächst ist herauszuarbeiten, welche Bedeutung die Anordnung des Erblassers im Recht von Kalifornien hat. Sodann ist zu prüfen, wie sich diese Anordnungen des Erblassers im deutschen Rechtsbereich auswirken. a) Will man sich Klarheit darüber verschaffen, wie sich im anglo-amerikanischen Recht das vom Erblasser errichtete Testament auswirkt, so ist es erforderlich, über folgende wesentliche Grundzüge des kalifornischen Rechts sich Rechenschaft zu geben. W e n n auch der Nachlaß nach kalifornischem Recht - anders wie in den meisten übrigen Bundesstaaten der USA - unmittelbar auf den Erben übergeht, so wird doch immer ein Treuhänder zwischengeschaltet, der den Nachlaß abwickelt; die maßgebliche Vorschrift ist in § 300 Probate Code enthalten: „Title to decendent's estáte: When a person dies, the title to his property, real and personal, passes to

Titel am Nachlaß: Verstirbt eine Person, so geht der Titel zu dem beweglichen und unbeweglichen

Testament

/ USA

the person to whom it is devised or bequeathed by his last will, or, in the absence of such disposition, to the persons who succeed to his estate as provided in Division II of this code; but all of his property shall be subject to the possession of the executor or administrator and to the control of the superior court for the purposes of administration, sale or other disposition under the provisions of Division III of this code, and shall be chargeable with the expenses of administering his estate, and the payment of his debts and the allowance to the family, except as otherwise provided in this code."

(Kalifornien)

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Vermögen über, der es testamentarisch vermacht ist, oder, wenn es an einer Verfügung von Todes w e g e n fehlt, auf die Personen, die nach Abschnitt II des Gesetzes berufen sind (gesetzliche Erben, §§ 200ff.); aber das gesamte Nachlaßvermögen unterliegt dem Besitz und Verwaltungsrecht des Executors oder Administrators und der Kontrolle des Nachlaßgerichtes nach Maßgabe des Abschnitts III des Gesetzes (regelt die Verwaltung des Nachlasses, §§ 300ff.); der Nachlaß haftet für die Verwaltungskosten, die Nachlaßschulden und Sonderberechtigungen zugunsten der Familie, soweit im Gesetz nicht anders geregelt

Executor ist hierbei der vom Erblasser ernannte Treuhänder, dessen Stellung aber nicht ohne weiteres mit derjenigen eines Testamentsvollstreckers zu vergleichen ist. Ist ein Executor letztwillig nicht benannt worden oder entfällt er, so bestellt das Gericht von sich aus einen „personal representative", der in diesem Falle „administrator" heißt. Es ist noch auszuführen, daß in Kalifornien bis zum Tätigwerden des Nachlaßgerichtes die Sicherheitsbehörde (Sheriff, Coroner) von Amts wegen als öffentlicher Administrator (ex officio public administrator) zur Nachlaßsicherung usw. tätig wird. b) Im deutschen Nachlaßverfahren handelt es sich, wenn ein Ausländer beerbt wird, ohne daß kraft Rückverweisung oder sonstiger kollisionsrechtlicher Besonderheiten auf seinen gesamten Nachlaß deutsches Recht anzuwenden ist, nur darum, daß ein gegenständlich beschränkter Erbschein (§ 2369 BGB) oder ein gegenständlich beschränktes Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 in Verbindung mit § 2369 BGB) erteilt wird. Abgesehen von Amtshandlungen, welche Voraussetzungen für diese Entscheidungen sind (wie etwa die Testamentseröffnung) oder auf deren Inhalt Einfluß nehmen können (wie etwa die Entgegennahme von Annahme- oder Ausschlagungserklärungen), sind deutsche Nachlaßgerichte in derartigen Fällen grundsätzlich nur zu sichernden Maßnahmen zuständig. Im deutschen Erbscheinsverfahren kommt es in derartigen Fällen also nur darauf an, wem in dem Testament eine Stellung übertragen ist, die ihrer Funktion nach (wenn auch in Einzelheiten abweichend) einem Erben oder aber einem Testamentsvollstrecker ähnelt. Es ist Bestandteil des 11 Vgl. Ferid-Firsching, California 1.

Internationales Erbrecht, Bd. II USA, Texte III Nr. 4

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Erbrecht

deutschen Nachlaßverfahrens, daß Erbscheine, auch gegenständlich beschränkte Erbscheine, nur an „Erben" und Testamentsvollstreckerzeugnisse nur an Testamentsvollstrecker ausgestellt werden können. Andere Legitimationen, etwa zugunsten von sog. treuhänderischen Erben, kennt das deutsche Nachlaßverfahrensrecht nicht. Sie müssen daher außer Betracht bleiben. 3. Zur Frage der Anpassung und

Umdeutung

Bei dem Versuch, die anglo-amerikanischen Rechtsbegriffe in die äquivalenten des inländischen Rechts zu transformieren, ergeben sich im vorliegenden Fall grundsätzlich zwei Möglichkeiten. a) Nach dem, was oben über die Notwendigkeit des Testamentsvollstreckers im anglo-amerikanischen und insbesondere kalifornischen Recht gesagt worden ist, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es der Wille des Erblassers gewesen ist, Testamentsvollstrecker im Sinne des deutschen Rechts einzusetzen. Hat der Erblasser Richard („ernenne ich Dich zum Vollstrecker mit Vollmacht", Brief vom 22. 7. 1959) und Martin („dann bist Du authorisiert, das Geld ... zu verteilen", Brief vom 22. 7. 1959) nur im Hinblick auf § 300 Probate Code in ihre treuhänderische Funktion berufen, um einer Notwendigkeit des kalifornischen Rechts zu genügen, das sonst einen Administrator zur Abwicklung des Nachlasses berufen hätte, so wäre diese Position nicht in die eines Testamentsvollstreckers umzudeuten, deren Ernennung mit Kosten verbunden ist und deren Einschaltung bei kleineren, leicht abzuwickelnden Nachlässen in Deutschland allgemein nicht üblich ist 12 . Aus der Anlage der letztwilligen Verfügungen läßt sich zwar nicht entnehmen, ob der Erblasser „deutsch" oder „amerikanisch" gedacht hat, ob „executor" oder „Testamentsvollstrecker" gemeint ist. Sicher erscheint aber, daß der Erblasser Richard und Martin eine Sonderstellung unter den Bedachten einräumen wollte. Diesem Wunsch könnte im deutschen Recht dadurch Rechnung getragen werden, daß man Richard und Martin als Erben, die übrigen Bedachten als Vermächtnisnehmer behandelt. Für diese Lösung spräche weiter der Umstand, daß Richard und Martin nicht nur treuhänderisch verwalten, sondern auch ein Teil des Nachlasses erhalten sollen und ferner die Tatsache, daß das anglo-amerikanische Recht nicht zwischen Erben und Vermächtnisnehmer unterscheidet. b) W a r Testamentsvollstreckung im Sinne des deutschen Rechts vom Erblasser gewollt, so erschöpft sich hierin die Sonderstellung von Richard und Martin; die übrigen Bedachten w ä r e n wie Richard und Martin Erben. 18

Vgl. dazu Firsching, Deutsch-amerikanische Erbfälle, Die Bedeutung der Qualifikation und der Angleichung, der Anpassung und der Umdeutung bei ihrer rechtlichen Behandlung (1964) 127 ff.

Testament

/ USA

(Kalifornien)

727

4. Zur Berechnung der Erbquoten Der Erblasser hat die Bedachten nicht quotenmäßig am Gesamtnachlaß, sondern nur quotenmäßig an einer der beiden zum inländischen Nachlaß gehörigen Vermögensmassen (Vermögen bei der Sparkasse der Stadt Berlin West, Vermögen bei der Deutschen Bank) beteiligt. Im Hinblick auf den deutschen Erbschein müssen diese Quoten in Erbanteilsquoten transformiert werden. Als Maßstab für den quotal zu errechnenden Erbanteil (oder das Quotenvermächtnis) ist das Verhältnis der jeweiligen Vermögensmassen zum Gesamtnachlaß l s . Beträgt das Vermögen, über das in dem Brief an Richard verfügt wurde, 9 /io und das Vermögen, über das in dem Brief an Martin verfügt wurde, Vio des Gesamtnachlasses, so sind Richard und Martin als Erben zu 9/io bzw. Vio im Erbschein auszuweisen (Auslegung oben 2 a). Bei Auslegung nach oben 2 b sind die im Brief an Richard genannten Bedachten Erben zu je Vio, die im Brief an Martin genannten Bedachten Erben zu je Vioo. IV. Testierfähigkeit,

gesetzliche

Erbfolge

Um eine etwaige weitere Anfrage zu erübrigen, erlaubt sich das Institut, vorsorglich zur Frage der Testierfähigkeit und der gesetzlichen Erbfolge nach kalifornischem Recht kurz Stellung zu nehmen. 1.

Testieriähigkeit Die Testierfähigkeit ist in § 20 Probate Code geregelt:

„Who may make will: Every person of sound mind, over the age of eighteen years, may dispose of his or her separate property, real and personal, by will."

Wer ein Testament errichten kann: Jede vernünftige Person über 18 Jahren kann über ihr persönliches bewegliches oder unbewegliches Vermögen letztwillig verfügen.

Was unter „sound mind" zu verstehen ist, hat die Rechtsprechung wie folgt präzisiert 14 : „Testamentary capacity exists if the testator understands the nature and situation of his property, and recalls and understands his relation to persons, who have claims upon his bounty and whose interests are affected by provisions of the instrument."

Testierfähigkeit liegt vor, wenn der Testator Art und Lage seines Vermögens versteht, und sich an seine Beziehung zu Personen, die Erbansprüche haben und deren Interessen durch das Testament bemüht werden, erinnert und diese Beziehungen versteht.

13 Vgl. Firsching 131 ff., der die Problematik im Hinblick auf den Ehegattenfreiteil erörtert. 14 Garvey's Estate (1940), 38 CA 2d 449, 457, 101 P 2d 551.

728

Erbrecht

2. Gesetzliche Erbfolge Hält das Gericht das Testament mangels Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des Testamentes oder aus einem der oben III 1 genannten Gründe für nichtig, so greift gesetzliche Erbfolge ein. Da der Erblasser nicht verheiratet war, also nur separate und kein „Community property" besaß, sind nur die Regeln betreffend die gesetzliche Erbfolge in separate property zu berücksichtigen. Nach den §§ 220 bis 226 Probate Code kommen als sich jeweils ausschließende Erbfolgeordnungen der Reihe nach in Frage: 1. Kinder und repräsentierende Abkömmlinge 2. Eltern 3. Geschwister und repräsentierende Abkömmlinge §225: „No surviving spouse nor issue: If the decedent leaves neither issue nor spouse, the estate goes to his parents in equal shares, or if either is dead to the survivor, or if both are dead in equal shares to his brothers and sisters and to the descendants of deceased brothers and sisters by right of representation."

Falls weder Ehegatte noch Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind: Hinterläßt der Erblasser weder Ehegatte noch Abkömmlinge, geht der Nachlaß in gleichen Teilen an seine Eltern, oder, falls ein Elternteil vorverstorben ist, an den überlebenden, oder, wenn beide vorverstorben sind, an seine Brüder und Schwestern und an die Abkömmlinge der vorverstorbenen Brüder und Schwestern nach Repräsentation.

Das „right of representation" ist in § 250 Probate Code geregelt: „Right of representation. Inheritance or succession ,by right of representation' takes place when the descendants of a deceased person take the same share or right in the estate of another that such deceased person would have taken as an heir if living."

Repräsentationsrecht: Erbfolge nach Repräsentationsrecht greift ein, wenn die Abkömmlinge einer verstorbenen Person denselben Platz als Erbe einnehmen, den diese zu LebZeiten eingenommen hätte.

Testament

/ Iran

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Nr. 63 Iran 1. Kollisionsrechtliche Wahlfreiheit im internationalen Erbrecht. 2. Grenzen der Testierlreiheit im iranischen Erbrecht. 3. Zusammenwirken von testamentarischem und gesetzlichem Erbrecht im Iran. Hamburg G 170/64 vom 30. 8.1965

Die Herren Rechtsanwälte Dr. B. u. a. in Hamburg bitten in der Nachlaßsache Hassan K. um Auskunft über Internationales Privatrecht und iranisches Erbrecht. Aus den Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Am 30.9.1958 verstarb in Hamburg der Kaufmann Hassan K. Er besaß die iranische Staatsangehörigkeit und gehörte dem Islam schiitischer Richtung an. Er war seit vielen Jahren in Hamburg ansässig, wo er auch zwei Firmen betrieb, die zum Nachlaßvermögen gehören. Zum Nachlaß gehört ferner ein Grundstück. K. hinterließ als alleinige Witwe A. K. sowie drei aus der Ehe stammende Kinder, nämlich den Sohn S., geb. am 16. 2. 1945, den Sohn A., geb. am 26.12.1955, und die Tochter G., geb. am 9.11. 1950. Die Witwe und die Kinder besitzen ebenfalls nur die iranische Staatsangehörigkeit. Der Erblasser hat einen Tag vor seinem Tode ein notarielles Testament errichtet, in dem es u. a. heißt: „ . . . ich setze meine Ehefrau als alleinige Erbin ein. Ich will nach deutschem Recht beerbt w e r d e n . . . " Es wird gefragt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das notarielle Testament gültig ist.

A. ANWENDBARES RECHT

1. Form des

Testaments

Die Form eines in Deutschland errichteten Testaments bestimmt sich gemäß Art. I I I EGBGB alternativ nach deutschem Ortsrecht oder dem gemäß Artt. 24 f. EGBGB zuständigen Wirkungsrecht 1 . Audi nach iranischem Recht gilt für die Form des Testaments das Recht des Errichtungsortes. 1 Palandt(-Lauterbach), BGB (24. Aufl. 1965) Art. 24 EGBGB Anm. 3; Siebert(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961) vor Art. 24 EGBGB Anm. 35.

Soergel/

730

Erbrecht

Art. 969 Zivilgesetzbuch [= ZGB] von 1928/1935 2 : „La forme des actes est soumise aux lois du lieu de leur émission."

Die Form der Urkunden bestimmt sich nach den am Ort der Ausstellung geltenden Gesetzen.

Das im vorliegenden Falle vor einem deutschen Notar errichtete Testament entspricht den Formerfordernissen des deutschen Ortsrechts (§ 2231 Nr. 1 BGB). II. Materielle

Gültigkeitsvoraussetzungen

der letztwilligen

Verfügungen

Gemäß Art. 8 III des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.1929 3 bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten in bezug auf das Erbrecht auch im Gebiet des anderen Staates den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Eine zu Art. 8 III des Abkommens abgegebene Erklärung, die nach dem Schlußprotokoll „einen wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet", lautet 4 : „... Die vertragschließenden Staaten sind sich darüber einig, daß das Personen-, Familien- und Erbrecht, das heißt das Personalstatut, die folgenden Angelegenheiten umfaßt: . . . testamentarische und gesetzliche Erbfolge, Nachlaßabwicklungen und Erbauseinandersetzungen..."

Danach entscheidet hier grundsätzlich das iranische materielle Erbrecht über die Zulässigkeit der vorliegenden testamentarischen Verfügung. III. Parteiautonomie

im Erbrecht?

1. Für die Frage, ob der Erblasser anordnen konnte, daß statt des iranischen Rechts deutsches Recht als Erbstatut Anwendung finden solle, ist aus dem deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen nichts zu entnehmen; das Abkommen enthält darüber keine Regelung. Daher finden insoweit die allgemeinen kollisionsrechtlichen Bestimmungen Anwendung, und zwar für den deutschen Richter zunächst diejenigen des deutschen Rechts. 2. Das deutsche Internationale Privatrecht kann die Auswahl des anzuwendenden Sachrechts ebenso wie von objektiven Gegebenheiten (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) auch von Willenserklärungen der Par2 Französischer Text hier und im folgenden aus: Aghababian, Législation Iranienne Actuelle (Paris 1951). Vgl. auch Aghababian/Aghababoff, Persisches Zivilgesetzbuch (1938) (maschinengeschriebenes Manuskript). 3 RGBl. 1930 II 1010; weiter gültig gemäß Bekanntmachung vom 15. 8. 1955, BGBl. 1955 II 829; das Abkommen ist auszugsweise abgedruckt bei Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, Bd. II (2. Aufl. 1960) 312, 314. 4 Makarov 314.

Testament

/ Iran

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teien abhängig machen und dadurch zu einer subjektiven Lösung gelangen 5 . Speziell das deutsche Internationale Erbrecht hat jedoch eine abschließende objektive Regelung im Gesetz (Artt. 24-27 EGBGB und Staatsvertragsgesetze) gefunden; Lücken des geschriebenen Rechts werden durch Analogie ausgefüllt. Für eine „Parteiautonomie", d. h. für eine eigenmächtige Rechtswahl, bleibt hier - im Gegensatz zum Internationalen Schuldrecht, das weitgehend nachgiebiges Recht ist - kein Raum. In der deutschen Rechtsprechung und Literatur ist es einhellig anerkannt, daß ein Erblasser nicht die Wahl hat, die Erbfolge der nach den deutschen Kollisionsnormen maßgebenden Rechtsordnung zu entziehen und einem Erbstatut seiner Wahl zu unterstellen 8 . Nur soweit reicht die Dispositionsfreiheit des Testators, als ihm das Erbstatut selbst Spielraum gewährt 7 . 3. Das iranische Internationale Privatrecht könnte jedoch seinerseits durch Anerkennung der Parteiautonomie auf das deutsche Recht zurückverweisen. Dagegen spricht zunächst, daß in der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift (Art. 6 iran. ZGB) von der Möglichkeit der Rechtswahl durch die Partei nicht die Rede ist. Art. 6 ZGB: „Les lois relatives à l'état des personnes, telles que celles qui règlent le mariage ou le divorce, les lois relatives à la capacité des personnes et les lois qui règlent les successions seront applicables à tous les Iraniens, même à ceux qui résident en pays étranger."

Die Gesetze über den Personenstand sowie diejenigen über die Ehe und Scheidung, die Gesetze über die Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie die Gesetze, die die Erbfolge regeln, finden auf alle Iraner Anwendung, auch auf solche, die sich im Ausland aufhalten.

Auch ist zu beachten, daß das erbrechtliche Kapitel des iranischen ZGB eine Kodifikation des islamischen Rechts der schiitischen Schule („12er Schia") ist, so daß islamisches Recht zur Klärung von Zweifelsfragen im Erbrecht und in erbrechtlichen Kollisionsfällen herangezogen werden kann 8 . Dieses Recht erhebt aber, zumindest im Bereich des Personal6 Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 171 f.; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 467f.; Dolle, Die 7. Haager Konferenz: RabelsZ 17 (1952) 161 ff. (169ff., 173). ' Vgl. KG 11. 7. 1911, KGJ 41 A 62 (64) - unentschieden noch KG 10. 1. 1907, KGJ 34 A 236 (239) - ; Schnitzer, Handbuch des IPR, Bd. II (4. Aufl. 1958) 504; Högtum, Die Parteiautonomie und die universelle Vereinheitlichung des IPR (1955) 14; Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 363; Haudek, Die Bedeutung des Parteiwillens im IPR (1931) 12; Lewald, Das deutsche IPR (1931) 305. 7 Vgl. Lewald 305: „... Nur innerhalb der durch zwingende Normen des Erbstatuts abgesteckten Grenzen ist der Wille des Erblassers a u t o n o m . . . " ; Nußbaum 363; Schnitzer 504. 8 Vgl. Samiy, Etude critique et comparative de l'évolution ab intestat en Droit Persan (Diss. Paris 1933) 193; Aghababofi 4.

732

Erbrecht

statuts, aufgrund seines religiösen Charakters den Anspruch ausschließlicher Geltung für Mohammedaner 9 . Eine Wahl fremden Rechts scheint deshalb mit seinem Wesen schwerlich vereinbar. Die mit dem iranischen Recht vergleichbaren Rechtsordnungen Ägyptens, Syriens und Libyens (also von Ländern mit ebenfalls islamischer Staatsverfassung) kennen daher keine Parteiautonomie im Personalstatut 10 . Dagegen ist die in Algerien - jedenfalls bis zum Erlaß des Uberleitungsgesetzes vom 31. 12. 1962 - den Mohammedanern gemäß Dekret von 1889 bzw. 1944 gewährte Möglichkeit, die Regelung bestimmter Sachverhalte, die sonst dem islamischen Recht unterstanden, dem französischen Recht zu unterwerfen 1 1 , keine Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes. Diese Vorschrift gestattet vielmehr den Umkehrschluß: Wenn nicht das Gegenteil besonders - wie in Algerien wegen der kolonialen Vergangenheit und der französischen Assimilationspolitik - bestimmt ist, hat islamisches oder islamisch geprägtes Recht, soweit es überhaupt noch in Kraft ist, für Mohammedaner ausschließliche Geltung. Infolgedessen ist die Wahl deutschen Erbrechts im Testament nichtig. Die Erbfolge unterliegt im vorliegenden Fall dem iranischen materiellen Recht. B. IRANISCHES ERBRECHT

Es wird im folgenden davon ausgegangen, daß die festgestellte Teilnichtigkeit des Testaments dessen übrige Bestimmungen nicht berührt. Zwar gibt es im iranischen ZGB keine den §§ 139, 2085 BGB entsprechenden Normen über die Teilnichtigkeit einseitiger Rechtsgeschäfte oder Testamente. Jedoch sieht das iranische Recht, wie aus Art. 843 ZGB hervorgeht, die Aufrechterhaltung eines zum Teil nichtigen Testaments im gesetzlich zulässigen Rahmen vor. Es kann daher nach Meinung des Instituts davon ausgegangen werden, daß die ungültige Rechtswahl den Bestand des Testaments im übrigen nicht berührt. 1. Im vorliegenden Fall sind folgende Vorschriften über das Testament maßgebend: 9 Gaber Gad, al-qanun al-dawli al-hass al-arabi, 1. Teil (Kairo 1960) 37; vgl. auch de Belleionds, Besprechung von: Farran, Matrimonial Laws of the Sudan: Revue de droit international et de droit comparé 1965, 546; Morand, Le droit musulman et le conflit des lois: Acta Academiae Universalis Iurisprudentiae Comparativae, Bd. I (London/Paris 1928) 321 ff. (323). 10 Izz al-din Abd-Allah, al-qanun al-dawli al-hass, Bd. II (4. Aufl. Kairo 1962) 373 ff.; Gaber Gad, 3. Teil (1962) 54 ff. 11 Bousquet, Précis de Droit Musulman (3. Aufl., Algier o. J.) 62; Morand, Introduction à l'étude du droit musulman algérien (Algier 1921) 19, 29.

Testament

/ Iran

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Art. 825 ZGB: „11 y a deux espèces de dispositions testamentaires: Celles opérant transfert de propriété, et celles désignant des exécuteurs testamentaires."

Es gibt zwei Arten von letztwilligen Verfügungen: solche, die den Übergang von Eigentum bewirken, und solche, durch die Testamentsvollstrecker bestellt werden.

Art. 843 ZGB: „Les legs dépassant le tiers disponible de la succession du testateur est nul, sauf ratification des héritiers. Si quelques-uns seulement des héritiers donnent leur ratification, il est valable au prorata de la part respective de ceux qui l'ont donnée."

Das „Vermächtnis", das das verfügbare Drittel des Nachlasses des Testators überschreitet, ist nichtig, außer wenn die Erben zustimmen. W e n n nur einzelne Erben ihre Zustimmung erteilen, ist es im Verhältnis der Erbanteile der zustimmenden Erben gültig.

Art. 845 ZGB: „Le tiers disponible est calculé sur la valeur du patrimoine du testateur au jour de son décès, et non au jour où il a testé."

Das verfügbare Drittel errechnet sich nach dem W e r t des Vermögens des Testators am Tage seines Todes, nicht am Tage der Testamentserrichtung.

Art. 848 ZGB: „Lorsque l'objet du legs est une fraction indivise de la succession tel que le quart ou le tiers, le légataire devient copropriétaire indivis avec les héritiers au prorata de ce qui lui a été légué."

Besteht der Gegenstand des „Vermächtnisses" in einem Bruchteil des ungeteilten Nachlasses, wie in einem Viertel oder einem Drittel, so wird der „Vermächtnisnehmer" ungeteilter Miteigentümer zusammen mit den Erben im Verhältnis des ihm zugewandten Anteils.

Die Einsetzung der Frau als Alleinerbin steht mit Art. 843 ZGB im Widerspruch, wenn die übrigen (gesetzlichen) Erben nicht zustimmen. 2. W e r gesetzlicher

Erbe ist, b e s t i m m e n f o l g e n d e A r t i k e l d e s ZGB:

Art. 861: „11 y a deux causes d'hérédité: la parenté et l'alliance."

Es gibt zwei Rechtsgründe für das Erbrecht: Verwandtschaft und „besondere Verbindung".

Art. 862: „Les personnes qui héritent pour cause de parenté sont de trois ordres: 1. Le père, la mère et les descendants; 2.

...

3. ...

Aus dem Rechtsgrund der Verwandtschaft erben folgende drei Klassen: 1. der Vater, die Mutter und die Abkömmlinge; 2.

...

3. ...

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Erbrecht

Art. 863: „Les héritiers de l'ordre suivant ne sont appelés à succession que s'il n'existe aucun héritier de l'ordre qui précéde."

Die Erben einer späteren Klasse sind nur dann zur Erbfolge berufen, wenn kein Erbe der früheren Klasse vorhanden ist.

Art. 86412 : „Parmi les héritiers par alliance, hérite le conjoint survivant."

Unter den Erben aus dem Rechtsgrund der „besonderen Verbindung" erbt der überlebende Ehegatte.

3. Die Zustimmung zum vorliegenden Testament müßte also, damit das Testament zur vollen Gültigkeit gelangt, von den neben der Ehefrau noch berufenen gesetzlichen Erben erteilt werden, d. h. wenn die Eltern des Erblassers nicht mehr leben, allein von den Kindern. Da die Kinder noch minderjährig sind, müßte dafür evtl. ein gesetzlicher Vertreter gemäß Artt. 1212, 1218 ZGB für sie bestimmt werden. Für dessen Ernennung sind bei Wohnsitz der Kinder im Iran die iranischen Gerichte zuständig, bei Wohnsitz im Ausland ist es das iranische Konsulat (vgl. Art. 1228 ZGB). Die Mutter selbst kann wegen Interessenkollision hier nicht als gesetzliche Vertreterin tätig werden (vgl. Art. 1231 ZGB) 13 . 4. Ohne Zustimmung der anderen gesetzlichen Erben ergibt sich folgendes: a) Aufgrund des Testaments erhält die Witwe des Erblassers ein Drittel des Nachlasses. Insoweit ist sie im Sinne des deutschen Rechts Erbin und nicht etwa Vermächtnisnehmerin. Das ergibt sich aus Artt. 848 und 825 ZGB, wonach die testamentarische Zuwendung zur Miteigentümer-, also nach deutschen Rechtsbegriffen zur Erbenstellung führt. Die im persischen Originaltext des Gesetzes verwendete, hier mit „legs" bzw. „Vermächtnis" übersetzte Bezeichnung für den Inhalt der testamentarischen Verfügung ist „vasiye"; das ist die „wasiya" des islamischen Rechts, die keinen obligatorischen Anspruch gegen die Erben, sondern eine dingliche Rechtsstellung schafft 14 . Irgendwelche gegenständlichen Beschränkungen gibt es bei der testamentarischen Erbfolge nicht (andere bei der gesetzlichen Erbfolge; vgl. Artt. 946 ff.). Das iranische ZGB folgt auch hier der schiitischen Rechtsschule 15. 12 Der Rechtsgrund der „besonderen Verbindung" (arabisch/persisch: sabab) umfaßt jetzt nur noch die Ehe, nachdem die früher hierunter fallende Erbfolge des Herrn am Nachlaß des freigelassenen Sklaven sowie die Ersatzerbfolge des „Imam" weggefallen sind; Samiy 238. 13 Die hier zitierten Artikel des iranischen ZGB sind z. T. auch bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (3. Aufl. 1957) s. v. Iran, S. 24 abgedruckt. 14 Vgl. Qanun madani (Teheran 1935) Artt. 825ff.; Schacht, An Introduction to Islamic Law (Oxford 1964) 174. 15 al-Hilli, al-ahkam al-ga'fariyya fi al-ahwal al-sahsiyya (Kairo 1947) Artt. 553 ff.

Testament / Iran

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Die Ehefrau erhält also aufgrund testamentarischer Erbfolge einen Erbanteil v o n V3 des Nachlasses. b) Der Rest v o n 2 /s vererbt sich nach gesetzlicher Erbfolge, w o b e i die Ehefrau den ihr gesetzlich zukommenden Erbteil zusätzlich zu dem schon erhaltenen Drittel bekommt 1 6 . (1) Für den Anteil der Witwe

sind folgende Vorschriften des ZGB ein-

schlägig: Art. 901 ZGB: „Le huitième est attribué à l'épouse ou aux épouses survivantes, si le mari a laissé des enfants." Art. 946 ZGB: „La part légitimaire du mari est calculée relativement à tous les biens de la succession de sa femme prédécédée, tandis que celle de la femme sur la succession de son mari n'est calculée que relativement aux biens suivants: 1. biens mobiliers quels qu'ils soient; 2. constructions et arbres."

Die überlebende(n) Ehefrau(en) erhält (erhalten) ein Achtel, wenn der Ehemann Kinder hinterlassen hat. Der gesetzliche Erbteil des Mannes errechnet sich nach dem gesamten Nachlaß seiner vorverstorbenen Ehefrau, während jener der Frau am Nachlaß ihres Mannes sich nur nach folgenden Vermögensbestandteilen errechnet: 1. bewegliche Sachen gleich welcher Arti 2. Gebäude und Bäume.

Art. 947 ZGB: „La femme hérite de la valeur des constructions et des arbres et non des constructions et des arbres mêmes. L'évaluation se fait par estimation des constructions ou arbres en supposant qu'ils restent sur le sol sans que le propriétaire du sol ait, de ce chef, droit à une indemnité quelconque. Art. 948 ZGB: „Si, dans le cas prévu dans l'article précédent, les héritiers refusent de payer la valeur des constructions ou des arbres, l'épouse survivante peut se faire attribuer sa part légitimaire en nature."

Die Frau „erbt" nach dem Wert der Gebäude und der Bäume, nicht die Gebäude und Bäume selbst. Die Bewertung erfolgt durch Schätzung der Gebäude und Bäume, wobei davon auszugehen ist, daß sie auf dem Boden verbleiben, ohne daß der Grundstüdeseigentümer aus diesem Grunde irgendeinen Entschädigungsanspruch hat. Lehnen in dem im vorhergehenden Artikel genannten Falle die Erben es ab, den Wert der Gebäude oder Bäume zu zahlen, so kann die überlebende Ehefrau ihren gesetzlichen Erbteil in Natur verlangen.

Hiernach behält die überlebende Ehefrau zusätzlich zu ihrem testamentarischen Drittel noch ein Achtel d e s Nachlasses. Allerdings ist sie Erbin 16

Vgl. Fyzee, Outlines of Muhammadan Law (3. Aufl., Oxford 1964) 360. - Diese Möglichkeit gibt es bloß im schiitischen Erbrecht, dem das staatliche iranische Recht entspricht. Die übrigen Rechtsschulen des Islam verbieten testamentarische Zuweisungen an gesetzliche Erben; vgl. al-Hilli, Art. 553.

736

Erbrecht

mit dinglicher Miteigentümerstellung nur bezüglich der beweglichen Sachen, wie aus Art. 947 i. V. m. Art. 948 ZGB hervorgeht. Soweit der Nachlaß in Gebäuden (und Räumen) besteht, hat sie nur einen obligatorischen Anspruch gegen die übrigen Erben - die in Art. 948 einfach als „die" Erben bezeichnet werden - auf Auszahlung ihrer Quote. Die Stellung der Ehefrau entspricht insoweit derjenigen eines Vermächtnisnehmers des deutschen Rechts. Grundstücke schließlich können nach herrschender Lehre überhaupt nicht Gegenstand des gesetzlichen Vermächtnisses werden; insoweit hat die Ehefrau keinerlei gesetzliche Rechte 1 7 . (2) Die Erbanteile der Kinder berechnen sich - entsprechend dem Vorangehenden - getrennt nach beweglichen und unbeweglichen Sachen. Einschlägig für die Berechnung der Kindesanteile ist in beiden Fällen der Art. 907 ZGB. Art. 907: Si le défunt ne laisse ni père ni mère, mais un ou plusieurs enfants sa succession sera partagée de la façon suivante: S'il n'a laissé qu'un seul enfant, de l'un ou de l'autre sexe, toute la succession lui sera dévolue. S'il a laissé plusieurs enfants du même sexe, la succession sera partagée entre eux par parts égales. S'il a laissé plusieurs enfants de sexe différent, le fils prendra le double de la fille." c) Als Ergebnis

Hinterläßt der Verstorbene weder Vater noch Mutter, jedoch ein oder mehrere Kinder, so wird sein Nachlaß auf folgende Weise geteilt: Hinterläßt er nur ein Kind gleich welchen Geschlechts, so fällt diesem der ganze Nachlaß zu. Hinterläßt er mehrere Kinder gleichen Geschlechts, so wird der Nachlaß unter ihnen zu gleichen Teilen geteilt. Hinterläßt er mehrere Kinder verschiedenen Geschlechts, so erhält ein Sohn den doppelten Anteil einer Tochter.

errechnet sich folgendes:

(1) Vom unbeweglichen Nachlaß erhält die Frau (nur als Testamentserbin) V3, die Söhne erhalten je 2 /s der restlichen 2 /s = je */is, die Tochter erhält Vs von 2 /s = 2 /is. (2) Vom beweglichen Nachlaß erhält die Frau (aufgrund Testaments) V3 und (aufgrund Gesetzes) Vs, d. h. insgesamt n ! w , die Söhne erhalten je 2 /s der restlichen 13/s4 = je 26/i2o oder 13/eo; für die Tochter ergibt sich Vs von 13/24 = 13/i2o. 17 Samiy 247. - Da die Ehefrau im Falle des Art. 948 ZGB den Vermächtnisgegenstand (Gebäude oder Baum) selbst zu Eigentum verlangen kann, kann dann eine Abspaltung des Eigentums am Gebäude vom Eigentum am Grundstück erfolgen. Das ist nach iranischem Recht möglich (vgl. Art. 39 ZGB). In welcher Weise bei der Erbauseinandersetzung in Deutschland eine solche dem deutschen Recht unbekannte Eigentumsregelung als dem Erbstatut unterliegend berücksichtigt werden muß, kann hier nur als Problem angedeutet werden.

Testament / (National-)China

737

C. ERBSCHEIN Ein deutsches Nachlaßgericht ist grundsätzlich international nur zuständig, wenn und soweit deutsches Erbrecht die Erbfolge beherrscht 1 8 . Da hier iranisches Erbrecht Anwendung findet, kommt nicht die Ausstellung eines regulären, sondern nur eines gegenständlich beschränkten Erbscheins nach § 2369 BGB in Frage. D. ERGEBNIS Die testamentarische W a h l deutschen Erbrechts ist unwirksam. Es kommt iranisches Recht zur Anwendung. Falls nicht die Kinder (durch ihre evtl. zu ernennenden gesetzlichen Vertreter) der Einsetzung ihrer Mutter als Alleinerbin ihre Zustimmung geben, tritt folgende Erbfolge ein: Den unbeweglichen Nachlaß erben die W i t w e zu Vs, die Söhne zu je 4 /is 2 und die Tochter zu /is. Den beweglichen Nachlaß erben die W i t w e zu n /24, die Söhne zu je 13/eo 13 und die Tochter zu / i 2 o . Darüber hinaus wird die Ehefrau Vermächtnisnehmerin bezüglich des W e r t e s der hinterlassenen Gebäude zu Vs. Das deutsche Nachlaßgericht kann nur einen gegenständlich beschränkten Erbschein im Sinne des § 2369 BGB ausstellen.

Nr. 64 (National-)China 1. Anknüpfung des Personalstatuts bei Auslands-Chinesen (Rotchina - Nationalchina). 2. Maßgebendes Recht für gesetzlichen Güterstand und Erbfolge nach deutschem und nationalchinesischem internationalen Privatrecht. 3. Gesetzliche und testamentarische Erbfolge, Vermächtnisse, Pflichtteilsrecht, Ausgleichungspflicht, Erbverzicht, Anfechtung und Widerruf eines Testaments nach nationalchinesischem Recht. 4. Gesetzlicher Güterstand nadi nationalchinesischem Recht. Köln 66/66 vom 19. 9.1966 Das Amtsgericht Köln hat in der Nachlaßsache T. Tseon um Auskunft über das anzuwendende Erbrecht gebeten. 18 OLG Dresden 15. 1. 1929, IPRspr. 1929, Nr. 93; OLG Karlsruhe 21. 1. 1930, IPRspr. 1930, Nr. 89; OLG Karlsruhe 20. 3. 1931, IPRspr. 1931, Nr. 96; KG 15. 2. 1934, IPRspr. 1934, Nr. 71; KG West 21. 8. 1950, IPRspr. 1950/51, Nr. 110.

47

Mat.: 11, Gutachten 196S/66

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Erbrecht

SACHLAGE Am 15.3.1964 verstarb in H. (Deutschland) der Chinese T. Tseon. Seinen letzten Wohnsitz hatte er in K. (Deutschland). Er war Inhaber eines Passes der Republik China („Nationalchina"), ausgestellt 1963 durch die chinesische Botschaft in Paris, überlebt wurde der Erblasser von seiner Ehefrau T. Chow und seinen Töchtern Hon T. und May T., alle wohnhaft in W., Provinz Tchekiang, Volksrepublik China („Rotchina"), außerdem von seinem Sohn T. Kwaia, geb. 1932 in W. (Tchekiang), wohnhaft in K., ebenfalls Inhaber eines nationalchinesischen Passes, und dessen minderjährigen Söhnen T. Hsiu und T. Tefouk. Der Erblasser hat China bereits 1935 verlassen und ist als Kaufmann nach Deutschland gekommen. Er hinterläßt hauptsächlich ein Restaurant in H. (Wert ca. 72 000 DM), ein Restaurant und Café in Tr. (Deutschland) (Wert ca. 48 000 DM) und einen Anteil zu V2 an einem Restaurant in K. (Wert des Anteils ca. 62 000 DM). Bis zum Jahre 1962 war der Erblasser mit einer Frau Elisabeth P., jetzt Ty., freundschaftlich verbunden und lebte mit ihr zusammen. Frau P. war zur Hälfte Mitinhaberin des Tr.er Geschäfts. Im Jahre 1962 trennte sich Frau P. von dem Erblasser und heiratete den Russen Ty. Im Dezember 1962 übertrug sie ihren Anteil an dem Restaurant und Café in Tr. auf den Erblasser und unterschrieb folgende Erklärung: „Ich, Elisabeth Ty. geb. B., erkläre hiermit, daß ich bei einer Zahlung v o n DM 30 000-, und zwar DM 15 000.- zahlbar am 13. Dezember 1962 und DM 15 000zahlbar am 28. Februar 1963, keine weiteren Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag vom 24. Mai 1961, abgeschlossen vom Treuhandbüro W. GmbH, und weiterhin keine Ansprüche irgendwelcher privater Art (aus der Wohnung H.er Str. 200 bzw. aus dem Geschäft in H., Br.er Reihe 10) an Herrn T. stelle. Durch diese Zahlung sind somit sämtliche Ansprüche abgegolten."

Das Geld wurde zu den vereinbarten Terminen überwiesen. Am 25. Mai 1961 hat der Erblasser ein Testament eigenhändig errichtet. Das Testament trägt die Überschrift „Mein letzter Wille" und ist am Ende mit dem Ausstellungsort und -datum sowie mit dem Namenszug des Erblassers versehen. Es enthält folgende Bestimmungen: Alle vorhergehenden Testamente werden widerrufen. Die Beteiligung an dem Restaurant in K. soll der Sohn Kwaia T. erhalten; er soll in den bestehenden Gesellschaftsvertrag eintreten (1). Das Restaurant in H. sollen die beiden Enkel T. Hsiu und T. Tefouk erhalten. Zur Verwaltung soll ein Pfleger eingesetzt werden. Vorgeschlagen wird Frau P. (jetzt Ty.). Die Pflegschaft soll enden, falls Frau P. stirbt oder heiratet. Ein neuer Pfleger soll dann nicht eingesetzt werden (2). Die Beteiligung zu V2 an dem Restaurant und Café in Tr. soll Frau P. erhalten, die zur Zeit der Testamentserrichtung noch Mitinhaberin dieses Geschäftes war (3).

Testament

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(National-)China

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Die Töchter in W., Tchekiang, China, Hon T. und May T., sollen je 5 000.-DM erhalten (4). Das sonstige Vermögen soll zunächst zur Bezahlung der Erbschaftssteuer benutzt werden. Den Rest sollen der Sohn Kwaia T. und Frau P. je zur Hälfte erhalten (5). Die Ehefrau T. soll nichts erhalten, auch keinen Pflichtteil, da sie zu Lebzeiten des Erblassers finanzielle Zuwendungen bekommen hat (6). Der Sohn des Erblassers, T. Kwaia, hat beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, in dem er als Erbe zu V2, seine Söhne als Erben zu je 1 /i ausgewiesen werden. Zur Begründung trägt er vor: Frau Ty., zuvor P., habe schriftlich auf alle Ansprüche gegen den Erblasser verzichtet und sei schon aus diesem Grunde nicht erbberechtigt. Außerdem habe sie den Erblasser gegen dessen Willen verlassen und sich wiederverheiratet. Aus der Wiederverheiratungsklausel bei der Pflegschaft und aus der Zuwendung des persönlichen Vermögens ergebe sich aber, daß sie aus dem Testament nur begünstigt werden sollte, wenn sie zur Zeit seines Todes noch mit dem Erblasser zusammenlebte und nicht einen anderen geheiratet habe. Die Töchter in China seien nur mit Vermächtnissen bedacht, die in den Erbschein nicht aufzunehmen seien. ANFRAGE Das Amtsgericht K. bittet um Erstattung eines Gutachtens über das in Anspruch genommene Erbrecht. RECHTSLAGE A. DAS ANWENDBARE ERBRECHT

I. Deutsches internationales

Privatrecht

Ein Staatsvertrag zwischen China und Deutschland, der sich mit der Frage des anzuwendenden Erbrechts befaßt, besteht nicht. Es gelten daher die allgemeinen deutschen Kollisionsnormen. Aus den Art. 24, 25 EGBGB folgt der Grundsatz, daß ein Ausländer nach dem Recht seines Heimatstaates beerbt wird 1 . Bei der Frage nach dem Heimatstaat eines Chinesen muß man berücksichtigen, daß der ursprüngliche Staat China sich aufgespalten hat in die Republik China („Nationalchina") und die Volksrepublik China („Rot1 Kegel, Internationales Privatreciit (2. Aufl. 1964) 354; Raape Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961) 412.

47 »

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Eiblecht

China"). Die Rechtsordnungen beider Gebiete weichen z. T. ganz erheblich voneinander ab. Handelt es sich um zwei neue, selbständige Staaten, so muß man entscheiden, welche der beiden Staatsangehörigkeiten der Erblasser besaß; das Recht des betreffenden Staates ist dann anzuwenden. Auf die Anerkennung oder Nichtanerkennung eines solchen Staates durch uns kommt es nicht an. Sie ist eine politische Frage, die bei der Feststellung des anwendbaren Rechts außer Betracht zu bleiben hat 2 . Handelt es sich dagegen um Teilgebiete desselben Staates, und gibt es nur eine einheitliche chinesische Staatsangehörigkeit3, so ist zunächst chinesisches Recht berufen. Zur Feststellung der anwendbaren Teilrechtsordnung bedarf es dann noch einer weiteren (anderen) Anknüpfung 4 . Die Frage ist deshalb nicht eindeutig zu beantworten, weil jeder der beiden Staaten sich als einzig legitimen Repräsentanten des chinesischen Volkes ansieht und jeder den anderen nicht anerkennt 5 . Man wird jedoch von der Existenz zweier getrennter chinesischer Staaten auszugehen haben, deren jeder das Gebiet des anderen für sich in Anspruch nimmt. Ein übergeordneter Staat, der beide zusammenfaßt, fehlt. Jeder Staat verleiht seine Staatsangehörigkeit, wenn er sie auch für die einzige chinesische Staatsangehörigkeit hält und die andere nicht anerkennt 6 . Wie aus seinem Paß ersichtlich, hatte der Erblasser die nationalchinesische Staatsangehörigkeit. Die Volksrepublik China rechnet Taiwan (Nationalchina) jedoch als „noch zu befreiendes Gebiet" ebenfalls zu ihrem Herrschaftsbereich 7 . Es ist anzunehmen, daß sie den Erblasser, der 1935 aus W. (im heutigen Rotchina) ausgewandert war und dessen Frau und Kinder heute noch dort wohnen, als ihren Staatsangehörigen in Anspruch nehmen würde. Der Erblasser wird daher auch die rotchinesische Staatsangehörigkeit besessen haben. Besitzt jemand mehrere Staatsangehörigkeiten, von denen keine die deutsche ist, so entscheidet die Angehörigkeit zu dem Staat, dem der 2 Vgl. Siebert-Kegel, EGBGB (9. Aufl. 1961), vor Art. 7, Rdn. 99 (535), mit Nachweisen. 3 Ähnlich etwa wie im Verhältnis der Bundesrepublik zur DDR. 4 Vgl. Siebert-Kegel, vor Art. 7, Rdn. 111 (539); Kegel 138-139; Börner, StAZ 1956, 43-47; LG Bielefeld NJW 1957, 1074. 5 Der Fassung des nationalchinesischen Passes läßt sich nichts entnehmen: Die englische Fassung spricht von der Staatsangehörigkeit der „Republik China", die französische Fassung von der „chinesischen" Staatsangehörigkeit. 6 Deutsche Verhältnisse können für China nicht herangezogen werden. In der Bundesrepublik ist auf eine eigene Staatsangehörigkeit bewußt verzichtet worden. Es gibt noch immer nur eine deutsche Staatsangehörigkeit, vgl. Kegel 14. Zur Problematik dieser Auffassung vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht (13. Aufl. 1964)

28.

7 Vgl. Hecker, Das Recht der Staatsangehörigkeit in China, StAZ 1959, 301-304 (302).

Testament

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(National-)China

Mehrstaater am engsten verbunden ist. Diese Zusatzanknüpfung muß formalisiert werden 8 . Die sonst in Frage kommende Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen bzw. schlichten Aufenthalt führt hier zu keinem brauchbaren Ergebnis, da der Erblasser China schon 1935, also vor der Rechtsspaltung, verlassen hat. Es sind Abwandlungen nötig 9 . Entscheiden muß in einem solchen Fall die engste Verbundenheit nach der Spaltung. Indem der Erblasser den nationalchinesischen Paß beantragt und erhalten und sich somit der nationalchinesischen Regierung unterstellt hat, hat er seine Verbundenheit mit Nationalchina dokumentiert, ähnlich wie wenn er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen hätte. Auf den Erbfall ist daher nationalchinesisches Recht anzuwenden. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtnormverweisung. Das deutsche Recht beruft auch die fremden Kollisionsnormen. Eine Rückverweisung des (national-)chinesischen Rechts ist gemäß Art. 27 EGBGB zu beachten. II. Internationales

Privatrecht der Republik

China

Quelle des (national-) chinesischen internationalen Privatrechts ist ein Gesetz vom 6. 6.1953. „Law Governing the Application of Laws to Civil Matters Involving Foreign Elements", englisch in „Laws of the Republic of China", Bd. 1 (1961 Taipei, Taiwan), 828-836.

Art. 22 dieses Gesetzes lautet 10 : „With respect to succession, the law of the country of the deceased at the time of his death shall apply; provided, however, that when a national of the Republic of China is an heir under the law of the Republic of China, he may effect succession to the deceased's property which is in the Republic of China."

Auf die Erbfolge ist das Recht des Landes anwendbar, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte, mit der Ausnahme jedoch, daß ein Angehöriger der Republik China, der nach dem Recht der Republik China Erbe wäre, sein Erbrecht bezüglich des in der Republik China belegenen Vermögens geltend machen kann.

Auf den Erbfall ist daher auch nach dem Recht der Republik China nationalchinesisches Recht anwendbar. Rotchinesisches Recht käme hier ohnehin kaum in Betracht.

8 Vgl. im einzelnen Kegel, 155f.; Siebert-Kegel, Art. 29, Rdn. 28 (964f.), mit weiteren Nachweisen. 9 Vgl. Siebert-Kegel, vor Art. 7, Rdn. 137 (547), mit weiteren Nachweisen. 10 AaO 834.

Erbrecht

742

B. DIE FORMGÜLTIGKEIT DES TESTAMENTS Nach Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmt sich die Form eines Rechtsgeschäfts nach den Gesetzen, die für seinen Gegenstand maßgebend sind. Das ist für die Testamentserrichtung das Erbstatut, hier das Recht der Republik China. Alternativ läßt es Art. 11 Abs. 1 S. 2 EGBGB jedoch genügen, die Form zu wahren, die die Gesetze des Geschäftsortes vorschreiben, hier also das deutsche Recht11. Die deutschen Formvorschriften sind eingehalten. Das Testament ist eigenhändig geschrieben und unterschrieben; es enthält Datum und Ort der Niederschrift (§ 2247 BGB). Es ist daher gültig n.

C. DAS MATERIELLE ERBRECHT DER REPUBLIK CHINA I. 1.

Allgemeines

Testierfreiheit

In der Republik China gilt noch das chinesische Bürgerliche Gesetzbuch von 1929/193113. Die Regelung des Erbrechts in 88 Paragraphen des ch.BGB (§§ 1138-1225) ist nur rahmenhaft und läßt der Auslegung und bestehenden Gewohnheiten viel Raum 1 4 . Das chin.BGB führte erstmals gesetzlich die Verfügungslreiheit des Erblassers ein, die es nach altem chinesischem Recht - und auch nach der Revolution von 1912 - praktisch nicht gab 1 5 . Von der Verfügungsfreiheit handeln die §§ 1143 und 1187 chin.BGB 1 6 : § 1143 Wer keinen Blutsverwandten der geraden absteigenden Linie hat, kann durdi Testament einen Erben für sein gesamtes Vermögen oder einen Teil desselben einsetzen, soweit nicht die Vorschriften über den Pflichtteil entgegenstehen. 11 Dasselbe gilt übrigens im chinesischen Recht, vgl. Art. 5 des Gesetzes vom 6. 6. 53, aaO, 829. 12 Auch den chinesischen Formvorschriften entspricht es, ohne daß es hierauf ankäme, vgl. § 1190 des chin. BGB von 1929/1931. 13 Ubersetzung von Bänger, Zivil- und Handelsgesetzbuch sowie Wechsel- und Scheckgesetz von China (1934), Erbrecht 266-279; englisch in „Laws of the Republic of China", Bd. 1 (1961 Taipei, Taiwan), Erbrecht 338-357. In der Volksrepublik China sind dagegen alle Gesetze und Verordnungen der Kuomintang-Regierung - meist ersatzlos - aufgehoben, vgl. Art. 17 des Gemeinsamen Programms der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes vom 29. 9. 1949, engl, bei Blaustein, Fundamental Legal Documents of Communist China (1962) 41. 14 Vgl. Bünger 89. 15 Vgl. Van der Valk in Law in Eastern Europe, Bd. 5 (1961) 298, mit weiteren Nachweisen; Mäding, Chinesisches traditionelles Erbrecht (1966) 29. 16 Übersetzung von Bünger 273.

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(National-)China

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§1187

Der Testator kann durch Testament frei über den Nachlaß verfügen, soweit die Vorschriften über den Pflichtteil nicht entgegenstehen.

Diese Bestimmungen wirken auf den ersten Blick widerspruchsvoll". Betrachtet man sie im Zusammenhang, so ergibt sich jedoch folgendes: Nach § 1187 kann der Erblasser über den Nachlaß grundsätzlich frei verfügen. Nach § 1143 kann er aber einen Erben durch Testament nur einsetzen, wenn er keine Deszendenz hinterläßt. Diese Bestimmung hat nur dann einen Sinn, wenn man ihr entnimmt, daß bei vorhandener Deszendenz testamentarische Erbeinsetzungen nicht möglich sind. Sie beinhaltet dann eine Einschränkung der in § 1187 statuierten allgemeinen Testierireiheit. Andere letztwillige Verfügungen, insbesondere also Vermächtnisse, bleiben dagegen zulässig, auch wenn Abkömmlinge vorhanden sind 18 . Die Testierfreiheit des § 1187 chin.BGB ist also in doppelter Hinsicht eingeschränkt; einmal durch die Bestimmungen über Pflichtteilsrechte 19 , zum anderen durch § 1143 hinsichtlich der .Erbeinsetzung, die nur bei Fehlen von Abkömmlingen möglich ist 20 . 2. Erben und

Vermächtnisnehmer

a) Das Vermächtnis des chin.BGB Ein Erbschein deutschen Rechts kann nur einem „Erben", nicht einem „Vermächtnisnehmer" erteilt werden (§ 2353 BGB); er bekundet nur Erbrechte, nicht Vermächtnisse (§§ 2363-2365 BGB). Es ist darum zu entscheiden, wer der Bedachten Erbe und wer Vermächtnisnehmer ist. Das chinesische Erbrecht kennt zwar Vermächtnisse 21 . Es klärt jedoch nicht, ob es sich um dingliche Vermächtnisse handelt oder um obligatorische (wie im deutschen Recht) 22 . Dingliche Vermächtnisse wären im Erbschein wegen ihrer rechtsübertragenden Wirkung möglicherweise wie Erbteile zu behandeln. Da das chin.BGB in vielem, insbesondere auch in der Unterscheidung zwischen Erbteilen und Vermächtnissen, dem deutschen BGB folgt 23 , ist 17

Vgl. Bänger 89. Solche Vermächtnisse sind dem chinesischen Recht ebenso bekannt wie dem deutschen, an das es in wesentlichen Punkten angelehnt ist. Vgl. §§ 1200-1206 chin. BGB und u. C 2 a. 19 Darüber u. C. III. 20 Ebenso Bänger 90, mit einem Hinweis auf die damals überwiegende Agrarwirtschaft Chinas; Mäding 109f.; unklar Riasanovsky, Chinese Civil Law (1938 Tientsin) 294. Sogar wenn Abkömmlinge fehlen, scheinen nur bestimmte Personen als Erben benannt werden zu können, vgl. Chiu, The Chinese Law of Succession (Hongkong) 4. 21 22 Vgl. §§ 1188, 1200-1208 chin. BGB. Vgl. Riasanovsky 297 f. 23 Bänger 5. 18

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Erbrecht

anzunehmen, daß mit Vermächtnissen, wie dort, obligatorische mächtnisse gemeint sind, die den Erbschein nicht berühren 2 4 .

Ver-

b) Die gesetzliche Erbfolge Der Erblasser konnte keine Erben einsetzen. Denn er hinterließ Abkömmlinge: seinen Sohn und seine beiden Töchter. Es muß daher festgestellt werden, wer die gesetzlichen Erben des Testators sind. Alle sonst in dem Testament bedachten Personen können nur Vermächtnisnehmer sein. ü b e r die gesetzliche Erbfolge bestimmt das chin.BGB folgendes 2 5 : § 1138 Die Erben in den Vermögensnachlaß bestimmen sich, unter Außerachtlassung des Ehegatten, nach folgender Reihenfolge (Ordnungen): 1. Blutsverwandte der geraden absteigenden Linie; 2. Eltern i 3. Geschwister; 4. Großeltern. § 1139 Innerhalb der 1. Ordnung des vorhergehenden Paragraphen haben die Erben mit näherem Verwandtschaftsgrad den Vorrang. § 1140 Wenn ein Erbe der 1. Ordnung des § 1138 vor Eintritt der Erbfolge gestorben ist oder das Erbrecht verloren hat, so erben an seiner Stelle seine Blutsverwandten der geraden absteigenden Linie den auf ihn entfallenden Erbteil. § 1141 Sind mehrere Erben der gleichen Ordnung vorhanden, so erben sie gleichmäßig nach Kopfteilen, es sei denn, daß gesetzlich etwas anderes bestimmt ist. § 1144 Ehegatten haben ein gegenseitiges Erbrecht; der ihnen gebührende Erbteil bestimmt sich wie folgt: 1. Wenn sie gemeinsam mit Erben der 1. Ordnung des § 1138 erben, so ist ihr Erbteil gleich dem der übrigen Erben; 2. wenn sie gemeinsam mit Erben der 2. oder 3. Ordnung des § 1138 erben, so beträgt ihr Erbteil die Hälfte des Nachlasses; 3. wenn sie gemeinsam mit Erben der 4. Ordnung des § 1138 erben, so beträgt ihr Erbteil */s des Nachlasses; 4. wenn keine Erben der 1. bis 4. Ordnung des § 1138 vorhanden sind, so umfaßt ihr Erbteil den gesamten Nachlaß. 24 In diese Richtung weist auch die Bestimmung, daß der pflichtteilsberechtigte Erbe u. U. berechtigt ist, Vermächtnisse zu kürzen, § 1225 chin. BGB. 26 Übersetzungen von Bünger, aaO.

Testament / (National-)China

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Es gilt im chinesischen Erbrecht also nicht das Parentelsystem des deutschen Rechts, sondern die Erben sind in Ordnungen eingeteilt (successio ordinum). Solange in einer Ordnung des § 1138 chin.BGB noch ein Erbe vorhanden ist, sind die nachfolgenden Ordnungen v o n der Erbfolge ausgeschlossen26. Hier hat der Erblasser Erben der ersten Ordnung hinterlassen: seinen Sohn und seine beiden Töchter. Daneben erbt der überlebende Ehegatte einen gleich großen Anteil w i e jeder der übrigen Erben (§ 1144, Nr. 1) 27 . Gesetzliche Erben wären demnach die Ehefrau, der Sohn und, da das chin.BGB die erbrechtliche Gleichberechtigung eingeführt hat 2 8 , die beiden Töchter des Erblassers zu je lU. Nach dem „Certificat de Coutume" könnte es den Anschein haben, als gehörten zu den Erben der ersten Ordnung auch z. B. die Kinder von Geschwistern des Erblassers. Es heißt dort: „1° parents inférieurs en ligne directe (les descendants ainsi que les collatéraux dont une personne est séparée par moins de générations ascendantes que de générations descendantes)"; Die in Klammern gesetzte Erläuterung ist jedoch offenbar ein Zusatz, der nicht zum Gesetz gehört. Er findet sich sonst nirgends. Sollte er den oben erwähnten Sinn haben, so muß die Richtigkeit bezweifelt werden. Zunächst besteht ein offenbarer Widerspruch zwischen „parents inférieurs en ligne directe" (Verwandte der geraden absteigenden Linie) und „collatéraux" (Verwandte der Seitenlinie). In der erreichbaren Literatur findet sich auch kein Hinweis auf einen solchen Inhalt des § 1138 Nr. 1. Im Gegenteil zählt Chili (Barrister-at-Law, Inner Temple) 5 auf: „The deceased's direct descendants include (a) his children born in wedlock, (b) his illegitimate children who have been acknowledged by him or who have been fostered by him or whose mother has married him, (c) his adopted children." Von Neffen und Nichten ist keine Rede. Dagegen hält Chiu auf S. 4 Nichten und Neffen für qualifiziert nach § 1143 als Erben eingesetzt zu werden. Denn nach § 1071 chin. BGB entspricht das Verhältnis zwischen dem nach § 1143 eingesetzten Erben und dem Erblasser einem KindVater-Verhältnis. Möglicherweise ist das im „Certificat de Coutume" gemeint. § 1143 ist nur anwendbar, wenn Erben der 1. Ordnung nicht vorhanden sind. Gehörten die Geschwisterkinder schon hierzu, brauchte sicherlich nicht ihre testamentarische Einsetzbarkeit erörtert zu werden. Möglicherweise gibt das Wort „collatéraux" aber auch den entsprechenden chinesischen Begriff nicht richtig wieder. Unter „Linien" verstand das traditionelle chinesische Erbrecht die Söhne mit ihren Nachkommen. Während bei der 26 Bünger 90; Hung, Outlines of Modern Chinese Law (1934 Shanghai), 198f.; Chiu, The Chinese Law of Succession (Hongkong), 5. 27 Die Ubersetzung von Bünger könnte dahin mißverstanden werden, daß der Ehegattenanteil der Summe der übrigen Anteile entspricht. Eindeutig ist jedoch die französische Ubersetzung des „Certificat de Coutume" vom 24. 6. 64 („... égale à celle de chacun des autres héritiers.") und Chiu 6. 28 Vgl. Hung 201 ; Chiu 5.

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Erbrecht

Sakralerbfolge die Linien Vorrang hatten, also die Abkömmlinge des erstgeborenen Sohnes vor dem zweitgeborenen erbten, war das bei der Vermögensfolge nicht der Fall. Hier konnten auch „Seitenlinien" erben, nämlich die später geborenen Söhne mit ihren Abkömmlingen 2 8 .

Da der Testator andere Erben nicht einsetzen konnte, kommen allein diese Personen als Erben in Betracht 30 . c) Vermächtnisse Vermächtnisnehmer sind alle in dem Testament Bedachten, die nicht gesetzliche Erben sind: Frau T., vorm. P., aber auch die Enkel des Erblassers (§1139 chin. BGB). Ebenso muß die Zuwendung an den Sohn Kwaia T., soweit sie 1U übersteigt, als (Zusatz-)Vermächtnis angesehen werden. § 1141 chin. BGB spricht nur von einer anderweitigen Bestimmung der Erbquote durch Gesetz. Nach § 1143 chin. BGB war der Erblasser nur zu Vermächtnissen berechtigt; eine Einflußnahme auf die Verteilung und Höhe der Erbteile war ihm verwehrt.

II. Die Zuwendung an Frau P. 1. Erbverzicht Als der Testator 1961 in seinem Testament seinen Anteil an dem Tr.er Geschäft und einen,Teil seines sonstigen Vermögens Frau P. vermachte und sie als Pfleger vorschlug, ging er von der Vorstellung aus, seine geschäftliche Partnerschaft und sein persönliches Freundschaftsverhältnis mit Frau P. würde zur Zeit seines Todes noch fortbestehen 31 . Nachdem 1962 Frau P. dem Erblasser ihren Geschäftsanteil verkaufte und sich beide trennten, entfiel der Grund für die letztwilligen Verfügungen zugunsten der Frau P. Im Dezember 1962 hatte Frau P. (Ty.) schriftlich erklärt, „keine Ansprüche irgendwelcher privater Art" an Herrn T. zu stellen. Es ist zu prüfen, ob hierin ein wirksamer Verzicht auf Vermächtnisse liegen kann, wie er etwa in § 2352 dtsch. BGB vorgesehen ist. Das chin. BGB kennt ein Ausschlagungsrecht der Erben und Vermächtnisnehmer, §§ 1174-1176 (Erbteil), §§ 1206-1208 (Vermächtnisse), es kennt ferner den Verlust des Erbrechts bei Erfüllung bestimmter Tatbestände, Vgl. eingehend Mäding 39-41, 71. Uber die Frage, inwieweit gesetzliche Erben testamentarisch ausgeschlossen werden konnten, vgl. u. C. III. 31 Das ergibt sich auch aus der Klausel im Testament, die offenbar nur von einer Wiederverheiratung der Frau P. nach dem Tode des Erblassers ausgeht (die Pflegschaft soll „enden"). 29 30

Testament / (National-)China

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unserer Erbunwürdigkeit vergleichbar (§ 1145 chin.BGB, der auch auf Vermächtnisse anwendbar ist, § 1188 chin. BGB). Inwieweit ein Verzicht auf Erbrechte und Vermächtnisse aber vor dem Eibiall möglich ist, ist unklar. Das chin.BGB regelt einen solchen Erbverzicht nicht 32 . Auch die verfügbare Literatur gibt keinen Hinweis 33 . Zweifelhaft ist aber audi, ob die Erklärung vom Dezember 1962 überhaupt auf erbrechtliche Ansprüche bezogen werden kann. „Irgendwelche Ansprüche privater Art" sind in der Erklärung erläutert durch den Zusatz: „(aus der Wohnung... bzw. aus dem Geschäft...)."

Ein wirksamer Verzicht auf das Vermächtnis kann aus diesen Gründen nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Es ist zu untersuchen, ob es aus anderen Gründen ungültig ist. 2. Anfechtung und konkludenter

Widerruf

Ein Sachverhalt wie der hier zugrunde liegende legte im deutschen Recht den Gedanken an eine Testamentsaniechtung nahe. Für eine Testamentsanfechtung findet sich im chin.BGB jedoch kein Hinweis. Werden die Erbunwürdigkeitstatbestände des § 1145 chin.BGB erfüllt, so hat dies z. B. unmittelbar den Verlust des Erbrechts zur Folge; einer Anfechtung wie im deutschen Recht (§ 2340 BGB) bedarf es nicht. Audi in der verfügbaren Literatur 34 ist eine Anfechtung nirgends erwähnt. Das wäre vermutlich nicht so, wenn ein so bedeutendes Institut etwa gewohnheitsrechtlich bestünde. Man wird daher davon ausgehen müssen, daß es eine Testamentsaniechtung wie im deutschen Recht im chinesischen Recht nicht gibt. Eine Rechtsordnung, die einem Erblasser die Möglichkeit gibt, über sein Vermögen letztwillig zu verfügen, trägt aber in aller Regel dafür Sorge, daß der wahre Wille des Erblassers verwirklicht wird. Diese Aufgabe zu erfüllen, sind folgende Bestimmungen des chin.BGB geeignet 35 : § 1145 In folgenden Fällen tritt Verlust des Erbrechts ein: 1. ...! 2. wer durch Betrug oder Drohung den Erblasser zur Errichtung, Aufhebung oder Änderung eines Testaments über die Erbfolge veranlaßt hat; 32

Vgl. Bänger 92, Fn. 149. Vgl. Riasanovsky 300f.; Lo Che Tsi, La succession „ab intestat" dans le Code Civil Chinois (1935 Toul), 52-54, 67f.; Van der Valk 347f. (für Rotchina); Chiu 28f. (29: „..., a beneficiary may, after the death of the testator, reject the bequest." (... kann ein Bedachter nach dem Tode des Testators das Vermächtnis ausschlagen.) Lediglich bei Hung findet sich der Satz (206): „Relinquishment made prior to deceased's death is also valid." (Ein Verzicht vor dem Tod des Erblassers ist ebenfalls wirksam.) 34 35 Vgl. oben C H I . Ubersetzung von Bünger, aaO. 33

Erbrecht

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3. wer durch Betrug oder Drohung den Erblasser an der Errichtung, Authebung oder Änderung eines Testaments über die Erbfolge gehindert hat; 4. ...; 5. Sein Erbrecht gemäß den Ziffern 2 bis 4 des vorhergehenden Absatzes verliert nicht, wem der Erblasser verziehen hat. § 1188 Die Vorschriften des § 1145 über den Verlust des Erbrechts finden auf einen Vermächtnisnehmer entsprechende Anwendung.

§ 1221 Stehen nach Testamentserrichtung vorgenommene Handlungen des Testators in Widerspruch zu dem Testament, so gilt der in Widerspruch stehende Teil des Testaments als widerrufen. W e n n man diese Bestimmungen weit auslegt, wird der Wille des Erblassers folgendermaßen geschützt: Hat der Begünstigte den Erblasser arglistig in einen Irrtum versetzt und ihn so zu der Zuwendung veranlaßt, dann ist diese nichtig, ohne daß es einer Anfechtung bedarf. Hat in anderen Fällen der Erblasser nach Testamentserrichtung Handlungen vorgenommen, die im Widerspruch zu dem Testament stehen, so gelten diese Bestimmungen als widerrufen. § 1221 chin. BGB könnte freilich auch so verstanden werden, daß nur die Bestimmungen im Testament als widerrufen gelten, deren Erfüllung - z. B. durch Verfügungen des Erblassers unter Lebenden - unmöglich geworden ist. Doch hat hierfür das chin. BGB eine eigene Vorschrift: § 1202, wonach ein Vermächtnis nichtig ist, wenn der vermachte Gegenstand zur Zeit des Erbfalles nicht (mehr) zum Nachlaß gehört 3 '; Auch nach der Literatur scheint es sich bei § 1221 chin. BGB eher um ein generalklauselartiges Instrument zur Durchsetzung des Erblasserwillens zu handeln: „Thus Chinese Law allows the revocation or alteration of a will not only in writing but de facto by means of acts which revoke the will." 3 7

„In every will, the testator's intention is always observed with highest importance. If any intention of revocation has been proved either from certain writing on the will or from certain acts of the testator presenting a conflict of intention, the entire will which bears his writing, or part thereof which forms 36

Vgl. Chiù 28.

37

Riasanovsky

So erlaubt das chinesische Recht den Widerruf oder die Veränderung eines Testamentes nicht nur mittels Schriftform, sondern auch de facto durch Handlungen, die das Testament widerrufen. In jedem Testament ist es immer von höchster Wichtigkeit, die Absicht des Testators zu beachten. Wenn irgendeine Widerrufsabsicht nachgewiesen ist, sei es durch besondere schriftliche Erklärungen auf dem Testament, sei es durch gewisse Handlungen des Testators, die einen Widerstreit in der Ab297.

Testament

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a conflict of intention, shall be deemed as having been revoked by the maker." 38

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sieht darstellen, dann wird das ganze schriftliche Testament oder der Teil, der den Widerspruch in der Absicht enthält, als vom Testator widerrufen angesehen.

Im hier zu beurteilenden Fall hat sich der Erblasser nach der Testamentserrichtung von Frau P. getrennt. Er hat den Geschäftsanteil aufgekauft, den er durch sein Vermächtnis gerade zur Alleininhaberschaft ergänzen wollte. Er hat eine Erklärung verlangt und entgegengenommen, nach der zwischen ihm und Frau P. keinerlei Beziehungen mehr bestanden. Diese Handlungen zeigen einen Willen des Erblassers, der dem im Testament zum Ausdruck gekommenen gänzlich widerspricht. Die testamentarischen Bestimmungen könnten den ihnen zugedachten Sinn nicht mehr erfüllen. Nach den oben entwickelten Grundsätzen müssen daher die letztwilligen Verfügungen zugunsten der Frau P. nach § 1221 chin. BGB als widerrufen angesehen werden. III.

„Pflichtteilsrechte"

Allgemeines

1.

Nach dem Willen des Erblassers sollten seine Töchter je 5000 DM erhalten, seine Ehefrau nichts. Solche letztwilligen Bestimmungen können jedoch an gesetzlichen Vorschriften über Pflichtteils- und Noterbrechte scheitern. Die Bestimmungen des chin. BGB, die die grundsätzliche Testierfreiheit statuieren, § 1143 für die Erbeinsetzung, § 1187 für sonstige letztwillige Verfügungen, enthalten jeweils den Zusatz 3 9 „ — soweit nicht die Vorschriften über den Pflichtteil entgegenstehen."

Diese Vorschriften des chin. BGB über den „Pflichtteil" lauten folgendermaßen 40 § 1223 Der Pflichtteil der Erben bestimmt sich nach folgenden Vorschriften: 1. Der Pflichtteil von Blutsverwandten der geraden absteigenden Linie beträgt die Hälfte ihres Erbteils. 2. Der Pflichtteil der Eltern beträgt die Hälfte ihres Erbteils. 3. Der Pflichtteil des Ehegatten beträgt die Hälfte seines Erbteils. 4. Der Pflichtteil der Geschwister beträgt ein Drittel ihres Erbteils. 5. Der Pflichtteil der Großeltern beträgt ein Drittel ihres Erbteils. § 1224 Der Pflichtteil wird nach dem gemäß § 1173 berechneten Vermögen der Erbschaft, von dem der Betrag der Verbindlichkeiten abgezogen wird, berechnet. 18 40

39 Hung 210. Vgl. oben C I 1. Übersetzung von Bänger, aaO.

750

Erbrecht

§ 1225 Wenn infolge von Vermächtnissen des Erblassers für den Pflichtteil nicht genügend verbleibt, so kann der Pflichtteilsberechtigte das vermachte Vermögen um den für den Pflichtteil erforderlichen Betrag kürzen; sind mehrere Personen Vermächtnisnehmer, so sind die Vermächtnisse verhältnismäßig zu kürzen. Es sind also im chinesischen Recht alle gesetzlichen Eiben - mit Ausnahme des Fiskus pilichtteilsberechtigt. Darüber, welcher Art diese „Pflichtteilsrechte" sind, enthält das chin. BGB nichts Ausdrückliches. Es kann sich hierbei um eine Art gesetzliches Vermächtnis handeln, wie im deutschen Redit, es kann der Pflichtteil aber auch ein unentziehbarer Erbteil sein. Im chinesischen Recht werden die Vorschriften über den Pflichtteil als eine Beschränkung der Testierireiheit dahin aufgefaßt, daß dem Erblasser die freie Verfügung über den reservierten Bruchteil seines Vermögens versagt ist 4 1 . Das bedeutet, daß hinsichtlich des „reservierten T e i l s " 4 2 immer die gesetzliche Erbfolge eintritt. „Pflichtteilsberechtigte" sind also in jedem Falle Erben*3. Dafür spricht ferner das Kürzungsrecht des § 1225 chin. BGB und die Tatsache, daß - außer § 1173 - keine erbrechtlichen Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt sind. Eine derart starke Einschränkung der Verfügungsfreiheit in doppelter Hinsicht - Verbot der Erbeinsetzung bei vorhandener Deszendenz, „reservierter" Erbteil in erheblichem Umfang - mag sich daraus erklären, daß dem früheren chinesischen Recht eine solche Testierfreiheit praktisch unbekannt war. Die Erbfolge in das Vermögen war wie die Erbfolge in den Ahnenkult grundsätzlich zwingend und konnte in der Regel weder durch Testament noch durch Ausschlagung abgewandt werden 44 . §§ 1143 und 1187 in Verbindung mit § 1223 chin. BGB bedeuten also: Hat der Erblasser unter den Voraussetzungen des § 1143 andere Personen als Erben eingesetzt, so sind auch die gesetzlichen Erben Erben geworden, nur beträgt ihr Anteil die Hälfte bzw. ein Drittel ihres gesetzlichen Erbteils. Hat der Erblasser andere letztwillige Verfügungen getroffen, z. B. Vermächtnisse, so sind die hiermit beschwerten gesetzlichen Erben verpflichtet, diese zu erfüllen, mit der Einschränkung jedoch, daß ihnen die Hälfte bzw. ein Drittel ihres Erbteils verbleiben muß. In diesem Falle können sie 41 Vgl. §§ 1143, 1187 chin. BGB; Hung 200, 207; Chiu 35: „The specially-reserved portions for direct descendants by blood shall be hall oi the deceased's estate" usw. 42 Lo Che Tsi 45: „...des héritiers réservataires". 43 So auch Bünger 93; Ban Dschen-Ya, Erbrecht in: Hsien-Dai-Fa-Hsüeh-Yüä-Ban, Bd. 1, Heft 7, 51 (zitiert nach Bünger, Fn. 150); Lo Che Tsi 46: „Elle constitue bien une succession „ab intestat" obligatoire, 44 Vgl. Lo Che Tsi 66; Van der Vaik 297f.; Mäding 29, 67 mit Nachweisen.

Testament /

(National-)China

751

die Vermächtnisse entsprechend kürzen (§ 1225 chin. BGB), ohne daß er zuvor - wie teilweise im deutschen Recht § 2306 I 2 BGB - einer Ausschlagung bedürfte. Erben des Erblassers T. Tseon sind, da er nach § 1143 chin. BGB andere Erben nicht einsetzen konnte, seine gesetzlichen Erben, und zwar sein Sohn T. Kwaia in K., seine Ehefrau T. Chow und seine Töchter Hon T. und May T. in W., Tschekiang, zu je einem Viertel. Die Ehefrau und die Töchter sind mit den Vermächtnissen zugunsten des Sohnes und der Enkel T. Hsiu und T. Tefouk beschwert. Sie können die Erfüllung verweigern, sofern sie hierdurch weniger behalten, als die Hälfte ihres Erbteils (§ 1225 chin. BGB). Die Zuwendung an die beiden Töchter in Höhe von je 5000 DM hätten nur Bedeutung, falls der Wert des Pflichtteils niedriger wäre. Das ist er hier offensichtlich nicht. Diese Zuwendungen sind daher unwirksam. 2. Anrechnung von

Vorempfängen

In seinem Testament erklärt der Erblasser, seine Ehefrau habe zu Lebzeiten Zuwendungen in solcher Höhe erhalten, daß sie keine Pflichtteilsansprüche mehr habe. § 1224 chin. BGB erklärt für die Berechnung des Pflichtteils § 1173 chin. BGB für anwendbar: 45 § 1173 Hat einer der Erben schon vor Eintritt der Erbfolge zum Zwecke einer Eheschließung, der Begründung eines eigenen Hausstandes oder zum Betriebe eines Geschäfts Vermögenszuwendungen vom Erblasser erhalten, so soll der Wert dieser Zuwendungen dem Vermögen zugezählt werden, das der Erblasser zur Zeit des Erbfalls hatte; beides zusammen bildet den Nachlaß. Das gilt nicht, wenn der Erblasser zur Zeit der Schenkung seinen entgegegesetzten Willen erklärt hat. Der Wert der Zuwendung soll bei der Nachlaßteilung Teil des Erbteils des betreffenden Erben sein. Der Wert der Zuwendung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Schenkung.

Zuwendungen zu einem anderen Zweck als dem hier aufgeführten, können nicht angerechnet werden 46 . Ob die nach dem Willen des Erblassers anzurechnenden Schenkungen diesen Voraussetzungen entsprechen, bedarf noch der Feststellung.

45 Deutsch nach „Laws of the Republik of China" 346. Etwas abweichend: die Ubersetzung von Bünger 271. 46 Chiu 21: „However, if the gifts consist of money or properties for purposes other than those for marriage, purchase of separate establishments or doing business, such shall not be returned."

752

Erbrecht D. EHEGÜTERRECHT

Bei der Verteilung des Nachlasses kann auch dem Ehegüterrecht entscheidende Bedeutung zukommen. Denn auch ehegüterrechtliche Ansprüche können mit dem Todesfall entstehen (vgl. § 1371 BGB). I. Das anwendbare 1. Deutsches internationales

Recht

Privatrecht

Nach dem aus Art. 15 EGBGB abzuleitenden Grundsatz bestimmen sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nach dem Heimatrecht des Mannes47. Dieses Güterrechtsstatut ist nach h. M. unwandelbar; es gilt das Heimatrecht des Mannes bei der Heirat48. Da der Erblasser zur Zeit der Eheschließung die chinesische Staatsangehörigkeit besaß, wäre mithin chinesisches Recht anwendbar. Nun hat sich der chinesische Staat 1948/49 gespalten und mit ihm die Rechtsentwicklung49. Da man in diesem Falle nicht mehr auf das Heimatrecht des Mannes bei der Heirat abstellen kann, muß man einen anderen Zeitpunkt wählen, und zwar den der Rechtsspaltung50. Der Erblasser hat China bereits 1935 verlassen. Seine Ehefrau wohnt noch heute in W./Tchekiang, ist also vermutlich dort geblieben. Es kann unterstellt werden, daß die Gründe, die heute für ein nationalchinesisches Personalstatut des Erblassers sprechen51, auch im Zeitpunkt der Spaltung zutrafen, während das Personalstatut seiner Frau rotchinesisch war. Ein gemeinsames Personalstatut nach der Spaltung hatten die Eheleute daher nicht. In diesem Falle kommt es auf das Personalstatut des Mannes zur Zeit der Spaltung an; es gilt also nationalchinesisches Recht52. Eine Rückverweisung ist wiederum zu beachten (Art. 27 EGBGB). 2. Internationales

Privatrecht der Republik

China

Art. 10 Abs. 2 der bis 1953 in der Republik China geltenden „Verordnung über Rechtsanwendung" vom 5. 8. 1918 53 lautete entsprechend dem deutschen IPR: BayObLG FamRZ 1959, 357 (359); Siebert-Kegel, Art. 15, Rdn. 1 (765). Siebeit-Kegel, Art. 15, Rdn. 4 (766), mit weiteren Nachweisen. 4 9 Vgl. Art. 17 des Gemeinsamen Programms der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes vom 29. 9. 1949, aaO. 5 0 Vgl. für das Interlokale Privatrecht Siebert-Kegel, vor Art. 7, Rdn. 137 (547); Art. 15, Rdn. 45 (774), mit weiteren Nachweisen. 51 Vgl. oben A I. 62 Siebert-Kegel, Art. 15, Rdn. 45 (774), mit Nachweisen. 5 3 Deutsch bei Makarov, Quellen des internationalen Privatrechts, Bd. 1 (2. Aufl. 1953), China, 6. 47

48

Testament

/

753

(National-)China

Das eheliche Güterrecht wird nach dem Heimatrecht des Ehemannes zur Zeit der Eheschließung bestimmt.

Den gleichen Inhalt hat Art. 13 Hs. 1 des Gesetzes vom 6. Juni 195354. Es bleibt daher das Ehegüterrecht der Republik China maßgebend. II. Das Ehegüterrecht der Republik

China

Es wird unterstellt, daß der Erblasser mit seiner Ehefrau keine Güterrechtsvereinbarung getroffen hat. Es gilt dann der gesetzliche Güterstand des chin. BGB, die Gütervereinigung (§§ 1016-1030). Das von beiden Ehegatten in die Ehe eingebrachte und während der Ehe erworbene Vermögen bildet zwar das „vereinigte Gut", das vom Ehemann verwaltet und genutzt wird (§§ 1016, 1018, 1019). Doch verbleibt das eingebrachte Vermögen der Ehefrau und das, was sie während der Ehe durch Erbfolge oder sonst unentgeltlich erwirbt, in ihrem Eigentum (§ 1017). Beim Tode des Ehemannes erhält die Ehefrau das eingebrachte Gut und unentgeltlichen Erwerb während der Ehe zurück; für Fehlbeträge haften die Erben des Ehemannes (§ 1029). Weitere güterrechtliche Ansprüche hat die Witwe nicht55. E. ERBSCHEIN

I. Internationale

Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Erteilung eines Erbscheins, beschränkt auf die in Deutschland belegenen Nachlaßgegenstände, ergibt sich bei Anwendung eines fremden Rechts nach herrschender Ansicht aus § 2369 BGB56. II. Inhalt Da Vermächtnisse in den Erbschein nicht aufzunehmen sind, ist nur den vier gesetzlichen Erben 1. T. Chow (Ehefrau), 3. Hon T. (Tochter), 2. T. Kwaia (Sohn), 4. May T. (Tochter) ein Erbschein ausstellen, der Erbrechte zu je l h bezeugt. Es ist ein gegenständlich beschränkter (Fremdrechts-)Erbsdiein gemäß § 2369 BGB zu erteilen, in dem darauf hingewiesen werden muß, daß das Recht der Republik China maßgebend ist. 54

Englisch in „Laws of the Republic of China", 831. Vgl. auch die Aufstellung bei Hung 179-181. 66 Vgl. Siebert-Kegel, Vor Art. 24, Anm. 68, 72 (925f.); BGB, Erbrecht (10./11. Aufl. 1960), § 2369, Anm. 7 (1958f.). 55

48 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

Staudinger-Firsching,

¡4

Erbrecht

F. ERGEBNIS

1. Der Eibia.ll unterliegt dem Recht der Republik China (Nationalchina) (obenA). 2, Das Testament ist nach dem insoweit anwendbaren deutschen Recht iormgültig (oben B). 3. Andere als gesetzliche Erben konnte der Erblasser nicht einsetzen (oben C I 1 ) . 4. Gesetzliche Erben sind die Eheirau, der Sohn und die beiden Töchter zu je V4 (oben C 1 2 b und C III 1). 5. Alle sonst im Testament Bedachten und der Sohn, soweit seine Zuwendung den gesetzlichen Erbteil übersteigt, sind Vermächtnisnehmer (oben C 1 2 c). 6 . Vermächtnisse haben obligatorische Wirkung (oben C I 2a). 7. Das Vermächtnis zugunsten von Frau P. (Ty.) gilt als widerrufen; die Vermächtnisse zugunsten der beiden Töchter sind unwirksam (oben C II und III 1). Erben sind pflichtteilsberechtigt (oben C III 1). 8 . Alle gesetzlichen sind nach chinesischem Recht Erben (oben 9, Pilichtteilsberechtigte CHI 1). 10. Die Eheirau und die Töchter des Erblassers sind als gesetzliche Erben mit Vermächtnissen zugunsten des Sohnes und der Enkel beschwert (oben C III 1). soweit kürzen, als sie sonst weniger 11. Sie können die Vermächtnisse als die Hälite ihres Erbteils (Pflichtteil) behielten (oben C III 1). 12. Zuwendungen unter Lebenden sind nur anzurechnen, wenn sie zum Zweck der Heirat, Einrichtung eines Hausstandes oder zum Betrieb eines Geschältes gewährt wurden (oben C III 2). Ansprüche bestehen nicht (oben D). 13. Ehegüterrechtliche 14. Den gesetzlichen Erben kann ein Erbschein erteilt werden, der Erbrechte zu je lU bekundet. In dem Erbschein ist zu vermerken, a) daß er nur für in Deutschland belegenes Vermögen gilt, b) daß das Recht der Republik China gilt (oben E). 15. Es wird vorgeschlagen, den Erbschein wie folgt zu fassen: „Der am 15. 3. 1964 in H. verstorbene T. Tseon ist nach dem Recht der Republik China von 1. seiner Ehefrau T. Chow, 2. seinem Sohn T. Kwaia, 3. seiner Tochter Hon T., 4. seiner Tochter May T. zu je V4 beerbt worden. Dieser Erbschein gilt nur für in Deutschland belegenes Vermögen."

3. MEHRHEIT VON ERBEN Siehe auch Nr. 55

Nr. 65 Italien 1. Die Pflicht zur Rechnungslegung als verfahrensmäBiges Rechtsinstitut und als bürgerlich-rechtliche Verpflichtung. 2. Gesetzliche Grundlage und Umfang des Anspruchs auf Rechnungslegung von Miterben untereinander. 3. Art der Abhängigkeit dieses Anspruchs von einem laufenden Auseinandersetzungsverfahren im Hinblick auf eine Klage in Deutschland. 4. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs vor einem deutschen Gericht. München G 1221-63 vom 23. 5.1966

I. Einleitende

Bemerkungen

Bei der Beurteilung der zur gutachtlichen Stellungnahme vorgelegten Fragen über Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten zwischen Miterben geht das Institut von der Maßgeblichkeit italienischen Rechts für die Rechtsbeziehungen der Erben untereinander aus. Die Formulierung des Beweisbeschlusses und auch die bisherigen Äußerungen und Stellungnahmen der Parteien und der Herren Prozeßvertreter gehen sehr stark von deutschrechtlichen Vorstellungen aus. Die Eigenarten des italienischen Rechts machen daher in der Erörterung eine gewisse Selbständigkeit gegenüber der Formulierung des Beweisbeschlusses vom 12. 11. 1965 erforderlich, ohne die eine sinnvolle Stellungnahme nicht erfolgen könnte. Das italienische Recht weist nun gerade in den hier zur Begutachtung gestellten Fragen eine Reihe von Unklarheiten dogmatischer Natur auf, die internationalprivatrechtlich zu Schwierigkeiten führen. Das ist letztlich nur im rechtsvergleichenden und rechtsgeschichtlichen Zusammenhang zu verstehen: Auch das französische Recht mengt materiell- und prozeßrechtliche Fragen unklar durcheinander (Art. 553 der französischen Zivilprozeß48 *

756

Erbrecht

Ordnung). Solches Denken entsprach dem gemeinrechtlichen Denken zu Ausgang des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es findet seinen Niederschlag darin, daß auch im österreichischen Recht den §§ 259-261 das deutsche BGB keine Vorschriften des österreichischen ABGB entsprechen, sondern diese Dinge in Art. XLII des EG(ö.)ZPO geregelt sind. Im italienischen Recht sind diese - auf das gemeine Recht zurückgehenden - Unklarheiten bei der Verfertigung des Codice von 1942 nicht beseitigt worden, bilden aber den Gegenstand zunehmender Kritik. So führt etwa Rocco1 aus, daß sich aus den Regelungen des Codice civile und des Codice di procedura civile ein System ergebe, „del tutto confusionario, che dettano caoticamente norme senza alcuna coordinazione e distinzione, onde fin ad oggi ne la dottrina, ne la giurisprudenza sono State in grado di esaminare compiutamente."

ein System, das im ganzen betrachtet ein Durcheinander ist, zusammengesetzt in chaotischer Weise aus Normen, die nicht aufeinander abgestimmt oder unterschieden sind. Rechtsprechung und Lehre sind daher bis heute nicht in der Lage einer vollständigen Prüfung gewesen.

Diese äußerst kritischen Vorwürfe Roccos richten sich nun freilich in erster Linie gegen die Regelung der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Sie wirken sich aber auch für die Rechenschafts- und Auskunftspflichten der Miterben untereinander aus, da diese wiederum im Rahmen des Auseinandersetzungsverfahrens geregelt sind. Es ist deshalb unerläßlich, zunächst die italienische Regelung in materiell- und prozeßrechtlicher Hinsicht darzustellen. Erst aus dem Zusammenwirken der materiellrechtlichen und prozessualen Bestimmungen läßt sich entnehmen, in welchem Umfang die italienische Regelung vor einem deutschen Recht realisierbar ist bzw. es einer Anpassung an das deutsche Recht bedarf. Weiter ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Beurteilung der erbrechtlichen Stellung der Ehefrau des Erblassers auszugehen hat von der Qualifizierung ihrer erbrechtlichen Stellung als Vermächtnisnehmer. Einem Auskunftsanspruch von Vermächtnisnehmern gegenüber den Erben kennt das italienische Erbrecht nicht. Das aus ihrer dinglichen Rechtsstellung als Nießbraucherin entstammende Rechtsverhältnis untersteht aber deutschem Recht und auch ein Auskunftsanspruch des Nießbrauchers ist daher deutschem Recht zu entnehmen. Eine Begutachtung zu Ziff. B 2 entfällt daher gleichfalls.

1

Trattato di Diritto Processuale Civile, Band VI, 2 (1964) 795 f.

Mehrheit

von Erben / Italien

II. Die Pilicht zur Rechnungslegung als verfahrensmäßiges und als bürgerlich-rechtliche Verpflichtung

757 Rechtsinstitut

Im Abschnitt über die Beweiserhebung, 2. Buch, 1. Titel, 2. Kap. 3. Abschnitt § 10 enthält der codice di procedura civile in Art. 263 folgende Bestimmung: Art. 263 Se il giudice ordina la presentazione di un conto, questo deve essere depositato in cancelleria con i documenti giustificativi, almeno cinque giorni prima dell'udienza fissata per la discussione di esso.

Wenn der Richter Rechnungslegung anordnet, so muß die Abrechnung in der Gerichtskanzlei niedergelegt werden zusammen mit den Belegen. Die Niederlegung bei der Gerichtskanzlei muß mindestens fünf Tage vor der für die Erörterung festgesetzten Verhandlung geschehen.

Neben dieser allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschrift kennt der Codice Civile eine Reihe fest umgrenzter Tatbestände, in denen er bestimmten Personen eine besondere Rechenschaftspflicht auferlegt. Von diesen Vorschriften interessieren für den vorgelegten Fall vor allem die Art. 723 im Abschnitt über die Auflösung einer Erbengemeinschaft und Art. 2030 in Verbindung mit Art. 1713 Codice Civile. Diese Vorschriften lauten: Art. 723 Dopo la vendita, se ha avuto luogo, dei mobili e degli immobili si procede ai conti che i condividenti si devono rendere, alla formazione dello stato attivo e passivo dell'eredità e alla determinazione delle porzioni ereditarie e dei conguagli o rimborsi che si devono tra loro i condividenti.

Nach dem Verkauf der beweglichen und unbeweglichen Sachen, falls ein solcher stattgefunden hat, schreitet das Verfahren [der Auflösung der Erbengemeinschaft] fort mit der Rechnungslegung, die sich die Miterben schulden, sodann kommt man zur Aufstellung des Vermögensstatus des Nachlasses und schließlich zur Bestimmung der Erbschaftsteile sowie der Ausgleichs- und Erstattungsansprüche, die die Erben sich schulden.

Art. 2030 bestimmt lediglich mittels einer Verweisung, daß auf einen Geschäftsführer ohne Auftrag die Vorschriften über das Mandat zur Anwendung gelangen, so daß insoweit Darstellung und Übersetzung der verwiesenen Vorschrift des Art. 1713 genügen. Die Vorschrift lautet in ihrem maßgeblichen Abs. 1: Art. 1713 Abs. 1 II mandatario deve rendere al mandate il conto del suo operato e rimettergli

Der Beauftragte muß dem Auftraggeber Rechnung legen über die von ihm ge-

758

Erbrecht

tutto ciò che ha ricevuto a causa del mandato.

tätigten Akte und muß ihm alles erstatten, was er aufgrund des Auftrags erhalten hat.

Es muß nunmehr zuerst das Verhältnis der materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften zueinander geklärt werden. Die zentrale Frage lautet dabei, ob die genannten Vorschriften des Codice Civile einen Anspruch auf Rechnungslegung gewähren, oder ob sie nur eine Begrenzung des richterlichen Ermessens bei der Erhebung des verfahrensmäßig zugelassenen Beweismittels der Rechnungslegung sind. Das Verhältnis zwischen den materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften ist in der italienischen Rechtslehre außerordentlich umstritten und bis heute nicht geklärt, soweit das die hier zugängigen Unterlagen erkennen lassen. Zu erwähnen ist als Vertreter einer rein materiellrechtlichen Auffassung Rocco2, der sich im IX. Kapitel insbesondere 327-337 mit der Problematik beschäftigt. Rocco lehrt, daß die Einordnung des procedimento per il rendimento dei conti in den Teil über das Beweisverfahren verfehlt sei. Vielmehr handle es sich um ein Spezialverfahren, das der Verwirklichung eines sachrechtlichen Anspruchs auf Sicherung einer Forderung in Form der Rechnungslegung diene. Voraussetzung sei deshalb auch immer eine Klage, gleichgültig, ob diese nun selbständig erhoben oder in ein anderes Hauptsacheverfahren incidenter eingeführt wird. Gegen diese Klage könne der Beklagte selbstverständlich einwenden, daß ein sachrechtlicher Rechtsgrund für seine Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht gegeben sei. Eine Mittelmeinung vertritt Satta3. Nach dieser Auffassung ist es zunächst möglich, daß eine Partei, gestützt auf eine sachrechliche Vorschrift besonders des codice civile Klage auf Rechnungslegung erhebt, also als einen Anspruch (pretesa) geltend macht. Diesen Fall betrachtet nach Satta der codice di procedura nicht. Seine Möglichkeit ergibt sich jedoch ohne weiteres aus den nach dem codice vorgesehenen Klagemöglichkeiten. Als zweite Möglichkeit stellt Satta daneben die richterliche Anordnung der Rechnungslegung als Beweismittel durch normalen Beweisbeschluß. Nur dies soll der von Art. 263 codice di procedura civile geregelte Fall sein, während im Fall einer Klage durch Urteil entschieden werden müßte. Sattas Ausführungen erscheinen zwar in prozessualer Hinsicht der Systematik des Gesetzes eher zu entsprechen als diejenigen Roccos. Sie lassen jedoch manchen Zweifel bestehen. Es wird nicht klar, ob der Unterschied zwischen beiden Formen nur auf prozessualem Gebiet liegt (Entscheidung durch Urteil oder Beschluß), oder ob auch sachliche Unterschiede 2

Band VI, l.Teil (1962). Commentario al codice di procedura civile, 2. Buch, Teil 1 (1959/60), Anm. 2 zu Art. 263 cpc. 3

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759

zu beachten sind dergestalt, daß der Richter einer Klage auf Rechnungslegung nur bei Vorliegen einer besonderen Vorschrift des codice civile stattgeben darf, während er im übrigen nur an sein Beweiserhebungsermessen gebunden ist. Eine dritte Auffassung läßt schließlich der italienische Kassationsgerichtshof erkennen. Zunächst befaßte sich mit der Problematik die Entscheidung vom 28. 1. 1954 Nr. 218 = Giurisprudenza completa della Corte Suprema di Cassazione 1954 Nr. 394 S. 382. Die maßgebliche Stelle lautet in deutscher Übersetzung: Nach keiner gesetzlichen Vorschrift ist das in Art. 263, 266 cpc vorgesehene Rechnungslegungsverfahren für Streitigkeiten zwingend vorgeschrieben, in welchen Rechnungsbeträge mit gegenseitigen Ansprüchen und Forderungen der Interessierten strittig sind. Der Tatrichter kann daher die notwendigen Beweise anderweit erheben, um die Rechnung zu ordnen und kann von dem Rechnungslegungsverfahren des Gesetzes absehen. Dies fällt übrigens in die Ermessensbefugnis des Tatrichters, je nach der Sachlage, die ihm am geeignetsten erscheinenden Beweismittel auszuwählen, die ihm vorgetragen wurden oder über die er verfügen darf.

Die Bedeutung dieser Entscheidung wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Codice Civile nicht für jeden Fall sich gegenüberstehender Ansprüche eine Rechnungslegungspflicht aufstellt. Auch im entschiedenen Fall bestand eine besondere Vorschrift des Codice Civile nicht. Die Bedeutung der Entscheidung liegt demnach, wie Blasi in seiner Anmerkung dazu feststellt, darin, daß sie jedenfalls eine ermessensfreie Anordnung des Richters zur Rechnungslegung im Beweisverfahren auch außerhalb der sachrechtlichen Sonderfälle als selbstverständlich erachtet. Die Entscheidung läßt freilich offen, ob die Anordnung der Rechnungslegung auch dann dem Ermessen des Richters in prozessualer Hinsicht überlassen ist, wenn sachrechtlich eine besondere Regel sie vorsieht, wie es in Art. 723 und 1713 Codice Civile der Fall ist. Aus einer weiteren Entscheidung des Kassationsgerichts Nr. 3850 vom 23. 10. 1956 = Giustizia Civile 1956 I 2002 (2005) ist zu entnehmen, daß in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ein prozessuales Beweiserhebungsermessen des prozeßleitenden Richters nicht besteht. Die maßgebliche Stelle des Urteils lautet: In Fragen des Beweises im Rechnungswesen ist es außerhalb der im Sachrecht besonders geregelten Fälle einer ermessenspflichtigen Wertung des Tatrichters überlassen, je nach der veränderlichen Sachlage die geeignetsten Beweismittel zu wählen, zwischen denen, die ihm vorgetragen werden oder über die er verfügen kann.

Eine Würdigung der vorgenannten Fundstellen ergibt, daß sich nicht mit endgültiger Sicherheit klären läßt, in welcher Weise das Institut der Rechnungslegung dogmatisch zu werten ist. Selbst aber wenn man ihm nur die Rolle einer Beweisermittlungsmöglichkeit einräumt und seinen

760

Erbrecht

Schwerpunkt daher in das Beweisrecht verlegt, so läßt sich nicht übersehen, daß der Richter in den vom Codice Civile besonders genannten Fällen über ein Beweiserhebungsermessen nicht verfügt. Er muß vielmehr den Beschluß erlassen, in dem die nach bürgerlichem Recht zur Rechnungslegung verpflichtete Partei zur Erstellung der Rechnung angehalten wird. Das Institut hat deshalb keine Bedenken, in den gesetzlich im Codice Civile geregelten Fällen mit Rocco und Satta von einem sachrechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung auszugehen und in ihr nicht nur ein prozessuales Institut zu sehen. Etwas anderes müßte freilich für die sachrechtlich nicht geregelten Fälle gelten, in denen es im richterlichen prozeßleitenden Ermessen liegt, ob er Rechnungslegung anordnet. Wie im weiteren Verlauf der Erörterungen noch darzustellen ist, wird diese Fallgestaltung hier aber nicht von Bedeutung.

III. Die für die Rechnungslegung

im konkreten

Fall maßgebliche

Norm

Die unterschiedliche Ausgestaltung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Anspruches auf Rechnungslegung in Art. 723 und 1713 Abs. 1 Codice Civile erfordert eine Abgrenzung für die in diesem Rechtsstreit zu beurteilende Frage. Wie in dem Vorgutachten G 1155-512 vom 29. Dezember 1965 ausgeführt ist, sind in einer Erbengemeinschaft in Anwendung der Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft die Miterben nach dem Anteil der Quoten verwaltungsberechtigt. Soweit sich ohne Rücksicht auf seine Kenntnis der wirklichen Rechtslage ein Miterbe beim Erbfall in den Alleinbesitz des Nachlasses setzt und diesen verwaltet, so erledigt er mit der Verwaltung objektiv ein fremdes Geschäft. Es ist deshalb fraglich, ob er insoweit der Rechnungslegungspflicht des Art. 1713 Codice Civile unterliegt, oder ob es auch hier bei der Anwendung des Art. 723 Codice Civile verbleibt. Diese Frage ist in der italienischen Literatur, soweit sie hier zugängig ist, durchgehend nicht erörtert worden. In der Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Appellationsgerichtes von Triest vom 23. 4. 1963 = Foro Padano 1964 Spalte 1186 ff. bekannt geworden, die nach einem Redaktionsvermerk keine einschlägigen Vorentscheidungen hat. Die maßgeblichen Sätze dieser Entscheidung lauten in deutscher Übersetzung: Die gewöhnliche Rechnungslegung (Art. 1713) ist ein Institut gernerellen Charakters, welches zur Voraussetzung hat, daß es sich um die Führung v o n Geschäften eines anderen handelt, sei es, daß sie ohne eine Verpflichtung übernommen wurde, sei es, daß sie in Erfüllung einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Verpflichtung erfolgte. In beiden Fällen liegen besondere gemeinsame und unterscheidende Merkmale vor. Zu den gemeinsamen Charakteristiken gehört, daß die Angelegenheit, sei sie nun ein Rechtsakt oder eine

Mehrheit

von Erben / Italien

761

Tathandlung, äußerlich nicht in den Bereich des Geschäftsführers gehört. Voraussetzung ist mithin eine nicht nur subjektive, sondern objektive Fremdheit. Die typische Struktur der Geschäftsführung mit oder ohne Auftrag hat demnach als wesentliche Grundlage die Fremdheit der geführten Angelegenheit in Hinblick auf die eigene Interessensphäre des Geschäftsführers. Sie müßte weiterhin als andere Voraussetzung das Bewußtsein des Geschäftsführers beinhalten, das Geschäft eines anderen zu besorgen. Fehlen diese Voraussetzungen, so liegt nicht mehr eine Geschäftsführung vor, welche die Interessen und das Vermögen eines anderen besorgt, sondern eine Überschreitung der Befugnis, die sich aus der eigenen Vermögenslage ergibt und eine Geschäftsbesorgung im Eigeninteresse, die in einer Anmaßung des Fremdinteresses bes t e h t . . . Da grundsätzlich jeder Miteigentümer nach Art. 1102 codice civile die gemeinsamen Sachen entsprechend seinem Anteil mitverwaltet, muß eine Geschäftsführung (im Sinne von Art. 1713 codice civile) ausgeschlossen werden, wenn nicht nachgewiesen wird, daß die Geschäftsführung eines von ihnen durch die Natur des Aktes als Führung eines fremden Geschäfts zu qualifizieren ist.

Eine derartige Besonderheit, aus der sich die Verwaltung und die Besitznahme des Nachlasses durch die Beklagte als Geschäftsführung ohne Auftrag qualifizieren läßt, kann dem aktenmäßig festgehaltenen Sachverhalt nicht entnommen werden. Vielmehr ist festzustellen, daß sich die Beklagte offenbar in Annahme ihres testamentarischen Alleinerbrechts in den Besitz des Nachlasses gesetzt hat und auch die Fortführung des erblasserischen Geschäfts in eigenem Interesse und als eigene Angelegenheit besorgt hat. Auch für eine spätere Umwandlung dieser Stellung in eine Fremdgeschäftsführung ist kein weiterer Anhaltspunkt erkennbar, da offenbar die nachträglich ermittelten weiteren Erben lediglich den bisherigen Zustand infolge der zahlreichen rechtlichen Unklarheiten, die sich aus der Maßgeblichkeit eines ausländischen Erbstatuts ergaben, belassen haben. Daß beide Parteien zu keiner Zeit von einer Begründung eines Auftragsverhältnisses und einer Fremdverwaltung ausgegangen sind, zeigt sich schließlich auch darin, daß bisher lediglich um die von deutschreditlichen Gedanken getragene Fragestellung gestritten wurde, ob die Beklagte als Erbschaftsbesitzer zur Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung verpflichtet ist. Gerade darin zeigt sich die Annahme, daß die Beklagte im Eigeninteresse handelte. Es kann schließlich auch nicht daran vorübergegangen werden, daß nach der äußeren Entwicklung der Verhältnisse von einer Trennung zwischen den Sphären des Eigeninteresses und Fremdinteresses kaum mehr unterschieden werden kann. Das Institut hat deshalb keine Bedenken, daß hier von einer Fremdgeschäftsführung der Beklagten im Sinne des Art. 1713 Codice Civile nicht gesprochen werden kann, sondern vielmehr mit der Entscheidung des Appellationsgerichts Triest seitens der Beklagten eine gestione nel proprio interesse in esorbitanza dei poteri di gestione dalla sfera del proprio patrimonio vorliegt (deutsch: Geschäftsführung in eigenem Interesse in

762

Erbrecht

Überschreitung der Befugnisse, die sich aus dem eigenen Vermögensstand ergeben). Als Ergebnis ist deshalb festzustellen, daß ein Anspruch auf Rechnungslegung nicht nach Art. 1713 Abs. 1 Codice Civile, sondern nur nach Art. 723 gegeben ist. /V. Der Umfang der danach sich ergebenden zur Rechnungslegung

Pilicht

Gewisse Schwierigkeiten bereitet die Frage, worauf sich die Erstellung der Rechnung erstrecken muß und welche Anforderungen an den Begriff der Rechnung dabei zu stellen sind. Art. 723 Codice Civile enthält hierüber nichts. Die Vorsdirift des Art. 319 des Codice Civile von 1865 hat der Gesetzgeber von 1942 nicht wiederholt, da er offenbar fürchtete, durch eine genaue Aufzählung der Elemente sich zu stark festzulegen 4 Rechtsprechung zu den hier aufgeworfenen Fragen ist trotz eingehender Nachforschungen nicht ermittelt worden, was sich offenbar daher erklärt, daß diese praktischen Fragen nur die Untergerichte beschäftigen und von geringem dogmatischen Interesse sind. Auch die Literatur beschäftigt sich überwiegend nur beiläufig mit der Kontoerstellung. Gewisse Anhaltspunkte lassen sich entnehmen bei Casulli5. Dieser Autor stellt die Rechnungslegungspflicht in den Rahmen des Auseinandersetzungsverfahrens hinein und stellt unter Aufzählung praktischer Beispiele fest, daß sie in dreifacher Hinsicht bedeutsam werden. Zunächst sei es für die Auseinandersetzung bedeutsam zu wissen, welche Forderungen und Schulden die einzelnen Erben gegenüber dem Nachlaß haben. Als Beispiele werden genannt: Nutzungsziehung; Zahlung öffentlicher Lasten, die auf dem Nachlaß liegen; Unterhaltungskosten; verschuldete Verschlechterungen der Nachlaßmasse und veranlaßte Vermehrungen. Als zweiten Gesichtspunkt verweist Casulli darauf, daß die Miterben, die nicht in Besitz und Verwaltung des Nachlasses sich befinden, von dem Besitz und Verwaltung ausübenden Erben nach der Einleitung des Auseinandersetzungsverfahrens provisorische Renditenzahlungen verlangen können, die auf ihre spätere Quote angerechnet werden muß. Zu diesem Zwecke müsse eine Wertung aller besonderen Umstände des Nachlasses ermöglicht werden. Schließlich sieht er den dritten Grund darin, daß der objektive Wert der Masse ermittelt werden müsse, die am Ende des Auseinandersetzungsverfahrens zur Verteilung kommen soll. Wesentlich kürzer faßt den Umfang der Rechnungslegungspflicht Quartulli6 zusammen. In deutscher Übersetzung heißt es: Vgl. zu Art. 319 aaO fiocco, Bd. VI Teil I Seite 339 Fußnote 14. Novissimo Digesto Italiano Bd. VI (1957/1960), Stichwort Divisione ereditoria (diritto civile) § 4c. 6 Successioni (1951) 217, Stichwort Rexa dei conti. 4

5

Mehrheit

von Erben /

Italien

763

In sachlicher Hinsicht muß die Rechnungslegung umfassen die Beschreibung des Zustandes der Sachen, über die Rechnung zu legen ist, die hinzugekommenen sowie die herausgegangenen Teile, die etwaigen Produktionsüberhänge und die wiedereinzubringenden Güter. Die Rechnungslegung schließt mit einer Zusammenfassung ab.

Auch Rocco befaßt sich mit dem Inhalt der zu erstellenden Rechnung und stellt wörtlich fest: Der Codice enthält keine einzige Norm über die Aufsetzung der Rechnung, die größeren oder geringeren Umfang haben kann. Aber trotz Fehlens einer Vorschrift bin ich der Auffassung, daß sie aus einer belegten Aufzeichnung der Geschäftsführungs- und Verwaltungsvorgänge auch einen Rechenschaftsbericht über die erhaltenen Sachen enthalten muß, seien sie nun beweglich oder unbeweglich, eine Aufstellung der Einnahmen und Auslagen, der offenen Forderungen und Schulden und schließlich eine Zusammenfassung, aus der das aktive oder passive Saldo der Rechnungslegung zu entnehmen ist.

Das Institut gelangt demnach zu dem Ergebnis, daß die Miterben gegen einen von ihnen, der den Nachlaß oder Nachlaßteile in Besitz genommen und verwaltet hat, einen Anspruch auf Rechnungslegung haben, der sich erstreckt auf die Angabe, welche Gegenstände er als Nachlaßwerte erhalten und verwaltet hat und in welcher Weise er die Verwaltung geführt hat. Der Verpflichtete hat die Rechenschaft in einer Gesamtrechnung zu erstellen, die eine Schlußrechnung enthalten muß und mit Belegen zu versehen ist. V. Die Einwirkung des italienischen Verfahrensrechts auf die Anspruchsvoraussetzungen und seine Ausgestaltung 1. Einfluß auf die

Anspruchsvoraussetzungen

Art. 723 Codice Civile gewährt den Anspruch auf Rechnungslegung im Rahmen eines laufenden Auseinandersetzungsverfahrens und macht ihn damit von prozessualen Voraussetzungen abhängig. Es ist deshalb noch die Frage zu prüfen, ob trotz dieser Abhängigkeit in Deutschland in einer selbständigen Klage Rechnungslegung verlangt werden kann, die nur der Vorbereitung einer späteren Auseinandersetzung dient. Diese Frage kann nicht beantwortet werden ohne eine kurze Klärung der Eigenarten des Auseinandersetzungsverfahrens nach dem italienischen Codice di procedura civile. Das Auflösungsverfahren ist dort in Art. 784 ff. geregelt. Es weist eine merkwürdige Mischung zwischen einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (giurisdizone volontaria) und dem streitigen Prozeßverfahren auf. Dies zeigt sich darin, daß das Verfahren mittels eines Antrages beim Einzelrichter eingeleitet wird, der entweder die erforderlichen Beschlüsse selbst trifft oder das Verfahren unter gewissen

Erbrecht

764

Voraussetzungen an einen Notar abgibt. Der Richter ordnet von Amts wegen die notwendigen Erhebungen an, stellt ein Masseverzeichnis auf und bereitet einen Teilungsplan vor, der bei Annahme durch die Parteien von ihm als Vollstreckungstitel erlassen wird. Während des Verfahrens stehen ihm nach dem Codice Civile beispielsweise Befugnisse zur einstweiligen Aufschiebung der Auseinandersetzung zu, Art. 717 Codice Civile, und beim Verkauf von unbeweglichen Nachlaßwerten zur Schuldendekkung und Erleichterung der Auseinandersetzung zu, vgl. Art. 721 Codice Civile. Werden dagegen im Verlauf des Verfahrens einzelne Fragen streitig, wird es in den Formen des streitigen Verfahrens fortgesetzt. So etwa, wenn die Parteien über das Recht auf Auseinandersetzung streiten oder wenn ein Streit um die Zusammensetzung der Masse entsteht. Im einzelnen darf hierzu hingewiesen werden auf die ausführliche Darstellung bei Rocco7. Innerhalb dieses besonderen Verfahrens hat nach Art. 723 auch die Rechnungslegung ihren Platz. Sie ist begrifflich ohne Einleitung des Teilungsverfahrens nicht denkbar und unterscheidet sich dadurch wesentlich von der allgemeinen Rechnungslegungspflicht des Art. 1713 Codice Civile, die auch in einem selbständigen Verfahren durchgeführt werden kann. Dies führt zu dem Ergebnis, daß in Italien die hier den Gegenstand des Verfahrens bildende Klage abgewiesen werden müßte. Dies kann jedoch nicht zur Verneinung des Klageanspruches in Deutschland führen. Aus der Darstellung des deutschen Verfahrensrechts bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft etwa bei Palandt 8 ergibt sich, daß eine Zusammenfassung von freiwilligen und streitigen Verfahren in einer besonderen Verfahrensart nicht möglich ist. Vielmehr bleibt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur die Möglichkeit einer Vermittlung einer vereinbarten Auseinandersetzung. Jeder Streit muß in einem besonders zu führenden Rechtsstreit geführt werden. Schließlich ist nach deutschem Recht auch die Möglichkeit einer Auseinandersetzungsklage gegeben, die aber eine Teilungsreife des Nachlasses bereits voraussetzt, nicht jedoch ein Verfahren in Gang setzt, durch das die Teilungsreife erst geschaffen wird. Gelangt man nach dem Grundsatz, daß im Verfahrensrecht die lex fori gilt, zum Ergebnis, daß das italienische Auseinandersetzungsverfahren in Deutschland nicht realisierbar ist und das deutsche Verfahrensrecht von gänzlich anderen Voraussetzungen ausgeht, so k a n n man einen materiellrechtlichen Anspruch, den das italienische Recht an sein Verfahrensrecht gebunden hat, nicht schon deshalb verneinen, weil dieses Verfahrensrecht in Deutschland nicht vollzogen werden kann. Etwas anderes wäre es denkbarerweise, wenn es sich um ein rein verfahrensrechtliches Institut han7

Bd. VI Teil 2, 798-800.

8

25. Aufl. Anm. 5 zu § 2042.

Mehrheit von Erben / Italien

765

delt. Die Regelung, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen im Inland ein auslandsrechtlicher sachlicher Anspruch geltend gemacht werden kann, bestimmt sich ausschließlich nach deutschen Verfahrensvorschriften. Das Institut gelangt deshalb zu dem Ergebnis, daß der Anspruch auf Rechnungslegung gegen den verpflichteten Miterben im Prozeßweg ohne Rücksicht auf verfahrensmäßige Voraussetzungen des italienischen Rechts geltend gemacht werden kann. Die Voraussetzung eines bereits anhängigen Teilungsverfahrens nach Art. 713 Abs. 1 Codice Civile, 784 ff. Codice di Procedura Civile ist deshalb bei einer Klage in Deutschland ohne Bedeutung. 2. Einfluß auf seine

Ausgestaltung

Soweit das deutsche BGB sich mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung befaßt, normiert es in aller Regel nicht nur die sachlichen Voraussetzungen, sondern enthält auch Bestimmungen darüber, wie der Berechtigte den Anspruch verwirklichen kann. So sehen §§ 260 Abs. 2, 2028 Abs. 2 und 2057 Satz 2 BGB die Möglichkeit eines Offenbarungseides vor, dessen nähere Ausgestaltung dann in § 261 BGB geregelt ist. Der Codice Civile sieht dagegen weder in Art. 723 noch in Art. 1713 einen Offenbarungseid als mögliche Sanktion vor. Dies hängt mit der verfassungsrechtlichen Regelung der Art. 263 ff. Codice di procedura civile zusammen. Es ist oben gezeigt worden, daß diese Vorschriften im Abschnitt über die Beweiserhebung stehen und deshalb in erster Linie für die Rechnungslegung gelten, die der Richter in Ausübung des ihm bei der Beweiserhebung zustehenden Ermessens anordnet. Es ist darüber hinaus aber überwiegende Auffassung, daß die Art. 263 ff. cpc auch bei der nach Art. 723 Codice civile vorzunehmenden Rechnungslegung anzuwenden sind 9 . Freilich ist zu berücksichtigen, daß die neuere Rechtsprechung gelegentlich auch davon ausgegangen ist, daß Art. 723 Codice Civile die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens nicht vorschreibe, sondern dies dem richterlichen Ermessen überlasse 1 0 . Ein Austragung der Streitfrage ist hier jedoch nicht erforderlich. Gleichgültig, ob der italienische Richter Art. 263 ff. cpc beachten kann oder muß, gelangt er im Fall einer substantierten Bestreitung der Richtigkeit der • Vgl. Cicu, La divisione ereditaria (1948) 58; Azzariti-Martinez-Azzariti, Successioni per causa di morte (1948) 567; Quartulli 217; Gazhora in Enciclopedia del diritto Band XIII (1964), Stichwort Divisione ereditaria Nr. 3 C. 10 Vgl. Kassationsgericht vom 15. 5. 1964 = Foro Italiano Repertorio, Divisione c. 813 Nr. 31 und auch die oben bereits in anderem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Appellationsgerichts von Triest vom 23. 4. 1963.

766

Erbrecht

erstellten Rechnung nach Art. 265 cpc zu einem Eid durch den Kläger, daß der Beklagte die Rechnung nicht richtig gestellt hat. Für die Beurteilung dieses Rechtsstreites ist dabei allein von Bedeutung, daß das italienische Prozeßrecht den deutschrechtlichen Offenbarungseid durch ein anderes Sanktionsmittel ersetzt, d. h. durch den Gläubigereid. Die italienische Regelung wirft zugleich ein besseres Licht auf die deutschen Vorschriften. Danach erscheint der Offenbarungseid nicht mehr als materiellrechtliches Institut, sondern als ein prozessuales Mittel der Sicherung des Auskunftsansprudies. Diese prozessuale Natur wird bestärkt durch die Vorschrift des § 261 BGB, der die Modalitäten des Offenbarungseides festlegt. Das Institut gelangt deshalb zu dem Ergebnis, daß die verfahrensmäßige Sicherung des Anspruchs der Kläger auf Rechnungslegung nur durch das deutsche Offenbarungseidverfahren erfolgen kann, das an die Stelle der in Art. 265 codice di procedura civile vorgesehenen Eidesmöglichkeiten tritt. VI.

Zusammenfassung

Als Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme ist festzustellen: 1. Ein Auskunftsanspruch der Nebeninterventin kann nur aus ihrer Stellung als Inhaberin eines dem deutschen Recht unterliegenden Nießbrauchs sich ergeben, so daß insoweit eine gutachtliche Stellungsnahme sich erübrigt. 2. Miterben haben gegeneinander nach Art. 723 Codice Civile einen sachrechtlich zu qualifizierenden Anspruch auf Rechnungslegung. 3. Dieser Anspruch umfaßt Auskunft über die in Besitz genommenen Nachlaßwerte und Rechenschaft über die Verwaltung in Form einer Gesamtrechnung, die mit einem Abschluß versehen und belegt ist. 4. Die verfahrensmäßige Beschränkung dieses Anspruchs auf die Geltendmachung im Auseinandersetzungsverfahren nach Art. 784 ff. Codice di procedura civile ist wegen der Maßgeblichkeit deutschen Verfahrensrechts unbeachtlich. 5. Zur Sicherung der Richtigkeit der Rechnungslegung sind in Deutschland nicht die Art. 263 ff. Codice di procedura civile anwendbar. An die Stelle des Eidesverfahrens in Art. 265 tritt deshalb das deutsche Offenbarungseidverfahren, das trotz seiner Regelung im BGB prozeßrechtlich zu qualifizieren ist.

4. NACHLASSVERWALTUNG UND

TESTAMENTSVOLLSTRECKUNG

Siehe auch Nr. 54, 56, 57, 58, 60, 61, 67

Nr. 66 USA (Kalifornien) 1. Erbstatut nach kalifornischem Recht. 2. Rechtsstellung des „executor" nach kalifornischem Recht. 3. Zulässigkeit und Bedeutung der Errichtung eines „trust" durch Verfügung von Todes wegen nach kalifornischem Recht. 4. Erwähnung der „trustees" im Erbschein. Kiel 10/65 vom 20.4.1965

Mit Schreiben vom 11. März 1965 übersandte das Amtsgericht in C. dem Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel das Testament des A. mit der Bitte um eine gutachtliche Äußerung zur Rechtsstellung des in dem Testament für einen Teil des Nachlasses errichteten „trusts". Folgender Sachverhalt wurde mitgeteilt: Am 10. September 1946 verstarb in B., California, USA, seinem letzten Wohnsitz, der zu diesem Zeitpunkt staatenlose A. (Erblasser). Er hinterließ seine Ehefrau, die Witwe A.- und eine Reihe von Geschwistern. Kinder des Erblassers sind nicht vorhanden. Am 22. Mai 1946 hat der Erblasser in B. ein Testament errichtet, das von dem Erblasser sowie von drei Zeugen unterschrieben worden ist. In diesem Testament hat der Erblasser unter anderem folgendes angeordnet: Zu „co-executors" der letzwilligen Verfügung werden die Ehefrau des Erblassers sowie ein gewisser S. ernannt. Diese sollen mit dem Nachlaß in der Weise verfahren, daß zunächst alle Nachlaß Verbindlichkeiten beglichen werden sollen, sodann bestimmte - im Testament (Klauseln 4, 5 und 6) näher bezeichnete - Gegenstände und Rechte an die Ehefrau bzw. an Geschwister des Erblassers übergeben werden. Aus dem Gesamtnachlaß sind ferner an acht namentlich genannte Neffen und Nichten des Erblassers je 1000 Dollar zu zahlen, vorausgesetzt, daß diese in Ländern leben, in denen sie unbeeinträchtigt von staatlichen Eingriffen in den Genuß des Geldes kommen können (Klausel 7 des Testaments). Der nach Abzug der vorgenannten Werte verbleibende Rest des Nachlasses ist von den „executors" in zwei Teile (A und B) mit der Maßgabe aufzuteilen, daß Teil B

768

Erbrecht

den Teil A um eine bestimmte Summe an Wert übersteigt. Als Erbin des Teiles A ist ebenfalls die Ehefrau des Erblassers benannt. Der gesamte Teil B ist schließlich der Ehefrau und dem S. als „trustees in trust" zu übergeben. Das ihnen somit unterstellte „trust"-Vermögen ist nach den in den Klauseln 12-15 niedergelegten Richtlinien zu verwalten. Danach steht den „trustees" u. a. das Recht zu, das „trust"-Vermögen wirtschaftlich arbeiten zu lassen und dadurch das ursprüngliche Vermögen zu mehren. Gemäß Klausel 13 sollen die „trustees" aus dem mit dem „trust"-Vermögen erzielten Gewinn an die - namentlich bezeichneten - Brüder und Schwestern des Erblassers jährlich die Summe von je 600 Dollar zahlen und an die Ehefrau des Erblassers jeweils den nach Abzug der Zahlungen an die Geschister verbleibenden Restgewinn in einzelnen Raten auskehren. Für den Fall der Wiederverheiratung der Ehefrau des Erblassers sind Sonderregelungen bezüglich der letztgenannten Zahlungen an diese getroffen. Nach dem Tode der Ehefrau - sei es vor der Erstverteilung des Nachlaßvermögens oder danach - soll der restliche Nachlaß in eine Reihe von einzelnen „trust"Vermögen aufgegliedert werden und für jeden Anteil ein getrenntes Konto geführt werden. Die Anteile sollen den im Zeitpunkt der Aufteilung lebenden Geschwistern des Erblassers zufallen, vorausgesetzt, daß die Begünstigten aufgrund der Verhältnisse in den Ländern, in denen sie leben, in der Lage sind, unbeeinträchtigt von staatlichen Eingriffen das ihnen zukommende Vermögen zu nutzen. Die Einzelanteile sollen für einen Zeitraum von zehn Jahren nach dem Tode des Erblassers auch für solche Begünstigte erhalten werden, die in Ländern leben, in denen sie das Vermögen nicht unbeeinträchtigt nutzen können. Ihnen ist für den Fall, daß sie in ein anderes Land übersiedeln, wo diese Beeinträchtigungen nicht bestehen, sodann ihr Anteil übergeben. Soweit nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Tode des Erblassers, oder im Falle eines früheren Todes aller durdi den „trust" Begünstigten, das in den Einzelanteilen angelegte „trust"-Vermögen noch ganz oder teilweise vorhanden ist, sollen die Einzelanteile aufgelöst werden. Bis dahin aufgrund der genannten Verhältnisse nicht genutzte Einzelanteile sollen dann verfallen und an die noch lebenden und von den „trustees" für besonders bedürftig gehaltenen Geschwister des Erblassers sowie deren Ehegatten und Nachkommen aufgeteilt werden, wenn sie in Verhältnissen leben, in denen ihnen der unbeteiligte Gebrauch des Vermögens möglich ist. Soweit sie nicht vorzeitig nach den Bestimmungen des Testaments aufgelöst sind, sollen alle durch das Testament errichteten „trusts" mit dem Tode des letztlebenden der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers lebenden Begünstigten erlöschen. Das noch vorhandene „trust"-Vermögen ist abschließend nach dem Ermessen der „trustees" unter die noch lebenden Begünstigten unter Einhaltung bestimmter Bedingungen zu verteilen. Die Witwe des Erblassers hat nunmehr beim Amtsgericht in C. einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der sie nach dem im Testament errichteten „trust" als Erben zu Bruchteilen ausweist. Das Amtsgericht in C. bittet um Auskunft über folgende Fragen: 1. Ist der im Testament bezeichnete Trust rechts- und erbfähig? 2. In welcher Form ist der Trust gegebenenfalls im Erbschein aufzuführen?

Nachlaßveiwaltung

und Testamentsvollstreckung

/ USA (Kalifornien)

769

I

Aus Art. 24 und 25 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ist der kollisonsrechtliche Grundsatz zu entnehmen, daß jeder nach den Gesetzen des Staates beerbt wird, dem er im Zeitpunkt seines Todes angehört (Erbstatut) Dieser Grundsatz wird für staatenlose Personen durch Art. 29 EGBGB dahin ergänzt, daß für sie an Stelle des in den Art. 24 oder 25 EGBGB für maßgebend erklärten Heimatrechts das Erbstatut des Staates tritt, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt ihres Todes gehabt haben. Der Erblasser war bei seinem Tode staatenlos. Für seine Beerbung ist deshalb das Erbrecht einschließlich der erbrechtlichen Kollisionsnormen des Bundesstaates Kalifornien bestimmend, da die Regelung des Erbrechts in den Vereingten Staaten der Zuständigkeit der Einzelstaaten und nicht des Bundes unterliegt 2 . Nach dem Kollisionsrecht des Staates Kalifornien, das insoweit im wesentlichen mit dem Kollisionsrecht der übrigen Einzelstaaten der Vereinigten Staaten unter Anknüpfung an das alte englische Recht übereinstimmt, richtet sich das Erbstatut bei beweglichem Vermögen nach dem Recht des Domizils des Erblassers im Zeitpunkt des Todes, bei Grundvermögen nach dem Recht der belegenen Sache (lex rei sitae) 3 . Das gilt auch für Staatenlose 4 . Nach dem bekannten Sachverhalt ist davon auszugehen, daß der Erblasser Grundvermögen nur in Kalifornien hinterlassen hat. Somit ist für seine Beerbung das kalifornische Recht maßgebend, auch wenn in Deutschland noch weiteres bewegliches Vermögen vorhanden wäre. 1 Vgl. Palandt-Lauterbach, Kommentar zum BGB (24. Aufl. München und Berlin 1965), Anm. 2 zu Art. 24 EGBGB; Kegel in Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, Bd. V (Einführungsgesetz) (9. Aufl. Stuttgart 1961), Randziffer 3 vor Art. 24 EGBGB. 2 Vgl. die positive Enumeration der Bundeszuständigkeiten in Art. I, section 8 der Verfassung der Vereinigten Staaten, wo das Erbrecht sowie die erbrechtlichen Kollisionsnormen nicht unter den Bundeszuständigkeiten aufgeführt sind, und Art. I, section 10 der Verfassung der Vereinigten Staaten, wo alle nicht in section 8 genannten Rechtsgebiete der Zuständigkeit der Einzelstaaten unterstellt werden, ferner hierzu Rheinstein, Das Kollisionsrecht im System des Verfassungsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika, in: Festschrift für Rabel, Bd. I (Tübingen 1954) 539 ff. 3 Vgl. Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Bd. II (München und Berlin 1959), Abschnitt USA, Grundzüge C I, Randziffer 36; Goodrich, Conflict of Laws (3. Aufl. St. Paul/Minn. 1949) 505, 512; Rabel, Conflict of Laws, A Comparative Study, Bd. IV (Ann Arbor 1958) 30ff„ 276. 4 So für das Recht Kaliforniens Ferid-Firsching, Randziffer 60 c.

49

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

770

Eibrecht

Auch die Gültigkeit und Auslegung des Testaments richtet sich nach kalifornischem Recht als dem Wohnsitzrecht des Erblassers (Art. 34 in Verbindung mit Art. 29 EGBGB)5. Von der Gültigkeit des Testaments ist im folgenden auszugehen. II

In dem Testament sind die Witwe des Erblassers und sein Freund S. zu „co-executors" ernannt. Dem „executor" des anglo-amerikanischen Rechts entspricht grundsätzlich im deutschen Erbrecht der Testamentsvollstrecker 6 , jedoch ergeben sich hinsichtlich der Rechtsstellung des „executor" im Verhältnis zum Testamentsvollstrecker im einzelnen gewichtige Unterschiede. Der wesentlichste ist, daß nach dem englischen Recht und dem Recht der überwiegenden Zahl der amerikanischen Bundesstaaten zumindest der bewegliche Nachlaß zunächst auf den „executor" als „legal owner" (gesetzlicher oder formaler Eigentümer) übergeht, d. h., daß nur der „executor" über den Nachlaß verfügen kann und der Erbe auf sogen, „equitable interests" (quasi-eigentumsrechtliche Ansprüche) am Nachlaß beschränkt ist 7 . Das Recht Kaliforniens macht hier jedoch eine Ausnahme. Nach § 300 des Probate Code, der die Erbfolge des Staates Kalifornien regelt, geht der gesamte Nachlaß - bewegliches und unbewegliches Vermögen - auf den Erben als Eigentümer unmittelbar über: 8 „Title to descedent's estate. When a person dies, the title to his property, real and personal, passes to the person to whom it is devised or bequeathed by his last will..., but all of his property shall be subject to the possession of the executor ... and to the control of the superior court for the purposes of administration, sale or other disposition under the provisions of Division III of this code and shall be chargeable with the expenses of administering his es5

Mit dem Erbfall geht der Titel an dem beweglichen und unbeweglichen Vermögen auf die aufgrund des Testaments ... Anfallsberechtigten über; für den Zweck der Verwaltung, des Verkaufs oder sonstiger Verfügung unterliegt (soli... unterliegen) das gesamte Nachlaßvermögen jedoch dem Besitz des „executors"... und der Kontrolle des „superior court" gemäß den Vorschriften der Abteilung III dieses „Code" und ist mit den Kosten der Nachlaßver-

Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Randziffer 27 u. 29 vor Art. 24 EGBGB. Vgl. Breslauer, Private International Law of Succession (London 1937) 145. Vgl. hierzu allgemein Czirnich, Die Stellung des „Executor" im englischen Recht (Diss. München 1962); Ker, Wills, Probate and Administration (London 1959) 32ff.; Gottheiner, Zur Anwendung englischen Erbrechts auf Nachlässe in Deutschland, RabelsZ 1956, 48ff.; zur Rechtsnatur der „equitable interests" im einzelnen Kötz, Trust und Treuhand, Eine rechtsvergleichende Darstellung des angloamerikanischen trust und funktionsverwandter Institute des deutschen Rechts, 35 ff. 8 Ferid-Firsching, Abschnitt USA, Texte III Nr. 4 - California -. 8 7

Nachlaßverwaltung

und Testamentsvollstreckung/USA

tate, and the payment of his debts and the allowance to the family, except as otherweise provided in this code."

(Kalifornien)

771

waltung, den Nachlaßschulden und den Unterhaltszahlungen für die Familie belastet, es sei denn, dieser „Code" schreibt etwas anderes vor. (übers, des Bearbeiters.)

Aus dieser, von der alten Regelung des „common law" abweichenden, Gestaltung der Rechtstellung des „executors" ergibt sich, daß die Stellung des „executors" nunmehr derjenigen des deutschen Testamentsvollstrekkers entspricht. Darüber hinaus ist der Vorschrift des § 300 des Probate Code zu entnehmen, daß alle diejenigen Teile des Nachlasses, die an die Witwe des Erblassers als Erbin unmittelbar fallen sollen, mit dem Erbfall auf sie bereits übergegangen sind, und es insoweit nur noch der Übertragung der Nachlaßteile auf die Witwe durch die „executors" bedarf,sofern zuvor die Nachlaßverbindlichkeiten erfüllt sind. Zu den der Witwe unmittelbar zugedachten Nachlaßteilen gehört auch der Teil A des Restnachlasses, der nach Auskehrung aller aus dem Gesamtnachlaß zu erfüllenden Vermächtnisse durch die Aufteilung des Restnachlasses in zwei in bestimmtem Größenverhältnis zueinander stehende Nachlaßteile entstehen soll. Der durch diese Aufteilung ebenfalls geschaffene Teil B des Restnachlasses dagegen soll nach den Bestimmungen des Testaments nicht nach der Vorschrift des § 300 des Probate Code unmittelbar auf die im Testament genannten Begünstigten übergehen. Vielmehr soll dieser Teil B der Verwaltung eines „trusts" unterstellt werden. Als „trustees" sind vom Erblasser ebenfalls die Witwe des Erblassers und S. eingesetzt. Eine derartige Aufspaltung des Nachlasses in unmittelbar auf die Erben übergehende Anteile und solche, die einem „trust" unterstellt werden, ist nach anglo-amerikanischem Recht durchaus zulässig 9 . Sinn einer derartigen „trust"-Errichtung ist es, eine langfristige Bindung zumindest eines Teiles des Nachlasses mit dem Ziel zu erreichen, durch eine gewinnbringende Anlage und Verwaltung des dem „trust" unterstellten Vermögens den Begünstigten den Nutzen des Vermögens sichern zu können 1 0 . Der in diesem Sinne im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen errichtete „trust" kommt im anglo-amerikanischen Rechtskreis sehr häufig vor. Es handelt sich bei diesem Institut um eine in England vor allem vom „Law of equity" geprägte Rechtsfigur, die im deutschen Recht keine unmittelbare Entsprechung findet 11 . Obwohl durch die Kodifizierung des „trust"-Rechts in den meisten Gliedstaaten der Vereingten Staaten in Einzelheiten eine unterschiedliche Regelung des „trust" besteht, die auch von 9 Vgl. Czirnich 223; Ferid-Firsching, Abschnitt USA, C III, Randziffer 62f., 205 f. obiter. 10 Vgl. hierzu Kötz 41 ff. 11 Vgl. zur Geschichte des „trusts" Kötz 14ff.; Parker, Das Privatrecht der Vereinigten Staaten (Wien 1960) 96 f.

49 *

772

Erbrecht

der englischen abweicht, so sind die Grundzüge der Rechtsstellung des „trust" im anglo-amerikanischen Recht nach wie vor einheitlich festgelegt. Danach wird das „trust"-Vermögen von einem oder mehreren „trustees" (Treuhändern) verwaltet. Die „trustees" sind - ebenso wie der „executor" nach dem „common law", wenn der bewegliche Nachlaß nicht an den Erben unmittelbar anfällt - die „legal owners" des „trust"-Vermögens. Materiell sind sie am „trust"-Vermögen nur dann beteiligt, wenn sie auch gleichzeitig zu den Begünstigten des „trusts" gehören. Die Begünstigten eines „trusts" (beneficiaries) haben formell kein Eigentum am „trust"Vermögen. Sie sind auf sogenannte „equitable interests" (wie der Erbe nach dem „common law") gegen den „trustee" beschränkt. Ausgehend von diesen Grundlagen k a n n der „trust" als 12 „an equitable obligation binding a person (who is called a trustee) to deal with property over which he has control (which is called the trust property) for the benefit of persons (who are called the beneficiaries or .cestui que trustent')"

eine „equitable Obligation", die eine Person (genannt „trustee" - Treuhänder) verpflichtet, Vermögen (genannt „trust property" - Treuhandvermögen), das ihrer Verfügungsmacht unterliegt, zugunsten von Personen zu verwalten" (übers, des Bearbeiters)

definiert werden. Die Verfügungsmacht des „trustees" reicht so weit, daß sie - soweit nicht eine Bindung an bestimmte Regelungen des einen „trust" errichtenden Erblassers vorliegt - selbständig nach ihrem Ermessen über die Anlage und Verteilung des „trust"-Vermögens befinden können. Die „beneficiaries" dagegen sind auf ihre quasi-eigentumsrechtlichen Ansprüche (die equitable interests) in der Weise beschränkt, daß sie nur dann auf den Verbleib des „trust"-Vermögens Einfluß nehmen können, wenn der „trustee" treuwidrig handelt, insbesondere ihnen das Treugut entzieht 1 3 . Man unterscheidet rechtsgeschäftlich errichtete „trusts" - hierzu zählen die durch Testament geschaffenen und solche, die aufgrund gesetzlicher Regelung entstehen („trusts by Operation of law"). Ferner gibt es noch sog. „charitable trusts", d. h. „trusts" für einen wohltätigen Zweck 14 . Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen diesem letzten Typ und den ersten, ist, daß die „charitable trusts" keiner zeitlichen Beschränkung unterliegen, während z. B. die testamentarischen „trusts" aufgrund der „Rule against Perpetuities" auf eine bestimmte Bestehensfrist begrenzt sind, die nach anglo-amerikanischem Recht spätestens 21 Jahre nach dem Tode einer im Zeitpunkt der Zuwendung durch das Testament lebenden 12

Aus Undeihill's Law relating to trusts and trustees (11. Aufl. London 1959) 3. Vgl. zur Rechtsstellung von „trustee" und „beneficiary" im einzelnen Kötz 26 ff.; Parker 102 ff.; Bailey, The Law of Wills (5. Aufl. London 1957), Neudruck 1963, 15 ff. 14 Vgl. zur Unterscheidung der einzelnen „trust"-Arten Kötz 42ff.; Parker 98 ff. 13

Nachlaßverwaltung

und Testamentsvollstreckung

/ USA (Kalifornien)

773

Person abläuft 15 . Ein „trust", der gegen diese „Rule against Perpetuity" verstößt, ist unwirksam. Ein „trust" erlischt u. a. entweder durch Ablauf der für sein Bestehen bestimmten Zeit oder durch Erfüllung seines Zwecks 16 . Der durch das vorliegende Testament errichtete „trust" bildet den Normalfall eines durch letztwillige Verfügung geschaffenen „trusts" zum Zwecke der langfristigen Nachlaßvermögensbindung zugunsten der im Testament genannten Begünstigten. Zu diesen gehören die Witwe des Erblassers, der von den „trustees" der nach Verteilung des Gewinns aus der Anlage des „trust"-Vermögens verbleibende Restgewinn auszuzahlen ist, sowie die im Testament genannten Geschwister des Erblassers und nachfolgend deren Ehegatten oder Nachkommen. Der „trust" kommt hier zur Entstehung, wenn die beiden „executors" die Nachlaßverwaltung insoweit durchgeführt haben, daß die Aufteilung des Restnachlasses in die beiden Vermögensteile A und B erfolgt ist, und die „executors" sodann ihre Einwilligung gegeben haben, daß der Vermögensteil B auf die „trustees" übergehen soll. Daß hier die „executors" und „trustees" dieselben Personen sind, ist dabei unerheblich. Es ist im anglo-amerikanischen Recht ein durchaus übliches Verfahren, dieselbe Person zum „executor and trustee" zu ernennen 1 7 . Trotz dieser Identität von „executors" und „trustees" bedarf es des manifestierten Willens, daß das „trust"-Vermögen auf die „trustees" übergehen soll. Mit dem Übergang handeln die gleichzeitig als „executors" und „trustees" genannten Personen nur noch als „trustees", soweit das „trust"-Vermögen betroffen ist 18 . Nach dem Übergang des Nachlaßteiles B auf die „trustees" haben diese dann das „trust"-Vermögen ihrem pflichtgemäßen Ermessen nach gewinnbringend anzulegen, zu verwalten und an die im Testament genannten Personen aus dem Gewinn und - soweit dieser nicht reicht - aus dem „trust"-Vermögen selbst die Summe von jährlich 600 Dollar zu zahlen. Eine Besonderheit des vorliegenden „trusts" ist, daß das nach dem Tode der Witwe des Erblassers - sei es vor der Erstverteilung des Nachlasses oder nach Errichtung des „trusts" über den Teil B des Vermögens - vorhandene Vermögen des Erblassers in eine Reihe von einzelnen „trusts" zugunsten der dann lebenden Geschwister des Erblassers sowie deren Nachkommen aufgeteilt werden soll. An dem Rechtscharakter des bisherigen „trusts" ändert sich jedoch dadurch nichts. Die einzelnen „trusts" sollen nicht länger als zehn Jahre nach dem Tode des Erblassers bestehen bleiben. Soweit in den Einzeltrusts dann noch Vermögen vorhanden ist, vor allem von solchen Begünstigten, die auf15 16 17

Vgl. hierzu die übersichtliche Darstellung bei Kötz 50ff.; Bailey Vgl. zu den Beendigungsgründen im einzelnen Parker 104. xe Vgl. Ker 34. Vgl. Ker 36.

161 ff.

774

Erbrecht

grund der politischen Verhältnisse ihres Heimatlandes ihren Anteil nicht nutzen konnten, soll dieses „trust"-Vermögen an die nach dem Ermessen der „trustees" bedürftigen Geschwister aufgeteilt werden. Der ganze „trust" endet - falls er nicht vorher erschöpft ist - mit dem Tode des letztlebenden Begünstigten, der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers schon lebte. Damit ist für diesen „trust" auch die zeitliche Begrenzung der „Rule against Perpetuities" eingehalten worden. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich somit, daß der „trust" nicht selbst Erbe werden sollte - etwa im Sinne einer rechtsfähigen Stiftung, die das Vermögen im Erbwege erhalten sollte - , sondern daß der „trust" vielmehr nur zur Verwaltung eines Nachlaßteiles nach dem Willen des Erblassers errichtet wurde. III Es stellt sich nunmehr die Frage, wie dieser „trust" bzw. die „trustees" als die Verfügungsberechtigten bei der Erteilung eines Erbscheins nach deutschem Recht zu behandeln sind. Eine Ausweitung des „trusts" als Erbe scheidet nach den unter II entwickelten Gesichtspunkten aus. Vielmehr ist eine den Erfordernissen des deutschen Rechts entsprechende Umdeutung des Rechtsinstituts des „trusts" vorzunehmen, was in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten macht 19 . Da der „trustee" - wie der „executor" des „common law" (abweichend vom „executor" nach kalifornischem Recht) - formaler Eigentümer des dem „trust" unterstellten Vermögens und damit der allein Verfügungsberechtigte ist 20 , bietet sich auch hier das Amt des Testamentsvollstreckers als die dem „trustee" am nächsten stehende parallele deutsche Rechtsstellung an, und zwar in der Form der Dauervollstreckung des § 2209 BGB21. Die Stellung der von einem „trust" Begünstigten ist andererseits - geht man von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus - als die von Erben, Vermächtnisnehmern oder Vor- und Nacherben deutschen Rechts zu qualifizieren, je nachdem die Umstände es erfordern und die Begünstigung ausgestaltet ist 22 . Nach dem bekannten Sachverhalt bedarf es hier jedoch nur der Klärung der Rechtsstellung der „trustees". Diese wären für den Teil B des Nachlasses demnach als Testamentsvollstrecker i. S. des § 2209 BGB auszuweisen, wobei anzumerken wäre, daß sie ihre Aufgaben nicht nach deutschem, sondern nach kalifornischem Recht wahrnehmen. 19

So Breslauer 147 ff. ; Ferid-Firsching, Abschnitt USA, C III, Randziffer 62 f., 207. Vgl. oben II des Gutachtens. 21 Vgl. Ferid-Firsching, Abschnitt USA, C III, Randziffer 62 f., 207. 22 Vgl. dazu Schwerin, Die Anwendung der §§ 2369 und 2368 BGB auf Erbfälle mit englischem oder amerikanischem Erbstatut, in NJW 1952, 1115; Gottheiner 69; Ferid-Firsching, Abschnitt USA, C III, Randziffer 62 F, 207. 20

Nachlaßverwaltang

und Testamentsvollstreckung/

USA (Kalifornien)

775

Zusammenfassung I. Nach Art. 24 und 25 EGBGB in Verbindung mit Art. 29 EGBGB wird der Erblasser A. als Staatenloser nach dem Recht seines letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes - hier B., US-Staat Kalifornien d. h. nach kalifornischem Recht beerbt. Das kalifornische Erbrecht erklärt für die Erbfolge bei beweglichem Vermögen das Wohnsitzrecht, bei unbeweglichem Vermögen das Recht der belegenen Sache für maßgebend. Da Grundvermögen - soweit b e k a n n t - nur in Kalifornien v o r h a n d e n ist, tritt eine Rüdeverweisung auf deutsches Erbrecht nicht ein. II. Soweit nach dem Willen des Erblassers der Nachlaß unmittelbar nach seinem Tode an die Erben bzw. Vermächtnisnehmer fallen sollte, ist dieser Teil des Nachlasses nach § 300 des Probate Code des Staates Kalifornien - abweichend von der Regelung des sonst im anglo-amerikanischen Recht überwiegend geltenden „common law" - unmittelbar auf die Erben übergegangen. Jedoch h a b e n die „executors" (Testamentsvollstrecker) ein Recht, den Nachlaß zur Abwicklung der Nachlaßteilung usw. in Besitz zu nehmen. III. Der übrige Teil des Nachlasses ist zum Zwecke einer langfristigen, gewinnbringenden Anlage zugunsten einer Reihe von im Testament b e n a n n t e n Angehörigen des Erblassers der Verwaltung durch zwei „trustees" (Treuhänder) unterstellt worden. Die „trustees" haben den „legal title" an dem „trust"-Vermögen (formales Eigentumsrecht mit alleiniger Verfügungsmacht), w ä h r e n d die Begünstigten gegenüber den „trustees" nur sog. „equitable interests" (quasi-eigentumsrechtliche Ansprüche) auf das „trust"-Vermögen haben. Der „trust" als solcher hat nicht die Stellung eines Erben. IV. Für die Zwecke des deutschen Rechts k a n n ein „trust" in eine Testamentsvollstreckung im Sinne des § 2209 BGB umgedeutet werden. Bei einer Erwähnung der „trustees" als Dauervollstrecker im Erbschein empfiehlt es sich jedoch, ihre Sonderstellung durch den Zusatz „nach kalifornischem Recht" zu kennzeichnen.

5. PFLICHTTEIL Siehe auch Nr. 52, 54, 55, 56, 57, 64

Nr. 67 USA (New York) 1. Wirksamkeit eines Testaments, durch das der Erblasser Ehefrau und Kinder enterbt und seine Freundin zur Alleinerbin einsetzt, nach dem Recht New Yorks. 2. Gesetzlicher Voraus der Ehefrau nach dem Recht New Yorks. 3. Noterbrecht des überlebenden Ehegatten nach dem Recht New Yorks. 4. Verstößt die nach dem Recht New Yorks wirksame Enterbung der Ehefrau und der Kinder zugunsten der Freundin gegen den deutschen ordre public? 5. Untersdiied zwischen „real property" und „personal property" bei der Nachlaßabwicklung nach dem Recht New Yorks. Köln 16/65 vom 14. 5.1965

Das Amtsgericht in Düsseldorf hat das Institut durch Verfügung vom 9. 2.1965 in der Nachlaßsache Leo S. um Auskunft über das internationale Privatrecht und das Erbrecht von New York, USA, gebeten.

SACHVERHALT Am 20. 6. 1961 verstarb der amerikanische Staatsangehörige Leo S. in N e w Garden, New York, USA. Der Erblasser hatte seit seiner Auswanderung aus Deutschland im Jahre 1936 in New York gelebt. Er wurde überlebt von seiner Ehefrau Mary S., geb. Ka., und den beiden ehelichen Kindern Ellen Ke., geb. S., und John S. Im Nachlaß befindet sich nur noch ein Wiedergutmachungsanspruch nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Im Oktober 1962 stellte das Amtsgericht in Düsseldorf auf Antrag der gesetzlichen Erben einen gegenständlich beschränkten Erbschein nach Leo S. aus. Dieser Erbschein wies die überlebende Ehefrau und die beiden Kinder als Erben zu je Vä aus. Dieser Erbschein ist jedoch wieder ein-

Pflichtteil / USA (New

York)

III

gezogen worden, nachdem bekannt wurde, daß der Erblasser ein Testament hinterlassen hatte. Die gesetzlichen Erben halten die gewillkürte Erbeinsetzung für unwirksam, da sie gegen die guten Sitten verstoße. Sie behaupten, der Erblasser habe im Jahre 1936 seine Ehefrau und die beiden Kinder in Düsseldorf verlassen. Er sei mit einem Fräulein L. aus Düsseldorf nach New York gezogen und habe mit ihr bis zu seinem Tode zusammengelebt. Fräulein L. habe den Namen M. durch die Eheschließung mit einem Amerikaner erworben, mit diesem jedoch nie gelebt. Das Amtsgericht in Düsseldorf bittet um eine gutachtliche Stellungnahme zu diesem Erbfall. GUTACHTEN I. Das auf den Erb fall anzuwendende I. Deutsches internationales

Recht

Privatrecht

Aus den Art. 24, 25 EGBGB folgt der Grundsatz, daß ein Ausländer nach dem Recht seines Heimatstaates beerbt wird 1 . Diese Regel gilt insbesondere auch für die Gültigkeit und Wirkungen von Testamenten. Da der Erblasser zur Zeit seines Todes amerikanischer Staatsangehöriger war, verweist das deutsche Kollisionsrecht auf das Recht der Vereinigten Staaten. Diese Verweisung ist jedoch unvollständig, da das internationale Privatrecht der Vereinigten Staaten, ebenso wie das materielle Zivilrecht, gespalten ist. In den einzelnen Staaten gilt jeweils ein eigenständiges Kollisionsrecht 2 . Um festzustellen, auf welchen Einzelstaates Recht verwiesen wird, muß eine Unteranknüpfung gewählt werden. Zum Teil wird bei amerikanischen Staatsangehörigen an die Staatsbürgerschaft innerhalb der Vereinigten Staaten angeknüpft 3 . Davon abweichend hat die Rechtsprechung meist auf den letzten Wohnsitz abgestellt 4 . Es empfiehlt sich jedoch, aus rechtspolitischen Gründen an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen, wie es auch im interlokalen Privat1

Kegel, Internationales Privatredit (2. Aufl. 1964), 354; Raape, Internationales Privatrecht (5. Aufl. 1961), 412; Wolfi, Das internationale Privatrecht Deutschlands (3. Aufl. 1954), 227. 2 Vgl. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws (1962) 33-34; Kegel, Internationales Privatrecht, 138; Nußbaum, Grundzüge des internationalen Privatrechts (1952), 56. 3 Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Bd. II (1961), US Grdz. C III, Rdnr. 60b; Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle (1965), 79f.; Frankenstein, Internationales Privatrecht, Bd. 1 (1926), 93; Melchior, Die Grundlagen des deutschen internationalen Privatrechts (1962), 214; Nußbaum 135-136; Raape 150. 4 Vgl. BGHZ 27, 47 (51) = NJW 1958, 830 (831) = FamRZ 1958, 216 (217); OLG Karlsruhe DNotZ 1957, 424 (425) = FamRZ 1957, 224.

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Erbrecht

recht geschieht. Bei dieser Anknüpfung werden die Parteiinteressen am besten geschützt 5 . Im vorliegenden Fall führen alle aufgezeigten Lösungen zu einer Verweisung auf das Recht von New York. Der Erblasser hatte sich nach seiner Emigration aus Deutschland im Jahre 1936 in New York niedergelassen und dort bis zu seinem Tode gelebt. Es ist daher anzunehmen, daß der Erblasser sowohl seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt wie auch seinen letzten Wohnsitz in New York hatte. Die Verweisung auf das Recht von New York ist über Art. 27 EGBGB als Kollisionsnormverweisung zu behandeln 6 . Eine Rück- oder Weiterverweisung des Rechts von New York ist daher zu beachten. 2. Das internationale

Privatrecht von New York

Das internationale Privatrecht des Staates New York folgt dem Grundsatz der Nachlaßspaltung, wie er sich aus dem „common law" entwickelt hat. W ä h r e n d das bewegliche Vermögen dem Domizilrecht unterstellt wird, richtet sich die Erbfolge in das unbewegliche Vermögen nach der lex rei sitae 7. Entsprechend dieser Unterscheidung sieht § 47 Decedent Estate Law des Staates New York vor, daß sich die Gültigkeit und Wirkungen letztwilliger Verfügungen im Hinblick auf Grundvermögen nach der lex rei sitae, hinsichtlich des beweglichen Vermögens nach dem Domizilrecht des Erblassers beurteilen. Im vorliegenden Fall besteht das Nachlaßvermögen nur aus dem Wiedergutmachungsanspruch, der als bewegliches Vermögen anzusehen ist. Demnach beurteilen sich hier die inhaltliche Gültigkeit des Testaments und seine Wirkungen nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zur Zeit des Todes sein „domicile" hatte. Die Interpretation des Begriffes „domicile" bereitet zuweilen Schwierigkeiten, da er nicht mit dem Wohnsitz des deutschen Rechts übereinstimmt. Auch innerhalb der verschiedenen „common-law"-Länder wird der Begriff 6 LG Bielefeld FamRZ 1957, 268 (269) = N J W 1957, 1074 (1075); Kegel, Die Anwendung des Rechts ausländischer Staaten mit räumlicher Rechtsspaltung, Festschrift für Karl Arnold (1955), 61 (76-77)j Kegel in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch Bd. V (9. Aufl. 1961), Bern. 111 vor Art. 7, 539 mit weiteren Nachweisen; gegen die hier vertretene Auffassung neuerdings Firschirtg 80. • Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 74 vor Art. 24, 926. 7 Für das bewegliche Vermögen: Hyde's Estate, 31 N.Y.S. 2d, 497, 506 (Surr.Ct. 1941); In re Brown's Will, 233 N. Y.S. 145, 147 (Surr. Ct. 1929); /ür das unbewegliche Vermögen: In re Del Drago's Estate, 38 N. E. 2d 131, 137 (N.Y.Ct. App. 1941); In re Krabbe's Estate, 145 N. Y.S. 2d 357 (Surr. Ct. 1955). Vgl. auch Ehrenzweig 653-655, 659-660, 665-666; Goodrich, Handbook of the Conflict of Laws (3. Aufl. 1949), 500-505; Letlar, The Law of Conflict of Laws (1959), 354-356; Stumberg, Principles of Conflict of Laws (3. Aufl. 1963), 371-380; Restatement, Conflict of Laws (1934), §§ 245, 303.

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„domicile" nicht einheitlich verstanden 8 . Für N e w York kann folgende Definition als die allgemein anerkannte A u s l e g u n g verstanden w e r d e n 9 : „... a person's domicile is his true and permanent home, to which he has at all times the intention of, sooner or later, returning." In re Strobei's Estate, 109 N. Y. S. 2d 848 (Surr. Ct. 1951).

Das „domicile" einer Person ist ihr wirkliches und ständiges Zuhause, zu dem sie zu allen Zeiten, früher oder später, zurückzukehren vorhat.

Da der Erblasser im Jahre 1936 nach den V e r e i n i g t e n Staaten ausgewandert war und v o n da an bis zu s e i n e m Tode in N e w York lebte, kann ang e n o m m e n werden, daß er sein „domicile" in N e w York hatte. Demnach sieht das internationale Privatrecht v o n N e w York k e i n e Rück- oder W e i t e r v e r w e i s u n g vor. Erbstatut ist also das Recht des Staates N e w York.

II. Foimstalut

der letzt-willigen

Verfügung

vom 9. 7.1956

Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB beruft das deutsche Kollisionsrecht für die Form des Testaments das Redit des Staates N e w York s o w o h l als Ortsstatut (Art. 11 Abs. 1 S. 2) w i e auch als Geschäftsstatut (Art. 11 Abs. 1 S. 1). Der Erblasser errichtete das Testament in N e w York, und Erbstatut ist gleichfalls das Recht v o n N e w York.

B. MATERIELLES RECHT I. Formelle

Gültigkeit

der letztwilligen

Verfügung

Für die Errichtung eines Testaments bestimmt § 21 Decedent Estate Law: „Manner of execution of will. - Every last will and testament of real or personal property, or both, shall be executed and attested in the following manner:

Form der Testamentserrichtung. - Jedes Testament über bewegliches oder unbewegliches Vermögen oder beide Vermögensarten muß auf folgende Weise errichtet und attestiert werden:

1. It shall be subscribed by the testator at the end of the will. 2. Such subscription shall be made by the testator in the presence of each

1. Es muß vom Testator am Ende unterzeichnet sein. 2. Diese Unterschrift muß vom Testator in Gegenwart eines jeden der atte-

8 Hinsichtlich des Begriffes „domicile" im englischen Recht vgl. Henrich, Der Domizilbegriff im englischen internationalen Privatrecht, RabelsZ 25 (1960), 456-495; Raape 72-75. • Vgl. auch Ruderman v. Ruderman, 82 N.Y. S. 2d 479 (Sup. Ct. 1948) \ Petrin v. Perrin, 250 N.Y.S. 588 (Sup. Ct. 1931).

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Erbrecht

of the attesting witnesses, or shall be acknowledged by him, to have been so made, to each of the attesting witnesses. 3. The testator, at the time of making such subscription, or at the time of acknowledging the same, shall declare the instrument so subscribed, to be his last will and testament. 4. There shall be at least two attesting witnesses, each of whom shall sign his name as a witness, at the end of the will, at the request of the testator."

stierenden Zeugen gegenüber als seine eigene anerkannt worden sein.

3. Beim Vollzug oder bei der Anerkennung dieser Unterschrift muß der Testator die Urkunde zu seinem Testament erklären. 4. Es müssen mindestens zwei attestierende Zeugen anwesend sein, von denen jeder seinen Namen als Zeuge auf Wunsch des Testators am Ende des Testaments zu schreiben hat.

Das vom Erblasser unter dem 9. 7.1956 angefertigte Testament erfüllt diese Formvorschriften. Das Schriftstück trägt die Unterschrift des Erblassers, vollzogen in der Anwesenheit von drei Zeugen. Der Erblasser bezeichnete das Schriftstück als sein Testament, und die Urkunde ist am Ende auf Ersuchen des Erblassers von den drei Zeugen unterschrieben worden. Demnach ist das Testament formgültig.

II. Die Erbfolge 1. Die

Begünstigten

Der Erblasser setzte in seiner letztwilligen Verfügung Frau M. als alleinige Begünstigte ein. Bei der Frage, ob diese letztwillige Verfügung ganz oder teilweise rechtswirksam erfolgen konnte, ist davon auszugehen, daß der Erblasser frei war, beliebige Dispositionen über sein Vermögen letztwillig zu treffen, sofern er sich im Rahmen des geltenden Rechts hielt 1 0 . Insbesondere konnte der Erblasser seine gesetzlichen Erben durch eine wirksame Verfügung zugunsten einer dritten Person enterben 1 1 . Hierfür war gleichgültig, ob der Erblasser mit der begünstigten Person „unmoralische" Beziehungen unterhielt 1 2 . Grundsätzlich konnte der Erblasser demnach Frau M. mit dem gesamten Nachlaß bedenken. Dies erfordert aber außerdem, daß (a) die letztwillige Verfügung dem freien Willen des Erblassers entsprach; (b) die überlebende Ehefrau keinen gesetzlichen Voraus erhält; 10 Z.B. Fisher v. Fisher, 170 N. E. 912 (N.Y.Ct. App. 1930), betr. gesetzliche Beschränkungen für Besitzrechte an Grundvermögen. 11 Vgl. Matter oi Trumble, 92 N. E. 1073 (N. Y. App. Div. 1910). 12 In re Swartz^s Will, 192 P. 203 (Okl. Sup. Ct. 1920); In re Kellys Estate, 46 P. 2d 84 (Or. Sup. Ct. 1935).

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(c) die Begünstigung der Frau M. nicht durch Noterbrechte beschränkt ist und (d) die Einsetzung der Frau M. nicht dem deutschen „ordre public" widerspricht. a) Freie Willensbildung des Erblassers Ein Testament ist ungültig, wenn es unter „undue influence" zustande gekommen ist. Hierzu ist erforderlich, daß die Verfügung von Todes wegen dem Erblasser unter Ausschluß seines Willens aufgezwungen worden ist. Der New York Court of Appeals hat hierzu festgestellt 13 : „The influence necessary to avoid a will must amount to coercion and duress." 1 3

Der Einfluß muß sich als Zwang und Nötigung darstellen, um eine Verfügung von Todes wegen auszuschließen.

Da es außerordentlich schwer ist, im Einzelfall die Tatsache des „undue influence" zu beweisen, haben sich zahlreiche Entscheidungen mit der Frage befaßt, welche Umstände den Schluß rechtfertigen, das Testament sei unter „undue influence" errichtet worden. Als Grundsatz gilt, daß freundschaftliche Beziehungen zwischen dem Testator und dem Begünstigten ebenso wie verwerfliche Verhältnisse keine Vermutung dafür begründen, die Verfügung sei unter „undue influence" erfolgt 14 . Insbesondere haben mehrere Gerichte erklärt, allein die Tatsache, daß der Erblasser mit der Begünstigten unmoralische oder ehebrecherische Beziehungen unterhalten hatte, begründe keine Vermutung für „undue influence" 15 .Der Court of Appeals von New York hatte schon früher in diesem Sinne entschieden 16 . An dieser Rechtsprechung hat der Court of Appeals auch später festgehalten in einem Fall, in dem der Testator mit einer Frau in wilder Ehe gelebt hatte und sein Vermögen dieser sowie dem aus dieser Verbindung hervorgegangenen unehelichen Kind zugewendet hatte 1 7 . „Moral depravity does not amount to testamentary incapacity."

Sittliche Verderbtheit führt nicht zur Unfähigkeit, ein Testament zu errichten.

Bei dieser Rechtslage ist anzunehmen, daß Frau M. selbst dann wirksam zur Erbin eingesetzt worden ist, wenn die von den gesetzlichen Erben behaupteten ehebrecherischen Beziehungen zwischen dem Erblasser und Frau M. tatsächlich bestanden haben. Die letztwillige Verfügung von Todes wegen ist nur dann nichtig, wenn bewiesen werden kann, daß Frau In re Schilienger's Will, 179 N. E. 380, 381 (1932). In re Chinsky's Will, 268 N. Y. S. 719, 722 (N. Y. Surr. Ct. 1934); weitere Nachweise in Page, Law of Wills, Bd. 3 (4. Aufl. 1961), § 29. 84, 599-606. 15 Grifüth v. Benzinger, 125 A. 512, 517 (Md. Ct. App. 1924); Dees v. Metts, 17 So. 2d 137, 139-142 (Ala.Sup.Ct. 1944). 16 In re Mondorrs Will, 18 N. E. 256 (1888). 17 In re Anna's Estate, 162 N.E. 473, 475 (N.Y.Ct. App. 1928). 13 14

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M. den Erblasser zu der letztwilligen Verfügung gezwungen haben sollte. Hierfür besteht jedoch nach dem bisherigen Sachvortrag kein Anhalt. b) „Exemption for family benefit" Die Zuwendung des Nachlasses an Frau M. kann zunächst dadurch beschränkt sein, daß die überlebende Ehefrau vorab einen Teil des Nachlaßv e r m ö g e n s erhält. Aufgrund v o n § 200 N e w York Surrogate's Court A c t gilt für den gesetzlichen Voraus folgende Regelung: „Exemption for benefit of family. If a person having a family dies, leaving a widow or husband, or minor child or children the following articles shall not be deemed assets but must be included and stated in the inventory of the estate as property set off to such widow, husband or minor child or children:

Befreiung zugunsten der Familie. Stirbt jemand, der eine Familie hat, und hinterläßt er eine Witwe bzw. Ehemann oder ein minderjähriges Kind oder Kinder, so werden die folgenden Gegenstände nicht zum Nachlaßvermögen gerechnet. Sie müssen jedoch im Inventar des Nachlasses aufgeführt und bezeichnet als Voraus der Witwe, des Ehemannes oder des minderjährigen Kindes bzw. der Kinder bezeichnet werden:

4. Money or other personal property not exceeding in value one thousand dollars, except, however that the administrator or other representative of the estate must, where there are insufficient assets in the estate to pay the reasonable funeral expenses of the decedent, apply any such money or other personal property in the estate to pay any deficiency in the payment thereof. Such property so set apart shall be the property of the surviving husband or wife, or of the minor child or children if there be no surviving husband or wife..."

4. Geld oder anderes „personal property", das den Wert von eintausend Dollars nicht übersteigt. Das gilt nicht insoweit, als das übrige Nachlaßvermögen nicht ausreicht, die gewöhnlichen Kosten für die Beerdigung des Erblassers zu decken, und der „administrator" oder sonstige Nachlaßverwalter dieses Geld oder sonstiges „personal property" des Nachlasses zur Zahlung eines solchen Defizits verwenden muß. Solches Vermögen steht dem überlebenden Ehemann oder der Witwe oder, falls ein solcher bzw. eine solche nicht vorhanden ist, dem minderjährigen Kind bzw. den Kindern zu.

O b w o h l im v o r l i e g e n d e n Fall die Voraussetzungen dieser Vorschrift an sich g e g e b e n sind, erscheint ihre Anwendbarkeit dennoch zweifelhaft. Dieser Schutz ist nicht erforderlich, w o der Erblasser zur Zeit s e i n e s Todes keinerlei Beziehungen mehr zu seiner Ehefrau und seinen Kindern hatte. Mit einem solchen Fall befaßte sich 1936 ein N e w Yorker Gericht. In dieser bedeutsamen Entscheidung führte das Gericht aus, daß der Voraus nach § 200 Surrogate's Court A c t nicht mehr gewährt w e r d e n könne, w e i l die Ehepartner 20 Jahre getrennt gelebt hatten, ihr V e r m ö g e n auseinander-

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gesetzt hatten und der überlebende Ehemann nichts mehr zum Unterhalt der Ehefrau beigetragen hatte 1 8 . Dieser Grundsatz ist jedoch durch die neuere Rechtsprechung eingeschränkt worden. Der Voraus entfällt nicht zu Lasten der überlebenden Ehefrau, wenn sie an der Trennung schuldlos war. In diesem Sinn hat ein New Yorker Nachlaßgericht in einem Fall entschieden, in dem der Erblasser seine überlebende Ehefrau 23 Jahre vor seinem Tode verlassen hatte und später mit einer anderen Frau in wilder Ehe lebte 19 . Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt kann im vorliegenden Fall angenommen werden, daß der Erblasser seine Ehefrau verlassen hatte, ohne daß sie an der Trennung Schuld traf. Es spricht vielmehr viel dafür, daß der Erblasser wegen seiner Beziehungen zu Frau M. die Familie verließ. Es ist daher festzustellen, daß die überlebende Ehefrau S. das ihr zustehende Recht auf einen Voraus nach § 200 Ziff. 4 Surrogate's Court Act nicht verloren hat. Das Recht des Voraus wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Erblasser eine abweichende testamentarische Verfügung getroffen hat. Das Recht nach § 200 Ziff. 4 Surrogate's Court Act besteht auch entgegen einer ausdrücklich erklärten letztwilligen Verfügung des Erblassers 20 . Im übrigen wird dieser Voraus nicht auf den Teil angerechnet, den die überlebende Ehefrau durch die Wahl ihres Noterbrechts (siehe unter c) erhält 21 . Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die überlebende Ehefrau S. aus dem Vermögen des Erblassers vorab $ 1000.00 erhält. c) Pflichtteilsrechte Obwohl das „common law" keine Pflichtteilsrechte naher Angehöriger entwickelt hat, gilt in New York kraft Gesetzes etwas anderes. Das „New York Decedent Estate Law" sieht ein Noterbrecht der überlebenden Ehefrau vor. § 18 - „1. Where a testator dies after August thirty-first, nineteen hundred and thirty, and leaves a will thereafter executed and leaves surviving a husband or wife, a personal right of election is given to the survivinq spouse to take his or her share of the estate as in 18

1. Stirbt ein Testator nach dem 31. August 1930 und hat er ein Testament nach diesem Zeitpunkt errichtet und hinterläßt er einen überlebenden Ehegatten, so hat dieser das persönliche Recht, seinen gesetzlichen Erbteil zu wählen mit den Beschränkungen, Bedingungen und

In re Schmidt's Estate, 287 N.Y. S. 44 (Sup. Ct. App. Div. 1936); diese Entscheidung knüpfte an ein früheres Urteil an, das in einem ähnlichen Fall ergangen war, In re Burridge's Estate, 185 N. E. 81 (N. Y. Ct. App. 1933). 19 In re Schwab's Will, 122 N.Y.S. 2d 574 (Surr. Ct. 1953). 20 In re Barrow's Will, 123 N.Y.S. 2d 501, 505 (Surr. Ct. 1953). 21 In re Pagan's Estate, 84 N.Y.S. 2d 558 (Surr. Ct. 1948); In re Miles' Estate, 131 N. Y. S. 2d 328 (Surr. Ct. 1954).

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Erbrecht

intestacy, subject to the limitations, conditions and exceptions contained in this section."

Ausnahmen, die in diesem Abschnitt enthalten sind,

Für den vorliegenden Fall ergibt sich der gesetzliche Erbanteil der überlebenden Ehefrau aus dem N. Y. Decedent Estate Law, § 83: „The real property of a deceased person, male or female, not devised, shall descend, and the surplus of his or her personal property, after payment of debts and legacies, and if not bequeathed, shall be distributed to the surviving spouse, children, or next of kin or other persons, in a manner following:

1. One-third part to the surviving spouse, and the residue in equal portions of the children, and such persons as legally represent the children if any of them have died before the deceased.

Das Grundvermögen eines Erblassers, männlich oder weiblich, über das nicht letztwillig verfügt worden ist, vererbt sich ebenso wie das persönliche Vermögen, das nach Begleichung der Nachlaßverbindlichkeiten und Vermächtnisse übrig bleibt und über das nicht letztwillig verfügt worden ist; sie sollen in folgender Weise auf den überlebenden Ehegatten, die Kinder, nächste Verwandte oder andere Personen verteilt werden: 1. Ein Drittel steht dem überlebenden Ehegatten zu, der Rest zu gleichen Teilen den Kindern und soldien Personen, die Rechtsnachfolger der vorverstorbenen Kinder geworden sind.

Demnach steht der überlebenden Ehefrau Mary S. ein gesetzliches Noterbrecht zu, durch das sie zu an dem Nachlaß beteiligt wird. Dieses Noterbrecht ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Eheleute S. getrennt lebten. Die überlebende Ehefrau verliert dieses Recht nur, falls sie ihren Ehemann „abandoned" hat, N. Y. Decedent Estate Law, §18 Abs. 5. Dazu reicht nicht aus, daß die Ehefrau ihren Ehemann einfach verläßt. Vielmehr muß die Verlassung entgegen dem Willen des Erblassers geschehen und darf nicht gerechtfertigt sein 22 . Im vorliegenden Fall hat aber die überlebende Ehefrau ihren Mann nicht verlassen. Nach dem Sachvortrag beider Parteien emmigrierte der Erblasser im Jahre 1936 aus Deutschland und ließ seine Ehefau in Düsseldorf zurück. Demnach hat die überlebende Ehefrau ihr Noterbrecht nicht eingebüßt. Die überlebende Ehefrau erwirbt den ihr zustehenden Erbanteil nicht kraft Gesetzes. Sie hat vielmehr die Wahl, ob sie die letztwillige Verfügung des Erblassers anerkennen will oder ob sie den gesetzlichen Erbanteil vorzieht. Das gesetzliche Drittel erwirbt sie durch eine entspre22 In re Maidens's Estate, 31 N. E. 2d 889, 890 (N.Y. Ct. App. 1940); In re Charles J. Mooney's Will, 86 N.Y.S. 2d 485, 486 (Surr. Ct. 1948).

Pilichtleil

/ USA (New

York)

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chende Erklärung gegenüber dem Testamentsvollstrecker. Im einzelnen gilt für diese Erklärung: N. Y. Decedent Estate Law, § 18 Abs. 7: „ A n election must be made within six months from the date of the issuance of letters testamentary ... and shall be made by serving written notice of such election upon the representative of the estate personally or in such other manner as the surrogate may direct and by filing and recording a copy of such notice with proof of service in the surrogate's court where such will was probated. The time to make such election may be enlarged before its expiration by an order of the surrogate's court where such will was probated, for a further period of not exceeding six months upon any one application..."

Eine W a h l (des gesetzlichen Erbteils) muß innerhalb von sechs Monaten nach der Erteilung der „letters testamentary" e r f o l g e n . . . und muß durch ZuStellung einer schriftlichen Anzeige dieser Wahl an den TestamentsvollStrecker persönlich oder auf eine andere Weise, die der Nachlaßrichter bestimmt, erklärt werden. Außerdem muß eine Abschrift der Erklärung mit dem Nachweis der Zustellung bei dem Nachlaßgericht, bei dem das „ probate "-Verfahren stattgefunden hat, eingereicht und beurkundet werden. Die Frist, innerhalb der diese Wahl zu erfolgen hat, kann vor ihrem Ablauf durch das Nachlaßgericht, bei dem das „probate"-Verfahren durchgeführt worden ist, um weitere sechs Monate, gerechnet v o n der Antragstellung, verlängert werden.

Im vorliegenden Fall hat bisher ein „probate"-Verfahren nicht stattgefunden. „Letters testamentary", die die Ernennung eines „executors" ausweisen, sind bisher nicht erteilt worden. Daher hat die Frist von sechs Monaten noch nicht begonnen. Mithin hat die überlebende Ehefrau Mary S. noch immer die Möglichkeit, durch eine entsprechende Erklärung an dem Nachlaß beteiligt zu werden. Man darf sogar annehmen, daß sie ihren Willen im vorliegenden Erbscheinsverfahren, in dem sie ein Drittel des Nachlasses in Anspruch nimmt, schon jetzt hinreichend erklärt hat. Denn soweit das N e w Yorker Recht eine bestimmte Form der Erklärung verlangt (nämlich grundsätzlich persönliche Zustellung an den Verwalter des Nachlasses), tritt im Ausland die Ortsform an die Stelle (Art. 11 I 2 EGBGB). Nun kennt zwar das deutsche Recht keinen Erwerb des Pflichtteils durch Gestaltungserklärung und deswegen auch keine Form für sie; denn es gewährt den Pflichtteil ex lege. Aber da der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch gegen den Erben oder Beschenkten nicht geltend zu machen braucht, ist die Lage des Verpflichteten praktisch die gleiche wie die des Erben nach N e w Yorker Recht. Daher kann als W i l l e des deutschen Rechts, soweit es um den Erben geht, Formlosigkeit der Geltendmachung des Pflichtteils unterstellt werden, audi wenn nach ausländischem Erbstatut die Geltendmachung konstitutiv (gestaltend) und nicht bloß informativ wirkt. 50

M a t . : 11, Gutachten 1965/66

786

Erbrecht

Allerdings verlangt das New Yorker Recht auch Hinterlegung und Registrierung einer Abschrift der Benachrichtigung des Nachlaßverwalters beim Nachlaßgericht. Auch diesem Erfordernis ist indessen nach dem für die Form von Rechtsgeschäften (Art. 1 1 1 2 EGBGB) wie für den Ablauf gerichtlicher Verfahren maßgebenden Ortsrecht und somit hier dem deutschen Recht genügt, wenn der Pflichtteil in einem Erbscheinsverfahren geltend gemacht und in den Gerichtsakten (Schriftsätzen) zu Papier gebracht ist. Das aber ist im vorliegenden Fall geschehen. W e n n schließlich das New Yorker Recht fordert, daß das Pflichtteilsrecht grundsätzlich binnen sechs Monaten nach Erteilung der „letters testamentary" geltend zu machen ist, so bestehen keine Bedenken, die Geltendmachung auch schon vor solcher Erteilung und auch ohne sie für zulässig zu halten. Die Witwe des Erblassers hat demnach ihren Pflichtteil von einem Drittel hinreichend geltend gemacht. Die Kinder des Erblassers haben kein Pflichtteilsrecht: Es steht dem Erblasser frei, seine Kinder zu enterben 2 3 . Demnach erben die Witwe ein Drittel und Frau M. zwei Drittel. d) Art. 30 EGBGB Die letztwillige Verfügung des Erblassers könnte gegen den deutschen „ordre public" verstoßen, soweit die überlebende Ehefrau und die gemeinsamen Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Dazu ist erforderlich, daß die wirksame Enterbung gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt. Ein solcher Verstoß ist gegeben, wenn die Anwendung des ausländischen Testamentsrechts, nach dem das Testament gültig ist, für die deutsche Rechtsordnung schlechthin untragbar ist 24 . Bei der Anwendung der Vorbehaltsklausel sind die „guten Sitten" so zu verstehen, wie sie auch sonst im materiellen Recht interpretiert werden 2 5 . Die wirksame Enterbung der Ehefrau und der Kinder könnte daher insbesondere deshalb gegen den deutschen „ordre public" verstoßen, weil die Enterbung im materiellen deutschen Recht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig wäre. Es ist anerkannt, daß die Enterbung der Ehefrau zugunsten einer anderen Frau, mit der der Erblasser in wilder Ehe lebte, nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann 2 6 . Im vorliegenden Fall braucht dies jedoch nicht entschieden zu werden. Es ist bereits festgestellt worden, daß die 23

Hirschfield v. Ralston, 66 N. Y.S. 2d 59 (Supr. Ct. 1946). Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 30, Bern. 14, 985 mit Nachweisen. 25 Kegel in Soergel-Siebert, Art. 30, Bern. 6, 982. 26 BGHZ 20, 71 (72-73); BGH LM § 138 (Cd) Nr. 2; Heiermehl in Soergel-Siebert, Bd. 1 § 138, Bern. 104, 505; Kipp-Coing, Erbrecht (11. Bearb. 1960) 75-76; Lange, Lehrbuch des Erbrechts (1962), 378; Krüger-Nieiand in BGB-RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. I, 1. Teil (11. Aufl. 1959), § 138, Anm. 68, 465. 24

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Ehefrau durch ihr Noterbrecht ein Drittel des Nachlasses erhält. Mehr würde sie aber auch nicht erhalten, wenn man die letztwillige Verfügung des Erblassers in vollem Umfang als niditig ansehen würde. Denn in diesem Fall käme man zur Anwendung der gesetzlichen Erbfolge nach dem Recht von New York (vgl. oben B II 1 c). Diese würde eingreifen, weil die durch die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung eintretende Lücke nur zur Ausschaltung des ausländischen Rechts führt, soweit dies unbedingt erforderlich ist 27 . Die letztwillige Verfügung des Erblassers könnte aber auch insoweit sittenwidrig sein, als die Kinder zugunsten der Frau M. enterbt worden sind. So hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung die Enterbung unmündiger, mutterloser Kinder für sittenwidrig gehalten, weil der Erblasser sich dadurch endgültig von seinen Kindern lossagen wollte 28 . Im vorliegenden Fall ist zu bedenken, daß das Ergebnis der hier zu treffenden Entscheidung nur geringe Inlandsbeiührung hat, da wahrscheinlich beide Kinder amerikanische Staatsangehörige sind, und nur der Sohn heute in Deutschland lebt. Außerdem zeigt der lange Zeitablauf seit der Auswanderung nach New York, daß das Testament aus dem Jahre 1956 nichts mehr zur Trennung des Erblassers von seinen Kindern beigetragen hat. Der Erblasser hatte sich schon zwanzig Jahre früher endgültig von seiner Familie losgesagt und kaum noch Beziehungen zu ihr gehabt. Daneben beeinträchtigt die Enterbung wohl kaum das Leben der inzwischen längst erwachsenen Kinder. Andererseits erscheint die testamentarische Zuwendung an Frau M., nachdem der Erblasser mit ihr ca. 25 Jahre zusammengelebt hatte, seiner Bedeutung nach nicht primär als Entgelt für die geschlechtliche Hingabe während dieser Zeit. Es besteht auch kein Anlaß zu der Annahme, der Erblasser habe Frau M. durch die letztwillige Verfügung dazu verleiten wollen, weiterhin mit ihm ehebrecherische Beziehungen zu unterhalten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Enterbung der Kinder zugunsten der Frau M. nicht sittenwidrig 29 . „Wurde der Erblasser zu dieser (Testierung) nicht vor allem durch seine erotischen Beziehungen zu der Frau veranlaßt, waren vielmehr für sie in erster Linie oder jedenfalls maßgeblich neben diesen Beziehungen auch andere beachtenswerte Beweggründe bestimmend, etwa der Umstand, daß die Frau dem Erblasser wertvolle Dienste geleistet hatte, daß sie durch die Verbindung mit ihm andere Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten, aufgegeben hatte, daß er an ihr begangenes Unrecht sühnen oder seiner Verantwortung für ihre von ihm erzeugten Kinder gerecht werden wollte, so ist eine derartige Verfügung ganz oder teilweise als gültig angesehen worden." Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 30, Bern. 20, 987. BGH LM § 138 (Cd) BGB Nr. 7; Vgl. auch Heieimehl in Soergel-Siebert, § 138, Bern. 104, 505; Lange 378; Krüger-Nieland in BGB-RGRK, § 138, Anm. 68, 465. 29 Vgl. BGH LM § 138 (Cd) BGB Nr. 2 (Bl. 1). 27

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50»

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Erbrecht

Siehe auch BGH LM § 138 (Cd) BGB Nr. 9, wo es um die letztwillige Verfügung zugunsten der Haushälterin unter Ausschluß der Geschwister des Erblassers ging. Der Bundesgerichtshof erklärte, daß das Oberlandesgericht für die Zuwendungen des 74-jährigen Erblassers ohne Rechtsirrtum angenommen habe, „daß für ihn der Beweggrund, die Klägerin für ihre geschlechtliche Hingabe zu belohnen oder die Fortsetzung des geschlechtlichen Verkehrs zu fördern, gegenüber dem anderen Beweggrund, sie für ihre langjährigen Dienste zu belohnen, allenfalls nur noch eine sehr untergeordnete Bedeutung gehabt habe" (Bl. 2).

Schließt sich das Gericht der hier vertretenen Auffassung an, so ist Frau M. rechtswirksam mit zwei Dritteln des Nachlasses bedacht worden. Sieht das Gericht jedoch die Enterbung der beiden Kinder zugunsten von Frau M. als Verstoß gegen den deutschen „ordre public" an, so tritt die gesetzliche Erbfolge in vollem Umfang ein (vgl. oben B II 1 c). e) Zusammenfassung Die überlebende Ehefrau erhält zunächst $ 1000.00, die bei der weiteren Nachlaßverteilung nicht angerechnet werden. Außerdem erhält sie ein Drittel des Rechtsnachlasses als Pflichtteil nach New Yorker Recht. Die anderen zwei Drittel des Restnachlasses erhält nach New Yorker Recht Frau M., da ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 30 EGBGB) m. E. nicht vorliegt; nimmt man einen solchen Verstoß an, dann erhalten anstelle von Frau M. die beiden Kinder je ein Drittel des restlichen Nachlasses. 2. Vererbung von „real" und „personal

property"

a) Grundsatz Im „common law" vieler amerikanischer Staaten gelten noch heute verschiedene Regeln für die Vererbung von „real" und „personal property". Für New York hat diese Unterscheidung der Vermögensarten durch die Fassung von § 83 Decedent Estate Law insofern einen Teil der ursprünglichen Bedeutung verloren, als heute im Falle der Intestaterbfolge alle Begünstigten („distributees") an beiden Vermögensarten gleichartig beteiligt werden. Gleichwohl hat die Unterscheidung von „real" und „personal property" für die Abwicklung des Nachlasses ihren Sinn behalten. Es gilt der Grundsatz, daß nur das „real property" im W e g e der Rechtsnachfolge unmittelbar auf die Begünstigten übergeht 3 0 . Demgegenüber geht das „personal property" zumindest insoweit, als es den quotenmäßig zu verteilenden Nachlaß ausmacht, zunächst auf einen Erbschaftsverwalter über. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Erbschaftsverwalter testamentarisch bestimmt worden ist („executor") oder kraft Gesetzes berufen ist („administrator") 3 1 . Die Unterscheidung ist auch in30

Rockland-Rockport Lime Co. v. Leavy, 97 N. E. 43, 45 (N.Y.Ct. App. 1911). In re Knappen's Estate, 125 N.Y.S. 2d 194, 196 (Surr. Ct. 1953); In re Weller's Will, 165 N.Y.S. 2d 531, 536 (Sup. Ct. 1957). 31

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York)

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sofern bedeutsam, als zunächst das „personal property" für die Nachlaßverbindlichkeiten haftet. Nur wenn dieses nicht ausreicht, haftet unter erschwerten Voraussetzungen auch das hinterlassene „real property"32. b) Wiedergutmachungsanspruch Zur Beantwortung der Frage, ob der Wiedergutmachungsanspruch als „real" oder „personal property" anzusehen ist, kann auf die Definitionen zurückgegriffen werden, wie sie im New York Surrogate's Court Act, § 314, gegeben werden: „The expression, ,real property", includes every estate, interest, and right, legal or equitable, in lands, tenements, or heriditaments, except those which are determined or extinguished by the death of a person seized or possessed thereof, or in any manner entitled thereto, and except those which are declared by law to be assets ... The expression, „personal property", signifies every kind of property which survives a decedent, other than real property as defined in this subdivision, and includes a right of action conferred by special statutory provision upon an executor or administrator."

Der Ausdruck „real property" umfaßt jede Art von Vermögen, Anwartschaft und Recht an Grundstücken, Besitz erfordernden oder besitzlosen Grundstüdcsrechten außer denen, die für den Fall des Todes des Berechtigten dieser Rechte auflösend bedingt sind oder in diesem Falle erlöschen, und denen, die vom Gesetz als „assets" bezeichnet w e r d e n . . . Der Ausdruck „personal property" bedeutet jedes Vermögensrecht, das den Erblasser überdauert, sofern es nicht dem „real property", wie es oben definiert ist, zuzurechnen ist. Es umfaßt auch Ansprüche, die einem „executor" oder „administrator" gesetzlich eingeräumt werden.

Da der Wiedergutmachungsanspruch in keinem unmittelbaren Verhältnis zu Grundstücksrechten steht, kann er nach der angeführten Vorschrift als „personal property" angesehen werden. Der Anspruch ist dann grundsätzlich zunächst auf den Erbschaftsverwalter als Zwischenberechtigten übergegangen. c) „Exemption for family benefit" Die Regeln für die Vererbung des „personal property" sind jedoch hinsichtlich der Vermögensrechte ausgeschlossen, die den Voraus der überlebenden Ehefrau betreffen. Anders als im deutschen Recht (§ 1932 Abs. 2 BGB) hat der Voraus nach § 200 Surrogate's Court Act dingliche Wirkung. Mit dem Tode des Erblassers geht die Berechtigung an den Gegenständen, die der „exemption for family benefit" unterliegen, unmittelbar auf die überlebende Ehefrau über 33 . 32

Equitable Lite Assur. Soc.v.Wilds, 171 N.Y.S. 505 (Sup. Ct. App. Div. 1918). In re Smith's Will, 154 N.Y.S. 2d 224 (Surr. Ct. 1956); In re Cornez' Estate, 207 N.Y.S. 2d 343 (Surr. Ct. 1960). 33

Erbrecht

790

Der Erbschaftsverwalter hat nur insoweit ein Recht zum Besitz dieser Rechte, als es zur Aufstellung des Inventars erforderlich ist 34 . Im übrigen aber folgt das Recht zum Besitz der Berechtigung der überlebenden Ehefrau 3 5 . Der Erbschaftsverwalter hat keine Verfügungsbefugnisse an diesem „exempt property". Da es nicht zu den „assets" (= „personal property", das nach § 201 Surrogate's Court Act auf den Erbschaftsverwalter übergeht) gezählt wird, haftet es insbesondere auch nicht für die Nachlaßverbindlichkeiten 36. Sollte daher im vorliegenden Fall der Wiedergutmachungsanspruch den Betrag von $ 1000.00 nicht übersteigen, so kann er von der überlebenden Ehefrau allein verfolgt werden, ohne daß sich ein testamentarisch oder gesetzlich berufener Erbschaftsverwalter einschalten könnte. 3.

Erbschaitsverwaltung

Sofern der Wiedergutmachungsanspruch den Betrag von $ 1000.00 übersteigen sollte, bleibt noch Raum für die Erbschaftsverwaltung. a) Grundsatz Soweit das „personal property" auf einen Erbschaftsverwalter („personal representative") übergeht (vgl. oben B II 2 a), hat dieser den Nachlaß abzuwickeln. Der „personal representative" hat die Aufgabe, das Aktivvermögen zu sammeln, die Nachlaßverbindlichkeiten zu begleichen und den Restnachlaß auf die Begünstigten zu verteilen 3 7 . Ausnahmen von der normalen Erbschaftsverwaltung durch einen „personal representative" sieht das Recht von New York nur für kleine Nachlässe (Wert nicht über $ 3000.00) vor, jedoch nur für die Fälle der Intestaterbfolge 3 8 . Hat der Erblasser dagegen einen Nachlaßverwalter wirksam berufen, findet die normale Nachlaßverwaltung auch bei kleinen Nachlaßvermögen statt. Als „personal representative" k a n n vom Nachlaßgericht eingesetzt werden, wer vom Erblasser als „executor" berufen worden ist oder wer kraft Gesetzes das Recht hat, den Nachlaß abzuwickeln („administrator"). Der „executor" legitimiert sich durch die „letters testamentary", der „administrator" durch die „letters of administration" oder die „letters of administration with the will annexed". Mit der Ausgabe dieser Urkunden 34

In re Smith's Will 226. Grawlord v. Nassoy, 65 N. E. 962 (N.Y.Ct. App. 1903). 36 Vgl. § 200 Ziff. 4 Surrogate's Court Act. 37 Vgl. Atkinson, Handbook of the Law of Wills (1957), 528; Rheinstein, The Law of Decedents' Estates (2. Aufl. 1955), 563; Warren-Heaton, Surrogates' Courts, Bd. 3 (6. Aufl. 1964), § 218, 8-10. 38 N. Y. Surrogate's Court Act, § 137. 35

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ermächtigt das Nachlaßgericht den „personal representative", die Aufgaben als Erbschaftsverwalter wahrzunehmen 3 9 . b) Anerkennung der Erbschaftsverwaltung in Deutschland Umstritten ist, ob die Erbschaftsverwaltung nach dem Recht eines „common law "-Staates für die im Inland belegenen Nachlaßgegenstände anerkannt werden soll. Die herrschende Meinung nimmt an, daß auch das in Deutschland belegene Vermögen der Verwaltung des „personal representative" unterliege 40 . Eine Mindermeinung läßt dagegen die Rechtsfolgen des anglo-amerikanischen Erbrechts bezüglich der in Deutschland belegenen Gegenstände nicht zu. Sie nimmt an, daß insoweit die Begünstigten wie bei der Universalsukzession nach deutschem Recht unmittelbare Rechtsnachfolger des Erblassers werden 4 1 . Diese Ansicht stützt sich hauptsächlich auf die These, die Erbschaftsverwaltung des anglo-amerikanischen Erbrechts sei mit dem deutschen Sachstatut nicht in Einklang zu bringen 42 . Diese Auffassung ist jedoch nicht richtig. Gottheiner hat zutreffend dargelegt, daß die Erbschaftsverwaltung durch einen „personal representative" durchaus vereinbar ist mit dem deutschen Sachstatut 43 . Das deutsche internationale Privatrecht unterwirft den Nachlaß unabhängig von der Belegenheit dem Recht von New York. Dabei wird insbesondere das Interesse an der einheitlichen Behandlung der erbrechtlichen Verhältnisse hervorgehoben. Dementsprechend erscheint es auch angebracht, die Rechtsstellung des „personal representative" nach dem Recht von New York auch im Inland anzuerkennen 4 4 . Mit der herrschenden Meinung ist daher anzunehmen, daß auch ein in Deutschland belegener Wiedergutmachungsanspruch der Erbschaftsverwaltung unterliegt. c) Berufung der Frau M. als „executrix" Der Erblasser benannte unter Ziffer 4 seines Testaments Frau M. als „executrix". Gegen diese letztwillige Verfügung bestehen nach dem Recht von New York als Erbstatut keine Bedenken. Nach diesem Recht sind nur solche Personen als Erbschaftsverwalter ausgeschlossen, 39

Warren-Heaton, Bd. 2, § 138, 141. Gottheiner, Zur Anwendung englischen Erbrechts auf Nachlässe in Deutschland, RabelsZ 21 (1956), 36 (39ff.) ; Kegel, Internationales Privatrecht, 368; Raape 451; Schwerin, Die Anwendung der §§ 2369 und 2368 BGB auf Erbfälle mit englischem Erbstatut, N J W 1952, 1113. 41 Staudinger-Firsching, Erbrecht, Bd. V, 2. Teil (10./11. Aufl. 1960), § 2368 Anm. 34, 1952f.; Wengler, Fragen des deutschen Erbscheinsrechts für Nachlässe, auf die englisches Intestaterbrecht anwendbar ist, JR 1955, 41. 42 Wengler 41; vgl. auch Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle (1965), 128, 135. 43 Gottheiner 36 (43-56). 44 Im Ergebnis ebenso: OLG Tübingen RzW (NJW) 1953, 335. 40

792 (a) (b) (c) (d) (e)

Erbrecht

die noch nicht einundzwanzig Jahre alt sind, die entmündigt worden sind, die nicht in New York leben, die wegen eines Verbrechens verurteilt worden sind oder die die Pflichten eines „personal representative" nicht wahrnehmen können wegen Trunksucht, Ehrverlust, Nachlässigkeit oder fehlendem Verständnis 4 5 .

Der bisher festgestellte Sachverhalt gibt für das Vorliegen einer dieser Ausnahmen keinen Anhalt. Zweifel an der wirksamen Einsetzung von Frau M. als „executrix" bestehen aber auch hier im Hinblick auf Art. 30 EGBGB. Beurteilt man den vorliegenden Sachverhalt ausschließlich nach § 138 I BGB, so spricht insbesondere für die Sittenwidrigkeit der letztwilligen Verfügung, daß die Verbindung des Erblassers mit Frau M. entscheidend zu dem Verfall der Ehe beigetragen hatte 4 6 . Andererseits besitzt dieser Erbfall nur sehr geringe Inlandsberührung, da sowohl die überlebende Ehefrau als auch Frau M. heute amerikanische Staatsangehörige sind und in New York leben. Der Umstand, daß das Verfahren zur Geltendmachung der Wiedergutmachungsansprüche und das deutsche Nachlaßgericht mit der Erteilung des Erbscheins beschäftigt ist, kann keine bedeutsame Inlandsberührung begründen 4 7 . Dadurch erscheint die Erbschaftsverwaltung durch Frau M. auch für die deutsche Rechtsordnung nicht schlechthin untragbar, zumal sich die Erbschaftsverwaltung auf die Geltendmachung und Verteilung eines Geldleistungsanspruchs beschränkt. Die letztwillige Verfügung des Erblassers, mit der Frau M. als „executrix" eingesetzt wird, ist daher gültig. C. ERTEILUNG EINES ERBSCHEINS

1. Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichts zur Erteilung eines Erbscheins für das in Deutschland belegene Nachlaß vermögen ergibt sich aus § 23691 BGB 48 . Die örtliche Zuständigkeit wird durch § 73 III FGG bestimmt.

45

Vgl. Warren-Heaton, Bd. 2, § 128, 25. Vgl. BGH LM § 138 (Cd) BGB Nr. 2 Bl. 3, wo die Sittenwidrigkeit der Einsetzung als Testamentsvollstreckerin behandelt worden ist. 47 Vgl. Kegel in Soergel-Siebert, Art. 30, Bern. 16, 986. 48 BayObLGZ 1961, 79 (80); Kegel in Soergel-Siebert, Bern. 54-56 vor Art. 24, 921 f. 46

Pflichtteil / USA (New

II. Fassung des

York)

793

Eibscheins

Da die Erbfolge dem Recht von New York unterliegt, ist im vorliegenden Fall ein Fremdrechtserbsdiein nach § 2369 I BGB zu erteilen 49 . Dabei ist die ausländische Gestaltung des Erbrechts möglichst genau anzugeben, damit die Vermutung der Richtigkeit (§ 2365 BGB) und der Gutglaubensschutz (§§ 2366, 2367 BGB) dem wirklich Berechtigten nicht zum Nachteil gereichen 50 . 1. Voraus der überlebenden

Ehefrau

In dem Erbschein ist zunächst zu vermerken, daß die überlebende Ehefrau vorab $ 1000.00 aus dem Nachlaßvermögen erwirbt. Dieser Vermerk ist notwendig, da die Ehefrau insoweit unmittelbar Rechtsnachfolgerin des Erblassers wird 51 . 2. Quotenmäßige

Begünstigung

des

Restnachlasses

Da die überlebende Ehefrau ihr Noterbrecht hinreichend ausgeübt hat (vgl. oben B II 1 c), ist sie zu Va und ist Frau M. zu 2/s am Restnachlaß beteiligt. Insoweit sind sie im Erbschein als Erben anzugeben. Zwar entspricht ihre Rechtsstellung als „distributees" nicht genau der des Erben nach deutschem Recht. Insbesondere werden sie im Hinblick auf den Rechtsnachlaß nicht Rechtsnachfolger des Erblassers. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Stellung der „distributees" sowie mit Rücksicht auf die ihnen zustehenden Schutz- und Folgerechte erscheint die Bezeichnung als Erben jedoch gerechtfertigt 52 . Dabei erfordert allerdings die besondere Ausgestaltung der Rechtsstellung als „distributees", sie im Erbschein als „Erben nach dem Recht von New York" anzugeben 63 . 3.

Erbschaitsverwaltung

Umstritten ist, ob in dem nach § 2369 I BGB zu erteilenden Erbschein die Nachlaßverwaltung anzugeben ist. Nach zutreffender Ansicht ist die Nach4 9 Vgl. BGB-RGRK-Kregei, Das Bürgerliche Gesetzbuch, V. Bd., 2. Teil (11. Aufl. 1961), § 2369, Anm. 1, 1109; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, § 2369, Bern. 2, 493; Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 68 vor Art. 24, 925. 50 Kegel, Internationales Privatrecht, 368. 5 1 Bedenken bei Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle (1965), 131-134, der den Erbteil des überlebenden Ehegatten quotal berechnen will, aber dennoch zu keinem anderen Ergebnis kommt. Nur will er, wenn feststeht, daß der Nachlaßwert unter der Summe bleibt, die dem überlebenden Ehegatten vorbehalten ist, diesen als Alleinerben ausweisen; aber dem kann man zustimmen. 52 GOttheiner 36 (67f.); Kegel, Internationales Privatrecht, 368; Raape 452; Schwerin 1113 (1115). 53 BayObLGZ 1961, Nr. 2 (21); Gottheiner 36 (70); Kegel, Internationales Privatrecht, 368.

794

Erbrecht

laßverwaltung anzugeben. Dies erfordert die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit, die der Erbschein genießt 54 . Die abweichende Auffassung, wie sie insbesondere Firsching vorgetragen hat, trägt dieser Funktion des Erbscheins nicht Rechnung 55 . Es ist auch unangebracht, im Einzelfall nachzuforschen, ob der Erblasser einen „executor" bestellen wollte, damit dieser nur die Erbfolge im Rahmen des anzuwendenden amerikanischen Rechts durchführe, oder ob ein Testamentsvollstrecker nach deutschem Recht eingesetzt werden sollte 56 . Es wird kaum jemals vorkommen, daß ein Amerikaner ein Testament errichtet, in dem er die Fachausdrücke seines Rechts gebraucht („executor"), und dann zu erkennen gibt, er meine eine Testamentsvollstreckung nach deutschem Recht. Aber selbst dann könnte man das nicht zum Anlaß nehmen, eine Testamentsvollstreckung nach materiellem deutschem Recht anzuerkennen 57 . Hat man einmal das anwendbare Erbstatut ermittelt, so bestimmt es die Testamentsvollstreckung. Im übrigen rechtfertigen allein schon die Rechtsstellung des „executor" als Rechtsnachfolger des Erblassers und seine Verfügungsbefugnis über die Nachlaßgegenstände den Vermerk über die Nachlaßverwaltung. Auch dann bleibt der Erbschein noch von Wert für die Begünstigten 58 . D. ERTEILUNG EINES NACHLASSVERWALTERZEUGNISSES

Soweit der Nachlaß der Verwaltung der „executrix" unterliegt und dies im Erbschein vermerkt ist, kann der „executrix" in entsprechender Anwendung von § 2368 BGB ein Nachlaßverwalterzeugnis erteilt werden 5 9 . Auch in diesem Zeugnis ist klarzustellen, daß eine Nachlaßverwaltung nach dem Recht von New York besteht. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Nachlaß bis zu $ 1000.00 nicht der Nachlaß Verwaltung unterliegt. Ergebnis

Das im Inland belegene Vermögen des Erblassers vererbt sich nach dem Recht von New York. Nach dem Recht dieses Staates bestimmen sich auch Form, Inhalt und Wirkungen des Testaments vom 9. 7.1956 (oben A). Die letztwillige Verfügung des Erblassers ist formgültig nach § 21 Decedent Estate Law (oben B I). 54 55 56 67 58 59

Gottheiner 36 (68); Kegel, Internationales Privatrecht, 368. Staudinger-Firsching, § 2369, Anm. 18 (1961); vgl. auch Schwerin 1113 (1116). Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 135. So aber Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 135. Hierzu Raape 452. Kegel, Internationales Privatrecht, 368 f.

Pflichtteil / USA (New

York)

795

Entgegen der letztwilligen Verfügung kann Frau M. nicht als Alleinbegünstigte behandelt werden. Zwar ist das Testament nicht deshalb ungültig, weil der Erblasser mit der Begünstigten ehebrecherische Beziehungen unterhalten hatte. Dieser Umstand allein reicht nicht aus zu der Annahme, das Testament sei unter „undue influence" errichtet worden (oben B I I 1 a). Es ist aber zunächst zu beachten, daß die überlebende Ehefrau nach dem New York Surrogate's Act, § 200, einen gesetzlichen Voraus bis zum Wert von $ 1000.00 erhält. Dieser Voraus ist dem „personal property" zu entnehmen; er unterliegt nicht der Nachlaßverwaltung und haftet allenfalls für die Kosten der Beerdigung, wenn diese Kosten aus dem restlichen Vermögen nicht gedeckt werden können (oben B II 1 b). Außerdem hat die überlebende Ehefrau ein Noterbrecht nach dem Decedent Estate Law, § 18. Dieses Noterbrecht hat sie in hinreichender Weise ausgeübt. Aus diesem Grunde erhält sie ein Drittel des Restnadilasses. Die beiden anderen Drittel stehen Frau M. zu (oben B II 1 c). Die Einsetzung der Frau M. zu zwei Dritteln auf den Restnachlaß widerspricht hinsichtlich der überlebenden Ehefrau nicht dem deutschen „ordre public" nach Art. 30 EGBGB, da die Ehefrau über das Noterbrecht ihren gesetzlichen Erbteil erhält. Auch die Enterbung der Kinder zugunsten von Frau M. kann nicht als Verstoß gegen Art. 30 EGBGB gesehen werden (oben B II 1 d). Der Wiedergutmachungsanspruch vererbt sich grundsätzlich nach den Regeln für das „personal property" und geht damit auf den Erbschaftsverwalter über. Soweit der Anspruch aber dem Voraus der Ehefrau angehört, ging er mit dem Tode des Erblassers unmittelbar auf die Ehefrau über. Der Erbschaftsverwalter wird insoweit nicht Zwischenberechtigter (oben B II 2). Der den Betrag von $ 1000.00 übersteigende Rest des Wiedergutmachungsanspruchs unterliegt der Erbschaftsverwaltung. Er muß danach zunächst zur Deckung der Nachlaßverbindlichkeiten verwandt werden. Der verbleibende Betrag ist an die Begünstigten zu verteilen. Die Nachlaßverwaltung ist in Deutschland anzuerkennen. Als „executrix" ist Frau M. wirksam berufen worden. Ihre Einsetzung widerspricht nicht Art. 30 EGBGB (oben B II 3). Das deutsche Nachlaßgericht ist international zuständig, sowohl einen Erbschein für die Begünstigten als auch ein Nachlaßverwalterzeugnis für Frau M. als „executrix" auszustellen. In den Zeugnissen sind die Rechtsverhältnisse möglichst genau anzugeben (oben C und D). Für die Fassung des Erbscheins wird vorgeschlagen: „Der am 20. 6. 1961 in New York verstorbene amerikanische Staatsangehörige Leo S. wird nach dem Recht von New York beerbt. Aus dem Nachlaß stehen der überlebenden Ehefrau Leo S. vorab

796

Erbrecht

$ 1000.00 zu. Die Ehefrau ist insoweit nicht in ihrer Verfügungsmacht beschränkt. Der Restnachlaß ist auf Frau M. als Nachlaßverwalterin („executrix") übergegangen. Sie hat den Nachlaß treuhänderisch abzuwickeln und nach Begleichung der Nachlaßverbindlichkeiten ein Drittel an Frau Leo S. abzuführen. Die beiden restlichen Drittel stehen ihr selbst zu. Dieser Erbschein gilt nur für das im Inland belegene Nachlaßvermögen des Erblassers." Das Testamentsvollstreckerzeugnis kann in folgender Weise abgefaßt werden: „Hiermit wird bezeugt, daß Frau M. , wohnhaft 8 0 - 15 G.-Street, N. Y., USA, zur Testamentsvollstreckerin des am 20. 6. 1961 in New York verstorbenen amerikanischen Staatsangehörigen Leo S. ernannt worden ist. Die Testamentsvollstreckung erfolgt nach dem Recht des Staates New York. Sie erstreckt sich nur auf das im Inland belegene Nachlaßvermögen, soweit es den Wert von $ 1000.00 übersteigt."

6. ERBVERZICHT Siehe auch Nr. 51, 64

Nr. 68 USA (Pennsylvania) 1. Die in den USA von einem dortigen Notary Public vorgenommene Beurkundung erfüllt nicht die vom deutschen Formstatut (Art. 11 Abs. I S. 1 EGBGB) vorgesehene Form der notariellen Beurkundung. 2. Das anglo-amerikanische Rechtsinstitut des „release of expectancy" kann im Rahmen des Art. 11 Abs. I EGBGB als ein dem deutschen Erbverzicht entsprechendes Rechtsgeschäft gewertet werden; bei dieser Frage der Angleichung und Qualifikation ist weniger auf die dogmatische Erscheinungsform der jeweiligen Rechtsinstitute als auf ihre von der Rechtsordnung gebilligte Wirkung abzustellen. München G 1117-58 vom 28. 10. 1965

SACHVERHALT Der deutsche Staatsangehörige Wilhelm R., der als Fabrikant in München lebte, hat auf einer Reise in die USA mit seiner dort lebenden Tochter aus erster Ehe - der Klägerin im anhängigen Verfahren - am 22. 6. 1959 einen Erbverzichtsvertrag abgeschlossen. Die Vertragsurkunde war von einem Münchener Notar gefertigt worden; der Vertrag sollte ursprünglich vom deutschen Konsulat in Philadelphia beurkundet werden, das Konsulat stellte aber den Parteien - mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die mit einer Reise von Pittsburgh nach Philadelphia zur Beurkundung verbunden wären - anheim, den Vertrag von dem Vertrauensanwalt des Konsulats in Pittsburgh, der die deutsche Sprache beherrscht, „beurkunden zu lassen". W ä h r e n d die Beklagten vorbringen lassen, der Vertrag sei vom Vertrauensanwalt des deutschen Konsulats in Philadelphia - dem Attorney at Law A. F. B., Pittsburgh, Pa - beurkundet worden, behauptet die Klägerin, der für Pittsburgh, Allegheny County zuständige Notary Public, Miß M. A. B., habe durch ihre Unterschrift und Siegelung nur „bestätigt", nicht aber „beurkundet".

798

Erbrecht

Die v o n den Parteien v o r g e l e g t e Urkunde hat folgenden Wortlaut: „ Erbverzichtsvertrag. Heute, den 22ten Juni neunzehnhundertneunundfünfzig erscheinen vor mir, einem Notar an der Amtsstelle in Pittsburg, Pennsylvania, USA 1. Herr Wilhelm R. Fabrikant in München, 2. Frau Elisabeth M., geborene R., in Pittsburgh (USA) beide sich über ihre Person zu meiner Gewißheit ausweisend. Auf ihr Ersuchen beurkunde ich was folgt: I Frau Elisabeth M., geborene R., ist die eheliche Tochter des Herrn Wilhelm R. II Frau Elisabeth M. verzichtet hiermit für sich und ihre Abkömmlinge auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht am Nachlaß ihres Vaters, Herrn Wilhelm R. Herr Wilhelm R. nimmt diesen Erbverzicht hiermit an. III Als Gegenleistung erhält Frau Elisabeth M. sofort einen Betrag in Höhe von Fünfzig Tausend Dollars ($ 50 000,00). IV Die Kosten dieser Urkunde trägt Herr R. Es wird beantragt: Jedem Vertragsteil eine Ausfertigung zu erteilen. gez. Wilhelm R.

gez. Elisabeth M.

Der vorstehende Erbverzichtsvertrag ist heute in meiner Gegenwart unterzeichnet worden von dem mir persönlich bekannten Wilhelm R. und Elisabeth M Siegel June 22, 1959 gez. M. A. B. (M. A. B., Notary Public, Pittsburgh, Allegheny County My Commission expires October 14, 1962)" Einen H i n w e i s auf eine beurkundende Tätigkeit des Vertrauensanwalts des Konsulats läßt sich der Urkunde nicht entnehmen. Die Unterschrift des Notary Public wurde v o m Konsulat der Bundesrepublik in Philadelphia legalisiert. Der Fabrikant W i l h e l m R. verstarb 1962. Die in d e n U S A lebende Tochter aus erster Ehe d e s Erblassers, die durch Einbürgerung nach ihrer Heirat amerikanische Staatsangehörige g e w o r d e n ist, macht Nichtigkeit d e s am 22. 6.1959 abgeschlossenen Erbverzichtsvertrages geltend und verlangt - da im Testament nur mit e i n e m Vermächtnis bedacht - den Pflichtteil.

Erbverzicht / USA

(Pennsylvania)

799

Das Landgericht München I ersucht das Institut um gutachtliche Stellungnahme, 1. „ob für einen rechtswirksamen Vertragsschluß die Wahrung der Ortsform (§11, Abs. 1 Satz 2 EGBGB) deswegen nicht genügte, weil die Rechtsordnung des Abschlußortes (Pittsburgh, Pennsylvania, USA) ein derartiges Rechtsgeschäft (Erbverzicht § 2346 ff. BGB) nicht kennt (vgl. Palandt 24. Aufl. EGBGB § 11, Anm. 4 b), und aus diesem Grunde nur die Form des Geschäftsrechts (Wirkungsstatut, §§ 2348, 128 BGB) als maßgeblich angesehen werden kann, 2. a) lür den Fall, daß die Wahrung der Ortstorm nicht

genügte:

welche Vorschriften des am Abschlußort geltenden Verfahrensrechts der amerikanische Notar einzuhalten hatte und welcher vergleichbaren am Abschlußort bestehenden Form er sich bedienen konnte, damit die nach dem Geschäftsrecht (§ 2348 BGB) vorgeschriebene Form im Wege der Angleichung als gewahrt angesehen werden kann, sofern dies in dem vorliegenden Fall überhaupt möglich ist, b) lür den Fall, daß die Wahrung der Ortsiorm

genügte:

welche Vorschriften für die Einhaltung der Ortsform zu beachten waren, d. h. wie sich diese darstellt. Bei den Ausführungen zu Ziffer 2. a) bzw. b) soll das Gutachten auch auf die Parteibehauptungen eingehen, die über die tatsächlichen Vorgänge bei dem Vertragsschluß vor dem Notar aufgestellt wurden. Das jeweilige Tatsachenvorbringen soll dabei nach Möglichkeit bereits subsumiert werden, so daß ersichtlich wird, zu welchem rechtlichen Ergebnis die jeweilige Parteibehauptung führt." GUTACHTEN Vorbemerkung Zu den Ä u ß e r u n g e n der Parteien in tatsächlicher Hinsicht kann v o r w e g w i e folgt Stellung g e n o m m e n werden: Die Äußerungen der Parteien zum Beurkundungsakt erscheinen glaubhaft, obwohl sie sich scheinbar widersprechen. W i e dem Sachverhalt zu entnehmen ist, übten der A n w a l t w i e auch der Notary Public im s e l b e n Gebäude ihre Geschäfte aus. Dies läßt vermuten, daß es sich im vorliegenden Fall um eine im amerikanischen Rechtsleben häufige und im A l l g e m e i nen mit g e w i s s e n Vorbehalten auch geduldete Art S y m b i o s e zwischen A n w a l t und Notary Public handelt. Aufgrund der allgemeinen Rechtsgrundsätze über Interessenkonflikte oder statutatorischer Bestimmungen über die Inkompatibilität der Ämter kann der amerikanische Attorney, der die Parteien bezüglich eines Rechtsgeschäfts beraten hat, bei diesem Geschäft nicht als Notary Public tätig w e r d e n 1 . 1

Vgl. im Hinblick auf Pennsylvania: Commonwealth v. Pyle, 18 Pa 519 und die Anmerkung „Conflicting interest" in: 66 C. J. S., Notaries, § 2b, 610.

800

Erbrecht

Um den Gang der Geschäfte zu erleichtem und den Klienten W e g e zu ersparen, arbeitet der amerikanische Anwalt eng mit einem Notary Public zusammen; nicht selten handelt es sich hierbei um eine Angestellte des Anwaltsbüros, die unsciiwer und ohne besondere juristische Qualifikation die Lizenz eines Notary erlangen kann; im amerikanischen Rechtsjargon spricht man in diesen Fällen scherzhaft von der „secretary downstairs" - von der Sekretärin im Stockwerk tiefer. (Z. T. verlangt die Rechtsprechung, daß die Geschäftsräume des Notary erkennbar von denen des Anwalts abgegrenzt sind; dies ist nach der Entscheidungskasuistik der Fall, wenn sich die jeweiligen Büroräume in verschiedenen Stockwerken befinden.) Für den nicht sachkundigen Beteiligten k a n n so durchaus der Eindruck erweckt werden, daß die wesentlichen Teile des Geschäftsabschlusses - nämlich Beratung und Festlegung des Vertragstextes - unter Mitwirkung des Anwalts vorgenommen wurden, während die Siegelung und Unterschrift der äußerlich als Büroangestellte erscheinenden Notarin als untergeordnete Formalität erscheint. Diese enge Verknüpfung von anwaltschaftlicher Beratung und notarieller Amtsübung in der Praxis darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um zwei grundverschiedene Arten der Mitwirkung am Vertragsschluß handelt: der Anwalt berät im Rahmen seines privaten Vertrages mit den Parteien, wogegen der Notary als Rechtspflegeorgan Unterschrift und Identität der Parteien bestätigt. Im Hinblick auf die Qualität der Urkunde interessiert nur Funktion und Qualifizierung des in der Urkunde ausgewiesenen Notary. Eine Beurkundungsfunktion hat weder der notary public noch der Anwalt. Selbst wenn einer von ihnen eine der deutschen Beurkundung gleichzusetzende Tätigkeit entfaltet haben sollte, ist dies schon deswegen keine Beurkundung, weil „beurkunden" mit rechtlicher Wirkung nur jemand kann, dem das Recht seines Betätigungsortes eine derartige Funktion übertragen hat. Es ist somit - nach der Ermittlung des auf den Erbverzicht anzuwendenden Rechts (I) - zunächst auf die Frage einzugehen, ob die Mitwirkung des amerikanischen Notary Public den Formerfordernissen des Wirkungsstatuts entsprechen (II, 1); alternativ ist zu prüfen, ob durch die Tätigkeit des Notary das Formstatut des Abschlußortes gewahrt wurde (II, 2), wobei die Frage in den Vordergrund rückt, ob das anglo-amerikanische - insbesondere das pennsylvanische - Recht überhaupt eine Form für derartige Rechtsgeschäfte zur Verfügung stellt. I. Das auf den Erbverzicht insgesamt anzuwendende

Recht

Art. 24 EGBGB ist der kollisionsrechtliche Grundsatz zu entnehmen, daß der Erblasser nach seinem Heimatrecht „beerbt" wird. Das hier als zuständig erklärte Personalstatut ergreift alle Fragen, die für dieses „Beerbt-

Erbverzicht

/ USA

(Pennsylvania)

801

werden" maßgebend sind, also auch den Erbverzicht, da dieser die Beerbung beeinflußt 2 . Das Personalstatut des Verzichtenden - etwa weil dieser beim Erbverzicht die wichtigere Person ist als der Erblasser - kommt nicht in Betracht. Die Frage, wem die Erbschaft zufällt, ist immer dem Erbrecht zuzurechnen und beurteilt sich deshalb nach dem Erbstatut 3 . Auf die Frage, ob das pennsylvanisdie Recht den Erbverzichtsvertrag etwa nicht erbrechtlich, sondern schuldrechtlich qualifiziert, braucht der an das deutsche Kollisionsrecht gebundene deutsche Richter nicht zu prüfen.

II. Das Formstatut Das deutsche internationale Privatrecht hat in Art. 11 EGBGB eine spezielle Kollisionsnorm entwickelt. Abs. I Satz 1 enthält den leitenden Grundsatz. Die Form des Rechtsgeschäfts bestimmt sich nach dem sogenannten Wirkungsstatut, der lex causae. Satz 2 enthält einen weiteren Grundsatz: locus regit actum - es genügt die sogenannte Ortsform 4 . Absatz II schränkt den zweiten Grundsatz ein, was für die Form des Erbverzichts aber ohne weitere Bedeutung bleibt, da es sich hier um ein erbrechtliches und nicht um ein sachenrechtliches Geschäft handelt. 1. Die Form des Wirkungsstatuts

(lex causae)

Das Statut, das für das Rechtsgeschäft im allgemeinen maßgebend ist, ist grundsätzlich auch für die Form des Rechtsgeschäfts maßgeblich, da das Formerfordernis zu den Voraussetzungen des Rechtsgeschäfts gehört. Die Form ist Stück seines Tatbestandes. W i e oben I festgestellt, beurteilt sich der Erbverzicht nach deutschem Erbstatut. Die Frage, ob ein gültiger Erbverzicht zustande gekommen ist, richtet sich somit zunächst nach den Vorschriften des deutschen Erbrechts, ganz gleich, wie sich das Gesetz des Errichtungsortes dazu stellt. Da im vorliegenden Fall das Geschäft außerhalb des Staates, dessen Recht Wirkungsstatut ist, vorgenommen wurde, besteht eine sog. Angleichungsfrage 41 , ob und wieweit die Form, die das deutsche Recht als Tatbestandserfordernis eines gültigen Rechtsgeschäfts aufstellt, im Ausland gewahrt werden kann, insbesondere ob ausländische Amtspersonen und das von ihnen gemäß dem Recht ihres Sitzes befolgte Verfahren für Vgl. Staudinger-Ferid, Vorbem. § 2346, Anm. 108. Vgl. u . a . Staudinger-Raape, Anm. BV zu Art. 24 EGBGB; Raape, .Lehrbuch (5. Aufl.) § 18 B IV (426); Wolff, IPR (3. Aufl.) 228; Nußbaum, IPR 364; StaudingerFerid, aaO. 4 Vgl. Staudinger-Raape zu Art. 11 EGBGB am Anfang. 4" Soergel-Kegel, Anm. 25 zu Art. 11 EGBGB. 2 3

51

M a t . : 11, Gutachten 1965/66

802

Erbrecht

die vom Wirkungsstatut vorgeschriebene Form der Beglaubigung und der Beurkundung genügen. a) Zur Frage der Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen eines sich nach deutschem Recht beurteilenden Geschäfts im Ausland Im Schrifttum besteht zu diesen Fragen weitgehend Unklarheit 5 . Ohne dem ersuchenden Gericht in dieser an sich deutschrechtlichen Frage vorgreifen zu wollen, ist davon auszugehen, daß die Formerfordernisse als Voraussetzung des Rechtsgeschäftes Stück eines Tatbestandes darstellen. Hierbei ist folgendes zu beachten: (1) Grundsatz der territorialen Ungebundenheit privatrechtlichen Geschältes;

der Tatbestandselemente

eines

d.h. Teile eines deutschen Wirkungsstatuts unterliegenden rechtsgeschäftlichen Tatbestandes können im Ausland erfüllt werden. So bestehen keine Bedenken, daß eine Partei im Ausland eine Willenserklärung annimmt oder rechtsgestaltend - etwa durch Erklärung der Anfechtung - auf einen sich nach deutschem Recht beurteilenden Vertrag einwirkt. (2) Besonderheiten

beim Tatbestandselement

der Form

Bei den Formerfordernissen ergibt sich die Besonderheit, daß die deutsche Rechtsprechung durch diese Tatbestände die Parteien nicht nur in ihrer Autonomie einschränkt, sondern z. T. auch an die innerstaatlichen Behörden bindet, soweit nicht Stellen im Ausland für zuständig erklärt werden. Um zu haltbaren Ergebnissen zu gelangen, wird man die Formvorschriften nach ihren jeweiligen Tatbestandserfordernissen zu unterscheiden haben. (a) Gewillkürte Formen und gesetzliche Schriftform (§ 126 BGB) sind in diesem Zusammenhang unproblematisch, da diese Tatbestände die Mitwirkung staatlicher Stellen nicht vorsehen - also unabhängig von der deutschen oder einer ausländischen Rechtsordnung verwirklicht werden können. (b) Die gesetzlichen öffentlichen Formen sehen, in ihrer Ausgestaltung graduell verschieden, behördliche Mitwirkung vor. (aa) Die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB, §§ 167 II, 191, 200 FGG, §§ 22 ff. BNotO) geschieht durch einen unter die Unterschrift zu setzenden 5 Vgl. Monsheim, Die Ausübung der notariellen Tätigkeit in England, DNotZ 1953, 250 und die Erwiderung von Saage, DNotZ 1953, 584; Mann, Die Urkunde ausländischer, insbesondere englischer Notare und der deutsche Rechtsverkehr, NJW 1955, 1177 und die Erwiderung von Weber, NJW 1955, 1784. Weber 1786 kommt u. a. zu dem Ergebnis, daß die Unklarheiten in der Frage der Gleichstellung oder Gleichwertigkeit ausländischer mit deutschen Beurkundungsstellen der Vernachlässigung der Urkundslehre in Deutschland zuzuschreiben sei.

Erbverzicht / USA (Pennsylvania)

803

Vermerk der zuständigen Behörde, der Ort und Tag angeben und mit Unterschrift und Siegel oder Stempel versehen sein muß. (hb) Die gerichtliche oder notarielle bzw. öffentliche Beurkundung (§§ 167 ff. FGG bzw. 167 II, 191 I FGG); notwendig ist die Beurkundung des Erklärungsinhaltes durch das zuständige Rechtspflegeorgan. (cc) Beim Abschluß eines Rechtsgeschäfts vor einer Behörde (vgl. etwa § § 1 1 1 , 13 EheG; §§ 925, 1750, 1770, 2231, 2276, 2290 IV BGB) vollzieht sich die ganze Errichtung des Geschäfts in gleichzeitiger Gegenwart aller Beteiligten vor der Behörde; beurkundet wird auch die Abgabe der Erklärungen. (dd) Die Abgabe einer - in der Regel zugleich öffentlich beglaubigten Erklärung an das Gericht wird z. B. bei der Erbschaftsausschlagung (§ 1945 BGB) verlangt 8 . b) Zur Frage der Anerkennung der von ausländischen Amtspersonen vorgenommenen Beurkundungen im besonderen (1) Anmerkung aufgrund völkerrechtlicher

Normen

In völkerrechtlichen Verträgen ist die Materie, soweit ersichtlich, bisher noch nicht geregelt worden,- insbesondere enthält der für die deutschamerikanischen Rechtsbeziehungen bedeutsame Freundschafts-, Handelsund Schiffahrtsvertrag vom 23. 10. 1954 (BGBl. 1956 II, 488) keine diesbezüglichen Vorschriften. Schrifttum und Rechtsprechung stützen mitunter ihre Argumentation auf allgemeine völkerrechtliche Grundsätze; so erkennt das LG Mainz RzW 1958, 334 (dem Urteil lag ein Gutachten des MaxPlanck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht vom 28. 5. 1958 zugrunde) eine vor einem amerikanischen Notary Public abgegebene und beurkundete eidesstattliche Erklärung (§ 2356 II BGB) an. Es begründet dies damit, daß grundsätzlich ein internationaler Rechtsverkehr nur möglich ist, wenn die Nationen ihre Rechtseinrichtungen wechselseitig anerkennen und die Akte derselben als gleichwertig mit Akten der entsprechenden inländischen Stellen betrachten. Dieser Grundsatz müsse mindestens unter Staaten mit gleich hoher Rechtskultur Platz ergreifen, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall gewisse nationale Einrichtungen in den beteiligten Staaten nicht dieselbe Ausgestaltung erfahren haben. Ein derartiger Satz des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts wird sich jedoch nicht nachweisen lassen - vor allem nicht in der vom Gericht angenommenen Allgemeinheit. Eine Verpflichtung zur Anerkennung ausländischer Hoheitsakte besteht nicht; sie ergibt sich auch nicht aus den sog. „minimum Standards", die sich aus dem Begriff des „ius gentium" abVgl. Ennecerus-Nipperdey, § 156. 6

51 *

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts (1954),

804

Erbrecht

leiten. Will ein Staat ausländische Hoheitsakte anerkennen und diese von inländischen Amtspersonen vorgenommenen Handlungen gleichstellen, so handelt es sich um eine Frage des innerstaatlichen Rechts; völkerrechtliche Aspekte würden erst dann auftauchen, wenn vom ausländischen Staat verlangt würde, seinerseits im Ausland vorgenommene Akte anzuerkennen - ein Problem, das bei der Frage der Erfüllung der deutschen Form im Ausland gar nicht angesprochen wird. Anmerkung: Audi eine rechtsvergleichende Betrachtung zeigt eine viel zu unterschiedliche Praxis, um im Hinblick auf Art. 11 Abs. I S. 1 von allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu sprechen. In verschiedenen Rechtsordnungen, die sich strikt an den Grundsatz der Statutenlehre: locus regit actum halten oder ein besonderes Formstatut nicht kennen, taucht die Problematik nicht auf. Das OGH Wien 8. 7. i960 7 , hat bzgl. der Abtretung eines Geschäftsanteils an einer österr. GmbH festgestellt, daß - wo im österr. Recht ein Notariatsakt vorgesehen ist - dieser durch einen österreichischen Notar vorgenommen werden muß. (2) Anerkennung

aufgrund

deutschen

Gewohnheitsrechts

Theoretisch ist es möglich, daß durch einen allgemeinen, normalerweise durch Übung manifestierten Rechtswillen der Gemeinschaft sich neben den gesetzlich normierten Vorschriften konkurrierendes Gewohnheitsrecht bildet (vgl. Art. 2 EGBGB und § 12 EGZPO) - d. h., daß neben den Formvorschriften des BGB für die deutschem Wirkungsstatut unterliegenden Geschäfte noch andere Normen hinzutreten würden, aufgrund etwa eines gewohnheitsrechtlichen Satzes, daß Amtshandlungen ausländischer Notare im Hinblick auf die Erfüllung deutscher Formvorschriften anerkannt werden. Ein derartiger Rechtsgeltungswille läßt sich zumindest in dieser Allgemeinheit nicht nachweisen; er kann praktisch erst nach einer stetigen und dauernden Übung zur Entstehung gelangen und muß sich durch die Organe der Gemeinschaft - auf dem Gebiete des Privatrechts insbesondere durch die Gerichte - manifestieren 8 . Von einer sog. ständigen Rechtsprechung kann aber nicht die Rede sein. (a) Soweit den sporadischen Stellungnahmen der Gerichte zur Frage, ob und wie weit das von ausländischen Amtspersonen gemäß dem Recht ihres Sitzes befolgte Verfahren für die gesetzliche öffentliche Form des deutschen Wirkungsstatuts taugt, überhaupt etwas entnommen werden kann, ist nur die Tendenz erkennbar, die am wenigsten ausgeprägte Form der Mitwirkung einer ausländischen Amtsperson, nämlich die der Unterschriftsbeglaubigung, als dem deutschen Formerfordernis genügend anzuerkennen. So hat das KG (OLGE 8, 222) die Unterschriftsbeglaubigung durch einen amerikanischen Notary Public im Grundbuchsverkehr zugelassen; vgl. ferner: OLG 7

ö s t e r r . Notariatszeitung 1960, 149.

8

Vgl. Enneccerus-Nipperdey,

§ 39.

Erbverzicht / USA

(Pennsylvania)

805

Stuttgart, Württ. 250 (1908), 297 (303); LG Berlin, J W 1926, 626 (memelländische Notariatsurkunde wird als öffentliche Urkunde im Hinblick auf § 29 GBO anerkannt) . Das Schrifttum gelangt zu ähnlichen Ergebnissen 9 . (b) Zur Frage der v o n einer ausländischen Amtsperson v o r g e n o m m e n e n Beurkundung hat - s o w e i t ersichtlich - das LG Mainz, aaO, Stellung genommen und sich - allerdings mit z w e i f e l h a f t e n Argumenten - für eine Anerkennung ausgesprochen (vgl. oben (1)); das A G Eggenfelden hat die v o n einem amerikanischen N o t a r y Public v o r g e n o m m e n e Beurkundung v o n Vaterschaftsanerkenntnissen h i n g e g e n nicht anerkannt (DAVorm. 32 [1959], 229); das LG Berlin-W hat wiederum die Beurkundung v o n Adoptionserklärungsvollmachten durch e i n e n amerikanischen Notary Public als ausreichend befunden. Das Schrifttum erkennt die v o n e i n e m ausländischen Notar vorgenommene Beurkundung nicht oder zumindest nur bedingt an 1 0 . Anmerkung: Um Mißverständnissen vorzubeugen, ist darauf hinzuweisen, daß es sich in diesem Zusammenhang (Art. 11 Abs. I S. 1) nicht um die Frage irgendeines anzuwendenden ausländischen Rechts handelt, sondern um die Bedeutung eines ausländischen Tatbestands innerhalb der deutschen Sachnorm - nämlich nur um die Frage, ob die ausländische Beurkundung der inländischen gleichzustellen ist". (c) Im übrigen wird auch Zurückhaltung geübt, s o w e i t es sich - bei Maßgeblichkeit deutschen Wirkungsstatuts - um den Abschluß eines Rechtsgeschäfts vor einer ausländischen Behörde handelt. Das Schrifttum hat hier namentlich zur Erklärung der A u f l a s s u n g (§ 925 BGB) vor einem ausländischen Notar Stellung g e n o m m e n 1 2 . 9

Vgl. überblick bei Reithmann, Internationales Vertragsrecht (1963),RandZ 225. Vgl. Reithmann, RandZ 224; Weber, aaO; unklar Soergei-Kegel, Anm. 25 zu Art. 11 EGBGB; mit Einschränkungen; Mann, aaO, der nur den qualifizierten ausländischen Notar - z. B. den englischen, nicht aber den amerikanischen notary anerkennt; ferner Staudinger-Ferid, Vorbem. 117; Frankenstein 1, 536 Anm. 37; Staudinger-Raape, Anm. A I 5 zu Art. 11 geht davon aus, daß die Beurkundung nach deutscher Form durch einen ausländischen Notar dann gewahrt werden kann, wenn das ausländische Recht das zu beurkundende Rechtsgeschäft nicht kennt und die Anknüpfung des Art. 11 Abs. I S. 2 ins Leere geht (z. B. Erbverzichtsvertrag in Italien); Raape räumt aber ein, daß Zweifel bleiben. 11 Vgl. Staudinger-Ferid, Vorbem. 116. Dies verkennen die Autoren (vgl. etwa Mann 1178), die ihre Argumentation auf die Entscheidung RGZ 160, 225 (231) stützen; das RG hat hier nicht die von einem Schweizer Notar vorgenommene Beurkundung der eines deutschen gleichgestellt, sondern den Satz locus regit actum (Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB) angewendet. 12 Vgl. etwa Riedel, NotZ 1955, 521 ff.; Weber, aaO; Soergel-Kegel, Reithmann, RandZ 224; lediglich Beitzke vertrat im RGR Komm. (9. Aufl.) § 925 Anm. 15 die Auffassung, daß eine vor einem österreichischen oder sudetendeutschen Notar vorgenommene Auflassung rechtsgültig ist; vgl. neuerdings Mann 1179. 10

806

Erbrecht

(3) Zur Frage einer vom Gesetzgeber gewollten Vertretbarkeit Rechtspilegeorgane durch ausländische Amtspersonen

der

deutschen

Läßt sich im Hinblick auf die Anerkennung der von ausländischen Amtspersonen vorgenommenen Beurkundungen kein Gewohnheitsrechtssatz nachweisen, muß auf die materielle Formvorschrift des deutschen Rechts zurückgegriffen werden, um die Möglichkeiten einer an den Bedürfnissen des internationalen Rechtsverkehrs ausgerichteten Gesetzesauslegung voll auszuschöpfen: (a) Die Entgegennahme und die Beurkundung von Erklärungen durch Notar oder Gerichte sind Akte der Rechtspflege. Die Befugnis, derartige hoheitliche Akte vorzunehmen, kann sich nur von der deutschen Staatsgewalt ableiten; sie kann grundsätzlich nur einem der deutschen Staatsgewalt unterstehenden Amtsträger verliehen werden - also im Inland neben den Gerichten den deutschen Notaren, im Ausland den deutschen Konsularsbeamten. Dies trägt insoweit auch dem Grundsatz des Gleichlaufs zwischen materiellem formellem Recht Rechnung. Die materiellen Formvorschriften, die ein amtliches Verfahren vorschreiben, werden durch die betreffenden Verfahrensvorschriften ergänzt 1S . (b) Aus den durch Verfahrensvorschriften zu ergänzenden materiellen Formvorschriften kann aber nicht ohne weiteres - wie Weber, aaO, dies tut - eine Zuständigkeitsnorm des Inhalts abgeleitet werden, daß nur deutsche Rechtspflegeorgane zur Vornahme der Amtshandlung zuständig wären. In jedem Fall, in dem der Gesetzgeber gerichtliche oder notarielle Beurkundung vorgesehen hat, ist vielmehr zu prüfen, ob die geforderten Amtshandlungen „fungibel", d. h. vertretbar, sind (und demgemäß auch von entsprechenden ausländischen Rechtspflegeorganen vorgenommen werden können), oder ob eine Amtshandlung im Inland gewollt ist 14 . (aa) Z. T. hat der Gesetzgeber expressis verbis geregelt, daß nur die von einem deutschen Gericht oder einem deutschen Notar aufgenommene Urkunde tauglich ist (z. B. § 794 Abs. I Ziff. 5 ZPO). Aus der Fassung des § 925 I BGB („jeder Notar") kann wohl im Hinblick auf die alte VO vom 11.5.1934 („jeder reichsdeutsche Notar"), die das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5.3.1953 nicht sachlich ändern wollte, nur die Zuständigkeit deutscher Notare gefolgert werden 1 5 . (bb) In den übrigen Fällen ist auf den Sinn und Zweck der jeweils vom Gesetzgeber geforderten Mitwirkung von Rechtspflegeorganen abzustellen. 13 Vgl. Weber 1784 und Beschluß eines Grundbuchsrichters in Mainz v. 3. 1. 1955 - Aktenzeichen 426/53 - zit. bei Mann 1179. 14 Vgl. zur vom Gesetzgeber gewollten Fungibilität: Neuhaus, Die Grundbegriife des internationalen Privatrechts (1962) § 47, Gleichlauf insbes. S. 247; ferner Staudinger-Ferid, Vorbem. 117 zu § 2346. 15 Vgl. dazu Einzelheit bei Weber 1784; ferner Soergel-Kegel, Anm. 25 zu Art. 11 EGBGB,

Erbverzicht

/ USA

(Pennsylvania)

807

Sinn und Zweck des Formzwanges der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, die u. a. auch § 2348 BGB im Hinblick auf den Erbverzichtsvertrag fordert, erschließt sich durch eine Gegenüberstellung mit der weniger qualifizierten gesetzlichen öffentlichen Form der Beglaubigung. Wie Weber 1785 zutreffend nachweist, dient die öffentlich beglaubigte Urkunde der Beweisführung und wird daher in Verfahrensvorschriften verlangt. Es bestehen keine Bedenken gegen die Anerkennung ausländischer Beweismittel; die weitgehende Gemeinsamkeit in den Rechtseinrichtungen der Kulturstaaten und das Bedürfnis des Internationalen Rechtsverkehrs gestatten es auch, im Rahmen der comitas gentium derartige Urkunden als öffentliche Urkunden i. S. unserer Verfahrensvorschriften - etwa im Hinblick auf § 29 GBO - anzuerkennen. Demgegenüber verfolgt der Formzwang der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung über den Beweiszweck hinaus noch materiellrechtliche Zwecke. Die ergänzenden Verfahrensvorschriften stellen sicher, daß die Urkundsperson nicht als unbeteiligtes Werkzeug die Erklärungen der Beteiligten entgegennimmt, sondern der Verhandlungsgrundsatz gewahrt und verantwortlich bei der Formung des Geschäftswillens mitgewirkt wird. Das Anliegen der Beweissicherung und Erschwerung zum Schutz gegen Unbesonnenheit tritt bei der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung als strengster und höchstrangiger Form hinter dem Zweck zurück, mit Hilfe einer qualifizierten Urkundsperson eine richtige und vollkommene Erklärung zu erreichen, bei der der objektive Sinn mit den subjektiven Vorstellungen der Parteien und dem gewollten Rechtserfolg übereinstimmt. Würdigt man dieses konsultative Element richtig, so wird man wohl nur von einer Vertretbarkeit der Amtshandlungen im Rahmen des sog. lateinischen Notariats ausgehen können, das durch die Ubereinstimmung der wesentlichen Kriterien der Standesordnung der Notariate der betreffenden Länder die Vergleichbarkeit der Funktionen der Notare wie ihrer Urkunden garantiert 1 6 . Der amerikanische Notary Public entspricht nicht - wie schon in der Vorbemerkung kurz angedeutet - der kontinentaleuropäischen Einrichtung des Notariats. Der Notary Public ist eine lediglich nach seiner persönlichen Zuverlässigkeit ausgewählte Person, die zur Ausübung des Amtes keiner besonderen rechtlichen Vorbildung bedarf. In eine Erörterung der Rechtslage mit den Parteien wird nicht eingetreten. Die Tätigkeit des Notary kann deshalb - gemessen an den kontinentaleuropäischen Maßstäben - nur als Beglaubigung, nicht aber als Beurkundung gewertet werden, so daß es nicht nur an der Vergleichbarkeit der Urkunden fehlt 17 . 14 Vgl. Einzelheiten bei Bärmann, Die Freizügigkeit der notariellen Urkunde in: AcP 159. 1 ff. (6f.). 17 Vgl. Woiff, IPR (3. Aufl.) 128; Mann, aaO; Staudinger-Ferid, Vorbem. 117 zu § 2346; Bärmann 18f. Deutsch SchlHA 1962, 224,

808

Erbrecht

Es erscheint deshalb auch nicht erforderlich, die Einzelheiten des im vorliegenden Falle vom Notary Public in Pittsburgh vorgenommenen Beurkundungs- bzw. Beglaubigungsaktes zu überprüfen, wie dies etwa dem LG Mainz aaO, vorschwebte. Das Landgericht nimmt zu einer Beurkundung einer eidesstattlichen Erklärung durch einen amerikanischen Notary Public Stellung und gelangt zu der Einschränkung, daß eine Nichtanerkennung möglich wäre, wenn „der beschworene Text nach seinem Inhalt oder die notarielle Beurkundung den Verdacht einer mangelhaft oder leichtfertig abgegebenen Erklärung erwecken würde."

Die Eindeutigkeit, Voraussehbarkeit, Sicherheit und Klarheit, die die Form - insbesondere die notarische - an das Rechtsgeschäft heranträgt, würde zunichte gemacht, würde man nicht generell gewisse Amtshandlungen bestimmter ausländischer Rechtspflegeorgane als dem deutschen Formerfordernis nicht gemäß erachten. Die nach ausländischen Verfahrensvorschriften vorgenommenen Beurkundungsakte können nicht ex post als qualifiziert oder nicht qualifiziert hingestellt werden unter Hinweis auf Umstände, die außerhalb des Bereichs der von der ausländischen Amtsperson anzuwendenden Verfahrensvorschriften liegen. Auch können durch die Legalisation der Urkunde durch das deutsche Konsulat die Mängel der Urkunde nicht beseitigt werden 18 . (cc) Folge der Nichtvergleichbarkeit des deutschen und des nordamerikanischen Notariats ist, daß - was die qualifizierte gesetzliche öffentliche Form der gesetzlichen oder notariellen Beurkundung anbelangt - der deutschen Form in den USA nicht entsprochen werden kann, zumal auch die Gerichte derartige Beurkundungen nach ausländischem Recht gewöhnlich nicht vornehmen. Dieses Ergebnis muß auch bei verständiger Würdigung der Erfordernisse des internationalen Rechtsverkehrs hingenommen werden. Die Aufgabe, den Interessen des internationalen Rechtsverkehrs zu dienen, hat der Gesetzgeber primär Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB zugewiesen, indem er an den Satz „locus regit actum" anknüpft und die am Errichtungsort vorgeschriebene Form als genügend anerkennt. Die Möglichkeiten des Art. 11 Abs. I S . 2 versagen allerdings dann, wenn das ausländische Recht das betreffende Rechtsgeschäft oder ein ihm wesentlich gleiches nicht kennt. Bei einer sinnvollen Interpretation und Angleichung des ausländischen Rechts lassen sich die Fälle der sog. Normenleere auf ein erträgliches Maß reduzieren. Der deutsche Richter darf es sich hier allerdings nicht so leicht machen wie das LG Mainz, aaO: „Das deutsche Erbscheinverfahren dürfte in seiner hiesigen Ausgestaltung in den Vereinigten Staaten unbekannt sein, so daß für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 2356 II BGB) die deutsche F o r m . . . verlangt werden muß." Vgl. Einzelheiten unten 2). 18

Vgl. Staudinger-Ferid,

Vorbem. 117.

Erbverzicht

/ USA

(Pennsylvania)

809

In Fällen der tatsächlichen Normenleere des ausländischen Rechts muß - bei allem Verständnis für die Bedürfnisse des internationalen Rechtsverkehrs - die Partei, die im Ausland ein der notariellen Beurkundung unterliegendes Rechtsgeschäft abschließen will, auf die deutsche Auslandsvertretung verwiesen werden. Nach §§ 16, 17 Konsulargesetz (= Gesetz betreffend die Organisation der Bundeskonsulate sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln vom 8. November 1867 i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Verfahrens der deutschen Auslandsbehörden bei Beurkundungen vom 14. 5. 1936 (BGBl. I, 447), geändert durch das Gesetz zur Änderung des Konsulargesetzes vom 16. 12. 1950 (BGBl. I, 784) sind die deutschen Konsuln ermächtigt, in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Erklärungen entgegenzunehmen, Beurkundungen und Beglaubigungen vorzunehmen.

Dieses Ergebnis ist auch rechtspolitisch zu billigen, da in den sehr seltenen Fällen, in denen das deutsche Formstatut gerichtliche oder notarielle Beurkundung vorsieht, die ausländischen Rechtspflegeorgane nicht mit den deutschen vergleichbar sind und die lex loci keine Form zur Verfügung stellt, es den Parteien zugemutet werden kann, das Konsulat aufzusuchen. c) Zusammenfassung Die im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania durch einen Notary Public vorgenommene Beurkundung bzw. Beglaubigung eines Erbverzichtsvertrages (§ 2346 BGB) erfüllt nicht die vom deutschen Formstatut (Art. 11 Abs. I S. 1 EGBGB) vorgesehene Form der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB). Der deutsche Notar erfüllt bei der Beurkundung nicht nur eine bloße Förmlichkeit, sondern trägt zur Willensbildung der Beteiligten bei. Dieser Aufgabe kann der nordamerikanische Notar generell nicht gerecht werden; seine „Beurkundung" kann qualitativ nicht mit der Beurkundung und ihren Funktionen nach deutschem Recht gleichgesetzt werden; eine differenzierende Betrachtung, die es auf die Qualifizierung der jeweiligen Urkundsperson oder auf den Charakter der jeweils im konkreten Fall vorgenommenen Beurkundungshandlung abstellt, wird dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht gerecht, das in Fragen der gesetzlichen öffentlichen Form besonders hoch eingeschätzt werden muß. 2. Form des Abschlußortes

(lex loci actus)

Wie bereits festgestellt, fördert Art. 11 Abs. 1 EGBGB die Verkehrssicherheit, indem er mögliche Formeinwände beschränkt; der Formmangel muß, um durchzugreifen, nach zwei Rechten bestehen; ist die Form der lex causae (Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB) nicht gewahrt worden, verbleibt

Erbrecht

810

zu prüfen, ob die Form der lex loci actus (Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB) beobachtet wurde. Die alternative Verweisung auf die Ortsform in Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB ist hierbei nicht eine sog. Gesamtverweisung, bei der eine Rück- oder Weiterverweisung möglich wäre. Dem Zweck dieser Bestimmung entsprechend, nämlich den Parteien zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs die Ortsform offen zu halten, kann sie nur als Sachnormverweisung gedeutet werden 1 9 . Der in Pennsylvania abgeschlossene Erbverzichtsvertrag ist demnach wirksam, wenn er der vom Staate Pennsylvania gestellten Formvorschrift genügt. Voraussetzung ist allerdings, daß die lex loci actus, das pennsylvanische Recht, das Rechtsinstitut des Erbverzichts kennt, da sonst die Anknüpfung „ins Leere stößt" 20. Wie Staudinger-Raape20a hinweist, wäre es falsch, in der Normenleere - etwa unter Hinweis auf den in der betreffenden Rechtsordnung geltenden Grundsatz der Formfreiheit der Rechtsgeschäfte - von der Formfreiheit des der Rechtsordnung unbekannten Rechtsgeschäftes auszugehen. a) Zu Lebzeiten des Erblassers mit diesem geschlossene Verträge, wodurch jemand auf sein Erbrecht verzichtet, nach anglo-amerikanischem - insbesondere nach pennsylvanischem - Recht (1) Grundsätzliche Rechts

Bemerkungen

zu den Besonderheiten

des

anglo-amerikanischen

Das Recht der Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika ist in der Regel nicht gesetzlich bestimmt, sondern wird durch Entscheidungen der oberen Gerichte verbindlich festgelegt. Urteile aus einem anderen als dem berufenen Staat können nur bedingt als Rechtsquelle herangezogen werden und nur, sofern es an einem bindenden „precedent" in diesem Staat fehlt. Verbindlich ist dabei nur das sog. „holding" der Entscheidung, d. h. der im Urteil formulierte Rechtssatz, auf dem die Entscheidung selbst beruht. In Abwesenheit einer im „holding" anwendbaren Vorentscheidung kommt aber auch dem sog. „dicta" erhebliche konklusive Bedeutung für die Feststellung des Rechts. Diese vielschichtige Rechtsquellenlehre läßt nicht erwarten, daß anglo-amerikanische Rechtsinstitute mit ähnlicher Schärfe und Klarheit hervortreten, wie dies etwa die Bestimmungen des BGB ermöglichen. Vor allem auf dem Gebiete des Erbrechts wird kein Rechtsbegriff wie ein Ei dem anderen gleichen, weil das anglo-amerikanische Recht das das deutsche Erbrecht beherrschende Prinzip der Universalsukzession nicht kennt. Es muß auch hier an die von den Nachlaß19 Vgl. Soergel-Siebert, Anm. 5 zu Art. 11 EGBGB; Palandt-Lauterbach, zu Art. 11 EGBGB. 20 Vgl. Raape, Lehrbuch (5. Aufl.) 215. 2 a ° Anm. B VII l , a z u Art. 11.

Anm. 1

Erbverzicht / USA

(Pennsylvania)

811

gerichten bei der Erteilung von Fremdenrechtserbscheinen geübten Praxis der Harmonisierung und Angleichung der verschiedenen Rechtsbegriffe angeknüpft werden 21 . Art. 11 Abs. IS. 2 EGBGB führt zur Heranziehung fremder Rechtsbegriffe bei der Beurteilung eines einheitlichen Lebensverhältnisses. Die hierbei auftretenden Spannungen sind soweit wie möglich im Interesse der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, die auch für den zwischenstaatlichen Raum anzustreben ist, auszuschalten22. (2) Die Grundsätze des Common Law im Hinblick aui erbverzichtsähnliche

Verträge

Da das anglo-amerikanische case law immer nur den zur Entscheidung vorliegenden Einzelfall im Auge hat und mitunter die allgemeinen Regeln als bekannt voraussetzt, muß zunächst auf die Grundsätze des common law eingegangen werden. Anders als die auf dem römischen Recht fußenden romanischen Rechtsordnungen, die einen zu Lebzeiten des Erblassers mit diesem geschlossenen Vertrag, wodurch jemand auf sein Erbrecht oder ein Vermächtnis oder ein Pflichtteilsrecht verzichtet, nicht anerkennen (vgl. etwa im französischen Recht: Art. 1130 II CC; im italienischen Recht: Art. 458 CC; im spanischen Recht: Art. 1271 CC; im holländischen Recht: Art. 1370, 1109 Burgerlijk Wetboek), verwerfen die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen derartige Verträge nicht. Um den Rechtszustand übersehen und feststellen zu können, bedarf es eines Überblickes über die Rechtsprechung der wichtigsten Staaten: Arkansas. - Siehe Feiton v. Brown (1912) 102 Ark. 658, 145 S. W. 552. California. - Re Garcelon (1894) 104 Cal. 570, 32 L.R. A. 595, 43 Am. St. Rep. 134, 38 Pac. 414. Siehe auch Re Edelman (1905) 148 Cal. 233, 113 Am. St. Rep. 23, 82 Pac. 962 Georgia. - Newson v. Cogburn (1860) 30 Ga. 291; Barham v. McKneely (1892) 89 Ga. 812, 15 S. E. 761; Pylant v. Burns 28 A.L.R., 153 Ga. 529, 112 S. E. 455. Illinois. - Bishop v. Davenport (1871) 58 III. 105; Kershaw v. Kershaw (1882) 102 III. 307; Crum v. Sawyer (1891) 132 III. 443,24 N. E. 956; Rodemeier v. Brown (1897) 21 So macht schon Habicht 89 Anm. 4 darauf aufmerksam, daß die nach Art. 11 Abs. I 2 berufene fremde Rechtsordnung das Rechtsgeschäft nicht dem Namen nach kennen müsse und daß es auf die Verschiedenheit in Wesen und Wirkung abzustellen sei; Raape, Anm. B VII 1 a ß zu Art. 11 ist der Ansidit, daß man zu weit ginge, „wollte man völlige Gleichheit des Rechtsverhältnisses oder des Rechtsgeschäftes in den beiden Rechtsordnungen verlangen. Das widerspräche dem praktischen Zweck der Regel". Ferner Rheinstein, Das Rechtsgeschäft im Internationalen Privatrecht, Rvgl. HWB IV (1933) 359 ff. (369): „Mangel des entsprechenden Rechtsgeschäfts im Ortsreciit darf aber nicht schon beim Fehlen eines in allen technisch-juristischen Einzelheiten gleichartig geregelten Geschäfts angenommen werden." Nach Lewald, zit. bei Rheinstein, aaO, ist es auf die „Gleichheit der funktionellen Bedeutung des in Frage stehenden Geschäftstyps" abzustellen. 22 Vgl. dazu auch Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle. Die Bedeutung der Qualifikation und der Angleichung, der Anpassung und der Umdeutung bei ihrer rechtlichen Behandlung (München 1964) insbes. 33 ff.

812

Erbrecht

169 111. 347, 61 Am. St. Rep. 176, 48 N. E. 468; Bolin v. Bolin (1910) 245 111. 613, 92 N. E. 530, 109 N. E. 1015, Ann. Cas. 1916, E, 1238; Siehe auch Parsons v. Ely (1867) 45 111. 232; Crossman v. Keister (1906) 223 111. 69, 8 L.R. A. (N. S.) 698, 114 Am. St. Rep. 306, 79 N. E. 58; und Doubet v. Doubet (1915) 196 111. App. 289. Iowa. - Jones v. Jones (1877) 46 Iowa, 466; Stolenburg v. Diericks (1902) 117 Iowa, 25, 90 N. W. 525; Hickey v. Davidson (1906) 129 Iowa, 384, 105 N. W. 678; Stennet v. Stennet (1916) 174 Iowa, 431, 156 N. W. 406; State Bank v. Schutt (1916) 174 Iowa, 583, 156 N. W. 762; Calhoun v. Taylor (1916) 180 Iowa, 171, 159 N. W. 659; Patterson v. Carr (1920) 189 Iowa, 69, 176 N. W. 265. Kentucky. - Daniel v. Lewis (1892) 13 Ky. L. Rep. 827. Siehe auch Cushing v. Cushing (1870) 7 Bush, 206 Maine. - Smith v. Smith (1871) 59 Me. 214; Hilton v. Hilton (1907) 103 Me. 92, 68 Atl. 595. Siehe auch Curtis v. Curtis (1855) 40 Me. 24, 63 Am. Dec. 651. Massachusetts. - Quarles v. Quarles (1808) 4 Mass. 680; Kenney v. Tucker (1811) 8 Mass. 143 Michigan. - Re Simon (1909) 158 Mich. 256, 122 N. W. 544, 17 Ann. Cas 725 Nebraska. - Riddell v. Riddeli (1903) 70 Neb. 472 97 N. W. 609. Siehe auch Carr v. Carr (1918) 102 Neb. 158, 166 N. W. 254. N e w Hampshire. - Nesmith v. Dinsmore (1845) 17 N. H. 515. N e w J e r s e y . - Havens v. Thompson (1875) 26 N. J. Eq. 383; Green v. Hathaway (1883) 36 N. J. Eq. 471; Brands v. DeWitt (1888) 44 N. J. Eq. 545; 6 Am. St. Rep. 909, 14 Atl. 894; Fisher v. Bolton (1886) - N. J. Eq. 6 Atl. 500. Siehe auch Vreeland v. Vreeland (1903) 65 N. J. Eq. 668, 56 Atl. 1089. N e w York. - Kinyon v. Kinyon (1893) 72 Hun, 452, 25 N. Y. Supp. 225, 31 Abb. N. C. 76 Pennsylvania. - Power's Appeal (1869) 63 Pa. 443; Summerville's Estate (1889) 129 Pa. 631, 18 Atl. 554 South Dakota. - Evenson v. Webster (1892) 3 S. D. 382, 44 Am. St. Rep. 802, 53 N. W. 747. Aber siehe Re Thompson (1910) 26 S. D. 576, 128 N. W. 1127, Ann. Cas. 1913 B, 446 Tennessee. - Gore v. Howard (1895) 94 Tenn. 577, 30 S. W. 730. A b e r siehe De Vault v. DeVault (1898) - Tenn. - , 48 S. W. 361 West Virginia. - Roberts v. Coleman (1892) 37 W. Va. 143, 16 S. E. 482; Cofiman v. Cofiman (1895) 41 W. Va. 8, 23, S. E. 523; Squires v. Squires (1909) 65 W. Va. 611, 64 S. E. 911; Pritchard v. Pritchard (1915) 76 W. Va. 91. 85 S. E. 29; Neil v. Flynn Lumber Co. (1918) 82 W . Va. 24, 95 S. W. 523; Adams v. Adams (1918) 82 W. Va. 244, 95 S. E. 859; Jachson v. Jachson (1919) 84 W. Va. 100, 99 S. E. 259 Wisconsin. - Liginger v. Field (1890) 78 Wis. 367, 47 N. W . 613 England. - Medclale v. Medclale (1737) 1 Atk. 64, 26 Eng. Reprint 42; Lockyer v. Savage (1733) 2 Strange, 947, 93 Eng. Reprint, 959. Siehe auch Morris v. Burroughs (1737) 1 Atk. 397, 26 Eng. Reprint, 253 u n d Heron v. Heron (1741) 2 Atk. 160, 26 Eng. Reprint, 500 Canada. - Re Lewis (1898) 29 Ont. Rep. 609; Duval v. Fortin (1902) Rap. Jud. Q u e b e c 23 C. S. 392.

Allerdings haben Gerichte verschiedener Einzelstaaten Erbverzichtsverträge im weiteren Sinne bei der Nachlaßverteilung (proceedings for

Erbverzicht / USA

(Pennsylvania)

813

distribution) nicht berücksichtigt. Mit der A u s n a h m e des Staates Louisiana, d e s s e n Gerichte das aufgrund französischer Rechtstradition bestehende statutatorische Verbot des Erbverzichtes anerkannt haben, handelt es sich um ältere Entscheidungen, die z. T. durch neuere ihren Präzedenzcharakter verloren haben, um Einschränkungen - e t w a daß ein Erbverzicht nur Bestand hat, w e n n Erben der gleichen Ordnung erben, oder um Fälle, bei denen prozeßrechtliche Fragen in die Urteilsfindung mit einzubeziehen waren: Florida. - Siehe Towles v. Roundtree (1864) 10 Fla. 299. Indiana. - Stokesberry v. Reynolds (1877) 57 Ind. 425 (overruled) Kentucky. - Ward v. Johnson (1906) 124 Ky. 1, 97 S.W. 1110; Elliot v. Leslie (1907) 124 Ky. 553, 124 Am. St. Rep. 418,99 S. W. 619 Louisiana. - Jacob's Succession (1901) 104 La. 447, 29 So. 241; Cox v. Von Ahleieldt (1901) 105 La. 543, 30 So. 175; Murphy v. Murphy (1914) 136 La. 17, 66 So. 382 New Hampshire. - Cass v. Brown (1894) 68 N. H. 85, 44 Atl. 86 North Carolina. - Cannon v. Nowell (1859) 51 N. C. (6 Jones L.) 436 Ohio. - Needles v. Needles (1857) 7 Odio St. 432, 70 Am. Dec. 85; Ferenbaugh v. Ferenbaugh (1922) 104 Ohio St. 556, 136 N. E. 213; Thiessen v. Moore (1922) 106 Ohio St. 401, 137 N. E. 906 South Dakota. - Siehe Re Thompson (1910) 26 S.D. 576, 128 N . W . 1127, Ann. Cas. 1913 B, 446. Aber siehe Evenson v. Webster (1892) 3 S. D. 382, 44 Am. St. Rep. 802, 53 N. W. 747 Tennessee. - Siehe DeVault v. DeVault (1898) - Tenn. - , 48 S. W. 361. Aber siehe Gore v. Howard (1895) 94 Tenn. 577, 30 S. W. 730 Vermont. - Robinson v. Robinson (1818) Brayton, 59; Buck v. Kittle (1877) 49 Vt. 288; Simonds v. Powers 28 A. L. R., Vt. 117 Atl. 103. Siehe auch Robinson v. Swilt (1803) 3 Vt. 283 Virginia. - Headrick v. McDowell (1903) 102 Va. 124, 65 L. R. A. 578, 102 Am. St. Rep. 843, 45 S. E. 804; McCoy v. McCoy (1906) 105 Va. 829, 54 S. E. 995 (a) Zusammenfassung der Rechtsprechung Die a n g e s e h e n e amerikanische Entscheidungssammlung American Law Reports, Annotated, - 28 A. L. R. 428 - faßt die Rechtsprechung w i e folgt zusammen: „The weight of authority is that an agreement between a prospective heir and his ancestor by which the former promises, in effect, to accept certain property or other valuable consideration then given him by his ancestor as his full share of the latter's estate, and to make no further claim as heir, if freely and fairly entered into, and made in such form (according to some of the cases) as to comply with the

Die überwiegende Meinung geht davon aus, daß ein Vertrag zwischen einem zukünftigen Erben und seinem Aszendenten, wodurch ersterer sich verpflichtet, gewisse Vermögensteile oder anderes Entgelt, das bzw. die ihm der Erblasser als seinen vollen Anteil am Nachlaß übergibt, anzunehmen und auf alle weiteren Ansprüche als Erbe zu verzichten, gültig ist und von den Gerichten nach dem Tode des Erblassers

814

Erbrecht

Statute of Frauds, is valid and will be enforced in the courts against such heir after the ancestor's death.

den Verzichtenden gegenüber durchgesetzt wird, wenn er (der Vertrag) frei nach Treu und Glauben geschlossen wurde und die Formvorschriften des jeweiligen „Statute of Frauds" gewahrt sind.

Das angesehene amerikanische Erbrechtslehrbuch Atkinson, (1935) faßt wie folgt zusammen: „A release by child of his share of the parent's estate in return for a fair consideration is binding upon the child and upon his issue..

on Wills

Der Verzicht eines Kindes auf seinen Anteil am elterlichen Vermögen gegen angemessene Gegenleistung bindet das Kind und seine Nachkommen.

(b) Die dogmatische Deutung

Kann davon ausgegangen werden, daß der Tatbestand des Erbverzichts mit kleineren Einschränkungen anerkannt ist, so bleibt doch seine dogmatische Ausdeutung unklar. Dies wird vor allem vom mangelnden Interesse der anglo-amerikanischen Gerichte an rein dogmatischen Fragen verständlich. (aa) Einige Gerichte sehen im Verzichtsvertrag ein 2 3 „extinguishment of the heir's right to

Erlösdien der jeweiligen

take by descent."

tigung.

Erbberech-

(bb) Andere Entscheidungen gehen von einem rein schuldrechtlich zu beurteilenden Vertrag aus, der „in equity" nach Billigkeitsrecht bei der Nachlaßverteilung durchgesetzt werden kann 2 4 . (cc) Eine Anzahl Gerichte gewährt gegenüber den Ansprüchen eines abgefundenen Erben die allgemeine Einrede der Arglist („equitable estoppel"), da der Erblasser durch den Verzicht davon abgehalten wurde, den abgefundenen Erben durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge auszuschließen 25 . (dd) Letztlich wird in der Abfindung ein besonderer Fall eines auf den Erbfall anzurechnenden Vorempfangs („advancement") erblickt, der nach dem Willen der Parteien den gesamten liquidierten Erbteil des Verzichtenden darstellen soll - sog. „liquidated advancement" oder „advancement in full of prospective share" 2 6 . 2 3 So Mires v. Laubenheimer, 271 111. 296, 111 N. E. 106; vgl. auch Rheinstein, The law of Decedent's estates, Text, cases and other materials (2. Aufl. 1955), der im Erbverzicht (release to ancestor) einen vorweggenommenen Erbgang (anticipation of inheritance) erblickt. 24 So etwa Newsome v. Coyburn, 30 Ga. 291 f Eissler v. Happel, 158 Ind. 82, 62 N. E. 692; Riddell v. Riddeil, 70 Neb. 472, 97 N. W. 609. 25 So in re Simon's Appeal, 158 Mich. 256, 122 N. W. 544, 17 Cas. 723; Green v. Hathaway, 36 N. J. Eq. 471; Coffman v. Cofiman, 41, W. VA 8, 23 S. E. 523. 26 Vgl. Linie v. Fontaine 181 Wis. 407, 195 N. W. 393; Home Mixture Guano Co.

Erbverzicht / USA (3) Das Recht des Bundesstaates

(Pennsylvania)

Pennsylvanien

im

815

Besonderen

Für den Bundesstaat Pennsylvania liegen zwei ältere Entscheidungen vor, die sich mit dem Erbverzicht befassen. (a) In der Sache Power's Appeal 63 Pa 443 aus dem J a h r e 1869 entschied das Gericht, daß, da ein Erbe oder Vermächtnisnehmer zu Lebzeiten des Erblassers, der nicht letztwillig verfügt hat, „in equity" seine Anwartschaft - in was auch immer sie beim Erbfall bestehen mag - verändern und abtreten könne, kein Grund ersichtlich sei, warum ein Vater einen derartigen Vertrag nicht mit seinem Sohn abschließen könne, durch den letztere dann von allen Erbansprüchen auf den elterlichen Nachlaß ausgeschlossen ist („so there can be no reason why a father should not make such a contract with a son, which will entirely bar all claim of the latter as an heir", nach 28 A. L. R. 432). (b) In der Sache Appeal of Summerville et al., Supreme Court of Pennsylvania, Oct. 28, 1869, 129 Pa. 631, 18 Atl. 554 lag dem Gericht als Exhibit A ein Dokument folgenden Inhalts vor: „Know all men by these presents, that we the undersigned heirs of John Summerville, do acknowledge to have received from him all the portion of his estate, either real, personal or mixed, that may be due or coming to us as heirs aforsaid, unless otherwise arranged by his will..." (Unterschriften, Siegel und Beglaubigung) Das Gericht entschied u. a.: „The very language of the release (Exhibit A) explicitly relates to advancements made to parties to it by the decedent, and only admits a future allowance in case decedent made a will. This he did not do. Therefore... it is held that it is not too late after partition to settle advancements in the distribution of the valuation amongst those entitled."

(4) Neuere Entscheidungen

Schon die Sprache des Verzichts (Anlage A) bezieht sich deutlich auf Vorempfänge, die die Parteien vom Erblasser erhalten haben und läßt weitere Zuwendungen nur für den Fall zu, daß der Erblasser testiert. Dies tat er aber nicht. Deshalb . . . steht das Gericht auf dem Standpunkt, daß es nicht zu spät ist, nach der Teilung Vorempfänge bei der gesetzlichen Erbfolgeregelung unter den Berechtigten auszugleichen.

zum Thema werden aus Pennsylvania

nicht

berichtet27

Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß bei Lebzeiten des Erblassers mit diesem geschlossene Verträge, wodurch jemand auf sein Erbv. McKoone, 168 Ga. 317, 147 S. E. 711; Anderson v. Forbes, 169 Tenn. 223, 84 S. W. 2d 104 mit Anmerkung in 14 Renn. L. R. 115. So Atkinson 727 und 725 im Hinblick auf die besondere Problematik in der Sache Pyiant v. Bums, 153 Ga. 529, 112 S. E. 455, 28 ALR. 423; dieser Deutung schließt sich Firsching in Ferid-Firsching, US Grdz. D VI an. 27 Vgl. Shepard's Atlantic Reporter Citations zu 18 Atl. 554; geprüft einschließlich Vol. L No. 3 (Februar 1965).

816

Erbrecht

recht verzichtet, nach pennsylvanischem Recht gültig sind. Nicht geklärt ist, ob es sich bei diesem Verzicht um rein schuldrechtliche, „in equity", durchzusetzende Verträge (so Powei's Appeal 1869) oder um bei der gesetzlichen Erbfolge in Anrechnung zu bringender Vorempfänge (so Summerville's Appeal 1889) handelt. Wie oben ausgeführt, gehört die Bezugnahme auf den einen oder anderen Vertragstypus nicht zum „holding" der Entscheidung; in der Entscheidung Summerville's Appeal brauchte sich das Gericht deshalb auch nicht mit der Equity-Theorie in der Sache Power's Appeal auseinanderzusetzen und pennsylvanische Gerichte wären in der Zukunft frei, bei der Anerkennung des Erbverzichtes ihre Argumentation auch auf den Gesichtspunkt des „extinguishment of the heir's right to take by descent" abzustellen. Diese dogmatischen Fragen sind für das anglo-amerikanische Gericht - wie schon angedeutet - von sekundärer Bedeutung; es wird je nach Lage des zur Entscheidung vorliegenden Falles sich der einen oder anderen Begründung bedienen oder sie gar kumulativ anführen. b) Zur Frage der Angleichung des anglo-amerikanischen Rechtsinstituts Soweit ersichtlich, hat das deutsche Schrifttum bislang noch nicht zur Qualifizierung des anglo-amerikanischen Instituts des „release of expectancy" in seinen verschiedenen Erscheinungsformen Stellung genommen. Ferid-Firsching28 weisen lediglich - zu recht - darauf hin, daß die Rechtsprechung die Anerkennung des Erbverzichts z. T. auf den Gedanken eines „liquidated advancement" stützt; welche Folgerungen sich hieraus für das deutsche Recht etwa im Hinblick auf § 2369 BGB oder Art. 11 Abs. I S. 2 EGBGB ergeben, bleibt offen. Auf der Suche nach Autoren, die sich zur Behandlung des „release of expectancy" im deutschen Rechtsbereich äußern, wird folgendes bedeutsam: Gündisch-Neuhaus2' und neuerdings Firsching30 haben zu einer ähnlichen Problematik - nämlich zu der Wirkung eines gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrages - Stellung genommen. Beiden Instituten ist gemein, daß sie dem kontinental-europäischen Juristen eher in der Gestalt eines schulrechtlichen Vertrages (contract to make a will, contract not to make a will) als einer erbrechtlichen Verfügung erscheinen, mit der Folge, daß die bindende Wirkung eines „joint or mutual will" oder ein „contract to make a will" im Erbscheinsverfahren nach § 2369 BGB keine Berücksichtigung finden soll. Gündisch-Neuhaus und Firsching äußern sich nun allerdings nicht zum Erbverzidit, aber hier ließe sich doch von einer ähnlichen Problematik sprechen, USA Grdz. D VI 51 RandZ 88. » Gemeinschaftliche Testamente amerikanischer Erblasser, in: RabelsZ 1956, 550 ff. 30 Deutsch-amerikanische Erbfälle, 64 ff. 28

2

Erbverzicht / USA

(Pennsylvania)

817

denn bei der Klärung des Verhältnisses Erbverzicht und release ergeben sich ganz ähnliche Probleme. Außerdem befassen sich die drei genannten Autoren nur mit der Bedeutung der von ihnen erörterten amerikanischen Rechtsinstitute im deutschen Erbscheinsverfahren, nicht mit ihrer materiellen Wirkung. Auf alle Fälle ist zu dem Ergebnis der drei genannten Autoren zu sagen: Ihre Argumentation ist angreifbar, führt zu unbilligen Ergebnissen 3 1 und läßt sich nicht ohne weiteres auf den Erbverzicht übertragen. (1) Eine vernünftige rechtsvergleichende Betrachtung kann die einzelnen Institute einer Rechtsordnung nur in ihrer Interdependenz zum gesamten Normensystem erfassen. Von einer Rechtsordnung, die es nicht auf den Grundsatz der Universalsukzession abstellt, sondern eine treuhänderische Erbschaftsverwaltung in den Mittelpunkt rückt (vgl. Ferid-Firsching Grdz. D VI RandZ 256 ff.), kann nicht erwartet werden, daß Erbverzicht und Erbvertrag als abstrakte erbrechtliche Verfügungen konstruiert werden. Im Falle inkompatibler dogmatischer Vorstellungen ist vermehrt auf die wirtschaftliche Interessenlage der Beteiligten - expectant heir - ancestor, abzustellen; diese deckt sich im wesentlichen mit der in Deutschland 3 2 . Es erscheint auch wenig sinnvoll, es - wie etwa Neuhaus-Gündisch auf etwaige Unterschiede in der verfahrensrechtlichen Behandlung der Ansprüche abzustellen 3 3 . Bestehen schon Zweifel, ob bei Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testamentes und eines späteren widersprechenden Testamentes, der Probate Court die „letters testamentary" immer dem durch letztes TestaVgl. Raape, Lehrbuch (5. Aufl.) 433. Vgl. Rheinstein, Cases on decedents' estates. Part 7, Transactions to eliminate or influence the course of inheritance, 718 und Staudinger-Ferid, Vorbem. A Allgemeines zu 2346. Allerdings ist hier die Einschränkung zu machen, daß im angloamerikanischen Rechtskreis der Erbverzicht im wesentlichen nur im Bereich der gesetzlichen Erbfolge eine Rolle spielt, der Erblasser hier nicht in demselben Maße Beschränkungen unterliegt, wie etwa der deutsche Erblasser auf Grund der §§ 2303 ff. BGB; vgl. Ferid-Firsching, Bd. II USA Grdz. Staudinger-Ferid, Vorbem. 189 zu 2303. Soweit die Testierfreiheit des Erblassers gegenüber den nächsten Angehörigen aber eingeschränkt wird, sind die resultierenden Rechte - ähnlich wie das Pflichtteilsrecht nach 2346 Abs. I S. 3 - verzichtbar; vgl. etwa im Hinblick auf die Beschränkungen der Ehegatten untereinander in re Patterson's Estate (1920) 46 Cal. App. 415; 189 Pac. 483. 33 Neuhaus-Gündisch 571 meinen z. B., der Begünstigte aus einem gemeinschaftlichen Testament könne seine Rechte nicht im Probateverfahren realisieren, sondern werde auf die Vertragsklagen in law (Schadensersatz) oder in equity (Erfüllung) verwiesen. Es bietet sich deshalb als Parallele zur Trennung der Verfahren vor dem „probate"-Gericht und dem „equity"-Gericht (besser wohl ...equity-Verfahren", da es in den meisten Staaten der USA keine getrennten „equity"-Gerichte mehr gibt, Anm. d. Verf.) die deutsche Unterscheidung von Erbscheinsverfahren vor dem Nachlaßgericht und Herausgabeklage vor dem Prozeßgericht an mit der Folge, daß dem Begünstigten kein Erbschein zu erteilen ist. 31

32

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Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Erbrecht

ment Begünstigten erteilt, so können erst recht nicht aus Besonderheiten des anglo-amerikanischen Verfahrensrechts Rückschlüsse auf Angleichung materiellrechtlicher Tatbestände gezogen werden 3 4 . (2) Deshalb braucht nur hilfsweise darauf hingewiesen zu werden, daß nach pennsylvanischer Übung die Frage, ob ein gesetzlicher Erbe wirksam verzichtet hat, vor dem Probate Court verhandelt, normalerweise der Erbverzicht schon bei der sog. „distribution" berücksichtigt wird und die Erben nicht etwa gezwungen sind, ihr Teil vom Abgefundenen außerhalb des Nachlaß Verfahrens geltend zu machen 35 . Bei der rechtsvergleichenden Würdigung des anglo-amerikanischen Instituts des „release of expectancy" ist entscheidend, wie der Abgefundene und die Erben im Endergebnis dastehen - ganz gleich welche dogmatischen Konstruktionen zu diesem Ergebnis führen. Im deutschen wie im pennsylvanischen Recht erhält der Verzichtende grundsätzlich neben seiner Abfindung nichts. Letztlich stehen einer vollen Entfaltung des Rechtsinstituts in den USA nicht etwa die Bedenken entgegen, die gegen die anderen erbrechtlichen Verfügungen, den joint oder mutual will, den contract to make a will geltend gemacht werden: Anders wie Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament gerät der Erbverzicht nicht mit dem im common law ausgeprägten Prinzip der Testierfreiheit in Konflikt, so daß erwartet werden kann, daß die in manchen Fragen noch nicht abgeschlossene Rechtsprechung zur weiteren Konsolidierung des „release of expectancy" beitragen wird. c) Die Form des Erbverzichts nach pennsylvanischem Recht (1) Grundsätzlich ist der Erbverzicht nach common law formfrei3®. „The release by an heir of his expectancy to his ancestor need not be executed with any greater formality than a simple contract, and there is no necessity for its being executed under real."

Der Abschluß des Erbverzichtsvertrages unterliegt keinen größeren Formalitäten als jeder einfache Vertrag; insbesondere bedarf es keiner Siegelung (entspricht in der Funktion - nicht etwa in den Formalien - der Beglaubigung).

(2) Besonderheiten gelten, soweit statutatorisch geregelt ist, daß Vorempfänge (advancements) nur durch schriftliche Urkunden bewiesen werden können 3 7 oder Grundstücke mit einbegriffen sind 38 . 34

Vgl. Firsching 67. Vgl. Summerville's Estate, aaO, ferner: Re Edelman, 148 Cal. 233; 82 Pac. 113; Am. At. Rep. 231; Re Garcelon 104 Cal. 570; 38 Pac. 414; 32 L. R. A. 595; 43 Am. St. Rep. 134. Vgl. auch 16 Am. Jur. Stichwort Descent and Distribution § 153, 935. 36 Vgl. 16 Am. Jur. „Descent and Distribution, § 154, 937. 37 Vgl. etwa Gary v. Newton (1903) 201 III. 170; 66 N. E. 267. 38 Vgl. 28 ALR 451; 16 Am. Jur. „Descent and Distribution" § 154. 937. 35

Erbverzicht / USA

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(a) Die pennsylvanischen Statuten sehen für advancements keine besondere Form vor 39 . Die Parteien sind bei der Beweisführung nicht an schriftliche Dokumente gebunden 40 . In der Sache SummerviHe's Appeal, aaO, hat das Gericht deshalb nicht zur Formfrage, sondern lediglich zur Beweisfrage Stellung nehmen müssen. (b) Soweit Grundstücke beim Erbverzicht im Spiel sind, steht nach der Entscheidung in Harri's Appeal (1884) 3 Walk. Pa. 24 zit. 28 ALR 453 fest, daß nach pennsylvanischem Recht dann das sog. Statute of Frauds eingreift und Schriftform erforderlich ist, wenn mit einem Grundstück abgefunden wird. Die Gerichte waren bislang noch nicht gezwungen, zur Form des Erbverzichts Stellung zu nehmen, wenn Grundstücke lediglich Teile des Vermögens des Erblassers ausmachten, da in den den Gerichten zur Entscheidung vorgelegten Fällen immer die Schriftform gewahrt wurde und damit auch dem Statute of Frauds entsprochen war. „The court observed that in those cases ... where releases of an heir's expectancy have been upheld, such releases, so far as they apply to real estate, were in writing." 41

Das Gericht stellte fest, daß in den Fällen, in denen der Erbverzicht anerkannt worden war, dieser - soweit er sich auf unbewegliches Vermögen bezog - der Schriftform entsprach.

Auch im vorliegenden Falle braucht auf die Frage nicht eingegangen zu werden, da die am 22. Juni 1959 errichtete, den Erbverzicht enthaltende Urkunde, schriftlich abgefaßt, Leistung und Gegenleistung aufführt, gesiegelt und beglaubigt ist und damit mehr erfüllt, als nach den Statute of Frauds erforderlich wäre. d) Zusammenfassung 1. Die Anknüpfung nach Art. 11 Abs. I S. 2 führt zum Formstatut des US-amerikanischen Bundesstaates Pennsylvania. 2. Die lex loci kennt im Rechtsinstitut des „release of expectancy" ein dem deutschen Erbverzicht entsprechendes Rechtsgeschäft; bei dieser Frage der Angleichung und Qualifikation ist es weniger auf die dogmatische Erscheinungsform der Rechtsinstitute als auf ihre tatsächliche Bedeutung und ihre von der Rechtsordnung akzeptierte Wirkung abzustellen. 39 Vgl. Intestate Act of 1947 (1947, P. L. 80) und prentice-Hall, Estate Planing, Wills, Trusts, Bd. 2, Pennsylvania Statutes-Descent Anm. 2751 Advancements. 40 Vgl. Merkels Appeal, 89 Pa. 340; Kirby's Appeal, 109 Pa. 41; Reinoehi's Estate 212 Pa. 359; Knight's Estate 253 Pa. 290. 41 Zit. 28 ALR 452.

52»

Erbrecht

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Der am 22. Juni 1959 abgeschlossene und vom Notary Public beglaubigte Erbverzichtsvertrag entspricht den Vorschriften des pennsylvanischen Formstatuts - und zwar auch im Hinblick auf zum Vermögen des Erblassers gehörende Grundstücke. III.

Schlußbemerkung

Ist die Form des Wirkungsstatuts nicht beobachtet (Art. 11 EGBGB Abs. I S. 1), die der Ortsform aber eingehalten (Art. 11 Abs. I S. 2), so steht damit die Formgültigkeit des Rechtsgeschäfts fest. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien bewußt die fremde Formvorschrift angewandt haben, da es sich um eine rein objektive Frage handelt 42 . Ebenso ist gleichgültig, ob sich die Partei dauernd am Errichtungsort aufhält oder nur vorübergellend 43 . Art. 30 ist zwar auch im Hinblick auf Art. 11 Abs. I S. 2 beachtlich, aber nicht schon dann anwendbar, wenn das ausländische Recht keine oder nur eine weniger qualifizierte Formvorschrift wie die des Wirkungsstatuts kennt; hinzutreten muß in diesen Fällen, daß die Parteien in fraudem legis gehandelt haben 4 4 ; dies dürfte aber nach dem dem Institut unterbreiteten Sachverhalt nicht zutreffen. Letztlich ist darauf hinzuweisen, daß außer der Frage der Formgültigkeit des Rechtsgeschäfts (vgl. oben II) dem Ortsiecht keinerlei Herrschaft über das Rechtsgeschäft zukommt. Alles andere - etwa die Anfechtung des Erbverzichts oder der Einfluß fehlerhafter Abfindung auf den Erbverzicht - beurteilt sich nach dem Wirkungsstatut (vgl. oben I), im vorliegenden Falle also nach deutschem Recht.

" Vgl. Staudinger-Raape 43 Vgl. Staudinger-Raape 41 Vgl. Staudinger-Raape

11 (B VII 1 b). 11 (B VIII 1). 11 (B XI) mit weiteren Hinweisen.

V. Internationales Verfahrensrecht

1. ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER ENTSCHEIDUNGEN Siehe auch Nr. 21, 22, 23, 24

Nr. 69 Osterreich 1. Die deutschen Gerichte sind zur Abänderung eines in Osterreich ergangenen Unterhaltsurteils eines österreichischen unehelichen Kindes gegen seinen österreichischen Erzeuger international zuständig, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hat, der Gläubiger dagegen nach wie vor in Osterreich wohnt. 2. Die Unterhaltspflicht eines sich in Deutschland aufhaltenden österreichischen außerehelichen Vaters gegenüber seinem Kind, das in Osterreich seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, richtet sich nach österreichischem Recht. Freiburg vom 25. 5. 1966

Das Landgericht B. hat in dem Unterhaltsrechtsstreit H. ./. M. um ein Gutachten zu folgenden Fragen gebeten: 1.Kann ein in Österreich ergangener Schuldtitel (hier ein Beschluß des Bezirksgerichts R. v. 29. 1.1956 über die einem ue. Kind von seinem Erzeuger zu gewährende Unterhaltsrente) von einem deutschen Gericht gem. § 323 ZPO abgeändert werden, wenn nur der Schuldner seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hat, der Gläubiger dagegen nach wie vor in Österreich wohnt? 2. Welches materielle Recht ist anzuwenden, wenn die Frage zu 1) zu bejahen ist und wenn beide Parteien die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen? Nach den mir übersandten Akten lege ich folgenden Tatbestand meiner Beantwortung zugrunde: Der Beklagte ist der außereheliche Vater des am 21. 9. 1955 geborenen und seitdem bei seiner Mutter in N. (Bez. K.), Österreich, wohnenden

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Internationales

Verfahrensrecht

Klägers. Der Kläger und der Beklagte sind österreichische Staatsangehörige. Das Bezirksgericht R., Österreich, hat durch vollstreckbaren Beschluß v. 29.1. 1956 den Beklagten verurteilt, dem Kläger monatlich S 235 zu zahlen. Nachdem der früher in N., Österreich, wohnende Beklagte nach M., BR Deutschland, verzogen ist, begehrt der Kläger vor dem Amtsgericht R., den Beklagten wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten anstelle des im Beschluß vom 29. 1. 1956 des Bezirksgerichts R. festgesetzten Betrags von S 235 vom Tage der Klagezustellung ab zu 70 DM monatlicher Unterhaltsrente zu verurteilen. Im Verfahren vor dem Amtsgericht R. anerkannte der Beklagte einen Teilbetrag von DM 40,-, zu dem er durch Teilanerkenntnis-Urteil v. 29. 4. 1965 verurteilt wurde. Durch Urteil v. 25.11.1965 wurde die Klage insoweit abgewiesen, als mehr als der vom Beklagten anerkannte Betrag von monatlich DM 40,- begehrt wurde. Das erkennende Gericht vertritt den Standpunkt, gem. § 323 ZPO könne es nur ein inländisches Urteil, nicht aber einen ausländischen Titel abändern. Gegen das Urteil vom 25. 11.1965 legte der Kläger mit Berufungssdirift vom 17. 12. 1965 Berufung beim Landgericht B. ein. Er begehrt Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verurteilung des Beklagten zur Unterhaltserhöhung. GUTACHTEN Zu Frage 1

I 1. Da ein internationaler Tatbestand vorliegt - es soll eine zwischen Ausländern ergangene ausländische Entscheidung abgeändert werden - , kommt es zuerst auf die Prozeßvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit des deutschen Gerichtes an. Die Normen über die internationale Zuständigkeit regeln, wann ein inländisches oder ausländisches Gericht entscheiden darf oder soll 1 . Nach deutschem internationalem Zivil1 BGHZ 44, 46 ff. (G.S.Z.): „die internationale Zuständigkeit . . . regelt, ob eine Streitsache mit Auslandsbeziehung von deutschen oder von ausländischen Gerichten entschieden werden soll." Vgl. auch Soergel-Kegel, BGB (9. Aufl.) vor Art. 7 EGBGB Anm. 302. Von der internationalen Zuständigkeit ist die deutsche Gerichtsbarkeit als selbständige Prozeßvoraussetzung zu unterscheiden. Diese ist die hoheitliche Befugnis, Gerichtszwang auszuüben. An ihr fehlt es z. B. im Falle der Exemtionen; vgl. dazu RGZ 157, 389 ff. (392); BayObLG J Z 1952, 723 m. Anm. Makarov; BGHZ 8, 378 ff. (379); BGHZ 44, 46 (51); Neuhaus, RabelsZ 20 (1955) 207; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts (1961) § 15 I 1; Wieczorek,

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Prozeßrecht leitet sich die im Gesetz nicht ausdrücklich und unmittelbar geregelte internationale Zuständigkeit aus der innerstaatlichen örtlichen Zuständigkeit ab 2 . Diese beiden Arten der Zuständigkeit sind zwar funktional verschieden, aber nach ihren Tatbestandsvoraussetzungen miteinander verknüpft 3 . Aufgrund dieser Verknüpfung kann zunächst davon ausgegangen werden, daß für die Klage, da der Beklagte seinen Gerichtsstand (§13 ZPO) im Anwendungsgebiet der deutschen Prozeßgesetze hat, grundsätzlich das deutsche Gericht zuständig ist. Die deutsche internationale Zuständigkeit ist demzufolge auch für den Kläger gegeben, gleichgültig, ob er seinen Wohnsitz im Inland oder Ausland hat 4 . 2. Aber die örtliche und die internationale Zuständigkeit stimmen nicht immer überein. Der Grundsatz wird von Ausnahmen durchbrochen, und es fragt sich, ob hier eine solche Ausnahme Platz greift. Namentlich können staatsvertragliche zweiseitige und multilaterale Abkommen die internationale Zuständigkeit abweichend vom allgemeinen inländischen internationalen Zivilprozeßrecht regeln und durch Anerkennung einer ausschließlichen ausländischen Zuständigkeit in bestimmten Angelegenheiten auf die eigene inländische Zuständigkeit verzichten. Die Anerkennung einer nur konkurrierenden internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts hingegen würde die eigene Zuständigkeit nicht ausschließen. a) Eine spezielle Regelung der internationalen Zuständigkeit für Sachverhalte, wie den vorliegenden, könnte sich aus dem Vertrag zwischen ZPO (1957) § 12 A I a, bei dem allerdings der Unterschied zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit nicht deutlich genug hervortritt. - Da sich der Beklagte in der Bundesrepublik aufhält und keine Umstände ersichtlich sind, die ihn von der deutschen Gerichtsbarkeit ausnehmen könnten, ist die Voraussetzung deutscher Gerichtsbarkeit gegeben. (Vgl. über die internationale Zuständigkeit namentlich auch die nach Erstattung des Gutachtens erschienene Untersuchung von Horst Müller in „Deutsche Landesreferate zum VII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Uppsala, 1966" [1967] 181 ff.) 2 RGZ 126, 199; RGZ 150, 268; RGZ 157, 389 ff. (392); OLG Stuttgart N J W 1955, 1154 (interlokal); OLG Köln N J W 1960, 1301; BGH WRP i960, 249, 253 (interlokal) ; Riezler, IZP (1949) 219; ders., Gerichtliche Zuständigkeit und internationales Familienrecht, in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs, 1955, 517; Kegel, IPR (2. Aufl. 1964) § 22 II, S. 374. 3 BGHZ44, 46 (47). 4 Riezler, IZP (1949) 219. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf den Beschluß des BayObLG N J W 1959, 1038 (= FamRZ 1959, 364) hingewiesen. Dabei handelte es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Sorgerech tssache). Selbst in einem solchen Fall, der eine viel stärkere ausländische Sachbezogenheit aufweist, führte das BayObLG unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung aus: „In Wirklichkeit hat der positive Satz, daß die Gebietshoheit die Gerichtsbarkeit gegenüber allen Personen begründet, die sich im Inland aufhalten, keine negative Seite des Inhalts, daß die inländische Gerichtsbarkeit oder gar die inländische internationale Zuständigkeit fehle, sobald ein Beteiligter - und sei er auch Ausländer - sich im Ausland aufhält" (aaO 1039 f. bzw. 367).

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Internationales

Verlahrensrecht

der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. 6.1959 ergeben 5 . Dabei kommt es darauf an, ob in diesem Vertrag auch die Anerkennung der von dem anerkennenden Staat erlassenen, vom Zweitstaat abgeänderten Entscheidungen behandelt ist. Zwar ist die Frage der Anerkennung von der Frage der internationalen Zuständigkeit zu trennen. Beide Fragen sind jedoch indirekt verknüpft 6 . Die Ermächtigung eines ausländischen Gerichtes wird meistens nicht direkt ausgesprochen, sondern indirekt durch die Regeln über die Anerkennung seiner Entscheidungen 7 . Diese Regeln sind ein starkes Indiz für die staatsvertraglidi beabsichtigte internationale Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichten der beteiligten Staaten. Der Vertrag ist daher auch unter dem Gesichtspunkt der internationalen Zuständigkeit auszulegen 8. Artikel 1 des Vertrages spricht allgemein von Entscheidungen im streitigen Verfahren oder im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ein Unterschied zwischen ursprünglichen und abändernden Entscheidungen wird nicht gemacht. Im vorliegenden Fall würde Österreich ein ursprüngliches Unterhaltsurteil eines deutschen Gerichtes gegen einen österreichischen Staatsangehörigen ohne weiteres anerkennen und für vollstreckbar erklären. Haben sich die Vertragsstaaten indessen dafür entschieden, gerichtliche Unterhaltsregelungen des jeweils anderen Staates für ihre eigenen Staatsangehörigen anzuerkennen, so kann es angesichts dieser grundsätzlichen staatsvertraglichen Entscheidung keinen Unterschied machen, ob das Unterhaltsurteil ursprünglich oder abändernd ist. Der Anerkennung stünde nur eine von Österreich etwa zur Abänderung seiner Unterhaltsentscheidungen in Anspruch genommene ausschließliche Zuständigkeit entgegen. Gemäß Art. 2 Ziff. 3 des Vertrages wäre dies ein Versagungsgrund für die Anerkennung. Für die umgekehrte Fragestellung - Anerkennung einer von Österreich abgeänderten deutschen Entscheidung in Deutschland - ergibt sich jedoch aus der Denkschrift der 5 BGBl. II, 1245; im Auszug abgedruckt bei Baumbach-Lauterbach, ZPO (28. Aufl.) § 723 Anh. 3. 8 Das gilt besonders für das österreichische Recht, in dem ausschließliche Zuständigkeit und Anmerkung gekoppelt sind (§ 80 Exekutionsordnung); soweit ein österreichischer ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, wird einer deutschen Entscheidung die Anerkennung versagt. 7 Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, 243; deis., FamRZ 1959, 482, mit weiteren Nachweisen. 8 Wie eng Anerkennung und internationale Zuständigkeit zusammenhängen, ergibt sich auch aus Art. 2 Ziff. 3 des Vertrages, wonach die Anerkennung versagt werden kann, wenn nach dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, die Gerichte dieses oder eines dritten Staates kraft Gesetzes ausschließlich zuständig waren.

Anerkennung

ausländischer

Entscheidungen

/

Österreich

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Bundesregierung zu dem genannten Vertrag 9 ein Hinweis, der als authentische Interpretation betrachtet werden kann. Zu Art. 19 wird darin ausgeführt 10 , durch die Einbeziehung von nach dem 31.12. 1959 fällig werdenden Unterhaltsleistungen solle vermieden werden, daß in diesen Fällen nur zu dem Zweck eine neue Klage erhoben werden müsse, um in dem anderen Staat vollstrecken zu können. Andererseits sei es dem Unterhaltsverpflichteten zuzumuten, die Leistungen, die nach dem Stichtag fällig werden, über die Staatsgrenzen hinweg zu erfüllen, zumal ihm Rechtsbehelfe zur Verfügung ständen, z. B. die Abänderungsklage nach § 323 der deutschen ZPO, die auch in Österreich trotz Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung durch Rechtsprechung zugelassen sei. Auf diesem Wege könne er den Umfang seiner Unterhaltsverpflichtung nach dem Stichtag klären lassen. Beim Abschluß des genannten Vertrages wurde also davon ausgegangen, daß Unterhaltstitel des Erststaates vom Zweitstaat abgeändert werden können, ohne daß eine Nichtanerkennung der abändernden Entscheidung durch den Erststaat zu befürchten sei 11 . Nach dieser Interpretation betrachtet sich somit keiner der Vertragsstaaten als ausschließlich zuständig für die Abänderung seiner eigenen Entscheidungen. Aufgrund dieser Auslegung des Vertrages ergibt sich also, daß auch die - konkurrierende - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für derartige Entscheidungen gegeben ist 12 . b) Für die Frage der Anerkennung abändernder ausländischer Entscheidungen und damit indirekt für die Frage der internationalen Zuständigkeit ist fernerhin das Haager Übereinkommen vom 15.4.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern 1 3 in Betracht zu ziehen. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland sind diesem Übereinkommen beigetreten. Es ist für beide Länder seit dem 1.1.1962 in Kraft 14 . 9

BT III (1957) Drucks. 1419, S. 16. Art. 19 lautet: „(I) Dieser Vertrag ist nur auf Schuldtitel (Exekutionstitel) anzuwenden, die nach dem 31. 12. 1959 entstanden sind. (II) Auf Schuldtitel (Exekutionstitel), die eine Verpflichtung zur Leistung eines gesetzlichen Unterhalts zum Gegenstand haben, ist dieser Vertrag für die nach dem 31.12. 1959 fällig werdenden Leistungen auch dann anzuwenden, wenn der Schuldtitel (Exekutionstitel) in der Zeit vom 1. 5. 1945 bis zum 31. 12. 1959 entstanden ist." 11 Sedlacek, Zeitschrift für Rechtsvergleichung i960, 58 ff. 12 Eine Möglichkeit für den Schuldner, Einwendungen gegen den Anspruch selbst geltend zu machen, insoweit die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlaß der gerichtlichen Entscheidung entstanden sind, ist in § 5 des Ausführungsgesetzes zu dem genannten Vertrag (BGBl. 1960 I, 169) ausdrücklich vorgesehen. Diese Fallgestaltung weist zu der hier in Frage stehenden enge Parallelen auf. 13 BGBl. 1961 II, 1005; 1962 II, 15; abgedruckt bei: Baumbach-Lauterbach (28. Aufl.) Schlußanhang V. 14 BGBl. 1962, II, 15; Baumbach-Lauterbach, Vorbem. Schlußanhang V. 10

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Internationales

Veriahrensrecht

Der Berücksichtigung dieses Übereinkommens steht das spezielle deutsch-österreichische Abkommen vom 6. 6. 1959 nicht entgegen. Der Gesichtspunkt der Spezialität wird von Art. 1815 des genannten deutschösterreichischen Vertrages selbst durchbrochen, so daß auch eine kumulative Berufung auf beide Abkommen möglich ist. Dies legt auch Art. 11 des Haager Übereinkommens nahe 1 8 . Art. 8 des Haager Übereinkommens dehnt die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung für die von einer der in Art. 3 bezeichneten Behörden erlassenen Entscheidung aus, durch die ein Anspruch über eine Verpflichtung zur Unterhaltspflicht abgeändert wird. Allerdings erscheint es fraglich, ob damit auch diejenigen abändernden Entscheidungen gemeint sind, die eine vorausgegangene ausländische Entscheidung betreffen. Art. 2 Ziff. 4 des Haager Übereinkommens bestimmt nämlich, daß Entscheidungen, die in Widerspruch zu einer Entscheidung stehen, die über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien in dem Staat erlassen ist, in dem er geltend gemacht wird, nicht anerkannt zu werden brauchen. Diese Ansicht wurde bei der Diskussion um die Fassung des Art. 8 auch für die hier in Frage stehenden Entscheidungen vertreten 1 7 . In der Diskussion ging man von folgendem Beispiel aus: Ein Niederländer ist von einem schwedischen Gericht verurteilt worden, einem schwedischen Kind Unterhalt zu zahlen. Ein niederländisches Gericht hat dem Urteil Exequatur erteilt. Danach verlangt der Niederländer bei einem niederländischen Gericht Änderung des Urteils zu seinen Gunsten. Es fragte sich, ob das niederländische Gericht nach Art. 3 Ziff. 1 zuständig ist, so daß das abändernde Urteil in Schweden anzuerkennen ist, ebenso in den anderen Vertragsstaaten.

Die Mehrheit bejahte die mit diesem Beispielsfall aufgeworfenen Fragen. Ihre Ansicht formulierte vor allem der französische Delegierte Holleaux. Er vertrat zwar grundsätzlich den Standpunkt, daß der juge d'exequateur das ursprüngliche Urteil nicht revidieren könne. Jedoch sei eine Unterhaltsentscheidung stets einer Modifikation gem. den veränderten Umständen zugänglich. Nach Art. 2 sei hierfür kompetent sowohl das für den Schuldner wie für den Gläubiger zuständige Gericht. Es bestände 15 Art. 18 lautet: „Dieser Vertrag berührt nicht die Bestimmungen anderer Verträge, die zwischen beiden Staaten gelten oder gelten werden und die für besondere Rechtsgebiete die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, Schiedssprüche oder öffentlicher Urkunden regeln." 16 Vgl. Hoyer-Loewe, Staatsverträge über Rechtshilfe und Vollstreckung sowie über andere Materien des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs in Zivilrechtssachen (1964), wo auf S. 63 Anm. 11 der Vertrag zwischen Deutschland und Österreich über die gegenseitige Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen v. 6. 6. 1959 als ein anderer in Kraft befindlicher Vertrag i. S. von Art. 11 des Haager Ubereinkommens bezeichnet wird. 17 Actes VIII, 205.

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kein durchschlagender Grund für die Gerichte des Landes, in dem der Gläubiger seinen Wohnsitz habe, die Anerkennung und Vollstreckung der Urteile der Gerichte, die für den Schuldner zuständig seien, zu verweigern 18 . Um diese Interpretation auch im Text des Abkommens zum Ausdruck zu bringen, erhielt Art. 8 die jetzige Fassung, in die die Worte „émanant de l'une des autorités visées à l'article 3" aufgenommen wurden 19 . Nur eine solche Auslegung ist auch mit dem Geist des Abkommens vereinbar. Der Zweck des Abkommens ist, den Kindern zu helfen, deren Väter im Ausland leben und nicht bereit sind, für sie zu sorgen 20 . Im vorliegenden Fall soll die abgeänderte Entscheidung in Deutschland vollstreckt werden. Wäre die Entscheidung nur in Österreich abänderbar, so müßten zwei Prozesse durchgeführt werden, der Abänderungsprozeß in Österreich und das Anerkennungsverfahren in Deutschland. Die Möglichkeit der Abänderung in Deutschland würde demnach ein Verfahren sparen. Dieser prozeßökonomische Gesichtspunkt liegt durchaus in der Tendenz des Haager Übereinkommens, das bestrebt ist, die für das materielle Wohl des Kindes jeweils beste Position durchzusetzen 21 . Eine unter dem Gesichtspunkt der veränderten Umstände durchgeführte Abänderung stellt auch keine „révision au fond" dar, d. h. eine sachliche Nachprüfung, die gemäß Art. 2 des Haager Übereinkommens vom 15. 4. 1958 nicht gestattet ist 22 . Die im Ausland erlassene Entscheidung wird in ihrer sachlichen Grundlage nicht angetastet, vielmehr wird über einen im Zeitpunkt der Erstentscheidung noch gar nicht bekannten Sachverhalt entschieden. Insofern liegt die Frage ähnlich wie die Frage der Berücksichtigung von Einwendungen durch den Schuldner gemäß § 767 ZPO, die nach dem Erlaß der ausländischen Entscheidungen entstanden sind. Diese Einwendungen werden aber allgemein zugelassen 23 . Das Argument, aus dem 18

19 Actes VIII, 206. Vgl. Actes VIII, 206. Lansky, Das Haager Ubereinkommen vom 15. 4. 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, Diss. i960, 11. 21 Dieser Gesichtspunkt ist vor allem in Art. 3 des Haager Ubereinkommens v. 24. 10. 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (BGBl. 1961 II, 1012; 1962 II, 16) zum Ausdruck gekommen; vgl. hierzu Mezger, Travaux du Comité français de Droit international privé dixneuvième et vingtième années (1958-1959), Paris 1960, 120 ff. (128 f.). (Darüber neuerdings auch meine Ausführungen zum räumlich-persönlichen Geltungsbereich dieses Ubereinkommens in Festschrift Ficker [1967] 289 ff.) 22 So allerdings Lansky 133. 23 Stein-Jonas-Schönke-Pohle, § 723 ZPO Anm. I 2; wenn sich eine Vollstrekkungsgegenklage gegen ein ausländisches Urteil richtet, das durch eine inländische Entscheidung für vollstreckbar erklärt worden ist, dann ist Prozeßgericht das inländische Gericht, das dem ausländischen Urteil die Vollstreckbarkeit im Zweitstaat verschafft hat, so auch RGZ 165, 374 (379 f.); vgl. zu der ganzen Frage Lansky 131 f. Vorgesehen ist die Vollstreckungsgegenklage ausdrücklich im Ausführungs20

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Internationales

Verlahrensrecht

Gesichtspunkt des Verbotes der „révision au fond" beständen hier keine Bedenken gegen die Berücksichtigung von nachträglich entstandenen Einwendungen, da diese nicht zur Beseitigung der Verurteilung, sondern zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geltend gemacht würden, erscheint in diesem Zusammenhang recht formalistisch. Insofern stellt sich die Abänderung wegen veränderter Umstände nur als ein Sonderfall der Berücksichtigung von nachträglich entstandenen Einwendungen dar. Danach steht fest, daß nach dem Haager Übereinkommen die Vertragsstaaten Abänderungen ihrer eigenen Entscheidungen durch einen anderen Vertragsstaat anerkennen würden. Demgemäß ist auch die jeweils entsprechende internationale Zuständigkeit für derartige Entscheidungen anzunehmen. Die deutsche internationale Zuständigkeit für eine abändernde Entscheidung ist also auch aufgrund des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15. 4. 1958 gegeben.

II Im Vorhergehenden wurde die internationale Zuständigkeit des anfragenden Gerichts zur Abänderung des österreichischen Unterhaltstitels eines österreichischen außerehelichen Kindes durch Auslegung des deutschösterreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens vom 6. 6. 1959 und des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens vom 15. 4. 1958 bejaht. Sollte das anfragende Gericht jedoch dieser Auslegung nicht folgen und die Bestimmungen der als Spezialnormen geltenden Staatsverträge gegenteilig verstehen, so kommt es auf die Frage der internationalen Zuständigkeit des Gerichts für die beantragte Entscheidung nach allgemeinem deutschem internationalem Zivilprozeßrecht an. Daher sind für diesen Fall hilfsweise noch folgende Ausführungen zu machen: 1. Die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Abänderung ausländischer Titel wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Als allgemeines Prinzip wird die deutsche internationale Zuständigkeit für diese Aufgabe überwiegend verneint. a) Die dafür angeführte Begründung ist nicht einheitlich. Das vielzitierte Urteil des Reichsgerichts vom 22. 2. 1927 2 4 begründete seine die Aufhebung eines ausländischen Schiedsspruches ablehnende Entscheidung damit, aus zwischenstaatlichen Rechtsgrundsätzen und aus den Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit bei konstitutiven Rechtsakten gegenüber gesetz vom 18. 7. 1961 zum Haager Übereinkommen vom 15.4.1958 (BGBl. I, 1033), § 7; ebenso geregelt im Ausführungsgesetz zum deutsch-österreichischen Vertrag vom 8. 3. 1960 (BGBl. I, 169), § 7. 24 RGZ 116, 193 (195).

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dem Ausland ergebe sich die internationale Unzuständigkeit deutscher Gerichte für eine Abänderung. Eine abändernde Entscheidung würde die materielle Tragweite der im Ausland getroffenen Entscheidung beeinträchtigen. Würde man die Wirkung auf das Inland beschränken, sei die Rechtssicherheit betroffen 25 . Baumbach-Lauterbach26 und Wieczorek2'1 führen ähnliche Gründe an. Ein ausländisches Urteil äußere, soweit es anzuerkennen sei, Rechtskraftwirkungen nach ausländischem Recht, in das ein deutsches Gericht nicht eingreifen könne. Wieczorek schränkt seine Ansicht allerdings insofern ein, als er Abänderungen zuläßt, insoweit sie das ausländische Recht kennt. Neuner28 schließlich lehnt in erster Linie im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmeverfahren die internationale deutsche Zuständigkeit für derartige Entscheidungen aus Zweckmäßigkeitsgründen ab. Die inhaltliche Verbindung der Abänderungs- (bzw. Aufhebungs-)klage mit einem früheren Verfahren mache es notwendig, daß derselbe Staat, der das erste Verfahren durchgeführt habe, auch den Anhangsprozeß entscheidet. Jedoch sei grundsätzlich eine Aufhebung (Abänderung) durch das Gericht eines anderen Staates mit lokal begrenzter Wirkung denkbar und völkerrechtlich nicht unzulässig. b) Ebenso unterschiedlich sind die eine Abänderung befürwortenden Ansichten. Neben dem praktischen Bedürfnis, ausländische Entscheidungen abzuändern, weil es häufig eine unzumutbare Erschwerung darstelle, die jetzt im Inland wohnenden Parteien an ein ausländisches Gericht zu verweisen, suchen die Anhänger dieser Ansichten durch die These der gegenseitigen internationalen Vertretbarkeit der Gerichte eine Abänderbarkeit zu begründen29. In Auseinandersetzung mit der reichsgerichtlichen These von der Nichtabänderbarkeit „aus zwischenstaatlichen Rechtsgrundsätzen" kommt Neuhaus30 zur grundsätzlichen Zulassung von Abänderungen ausländischer Titel. Entweder folge die Zuständigkeit zur Aufhebung (Abänderung) einer Entscheidung aus dem Recht des „maßgebenden Staates selbst (evtl. aus einem Staatsvertrag mit ihm)" - dann habe die Aufhebung (Abänderung auch Wirkungen für diesen Staat (kraft Zuweisung) oder aber die Aufhebung erfolge „nur kraft eigener Zuständigkeitsregel aus inländischem Interesse heraus". In diesem Falle bleibe die Wirkung auf das Inland beschränkt, so daß „ein Eingriff in die Souveränität des fremden Staates" nicht stattfinde. Ähnlich argumentiert Kegel31. 25 Wegen weiterer Rechtsprechung Soergel-Kegel (9. Aufl. 1961) vor Art. 7 Anm. 389. 26 ZPO (28. Aufl. 1965) § 323 Anm. 1 a. E. 27 ZPO (1957) § 323 F I a. 28 Internationale Zuständigkeit (1929) 32. 29 Beitzke, AcP 151 (1951/52) 268 ff. (275). 30 Grundbegriffe des internationalen Privatrechts (1962) 247 f. 31 Soergel-Kegel, vor Art. 7 EGBGB Anm. 389: Wenn bestimmt werden könne, ob ein Urteil anzuerkennen sei, könnte es auch aufgehoben oder abgeändert werden.

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Veriahrensrecht

Der BGH 32 hat inzwischen im Falle konkurrierender deutscher Zuständigkeit eine ausländische Entmündigung aufgehoben, ohne sich freilich mit der reichsgerichtlichen Ablehnung der Änderung ausländischer Entscheidungen „aus zwischenstaatlichen Rechtsgrundsätzen" auseinanderzusetzen. Einige Ansichten versuchen im Einzelfall mit dem Argument zu helfen, bei der Änderung ausländischer Titel wegen veränderter Umstände handele es sich nicht um eine Änderung des alten Titels, sondern um eine Neuregelung, die die durch die ausländische Entscheidung geschaffene subjektive Rechtslage nicht beeinträchtige 33 . 2. Die sich auf die eine Abänderbarkeit ablehnende Entscheidung des Reichsgerichts 34 stützenden Meinungen führen die Diskussion in erster Linie auf völkerrechtlicher Ebene. Aus dem völkerrechtlichen Grundsatz, daß Eingriffe in fremde Staatshoheitsakte versagt sind, leiten sie das Ergebnis der Unabänderbarkeit einer ausländischen Entscheidung ab. Dieser Grund greift aber selbst dann nicht durch, wenn man die Unabänderbarkeit der Entscheidung lediglich aus dem territorialen Hoheitsprinzip ableiten wollte, ohne die immer mehr in den Vordergrund tretende materielle Wertung internationaler Sachverhalte zu berücksichtigen. Eine ausländische Entscheidung entfaltet nämlich Rechtskraftwirkungen im Inland nicht kraft ausländischer Staatshoheit, sondern kraft inländischer Staatshoheit. Vor der Anerkennung durch ein deutsches Gericht entfaltet die Entscheidung als fremder Staatshoheitsakt nur Rechtswirkungen im Bereich der Rechtsordnung, die sie erlassen hat. Nach Verleihung der Geltung im Wege der Anerkennung wird der Staatshoheitsakt inländischer Akt in materieller und formeller Beziehung. Durch den ausdrücklichen Verzicht auf eine sachliche Nachprüfung (révision au fond) übernimmt die Rechtsordnung auch die Verantwortung für den materiellen Inhalt der ausländischen Entscheidung. Anerkennung bedeutet, daß den ausländischen Richtern und dem ausländischen Recht ebenso wie den eigenen Richtern und dem eigenen Recht vertraut wird 35 . Daher kann ein ausländisches Urteil nicht allein deswegen, weil es ein ausländischer Hoheitsakt ist, anders behandelt werden als eine von einem deutschen Gericht gefällte Entscheidung, die sich trotz ihrer Rechtskraftwirkung unter bestimmten Voraussetzungen eine Abänderung gefallen lassen muß 36 . Die Rücksichtnahme auf die Anerkennung der abändernden 32

BGH JZ 1956, 535 (537); vgl. dagegen aber BGH JZ 1957, 26 (27), und OLG Frankfurt NJW 1957, 307. 33 Staudinger-Raape, Kommentar zum BGB VI/2 (9. Aufl. 1931) 483; Beitzke, Festschrift für Lehmann II (1956) 505; vgl. auch Bötticher, Abänderbarkeit und Rechtskraft im Funktionsbereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit: JZ 1956, 582 ff., und BayObLG FamRZ 1959, 364 ff. 54 35 RGZ 116, 193 (195). So auch Jarck, FamRZ 1956, 296 (298). 36 Eine innerstaatliche Anerkennung, die sich derart blockieren würde, daß jede

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Entscheidung durch den ausländischen Staat, dessen Entscheidung abgeändert wird, berührt diese Frage nicht, sondern beruht auf dem ganz anderen Gesichtspunkt der internationalen Entscheidungsgleichheit, der versucht, sog. hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden 37 . Die lediglich aus dem territorialen Hoheitsprinzip für jeden Fall abgeleitete Unantastbarkeit ausländischer Entscheidungen ist daher bereits im engen Bereich ihrer eigenen Argumentation nicht schlüssig. Auch die Rechtsprechung 38 ist in zunehmendem Umfang nicht mehr bereit, diesem Grundsatz zu folgen 39 . 3. Die Abänderung ausländischer Entscheidungen ist daher - entgegen der verallgemeinernden Auffassung des Reichsgerichts - möglich, sofern das eigene Prozeßrecht (wie im Falle des § 323 ZPO) die Abänderung zuläßt und andere internationalverfahrensrechtliche Sachgesichtspunkte ihr nicht entgegenstehen. Die deutsche internationale Zuständigkeit für die Abänderung eines ausländischen Unterhaltstitels könnte allerdings unter dem internationalverfahrensrechtlichen Gesichtspunkt der engen Verflechtung von anwendbarem Sachrecht und internationaler Zuständigkeit bei rechtsgestaltenden Entscheidungen, die auch RGZ 116, 194 ausdrücklich nur in Betracht gezogen hatte, zu verneinen sein. Hat ein ausländisches Gericht, das international zuständig war, was in der Anerkennung seiner Entscheidung zum Ausdruck kommt, gemäß seinem Sachrecht entschieden, so soll für die Abänderung keine andere internationale Zuständigkeit begründet werden, da in diesem Fall Sachrecht und internationale Zuständigkeit derart eng miteinander verknüpft sind, daß sie nicht auseinandergerissen werden können. Nach diesem „Prinzip des Gleichlaufs" zwischen anzuwendendem Sachrecht und internationaler Zuständigkeit in Fällen enger Verknüpfung von Sach- und Verfahrensrecht ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus dem anzuwendenden Sachrecht. Im vorliegenden Fall könnte sich daher eine österreichische internationale Zuständigkeit ergeben, da das deutsche internationale Privatrecht sachlich auf österreichisches Recht verweist. Gemäß Art. 1 des Haager Übereinkommens vom 24.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht 40 richtet sich das anzuwendende Recht nach dem Aufenthalt des Kindes, im vorliegenden Fall Österreich. Abänderung im Inland ausgeschlossen ist, würde unter Umständen sogar gegen den ordre public verstoßen. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei den Sorgerechtsregelungen Schwimann, FamRZ 1959, 327 mit weiteren Nachweisen. 37 Vgl. Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, 253; Kegel, RabelsZ 30 (1966) 4. 38 LG Bremen N J W 1954, 1708; AG Berlin-Lichterfelde FamRZ 1954, 114; AG Singen FamRZ 1959, 363; in anderem Zusammenhang auch BayObLG FamRZ 1959, 364 und BGH J Z 1956, 535. 39 So ausdrücklich gegenüber RGZ 116, 194 AG Singen, vorige Fußnote. 40 BGBl. 1961 II, 1012; 1962 II 16; Palandt-Lauterbach, BGB (25. Aufl.) Anhang zu Art. 21 EGBGB Anm. 5.

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Internationales

Verfahrensrecht

Freilich ist die Geltung der Gleichlaufthese in der Literatur umstritten 4 1 . Der Standpunkt der Rechtsprechung 4 2 ist - s o w e i t sie sich d i e s e s Prinzip zu e i g e n gemacht hat - geteilt. Allerdings ist zu d i e s e n unterschiedlichen Standpunkten im g e g e b e n e n Zusammenhang nicht abschließend Stellung zu nehmen, da sie zu unterschiedlichen Ergebnissen hier nicht führen. Wird - w i e dies das BayObLG 4 3 im Falle e i n e s Sorgerechtsverfahrens für österreichische Kinder bei gleichzeitiger Anhängigkeit eines parallelen Verfahrens in Österreich getan hat - die A n w e n d u n g des Gleichlaufprinzips abgelehnt und die internationale Zuständigkeit an nicht mehr als an die örtliche Zuständigkeit geknüpft, so ist die internationale Zuständigkeit des Gerichts im v o r l i e g e n d e n Fall ohne w e i t e r e s zu bejahen. Aber auch w e n n das Gleichlaufprinzip berücksichtigt wird, wofür im zu beurteilenden Fall die sehr starke Auslandsbeziehung infolge der Verknüpfung der beantragten abändernden Entscheidung mit d e m vorausg e g a n g e n e n österreichischen Beschluß und der beim Rechtsbehelf des § 323 41 Die These des sog. Gleichlaufs von anzuwendender Sachnorm und internationaler Zuständigkeit ist vor allem in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entwickelt worden. Sie wird befürwortet u. a. von Blankenstein, IPR, I (1926) 332; Nussbaum, Deutsches IPR (1932) 398; Swoboda, Das internationale Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1934) § 26; Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip und Scheidungsakt (1943) 149; Neuhaus, JZ 1951, 646; ders., FamRZ 1959, 482; ders., Grundbegriffe des internationalen Privatrechts (1962) 242 ff.; Makarov, JZ 1952, 725; Beitzke, Internationale Zuständigkeit in Legitimationssachen, in: Festschrift für Kraus (1954) 22 f.; Dölle, ü b e r einige Kernprobleme des internationalen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit: RabelsZ 27 (1962/63) 212 ff. (Rechtsprechungsnachweise 204 Anm. 7). Die These des Gleichlaufs ist für rechtsgestaltende Entscheidungen der streitigen Gerichtsbarkeit übernommen worden, vgl. Frankenstein I, 332; Neuner, Internationale Zuständigkeit (1929) 25; Nussbaum, IPR, 397 f.; Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip und Scheidungsakt, 149; Riezler, IZP, 241 f.; ders., Festschrift Rosenberg, 211; Raape, IPR, 326; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955) 265, und Beitzke, Festschrift Kraus, 22 f.; vgl. auch Süss, Die Anerkennung ausländischer Urteile, Festschrift Rosenberg, 229 ff. Die Gleichlaufthese wird bekämpft von Neuner, Internationale Zuständigkeit, 18; Meiii, Internationales Zivilprozeßrecht (1906) 198; Ziteimann, Internationales Privatrecht, II (1912) 284; Rabei, Aus der Praxis des deutschen IPR, RabelsZ 6 (1932) 314 f.; Josei, J W 1912, 1024 ff.; Seidel, Die Zuständigkeit deutscher Nachlaßgerichte beim Tode von Ausländern (1905) 24 ff.; Reichhoff, Die staatliche Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte (1939) 64; Lewald, Das deutsche IPR (1931) 328 ff. 42 Das BayObLG, NJW 1959, 1038 = FamRZ 1959, 364, hat das Gleichlaufprinzip, für die Beurteilung deutscher internationaler Zuständigkeit abgelehnt; das AG Singen, FamRZ 1959, 363, hat den gegenteiligen Standpunkt eingenommen. In beiden Fällen war über das Sorgerecht für österreichische Kinder zu entscheiden. (Nach Erstattung dieses Gutachtens hat das BayObLG in seiner Entscheidung NJW 1967, 447 die Maßgeblichkeit des Gleichlauf-Grundsatzes auch für die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlaßgerichte eingeschränkt; vgl. dazu auch Heldrich, N J W 1967, 417 ff.) 43 N J W 1959, 1038 = FamRZ 1959, 364.

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ZPO ohnehin gegebenen Verflechtung mit sachrechtlichen Elementen spricht, ist ein abweichendes Ergebnis nicht zu erwarten. Nach dem oben dargelegten Inhalt des Gleichlaufprinzips kann die deutsche internationale Zuständigkeit im vorliegenden Fall dann angenommen werden, wenn sie sich aufgrund der Rechtsordnung ergibt, die nach deutschem Kollisionsrecht maßgeblich ist 44 . Dies ist gemäß dem für die Bundesrepublik Deutschland und Österreich geltenden Haager Unterhaltsabkommen von 1956 das österreichische Recht. Es kommt daher darauf an, ob das österreichische internationale Verfahrensrecht dem ausländischen (deutschen) Gericht internationale Zuständigkeit für die Abänderung eines österreichischen Unterhaltsurteils überläßt. Hierfür ist nach dem vom in dieser Weise aufgelockerten Gleichlaufprinzip vorausgesetzten Gedanken der internationalen Vertretbarkeit der Gerichte 45 zunächst notwendig, daß das österreichische Recht einen § 323 ZPO entsprechenden Rechtsbehelf kennt. Dies ist der Fall. Zwar ist die Abänderung eines Titels auf wiederkehrende Leistungen wegen veränderter Verhältnisse nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen. Die österreichische Rechtsprechung hat jedoch eine derartige Abanderungsklage entwickelt, die inzwischen zur festen Gewohnheit geworden ist 40 . Die Zuerkennung von Alimenten hindert nicht die Klage auf deren Erhöhung oder Herabsetzung, wenn sich das Begehren auf die seither eingetretene Änderung in den Verhältnissen begründet. Ebenso steht dem Anspruch auf Änderung oder Erlöschen einer urteilsmäßig zugesprochenen (Unfalls-, Witwen-)Rente wegen veränderter Verhältnisse die Rechtskraft nicht entgegen Der Gedanke der internationalen Vertretbarkeit der Gerichte bei äquivalenten Rechtsbehelfen liegt offenbar auch dem Vorschlag Wieczoreksis zugrunde, die Abänderung eines ausländischen Titels durch ein deutsches Gericht dann zuzulassen, wenn das entsprechende ausländische Verfahrensrecht einen dem § 323 ZPO äquivalenten Rechtsbehelf besitzt. Freilich ist dann aber darüber hinaus erforderlich, daß das ausländische internationale Verfahrensrecht für diese Abänderung seiner eigenen Ent44

So das AG Singen FamRZ 1959, 363, das über die Abänderung einer österreichischen Sorgerechtsregelung für ein österreichisches Kind zu entscheiden hatte; vgl. ferner Schwimann, FamRZ 1959, 325 ff., und Neuhaus, FamRZ 1959, 482 f. 45 Dazu Reu, Die staatliche Zuständigkeit im IPR (1938) 138 ff.; Riezler, IZP, 10; Schwimann, FamRZ 1959, 325 (328). 46 Vgl. österr. O GH 2. 7. 1958, Evidenzblatt 1958 Nr. 323; 2. 9. 1922, Zentralblatt für die Juristische Praxis 1923 Nr. 93; 19. 5. 1908, Sammlung von Zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes (Giaser-Unger) 45 (1910) Nr. 4245; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen III (1966) § 411 ZPO Anm. 43. 47 Vgl. Stagei-Michimayr, Zivilprozeßordnung und Jurisdiktionsnorm (12. Aufl. 1960) §411 ZPO, Anm. H 7. 48 ZPO, § 323 F I a. 53 Mat.: 11, Gutachten 1965/66

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Verlahrensrecht

Scheidung nicht eine ausschließliche eigene internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt, sondern dem ausländischen (deutschen) Gericht eine konkurrierende Zuständigkeit überläßt. A u d i dies ist der Fall. Zwar ergibt sich im Gegensatz zum deutschen Recht die österreichische internationale Zuständigkeit nicht aus der innerstaatlichen örtlichen Zuständigkeit. Vielmehr sind inländische Gerichtsbarkeit, zu der in Österreich auch die internationale Zuständigkeit gerechnet wird, und örtliche Zuständigkeit, wie sich aus § 28 und § 29 Jurisdiktionsnorm ergibt, selbständige Prozeßvoraussetzungen, die voneinander unabhängig zu betrachten sind 4 9 . Jedoch knüpft bei Vorhandensein eines inländischen Gerichtsstandes die internationale Zuständigkeit an diesen an, woraus allerdings noch nichts über die Frage ausschließlicher oder konkurrierender Zuständigkeit zu entnehmen ist 5 0 . Indessen sind die österreichischen ausschließlichen Gerichtsstände auf die in den § § 7 6 bis 85 der Jurisdiktionsnorm (J. N.) genannten Rechtsstreitigkeiten beschränkt 5 1 . Streitigkeiten über die dem unehelichen Vater gegenüber dem Kind gesetzlich obliegenden Verpflichtungen, namentlich die Unterhaltspflicht nach § 166 ABGB, gehören jedoch nicht dazu. Für sie besteht auch nicht der besondere Gerichtsstand für Klagen aus dem Elternverhältnis gemäß § 100 J.N. 5 2 . Für Unterhaltsstreitigkeiten zwischen dem außerehelichen Vater und seinem Kind gilt vielmehr die allgemeine sachliche Zuständigkeit gem. § 49 II J. N. und der allgemeine örtliche Gerichtsstand nach § 65 J. N. 53 . Dieser Gerichtsstand ist nicht ausschließlich. Daß die daran geknüpfte österreichische internationale Zuständigkeit keine ausschließliche ist, ergibt sich ferner mittelbar aus dem deutschösterreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 6. 6.1959 und dem ebenfalls zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich geltenden Haager Unterhalts-Vollstreckungs-Ubereinkommen vom 15. 4. 1958. Beide Abkommen setzen die konkurrierende internationale Zuständigkeit der Gerichte beider Länder voraus. Eine Ausnahme davon zugunsten einer ausschließlichen österreichischen Zuständigkeit für die Abänderung von Unterhaltstiteln stellt das österreichische internationale Zivilprozeßrecht nicht auf. Die Zuständigkeit für die Abänderung fällt vielmehr ebenfalls unter den allgemeinen und fakultativen Gerichtsstand 5 4 . Dies bedeutet international infolge der Anknüp49 Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen I (Jurisdiktionsnorm) (1959) § 28 Anm. 1; OGH 18. 10. 1950, Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen (S. Z.) 23, Nr. 293 (S. 654 ff.). 50 Vgl. Riezler, IZP (1949) 260. Auch aus den Ausführungen von Fasching, aaO, Vorbem. vor Art. IX EGzJN, läßt sich darüber nichts Gegenteiliges entnehmen. 51 Fasching vor §§ 76 ff. J. N. 52 Fasching § 100 J. N. Anm. 2; wohl auch Stagel-Michlmayr § 100 J. N. Anm. 1. 53 Fasching § 49 J. N. Anm. 6 und § 65 J. N. Anm. 1 u. 4. 54 Fasching § 49 J. N. Anm. 6 zur Abänderung und Aufhebung von Unterhalts-

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fung der internationalen Zuständigkeit an den Gerichtsstand, daß auch die österreichische internationale Abänderungszuständigkeit nur konkurrierend ist. Da somit keine ausschließliche österreichische internationale Zuständigkeit für die Abänderung des österreichischen Unterhaltsurteils gegeben ist, vielmehr dem deutschen Gericht eine konkurrierende Zuständigkeit überlassen wird, ist auch unter Berücksichtigung des Gleichlaufprinzips die deutsche internationale Zuständigkeit für die Abänderung zu bejahen. Auch nach allgemeinem deutschem internationalem Zivilprozeßrecht ist daher das anfragende Gericht für die beantragte Abänderung des österreichischen Unterhaltstitels international zuständig. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Klage unter internationalen Gesichtspunkten sind nach dem Tatbestand nicht ersichtlich. Die von dem anfragenden Gericht unter 1) gestellte Frage ist daher zu bejahen. Zu Frage 2

Das auf die Unterhaltspflicht des außerehelichen Vaters gegenüber seinem Kind, das in Österreich seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, anzuwendende Sachrecht bestimmt sich nach dem Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24. 10. 1956 55 . Dieses Übereinkommen ist für die Bundesrepublik in Kraft seit dem 1.1. 1962; ebenso auch für Österreich vom gleichen Zeitpunkt an 5 6 . Art. 1 I des Übereinkommens lautet: „Ob, in welchem Ausmaß und von wem ein Kind Unterhalt verlangen kann, bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat." Nach Art. 6 des Übereinkommens muß das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes das Recht eines Vertragsstaates sein. Österreich ist Vertragsstaat. Da die Bundesrepublik außerdem weder von dem Vorbehalt des Art. 2 des Übereinkommens Gebrauch gemacht hat noch im Falle Österreichs Art. 3 des Übereinkommens Platz greift, ist österreichisches Sachrecht als das Recht des Kindesaufenthalts im vorliegenden Fall anzuwenden 57 . vergleichen; Stagei-Michlmayr § 49 Z. 2 a Anm. 2: nur ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte. 55 BGBl. 1961 II, 1013, abgedr. bei Palandt-Lauterbach, BGB (25. Aufl. 1966) Anh. zu Art. 21 EGBGB Anm. 5. 5 6 Bekanntmachung v. 27. 12. 1961, BGBl. 1962 II, 16, vgl. auch Palandt-Lauterbach Anm. 2. 57 Zum räumlich-persönlichen Geltungsbereich des Haager Ubereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anwendbare Recht nunmehr eingehend auch meine Ausführungen in Festschrift für Ficker (1967) 289 ff. 53 *

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Nr. 70 Frankreich Ein im französischen Strafverfahren ergangenes Urteil über zivilrechtliche Ansprüche gehört nicht zu den in § 328 ZPO gemeinten Urteilen und kann daher im Inland nicht anerkannt und vollstreckt werden. Im Verhältnis zu Frankreich ist die Gegenseitigkeit im Sinne des § 328 I Nr. 5 ZPO als verbürgt anzusehen. Das auf den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag anwendbare Recht beurteilt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldrechts. Dagegen gilt für die mit der Versicherungspflicht zusammenhängenden Fragen das Territorialitätsprinzip. Auch wenn das Versicherungsverhältnis deutschem Recht untersteht, kommt daher § 158 c I VVG nicht zur Anwendung, wenn der Unfall im Ausland stattgefunden hat (entschieden für einen Unfall vor Inkrafttreten des Kraftfahrzeughaftpflichtänderungsgesetzes vom 5. 4. 1965). Zur kollisionsrechtlichen und materiellrechtlichen Bedeutung der grünen Versicherungskarte. Nach französischer Auffassung unterliegt die Zulässigkeit einer action directe des Unfallopfers gegen den Versicherer bei in Frankreich erfolgten Unfällen nicht dem Versicherungsvertragsstatut, sondern dem französischen Recht. Materiell ist jedoch die action directe nach dem auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Recht zu beurteilen. München G 1258 - 66 vom 11. 7. 1966

Die D. L. Versicherungs AG hat um gutachtliche Stellungnahme zu Fragen der verfahrensmäßigen und sachlichen Abwicklung eines Verkehrsunfalls eines Versicherungsnehmers amerikanischer Staatsangehörigkeit in Frankreich am 27. 8. 1965 gebeten. Der Versicherungsnehmer wurde von einem Strafgericht in Lyon verurteilt. Das Gericht sprach zugleich der W i t w e des bei dem Unfall Getöteten 150 000 frs. Schadenersatz zu. In dem Gutachten wird davon ausgegangen, daß die Gesellschaft dem Versicherungsnehmer B. den Versicherungsschutz wirksam entzogen hatte. Von einer Stellungnahme zu den Fragen des amerikanischen Rechts sieht das Institut wegen unbekannten Wohnsitzes und Aufenthalts des Versicherungsnehmers ab.

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ausländischer

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A. PFÄNDUNG DES DEM VERSICHERUNGSNEHMER B. NACH § 158 c I VVG ZUSTEHENDEN ANSPRUCHES IM WEGE DER VOLLSTRECKUNG DES ADHÄSIONSURTEILS DER STRAFKAMMER V O N LYON ODER EINES NEUEN IN DEUTSCHLAND GEGEN DEN VERSICHERUNGSNEHMER ZU ERSTREITENDEN URTEILS

I. Die Anerkennung 1. Die

des französischen

Adhäsionsurteils

in Deutschland

Problematik

Die Anerkennung ausländischer Strafurteile, die gleichzeitig über die zivilrechtlichen Ansprüche entscheiden, ist in der deutschen Rechtsprechung und Literatur außerordentlich umstritten. Die dabei bezogenen Positionen lassen sich am zutreffendsten kennzeichnen durch eine rein materiellrechtliche Betrachtungsweise, die in klarer Form von Kohlrausch1 und LG München I vom 17.6.1905 2 vertreten wurde, wogegen eine prozessuale Betrachtung von Pagenstecher3 und LG Wiesbaden vom 27. 10. 19234 vertreten wird. Auf eine Auseinandersetzung mit diesen Fundstellen muß sich die gutachtliche Stellungnahme im wesentlichen beschränken, denn die neuere Literatur schließt sich entweder kritiklos einer der vorerwähnten Auffassungen an 5 oder enthält keine Begründung6. Auch Riezler7 trägt zur Klärung der Problematik nicht bei. Er stützt seine Bejahung der Anerkennung auf eine angebliche, „den § 328 ZPO beherrschende ratio", ohne anzugeben, worin er sie erblicken will. Von der Abwägung, welcher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist, muß unterschieden werden die realistische Überlegung, welche Auffassung die größeren Chancen hat, sich tatsächlich durchzusetzen. 2. Die Stellungnahme

des Instituts

Für Kohlrausch und das LG München I ist für die Frage, ob ein im Strafverfahren ergehendes Urteil über einen zivilrechtlichen, insbesondere deliktischen Anspruch in Deutschland anerkannt werden kann, allein die Natur des Anspruchs entscheidend. Liegt ein Anspruch vor, der zivilrechtlicher Art ist, so ist auch das über ihn befindende Urteil insoweit ein bürgerlichrechtliches. Das vorausgegangene Strafverfahren spaltet sich in einen strafrechtlichen und einen bürgerlichen Rechtsstreit auf. Demnach 2 BöhmsZ 16, 252 ff. RheinZ 12, 129 ff. 4 RheinZ 13, 109. RheinZ 12, 139 ff.; 13, 112. 5 Nußbaum, IPR (1932) 430; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, ZPO (17. Aufl.) Anm. III 2 zu § 328 ZPO. 6 Baumbach-Lauterbach, ZPO (28. Aufl.) Anm. 1 B zu § 328 ZPO. 7 Internationales Zivilprozeßrecht (1949) 530. 1

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Veriahrensrechl

bejahen Kohlrausch und LG München I bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch die Anerkennung des zivilrechtlichen Teils eines Strafurteils. Dagegen gehen Pagenstecher und LG Wiesbaden bei der Bestimmung des Urteilsbegriffes in § 328 ZPO von der Vergleichbarkeit des prozessualen Zustandekommens aus. Die Zivilprozeßordnung regelt nach diesen Autoren nur die Zivilgerichtsbarkeit. W e n n sie von ausländischen Urteilen spreche, so habe sie solche ausländischen Entscheidungen im Auge, die in einem dem deutschen Zivilprozeß entsprechenden Verfahren ergangen sind. Nach der Auffassung des Instituts führt nur die von Pagenstecher und LG Wiesbaden vertretene Auffassung zu einem tragbaren Ergebnis. Zunächst ist hervorzuheben, daß im Strafverfahren die Offizialmaxime gilt und deshalb die Ermittlung des Tatsachenstoffes unter ganz anderen Voraussetzungen als im Zivilprozeß erfolgt. Dies gilt auch für das französische Strafverfahren. Deutlich zeigen aber die beiden Urteile des LG München I und des LG Wiesbaden, daß die Bejahung der Anerkennung zu schweren Unzuträglichkeiten führen würde. In beiden Verfahren ging es um die Anerkennung (bzw. Vollstreckbarerklärung) von Strafurteilen des schweizerischen Kantons Zürich. Diese Urteile hatten einen Betrugsfall und einen Ehebruch zum Gegenstand. In beiden Verfahren war es zum Ausspruch von Gefängnisstrafen gekommen. Die Angeklagten hielten sich zur Zeit des Urteils jedoch nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland auf, so daß die Urteile in Abwesenheit ergingen. Betrachtet man die Prozeßlage unter zivilprozessualen Gesichtspunkten, so ist festzuhalten, daß die Angeklagten nur unter Gefahr sofortiger Inhaftierung ihre zivilrechtlichen Belange hätten persönlich wahrnehmen können. Nur durch Aufenthaltsnahme im Ausland konnten sie sich den strafrechtlichen Wirkungen des Urteils entziehen, mußten aber dafür eine Schmälerung ihrer zivilrechtlichen Position in tatsächlicher Hinsicht in Kauf nehmen. Da das Strafverfahren des Versicherungsnehmers B. in Frankreich die Tötung eines Menschen zum Gegenstand hatte, war eine Gefahrenlage für den Angeklagten entstanden, die derjenigen voll entsprach, die in den beiden genannten, die Schweiz betreffenden Verfahren sich ergeben hatte. Auch B. konnte seine zivilrechtlichen Belange im Verfahren nur dann persönlich wahrnehmen, wenn er bereit war, etwaige Folgen der französischen Strafverfolgung auf sich zu nehmen. Diese Erwägungen zeigen, daß Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren wesensmäßig außerhalb der Vorstellungen des deutschen Zivilprozesses liegen. Das ausländische Urteil wird nicht insoweit Zivilurteil, als es über einen deliktischen Ersatzanspruch entscheidet, sondern bleibt im ganzen Umfang Strafurteil, das nach strafprozessualen

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Regeln zustande kommt. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß der Angeklagte und der Anspruchsberechtigte einander nicht in der Rolle gleichberechtigter Parteien gegenüber stehen, sondern der Angeklagte einer gemeinsamen Aktion von Staatsanwalt und Anspruchsberechtigten ausgesetzt ist 8 . Als Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, daß ein im französischen Strafverfahren ergangenes Urteil über zivilrechtliche Ansprüche nicht zu den von § 328 ZPO gemeinten Urteilen gehört. Wegen § 723 II 2 ZPO ist daher auch seine Vollstreckbarkeit ausgeschlossen. Aus den geschilderten Erwägungen lehnt der Direktor des Instituts schon immer die Vollstreckung aus ausländischen Adhäsionsurteilen im Inland ab. Die einprägsamste und kürzeste Begründung hierfür ist die Verschiedenheit des „Klimas" im Straf- und Zivilprozeß. 3. Abwägung

zur Durchsetzbarkeit

des hier vertretenen

Standpunktes

Es wäre der anfragenden Stelle nicht damit gedient, wenn sich das Gutachten mit der Wiedergabe der hier vertretenen Auffassung zur Vollstreckung ausländischer Adhäsionsurteile begnügen würde. Die Umstrittenheit der Antwort auf die gestellte Frage erfordert vielmehr auch eine Bemerkung zur Durchsetzbarkeit der hier für richtig gehaltenen Auffassung. Hier stehen sich nun zwei Tendenzen in der Praxis gegenüber: einerseits die bekannte Beharrungskraft der Gerichte, welche jeglicher ungewohnten und nicht alltäglichen Prozedur ablehnend gegenüberstehen. Andererseits darf aber nicht übersehen werden, daß die Intensivierung der internationalen Rechtsbeziehungen einer wachsenden Großzügigkeit bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen förderlich ist. Wenn der Gutachter die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Adhäsionsurteile für eine fehlgeleitete Weltoffenheit hält, so ist doch auf folgendes hinzuweisen: Aus seinem recht engen Kontakt mit Justizorganen hat der Gutachter den Eindruck, daß die von ihm abgelehnte Auffassung in Justizkreisen im Vordringen ist. II. Folgerungen bei Zugrundelegung der gegenteiligen von Kohlrausch, Riezler und LG Berlin I

Auflassung

Geht man von der - hier abgelehnten - Annahme aus, daß Adhäsionsurteile unter § 328 ZPO (und damit auch unter § 722 ZPO) fallen, so ist zunächst festzuhalten, daß unter den gegebenen Umständen nur Nr. 1 8 Zu den Vorteilen der Geltendmachung zivilrechtlicher Deliktsansprüche im Strafverfahren vgl. Carbonnier, Droit Civil II (1957) 678. Die gesetzlichen Vorschriften, aus denen sich die verfahrensmäßige Stellung des Zivilklägers ergibt, finden sich in Artt. 2 ff. des Code de Procédure Pénale vom 31. 12. 1957 in der Fassung vom 23. 12. 1958.

840

Internationales

Verfahrensrecht

und 5 des § 328 ZPO einer Anerkennung entgegenstehen könnten. Eine französische internationale Zuständigkeit im Sinne von § 328 Nr. 1 wäre aber nach § 32 ZPO begründet gewesen. Auch aus Nr. 5 kann ein Hinderungsgrund nicht abgeleitet werden. Zwar ist von der deutschen Literatur immer wieder geltend gemacht worden, daß wegen der im französischen Exequaturverfahren stattfindenden révision au fond, d. h. einer Tatsachenüberprüfung, die Gegenseitigkeit nicht verbürgt sei 9 . Diese Auffassung stimmt aber jedenfalls nicht mehr seit der Entscheidung der französischen Cour de Cassation vom 7.1.1964 10 . Nach dieser Entscheidung hat sich der Exequaturrichter bei der „révision au fond" auf die Prüfung ganz bestimmter Punkte zu beschränken, die etwa dem § 328 ZPO entsprechen. Die révision au fond stellt daher nicht mehr eine Überprüfung deutscher Urteile in tatsächlicher Hinsicht dar. Damit trifft der Mangel der Gegenseitigkeit 11 auf die révision au fond des französischen Rechts nicht mehr zu. Mit der Feststellung der Voraussetzungen der Anerkennung ist jedoch die Wirkungskraft des Urteils noch nicht festgelegt. Stein-Jonas-SchönkePohIe l l a stellen fest, daß das Urteil in gleicher Weise wirkt wie ein deutsches; der Inhalt und persönliche Umfang der Rechtskraft ist als wesentliches Element der Entscheidung jedoch nach der lex fori des Urteilsgerichts zu beurteilen. Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt auch aus der Erwägung, daß nur die lex fori in der Lage ist, die Grenzen für die Wirkungskraft der unter seiner Herrschaft entstandenen Staatsakte zu bestimmen. Auch wenn die Verbindung von Straf- und Zivilverfahren auf die Ausgestaltung des letzteren nach den obigen Darlegungen wesentlichen Einfluß hat, ändert das nichts an seinem zivilrechtlichen Inhalt 12 . Auch die Rechtskraftregeln für Zivilentscheidungen kommen deshalb zur Anwendung. Die Lehre von der Rechtskraft für Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche hat das französische Recht nicht verfahrensmäßig ausgestaltet, sondern entsprechend älterer gemeinrechtlicher Lehren im Komplex der „présomptions" in Artt. 1349 ff. Code Civil geregelt. Nach Art. 1350 Nr. 3 gehört die Rechtskraft („chose jugée") zu den présomptions légales, deren Wesen im Ausschluß jedes Gegenbeweises gegen die Richtigkeit der Vermutung besteht 1 3 . 9

Vgl. Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Anm. VIII H 19 zu § 328 und BaumbachLauterbach, Anhang zu § 328 ZPO. 10 FamRZ 1965, 46 mit Anm. von Sonnenbeiger. 11 Wie ihn zutreffend Stein-Jonas-Schönke-Pohle Anm. VIII A zu § 328 herausgearbeitet haben. 110 §328 Anm. 12. 12 Vgl. insbesondere die klare Trennung beider in Artt. 1 und 2 des Code d'Instruction Criminelle. 13 Vgl. Art. 1352 Code Civil.

Anerkennung

ausländischer

Entscheidungen

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Frankreich

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Die chose jugée ist selbst in Art. 1351 Code Civil geregelt. Hinsichtlich der persönlichen Rechtskraftgrenzen heißt es dort: „II faut ... que la demande soit entre les mêmes parties, et formée par elles et contre elles en la même qualité."

Es muß sich um eine Klage zwischen den gleichen Parteien handeln, die sich in der gleichen Parteirolle befinden müssen.

Damit kann auch bei Anerkennung des gegen den Versicherungsnehmer ergangenen Urteils dieses keine Rechtskraft gegenüber der anfragenden Versicherungsgesellschaft bewirken. Es ergibt sich daraus, daß dieses Urteil auch nicht in einem Verfahren nach §§ 722, 723 ZPO gegen die Versicherungsgesellschaft für vollstreckbar erklärt werden kann, da an diesem Verfahren nur solche Dritte beteiligt sein können, gegen die das Urteil wirkt 1 4 . III. Die Problematik

einer Pfändung in Deutschland bei der unter II dargestellten Auflassung

Zugrundelegung

Obwohl das Institut aus den dargestellten Gründen der Auffassung ist, daß eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des französischen Adhäsionsurteils nicht in Betracht kommt, ist doch bei dem gegenwärtigen Streitstand nicht auszuschließen, daß sich gelegentlich deutsche Gerichte zur gegenteiligen Meinung bekennen. Vermag das Urteil, wie dargestellt, auch keine unmittelbare Wirkung gegen die anfragende Gesellschaft zu äußern, so ist seine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung gegen den Versicherungsnehmer doch insofern bedeutungsvoll, als im Stadium der Urteilsvollstreckung die Witwe des Unfallgetöteten im W e g e der Forderungspfändung nach § 829 ZPO versuchen könnte, auf die Ersatzforderung des Versicherungsnehmers zurückzugreifen. Es wird deshalb erforderlich, die Frage zu prüfen, welchen Einfluß die Entziehung des Versicherungsschutzes durch die Gesellschaft ausüben konnte. Diese Frage wiederum macht zuvor eine Klärung der kollisionsrechtlichen Rechtslage erforderlich, da erst aus der Ermittlung des sachlich auf die Ersatzforderung anwendbaren Rechts eine Beurteilung der Wirksamkeit der Entziehung des Versicherungsschutzes und seiner Auswirkungen möglich wird. Dabei ist auf folgendes hinzuweisen. Bei einer Forderungspfändung in Deutschland und den sich im Laufe ihrer Durchführung ergebenden Streitigkeiten interessiert der Standpunkt des französischen IPR nur sekundär, sofern eine sog. Rückverweisung beachtlich wird. Für die Ermittlung des anwendbaren Forderungsstatuts ist primär von den Regeln des deutschen IPR auszugehen. 14

Vgl. Baumbach-Lauterbach, Pohle, Anm. III 3 zu § 722 ZPO.

Anm. II A zu § 722 ZPO;

Stein-Jonas-Schönke-

Internationales

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Veriahiensrecht

IV. Das auf den Versicherungsvertrag 1. Einleitende

anwendbare

Recht

Bemerkungen

Bei der Ermittlung des Forderungsstatuts ist davon auszugehen, daß der Versicherungsnehmer B. bei seiner Einreise in Frankreich eine gültige grüne Versicherungskarte bei sich führte, nach deren Ziffer (1) „das Büro des betreffenden Landes ... hinsichtlich des in dieser Versicherungskarte bezeichneten Fahrzeuges die Pflichten eines Haftpflichtversicherers, und zwar nach Maßgabe der im betreffenden Lande geltenden Gesetze", übernimmt. Es ist weiter davon auszugehen, daß es bei einer Forderungspfändung in Deutschland nicht um die Stellung des französischen Regulierungsbüros geht, sondern ausschließlich um die Stellung des deutschen Versicherers. 2. Das

Versicherungsvertragsstatut

Es kann als unproblematisch zugrunde gelegt werden, daß das auf einen Versicherungsvertrag anwendbare Recht nach den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldrechts ermittelt wird. Dabei kann im vorliegenden Fall kein Zweifel daran bestehen, daß der Vertrag grundsätzlich deutschem Recht zu unterstellen ist. Problematisch ist aber, ob sich hieran durch die grüne Versicherungskarte etwas ändert. Hierzu führt Prölss15 aus: „Wenn . . . ein Versicherungsvertrag besteht und das ausländische Büro oder ein ausländischer Versicherer nur die Erfüllung dieses Vertrages gemäß seinem Pflichtversicherungsgesetz garantiert, muß der Versicherungsvertrag zwischen dem inländischen, in unserem Fall in Deutschland zugelassenen, Versicherer und seinem inländischen Versicherungsnehmer bestehen, und der inländische (deutsche) Versicherer bedient sich des ausländischen Verbandes (Versicherers), um seine Verpflichtungen zu erfüllen; er ist ja nicht gehalten, ,in Person' (§ 267 I BGB) zu leisten. Es ist der ursprüngliche Vertrag, aber sein Inhalt hat sich gewandelt, ohne daß dieser Wandel aus dem Versicherungsschein oder anders als andeutungsweise aus der grünen Karte zu ersehen wäre; für den von der grünen Karte geographisch erfaßten Teil seines Geltungsbereichs untersteht der Versicherungsvertrag nicht mehr deutschem Recht, sondern dem Recht dieses Gebiets - ja, die grüne Karte beurkundet ein Versicherungsverhältnis mit wechselnder Rechtszuständigkeit: jedesmal, wenn der deutsche Kraftfahrer die Grenze zu einem anderen Land mit lückenloser Pflichtversicherung überschreitet, wird das Recht dieses Landes für wesentliche Teile des Versicherungsvertrages 15 International-rechtliche Aspekte der Kraftfahr-Haftpflichtversicherung (Karlsruhe 1957), 18-20.

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ausländischer

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maßgeblich, bei einer Reise, die durch Belgien, Luxemburg und die Schweiz führt, also nacheinander belgisches, luxemburgisches und schweizerisches Recht... Der durch die grüne Karte dokumentierte Teil des Versicherungsvertrages ist, soweit es sich um die Leistung des Versicherers und alle damit zusammenhängenden Fragen handelt, dem ausländischen Recht unterworfen, wie wenn er mit einem ausländischen Versicherer im Ausland abgeschlossen worden wäre. Daß ein Teil eines Vertrages nach einem anderen Recht zu beurteilen ist als dem, das den Vertrag allgemein beherrscht, ist nichts Besonderes; es handelt sich um das im internationalen Privatrecht seit langem anerkannte ,Nebenstatut', um die Rechtsfigur der vertraglichen Teilverweisung. Die Teilverweisung folgt daraus, daß der Versicherungsnehmer die grüne Karte, in der ausdrücklich auf die Regelung von Schäden nach ausländischem Pflichtversicherungsrecht hingewiesen wird, beantragt und von seinem Versicherer erhalten hat.*

Die sich daraus ergebende Schlußfolgerung für den vorliegenden Fall wäre, daß die Pflichtenstellung des deutschen Versicherers (nicht etwa nur des französischen Regulierungsbüros!) nach französischem Haftpfliditrecht zu bestimmen wäre, soweit es sich um in Frankreich entstandene Ansprüche handelt. An einem praktischen Problem demonstriert, würde die Auffassung von Prölss darauf hinauslaufen, daß die Witwe des Unfallgetöteten gegen die deutsche Versicherungsgesellschaft einen unmittelbaren Anspruch hat, den sie im Wege der action directe gegen die Gesellschaft in Deutschland einklagen könnte. Nach der Auffassung des Instituts kann der Meinung von Prölss hier nicht gefolgt werden, da sie die Problematik nicht hinreichend differenziert. Unzutreffend ist zunächst, daß das ausländische Büro oder der ausländische Versicherer nur eine Garantiefunktion besitzt, wie Prölss, aaO, ausführt. Der Wortlaut der grünen Versicherungskarte sagt vielmehr, daß das Regulierungsbüro die Pflichten des Versicherers nach Maßgabe des betreffenden Gastlandes übernimmt. Prölss selbst sagt I 5 a , daß die Regulierung aufgrund einer eigenen Verpflichtung des Regulierungsbüros als „handling office" geschieht. Dabei kann es in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob etwa eine privative oder nur kumulative Schuldübernahme in der Haftungsübernahme durch das Regulierungsbüro liegt. Auf diese Frage ist später noch zurückzukommen. Aus dem Wortlaut der grünen Versicherungskarte kann nichts dafür entnommen werden, daß der Versicherer seine Vertragsverpflichtungen den unterschiedlichen Rechten der verschiedenen von der Karte gedeckten Staaten zu unterstellen bereit ist. Dennoch ist Prölss insoweit zuzustimmen, als er eine Änderung des Inhalts des Versicherungsvertrages annimmt. Nur ist diese Änderung nicht kollisionsrechtlicher, sondern materiellrechtlicher Natur außerordentlich komplizierter Art, die in der Be15

AaO 9.

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Internationales

Veriahrensrecht

griindung eines Dreiecksverhältnisses zwischen Versicherer-Versicherungsnehmer und Regulierungsbüro besteht. Dieses Verhältnis läßt sich dadurch kennzeichnen, daß der deutsche Versicherer zusätzlich zu seinen Verpflichtungen nach § 149 W G mit der Ausstellung der grünen Versicherungskarte die Verpflichtung übernimmt, den Versicherungsnehmer von der diesem in Frankreich nach Art. 32 des Décret Nr. 59-135 1 6 obliegenden Pflicht zum Abschluß einer „assurance frontière" dadurch freizustellen, daß er ihm einen vom französischen Staat akzeptierten Haftungsträger verschafft. Die grüne Karte dient dabei u. a. zum Nachweis gegenüber den französischen Grenzbehörden, daß ein solcher Haftungsträger für Frankreich bestellt ist und der Versicherungsnehmer dadurch der Versicherungspflicht Genüge getan hat. Im übrigen werden aber die Pflichten des deutschen Versicherers weiter vom deutschen Recht beherrscht. Eine völlig andere Frage ist freilich die Ausgestaltung des zwischen dem deutschen Versicherer und dem ausländischen Regulierungsbüro bestehenden Rechtsverhältnisses und die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Versicherungsnehmer und Regulierungsbüro. Die materiellrechtliche Aufgliederung der Problematik hat zwangsläufig auch eine kollisionsrechtliche Differenzierung der Rechtsbeziehungen zur Folge. Gesondert behandelt werden müssen danach der Versicherungsvertrag, das Haftungsverhältnis, aus welchem das Regulierungsbüro verpflichtet ist, und das Rückgriffsverhältnis, aus dem eine Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Regulierungsbüro entstehen kann. Ist nun der Sinn der grünen Versicherungskarte darauf beschränkt, den Versicherten von der in Frankreich bestehenden Versicherungspflicht freizustellen, indem ihm ein Haftungsträger in Frankreich bereitgestellt wird, so ergibt sich, daß der Versicherungsvertrag selbst davon kollisionsrechtlich gar nicht berührt werden kann. Da nun oben bereits festgestellt wurde, daß im übrigen kein Zweifel daran besteht, daß sich der Vertrag zwischen der anfragenden Gesellschaft und B. nach deutschem Recht richtet, verbleibt es dabei auch trotz der Ausstellung einer grünen Versicherungskarte. Auf diese Weise entfällt auch die bei der Auffassung von Prölss unvermeidliche Folgerung, daß gegen den deutschen Versicherer der in Frankreich bekannte unmittelbare Anspruch des Geschädigten geltend gemacht werden kann. 3. Folgerungen aus der Anwendbarkeit deutschen Rechts für die Verpflichtungen des deutschen Versicherers Mit dem Ergebnis, daß sich die Verpflichtungen der anfragenden Gesellschaft selbst nach deutschem Recht beurteilen, stellt sich für den vorliegenden Fall die Problematik der kollisionsrechtlichen Qualifizierung 16

Vom 7. 1. 1959, D. 1959 Leg. 263.

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des § 158 c I VVG. Hat nämlich die Gesellschaft dem Versicherungsnehmer B. den Schutz wirksam entzogen, was hier unterstellt werden soll, so kommt eine pfändungsfähige Forderung nur noch über diese Vorschrift in Betracht. Bevor auf die kollisionsrechtliche Qualifizierung dieser Vorschrift im einzelnen eingegangen wird, ist darauf aufmerksam zu machen, daß hinsichtlich des am 27. 8. 1965 entstandenen Unfalls das neue Gesetz über die Pflichtversicherung für Kfz-Halter 17 nicht zur Anwendung gelangt, da es ohne Rückwirkung erst am 1. 10.1965 in Kraft getreten ist 1 8 .

V. Die kollisionsrechtliche Qualifizierung des § 158 cl VVG und materiellrechtliche Schlußfolgerungen 1. Einführung in das

Qualifikationsproblem

Soweit es sich um eine Verpflichtung zum Schadenersatz aus einer unerlaubten Handlung handelt, ist nach der ganz einhelligen Meinung der deutschen internationalprivatrechtlichen Rechtsprechung und Literatur das Deliktsstatut selbst maßgeblich, da dieses nicht nur über die Anwendbarkeit der materiellen Deliktsvorschriften entscheidet, sondern auch über die Deliktsfolgen 19 . So entscheidet beispielsweise auch das Deliktsstatut über die Haftung von Mittätern. Wollte man die Haftung der Versicherungsgesellschaft als Deliktsfolge einordnen, so würde sie vorliegendenfalls nach französischem Recht zu beurteilen sein und das Versicherungsvertragsrecht höchstens insoweit herangezogen werden können, als es um die Frage geht, ob die Versicherung überhaupt zum Kreis der Haftenden gehört. Anders verhielte es sich, wenn man die Haftung der Gesellschaft allein als Folge des Versicherungsvertrages betrachtet und damit dem Versicherungsstatut unterwirft. Dann nämlich würde sich die Anwendbarkeit des § 158 c I VVG ohne Rücksicht auf das Deliktsstatut jedesmal ergeben, wenn der Versicherungsvertrag, wie im vorliegenden Fall, deutschem Recht unterliegt. Eine dritte Möglichkeit wäre es schließlich, daß man die Haftungsregel des § 158 c I VVG sowohl vom Versicherungsträger als vom Deliktsstatut löst und in ihm eine Vorschrift zur Sicherung des territorialen Unfallschutzes erblickt, deren Anwendbarkeit voraussetzt, daß ein dem VVG unterstehender Versicherungsvertrag vorliegt und außerdem der Unfall in Deutschland passierte. 17 19

18 Vgl. § 16 aaO; Prölss, N J W 1965, 1743. BGBl. 1965 I 213. Vgl. statt vieler Soergel-Kegel, BGB (9. Aufl.) Anm. 47 zu Art. 12 EGBGB.

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Internationales

2. Der gegenwärtige

Streitstand

Veriahrensrecht

D i e S t e l l u n g n a h m e n in Literatur u n d Rechtsprechung zum Haftpflichtrecht und s e i n e n internationalrechtlichen A u s w i r k u n g e n sind sehr spärlich u n d durch g r o ß e d o g m a t i s c h e Unsicherheit g e k e n n z e i c h n e t . In a l l g e m e i n g e h a l t e n e r Formulierung s a g t Prölss 20: „Was den Geltungsbereich der deutschen obligatorischen Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter betrifft, so wird man wegen des engen Zusammenhanges mit dem Auto-Haftpflichtrecht anzunehmen haben, daß die besonderen Bestimmungen zum Schutz des geschädigten Dritten nur dann anzuwenden sind, w e n n das zum Schadenersatz verpflichtende Ereignis innerhalb Deutschlands stattgefunden hat, obwohl an sich für Europa Deckung gewährt wird. Andererseits gilt deutsches Versicherungsrecht nur, wenn der Versicherungsvertrag nach den Regeln des internationalen Privatrechts deutschem Recht untersteht." N a c h d i e s e r A u f f a s s u n g k ä m e im v o r l i e g e n d e n Fall § 158 c I V V G nicht z u m Zuge. Z w a r u n t e r l i e g t der V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g d e u t s c h e m Recht, aber der Unfall e r e i g n e t e sich außerhalb Deutschlands. Mit e i n e m Fall d e s § 158 c I V V G b e f a ß t e sich das Urteil d e s OLG Saarbrücken v o m 6. 6 . 1 9 5 6 2 1 . In d i e s e m Urteil h e i ß t es: „Diese Vorschrift verstärkt zwar die Position des Geschädigten und räumt ihm ein Recht auf Befriedigung auch für den Fall ein, daß der Versicherungsnehmer und Schädiger selbst seine Versicherungsansprüche eingebüßt hat. Diese Rechtswohltat kann jedoch nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 12 EGBGB dem ausländischen Geschädigten bei einem Unfall im Ausland nicht zugute kommen. Würde allerdings eine vertragliche Haftung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehen, dann stände nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nichts im Wege, auf diese Forderung zur Befriedigung zurückzugreifen. Die Vorschrift des § 158 c VVG statuiert jedoch - im Gegensatz zur Meinung der Kl. - eine außervertragliche und keine vertragliche Haftung des Versicherers. Zwar knüpft die Bestimmung an den Versicherungsvertrag, also ein Vertragsverhältnis, an. Dennoch wird der Versicherungsnehmer praktisch ausgeschaltet. Der Geschädigte tritt zu dem Versicherer im wesentlichen ohne die Mittlerschaft des Versicherungsnehmers, der seine Ansprüche gegen den Versicherer ja verloren hat, in Rechtsbeziehungen. Es geschieht dies nicht kraft des Vertrages, sondern originär kraft Gesetzes. Daran kann der Umstand nichts ändern, daß der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer zugunsten des Geschädigten als fortbestehend fingiert wird, wie dies im Schrifttum zum VVG ausgeführt wird, weil das Gesetz im § 158 c VVG bestimme, daß der Geschädigte keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer erwerbe. Diese Fiktion ist nicht geeignet, .vertragliche 20 Die Versicherung der gesetzlichen Haftpflicht für Kraftfahrzeugunfälle, in: Deutsche Landesreferate zum III. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in London 1950, 578 f. 21 IPRspr. 1956/57 Nr. 51 = VersR 1957, 145.

Anerkennung

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oder vertragsähnliche' Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer fortbestehen zu lassen. Es kann, auch wenn ein Anspruch des Versicherungsnehmers fingiert wird, nicht übersehen werden, daß dieser fingierte Anspruch originär, durch Gesetz, geschaffen worden ist; allein durch Gesetz ist die Haftung des Versicherers begründet worden. Es trifft deshalb nicht den Kern der Sache, von einem Vertragsverhältnis oder vertragsähnlichen Verhältnis auszugehen, nur weil der Gesetzgeber an eine erloschene Vertragsverpflichtung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer anknüpft. Insbesondere ist nicht einzusehen, inwiefern eine rein gesetzliche Regelung auch nur ein quasi-vertragliches Verhältnis solle begründen können, da Gesetz und Vertrag in ihrem Wesen nichts miteinander zu tun haben. Allerdings kann der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit einschränken. Aber auch z. B. bei dem diktierten Vertrag' darf nicht übersehen werden, daß im Gegensatz zum Vertrage nicht der Parteiwille, sondern das öffentliche Recht der Entstehungsgrund des Schuldverhältnisses ist (vgl. Palandt [BGB, 14. Aufl.] Einleitung vor § 241 BGB Anm. 1 b am Schlüsse nebst Schrifttumsangaben). Das Gesetz und nicht der Versicherungsvertrag ist also das Primäre. Es schafft erst eine Haftpflicht des Versicherers, die ohne dies - aufgrund des Versicherungsvertrages - nicht gegeben wäre. Gegen den (Versicherungs-)Vertrag wird kraft Gesetzes praktisch ein neuer Schuldner für den Geschädigten - der Versicherer - eingeführt. Wie der deutsche Gesetzgeber dies gesetztechnisch gelöst hat, kann daran, daß praktisch ein neuer Haftpflichtiger, ein dritter Schuldner, eingeführt worden ist, nicht entscheidend etwas ändern. Die Lösung ist in ihrem Schwergewicht dennoch nicht vertraglicher, sondern gesetzlicher Natur; ein öffentlich-rechtliches durch Gesetz begründetes Schuldverhältnis und nicht ein vertragliches Schuldverhältnis ist der wirkliche Grund für die Haftung des Versicherers. Der Versicherungsnehmer ist nur scheinbar Mittler zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer." Im Ergebnis stimmt das Urteil mit den Ausführungen von Prölss überein, würde also ebenfalls § 158 c I V V G nicht anwenden, wenn der Unfall im Ausland geschehen ist. 3. Die maßgeblichen

Qualifizierungsgesichtspunkte

Das Qualifizierungsproblem kann nicht richtig gelöst werden, ohne daß zunächst einige offenbare Unrichtigkeiten, insbesondere in der Begründung des OLG Saarbrücken, ausgeräumt werden. An dieser Entscheidung ist vor allem unverständlich die Bezugnahme auf Art. 12 EGBGB. Diese Vorschrift besagt nur, daß ein deutscher Deliktsschuldner nicht in weiterem Maße als nach deutschem Recht in Anspruch genommen werden kann. Art. 12 EGBGB schließt also weitergehende ausländische Vorschriften aus. Er kann aber nicht zum Ausschluß deutscher Rechtsvorschriften führen. Im übrigen wirkt die Begründung des OLG Saarbrücken in ihrer Mischung aus privatrechtlicher Anspruchsfiktion und öffentlichrechtlicher Haftung kraft Gesetzes unentschlossen und verworren. Falsch ist es zunächst, wenn

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Internationales

Veriahrensrecht

das OLG davon spricht, daß der Anspruch nicht auf Vertrag, sondern auf Gesetz beruht. § 158 c I besagt nämlich ganz klar, daß die ursprüngliche Verpflichtung des Versicherers bestehen bleibt. Diese ist lediglich im Gegensatz zu § 149 VVG u. a. dahingehend eingeschränkt, daß sie nur noch in Gestalt einer Leistungspflicht des Versicherers im Falle der Inanspruchnahme durch den Geschädigten besteht. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß auch die Pflicht des Versicherers bei Fortbestand des Versicherungsschutzes des Versicherungsnehmers sich in diesem Sinne konkretisieren kann 2 2 . Die Ausführungen des OLG Saarbrücken können deshalb keinen anderen Sinn haben, als daß eben jeder Vertrag die Wirkungen hat, die der Parteiwille oder das Gesetz vorschreiben. Mit der Erklärung der vertraglichen Natur des Fortbestehens der Leistungspflicht entfällt ohne weiteres auch die Annahme eines öffentlichrechtlichen Schuldverhältnisses. Das Gericht setzt sich über die vertragliche Ausgestaltung des Fortbestehens des Anspruchs durch § 158 c I VVG damit hinweg, daß es gleichgültig sei, „wie der deutsche Gesetzgeber dies gesetztechnisch gelöst hat", daß es vielmehr nur darauf ankomme, was „praktisch" damit erreicht wird. Mit dieser Argumentation läßt sich jede Entscheidung des Gesetzgebers für die Formulierung eines bestimmten Rechtsinstituts aus den Angeln heben. Dabei ist auf ein Weiteres hinzuweisen. In dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen neuen Kfz-Haftpflichtgesetz hat der Gesetzgeber in § 3 die bisherige Regelung aufgegeben und dem Geschädigten einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer gegeben, der „an die Stelle" des Versicherungsvertragsanspruches aus § 1 des Gesetzes tritt. Damit hat er eine klare Abwendung von der vertraglichen Struktur vollzogen und gleichzeitig zu erkennen gegeben, daß er die bisherige privatrechtliche Ausgestaltung nicht mehr für ausreichend hielt. Es geht aber nicht an, dieser neuen gesetzlichen Regelung praktisch dadurch zur Rückwirkung zu verhelfen, daß man die früher von ihm getroffene Regelung aus Gründen der Praktikabilität bereits der neuen Regelung gleichstellt. Nach der Auffassung des Institutes ist es aber auch nicht erforderlich, mit dem OLG Saarbrücken die Problematik des § 158 c I VVG unter Außerachtlassung grundlegender methodischer Voraussetzungen zu lösen. Vielmehrbieten die Darlegungen von Piölss23 einen entscheidenden Ansatz zur richtigen Lösung. Prölss spricht in seinen Ausführungen von „besonderen Bestimmungen zum Schutz des geschädigten Dritten", die sich aus dem engen Zusammenhang mit der obligatorischen Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter ergeben. Verfolgt man diesen Gedankengang weiter, so gelangt man zwangsläufig zu einer Zweiteilung der aus einem VerVgl. Piölss, VVG (15. Aufl. 1965) Anm. 1 zu § 149 VVG. In: Deutsche Landesreferate zum III. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, 578 f. 22 23

Anerkennung ausländischer Entscheidungen / Frankreich

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sicherungsvertrag entstammenden Ansprüche. Zunächst handelt es sich um Ansprüche, die ihre Rechtfertigung im Grundsatz der Privatautonomie haben und trotz des Pflichtversicherungsprinzips abänderlich sind und durch Parteivereinbarung beschränkt und sogar ausgeschlossen werden können. Grundlage zur Rechtfertigung der Ansprüche des Versicherten durch das Prinzip der Privatautonomie ist § 149 VVG. Die Möglichkeit der Parteien des Versicherungsvertrages, durch Vereinbarung den Versicherungsanspruch einzuschränken oder auszuschließen 24 , ist mit dem Zweck der Pflichtversicherung, einen umfassenden Versicherungsschutz für das gesamte Staatsgebiet zu gewähren, nicht zu vereinbaren. Infolgedessen bedurfte es einer Einschränkung der Privatautonomie, wie sie in § 158 c VVG auch erfolgte. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß § 158 c auch räumlich in einem besonderen Gesetzesabschnitt über die Pflichtversicherung untergebracht ist. Das Auseinanderfallen von versicherungsrechtlicher Privatautonomie und Versicherungspflicht ist auch für die kollisionsrechtliche Problematik von Bedeutung. Von Sonderfragen abgesehen, ist ja für den Versicherungsvertrag grundsätzlich von der Geltung der Regel der Maßgeblichkeit kollisionsrechtlicher Privatautonomie auszugehen 25 . Selbst aber wenn es danach nicht ausgeschlossen ist, daß auch die Parteien eines Kraftfahrzeughalterhaftpflicht-Versicherungsvertrages in Deutschland die Anwendung ausländischen Versicherungsvertragsrechts vereinbaren, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß sie sich hierdurch der Versicherungspflicht nicht entziehen können, denn diese ist eindeutig öffentlichrechtlichen Charakters. Dies hat aber notwendig zur Folge, daß auch die versicherungsvertraglichen Auswirkungen der öffentlich-rechtlichen Versicherungspflicht nicht dem Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie unterliegen können. Auf die vorliegende Problematik angewendet bedeutet dies, daß die Parteien des Versicherungsvertrages durch Unterwerfung ihrer Vertragsbeziehungen unter ein ausländisches Recht die Anwendung des § 158 c I VVG alter Fassung nicht ausschließen konnten. Daraus muß aber umgekehrt der Schluß gezogen werden, daß aus der Maßgeblichkeit deutschen Versicherungsvertragsrechts, wie im vorliegenden Fall, nicht auch automatisch die Anwendung derjenigen Vorschriften folgt, die in privatrechtlicher Gestalt die öffentlich-rechtliche Versicherungspflicht wirksam sichern sollen. Vielmehr muß für diese eine eigene kollisionsrechtliche Lösung gefunden werden, die sinnvoll nur am Institut der Versicherungspflicht selbst anknüpfen kann. Da der deutsche Gesetzgeber nur die Möglichkeit hat, für seinen eigenen Hoheitsbereich einen umfassenden Versicherungsschutz zu gewährleisten, so kann im Ergebnis 21 25

54

Vgl. Prölss, VVG (15. Aufl.) Anm. 4 und 7 zu § 149 VVG.

Vgl. Bruck-Möller,

VVG (8. Aufl.) Einl. Anm. 90 ff.; Prölss,

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

VVG, Vorbem. V.

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Verfahiensrecht

mit Prölss davon ausgegangen werden, daß die mit der Versicherungspflicht zusammenhängenden privatrechtlichen Fragen nur nach dem Territorialitätsprinzip gelöst werden können. Anknüpfungselement für die Ermittlung des maßgeblichen Statuts kann dabei wegen des Schutzzweckes der Versicherungspflicht nur das Ereignis sein, das vom Schutzzweck erfaßt wird. Dies können wegen der Begrenzung der Wirksamkeit des Schutzzweckes der Versicherungspflicht auf den deutschen Hoheitsbereich nur Schadensfälle sein, die in Deutschland sich ereignet haben. Es ergibt sich daher für die kollisionsrechtliche Behandlung versicherungsvertraglicher Pflichten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung zusammenfassend folgende Regel: Das auf die vertraglichen Beziehungen anwendbare Recht beurteilt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldrechts und daher in erster Linie nach dem tatsächlichen oder sog. hypothetischen Parteiwillen. Soweit die vertraglichen Beziehungen durch die Versicherungspflicht in Deutschland berührt werden, gilt deutsches Recht, soweit der durch den deutschen Hoheitsbereich gekennzeichnete realisierbare Schutzzweck der Versicherungspflicht reicht, d. h. das schadenstiftende Ereignis in Deutschland stattgefunden hat. 4. Materiellrechtliche

Schlußfolgerungen

Trotz unzweifelhafter Maßgeblichkeit deutschen Versicherungsvertragsrechts auf das Versicherungsverhältnis D. L.-B. kommt deshalb § 158 c I VVG nicht in Betracht: Die deutsch-rechtliche Versicherungspflicht B.s bestand nur für den Bereich der Bundesrepublik. Die mit der Versicherungspflicht verbundene Einschränkung der Privatautonomie, die den Parteien im Bereich des § 149 VVG offenstand, konnte sich daher auch nur bei Schadensfällen in Deutschland auswirken. VI. Ergebnis hinsichtlich der Möglichkeit einer Pfändung im Falle der Anerkennung des Adhäsionsurteils bei Zugrundelegung wirksamen Ausschlusses des Versicherungsschutzes Wegen der Beschränkung der nach § 158 c I VVG a. F. trotz Entziehung des Versicherungsschutzes fortbestehenden Einstandspflicht auf Unfälle in Deutschland hat die anfragende Gesellschaft keine erfolgversprechende Pfändung bei einer Vollstreckung aus dem Adhäsionsurteil zu befürchten. VII. Möglichkeit einer Klage in Deutschland bei Ablehnung der Anerkennung des französischen Urteils? Nachdem oben festgestellt wurde, daß durch die grüne Versicherungskarte das Versicherungsvertragsverhältnis selbst nicht hinsichtlich des Unfalles vom 27. 8.1965 dem französischen Recht unterlag, hat auch die

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Erörterung einer Klage der Witwe des Unfallgetöteten von der Maßgeblichkeit deutschen Versicherungsrechts auszugehen. Da das deutsche Recht vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 5.4.1965 (s. o.) einen unmittelbaren Anspruch des Geschädigten gegen die Versicherung nicht gewährte, bliebe nur eine Klage gegen den Versicherungsnehmer. Da der Versicherungsnehmer mit unbekanntem Ziel in die USA verzogen ist, käme nach eventueller Pflegerbestellung nach Art. 23 EGBGB nur eine Klage am Gerichtsstand des Vermögens in Betracht. Nach § 23 ZPO wäre dabei an den Sitz der Versicherungsgesellschaft als Drittschuldner zu denken. Da aber auch hier sich die Unanwendbarkeit von § 158 c I VVG in den Weg stellt, hat eine Klage dei Geschädigten in Deutschland keine Aussicht auf Erfolg.

B. MÖGLICHKEIT, AUSSICHTEN UND VOLLSTRECKBARKEIT EINES URTEILS GEGEN DIE VERSICHERUNGSGESELLSCHAFT NACH ACTION DIRECTE IN FRANKREICH

I. Einleitung Bei der Beurteilung der in Frankreich nach dem Erlaß des Adhäsionsurteils noch möglichen Klagen bleibt in diesem Gutachten die action directe gegen das in der grünen Versicherungskarte benannte Regulierungsbüro außer Betracht. Ein derartiges Urteil erlangt für die anfragende Gesellschaft nur mittelbar Bedeutung im Rahmen des Rüdegriffes des Büros nach Leistung an die Geschädigte. Die anfragende Gesellschaft geht offenbar von der Annahme aus, daß eine zivilrechtliche Klage der Geschädigten gegen die Gesellschaft selbst nicht möglich oder erfolgversprechend ist, weil für den französischen Raum das Regulierungsbüro die Leistungspflicht übernommen hat. Diese Annahme wäre dann zutreffend, wenn die Übernahme privativen Charakter hätte. Französische Stellungnahmen zu dieser Frage liegen nicht vor. Indessen ist zu berücksichtigen, daß der Zweck der grünen Versicherungskarte in der Erleichterung der Rechtsverfolgung liegt, nicht aber darin, die im Haftpflichtversicherungsrecht begründete Schuldnerstellung von einer Gesellschaft auf eine andere zu verschieben. Infolgedessen dürfte es richtig sein, der Übernahme der Haftpflicht durch das französische Büro nur kumulativen Charakter zu geben. Jedenfalls müßte mit einer solchen Stellungnahme der französischen Gerichte gerechnet werden. In diesem Fall wäre es dann auch nicht ausgeschlossen, daß die Witwe des Unfallgetöteten sowohl das französische Büro aufgrund der grünen Versicherungskarte als auch den deutschen Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrages verklagt. 54 *

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Internationales

Veriahrensrecht

Dabei muß schon jetzt vor einem möglichen Mißverständnis gewarnt werden. In den Ausführungen des Teils A ist dargelegt worden, daß sich die versicherungsvertraglichen Verpflichtungen der Gesellschaft nach den Regeln des deutschen IPR nach deutschem Recht beurteilen. Es wäre aber falsch, diese Regeln auf eine Klage in Frankreich zu übertragen und danach die Klage als aussichtslos zu erachten, weil das deutsche VVG in der anwendbaren Form keinen Anspruch der Geschädigten gegen die Versicherung kannte. Bei einer Klage in Frankreich ist vielmehr die Stellungnahme des französischen IPR maßgeblich, und dessen Regeln können dem französischen Richter eine andere Lösung aufgeben, als sie nach deutschem IPR erzielt werden müßte.

II. Die Erhebung einer action directe gegen die in Frankreich

Versicherungsgesellschaft

Anders als in Deutschland hatte in Frankreich schon das Gesetz vom 28. 5. 1913 bei der Haftpflichtversicherung dem Geschädigten einen Direktanspruch gegen die Versicherung gegeben. Diese Regelung war ohne Änderung in das Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 13.7.1930 übernommen worden und fand ihren Niederschlag in Art. 53 26. Die Vorschrift lautet: „L'assureur ne peut payer à un autre que le tiers lésé tout ou partie de la somme due par lui, tant que ce tiers n'a pas été désintéressé, jusqu'à concurrence de ladite somme, des conséquences pécuniaires du fait dommageable ayant entraîné la responsabilité de l'assuré."

Der Versicherer kann bis zur Höhe des Gesamtbetrages nur an den verletzten Dritten die Schadenssumme oder Teile von ihr bezahlen, es sei denn, der Verletzte ist nicht interessiert.

Die entscheidende Frage für die französischen Gerichte war, ob diese Regelung versicherungsvertraglicher Natur ist oder besonders qualifiziert werden muß. In einer Entscheidung vom 24. 2. 193627 hat sich die Cour de Cassation dahin ausgesprochen, daß die Möglichkeit der action directe nicht dem Versicherungsvertragsstatut unterworfen werden kann. Folgender Fall lag zugrunde: Ein belgischer Kfz-Halter verursachte schuldhaft in Frankreich einen Schaden. Er war bei einer belgischen Versicherungsgesellschaft versichert, der Vertrag unterlag belgischem Recht, das seinerzeit noch keine action directe des Geschädigten gegen den Versicherer kannte. Die Cour de Cassation ließ die action directe zu mit der Begründung, daß es sich bei Art. 53 um eine Vorschrift des ordre public handle, 28

Abgedruckt bei Dalloz Périodique 1931. IV. 28.

27

D. P. 1936.1. 49.

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Entscheidungen

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woraus folge, daß bei in Frankreich erfolgten Unfällen die action directe immer gegeben sei. Das Gericht folgte damit der Auffassung des Berichterstatters, der die Maßgeblichkeit französischen Rechts allerdings unter Betonung des deliktsrechtlichen Charakters des Art. 53 gefordert hatte. Seither ist die Zulässigkeit einer action directe von der Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden 2 8 . Demnach muß davon ausgegangen werden, daß die Witwe des Unfallgetöteten mit direkter Klage in Frankreich gegen die anfragende Gesellschaft vorgehen kann, obwohl das maßgebliche Versicherungsvertragsstatut, deutsches VVG, in der zur Zeit des Unfalles maßgeblichen Fassung dem Geschädigten einen unmittelbaren Anspruch gegen die Versicherung nicht gewährte. Daß die anfragende Gesellschaft nach deutschem Prozeßrecht in Frankreich einen Gerichtsstand nicht hätte, steht einer Klage nicht entgegen, da nach Art. 14 Code Civil französische Kläger immer die Möglichkeit haben, ausländische Schuldner vor französische Gerichte zu ziehen.

III. Das aul die action directe materiell anwendbare

Recht

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Darlegungen k a n n gegenwärtig von einer endgültigen Klärung des auf die action directe anwendbaren Rechts in der französischen Literatur und Judikatur nicht gesprochen werden. Ausdrücklich hat sich die bereits zitierte Entscheidung Douai vom 21. 6. 1955 mit der Frage befaßt. Eine belgische Versicherung hatte gegen die Inanspruchnahme geltend gemacht, daß der Versicherungsnehmer wegen grober Fahrlässigkeit (faute grave) den Anspruch verloren habe und daher auch der Geschädigte im W e g e der action directe keinen Anspruch geltend machen könne. Das Gericht beurteilte diese Frage nach belgischem Recht als Versicherungsvertragsstatut. In seiner Anmerkung führt Loussouarn283aus: „La solution nous semble évidente et mérite d'être approuvée. On peut en effet admettre que l'action directe, procédé technique participant à la fois du contrat d'assurance et de la responsabilité, puisse être détachée du premier au nom de la protection de la victime. Mais on ne saurait en faire

Die Lösung [des Gerichts] ist evident und verdient Zustimmung. Man kann in der Tat die action directe als technisches Prozeßmittel, das sowohl mit dem Versicherungsvertrag als auch mit der Haftung in Verbindung steht, zugunsten des Schutzes des Opfers vom Vertrag trennen. Man kann aber hinsicht-

28 Vgl. Douai 21. 6. 1955, Revue critique d. i. p. 1956, 71 mit Anmerkung von Loussouarn; Douai 19. 6. 1964, Gazette du Palais 1964. II. 313; Paris 16. 3. 1960, Gazette du Palais 1960. I. 262 = Revue critique 1961, 347 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Déprez unter Ziffer I. 28a AaO 78.

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Internationales

autant des obligations de l'assureur, dont l'étendue a sa source dans le contrat d'assurance et doit être soumise à la loi de ce dernier."

Veriahrensrecht

lieh der Verpflichtungen des Versicherers nicht in dieser Weise vorgehen, denn ihr Umfang hat seinen Grund im Versicherungsvertrag und muß dem Gesetz entnommen werden, das diesen Vertrag beherrscht.

Eine andere Auffassung wird jedoch teilweise von der ebenfalls bereits zitierten Entscheidung Paris vom 16. 3. 1960 vertreten. Eine amerikanische Versicherung wurde aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen, den ein Amerikaner in Paris verursacht hatte. Die Police war in Frankreich ausgestellt worden, die Versicherung trug aber glaubhaft vor, daß nach dem Willen der Vertragspartner amerikanisches Recht maßgeblich sein sollte. Dies war bedeutsam, weil der Unfallwagen kurz vor dem Unfall vom Versicherungsnehmer verkauft worden war und nach amerikanischem Recht damit der Versicherungsschutz entfiel. Nach französischem Recht hatte der Verkauf dagegen keinen Ausschluß des Versicherungsschutzes zur Folge. Das Gericht erklärte französisches Recht für maßgeblich und begründete seine Auffassung folgendermaßen: „... les relations de la victime, agissant en vertu de l'action directe, et de l'assureur, ne relèvent pas en France du droit contractuel et de l'autonomie des volontés, mais d'un statut réglementaire qui, comme tel, doit être tout entier considéré comme d'ordre public au regard du droit international privé et s'impose dès lors sur le territoire national pour régler, notamment, le présent litige."

Die Beziehungen des direkt klagenden Opfers gegen den Versicherer beruhen in Frankreich nicht auf Vertragsrecht und Willensfreiheit, sondern auf einem zwingenden Statut, das als solches in seiner Gesamtheit als Materie des ordre public betrachtet werden muß gegenüber den Kollisionsregeln des IPR und sich daher auf französischem Hoheitsgebiet auch für diesen Rechtsstreit aufzwingt.

Gegen diese Argumentation hat Déprez28b eingehend Stellung genommen und festgestellt, daß die darin sich ausdrückende Bevorzugung des Unfallgeschädigten eine reine Billigkeitserwägung sei, die eines rationellen Grundes entbehre. Bei einer Beurteilung der Entscheidung darf nicht außer acht gelassen werden, daß es sich um einen Sachverhalt aus der Zeit vor Einführung der Pflichtversicherung in Frankreich handelte. Damals wurden die Regulierungsbüros nach der grünen Versicherungskarte nicht aufgrund einer Verpflichtungsübernahme tätig, sondern nur als Bevollmächtigte des ausländischen Versicherers M . Heute ist die W a h r u n g der französischen Belange schon dadurch gesichert, daß die Regulierungsbüros die Pflichten des Versicherers nach Maßgabe des französischen Pflichtversicherungsrechts übernehmen. Es 28b

AaO 363 ff.

20

Vgl. Prölss, International-rechtliche Aspekte, 9 Nr. 1.

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bedarf deshalb eines rechtlichen Eingriffes in den auslandsrechtlichen Versicherungsvertrag nicht mehr, um unter Gesichtspunkten des ordre public in Frankreich geschädigte Unfallopfer zu schützen. Es spricht deshalb die allergrößte Wahrscheinlichkeit dafür, daß die in der Pariser Entscheidung angeklungenen Gedanken heute nicht mehr herangezogen werden, um so mehr, als die übrige Judikatur und Literatur gegenteiliger Auffassung ist. Bei Anwendung des allgemeinen Versicherungsvertragsstatuts gelangt man für den vorliegenden Vertrag D. L. -B. wegen Maßgeblichkeit des Ortes der Policenausstellung' 0 zum deutschen Recht.

IV. Ergebnis einer Klage in

Frankreich

Wendet der französische Richter deutsches Versicherungsvertragsrecht an, so ist eine action directe gegen die anfragende Gesellschaft in Frankreich aussichtslos, da sich die Entziehung des Versicherungsschutzes und die Begrenzung des § 158 c I W G auf Unfälle in Deutschland voll auswirken müßten. Es bliebe der geschädigten Witwe mithin nur die einleitend zu Teil B angedeutete action directe gegen das französische Regulierungsbüro. Zusammenfassung

Das Gutachten befaßt sich mit der Frage, ob gegen die anfragende Gesellschaft aus dem bereits rechtskräftig vorliegenden französischen Adhäsionsurteil gegen den Versicherungsnehmer B. vorgegangen werden kann oder ob dies dadurch möglich ist, daß gegen B. in Deutschland oder gegen die anfragende Gesellschaft selbst in Deutschland oder Frankreich neu geklagt wird. Im einzelnen ergab sich dabei: Die Anerkennung von ausländischen Adhäsionsurteilen in Deutschland ist umstritten. Selbst bei einer Anerkennung kann das Urteil gegen B. keine Rechtskraft gegen die deutsche Versicherungsgesellschaft äußern. Eine Inanspruchnahme aus dem Urteil im Wege der Pfändung ist nicht zu befürchten, denn nach dem Entzug des Versicherungsschutzes und der territorialen Beschränkung von § 158 c I W G hatte der Versicherungsnehmer B. keinen pfändbaren Anspruch gegen die Versicherung mehr. Eine neue Klage gegen B. in Deutschland führt aus dem gleichen Grunde für die Geschädigte nicht zum Erfolg. Ein direkter Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft besteht zugunsten der Geschädigten auch nicht durch die dem Versicherungsnehmer B. ausgestellte grüne Versicherungskarte, da diese eine Teilverweisung auf *® Vgl. Deprez aaO statt vieler.

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Verfahrensrecht

französisches Recht zu Lasten der Gesellschaft nicht enthält. Eine Direktklage in Frankreich gegen die Gesellschaft ist ebenfalls aussichtslos, da der französische Richter ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag nach deutschem Recht beurteilen wird, so daß sich die Entziehung des Versicherungsschutzes und § 158 c I V V G auswirken müssen.

Nr. 71 Frankreich Zur Anerkennung deutscher Leistungsurteile, speziell Versäumnisurteile, in Frankreich. Zur Haftung des KraftfahrzeugfUhrers nach französischem Recht. Hamburg G 121/65 vom 5. 4. 1966

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main bittet in dem Rechtsstreit G. u. a. ./. D. um Auskunft über französisches Internationales Prozeßrecht und Schadenersatzrecht. Es wird gefragt: 1. Werden von einem deutschen Gericht in einem zwischen deutschen Staatsangehörigen geführten Rechtsstreit erlassene rechtskräftige Versäumnisurteile, die eine Schadenersatzforderung zum Gegenstand haben, in Frankreich anerkannt? 2. Haftet ein Führer eines Kraftfahrzeuges, der nicht zugleich Halter oder Eigentümer des Fahrzeuges ist, für den aus einem von ihm verursachten Verkehrsunfall entstandenen Schaden a) aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung? b) nur bei Verschulden? 3. Wer hat bei Streit über die Frage des Verschuldens das Verschulden an einem Verkehrsunfall zu beweisen? 4. Bestehen insoweit nach französischem Recht Schuldvermutungen? 5. Wie ist nach französischem Recht eine Mitverursachung oder ein Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen? Wiegt hierbei ein tatsächliches Verschulden schwerer als ein vermutetes? 6. Haften für den Fall, daß ein Schaden durch mehrere Fahrzeuge verursacht wird, indem der Schaden teilweise durch das eine, teilweise durch das andere Fahrzeug herbeigeführt wird, sich aber nicht ermitteln läßt, inwieweit und welcher Schaden von wem verursacht worden ist, die beteiligten Fahrzeugführer für den genannten Schaden solidarisch?

Anerkennung

ausländischer

Entscheidungen

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(Beispiel: Zwei Fahrzeuge fahren kurz nacheinander auf ein drittes Fahrzeug auf und beschädigen es.) 7. Wie beurteilt sich nach französischem Recht die Kausalitätsfrage, wenn zwei gleichzeitig eintretende Ereignisse einen Schaden herbeiführen, jedes ihn aber auch allein herbeigeführt hätte? (Beispiel: Zwei entgegenkommende Fahrzeuge blenden. Hierdurch wird ein Unfall verursacht, der aber auch entstanden wäre, wenn nur eines der Fahrzeuge geblendet hätte.) 8. Wird nach französischem Deliktsrecht für jeden Vermögenschaden gehaftet? 9. Ab wann und in welcher Höhe können a) Verzugszinsen, b) Schadenszinsen für eine deliktische Forderung verlangt werden? 10. W a n n verjährt ein Anspruch auf Ersatz des Schadens aus einem fahrlässig herbeigeführten Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist? W a n n beginnt die Verjährungsfrist? Wird sie unterbrochen a) durch Klageerhebung? b) durch Strafklage? Bis wann dauert die Unterbrechung an?

GUTACHTEN I. Anerkennung

ausländischer Versäumnisurteile

in Frankreich

Die Vollstreckung ausländischer Leistungsurteile in Frankreich setzt ihre förmliche Anerkennung (exéquatur) voraus, Art. 546 C. p. c. (= Code de procédure civile) i . V . m . Art.2123 II C.c. (= Code civil). Die Bedingungen der Anerkennung sind nicht im Gesetz geregelt, sondern von der Rechtsprechung entwickelt worden. Einen vorläufigen Abschluß hat diese Entwicklung mit einer grundlegenden Entscheidung der Cour de Cassation aus dem J a h r e 1964 gefunden 1 . Diese Entscheidung nennt folgende Voraussetzungen einer Anerkennung: 1. Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat; 2. Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens; 3. Anwendung des nach französischem Kollisionsrecht maßgebenden materiellen Rechts ; 4. Vereinbarkeit mit dem französischen ordre public und NichtVorliegen einer Gesetzesumgehung. 1

Civ. 7. 1. 1964 (Fall Munzer), Rev. crit. dr. int. pr. 1964, 344 mit Anm. Batiffol.

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Internationales

Veriahrensrecht

Diese Bedingungen für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Frankreich gelten unabhängig davon, ob die Entscheidung in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen ist oder ob es sich um ein Versäumnisurteil handelt. 1. Die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, dessen Entscheidung anerkannt werden soll, muß sowohl nach den Regeln seines eigenen Verfahrensrechtes wie nach den französischen Regeln über die internationale Zuständigkeit bestanden haben. Während dem ersten Erfordernis kaum praktische Bedeutung zukommt, bildet die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts wohl die wichtigste Voraussetzung der Anerkennung. Der französische Gesetzgeber hat weder die internationale Zuständigkeit der französischen Gerichte noch diejenige ausländischer Gerichte unmittelbar geregelt. Mittelbar hat er es für die Fälle, in denen eine Partei Franzose ist, durch die Artt. 14, 15 C. c. getan, nach denen eine französische Partei sich nur vor einem französischen Gericht einzulassen braucht, es dort aber auch immer muß. War der Beklagte in einem ausländischen Verfahren kein Franzose, so ist es im einzelnen zweifelhaft, unter welchen Voraussetzungen einem ausländischen Gericht internationale Zuständigkeit zugestanden wird. Es geschieht dies jedenfalls dann, wenn das Gericht sich unter Voraussetzungen für zuständig gehalten hat, unter denen - mutatis mutandis - auch ein französisches Gericht seine internationale Zuständigkeit beanspruchen würde 2 . Dies würde es aber für jeden Prozeß tun, bei dem auch nur eine Partei die eigene Staatsangehörigkeit besitzt. 2. Auch die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens ist ein Erfordernis, dessen Bedeutung im einzelnen zweifelhaft ist 3 . Es läßt sich in der Weise verstehen, daß einerseits der ausländische Richter den Normen seines eigenen Verfahrensrechts gefolgt sein muß, andererseits diese Normen nicht mit den Grundsätzen eines ordnungsmäßigen Verfahrens, wie es der französische Richter versteht, in Widerspruch stehen dürfen 4 . Der erste Aspekt des Erfordernisses der ordnungsgemäßen Prozeßführung hat jedoch kaum praktische Bedeutung. Es läßt sich kein neueres Urteil nachweisen, das einer ausländischen Entscheidung allein um dessentwillen das Exequatur verweigert hätte, weil der ausländische Richter sein eigenes Prozeßrecht nicht richtig angewandt habe. Anderes gilt für den Fall, daß die Entscheidung in einem Verfahren ergangen ist, das dem französischen Maßstab eines ordnungsgemäßen Ver2 Vgl. Batiffol, Traité élémentaire de droit international privé (3. Aufl. 1959) no. 754 mit weiteren Nachweisen. 3 Vgl. Goldman, Clunet 1964, 304, 307. 4 Vgl. Fiancescakis, Urteilsanmerkung, J. C. P. 1958. II. 10612; Batifiol nos. 758, 759.

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fahrens nicht entspricht. So ist z. B. ein Statusurteil nicht anerkannt worden, das in einem einseitigen Antragsverfahren ergangen ist 5 . Ferner ist einem Versäumnisurteil, das am Tage seines Erlasses rechtskräftig wurde und gegen das deshalb kein Rechtsmittel gegeben war, die Anerkennung versagt worden 6 . Audi die Zulassung eines Eides der Klägerin als einziges Beweismittel im Ehescheidungsverfahren schließt die Anerkennung aus 7 . Endlich kann die fehlende Begründung einer Entscheidung Anlaß sein, ihr die Anerkennung zu verweigern. Freilich hat sich gerade in diesem Punkte ein gewisser Wandel der Rechtsprechung vollzogen. Zunächst wurde das Fehlen einer Begründung schlechthin als Hindernis der Anerkennung betrachtet 8 . In der neueren Rechtsprechung vor allem der Cour de Cassation zeichnet sich aber eine liberalere Tendenz ab. Eine nicht begründete Entscheidung soll dann anerkannt werden können, wenn der französische Richter anhand ergänzender Schriftstücke feststellen kann, daß durch die Anerkennung der „ordre public" nicht verletzt wird. So hat das oberste Gericht es für die Anerkennung eines saarländischen Kostenfestsetzungsbeschlusses genügen lassen, daß gleichzeitig das in der Sache ergangene Urteil vorgelegt wurde 9 . Schon früher hatte das Tribunal civil de la Seine ein nichtbegründetes amerikanisches Scheidungsurteil anerkannt, weil sich aus dem Protokoll der Vernehmung, die dem Erlaß des Urteils vorangegangen war, die für den amerikanischen Richter maßgebenden Gründe ergaben 10 . In einer späteren Entscheidung hat dasselbe Gericht dagegen einem deutschen Versäumnisurteil die Anerkennung versagt, weil dieses weder begründet war noch sich auf ein anderes Schriftstück bezog, aus dem sich etwas zur Begründung des Urteils ergab u . Die Entscheidung stellt aber ausdrücklich klar, daß das Fehlen von Entscheidungsgründen den französischen „ordre public" dann nicht verletzt, wenn das ausländische Urteil sich auf die Klageschrift, auf andere Schriftsätze der Parteien oder auf irgendein sonstiges, zum Gegenstand des Verfahrens gewordenes Schriftstück bezieht und so dem französischen Richter die Prüfung gestattet, ob die Entscheidung ordnungsgemäß erlassen worden ist und nicht den „ordre public" verletzt. Der deutsche Kläger hätte also mit größter Wahrscheinlichkeit die Anerkennung des zu seinen GunParis 19. 6. 1962, J. C. P. 1963. II. 13329. Trib. de la Seine 10. 4. 1934, Clunet 1934, 1188. 7 Civ. 22. 1. 1951, Rev. crit. 1951, 167. 8 Trib. de la Seine 15. 10. 1931, Clunet 1932, 678; 10.4. 1934, Clunet 1934, 1188; 6. 12. 1934, Clunet 1935, 106. 9 Civ. 11.7. 1961, Rev. crit. 1962, 813 (zwei Entscheidungen) mit Anm. BatiHol. 10 Urteil vom 6. 4. 1951, Rev. crit. 1953, 586. 11 Urteil vom 15. 3. 1956, Rev. crit. 1957, 97. 5 6

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Verlahrensrecht

sten erlassenen deutschen Versäumnisurteils erreichen können, wenn er statt einer selbständigen Ausfertigung, die weder Tatbestand noch Gründe enthielt (ZPO § 317 II 1, 2. Alt.), eine solche Urteilsausfertigung vorgelegt hätte, die aus einer beglaubigten Abschrift der Klage und der auf sie oder auf ein mit ihr verbundenes Blatt gesetzten Urteilsformel bestand (ZPO §317 IV 1, 1. Alt.). 3. Weitere Voraussetzung der Anerkennung ist die Anwendung des „richtigen" Rechts, d. h. desjenigen materiellen Rechts, das nach französischem Internationalen Privatrecht das streitige Rechtsverhältnis beherrscht. Für Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung ist dies das Recht des Begehungsortes, und zwar selbst dann, wenn ein anderes Recht das Personalstatut beider Parteien ist 12 . Ist das Gericht unter Anwendung eines anderen Rechts zu demselben Ergebnis gelangt, zu dem es aufgrund des zuständigen Rechtes hätte kommen müssen, so wird seine Entscheidung jedoch ebenfalls anerkannt. Dies führt dazu, daß in der Praxis mindestens zwei von drei ausländischen Entscheidungen, denen ein anderes als das vom französischen IPR bezeichnete Recht zugrunde liegt, dennoch anerkannt werden 1 3 . 4. Ob die Vereinbarkeit mit dem französischen „ordre public" und das Nichtvorliegen einer Gesetzesumgehung zwei getrennte Bedingungen darstellen oder die zweite nur einen Unterfall der ersten darstellt, ist zweifelhaft 14 , dürfte aber für den vorliegenden Fall keine Rolle spielen. 5. Die besondere Bedeutung des von der Cour de Cassation in der Sache Munzer aufgestellten Katalogs der Bedingungen, unter denen ein ausländisches Urteil in Frankreich anerkannt wird, liegt darin, daß er nicht die „révision au fond" erwähnt. Diese Entscheidung bedeutet somit den Verzicht auf das von der französischen Rechtsprechung seit je beanspruchte Recht, eine ausländische Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Diesen Verzicht hat die Cour de Cassation inzwischen auch ausdrücklich bestätigt 1 5 16.

12 Civ. 25. 5. 1948, D. 1948. J. 357 (Ansprüche einer französischen Partei gegen eine andere französische Partei aus einem Unfall in Spanien). 13 Vgl. BatiHoI, Problèmes des Conflits de Juridictions, Cour de Doctorat 1964 bis 1965, 189. 14 Vgl. Goldman 308 f. 15 Civ. 24. 11. 1965 (in Sachen Loesch), J. C. P. 1966. II. 14484. 16 Aufgrund dieser Ausführungen hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 6. 7. 1966 - 7 U 252/64 (Rev. crit. 1967, 367 mit Anm. Francescakis) entschieden, daß die Gegenseitigkeit im Sinne des § 328 I Nr. 5 ZPO im Verhältnis zu Frankreich - zumindest in bezug auf Versäumnisurteile - als verbürgt anzusehen ist.

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auslandischer Entscheidungen

II. Materielles französisches

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Schadenersatzrecht

Zu Fragen 2-4: Haftung des Kraftfahrzeugführers Die Haftung aus Unfällen mit Kraftfahrzeugen richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Code civil über die deliktische Haftung. Der Führer eines Kraftfahrzeuges, das nicht sein Eigentum ist, kann aufgrund von Art. 1382 für einen von ihm verursachten und verschuldeten Schaden verantwortlich gemacht werden. Ferner haftet er aus Art. 1384 I C. c., sofern das Fahrzeug in seinem Gewahrsam war. Art. 1382: „Tout fait quelconque de l'homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé, à le réparer." Art. 1384 I: „On est responsable non seulement du dommage que l'on cause par son propre fait, mais encore de celui qui est causé par le fait des personnes dont on doit répondre, ou des choses que l'on a sous son garde."

Jede Handlung eines Menschen, die einem anderen einen Schaden zufügt, verpflichtet denjenigen, durch dessen Verschulden er verursacht wurde, ihn zu ersetzen. Man ist nicht nur für den Schaden verantwortlich, den man durch seine eigene Handlung verursacht, sondern auch für den, der durch die Handlung von Personen verursacht ist, für die man einstehen muß, oder durch Sachen, die man in seiner Obhut hat

Zwischen beiden Haftungsgründen kann der Geschädigte wählen 1 8 . Während es sich bei der Haftung aus Art. 1382 C. c. um eine echte Verschuldenshaftung handelt, ist die Rechtsnatur der Haftung aus Art. 1384 1 C. c. umstritten. Vor allem ist es zweifelhaft, ob diese Haftung noch auf dem Verschuldensprinzip beruht - wenn auch einem gemilderten - oder aber eine Gefährdungshaftung darstellt. Jedenfalls kommt die Rechtsprechung aufgrund von Verschuldensvermutungen zu ähnlichen Ergebnissen, wie sie einer Gefährdungshaftung entsprechen 1 *. Ursprünglich hatte Art. 1384 I nur den Zweck, die ihm folgenden Vorschriften einzuleiten. Doch wurde er von der Rechtsprechung zu einer selbständigen Anspruchsgrundlage ausgestaltet. Man hat ihm nämlich die Regel entnommen, daß jeder für den Schaden haftet, den eine in seinem Gewahrsam befindliche Sache verursacht. 17 Deutsche Übersetzung aus: Die Zivilgesetze der Gegenwart, Bd. I: Frankreich, Code civil (1932). 18 Vgl. Boré, Le cumul de la responsabilité du fait personnel et de la responsabilité du fait des choses: J. C. P. 1965.1. 1961. 19 Heldrich, Die allgemeinen Rechtsgrundsätze der außervertraglichen Schadenshaftung im Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1961) 69.

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Veriahrensrecht

a) Zu den Voraussetzungen der Haftung aus Art. 1384 I C. c. ist folgendes zu sagen 20 . „Sachen" im Sinne dieser Vorschrift sind auch Kraftfahrzeuge 21 . Den Gewahrsam über die Sache hat derjenige, der die Leitung, den Gebrauch und die Kontrolle hat, also die Gewalt über die Sache 22 . Gewöhnlich steht die Sache im Gewahrsam des Eigentümers, jedoch verliert dieser ihn durch Diebstahl oder Übertragung der Sache an einen Mieter oder Entleiher 28 . Der Geschädigte muß zur Begründung seines Anspruchs beweisen, daß die Voraussetzungen einer Haftung aus Art. 1384 I C. c. erfüllt sind. Die Verursachung muß er aber nur insoweit dartun, als er beweisen muß, daß die betreffende Sache an der Entstehung des Schadens beteiligt war 2 4 . Dann wird bis zum Gegenbeweis vermutet, daß die Sache den Schaden verursacht hat 2 5 . Es ist nicht erforderlich, daß der Schaden durch einen Mangel der Sache hervorgerufen wurde 2 6 . b) Haitungsausschiußgründe, die vom Gewahrsamsinhaber geltend gemacht werden müssen, sind höhere Gewalt, eigenes Verschulden des Geschädigten und Verursachung des Schadens durch einen Dritten 27 . Höhere Gewalt ist nur ein Ereignis, das betriebsfremd, unvorhergesehen und unabwendbar ist 28 . Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, legt die französische Rechtsprechung einen strengen Maßstab an 29 . Das eigene Verschulden des Geschädigten führt nur zur völligen Entlastung des Gewahrsamsinhabers, wenn es die alleinige Ursache des Schadens war. Als solches gilt es nur, wenn es für den Gewahrsamsinhaber unvorhersehbar und unwiderstehlich war. Sonst kann der Schaden höchstens geteilt werden 3 0 . Auch die maßgebliche Beteiligung eines Dritten an der Entstehung des Schadens befreit den Gewahrsamsinhaber nur dann völlig von seiner Haftung, wenn sie unvorhersehbar und unabwendbar war. Es ist jedoch nicht nötig, daß es sich um ein schuldhaftes Handeln des Dritten handelt 31 . Diese Grundsätze gelten auch in dem häufigen Fall, daß ein Dritter bei dem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge geschädigt wird 32 . Insbesondere 20 Vgl. besonders die Grundsatzentscheidung in Sachen Jand'heur: Ch. réunies 13. 2. 1930, S. 1930. 1. 121. 21 Ch. réunies 13. 2. 1930; Carbonnier, Droit Civil II (3. Aufl. 1962) 658. 22 Henri und Léon Mazeaud/Tunc, Traité théorique et pratique de la responsabilité civile, délictuelle et contractuelle, 5. Aufl. Bd. II (1958) nos. 1160 ff. ; Carbonnier 661; Heldridi 68. 23 Ch. reunies 2.12.1941, S. 1941. 1. 217; Civ. 11.6.1953, D. 1954. J. 21; Carbonnier 661 f. 21 25 Mazeaud/Tunc no. 1692. Mazeaud/Tunc aaO. 20 Civ. 13. 2. 1930. 27 Maceaud/Tunc nos. 1429 ff.; Carbonnier 662 ff. 28 Mazeaud/Tunc nos. 1584 ff.; Carbonnier 520 ff. 29 30 Carbonnier 595. Carbonnier 663. 31 Civ.27.10.1942, S. 1949. 1.119f. ; Carbonnier 663; etwas vorsichtigerMazeaud/ Tune nos. 1652 ff. mit Nachweisen. 32 Mazeaud/Tunc no. 1660.

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wird Blendung des Fahrzeugführers, um die es im zu entscheidenden Falle geht, kaum jemals als höhere Gewalt anerkannt werden, weil der Fahrzeugführer in aller Regel durch Anhalten des Fahrzeuges den Unfall hätte vermeiden können 3 3 . Die Beweislast für die Haftungsausschlußgründe liegt bei dem Gewahrsamsinhaber 34 . Der bloße Nachweis, daß ihn kein Verschulden trifft, weil er alle üblichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen und sich umsichtig verhalten hat, entlastet ihn nicht 3 5 . Zu Frage 5: Mitverursachung durch den Geschädigten Bei Mitverursachung durch den Geschädigten ist zu unterscheiden, ob ein Verschulden nur vermutet wird oder ob es feststeht. a) Handelt es sich um echte Verschuldenshaftung des Schädigers (Art. 1382 C. c.) und gelingt diesem der Beweis des Mitverschuldens des Geschädigten, so muß der Geschädigte einen Teil des Schadens selbst tragen 3 0 . Die Aufteilung steht hierbei im Ermessen des Richters. Sie richtet sich nach der Schwere des beiderseitigen Verschuldens 3 7 . b) Ist ein Verschulden des Beklagten bewiesen oder wird eine Mitverursachung durch den Geschädigten nur gemäß Art. 1384 I C. c. vermutet, so kann der Beklagte sich nicht auf diese Haftungsvermutung berufen, um sich von der Haftung ganz oder teilweise zu befreien. Er ist in vollem Umfange schadenersatzpflichtig 38 . c) Wird das Verschulden des Schädigers nur gemäß Art. 1384 I C. c. vermutet und kann dieser dem Geschädigten ein Verschulden nachweisen, so ist die Rechtslage umstritten. Es wird die Ansicht vertreten, daß auch in diesem Falle die Haftung aus Art. 1384 I C . c. ganz entfällt 3 9 . Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist jedoch bei einem Verschulden des Geschädigten, das nicht alleinige Ursache des Schadens war, der Schaden zwischen dem Gewahrsamsinhaber und dem Geschädigten zu teilen 4 0 . Bestimmend ist dabei das Maß von dessen Verschulden 4 1 . Nur 33 Lalou(-Azard), Traité pratique de la responsabilité civile (6. Aufl. 1962) no. 276 mit weiteren Nachweisen; vgl. Civ. 11.4. 1964, D. 1964. J. 384. 31 Carbonnier 595 f.; Heldrich 103 ff., 125. 35 Civ. 13. 2. 1930; Carbonnier 664. 36 Civ. 24. 7. 1918, S. 1920. 1. 359; 24. 3. 1930, D. H. 1930. J. 300; 8. 4. 1932, Gaz. Pal. 1932. 2. 124; 27. 10. 1948, S. 1949. 1. 119; 16. 11. 1956, J. C. P. 1956. IV. 179; Mazeaud/Tunc no. 1508. 37 Req. 30. 1. 1929, S. 1929. 1. 191; 4. 2. 1957, Gaz. Pal. 1957. 2. 33. 38 Mazeaud/Tunc no. 1528. 39 Planiol/Ripert(-Esmein), Traité Pratique de Droit Civil Français, l.Aufl. Bd. VI (1930) no. 571. 40 Civ. 1. 2. 1936, Gaz. Pal. 1937. 1. 157; 6. 12. 1956, J. C. P. 1957. IV. 6; Mazeaud/ Tunc no. 1527 (S. 514). 41 Mazeaud/Tunc no. 1527; Gore in: Dalloz, Répertoire de Droit Civil IV, 1954 ff., s. v. Responsabilité du fait des choses, no. 389.

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Internationales

Veriahrensrecht

das Alleinverschulden des Geschädigten, das für den Gewahrsamsinhaber unvorhersehbar und unabwendbar war, soll diesen völlig von der Haftung befreien 4 2 . d) Liegt auf beiden Seiten nur eine Verschuldensvermutung vor, so kann keiner sich auf eine Mitverursachung des Schadens durch den anderen berufen. Macht nur einer der Beteiligten einen Anspruch geltend, so ist der Beklagte zum Ersatz des gesamten dem Kläger entstandenen Schadens verpflichtet 43 . Erheben beide Parteien wechselseitig Schadenersatzansprüche, so ist jede von ihnen verpflichtet, den dem Gegner entstandenen Schaden zu ersetzen 4 4 . Zu Frage 6: Haftung mehrerer Schädiger Haben mehrere Fahrzeugführer einen Schaden verursacht, ohne daß sich ermitteln läßt, welcher Schaden von wem verursacht worden ist, so haftet jeder für den ganzen Schaden, vorausgesetzt, daß die übrigen Voraussetzungen seiner Haftung gegeben sind 4 5 . Es handelt sich dabei um eine Haftung „in solidum", eine von der Rechtsprechung entwickelte schwächere Form der Solidarhaftung 4 6 . Jeder Schädiger ist zwar dem Geschädigten zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet. Aber die Tatsachen, die bei der echten Solidarhaftung für und gegen alle Gesamtschuldner wirken, wie Unterbrechung der Verjährung, Mahnung, Erstreckung der Rechtskraftwirkung und ähnliches, wirken bei der Haftung „in solidum" nur für und gegen denjenigen, in dessen Bereich sie eingetreten sind 47 . Die mehreren Schuldner sind untereinander zum Ausgleich verpflichtet. Die Quote eines jeden wird von der Rechtsprechung nach der Schwere seines Verschuldens bestimmt 4 8 . Ist eine Aufteilung nach diesem Kriterium nicht möglich, so haften die mehreren Schädiger zu gleichen Teilen. Dies gilt insbesondere, wenn alle nur aus Art. 1384 I C. c. haften 4 9 . Zu Frage 7: Haftung bei mehreren selbständigen Schadensursachen Die Lösung des vom anfragenden Gericht gebildeten Falles, daß zwei Fahrzeuge einen Schaden herbeiführen, jedes ihn aber auch allein herbei42 Civ. 25. 1. 1956, J. C. P. 1956. II. 9153-, 18. 10. 1956, Gaz. Pal. 1956. 2. 365; 13. 3. 1957, Gaz. Pal. 1957. 2. 228; 11. 7. 1963, J . C. P. 1964. II. 13607 mit Anm. Bore-, 23. 5. 1964, J. C. P. 1965. II. 14430; Mazeaud/Tunc no. 1527-2. 4 3 Civ. 24. 6. 1930, S. 1931. 1. 121 (grundsätzlich); vgl. Mazeaud/Tunc no. 1534 mit weiteren Nachweisen. 44 Civ. 20. 3. 1933, D. 1933. 1. 57 (grundsätzlich); 14. 11. 1958, J. C. P. 1959. II. 10934 mit Anm. Rodiere; vgl. Mazeaud/Tunc no. 1537; Marty-Raynaud, Droit Civil II/l (1962) no. 446. 45 Mazeaud/Tunc 48 Vgl. Mazeaud/Tunc nos. 1948 ff. no. 1960. 47 Vgl. Marty-Raynaud no. 800 a. E. 46 Nachweise bei Mazeaud/Tunc no. 1972. 49 Civ. 15. 11. 1956, Gaz. Pal. 1957. 1. 149; 30. 6. 1961, J. C. P. 1961. II. 12386 mit Anm. Esmein; Mazeaud/Tunc no. 1973; Marty-Raynaud no. 446.

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geführt hätte, ergibt sich aus den bereits dargestellten allgemeinen Grundsätzen der Haftung des Gewahrsamsinhabers. Wird ein Dritter durch die Einwirkung zweier Sachen geschädigt, die im Gewahrsam verschiedener Personen stehen, so kann sich jeder der Gewahrsamsinhaber von seiner Haftung gegenüber dem Dritten nur durch den Nachweis befreien, daß der Schaden ausschließlich durch die Sache des anderen verursacht worden ist. Sind also an der Entstehung eines Schadens zwei Fahrzeuge beteiligt, hätte aber auch schon die Einwirkung eines von ihnen den Schaden herbeigeführt, so kann keiner der beiden Gewahrsamsinhaber beweisen, daß der Schaden nur durch das andere Fahrzeug verursacht worden ist. Deshalb haftet ein jeder von ihnen auf das Ganze. Der hypothetische Umstand, daß auch das andere Fahrzeug allein den Schaden verursacht hätte, ändert an diesem Ergebnis nichts. Dies wird zwar nirgends ausdrücklich gesagt, entspricht aber doch einem System, das den Inhaber des Gewahrsams an einer Sache nur dann von der Haftung befreit, wenn er beweist, daß der Eintritt des Schadens ausschließlich auf einem ihm fremden Umstand beruht. Bestätigt wird dieser Schluß durch die beiläufige Bemerkung eines Autors, daß beim Zusammentreffen mehrerer Handlungen, von denen eine jede für sich genommen ein und denselben Schaden herbeigeführt hat, alle Handelnden haften und keiner sich darauf berufen kann, daß gerade seine Handlung die haftungsauslösende Situation nicht verschlimmert hat 5 0 . Zu Flage 8: Umfang der Haftung Im französischen Recht wird ohne summenmäßige Begrenzung für jeden Vermögenssdiaden gehaftet, der eine unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Verhaltens ist (préjudice direct) 51 . Im allgemeinen grenzt man die unmittelbaren von den mittelbaren Schäden danach ab, ob das haftungsbegründende Verhalten noch als ursächlich für den eingetretenen Schaden gelten kann. Die Frage nach der Unmittelbarkeit des Schadens fällt also mit derjenigen nach der Kausalität zusammen 52 . Im übrigen muß der Eintritt des Schadens mit hinreichender Sicherheit feststehen (préjudice certain) 53 . Aber auch für den Verlust einer Chance kann unter Umständen Ersatz verlangt werden 5 4 . Zu Frage 9: Zinsen Die Vorschrift des Art. 1153 C. c., der die Verzugszinsen regelt, gilt nur für vertragliche Forderungen. Das ergibt sich aus der Stellung innerhalb 50 Postacioglu, Faits simultanés et le problème de la responsabilité collective: Rev. trim. dr. civ. 1954, 438, 441 f. 51 Vgl. Mazeaud/Tunc nos. 1674 ff. 52 So ausdrücklich Mazeaud/Tunc no. 1670; Marty-Raynaud no. 376; vgl. auch Carbonnier no. 171. 53 Vgl. Mazeaud/Tunc nos. 216 ff.; Marty-Raynaud no. 377. 61 Mazeaud/Tunc no. 219; Marty-Raynaud no. 377 Ms.

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M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

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Verlahrensrecht

des Gesetzes 55 . Bei deliktischer Haftung kann der Geschädigte auch dafür Ersatz verlangen, daß der Schädiger ihm nicht rechtzeitig Ersatz leistet. Dieser Verspätungsschaden kann in einer bestimmten Summe ausgedrückt werden, die dem Grundbetrag zugeschlagen wird, oder in Form von Zinsen auf den Grundbetrag. Die letztere Form wird in der Praxis allgemein gewählt. Den Beginn der Verzinsung kann das Gericht schon auf den Zeitpunkt festsetzen, zu dem der Schaden eingetreten ist, aber auch auf irgendeinen späteren Zeitpunkt 58 . Der Geschädigte muß dartun und notfalls auch beweisen, daß und in welcher Höhe er einen Verspätungsschaden erlitten hat. Dabei wird er sich freilich meist auf die Vermutung berufen können, daß er aus dem Schadenersatzbetrag, der ihm grundsätzlich seit Eintritt des Schadens gebührte, Einkünfte hätte ziehen können 5 7 . Die Vermutung spricht aber nicht dafür, daß die Höhe dieser Einkünfte stets dem gesetzlichen Zinsfuß entspricht. Vielmehr muß der Richter ihre Höhe feststellen 58 . Von den Zinsen für die Zeit bis zum Urteil ist die Verzinsung des im Urteil zugesprochenen Schadenersatzbetrages zu unterscheiden 59 . Letztere kann der Gäubiger nach der ständigen Rechtsprechung vom Tage des Urteils an verlangen 6 0 . Wird zunächst der Grund des Anspruchs festgestellt und erst durch ein zweites Urteil der Urteilsbetrag festgesetzt, so beginnt die Verzinsung an dem Tage, an dem das Betragsurteil erlassen worden ist 61 . Zu Frage 10: Verjährung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung Grundsätzlich verjährt ein Anspruch aus unerlaubter Handlung entsprechend der allgemeinen Vorschrift des Art. 2262 C. c. 30 Jahre nach seiner Entstehung. Die Verjährung wird unterbrochen durch Ladung vor Gericht, förmliche Aufforderung zur Leistung und Anerkennntis des Schuldners (Artt. 2242 ff. C. c.). Gemäß Art. 10 I des Code de procédure pénale verjährt jedoch ein Anspruch aus einer Handlung, die gleichzeitig den Tatbestand einer Straftat verwirklicht, zugleich mit der Verjährung der Strafverfolgung. Die Verjährungsfrist bei Übertretungen beträgt ein Jahr, bei Vergehen drei Jahre. Sie wird unterbrochen durch Untersuchungs- und Verfolgungshandlungen 6 2 . 65 So die herrschende Lehre und Rechtsprechung, vgl. Mazeaud/Tunc nos. 2296 f. mit Nachweisen. 56 Vgl. Mazeaud/Tunc no. 2297-3; Meurisse, Les intérêts des dommages et intérêts alloués par le juge: Gaz. Pal. 1962. 2. D. 15, 16 Sp. 2. 67 58 Mazeaud/Tunc no. 2297-3. Vgl. Mazeaud/Tunc aaO. 59 Vgl. Mazeaud/Tunc no. 2297-4. 60 Vgl. zuletzt Civ. 25. 1. 1965, Bull. civ. 1965 I no. 70; 17. 3. 1965, Bull. civ. 1965 I no. 233; ebenso Mazeaud/Tunc no. 2297-5. A. M.: Meurisse, Gaz. Pal. 1962. 2. D. 15, 16. 61 62 Civ. 28. 5. 1965, Bull. civ. 1965 II no. 449. Mazeaud/Tunc no. 2125.

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Um die unerwünschte Folge zu vermeiden, daß schadenersatzpflichtige Handlungen, die gleichzeitig Straftaten sind, schneller verjähren als Ansprüche aus anderen unerlaubten Handlungen, hat sich die Rechtsprechung bemüht, das Anwendungsgebiet dieser Vorschrift soweit wie möglich einzuschränken. Sie unterstellt deshalb, wenn bei einem strafbaren Verhalten des Schädigers gegen ihn sowohl ein Anspruch aus Art. 1382 C. c. wie aus Art. 1384 I C. c. gegeben ist, nur den ersten, auf dem Verschulden des Schädigers beruhenden Anspruch der kurzen Verjährungsfrist des Strafrechts. Dies gilt jedenfalls dann, wenn gegen den Schädiger keine strafrechtliche Entscheidung ergangen ist 63 , laut neuester Rechtsprechung der Cour de Cassation aber audi nach strafrechtlicher Aburteilung 64 .

Nr. 72 Niederlande Zur Anerkennung und Vollstreckung eines niederländischen Schiedsspruchs in der Bundesrepublik. Zur Geltendmadiung der Niditigkeit eines Schiedsspruches wegen Fehlens einer Schiedsvereinbarung nach niederländischem Schiedsverfahrensrecht. Zum Zustandekommen einer Schiedsklausel nach niederländischem Recht. Hamburg G 177/65 vom 5. 11. 1965

Die Herren Rechtsanwälte Dres. ... in Bremen bitten um eine Auskunf' über internationales und niederländisches Schieds- und Vertragsrecht. Aus den übersandten Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Firma S., Honig-Import in Bremen, steht mit der Firma N. V. Gebreeders C. Handelsvereeniging in Rotterdam in lockerer Geschäftsverbindung. Seit 1959 haben die Parteien sieben Geschäfte abgeschlossen, und zwar unter Benutzung der Vertragsformulare der Firma C. In zwei Verträgen vom 19. 10. und 12. 12.1959 hatte die Firma S. die vorgedruckte Schiedsklausel, die Arbitrage in Rotterdam vorsieht, gestrichen und durch „Hamburger (bzw. Bremer) freundschaftliche Arbitrage" ersetzt; die Firma C. war damit einverstanden. Am 20.1. 1965 erhielt die Firma S. von der Firma C. ein Angebot über 301 China-Honig, light amber, zum Preise von £ 79,- per 1000 kg. Die Firma S. bestellte durch Fernschreiben vom selben Tage 15 t der angebotenen Ware „frei ab Lager Rotterdam, gesund 63 64

55 »

Civ. 26. 6. 1953, S. 1953. 1. 191. Civ. 26. 3. 1965, J. C. P. 1965. II. 14456 mit Anm. Larguier.

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Veriahrensrecht

und handelsüblich, Attest bitte beifügen". Die Firma C. bestätigte Buchung der Order über 15 t, und die Firma S. bat um Übersendung des Vertrages. Der unter dem Datum des 21.1.1965 auf einem Formular ausgefertigte Vertrag besagt u. a.: „Wir bestätigen Ihnen verkauft zu h a b e n . . . Quantität ca.: Verpackung: Artikel: Preis: Per:

15 Tons Fässer zu je zirka 250 kg netto CHINESISCHER HONIG, light amber, wie bemustert £791000 kg Netto Original-Gewicht AB TRANSITLAGER ROTTERDAM

Abgeschlossen laut den Bestimmungen und Usancen und mit Schiedsgericht des .Niederländischen Vereins für Handel in getrockneten Südfrüchten, Gewürzen und verwandten Artikeln', falls nichts anderes vermerkt. Käufer und Verkäufer verpflichten sich, alle etwaigen aus diesem Kaufabschluß erfolgenden Streitigkeiten durch Schiedsspruch des genannten Vereins in Rotterdam entscheiden zu lassen. Erfüllungsort für Zahlung und Lieferung, falls nicht ausdrücklich anders bedungen, ist Rotterdam."

In dem Begleitschreiben heißt es u. a.: „Wir bestätigen unsere diversen Telefongespräche und FS-Wechsel, wobei wir an Sie verkauften: . . . l a u t anliegendes Kontrakt 42189, wovon wir Sie höfl. bitten, Kopie von Ihnen unterzeichnet zu retournieren."

Ein Attest war dem Vertrag nicht beigefügt. Die Firma S. unterzeichnete den Vertrag nicht. Aus der Korrespondenz ergibt sich, daß die Firma C. ein Muster des Honigs an die Firma S. geschickt hatte. Die Firma S. beanstandete dieses Muster, fügte jedoch hinzu: „Wir versuchen trotzdem." Am 26. 1. 1965 teilte die Firma S. mit, daß sie die Ware habe untersuchen lassen, daß sie jedoch den deutschen lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entspreche und daher nicht akzeptiert werden könne. Auch entspreche der (am Vortag eingegangene) Vertrag nicht den Bedingungen, zu denen die Ware akzeptiert worden sei. Die Firma C. rief daraufhin das in ihrem Vertragsformular vorgesehene Schiedsgericht an, vor dem sich die Firma S. nicht vertreten ließ. Die Firma C. erwirkte einen Schiedsspruch auf Zahlung von £ 1 185 und Abnahme von 151 China-Honig. Die Firma S. weigert sich jedoch, den Schiedsspruch zu erfüllen, da ein Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. Es wird um Auskunft gebeten, ob nach holländischem Recht eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

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GUTACHTEN I. Rechtsgrundlage

einer Vollstreckbarerklärung

des

Schiedsspruchs

1. Die Anfrage geht zu Unrecht davon aus, daß der holländische Schiedsspruch in der Bundesrepublik Deutschland ohne weiteres nach Maßgabe des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. 1958 anzuerkennen und zu vollstrekken sei. Zwar sind sowohl die Bundesrepublik als auch die Niederlande Vertragsstaaten dieses Übereinkommens Die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruches setzt nach Art. V Absatz 1 Buchstabe a) des Ubereinkommens eine Vereinbarung im Sinne des Art. II voraus; diese Vereinbarung hat der Vollstreckungsgläubiger gemäß Art. IV Absatz 1 Buchstabe b) auch vorzulegen. Art. II Absatz 1 des Übereinkommens erkennt jedoch nur schriftliche Schiedsvereinbarungen an. Die Schriftform ist zwar in Absatz 2 großzügig definiert. Jedenfalls aber deckt sie nicht die Art und Weise, wie im vorliegenden Fall eine Schiedsvereinbarung, wenn überhaupt, zustande gekommen ist. Wenn sich die deutsche Vollstreckungsschuldnerin auf den Mangel der Schriftform beruft, entzieht sie den Schiedsspruch dem sachlichen Anwendungsbereich des UN-Übereinkommens 2 . 2. Die Vollstreckung des Schiedsspruches ist auch nicht nach anderen mehr- oder zweiseitigen internationalen Verträgen möglich. a) Das für die Bundesrepublik Deutschland verbindliche Europäische Ubereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit (BGBl. 1964 II 426, 1965 II 107) verzichtet im Gegensatz zu Art. II des UN-Übereinkommens auf eine Formvorschrift für die Schiedsvereinbarung, und zwar im Verhältnis zwischen Vertragsstaaten, die in ihrem internen Recht nicht Schriftlichkeit verlangen (Art. I Absatz 2 Buchstabe a). Diese Voraussetzung ist jedenfalls für Handelssachen im Verhältnis zwischen Deutschland und den Niederlanden erfüllt (vgl. einerseits § 1027 II ZPO, andererseits unten III 2 a). Die Niederlande sind jedoch (noch) nicht Vertragsstaat dieses Übereinkommens. b) Das Genfer Übereinkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Verbindung mit dem Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln 1 BGBl. 1961 II 121; Staatsblad der Nederlanden 1964 no. 274, siehe auch BGBl. 1964 II 1232. 2 Vgl. Baumbach/Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit (2. Aufl. 1960) 268; Bülow/ Arnold, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (1960) A II 3, Note 49; Baumbach/Lauteibach, Zivilprozeßordnung (28. Aufl. 1965) Anm. a zu Art. 5 des Ubereinkommens (Anhang zu § 1044 ZPO); Mezger, Die Anerkennung jugoslawischer und anderer osteuropäischer Schiedssprüche in der Bundesrepublik: N J W 1962, 278 ff. (282 mit Note 30).

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Internationales

Veriahrensrecht

würde ebenfalls die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruches ermöglichen, der aufgrund einer formlosen Schiedsvereinbarung ergangen ist. Die Genfer Verträge sind jedoch durch Art. VII Absatz 2 des UN-Übereinkommens im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens aufgehoben worden. Die einschränkende Klausel: „In dem Ausmaß..., in dem dieses Übereinkommen für sie verbindlich wird", bezieht sich nicht auf den materiellen, sondern auf den territorialen Anwendungsbereich der Verträge und läßt daher nicht etwa die Genfer Verträge für einen Fall der vorliegenden Art in Kraft 3 . c) Schließlich bietet auch der kürzlich in Kraft getretene deutsch-niederländische Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel (BGBl. 1965 II 26, 1155) keine Grundlage für eine Vollstreckung des Schiedsspruches. Denn dieser Vertrag gilt nach seinem Art. 17 nicht für Schiedssprüche. 3. Mangels anwendbarer zwischenstaatlicher Vereinbarungen bleibt nur übrig, die Vollstreckung des Schiedsspruches nach dem staatsvertraglich nicht gebundenen internen deutschen Prozeßrecht zu prüfen. Art. VII Absatz 1 des UN-Übereinkommens behält jeder Partei ausdrücklich das Recht vor, sich auf einen Schiedsspruch „nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechtes" zu berufen 4 . Kraft internen deutschen Prozeßrechts richtet sich die Vollstreckung des Schiedsspruches nach § 1044 ZPO. Die Gründe für eine Versagung der Vollstreckung ergeben sich aus § 1044 II ZPO. Dazu gehört nicht unmittelbar die Unwirksamkeit des Schiedsvertrages, wohl aber nach Nr. 1 eine Unwirksamkeit des Schiedsspruches, die nach dem für das Schiedsverfahren geltenden Recht zu beurteilen ist.

11. Niederländisches

Schiedsverfahrensrecht

Art. 649 des Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (Rv.) zählt abschließend 10 Fälle auf, in denen die Aufhebung eines Schiedsspruches verlangt werden kann, und zwar innerhalb von drei Monaten nach Niederlegung des Schiedsspruches bei Gericht (Art. 651 I Rv.). Nach allgemein anerkannter Auffassung gelten die Regeln über dieses Aufhebungsver3 Bülow/Arnold Noten 71 und 72; Mezger 282 und Note 28; Sanders in: Union Internationale des Avocats, Arbitrage International Commercial/International Commercial Arbitration II (1960) 326 f. 4 Mezger 282; Fouchard, L'arbitrage commercial international (Paris 1965) no. 141; Minoli, The New York Convention on the Recognition and Enforcement of Arbitral Awards: UNIDROIT, Unification du droit 1958, 157 ff., 193; vgl. Baumbach/Schwab 235, 271. Anderer Ansicht offenbar Bülow, Zwischenstaatliche Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit nach dem UN-Übereinkommen vom 10. Juni 1958: Juristische Blätter 1961, 305, 306, der jedoch Art. VII Abs. 1 des Ubereinkommens übersieht.

Anerkennung

ausländischer

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fahren jedoch nicht, wenn die Nichtigkeit des Schiedsspruches mit dem Fehlen einer Schiedsvereinbarung begründet wird 5 . In diesem Fall ist vielmehr eine Klage auf Feststellung, daß der Schiedsspruch nichtig sei, unbefristet zulässig 6 . Die Klage ist gegen die Gegenpartei zu richten und vor der Rechtbank zu erheben, die für den Wohnsitz der Gegenpartei örtlich zuständig ist 7 . Sollte die Firma S. gegenüber der Firma C. einen Gerichtsstand auch in Deutschland haben, so dürfte die Erhebung der Klage auch in diesem Gerichtsstand möglich sein. Die Nichtigkeit des Schiedsspruches wegen Fehlens einer Schiedsvereinbarung kann aber auch anders als durch Klage, insbesondere im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches, geltend gemacht werden 8 . Auf eine Nichtigkeit des Schiedsspruches kann sich die Firma S. daher auch im Verfahren nach § 1044 ZPO berufen.

III. Niederländisches

Vertragsrecht

Ob tatsächlich die Schiedsklausel nicht zustande gekommen ist, soll nach dem Wunsche der Anfrage aufgrund niederländischen Rechts beurteilt werden. Die Maßgeblichkeit niederländischen Rechts würde sich aber auch aus den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Internationalen Privatrechts ergeben. An einer wirksamen Schiedsvereinbarung kann es fehlen, weil zwischen den Parteien entweder überhaupt kein Kaufvertrag zustande gekommen ist oder doch jedenfalls nur ein Vertrag ohne Schiedsklausel. 1. Die Anfrage zieht in erster Linie das Zustandekommen eines Kaufvertrages in Zweifel. Das wird mit der Diskrepanz zwischen dem Telexwechsel der Parteien und dem von der Firma C. übersandten schriftlichen Vertrag begründet. Die Parteien einigten sich durch den Wechsel der Fernschreiben vom 20. 1. 1965 auf einen Kauf nach der Bestellung der Firma S.; denn die Firma C. hat diese durch die Mitteilung, die 151 seien gebucht, vorbehaltlos angenommen. Der von der Firma S. erbetene Kontrakt hatte die Bedeutung eines Bestätigungsschreibens, wie sich sowohl aus dem Eingangssatz des Vertrages als auch aus dem Begleitschreiben der Firma C. vom 21.1.1965 Höge Raad 12. 10. 1951, Nederlandse Jurisprudentie (NJ) 1951 no. 670. Sanders, Aantasting van Arbitrale Vonnissen (1940) 89, 216 f.; Noien, Handleiding voor Arbiters (3. Aufl. 1957) 244; van Rossem/Cleveringa, Het Nederlandsch Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (3. Aufl. 1934), Anm. 5 zu Artt. 620/621 Rv. 1 Sanders 219; van Rossem/Cleveringa aaO. 8 Sanders 242f.; vgl. van Rossem/Cleveringa aaO. 5 8

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Internationales

Veriahrensrecht

ergibt. Der Inhalt des schriftlichen Vertragsentwurfes ist jedoch nicht Inhalt der Abrede der Parteien geworden. Denn die Firma S. hat dem schriftlichen Vertrag durch Fernschreiben vom 26.1.1965 widersprochen und dabei ausdrücklich auf die Abweichungen von den Bedingungen der fernschriftlichen Vereinbarungen hingewiesen. Der Widerspruch ist auch rechtzeitig, nämlich am Tage nach Empfang des Vertragsentwurfes, erfolgt 9 . Der Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages bestimmt sich daher nach dem Telexwechsel vom 20.1.1965 und nicht nach den abweichenden Bedingungen des schriftlichen Vertragstextes der Firma C. 2. Aus dem vorstehend Dargelegten ergibt sich, daß die Schiedsvereinbarung, die in dem Vertragstext der Firma C. enthalten ist, nidit durch Übersendung dieses Vertragsentwurfes Bestandteil des Kaufvertrages der Parteien geworden ist. Die Schiedsvereinbarung kann jedoch aus anderen Gründen Vertragsinhalt geworden sein. a) Die Vereinbarung einer „Schiedsklausel" (das ist eine Schiedsvereinbarung über mögliche künftige Streitigkeiten) ist nach holländischem Recht formirei. Die von Art. 623 Rv. verlangte Schriftform gilt nur für eine „Schiedsabrede" (das ist eine Schiedsvereinbarung über eine bestehende Streitigkeit), nicht dagegen für eine Schiedsklausel 10 . b) Auf der Grundlage der Formfreiheit wird heute ganz überwiegend auch die Möglichkeit stillschweigender Vereinbarung einer Schiedsklausel anerkannt. Gesetzliche Grundlage dieser Annahme sind die Artt. 1375 und 1383 des Burgerlijk Wetboek (BW). Art. 1375 BW erklärte zum Vertragsinhalt neben den ausdrücklichen Abreden der Parteien auch alle Regeln der Billigkeit, der Gebräuche und des Gesetzes, die nach Art des Vertrages anwendbar sind. Art. 1383 BW ergänzt, daß beständig gebräuchliche Vereinbarungen als stillschweigend vereinbart gelten. Die Erstreckung dieser gesetzlichen Regeln auf die stillschweigende Vereinbarung einer Schiedsklausel ist zwar nicht unbestritten geblieben, wird aber von der überwiegenden Meinung in Rechtspraxis und Rechtslehre gebilligt 11 . 9 Art. 2 II der Rules and Conditions and Arbitration Rules of the Netherlands Association for the trade in dried fruit, spices and allied products vom 14. 4. 1963 läßt Widerspruch am ersten Werktag nach Empfang eines Bestätigungsschreibens genügen. Diese Regeln sind zwar nicht ohne weiteres Vertragsinhalt geworden (dazu unten 2), sind aber als Erkenntnisquelle für den Handelsbrauch der Branche beachtlich. 10 Sanders 85 und in: Arbitrage International Commercial I (1957) 390 f.; Nolen 10; van Rossem/Cleveringa, Anm. 1 zu Art. 623 Rv. 11 Sanders 53, 60; Nolen 28 f. Anderer Ansicht wegen der Bedeutung einer Schiedsklausel: Rechtbank (Rb.) Rotterdam 10. 11. 1922, NJ 1923, 858; Rb. Amsterdam 29. 11. 1918, NJ 1919, 610; van Rossem/Cleveringa, Anm. 5 zu Art. 620/621 Rv. (S. 299 N. 1); Cleveringa, Op de arbitrale grens: Nederlandsch Juristenblad 1940, 717 ff., 733 ff. (738ff.).

Anerkennung ausländischer Entscheidungen /

Niederlande

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Nach der niederländischen Rechtsprechung lassen sich drei Fallgruppen einer stillschweigenden Vereinbarung einer Schiedsklausel unterscheiden: (1) In einer Branche ist eine Schiedsvereinbarung allgemein üblich 12 . (2) Eine Partei weiß oder muß auch nur wissen, daß die Gegenpartei nur aufgrund ihrer Bedingungen, die eine Schiedsklausel enthalten, abschließt 13 . (3) Eine Schiedsklausel ist in mehreren früheren Verträgen der Parteien ausdrücklich vereinbart worden, auch wenn der einen Partei dies nicht bewußt ist 1 4 . Nach den vorgelegten Unterlagen kommt vorliegend nur dieser letzte Grund einer stillschweigenden Vereinbarung der Schiedsklausel in Betracht. In diesem Zusammenhang ist einerseits zu beachten, daß die Geschäftsverbindung der Parteien nicht intensiv gewesen ist. Ins Gewicht fällt auch, daß die Firma S. Ende 1959 in zwei Verträgen auf der Vereinbarung eines anderen als des von der Firma C. vorgeschlagenen Schiedsgerichts bestanden hat. Andererseits scheint sich die Firma S. seitdem auf die Schiedsklausel der Firma C. eingelassen zu haben; dabei wird es auf die Zahl dieser Geschäfte und auch ihre zeitliche Lage im Verhältnis zu dem hier in Frage stehenden Abschluß ankommen 1 5 . Die Tatfrage, ob auch unter den hier gegebenen Umständen eine stillschweigende Vereinbarung der Schiedsklausel anzunehmen ist, wird das Gericht unter Würdigung aller Tatsachen zu entscheiden haben.

IV.

Ergebnis

1. Die Vollstreckung des niederländischen Schiedsspruches in Deutschland richtet sich nicht nach den internationalen Abkommen (wenn sich die Firma S. auf die fehlende Schriftlichkeit der Schiedsklausel beruft), sondern nach § 1044 ZPO. 2. Nach holländischem Recht macht das Fehlen einer Schiedsvereinbarung einen darauf ergangenen Schiedsspruch unwirksam. Die Nichtigkeit 12 Rb. Rotterdam 1. 10. 1934, N J 1935, 983; Rb. Rotterdam 10. 4. 1933, Weekblad van het Recht (W.) no. 12740, S. 7; Rb. 's-Gravenhage 28. 6. 1921, W . no. 10797, S. 3. 1 3 Rb. Utrecht 28. 11. 1951, N J 1953 no. 86; Rb. 's-Hertogenbosch 12. 7. 1923, N J 1924, 640; Rb. 's-Gravenhage 14. 3. 1919, N J 1920, 958; siehe auch Rb. Amsterdam 29. 11. 1918, N J 1919, 610. 14 Rb. 's-Gravenhage 24.7.1919, N J 1920, 357. Eine einzige frühere ausdrückliche Vereinbarung genügt hingegen nicht, Rb. 's-Gravenhage 14. 3. 1919, N J 1920, 958. 15 In dem Fall der Rb. 's-Gravenhage 24. 7. 1919 hatten die Parteien in dem Monat vor Abschluß des streitigen Geschäfts vier Verträge mit Schiedsklauseln geschlossen.

874

Internationales

Verlahiensrecht

kann in jeder Weise geltend gemacht werden. Eine bindende Feststellung ist nur durch Gerichtsurteil möglich; die Klage ist nicht befristet. 3. Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag ohne Schiedsklausel zustande gekommen, wenn sich nicht deren stillschweigende Vereinbarung aus den unter III 2 (1-3) angeführten Umständen ergeben sollte.

2. ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER ÖFFENTLICHER URKUNDEN Siehe auch Nr. 68

Nr. 73 USA (New York) Die Beurkundung eines ausländischen Notars ist der eines deutschen Notars nur dann gleichzustellen, wenn der ausländische Notar eine dem deutschen Notar vergleichbare Stellung einnimmt und seine Funktion bei der Beurkundung der eines deutschen Notars entspricht, so daß im Hinblick auf den Zweck der jeweiligen deutschen Formvorschrift von einer Äquivalenz der Beurkundung gesprochen werden kann. Die Tätigkeit eines amerikanischen Notary Public kann der Vertragsbeurkundung durch einen deutschen Notar nicht gleichgestellt werden. Soweit es sich um Verpflichtungsgeschäfte über Sachen handelt, wird die Ortsform nicht durch Art. 11 II EGBGB ausgeschlossen. Zur Form eines Verpflichtungsgeschäfts Uber Grundstücke und zur Lehre von der „consideration" nach dem Recht von New York. Ein in Deutschland belegenes Grundstück kann nicht vor einem ausländischen Notar aufgelassen werden. Hamburg G 101/65 vom 12. 7. 1965

Das Schleswig-Holsteinische OLG bittet in der Sache P. ./. P. um Auskunft über Internationales Privatrecht und amerikanisches Vertragsrecht. Aus den übersandten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Parteien, die beide in New York wohnen und offenbar beide die amerikanische Staatsangehörigkeit besitzen, sind die gesetzlichen Erben ihrer in Süddorf auf Amrum wohnhaft gewesenen und dort am 24. 4. 1959 verstorbenen Mutter. Die Erblasserin besaß die deutsche Staatsangehörigkeit. Zu ihrem Nachlaß gehört der im Grundbuch von Nebel Bd. XIII Blatt 675 eingetragene Grundbesitz. Am 4. 8 . 1 9 5 9 schlössen die Parteien in N e w York vor einem amerikanischen „Notary Public" einen Vertrag über die Auseinandersetzung des Nachlasses. Danach sollte der KI. auf alle Ansprüche aus einem Sparkonto verzichten, das bei der Spar- und Darlehnskasse von Yorkville auf den

876

Internationales

Verlahrensrecht

Namen der Erblasserin „in trust for G. P. and M. P." mit einem Guthaben von 4 261,15 $ bestand. Der Kl. hatte die Schulden der Mutter, die Beerdigungskosten und die Erbschaftsteuer zu übernehmen. Unter Nr. 4 des Vertrages heißt es sodann in deutscher Übersetzung: „G. P. soll - und tut es hiermit - übertragen, preisgeben und überlassen an H. P. seine etwaigen Ansprüche, Rechte und Interessen betreffend das Grundstück und Zubehör, die der besagten W. M. P. in Süddorf auf Amrum gehörten."

Der Kl. H. P. begehrt von dem Bekl. G. P. die Auflassung des Grundstücks. Der Bekl. hält den Vertrag sowohl aus formellrechtlichen wie aus materiellrechtlichen Gründen für nichtig. Vorsorglich hat er den Vertrag angefochten mit der Begründung, das unter Nr. 1 des Vertrages genannte Sparguthaben gehöre nicht zum Nachlaß; der Kl. habe ihn hierüber getäuscht. Falls sich jedoch auch der Kl. in diesem Punkte geirrt habe, so sei der Vertrag wegen eines gemeinschaftlichen Irrtums über die Geschäftsgrundlage unwirksam. Das Landgericht hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Der von den Parteien abgeschlossene Vertrag enthalte nicht nur ein Verpflichtungsgeschäft, sondern auch eine Verfügung. Diese sei gemäß Art. 11 II EGBGB nicht formgültig. Da sich die Verfügung und das Verpflichtungsgeschäft nicht trennen ließen, sei auch die Verpflichtungserklärung nichtig. Mit der Berufung verfolgt der Kl. weiterhin sein Klagebegehren. Das Oberlandesgericht fragt an, wie der Inhalt der Urkunde vom 4. 8. 1959 in formeller und materiellrechtlicher Hinsicht nach einschlägigem amerikanischem Recht zu beurteilen sei.

GUTACHTEN I. Deutsches Internationales

Privatiecht

1. Mateiielhechtlich bestimmt sich das Verhältnis unter den Miterben eines deutschen Erblassers - wie alle Fragen, die mit der Beerbung eines Deutschen zusammenhängen - gemäß Art. 24 I EGBGB nach deutschem Recht 1 . Deshalb befindet das deutsche Recht auch über Verträge, in denen die Erben Bestimmungen über die Erbauseinandersetzung treffen 2 . Die Parteien wollten durch den Vertrag vom 4. 8. 1959 den Nachlaß unter sich verteilen. Es handelt sich also um einen Vertrag über die Erbauseinandersetzung, der dem deutschen Recht unterliegt. 1 RG 24. 2. 1938, WarnR 1938 Nr. 70; Soergel/Siebert(-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), Bern. 18 vor Art. 24 EGBGB; Staudinger(-Raape), Kommentar zum BGB, Bd. VI/2 (9. Aufl. 1931), Art. 24 EGBGB, Erl. B I, S. 633. 2 RG 24. 2. 1938, WarnR 1938 Nr. 70; Frankens fein, IPR IV (1935) 633.

Anerkennung

ausländischer

öffentlicher

Urkunden / USA (New York)

877

2. Auch die Form beurteilt sich nach Art. 1111 EGBGB primär nach deutschem Recht. Es genügt jedoch die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen ist (Art. 11 I 2) - allerdings nicht für ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht an einer Sache begründet oder über ein solches Recht verfügt wird (Art. 11 II). Im Hinblick auf Art. 11 II EGBGB muß im folgenden zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft unterschieden werden.

II. Materielles 1. Formelle Gültigkeit des

Recht

Verpflichtungsgeschäfts

a) Deutsches Recht Für das deutsche Recht ist davon auszugehen, daß auch ein Erbauseinandersetzungsvertrag der Form des § 313 I BGB bedarf, soweit er die Übertragung eines Grundstücks in das Alleineigentum eines Miterben betrifft 3 . Da der Vertrag nicht vor einem deutschen Notar, sondern vor einem amerikanischen Notary Public abgeschlossen worden ist, fragt sich, ob dessen Beurkundung der eines deutschen Notars gleichgestellt werden kann. Obwohl die äußere Form der amerikanischen Beurkundung den Erfordernissen des § 176 FGG entspricht 4 , bestehen hiergegen gewichtige Bedenken. Im allgemeinen geht man zwar davon aus, die Beurkundung eines ausländischen Notars sei der eines deutschen Notars grundsätzlich gleichzustellen. Das gilt aber nur unter der Voraussetzung, daß der ausländische Notar eine dem deutschen Notar vergleichbare Stellung einnimmt und seine Funktion bei der Beurkundung dereines deutschen Notars entspricht, so daß im Hinblick auf den Zweck der jeweiligen deutschen Formvorschrift von einer Äquivalenz der Beurkundung gesprochen werden kann 5 . Der amerikanische Notary Public bekleidet ein öffentliches Amt. Die Voraussetzungen seiner Ernennung, vielfach auch die ihm zugewiesenen Aufgaben, sind in den einzelnen amerikanischen Staaten gesetzlich ge3 RGZ 129, 122 (123); Erman(-Groepper), Handkommentar zum BGB, Bd. I (3. Aufl. 1962), § 313 Anm. 4e. 4 Rabel, Conflict of Laws II (2. Aufl. 1960) 511. 5 Dölle, RabelsZ 27 (1962) 201 (241 f.); Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR (1962) 240; Raape, IPR (5. Aufl. 1961) 215; Soergel/Siebertf-Kegel), BGB, Bd. V (9. Aufl. 1961), Art. 11 Bern. 25 (m.w.N.)-, Bärmann, AcP 159 (1960) 1 ff. (18 ff.); Mann, NJW 1955, 1177; M. Wolff, Das IPR Deutschlands (3. Aufl. 1954) 128; Staudinger(-Raape), Kommentar zum BGB (9. Aufl. 1931), Art. 11 EGBGB, Erl. A I 5, S. 165; Frankenstein, IPR I (1926) 536.

878

Internationales

Verlahrensrecht

regelt". Für New York ist die Regelung im Executive Law (Laws 1951, Chapter 800) §§ 130 ff. enthalten 7 . Der New Yorker Notary Public ist danach für die Aufnahme und Beglaubigung nahezu sämtlicher vorkommender Urkunden zuständig. Insbesondere hat er eidesstattliche Versicherungen, Auflassungen von Grundstücken und Wechselproteste aufzunehmen. Entspricht somit das Amt des Notary Public etwa dem des deutschen Notars, so ist doch seine Funktion wesentlich bescheidener als nach deutschem Recht: Seine Mitwirkung bei der Errichtung von Urkunden beschränkt sich nämlich darauf, Unterschriften unter Privaturkunden zu beglaubigen 8. Dagegen steht dem anglo-amerikanischen Notary Public eine Beuikundungsbeiugnis im Sinne des § 128 BGB nicht zu. Wesentliches Element dieser strengsten Geschäftsform des deutschen Rechts ist der Verhandlungsgrundsatz (§ 175 FGG). Er besagt, daß der Notar nicht als unbeteiligtes Werkzeug die Erklärung der Beteiligten lediglich niederschreibt, sondern daß er mit ihnen die Erklärung „verhandelt", d. h. verantwortlich bei ihrem Zustandekommen mitwirkt 9 . Eine solche konsultative Tätigkeit des Notars, die über eine Beweissicherung und den Schutz vor Übereilung hinausgeht, ist dem Recht von New York wie auch dem Recht der sonstigen nordamerikanischen Staaten unbekannt. Von hier aus wird verständlich, daß die Ernennung zum Notary Public keine juristische Ausbildung des Bewerbers voraussetzt 10 . Da die von § 313 BGB vorgeschriebene Form nicht nur der Beweissicherung und dem Schutz vor unüberlegter Bindung dient, sondern auch die Mitwirkung eines rechtskundigen Beraters garantieren s o l l n , kann die Tätigkeit eines amerikanischen Notary Public der Vertragsbeurkundung durch einen deutschen Notar nicht gleichgestellt werden 12 . Die Form des § 313 BGB ist also nicht gewahrt. Es kommt deshalb darauf an, ob der Vertrag den Formvorschriften des in New York geltenden Rechts genügt (Art. 1 1 1 2 EGBGB). Denn soweit es sich um Verpflichtüngsgeschäfte über Sachen handelt, wird die Ortsform nicht durch Art. 11 II EGBGB ausgeschlossen. So ist anerkannt, daß deutsche Grundstücke im « Corpus Juris Secundum, Bd. 66 (1950 mit Nachtrag 1965), Notaries §§ 1, 3. Abgedruckt in McKinney's Consolidated Laws, Annotated, Bd. 18 (1951 mit Nachtrag 1964). 8 Deshalb können Beglaubigungen durch einen amerikanischen Notary Public inländischen Beglaubigungen gleichgestellt werden: vgl. Bärmann, AcP 159 (1960) 1 ff. (20); Weber, N J W 1955, 1784; M. Woifi, IPR (3. Aufl. 1954) 128. » Vgl. auch § 26 BNotO. 10 Vgl. für New York den § 130 des Executive Law; Schlesinger, Comparative Law (2. Aufl. 1959) 13, 405, 482. 11 Vgl. Weber, N J W 1955, 1784 (1785). 12 Vgl. Dolle, RabelsZ 27 (1962) 201 (241, 242); Raape, IPR 215; Bärmann, AcP 159 (1960) Iff. (20); Mann, N J W 1955, 1177 (1178); Frankenstein, IPR I (1926) 536. 7

Anerkennung

ausländischer

öttentlicher

Urkunden / USA (New York)

879

Ausland nach Ortsrecht formlos verkauft werden können 1 3 und daß die Einhaltung der deutschen Formvorschriften auch nicht über den deutschen ordre public (Art. 30 EGBGB) erzwungen werden kann 1 4 . b) Das Recht von New York Sieht man von der dem Common Law eigentümlichen consideration ab, deren Qualifikation als „Form" streitig ist, so gilt im anglo-amerikanischen Recht für den Abschluß von Verträgen das Prinzip der Formfreiheit: soweit nicht eine ausdrückliche Rechtsnorm entgegensteht, sind Verträge nicht formbedürftig 15 . Die Parteien haben sich durch ihren Vertrag über den ihnen zugefallenen Nachlaß auseinandersetzen wollen. Erbrechtliche Formvorschriften, die bei einer solchen Auseinandersetzung zu beachten wären, gibt es im Recht von New York nicht. Das amerikanische Erbrecht kennt keine gesamthänderische Erbengemeinschaft am gesamten Nachlaß. Eine Rechtsgemeinschaft der Erben besteht lediglich an den zum Nachlaß gehörenden Grundstücken, die im Gegensatz zum beweglichen Vermögen mit dem Erbfall unmittelbar in die legal ownership der Erben übergehen 1 6 . Das Rechtsverhältnis, in dem sie bezüglich des unbeweglichen Nachlasses stehen, ist heute in den weitaus meisten Staaten die „tenancy in common". Das gilt auch für den Staat New York 17 . Bei dieser Form des Miteigentums steht dem einzelnen Erben ein selbständiges Bruchteilsrecht zu. Gleichwohl ist die „tenancy in common" von der deutschen Gesamthandsgemeinschaft nicht allzu weit entfernt: jeder Miterbe kann über seinen Anteil am Nachlaß verfügen. Sämtliche Erben haben ein Recht auf gemeinschaftlichen Besitz. In Fragen, die den Nachlaß im Ganzen oder ganze Nachlaßsachen betreffen, müssen sie gemeinschaftlich handeln 1 8 . Ob deshalb aus der Sicht des amerikanischen Rechts auch eine deutsche Erbengemeinschaft als „tenancy in common" aufzufassen wäre oder ob sie eher als eine modifizierte „joint tenancy" 19 anzusehen wäre, kann hier dahinstehen. Denn beide Gemeinschaften des amerika13 Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 11 Bern. 12 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 14 Vgl. RGZ 121, 154 (156). 16 Corpus Juris Secundum, Bd. 17 (1963), Contracts § 53. 16 Vgl. Hallstein, Artikel „Miterben", in: Rechtsvergleidiendes Handwörterbuch, Bd. V (1936) 355. 17 Vgl. Real Property Law § 66 (abgedruckt in McKinney's Consolidated Laws of N e w York, Bd. 49 Teil 1 (1945 mit Nachtrag 1964); Gerard, Real Property Law of N e w York, Bd. II (6. Aufl. 1926) §§ 728 f. 18 Vgl. Thompson, Commentaries on the Modern Law of Real Property, Bd. IV (1940 mit Nachtrag 1958), §§ 1831 ff. ; Gerard, §§ 736 ff.; Hallstein 355. 19 Näheres zu dieser Form gemeinsamen Eigentums bei Thompson, §§ 1775 ff.

880

Internationales

Veriahrensrecht

nischen Rechts können durch Vereinbarungen der Partner auseinandergesetzt werden 20 . Bei der Auseinandersetzung sind auch im amerikanischen Recht Verfügungen und Verpflichtungsgeschäft zu unterscheiden. Hier interessiert nur das Verpflichtungsgeschäft, d. h. die Vereinbarung der Miterben, den Nachlaß in einer bestimmten Weise zu teilen. Es handelt sich insoweit um einen Verpflichtungsvertrag (executory contract), der sich als Tauschvertrag begreifen läßt. Ein Vertrag, durch den die Verpflichtung, Rechte an einem Grundstück einzuräumen, begründet werden soll, bedarf nach dem Recht von New York der Schriftform. Die maßgebende Bestimmung war bis zum 27. 9. 1964 in § 259 des Real Property Law von New York vom 17. 2.1909 (Laws 1909, Chapter 52) enthalten und findet sich nun in dem inhaltlich übereinstimmenden § 5-703 Nr. 3 des General Obligations Law, das am 27. 9. 1964 in Kraft getreten ist 21 . Die Bestimmung lautet: „A contract for the leasing for a longer period than one year, or for the sale, of any real property, or an interest therein, is void, unless the contract, or some note or memorandum thereof, expressing the consideration, is in writing, subscribed by the party to be charged, or by his lawful agent thereunto authorized by w r i t i n g . . . "

Ein Miet- oder Pachtvertrag hinsichtlich unbeweglichen Vermögens von mehr als einjähriger Zeitdauer sowie ein Kaufvertrag über unbewegliches Vermögen oder ein Recht daran, ist ungültig, wenn der Vertrag, oder irgendeine Niederschrift dessen, nicht schriftlich abgefaßt ist, wobei die Gegenleistung (consideration) angegeben sein muß; der Vertrag muß von der Partei, die das Recht gewährt, oder von ihrem dem Gesetz entsprechenden und schriftlich bevollmächtigten Vertreter unterschrieben s e i n . . .

Die zitierte Vorschrift spricht zwar nur von „sale". Doch umfaßt dieser Begriff auch den Tauschvertrag 22 . Der von den Parteien abgeschlossene Vertrag genügt diesen Erfordernissen: er ist schriftlich abgefaßt, von dem Bekl. unterschrieben und gibt eine Gegenleistung („consideration") des Kl. an. Der Kl. hat sich u. a. verpflichtet, die Schulden der Mutter, die Beerdigungskosten und die Erbschaftsteuer zu übernehmen und zu bezahlen. Bei allen diesen Posten handelt es sich um Nachlaßschulden, für die der Bekl. als Miterbe mit einzustehen hatte. Diese Verpflichtung reicht als „consideration" aus. Es Thompson, § 1962. Abgedruckt in McKinney's 1963 Session Laws of New York, S. 920. 2 2 Vgl. Imperator Bealty Co. v. Tull, 228 N. Y. 447, 127 N. E. 263, 264, 265 (1920); Simoson, Moloney und Patton in: American Law of Property, Bd. III (1952 mit Nachtrag von 1962) 48 f.; Thompson, Real Property, Bd. VIII (1940 mit Nachtrag von 1958), § 4553. 20

21

Anerkennung

ausländischer

öffentlicher

Urkunden

/ USA (New York)

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ist nämlich anerkannt, daß die consideration für ein Versprechen nicht gleichwertig zu sein braucht und daß der Richter die Angemessenheit (adequacy) der consideration als Gegenwert im Einzelfalle nicht nachzuprüfen hat 23 . Auch im Staate New York gehen die Gerichte von diesem Grundsatz aus 24 . In Fällen, in denen die consideration nicht mehr als ein „peppercorn", also von rein nomineller Art ist, macht sich in der amerikanischen Rechtsprechung allerdings die Tendenz bemerkbar, die consideration als nicht ausreichend zu betrachten25. Auf diese Ausnahmefälle braucht hier aber nicht näher eingegangen zu werden, weil das genannte Gegenversprechen des Kl. über eine nominelle consideration weit hinausgeht. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob dem Kl. Rechte an dem Sparkonto zustanden, das bei der Spar- und Darlehnskasse von Yorkville auf den Namen der Erblasserin „in trust for G. P. and M. P." bestand, und ob - falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte - ein Verzicht auf vermeintliche Rechte als consideration anzuerkennen wäre. Da, wie gesagt, eine consideration vorliegt, erübrigt sich auch eine Prüfung der streitigen Frage, ob die consideration als „Form" zu qualifizieren ist 20 . Zusammenfassend läßt sich somit bisher feststellen, daß der Auseinandersetzungsvertrag den Formvorschriften des Staates New York genügt. 2. Formelle Gültigkeit des

Veriügungsgeschäfts

Der Bekl. hat sich in dem Vertrag vom 4. 8. 1959 nicht nur verpflichtet, auf seine Rechte an dem in Süddorf auf Amrum belegenen Grundstück zu verzichten, sondern er hat seine Rechte zugleich auf den Kl. übertragen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut der Nr. 4 des von den Parteien am 4. 8.1959 abgeschlossenen Vertrages. Wenn es dort heißt: „G. P. shall and does hereby c o n v e y . . s o ist damit klar zum Ausdruck gebracht, daß es nicht bei der Verpflichtung bewenden, sondern die Verpflichtung auch sogleich erfüllt werden sollte. Die von dem Bekl. in einer besonderen 23 Corbin, On Contracts, Bd. I (1963), § 127; Corpus Juris Secundum, Bd. 17 (1963), Contracts § 127; Williston, A Treatise on the Law of Contracts, Bd. I (5. Aufl. 1957), § 115. 24 Vgl. Meneher v. Weiss, 114 N. E. 2d 177 (181) (N. Y. 1953); Mandel v. Liebman, 100 N. E. 2d 149 (152) (N. Y. 1951). 25 Corbin 546; vgl. auch 540 Anm. 74 daselbst. 2 6 Bejahend Neuhaus 92; Raape, IPR 224 f. - verneinend hingegen Becker, in: Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin (1955) 34 Fußnote 105; Soergel/Siebert(-Kegel), Art. 11 Bern. 20. Für eine Bejahung der Frage spricht, daß die consideration in bestimmten Fällen praktisch die Funktion eines Formerfordernisses erfüllt (vgl. Kessler, Einige Betrachtungen zu der Lehre von der Consideration, in: Festschrift für Rabel I (1954] 251 ff., 273).

56

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

882

Internationales

Verfahrensrecht

Urkunde („deed") am gleichen Tage abgegebene Übertragungserklärung diente lediglich der formellen Klarstellung dieser Tatsache. Die von dem Bekl. getroffene Verfügung ist nicht formgültig. a) Zwar ist auch für die Verfügung die Ortsform gewahrt 27 , aber da Art. 11 II EGBGB die Ortsform insoweit ausdrücklich ausschließt, gilt hier für die Form allein das Geschäftsrecht, d. h. die lex rei sitae 28 , somit das deutsche Recht. b) Der Vorschrift des § 925 BGB ist nicht genügt. Zwar erfordert die Auflassung eines deutschen Grundstücks nicht eigentlich eine Beurkundung. Erforderlich ist jedoch die Vornahme vor einer Behörde. Wenn § 925 „jeden" Notar für zuständig erklärt, so wird hierbei vorausgesetzt, daß es sich um einen deutschen Notar handelt 29 . Deshalb kommt es hier - anders als bei dem Verpflichtungsgeschäft - auf die Frage einer Gleichwertigkeit zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Notar nicht mehr an. 3. Materielle Gültigkeit des

Verpflichtungsgeschäfts

Abgesehen von der Formfrage beurteilt sich der Vertrag in jeder Hinsicht ausschließlich nach deutschem Recht. Dieses befindet also auch darüber, ob und inwieweit eventuelle Fehlvorstellungen der Parteien die Gültigkeit des Vertrages berühren und welche Bedeutung die vom Bekl. erklärte Anfechtung hat. Mit diesen Fragen hat sich das Gutachten nicht zu befassen. Im Interesse einer beschleunigten Bearbeitung und Kostenersparnis wird hier nicht auf die Frage eingegangen, ob das Sparkonto, das bei der amerikanischen Bank auf den Namen der Erblasserin „in trust for G. P. and M. P." bestand, zum Nachlaß gehörte oder nicht. Falls das Gericht diese Frage als Vorfrage für die nach deutschem Recht zu beurteilende materielle Gültigkeit des Vertrages für erheblich ansieht, ist das Institut bereit, ein Ergänzungsgutachten zu erstatten. Im übrigen wird auf eine Untersuchung dieser Frage durch Knauer hingewiesen, die eine weitere gutachtliche Stellungnahme entbehrlich machen könnte s o .

27 Vgl. General Obligations Law § 5-703 (abgedruckt in McKinney's 1963 Session Laws of N e w York S. 920); ebenso zuvor der mit Wirkung vom 27. 9. 1964 aufgehobene § 242 des Real Property Law. 28 Soergel/Siebertf-Kegel), Art. 11 Bern. 9. 29 Raape, IPR 215; Soergel/Siebertf-Kegel), Art. 11 EGBGB Bern. 25; Weber, N J W 1955, 1784; Riedel, DNotZ 1955, 521 ff.; a. A. Mann, N J W 1955, 1178; - offen lassend Neuhaus 240 Fußnote 585 a. *> Siehe Knauer, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 15. 4. 1959, RabelsZ 25 (1960) 318 (332 ff.).

Anerkennung

ausländischer

ötientlicher

III.

Urkunden

/ USA (New York)

883

Ergebnis

1. Als Vertrag über die Erbauseinandersetzung unterliegt die Verein barung vom 4. 8. 1959 dem Erbstatut, also dem deutschen Recht. 2. Der Vertrag wahrt zwar nicht die Form des § 313 BGB, da ein amerikanischer Notary Public einem deutschen Notar jedenfalls hinsichtlich dei Beurkundung eines Grundstücksgeschäfts nicht gleichgestellt werden kann. Doch genügt der Vertrag den Formvorschriften des Rechts von New York, ist also nach Art. 1112 EGBGB formgültig. Hingegen fehlt es dem Verfügungsgeschäft an der formellen Gültigkeit. 3. Die Frage der materiellen Gültigkeit des Vertrages beurteilt sich nach deutschem Recht.

56 *

SACHREGISTER (Seitenzahlen ohne vorgängige Landesbezeichnungen beziehen sich auf Deutsches Internationales Privatrecht)

Abtretung 59 f. (Niederlande) 58-63 action directe Gegen eine Versicherungsgesellschaft in Frankreich 852-855 administrator (USA) 525,528 Adoption (Belgien) 566-568 - Erbrecht des Adoptierten (Belgien) 565 f. - Statut 566 Algerien Staatsangehörigkeit 400, 403 f. - Erwerb durch Eheschließung 403 f. Anerkennung als Flüchtling i. S. der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, 319 Anerkennung ausländischer öffentlicher Beurkundungen 803-809 s. auch notary public Anerkennung - ausländischer Strafurteile, die über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden 837-841 - eines französischen Adhäsionsurteils 837-841 - ausländischer Versäumnisurteile in Frankreich 857-860 Anerkennung einer Ehescheidung (einer mexikanischen Scheidung in Argentinien) 136 f. (einer mohammedanischen talaghScheidung in England) 249 Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils (Deutschland) England 242 f., Mexiko/Chihuahua 233-236 (England) 245-252 (Schottland) Mexiko/Chihuahua 236 f.

Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils (Belgien) 223-228 (Frankreich) 223-228 (Italien) 126, 180 f. (Luxemburg) 223-228 (USA/New Jersey) 258-266 Anerkennung eines ausländischen Statusurteils (Luxemburg) 222 Anerkennung einer ausländischen Todeserklärung (Sowjetrußland) 513-515 Anerkennung von unehelichen Kindern (Italien) 130 f.; nachträgliche(Italien) 131; - von Ehebruchskindern (Italien) 131; - und ordre public (Italien) 132 s. auch Legitimierung, Vaterschaftsanerkenntnis animus manendi (England) 348 s. auch Domizil, Ursprungsdomizil, Wahldomizil Argentinien Anerkennung einer mexikanischen Ehescheidung 136 f. Doppelehe 138-141 Erbstatut 612-614 gesetzliche Erbfolge 618 gesetzlicher Güterstand 623 gesetzlicher Güterstand und Erbrecht 623 Gültigkeit der Eheschließung nach IPR 135 Klage auf Nichtigerklärung einer Doppelehe 140 Nichtigerklärung einer Doppelehe ex officio 140 f. Scheidung der Ehe 136

Sachregister Testamentsform 615 Testamentsvollstrecker 618, 629 f. Vermächtnis 628 f. Vermächtnis und Anrechnung auf den Pflichtteil 629 Vermächtnis und Erbeinsetzung 615 bis 618 Auflösbarkeit der Ehe (Italien) 181 f., 608 Auseinandersetzungsverfahren unter Miterben (Italien) 763-765 Ausschlagung der Erbschaft (USA/Oregon) 524 f. Bedingte Verfügung von Todes wegen (USA/Kalifornien) 717-723 Beherbergungsvertrag 12-16 Belgien Adoption 566-568 Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses 384 Annahme der Erbschaft 568 f. Auslegung eines Testaments 554 bis 556 Besitz in Nachlaß 569 f. Eheschließung in jüdisch-religiöser Form 115-120 Erbrecht des Adoptierten 565 f. Erbrecht ehelicher Kinder 553 f. Erbstatut 535 Errichtung einer Stiftung durch Testament 551-557 Geständnis im Scheidungsprozeß 225-228 interlokales Erbstatut 535, 539-541 interlokales Güterrechtsstatut 545 f. intertemporales Erbstatut 536 f. intertemporales Güterrechtsstatut 546 Legitimation durch Eheschließung 383 f. Nacherbschaft 537 f., 544 Nachlaßspaltung 561-564 Nichtehe 115 f. Nichtigkeit eines Testaments 555 f. Nießbrauchsrecht der überlebenden Ehefrau 549 f., 554, 570, 572 Parteivernehmung im Scheidungsprozeß 225-228 Pflichtteil 547-549, 557 f. Pflichtteil und Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden 548 f.

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Pflichtteil und Herabsetzungsklage des Vorbehaltserben 548 Pflichtteil und Verfügungen zugunsten von Ehegatten 548 Putativehe 116-120 Rechtsfähigkeit einer Stiftung 552 Schenkung unter Ehegatten 537-539 testamentarische Erbfolge 565 f. Testamentsform 547, 564 f. Vorerbschaft 537 f., 544 Besitz am Nachlaß (Belgien) 569 f. bona fide resident (USA/New Jersey) 259 Bürgschaft 97 Form (Niederlande) 107 f. China (Nationalchina) Anrechnung von Vorempfängen auf den Pflichtteil 751 Ehegüterrecht 753 Erbstatut 741 Erbunwürdigkeit 747-749 Erbverzicht 746 f. gesetzliche Erbfolge 744-746, gesetzlicher Güterstand 752 f. Güterrechtsstatut 752 f. Pflichtteil 749-751 Testamentsanfechtung 747 Testierfreiheit 742 f. Unteranknüpfung 740 f. Vermächtnis 743 f. cessio legis s. gesetzlicher Forderungsübergang comity (USA/New Jersey) 259, 262 contract for contingent fee s. Erfolgshonorar custody (USA/Massachusetts) 322 f. customary law (Nigeria) 407-410 Dänemark außervertragliches Schadensersatzrecht 38-44 Gefährdungshaftung 41 f. Haftung der öffentlichen Hand 45-48 Handelsvertreter-Vertrag 86-88 Handelsvertreter-VertragnachIPR85f. Mitverschulden des Geschädigten 40 öffentlich- und privatrechtliche Haftung 35-38

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Sachregister

Verjährung 43 Verschuldenshaftung 39-41 Vorteilsausgleichung 43 domicil of choice s. Wahldomizil domicil of origin s. Ursprungsdomizil Domizil (England) 246, 347-349, 517 f., 579, 648 f. (Indien) 442 (Nigeria) 406 f. (Schottland) 237 (Südafrikanische Union) 347-349, 692 (USA) 257,260-262,699 (USA/New York) 778 f. s. auch Wahldomizil, Ursprungsdomizil Doppelehe (Argentinien) 138-141 (Schottland) 240 duress (England) 251 Ehefähigkeitszeugnis Befreiung bei irakischen Staatsangehörigen 156 Ehegabe (Irak) 159 f. Ehegüterrecht (Argentinien) 623 (Frankreich) 623 (Irak) 159-161 (Italien) 171 f. (Niederlande) - bei unter niederländischer Verwaltung stehenden Gebieten 477 (Polen) 214-216, 673-675 (Ungarn) 219 f. s. auch gesetzlicher Güterstand, Güterrechtsstatut Ehehindernis der Bekenntnisverschiedenheit (nach kanonischem Recht) 177 eheliche Abstammung (Iran) 432-434 Ehelichkeitsbeseitigungsklage (Italien) 279-281 Ehenichtigkeitsurteil (Italien) 128, 176 Eheschließung - Ehefähigkeit (im polnischen IPR) 113

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(im ungarischen IPR) 113 (Italien) 126 Form (Dänemark) 124 (Ungarn) 114 f. (Italien) 174-176 (Schottland) 237 f. (Slowenien-Dalmatien) 148 (Ungarn) 114 f. in jüdisch-religiöser Form (Belgien, Frankreich) 115-120 (Ungarn) 114 f. Formstatut (Italien) 174 f. (Jugoslawien) 146 (Polen) 113 (Ungarn) 113 f. Gültigkeit (nach argentinischem IPR) 135 (einer Eheschließung in Schottland nach deutschem IPR) 239 (Iran) 271 f. (Italien) 125 (Kroatien) 149 (Schottland) 238 f. (Slowenien-Dalmatien) 149 spanischer Angehöriger in Deutschland 393 f.

Ehevertrag (Irak) 159-161 (Italien) 171-173 - Zulässigkeit 169 - Form 170, (nach italienischem IPR) 170 f. Eigentumsübergang an einem ausländischen Grundstück 3 Eigentumsübertragung (Italien) 5-8 Eingeborenenrecht s. customary law elterliche Gewalt - bei bestehender, nicht gestörter Ehe (Italien) 310-312 (Niederlande) 287 - nach Ehetrennung oder -Scheidung (Irak) 165 (Italien) 312-316 - bei Anerkennung des Kindes durch die Mutter (Spanien) 453 f. - der unehelichen Mutter (Griechenland) 353

Sachregister - Beendigung (Niederlande) 300 - Entziehung (Spanien) 451 f. der elterlichen Gewalt spanischer Eltern durch deutsches Vormundschaftsgericht 450-453 s. auch Personensorge, Sorgerecht England Anerkennung einer mohammedanischen talagh-Scheidung 249 Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils 245-252 Anerkennung eines englischen Scheidungsurteils in Deutschland 242 f. Domizil 246, 347-349, 517 f., 579,648 f. duress 251 Erbfolge in den beweglichen Nachlaß 517-519 Erbfolge in den unbeweglichen Nachlaß 519 Erbschaftsverwalter 656 f. Erbstatut 517 f., 577-580, 647-649 executor 657, 658 f. foreign-court-Theorie 653 Güterrechtsstatut 520 jurisdiction 245-249 Nachlaßspaltung 517-519, 647-649 public policy 249 f. Testamentsform 575 f. Ursprungsdomizil 246,347-349,517 f., 579 Wahldomizil 247,347-349, 517 f., 579 Entschädigungsanspruch Qualifikation als bewegliches - unbewegliches Vermögen 700 f. Entziehung der elterlichen Gewalt (Spanien) 451 f. - spanischer Eltern durch deutsches Vormundschaftsgericht 450-453 equitable recession 31 f. Erbauseinandersetzungsvertrag vor amerikanischem notary public 877-879 Erbengemeinschaft (Italien) 607,763-765 - und tenancy in common / joint tenancy nach amerikanischem Recht 879 f. Erbenhaftung - Beschränkung durch Inventarerrichtung (Italien) 489-595

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Inventarerrichtung in Deutschland (Italien) 494 Erbfolge (Israel) 143 f. (Irak) 166 - gesetzliche (Argentinien) 618 (Belgien) 553 f. (Iran) 733, 735 f. (Italien) 479-^482 (Nationalchina) 744-746 (Niederlande) 474 f. (USA/Kalifornien) 728 (USA/Oregon) 529 f. - testamentarische (Belgien) 565 f. (Iran) 734 f. (USA/New York) 780-792 - in den beweglichen Nachlaß (England) 517-519 (Rumänien) 502 (USA) 788 f. - in den unbeweglichen Nachlaß (England) 519 (Rumänien) 501 f. (USA) 788 f. Erbgang 482 (Italien) 600-604 (Sowjetrußland/Ukraine) 513 - Annahme der Erbschaft (Belgien) 568 f. (Italien) 483,600 (Sowjetrußland/Ukraine) 513 - Annahme der Erbschaft unter Vorbehalt der Inventarerrichtung (Italien) 483 f., 600-606 - Form der Annahme der Erbschaft (Italien) 484 - Gesamtrechtsnachfolge (Polen) 662 f. Erbrecht (altösterreichisches) 503-505 (Frankreich) 580-587 (Irak) 166 (Kongreßpolen) 508 (Niederlande) 474 f. (ottomanisches) 144 (Sowjetunion/Ukraine) 513-515 (Südafrikanische Union) 691 f. - intertemporales Erbrecht (Belgien) 536 f. s. auch Erbstatut

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Sachregister

Erbrecht des überlebenden Ehegatten (Belgien) 549 f., 554 (Italien) 480 (Iran) 735 f. (Polen) 509 (Rumänien-Nord-Siebenbürgen) 504 (USA/New York) 782 f. s. audi Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten Erbrecht ehelicher Kinder (Belgien) 553 f. (Iran) 736 (Polen) 509 (Rumänien-Nord-Siebenbürgen) 503 f. Erbschaftsverwalter (England) 656 f. (USA/New York) 705-708, 790-792 - Aufnahme im deutschen Erbschein: 709, 793 f. Erbschein - Inhalt bei amerikanischem Erbfall 526 f., 530, 793 - Aufnahme einer amerikanischen Erbschaftsverwaltung in den Erbschein 709, 793 f. - Aufnahme eines „trusts" in den Erbschein 774 Erbstatut (Argentinien) 612-614 (Belgien) 535,561-564 (England) 517,647-649 (Frankreich) 580 (Iran) 731 f. (Nationalchina) 741 (Polen) 649-652, 680 f. (Rumänien) 501 f. (Schweden) 635 (Sowjetunion) 682 f. (Südafrikanische Union) 691 f. (USA/New York) 699 f., 778 f. - interlokales Erbstatut (Belgien) 539-541 Erbteilvermächtnis (Frankreich) 581 Erbunwürdigkeit (Nationalchina) 747-749 Erbvermächtnis (Frankreich) 581 f. Erbvertrag (Belgien) 537-539 - Auslegung 541-543

Erbverzicht (Common Law) 811-814 (Nationalchina) 746 f. (USA-Pennsylvania) 815 f. - Form (USA/Pennsylvania) 818 f. - Qualifikation nach deutschem IPR (USA/Pennsylvania) 816-818 - Statut 801-803 Erfolgshonorar (USA) 28-33 - in Steuersachen (USA) 28-33 Erfüllungsort Anknüpfung 26, 76 Errungenschaftsgemeinschaft (Polen) 215 f., 674 f. (Ungarn) 219 f. - und Wiedergutmachungsansprüche (Polen) 675 f. Ersatzerbschaft (Polen) 667 executor (England) 657, 658 f. (Südafrikanische Union) 694 f. (USA/Kalifornien) 725 f., 770 f. s. auch Testamentsvollstrecker Firäs 417 foreign-court-Theorie im englischen IPR 653 Frankreich Abänderung eines Unterhaltsurteils 192 f. action directe gegen Versicherungsgesellschaft 852-855 Anerkennung ausländischer Versäumnisurteile 857-860 Anerkennung eines französischen Adhäsionsurteils in Deutschland 837-841 Ehegüterrecht 623 Eheschließung in jüdisch-religiöser Form 115-120 Erbrecht 580-587 Erbstatut 580 Erbvermächtnis 581 f. gesetzlicher Forderungsübergang nach IPR 68 f. gesetzlicher Forderungsübergang zugunsten des Sozialversicherungsträgers 69-72 gesetzlicher Güterstand 623-620

Sachregister gesetzlicher Güterstand und Erbrecht 623-626 Geständnis im Scheidungsprozeß 225-228 Güterrechtsstatut 621 f. Haftung bei mehreren selbständigen Schadensursachen 864 f. Haftung des Kraftfahrzeugführers 861-863 Haftung mehrerer Schädiger 864 intertemporale Kollision 199 Legitimationsstatut 399 f. Mitverschulden des Geschädigten 863 f. Nichtehe 115 f. Parteivernehmung im Scheidungsprozeß 225-228 Pflichtteil 583-585 Pflichtteilsausschlagung 584 f. Putativehe 116-120 Staatsangehörigkeit 184, 401 Stückvermächtnis 581 Teil Vermächtnis 581 Testamentsvollstrecker 585 f. Unterhaltsanspruch eines getrennt lebenden Ehegatten 187-193 Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder 202-208 V e r j ä h r u n g eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung 866 f. Vertretung im Unterhaltsprozeß 202-205 Verzugszinsen 865 f. Freie Willensbildung des Erblassers (USA/New York) 781 Füll faith and credit clause (USA) 255 f. Gastwirtshaftung (Spanien) 16-18 Gefährdungshaftung (Dänemark, Norwegen) 41 f. Gefälligkeitslegitimation 385 Gegenvormund (Niederlande) 287 f. - Auswahl durch deutsches Gericht 307 f. - Auswahl durch niederländisches Gericht 308 f. Gemeinschaftliches Testament s. wechselbezügliches Testament Gesamtverweisungstheorie 122 Geschäftsbesorgungsvertrag 9, 13

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gesetzlicher Forderungsübergang 66-68 (im französischen IPR) 68 f. - zugunsten des Sozialversicherungsträgers (Frankreich) 69-71 - Wirkungen (Frankreich) 71 f. gesetzlicher Güterstand (Argentinien) 623 (Frankreich) 623-626 (Nationalchina) 753 - und Erbrecht (Argentinien) 623 (Frankreich) 623-626 gesetzliche Vertretung - von ehelichen Kindern (Italien) 494-498 (Jugoslawien) 335-337 - von unehelichen Kindern (Jugoslawien) 335-337 Geständnis im Scheidungsprozeß (Belgien, Frankreich) 225-228 (Luxemburg) 225 gewöhnlicher Aufenthalt 255 Globalzession 60 (Niederlande) 63 Griechenland elterliche Gewalt der unehelichen Mutter 353 Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Eheschließung 342 freiwillige Anerkennung der Vaterschaft 354-356 Staatsangehörigkeit 342 Staatsangehörigkeit des unehelichen Kindes 360 Vaterschaftsanerkenntnis 354-356 Verhältnis zwischen Mutter und unehelichem Kind 346, 352 f. Widerruf eines Vaterschaftsanerkenntnisses 354 Güterrechtsstatut (England) 520 (Frankreich) 621 f. (Nationalchina) 752 f. (Polen) 213 f., 671 f. - im intertemporalen Recht (Belgien) 546 - Unwandelbarkeit 210, 217, 519 - Unwandelbarkeit bei Volksdeutschen Flüchtlingen, Umsiedlern und Vertriebenen 211 f.

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Sachregister

- Unwandelbarkeit im interlokalen Privatrecht 476 Gütertrennung (Italien) 172 Haftung - bei mehreren selbständigen Schadensursachen (Frankreich) 864 f. - der öffentlichen Hand (Dänemark) 45-48 (Norwegen) 49-55 - des Kraftfahrzeugführers (Frankreich) 861-863, 865 - mehrerer Schädiger (Frankreich) 864 f. Haftungsausschluß vertraglicher (Spanien) 17 Handeln unter falschem Recht 656 Handelsvertreter-Vertrag (Dänemark) 86-68 (im dänischen IPR) 85 f. - Ausgleichsanspruch 74-78 - Provisionsanspruch 74-78 - Vertragsstatut 77 f. - Verträge zwischen inländischen Firmen und ausländischen Vertretern 83 f. Heimatzugehörigkeit (Jugoslawien) 148 Heirat s. Eheschließung Hinkende Ehe - und Scheidung 275 Hinterbliebenenversorgung (Irak) 154 hypothetischer Parteiwille 11 f., 19-21, 24-26, 76-78, 83 f. - und Rück- oder Weiterverweisung des Vertragsstatuts 98 s. auch Parteiwille Indien Domizil 442 Legitimationsstatut 441-443 Legitimation eines von einem Hindu erzeugten Kindes 443-447 Rechtsstellung eines unehelichen Kindes nach Hindu-Recht 445-447 Ursprungsdomizil 442 Wahldomizil 442

interlokales Recht (Belgien) 535 (England) 577 (Jugoslawien) 147 f. (Niederlande) 473 (Polen) 651,681 (Rumänien) 503 (Sowjetrußland) 512 - und Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts 476 internationale Zuständigkeit 80-82, 254 f., 268, 822 f. (Luxemburg) 223 f. (Österreich) 834 f. (USA/Massachusetts) 320-322 - eines deutschen Vormundschaftsgerichts 296,323 - Anordnung einer Ergänzungspflegschaft 455 f. - Bestellung eines Gegenvormunds 306 f. - Entziehung der elterlichen Gewalt 450 f. - Feststellung der Legitimation 386 f., 392, 397, 405, 439 f. - Genehmigung eines Vaterschaftsanerkenntnisses 330-332 - nach italienischem Recht vorgeschriebene vormundschaftsgerichtliche Genehmigung 496 - Regelung des Sorgerechts für Kinder von Ausländern 300 - eines deutschen Gerichts Abänderung eines in Österreich ergangenen Unterhaltsurteils 823-835 - eines niederländischen Gerichts Bestellung eines Gegenvormunds 307 International-privatrechtliche Umgehung 9 Intertemporale Kollision 199 (im französischen IPR) 199 intertemporales Recht (Polen) 508,671,681 (Rumänien) 502 f. (Sowjetunion/Ukraine) 683-685 - und Eheschließung (Jugoslawien) 147 Irak Ehegabe 159 f. Ehegüterrecht 159-161 Ehescheidung 162-165

Sachregister Ehevertrag 159-161 elterliche Gewalt nach Ehescheidung 165 Erbrecht 166 Erbfolge 166 Ergänzungspflegschaft 466 Hinterbliebenenversorgung 154 persönliche Ehewirkungen 156-159 Personensorgerecht der Mutter 459 Pflegschaft 459 religiöses Gericht 155 Sorgerecht nach Ehescheidung 165 Staatsangehörigkeit 152 testamentarische Pflegschaft 460 Unterhaltsanspruch der Ehefrau 156 bis 158 Volljährigkeit 457 Iran Aufrechterhaltung eines teilweise nichtigen Testaments 732 eheliche Abstammung 432—434 Erbrecht des überlebenden Ehegatten 735 Erbrecht ehelicher Kinder 736 Erbstatut 731 f. gesetzliche Erbfolge 733 f., 735 f. Gültigkeit der Eheschließung 271 f. Scheidung iranischer Staatsangehöriger in Deutschland 269 f. - und deutscher ordre public 270 f. Staatsangehörigkeit 267 f., 438 talagh-Scheidung 273 f. talagh-Scheidung und nochmalige Scheidung nach deutschem Recht 274 Testament 733 f. Vaterschaftsanerkenntnis 434-438 Vermächtnis 733 f. islamisches Recht Scheidung der Ehe 162 Legitimation 417-428 Israel Erbfolge 143 f. religiöses Ehegericht 145 religiöses Recht 144 Staatsangehörigkeitswechsel 144 Italien Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils 126, 180 f. Anerkennung von Ehebruchskindern 131 Anerkennung von unehelichen Kindern 130 f.

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Anfechtbarkeit eines Testaments 593 Annahme der Erbschaft 483, 600 Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung 483 f., 600-606 - gegenüber deutschem Gericht 606 Auflösbarkeit der Ehe 181 f., 608 Auseinandersetzungsverfahren unter Miterben 763-765 Auslegung eines Testaments 591 Beschränkung der Erbenhaftung durch Inventarerrichtung 489-494 Ehefähigkeit 126 Ehegüterrecht 171 f. Ehelichkeitsbeseitigungsklage 279 bis 281 Ehenichtigkeitsurteil 128 Eheschließung 125 Ehevertrag 171-173 Eigentumsübertragung 5-8 elterliche Gewalt bei bestehender, nicht gestörter Ehe 310-312 Erbengemeinschaft 607 Erbgang 483-485, 600-604 Erbrecht des überlebenden Ehegatten 480 Errichtung des Nachlaßinventars in Deutschland 494 Form der Eheschließung 174 f. Formstatut des Ehevertrages 170 f. gesetzliche Erbfolge 479-482 gesetzliche Vertretung der Kinder durch die Mutter 494-498 gesetzlicher Widerruf eines Testaments 592 Gütertrennung 172 internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts zur Errichtung eines Nachlaßinventars 487—489 internationale Zuständigkeit eines deutschen Vormundschaftsgerichts zur Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung 496 Kaufvertrag über Grundstücke 1-9 Konkordatsehe 174-176, 178 Legitimation 388 f. Legitimationshindernisse 388 f. Legitimation trotz Anerkennungsverbot 389 f. Nichtige Ehe 127 f. Nichtige Ehe bei Gutgläubigkeit der Ehegatten 127 f.

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Sachregister

Nichtigerklärung der Ehe 126, 182 Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten 481 f., 595-597 Nutznießungsrecht am Kindesvermögen 311 Pflichtteil 591 f., 593-600 Pflichtteilsherabsetzungsklage des Vorbehaltserben 598 f. Rechnungslegung durch Miterben 757-763 Rückverweisung bei Ehelichkeitsanfechtung 277 f. Sorgerecht während Schwebens eines Ehetrennungs- oder Scheidungsverfahrens 316 f. Staatsangehörigkeit 167 f. Testamentsform 590 Vaterschaftsaberkennungsklage 280 Vereinbarung über die Ausübung der Personensorge 315 f. vormundschaftsgerichtliche Genehmigung 311 f. Zivilehe 174-176 Zuständigkeit des Nachlaßgerichts 485-487 joint tenance 879 f. Jugoslawien Form der Eheschließung nach IPR 146 gesetzliche Vertretung von ehelichen Kindern 335-337 gesetzliche Vertretung von unehelichen Kindern 335-337 Heimatzugehörigkeit 148 interlokales Recht 147 f. intertemporales Eherecht 147 Vaterschaftsanerkenntnis 336 Vaterschaftsfeststellung durch gerichtliche Entscheidung 336 Jurisdiction - für Scheidungsurteil (England) 245-249 (USA) 256 - für Sorgerechtsentscheidungen (USA) 320 Kaufmannseigenschaft 99 Kaufvertrag über Grundstücke (Italien) 1-9 (USA/New York) 880 f. - Form bei Kaufvertrag über ausländisches Grundstück 6 f.

Kongreßpolen 211 Anwendung sowjetrussischen Rechts auf kongreßpolnische Ehen 211 Konkordatsehe (Italien) 174-176, 178 Kroatien Ehegültigkeit 149 Lastenausgleich - und Erbfolge 501 - Qualifikation eines LAG-Anspruchs als bewegliches - unbewegliches Vermögen 523 Legalzession s. gesetzlicher Forderungsübergang Legitimation (Belgien) 383 f. (Indien) 443-447 (Italien) 128-132, 388 f. (Nigeria) 410 f. (Syrien) 416-428 - Legitimationshindernisse (Italien) 388 f. - Legitimation trotz Anerkennungsverbot (Italien) 389 f. s. auch Anerkennung von unehelichen Kindern, Legitimationsstatut, Vaterschaftsanerkenntnis Legitimationsstatut (Frankreich) 399 f. (Indien) 441-443 (Spanien) 392 f. (Syrien) 414 f. limitation of actions s. V e r j ä h r u n g Luxemburg Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils 223-228 Geständnis im Scheidungsprozeß 225 internationale Zuständigkeit für Scheidungsklagen luxemburgischer Eheleute 223 f. Parteivernehmung im Scheidungsprozeß 225 Mehrstaater Personalstatut 342-345 Mexiko Anerkennung einer Ehescheidung in Argentinien 136 f.

Sachregister Mexiko/Chihuahua Ehescheidung 230-233 Anerkennung eines Scheidungsurteils in Deutschland 233-236 Anerkennung eines Scheidungsurteils in Schottland 236 f. Mitverschulden des Geschädigten (Dänemark, Norwegen) 40 (Frankreich) 863 f. Nacherbschaft (Belgien) 537 f., 544 (Polen) 665 f. Nachlaßabwicklung (USA/Oregon) 524 f. Nachlaßgericht - Zuständigkeit (Deutschland) zur Errichtung eines Nachlaßinventars nach italienischem Recht 487-489 (Italien) 487-489 Nachlaßspaltung (Belgien) 561-564 (England) 517-519, 577 f., 647-649 (Rumänien) 501 f. (USA) 522 f. (USA/New York) 700 - und Teilrückverweisung 578 Namensführung des unehelichen Kindes bei Konflikt zwischen Heimatrecht des Vaters und der Mutter 357-360 Nichtehe (Belgien, Frankreich) 115 f. (Ungarn) 114 f. - théorie des mariages inexistants 115 f. Nichtige Ehe (Italien) 127 f. (Niederlande) 374 - Wirkungen bei Gutgläubigkeit der Ehegatten (Italien) 127 f. s. auch Putativehe Nichtigerklärung der Ehe (Italien) 126, 182 - ex officio (Argentinien) 140 f. - Klage auf Nichtigerklärung (Argentinien) 140 f. Niederlande Abtretung 58-63

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Auswahl eines Gegenvormundes durch niederländisches Gericht 308 f. Beendigung der elterlichen Gewalt 300 Ehegüterrecht in unter niederländischer Verwaltung stehenden Gebieten 476 Eintragung der Vertretungsmacht ins Handelsregister 104-106 elterliche Gewalt 287 Erbstatut 471-473 Form einer Bürgschaft 107 f. Form einer Schiedsklausel 872 Gegenvormund 287 f. gesetzliche Erbfolge 474 f. Globalzession 63 interlokales Recht 473 internationale Zuständigkeit für die Bestellung eines Gegenvormundes 307 Nichtige Ehe 374 Parteiwille 98 Putativehe 374 f. Qualifikation von gesetzlicher Vormundschaft und Gegenvormundschaft 289-293 Schiedsverfahren 870 f. Staatsangehörigkeitsprinzip im IPR 284 f. Vaterschaftsanerkenntnis 366 - nach IPR 371 Anfechtbarkeit des - 372 f. Anfechtung des - 379 f. Zustimmung der Mutter zum - 373 Vertretungsmacht eines Gesellschafters 99-104 Vormundschaft 286 f. Vormundschaftsstatut 300 f. vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu Grundstücksgeschäften für den Minderjährigen 294 f. wechselrechtliche Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht 106 f. wechselrechtliche Haftung des Vollmachtgebers bei Überschreitung der Vertretungsmacht 103 f. Nießbrauch (Polen) 666 Nießbrauch am Nachlaß (Schweden) 636 f. Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten (Belgien) 549 f., 554, 570, 572

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Sachregister

(Italien) 481 f., 595-597 (Polen) 509 (Rumänien/Nord-Siebenbürgen) 504 - Aufnahme in deutschen Erbschein 504, 510, 573 - Qualifikation 596 f. Nigeria customary law 407-410 Domizil 406 f. Legitimation 410 f. Ursprungsdomizil 406 f. Wahldomizil 406 f. non conceptus als Erbe (Schweden) 640 f. Norwegen außervertragliches Schadensersatzrecht 38-44 Gefährdungshaftung 41 f. Haftung der öffentlichen Hand 49-55 Mitverschulden des Geschädigten 40 öffentlich- und privatrechtliche Haftung 35-38 V e r j ä h r u n g 43 f. Verschuldenshaftung 39-41 Vorteilsausgleichung 43 notary public (USA) 800, 877 f. - und Erfordernis der notariellen Beurkundung nach deutschem Recht 809 - und Erbauseinandersetzungsvertrag 877-879 Noterbrecht (USA/New York) 704, 783-786 s. auch Pflichtteil Nutznießungsrecht aus Kindesvermögen (Italien) 311 öffentlich- und privatrechtliche Haftung (Dänemark, Norwegen) 35-38 Österreich internationale Zuständigkeit 834 f. internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts zur Abänderung eines Unterhaltsurteils 823-835 Vaterschaftsanerkenntnis durch einen Minderjährigen und Genehmigung des Vormundschaftsgerichts 328-330 Zuständigkeit eines deutschen Vormundschaftsgerichts für die Genehmigung eines Vaterschaftsanerkenntnisses 330-332

ordre public Enterbung der Ehefrau und der Kinder 786-788 Erfolgshonorar 32-34 iranisches Recht 270 f. Vaterschaftsanerkenntnis wider besseres Wissen 384 f. Parteiautonomie im internationalen Schuldrecht s. Parteiwille, hypothetischer Parteiwille Parteiautonomie im internationalen Erbrecht 730 f. Parteivernehmung im Scheidungsprozeß (Belgien, Frankreich) 225-228 (Luxemburg) 225 Parteiwille im internationalen Schuldrecht 2 f., 11, 19,82 (im niederländischen IPR) 98 - und Rück- oder Weiterverweisung des Vertragsstatuts 98 Pauschalreisen 12 Personensorge - der Mutter (Irak) 459 Personalstatut v o n Mehrstaatern 342-345 persönliche Ehewirkungen (Irak) 156 - Statut (Polen) 213 f. - Statut bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten 184-186 Pflegschaft (Irak) 459 f. Pflichtteil (Argentinien) 618 f. (Belgien) 547-549 (Frankreich) 583-585 (Italien) 591 f., 593-600 (Nationalchina) 749-751 (Polen) 669 (Schweden) 641 (USA/New York) 783-786 - Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden (Belgien) 548 f. - Anrechnung eines Vermächtnisses (Argentinien) 629 - Anrechnung von Vorempfängen (Nationalchina) 751

Sachregister - Ausschlagung (Frankreich) 584 f. - Herabsetzungsklage (Belgien) 548 (Italien) 598 f. Polen Anwendung sowjetrussischen Rechts auf kongreßpolnische Ehen 211 Ehefähigkeit im IPR 113 Ehegüterrecht 215 f., 673-675 Erbrecht des überlebenden Ehegatten 509 Erbrecht ehelicher Kinder 509 Erbstatut 508, 649-652, 680 f. Errungenschaftsgemeinschaft 215 f., 674 f. - und Wiedergutmachungsansprüche 675 f. Ersatzerbschaft 667 Form der Eheschließung im IPR 113 Gesamtrechtsnachfolge 662 f. Güterrechtsstatut 213 f., 671 f. interlokales Recht 651,681 intertemporales Recht 508, 671 Kongreßpolen 211,505 kongreßpolnisches Erbrecht 508 Nacherbschaft 665 f. • Nießbrauch 666 Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten 509 persönliche Ehewirkungen nach IPR 213 f. Pflichtteil 669 Rückverweisung 651 f. Staatsangehörigkeit 505-507, 649 f. Testamentsauslegung 662 Testamentsvollstrecker 664 f. Verlust der Staatsangehörigkeit 507, 649 f. Vermächtnis 667 f. Vorerbschaft 665 f. Wohnsitz 672 f. public policy Nichtanerkennung eines ausländischen Urteils (England) 249 f. Putativehe (Belgien, Frankreich) 116-120 (Niederlande) 374 f. (Spanien) 395 Qualifikation 4 - der Haftung einer Versicherungsgesellschaft 845-850

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- des Nießbrauchsrechts des überlebenden Ehegatten 596 f. - der Zugewinngemeinschaft 626-628 - von gesetzlicher Vormundschaft und Gegenvormundschaft nach niederländischem Recht 289-293 - release of expectancy 816-818 - von Rückerstattungsansprüchen als bewegliches - unbewegliches Vermögen 523, 562 f., 701, 789 Rechnungslegung durch Miterben (Italien) 757-763 Rechtsberatungsmißbrauch (USA/New York) 30-32 Rechtswahl s. Parteiautonomie, Parteiwille Reisebüro 12-16 release of expectancy Qualifikation 816-818 s. auch Erbverzicht religiöses Ehegericht (Irak) 155 (Israel) 145 religiöses Recht (Israel) 144 Renvoi s. Rückverweisung Rückverweisung (Polen) 651 f. - Ehelichkeitsanfechtung (Italien) 277 f. - Erstreckung auf die Form einer Verfügung von Todes wegen 702 f. - foreign-court-Theorie 653 - hypothetischer Parteiwille und Rüdeverweisung des Vertragsstatuts 98 Rumänien Erbfolge in bewegliches Vermögen 502 Erbfolge in unbewegliches Vermögen 501 f. Erbstatut 501 f. interlokales Recht 503 intertemporales Recht 502 f. Staatsangehörigkeit 499 f. Rumänien/Nord-Siebenbürgen altösterreichisches Erbrecht 503-505 Erbrecht des überlebenden Ehegatten 504 Erbrecht ehelicher Kinder 503 f.

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Sachregister

Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten 504 Schadensersatzrecht außervertraglich (Dänemark, Norwegen) 38-44 (Frankreich) 863-867 Scheidung der Ehe (Argentinien) 136 (Irak) 162-165 (islamisches Recht) 162 (Mexiko/Chihuahua) 230-233 - bei hinkender Ehe 275 - iranischer Staatsangehöriger in Deutschland 269 f. Schenkung unter Ehegatten (Belgien) 537-539 Schiedsklausel Form (Niederlande) 872 Schiedsverfahren (Niederlande) 870 f. Schottland Anerkennung eines mexikanischen Scheidungsurteils 236 f. Domizil 237 Doppelehe 240 Form der Eheschließung 237 f. Gültigkeit der Eheschließung 238 f. Gültigkeit einer Eheschließung nach deutschem IPR 239 Schweden Ausschluß von der Verwaltung des Nachlasses 638 Erbstatut 635 Nießbrauch am Nachlaß 636 f. non conceptus als Erbe 640 f. Pflichtteil 641 Testamentsvollstrecker 638 f. Schweiz Testamentsform 634 f. Slowenien-Dalmatien Eheschließung 148 Sorgerecht - nach Ehescheidung (Irak) 165 (nach deutschem IPR) 299 f. (nach niederländischem IPR) 300 (Regelung durch deutsches Vormundschaftsgericht) 301-306 - während Schwebens eines Ehetrennungs- oder -scheidungsverfahrens (Italien) 316 f.

Sowjetrußland Erbstatut 682 f. interlokales Recht 512 Staatsangehörigkeit 505 f. Testamentsform nach IPR 682 f. Sowjetrußland/Ukraine Anerkennung einer ausländischen Todeserklärung 513-515 Annahme der Erbschaft 513 Erbrecht 513-515 intertemporales Recht 683-685 Sowj etrußland/Wolhynien Testamentsform 686 f. Spanien Gastwirtshaftung 16-18 Eheschließung spanischer Staatsangehöriger in Deutschland 393 f. elterliche Gewalt der Mutter bei Anerkennung des Kindes 453 Entziehung der elterlichen Gewalt 451 f. Legitimationsstatut 392 f. Putativehe 395 Unehelichkeit eines Kindes bei gerichtlichem Abwesenheits- oder Trennungsbeschluß 453 vertraglicher Haftungsaussdiluß 17 Staatsangehörigkeit (Algerien) 400, 403 f. (Frankreich) 184,401 (Griechenland) 342 (Irak) 152 (Iran) 267 f., 438 (Italien) 167 f. (Kongreßpolen) 211,505 (Polen) 505, 507, 649 f. (Rumänien) 499 f. (Sowjetrußland) 505 f. (Südafrikanische Union) 341 f. (Syrien) 428 (Ungarn) 218, 499 f. - des unehelichen Kindes (Griechenland) 360 (Südafrikanische Union) 360 - Erwerb durch Eheschließung (Algerien) 403 f. (Griechenland) 342 - Verlust (Polen) 507, 649 f. (Rumänien) 499 f. (Ungarn) 499 f. Staatsangehörigkeitsprinzip im IPR (Niederlande) 284 f.

Sachregister Staatsangehörigkeitswedisel (Israel) 144 - als Folge einer Gebietsabtrennung 545 - und Anerkennung einer Ehe 244 - und Ehegüterrecht 217 Statutenwechsel während des Prozesses Anwendung der Haager Konvention v. 24. 10. 1956 200-202 Stiftung - Errichtung durch Testament (Belgien) 551-557 - Rechtsfähigkeit (Belgien) 552 Stückvermächtnis (Frankreich) 581 Südafrikanische Union Domizil 347-349, 692 executor 694 f. Staatsangehörigkeit 341 f. Staatsangehörigkeit des unehelichen Kindes 360 Testamentsform 689 f. wechselbezügliches Testament 693 Syrien Legitimation nach islamisch-hanafitisdiem Recht 416-428 Legitimationsstatut 414 f. talagh-Scheidung (Iran) 273 f. - Anerkennung in England 249 - und nochmalige Scheidung nach deutschem Recht 274 tax advisor (USA) 27 Teilrüdeverweisung bei Nachlaßspaltung 578 tenancy in common 879 f. Testament (Iran) 733 f. - nach IPR 564 (Sowjetunion) 682 f. (USA/New York) 701 f. - Anfechtung (Italien) 593 (Nationalchina) 747 - Aufrechterhaltung eines teilweise nichtigen Testaments (Iran) 732 - Auslegung (Belgien) 554-556 (Italien) 591 57

M a t . : 11, G u t a c h t e n 1965/66

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(Polen) 662 (USA-Kalifornien) 717-723 - Form (Argentinien) 615 (Belgien) 547, 564 f. (England) 575 f., 654 f. (Italien) 590 (Schweiz) 634 f. (Sowjetrußland-Wolhynien) 686 f. (Südafrikanische Union) 689 f. (USA) 712 (USA/Kalifornien) 712 f. (USA/New York) 704, 779 f. - gesetzlicher Widerruf (Italien) 592 - Nichtigkeit (Belgien) 555 f., 557 f. - Teilnichtigkeit (Iran) 732 s. auch Testierfähigkeit Testierfreiheit Testamentsvollstrecker (Argentinien) 618, 629 f. (Frankreich) 585 f. (Polen) 664 f., 677 (Schweden) 638 f. (Südafrikanische Union) 694 f. - und executor (USA/Kalifornien) 725 f., 770 f. s. auch executor Testierfähigkeit (USA/Kalifornien) 727 Testierfreiheit (Nationalchina) 742 f. Todeserklärung Anerkennung einer ausländischen Todeserklärung in Sowjettußland 513-515 trust (England, USA) 771-774 - Aufnahme in deutschen Erbschein 774 Übertragung der Personensorge nach IPR (USA/Massachusetts) 320-322 uneheliche Kinder (Indien) Rechtsstellung nach HinduRecht 445-447 (Spanien) 453 - Verhältnis zum Vater 349-352 - Verhältnis zur Mutter 341-349 (Griechenland) 352 f., (nach griechischem IPR) 346

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Sachregister

unerlaubte Handlung (Dänemark, Norwegen) 38-44 (Frankreich) 863-867 Ungarn Ehefähigkeit nach IPR 113 Eheschließung in jüdisch-religiöser Form 114 f. Form der Eheschließung 114 f. Form der Eheschließung nach IPR 113 f. Nichtehe 114 f. Staatsangehörigkeit 218, 499 f. Unteranknüpfung - bei Teilrechtsgebieten 516 f., 540, 577, 646 f., 650 f., 698,711 (Nationaldiina) 741 f. Unterhaltsanspruch der Ehegatten 183, 194 (Irak) 156-158 (nach französischem IPR) 187, 196 - eines getrennt lebenden Ehegatten (Frankreich) 187-193 - Abänderung eines Unterhaltsurteils (Frankreich) 192 f. Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder 198-202 (Frankreich) 202-208 (Irak) 459 Ursprungsdomizil (England) 246, 348, 517 f., 579, 648 f. (Indien) 442 (Nigeria) 406 f. (USA) 260 USA Administrator 525,528 Aufnahme eines administrators in deutschen Erbschein 774 Domizil 557,260-262 Erfolgshonorar 28-33 - in Steuersachen 27-33 full faith and credit clause 255 f. joint tenancy 879 f. jurisdiction für Erlaß eines Scheidungsurteils 256 Nachlaßspaltung 522 f. notary public 800 tenancy in common 879 f. trust 771-774 Ursprungsdomizil 699 Wahldomizil 257, 699 USA-Kalifornien bedingte V e r f ü g u n g v o n Todes wegen 717-723

executor 725 f., 770 f. gesetzliche Erbfolge 728 Testamentsauslegung 717-723 Testamentsform 712 f. Testierfähigkeit 727 USA-Massachusetts custody 322 f. internationale Zuständigkeit für Sorgerechtsentscheidungen 320-322 Übertragung der Personensorge nach IPR 320-322 Vermögenssorge 322 f. USA-New J e r s e y Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils 258-266 Anerkennung eines mexikanischen Scheidungsurteils 262 f. bona fide resident 259 comity 259, 262 USA-New York Anerkennung eines mexikanischen Scheidungsurteils 264 deutscher ordre public und Enterbung der Ehefrau und der Kinder 786-788 Domizil 778 f. Erbschaftsverwalter 705-708 - Aufnahme in deutschen Erbschein 709 Erbstatut 699 f., 778 f. freie Willensbildung des Erblassers 781 gesetzlicher Voraus des überlebenden Ehegatten 782 f. Nachlaßspaltung 700 Noterbrecht 704, 783-786 Pflichtteil 783-786 Reditsberatungsmißbrauch 30-32 testamentarische Erbfolge 780-792 Testamentsform 704, 779 f. Testamentsform nadi IPR 701 f. Vererbung von „real" und „personal property" 788 f. USA-Oregon Ausschaltung der Erbschaft 524 f. Inhalt eines deutschen Erbscheins 530 Nachlaßabwicklung 524 f. USA-Pennsylvania Erbverzicht 815 f. Form des Erbverzichts 818 f.

Sachregister Qualifikation des Erbverzichts 816 bis 818 Vaterschaf tsaberkennungsklage (Italien) 280 Vaterschaftsanerkenntnis 325, 330 (Griechenland) 354-356 (Iran) 434-438 (islamisches Recht) 422-428 (Jugoslawien) 336, 339 (Niederlande) 366, 371-373, 379 f. - Anfechtung (Belgien) 384 (Niederlande) 372 f., 379 f. - als Beurkundung der Abstammung 333 - durch einen Minderjährigen (Österreich) 328-330 - Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (Österreich) 328-332 - Einwilligung des Kindes 377-379 - Qualifizierung als Beweismittel (islamisches Recht) 422-424 - Widerruf (Griechenland) 354 - wider besseres Wissen und deutscher ordre public 384 f. - Zustimmung der Mutter (Niederlande) 373 Vaterschaftsfeststellung durch gerichtliche Entscheidung (Jugoslawien) 336 Vereinbarung über die Ausübung der Personensorge (Italien) 315 f. V e r j ä h r u n g 19 (Common Law) 21 (Dänemark) 43 (Frankreich) 866 f. (Norwegen) 43 f. - USA als Kläger (USA) 21 f. Vermächtnis (Argentinien) 628 f. (Iran) 733 f. (Nationalchina) 743 f. (Polen) 667 f. - und Erbeinsetzung (Argentinien) 615-618 (Polen) 662 f. - Anrechnung auf den Pflichtteil (Argentinien) 629 57 *

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s. auch Erbvermächtnis, Stückvermächtnis, Teilvermächtnis Vermögenssorge (USA-Massachusetts) 322 f. Verschuldenshaftung (Dänemark, Norwegen) 39-41 Versicherungsvertrag - Vertragsstatut 842 - Vertragsstatut bei Kraftfahr-Haftpflichtversicherung 842-850 - Qualifikation der Haftung einer Versicherungsgesellschaft 845-850 s. auch action directe Vertraglicher Haftungsausschluß (Spanien) 17 Vertragsstatut s. Parteiwille, hypothetischer Parteiwille Vertreter ohne Vertretungsmacht wechselmäßige Haftung (Niederlande) 106 f. Vertretungsmacht 95-97 - eines Gesellschafters (Niederlande) 99-104 - Eintragung ins Handelsregister (Niederlande) 104-106 Verwaltung des Nachlasses Entziehung (Schweden) 638 Verzugszinsen (Frankreich) 865 f. Volljährigkeit (Irak) 457 Vollstreckbarkeit eines Urteils gegen eine Versicherungsgesellschaft nach action directe in Frankreich 851-855 Voraus des überlebenden Ehegatten (USA/New York) 782 f. - Vermerk im deutschen Erbschein 793 Vorerbschaft (Belgien) 537 f., 544 (Polen) 665 f. Vorfrage - der Ehelichkeit eines Kindes 413 - der gültigen Ehe 366 - der Wirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses 370 f. Vormundschaft (Niederlande) 286-288

900

Sachregister

Vormundschaftsgerichtlidie Genehmigung (Italien) 311 f. - von Grundstücksgeschäften für den Minderjährigen (Niederlande) 294 f. - des Vaterschaftsanerkenntnisses durch einen Minderjährigen (Österreich) 328-330 Vormundschaftsstatut 285 f. (Niederlande) 300 f. Vorteilsausgleichung (Dänemark, Norwegen) 43 Wahldomizil (England) 247, 348 f., 517 f., 579, 648 f. (Indien) 442 (Nigeria) 406 f. (USA) 257, 260 f. Wanderarbeitnehmer 65 wechselbezügliches Testament (Südafrikanische Union) 693 Wechselrecht - Haftung des Annehmers 93 f. - Vertretungsmacht 95-97 - Vertretung ohne Vertretungsmacht 94

- Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (Niederlande) 106 f. Wechselrecht Haftung des Vollmachtgebers bei Überschreitung der Vertretungsmacht (Niederlande) 103 f. Wiedergutmachungsanspruch - Qualifikation als bewegliches - unbewegliches Vermögen 700 f., 789 - und Nachlaß 707 Wohnsitz (Polen) 672 f. - i. S. von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 319 f. Zession s. Abtretung Zugewinngemeinschaft - Qualifikation nach deutschem IPR 626-628

- Uberleitung in Zugewinngemeinschaft b e i Volksdeutschen Flücht-

lingen, Umsiedlern und Vertriebenen 211 f.

GESETZESVERZEICHNIS Zahlen = Seiten

Bundesentschädigungsgesetz v o m 29. 6. 1956 § 17:242 § 85:242 §§ 173 ff.: 697 § 181:677 Zweite Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes v o m 23. 11. 1956 § 14:112 B u n d e s g e s e t z über die Anerkennung freier Eheschließungen rassisch und politisch Verfolgter v o m 23. 6. 1950 242, 244 B u n d e s g e s e t z über die Anerkennung v o n Nottrauungen v o m 2 . 1 2 . 1 9 5 0 243 Bundesrückerstattungsgesetz v o m 19. 7. 1957 § 27:697 § 28:697 Bürgerliches Gesetzbuch § 7:195, 647 § 8 : 647 §§ 119 ff.: 32 § 126:802 § 128: 878 § 129: 802 § 133:543 § 138: 786, 792 § 139: 60, 732 § 157: 543 § 179: 106 §§ 259-261: 756 § 260: 765 § 261: 765,766 § 267: 842 § 269: 26 § 270: 26 § 313: 8 f., 877, 878, 883

§§ 398-413: 67 § 410: 71 § 675: 9, 11, 13 § 925: 803, 805, 806, 882 §§ 1030 ff. 481 § 1085: 636 § 1089: 636 § 1361: 191 §§ 1363-1425 a. F.: 475, 477, 546 § 1371: 2 1 6 , 2 2 0 , 4 7 5 , 4 7 7 , 4 7 8 , 5 1 9 626 f., 752 § 1409: 171 § 1410: 170 § 1591: 368 § 1593: 276 § 1643 : 328,496 § 1648: 449 § 1682: 479,498 § 1706: 357 § 1707: 353 § 1718: 325-330,339 § 1719: 368, 370, 374 f., 376, 377, 378, 379, 381,445 § 1720: 378 § 1721: 378,379 §§ 1726-1730: 429 § 1726: 378,385,438 § 1728: 385 § 1730: 378 § 1741: 378,448,450 § 1746: 378,452 § 1747: 449,452-454 § 1749: 378,449 § 1750: 378,449,803 § 1751: 385,448 § 1751a: 449 § 1770: 803 §§ 1773 ff.: 454 § 1909: 458,459,461 § 1913: 292

902

Gesetzesverzeichnis

§ 1914: 292 § 1931: 626,627 § 1932: 789 § 1945: 803 § 1994: 489,601 § 2005: 489,601 § 2028: 765 § 2057: 765 § 2079: 591, 593 § 2081: 593 § 2084: 543 § 2085: 732 §§ 2087 ff.: 591 § 2209: 774,775 § 2224: 677 § 2231: 730,803 § 2247 : 6 9 0 , 7 4 2 § 2270: 543 § 2274-2276: 541 § 2276: 803 § 2278: 541 § 2290: 803 § 2293: 541,543 § 2297: 541, 543 § 2298 : 541, 543 §§ 2303 ff.: 594 § 2306: 751 § 2340: 747 § 2346: 809 § 2348: 807,809 § 2352: 746 § 2353: 488, 579, 629, 694, 697, 708, 743 § 2356: 803,808 § 2363: 5 5 0 , 5 5 7 , 7 4 3 § 2364 : 5 5 0 , 6 2 9 , 6 3 0 , 6 7 6 , 6 9 5 , 7 4 3 § 2365: 573, 743, 793 § 2366: 573,793 § 2367 : 573,793 § 2368: 676, 677, 725, 794 § 2369: 482, 483, 487, 488, 527, 572, 573, 575, 579, 599, 600, 601, 609, 676, 677, 694, 697, 709, 725, 737, 753, 792, 793,816 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Art. 2: 804 Art. 7: 95-97, 283, 327, 456, 457 Art. 11: 97, 99, 112, 114, 115, 120, 123, 239, 273, 327, 379, 441, 547, 564, 575, 589, 590, 614, 634, 635, 642, 654, 680, 689, 702 f., 712, 729, 742, 779, 785, 786, 797, 801, 804, 805,

808, 809 f., 811, 816, 819 f., 875, 877, 878, 882, 883 Art. 12: 846, 847 Art. 13: 112, 125, 134, 239, 267, 271, 275, 367, 369, 370, 393, 396, 418, 422, 424, 441, 608 Art. 14: 183, 184, 194, 195 Art. 15: 184, 186, 210, 212, 217 f., 475, 519, 545, 620, 671, 672, 752 Art. 17: 168, 179, 182, 184, 186, 235, 266, 269 f., 273, 312, 587, 608 Art. 18-20: 327 Art. 18: 184, 277, 278, 292, 351, 367, 368, 393, 394, 406, 413, 414, 431, 435, 449 Art. 19: 184, 202, 283, 289 f., 299, 301, 302, 304, 306, 307, 309, 318, 350, 449, 451, 456, 457, 494, 496 Art. 20 : 334, 341, 346, 347, 351, 352, 357, 3 6 1 , 3 6 2 Art. 21: 325, 326, 349, 350, 362 Art. 22: 122, 184, 333, 364 f., 367 f., 377-379, 381, 382, 385, 387, 392, 393, 398, 410, 412, 414, 424, 428, 429, 431, 438, 440, 445, 448, 454, 566 Art. 23: 280, 289 f., 291, 296, 302, 306, 323, 353, 361, 449, 451, 454, 455, 456, 458, 461, 462, 479, 482, 497, 593, 597, 609, 851 Art. 24-26: 645, 731 Art. 24: 142,220,464,477,500,507,511, 516, 547, 561, 576, 612, 635, 645, 680, 690, 697, 729, 739, 769, 775, 777, 800, 876 Art. 25: 142, 220, 479, 500, 507, 511, 516, 522, 547, 561, 576, 588, 589, 612, 635, 645, 647, 690, 697, 711, 729, 739, 769, 775, 777 Art. 27 : 2, 95, 98, 113, 122, 134, 187, 195, 210, 213, 214, 277, 284, 285, 299, 304, 320, 322, 335, 346, 347, 351, 361, 365, 366, 371, 387, 392, 398, 406, 414, 432, 500, 507, 508, 511, 517, 519, 522, 561, 577, 612, 621, 647, 671, 681, 691, 697, 711, 741,752, 777 Art. 28: 2 8 6 , 4 8 1 , 5 6 3 Art. 29: 186, 195, 218, 220, 270, 326, 382, 454, 561, 566, 769, 770, 775 Art. 30 : 27, 32-34, 75, 132, 270, 273, 357, 365, 384 f., 447, 786-788, 792, 795, 820, 879

Gesetzesverzeichnis Art. 34: 770 Art. 203: 199 Ehegesetz v o m 20. 2.1946 § 10: 370, 608 § 11: 393,418,422,424,803 § 13: 803 § 15a: 178, 393 f. § 19: 377 § 20: 239 Familienrechtsänderungsgesetz v o m 11.8. 1961 Art. 7 § 1: 234 Art. 9 II Nr. 5: 218 Gesetz über die A n g e l e g e n h e i t e n der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 36 : 296,323,361,450,455 § 37: 455 § 43: 296,323,361,450 § 44: 296,450 § 66: 450 § 72: 676 § 73: 486,572,605,676,792 § 167: 802,803 § 175: 878 § 176: 877 § 191: 802,803 § 200: 802 Gesetz über die H a f t u n g des Reiches für seine Beamten v o m 22. 5.1910 § 1: 35 § 7: 35 Gesetz Nr. 23 der Alliierten H o h e n Kommission ü b e r die Rechtsverhältnisse verschleppter Personen und Flüchtlinge v o m 17. 3. 1950 Art. 6: 243 Gesetz zu den Ubereinkommen v o m 14. 9. 1961 ü b e r die A n e r k e n n u n g der Vaterschaft und v o m 12. 2. 1962 über die Feststellung der mütterlichen Abs t a m m u n g nichtehelicher Kinder v o m 15.1. 1965 Art. 2: 453 Art. 3: 453 Gleichberechtigungsgesetz v o m 18. 6. 1957 Art. 8 I Nr. 3, II Nr. 4: 475 Grundbuchordnung § 29: 805,807 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 3: 167, 185, 186, 202, 212, 218, 255, 283, 310, 413, 431

903

Art. 6: 186,274 Art. 116: 218 Art. 117: 167,202,413,431 Handelsgesetzbuch § 15: 105 § 89: 87 § 89b: 88 § 92c: 74 ff. § 126 : 96,97 § 350: 99 Konsulargesetz v o m 8. 11. 1867 § 16: 809 Lastenausgleichsgesetz § 244: 531 Personenstandsgesetz § 12: 397 § 15: 397 § 29 : 327,333,453 § 29a: 121, 131, 132, 353, 453 § 31: 379, 380, 381, 387, 392, 405, 439, 445 §§ 45 ff.: 361 Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz v o m 13. 12. 1935 31 Reichsabgabenordnung v o m 22. 5. 1931 § 107a: 31 § 413: 31 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz v o m 22. 7. 1913 § 4 : 397,400,403,428 § 17: 153, 167, 268, 429, 608 § 25: 153, 167 Strafgesetzbuch § 52: 251 § 171: 240 Verschollenheitsgesetz v o m 4. 7.1939 § 12: 514 Versicherungsvertragsgesetz § 149: 844,848,849,850 § 158c: 836, 845-850, 855, 856 Wechselgesetz v o m 21. 6. 1933 Art. 8: 103, 106 Art. 93: 93 f. Zivilprozeßordnung § 13: 823 § 17: 80 § 21: 80,88 § 23 : 82,89,851 § 32: 840 § 293: 27

904

Gese

tzesveizeichnis

§ 317: 860 § 323: 825, 831, 833 § 328: 233-236, 836, 837 ff. §§ 445-455: 225 § 549: 27 § 562: 27 §§ 606 ff.: 255 § 606: 234 § 606a: 195,234 § 606b: 134, 180, 195, 254, 268 § 627: 316 § 640: 396

§ § § § § § § §

722: 233, 839, 841 723 : 839, 841 767: 827 794: 806 829: 841 850d: 208 1027: 869 1044: 870,871,873

Einführungsgesetz zur ZivilprozeßOrdnung § 12: 804 Ägypten

Gesetzbuch über das Personenrecht und die Erbfolge nach dem hanefitischen Ritus Art. 134: 422 Art. 135: 422 Algerien Staatsangehörigkeitsgesetz vom 27. 3. 1963 Art. 5: 400,403 Art. 12: 403 f.

Verordnung über die Organisation der muselmanischen Gerichtsbarkeit in Algerien vom 23. 11. 1944 Art. 4: 402

Argentinien Codigo civil vom 29. 9. 1869 Art. 10: 613 f. Art. 11: 613 f. Art. 1047: 140 Art. 1217: 622 Art. 1261-1274 : 620 Art. 1271: 623,625 Art. 1272: 625 Art. 1291: 620 Art. 1315: 620 Art. 3283: 612,614 Art. 3565: 618,620 Art. 3570 : 618, 619, 620, 622, 623, 626, 628, 631 Art. 3575: 619,631,632 Art. 3576 : 619, 620, 622, 623, 625, 628, 631 Art. 3579: 619 Art. 3591: 618 Art. 3592 : 619 Art. 3593 : 619,620 Art. 3600: 629

Art. 3611: 612 Art. 3612: 612 Art. 3622: 615 Art. 3639: 615 Art. 3641: 615 Art. 3718: 616 Art. 3719: 617 Art. 3751: 628 Art. 3828 : 615 Art. 3844: 618 Art. 3851: 629 f. Art. 3852: 630 Gesetz über die Zivilehe vom 12. 11. 1888

Art. 2: 135 Art. 7: 137 f. Art. 9: 135 Art. 21: 140 Art. 64: 136 Art. 84: 138, 140 Art. 86: 139 Art. 104: 137

Gesetzesverzeichnis

Code civil Art. 2: 538,541 Art. 3: 383 Art. 201: 116, 118 Art. 202: 117, 118, 120 Art. 299: 537 Art. 331: 383 Art. 339: 384 Art. 344: 566 Art. 345: 567 Art. 346: 567 Art. 352: 565 Art. 354: 567 Art. 355: 568 Art. 357: 568 Art. 578: 549 Art. 745: 553,556 Art. 767: 554 Art. 778: 568 Art. 843: 549 Art. 844: 549 Art. 896 : 537, 538, 553, 555, 556 Art. 897: 537 Art. 900: 555,556 Art. 913-919: 565 Art. 913: 547,555 Art. 916: 557 Art. 919: 549 Art. 920 : 548 Art. 921: 548 Art. 922: 549 Art. 943: 537 Art. 968: 538,539 Art. 969 : 547,564 Art. 970: 547,564 Art. 1004: 550, 569 Art. 1010: 549 Art. 1011: 571,572 Art. 1041: 552, 553 Art. 1048: 537 Art. 1049: 537

905

Belgien Art. 1053 ff.: 538,539,541,544 Art. 1055: 544 Art. 1056: 544 Art. 1057: 544 Art. 1082: 537 Art. 1093: 537 Art. 1094: 548, 565, 568 Art. 1096: 537 Art. 1097: 538,539 Art. 1098: 548 Art. 1130: 537 Art. 1156-1164: 553 Art. 1156: 553 Art. 1157: 555 f. Art. 1220 : 571,572 Art. 1400-1496: 558 Art. 1474: 558 Art. 2279: 553 Gesetz über die Regierung der von Belgien auf Grund des Versailler Vertrages annektierten Gebiete vom 15. 9. 1919 Art. 1: 535 Art. 4: 535,539,541 Gesetz vom 27. 6. 1921 über die Verleihung der Rechtsfähigkeit an Vereinigungen ohne Erwerbszweck und an gemeinnützige Anstalten Art. 27: 551 Art. 28: 552 Art. 29: 552, 554 Art. 30: 551,552 Art. 37: 555 Königliche Verordnung vom 28. 8. 1926 über die Inkraftsetzung von Gesetzen des Zivil- und Handelsrechts Art. 1: 535 Art. 10: 536, 537, 539, 541 Art. 11: 536,537,538,541 Art. 12: 546 (National-)China

Verordnung über Rechtsanwendung vom 5. 8. 1918 Art. 10: 752 Gesetz über die Rechtsanwendung in zivilrechtlichen Angelegenheiten mit ausländischen Elementen vom 6. 6. 1953 Art. 13: 753 Art. 22: 741

Zivilgesetzbuch vom 10. 10. 1929 §§ 1016-1030: 753 § 1071: 745 § 1138: 744,745 § 1139: 744,746 § 1140: 744 § 1141: 744,746 § 1143: 742, 743, 745, 746, 749, 750, 751

906

Gesetzesverzeichnis

§ 1144: 744,745 § 1145: 747 § 1173: 750,751 §§ 1174-1176: 746 § 1187: 743,749,750 § 1188: 747,748

§ § § § § §

1202: 748 1206-1208: 746 1221: 748,749 1223 : 749,750 1224: 749, 751 1225: 744, 750, 751

Dänemark Danske Lov von 1683 3-19-2: 41, 45 f. Gesetz über die Eingehung und Auflösung der Ehe vom 30. 6. 1922 § 20: 124 §§ 28ff.: 124 § 38: 124 Grundbuchgesetz vom 31. 3. 1926 §§ 30 ff.: 44 Gesetz über das Inkrafttreten des bürgerlichen Strafgesetzes vom 15. 4. 1930 § 15: 42 f. Gesetz über Kommission, Handelsagentur und Handelsreisende vom 8.5.1917 § 1: 86 §§ 31-39: 88 § 46: 86 § 50: 87

§ 51: 87 §§ 65 ff.: 86,89 § 76: 86, 89 § 79: 88 Rechtspflegegesetz vom 11. 4. 1916 § 235 : 82,89 § 248: 81, 88 § 323: 55 § 330: 56 § 1018a ff.: 44 § 1020: 44 Gesetz über die Teilung des Nachlasses und des Gesamtgutes vom 30. 11. 1874 § 92: 44 Zwangsversteigerungsgesetz vom 9. 4. 1891 § 50: 44

Frankreich Code civil Art. 14: 853, 858 Art. 15: 858 Art. 108: 196, 622 Art. 201: 375 Art. 203: 205 ff. Art. 205: 583 Art. 208: 207 Art. 212: 187 Art. 214: 187, 190, 206 Art. 215: 189 Art. 306: 189 Art. 331: 440 Art. 373: 203 f. Art. 387: 206 Art. 389: 203 Art. 389-2: 205 Art. 389-3: 203 Art. 389-6: 205 Art. 464: 205 Art. 731: 509 Art. 745: 509 Art. 784: 584

Art. 785: 584 Art. 786: 585 Art. 913: 583 Art. 1003 : 581 Art. 1004: 582 Art. 1014: 582 Art. 1025: 585 Art. 1026: 585, 586 Art. 1130: 811 Art. 1249 ff.: 71 Art. 1341: 423,436 Art. 1349 ff.: 840 Art. 1350: 840 Art. 1351:841 Art. 1153: 865 Art. 1382: 861, 863, 867 Art. 1384: 861-863, 864, 867 Art. 1394: 622 Art. 1401 a. F.: 623 f. (a. F. = geändert durch Gesetz vom 13. 7. 1965 mit Wirkung vom 1. 2. 1966 Art. 1402 a. F.: 624

907

Gesetzesveizeichnis Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

1441 a. F.: 624 1470 a. F.: 625 1474 a. F.: 625 1536: 622 2123: 857 2242 ff.: 866 2262: 866

Code de la nationalité française vom 19. 10. 1945 Art. 27: 401 Art. 37: 184 Art. 38: 184 Code pénal Art. 1: 204 Art. 7: 204 Art. 331: 204 Code de procédure civile Art. 59: 197 Art. 546: 857 Art. 553: 755 Code de procédure pénale Art. 10: 866

Code de la sécurité sociale Art. 235: 70 Art. 397: 70 Art. 398: 70 Art. 595: 69 Art. 597: 65, 70 Art. 603: 70 Art. 608: 70 Code de travail Art. 62: 208 Gesetz über den Schutz mißhandelter oder ausgesetzter Kinder vom 24.7. 1889 Art. 1: 204 Versicherungsvertragsgesetz vom 13. 7. 1930 Art. 36: 72 Art. 53: 852 f. Verordnung vom 7. 1. 1965 über die Regelung der öffentlichen Verwaltung bei der Anwendung des Kraftfahrzeugpflichtversicherungsgesetzes vom 27. 2. 1958 Art. 32: 844

Griechenland Staatsangehörigkeitsgesetz vom 20. 9. 1955 Art. 3: 360 Art. 4: 342 Zivilgesetzbuch vom 29. 10. 1856 Art. 21: 342 Art. 1367: 342 Zivilgesetzbuch vom 15. 3. 1940 Art. 19: 346 Art. 20: 351 Art. 31: 345 Art. 1387: 393 Art. 1530: 352

Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

1532: 1533: 1534: 1535: 1536: 1537: 1538: 1539: 1545: 1662: 1663: 1664: 1665:

354, 355 355 354, 355 356 356 356 355, 356 356 355 352 352 352 353

Großbritannien Administration of Estates Act 1925 sec. 55: 657,663 Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 sec. 12: 236 Interpretation Act 1889 sec. 20: 576 Law Reform (Miscellaneous Provisions) Act 1949 sec. 1: 247

Marriage (Scotland) Act 1939 238 Matrimonial Causes Act 1950 sec. 18: 248 Wills Act 1837 sec. 1: 655 sec. 9: 576, 655

908

Gesetzesverzeichnis Indien

Code of Criminal Procedure 1898 sec. 488: 446 Hindu Adoption and Maintenance Act 1956 sec. 20 : 446 f. Hindu Minority and Guardianship Act 1956 sec.6: 447

Hindu Succession Act 1956 sec. 3: 446 Indian Evidence Act 1872 sec. 17: 423 Indian Succession Act 1925 sec. 7ff.: 442 Special Marriage Act 1954 sec. 18: 443 f. Irak

Personalstatutsgesetz 1959 Art. 1: 155,460 Art. 2: 457,459 Art. 3: 156 Art. 19 159 Art. 20 159, 160 Art. 21 159 Art. 22 159 Art. 23 ff.: 156 Art. 23 157 Art. 24 157 Art. 25 157 Art. 26 158 Art. 27 157 Art. 28 157 Art. 29 157 Art. 30 157 Art. 31 158 Art. 32 158 Art. 33 158 Art. 34 165 Art. 36 162 Art. 37 162 Art. 38 162, 165

Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

39 162, 164 40 163 41 163 42 163 43 163 44 163 45 164 46 164,165 55- 57: 460 55: 459 56: 459 57: 459, 461 74: 166

Staatsangehörigkeitsgesetz vom 9. 10. 1924 i. d. F. vom 26. 1. 1941 Art. 17: 152 f. Zivilgesetzbuch 1951 Art. 18: 457 Art. 19: 156, 160, 457 Art. 20: 456 Art. 46: 457 Art. 106: 457 Art. 1187-1199: 166 Iran

Gesetz über die Eheschließung und Ehescheidung vom 5. 8. 1931 272 Zivilgesetzbuch vom 16. 2. 1935 Art. 6: 731 Art. 825 : 733,734 Art. 843: 732,733 Art. 845: 733 Art. 848 : 733, 734 Art. 861: 733 Art. 862: 733 Art. 863: 734

Art. 864: 734 Art. 901: 735 Art. 907: 736 Art. 946 : 735 Art. 947: 735, 736 Art. 948: 735, 736 Art. 964: 432 Art. 969: 272,730 Art. 976: 267,438 Art. 1061: 271 Art. 1062: 436 Art. 1133: 273 Art. 1134: 273,274

Gesetzesverzeichnis Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

1158: 1161: 1164: 1165: 1166: 1167: 1212:

Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

432,433 432,434 420,433 420 f., 433 433 433,435 734

1218: 1228: 1231: 1260 : 1262 : 1273 : 1295:

909 734 734 734 434, 438 434, 437 434, 437 438

Israel Nationality Law 1952 142 Succession Ordinance 1923 143 f.

W o m e n ' s Equal Rights Law 1951 143

Italien Codice civile 1865 Art. 319: 762 Codice civile 1942 Art. 16 ff. (disp. prel.): 122 f. Art. 17 (disp. prel.): 277f. Art. 20 (disp.prel.): 277f., 310, 387, 495 Art. 22 (disp. prel.): 4 Art. 23 (disp. prel.): 588f. Art. 26 (disp. prel.): 4, 124, 170, 589 Art. 43: 486,605 Art. 82: 175 Art. 84 ff. 174, 175 Art. 86: 126 Art. 106 ff. 174 Art. 115: 174 Art. 117: 126 Art. 128: 127 f. Art. 144: 173 Art. 145: 173 Art. 149: 179 Art. 151-153: 312 Art. 153: 316 Art. 155: 313,314,315 Art. 158: 312,315,317 Art. 159: 171 Art. 160: 173 Art. 161: 171 f. Art. 162: 172 Art. 231: 279 Art. 233 ff.: 279 Art. 235: 280 Art. 244: 280 Art. 248: 279,281 Art. 251: 129 f., 388 Art. 252: 129, 131, 389 f. Art. 254: 130,388

Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

280: 128 281: 129, 388 283: 129-132, 388, 389, 391 316: 310, 484, 495 317: 310,313,316 320: 312, 495 f. 323: 311 324: 311 330: 310,313 331: 311 333: 311 340: 498 374: 484 456: 486, 605 458: 811 459: 483, 488, 600 471: 483, 601 480, 485 484: 484, 489, 490, 602 485: 483, 491, 600, 603 486: 491,603 487: 492, 603 488: 492,604 489-511: 492 f. 489: 483, 484, 488, 601 490: 489, 601 510: 484 512 ff.: 493 519: 599 536: 594 537: 594 542: 595, 597 546: 594 547: 480, 596 551 : 599 564: 600

910

Gese

tzesverzeichnis Codice di Procedura Civile vom 28. 10. 1940 Art. 22: 486 f., 605 f. Art. 263 ff.: 765 Art. 263: 757,758,759 Art. 265: 766 Art. 266: 759 Art. 708 : 315,317 Art. 710: 315 Art. 769 ff.: 484,493,604 Art. 769: 485,604 Art. 784 ff.: 763,765,766 Art. 796 ff.: 180,391 Gesetz vom 27. 5. 1929 über das Inkrafttreten des Konkordats vom 11. Februar 1929 Art. 5: 125 Art. 34: 126 Personenstandsordnung vom 9. 7. 1939 Art. 49: 175 Staatsangehörigkeitsgesetz vom 13. 6. 1912 Art. 10: 167 Verfassung vom 1.1. 1948 Art. 8: 176

Art. 566: 482 Art. 581 ff.: 480,595 Art. 581: 480,595 Art. 588: 591 Art. 602: 590 Art. 624 : 593 Art. 687: 592 Art. 711: 317 Art. 713 ff.: 607 Art. 713: 765 Art. 717: 764 Art. 718: 607 Art. 719 ff.: 607 Art. 721: 764 Art. 723 : 757,759-766 Art. 1102: 761 Art. 1314: 607 Art. 1350: 6 Art. 1376: 5 Art. 1470: 5 Art. 1713: 757, 759-765 Art. 2030: 757 Art. 2643: 7 Art. 2644: 7 Art. 2946 : 599

Jugoslawien Grundgesetz über die Ehe vom 3. 4. 1946 Art. 40: 149 Art. 82-84: 146 Art. 90: 147, 149 Grundgesetz über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern vom 1. 12. 1947 i. d. F. vom 1.3. 1965 Art. 3: 335 Art. 6 ff.: 336 Art. 8: 335,337

Art. 13: Art. 14: Art. 24: Art. 25:

337 336 336, 339 336

Staatsangehörigkeitsgesetz vom 1. 11. 1928 Art. 3: 148 Art. 10: 147 Verfassung vom 7. 4.1963 Art. 59: 335

Luxemburg Code civil Art. 108: 223 f. Art. 234 : 223 f. Art. 275-294 : 226

Code de procédure civile Art. 324-336: 225

Mexiko Verfassung vom 5. 2. 1917 Art. 73: 230

Gesetzesverzeichnis

911

Mexiko/Chihuahua Scheidungsgesetz vom 15. 7. 1933 Art. 2: 231 Art. 27: 231 f. Art. 35: 232 Art. 38 : 233

Zivilprozeßgesetz v o m 15. 12. 1941 Art. 810: 232 Art. 812: 233

Niederlande Allgemeine Bestimmungen f ü r die Gesetzgebung des Königreiches der Niederlande v o m 15. 5. 1829 i. d. F. v o m 26. 4. 1917 Art. 6: 284: 365 Art. 7 : 284, 285 Art. 9: 284,365 Burgerlijk W e t b o e k Art. 78 a: 307 Art. 150: 364, 374, 376, 377, 381 Art. 284 : 300, 301 f. Art. 327: 371 Art. 337: 372 Art. 338: 366, 372, 373, 378 Art. 342: 379 f. Art. 353: 286 Art. 355: 287 Art. 356: 287 Art. 357-360 : 287 Art. 359: 287 Art. 378: 287 Art. 380: 380 Art. 401: 287 f., 298, 302, 305, 307 f. Art. 402: 287 f. Art. 404: 288 Art. 404a: 288 Art. 407: 288 Art. 408: 288 Art. 409: 288 Art. 413: 307 Art. 414: 288 Art. 428 : 288 Art. 432: 294 Art. 433-441b: 287 Art. 433: 294,295 Art. 434: 294 Art. 435: 288,295 Art. 441a: 295 Art. 668: 60 f. Art. 899: 474 Art. 899a: 474 Art. 1109: 811 Art. 1118: 288 Art. 1369: 63

Art. 1370: 62,811 Art. 1375: 872 Art. 1383: 872 Art. 1681: 100,107 Art. 1843: 106 f. Art. 1844: 102 Art. 1861: 108 Gesetz über die bürgerliche Rechtspflege Art. 623: 872 Art. 649: 870 Art. 651: 870 Gesetz v o m 21. 4. 1949 über die Befugnis, vorläufige M a ß n a h m e n in Bezug auf die Verwirklichung v o n bestimmten Berichtigungen der niederländisch-deutschen Grenze zu treffen Art. 2: 467 Königlicher Beschluß v o m 22. 4. 1949 ü b e r vorläufige M a ß n a h m e n in Bezug auf die A n g l i e d e r u n g einiger deutscher Gebietsteile Art. 1: 465 f., 476 Art. 2: 466,473,476 Art. 9-34: 471 Art. 17: 476 f. Art. 29: 466, 468, 473 Art. 36: 466, 468, 472, 473, 477 Grenzberiditigungsgesetz v o m 26. 9. 1951 Art. 1: 467 f., 476 Art. 2: 468,473,476 Art. 8-34: 471 Art. 15: 476 f. Art. 29: 468,473 Art. 36: 468,472,473,477 Art. 65: 467 Handelsgesetzbuch Art. 16: 99 Art. 17: 100 Art. 23: 104 Art. 29: 104 Art. 47b: 106 f.

912

Gese tzesverzeichnis

Art. 100-177: 93 Art. 107: 103, 106 Handelsregistergesetz vom 26. 7. 1918 Art. 6: 105 Art. 31: 105

Gesetz über die niederländische Staatsangehörigkeit und Eingesessenheit vom 12. 12. 1892 Art. la: 366

Nigeria Interpretation Ordinance s. 3: 409 s. 45: 408 Legitimacy Ordinance 410 s. 9: 411

Northern Region High Court Law, 1955 s. 32: 408 s. 34: 408 f.

Norwegen Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. 8. 1915 § 200: 44 Norske Lov von 1687 3-12-2: 41, 51

Gesetz über das Inkrafttreten des allgemeinen bürgerlichen Strafgesetzes vom 22. 5. 1902 § 19: 42 f. § 21: 42 f. § 28: 43 f. Gesetz über das Verfahren in Streitsachen vom 13. 8. 1915 §§ 435 ff.: 44

Österreich Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch § 21: 327 § 62: 149 §§ 69-74: 148 § 75: 148 § 80: 145 § 81: 145 § 94: 149 §§ 147 ff.: 328 § 149: 329 § 151: 328 § 152 : 327,328 § 166: 834 § 216: 329

§ 223: 329 § 732: 503 f. § 757: 504 § 865 : 327 Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung Art. 42: 756 Jurisdiktionsnorm § 28: 834 § 29: 834 § 49: 834 § 65: 834 §§ 76-85: 834 § 100: 834 Polen

Einführungsdekret zum Ehegüterrechtsdekret vom 29. 5. 1946 Art. 10: 674 Art. 11:674 Erbrechtsdekret vom 8. 10. 1946 656 Art. 17: 669

Art. 18: 669 Art. 21: 669 Art. 32: 662 Art. 103: 667 Art. 104: 665 f., 668 Art. 105: 665 Art. 113: 663

Gesetzesverzeichnis Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

120: 667, 668 130-133: 663 137-144: 664 140: 664 142: 665 145: 669 151: 669

Familienkodex vom 27. 6. 1950 673 Art. 21: 674,675 Art. 24 : 675 Art. 25: 674 Art. 26: 674 Einführungsgesetz zum Familienkodex vom 27. 6. 1950 Art. 18: 673 f. Familien- und Vormundsdiaftskodex vom 25. 2. 1964 673 Art. 31: 215 Art. 32: 215 Art. 33: 215,676 Art. 42: 215 Art. 43: 215 f. Einführungsgesetz zum Familien- und Vormundschaftskodex vom 25.2.1964 Art. 5: 673 Art. 8: 673 Gesetz über interlokales Privatredit vom 2. 8. 1926 Art. 1: 682 Art. 3: 651,682 Art. 27: 651 Art. 28: 682

913

Gesetz über internationales Privatredit vom 2. 8. 1926 Art. 5: 681 Art. 12: 113 Art. 13: 113 Art. 14: 214, 672 Art. 28: 649 Art. 29: 681 Art. 36: 652 Gesetz über internationales Privatrecht vom 12. 11. 1965 Art. 4: 652 Art. 17: 213, 672 Art. 34: 508,649 Notarordnung vom 27. 10. 1933 Art. 81: 687 Staatsangehörigkeitsgesetz vom 20. 1. 1920 Art. 2: 506 Staatsangehörigkeitsgesetz vom 19. 1. 1951 Art. 11: 650 Art. 13: 650 Zivilgesetzbuch vom 1. 6. 1825 Art. 232: 509 Zivilgesetzbuch vom 23. 4. 1964 508 Art. 25: 672 Art. 26: 673 Art. 252: 666 Art. 948 : 662 Art. 962 : 667 Art. 964: 667 Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch vom 23.4. 1964 Art. 26 : 671 Art. 51: 508,656 Art. 52: 681

Rumänien Codul civil von 1865 Art. 2: 501 f. Gesetz über die Ausdehnung der Gesetzgebung des Altreichs auf das Rumänien jenseits der Karpaten vom 21.6. 1943 Art. 19: 503 Art. 23 : 503 Gesetz über das Ehegattenerbrecht vom 10. 6. 1944 502 58

Mat.: 11, Gutachten 1965/66

Gesetz über die in Nord-Siebenbürgen anwendbare Gesetzgebung vom 4. 4. 1945 503 VO Nr. 12 über die Regelung der Staatsbürgerschaft der Bewohner NordSiebenbürgens vom 11.8. 1945 500 Gesetz Nr. 261 vom 2. 4. 1945 über die Regelung der Staatsbürgerschaft der Bewohner Nord-Siebenbürgens 500

Gesetzesverzeichnis

914

Sdiweden Kap. Kap. Kap. Kap.

Erbgesetz vom 12. 12. 1958 Kap. 7 § 3: 641 Kap. 9 § 2: 640 Kap. 12 § 1: 637 Kap. 12 § 2: 636 f. Kap. 12 § 3: 636 Kap. 12 § 4: 636 Kap. 12 § 7: 636 Kap. 12 § 8: 636

19 19 23 23

§ § § §

1: 638 20 : 638 5: 639 8: 639

Gesetz vom 5. 3. 1937 über die internationalen Rechtsverhältnisse betreffend den Nachlaß Kap. 1 § 1: 635 Sdiweiz Art. 500: 634 Art. 501: 635 Art. 505: 634 Art. 745 ff.: 636

Zivilgesetzbuch Art. 474: 636 Art. 484: 636 Art. 499: 634

Spanien Código Civil Art. 11: 453 Art. 18: 454 Art. 42: 393 Art. 69: 395 Art. 75: 393 Art. 108: 449 Art. 131: 453

Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.

154: 453 155: 449,452 170: 449 171: 449,451 199: 450 1271: 811 1783: 16 f. 1784: 16 f.

Südafrikanische Union (Südafrika) South African Citizenship Act, 1949 Sec. 1: 360 Sec. 5: 360 Sec. 12: 341

Interpretation Act, 1957 sec. 3: 690 Wills Act, 1953 sec. 2-1 a: 689 f. Syrien

Staatsangehörigkeitsgesetz vom 31.10. Dekret-Gesetz über das Personalstatut 1961 vom 17. 9. 1953 Art. 2: 428 Art. 135: 416 f., 428 Zivilgesetzbuch vom 18. 5. 1949 Art. 7-30: 414 Art. 14: 415 UdSSR (Rußland) Svod zakonow Bd. IX: Gesetz über die Stände vom 10. 2. 1864 505 Bd. X Teil 1 Art. 1032 : 687 Art. 1045: 686 Art. 1046: 686 f. Art. 1048: 686 f.

Art. 1053: 687 Art. 1066: 687 Erlaß über die provisorische Anwendung der Gesetzgebung der RSFSR auf dem Gebiet der Litauischen, Lettischen und Estnischen SSR von 1940 Art. 4: 684

Gesetzesverzeichnis

915

Grundlagen für die Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken vom 8. 12. 1961 Art. 18: 512, 683 Art. 127: 512, 682 f. Estnische SSR Dekret über die Einführung des Zivilgesetzbuches der RSFSR vom 30. 12. 1940 Art. 3: 684 Ukrainische SSR Zivilgesetzbuch von 1963 Art. 529: 513 Art. 570: 512 Ungarn Gesetz XXXI/1894 über das Ehereciit § 29: 114 § 30: 114 108 113 110 113 113 113

Gesetz IV/1952 über die Ehe, die Familie und die Vormundschaft 219 Verordnung Nr. 7970 M. E. vom 12. 7. 1946 über den Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft § 1: 218

Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Constitution Art. IV: 255

Amendment XIV 257,698 USA/California

Civil Code § 1277: 715 Probate Code vom 11. 5. 1931 § 20: 727 § 24: 717 § 50: 712

§ § § § §

53: 712,715,716 54: 712 225: 728 250: 728 300: 724, 726, 770 f., 775

USA/Massachusetts General Laws Ch. 201 § 1: 323

Ch. 208 § 28: 321 Ch. 208 § 29: 321 f. USA/New Jersey

Statutes Annotated sec. 2 A; 34—22: 258f.

916

Gesetzesverzeichnis USA/New York

Decedent Estate Law § 18: 783 ff., 795 § 21: 704,779,794 § 22a: 701 § 47: 699, 778 § 83: 784, 788 Executive Law §§ 130 ff.: 878 General Obligations Law § 5-703: 880

Penal Law § 270: 30,31 Real Property Law § 259: 880 Surrogate's Court Act § 200 782 f., 789, 795 § 201 790 § 314 789

USA/Oregon Revised Statutes § 111.020: 529 § 111.030: 529 Religiöses Redit Codex Juris Canonici Can. 89: 458, 459 Can. 1060-1064: 177 Can. 1061: 177

Can. Can. Can. Can.

1086: 1095: 1113: 1648:

181 178 458 459

Koran Sure XXXIII: 417 Europaredit EWG-VO Nr. 3 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 25. 9. 1958 Art. 2: 65 Art. 52: 65 Staatsverträge, multilaterale Haager Eheschließungsabkommen vom 12. 6. 1902 Art. 1: 366-369,375,376 Art. 2: 369 Art. 5: 174, 175 Art. 174, 366 Haager Vormundschaftsabkommen vom 12. 6. 1902 298-304, 482, 497 Art. 1: 285 Art. 3: 285, 305, 452 Art. 4: 308 Art. 5: 285, 303, 304 f., 450 Art. 6: 286

Art. 7: 597 Art. 8 : 305,306,452 Haager Ehewirkungsabkommen vom 17. 7. 1905 Art. 2: 475,477,670 Art. 3: 170 Art. 4: 169 Art. 5: 169, 171 Art. 6: 169, 170 Versailler Friedensvertrag vom 28. 6. 1919 Art. 33 ff.: 534 Art. 36: 534

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Vertrag zwischen den alliierten und as- Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom soziierten Hauptmächten und Polen 26. 5. 1952 i. d. F. vom 23. 10. 1954 über den Minderheitenschutz vom Teil 1 Art. 1: 468 28. 6. 1919 Haager Zivilprozeßabkommen vom Art. 3: 506 1.3. 1954 Art. 4: 506,507 56 f. Friedensvertrag von St. Germain zwischen den alliierten sowie assoziier- Haager Ubereinkommen über das auf ten Mächten und Österreich vom Unterhaltsverpflichtungen gegenüber 10. 9. 1919 Kindern anzuwendende Recht vom Art. 70: 146,499 24. 10. 1956 Art. 78: 146 Art. 1: 198, 200, 325, 326, 334, 337Minderheitenschutzvertrag zwischen 339, 349 f., 831, 835 den alliierten sowie assoziierten Art. 2: 337, 835 Hauptmächten und Jugoslawien vom Art. 3: 835 10. 9. 1919 Art. 4: 208 Art. 3: 146 Art. 6: 198,337,350,835 Art. 4: 146 Haager Übereinkommen vom 15.4.1958 Pariser Minderheitenschutzvertrag über die Anerkennung und Vollstrekzwischen den alliierten und assoziierkung von Entscheidungen auf dem ten Hauptmächten und Rumänien Gebiet der Unterhaltspflicht gegenvom 9. 12. 1919 über Kindern Art. 31: 499 Art. 2: 826 f. Friedensvertrag von Trianon zwischen Art. 3: 826 den alliierten sowie assoziierten Art. 8: 826 f. Mächten und Ungarn vom 4. 6. 1920 Art. 11: 826 Art. 61: 146,499 UN-Ubereinkommen über die AnerkenArt. 63: 146,499 nung und Vollstreckung ausländiArt. 64: 499 scher Schiedssprüche vom 10. 6. 1958 Genfer Protokoll über Schiedsklauseln Art. II: 869 vom 24. 9. 1923 Art. IV: 869 869 f. Art. V: 869 Art. VII: 870 Genfer Abkommen zur Vollstreckung Europäisches Übereinkommen über die ausländischer Schiedssprüche vom Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 26. 9. 1927 12. 4. 1961 869 f. Art. I: 869 Genfer Abkommen über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Haager Abkommen über das internationale Privatrecht der Form testaWechselprivatrechts vom 7. 6. 1930 mentarischer Verfügungen vom 5. 10. Art. 4: 93 f. 1961 Genfer Abkommen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. 7. 1951 Art. 8: 654 Art. 1: 318 Art. 12: 194, 197, 202, 318, 319, 335, 382 Staatsverträge, bilaterale Deutsch-österreichisches Vormundschaftsabkommen vom 5. 2. 1927 332 Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen vom 17. 2. 1929 Art. 8 : 269, 271, 430 f., 730

Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. 10. 1954 254, 697, 803 Art. 2: 228

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Konsularvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vom 25. 4. 1958 Art. 28: 511 Deutsch-belgisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30. 6. 1958 Art. 2: 228 Deutsch-österreichisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. 6. 1959 Art. 1: 823 Art. 2: 823

Art. 18: 826 Art. 19: 825 Vertrag von Evian zwischen Frankreich und Algerien vom 19. 3. 1962 Kap. 2 A: 398 f. Algerische Garantieerklärung: 399, 401 Deutsch-niederländisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Sdiuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30. 8. 1962 Art. 17: 870 Art. 21: 469 Art. 22: 469,477,478 Art. 27: 469, 477

MAX PLANCK-INSTITUT FÜR AUSLÄNDISCHES UND INTERNATIONALES PRIVATRECHT HAMBURG

Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Sonderveröffentlichung von Rabeis Zeitschrift f ü r ausländisches und internationales Privatrecht in den Jahren 1950 und 1951 Bearbeitet von Alexander N. Makarov. 1954. XI, 400 Seiten. DM 48.Vorzugspreis f ü r Bezieher der Zeitschrift DM 42.in den Jahren 1952 und 1953 Bearbeitet von Alexander N. Makarov. 1957. XII, 759 Seiten. DM 90.Vorzugspreis für Bezieher der Zeitschrift DM 78.60 in den Jahren 1954 und 1955 Bearbeitet von Franz Gamillscheg. 1960. XIV, 703 Seiten. DM 93.50 Vorzugspreis f ü r Bezieher der Zeitschrift DM 8 2 in den Jahren 1956 und 1957 Bearbeitet von Franz Gamillscheg. 1962. XVI, 779 Seiten. DM 103.Vorzugspreis f ü r Bezieher der Zeitschrift DM 90.in den Jahren 1958 und 1959 Bearbeitet von Werner Schuster. 1966. XVI, 831 Seiten. DM 136.Vorzugspreis Bezieher Zeitschrift DM 120.in den Jahrenfür1960 und der 1961 Bearbeitet von Dierk Müller. XVIII, 785 Seiten. In Vorbereitung in den Jahren 1962 und 1963 Bearbeitet von Dierk Müller. WALTER DE GRUYTER & CO. BERLIN

In Vorbereitung

J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK) TÜBINGEN

MAX-PLANCK-INSTITUT F Ü R A U S L Ä N D I S C H E S UND I N T E R N A T I O N A L E S HAMBURG

PRIVATRECHT

Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht Im Institut bearbeitet von Ulrich Drobnig (Sonderveröffentlichung von Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht)

1945-1953 1. Halbband. 1956. X I I , 634 Seiten. 2. Halbband. 1957. X I , 575 Seiten DM 5 8 . - . Vorzugspreis für Bezieher der Zeitschrift DM 5 0 . -

1954-1957 1. Halbband (Nr. 1 - 1 9 6 ) . 1960. X, 500 Seiten. 2. Halbband (Nr. 1 9 7 - 4 0 7 ) . 1961. X, 755 Seiten DM 6 5 . Vorzugspreis für Bezieher der Zeitschrift DM 5 4 -

1958-1959 1962. X I , 663 Seiten DM 4 6 . - . Vorzugspreis für Bezieher der Zeitschrift DM 3 8 . -

1960-1961 1964. X I I , 682 Seiten DM 6 5 . - . Vorzugspreis für Bezieher der Zeitschrift DM 5 4 . -

1962-1963 1967. X I I , 472 Seiten DM 6 8 . - . Vorzugspreis für Bezieher der Zeitschrift DM 5 7 . -

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J . C. B. MOHR (PAUL S I E B E C K ) TÜBINGEN