Grundlagen der Finanzierungspraxis [1. Aufl.] 978-3-409-12160-6;978-3-663-13355-1

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Grundlagen der Finanzierungspraxis [1. Aufl.]
 978-3-409-12160-6;978-3-663-13355-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages 1-13
Unternehmensleistung und Geld (Christian Garhammer)....Pages 15-19
Unternehmerische Basisfunktionen: Investieren und Finanzieren (Christian Garhammer)....Pages 20-49
Finanzierungsformen (Christian Garhammer)....Pages 50-55
Entscheidende Kriterien zur Beurteilung von Finanzierungsinstrumenten (Christian Garhammer)....Pages 56-94
Ausgewählte Instrumente der Eigenfinanzierung (Christian Garhammer)....Pages 95-133
Ausgewählte Instrumente der Fremdfinanzierung (Christian Garhammer)....Pages 134-173
Finanzierungskennzahlen (Christian Garhammer)....Pages 174-188
Finanzplanung (Christian Garhammer)....Pages 189-221
Finanzierungspolitik (Christian Garhammer)....Pages 222-276
Musterlösungen (Christian Garhammer)....Pages 277-289
Literaturverzeichnis (Christian Garhammer)....Pages 291-292
Back Matter ....Pages 293-304

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Christian Garhammer

Grundlagen der Finanzierungspraxis

Garhammer · Grundlagen der Finanzierungspraxis

CHRISTIAN GARHAMMER

Grundlagen der Finanzierungspraxis

Mit Aufgaben und Lösungen

LEHRBUCH

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einhcitsaufnahme Garhammer, Chrlstian : Grundlagen der Finanzierungspraxis : mit Aufgaben und Lösungen I Christian Garhammer. ISBN 978-3-409-12160-6

© Springer Fachmedien Wiesbaden 1996 Ursprünglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1996 Lektorat: Jutta Hauser-Fahr Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. ISBN 978-3-409-12160-6 DOI 10.1007/978-3-663-13355-1

ISBN 978-3-663-13355-1 (eBook)

Vorwort

Unternehmerisches Handeln erfordert den Einsatz von Kapital verschiedener Art: Geld, Sachen, Rechte, Wissen, Fähigkeiten, Arbeitskraft. Die Möglichkeiten, ein Unternehmen mit Kapital auszustatten - es zu finanzieren - , sind vielfaltig. Auf der Basis gesetzlich geregelter und traditioneller Finanzierungsformen entwickelt die Praxis laufend neue Instrumente (sog. Finanzinnovationen). Die Internationalisierung der Unternehmen und die Globalisierung der Kapitalmärkte durch neue Telekommunikationstechnologien machen Geld und Unternehmensanteile in zunehmendem Maß zu Globetrotters. Dadurch werden finanzwirtschaftliche Fragestellungen komplexer. Um sie im Kern verstehen und beantworten zu können, ist eine Konzentration auf die eigentliche Funktion der Unternehmensfinanzierung - Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen - nötig. In diesem Buch werden deshalb die Grundlagen der Unternehmensfinanzierung theoretisch fundiert dargestellt und praxisbezogen erklärt. Kapitel I erläutert die Güter- und Geldströme zwischen einem Unternehmen und den mit ihm in Beziehung stehenden Absatz- und Beschaffungsmärkten, den Kapitalmärkten, dem Staat und der natürlichen Umwelt. Daran anknüpfend werden in Kapitel 2 die Begriffe "Investieren" und "Finanzieren" als Zahlungsströme vorgestellt. Besonderes Gewicht liegt auf der Abgrenzung des Eigenkapitals vom Fremdkapital, die die Kapitalstruktur eines Unternehmens und die Ermittlung der Kapitalrenditen beeinflußt. Die Verwerfungen zwischen dem Vermögens- und Gewinnausweis bei Bilanzierung einerseits und der Zahlungsrechnung andererseits sind Gegenstand eines gesonderten Abschnitts. Kapitel 3 bietet eine Systematik der Finanzierungsformen, die sich in Kapitel 5 (Ausgewählte Instrumente der Eigenfinanzierung) und Kapitel 6 (Ausgewählte Instrumente der Fremdfinanzierung) wiederfindet. Die Systematisierung der Finanzierungsformen wurde aus didaktischen Gründen vorgelagert, um bereits in Kapitel 4 einige konkrete Finanzierungsinstrumente anhand der Kriterien "Liquidität", "Kapitalkosten" und "Risiko" diskutieren zu können. Kapitel 4 enthält insbesondere Modellrechnungen für die Eigenkapitalrenditen nach Steuern von Einzelunternehmern und GmbH-Gesellschaftern sowie insolvenzrechtliche Aspekte der Finanzierung nach geltendem Recht bzw. der am 1.1.1999 in Kraft tretenden Insolvenzordnung. Die in den Kapiteln 5 und 6 besprochenen Finanzierungsinstrumente wurden angesichts ihres Stellenwerts in der Praxis ausgewählt. Damit ist nicht impliziert, daß ungenannte Finanzierungsalternativen praktisch unbedeutend sind. Motiv der Beschränkung dieser Auswahl ist vielmehr, den instrumentellen Charakter des Buchs zu begrenzen. Diese Absicht trägt ebenso Kapitel 7, in dem wenige, dafür jedoch im Rahmen der Unternehmensführung eine zentrale Rolle spielende Finanzierungskennzahlen skizziert werden.

Im Zeichen einer möglichst alle Unternehmensfunktionen integrierenden Sichtweise stehen die Kapitel 8 (Finanzplanung) und Kapitel 9 (Finanzierungspolitik). Steigende Insolvenzzahlen und Wettbewerbsintensität erfordern ein zukunftsorientiertes Finanzmanagement, um das magische Dreieck der Finanzierungskriterien- Liquidität, Kapitalkosten (Rendite) und Risiko -zu beherrschen. Ein in die Unternehmensplanung eingebautes Finanzplanungsmodul ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche finanzielle Lenkung eines Unternehmens. In Kapitel 8 wird die Erstellung eines Finanzplans ausgehend von einem Ergebnisplan für ein Geschäftsjahr auf Monatsbasis mit Hilfe eines praxisnahen Zahlenbeispiels demonstriert. Ergebnis- und Finanzplan wurden durch Einsatz des Tabellenkalkulationsprogramms Excel von Microsoft erstellt. Die Excel-Formeln für beide Pläne im einzelnen und für deren Verknüpfung sind in der ausfUhrliehen Planbeschreibung angegeben. EDV -Anwender können auf dieser Plattform selbst Ergebnis- und Finanzpläne für die Unternehmenspraxis erarbeiten. Aspekte der unternehmerischen Finanzierungspolitik werden für zentrale Finanzierungsanlässe - Unternehmensgründung, -wachstum, -Sanierung, -verkauf, -Iiquidation - in Kapitel 9 erläutert. Breiten Raum nimmt eine Empfehlung zum detaillierten Aufbau eines Unternehmensgründungsplans ein. Hinweise zur Verhandlungsfiihrung mit Bigenkapitalanbietern und Kreditinstituten runden die Ausruhrungen ab und schließen den Kreis, der in Kapitel I mit der Frage nach der Struktur der finanziellen Beziehungen eines Unternehmens geöffnet wurde. Am Ende eines Abschnitts bzw. Kapitels finden Sie Aufgaben, zu denen im Anhang Musterlösungen angeboten werden. Diese Lösungsskizzen sind größtenteils als Vorschläge fiir den Umgang mit finanzwirtschaftliehen Fragen zu sehen, nicht jedoch als umfassende Problemlösungen.

Dieses Lehrbuch versteht sich als Ansatz einer breitangelegten Einfiihrung in die Finanzwirtschaft eines Unternehmens. Dabei entsteht eine Komplexität, die der Wirklichkeit entspricht. Die Welt der Finanzierung ist vielschichtig und birgt manche Falle. Nachdem Sie dieses Buch kritisch durchgearbeitet haben, werden Sie sich in der Finanzierungswelt besser zurechtfinden und Finanzierungsfallen leichter erkennen und umgehen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg! Gerne würde ich Ihre Kritik und Anregungen zu diesem Buch erfahren. Schreiben Sie bitte an folgende Adresse: Fachhochschule Regensburg, Fachbereich Betriebswirtschaft, Postfach 120327, 93025 Regensburg. Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen.

Christian Garhammer

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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ......................................................................................... ... 11 Tabellenverzeichnis ................................................................................................. 13

1 Unternehmensleistung und Geld ........................................................................ 15

1.1 Güterwirtschaftliches Unternehmensmodell .................................................. 15 1.2 Güter- und Geldströme des Unternehmens .................................................... 16 2 Unternehmerische Basisfunktionen: Investieren und Finanzieren ................. 20

2.1 Investieren ............. ................. ... .......... .......... .......... ... ... ............. ..... ..... .......... 2.1.1 Begriffe: Investieren/Investition .......................................................... 2.1.2 Investitionsformen ................................................... ... ...................... ... 2.2 Finanzieren ...................... .............................................................................. 2.2.1 Begriffe: Finanzieren/Finanzierung .................................................... 2.2.2 Abgrenzung Eigenkapital - Fremdkapital ........................................... 2.2.3 Verlustpuffer-Funktion des Eigenkapitals ........................................... 2.2.4 Das Kapitalkarussell ............................................................................ 2.2.5 Leverage-Effekt und Kapitalstrukturrisiko .......................................... 2.3 Die Bilanz als Abbild von Zahlungen ............................................................

20 20 21 23 23 24 32 35 39 46

3 Finanzierungsformen ........................................................................................... 50

3.1 Übersicht ......................................................................................................... 50 3.2 Eigenfinanzierung ........................................................................................... 51 3 .2.1 Außenfinanzierung ................................................................................ 51 3 .2.1.1 Beteiligungsfinanzierung ........................................................ 51 3 .2.1.2 Subventionen ........................................................................... 52 3.2.1.3 Schulderlaß .............................................................................. 52 3.2.2 Innenfinanzierung ................................................................................. 53 3 .2.2.1 Abschreibungen, unterlassene Zuschreibungen ...................... 53 3.2.2.2 Sonderposten mit Rücklageanteil ............................................ 53 3.2.2.3 Gewinnthesaurierung (Selbstfinanzierung) ............................. 53 3.3 Fremdfinanzierung .......................................................................................... 53 3.3.1 Außenfinanzierung: Externe Kreditfinanzierung .................................. 54 3.3.2 Innenfinanzierung ................................................................................. 54 3.3.2.1 Rückstellungen (Interne Kreditfinanzierung) ......................... 54 3.3.2.2 Erhaltene Anzahlungen ........................................................... 54 3.3.2.3 Sonderposten mit Rücklageanteil ............................................ 55

7

4 Entscheidende Kriterien zur Beurteilung von Finanzierungsinstrumenten ... 56 4.1 Liquidität ......................................................................................................... 56 4.1.1 Definition .............................................................................................. 56 4.1.2 Kapitalzufluß ........................................................................................ 57 4.1.3 Kapitalnutzung ..................................................................................... 62 4.1.4 Kapitalrückfluß ..................................................................................... 63 4.2 Kapitalkosten .................................................................................................. 64 4.2.1 Definition .............................................................................................. 64 4.2.2 Auszahlungswirksame Kapitalkosten ................................................... 65 4.2.3 Opportunitätskosten .............................................................................. 68 4.2.4 Steuerliche Aspekte .............................................................................. 69 4.3 Risiko .............................................................................................................. 75 4.3.1 Definition .............................................................................................. 75 4.3.2 Risiko und Finanzierungsverträge ........................................................ 76 4.3.3 Insolvenzrechtliche Aspekte ................................................................. 82 5 Ausgewählte Instrumente der Eigenfinanzierung ............................................. 95 5.1 Außenfinanzierung .......................................................................................... 95 5.1.1 Beteiligungsfinanzierung ...................................................................... 95 5.1.1.1 Finanzierung von Nicht-Aktiengesellschaften ........................ 95 5.1.1.2 Finanzierung durch Aktienemission ........................................ 98 5.1.2 Subventionen ...................................................................................... 105 5.2 Innenfinanzierung ......................................................................................... 108 5.2.1 Gewinnthesaurierung .......................................................................... 108 5.2.2 Abschreibungen, unterlassene Zuschreibungen .................................. 112 5.2.3 Sonderposten mit Rücklageanteil ........................................................ 124 5.2.4 Factoring .............................................................................................. 127 6 Ausgewählte Instrumente der Fremdfinanzierung .......................................... 134 6.1 Außenfinanzierung ........................................................................................ 134 6.1.1 Bankkredit ........................................................................................... 134 6.1.2 Gesellschafterkredit ............................................................................. 139 6.1.3 Schuldverschreibung ........................................................................... 141 6.1.4 Lieferantenkredit ................................................................................. 150 6.1.5 Leasing ................................................................................................ 151 6.2 Innenfinanzierung ................ .... .... .... ................... ..... ... ....... .... ....... ...... .... ...... 169 6.2.1 Pensionsrückstellung ....... ........ ............ ...... .. ... .. ... ....... .. ..... .. .... .. .. .. .. ... 169 6.2.2 Sonstige Rückstellungen .................................................................... 172

8

7 Finanzierungskennzahlen .................................................................................. 174 7.1 Zweck der Finanzanalyse .............................................................................. 174 7.2 Eignung des Jahresabschlusses als Analysemedium ..................................... 175 7.3 Ausgewählte Finanzierungskennzahlen ........................................................ 176 7.3.1 Stichtagsbezogene Finanzierungskennzahlen ..................................... 176 7.3 .2 Zeitraumbezogene Finanzierungskennzahlen ..................................... 180 7.4 Kennzahlenbasiertes Insolvenzdiagnose-Expertensystem ............................ 187

8 Finanzplanung .... ...... ... ... ... ... ... ....... ..... .... ... ... ... ... ... ... ...... ... ... ... ..... ... .. ..... .. ... .. .. .. 189 8.1 Zwecke der Finanzplanung ........................................................................... 189 8.2 Aufbau und Gestaltung der Finanzplanung ................................................... 191 8.2.1 Integration der Finanzplanung in die Unternehmensplanung ............. 191 8.2.2 Zeitliche Struktur des Finanzplans ...................................................... 199 8.2.3 Inhaltliche Struktur des Finanzplans ................................................... 200 8.2.4 Berücksichtigung des Risikos ............................................................. 204 8.2.5 Plan-Ist-Abweichungen ...................................................................... 205 8.3 Praktisches Finanzplanungsbeispiel ............................................................. 205

9 Finanzierungspolitik .......... ....... ... ... ... ... ... ... .... ... ... ... ... ... .. ... .... .. ...... .. ... .. ... .. .. .. ... 222 9.1 Zentrale Finanzierungsanlässe ...................................................................... 222 9.1.1 Unternehmensgründung ...................................................................... 222 9.1.2 Unternehmenswachstum ..................................................................... 256 9.1.3 Unternehmenssanierung ...................................................................... 260 9.1.4 Unternehmensverkauf ......................................................................... 264 9.1.5 Unternehmensliquidation .................................................................... 266 9.2 Aspekte der Verhandlungsführung mit Eigenkapitalanbietern ..................... 267 9.3 Aspekte der Verhandlungsführung mit Kreditinstituten .............................. 271

10 Musterlösungen ................................................................................................ 277 11 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 291 12 Stichwortverzeichnis ........ ... ... ... ... ... ... ....... ... ...... .. ... .... .. ... ... ... ... ...... .... .. ... .. .. .. .. 293 13 Anhang 13.1 Ergebnisplan 13.2 Finanzplan

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Abb.2 Abb. 3 Abb.4 Abb. 5 Abb.6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.

30 31 32 33 34 35 36

Güterwirtschaftliches Unternehmensmodell .............................................. 15 Güter- und Geldströme des Unternehmens ................................................ 16 Grundstruktur des Zahlungsstroms Investition .......................................... 21 Bilanzielle Strukturdarstellung von Investitionen und Finanzierungen ..... 23 Grundstruktur des Zahlungsstroms Finanzierung ...................................... 23 Kapitalbegriff als Kontinuum .................................................................... 26 Kriterien zur Differenzierung Eigenkapital - Fremdkapital ....................... 26 Finanzanalytische Abgrenzung Eigenkapital- Fremdkapital in der Handelsbilanz ............................................................................................. 31 Das Kapitalkarussell .................................................................................. 35 Graphische Darstellung des Leverage-Effekts .......................................... 41 Zusammenhang zwischen Investitions- und Finanzierungsrendite ........... 42 Zusammenhang zwischen Investitionsrendite und Investitionsrisiko ........ 43 Erfolgsrechnung versus Zahlungsrechnung ............................................... 46 Formen der Finanzierung ........................................................................... 50 Außenfinanzierung versus Innenfinanzierung .. .. ...... .... .. ...... .. .... .. .. .. ...... .. . 51 3-Phasen-Schema der Finanzierung .......................................................... 56 Emissionsanzeige fur eine Anleihe der Wella International Finance B.V. 60 Grundstrukturen gebräuchlicher Tilgungsformen ..................................... 63 Kursentwicklung eines Zero Coupon Bonds ...... .... .. .... .. ...... ...... .. .. .. ......... 67 Emissionsanzeige für einen Zero Coupon Bond der Roche Holdings, Irre. 68 Ausgewählte Kreditsicherheiten ................................................................ 79 Beantragung eines Konkurs- bzw. Vergleichsverfahrens .......................... 84 Gläubigerrangfolge im Konkursverfahren ................................................. 85 Beantragung eines Insolvenzverfahrens gemäß Insolvenzordnung ........... 90 Gläubigerrangfolge im Insolvenzverfahren (ab 1.1.1999) ......................... 94 Emissionsanzeige der Dresdner Bank AG ............................................... 101 Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren ............................................................ 110 Factoring ................................................................................................... 127 Änderung der Einzahlungsstruktur durch Factoring bei Umsatzwachstum ................................................................................ 130 Einfluß des Factorings auf die Bilanzstruktur .......................................... 132 Wechseldiskontkredit ............................................................................... 136 Grundformen einer Inhaber-Schuldverschreibung ................................... 142 Kursvergleich Floating Rate Note- Festverzinsliche Anleihe ................. 143 Genußscheinbedingungen der Bertelsmann AG ...................................... 148 Leasing-Grundstruktur ............................................................................. 152 Flugzeug-Leasing der Deutschen Lufthansa AG ..................................... 154

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Abb. 37 Differenzierung Kreditfinanzierter Kauf, Finanzierungs-Leasing, Operating-Leasing .................................................................................... 156 Abb. 38 Standardformular fiir Leasingverträge mit Allgemeinen LeasingBedingungen der Deutschen Leasing AG ................................................ 157 Abb. 39 Graphische Darstellung der Bildung und Auflösung einer Pensionsrückstellung .............................................................................................. 172 Abb. 40 Schematische Darstellung der Liquiditäts- und Renditewirkungen einer Rückstellung .................................................................................... 173 Abb. 41 Schema zur Berechnung des Cash flows nach DVF A/SG ....................... 181 Abb. 42 Kapitalflußrechnung des VEBA-Konzems .............................................. 184 Abb. 43 Idex-Kennzahlenmuster zur Insolvenzdiagnose ....................................... 187 Abb. 44 Zusammenhänge zwischen Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, Plan-Bilanz und Finanzplan ..................................................................... 194 Abb. 45 Verbindungen zwischen Basisdaten und Zahlungen im Finanzplan ........ 201 Abb. 46 Gliederung einer Gründungsplanung ....................................................... 227 Abb. 47 Zeitungsinserat zur Wachstumsfinanzierung durch Venture-CapitalGesellschaft .... ... .............. ... ............. .. .... ........ ... ..... .. ... ..... .... ... .. .... .. .... ..... 259

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Tabellenverzeichnis

Zahlenbeispiel zum positiven Leverage-Effekt ......................................... 40 Zahlenbeispiel zum negativen Leverage-Effekt ........................................ 40 Bankkredit ohne und mit Disagio .............................................................. 58 Ratenkredit ................................................................................................. 65 Annuitätenkredit ......................................................................................... 66 Steuerliche Belastungsrechnungen für Eigen- und Fremdfinanzierungen . 72 Eigenkapitalrenditen nach Steuern eines Einzelunternehmers ................... 74 Eigenkapitalrenditen nach Steuern eines GmbH-Gesellschafters .............. 74 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ................................................ 87 Finanzierungswirkung eines Investitionszuschusses bei konstantem Ertragsteuersatz ........................................................................................ 107 Tab. 11 Finanzierungswirkung eines Investitionszuschusses bei variablem Ertragsteuersatz ........................................................................................ 108 Tab. 12 Rechenbeispiel zum Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren ........................... 111 Tab. 13 Kapitalfreisetzungs- und Kapazitätserweiterungseffekt ........................... 113 Tab. 14 Finanzielle Wirkung einer Sonderabschreibung ........... .. .... .. ... .. ... .. ... .. .. .. 115 Tab. 15 Steuerstundung durch Sonderposten mit Rücklageanteil bei Übertragung auf ein Wirtschaftsgut ................................................................. 125 Tab. 16 Veräußerung eines Wirtschaftsguts und Erwerb eines neuen Wirtschaftsguts ohne Bildung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil ......... 125 Tab. 17 Veräußerung eines Wirtschaftsguts mit Bildung und Auflösung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil ohne Anschaffung/Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts .... ... ... ... ... ... ... .... .. ... ...... ... .. ... .. ... .. ... 126 Tab. 18 Rechnerischer Vorteilhaftigkeitsvergleich Kreditfinanzierter Kauf versus Finanzierungs-Leasing .................................................................. 164

Tab. 1 Tab.2 Tab.3 Tab.4 Tab.5 Tab.6 Tab. 7 Tab.8 Tab.9 Tab. 10

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1 Unternehmensleistung und Geld In modernen Wirtschaftssystemen wird die Übertragung von Gütern im engeren Sinn (=Sachen - z. B. Grundstücke, Maschinen, Waren, Rohstoffe -, immaterielle Werte z. B. Patente, EDV-Software, Fertigungs-know-how -,Dienstleistungen- z. B. Beratung durch Rechtsanwalt und Steuerberater -) von einem Wirtschaftssubjekt auf ein anderes in der Regel von Geldzahlungen begleitet: dem Güterstrom fließt ein Geldstrom als Gegenleistung entgegen. Werden jedoch als Gegenleistung ebenfalls Güter hingegeben, spricht man von einem Tausch- oder Kompensationsgeschäft (z. B. Lieferung von Erdgas gegen Lieferung von Lebensmitteln). In solch einem Fall wird die Geldzahlung durch eine Güterübertragung als Gegenleistung ersetzt, so daß eine Geldzahlung als Gegenleistung fingiert werden kann.

1.1 Güterwirtschaftliches Unternehmensmodell Ein Unternehmen ist eine organisatorisch selbständige Einheit einer Volkswirtschaft ein Wirtschaftssubjekt -, in die Güter im weiteren Sinn (in betriebswirtschaftlicher Terminologie: Menschliche Arbeitskraft, Betriebsmittel und Werkstoffe, darüber hinaus sog. Umweltgüter wie z. B. Wasser, Luft, Wind, Solarenergie) eingebracht werden (=Input), um Güter :fiir andere Wirtschaftssubjekte herzustellen und abzusetzen (=Output). Dabei entstehen neben den gewünschten Produkten leider auch umweltschädliche Abfälle.

Güter (Produktionsfaktoren)

Unternehmen

Güter (Produkte, Abfälle, Energie)

Abb. 1: Güterwirtschaftliches Unternehmensmodell

Dieses Schema enthält keinen Geldstrom (Tauschwirtschaft!). Erst die Einführung von Geld in eine Volkswirtschaft (Bewertung der Güter in Geldeinheiten) bedingt die Transformation der Güterströme in Geld. Die Verwendung des Mediums Geld bewirkt in der Finanzwirtschaft eine Abstraktion des Investierens, Produzierensund Konsumierens von den physischen Prozessen und damit von der Natur.

15

1.2 Güter- und Geldströme des Unternehmens Ein Unternehmen steht mit mehreren Marktsystemen (nämlich: Beschaffungs-, Absatzund Kapitalmärkten), dem Staat als hoheitlicher Institution und der natürlichen Umwelt in Verbindung. Diese Verflechtung ist im folgenden Schema dargestellt:

Produkte

Beschaffungsmärkte

Unternehmen

~

V Absatzmärkte

Faktorentgelte

Kapitalmärkte

Abb. 2: Güter- und Geldströme des Unternehmens

- Beziehung zwischen Unternehmen und Beschaffungsmärkten: Die Beschaffungsmärkte (z. B. Rohstoffmärkte, Investitionsgütermärkte, Arbeitsmärkte) stellen dem Unternehmen Güter als Produktionsfaktoren zur Verfugung und

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erhalten da:fiir Entgelte in Form von Geld (z. B. Kaufpreise, Mieten, Pachten, Leasingraten, Löhne, Gehälter, Honorare). - Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzrnärkten: Das Unternehmen stellt den Absatzmärkten Güter als Produkte zur VerfUgung und erhält da:fiir von seinen Kunden Entgelte in Form von Geld (Kundenzahlungen). - Beziehung zwischen Unternehmen und Kapitalmärkten: Die Kapitalmärkte stellen dem Unternehmen Geld in Form von Eigen- und Fremdkapital zur VerfUgung und erhalten :fiir die Kapitalnutzung Entgelte in Form von Geld (z. B. Zinsen, Gewinnausschüttungen). Kapitalrückzahlungen (z. B. Kredittilgungen, Entnahmen) des Unternehmens an Kapitalgeber sind keine Entgelte, weil das Unternehmen(= Kapitalnehmer) nominal nur soviel Geld an seine Kapitalgeber zurückzahlt, wie es von diesen in früheren Zeitpunkten zur Nutzung erhalten hat. - Beziehung zwischen Unternehmen und Staat als hoheitlicher Institution: Gesetzliche Bestimmungen verpflichten das Unternehmen zur Zahlung von Steuern (= Zwangsabgaben) in Form von Geld. Erfiillt das Unternehmen vom Staat festgelegte Voraussetzungen, erhält es Subventionen (z. B. Investitionszulagen, Investitionszuschüsse, Bereitstellung unternehmensspezifischer Verkehrsinfrastruktur), die in Form von Geld oder geldwertenVorteilengeleistet werden. Steuern und Subventionen sind keine Entgelte für Unternehmensleistungen, sondern basieren auf öffentlichrechtlichen Vorschriften. - Beziehung zwischen Unternehmen und Umwelt: Externe Effekte entstehen durch Aktivitäten von Wirtschaftssubjekten (also im Prozeß der Leistungserstellung durch Unternehmensaktivitäten). Negative externe Effekte (z. B. Luft- und Wasserversehtnutzung durch Schadstoffemissionen) können beim Unternehmen zu Auszahlungen (z. B. für den Einbau von Schadstoffiltern, in Form sog. Öko-Steuern oder in Form von Geldbußen), im Fall positiver externer Effekte zu Einzahlungen (z. B. bei einem Bauern, der fiir die Bewirtschaftung einer Almwiese mit der Nebenwirkung einer geringeren Bodenerosion einen staatlichen Zuschuß erhält) führen. Die Verbindung zwischen der Verursachung eines negativen externen Effekts und der Belastung des Verursachers mit den dadurch entstehenden gesamtwirtschaftlichen Kosten bezeichnet man als Internalisierung. Weil externe Effekte- negative wie positive - im Einzelfall nicht oder nicht vollständig erfaßt und dem verursachenden Unternehmen zugerechnet werden (können), bildet das externe Rechnungswesen des Unternehmens (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang) die Unternehmensaktivitäten unvollständig ab. Die geltenden handels- und steuerrechtliehen Rechnungslegungsvorschriften sind ausschließlich geldorientiert und lassen :fiir Informationen in anderen (z. B. physikalischen, chemischen, biologischen) Meßeinheiten keinen Raum. Diese methodische Lücke versuchen zunehmend mehr Unternehmen durch freiwillige sog. Ökoberichte, Ökobilanzen, Umweltberichte zu schließen. Die Finanzwirtschaft eines Unternehmens erfaßt die Unternehmenswirklichkeit als Bestandteil der Volks- und Weltwirtschaft in ihrer unauflösbaren Verbindung mit der Umwelt nur insoweit, als Geld (oder eine geldwerte Leistung) in das Unternehmen oder 17

Geld (oder eine geldwerte Leistung) aus dem Unternehmen fließt. Der Einsatz von Umweltgütern im Zusammenhang mit den Aktivitäten eines Unternehmens wird deshalb tendenziell unterbewertet, d. h. Unternehmensgewinne werden zu hoch, Unternehmensverluste werden zu niedrig errechnet. Auch die Finanzwirtschaft unterliegt damit dem Dilemma des Fehlens einer volks- und weltwirtschaftliehen Wohlfahrtsfunktion. Investitionsentscheidungen bergen also die systematische Gefahr eines suboptimalen Kapitaleinsatzes in sich. Das herrschende Paradigma der monetären Gewinnorientierung bewertet Unternehmen aufgrund ihrer Fähigkeit, Geldüberschüsse zu erwirtschaften. Jene Unternehmen, die in Relation zum eingesetzten Kapital die höchsten Geldüberschüsse erzielen (Maximierung der Kapitalrendite ), erhalten auf den Kapitalmärkten Bestnoten. Die Ausrichtung der Unternehmensstrategie ausschließlich auf monetäre Unternehmensziele (insbesondere: Gewinn, Rendite) gefährdet ein verantwortungsvolles Wirtschaften im Einklang mit der Umwelt und behindert eine nachhaltig positive Unternehmensentwicklung (sustainable development). Unternehmenskonzepte, die den Schutz der Umwelt nicht als zentrales Strukturelement integrieren, haben keine Zukunft. Umweltgesetzgebung und Umweltsensibilisierung der Konsumenten veranlassen zum Überdenken und Neuformulieren von Unternehmensstrategien. Während in vielen Unternehmen die Einsicht in die Notwendigkeit einer dynamischen Umweltorientierung wächst, verharren die Kapitalmärkte weitgehend in traditionellen Denkmustern. Solange das Verfiigungsrecht über Kapital umweltschädigende Investitionen ermöglicht und mit Blick auf die Rendite umweltverträglichen Investitionen vorzieht, kann Geld in seiner Rolle als Knappheitsindikatornicht überzeugen. Mit diesem Zustand werden wir leider noch eine Weile leben müssen, bis die Einsicht der Kapitalgeber in die vitale Notwendigkeit ökologischer Investitionen die Kapitalallokation entscheidend verändert. Die Kapitallenkung in ökologisch vorzugswürdige Investitionen wird maßgeblich von dem Angebot an Kapitalanlagen bestimmt. Gegenwärtig gibt es einige Investmentfonds, die Kapitalanlageentscheidungen ökologisch (und ethisch) fundiert treffen, indem kapitalsuchende Unternehmen in einem sog. Öko-Rating positiv abschneiden müssen, ehe Fondsmittel in Aktien oder Anleihen eines Unternehmens angelegt werden. Ökologisch orientierte Banken (z. B. GLS Gemeinschaftsbank eG in Bochum, Ökobank eG in Frankfurt am Main, UmweltBank AG in Nürnberg) geben Kredite ausschließlich fiir umweltverträgliche Projekte. Im Frühling 1996 nahm ein neues deutsches Lebensversicherungsunternehmen (oeco capital Lebensversicherung AG) seinen Geschäftsbetrieb auf, das mit dem Slogan "Der erste ökologische Lebensversicherer" wirbt und seinen Kunden verspricht, ihre Versicherungsbeiträge "ausnahmslos in ökologisch und gesellschaftlich sinnvolle Projekte - ohne Abstriche bei der Rendite" zu investieren. 1

I

Vgl. Werbeanzeige der oeco capital Lebensversicherung AG, in: Handelsblatt, Nr. 80, 24.4.1996, S. 13.

18

Aufgaben zu Kapitel I : 1. Skizzieren Sie die Güter- und Geldströme zwischen einem Unternehmen und den mit ihm in Verbindung stehenden Märkten, dem Staat und der Umwelt. 2. Erläutern Sie die Problematik, die aus der unzureichenden Berücksichtigung umweltschädigender Unternehmensaktivitäten bei Entscheidungen über den Kapitaleinsatz entsteht.

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2 Unternehmerische Basisfunktionen: Investieren und Finanzieren Investieren und Finanzieren sind - genauso wie Beschaffen, Produzieren und Absetzen wesentliche unternehrTierische Tätigkeiten, die sich gegenseitig bedingen: ohne Finanzierung ist ein Investitionsvorhaben nicht durchfiihrbar, ohne Investition ist Finanzierung unwirtschaftlich, weil Kapital brachliegt.

2.1 Investieren 2.1.1 Begriffe: Investieren/Investition Die Begriffe Investieren und Investition werden im täglichen Sprachgebrauch ständig verwendet - allerdings mit sehr unterschiedlichen Interpretationen: Fordert ein Politiker, der Staat müsse Investitionen fördern, so versteht er unter Investitionen vor allem den Kauf sog. Investitionsgüter (z. B. Fabrikhallen, Maschinen, Fahrzeuge - also relativ langlebiger Güter) durch Unternehmen. Wenn Sie sagen, Sie investieren in Ihr Studium eine Menge Zeit, so meinen Sie Ihre Arbeit, um sich Methoden und Kenntnisse anzueignen und insbesondere gute Prüfungsergebnisse zu erzielen. Damit geben Sie dem Begriff Investieren einen weiteren Umfang als der Politiker, weil Sie den Investitionsbegriff nicht auf die Anschaffung/Herstellung relativ langlebiger Güter und nicht auf den Unternehmenssektor beschränken. Auch in der Betriebswirtschaftslehre existieren verschiedene Auffassungen über den Investitionsbegriff Ein fiir unsere Zwecke geeigneter Investitionsbegriff basiert auf folgenden Überlegungen: - Die Begriffe Investieren und Investition bezeichnen ausschließlich bestimmte unternehrTierische Tätigkeiten. Für Aktivitäten außerhalb des Unternehmenssektors (z. B. im Privathaushalt) werden diese Begriffe nicht gebraucht. - Ein privates Unternehmen ist auf Gewinn als finanzielle Zielgröße ausgerichtet. (Von gemeinnützigen Unternehmen wird hier abgesehen.) Gewinn wird in unserer Rechtsordnung durch Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung oder einer EinnahmenüberschuB-Rechnung in Geldeinheiten [DM] gemessen. Demnach verstehen wir unter Investieren das Ausgeben von Geld seitens eines Unternehmens zur Beschaffung von Produktionsfaktoren oder zur Anlage auf dem Kapitalmarkt (z. B. in Form eines zinsbringenden Termingelds) in der Erwartung künftiger Einzahlungen (hauptsächlich: Kundenzahlungen, Zinsen/Dividenden aus der Kapitalmarktanlage) und gegebenenfalls weiterer Auszahlungen (z. B. an Rohstofflieferanten und Mitarbeiter). Aufgrund der Gewinnerzielungsabsicht wird insgesamt ein Einzahlungsüberschuß angestrebt. Eine Investition ist ein Zahlungsstrom, der typischerweise mit einer Auszahlung (z. B. Zahlung des Kaufpreises an einen Maschinenlieferanten, Zahlung von Gehältern an Programmierer eines Software-Entwicklers, Zahlung des 20

Kaufpreises von Wertpapieren) oder einer vermiedenen Einzahlung (z. B. Bezug von Rohstoffen von einem Lieferanten, der zugleich Kunde des Unternehmens ist, mit Zahlung des Rohstoffkaufpreises durch Aufrechnung der gegenseitig bestehenden Forderungen) beginnt. Dieser Investitionsbegriff läßt sich anhand eines Zeitstrahls veranschaulichen: to

tl

t2

t3

t4

+/-

+/-

ts

_ l ____l____l____ l____,l ____ ,l +/-

+/-

>t

+I-

Legende: t0 :Beginn der Investition; t 1,... ,t5: Folge-Zahlungszeitpunkte; -:Auszahlung; +:Einzahlung Abb. 3: Grundstruktur des Zahlungsstroms Investition

Beispiel: Ein Unternehmer kauft eine Fräsmaschine (= Investitionsobjekt) fiir 900.000 DM und zahlt den Kaufpreis am 13.7.1996 durch Banküberweisung. Zur Bedienung der Maschine wird am 1.7.1996 ein Arbeiter eingestellt, der einen Nettolohn von 2.610 DM, zahlbar jeweils zum Monatsende, erhält; die einbehaltenen Steuern und die Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am 15. des Folgemonats fallig (Gesamtbetrag: 2.770 DM). Um die Fertigung auf der neuen Maschine beginnen zu können, werden Rohstoffe flir 175.900 DM eingekauft und am 20.7.1996 abzüglich 3% Skonto bezahlt. Die durch das Betreiben der Maschine entstehenden Stromkosten werden auf ca. 900 DM monatlich geschätzt; die Stromrechnung ist jeweils am 15. des Folgemonats zahlbar. Aus dem Verkauf der auf der Fräsmaschine hergestellten Produkte werden Kundenzahlungen in Höhe von ca. 35.000 DM am 31.7.1996, in Höhe von 49.000 DM am 15.8.1996 und in Höhe von 27.000 DM am 31.8.1996 erwartet. Alle übrigen durch die Anschaffung und den Betrieb der Fräsmaschine verursachten Zahlungen bleiben vereinfachend unberücksichtigt. Der folgende Zahlungsstrom umfaßt beispielhaft nur wenige Zahlungszeitpunkte, um die Darstellung der mit diesem Investitionsobjekt in den ersten Wochen verbundenen Zahlungen leicht verständlich zu veranschaulichen. 13.7.96

20.7.96

-900.000

- 170.623

_I

I

31.7.96

I - 2.610 + 35.000

15.8.96

I - 2.770 900 +49.000

31.8.96

I - 2.610 + 27.000

15.9.96 ...

I

>t

- 2.770 900

2.1.2 Investitionsformen Investitionen lassen sich nach mehreren Kriterien und Anlässen klassifizieren: Klassifizierungsalternative A: Art des Investitionsobjekts - Sachinvestitionen: * Investitionen in das Sachanlagevermögen: z. B. Immobilien, Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge, Büroausstattung

21

* Investitionen in das Umlaufvermögen:

z. B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige und fertige Erzeugnisse, Handelsware - Immaterielle Investitionen: z. B. gewerbliche Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster usw.), EDV-Software, Beschäftigung von Mitarbeitern, Werbung - Finanzinvestitionen: z. B. Bankguthaben, Wertpapiere Klassifizierungsalternative B: Art des Investitionszwecks - Gründungsinvestitionen: Beschaffung von Produktionsfaktoren zum Start eines Unternehmens - Erweiterungsinvestitionen: Beschaffung von Produktionsfaktoren zur Ausweitung der Kapazität z. B. im Bereich der Beschaffung (durch Lagererweiterung), der Fertigung (z. B. durch Anschaffung einerneuen Maschine, Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter), des Vertriebs (z. B. durch Anschaffung zusätzlicher Lkw zur Auslieferung), der Forschung und Entwicklung (z. B. durch Errichtung eines neuen Testlabors) - Ersatzinvestitionen: Beschaffung eines Produktionsfaktors, der einen ausscheidendenlausgeschiedenen Produktionsfaktor ersetzt (z. B. Anschaffung einerneuen Maschine und Versehrortung einer funktionsgleichen Maschine; Ersatz eines ausscheidenden Mitarbeiters durch einen neuen Mitarbeiter) - Rationalisierungsinvestitionen: Beschaffung von Produktionsfaktoren zwecks Kostensenkung (z. B. durch Einführung eines neuen Fertigungsverfahrens)

Aufgaben zu Abschnitt 2.1: 1. Definieren Sie die Begriffe "Investieren" und "Investition" in bezug auf ein Privatunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht. 2. Veranschaulichen Sie die folgende Investition mit Hilfe eines Zeitstrahls: Ein Spediteur kauft einen Sattelzug. Der Kaufpreis von 550.000 DM ist am 16.5.1995 zu zahlen. Der Einsatz des Sattelzugs verursacht laufende Auszahlungen (ftir Versicherung, Autobahngebühr, Fahrerlöhne, Kraftstoff, Öl, Instandhaltung, Wäsche usw.) von 11.000 DM, die vereinfachend jeweils am Monatsletzten fallig werden (für Mai sind 6.000 DM anzusetzen). Die Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 2.400 DM ist am 31.5.1995 zu zahlen. Die Kundenzahlungen sollen vereinfachend jeweils am Monatsletzten eingehen in Höhe von 9.800 DM für Mai 1995 und in Höhe von 17.300 DM fiir die Folgemonate. Mangels Transportaufträgen verkauft der Spediteur den Sattelzug am 31.10.1995 für 490.000 DM gegen Barzahlung. (Die zeitanteilige Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer braucht nicht berücksichtigt zu werden.) 3. Nennen Sie jeweils ein Beispiel ftir eine Sachinvestition, immaterielle Investition, Finanzinvestition, Erweiterungsinvestition, Ersatzinvestition.

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2.2 Finanzieren 2.2.1 Begriffe: Finanzieren/Finanzierung Investieren bezeichnet die Verwendung von Kapital fiir unternehmefische Aktivitäten, Finanzieren bezeichnet die Bereitstellung von Kapital fiir untemehmerische Aktivitäten. Die Investition sagt, wohin das Kapital fließt, die Finanzierung sagt, woher das Kapital stammt. Dieser Zusammenhang kommt auch in der bilanziellen Darstellung zum Ausdruck: Aktiva Vermögen Investitionen Kapitalverwendung

Bilanz Kapital Finanzierungen Kapitalherkunft

Passiva

Abb. 4: Bilanzielle Strukturdarstellung von Investitionen und Finanzierungen

Die Finanzierung kann spiegelbildlich zur Investition definiert werden als Zahlungsstrom, der typischerweise mit einer Einzahlung (z. B. Einlage von 200.000 DM aus dem Privatvermögen des Unternehmers in sein Betriebsvermögen; Zufluß von I Mio DM, die eine Bank als Kredit gewährt) oder einer vermiedenen Auszahlung (z. B. durch Verzicht der Gesellschafter auf Gewinnausschüttung) beginnt, auf die Auszahlungen und gegebenenfalls weitere Einzahlungen (z. B. bei Zufluß eines Bankdarlehens in mehreren Teilbeträgen verteilt über ein Jahr) folgen. Insgesamt ist wegen der Zahlung von Kapitalnutzungsentgelten an die Kapitalgeber ein Auszahlungsüberschuß die Regel. Dieser Finanzierungsbegriffläßt sich anband eines Zeitstrahls veranschaulichen: tl

tz

t3

_I

I

I

I

+

-I+

-I+

to

-I+

t4

ts

1->t -I+

-I+

Legende: t0 : Beginn der Finanzierung; tJ, ... ,t5: Folge-Zahlungszeitpunkte; +: Einzahlung; -: Auszahlung Abb. 5: Grundstruktur des Zahlungsstroms Finanzierung

Beispiel: Zur anteiligen Finanzierung des Kaufpreises der Fräsmaschine2 wird am I. 7.1996 von einer Bank ein Darlehen über 600.000 DM, das mit 8% p. a.3 zu verzinsen ist, aufgenommen. Die Zinsen sind jeweils am 30.6. nachschüssig zu zahlen, die Tilgung erfolgt in drei gleichen Raten ebenfalls jeweils am 30.6.

2 Siehe oben Abschnitt 2.1.1. 3 p. a. =pro anno, tur das Jahr, jährlich.

23

Darlehenszufluß Zinsen Tilgungen

1.7.96

30.6.97

I

30.6.98

I

30.6.99

I

I

+ 600.000

-

48.000 -200.000

-

32.000 -200.000

>t

-

16.000 -200.000

Der Vergleich dieses Zahlungsstroms mit dem in Abschnitt 2.1.1 dargestellten Zahlungsstrom zeigt, daß die Kaufpreiszahlung in Höhe von 900.000 DM zu zwei Dritteln nämlich 600.000 DM - fremdfinanziert und zu einem Drittel - nämlich 300.000 DM eigenfinanziert wird, d. h. die investitionsobjektspezifische Fremdkapitalquote beträgt 66,67 %, die investitionsobjektspezifische Eigenkapitalquote beträgt 33,33 %.

2.2.2 Abgrenzung Eigenkapital - Fremdkapital Für die Begriffe Eigenkapital und Fremdkapital existieren unterschiedliche Definitionen, die auf unterschiedliche Erklärungszwecke zugeschnitten sind. 4 Auch der Gesetzgeber faßt Kapitalbegriffe so, wie es ihm flir den jeweiligen Regelungszweck passend erscheint. Erstellt ein Unternehmen gesondert einen handelsrechtliehen und einen steuerrechtliehen Jahresabschluß, weicht das in der Handelsbilanz ausgewiesene Eigenkapital von dem in der Steuerbilanz ausgewiesenen Eigenkapital aufgrund handels- und steuerrechtlicher Bilanzansatz- und Bewertungsvorschriften ab. Abweichungsursache kann auch die Gestaltung eines Finanzierungsinstruments sein. 5 Eine branchenspezifische Eigenkapitaldefinition flir Kreditinstitute findet sich z. B. in§ 10 KWG 6 • Die Begriffe Eigenkapital und Fremdkapital dienen in der Bilanz der Klassifizierung des einem Unternehmen insgesamt zur VerfUgung stehenden Kapitals. Das bilanzielle Eigenkapital resultiert als Saldo aus der Summe aller Aktivpositionen einerseits und der Summe aus der in einem Sonderposten mit Rücklageanteil enthaltenen Steuerbelastung, Rückstellungen, Verbindlichkeiten und passiven Rechnungsabgrenzungsposten andererseits. (Finanzanalytisch ist zu beachten, daß ein Sonderposten mit Rücklageanteil eine Mischposition aus Eigen- und Fremdkapital - in Höhe der zu erwartenden Steuerlast infolge Auflösung des Sonderpostens- darstellt.)

Darüber hinaus werden in der Fachliteratur z. B. die Begriffe Risikokapital (vgl. Schneider, Dieter, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Autl., Wiesbaden 1992, S. 51 ff.), und hybride Finanzierung (vgl. Drukarczyk, Jochen, Finanzierung, 6. Autl., Stuttgart/Jena 1993, S. 8), diskutiert. 5 Siehe als Beispiel die Ausführungen zur Finanzierung durch Schaffung von Genußrechten in Abschnitt 6.1.3. 6 Gesetz über das Kreditwesen in der Fassung vom 30.6.1993, zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994, BGBI. I S. 3210.

4

24

Bilanz [in Aktiva 2.800 A. Anlagevermögen B. Umlaufvermögen 6.100 40 C. Rechnungsabgrenzungsposten

1.000 DM] A. Eigenkapital B. Sonderposten mit RL-Anteil C. Rückstellungen D. Verbindlichkeiten E. Rechnungsabgrenzungsposten

Passiva 1.140 100 760 6.930 __lQ

8.940

Ohne Berücksichtigung des Sonderpostens mit Rücklageanteil beträgt das Eigenkapital 1.140.000 DM, das Fremdkapital (760.000 + 6.930.000 + 10.000 =) 7.700.000 DM. Unter der Annahme, daß die ertragswirksame Auflösung des Sonderpostens mit Rücklageanteil eine Steuerschuld von 54.000 DM auslöst, beträgt das Eigenkapital (1.140.000 + 100.000- 54.000 =) 1.186.000 DM, das Fremdkapital beträgt (7.700.000 + 54.000 =) 7.754.000 DM. Das Eigenkapital ist also eine rechnerische Differenz, die aus der Bi1anzierung und Bewertung von Aktiva und Passiva resultiert. Damit ist klar, daß das Eigenkapital nicht etwa in Form eines Bankguthabens verfügbar ist; vielmehr ist es anteilig in allen Aktiva gebunden. In diesem Beispiel trägt das Eigenkapital im Durchschnitt zu ( 1.1 86·000 ·100 =) 13,27% zur Finanzierung jedes bilanzierten Vermö8.940.000 gensgegenstands bei. Die Eigenkapitalquote beträgt 13,27 %, die Fremdkapitalquote beträgt 86,73 %. Die im folgenden zu formulierende Eigenkapitaldefinition ist an dem Zweck auszurichten, Finanzierungsinstrumente abhängig von ihrer Gestaltung in der Finanzierungspraxis der Kategorie Eigenkapital oder der Kategorie Fremdkapital zuordnen zu können. Diese eindeutige Zuordnung ist für einen Sonderposten mit Rücklageanteil wegen seines janusköpfigen Wesens nicht möglich. 7 Der Kapitalbegriff ist ein Kontinuum, das in einem geschlossenen Intervall mit den Grenzen "typisches Eigenkapital" und "typisches Fremdkapital" existiert und sich in Finanzierungsinstrumenten konkretisiert. Das Kapitalintervall läßt sich mit dem Farbspektrum des Lichts vergleichen. Das gesamte Kapitalangebot entspricht dem eintreffenden ungebrochenen, weißen Licht. Die Finanzierungsinstrumente, durch die dem Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt wird, symbolisieren das gebrochene, farbige Licht. Ebenso schillernd wie die Farbpalette ist der Einfallsreichtum der Finanzierungspraxis in der ständigen Kreation von Finanzierungsinstrumenten. 8

7 Siehe Abschnitt 5.2.3. 8 Man spricht auch von Finanzinnovationen.

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typisches Eigenkapital

typisches Fremdkapital

Finanzierungsinstrumente - - - - - - - - - + 1 Abb. 6: Kapitalbegriff als Kontinuum

Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital wird traditionell mit Hilfe mehrerer Kriterien versucht, die angesichts der Vielfalt der Finanzierungsinstrumente in der Praxis nicht immer eine eindeutige Zuordnung eines Finanzierungsinstruments zum Eigenkapital oder zum Fremdkapital ermöglichen:

typisches Eigenkapital Kriterium Kapitalnutzungsentgelt erfolgsabhängig (Gewinnanteil) Kapitalrückzahlung ist Kapitalüberlassungsnicht terminiert dauer (unbefristete Kapitalüberlassung) Kapitalgeber haftet für Haftung Unternehmensschulden Besicherung der unbesichert Kapitalgeberansprüche Mitsprache-/Informa- besteht tionsrecht des Kapitalgebers Restbetragsanspruch Kapitalrückzahlung

typisches Fremdkapital erfolgsunabhängig (fester Zins) Kapitalrückzahlung ist terminiert (befristete Kapitalüberlassung) Kapitalgeber haftet nicht besichert besteht nicht

Festbetragsanspruch

Abb. 7: Kriterien zur Differenzierung Eigenkapital - Fremdkapital

Kriterium Kapitalnutzungsentgelt Fremdkapitalgeber erhalten für die Kapitalüberlassung in der Regel einen festen Zins, z. B. 8% p. a.: für einen Kredit von 500.000 DM sind jährlich 40.000 DM Zinsen zu zahlen, unabhängig davon, ob das Unternehmen Gewinn oder Verlust erzielt. Das Risiko der wirtschaftlichen Kapitalverwendung trägt das Unternehmen. Eigenkapitalgeber erhalten nur dann eine Verzinsung ihres Kapitals, wenn das Unternehmen Gewinn erzielt. Der Eigenkapitalgeber hat somit die Möglichkeit, eine weit höhere Verzinsung (= Eigenkapitalrendite) als der Fremdkapitalgeber zu verdienen

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(z. B. 60% p. a.), andererseits trägt er auch das Risiko, eine sehr niedrige oder - im Verlustfall - sogar eine negative Eigenkapitalrendite akzeptieren zu müssen. Das Kriterium Kapitalnutzungsentgelt ist nicht trennscharf: Bei einer Gewinnschuldverschreibung9 erhält der Kapitalgeber neben einem festen Basiszinssatz (z. B. 2% p. a. vom Nominalbetrag) einen Anteil am Gewinn des Schuldneruntemehmens. Kriterium Kapitalüberlassungsdauer: Eine häufig zu lesende Aussage lautet: Fremdkapital steht befristet, Eigenkapital steht unbefristet zur Verfiigung. In der Finanzierungspraxis trifft oft das Gegenteil zu. Ein Einzelkaufmann kann ohne rechtliche Beschränkung heute 200.000 DM in sein Unternehmen einlegen und morgen 200.000 DM aus dem Betriebsvermögen entnehmen. Ein Gesellschafter stellt dem Unternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft auf fiinf Jahre befristet 2 Mio DM Eigenkapital zur Verfiigung. Ein Kreditgeber ist verpflichtet, den zugesagten Kredit so lange zu gewähren, wie das Unternehmen die Zinsund Tilgungszahlungen vereinbarungsgemäß leistet und der Kreditgeber den Kreditvertrag nicht aus einem wichtigen Grund (z. B. wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Unternehmens) kündigt. Der dem Unternehmen von einer Bank eingeräumte Kontokorrentkredit Ia kann über Jahrzehnte Bestand haben. Kriterium Haftung: Haften bedeutet Einstehenmüssen flir eine Schuld. Ein Gesellschafter (z. B. Aktionär) erhält im Fall des Konkurses oder der Liquidation(= Auflösung) der Gesellschaft (hier: Aktiengesellschaft) seine geleistete Einlage nicht zurück, wenn das Unternehmensvermögen restlos benötigt wird, um die Gläubigeransprüche zu befriedigen und die Kosten des Konkursverfahrens bzw. der Liquidation zu decken - er haftet fiir die Schulden "seiner" Gesellschaft im Umfang seiner Einlage. Ein Gläubiger kann dann in die Position des Haftenden geraten, wenn er sich damit einverstanden erklärt hat, daß sein Anspruch gegen das Schuldnerunternehmen erst befriedigt wird, nachdem die Forderungen anderer Gläubiger in vollem Umfang erfiillt wurden. Durch eine derartige Rangrücktrittsklausel II werden die Gläubiger in zwei grundsätzlich unterschiedliche Gläubigerklassen gespalten. Jene Gläubiger, die einen Rangrücktritt erklärt haben, müssen ihr Kapital zwecks Befriedigung der Ansprüche der anderen Gläubiger, die keinen Rangrücktritt erklärt haben, dem Unternehmen belassen. Somit haften sie im Verhältnis zu den anderen Gläubigem.

Siehe Abschnitt 6.1.3. Siehe Abschnitt 6.1.1. II Beispiele für Rangrücktrittsklauseln zitiert Schulze-Osterloh, Joachim, Rangrücktritt, Besserungsschein, eigenkapitalersetzende Darlehen - Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Bilanzierung -, in: Die Wirtschaftsprüfung, Heft 3, 1996, S. 97 - I 06, hier: S. 97 f., 100: "Der Gläubiger tritt mit seiner Forderung hinter die Forderung aller anderen Gläubiger in der Weise zurück, daß seine Forderung nur zu Lasten eines Bilanzgewinns, der auf einem künftigen Jahresüberschuß oder auf einer künftigen Eigenkapitalzufllhrung beruht, oder zu Lasten eines Liquidationsüberschusses bedient zu werden braucht."

9

10

27

§ I 0 Abs. 4 KWG bestimmt, daß die Einlage eines Stillen Gesellschafters 12 in das Vermögen eines Kreditinstituts dem "haftenden Eigenkapital" dieses Kreditinstituts nur unter folgenden Bedingungen zuzurechnen ist: I. Die Einlage nimmt bis zur vollen Höhe am Verlust des Kreditinstituts teil; 2. die Einlage ist im Fall des Konkurses oder der Liquidation des Kreditinstituts erst nach Befriedigung aller anderen Gläubiger zurückzuzahlen, d. h. der Stille Gesellschafter hat im Finanzierungsvertrag mit dem Kreditinstitut eine schlechtere nachrangige - Rechtsposition im Vergleich zu den anderen Gläubigem akzeptiert, obwohl er gern. § 236 Abs. I HGB im Fall des Konkurses des Kreditinstituts ebenso wie die anderen Gläubiger Konkursgläubiger ist; 3. die Einlage ist dem Kreditinstitut für mindestens fünf Jahre zur Verfügung gestellt worden; 4. der Anspruch des Stillen Gesellschafters auf Rückzahlung seiner Einlage wird nicht in weniger als zwei Jahren fallig oder kann aufgrunddes Vertrags über die Errichtung der Stillen Gesellschaft nicht in weniger als zwei Jahren fallig werden; 5. das Kreditinstitut hat den Stillen Gesellschafter beim Abschluß des Vertrags über die Stille Gesellschaft auf bestimmte Rechtsfolgen ausdrücklich und schriftlich hingeWiesen. Von der nachrangigen Forderung eines Kapitalgebers, der nicht gleichzeitig Eigentümer des Schuldnerunternehmens ist, muß die Forderung eines Gesellschafters, der seiner Gesellschaft ein Darlehen gegeben hat und somit Eigentümer und Gläubiger der Gesellschaft in einer Person ist, unterschieden werden. Der erstgenannte Kapitalgeber (NurGläubiger), der Rangrücktritt erklärt hat, kann seine Forderung erst nach Befriedigung aller nicht-nachrangigen Gläubigeransprüche an das Schuldnerunternehmen erfüllt verlangen. Der kreditgebende Gesellschafter gerät erst dann in eine nachgeordnete Gläubigerposition, wenn sein Darlehen als eigenkapitalersetzend qualifiziert wird 13. Man könnte in beiden Fällen von Quasi-Eigenkapital sprechen, falls der Begriff Eigenkapital den Kapitalgebern vorbehalten werden soll, die Eigentümer des Unternehmens sind; zielführend ist diese Differenzierung jedoch nicht. Kriterium Besicherung der Kapitalgeberansprüche: Eine Besicherung existiert, wenn der Kapitalgeber nicht allein auf die Zusage des Unternehmens, eine vertraglich bestimmte Leistung (z. B. Zins- und Tilgungszahlungen) künftig zu erbringen, vertraut, sondern sich darüber hinaus eine (Kredit-)Sicherheit geben läßt, z. B. eine Bürgschaft 14 . Die Besicherung verbessert die Risikoposition des Kapitalgebers und kommt deshalb in der Finanzierungspraxis sehr häufig vor. Der Einzelkaufmann oder der Gesellschafter kann für sein Eigenkapital keine Sicherheit vom Unternehmen erhalten, weil es eine wesentliche Funktion des Eigenkapitals ist, als Haftungsgrundlage für Gläubigeransprüche zu dienen. Diese Haftungsfunktion würde durch eine Besicherung der Ansprüche eines Unternehmenseigentümers konterkariert. Aber auch Ansprüche von Fremdkapitalgebern müssen nicht unbedingt besichert sein. Der Ingenieur, der das Unternehmen in Fragen einer neuartigen Fertigungstechnologie berät, erbringt seine Beratungsleistungen in der Hoffnung auf Zahlung des vereinbarten Vgl. §§ 230 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.5.1897, zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994, BGBI. I S. 3210. 13 Siehe Abschnitt 2.2.4. 14 Siehe Abschnitt 4.3.2.

12

28

Honorars durch das Unternehmen - es sei denn, er hat (teilweise) im voraus kassiert. Eine Bank gewährt einem guten Kunden einen sog. Blankokredit, d. h. ohne sich eine Sicherheit dafiir geben zu lassen. Kriterium Mitsprache-/lnformationsrecht des Kapitalgebers: Eigenkapitalgeber haben aufgrund ihres hohen Kapitalverlustrisikos gesetzlich und/oder vertraglich garantierte Rechte, sich über die Angelegenheiten ihres Unternehmens zu informieren, unternehmerische Entscheidungen zu initiieren und an ihnen mitzuwirken. Der Umfang der Informations- und Mitsprachebefugnis richtet sich nach der Haftungsintensität und läßt sich am Beispiel einer Kommanditgesellschaft präzisieren. Ein unbeschränkt haftender Gesellschafter(= Komplementär) hat das Recht (und die Pflicht), die Geschäfte der Gesellschaft zu fiihren und die Gesellschaft zu vertreten; ein beschränkt haftender Gesellschafter (=Kommanditist) ist weder geschäftsfiihrungs- noch vertretungsbefugt (vgl. §§ 164, 170 HGB). Ein Kommanditist hat neben seinem Teilnahmeund Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung lediglich ein Vetorecht in Fragen der Geschäftsfiihrung, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen (vgl. § 164 HGB), und ein Kontrollrecht in Form der Mitteilung des Jahresabschlusses der KG und der Prüfung der Richtigkeit dieses Jahresabschlusses durch Einsicht in die Buchhaltung und die Geschäftspapiere der KG (vgl. § 166 HGB). Der Jahresabschluß wird von den geschäftsfUhrenden Komplementären aufgestellt und von der Gesellschafterversammlung, in der die Kommanditisten Stimmrecht haben, festgestellt. Ein Fremdkapitalgeber hat außerhalb eines Insolvenzverfahrens weder Informationsnoch Mitspracherechte im Schuldnerunternehmen. Jedoch läßt er sich üblicherweise im Finanzierungsvertrag vom Schuldnerunternehmen zumindest Informationsrechte einräumen: § 18 KWG verpflichtet Kreditinstitute, sich von Kreditnehmern, denen sie mehr als 250.000 DM Kredit gewähren, "die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen zu lassen". Darüber hinaus informieren sich Gläubiger in Gesprächen mit den Eigentümern und/oder den GeschäftsfUhrern der Schuldnerunternehmen über die Unternehmensentwicklung. In Krisenfällen (z. B. drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens) können vor allem Banken mit Blick auf die Weitergewährung oder Kündigung von Krediten eine derart starke Machtposition gegenüber dem Schuldnerunternehmen erlangen, daß sie faktisch an Unternehmensentscheidungen mitwirken, zumindest aber erheblichen Einfluß auf die Geschäftsfiihrung ausüben. Kriterium Kapitalrückzahlung: Unter Kapitalrückzahlung versteht man die Tilgung eines Kredits bzw. die Entnahme eines Unternehmenseigentümers aus dem Betriebsvermögen fiir unternehmensfremde (private) Zwecke. Der Zahlungsanspruch eines Fremdkapitalgebers ist üblicherweise vertraglich dem Betrag nach fixiert (z. B. der Kaufpreis fiir eine Warenlieferung beträgt 27.498,30 DM; ein Bankkredit ist in zehn Halbjahresraten in Höhe von jeweils 64.500 DM zu tilgen). Zur teilweisen Finanzierung hochriskanter Projekte (z. B. Spiel29

filme, Bodenschatzexplorationen) werden unter anderem Darlehen ohne Tilgungsvereinbarung (non-recourse loans) gewährt. Der Darlehensgeber erhält im Fall einer erfolgreichen Projektdurchfiihrung einen Anteil am Gewinn dieses Projekts. Ein Unternehmenseigentümer (Eigenkapitalgeber) hat zwar ein- oder mehrmalig Einlagen in das Unternehmensvermögen geleistet, kann jedoch nicht einen festen Betrag vom Unternehmen zurückgezahlt verlangen, sondern muß abwarten, wieviel für ihn nach Abschluß der Liquidation des Unternehmens übrigbleibt Alternativ dazu kann er versuchen, seinen Eigentumsanteil am Unternehmen vor dessen Liquidation zu verkaufen. In diesem Fall wird dem Unternehmen kein Kapital entzogen, weil eine andere Person (neuer Einzelkaufmann bzw. Gesellschafter) die Position des ausgeschiedenen Einzelkaufmanns bzw. Gesellschafters einnimmt. Die Abgrenzung Eigen- versus Fremdkapital leistet letztlich nur das Kriterium Haftung hinreichend trennscharf. Hat der Kapitalgeber in einem Konkurs- oder Vergleichsverfahren bzw. Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens oder bei Unternehmensliquidation einen Rechtsanspruch als Gläubiger, ohne einen Rangrücktritt erklärt zu haben und ohne daß seine Forderung als Eigenkapitalersatz eingestuft wird, ist das von ihm überlassene Kapital als Fremdkapital einzuordnen. Hat er hingegen eine rechtlich schlechtere Position als die im Insolvenzverfahren bzw. in der Liquidation nicht bevorrechtigten Gläubiger 15 , ist das von ihm überlassene Kapital als Eigenkapital einzuordnen, weil er faktisch mit seinem Kapital den anderen Gläubigem haftet (Beispiel: Darlehensgeber erklärt im Rahmen der Unternehmenssanierung den Rangrücktritt; Kapitalgeber stellt Genußscheinkapital mit Rangrücktrittsklausel zur Verfügung; Gesellschafter gewährt seiner Gesellschaft ein in der finanziellen Krise als Eigenkapitalersatzqualifiziertes Darlehen). Grundlage dieser final-haftungsorientierten Eigenkapital-Definition !6 ist die Tatsache, daß die Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital der Beurteilung der Bonität (Kreditwürdigkeit) eines Unternehmens aus Sicht eines (potentiellen) Gläubigers mit einer nicht-nachrangigen Forderung dient. Ein anderer Gläubiger, der Rangrücktritt erklärt, weiß, daß er dadurch schlechter gestellt ist als die übrigen (auch: künftigen) Gläubiger. Mit seinem Rangrücktritt beabsichtigt er, die Bonität des Schuldnerunternehmens zu verbessern - insbesondere in der Sanierungsphase - oder ein Recht zu erlangen, das ursprünglich nur Unternehmenseigentümern zusteht (z. B. Gewinnbeteiligung für Genußrechtsinhaber). Ein Gesellschafter, der seiner Gesellschaft einen Kredit einräumt, muß damit rechnen, seine Forderungen aus dem Darlehensvertrag (Zinsen, Tilgungen) nicht (vollständig) erfüllt zu erhalten, falls sein Darlehen als Eigenkapitalersatz qualifiziert wird. Der Gesellschafter trifft die Wahl zugunsten des Darlehens bewußt: erstens häufig steuerlich motiviert und zweitens in der Hoffnung, seine Forderungen im Gegensatz zu seiner Einlage - rechtzeitig vor dem Unternehmenszusammenbruch befriedigt zu erhalten. Der einen Kredit mit Rangrücktritt gewährende Gläubiger und I5

16

Siehe Abschnitt 4.3 .3. Diese Definition ist final, weil sie auf der Stellung des Kapitalgebers im Fall des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens bzw. Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners basiert.

30

der darlehensgebende Gesellschafter wollen die Liquidität und die Bonität des Unternehmens verbessern 17. Die Absicht der Bonitätsverbesserung wird durch Zurechnung der nachrangigen Verbindlichkeiten und der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen zum Eigenkapital dokumentiert. Es macht keinen Sinn, diese Schuldverhältnisse unter der Annahme Unternehmensfortführung (going concern) dem Fremdkapital zuzurechnen, weil dadurch die Gläubigerintention - nämlich: Verbesserung der Bonität des Schuldnerunternehmens - nicht erreicht würde. Die genannten Schuldverhältnisse erst anläßlich einer Finanzkrise des Unternehmens im Überschuldungsstatusls als Eigenkapital zu qualifizieren, kommt zu spät, weil die Bereitschaft, dem Unternehmen in dieser Situation neue Kredite (fresh money) zu gewähren, äußerst gering ist.19 Unter Verwendung der Bezeichnungen der Kapitalpositionen in der Bilanz20 kann man die Abgrenzung Eigen- versus Fremdkapital für eine Kapitalgesellschaft aufgrund des Kriteriums Haftung finanzwirtschaftlich wie folgt schematisieren: A. Eigenkapital: I. Gezeichnetes Kapital li. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklagen I. Gesetzliche Rücklage 2. Rücklage filr eigene Anteile 3. Satzungsmäßige Rücklagen 4. Andere Gewinnrücklagen IV. Gewinnvortrag!V erlustvortrag V. Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag B. Sonderposten mit Rücklageanteil (Nur der nach Steuern verbleibende Gewinn zählt zum Eigenkapital.) D. Verbindlichkeiten, soweit die Gläubiger Rangrücktritt erklärt haben (sog. nachrangige Verbindlichkeiten) und Verbindlichkeitenaufgrund eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen

E I

G E N K A

p I

T A L

F R E M D

K A p I T A L

B. Sonderposten mit Rücklageanteil (Nur die voraussichtliche Steuerschuld zählt zum Fremdkapital.) C. Rückstellungen D. Verbindlichkeiten, soweit die Gläubiger Rangrücktritt nicht erklärt haben (sog. nicht-nachrangige Verbindlichkeiten) E. Passive Rechnungsabgrenzungsposten

Abb. 8: Finanzanalytische Abgrenzung Eigenkapital - Fremdkapital in der Handelsbilanz

17 Die Gewährung eines Kredits ohne Rangrücktritt durch einen Gläubiger, der nicht zugleich Unternehmenseigentümer ist, verbessert den Finanzmittelbestand und damit die Liquidität des Schuldnerunternehmens, jedoch nicht dessen Bonität, weil dem Geldzufluß eine Zunahme der Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus gegenübersteht. 18 Ein Überschuldungsstatus ist die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden des Unternehmens zu Liquidationswerten mit Aufdeckung stiller Rücklagen und stiller Lasten. 19 Diesem Einwand trägt z. B. § 10 Abs. 4 KWG zutreffend Rechnung, indem Einlagen Stiller Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen dem haftenden Eigenkapital des Kreditinstituts zugerechnet werden. 20 Vgl. §§ 266 Abs. 3, 273 S. 2 HGB.

31

Ein prominentes Beispiel für die Finanzierung durch nachrangige Bankkredite ist das britisch-französische Unternehmen Eurotunnel SA/Plc. Im Herbst 1995 schuldete Eurotunnel rund 8 Mrd Engl. Pfund an 225 Banken, die Rangrücktritt erklärt hatten.2I Beachte: Forderungen von Gläubigern, die Rangrücktritt erklärt haben, und eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen sind in der Handelsbilanz grundsätzlich als Verbindlichkeiten zu passivieren. Abweichend von diesem Grundsatz bewirkt ein Rangrücktritt in Form der in Fußnote 11 zitierten Klausel, daß die Verbindlichkeit in der Handelsbilanz nicht passiviert wird. In einem Überschuldungsstatus sind sowohl Verbindlichkeiten, für die Rangrücktritt erklärt wurde, als auch eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht als Schuldposten anzusetzen.

2.2.3 Verlustpuffer-Funktion des Eigenkapitals Eigenkapital fungiert als Verlustpuffer im Sinn des Gläubigerschutzes: Gläubiger, die einen Rangrücktritt nicht erklärt haben, verlieren erst dann Geld, wenn das Unternehmensvermögen nicht ausreicht, um ihre Forderungen vollständig zu erfüllen. Erst nach vollständiger Befriedigung sämtlicher nicht-nachrangiger Gläubigeransprüche wird das restliche Unternehmensvermögen erstens an die Gläubiger mit nachrangigen Forderungen und zweitens an die Eigentümer des Unternehmens verteilt. Im folgenden Beispiel wird nicht zwischen vor- und nachrangigen Verbindlichkeiten unterschieden, d. h. alle Gläubiger nehmen eine identische Risikoposition ein. Beispiel: Isidor Möchtegern hat 200.000 DM gespart. Dafür kauft und renoviert er einen verwahrlosten Eissalon, den er am 11.11.1996 eröffnet. Die Bilanz am Eröffnungstag hat in verkürzter und vereinfachter Form folgendes Aussehen: Aktiva Anlage-/Umlaufvermögen

Bilanz 11.11.1996 200.000 Eigenkapital

I

Passiva 200.000

Das Unternehmensvermögen ist vollständig eigenfinanziert, die Eigenkapitalquote beträgt 100%. Wegen der kalten Witterung erzielt Isidor nur geringe Einnahmen, die gerade ausreichen, um seine laufenden Ausgaben (für Rohstoffe zur Eiszubereitung, Personal, Heizung, Strom, Reinigung, Telefon usw.) zu decken. Er verliert deshalb rasch die Lust am Unternehmerdasein und verkauft den Eissalon am 31.1.1997 für 160.000 DM; der Verkaufserlös wird seinem Bankkonto gutgeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt bestehen keine Schulden. In diesem Fall ist der Verlust durch das Eigenkapital gedeckt: Aktiva Bankguthaben

21

Bilanz 31.1.1997 160.000 J Eigenkapital

Vgl. Handelsblatt, Nr. 179, 15./16.9.1995, S. I, 19.

32

Passiva 160.000

Eigenkapital am 11.11.1996 +Erlös aus Unternehmensverkauf - Anschaffungs-/Herstellungskosten des Anlage-/Umlaufvermögens = Eigenkapital am 31.1.1997

200.000DM + 160.000DM -200.000 DM 160.000 DM

Ergebnis: Totalverlust =- 200.000 + 160.000 =- 40.000 DM Abwandlung des Beispiels: Isidors Ersparnisse betragen nur 30.000 DM, der restliche Kapitalbedarf von 170.000 DM wird durch Aufnahme eines Kredits gedeckt. Die Bilanz am Eröffnungstag hat in verkürzter und vereinfachter Form nun folgendes Aussehen: Aktiva Anlage-/Umlaufvermögen

Bilanz 11.11.1996 200.000 Eigenkapital Fremdkapital 200.000

Passiva 30.000 170.000 200.000

Das Unternehmensvermögen ist zu 15 % eigenfinanziert und zu 85 % fremdfinanziert. Der Kredit verursacht vom 11.11.1996 bis 31.1 J 997 Zinsaufwendungen von 5.000 DM; die Zinsen werden am 31.1.1997 geschuldet. Aktiva Bankguthaben Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag

Bilanz 31.1.1997 160.000 Fremdkapital 15.000 175.000

Eigenkapital am 11.11.1996 + Erlös aus Unternehmensverkauf - Anschaffungs-/Herstellungskosten des Anlage-/Umlaufvermögens - Zinsaufwendungen = Eigenkapital am 31.1.1997

Passiva 175.000

175.000 30.000 DM + 160.000 DM -200.000 DM 5.000 DM - 15.000 DM

Ergebnis: Totalverlust =- 200.000 + 160.000- 5.000 =- 45.000 DM In diesem Fall der Mischfinanzierung ist nur ein Teil des Totalverlustes - nämlich 30.000 DM - durch Eigenkapital gedeckt. Der restliche Verlust von 15.000 DM lastet faktisch auf dem Fremdkapital, weil Isidors Betriebsvermögen nach Unternehmensverkauf nicht ausreicht, um die Gläubigeransprüche vollständig zu erfüllen. Die Gläubiger verlieren 15.000 DM, es sei denn, Isidor ist in der Lage, diesen Betrag aus seinem Privatvermögen zu zahlen. Der Verlustpuffer Eigenkapital ist also zu schwach, um den gesamten Verlust aufzufangen. Die Eigenkapitalquote betrug in der Eröffnungsbilanz nur 15% und war damit von Anfang an niedrig bemessen; in solch einem Fall spricht man von Unterkapitalisierung. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Regel zur Beurteilung der Kapitalstruktur eines Unternehmens dahingehend, ob das Eigenkapital 33

voraussichtlich ausreicht, um die Erfüllung sämtlicher bestehenden und künftigen Gläubigeransprüche sicherzustellen. Aus diesem Grund werden Kreditsicherheiten 22 vereinbart. Einzelkaufleute und Gesellschafter von Personengesellschaften (z. B. GbR, OHG, KG) dürfen beliebig Vermögensgegenstände (d. h. Bargeld, Grundstücke, Waren, Wertpapiere, Nutzungen von Betriebs-Pkw usw.) aus dem Betriebsvermögen entnehmen. Für Unternehmen, bei denen kein Gesellschafter unbeschränkt haftet (z. B. GmbH und AG), gelten wegen der Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sog. Kapitalerhaltungsvorschriften. Das Stammkapital einer GmbH bzw. das Grundkapital einer AG ist als Gezeichnetes Kapital zu passivieren. Ein ausschüttungsfähiger Jahresüberschuß kann - vereinfacht gesprochen - erst dann resultieren, wenn die Summe der Aktivposten Anlagevermögen, Umlaufvermögen und Rechnungsabgrenzungsposten die Summe aus den Passivposten Gezeichnetes Kapital, Sonderposten mit Rücklageanteil, Rückstellungen, Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten übersteigt (Ausschüttungssperrfunktion des Stamm- bzw. Grundkapitals). Ob und in welchem Umfang eine Kapitalrücklage und Gewinnrücklagen zum Zweck der Gewinnausschüttung aufgelöst werden dürfen, ist im Einzelfall unter Beachtung von Gesetz und Satzung zu beurteilen. Beispiel: Die Bilanz der Fidibus-GmbH hat zum Ende des Geschäftsjahrs (31.8.1996) folgendes vereinfachtes Aussehen: Bilanz 31.8.1996 Aktiva 70.000 A. Gezeichnetes Kapital A. Anlagevermögen Jahresüberschuß 90.000 B. Umlaufvermögen 4.000 B. Sonderposten mit RL-Anteil C. Rechnungsabgrenzungsposten C. Rückstellungen D. Verbindlichkeiten E. Rechnungsabgrenzungsposten 164.000

Passiva 50.000 19.000 18.000 23.000 52.000 2.0QO 164.000

Unter Beachtung der Vorschriften des GmbH-Gesetzes über die Erhaltung des Stammkapitals dürfen höchstens 19.000 DM an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. 23

22 23

Siehe Abschnitt 4.3.2. Vgl. § 30 Abs. I GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Fassung vom 20.5.1898, zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994, BGBI. I S. 3210): "Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden."

34

2.2.4 Das Kapitalkarussell

Abb. 9: Das Kapitalkarussell

Die Kapitalstruktur eines Unternehmens kann als Karussell dargestellt werden, dessen Achse aus den Einlagen der Unternehmenseigentümer als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Kapitalausstattung besteht. Um die Achse herum sind konzentrisch die weiteren Bestandteile des Eigenkapitals und des Fremdkapitals angeordnet, so daß sich eine kreisförmige Scheibe als Tragfläche des Karussells ergibt. Die Bestandteile des Kapitals sind in Form von Ringen um die Achse gelagert. Ein Kapitalring liegt umso weiter von

35

der Achse entfernt, je geringer das Risiko des Kapitalgebers ist, im Zuge eines Insolvenzverfahrens über das Unternehmensvermögen sein Kapital zu verlieren. Die Darstellung zeigt die Kapitalschichtung einer Kapitalgesellschaft, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften im Bereich des Eigenkapitals detaillierter als die Kapitalschichtung einer Nicht-Kapitalgesellschaft ist. Die Zahl der Umdrehungen des Kapitalkarussells in einer Periode (z. B. innerhalb eines Jahres) veranschaulicht die Kapitalumschlagshäufigkeit je schneller das Karussell sich dreht, desto höher ist die Kapitalumschlagshäufigkeit als Quotient aus Umsatzerlösen und Kapital. Die Karussellachse verkörpert die Einlagen der Unternehmenseigentümer. Wird das Unternehmen in der Rechtsform einer Nicht-Kapitalgesellschaft (z. B. Einzelunternehmen, GbR, OHG, KG) geführt, dürfen die Einlagen durch Entnahmen revidiert werden. Man muß sich deshalb die Achse als Summe aus Einlagen minus Entnahmen plus einbehaltene Gewinne vorstellen. Das Privatvermögen der unbegrenzt haftenden Unternehmenseigentümer darf nicht in der Bilanz erscheinen, steht jedoch zur Befriedigung der Gläubiger des Unternehmens in vollem Umfang zur Verfügung. Bei der Beurteilung der Bonität einer Nicht-Kapitalgesellschaft sind deshalb die Privatvermögen der Vollharter zu berücksichtigen. Die Haftungsmasse ist größer als das bilanzielle Eigenkapital, falls die Vollhafter über den Wert ihrer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanteilsrechte hinaus privates Reinvermögen (Rohvermögen nach Abzug privater Schulden) haben. Bei Kapitalgesellschaften bildet das Gezeichnete Kapital (bei GmbH: Stammkapital, bei AG/KGaA: Grundkapital) die Achse. Die auf das Gezeichnete Kapital geleisteten Einlagen dürfen nur unter Beachtung der zum Schutz der Gläubiger formulierten gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften an die Anteilseigner zurückgezahlt werden.24 Bei der Beurteilung der Bonität einer KGaA sind wie bei einer Nicht-Kapitalgesellschaft die Privatvermögen der Komplementäre zu berücksichtigen. Um die Karussellachse lagert bei einer Kapitalgesellschaft als erster Kapitalring die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 HGB, in die z. B. das Agio aus der Ausgabe von Kapitalanteilsrechten (Aktien, GmbH-Geschäftsanteile) einzustellen ist. Die Kapitalrücklage darf nur in den gesetzlich festgelegten Fällen (z. B. zum Ausgleich eines Verlustvortrags) aufgelöst werden. 25 Bei einer AG oder KGaA schließt sich als zweiter Kapitalring die Gesetzliche Rücklage gemäß § 150 AktG an, die aus erzielten Jahresüberschüssen zu bilden ist und wie die Kapitalrücklage nur in den gesetzlich festgelegten Fällen aufgelöst werden darf. Bei Kapitalgesellschaften folgen als dritter Kapitalring die anderen Gewinnrücklagen, die aufgrund einer Satzungsbestimmung, eines Beschlusses von Vorstand und Aufsichtsrat einer AG oder KGaA oder eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung aus erzielten Jahresüberschüssen gebildet werden. 26 Diese Rücklagen werden freiwillig 24 Vgl. §§ 30, 58 GmbHG, §§ 57, 222 ff. AktG (Aktiengesetz vom 6.9.1965, zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994, BGBI. I S. 321 0).

25 Vgl. § 150 AktG. 26 Vgl. §58 AktG, § 29 Abs. 2 GmbHG. 36

gebildet und unterliegen daher nicht den gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften, d. h. sie können bei Beachtung eventueller Satzungsklauseln einfach aufgelöst und das ihnen entsprechende Vermögen z. B. in Form von Gewinnausschüttungen dem Unternehmen entzogen werden. Das Gezeichnete Kapital, die Kapitalrücklage, die Gesetzliche Rücklage und die anderen Gewinnrücklagen sind in jedem Fall Eigenkapital und als solches in der Bilanz auszuweisen. Zum Eigenkapital zählen auch ein Gewinnvortrag und der Jahresüberschuß, während ein Verlustvortrag und der Jahresfehlbetrag das Eigenkapital mindern. Diese Bilanzpositionen sind in Abbildung 9 nicht gesondert ausgewiesen. Bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als Vollharter (z. B. GmbH & Co KG, deren einziger Komplementär die GmbH ist) bilden Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen den vierten Kapitalring. Im Vergleichs- oder Konkursverfahren bzw. Insolvenzverfahren über das Unternehmensvermögen werden Kredite der Gesellschafter an die eigene Gesellschaft von Gesetzes wegen unter bestimmten Bedingungen in Eigenkapital umqualifiziert, so daß der kreditgebende Gesellschafter aus dem Darlehensvertrag keine Forderungen an die Gesellschaft durchsetzen kann.27 Er wird so behandelt, als hätte er anstelle eines Kredits eine Einlage geleistet. Ob ein Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend ist oder nicht, läßt sich in der Praxis schwer verifizieren. Eindeutig eigenkapitalersetzend ist ein Gesellschafterdarlehen nur dann, wenn der kreditgebende Gesellschafter erklärt, daß sein Darlehen Eigenkapital im gesellschaftsrechtlichen Sinn ersetzt. Andernfalls ist häufig eine gerichtliche Entscheidung notwendig, um ein Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital zu klassifizieren. Wurde das Darlehen von einem Nicht-Gesellschafter gewährt und hat ein Gesellschafter für die Ansprüche aus diesem Darlehensvertrag eine Kreditsicherheit28 bestellt, kann der Darlehensgeber in einem insolvenzrechtlichen Verfahren über das Gesellschaftsvermögen nur für den Teil seiner Forderungen Befriedigung verlangen, der bei Inanspruchnahme der Kreditsicherheit nicht bezahlt worden ist. Die Umqualifizierung einer Gesellschafterleistung in Eigenkapitalersatz setzt voraus, daß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung am Kapitalmarkt ohne die Gesellschafterleistung (Kreditsicherheit) keinen Kredit erhalten hätte.29 Den fünften Kapitalring verkörpern Darlehen, Genußscheinkapital und Stille Einlagen von Nicht-Unternehmenseigentümern, die Rangrücktritt erklärt haben (sog. nachrangige Verbindlichkeiten). Diese Gläubiger werden erst befriedigt, nachdem die Forderungen aller anderen Gläubiger restlos erfüllt wurden. Als einzige Gläubiger sind die Gesellschafter, die eigenkapitalersetzende Darlehen gewährt haben, schlechter gestellt, weil sie ihre Ansprüche auf Kreditrückzahlung im Konkurs- oder Vergleichsverfahren bzw.

27

Vgl. § 32 a GmbHG.

28 Siehe Abschnitt 4.3.2. 29 Vgl. BGH, Urteil vom 4.12.1995, II ZR 281194, in: Deutsches Steuerrecht, Nr. 14, 1996, S. 553 ff., in dem Kriterien zur Feststellung der fehlenden Kreditwürdigkeit als Voraussetzung filr die Annahme eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen formuliert wurden.

37

Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nicht geltend machen können.30 Mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 können die Gesellschafter, die eigenkapitalersetzende Darlehen gewährt haben, die Darlehensrückzahlungen im Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen als nachrangige Insolvenzgläubiger fordem.31 Die Karussellachse und die ersten fünf Kapitalringe ergeben das Eigenkapital des Unternehmens nach der in Abschnitt 2.2.2 erarbeiteten Definition. Wird über das Unternehmensvermögen das Vergleichs- oder Konkursverfahren bzw. Insolvenzverfahren eröffnet, ist dieses Kapital erfahrungsgemäß sehr oft verloren, weil die Forderungen der Gläubiger und die Verfahrenskosten so hoch sind, daß sie das Unternehmensrohvermögen (vor Abzug der Schulden) vollständig aufzehren. Der sechste Kapitalring besteht aus den unbesicherten Verbindlichkeiten, Rückstellungen und passiven Rechnungsabgrenzungsposten (unbesichertes Fremdkapital). Nach dem Eigenkapital sind diese Kapitalien im Fall der Unternehmensinsolvenz dem relativ höchsten Verlustrisiko ausgesetzt. Beispielsweise kann ein Handwerker, der für das insolvent gewordene Unternehmen eine Maschinenreparatur ausgeführt hat, nicht erwarten, seine Rechnung bezahlt zu erhalten. Er wird allenfalls einen Bruchteil seiner Forderung befriedigt sehen und froh sein müssen, nicht völlig leer auszugehen. Eine gesetzlich bessere Stellung haben die im Fall eines Konkurses bevorrechtigten Insolvenzgläubiger32. Das von ihnen stammende Fremdkapital verkörpert den siebenten Kapitalring. Der äußere, achte Kapitalring symbolisiert das besicherte Fremdkapital, das von solchen Gläubigem zur VerfUgung gestellt wird, deren Ansprüche durch ein Recht (z. B. Eigentumsvorbehalt eines Warenlieferanten, Grundschuld oder Sicherungsübereignung bzw. Sicherungsabtretung zugunsten einer Bank) besichert sind. Das Fremdkapital des Unternehmens besteht aus den Kapitalien des sechsten bis achten Kapitalrings. Der Absprung vom Kapitalkarussell ist umso einfacher und weniger riskant, je weiter ein Kapitalgeber von der Karussellachse entfernt ist. Entsprechend wird die Stabilität des Karussells- die Kapitalstruktur- durch den Anteil der einzelnen Kapitalringe an der gesamten Karussellfläche und der Standfestigkeit der Karussellachse determiniert. Ein Unternehmen, das mit wenig oder sogar negativem33 Eigenkapital ausgestattet ist - sog. Unterkapitalisierung -, kann sehr leicht und schnell aus der Bahn geworfen werden: die Forderungen der Gläubiger machen das Karussell instabil, bis es schließlich zerbricht. Ein durch eine finanzielle Schieflage ins Trudeln geratenes Kapitalkarussell kann durch Verstärkung der Achse und der Eigenkapitalringe ins Gleichgewicht gebracht werden. Dies ist innerhalb kurzer Zeit auf zweierlei Weise möglich: 30 Vgl. § 32 a Abs. I S. I GmbHG. 31 Vgl. Art. 48 Nr. 2 Einfllhrungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGinsO) vom 5.10.1994, BGBI. I S. 291 I. Siehe Abschnitt 4.3.3.

32 Siehe Abschnitt 4.3.3. 33 Negatives Eigenkapital bedeutet, daß in der Handelsbilanz die Schulden höher als das Rohvermögen sind.

38

dem Unternehmen wird neues Eigenkapital zugeführt (z. B. durch Einlagen) oder Fremdkapitalgeber erklären für ihre Forderungen Rangrücktritt und wechseln somit von einem der Fremdkapitalringe zum fünften Kapitalring (Nachrangige Verbindlichkeiten). Das Kapitalverlustrisiko des einzelnen Kapitalgebers ist absolut und relativ definiert. So tragen z. B. sämtliche Lieferanten, die unbesicherte Forderungen an das Unternehmen haben, das absolut gleiche Forderungsausfallrisiko, weil sie ohne Unterschied demselben, sechsten Kapitalring zuzurechnen sind. Ihr relatives Kapitalverlustrisiko jedoch wird durch ihre Karussellpositionen im Verhältnis zu den Positionen der anderen Kapitalgeber bestimmt: sie tragen ein geringeres Kapitalverlustrisiko als die Kapitalgeber der Karussellachse und der Kapitalringe eins bis fünf, aber ein höheres Kapitalverlustrisiko als die Kapitalgeber der Kapitalringe sieben und acht. Während die Kapitalstruktur die Statik des Kapitalkarussells bestimmt, ist die Kapitalumschlagshäufigkeit ein wichtiger Einflußfaktor der Kapitalrendite. Salopp gesprochen verdient Kapital nur Geld, wenn es arbeitet. Das bedeutet: ein statisch solides Kapitalkarussell (z. B. Eigenkapitalquote: 60 %) ist unwirtschaftlich, falls es sich nicht dreht, d. h. falls kein Umsatz stattfindet. Je schneller das Karussell sich dreht, desto höher ist unter sonst gleichbleibenden Bedingungen die Kapitalrendite, vorausgesetzt das Unternehmen erwirtschaftet Gewinn. Der Umdrehungsgeschwindigkeit sind jedoch Grenzen gesetzt. Das Umsatzwachstum hängt primär von den Beschaffungs-, Fertigungs- und Absatzkapazitäten ab. Umsatzpotential läßt sich nur ausschöpfen, wenn dem Unternehmen weiteres Kapital zur Finanzierung der umsatzbezogenen Investitionen (z. B. Rohstoffkäufe, Maschinenkäufe, Einstellung von Mitarbeitern, Marketing) zugeführt und dadurch das Karussell verstärkt wird, das sich dann wieder langsamer dreht, bis der nächste Wachstumsschub einsetzt.

2.2.5 Leverage-Effekt und Kapitalstrukturrisiko Den englischen Begriff leverage kann man mit Hebelkraft übersetzen. In der Finanzwirtschaft bezeichnet Leverage-Effekt den Einfluß der Fremdkapitalkosten auf die Eigenkapitalrendite (=Quotient aus Jahresüberschuß und Eigenkapital). Beispiel: Ein Unternehmen sei in der Ausgangssituation vollständig eigenfinanziert (Eigenkapital = 1 Mio DM) und erziele einen Jahresüberschuß von 100.000 DM, die Eigenkapitalrendite beträgt somit 10 %. Dem Unternehmer seien weitere Investitionsobjekte (z. B. Erweiterung der Produktionskapazität durch Anschaffung eines zusätzlichen Fertigungsautomaten) bekannt, die eine Rendite des in ihnen gebundenen Kapitals (Investitionsrendite) von 10% erwarten lassen. (Diese Renditeerwartung ist unabhängig davon, ob die Fertigungsmaschine durch Eigenkapital oder Fremdkapital finanziert wird.) Der Unternehmer sei nicht in der Lage oder - wegen seines Wunsches, sein Kapitalverlustrisiko durch Streuung seiner Kapitalanlagen in verschiedenen Investitionssphären zu mindern - nicht willens, weiteres Eigenkapital zur Finanzierung dieser zusätzlichen Investitionsobjekte einzusetzen, so daß sie vollständig durch Aufnahme eines Bankkredits zu Fremdkapitalkosten von 8 % p. a. finanziert werden müßten. Die folgende Tabelle zeigt die Erhöhung der Eigen39

kapitalrendite infolge zusätzlicher fremdfinanzierter Investitionsobjekte (Zahlen m 1.000 DM):

mveEK stierter Betrag

FK

GK

JUvor FKKosten

FK-Kosten

JU nach FKKosten

EKFKGKRendite Rendite Rendite

1

2

3

2+3-4

1•0,1-5 3•0,08-6

5-6-7

7:2-8

6:3-9

5:4-10

1.000 2.000 3.000 4.000

1.000 1.000 1.000 1.000

0 1.000 2.000 3.000

1.000 2.000 3.000 4.000

100 200 300 400

100 120 140 160

10% 12% 14% 16%

8% 8% 8%

10% 10% 10% 10%

0 80 160 240

-

Legende: JÜ = Jahresüberschuß; EK =Eigenkapital; FK = Fremdkapital; GK = Gesamtkapital Tab. 1: Zahlenbeispiel zum positiven Leverage-Effekt

Die Eigenkapitalrendite steigt mit wachsendem Fremdkapitaleinsatz, weil die Fremdkapitalrendite niedriger als die Renditen der mit Hilfe des Fremdkapitals finanzierten Investitionsobjekte ist. Ist umgekehrt die Fremdkapitalrendite höher als die Renditen der mit Hilfe des Fremdkapitals finanzierten Investitionsobjekte, sinkt die Eigenkapitalrendite mit wachsendem Fremdkapitaleinsatz. Diese Leverage-Wirkung ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich, die auf einem Fremdkapitalkostensatz von 12% (statt oben 8% p. a.) basiert:

inveEK stierter Betrag

FK

GK

JUvor FKKosten

FK-Kosten

JU nach FKKosten

EKFKGKRendite Rendite Rendite

1

2

3

2+3-4

1*0,1-5 3*0,12-6

5-6-7

7:2-8

6:3-9

5:4-10

1.000 2.000 3.000 4.000

1.000 1.000 1.000 1.000

0 1.000 2.000 3.000

1.000 2.000 3.000 4.000

100 200 300 400

100 80 60 40

10% 8% 6% 4%

-

10% 10% 10% 10%

0 120 240 360

12% 12% 12%

Tab. 2: Zahlenbeispiel zum negativen Leverage-Effekt

Der Leverage-Effekt als Mechanismus zwischen dem Verschuldungsgrad FK und der EK Eigenkapitalrendite ist als Formel darstellbar: rEK = r + (r- i) FK mit EK > 0. EK Legende: rEK = EK-Rendite; r =Rendite des Investitionsobjekts (lnvestitionsrendite); i = FK-Kostensatz

40

Eigenkapitalrendite[%]

18

positiver Leverage-Effekt

16 14 12

10 8 6

negativer Leverage-Effekt

4 2

0

1.000

2.000

3.000

Fremdkapital [TDM]

Abb. 10: Graphische Darstellung des Leverage-Effekts

Würde man sich bei Finanzierungsentscheidungen nur vom Leverage-Effekt leiten lassen, müßte so lange zusätzliches Fremdkapital aufgenommen werden, bis die Rendite der zuletzt investierten Mark(= Grenzrendite) mit dem Fremdkapitalkostensatz der zuletzt aufgenommenen Mark(= Grenz-Fremdkapitalkostensatz) identisch wäre. Allerdings sind dem Leverage-Effekt in der Finanzierungspraxis Grenzen gesetzt: -Ein Unternehmen ist nicht unbegrenzt kreditwürdig: je höher der Verschuldungsgrad bereits ist, desto schwieriger gestaltet sich die Aufnahme weiterer FremdmitteL Grund: Fremdkapitalgeber scheuen die mit steigendem Verschuldungsgrad wegen zunehmender Tilgungs- und Zinszahlungsverpflichtungen wachsende Insolvenzgefährdung des Kreditnehmers; - die Unternehmenseigentümer begrenzen die Fremdkapitalaufnahme angesichts des dadurch wachsenden Insolvenzrisikos von sich aus; - die Grenzrendite des investierten Kapitals sinkt ab einem individuell unterschiedlich hohen Betrag. Ursache: Die Investoren realisieren bei identischen Investitionsrisiken zunächst tendenziell die ihnen bekannten Investitionsalternativen mit den relativ höheren Renditepotentialen. Weitere Investitionsmöglichkeiten lassen aufgrund nachfragebedingter Preiserhöhungen fiir die besserrentierliehen Investitionsobjekte nur niedrigere Renditen erwarten, so daß ab einem bestimmten Investitions- und Fremdkapitalvolumen gilt: Fremdkapitalkostensatz > Investitionsrendite. Diese Beziehung zwischen Investition und Finanzierung ist in der folgenden Abbildung dargestellt:

41

Rendite [%] 25

....---- Finanzierungen

20 ropt 10

Investitionen

5

0

Kapital [DM]

Abb. 11: Zusammenhang zwischen Investitions- und Finanzierungsrendite

Die Realisierung eines Investitionsvorhabens ist aus Renditeerwägungen sinnvoll, falls die Investitionsrendite höher als die Finanzierungsrendite - der Kapitalkostensatz - ist. Der Kapitalkostensatz ist das mit dem Fremd- bzw. Eigenkapitalanteil gewichtete arithmetische Mittel aus dem effektiven Kreditzinssatz34 und dem Opportunitätskosteusatz des Eigenkapitals. Die Opportunitätskosten des Eigenkapitals sind die im Fall der alternativen Anlage eines Geldbetrags in Höhe des Eigenkapitals außerhalb des Unternehmens bei gleichem Risikograd erzielbaren Einnahmen (z. B. Zinsen aus einem festverzinslichen Wertpapier, Dividenden aus Aktien). Der Opportunitätskostensatz ist der Quotient aus der alternativen Eigenkapitalverzinsung und dem Eigenkapital. Ein Investor wird aus der Menge ihm bekannter Investitionsobjekte mit aus seiner Sicht identischen Risikograden zunächst das Objekt mit der höchsten zu erwartenden Investitionsrendite (z. B. 25% p. a.) realisieren. Anschließend wird die Investitionsalternative mit der zweithöchsten Renditeerwartung usw. realisiert. Aus der Menge ihm bekannter Finanzierungsalternativen wird er die Alternative wählen, die bei identischer Besicherung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen (bei Kreditfinanzierung) die geringsten Kapitalkosten verursacht. Anschließend wird die Finanzierungsalternative mit dem zweitniedrigsten Kapitalkostensatz usw. gewählt. Auf diesem Weg gelangt man an einen Punkt (k.,pt• r0 PJ, in dem die erwartete Investitionsrendite dem Kapitalkostensatz entspricht. In der Schnittstelle von Investitionsfunktion und Finanzierungsfunktion ist ein Optimum erreicht. Darüber hinausgehende Investitionen und Finanzierungen bringen dem Unternehmer Verlust.

34

Siehe Abschnitt 4.2.2.

42

Das Kapitalstrukturrisiko besteht darin, daß - infolge eines relativ hohen Verschuldungsgrads die Tilgungen und Zinszahlungen (allgemein: Kapitalnutzungsentgelte) an die Fremdkapitalgeber nicht termingerecht und/oder nicht vollständig geleistet werden können und somit die Gefahr der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht und -die Eigenkapitalrendite durch unerwartet fallende Investitionsrenditen und/oder steigende Fremdkapitalkosten für bestehende Finanzierungsverträge ohne Zinssatzrestschreibung sinkt. Der Zusammenhang zwischen Investitionsrendite und Investitionsrisiko ist in der folgenden Graphik abgebildet: Investitionsrendite r r

max

0

0"1

0

max

Investitionsrisiko a

Legende: r0 = risikoneutrale Investitionsrendite; a max =maximale Risikobereitschaft des Kapitalgebers rmax =maximale Investitionsrendite Abb. 12: Zusammenhang zwischen Investitionsrendite und Investitionsrisiko

Stellen wir uns eine Investition vor, die eine sichere Rendite von 5,9 % p. a. verspricht. Obwohl es praktisch kein risikoloses (risikoneutrales) Investitionsobjekt gibt, wird als Beispiel häufig eine Staatsanleihe genannt, deren Verzinsung und Tilgung von einem Staat mit erstklassiger Bonität zu leisten sind. Die Rendite-Risiko-Kombination einer derartigen Investition ist als Punkt r0 auf der Ordinate der Graphik abgebildet. Möchte der Kapitalgeber eine höhere Rendite (z. B. r 1 = 7,5 %) erzielen, muß er eine Investitionsalternative wählen, deren zu erwartende Ein- und Auszahlungen risikobehaftet (Risikograd = a 1) sind. Voraussetzung für das Erwirtschaften einer höheren als die risikoneutrale Kapitalverzinsung ist das Akzeptieren von Risiko. Die rcr -Funktion steigt überproportional, d. h. die Renditeforderungen der Kapitalgeber 43

wachsen schneller als das Investitionsrisiko. Grund hierfür ist die Risikoabneigung der Kapitalgeber, die sich durch die Spekulation auf eine entsprechend hohe Rendite zur Überlassung von Kapital für riskante Investitionen bereiterklären. Diese Risikobereitschaft ist begrenzt. Sie endet im Punkt cr max• den jeder Kapitalgeber aufgrund seines individuellen Risikoverhaltens für sich definieren muß. Selbst wenn eine Rendite größer rmax in Aussicht gestellt würde, käme diese Investition für den Kapitalgeber nicht infrage, weil das damit verbundene Risiko seine maximale Risikobereitschaft überschritte. Der Rendite-Risiko-Zusammenhang gilt auch für die Kreditvergabepraxis der Banken: je höher das Kreditausfallrisiko, desto höher ist der von der Bank geforderte Effektivzinssatz des Kredits. Beurteilt die Bank das Kreditausfallrisiko als zu hoch (d. h. höher als cr max), wird der Kredit auch dann nicht gewährt, wenn der anfragende Unternehmer bereit wäre, einen über rmax liegenden Effektivzinssatz zu akzeptieren. Aus zivilrechtlieber Sicht ist der Spielraum für die Vereinbarung einer Kreditverzinsung ohnehin durch die Rechtsprechung zum Verbot von Wucherzinsen vorgezeichnet.JS Das Risiko des Kreditgebers ist umso höher, je länger die Kreditlaufzeit ist, weil die Unsicherheit in bezug auf die Beurteilung der Bonität des Schuldners mit zunehmender Kapitalüberlassungsdauer wächst. Dieses laufzeitbedingt steigende Kreditausfallrisiko läßt sich der Kreditgeber durch eine höhere Verzinsung entgelten. Der Zusammenhang zwischen Kreditlaufzeit, Kreditausfallrisiko und Zinssatz wird durch ein Beispiel aus dem Bereich der Staatsfinanzierung deutlich. Die Volksrepublik China emittierte im Januar 1996 zwei Staatsschuldverschreibungen: eine Anleihe ist mit 9 % jährlich zu verzinsen und in 100 Jahren - also in 2096 - zu tilgen, die andere Anleihe ist mit 6,625 %jährlich zu verzinsen und in sieben Jahren - also in 2003 - zu tilgen.36 Die um 93 Jahre längere Laufzeit der ersten Anleihe ließen sich die Anleiheerwerber demnach mit einer höheren Jahresverzinsung von 2,375 %-Punkten - das sind relativ betrachtet 35,85%- bezahlen. In Zeiten eines hohen Kapitalmarktzinsniveaus ist jedoch zu beobachten, daß für kurz- und mittelfristige Kredite höhere Zinssätze verlangt werden als für langfristige Kredite. Dieses vom Regelfall abweichende Verhalten zwischen Kreditlaufzeit und Zinssatz nennt man inverse Zinsstruktur. Ursache für dieses Phänomen ist, daß bei einem von der weit überwiegenden Zahl der Kapitalmarktteilnehmer als sehr hoch eingestuften Zinsniveau in naher Zukunft fallende Zinssätze erwartet werden. Die Kapitalnachfrager sind bei dieser für sie günstigen Prognose der Zinsentwicklung grundsätzlich nicht bereit, sich langfristig zu den herrschenden hohen Zinssätzen zu verschulden.

35 Rechtsgrundlage ist § 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896, zuletzt geändert

durch Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995, BGBI. I S. 1249).

36 Vgl. Handelsblatt, Nr. 48, 7.3.1996, S. 44.

44

Aufgaben zu Abschnitt 2.2: 1. Definieren Sie die Begriffe "Finanzieren" und "Finanzierung". 2. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede bestehen zwischen "Investition" und "Finanzierung"? 3. Veranschaulichen Sie folgende Finanzierung mit Hilfe eines Zeitstrahls: Ein Unternehmen nimmtarn 2.1.1997 einen Kredit in Höhe von 500.000 DM mit einer Laufzeit von 4 Jahren auf. Der Kredit ist mit jeweils 250.000 DM am 31.12.1999 und 31.12.2000 zu tilgen. Die Zinsen in Höhe von 9% p. a. auf die jeweilige Kreditrestschuld sind jährlich nachschüssig fallig. 4. Erläutern Sie anhand eines hinreichend trennscharfen Kriteriums den Unterschied zwischen Eigenkapital und FremdkapitaL 5. Erläutern Sie die Verlustpuffer-Funktion des Eigenkapitals anhand des folgenden Beispiels: Enrico Caruso kauft das berühmte Opernhaus Teatro alla Scala in Milano flir 300 Mio DM; bestehende Schulden des Opernhauses werden von Caruso nicht übernommen. Den Kaufpreis finanziert er durch 100 Mio DM Eigenkapital und 200 Mio DM FremdkapitaL Die Fremdfinanzierung kostet während der ersten Theatersaison 17 Mio DM Zinsen, die am Saisonende noch geschuldet werden. Nach der ersten Spielzeit zieht Caruso folgende Bilanz: Aktiva Anlage-/UmlaufVermögen

Bilanz [in Mio DM] 240 Eigenkapital _ Fremdkapital MQ

Passiva 23 217 MQ

6. Wie hätte die Bilanz (siehe Aufgabe 5) nach der ersten Spielzeit ausgesehen, wenn Caruso den Kaufpreis durch 50 Mio DM Eigenkapital und 250 Mio DM Fremdkapital (Zinsen: 21 Mio DM) finanziert hätte? 7. Erläutern Sie die Ausschüttungssperrfunktion des Gezeichneten Kapitals einer Kapitalgesellschaft. 8. Die Max Moritz OHG weist in ihrer Eröffnungsbilanz arn 1.1.1996 ein Eigenkapital von 1,3 Mio DM und ein Fremdkapital von 1,7 Mio DM aus. Im Jahr 1996 erwartet die Geschäftsleitung eine Eigenkapitalrendite von 13,5 %, ftir das arn 1.1.1996 vorhandene Fremdkapital sind im Durchschnitt 8% p. a. Zinsen zu zahlen. Die OHG könnte Anfang 1996 eine Erweiterungsinvestition mit einem Volumen von 15 Mio DM in ihrem Vertriebsbereich tätigen, die eine Rendite in 1996 von 20 % erwarten ließe. Diese Investition müßte ausschließlich durch zusätzliches Fremdkapital finanziert werden, das 7,5% p. a. kosten würde. (a) Erläutern Sie anhand dieses Falles rechnerisch und verbal den Leverage-Effekt der Fremdfinanzierung. (b) Erläutern Sie das Kapitalstrukturrisiko der OHG im Fall der Realisierung des Erweiterungsvorhabens bei vollständiger Fremdfinanzierung.

45

2.3 Die Bilanz als Abbild von Zahlungen Investitionen und Finanzierungen sind Zahlungsströme, die der Unternehmer in der Absicht, während des Bestehens seines Unternehmens (sog. Totalperiode) einen Überschuß der Einzahlungen über die Auszahlungen zu erwirtschaften, realisiert. Der Unternehmenserfolg (Gewinn oder Verlust) wirdjeweils fiir ein Geschäftsjahr (sog. Teilperiode) von bilanzierungspflichtigen Unternehmern durch Aufstellung einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV-Rechnung) ermittelt. In der GuV-Rechnung stehen Erträge und Aufwendungen eines Geschäftsjahres gegenüber, deren Saldo als Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag in die Eigenkapitalposition der Bilanz eingeht. Die Bilanz stellt Vermögensgegenstände (gegebenenfalls ergänzt durch Bilanzierungshilfen und transitorische Rechnungsabgrenzungsposten) auf der Aktivseite (Kapitalverwendung, Kapitalbindung) und deren Finanzierung- das Kapitalauf der Passivseite (Kapitalherkunft) gegenüber. Zweck der Bilanz ist die Darstellung des Unternehmensvermögens in einem bestimmten Zeitpunkt (Bilanzstichtag: z. B. 31.12.1996, 24 Uhr), Zweck der GuV-Rechnung ist die Erläuterung der Änderung der Eigenkapitalposition - Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag - durch Aufgliederung in mehrere Ertrags- und Aufwandspositionen. Weder die Bilanz noch die GuV-Rechnung hat den Zweck, die Einzahlungen und Auszahlungen eines Geschäftsjahres darzustellen; die Erhöhung oder Minderung des Eigenkapitals ist nicht als Einzahlungsüberschuß bzw. Auszahlungsüberschuß zu interpretieren. Bei Betrachtung eines Geschäftsjahres gilt: Erfolgsrechnung (GuV-Rechnung): Erträge - Aufwendun~en GewinnN erlust

Zahlungsrechnung: Einzahlungen - Auszahlungen Zahlungssaldo

Abb. 13: Erfolgsrechnung versus Zahlungsrechnung

Beispiel: Eine Maschine (Anschaffungskosten: 600.000 DM) wird im Dezember 1996 betriebsbereit installiert. Im Oktober 1996 wurde an den Lieferanten eine Teilzahlung von 200.000 DM aus eigenfinanziertem Bankguthaben geleistet, die Schlußzahlung erfolgt im Januar 1997. Die Maschine wird linear mit 12,5% jährlich (Nutzungsdauer: 8 Jahre) abgeschrieben. Die Umsatzsteuer bleibt außer Betracht. Die Wirkungen dieser Vorgänge auf Bilanz und GuV-Rechnung werden im folgenden dargestellt und erläutert: Aktiva Maschinen

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Bilanz 31.12.1996 562.500 Eigenkapital 1.1.1996 Jahresfehlbetrag Eigenkapital 31.12.1996 Verbindlichkeiten

Passiva 200.000 - 37.500 162.500 400.000

Soll Abschreibungen

GuV-Konto 1996 37.500 Jahresfehlbetrag

I

Haben 37.500

Die Zahlungsrechnung 1996 enthält "nur" eine Auszahlung für Sachanlageinvestitionen (Maschine) in Höhe von 200.000 DM. Nach Abzug der Abschreibung für ein halbes Jahr (Anschaffung erfolgte in der zweiten Jahreshälfte, so daß vereinfachend die Hälfte der Jahresabschreibung angesetzt werden kann) in Höhe von 37.500 DM ist die Maschine in der Bilanz mit 562.500 DM bewertet. Dieser Wert entspricht dann der Realität, wenn die Maschine im Rahmen des gesamten Unternehmensvermögens bei Annahme der Unternehmensfortführung einen Wert von 562.500 DM hat. Die Verifizierung dieses Buchwerts ist in der Praxis problembehaftet Kann die Maschine nicht wie geplant eingesetzt werden, weil die Produkte, die auf ihr gefertigt werden sollten, keinen Absatz finden (Fehlinvestition!), ist sie mit einem niedrigeren Betrag zu bewerten, nämlich mit ihrem voraussichtlichen Verkaufspreis abzüglich Demontagekosten. Findet sich für die Maschine kein Käufer, ist sie aufNull abzuschreiben, gegebenenfalls ist eine Rückstellung für ihre Entsorgung (Verschrottung) zu passivieren, weil dafür weitere Auszahlungen in noch nicht exakt bekannter Höhe anfallen werden. Die Vorgehensweise bei der bilanziellen Bewertung der Vermögensgegenstände zeigt, daß die Höhe des Buchwerts entscheidend von der Eigenschaft eines Vermögensgegenstands, künftig Einzahlungen zu erwirtschaften, abhängt. Der noch nicht bezahlte Kaufpreisteilbetrag von 400.000 DM ist als Verbindlichkeit zu passivieren. Die Bewertung dieses Schuldpostens fällt leicht, weil die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung originär in DM vertraglich eingegangen wurde. Der Passivposten zeigt, daß nach dem Bilanzstichtag eine Auszahlung von 400.000 DM fällig wird. Das Eigenkapital zum 31.12.1996 resultiert als Saldo aus dem Buchwert der Maschine (562.500 DM) und dem Buchwert der Verbindlichkeit (400.000 DM) in Höhe von 162.500 DM und kann als Reinvermögen bezeichnet werden. Zum selben Ergebnis gelangt man durch Abzug des Jahresfehlbetrags (37.500 DM) vom Eigenkapital zu Beginn des Jahres 1996 (200.000 DM). Angenommen, der Buchwert der Maschine entspräche dem Betrag, den ein fiktiver Käufer des Unternehmensam 31.12.1996 im Rahmen des Kaufpreises für das gesamte Unternehmen zahlen würde, so repräsentiert der Buchwert des Eigenkapitals den nach Abzug der Verbindlichkeit verbleibenden Einzahlungsüberschuß des Unternehmensverkäufers in Höhe von 162.500 DM. So betrachtet, ist die Höhe des Eigenkapitals ein Indikator für den zu erwartenden Einzahlungsüberschuß im Fall des Unternehmensverkaufs. Geht man alternativ davon aus, daß ein fiktiver Unternehmenskäufer für die bis zum Bilanzstichtag nur wenig oder vielleicht noch gar nicht im Fertigungsprozeß eingesetzte 47

Maschine die Anschaffungskosten von 600.000 DM oder aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Anhebung des Maschinenpreises auf 615.000 DM diesen höheren Betrag bezahlen würde, unterschätzt der Buchwert (562.500 DM) das Einzahlungspotential dieses Vermögensgegenstands. In Höhe der Differenz zwischen dem (niedrigeren) Buchwert und dem (höheren) fiktiven Verkaufspreis eines Vermögensgegenstands spricht man von stillen Rücklagen oder stillen Reserven (hier: 37.500 DM bzw. 52.500 DM). Sind demgegenüber Verbindlichkeiten oder Rückstellungen nicht oder mit zu niedrigen Werten passiviert, spricht man von stillen Lasten. Resultiert ein negatives Eigenkapital (Ausweis als "Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag" auf der Aktivseite) und entsprechen die Buchwerte der Vermögensgegenstände und Schulden den nach dem Bilanzstichtag anfallenden tatsächlichen Ein- bzw. Auszahlungen, indiziert das negative Eigenkapital einen Auszahlungsüberschuß, der bei beschränkter Gesellschafterhaftung zu einer Gläubigerschädigung führt, weil die Ansprüche der Gläubiger mangels ausreichenden Untemehmens(roh)vermögens nur teilweise befriedigt werden können. Dieser Fall ist im allgemeinen bei Unternehmensinsolvenzen gegeben. Bei Betrachtung der Totalperiode hängt die definitive Existenz einer Bilanzposition und damit deren Einfluß auf den Totalgewinn oder -verlust - davon ab, ob ihr in wenigstens einem Zeitpunkt innerhalb der Totalperiode wenigstens eine Ein- oder Auszahlung mindestens in Höhe des Buchwerts entspricht. Beispiel: Eine Forderung an einen Kundenaufgrund einer Lieferung von Waren auf Ziel ist so lange in der Bilanz auszuweisen, bis die Kundenzahlung (oder die nicht in Geld bestehende Gegenleistung bei Kompensationsgeschäften) eintrifft oder die Forderung mit einer Verbindlichkeit gegenüber dem Kunden aufgerechnet wird. Zahlt der Kunde nicht- z. B. wegen Zahlungsunfahigkeit - und besteht keine hinreichend begründete Aussicht, die Kundenzahlung in absehbarer Zeit zu erhalten, ist die Forderung auszubuchen (abzuschreiben) und verschwindet somit aus der Bilanz. Für den bilanziellen Ausweis des Fremdkapitals gilt eine äquivalente Argumentation: eine Verbindlichkeit ist so lange zu passivieren, bis eine entsprechende Auszahlung erfolgt. Beispiel: Erlischt eine Schuld aufgrund des Einkaufs von Rohstoffen durch Wandelung des zugrundeliegenden Kaufvertrags, ist die Verbindlichkeit auszubuchen und verschwindet somit aus der Bilanz. Eine Ausnahme verkörpern Sach- und Nutzungseinlagen: In das Unternehmensvermögen wird vom Einzelkaufmann oder von einem Gesellschafter eine Sache (z. B. Pkw) oder ein Recht (z. B. Patent) unoder teilentgeltlich eingebracht oder dem Unternehmen wird eine Sache oder ein Recht zur un- oder teilentgeltlichen Nutzung überlassen. In diesem Fall wird auf ein aktives Bestandskonto bzw. Aufwandskonto gegen Erhöhung der Eigenkapitalposition ohne entsprechende Auszahlung gebucht. In solchen Fällen kann man eine Auszahlung an den Einzelkaufmann bzw. Gesellschafter fingieren, der den erhaltenen Betrag umgehend in das Unternehmen in Form einer Einlage zurücktransferiert, so daß persaldodieselbe Abbildung des Vorgangs in der Bilanz resultiert.

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Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Investitionsobjekte auf der Aktivseite ausgewiesen werden - soweit sie unter Beachtung von Aktivierungsgeboten, -verboten und -wahlrechten aktiviert werden - und daß Finanzierungsobjekte auf der Passivseite ausgewiesen werden - soweit sie unter Beachtung von Passivierungsgeboten, -verboten und -Wahlrechten passiviert werden. Bei der Bewertung einer Bilanzposition spielt deren Ein- bzw. Auszahlungspotential eine wesentliche Rolle.

Aufgaben zu Abschnitt 2.3: 1. Begründen Sie betriebswirtschaftlich fundiert folgende Aussage: "Bei Betrachtung der Lebensdauer eines Unternehmens (sog. Totalperiode) besteht Identität zwischen dem aus der Gegenüberstellung der gesamten Einzahlungen und gesamten Auszahlungen (ohne Gewinnausschüttungen) resultierenden Einzahlungs- oder AuszahlungsüberschuB und dem bei Zusammenfassung aller Gewinn- und Verlust-Rechnungen resultierenden Gesamtgewinn bzw. Gesamtverlust des Unternehmens." 2. Gilt die in Aufgabe 1 gemachte Aussage auch für Einlagen/Entnahmen der Unternehmenseigentümerund für Kreditaufnahmenl-tilgungen?

49

3 Finanzierungsformen Die Finanzierung eines Unternehmens kann auf vielfältige Weise erfolgen. Um diese Vielfalt möglicher Finanzierungsformen wenigstens kategorisch abzubilden, wurde die folgende Übersicht entwickelt, die als systematisches Raster mit den beiden Merkmalspaaren Eigenfinanzierung/Fremdfinanzierung und Außenfinanzierung/Innenfinanzierung zu verstehen ist.

3.1 Übersicht

Formen der Finanzierung

I Eigenfinanzierung

I

l

I

I

I

Subventionen

Schulderlaß

Gewinnthesaurierung (Selbstfinanzie rung)

I Gewinnverwendung

I Außenfinanzierung

Abb. 14: Formen der Finanzierung

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Fremdfinanzierung

I

I

Beteiligungsfinanzierung

I

I

I I

Abschreibungen, unterlassene Zuschreibungen

Sonderposten mit RückIagean teil

Erhaltene AnzahIungen

I

I

I

I

I

RückstelIungen (interne Kreditfinanzierung)

I

Externe Kreditfinanzierung

Gewinnermittlung

I

Innenfinanzierung

I Außenfinanzierung

Die Begriffe Eigenkapital und Fremdkapital als Gegenstände der Eigen- bzw. Fremdfinanzierung wurden bereits in Abschnitt 2.2.2 erklärt. Die dort formulierte Eigenkapitaldefinition sieht vor, daß das von einem Gläubiger dem Unternehmen überlassene Kapital unter engen Voraussetzungen als Eigenkapital gilt (eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, nachrangige Verbindlichkeiten). Diese Sonderfälle sind in Abbildung 14 nicht separat angegeben. Neu sind die Begriffe Außenfinanzierung und Innenfinanzierung. Unter Außenfinanzierung ist ein Zahlungsstrom zu verstehen, der mit einem Geldzufluß in das Unternehmen (Einzahlung) oder mit der Vermeidung eines Geldabflusses aus dem Unternehmen (vermiedene Auszahlung) beginnt, ohne Entgelt ftir eine vom Unternehmen an Dritte erbrachte oder zu erbringende Leistung zu sein. Finanzierungsformen, auf die diese Aussage nicht zutrifft, entstammen den Regeln zur handels- und steuerrechtliehen Gewinnermittlung und -Verwendung (Innenfinanzierung). Geldzufluß (Einzahlung)

~

UNTERNEHMEN

~

vermiedener Geldabfluß (vermiedene Auszahlung)

Gewinnermittlung Gewinnverwendung Außenfinanzierung

Innenfinanzierung

Außenfinanzierung

Abb. 15: Außenfinanzierung versus Innenfinanzierung

Im folgenden werden die in der Abbildung 14 dargestellten Finanzierungsformen kurz beschrieben. Eine detaillierte Darstellung und Erläuterung ausgewählter Finanzierungsinstrumente erfolgt in den Kapiteln 5 und 6.

3.2 Eigenfinanzierung Die Formen der Eigenfinanzierung können der Außen- oder der Innenfinanzierung zuzuordnen sein.

3.2.1 Außenfinanzierung 3.2.1.1 Beteiligungsfinanzierung

Die Zuftihrung von Kapital in ein Unternehmen durch einen Unternehmenseigentümer (Einzelkaufmann, Gesellschafter) in Erflillung seiner gesellschaftsrechtlichen Pflicht zur Erbringung seiner Einlage wird als Beteiligungsfinanzierung im engeren Sinn bezeich51

net. Hierzu zählt auch die Umwandlung eines Gläubigeranspruchs in Eigentum am Unternehmen: z. B. hat der Inhaber einer Wandelschuldverschreibung 37 das Recht, auf die Rückzahlung des von ihm dem Unternehmen ursprünglich als Darlehen überlassenen Betrags zu verzichten und statt dessen Gesellschafter zu werden. Für das Unternehmen bedeutet diese Umwandlung die Vermeidung einer Auszahlung in Höhe der Darlehenstilgung und somit einen cet. par. höheren Finanzmittelbestand. Als Beteiligungsfinanzierung im weiteren Sinn kann man die Kapitalzuführung von seiten eines gewinn- und verlustbeteiligten Stillen Gesellschafters und eines gewinnund verlustbeteiligten Genußrechtskapitalgebers bezeichnen. Stiller Gesellschafter und Genußrechtskapitalgeber sind zwar Gläubiger, doch sind ihre Rechtspositionen bei Vereinbarung einer Verlustbeteiligung der Stellung eines Unternehmenseigentümers finanzwirtschaftlich derart angenähert, daß ihr Kapital als Beteiligungskapital eingeordnet werden kann. Die Teilnahme am laufenden Verlust mindert die Kapitalkonten der Stillen Gesellschafter und Genußrechtskapitalgeber, so daß ihre Rechtspositionen als Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren sehr häufig inhaltsleer sind. 3.2.1.2 Subventionen Subventionen sind Einzahlungen, die ein Unternehmen von der öffentlichen Hand ohne Gegenleistungsverpflichtung erhält (z. B. Investitionszulagen und -Zuschüsse) und vermiedene Auszahlungen irrfolge staatlicher Intervention (z. B. zinsverbilligter Kredit, der dem Unternehmen von einer staatlichen Bank gewährt wird; die Differenzen zwischen den tatsächlichen Zinszahlungen und den alternativen Zinszahlungen für einen Kredit zu Marktkonditionen sind Subventionen). 3.2.1.3 Schulderlaß Verzichtet ein Gläubiger ganz oder teilweise auf seine Ansprüche an das Schuldnerunternehmen, liegt ein Schulderlaß vor (häufiger Praxisfall: [außer]gerichtlicher Vergleich38). Der Finanzierungseffekt ist die Vermeidung der andernfalls an den Gläubiger zu leistenden Zahlung. Die erlassenen Schulden werden ertragswirksam ausgebucht; somit erhöht sich das Eigenkapital. Bei Erfüllung der steuerrechtliehen Voraussetzungen sind derartige Erträge als Sanierungsgewinne steuerfrei.3 9

37 Siehe Abschnitt 6.1.3. 38 Siehe Abschnitt 4.3.3. 39 Vgl. § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz 1990 (EStG 1990) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.9.1990, BGBI. I S. 1898, ber. 1991 I S. 808, zuletzt geändert durch Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18.12.1995, BGBI. I S. 1959.

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3.2.2 Innenfinanzierung 3.2.2.1 Abschreibungen, unterlassene Zuschreibungen

Abschreibungen und das Unterlassen von Zuschreibungen können unter bestimmten handels- und/oder steuerrechtliehen Voraussetzungen Finanzierungswirkungen durch cet. par. niedrigere Gewinnausweise entfalten mit der Folge vorübergehend niedrigerer Steuerzahlungen und niedrigerer Gewinnausschüttungen. 3.2.2.2 Sonderposten mit Rücklageanteil

Ein Sonderposten mit Rücklageanteil (auch Steuerfreie Rücklage genannt) ist ein bilanzieller Passivposten, der aus der Ausübung eines steuerlichen Bewertungswahlrechts entsteht. Die Bildung eines Sonderpostens bewirkt eine Verschiebung des Ausweises und der Besteuerung bestimmter Erträge in die Zukunft oder die Vorverlagerung eines steuermindernden Ausweises von Aufwendungen (z. B. Rücklage in Höhe einer Sonderabschreibung vor Anschaffung/Herstellung des Wirtschaftsguts, fiir das eine Sonderabschreibung zulässig ist). Im Umfang der in ihm schlummernden Steuerlast ist der Sonderposten als Fremdkapital, im Umfang des Restbetrags als Eigenkapital (daher der Zusatz "mit Rücklageanteil") zu interpretieren. Der Finanzierungseffekt der Bildung eines Sonderpostens ist in der Verzögerung von Gewinnausschüttungen und Steuerzahlungen zu sehen. 3.2.2.3 Gewinnthesaurierung (Selbstfinanzierung)

Das Einbehalten(= Thesaurieren) von Gewinnen im Unternehmen vermeidet Auszahlungen in Form von Entnahmen/Dividenden durch bzw. an die Unternehmenseigentümer und stärkt somit das Eigenkapital. Man spricht von Selbstfinanzierung, weil das den Ertragsüberschüssen entsprechende Geld durch die Unternehmensaktivitäten erwirtschaftet wurde und im Unternehmen bleibt. Allerdings wird die Steuerbelastung dadurch nicht gesenkt, da sowohl einbehaltene als auch ausgeschüttete Gewinne zu versteuern sind. Falls thesaurierte Gewinne einem niedrigeren Steuersatz unterliegen als ausgeschüttete Gewinne, resultiert in Höhe der Steuerdifferenz ein zusätzlicher positiver Finanzierungseffekt.

3.3 Fremdfinanzierung Die Formen der Fremdfinanzierung können der Außen- oder der Innenfinanzierung zuzuordnen sein.

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3.3.1 Außenfinanzierung: Externe Kreditfinanzierung Formen der Außenfinanzierung, die mit der Entstehung von Verbindlichkeiten verknüpft sind, kann man als externe Kreditfinanzierung bezeichnen. Das Unternehmen erhält Geld von Dritten (insbesondere: Kreditinstituten und anderen institutionellen und privaten Kapitalgebern) und- im Falle einer Gesellschaft - von den Unternehmenseigentümern (sog. Gesellschafterdarlehen) gegen die Zusage, den als Darlehen erhaltenen Betrag vereinbarungsgemäß zurückzuzahlen und für die Nutzung des Kapitals ein Entgelt (Zinsen, vereinbarungsahhängig auch Gewinnanteile) zu zahlen. Auch die Stundung von Tilgungs- und/oder Zinszahlungen ist hier zu erwähnen, da sie eine Verzögerung von Auszahlungen - und damit eine temporäre Verbesserung der Schuldnerliquidität bewirkt.

3.3.2 Innenfinanzierung 3.3.2.1 Rückstellungen (Interne Kreditfinanzierung) Vereinfacht ausgedrückt, sind Rückstellungen bilanzielle Passivposten, die im Hinblick auf künftige Auszahlungen oder Einzahlungsdefizite (z. B. unentgeltliche Mängelbeseitigung aufgrund einer Kundenreklamation, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften) gebildet werden. Die Rückstellungsbildung bedingt eine Aufwandsbuchung, die das handelsrechtliche Periodenergebnis und damit das Gewinnausschüttungspotential senkt. Wird die Rückstellung steuerlich anerkannt, sind cet. par. weniger Steuern zu zahlen. Der im Jahr der Rückstellungsbildung resultierenden Minderung von Gewinnausschüttungen und Steuerzahlungen steht im Jahr der Rückstellungsauflösung ein Ertragsausweis - und damit cet. par. ein höheres Gewinnausschüttungspotential und höhere Steuerzahlungen - gegenüber, falls die dem Rückstellungsgrund entsprechende Auszahlung niedriger als die Rückstellung ist. Im Umfang der tatsächlichen Auszahlung bzw. des tatsächlichen Einzahlungsdefizits ist die Rückstellung ergebnisneutral auszubuchen.

3.3.2.2 Erhaltene Anzahlungen Zahlungen, die ein Kunde vor Erbringung der Unternehmensleistung tätigt (z. B. Anzahlung in Höhe eines Drittels des vereinbarten Kaufpreises bei Auftragserteilung im Fall sog. langfristiger Auftragsfertigung), werden aufgrund des bilanziellen Realisationsprinzips nicht als Erträge (speziell: Umsatzerlöse) gebucht. Sie können deshalb weder als Bestandteil des Jahresüberschusses oder Bilanzgewinns an die Unternehmenseigentümer (und gegebenenfalls andere Gewinnbeteiligte) ausgeschüttet werden, noch kann eine Steuerbelastung resultieren (ergebnisneutrale Buchung: Bank an Erhaltene Anzahlungen). Im Regelfall ist davon auszugehen, daß das Unternehmen die vereinbarte Leistung an den Kunden erbringt und folglich die Kundenanzahlung behalten darf. Eine Rückforderung des Kunden kommt nur infrage, wenn das Geschäft (z. B. Werkliefe54

rungsvertrag, Kaufvertrag) nicht ordnungsgemäß abgewickelt wird. Kundenzahlungen vor dem Zeitpunkt der Ertragsrealisation sind somit als Innenfinanzierung zu interpretieren. Die Erträge werden erst in den Realisationszeitpunkten - und damit einige Zeit nach dem Erhalt der Anzahlungen - gebucht. Bis zu diesen Zeitpunkten stehen die erhaltenen Anzahlungen dem Unternehmen in voller Höhe zur Verftigung. Gewinnausschüttungen und Steuerzahlungen sind dem Ertragsausweis nachgelagert. Anmerkung: Passive Rechnungsabgrenzungsposten sind finanzwirtschaftlich wie erhaltene Anzahlungen zu behandeln. 40 3.3.2.3 Sonderposten mit Rücklageanteil Lesen Sie bitte die Erläuterung in Abschnitt 3.2.2.2.

Aufgaben zu Kapitel 3: 1. Definieren Sie die Begriffe "Außenfinanzierung" und "Innenfinanzierung". 2. Erläutern Sie, weshalb ein "Sonderposten mit Rücklageanteil" teilweise Eigenkapital und teilweise Fremdkapital ist. 3. Was versteht man unter dem Begriff "Selbstfinanzierung"?

40 Vgl. zu diesem Abschnitt Schneider, Dieter, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl., Wiesbaden I 992, S. 16, 63 f.

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4 Entscheidende Kriterien zur Beurteilung von Finanzierungsinstrumenten Jedes Finanzierungsinstrument kann anband seiner Wirkungen auf die Liquidität des Unternehmens, anband der verursachten Kapitalkosten und anhand des mit ihm verbundenen Risikos beurteilt werden. Unter emem Finanzierungsinstrument (= Finanzierungsalternative) ist ein realer Sachverhalt, der der in Abschnitt 2.2.1 formulierten Finanzierungsdefinition entspricht, zu verstehen. Liquidität

Finanzierungsinstrument Kapitalkosten

Risiko

4.1 Liquidität 4.1.1 Definition Unter Liquidität verstehen wir die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Zahlungsverpflichtungen pünktlich und betragsgenau zu erfüllen. In dieser Definition hat Liquidität zwei Dimensionen- Zeit und Geldbetrag -,deren Bedeutung für die Unternehmensfinanzierung im folgenden genauer analysiert wird. Zu diesem Zweck bietet sich die zeitliche Strukturierung einer Finanzierung in drei Phasen, nämlich Kapitalzufluß (gleichbedeutend mit einem vermiedenen Kapitalabfluß), Kapitalnutzung und Kapitalrückfluß an.

Kapitalzufluß

Kapitalrückfluß

t

tr

-----+t-z--------------------------------------~~---~~ ,. Kapitalnutzung-------------+1~

Abb. 16: 3-Phasen-Schema der Finanzierung

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t

Im einfachsten Fall wird dem Unternehmen das Kapital in einem Zeitpunkt (tz) zugeführt. Die Kapitalzuführung ist das erste Element einer bestimmten Finanzierung (z. B. Bankkredit). Im Zeitraum (t" t,) kann das Unternehmen über das Kapital verfügen (z. B. Warenlieferungen damit bezahlen). Im Zeitpunkt t, ist das Kapital an den Kapitalgeber zurückzuzahlen. In der Finanzierungspraxis kann sowohl der Kapitalzufluß als auch der Kapitalrückfluß in mehreren Zeitpunkten in Teilbeträgen stattfinden.

4.1.2 Kapitalzufluß Für die Wahl einer Finanzierungsalternative ist wesentlich, wann und in welcher Höhe dem Unternehmen Kapital zufließt. Im Zeitpunkt des Kapitalzuflusses wird die Liquidität des Unternehmens verbessert, weil mehr Geld zur Erfüllung der bestehenden und künftigen Gläubigeransprüche und für Zahlungen an die Unternehmenseigentümer verfügbar ist. Die Vermeidung eines Kapitalabflusses (z. B. Gewinnthesaurierung) wirkt wie ein Kapitalzufluß. Beispiel: Ein Unternehmer benötigt dringend 700.000 DM zur Erweiterung der bestehenden Lagerhalle. Seine Hausbank ist bereit, diesen Bau in vollem Umfang durch einen Kredit mit einem Zinssatz von 8,5 % p. a. zu finanzieren. Der Unternehmer möchte eigentlich keine so hohe Zinsbelastung tragen und deshalb einen Teil der Baukosten durch Eigenkapital finanzieren. Er verfügt im Privatvermögen über ein Aktiendepot mit einem aktuellen Kurswert von etwa 400.000 DM, nimmt jedoch von einem Verkauf der Aktien Abstand, weil er das gegenwärtige Kursniveau für zu niedrig hält. Fazit: Obwohl nach Meinung des Unternehmers eine anteilige Eigenfinanzierung des Gebäudes zwecks Vermeidung einer zu hohen Zinsbelastung und einer Verschlechterung des Bilanzbildes durch den steigenden Verschuldungsgrad einer vollständigen Fremdfinanzierung vorzuziehen ist, lassen ihm die geschilderten Umstände keine andere Wahl, als den angebotenen Bankkredit in Anspruch zu .~ehmen. Die Notwendigkeit eines sofortigen Kapitalzuflusses dominiert anderweitige Uberlegungen. Der dem Unternehmen zufließende Betrag kann von dem im Finanzierungsvertrag bezifferten Nominalbetrag (=Nennbetrag) abweichen. Im Fall der externen Kreditfinanzierung ist zwischen Kreditbetrag (das ist der im Kreditvertrag als Kredit oder Darlehen bezeichnete Nominalbetrag) und Auszahlungsbetrag (das ist der dem Kreditnehmer zufließende Betrag, der aus Sicht des Kreditgebers eine Auszahlung darstellt) zu unterscheiden. Zwischen Kredit- und Auszahlungsbetrag können folgende Beziehungen bestehen, wobei mathematisch bedingt zwei alternative Auszahlungsbeträge - nämlich Auszahlungsbetrag I und Auszahlungsbetrag II - zu differenzieren sind: Auszahlungsbetrag I ::::; Kreditbetrag < Auszahlungsbetrag II. Die Differenz zwischen Auszahlungs- und Kreditbetrag bezeichnet man als - Disagio (Abgeld), falls gilt: Auszahlungsbetrag I < Kreditbetrag; - Agio (Aufgeld), falls gilt: Auszahlungsbetrag II > Kreditbetrag.

57

Für die Vereinbarung eines Disagios gibt es mehrere Anlässe: - Disagio = Kostenersatz: Das Disagio soll die dem Kreditgeber insbesondere durch die Kreditvergabeentscheidung entstandenen und noch entstehenden Kosten ersetzen (z. B. für Kreditwürdigkeitsprüfung, Vertragsformulierung, Beratung des Kreditnehmers über verschiedene Finanzierungsformen, insbesondere Kreditalternativen). - Disagio = vorausbezahlter Zins: Banken bieten in der Regel zwei Kreditalternativen an: Alternative A: Auszahlungsbetrag = Kreditbetrag, Alternative B: Auszahlungsbetrag < Kreditbetrag. Alternative B wird zu einem niedrigeren Nominalzinssatz - das ist der Zinssatz, der sich auf den Kreditbetrag bezieht- als Alternative A angeboten. Man bezeichnet ein Disagio als vorausbezahlten Zins, weil der Auszahlungsbetrag als Saldo aus dem Kreditbetrag, der dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, und einer unmittelbar danach erfolgenden Zinsvorauszahlung in Höhe des Disagios interpretiert werden kann. Demnach besteht eine Austauschbeziehung zwischen einem Disagio und den laufenden Zinszahlungen: je höher das Disagio, desto niedriger die laufenden Zinszahlungen. Beispiel: Die beiden folgenden Kreditangebote haben identische Kapitalkostensätze (= Effektivverzinsung41 ), jedoch verschiedene Zahlungsströme und somit verschiedene Liquiditätswirkungen:

Kreditbetrag Auszahlungssatz Nominalzinssatz Laufzeit Tilgung

Kreditangebot A 100.000 DM 100% 10% 2 Jahre Laufzeitende

Kreditangebot B 100.000 DM 98% : : :; 8,847619% 2 Jahre Laufzeitende

Tab. 3: Bankkredit ohne und mit Disagio

Die beiden Kreditalternativen werden nun als Zahlungsströme dargestellt: 1.1.97 KreditA Kredit B

+ 100.000,-+ 98.000,--

31.12.97 - l 0.000,-- 8.847,62

31.12.98 - 110.000,-- 108.847,62

Der Auszahlungsbetrag steht am 1.1.1997 zur Verfügung, die Zinsen sind jährlich nachschüssig (am 31.12.1997 und am 31.12.1998) fallig, der Kredit ist am 31.12.1998 in einem Betrag zu tilgen.

41

Siehe Abschnitt 4.2.2.

58

Die Effektivverzinsung beträgt für beide Kredite 10% p. a.: + 100.000- 10.000(1 + r) - 1 - 11 0.000(1 + r) - 2 = 0 ~ r = 10% +98.000-8.847,62(1 + r)- 1 -108.847,62(1 + r)-2 = 0 ~ r = 10% Der Effektivzinssatz r ist der interne Zinssatz. Er gibt an, mit welchem Prozentsatz das in jedem Zeitpunkt der Kreditlaufzeit dem Unternehmen zur Verfügung stehende Kapital zu verzinsen ist. Bei Wahl des Kreditangebots B fließen dem Unternehmen am 1.1.1997 nur 98.000 DM zu (Disagio = 2.000 DM), dafür zahlt es jährlich 1.152,38 DM weniger Zinsen. Die Differenz zwischen dem Disagio und den geringeren laufenden Zinszahlungen (= 2.304,76 DM ersparte Auszahlungen) in Höhe von 304,76 DM ist der Zinsund Zinseszinseffekt (200,-- DM+ 104,76 DM): 1.1.97 ersparte Zinszahlungen Disagio

-2.000,--

* 1,1 =

31.12.97

31.12.98

+ 1.152,38 -2.200.-- 1.047,62

+ 1.152,38

* 1,1 =

- 1.152.38 0

Benötigt das Unternehmen einen Kapitalzufluß von 100.000 DM, ist bei Wahl des KreditangebotsBein Kreditbetrag von ( 100.000DM =) 102.040,82 DM zu vereinba0,98 ren, damit nach Abzug des Disagios von 2% 100.000 DM zufließen.

-Bei festverzinslichen Anleihen (=Schuldverschreibungen) wird ein Disagio/Agio zur Feineinstellung des Effektivzinssatzes vereinbart. Eine festverzinsliche Anleihe hat eine bestimmte Laufzeit (z. B. 10 Jahre) und wird vom Schuldner(= Emittenten) mit einem über die gesamte Laufzeit konstanten Nominalzinssatz ausgestattet. Ändert sich in der Zeit zwischen der Festlegung des Nominalzinssatzes in den Anleihebedingungen (z. B. am 15.1.1996: 6,15% bei Emission der Anleihe zu einem Kurs von 100%, d. h. zu pari) und der Plazierung der Anleihe am Kapitalmarkt (z. B. am 20.2.1996) das Kapitalmarktzinsniveau für vergleichbare Anleihen, wird der Emissionskurs (=Kaufpreis der Anleihe in% des Nominalbetrags) höher oder niedriger als 100% sein. Der Anleiheschuldner erhält mehr bzw. weniger als den Nominalwert der Anleihe vom Anleiheerwerber, wenn dieser seine Kapitalanlageentscheidung aufgrund der Effektivverzinsung trifft. Ein steigendes Kapitalmarktzinsniveau führt zu einem Disagio, ein sinkendes Kapitalmarktzinsniveau zu einem Agio. Disagio und Agio kompensieren also den Unterschied zwischen dem Kapitalmarktzinsniveau für vergleichbare Anleihen im Emissionszeitpunkt und dem Nominalzinssatz einer Anleihe.

59

Als Beispiel fiir eine Anleihenemission mit einem Agio von 2,4 % ist unten die Emissionsanzeige der Wella International Finance B.V. abgedruckt.

Neuemission

D1ese Anzeige erscheint nur zur InformaliOn D1e nachstehend beschnebenen Wertpaptere wurden bereits angeboten

~

WELLA

Wella International Finance B. V. Amsterdam

DM 200.000.000,63/4% Inhaber-Teilschuldverschreibungen von 1995/2002 unter der unbedingten und unwiderruflichen Garantie der

Wella Aktiengesellschaft Darmstadt Ausgabekurs: 102,40%

Dresdner Bank

Aktiengesellschaft

CitlbankAG

CS First Boston Effectenbank Aktiengesellschaft

BNP Capital Marketa

L1m1ted

Abb. 17: Emissionsanzeige für eine Anleihe der Wella International Finance B.V., in: Handelsblatt, Nr. 188, 28.9.1995, S. 48

- Die Vereinbarung eines Disagios kann auch steuerlich motiviert sein: Für einen nicht-bilanzierenden Kreditnehmer (z. B. Eigentümer eines im steuerlichen Privatvermögen befindlichen Mietwohngrundstücks) ist ein Disagio eventuell steuerlich vorteilhaft. Die Finanzverwaltung gestattet den Abzug eines Disagios in vollem Umfang als Werbungskosten (hier: aus Vermietung und Verpachtung) im Jahr der

60

Aufnahme eines Kredits zur Finanzierung des ertragbringenden Objekts (hier: Mietwohngrundstück), soweit das Disagio bei einem mindestens fünfjährigen Zinsfestschreibungszeitraum 10% des Kreditbetrags nicht übersteigt. 42 Für den Kreditnehmer resultiert daraus immer eine Steuerstundung, die seine Liquidität verbessert und die Effektivverzinsung des aufgenommenen Kredits mindert. Fällt innerhalb der Kreditlaufzeit der individuelle Steuersatz, kommt es sogar zu einer definitiven Steuerersparnis, weil ein Teil der während der gesamten Kreditlaufzeit anfallenden Zinsaufwendungen- nämlich das Disagio- vorgezogen bereits im ersten Jahr der Kreditvertragslaufzeit einkünftemindernd angesetzt wird und eine relativ hohe Steuerentlastung bewirkt. Die Steuerwirkungen werden nun für die oben beschriebenen Kredite A und B berechnet. Steuerstundung bei einem während der Kreditvertragslaufzeit als konstant angenommenen Einkommensteuersatz von 43 %: 1.1.97 Kredit A vor Steuern + 100.000,-Steuerliche Werbungskosten Steuerentlastun~ 43% Kredit A nach Steuern + 100.000,--

31.12.97 - 10.000,-(- 10.000,--) + 4.300.-- 5.700,--

31.12.98 - 110.000,-(- 10.000,--) + 4.300.-- 105.700,--

Effektivzinssatz nach Steuern (rs): +100.000-5.700(1 + rs )- 1 -105.700(1 + rs )-2

= 0---; rs = 0,057 = 5,7%

Um eine Finanzierungslücke Anfang 1997 zu vermeiden, ist bei Wahl des Kreditangebots B ein Kreditbetrag von ( 100 ·000 DM =) 101.153,14 DM zu vereinbaren. 0,98 + 0,02 ° 0,43 Der Term "0,02 · 0,43" repräsentiert die Steuerentlastung durch das Disagio (= 2 %) bei einem Steuersatz von 43 %. 1.1.97 Kredit B vor Steuern + 99.130,08 Steuerliche Werbungskosten(- 2.023,06) Steuerentlastung 43 % + 869.92 Kredit B nach Steuern + 100.000,--

31.12.97 -8.949,64 (- 8.949,64) + 3.848.35 -5.101,29

31.12.98 - 110.102,78 (- 8.949,64) + 3.848.35 - 106.254,43

Effektivzinssatz nach Steuern (rs): +100.000- 5.101,29(1 +rs)- 1 -106.254,43(1 + rs)-2 = 0---; rs = 0,05662 ""'5,66%

42

Vgl. Ziff. 3.3.4. Schreiben betr. negative Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung im Rahmen von sog. Bauherrenmodellen und vergleichbaren Modellen sowie geschlossenen Immobilienfonds ("Bauherren-Erlaß") vom 31.8.1990, BStBI. I S. 366.

61

Nach Steuern liegt der Effektivzinssatz des Kreditangebots B um 5,7%-5,661987% f'fi . . . ( =) 0,67 %unter dem E ektJvzmssatz des Kreditangebots A. 5,7% Steuerersparnis bei einem Einkommensteuersatz von 43 % im Jahr 1997 und von 27% im Jahr 1998: 1.1.97 Steuerentlastung Kreditangebot A Kredit A nach Steuern + 100.000,--

31.12.97 + 4.300.-- 5.700,--

31.12.98 + 2.700.-- 107.300,--

Effektivzinssatz nach Steuern (rs): + 100.000- 5.700(1 +rs) - 1 -107.300(1 +rs) - 2 = 0 ~ rs = 0,06474913"" 6,47% Der geringere Steuersatz in 1998 reduziert die Steuerentlastungswirkung des Zinsaufwands des Jahres 1998, so daß der Effektivzinssatz nach Steuern höher ist als im Fall eines gleichbleibenden höheren Steuersatzes. 1.1.97 Steuerentlastung Kreditangebot B + 869.92 Kredit B nach Steuern + 100.000,--

31.12.97 + 3.848.35 - 5.101,29

31.12.98 + 2.416.40 - 107.686,38

Effektivzinssatz nach Steuern (rs): +100.000-5.101,29(1 +rs)- 1 -107.686,38(1 +rs)- 2 = 0 ~ rs = 0,0635404 ""6,35% Nach

Steuern

liegt

der Effektivzinssatz des Kreditangebots B um 6,474913%-6,354035%=) d Ef'fik' · d d' 187010 ( , ;c unter em e hvzmssatz es Kre Jtange6,474913 %

bots A. Bilanzierende Kreditnehmer können diese Steuerwirkungen nicht realisieren, weil in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot ftir das Disagio als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten gilt mit Abschreibung des aktivierten Disagios während der Kreditlaufzeit.

4.1.3 Kapitalnutzung Die Phase Kapitalnutzung umfaßt den Zeitraum, während dem das Kapital dem Unternehmen zur VerfUgung steht. Je länger die Kapitalüberlassungsdauer ist, desto günstiger ftir die Liquidität des Unternehmens. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß für die Kapitalüberlassung in Kreditform ein Kapitalnutzungsentgelt (Zinsen; vereinbarungsahhängig auch Gewinnanteile) zu zahlen ist, wodurch sich die Liquidität verschlechtert. Im Fall einer Stundung von Tilgungs- und/oder Zinszahlungen werden Auszahlungen 62

im Stundungszeitraum vermieden (positive Liquiditätswirkung), danach sind jedoch unter Berücksichtigung der Zinseszinsen entsprechend höhere Zahlungen an den Kapitalgeber zu leisten (negative Liquiditätswirkung). Eine negative Liquiditätswirkung ist auch im Rahmen der Eigenfinanzierung festzustellen: der Eigenkapitalgeber erwartet und verlangt ein Kapitalnutzungsentgelt in der Regel in Form von Gewinnausschüttungen. Im Gegensatz zum Gläubiger mit einem fest vereinbarten Zinsanspruch hängt eine Gewinnausschüttung erstens von der Erwirtschaftung eines Gewinns und zweitens von der Fähigkeit des Unternehmens ab, die Gewinnanteile an die Eigenkapitalgeber zahlen zu können. Der Ausweis eines Gewinns in der Gewinnund Verlust-Rechnung bedeutet nämlich nicht automatisch, daß das Unternehmen über Geld zur Auszahlung der Gewinnanteile verfligt. 43 Ausschüttungen von laufenden Gewinnen verschlechtem die Untemehmensliquidität, die Ausschüttung des Liquidationsgewinns im Fall der Unternehmensauflösung hingegen ist unerheblich, weil das Unternehmen nach Liquidation und Erfiillung sämtlicher Verpflichtungen keine Finanzmittel mehr benötigt.

4.1.4 Kapitalrückfluß Die Tilgung von Schulden und Auszahlungen an Eigenkapitalgeber verschlechtem die Liquidität. Im Fall der Eigenfinanzierung steht der Auszahlungszeitpunkt in der Regel nicht von vornherein fest. Häufig werden Beteiligungsverträge unbefristet abgeschlossen mit Vereinbarung einer Kündigungsfrist für die Vertragsbeendigung, die die Rückzahlung der geleisteten Einlagen in einem Betrag oder in Raten nach sich zieht. In einem Kreditvertrag werden die Tilgungsmodalitäten der Höhe und den Terminen nach vereinbart. Im folgenden Schema sind gebräuchliche Tilgungsformen skizziert:

DM

endfällige -Tilgung

t

z

t

r

Abb. 18: Grundstrukturen gebräuchlicher Tilgungsformen 43

Siehe Abbildung 13 in Abschnitt 2.3.

63

- Endfällige Tilgung: Der Kredit wird am Ende der Vertragslaufzeit in einem Betrag zurückgezahlt. Die Zinsen werden während der gesamten Laufzeit vom Kreditbetrag berechnet. - Ratentilgung: Der Kredit wird während der Vertragslaufzeit zu den vereinbarten Terminen (z. B. Monats-, Quartals-, Halbjahres-, Jahresende) in Höhe der vereinbarten Beträge getilgt. Die Zinsen für den Zeitraum vom letzten Tilgungszeitpunkt bis zum aktuellen Tilgungszeitpunkt (z. B. für ein Vierteljahr) werden von der Kreditrestschuld vor Abzug des aktuellen Tilgungsbetrags berechnet. Die Gesamtbelastung (=Tilgung + Zinsen) sinkt während der Vertragslaufzeit, da die zu verzinsende Kreditrestschuld durch die Tilgungen sukzessive geringer wird.44 - Annuitätentilgung: Der Kredit wird während der Vertragslaufzeit zu den vereinbarten Terminen getilgt. Tilgungs- und Zinszahlung ergeben einen während der gesamten Vertragslaufzeit konstanten Betrag (=Annuität), der sich im ersten Zahlungszeitpunkt in einen hohen Zinsanteil und in einen niedrigen Tilgungsanteil aufspalten läßt, weil am Anfang der gesamte Kreditbetrag zu verzinsen ist. Im Lauf der Zeit wird durch die Tilgungen die Darlehensrestschuld und damit der Zinsanteil kleiner und der Tilgungsanteil entsprechend größer, so daß am Ende der Vertragslaufzeit der Kredit vollständig zurückgezahlt ist. Die Annuitätentilgung ist somit ein Spezialfall der Ratentilgung. 45 - Permanente Tilgung: In einem Kontokorrentkreditvertrag räumt ein Kreditinstitut dem Unternehmen eine sog. Kreditlinie (= Kreditlimit) als Kredithöchstbetrag auf laufende Rechnung ein, d. h. der Kreditnehmer kann die Kreditlinie nach seinen aktuellen Liquiditätserfordernissen überhaupt nicht, teilweise oder vollständig ausschöpfen. Die Kredittilgung erfolgt durch Gutschriften (insbesondere: Kundenzahlungen) zu beliebigen Zeitpunkten auf dem Kontokorrentkonto, so daß das Konto auch ein Guthaben zugunsten des Kreditnehrners- der in diesem Fall der Bank gegenüber als Kreditgeber auftritt - aufweisen kann. Mit Vertragsablauf (infolge der Kündigung des Kontokorrentkreditvertrags durch eine Vertragspartei) ist das Konto auszugleichen.

4.2 Kapitalkosten 4.2.1 Definition Kapitalkosten sind der gesamte Werteverzehr in Form von Geld, Personal, Sachen und lmmaterialgütem (z. B. EDV-Software), der durch die Beschaffung, Nutzung und 44 Siehe das Zahlenbeispiel in Abschnitt 4.2.2. 45 Siehe das Zahlenbeispiel in Abschnitt 4.2.2. 64

Rück:fiihrung von Kapital verursacht wird. Kapitalkosten können in auszahlungswirksame Kapitalkosten und in Opportunitätskosten unterteilt werden.

4.2.2 Auszahlungswirksame Kapitalkosten Diese Kostenart umfaßt alle Kapitalkosten, denen - Zahlungen des Unternehmens an Fremdkapitalgeber, die nicht Kapitalrückflüsse darstellen, entsprechen: insbesondere (gewinnunabhängige und gewinnabhängige) Zinsen, Kreditprovisionen und Bankspesen unter Berücksichtigung der damit verbundenen Steuerwirkungen; - Zahlungen des Unternehmens an Nicht-Kapitalgeber entsprechen. Beispiele hierfür sind Personal- und Sachkosten des die Passivseite der Bilanz betreffenden Finanzmanagements im Unternehmen, Kosten der Emission von Aktien und Anleihen, Notarund Grundbucheintragungsgebühren für die Bestellung eines Grundpfandrechts (Grundschuld, Hypothek) zur Kreditbesicherung46 , Kosten der Formulierung und des Abschlusses von Finanzierungsverträgen (Kreditverträge, Gesellschaftsverträge), an Finanzberater zu zahlende Honorare/Provisionen für die Beratung bei der Wahl der Finanzierungsinstrumente bzw. ftir die Vermittlung einer bestimmten Finanzierung (z. B. eines Bankkredits oder eines Kredits vonseiteneines privaten Kapitalgebers). Bei der Berechnung des Kreditzinssatzes ist zu berücksichtigen, daß der Effektivzinssatz - und nicht der auf den Kreditbetrag bezogene Nominalzinssatz - entscheidungsrelevant ist. Beispiel: Ratenkredit Kreditbetrag = 150.000 DM, Auszahlungssatz = 97 % (1.1.1997) Nominalzinssatz = 10 %, Vertragslaufzeit = 4 Jahre Tilgungen: jeweils 50.000 DM am 31.12.1998, 31.12.1999 und 31.12.2000 Zahlungszeitpunkt 01.01.1997 31.12.1997 31.12.1998 31.12.1999 31.12.2000 Summe

Restschuld vor Tilgung 150.000 150.000 150.000 100.000 50.000

-

Zinsen

-

15.000 15.000 10.000 5.000 45.000

Tilgung

-

-

50.000 50.000 50.000 150.000

Gesamtbelastung

-

15.000 65.000 60.000 55.000 195.000

Tab. 4: Ratenkredit

46

Siehe Abschnitt 4.3.2.

65

Berechnung des Effektivzinssatzes r: 150.000 · 0,97 = 15.000(1 + r) -I + 65.000(1 + r) - 2 + 60.000(1 + r) - 3 + 55.000(1 + r) - 4 r,., 11,245 % Beispiel: Annuitätenkredit Vereinbart man anstelle der Tilgung in gleichbleibenden Beträgen (nämlich: 50.000 DM) eine Annuitätentilgung, ist zunächst der zurückzuzahlende Kreditbetrag in eine Annuität über drei Jahre umzurechnen und anschließend der Plan der Tilgungs- und Zinszahlungen aufzustellen: 3

Ann = 150.000 · (1 + O,l) . O,l = 60.317,22 DM (1+0,1) 3 -1 Zahlungszeitpunkt 01.01.1997 31.12.1997 31.12.1998 31.12.1999 31.12.2000 Summe

Restschuld vor Tilgung 150.000,-150.000,-150.000,-104.682,78 54.833,84

-

Zinsen

Tilgung

-

-

15.000,-15.000,-10.468,28 5.483,38 45.951,66

45.317,22 49.848,94 54.833,84 150.000,--

Gesamtbelastung

-

15.000,-60.317,22 60.317,22 60.317,22 195.951,66

Tab. 5: Annuitätenkredit Berechnung des Effektivzinssatzes r: 150.000 · 0,97 = 15.000(1 + r) - 1 + 60.317,22(1 + r) - 2 + 60.317,22(1 + r)- 3 + 60.317 ,22(1 + r) - 4 ~ r,., 11,223% Der Effektivzinssatz für den Ratenkredit und der für den Annuitätenkredit sind - von Rundungsdifferenzen ab der zweiten Nachkommastelle abgesehen - identisch. Bei Annuitätenti1gung sind 951,66 DM mehr Zinsen zu zahlen, da die Tilgungsraten am 31.12.1998 und 31.12.1999 beim Annuitätendarlehen niedriger sind als beim Ratenkredit. Zinssatzangaben beziehen sich üblicherweise auf ein Jahr. Unterjährige Zinseszinsrechnungen sind deshalb bei der Ermittlung des Effektivzinssatzes zu berücksichtigen. Beispiel: Kontokorrentkredit Ein Unternehmen zahlt fiir einen Kontokorrentkredit einen Nominalzinssatz von 10,75% p. a. bei vierteljährlicher Zinsabrechnung. Berechnung des Effektivzinssatzes r: r = (1 + O,l 075 ) 4 - 1 ,., 0,1119 ,., 11,19 % 4

66

Überprüfung des Ergebnisses: 1.1.97 Kontostand (Schuld) Zinsen 1.1.-31.3.97 Kontostand (Schuld) Zinsen 1.4.-30.6.97 Kontostand (Schuld) Zinsen 1.7.-30.9.97 Kontostand (Schuld) Zinsen 1.10.-31.12.97 Kontostand (Schuld)

100,--

31.3.97

30.6.97

2,6875 102,6875

30.9.97

2,759727 105,447227

2,833894 108,281121

31.12.97

2,910055 111,191176

Einen Extremfall einer Tilgungs- und Zinszahlungsvereinbarung stellt ein sog. Zero Coupon Bond (Null-Kupon-Anleihe) dar. Die gesamten Zinsen werden in einem Betrag am Laufzeitende gemeinsam mit der Tilgung gezahlt. Die Differenz zwischen dem Emissionskurs eines Zero Bonds und dessen Einlösungskurs am Laufzeitende ( 100 %) verkörpert die Zinsen für die gesamte Laufzeit. Beispiel: Emission eines Zero Bonds mit einer Laufzeit von 15 Jahren zum Kurs von 49,452 %; Einlösungskursam Laufzeitende = 100% Berechnung des Effektivzinssatzes r: 49,452(1 + r) 15 = 100 ~ r ""4,8064%

Kurs[%] 100

49,452

-1----~-=:-::_:--_

-

-

-

-

-

-

-

-

-

t

1993

2008

Abb. 19: Kursentwicklung eines Zero Coupon Bonds (nicht maßstabsgenau)

67

These secunt1es have not been regiStered under the Secunt1es Act of 1933 and may not be affered or sold in the United States absent reg1strat1on or an apphcable exempt1on from the registrat10n reqmrements These secur1tles havmg been sold, th1s announcement appears as a matter of record oniy

Newbsue

September 1993

US$1 ,420,000,000 Roche Holdings, lnc. Liquid Yield Option™ Notes ("LYONs®") due 2008 (Zero Coupon) Exchangeabte for American Depositary Shares Representing Non-Voting Equity Securities (Genussscheine) of

Roche Holding Ltd

Price 49.452%

Merrill Lynch & Co. TM Liquid Yieid Option Notes is a trademark of Merrill Lynch & Co., lnc. LYONs• is a Irademark of Merrill Lynch & Co., lnc. registered in the United States.

Abb. 20: Emissionsanzeige flir einen Zero Coupon Bond der Rache Holdings, Inc., in: Handelsblatt, 15.11.1993

4.2.3 Opportunitätskosten Opportunitätskosten sind entgangene Erträge (allgemein: entgangener Nutzen). Im Bereich der Unternehmensfinanzierung entstehen sie immer dann, wenn die Unterneh-

68

menseigentümer Kapital aus ihrem Privatvermögen in ihr Unternehmen einbringen. Infolge der Einlage verzichten die Unternehmenseigentümer auf die Realisierung alternativer Kapitalanlagen (z. B. Immobilienerwerb, Kauf festverzinslicher Wertpapiere) oder auf den Konsum der Güter, die sie sich mit dem eingelegten Kapital hätten kaufen können (z. B. Privatwohnung, Urlaubsreisen, Kleidung). Beispiel: Ein Einzelkaufmann überweist 100.000 DM von seinem privaten Bankkonto (Festgeld) auf das betriebliche Bankkonto. Auf seinem Privatkonto erhielt er 5 % p. a. Zinsen, folglich entgehen ihm künftig jährlich 5.000 DM Zinseinnahmen (gleichbleibender Zinssatz vorausgesetzt). Dieser Betrag kann als Opportunitätskosten in einer unternehmensinternen Kapitalkostenrechnung angesetzt werden (jedoch nicht als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung, weil keine Auszahlung korrespondiert). Falls in der Kostenrechnung 5.000 DM kalkulatorische Zinsen angesetzt werden, resultiert ein um 5.000 DM niedrigeres Jahresergebnis. Fazit: Bei der Interpretation des Periodenergebnisses ist zu beachten, daß der Ansatz von Opportunitätskosten den Gewinn mindert bzw. den Verlust erhöht. Der Gewinn verkörpert die Verzinsung des Eigenkapitals, so daß der Gewinn in Höhe der abgezogenen Opportunitätskosten in Kosten umdefiniert wird. Die aufgrund des Gewinns nach Abzug der Opportunitätskosten berechnete Eigenkapitalrendite fällt entsprechend niedriger aus.

4.2.4 Steuerliche Aspekte Das deutsche Steuerrecht ist nicht finanzierungsneutraL In Abhängigkeit von der Finanzierungsform resultieren unterschiedliche Steuerwirkungen, die die Kapitalkosten erheblich beeinflussen. Die Gewerbesteuer bewirkt finanzierungsformspezifische Steuerlastdifferenzen, die durch rechtsformspezifische Steuernormen (z. B. Doppelbelastung durch Vermögensteuer bei Wahl einer Kapitalgesellschaft) verstärkt werden. Wie in den folgenden (vereinfachten) Rechenbeispielen gezeigt wird, - unterliegt die Kapitalanlage außerhalb eines gewerblichen Unternehmens nicht der Gewerbesteuer; -beträgt der Höchstsatz der Einkommensteuer flir den Teil des zu versteuernden Einkommens, der aus Einkünften aus Gewerbebetrieb stammt, seit l.l.l994 47 % und liegt damit um sechs Prozentpunkte unter dem Einkommensteuer-Spitzensatz flir das übrige zu versteuernde Einkommen, so daß gewinnbringende gewerbliche Investitionen einkommensteuerlich entlastet werden; -unterliegt Betriebsvermögen einer geringeren Vermögensteuer-Belastung (vgl. § 117 a BewG47, § 10 Nr. I VStG48) als die meisten anderen Bestandteile des steuerpflichtigen Vermögens; - ist die Zuführung von Kapital in eine Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter in Form eines Gesellschafter-Darlehens steuerlich günstiger als die Erhöhung des Ge47 Bewertungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.2.1991, zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtliehen Wohneigentumsförderung vom 15.12.1995, BGBI. I S. 1783.

48 Vermögensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.11.1990, zuletzt geändert durch Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18.12.1995, BGBI.l S. 1959.

69

zeichneten Kapitals im Wege einer Einlage, weil erstens die Gewerbesteuerbelastung der Kapitalgesellschaft durch den hälftigen Abzug des Gesellschafter-Darlehens als Betriebsschuld und den hälftigen Abzug der daflir anfallenden Zinsen sinkt und zweitens die Vermögensteuer-Doppelbelastung im Umfang des Gesellschafter-Darlehens, das bei der Ermittlung des Vermögens der Kapitalgesellschaft eine abziehbare Betriebsschuld darstellt, vermieden wird. Der Einfluß der Besteuerung auf die Eigenkapitalrendite wird flir vier Varianten eines Zahlenbeispiels berechnet (Stand der Steuergesetze: 1.1.1996). Annahmen: Der unbeschränkt steuerpflichtige Einzelunternehmer/GmbH-Gesellschafter Schlaufuchs verfUgt über 1 Mio DM Bargeld im Privatvermögen. Das Volumen der geplanten Anlageinvestitionen im gewerblichen Betriebsvermögen beträgt 1 Mio DM. Den Berechnungen zugrundeliegende, alternative Einkommensteuer(ESt)-Sätze se: 0 %, 47% (Spitzensteuersatz flir denaus gewerblichen Einkünften stammenden Teil des zu versteuernden Einkommens), 53% (Spitzensteuersatz flir den aus nicht-gewerblichen Einkünften stammenden Teil des zu versteuernden Einkommens). Körperschaftsteuer(KSt)-Satz Sk49

= =

45 %bei Gewinnthesaurierung, 30 % bei Gewinnausschüttung.

% flir Gewerbeertrag, 0,2 % flir GewerbekapitaL Gewerbekapitalsteuer = GewKSt; Gewerbeertragsteuer = GewESt Kommunaler Gewerbesteuer-Hebesatz h = 425% Die GewSt ist bei der Ermittlung des Gewinns als Betriebsausgabe abzuziehen.

Gewerbesteuer(GewSt)-Meßzahlen5° =

5

Der Kredit ist eine gewerbesteuerliche Dauerschuld, so daß der Kreditbetrag und die Kreditzinsen bei Ermittlung des Gewerbekapitals bzw. -ertrags zur Hälfte abzuziehen sind. Vermögensteuer(VSt)-Satz sv: 1 % allgemein flir natürliche Personen, 0,5 % insbesondere auf das Betriebsvermögen natürlicher Personen, 0,6 % für Kapitalgesellschaften.

Körperschaftsteuergesetz 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.3.1991, zuletzt geändert durch Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18.12.1995, BGBI. I S. 1959. 50 Gewerbesteuergesetz 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.3.1991, zuletzt geändert durch Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18.12.1995, BGBI. I S. 1959.

49

70

Betriebsvermögen wird in Höhe von 75% seines Einheitswerts besteuert, Privatvermögen wird in vollem Umfang besteuert. Gemeiner Wert des GmbH-Anteils= Einlage (keine Wertermittlung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren). Die VSt ist bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nicht abziehbar. Kapitalertragsteuer(KESt)-Satz = 25 % Solidaritätszuschlag (SolZ) = 7,5% Absolute Steuerfreibeträge und die Staffelung des Gewerbesteuertarifs ftir natürliche Personen und Personengesellschaften werden nicht berücksichtigt (Grenzbetrachtung!). Erwartete Rendite vor Steuern der Investition im Unternehmen und der alternativen Anlage am Kapitalmarkt: 10 % p. a. Kreditzinssatz: 10 % p. a. (Anmerkung: Durch die Annahme Sollzinssatz = Habenzinssatz sollen die Steuerwirkungen unbeeinflußt von Zinssatzdifferenzen berechnet werden.) Der GmbH-Gewinn wird in vollem Umfang ausgeschüttet.

71

1. Berechnung: Einzelunternehmer legt 1 Mio DM in seinen Gewerbebetrieb ein. Gewinn vor Steuern: 1.000.000*0, I= - VSt: 1.000.000*0,75*0,005=

+

100.000 DM 3.750 DM

- GewKSt: 1.000.000*0,002*4,25=

8.500 DM

- GewESt:( I 00.000-8.500)*(0,05*4,25):( I +0,05 *4,25)=

16.036 DM

=Gewinn nach Steuern: * Se= 0% + 7,5 %Soll Eigenkapitalrendite = 7,17%

+

* Se= 47 % + 7,5 %Soll - ESt: (100.000- 8.500- 16.036)*0,47* 1,075 =

71.714 DM

38.128 DM +

33.586 DM

Eigenkapitalrendite = 3,36%

2. Berechnung: Einzelunternehmer nimmt 1 Mio DM Kredit zur Finanzierung derbetrieblichen Investition aufund legt gleichzeitig 1 Mio DM am Kapitalmarkt an. Investition/ Kreditaufnahme

Geldanlage

(Betriebsvermögen)

I %VSt Gewinn vor Steuern und Zinsen + I 00.000 DM - Kreditzinsen = Gewinn vor Steuern

- 100.000 DM 0 DM

- VSt: 1.000.000*0,0 I (bzw.0,005)

ODM

Summe

(Privatvermögcn) (0,5% VSt)

I %VSt

+ I 00.000 DM

+ 200.000 DM

0 DM + 100.000 DM

- 100.000 DM + 100.000 DM

-

IO.OOODM

(- 5.000DM)-

IO.OOODM

-GewKSt

4.250 DM

ODM

4.250 DM

- GewESt

8.018 DM

ODM

8.018 DM

(0,5% VSt)

(-5.000DM)

= Ertrag nach Steuern: * se=0%+7,5%So!Z

- 12.268DM

+ 90.000 DM (+ 95.000 DM)+ 77.732 DM (+ 82.732 DM)

Eigenkapitalrendite = 7,77% (8,27 %) 47% + 7,5% SoiZ 53%+ 7,5% SoiZ - ESt

+

6 198 DM

- 56.975 DM

6.070 DM

+ 33.025 DM (+ 38.025 DM)+ 26.955 DM (+ 31.955 DM)

- 50.777 DM

Eigenkapitalrendite = 2,70% (3,20 %)

Der Vergleich der Eigenkapitalrenditen nach Steuern zeigt, daß bei einem ESt-Satz von Null die Fremdfinanzierung der Investition im Unternehmen bei gleichzeitiger Anlage der im Privatvermögen vorhandenen 1 Mio DM zu 10 % p. a. am Kapitalmarkt der Eigenfinanzierung vorzuziehen ist; bei einem ESt-Satz von 47 % bzw. 53 %plus 7,5% Solidaritätszuschlag ist die Eigenfinanzierung der Investition zu empfehlen. Tab. 6: Steuerliche Belastungsrechnungen für Eigen- und Fremdfinanzierungen

72

3. Berechnung: GmbH-Gesellschafter legt 1 Mio DM in die GmbH ein. GmbH-Ebene: Gewinn vor Steuern - VSt: 1.000.000*0, 75*0,006= - GewKSt: 1.000.000*0,002*4,25= - GewESt: {I00.000-8.500)*(0,05*4,25):(1+0,05*4,25)= - KSt: (100.000-8.500-16.036)*0,45 = - SolZ: (33.959-9.594)*0,075= = Gewinn nach Steuern + KSt-Minderung: {I 00.000-8.500-16.036-4.500:[ 1-0,45(1 +0,075)]} *0, 1437355= - KESt: 44.772*0,25= - SolZ aufKESt: 11.193*0,075= = Barausschüttung Gesellschafter-Ebene: Barausschüttung + anrechenbare KESt + anrechenbare KSt: 44.772:70%*30%= + anrechenbarer SolZ auf KESt = zu versteuern * se = 0% + 7,5 % SolZ ESt: -63.960*0% + 11.193+ 19.188= SolZ - VSt: 1.000.000*0,005= = Dividende nach Steuern Eigenkapitalrendite = 5,9% * se =53%+ 7,5% SolZ ESt: -63.960*0,53+ 11.193+ 19.188= SolZ: (-63 .960*0,53+ 19.188)*0,075+839= - VSt: 1.000.000*0,005= = Dividende nach Steuern Eigenkapitalrendite = 2,4 %

+ 100.000 DM 4.500 DM 8.500DM - 16.036 DM - 33.959 DM I 827DM + 35.178 DM + 9.594 DM + 44.772 DM - 11.193 DM 839DM 32,740DM

+ 32.740 DM + 11.193 DM + 19.188 DM 839DM + = 63.960 DM

+ 32.740 DM

+ 30.381 DM + 839 DM - 5.000DM 58.960 DM

-

3.518 DM 264DM - 5 000 DM 23,958 DM

4. Berechnung: GmbH-Gesellschafter gewährt der GmbH 1 Mio DM Kredit. GmbH-Ebene: Gewinn vor Steuern und Zinsen - Kreditzinsen = Gewinn vor Steuern - VSt: (1.000.000-1.000.000)*0,75*0,006 - GewKSt:{l.000.000-1.000.000+ 1.000.000:2)*0,002*4,25= - GewESt:{l 00.000-1 00.000+ I 00.000:2-4.250)*(0,05*4,25):(1 +0,05*4,25)= + KSt-Ersparnis:-( I 00.000-100.000-4.250-8.0 18)*0,45= + SoiZ-Ersparnis: 5.521 *0,075= =Verlust nach Steuern (zu berücksichtigen bei Berechnung der Eigenkapitalrendite)

+ 100.000 DM -100.000 DM ODM ODM 4.250 DM 8.018 DM + 5.521 DM + 414 DM 6.333 DM

Gesellschafter-Ebene: Zinseinnahmen + 100.000 DM - VSt: 1.000.000*0,01 - 10.000 DM = Ertrag nach Steuern *Se= 0% + 7,5% SolZ: + 100.000-10.000-100.000*0* 1,075-6.333= + 83.667 DM Eigenkapitalrendite = 8,37% * se =53%+ 7,5% SolZ: +100.000-I0.000-100.000*0,53* 1,075-6.333 = + 26.692 DM Eigenkapitalrendite = 2,67 %

73

Erläuterung des Faktors 0,1437355 zur Ermittlung der KSt-Minderung in der 3. Berechnung: Körperschaftsteuer-Minderung = KSt-Mind zu versteuerndes Einkommen = E KSt-Mind = (E- 0,45E- SolZ) * (45%- 30 %) :55%= (0,55E- SolZ) * 15: 55 SolZ = (0,45E- KSt-Mind) * 0,075 KSt-Mind = 0,1437355E

Der Vergleich der Eigenkapitalrenditen nach Steuern zeigt, daß die Kapitalzufuhrung in eine GmbH durch deren Gesellschafter in Form eines Gesellschafter-Darlehens (Fremdfinanzierung) eine höhere Eigenkapitalrendite nach Steuern erbringt als die Kapitalzuflihrung durch Leistung von Einlagen (Eigenfinanzierung). Beachte: Die steuerliche Abziehbarkeit von Entgelten flir Darlehen von nicht zur KSt-Anrechnung berechtigten Anteilseignern wurde ab 1.1.1994 durch § 8 a KStG eingeschränkt. Die berechneten Eigenkapitalrenditen sind in den beiden folgenden Tabellen zusammengestellt: Finanzierungsart Eigenfinanzierung (Einlage) Fremdfinanzierung (Kredit)

Persönlicher Einkommensteuersatz = 0 %

Persönlicher Einkommensteuersatz = 47 %/53%

7,17%

3,36%

7,77% (8,27 %)

2,70% (3,20 %)

Tab. 7: Eigenkapitalrenditen nach Steuern eines Einzelunternehmers

Finanzierungsart Eigenfinanzierung (Einlage) Fremdfinanzierung (Gesellschafterkredit)

Persönlicher Einkommensteuersatz = 0 %

Persönlicher Einkommensteuersatz =53 %

5,90%

2,40%

8,37%

2,67%

Tab. 8: Eigenkapitalrenditen nach Steuern eines GmbH-Gesellschafters

Aufgaben zu den Abschnitten 4.1 und 4.2: I Definieren Sie den Begriff "Liquidität". 2. Erklären Sie die Interpretation eines Disagios als vorausbezahlte Zinsen.

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3. Erstellen Sie den Tilgungs- und Zinszahlungsplan sowie die Gleichung zur Berechnung des Effektivzinssatzes (ohne diesen zu berechnen) eines Bankkredits mit folgenden Konditionen: Kreditbetrag: 400.000 DM; Auszahlungsbetrag: 390.000 DM; Vertragsdauer: 1.1.1996 bis 31.12.2000; Annuitätentilgung in vier Raten jeweils am Ende der Jahre 1997 bis 2000. Der Nominalzinssatz ist über die gesamte Vertragslaufzeit auf 8,5% p. a. festgeschrieben. 4. Berechnen Sie den Effektivzinssatz für einen Kontokorrentkredit mit einem Nominalzinssatz von 9,5% p. a. bei vierteljährlicher Zinsabrechnung jeweils zum Quartalsende. 5. Weshalb sind Steuern bei der Beurteilung von Finanzierungsalternativen zu berücksichtigen? 6. Erläutern sie kurz, welche Steuerwirkungen hauptsächlich die Kapitalkosten beeinflussen.

4.3 Risiko 4.3.1 Definition Risiko ist allgemein gesprochen die Möglichkeit, daß tatsächliche Ereignisse von erwarteten (geplanten) Ereignissen abweichen. Demnach bedeutet Risiko sowohl günstige als auch ungünstige Abweichungen der Wirklichkeit von einem Plan. Für unsere speziellen Zwecke ist zwischen finanzwirtschaftlichem Risiko (kurz: Finanzierungsrisiko) und investitionswirtschaftlichem Risiko (kurz: Investitionsrisiko) zu unterscheiden. Risiko

~~ Investitionsrisiko

Finanzierungsrisiko

Finanzierungsrisiko ist die Möglichkeit, daß tatsächliche Zahlungen von erwarteten (geplanten) Zahlungen einer Finanzierung in bezug auf Betrag und/oder Zeitpunkt abweichen. Typische Finanzierungsrisiken sind: - unerwartete Kündigung eines Kredits durch den Kreditgeber; - unerwartete Änderung des Kreditzinssatzes (z. B. bei Kontokorrentkredit, Diskontkredit, variabel verzinslicher Anleihe- sog. Floating Rate Note-, Langfristkredit ohne Zinssatzfestschreibung); - unerwartete Ablehnung einer Verlängerung der Laufzeit eines Finanzierungsvertrags durch den Kapitalgeber; -unerwartete Einlagen/Entnahmen der/s Unternehmenseigentümer/s (z. B. infolge Erbschaft, Schenkung, Lotteriegewinn, Scheidung, Gesellschafterabfindung). 75

Investitionsrisiko ist die Möglichkeit, daß die einem Investitionsobjekt (z. B. Gebäude, Fahrzeug, Maschine, EDV-Software) zugeordneten Zahlungen (= Objektzahlungen) betraglieh und/oder terminlieh von den Planwerten abweichen können (z. B. Ist-Umsätze< Plan-Umsätze :::::> Ist-Kundenzahlungen < Plan-Kundenzahlungen). Zur Minderung des Finanzierungsrisikos sind Dauer und Umfang der Kapitalüberlassung auf Dauer und Umfang der Kapitalbindung im Investitionsobjekt abzustimmen. Die Kapitalrückzahlungen (insbesondere Kredittilgungen) und die an die Kapitalgeber zu leistenden Kapitalnutzungsentgelte (insbesondere Kreditzinsen) sollten so vereinbart werden, daß sie aus den Einzahlungen des finanzierten Investitionsobjekts (z. B. Sattelzug eines Speditionsunternehmens) oder einer Gesamtheit wirtschaftlich zusammengehöriger Investitionsobjekte (z. B. Fabrikgebäude mit Produktionsanlage) erwirtschaftet werden können. Daraus folgt: Investitionsobjekte des Anlagevermögens (z. B. Lagerhalle mit Lagereinrichtung, Maschinen, Beteiligungen) sind langfristig zu finanzieren, ebenso Sockelbestände an Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffen, Waren und Forderungen, da sie faktisch eine langfristige Kapitalbindung bewirken. Die bilanzielle Klassifizierung der Aktiva in Anlage- und Umlaufvermögen bietet einen Anhaltspunkt flir die Fristigkeit der Kapitalbindung. Grundsätzlich gilt: Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sollen langfristig finanziert sein, Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens können kurzfristig finanziert sein. Einschränkend ist zu beachten, daß beispielsweise Waren für nur relativ kurze Zeit (z. B. zwei Wochen zwischen Bezug vom Lieferanten und Lieferung an Kunden) im Unternehmen verweilen und somit - isoliert betrachtet mit ebenso sehr kurzfristig zur VerfUgung stehenden Finanzmitteln finanziert werden können. Jedoch sind zur Aufrechterhaltung der Lieferbereitschaft des Unternehmens abgehende Waren unverzüglich durch Warenbezüge zu ersetzen, die ebenfalls finanziert werden müssen, d. h. das in einem Waren-Sockelbestand gebundene Kapital muß faktisch langfristig zur VerfUgung stehen, um die Finanzierung dieses Warenbestands zu gewährleisten.

4.3.2 Risiko und Finanzierungsverträge In Finanzierungsverhandlungen spielt das Risiko des Kapitalgebers, sein dem Unternehmen überlassenes Kapital und das vereinbarte Kapitalnutzungsentgelt (z. B. Zinsen, Dividenden) nicht oder nicht vollständig (zurück) zu erhalten, eine entscheidende Rolle. Ferner stellt sich die Frage, ob ein Kapitalgeber flir Verluste des Kapitalnehmers, die das von ihm überlassene Kapital übersteigen, haftet. In Abhängigkeit von der Art der Finanzierung - Eigen- oder Fremdfinanzierung - bestehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Minderung oder Kompensation des Verlustrisikos des Kapitalgebers. Eigenfinanzierung: -Minderung/Beschränkung des Verlustrisikos des Kapitalgebers durch Wahl einer haftungsbeschränkenden Gesellschafterposition (z. B. Kommanditist: Begrenzung der

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Haftung auf seine im Handelsregister eingetragene Haftsummes I; Stiller Gesellschafter mit Verlustbeteiligung: Begrenzung der Haftung auf seine im Gesellschaftsvertrag bezifferte Einlage52; - "Belohnung" der Übernahme eines im Vergleich zu anderen Gesellschaftern höheren Verlustrisikos (z. B. Komplementär einer Kommanditgesellschaft: unbegrenzte Haftung B Kommanditist: begrenzte Haftung) durch Vereinbarung eines bevorrechtigten oder höheren Gewinnanteils zugunsten des Gesellschafters mit dem höheren Verlustrisiko (hier: Komplementär). Diesem Gesellschafter stehen auch weitergehende Mitsprache- und Informationsrechte zu (Komplementär: Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis53, Kommanditist: weder Geschäftsführungs- noch Vertretungsbefugnis54). Fremdfinanzierung: Ein Fremdkapitalgeber hat im Regelfall kein Recht auf Mitsprache bei der Führung des Unternehmens des Kreditnehmers. Zwar wird üblicherweise der Verwendungszweck eines Kredits im Kreditvertrag festgelegt (z. B. Kauf eines Grundstücks und Errichtung eines Bürogebäudes), doch schützt eine derartige Zweckbindung nicht vor einer Fehlinvestition. Falls das Investitionsobjekt keine (ausreichenden) Einzahlungen erwirtschaftet, können Zins- und Tilgungszahlungen nicht vereinbarungsgemäß geleistet werden, so daß der Fremdkapitalgeber letztlich Verluste erleiden kann. Aufinstrumente zur Begrenzung des Zinsänderungsrisikos (z. B. durch Swap-Vereinbarungen) und des Laufzeitrisikos (z. B. durch Roll-over-Kredite) kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Fremdkapitalgeber, insbesondere Kreditinstitute, haben ein komplexes Prüfverfahren zur Unterstützung von Kreditvergabeentscheidungen entwickelt, das sich in die Komponenten Kreditfähigkeitsprüfung und Kreditwürdigkeitsprüfung gliedert.

-------- --------/ Kreditvergabeprüfung

Kreditfähigkeitsprüfung

Kreditwürdigkeitsprüfung

Sachliche Kreditwürdigkeit

~ Persönliche Kreditwürdigkeit

51 Vgl. § 172 Abs. I HGB.

52 Vgl. § 232 Abs. 2 HGB. 53 Vgl. § 161 Abs. 2 iVm §§ 54 Vgl. §§ 164, 170 HGB.

114, 125 HGB.

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Kreditfähigkeit ist die Eigenschaft einer Person, einen Kreditvertrag rechtswirksam schließen zu können. Hierzu sind im wesentlichen die Geschäftsfähigkeit und gegebenenfalls die Vertretungsmacht des Verhandlungspartners (Kreditnehmers) zu prüfen. Kreditwürdigkeit: - Persönliche Kreditwürdigkeit: Bewertung bestimmter Eigenschaften des Kreditantragstellers (z. B. Vorstrafen, Referenzen, Ausbildung, Berufserfahrung; bei Kapitalgesellschaften wird die Qualifikation insbesondere der Führungskräfte geprüft); - sachliche Kreditwürdigkeit: Analyse der Vermögens- und Ertragslage des Kreditnachfragers sowie dessen Liquiditätssituation anhand von Planungsrechnungen, d. h. die sachliche Kreditwürdigkeitsprüfung ist zukunftsorientiert. Angesichts der Planungsunsicherheit dienen als Grundlage eventuelle Jahresabschlüsse des Kreditnachfragers, die isoliert analysiert und einem Branchenvergleich unterzogen werden. Die Erfahrung zeigt, daß eine enge Korrelation zwischen den Größen Eigenkapitalquote und Cash flow einerseits und der Konkursanfälligkeit eines Unternehmens andererseits besteht. Bei Neugründungen wird eine detaillierte Darstellung des Unternehmenskonzepts mit ausführlichen, etwa drei Jahre umfassenden Planungsrechnungen (z. B. Marktentwicklungs-, Umsatz-, Personal-, Kosten-, Finanzplan mit Plan-Bilanzen und Plan-GuV-Rechnungen) verlangt. 55 Als aktuelle Entwicklung verdient die Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei der Kreditvergabe Akzeptanz. 56 Vom Ergebnis der Kreditwürdigkeitsprüfung hängt es ab, ob ein Kredit nicht oder nur unter Stellung sog. Kreditsicherheiten oder ohne Kreditsicherheiten (Blankokredit) gewährt wird. Betriebswirtschaftliche Anforderungen an Kreditsicherheiten: - Werthaltigkeit, d. h. im Insolvenzfall des Unternehmens soll der Erlös aus der Verwertung des Sicherungsobjekts (= Kreditsicherheit) die Tilgung des Restkredits, die Zahlung eventueller Zinsrückstände und sonstiger Kreditkosten einschließlich der Rechtsberatungs- und Gerichtskosten erlauben. Der Unsicherheit bezüglich der künftigen Wertentwicklung des Sicherungsobjekts (z. B. Immobilie, Maschinenpark, Fahrzeuge, Warenbestand) wird durch einen Abschlag von dessen im Zeitpunkt der Kreditvergabe geltenden Verkehrswert auf die sog. Beleihungsgrenze Rechnung getragen; -rasche Verwertbarkeit, d. h. der Kapitalgeber bevorzugt solche Kreditsicherheiten, die innerhalb kurzer Zeit liquidiert werden können und somit seine Zahlungsansprüche zeitnah erfüllen können. Dieser zeitliche Aspekt ist wesentlich für die Liquidität des Kapitalgebers, um seinerseits Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, und verhindert, daß dem Schuldnerunternehmen weitere Zahlungsverzugskosten (insbesondere Zinsen) belastet werden; 55 56

Siehe Abschnitt 9.1.1. Siehe die Monographie von Keidel, Thomas, Die Prilfung von Umweltrisiken in der Kreditwilrdigkeitsprüfung, hrsg. vom Verband öffentlicher Banken, Bonn 1993.

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- geringe Kosten für die Bestellung der Kreditsicherheit (z. B. Notar- und Gerichtsgebühren bei Bestellung eines Grundpfandrechts), für die gegebenenfalls erforderliche Verwahrung des Sicherungsobjekts (z. B. im Fall der Verpfändung von Wertpapieren) und für die Aufhebung der Kreditsicherheit (z. B. Notar- und Gerichtsgebühren für die Löschung eines Grundpfandrechts). Im folgenden werden einige in der Finanzierungspraxis verbreitete Kreditsicherheiten schematisiert und kurz erläutert:

---- --Ausgewählte Kreditsicherheiten

Personalsicherheiten

Realsicherheiten (Dingliche Sicherheiten)

-----

Mobiliarsicherheiten Immobiliarsicherheiten Rechte Bürgschaft

Eigentumsvorbehalt

Hypothek

Sicherungsabtretung

Pfandrecht

Grundschuld

Pfandrecht

Sicherungsübereignung

Abb. 21: Ausgewählte Kreditsicherheiten

Personalsicherheiten: Bei einer Personalsicherheit haftet eine dritte Person für Tilgung und Verzinsung des Kredits im Fall der Nichterfüllung des Kreditvertrags seitens des Kreditnehmers. Eine Bürgschaft(§§ 765 ff. BGB) ist ein Vertrag, in dem sich ein Dritter- der Bürgegegenüber dem Kreditgeber verpflichtet, für die Tilgung und Verzinsung des Kredits zu haften. Der Haftungsumfang bemißt sich nach der jeweiligen Kreditschuld zuzüglich geschuldeter Zinsen und eventuell weiterer Kosten, die der Kreditgeber in Rechnung stellen darf (z. B. Kontoführungskosten, Provisionen). In Höhe der Zahlungen, die der Bürge anstelle des Kreditnehmers an den Kreditgeber leistet, erwirbt er eine Forderung (sog. Regreßanspruch) an den Kreditnehmer. Kreditinstitute verlangen in der Regel eine Selbstschuldnerische Bürgschaft, d. h. die Bank kann im Fall des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers unmittelbar den Bürgen auf Zahlung in Anspruch nehmen (verklagen), ohne nachweisen zu müssen, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Kreditnehmers betrieben und daraus keine oder nur teilweise Befriedigung ihrer Ansprüche erlangt zu haben. Der Bürge verzichtet bei dieser Bürgschaftsform auf die Einrede der Vorausklage. Andernfalls spricht man von einer Ausfallbürgschaft, d. h. der Bürge hat die Bank nur insoweit zu befriedigen, als diese

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durch Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Kreditnehmers keine oder nur teilweise Erfüllung ihrer Ansprüche erreichen konnte. Tritt eine Kapitalgesellschaft (oder eine Personengesellschaft mit keiner natürlichen Person als Komplementär - z. B. GmbH & Co KG mit einer GmbH als einzigem Komplementär) als Kreditnehmer auf, verlangt die Bank meist eine Selbstschuldnerische Bürgschaft von mindestens einem Gesellschafter, der eine natürliche Person ist, soweit die GmbH keine hinreichenden Sicherheiten ftir den Kredit stellen kann. Die gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung des bürgenden Gesellschafters im Verhältnis zum Kreditgeber wird damit faktisch durchbrochen. Realsicherheiten: Durch Vereinbarung einer Realsicherheit tritt neben den schuldrechtlichen Anspruch des Kreditgebers aus dem Kreditvertrag ein sachenrechtlicher (=dinglicher) Anspruch. Mobiliarsicherheiten: -Eigentumsvorbehalt(§ 455 BGB): Ein Eigentumsvorbehalt wird routinemäßig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Lieferungen mit Vereinbarung eines Zahlungsziels (Lieferantenkredit) vereinbart. Der Käufer(= Kreditnehmer) erwirbt erst in dem Zeitpunkt das Eigentum an der gelieferten Sache, in dem der Kaufpreis restlos bezahlt ist. Vor diesem Zeitpunkt hat der Lieferant als Eigentümer das Recht, Herausgabe der gelieferten Sache zu verlangen. -Pfandrecht(§ 1204 BGB): Die Bestellung eines Pfandrechts an einer beweglichen Sache erfolgt durch Einigung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer oder einer dritten Person als Eigentümerin der Sache und Übergabe der Sache an den Kreditgeber. Das gesetzliche Erfordernis der Übergabe der Sache, die als Pfand dienen soll, schließt die Verpfändung solcher Sachen, die der Kreditnehmer zum Betreiben seines Unternehmens braucht (insbesondere Maschinen, Waren, Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffe), faktisch aus. Auch für den Kreditgeber als Pfandgläubiger kann ein Pfandrecht als Kreditsicherheit angesichtsder Kosten ftir die Verwahrung des Pfands nicht unbedingt attraktiv sein. - Sicherungsübereignung: Die Sicherungsübereignung ist gesetzlich nicht speziell geregelt. In der Praxis hat sie jedoch Bedeutung, weil sie - im Gegensatz zum Pfandrecht - die Übergabe des Sicherungsobjekts nicht erfordert. Der Kreditnehmer oder eine dritte Person als Eigentümerin übereignet die als Kreditsicherheit dienende Sache dem Kreditgeber. Jedoch unterbleibt die Übergabe des Sicherungsobjekts (z. B. der Fertigungsanlage, des Lkw), da der Kreditnehmer das Sicherungsobjekt nutzen soll, um daraus unter anderem auch jene Einzahlungen zu erwirtschaften, die zur Tilgung und Verzinsung des Kredits dienen. Die Übergabe des Sicherungsobjekts an den Kreditgeber wird durch die unentgeltliche Verwahrung des Sicherungsobjekts im Auftrag des Kreditgebers durch den Kreditnehmer ersetzt. Eine besondere Gefahr ftir den Kreditgeber besteht darin, daß der Kreditnehmer das Sicherungsobjekt unberechtigt veräußert oder nicht sorgfältig behandelt und es dadurch in seinem Wert gemindert wird.

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Immobiliarsicherheiten: Die Bestellung eines sog. Grundpfandrechts (Hypothek, Grundschuld) erfolgt durch Einigung zwischen Kreditgeber und Grundstückseigentümer (= Kreditnehmer oder dritte Person) und Eintragung des Grundpfandrechts im Grundbuch. Kommt der Kreditnehmer seinen kreditvertraglichen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur zum Teil nach, ist der Kreditgeber berechtigt, das Grundstück (durch Zwangsversteigerung) zu verwerten. Ein Kreditgeber ist bestrebt, im Grundbuch an erster Stelle in der Reihenfolge der Grundpfandrechtsgläubiger zu stehen (sog. erstrangige Grundschuld/Hypothek), da er dann der Erste unter allen Grundpfandrechtsgläubigem ist, der seine Zahlungsansprüche aus dem Grundstücksveräußerungserlös vollständig erfiillt erhält, falls der Grundstücksveräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten (z. B. Gerichtskosten) hierzu ausreicht. Dem Kreditnehmer ist zu empfehlen, ein erstrangiges Grundpfandrechtangesichts dessen Wertigkeit einem wichtigen Gläubiger vorzubehalten und nicht sämtliche Grundstücke belasten zu lassen, wenn zur Besicherung eines Kredits die Belastung eines Teils des Grundvermögens ausreicht. -Hypothek(§§ 1113 ff. BGB): Eine Hypothek ist die Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß an den Hypothek-Gläubiger ein bestimmter Geldbetrag aus der Verwertung des belasteten Grundstücks zwecks Erfiillung einer ihm zustehenden Forderung zu zahlen ist. Die Hypothek gehört nur so lange dem Kreditgeber, wie dessen Forderung existiert (akzessorischer Charakter der Hypothek). Nach Wegfall der Forderung erwirbt der Grundstückseigentümer die Hypothek (sog. Eigentümerhypothek). -Grundschuld(§§ 1191 ff. BGB): Eine Grundschuld ist die Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß an den Grundschuld-Gläubiger ein bestimmter Geldbetrag aus der Verwertung des belasteten Grundstücks zu zahlen ist. Im Unterschied zur Hypothek gehört eine Grundschuld auch nach vollständiger Kredittilgung dem Grundschuld-Gläubiger (hier: Kreditgeber), der als solcher im Grundbuch eingetragen ist. Die Grundschuld ist deshalb zur Besicherung mehrerer aufeinanderfolgender Finanzierungen mit derselben Person als Kreditgeber geeignet (abstrakter Charakter der Grundschuld). Die Verknüpfung zwischen der Grundschuld und dem (den) durch sie besicherten Kredit(en) wird durch eine Zweckbestimmungserklärung hergestellt, in der beschrieben ist, fiir welche(n) Kredit( e) die Grundschuld als Sicherheit dient. Häufig läßt sich die kreditgebende Bank eine Zweckbestimmungserklärung unterschreiben, die sämtliche gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Bank aus Bankgeschäften mit dem Kreditnehmer umfaßt. In diesem Fall wird die Bank mit der Löschung der ihr zustehenden Grundschuld nur einverstanden sein, wenn der Kreditnehmer sämtliche Verpflichtungen ihr gegenüber vollständig erfüllt hat. Dem Kreditnehmer ist bei der Abgabe weitreichender Zweckbestimmungserklärungen Zurückhaltung zu empfehlen. Eine Sonderform stellt die Eigentümergrundschuld dar: eine Grundschuld, die der Grundstückseigentümer für sich bestellt und die zur Kreditbesicherung an den Kreditgeber abgetreten werden kann. Aus dem Grundbuch ist in diesem Fall nicht ersieht-

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lieh, ob überhaupt eine Verbindlichkeit durch Abtretung der Grundschuld besichert ist und wer gegebenenfalls der Kreditgeber ist. Rechte als Sicherheiten: - Sicherungsabtretung: Der Sicherungsübereignung beweglicher Sachen entspricht ftir Rechte die Sicherungsabtretung. In der Praxis werden häufig Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und aus Lebensversicherungsverträgen, die zum Zweck der Kredittilgung abgeschlossen werden, abgetretenY Die Abtretung erfolgt durch Einigung zwischen dem Inhaber des Rechts(= Zedent) und dem Kreditgeber (=Zessionar) aufzweierlei Weise. Bei der stillen Zession wird die Abtretung dem Schuldner (z. B. bei Forderung aus Warenlieferung: dem Kunden) nicht angezeigt. Der Schuldner kann - wie bisher - mit schuldbefreiender Wirkung an den Zedenten (=ursprünglicher Gläubiger) leisten. Bei der offenen Zession wird die Abtretung dem Schuldner angezeigt. Der Schuldner kann mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Zessionar(= neuer Gläubiger) leisten. - Pfandrecht: Ein Pfandrecht an einer Forderung wird durch Einigung zwischen dem Forderungsinhaber (in der Regel: Kreditnehmer) und dem Kreditgeber und Anzeige der Verpfändung an den Schuldner des Kreditnehmers (vgl. § 1280 BGB) bestellt.

4.3.3 Insolvenzrechtliche Aspekte Die fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsleben setzt voraus, daß ein Unternehmen seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen kann. Ist es hierzu nicht (mehr) imstande, werden insolvenzrechtliche Maßnahmen - Vergleichs- oder Konkursverfahren, in den neuen Bundesländern: Gesamtvollstreckungsverfahren - durch Beschluß des Vergleichsbzw. Konkursgerichts eingeleitet. Voraussetzung ftir die Eröffnung dieser Verfahren ist die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Unternehmens. Zahlungsunfähigkeit ist nicht gesetzlich definiert, sondern in § 102 Abs. 2 KQ58 nur beispielhaft skizziert: "Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn Zahlungseinstellung erfolgt ist." Aus der BGH-Rechtsprechung hat sich im Lauf der Zeit folgende Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit herausgebildet: Zahlungsunfähigkeit ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, andauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden im wesentlichen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit ist der allgemeine Insolvenztatbestand, weil er sowohl ftir Unternehmen, unabhängig von deren Rechtsform, als auch ftir Privatpersonen gilt. Beachte zur steuerschädlichen Abtretung von Forderungen aus Lebensversicherungsverträgen im Rahmen der Unternehmensfinanzierung § 10 Abs. 2 S. 2 EStG. 58 Konkursordnung vom I 0.2.1877 in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.5.1898, zuletzt geändert durch Gesetz zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze vom 25.7.1994, BGBI. I S. 1744.

57

82

Insolvenztatbestände gemäß Konkurs- und Vergleichsordnung

Zahlungsunfähigkeit Gilt fiir alle Unternehmen und Privatpersonen

--------

Überschuldung

Gilt insbesondere für Kapitalgesellschaften und für Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist

Überschuldung ist ein eigenständiger Insolvenztatbestand, der gleichzeitig mit der Zahlungsunfähigkeit, aber auch isoliert gesehen erfüllt sein kann. Für die Überschuldung formulierte der Gesetzgeber in mehreren Gesetzen eine gleichlautende Legaldefinition: Überschuldung existiert," ... wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt"S9. Die Überschuldung gilt als Insolvenztatbestand nicht für Privatpersonen. Im Unternehmenssektor gilt sie vor allem für folgende Rechtsformen: Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA); OHG oder KG, bei der kein Komplementär eine natürliche Person ist - insbesondere die "klassische" GmbH & Co KG -, es sei denn, wenigstens ein Komplementär ist eine andere OHG oder KG mit einer natürlichen Person als Komplementär; Genossenschaften in Abhängigkeit von der Nachschußpflicht der Genossen. Gemäß BGH-Rechtsprechung60 setzt die Überschuldung voraus, daß zwei Bedingungen gleichzeitig erftillt sind: - Unternehmensvermögen bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung eventuell bestehender stiller Rücklagen < Schulden unter Einbeziehung eventuell bestehender stiller Lasten (rechnerische Überschuldung) und - Finanzkraft des Unternehmens reicht nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig zur Fortführung des Unternehmens nicht aus (Überlebens- oder Fortbestehenshypothese ). Die Überschuldung ist nicht anhand einer Handelsbilanz gemäß § 266 HGB, sondern durch Aufstellung eines Überschuldungsstatus zu berechnen. Der Überschuldungsstatus dient allein dem Zweck, die wirklichen Werte zu ermitteln, die im Konkursfall aller § 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 64 Abs. I S. 2 GmbHG; vgl. § 98 Abs. I Nr. 2 Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.8.1994, zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994, BGBI. I S. 3210. 60 Vgl. BGH-Urteil vom 13.7.1992, in: Der Betrieb, H. 40, 2.10.1992, S. 2022- 2025.

59

83

Erwartung nach tatsächlich für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stünden. Die für die unter der Annahme der Unternehmensfortführung (going concern) aufgestellten Handelsbilanzen geltenden Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften sind für den Überschuldungsstatus irrelevant. (Der BGH lehnte explizit zwar nur die Anwendbarkeit des § 248 Abs. 2 HGB ab, doch kann für die übrigen Vorschriften nichts anderes gelten.) Somit ist die Überschuldung unter Zugrundelegung der im Fall einer Veräußerung der Vermögensgegenstände zu erzielenden Erlöse zu messen. Ein Konkurs- oder Vergleichsverfahren kann auf Antrag eröffnet werden: Der Geschäftsführer einer GmbH, der Vorstand einer AG, KGaA oder eG und der Geschäftsführer einer OHG oder KG, bei der kein Komplementär eine natürliche Person ist, es sei denn, wenigstens ein Komplementär ist eine andere OHG oder KG mit einer natürlichen Person als Komplementär, sind verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen. Wird ein Unternehmen in der Rechtsform des Einzelkaufmanns oder der Personengesellschaft (ausgenommen OHG und KG im obigen Sinn) geführt, kann die Unternehmensleitung im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens beantragen. Jeder Gläubiger ist berechtigt, im Fall der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung seines Schuldners die Eröffnung des Konkursverfahrens über dessen Vermögen zu beantragen. Ein Gläubiger ist jedoch nicht berechtigt, die Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen seines Schuldners zu beantragen; diese Möglichkeit steht ausschließlich dem Schuldner offen.

Beantragung der Verfahrenseröffnung durch ... Unternehmensleitung - Kapitalgesellschaften, eG und Personengesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter - übrige Unternehmensrechtsformen Gläubiger

Konkursantrag

Vergleichsantrag

Antragspflicht

Antragspflicht

Antragswahlrecht

Antragswahlrecht

Antragswahlrecht

Antragsverbot

Abb. 22: Beantragung eines Konkurs- bzw. Vergleichsverfahrens

Konkursverfahren: Mit Eröffnung des Konkursverfahrens gehen das Verwaltungs- und Verfügungsrecht bezüglich des Schuldnervermögens auf den vom Konkursgericht bestellten Konkurs-

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verwalter über. Diese Zwangsmaßnahme soll den Schuldner hindern, sein noch vorhandenes Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, einzelne Gläubiger im Verhältnis zu den übrigen Gläubigem zu begünstigen (insbesondere durch selektive Erfüllung von Forderungen bestimmter Gläubiger) oder die Position vorhandener Gläubiger durch Hinzutreten neuer Gläubiger (etwa durch Weiterführung des Unternehmens ohne Hinweis auf das laufende Konkursverfahren) zu verschlechtem sowie neue Gläubiger zu schädigen. Die Konkursordnung schreibt eine Rangfolge vor, in der die Gläubiger zwingend zu befriedigen sind. Diese Rangfolge ist im folgenden vereinfacht wiedergegeben:

+/-

+

vom Konkursverwalter in Besitz genommenes Vermögen(§ II7 Abs. I KO) Vermögensänderungen infolge (Nicht-)Erfüllung zweiseitiger Verträge (§ I7 Abs. 1 KO) Vermögenszugänge infolge Anfechtung durch Konkursverwalter(§§ 29 ff. KO) Aussonderungen(§§ 43 ff. KO) Konkursmasse im Sinn des § I Abs. I KO Absonderungen(§§ 47 ff. KO) Aufrechnungen (§§ 53 ff. KO) Massekosten und Masseschulden in dieser Rangfolge(§§ 57 ff. KO): I. Verpflichtungen aus Geschäften/Handlungen des Konkursverwalters und aus (anderen) zweiseitigen Verträgen 2. Gerichtskosten für das Konkursverfahren und Ausgaben für Verwaltung, Verwertung und Verteilung des Vermögens 3. Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern, Handelsvertretern, Betriebsrentnem, Sozialversicherungsträgem usw. aus den letzten 6 Monaten vor Eröffnung des Konkursverfahrens und Verpflichtungen aus rechtloser Bereicherung 4. Unterstützung des Gemeinschuldners und dessen Familie Konkursmasse im Sinn des § 3 Abs. 1 KO (=der den Konkursgläubigem zustehende Teil der Konkursmasse) bevorrechtigte Konkursforderungen in dieser Rangfolge(§§ 61 ff. KO): I. Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern, Handelsvertretern, Betriebsrentnem, Sozialversicherungsträgem usw. aus dem letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens, soweit diese keine Masseschulden sind 2. öffentliche Abgaben, die im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens fallig geworden sind 3. Verpflichtungen gegenüber Kirchen, Schulen, öffentlichen Verbänden usw. aus dem letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens 4. Verpflichtungen gegenüber (Tier-)Ärzten, Apothekern usw. wegen Kur- und Pflegebehandlung aus dem letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens 5. Verpflichtungen gegenüber Kindern, Mündeln usw. alle übrigen Konkursforderungen

Abb. 23: Gläubigerrangfolge im Konkursverfahren

85

Von den im Schema genannten Rechtsbegriffen seien zwei wegen ihrer herausragenden Bedeutung in der Finanzierungspraxis kurz erläutert: Ein aussonderungsberechtigter Gläubiger kann vom Konkursverwalter die Herausgabe der ihm als Eigentümer bzw. Inhaber gehörenden Sachen und Rechte, die sich im Besitz des Schuldnerunternehmens befinden, verlangen. Beispiele: Leasinggesellschaft kann Herausgabe von Maschinen und Fahrzeugen, die sie an das Schuldnerunternehmen verleast hat, verlangen; Lieferant kann unter Eigentumsvorbehalt an das Schuldnerunternehmen gelieferte Sachen herausverlangen. Aussonderungsberechtigte Gläubiger nehmen am Konkursverfahren nicht teil und können ihre Herausgabeansprüche sofort geltend machen, d. h. sie brauchen damit nicht bis zum Abschluß des Konkursverfahrens zu warten. Ein absonderungsberechtigter Gläubiger, dem ein Recht (z. B. Grundschuld, Hypothek, Pfandrecht an einer beweglichen Sache oder einem Recht, Sicherungseigentum) an einer/einem dem Schuldnerunternehmen gehörenden 61 Sache/Recht zusteht, kann vom Konkursverwalter die Verwertung dieser Sache bzw. dieses Rechts verlangen und den Verwertungserlös - soweit er zur Deckung seiner Forderung benötigt wird - für sich beanspruchen. Auch das Absonderungsrecht wird außerhalb des Konkursverfahrens geltend gemacht. Der Konkursverwalter ist berechtigt, die Verwertung der belasteten Sache/des belasteten Rechts selbst vorzunehmen. Kreditgeber - insbesondere Banken - machen die Gewährung eines Kredits oftmals von der Einräumung sog. Kreditsicherheiten6 2 abhängig, die ihnen im Fall der Insolvenz des Schuldnerunternehmens den Status absonderungsberechtigter Gläubiger verleihen. Die Erfahrung zeigt nämlich, daß die Konkursmasse in der Regel bei weitem nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen. Die Konkursquote - das ist der Prozentsatz, zu dem die in keiner Weise bevorrechtigten Gläubiger6 3 ihre Ansprüche erflillt erhalten- betrug im Jahr 1995 weniger als 10% (eine Forderung in Höhe von 100 DM wird demnach zu weniger als 10 DM erflillt). 64 In rund 75% aller Insolvenzfälle lehnten die Konkursgerichte die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse ab oder stellten ein Konkursverfahren mangels Masse ein, d. h. das Schuldnervermögen reichte nach Auffassung der Gerichte nicht einmal zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens aus. Die Verluste der privaten Gläubiger beliefen sich auf rund 30 Mrd DM, dazu kommt etwa die gleiche Summe an Forderungsausfällen flir den Fiskus und die Sozialversicherungsträger in Form von entgangenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, Konkursausfallgeld und Unterstützung der infolge der Konkurse arbeitslos gewordenen Beschäftigten. Für 1996 wird mit ca. 25.000 Unternehmenskonkursen gerechnet - 11 % mehr als 1995.

61 Sicherungseigentum berechtigt "nur" zur Absonderung - nicht zur Aussonderung -, obwohl der Gläubiger Eigentümer des Sicherungsobjekts ist. Siehe Abschnitt 4.3.2. 63 In Abbildung 23: "alle übrigen Konkursforderungen". 64 V gl. hierzu und zum folgenden Handelsblatt, Nr. 6, 9.1.1996, S. 13. 62

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1991 Alte Bundesländer Neue Bundesländer Gesamt

1992

1993

1994

1995

8.445

9.828

12.821

14.913

16.500

392

1.092

2.327

3.911

5.600

8.837

10.920

15.148

18.824

22.100

Tab. 9: Untemehmensinsolvenzen in Deutschland, in: Handelsblatt, Nr. 6, 9.1.1996, S. 13

Vergleichsverfahren: Ein Vergleichsverfahren hat den Zweck, die Eröffnung des (strengeren) Konkursverfahrens abzuwenden, um in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Schuldnern eine Besserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und damit die Untemehmensfortfiihrung zu ermöglichen. Das in der Vergleichsordnung 6 5 kodifizierte Vergleichsverfahren findet vor dem Vergleichsgericht statt. Die Praxis kennt darüber hinaus den außergerichtlichen Vergleich. -(Gerichtliches) Vergleichsverfahren: Der Antrag auf Eröffnung eines Vergleichsverfahrens kann nur vom Schuldner gestellt werden. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens ist ein Vergleichsantrag nicht mehr zulässig. Der Vergleichsantrag muß einen Vergleichsvorschlag enthalten: der Schuldner muß darin anbieten, die Forderungen der Vergleichsgläubiger zu mindestens 35% (sog. Vergleichsquote) der tatsächlichen Forderungsbeträge durch Barzahlung innerhalb eines Jahres zu erfiillen. Wünscht der Schuldner eine Zahlungsfrist von länger als einem Jahr ab dem Zeitpunkt der Bestätigung des Vergleichs durch das Vergleichsgericht, muß er eine Vergleichsquote von mindestens 40 % anbieten. Folgende Gläubiger nehmen am Vergleich nicht teil (d. h. ihre Forderungen bleiben in voller Höhe bestehen): - aussonderungsberechtigte Gläubiger; - absonderungsberechtigte Gläubiger (unter bestimmten Voraussetzungen); -Massegläubiger (siehe "Massekosten und Masseschulden" in Abbildung 23); -bevorrechtigte (Konkurs-)Gläubiger gern. § 61 Abs. 1 Nr. I bis 5 KO (siehe Abbildung 23). Vom Zeitpunkt der Eröffnung des Vergleichsverfahrens bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über den Abschluß des Vergleichsverfahrens rechtskräftig wird, ist die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen unzulässig. Das Vergleichsgericht kann dem Schuldner Verfiigungsbeschränkungen auferlegen. Über den Vergleichsvorschlag stimmen die Gläubiger im gerichtlichen Vergleichstermin ab. Der Vergleichsvorschlag ist angenommen, wenn

65

Vergleichsordnung vom 26.2.1935, zuletzt geändert durch Gesetz zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze vom 25.7 .1994, BGBI. I S. 1744.

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- die Mehrheit der im Vergleichstermin anwesenden stimmberechtigten Gläubiger einschließlich der schriftlich abstimmenden Gläubiger dem Vergleichsvorschlag zustimmt und -die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mindestens 75% der Forderungen aller stimmberechtigten Gläubiger beträgt. Liegt die angebotene Vergleichsquote unter 50%, muß die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mindestens 80% der Forderungen aller stimmberechtigten Gläubiger betragen. Der von den Gläubigem angenommene Vergleichsvorschlag bedarf der Bestätigung des Vergleichsgerichts. Im Versagungsfall ist von Amts wegen über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu entscheiden. Der Vergleich wirkt im Verhältnis zu allen Vergleichsgläubigem. - Außergerichtlicher Vergleich: Der Schuldner bittet den Gläubiger, ihm einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Stimmt der Gläubiger bedingungslos zu, kann er künftig nur noch den nicht erlassenen Teil seiner Forderungen erfiillt verlangen - auch dann, wenn später über das Schuldnervermögen das Vergleichs- oder Konkursverfahren eröffnet wird. Deshalb sollte ein Forderungsverzicht nur unter der Bedingung, daß der Schuldner den nicht erlassenen Teil der Forderung innerhalb einer im Erlaßvertrag vereinbarten Frist in bar bezahlt, erklärt werden. Daneben kann ein Forderungserlaß mit einer Besserungsklausel (in der Praxis häufig auch Besserungsschein genannt) verbunden werden mit der Wirkung, daß der erlassene Teil der Forderung auflebt, sobald sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners wie in der Besserungsklausel definiert gebessert hat.

Die Konkursordnung und die Vergleichsordnung werden mit Wirkung ab 1.1.1999 durch die Insolvenzordnung (Ins0)66 abgelöst. Künftig wird es ein einheitliches Insolvenzverfahren geben, die gegenwärtige Trennung von Konkurs- und Vergleichsverfahren ist dann obsolet. Das Insolvenzverfahren zielt auf die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung durch Sanierung oder Liquidation des Schuldneruntemehmens. 67 Die Insolvenzordnung nennt über die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung hinaus die drohende Zahlungsunfähigkeit als Grund fiir die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Zahlungsunfähigkeit bleibt auch im neuen Insolvenzrecht der allgemeine Insolvenztatbestand.68 Die oben zur Zahlungsunfähigkeit formulierten Aussagen gelten wei terhin.

66 Insolvenzordnung (InsO) vom 5.10.1994, BGBI. I S. 2866; Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGinsO) vom 5.10.1994, BGBI. I S. 2911.

67 Vgl. § I S. I InsO. 68 Vgl. § 17 Abs. I InsO.

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Insolvenztatbestände gemäß Insolvenzordnung Drohende Zahlungsunfähigkeit Gilt für alle Unternehmen und Privatpersonen

~

Zahlungsunfähigkeit Gilt fiir alle Unternehmen und Privatpersonen

Überschuldung

Gilt insbesondere fiir Kapitalgesellschaften und fiir Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist

Überschuldung bleibt wie bisher der rechtsformspezifische Insolvenztatbestand. 69 Grundsätzlich ist zunächst durch Aufstellung eines Überschuldungsstatus mit LiquidationswerteD zu prüfen, ob Überschuldung vorliegt. Falls nein, kann das Verfahren nicht eröffnet werden. Falls ja, hat das Gericht zu prüfen, ob die Fortführung des Schuldnerunternehmens "nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich" ist. 70 Bei negativer Fortfiihrungsprognose kann das Verfahren eröffnet werden. Bei positiver Fortfiihrungsprognose hat das Gericht zu prüfen, ob bei Ansatz von Fortführungswerten (Going-concem-Werte) Überschuldung besteht. Drohende Zahlungsunfähigkeit ist nur dann ein Insolvenztatbestand, falls der Eröffnungsantrag vom Schuldner gestellt wird.7 1 Ein Gläubiger ist zur Antragstellung unter Berufung auf drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht berechtigt. "Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen."72 Zur Prognose der Illiquidität ist der Finanzplan73 ein geeignetes Instrument. Bei Vorliegen der Eröffnungsgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gelten auch nach der Insolvenzordnung die gegenwärtig gemäß Konkursordnung maßgeblichen Schuldnerpflichten und Gläubigerrechte in bezug auf die Beantragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

69 Vgl. § 19 Abs. I u. 3 InsO. 70 Vgl. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO. 71 Vgl. § 18 Abs. I lnsO. 72 § 18 Abs. 2 InsO. 73 Siehe Kapitel 8.

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Beantragung der Verfahrenseröffnung durch ... Unternehmensleitung - Kapitalgesellschaften, eG und Personengesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter - übrige Unternehmensrechtsformen Gläubiger

Drohende Zahlungsunfahigkeit

Zahlungsunfähigkeit

Uberschuldung

Antragswahlrecht

Antragspflicht

Antragspflicht

Antragswahlrecht Antragsverbot

Antragswahlrecht Antragswahlrecht

irrelevant Antragswahlrecht

Abb. 24: Beantragung eines Insolvenzverfahrens gemäß Insolvenzordnung

Die Insolvenzordnung setzt den Insolvenzverwalter an die Stelle des Konkurs- bzw. Vergleichsverwalters. Der Insolvenzverwalter wird vom Insolvenzgericht emannt.7 4 Er kann von den Gläubigem in der ersten auf seine Bestellung folgenden Gläubigerversammlung durch eine andere Person ersetzt werden.7 5 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehen das Verwaltungs- und Verfügungsrecht bezüglich des Schuldnervermögens grundsätzlich auf den Insolvenzverwalter über.7 6 Für den Zeitraum zwischen der Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht und der Insolvenzverfahrenseröffnung kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen.7 7 Dadurch ist das Insolvenzgericht besser imstande, die ihm vom Gesetzgeber im Vorfeld des beantragten Insolvenzverfahrens auferlegte Pflicht zu erfüllen: " ... eine den Gläubigem nachteilige Veränderung in der VermögensJage des Schuldners zu verhüten." 78 Der vorläufige Insolvenzverwalter hat zumindest die Funktion eines Aufpassers, um Handlungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger zu verhindern. Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter durch ein allgemeines Verfügungsverbot zu Lasten des Schuldners weitestgehend ermächtigen, das Schuldnervermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. 79 In diesem Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Verfahrenseröffnungsantrag folgende Funktionen wahrzunehmen80:

Vgl. § 27 Abs. I InsO. "Zum Insolvenzverwalter ist eine flir den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigem und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen."(§ 56 Abs. l InsO) 75 Vgl. §57 InsO. 76 Vgl. § 80 Abs. I InsO. Das Insolvenzgericht kann auf Antrag des Schuldners diesem das Verwaltungsund Verfligungsrecht belassen und einen Sachwalter mit der Aufsicht über den Schuldner beauftragen (vgl. § 270 InsO). 77 Vgl. § 21 Abs. 2 Nr. I InsO. 78 § 21 Abs. I InsO. 79 Vgl. § 22 Abs. I S. I lnsO. 80 Vgl. § 22 Abs. I S. 2 InsO.

74

90

- Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens; - Fortfiihrung des Schuldnerunternehmens, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Vermögensminderung zu vermeiden; - Prüfung, ob das Schuldnervermögen die Kosten eines Insolvenzverfahrens voraussichtlich decken wird; -Prüfung als Sachverständiger, ob ein Grund zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegt (gemäß besonderem Auftrag des Insolvenzgerichts); - Prüfung als Sachverständiger, welche Aussichten für eine Unternehmensfortfiihrung bestehen (gemäß besonderem Auftrag des Insolvenzgerichts). Durch Beauftragung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens kann das Insolvenzgericht die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung verzögern und somit die Perspektive für eine Sanierung des Unternehmens tendenziell verbessern. Verzichtet das Insolvenzgericht darauf, dem Schuldner ein allgemeines Verfiigungsverbot aufzuerlegen, werden die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht definiert.S 1 In diesem Fall dürfen die Verwalterpflichten jedoch nicht über den oben aufgelisteten Pflichtenkatalog des§ 22 Abs. I S. 2 InsO hinausgehen. 82 Deckt das Schuldnervermögen die Verfahrenskosten voraussichtlich nicht und wird nicht ein ausreichender Geldvorschuß gezahlt, weist das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag mangels Masse ab. 83 Andernfalls wird das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter ernannt. Der Insolvenzverwalter übt im wesentlichen folgende Funktionen aus: - Sofortige Übernahme des gesamten zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens in Besitz und Verwaltung84; - Aufstellung eines Verzeichnisses der einzelnen zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenständemit Angabe deren Werte, gegebenenfalls differenziert in Fortführungs- und Liquidationswerte85; -Aufstellung eines Verzeichnisses der Gläubiger mit Anspruchsgründen und Forderungsbeträgen sowie gesonderter Angabe der absonderungsberechtigten und nachrangigen Insolvenzgläubiger. 86 Jene Vermögensgegenstände, auf die Aussonderungsansprüche erhoben werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse mit der Folge, daß aussonderungsberechtigte Gläubiger nicht in das Gläubigerverzeichnis aufzunehmen sind; - Aufstellung einer Vermögensübersicht, in der die Gegenstände der Insolvenzmasse (Masseverzeichnis) und die Verbindlichkeiten (Gläubigerverzeichnis) gegenübergestellt werden87; - Bericht über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und deren Ursachen 88 ;

81

Vgl. § 22 Abs. 2 S. I lnsO.

88

Vgl. § 156 Abs. I S. llnsO.

82 Vgl. § 22 Abs. 2 S. 2 lnsO. 83 Vgl. § 26 Abs. I lnsO. 84 Vgl. §§ 148 Abs. I, 80 Abs. llnsO. 85 Vgl. § 151 InsO. 86 Vgl. § 152lns0. 87 Vgl. § 153 InsO. 91

- Darstellung und Würdigung der Perspektiven für eine vollständige oder teilweise Erhaltung des Schuldnerunternehmens89; - Darstellung der Möglichkeiten für einen Insolvenzplan und der Auswirkungen auf die Gläubigerbefriedigung90; - Aufstellung eines Insolvenzplans unter Beachtung des eventuell von der Gläubigerversammlung vorgegebenen Insolvenzplanziels91. Das neue Rechtsinstitut Insolvenzplan eröffnet einen weiten Gestaltungsspielraum, der von der Unternehmensliquidation bis zur Sanierung des Unternehmens im Eigentum des Schuldners oder übertragen auf einen Dritten (z. B. auf eine eigens zu diesem Zweck gegründete Auffanggesellschaft) reicht. Der Insolvenzplan ersetzt das Rechtsinstitut Vergleich im bisherigen Recht. Ein Insolvenzplan kann dem Insolvenzgericht sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Schuldner vorgelegt werden.92 Für den Fall der beabsichtigten Fortführung des Unternehmens durch den Schuldner oder einen Dritten mit Befriedigung der Gläubiger aus künftigen Einzahlungsüberschüssen schreibt § 229 InsO eine Erweiterung des Insolvenzplans um folgende Planungsrechnungen vor: - Vermögensübersicht, in der die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten im Fall der Realisierung des Insolvenzplans mit ihren Fortführungswerten gegenübergestellt sind; - Ergebnisplan, in dem die Erträge und Aufwendungen, die in dem für die Gläubigerbefriedigung vorgesehenen Zeitraum erwartet werden, angegeben sind; - Finanzplan, aus dem durch termingerechte Auflistung der voraussichtlichen Ein- und Auszahlungen zu ersehen ist, wie die Zahlungsfahigkeit des Unternehmens während des für die Gläubigerbefriedigung vorgesehenen Zeitraums gewährleistet werden soll. Planungsrechnungen zum Insolvenzplan

______-Vermögensübersicht (F ortführungswerte)

I

Ergebnisplan

-----_ Finanzplan

Der Insolvenzplan wird vom Insolvenzgericht geprüft und zur Stellungnahme vorgelegt - dem Gläubigerausschuß, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuß der leitenden Angestellten des Schuldnerunternehmens; -dem Schuldner, falls der Insolvenzplan vom Insolvenzverwalter vorgelegt wurde; - dem Insolvenzverwalter, falls der Insolvenzplan vom Schuldner vorgelegt wurde; -nach Ermessen des Insolvenzgerichts weiteren Institutionen. 9 3 89 Vgl. § 156 Abs. I S. 2 InsO. 90 Vgl. § I 56 Abs. I S. 2 InsO. 91 Vgl. § I 57 S. 2 InsO. 92 Vgl. § 2I8 Abs. I S. I InsO. 93 Vgl. §§ 23 I f. InsO.

92

Über den Insolvenzplan wird nach seiner Erörterung in einer Gläubigerversammlung abgestimmt.94 Der Insolvenzplan wird nach Annahme durch die Gläubiger, Zustimmung des Schuldners und Bestätigung durch das Insolvenzgericht rechtswirksam.95 Die Rangfolge der Gläubigerbefriedigung gemäß Konkursordnung96 wird durch die Insolvenzordnung wesentlich modifiziert. Sämtliche Insolvenzgläubiger, deren Ansprüche nicht besichert97 und nicht nachrangig sind, werden künftig gleichbehandelt Eine vorrangige Befriedigung von Ansprüchen der Arbeitnehmer, Handelsvertreter, Sozialversicherungsträger, des Finanzamts usw. entfällt. Die Insolvenzordnung klassifiziert die Gläubiger in fiinf Kategorien: I. Aussonderungsberechtigte Gläubiger: Ihr Rechtsstatus bleibt wie bisher, d. h. sie können die ihnen gehörenden Sachen und Rechte nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetzen herausverlangen; sie sind keine Insolvenzgläubiger98; 2. Absonderungsberechtigte Gläubiger: Absonderungsrechte behalten im Insolvenzverfahren Gültigkeit, jedoch ist der Insolvenzverwalter (gegebenenfalls bereits der vorläufige Insolvenzverwalter) berechtigt, bewegliche Sachen und Forderungen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, weiter zu nutzen oder zu veräußem.99 Dadurch hat der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Möglichkeit, insbesondere bewegliche Sachen, die zur Unternehmensfortführung oder zur Veräußerung des Unternehmens als Ganzes notwendig sind (z. B. Produktionsmaschinen, Transport- und Lagereinrichtungen), im Unternehmen zu halten und damit den absonderungsberechtigten Gläubigem den Zugriff auf Zeit zu verwehren. 3. Massegläubiger: Diese Kategorie umfaßt die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten. 1oo Sonstige Masseverbindlichkeiten entstehen insbesondere durch Handlungen des Insolvenzverwalters und aus gegenseitigen Verträgen, Sozialplanansprüchen, Zinsforderungen der absonderungsberechtigten Gläubiger und Unterhaltsleistungen an den Schuldner und seine Familie.1o1 4. (Nicht-nachrangige) Insolvenzgläubiger: In diese Kategorie gehören alle Gläubiger, "die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben" 102 und deren Forderungen nicht nachrangig sind;

94

Vgl. § 235 ff. InsO.

95 Vgl. § 248 Abs. I lnsO. 96 Siehe Abbildung 23. 97 Besichert sind die Ansprüche der zur Aus- oder Absonderung berechtigten Gläubiger. 98 Vgl. § 47 lnsO. 99 Vgl. §§ 49 ff., 166 ff. InsO. Das bisherige Recht des absonderungsberechtigten Gläubigers, die ihm zustehende Kreditsicherheit selbst zu verwerten, existiert im Insolvenzverfahren nicht mehr.

100 Vgl. §§53 ff. InsO. 101 Vgl. §§ 123 Abs. 2, 169, 100 InsO. 102 § 38 lnsO.

93

5. Nachrangige Insolvenzgläubiger: Nachrangige Ansprüche werden in folgender Rangfolge befriedigt103: Rang I: Verzinsung der Forderungen der Insolvenzgläubiger seit Verfahrenseröffnung; Rang 2: Verfahrenskosten der Insolvenzgläubiger; Rang 3: Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder usw.; Rang 4: Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners; Rang 5: Forderungen auf Tilgung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen oder gleichgestellte Forderungen. Rang 6: Forderungen, für die der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart wurde. Zinsen auf diese Forderungen und die darauf entfallenden Verfahrenskosten der Gläubiger haben denselben Rang wie diese Forderungen. Abb. 25: Gläubigerrangfolge im Insolvenzverfahren (ab 1.1.1999)

Schließlich bietet die Insolvenzordnung die Möglichkeit, den Schuldner (falls natürliche Person) auf eigenen Antrag von seinen im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigem zu befreien (sog. Restschuldbefreiung). 104

Aufgaben zu Abschnitt 4.3: l. Beurteilen Sie folgenden Fall: Unternehmer Kurzentschlossen beabsichtigt, eine Maschine für 1,6 Mio DM zum Einsatz in seiner Fertigung zu kaufen und die Kaufpreiszahlung vollständig durch einen Bankkredit mit einjähriger Laufzeit zu finanzieren. 2. Sie wissen, daß die Idefix GmbH ein erfolgversprechendes Produkt (Mini-Hinkelsteine als Spielzeug für Goldhamster) als Lizenznehmer der Obelix AG für den deutschen Markt fertigen und vertreiben könnte, falls Ihre Bank den beantragten Kredit gewährt. Allerdings ist der Leiter der Firmenkundenabteilung der Bank angesichts der hohen Forderungsausfälle bei Krediten an Unternehmen vorsichtiger geworden, so daß neue Darlehensverträge nur noch unter der Bedingung ausreichender Kreditsicherheiten geschlossen werden. Erläutern Sie jeweils eine Form der Kreditbesicherung, wenn Ihnen bekannt ist, daß (a) Idefix als Mehrheitsgesellschafter eine steinreiche Erbtante hat; (b) zum Vermögen der Idefix GmbH ein Grundstück mit einem gegenwärtigen Verkehrswert von 300.000 DM gehört. 3. Erläutern Sie die Insolvenztatbestände "Zahlungsunfähigkeit" und "Überschuldung". 4. Erläutern Sie die Rechtspositionen eines aussonderungsberechtigten und eines absonderungsberechtigten Gläubigers in einem Konkursverfahren. 5. Ihr Schuldner Schlitzohr bittet Sie, ihm die Hälfte seiner Schulden (= 80.000 DM) wegen akuter Liquiditätsprobleme zu erlassen, andernfalls müsse er die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragen. Sie kennen Schlitzohr erst seit etwa vier Monaten und wissen über seine Vermögensverhältnisse nicht Bescheid. Wie verhalten Sie sich vernünftig? 103 104

94

Vgl. § 39 InsO. Vgl. §§ 286 ff. InsO.

5 Ausgewählte Instrumente der Eigenfinanzierung In diesem Kapitel wird die in Kapitel 3 gezeigte Systematik der Finanzierungsformen durch Analyse einiger in der Finanzierungspraxis besonders verbreiteter Eigenfinanzierungsinstrumente vertieft. Die Darstellung folgt der bereits bekannten Gliederung in Außen- und Innenfinanzierung.

5.1 Außenfinanzierung 5.1.1 Beteiligungsfinanzierung Die Emission börsengängiger standardisierter Eigentumsrechte an einem Unternehmen, nämlich Aktien, ist Unternehmen der Rechtsformen AG und KGaA vorbehalten. Für die übrigen Unternehmensrechtsformen existieren- mit Ausnahme des Genußscheins- keine auf einfache Weise handelbaren Beteiligungsfinanzierungsinstrumente, so daß ihnen die Beschaffung von Beteiligungskapital aus gesellschaftsrechtlichen Gründen schwerer fällt.105

5.1.1.1 Finanzierung von Nicht-Aktiengesellschaften Der Begriff Aktiengesellschaft (AG) umfaßt hier sprachverkürzend die Rechtsformen AG und KGaA. Nicht-AG können ihre Beteiligungskapitalbasis in Form von Einlagen Stiller Gesellschafter mit Gewinn- und Verlustbeteiligung und in Form von Genußrechtskapital mit Gewinn- und Verlustbeteiligung verbreitern. Der Kern des Beteiligungskapitals besteht aus den geleisteten Einlagen der Unternehmenseigentümer sowie aus Gewinnrücklagen und der Kapitalrücklage gern. § 272 Abs. 2 HGB. Ferner zählen zum Beteiligungskapital Kredite, die einer Gesellschaft von ihren Gesellschaftern gewährt werden, soweit diese als eigenkapitalersetzend im Sinn des § 32 a GmbHG zu klassifizieren sind. Vor der Zufiihrung von Beteiligungskapital wird die wirtschaftliche und rechtliche Lage des Unternehmens analysiert. Das Analyseergebnis bildet die Basis fiir Beteiligungsverhandlungen mit individuellen gesellschaftsvertragliehen Vereinbarungen. Diese Prozedur ist zeit- und kostenintensiv - zwei Faktoren, die bei Entscheidungen zur Beteiligungsfinanzierung beachtet werden sollten.

105 Der Erwerb und die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen bedürfen gemäߧ 15 Abs. 3 GmbHG zwingend der notariellen Beurkundung, wodurch die Verkehrsflihigkeit dieser Beteiligungsrechte erschwert ist und jeder Gesellschafterwechsel merkliche Transaktionskosten verursacht.

95

- Beteiligungskapitalzufiihrung durch Einzelkaufmann/Alt-Gesellschafter: Einem Unternehmen in der Rechtsform des Einzelkaufmanns wird Beteiligungskapital im wesentlichen in der Form von Einlagen des Einzelkaufmanns zugefiihrt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer Kapitalzufiihrung von seiten eines gewinn- und verlustbeteiligten Stillen Gesellschafters106 und eines gewinn- und verlustbeteiligten Genußrechtskapitalgebers. Falls der/die Unternehmenseigentümer keine Änderung der Eigentümerstruktur wünschen, sind der Beteiligungsfinanzierung klare Grenzen gezogen: erstens ist die Finanzkraft des/der gegenwärtigen Unternehmenseigentümer(s) beschränkt, zweitens ist dem/den Unternehmenseigentümer(n) zwecks Begrenzung seines/ihres Kapitalverlustrisikos im Fall des Unternehmenskonkurses zu empfehlen, ihr Kapital in mehreren voneinander möglichst unabhängigen Objekten107 anzulegen. - Beteiligungskapitalzufiihrung durch Neu-Gesellschafter: Die Aufnahme eines Kapitalgebers in den Kreis der Eigentümer eines Unternehmens ist differenziert zu sehen: * Eigentümerorientiertes Unternehmen: Zwischen Eigentümer(n) und Unternehmen besteht eine sehr enge Verbindung, das wirtschaftliche Schicksal des/der Eigentümer(s) hängt häufig wesentlich von der Unternehmensentwicklung ab (z. B. Einzelkaufmann, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft mit kleinem Gesellschafterkreis). Ein mit seinem Unternehmen verwachsener Eigentümer will oftmals exklusiv das "Letzte Wort" bei Entscheidungen im Unternehmen behalten und hat deshalb grundsätzliche Probleme, einen Neu-Gesellschafter, der einen Teil der Entscheidungskompetenz beansprucht, zu akzeptieren. * Kapitalorientiertes Unternehmen: Die Eigentümer betrachten ihr Unternehmen als eine von vielen Möglichkeiten der Kapitalanlage, sind mit dem Unternehmen nicht emotional verbunden. Sie können sich gefiihlsmäßig von ihren Kapitalanteilen genauso schnell trennen, wie sie sie erworben haben. Als Beispiel fiir diesen Gesellschaftertyp sei ein Kapitalanleger genannt, der mit 60.000 DM als Kommanditist an einer Leasinggesellschaft beteiligt ist, an der weitere 348 Kommanditisten beteiligt sind (sog. Publikums-KG). Vor allem in Zeiten einer Unternehmenskrise sind die Eigentümer weniger daran interessiert, das Unternehmen unter Erbringung finanzieller und persönlicher Opfer fortzufiihren, als wenigstens ihre geleisteten Einlagen zurückzuerhalten. Anläßlich der Aufnahme eines neuen Gesellschafters sind unter anderem folgende Fragen zu klären: (1) Welche Einlage hat der Neu-Gesellschafter fiir den Erwerb eines bestimmten Kapitalanteils zu leisten? (Unternehmensbewertung erforderlich) (2) Mit welchen Quoten wird die Einlage in einen Anteil am Nominalkapital des Unternehmens und in ein Aufgeld(= Agio) aufgespaltet? 106 Vgl. §§ 230 ff. HOB. 107 Neben Kapitalanlage im eigenen Unternehmen also Kapitalanlage in nicht zum Unternehmensvermögen gehörenden Immobilien, Anleihen, Aktien usw.

96

Beispiel: Adam, Berthold und Cäsar Nimmermüd sind Gesellschafter der Ruhe sanft GmbH, die ein Stammkapital (=Gezeichnetes Kapital, Nominalkapital) von 100.000 DM aufweist. Davon gehören Adam 20%, Berthold 30% und Cäsar 50%. Zur Finanzierung der neuen Dienstleistung "Paradise Leasing" benötigt die GmbH unter anderem 1 Mio DM zusätzliches Beteiligungskapital, um weitere Bankkredite zu erhalten. Die Brüder Nimmermüd einigen sich in Verhandlungsgesprächen mit dem Beteiligungsinteressenten Dagobert Kohle auf einen aktuellen Unternehmenswert von 3 MioDM. Die Kapitalquote des neuen Gesellschafters Dagobert ermittelt sich rein rechnerisch 1 Mio DM = 25 % aus Dagoberts Einlage (l Mio DM) im Zähler 3 Mio DM + 1 Mio DM und der Summe aus dem aktuellen Unternehmenswert (3 Mio DM) und Dagoberts Einlage. Bei der Anteilsberechnung wird davon ausgegangen, daß der Wert des Unternehmens durch Dagoberts Einlage cet. par. um 1 Mio DM steigt. Wenn Dagobert 25% am erhöhten Stammkapital zustehen, bleiben für die Alt-Gesellschafter 75% (= I 00.000 DM) übrig. Die 25% des Neu-Gesellschafters entsprechen

mit

100 ·000 DM ·25% = 33.333 DM Anteil am Stammkapital(= Stammeinlage). Dago75% berts Einlage ist demnach aufzuteilen in 33.333 DM Stammeinlage und 966.667 DM Agio. Nach Aufnahme Dagoberts als Gesellschafter und durchgeführter Stammkapitalerhöhung auf 133.333 DM 108 resultieren die folgenden Anteile am Stammkapital (relativ und absolut): Kapitalanteile absolut relativ 15,0% 20.000 DM 20%·75% = Adam: 22,5% 30.000 DM 30%·75% = Berthold: 37,5% 50.000 DM 50% ·75% = Cäsar: 25.0% 33.333 DM Dagobert: 100.0% 133.333 DM Die Kapitalzuführung erfolgt ergebnisneutral ohne Steuerbelastung: 1.000.000 DM an Gezeichnetes Kapital 33.333 DM Bank 966.667 DM Kapitalrücklage Bilanzielle Darstellung dieser Kapitalerhöhung: Aktiva Bankguthaben

108

Bilanz 1.000.000 Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage

Passiva 33.333 966.667

Gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG muß eine Stammeinlage auf volle hundert DM lauten. Im Rechenbeispiel wird diese Vorschrift ignoriert, um erklärungsbedürftige Rundungsdifferenzen zu vermeiden.

97

5.1.1.2 Finanzierung durch Aktienemission

Dieses Finanzierungsinstrument ist Unternehmen der Rechtsformen AG und KGaA (im folgenden kurz "AG") vorbehalten. Eine Aktie ist ein durch aktiemechtliche Vorschriften standardisiertes Wertpapier, das eine Eigentümerposition an einer AG verbrieft undim Fall seiner Zulassung zum Handel in einem organisierten Kapitalmarktsegment (insbesondere an der Börse)- einfach gekauft und verkauft werden kann. Diese Handelbarkeit bezeichnet man mit dem Begriff Fungibilität. Am einfachsten verkehrsfahig sind Inhaberaktien, deren Inhaber der AG aus rechtlicher Sicht nicht bekannt sein müssen. Die Rechte aus einer Inhaberaktie kann deren Besitzer geltend machen. Durch die Emission von Inhaberaktien gegen vollständige Zahlung des Emissionskurses an die AG stellen anonyme Kapitalgeber der AG Beteiligungskapital zur Verfügung. Emittiert die AG Namensaktien, wird der Aktionär mit Namen, Wohnort und Beruf in das Aktienbuch der AG eingetragen - in diesem Fall kennt die AG ihre Gesellschafter. 109 Die Übertragung einer Namensaktie auf einen neuen Inhaber erfordert einen schriftlichen Übertragungsvermerk (Indossament) des Veräußerers und gegebenenfalls die Zustimmung der AG (vinkulierte Namensaktie).11o Eine AG muß ein Grundkapital(= Gezeichnetes Kapital) von mindestens 100.000 DM haben, das in Aktien mit einem Mindest-Nominalwert von jeweils 5 DM zerlegt wird. 111 Zwei Aktiengattungen sind zu unterscheiden: Stammaktien (als gesetzliche Standardform der Aktie) und Vorzugsaktien.

----- --Aktiengattungen

Stammaktien

Vorzugsaktien

Stimmrechtslose Aktien

--------

Mehrstimmrechtsaktien

* Stammaktie: Eine Stammaktie verbrieft ihrem Inhaber das volle Mitgliedschaftsrecht in einer AG, das im wesentlichen folgende Rechte umfaßt: - Teilnahme- und Stimmrecht in der Hauptversammlung, - Anspruch auf Rechenschaftslegung durch Vorstand und Aufsichtsrat,

109 Vgl. § 67 AktG. 110 Vgl. § 68 AktG. 111 Vgl. §§ 7, 8 Abs. I S. I AktG.

98

- Beteiligung am Bilanzgewinn, - Beteiligung am Liquidationsgewinn, -Recht auf Bezug neuer(= junger) Aktien. *Vorzugsaktie: Eine Vorzugsaktie verbrieft ihrem Inhaber in bezug auf wenigstens ein Aktionärsrecht eine günstigere Rechtsposition als einem Stammaktionär (in der Regel: Vorzugsdividende) und dafiir in bezug auf wenigstens ein Aktionärsrecht eine ungünstigere Rechtsposition als einem Stammaktionär (in der Regel: kein Stimmrecht in der Hauptversammlung - stimmrechtslose Vorzugsaktie). Die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien ist an die aktienrechtlichen Bestimmungen gebunden. Die Summe der Nominalwerte der stimmrechtslosen Vorzugsaktien darf die Summe der Nominalwerte der Stammaktien nicht übersteigen.112 Ökonomisch interpretiert, wird der Verzicht des Aktionärs auf das ihm eigentlich zustehende Stimmrecht durch die Zusage einer bevorzugten Behandlung bei der Verteilung des Gewinns der AG von den Stammaktionären erkauft. Die Austauschbeziehung zwischen Stimmrecht und Gewinnbeteiligung bringt der Gesetzgeber in § 140 Abs. 2 AktG eindeutig zum Ausdruck: Erhalten die Vorzugsaktionäre die ihnen zugesagte Vorzugsdividende in einem Jahr nicht oder nur zum Teil und wird die nicht gezahlte Vorzugsdividende nicht neben der gesamten Vorzugsdividende des nächsten Jahres im nächsten Jahr nachgezahlt, so sind die Vorzugsaktionäre stimmberechtigt, und zwar so lange, bis sämtliche rückständigen Vorzugsdividenden bezahlt worden sind. Eine Vorzugsaktie birgt somit ein schlummerndes (latentes) Stimmrecht in sich. Der Vorzug einer Vorzugsaktie besteht häufig in der Zusage der Ausschüttung einer Mindestdividende von ca. 4 bis 5 % des Aktiennennwerts oder in einer Mehrdividende von ca. I bis 2 % zuzüglich zur Dividende einer Stammaktie gleichen Nennwerts (d. h. auf eine Vorzugsaktie wird eine höhere Dividende ausgeschüttet als auf eine Stammaktie). Stimmrechtslose Vorzugsaktien werden häufig dann emittiert, wenn zur Finanzierung des Unternehmenswachstums Eigenkapital benötigt wird, die gegenwärtigen Unternehmenseigentümer jedoch ihre unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse nicht mit den neuen Gesellschaftern teilen wollen. Diese Einstellung ist typisch fiir Familienunternehmen in der Rechtsform der AG, die erstmalig Aktien Familienfremden zum Erwerb anbieten. Im Gegensatz zu einer stimmrechtslosen Vorzugsaktie gewährt eine Mehrstimmrechtsaktie ihrem Inhaber ein mehrfaches Stimmrecht verglichen mit einer Stammaktie gleichen Nennwerts. Die Emission von Mehrstimmrechtsaktien ist nur ausnahmsweise erlaubt und erfordert die Zustimmung der obersten Wirtschaftsbehörde des Bundeslandes, in dem die AG ihren Sitz hat.113 Die Kurse der Vorzugsaktien liegen im Regelfall erheblich unter den Kursen der Stammaktien, weil die Kapitalgeber das Stimmrecht offensichtlich relativ hoch bewerten. 112 Vgl. § 139 Abs. 2 AktG. 113 Vgl. § 12 Abs. 2 S. 2 AktG.

99

Die Aktionäre haben das Recht auf Zuteilung neuer (=junger) Aktien in Höhe ihrer gegenwärtigen Anteilsquote am Grundkapital (Bezugsrecht= Kaufoption), damit sich ihre Eigentümerpositionen infolge der Aktienemission nicht verschlechtern. Übt ein Aktionär sein Bezugsrecht aus, behält er seine Anteils- und Stimmrechtsquote bei. Das Bezugsrecht kann als Bestandteil des Beschlusses der Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. "Ein Ausschluß des Bezugsrechts ist insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet." 114 Durch eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen sinkt der Aktienkurs tendenziell, da die jungen Aktien üblicherweise zu einem Kurs emittiert werden, der unter dem aktuellen Börsenkurs der alten Aktien liegt. Bei einem höheren Emissionskurs würde die Emission scheitern, weil die Kapitalanleger alte Aktien an der Börse billiger kaufen könnten. Eine Ausgabe junger Aktien unter ihrem Nominalwert ist unzulässig.lls Nach Emission der jungen Aktien resultiert ein Mischkurs, der cet. par. unter dem Kurs der alten Aktien vor Emission liegt. Das Bezugsrecht soll die Aktionäre vor einer Vermögenseinbuße in Höhe dieser Kursdifferenz schützen. Das Bezugsrecht hat demnach zwei Schutzfunktionen zugunsten der Altaktionäre: - Schutz der Altaktionäre vor einer Minderung ihrer Anteils- und Stimmrechtsquote; - Vermögensausgleich im Umfang der Differenz zwischen dem Börsenkurs einer alten Aktie vor Kapitalerhöhung und dem Börsenkurs (Mischkurs) der Aktie nach Kapitalerhöhung. Im folgenden wird die Erhöhung des Grundkapitals einer AG durch Bareinlagen anhand der Emission junger Stammaktien der Dresdner Bank AG exemplifiziert:

114 115

§ 186 Abs. 3 S. 4 AktG. Vgl. § 9 Abs. I AktG. Eine Festlegung des Emissionspreises in Höhe des Aktiennennwerts kommt selten vor, so z. B. bei der G. M. Pfaff AG (vgl. Handelsblatt, Nr. 251, 29./30.12.1995, S. 29).

100

Dresdner Bank Aktiengesellschaft, Frankfurt am Main

Angebot zum Bezug neuer Aktien aus der Kapitalerhöhung 1993 Wertpapier-Kenn-Nummern 804610 804611

Der Vorstand hat m1t Zust1mmung des Aufsichtsrats beschlossen, von der 1hm durch d1e Hauptver-

sammlungsbeschlusse vom 26 Ma1 1989 und 25 Ma1 1990 erteilten Ermacht1gung {Genehmigtes Kap1tal I) Gebrauch zu machen und das Grundkapital um DM 200 000 000.- auf DM 2 043 764 050.-

durch Ausgabe von Stuck 4 000 000 neuen, auf den Inhaber lautenden Akt1en 1m Nennbetrag von Je DM 50 - m1t 3/4 Gewinnberechtigung fur das Geschaftsjahr 1993 zu erhohen 01e neuen Akt1en Stnd zum AusgabepreiS von DM 350,- Je Akt1e 1m Nennbetrag von DM 50,- von der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank Aktiengesellschaft Munchen, m1t der Verpflichtung gezetchnet war· den, ste den Akttonaren 1m Verhaltnts 19 2 zu den Ausgabebedingungen zum Bezug anzubteten Der zum Bezug mcht benottgte Spttzenbetrag wtrd nach Wetsung des Vorstands verwertet Dte Durch fuhrung der Kapttalerhohung 1st 1n das Handelsregister etngetragen worden

IJ'!tr btllen unsere Akt1onare. 1hr ney~

auf dte Ak!ten zur Vermetdung des Ausschlusses 1n Bezugsr~chl

der Zetl vom 28 Aprtl1993 bts 12 Ma1 1993 emschlleßhch be1 e1n~r Bezugsstelle wahrend der ublichen Schalterstunden auszuuben

Bezugsstellen s1nd tn der Bundesrepublik Deutschland Dresdner Bank AG Frankfurt am Matn, mtt samtliehen Niederlassungen Bayensche Hypotheken- und Wechsel-Bank AG. Munchen Bayensche Veremsbank AG, Munchen Berliner Bank AG. Berhn Berltner Handels- und Frankfurter Bank Frankfurt am Mam - Berlm Oldenburgtsche Landesbank AG, Oldenburg Bankhaus Reusehel & Co Munchen Veretns- und Westbank AG Harnburg

tn Beigten Banque Bruxelles Lambert S A Brussel ~n

FrankreiCh

Banque Nattonale de Pans, Pans Banque Veuve Mann-Pans. Lyon und Pans tn

G_!oßbntan_nten

Barclays Bank PLC. London Dresdner Bank AG London Branch. London

tn Italien Banca Naztonale del Lavoro. Rom Dresdner Bank AG Sede dt Mtlano, Matland

tn

luxe~b_yrg

Banque Internattonale a Luxembourg S A . Luxemburg Dresdner Bank Luxembourg S A . Luxemburg EUROPA BANK AG, Luxemburg 1n de_(l Ntederla_I}Qen ASN AMRO Bank N V, Amsterdam 1n O~!erre1ch Z-Landerbank Bank Austna AG. Wten 1~

der Schwetz

Schwetzensche Bankgesellschaft. Zunch Schwetzensche Kredttanstalt. lunch Schwatzenscher Bankveretn, Basel Schwetzensche Volksbank. Bern Dresdner Bank (Schwetz) AG, lunch Untted Overseas Bank S A , Genf 1n

Sp~n1en

Dresdner Bank AG Sucursal en Espaf'ia. Madnd und Barcelona Als Bezugsrechtsauswels !ur dte neu_!l:n AkttB_D dtenl der Gew1nnantetlsche1n Nr 9 der Aklten (Wertpapter-Kenn-Nr 804618) Gegen Etnretchung d1eses Schems konnen entsprechend dem Bezugsverhaltnts von 19 2 auf neunzehn Akt1en 1m Nennbetrag von 1e DM 50. zwe1 neue Aktien zum Ausgabeprers von DM 350.- bezogen werden (Auf den Gewtnnantetlschetn Nr 8 wtrd die Dtvtdende fur das Geschaltsrahr 1992 gezahlt werden) Der Ausgabeprets fur dte neuen Aktten 1st be1 der Bezugsanmeldung. spatestens Jedoch am letzten Tag der Bezugsfrtsl zu zahlen

Dte neuen Aktien (Wertpapter-Kenn-Nr 804612) werden den Akttonaren aufgrund etner be1 dem Deutschen Kassenverein AG hinterlegten Globalurkunde 1m Gtrosammelverkehr zur Verfugung gestellt, etn Ausdruck von neuen Etnzelurkunden 1st ntcht vorgesehen Es werden auf Anforderung hm nach der 1m Ma1 1994 stattfindenden Hauptversammlung - nach Zahlung der Dtvtdende fur das Geschafts]ahr 1993 alte Aktienurkunden zur Verfugung gestellt Bts zu dtesem Zeltpunkt konnen Anspruche auf Auslieferung von Einzelurkunden ntcht gellend gemacht werden

D!e B~_g_s_rec~ .l:!!'!q ~e 9~von ~rg~q_m 28 ~ 1~~ 1Q_~1~3~~C::h~eßhch ~n den W_er~~t;JOI§.@!!_!fl f:rankfurt a_!!l Matn, ~e!l!ß ~eiT!_f!I").~~I}IQQ!t_ H~m~_Hanno~~~ M.l:!_nchen und ~~~r!_ gehand~l!_ u~ ~!lieh nolt~!f:! ~e_!Q_~ Ote Bezugsstellen stnd bereit. den borsanmäßigen An- und Verkauf von Bezugsrechten nach Magliehkelt zu vermttteln Vom 28 Apnl 1993 an werden d1e Aktten "ex Bezugsrecht" gehandelt und amtlich notiert Fur den Bezug wtrd dte bankubhche Provtslon berechnet, es se1 denn. daß dte Bezugsrechte unter Etnre1chung der Bezugsrechtsauswelse durch den Bezteher wahrend der ubltchen Gasehaftsstunden am Schalter e1ner Bezugsstelle ausgeubt werden uni!! e1n we1terer Schnftwechsel dam1t n1cht verbunden 1st

Dte neuen Aklten aus der Kapttalerhohung stnd zum Borsenhandel m11 amtlicher Notierung an den Wertpapierborsen 1n Frankfurt am Mam, Berltn, Bremen, Dusseldorf, Hamburg, Hannover. Munchen und Stuttgart zugelassen worden An den Wertpapierborsen m Amsterdam. Antwerpen, Basel, Brussel. Genf. Luxemburg, Parts, Tokto, Wten und lunch erfolgt dte Börsenetnfuhrung der Aktien aus der Kapttalerhohung nach den Jewetligen ortliehen Usancen Aufgrund der Kaptlalerhohung ermaß1gen steh dte OpttQD_~retse ~ ,A,US!,!QgQg q~s QQ!!gnS!echts §i_uf ~~tlen d~presd_I'}~!_J3~n_k ~ aus den Opttonsschetnen zu der 61/2% DM-Optlonsanlelhe von 1986/1996 der Dresdner Bank AG sow1e der 71/2% nachrangtgen DM-Opttonsanlethe von '1992/1997 der Dresdner Ftnance B V. Amsterdam. nach den tn § 7 der ]ewetllgen OpttonsbedtrJgungen enthaltenen Besttmmungen Dte neuen Opttonspretse soWie der Sttchtag, von dem ab d1e ermaß1gten Pretse gelten. werden gesondert bekanntgemacht Der Opllonsprets zur Ausubung des Op!IOnsrechts auf Akl1en der Dresdner Bank AG aus den Opttonsschetnen zu der US-Dollar Floaltng Rate Opltonsanlethe von 1983/1993 der Dresdner Ftnance B V, Amsterdam. ermaßtgl stch gemaß § 7 der Opttonsbedmgungen ntcht

Frankfurt am Mam, 1m Apnl 1993 Dresdner Bank Akttengesellschaft Der Vorstand

Dresdner Bank

0

Abb. 26: Emissionsanzeige der Dresdner Bank AG, in: Handelsblatt, Nr. 76, 21.4.1993, S. 46

101

Grundkapital vor Kapitalerhöhung

+ Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen = Grundkapital nach Kapitalerhöhung

1.843.764.050 DM 200.000.000 DM 2.043.764.050 DM

Emittiert wurden 4.000.000 junge Aktien mit einem Nennwert von jeweils 50 DM zum Ausgabepreis (=Emissionskurs) von 350 DM, d. h. das Ausgabeaufgeld (=Agio) je Aktie betrug 300 DM oder 600%. . NWa ·a 1.843.764.050 DM 9 21882 B ezugsverh a.. 1tms = = "" , NWj · j 200.000.000 DM Legende: NW a =Nennwert einer alten Aktie; NWj =Nennwert einer jungen Aktie a = Zahl der alten Aktien; j = Zahl der jungen Aktien

Das Bezugsverhältnis gibt die Zahl alter Aktien (=Bezugsrechte) an, die erforderlich sind, um die Zuteilung einer jungen Aktie zum Emissionspreis von der AG verlangen zu können. In diesem Beispiel würden 9,21882 ... alte Aktien das Recht zum Bezug einer jungen Aktie beinhalten. Da Bruchteile einer Aktie nicht existieren, wurde das Bezugsverhältnis (9 ,21882 ... : 1) auf 19 : 2 festgelegt, d. h. es sind 19 Bezugsrechte erforderlich, um 2 junge Aktien zeichnen zu können. Zum Erwerb sämtlicher jungen Aktien wären (4.000.000 ·19: 2 =) 38.000.000 alte Aktien - also 38.000.000 Bezugsrechte erforderlich. 38.000.000 alte Aktien entsprächen bei einem Nennwert von 50 DM je Aktie einem Grundkapital vor Kapitalerhöhung von 1.900.000.000 DM. Tatsächlich betrug das Grundkapital vor Kapitalerhöhung nur 1.843.764.050 DM, so daß ftir den Differenzbetrag von (1.900.000.000 - 1.843.764.050 =) 56.235.950 DM keine Bezugsrechte vorhanden sein können und damit (56.235.950 DM : 50 DM : 19 · 2 =) 118.391 junge Aktien als "Spitzenbetrag" (siehe Emissionsanzeige) nach Weisung des Vorstands der Dresdner Bank AG verwertet werden. Nach Durchführung der Emission der jungen Aktien müßte rein rechnerisch cet. par. folgender Börsenkurs (Mischkurs) resultieren:

Km =

Ka ·GKa:NWa + Kj ·GKe:NWj

---------=------=GKa:NWa + GKe:NWj

Legende: Km =rechnerischer Mischkurs; Ka =Kurs einer alten Aktie vor Durchflihrung der Emission Kj = Emissionspreis einer jungen Aktie; GKa = Grundkapital vor Kapitalerhöhung; GKe = Grundkapitalerhöhung

Die Bezugsrechte wurden während eines bestimmten Zeitraums (hier: 28.4. bis 10.5.1993) getrennt von den Aktien an den Börsen gehandelt.

102

Beispielhaft sei nun der rechnerische Mischkurs auf Basis des vor Emissionsbeginn (= 28.4.1993) geltenden Börsenkurses (DM) ermittelt: Km= 392,00 ·1.843.764.050: 50+ 350 · 200.000.000:50 = 387 ,89 DM. 1.843.764.050: 50+ 200.000.000: 50 Die Rechnung zeigt, daß infolge der Emission der jungen Aktien der Börsenkurs von 392,00 DM auf 387,89 DM fallen müßte. Der Aktionär würde je Aktie einen Vermögensverlust von 4,11 DM(= rechnerischer Wert des Bezugsrechts) erleiden, stünde ihm kein Bezugsrecht zu. Tatsächlich betrug der Kurs für ein Bezugsrecht am 28.4.1993 nur I ,85 DM. Die Abweichung zwischen rechnerischem und tatsächlichem Bezugsrechtskurs liegt erstens im Dividendenanspruch begründet: Auf eine junge Aktie werden laut Emissionsbedingungen für das Geschäftsjahr 1993 lediglich 75% der Dividende, die auf eine alte Aktie gezahlt wird, ausgeschüttet (weil der Dresdner Bank AG die Einlagen auf die jungen Aktien nicht ab 1.1.1993, sondern erst einige Zeit später zur Verfügung standen). Zweitens bildet sich der Bezugsrechtskurs - wie der Aktienkurs - aufgrund von Angebot von und Nachfrage nach Bezugsrechten, wobei die Entwicklung des Aktienkurses im Zeitraum des Bezugsrechtshandels eine maßgebliche Rolle für den Bezugsrechtskurs spielt. Steigt der Aktienkurs, steigt tendenziell auch der Kurs des Bezugsrechts; fallt der Aktienkurs, fallt tendenziell auch der Kurs des Bezugsrechts. Werden erstmalig Aktien einer AG oder KGaA im Weg der Börseneinführung zum Erwerb angeboten, spricht man von going public. Zu diesem Zweck werden vor allem expandierende Familienunternehmen in eine AG oder KGaA umgewandelt und anschließend Aktien der Familiengesellschafter (Altaktionäre) oder Aktien aus einer Erhöhung des Grundkapitals gegen Bareinlagen unter Verzicht der Altaktionäre auf das Bezugsrecht einem breiten Kapitalanlegerpublikum zum Kauf angeboten. Im ersten Fall fließt der Erlös aus dem Aktienverkauf den Familiengesellschaftern (Altaktionären) zu, im zweiten Fall dem Unternehmen. Eine Beteiligungsfinanzierung liegt also nur im zweiten Fall vor, während im ersten Fall keine unmittelbare Finanzierungswirkung für das Unternehmen resultiert. Allerdings hat das Unternehmen aufgrund seiner aktienrechtlichen Rechtsform nun die Möglichkeit, im Wege nachfolgender Grundkapitalerhöhungen gegen Bareinlagen Eigenkapital am anonymen Kapitalmarkt zu akquirieren, zumal ein going public mit der Zulassung der Aktien zum Börsenhandel verbunden ist. Als Beispiel für ein großes going public im Oktober 1995 ist die Emission von 40 Mio Stammaktien des Pharma- und Chemieunternehmens Merck KGaA, Darmstadt, mit einem Aktiennennwert von 5 DM zum Emissionskurs von 54 DM je Aktie (Agio: 49 DM= 980 %) zu nennen. Das Grundkapital wurde um (40.000.000 Aktien · 5 DM =) 200 Mio DM erhöht, dem Unternehmen flossen (40.000.000 Aktien ·54 DM=) 2,16 Mrd DM zu. Über die Emissionskosten wurden keine Angaben gemacht. Als Voraussetzung für die Aktienemission wurde die E. Merck OHG in die Merck KGaA umgewandelt. Nach Kapitalerhöhung halten die ca.

103

80 Familiengesellschafter noch rund 75% des Gezeichneten Kapitals der Merck KGaA, die restlichen 25 % gehören den neuen Aktionären. Motiv flir das going public war die Stärkung der Eigenkapitalbasis. 116 Die Merck-Aktie wurde am 20.10.1995 zum Handel an den Börsen Frankfurt und Zürich eingeführt. In Frankfurt betrug der Schlußkurs am ersten Handelstag 56,70 DM, lag also um 2,70 DM (= 5 %) über dem Emissionskurs, den die Ersterwerber flir eine Aktie bezahlt hatten. II? Im Jahr 1995 wurden die Aktien von 20 deutschen Unternehmen erstmals börsennotiert.II8 Das Emissionsvolumen betrug nahezu 8,3 Mrd DM. Nur zwei Gesellschaften emittierten Vorzugsaktien, die übrigen 18 Gesellschaften Stammaktien. Für Herbst 1996 ist das going public der Deutsche Telekom AG mit einem Emissionsvolumen von schätzungsweise 15 Mrd DM geplant. Im Zuge dieser Mammutemission wird die TelekomAktie als Instrument der Mitarbeiterbeteiligung eingesetzt. Das Telekom Invest Programm '96 genannte Mitarbeiterbeteiligungsmodell besteht aus drei Modulen, die im folgenden kurz erläutert werden.II9 -Klassisches Belegschaftsaktienmodell: Die Mitarbeiterinnen können Telekom-Aktien abzüglich eines Rabatts von 40 % auf den Emissionspreis kaufen. Der je Mitarbeiter maximal steuer- und sozialversicherungsfreie Rabatt (= geldwerter Vorteil) beträgt 300 DM 120 • Voraussetzung flir die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit ist, daß der Mitarbeiter die Aktien mindestens sechs Jahre lang behält. -Innovatives Belegschaftsaktienmodell: Die am Aktienerwerb interessierten Mitarbeiterinnen schließen sich zur Fondsgesellschaft Telekom-Invest-Partner, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung (GbRmbH), zusammen. Jeder Gesellschafter leistet 300 DM Bareinlage. Die GbRmbH nimmt bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) einen Kredit von 1.200 DM je Gesellschafter auf und erwirbt flir jeden Gesellschafter TelekomAktien im Wert von 1.500 DM. Jedem Gesellschafter gehören dann anteilig TelekomAktien für 1.500 DM, woflir er nur 300 DM zu zahlen hat. Die Dividenden flir die ersten sechs Jahre stehen der SBG zu. Die SBG garantiert, daß die Fondsgesellschaft nach Ablauf dieser sechs Jahre über soviel Geld verfügt, um den Kredit und die Gesellschaftereinlagen zurückzahlen zu können. Bei einer negativen Entwicklung des Kurses der Telekom-Aktie verlieren die Gesellschafter nur die Verzinsung ihrer Bareinlagen in Gestalt der der SBG zustehenden Dividenden. - Bevorrechtigte Aktienzuteilung: Jeder/rn Mitarbeiterin werden maximal 200 weitere Telekom-Aktien zum normalen Emissionspreis bevorrechtigt angeboten. Der Handel von Aktien einer deutschen AG im Ausland bedingt eventuell die Anpassung der externen Rechnungslegung an die Rechnungslegungsusancen des Landes, in 116 Vgl. Handelsblatt, Nr. 187, 27.9.1995, S. 13. 117 Vgl. Handelsblatt, Nr. 200, 17.10.1995, S. I; Nr. 204,23.10.1995, S. 34. 118 Vgl. hierzu und zum folgenden Handelsblatt, Nr. 249,27.12.1995, S. 32. 119 Vgl. Handelsblatt, Nr. 242, 14.12.1995, S. 13. 120 Vgl. § 19 a EStG.

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dem die Aktien emittiert oder zum Handel an der Börse zugelassen werden sollen. Die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde "Securities and Exchange Commission" (SEC) verlangt die Anpassung des Konzernabschlusses des deutschen Mutterunternehmens an die in den USA geltenden Bilanzierungs- und Bewertungsregeln "Generally Accepted Accounting Principles" (GAAP). Auf diesem Weg beeinflussen die Forderungen potentieller Kapitalgeber nach Informationen über das kapitalsuchende Unternehmen (bzw. über den Konzern) dessen Konzernrechnungslegung. Die Daimler Benz AG übernahm mit der Einftihrung ihrer Aktie zum Handel an der New York Stock Exchange (New Yorker Aktienbörse) im Herbst 1993 die Vorreiterrolle.

5.1.2 Subventionen Eine Subvention ist eine staatliche Zuwendung (=Einzahlung) ohne Gegenleistungsverpflichtung (z. B. Investitionszulage und -zuschuß, Personalkostenzuschuß) oder eine Auszahlungsminderung (z. B. zinsverbilligte Kredite staatlicher Banken mit einer Zinsersparnis als Subvention). Um die Finanzierungswirkung einer Subvention zutreffend berechnen zu können, sind die Zahlungsströme des geförderten Investitionsobjekts ohne und mit Einbeziehung der Subvention gegenüberzustellen. Zu beachten ist vor allem die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Subventionen. Geldsubventionen

- - -Investitions-/

Investitionszulagen

zuschüsse

~---Zuschüsse ftir laufende Aufwendungen (ohne Zinsen)

Zinsermäßigungen

(I) Investitionszulagen sind bei nicht-körperschaftsteuerpflichtigen Subventionsempfängern (das sind vor allem Einzelkaufleute und Personengesellschaften) definitiv steuerfrei.121 Bei körperschaftsteuerpflichtigen Subventionsempfängern (insbesondere Kapitalgesellschaften) bleiben sie bis zu dem Zeitpunkt steuerfrei, in dem EK02122 - in diese Position der körperschaftsteuerliehen Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals sind Investitionszulagen einzustellen - als ftir die Ausschüttung an Gesellschafter verwendet gilt. Durch diese Vorschrift beabsichtigt der 121 Vgl. § 10 Investitionszulagengesetz 1993 (lnvZulG 1993) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.1993, BGBI.l S. 1650, zuletzt geändert durch Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18.12.1995, BGBI.l S. 1959. 122 Vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG.

105

Gesetzgeber, an körperschaftsteuerpflichtige Empfänger geflossene Investitionszulagen nur so lange steuerfrei zu belassen, wie die Subventionen in der Vermögenssphäre der Gesellschaft bleiben. Im Zeitpunkt ihrer Ausschüttung an die Gesellschafter erfolgt die Besteuerung; (2) Investitionszuschüsse ftir Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind zu versteuern, wobei die Finanzverwaltung folgendes Wahlrecht einräumtl23: * Buchung des Investitionszuschusses als Ertrag => Versteuerung des Investitionszuschusses in dem Jahr, in dem die Fördervoraussetzungen erfüllt sind und die Subventionierung bewilligt ist; *Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des subventionierten Wirtschaftsguts um den Investitionszuschuß oder Passivierung des Investitionszuschusses als Sonderposten mit Rücklageanteil => Versteuerung des Investitionszuschusses über die steuerliche Abschreibungsdauer des Wirtschaftsguts verteilt, da die Abschreibungsbemessungsgrundlage des Wirtschaftsguts um den Investitionszuschuß niedriger ist bzw. der Sonderposten mit Rücklageanteil über die Abschreibungsdauer ertragswirksam aufzulösen ist; (3) Zuschüsse für laufende Aufwendungen (z. B. Personalkostenzuschüsse) sind als Erträge zu buchen => Versteuerung des Investitionszuschusses in dem Jahr, in dem die Fördervoraussetzungen erfüllt sind und die Subventionierung bewilligt ist; (4) Zinsersparnisse durch Gewährung eines subventionierten Kredits werden infolge der Buchung niedrigerer Zinsaufwendungen in Höhe der Differenz zwischen den marktüblichen Zinsen und den tatsächlich zu zahlenden Zinsen versteuert. Beispiel zu (2): Die Anschaffungskosten einer Produktionsanlage betragen im Jahr 1995 5 Mio DM. Dem einkommensteuerpflichtigen Investor wird im selben Jahr ein Investitionszuschuß in Höhe von 20 % = 1 Mio DM gewährt. Die steuerliche Abschreibungsdauer beträgt 8 Jahre; es wird linear abgeschrieben. Der Kalkulationszinssatz vor Steuern zur Berechnung des Endwerts der Subvention wird über die Abschreibungsdauer konstant mit 9 % p. a. angenommen. Die in den einzelnen Jahren zu erwartenden individuellen, kombinierten Einkommen- und Gewerbeertragsteuersätze sind jeweils angegeben, wobei im Fall A ein konstanter Steuersatz, im Fall B ein variabler Steuersatz prognostiziert wird. Sämtliche Zahlungen fallen vereinfachend am Jahresende an. Alle DM-Beträge in 1.000 DM. Fall A: Konstanter Steuersatz =55%=> is = (1-0,55)0,09 = 0,0405 = 4,05% 1995 Sofortversteuerung: Investitionszuschuß Abschreibung /';.Einkommen /';.Steuern /';.Zahlungen

+I 000,00 - 625,00 + 375,00 - 206,25 + 793,75

1996

1997

1998

1999

2000

200 I

2002

- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00 - 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75 +343,75

Summe + I 000 - 5000 - 4000 + 2200 + 3200

l23 Vgl. Abschn. 34 Abs. 2 Einkommensteuer-Richtlinien 1993 (EStR 1993) vom 18.5.1994, BStBI. I Sondernummer I.

106

6 C2002 (is = 4,05%) = 793,75 ·1,0405 7 + 343,75 · I 1,0405 t = 3.767,20 t=O AK-Minderung: Investitionszuschuß Abschreibung ~Einkommen

~Steuern ~Zahlungen

+1000 - 500 - 500 + 275 +1275

- 500 - 500 +275 +275

-500 - 500 +275 +275

- 500 -500 +275 +275

- 500 -500 +275 +275

-500 - 500 +275 +275

-500 -500 +275 +275

-500 -500 +275 +275

+ 1000 - 4000 - 4000 +2200 +3200

6

C2002(is=4,05%)=1275·1,0405 7 +275· II,0405 t =3.858,80 t=O Tab. 10: Finanzierungswirkung eines Investitionszuschusses bei konstantem Ertragsteuersatz

Die Gesamtsummen der beiden Reihen "~Zahlungen" sind identisch. Der Wert des Investitionszuschusses und die Steuerminderungen infolge der Abschreibungen - ausgedrückt im Endwert nach Steuern (C 2002 ) -resultieren jedoch im Falle der Minderung der Anschaffungskosten um den Investitionszuschuß mit der gekürzten Abschreibungsbemessungsgrundlage von 4 Mio DM höher (nämlich um 91.600 DM = 2,43 %), weil dem Investor in 1995 ein höherer Einzahlungsüberschuß nach Steuern gegenüber der Alternative Sofortversteuerung verbleibt. Dieser Liquiditätsvorteil nimmt im Lauf der Zeit ab; am Ende des Abschreibungszeitraums (31.12.2002) hat er sich gänzlich verflüchtigt. Der aus dem Liquiditätsvorteil resultierende, durch Aufzinsung auf den 31.12.2002 transformierte Zinsvorteil nach Steuern beträgt 91.600 DM. Fall B: Variabler Steuersatz Steuersatz is Sofortversteuerung: Investitionszuschuß Abschreibung ~Einkommen ~

Steuern

~Zahlungen

1995 55%

+1000,00 - 625,00 + 375,00 - 206,25 + 793,75

1996 1997 1998 1999 2000 200 I 2002 Summe 50% 45% 40% 35 % 30% 25% 20% 4,50% 4,95% 5,40% 5,85% 6,30% 6,75% 7,20%

- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00 - 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00- 625,00 +312,50 +281,25 +250,00 +218,75 +187,50 +156,25 +125,00 +312,50+281,25+250,00+218,75+187,50+156,25+125,00

+ 1000 - 5000 - 4000 + 1325 +2325

793,75 ·1,045 + 312,50 = 1.141,97 1.141,97 ·1,0495 + 281,25 = 1.479,75 1.479,75 ·1,054 + 250 = 1.809,66 1.809,66 ·1,0585 + 218,75 = 2.134,28 2.134,28 ·1,063 + 187,50 = 2.456,24 2.456,24 ·I ,0675 + 156,25 = 2. 778,29 2.778,29 ·1,072 + 125 = 3.103,33 = c2002 (is = var)

107

AK-Minderung: Investitionszuschuß Abschreibung Ll Einkommen Ll Steuern Ll Zahlungen

+1000 - 500 - 500 + 275 +1275

- 500 - 500 +250 +250

- 500 - 500 +225 +225

- 500 - 500 +200 +200

1.275 ·1 ,045 + 250 = 1.582,38 1.582,38 ·1,0495 + 225 = 1.885,71 1.885,71·1,054 + 200 = 2.187,54 2.187,54. 1,0585 + 175 = 2.490,51 2.490,51·1,063 + 150 = 2.797,41 2.797,41·1,0675+ 125 = 3.111,24 3.111,24 ·1,072 + 100 = 3.435,25 = c2002 (is

- 500 - 500 + 175 + 175

- 500 - 500 +ISO + 150

- 500 - 500 + 125 + 125

+ +

500 500 100 100

+ 1000 - 4000 - 4000 + 1500 +2500

= var)

Tab. 11: Finanzierungswirkung eines Investitionszuschusses bei variablem Ertragsteuersatz

Die Gesamtsummen der beiden Reihen "il Zahlungen" sind unterschiedlich, weil der unterstellte sinkende Steuersatz den Steuerstundungseffekt der Kürzung der Abschreibungsbemessungsgrundlage um den Investitionszuschuß verstärkt. Der Wert des Investitionszuschusses und die Steuerminderungen infolge der Abschreibungen - ausgedrückt im Endwert nach Steuern - resultieren jedoch im Fall der Minderung der Anschaffungskosten um den Investitionszuschuß mit der Abschreibungsbemessungsgrundlage von nunmehr 4 Mio DM höher (nämlich um 331.920 DM = 10,7 %), weil der Investitionszuschuß bei Sofortversteuerung einem relativ hohen Steuersatz (55%) unterliegt, während der Investitionszuschuß bei Abzug von den Anschaffungskosten indirekt durch niedrigere Abschreibungen relativ niedrigen Steuersätzen unterliegt. Umgekehrt wäre in Erwartung steigender Steuersätze tendenziell die Sofortversteuerung des Investitionszuschusses zu bevorzugen.

Aufgaben zu Abschnitt 5.1: 1. Begründen Sie, weshalb Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien prinzipiell bessere Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten als die anderen Unternehmensrechtsformen haben. 2. Wie beeinflußt die Besteuerung den Finanzierungseffekt einer Subvention?

5.2 Innenfinanzierung 5.2.1 Gewinnthesaurierung Als Gewinnthesaurierung bezeichnet man die Einbehaltung von Einzahlungsüberschüssen, denen in den GuV-Rechnungen Gewinne entsprechen, im Unternehmen. Die Betonung der Zahlungsebene ist wesentlich, da im Fall der Ermittlung des Jahresergebnisses 108

durch Vermögensvergleichsrechnung (= Bilanzierung) der Ausweis von Erträgen und Aufwendungen zeitlich unabhängig von den korrespondierenden Einzahlungen bzw. Auszahlungen erfolgt. Auch bei Anwendung der Einnahrnenüberschuß-Rechnung ist der Ausweis von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nicht durchgängig an die entsprechenden Ein- bzw. Auszahlungen gebunden (Abweichungsbeispiele: Abschreibungen; Verrechnung der Anschaffungskosten nicht planmäßig abschreibungsfahiger Wirtschaftsgüter - z. B. Grund und Boden - als Betriebsausgaben erst im Jahr der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter). Die Unternehmensfinanzierung wird maßgeblich davon beeinflußt, in welchem Geschäftsjahr ein Ertrag oder Aufwand ausgewiesen wird: - Der Ausweis von Erträgen und Aufwendungen bestimmt den handelsrechtliehen Gewinn!V erlust und bildet somit vor allem bei Kapitalgesellschaften, fiir die zwingende gesetzliche Gewinnverwendungsvorschriften gelten, die Grundlage für eventuelle Gewinnausschüttungen(= Auszahlungen) an die Anteilseigner; - der Ausweis von Erträgen und Aufwendungen bestimmt unter Beachtung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz fiir die Steuerbilanz 124 den steuerrechtliehen Gewinn/Verlust und verkörpert damit die Ausgangsbasis zur Ermittlung der Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (nämlich Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbeertragsteuer). Die Besteuerung von Ertragsüberschüssen (nicht: Einzahlungsüberschüssen) kann dazu fUhren, daß ein Unternehmen Gewinn ausweist und darauf Steuern zahlen muß, ohne daß der der Ertragsbuchung zugrundeliegende Sachverhalt bereits zu einer Einzahlung gefiihrt hat. Beispiel: Ein Unternehmen lieferte im Dezember 1995 Fertigerzeugnisse zum Preis von 175.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer an einen Kunden. Der Umsatzerlös ist in der GuVRechnung des Jahres 1995 auszuweisen und erhöht um den in ihm enthaltenen Gewinn das Jahresergebnis 1995 und somit die Steuerbemessungsgrundlagen "zu versteuerndes Einkommen" und "Gewerbeertrag". Das Unternehmen ist zu Steuerzahlungen aufgrund dieses Geschäfts verpflichtet, und zwar unabhängig davon, wann der Kunde zahlt. Die Erhebung von Steuervorauszahlungen auf die voraussichtliche Steuerschuld des laufenden Geschäftsjahres verschärft die steuerlich bedingte Liquiditätsbelastung. Eine aus Gründen des Gläubigerschutzes obligatorische Gewinnthesaurierung schreibt das Aktiengesetz in§ 150 Abs. 1 u. 2 vor: 5% des um einen eventuellen Verlustvortrag geminderten Jahresüberschusses sind in die Gesetzliche Rücklage einzustellen, bis diese zusammen mit den Kapitalrücklagen gern. § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB 10 % oder den satzungsmäßig höheren Teil des Grundkapitals beträgt. Obwohl es sich um eine gesetzlich erzwungene Gewinneinbehaltung handelt, unterliegt der der Gesetzlichen Rücklage zugefiihrte Teilbetrag des Jahresüberschusses der vollen Steuerbelastung. Die Gesetzliche Rücklage zählt zu den Gewinnrücklagen. 12 5 Zufiihrungen zur Kapitalrücklage sind steuerfrei und in § 272 Abs. 2 HGB aufgezählt. Der Gesetzgeber hat über Unterneh124 Vgl. § 5 Abs. I EStG. 125 Vgl. § 266 Abs. 3 HGB.

109

mensvermögen, das wertmäßig der Gesetzlichen Rücklage entspricht, ebenso eine Ausschüttungssperre verhängt wie über Unternehmensvermögen, das wertmäßig der Kapitalrücklage und dem Gezeichneten Kapital entspricht. Dadurch soll eine Stärkung des ursprünglich vorhandenen Verlustpuffers Gezeichnetes Kapital erreicht werden. Für Kapitalgesellschaften kann es steuerlich vorteilhaft sein, Gewinne auszuschütten und anschließend die Dividenden nach Abzug der individuellen Steuern der Gesellschafter in Form von Einlagen oder Gesellschafterdarlehen bzw. Gesellschafter-Genußrechtskapital wieder zugefUhrt zu bekommen. Dieses Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren ist vor allem dann zu empfehlen, wenn die individuellen Ertragsteuersätze der dividendenberechtigten Anteilseigner niedriger als der kombinierte Körperschaft- und Gewerbeertragsteuersatz der Kapitalgesellschaft sind.

11. Gcwinnau,ochüttung ~ "Schütt a~

Kapitalge"llochaft


Auszahlungen). Resultiert ein Kapitalbedarf, sind Kapitalzuflüsse und/oder Auszahlungsminderungen zu planen, um die andernfalls drohende Illiquidität abzuwenden. Resultiert ein Kapitalüberschuß, können frühzeitig außerplanmäßige Schuldentilgungen, Entnahmen oder Kapitalanlagen außerhalb des Unternehmens überlegt werden. - Ermitteln der Kapitalbedarfsdeckung: Maßnahmen zur Deckung eines ermittelten Kapitalbedarfs (z. B. Kreditaufnahmen, Einlagen) sind im Finanzplan mit ihren Zahlungswirkungen (Tilgungen, Zinszahlungen, Gewinnausschüttungen, Einlagenrückzahlungen usw.) darzustellen. Dabei ist vor allem auf die Abstimmung der Kapitalüberlassungsdauer auf die Kapitalbindungsdauer zu achten. Mehrere Finanzierungsalternativen sind anband ihrer Liquiditätswirkungen, Renditewirkungen und ihres Risikos für das Unternehmen (z. B. Abhängigkeit von Kreditgebern, Einfluß neuer Gesellschafter auf die Geschäftsführung) zu beurteilen. - Darstellen externer Kapitalanlagen: Läßt die Finanzplanung einen Kapitalüberschuß erwarten, ist zu überlegen, welches Finanzmittelvolumen dem Unternehmen ohne Gefährdung dessen Zahlungsfahigkeit (vorübergehend) entzogen werden kann, um durch Anlage dieses Kapitals außerhalb des Unternehmens zusätzliche Erträge zu erwirtschaften. - Erkennen kritischer Zahlungen und kritischer Termine: Der Finanzplan weist insbesondere auf gewichtige, unregelmäßige Zahlungen hin, die die Zahlungsfahigkeit des Unternehmens infragesteHen können (z. B. Zahlung des Kaufpreises für eine neue Produktionsmaschine). Dadurch wird die Notwendigkeit deutlich, diese Zahlungen unter Umständen zu vermeiden (z. B. durch Verzicht auf den Kauf einerneuen Maschine), zu mindern (z. B. durch Kauf einer gebrauchten Maschine oder durch Wahl der Leasingalternative) oder in die Zukunft zu verlagern (z. B. durch Kauf der Maschine vier Monate später). Ebenso bietet der Finanzplan Gelegenheit, Zeiträume zu identifizieren, in denen sich Auszahlungen regelmäßig häufen und somit die Illiquiditätsgefahr erhöhen oder zumindest die Beanspruchung von Krediten zu ungünstigen Konditionen (insbesondere Überziehungen von Kontokorrentkreditlinien) erfordern. Eine Entzerrung derartiger Auszahlungskonzentrationen erlaubt eine kontinuierliche Ausschöpfung des Kreditspielraums zu normalen Konditionen ohne Zusatzkosten (z. B. Überziehungszinsen). Die hier angesprochenen Fallgruppen werden in Form einer Sensitivitätsanalyse sichtbar und leichter beherrschbar.

189 Abweichend werden Investitionszulagen und -zuschtisse, die Außenfinanzierungsinstrumente sind, im Bereich der Auszahlungen filr Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ausgewiesen, um so die vom Unternehmen letztlich zu tragenden Anschaffungsauszahlungen leichter berechnen zu können.

190

- Beurteilen der Schuldendienstfähigkeit Aus einem Finanzplan ist ersichtlich, ob das Unternehmen im Planungszeitraum imstande sein wird, die kreditvertraglich vereinbarten Tilgungen und Zinsen zu zahlen. Vor allem Banken beurteilen unter anderem aufgrund dieser Information die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Reicht die Innenfinanzierungskraft des Unternehmens zur Deckung des Schuldendienstes nicht aus, sind anstelle von Krediten Eigenkapitalzufiihrungen einzuplanen, Investitionsprogramme zu kürzen oder zeitlich zu strecken und/oder eventuell längere Kreditlaufzeiten mit niedrigeren Tilgungsraten oder Tilgungsaussetzungen (d. h. Verschiebung der Kreditrückzahlung in die Zukunft durch Tilgungsstundung) zu vereinbaren.

8.2 Aufbau und Gestaltung der Finanzplanung Bei der Planung der Finanzen eines Unternehmens sind allgemeine Planungsgrundsätze (z. B. Offenlegung der Planungsannahmen, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Planung) und spezifische Finanzplanungsgrundsätze (z. B. Zeitpunktbezug der Zahlungen) zu berücksichtigen. Im folgenden wird zunächst der Zusammenhang zwischen Finanz- und Unternehmensplanung erläutert, anschließend werden die Grundlagen zur Erarbeitung eines Finanzplans dargestellt und erklärt.

8.2.1 Integration der Finanzplanung in die Unternehmensplanung Unternehmensplanung ist die gedankliche Gestaltung der Zukunft des Unternehmens. Alternative Unternehmensaktivitäten werden überlegt, formuliert und ihre zu erwartenden Wirkungen auf die Entwicklung des Unternehmens in einem Unternehmensplan dargestellt. Eine typische Fragestellung der Unternehmensplanung ist z. B.: Wie kann ein bisher nicht bearbeitetes Marktsegment durch Umgestaltung der Vertriebsorganisation erschlossen werden? Können dadurch die Marktattraktivität des Unternehmens sowie der Gewinn gesteigert werden? Ein weiterer Gegenstand der Unternehmensplanung ist die Personalentwicklung mit den Teilbereichen Personalakquisition, -ausbildung, -fortbildung, -einsatz usw. Finanzplanung ist die Ableitung der zu erwartenden Ein- und Auszahlungen aus dem Unternehmensplan. Ein Unternehmensplan gliedert sich im wesentlichen in folgende Teilpläne: - Absatzplan (mit Planung des Bestands an Fertigerzeugnissen und Waren); - Beschaffungsplan (häufig weiter unterteilt in Investitionsplan für Investitionen in das Anlagevermögen und Vorräteplan für Investitionen in den Bestand an Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffen, Montagekomponenten, Waren); - Produktionsplan (mit Planung des Bestands an unfertigen Erzeugnissen);

191

- Personalplan; -Forschungs- und Entwicklungsplan; - Finanzplan.

lJnternehrnensplan

I Absatzplan

I Beschaffungsplan

I Produktionsplan

I

I Personalplan

I F +EPlan

I Finanzplan

Die Finanzplanung ist ein notwendiges Planungsteilsystem des lJnternehmensplanungssystems, weil die Realisierung der geplanten lJnternehrnensentwicklung von der Verfügbarkeit der hierfür benötigten Finanzmittel abhängt. Das lJnternehmen kann nur dann nachhaltig zielgerichtet in die Zukunft hinein gestaltet werden, wenn seine Liquidität in allen Entwicklungsphasen gewährleistet ist (Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts). Deshalb muß der Finanzplan möglichst alle im Planungszeitraum zu erwartenden Ein- und Auszahlungen enthalten. Diese Forderung bedingt die Integration der Finanzplanung in die lJnternehrnensplanung. Der Finanzplan transformiert die lJnternehmensaktivitäten in Geld. Die Absatz-, Beschaffungs-, Produktions-, Personal- und F+E-Pläne dienen der Finanzplanung als Basispläne. Der entscheidende Vorzug einer integrierten Finanzplanungsrechnung ist darin zu sehen, daß sich die in den Basisplänen angesetzten Daten direkt im Finanzplan niederschlagen und Planungslücken somit strukturell vermieden werden. Dies gilt auch für Änderungen in einem Basisplan. Beispiel: In einem im Oktober 1996 aufgestellten Absatzplan für das erste Halbjahr 1997 wurde für Februar 1997 ein Absatz von 10Mengeneinheiten eines Produkts geplant. Zur Herstellung dieser 10Mengeneinheiten sind im Januar 1997 8 kg eines bestimmten Rohstoffs zu beschaffen, der einschließlich lJmsatzsteuer 500 DM je kg kostet und im Januar zu zahlen ist. Erhöht man Mitte Dezember den Planabsatzwert für Februar auf 20 Mengeneinheiten, verdoppelt sich die im Januar zu beschaffende Rohstoffmenge und folglich auch die dafür zu leistende Zahlung an den Rohstofflieferanten. Durch Gestaltung eines integrierten Systems der Teilpläne ist sicherzustelle~1 daß die im Finanzplan für Januar angesetzte Auszahlung für Rohstoffe im Zug der Anderung des Absatzplanwerts automatisch von 4.000 DM auf 8.000 DM steigt.

192

Der Finanzplan als Ergebnis der Finanzplanung kann prinzipiell auf zweierlei Weise erarbeitet werden: als derivativer Finanzplan und als originärer Finanzplan.

-------

Erstellen eines Finanzplans

derivativ

Ableiten des Finanzplans aus Plan-Bilanz und Plan-GuV-Rechnung

~

originär

Ableiten des Finanzplans aus den Basisdaten der Unternehmensplanung

- Derivativer Finanzplan: Der Finanzplan wird aus einer Plan-Bilanz und einer Plan-Gewinn- und Verlustrechnung abgeleitet. Im ersten Schritt werden die Basisdaten (z. B. Absatz- und Produktionsmengen, Verkaufs- und Einkaufspreise, Personalkapazität, Sachmittelkapazität, laufende Aufwendungen flir Energie, Instandhaltung der Betriebs- und Geschäftsausstattung usw.) geplant. Im zweiten Schritt werden durch Verdichtung der Basisdaten in strukturierter Form die Plan-Bilanz und Plan-Gewinn- und Verlustrechnung erstellt. Im dritten Schritt wird im Weg der Transformation der Zahlen der Plan-Bilanz und Plan-Gewinn- und Verlustrechnung in Ein- und Auszahlungen der Finanzplan erstellt. Problematisch an dieser Vorgehensweise ist zunächst die Komprimierung der Basisdaten nach bilanzrechtlichen Kriterien, die vermögensorientiert (im Fall der Plan-Bilanz) und ergebnisorientiert (im Fall der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung) sind, während der Finanzplan zahlungsorientiert ist. Durch diese Verdichtung werden Basisinformationen verschleiert, die zwecks Ableitung des Finanzplans zu berücksichtigen sind; es entsteht zusätzlicher Planungsaufwand. Für die Aufstellung der Plan-Bilanz und Plan-Gewinn- und Verlustrechnung ist es im Ergebnis grundsätzlich bedeutungslos, ob ein geplanter Geschäftsvorfall innerhalb des Planungszeitraums zahlungswirksam ist oder nicht. In den Finanzplan jedoch dürfen ausschließlich zahlungswirksame Geschäftsvorfälle einfließen. Ein Beispiel zur Verdeutlichung dieses rechnungssystematischen Unterschieds: In der Plan-Bilanz wird der geplante Kauf eines Lkw in Form der Aktivierung dieses Vermögensgegenstands abgebildet, unabhängig davon, ob der Lkw-Kaufpreis im Planungszeitraum gezahlt wird oder nicht. Die Abschreibungen auf diesen Lkw werden in der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwendungen ausgewiesen und mindern den Lkw-Buchwert in den PlanBilanzen des Abschreibungszeitraums. Im Finanzplan ist die Lkw-Anschaffung nur auszuweisen, falls der Lkw-Kaufpreis im Planungszeitraum vollständig oder zum Teil bezahlt wird, und zwar in Höhe der Auszahlung. Die Abschreibungen sind im Finanzplan nicht zu berücksichtigen, jedoch wirken sie auf die Steuerzahlungen, weil sie das Ergebnis des Planungszeitraums reduzieren und somit zu einer Steuerent-

193

lastung führen. Weitergehend sind im Finanzplan die Ein- und Auszahlungen Zahlungszeitpunkten zuzuordnen - eine Vorgehensweise, die im Bilanzrecht eine untergeordnete Rolle spielt, es sei denn, die Bewertung eines Bilanzpostens (z. B. einer Pensionsrückstellung) verlangt die Diskontierung des in Zukunft zu erwartenden Zahlungsstroms. - Originärer Finanzplan: Der Finanzplan wird unmittelbar aus den Basisdaten der Unternehmensplanung abgeleitet. Im ersten Schritt werden die Basisdaten geplant. In dieser Phase unterscheidet sich die Vorgehensweise nicht von der des derivativen Finanzplans. Im zweiten Schritt werden die Basisdaten in zahlungswirksame und zahlungsunwirksame differenziert. Die zahlungswirksamen Basisdaten gehen in Form der ihnen entsprechenden Ein- und Auszahlungen in den Finanzplan ein. Nachteilig ist, daß die Planung der Zahlungen und Erstattungen der Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögent9o die Aufstellung einer Flan-Steuerbilanz und einer den steuerrechtliehen Anforderungen genügenden Plan-Gewinn- und Verlustrechnung voraussetzt, weil sich die Besteuerung bei Ergebnisermittlung durch Vermögensvergleich (Bilanzierung) nicht an Zahlungen orientiert. Die Zusammenhänge zwischen einer Plan-Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren gemäß § 275 Abs. 2 HGB, einer Plan-Bilanz und einem Finanzplan sind in der folgenden Übersicht vereinfacht dargestellt. Die Reihenfolge der Positionen entspricht der Auflistung der Ertrags- und Aufwandspositionen im handelsrechtlichen Schema der Gewinn- und Verlustrechnung. Plan-Go V-Rechnung

Plan-Bilanz

Finanzplan

Umsatzerlöse Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen Andere aktivierte Eigenleistungen Sonstige betriebliche Erträge

Forderungen, Finanzmittel Vorräte

+ Kundenzahlungen

Materialaufwand

Verbindlichkeiten, RückStellungen, Finanzmittel Verbindlichkeiten, Rückstellungen, Finanzmittel

Personalaufwand

Abschreibungen

190

Anlagevermögen Forderungen, Finanzmittel

Anlage-lU mlaufvermögen

+ Kundenzahlungen, Sonstige Einzahlungen - Lieferantenzahlungen, Sonstige Auszahlungen - Lohn- und Gehaltszahlungen, Zahlung der Lohn- und Kirchensteuer und der SozialVersicherungsbeiträge, Betriebsrentenzahlungen - Lieferantenzahlungen

Das sind: Einkommen-/Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Vermögensteuer.

194

Sonstige betriebliche Aufwen- Verbindlichkeiten, Rückdungen stellungen, Finanzmittel Beteiligungen aus Forderungen, Finanzmittel Erträge Forderungen, Finanzmittel Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens Forderungen, Finanzmittel Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge Finanzanlagen, Wertpapiere Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens Verbindlichkeiten, RückZinsen und ähnliche stellungen, Finanzmittel AufWendungen Außerordentliche Erträge

Forderungen, Finanzmittel

Außerordentliche AufWendungen Steuern vom Einkommen und vom Ertrag

Verbindlichkeiten, Rückstellungen, Finanzmittel Verbindlichkeiten, Rückstellungen, Finanzmittel Sonstige Forderungen, Finanzmittel, Bilanzierungshilfe "Latente Steuern" Verbindlichkeiten, Rückstellungen, Finanzmittel Sonstige Forderungen, Finanzmittel Eigenkapital, Finanzmittel

Sonstige Steuern

Eigenkapital, Finanzmittel Verbindlichkeiten, Finanzmittel Verbindlichkeiten, Finanzmittel Aktive Rechnungsabgrenzungsposten, Finanzmittel

Passive Rechnungsabgrenzungsposten, Finanzmittel

- Lieferantenzahlungen, Sonstige Auszahlungen + Gewinnanteilszahlungen + Gewinnanteilszahlungen, Zinseinzahlungen + Gewinnanteilszahlungen, Zinseinzahlungen - Anschaffungsauszahlungen

- Zinsauszahlungen, Gewinnanteilszahlungen, Betriebsrentenzahlungen + Kundenzahlungen, Sonstige Einzahlungen - Lieferantenzahlungen, Schadenersatzzahlungen - Steuerzahlungen + Steuererstattungen

- Steuerzahlungen + Steuererstattungen +Zahlungen von Eigenkapitalgebern - Zahlungen an Eigenkapitalgeber +Zahlungen von Fremdkapitalgebern - Zahlungen an Fremdkapitalgeber - Auszahlungen vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen + Einzahlungen vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Ertrag ftir eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen

Abb. 44: Zusammenhänge zwischen Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, Plan-Bilanz und Finanzplan

195

Umsatzerlöse: In Höhe der Umsatzerlöse zuzüglich Umsatzsteuer werden in der Bilanz Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aktiviert, solange die Kunden nicht bezahlt haben. Im Finanzplan werden die den Umsatzerlösen zuzüglich Umsatzsteuer entsprechenden Kundenzahlungen als Einzahlungen prognostiziert. Zu beachten ist, daß die Umsatzsteuer im Fall der Regelbesteuerung nach vereinbarten Entgelten in dem Monat entsteht, in dem die Umsätze getätigt werden, unabhängig davon, wann die Kunden zahlen. Erlösminderungen bewirken eine Ertrags- und Forderungsminderung sowie niedrigere Kundenzahlungen; die Umsatzsteuer ist in den Kundenzahlungen enthalten und entsprechend zu kürzen (Umsatzsteuererstattung vom Finanzamt). Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen: Bei Aufstellung der GuV-Rechnung nach dem Gesamtkostenverfahren sind Bestandserhöhungen bzw. -minderungen als Korrektur der gebuchten Material-, Personal- und Sonstigen Aufwendungen als Erträge bzw. Aufwendungen zu buchen. Eine Bestandserhöhung bewirkt eine Erhöhung des Werts des Vorratsvermögens in der Bilanz, eine Bestandsminderung bewirkt eine Minderung dieses Buchwerts. Im Finanzplan zeigt sich keine Wirkung, da die Ein- und Auszahlungen unabhängig davon zu planen sind, ob sich ein Erzeugnis am Bilanzstichtag (noch) im Vermögen des Unternehmens befindet oder nicht. Allerdings erfordert die Entscheidung, das Vorratslager aufzustocken, zusätzliche Auszahlungen, die im Finanzplan zu berücksichtigen sind. Werden Vorräte abgebaut, fließen dem Unternehmen Kundenzahlungen zu, denen im Planungszeitraum keine Zahlungen an Lieferanten gegenüberstehen. Andere aktivierte Eigenleistungen: Selbst hergestellte materielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind in der Bilanz zu aktivieren. In der GuV-Rechnung ist zur Korrektur der gebuchten Aufwendungen ein Ertrag auszuweisen. Im Finanzplan sind die Auszahlungen, die den durch die Herstellung verursachten Aufwendungen entsprechen, insbesondere in den Positionen "Lieferantenzahlungen" (für Material) und "Lohn- und Gehaltszahlungen, Zahlung der Lohn- und Kirchensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge" (für Personal) enthalten. Sonstige betriebliche Erträge: In dieser Position sind z. B. Erträge aus der Vermietung nicht selbst genutzter Lagerkapazität oder Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen auszuweisen. Solange den erstgenannten Erträgen keine Einzahlung entspricht, sind sie in der Bilanz als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu aktivieren, im Finanzplan sind sie als Kundenzahlungen zu planen. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen haben im Finanzplan unmittelbar kein Zahlungspendant zugeordnet, obwohl sie das Gewinnausschüttungspotential und die Steuerzahlungen erhöhen.

196

Materialaufwand: In dieser Position sind die Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren und Leistungen auszuweisen. Soweit die Eingangsrechnungen hierfür noch nicht bezahlt sind, werden sie in der Bilanz passiviert. Die Zahlungen an Lieferanten sind im Finanzplan zu prognostizieren. In den Eingangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer ist als Vorsteuer vom Finanzamt zu erstatten (Einzahlung) bzw. mit der Umsatzsteuerschuld zu verrechnen (Auszahlungsminderung). Personalaufwand: Löhne und Gehälter sowie die gesetzlichen, vertraglichen und freiwilligen Personalnebenkosten sind hier auszuweisen, bestehende Verbindlichkeiten sind in der Bilanz zu passivieren. Bei der Planung der Auszahlungen sind die unterschiedlichen arbeitsvertragliehen und gesetzlichen Zahlungsfristen zu beachten. Personal- und Zinsaufwendungen aus Betriebsrentenzusagen schlagen sich in der Bilanz als Pensionsrückstellung nieder. Die Betriebsrentenzahlungen sind erst viele Jahre später zu leisten, so daß die Finanzplanung diese Aufwendungen mit großer zeitlicher Verzögerung als Auszahlungen berücksichtigt. Abschreibungen: Abschreibungen mindern die Buchwerte von Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens in der Bilanz. Abschreibungen sind buchungstechnisch periodisierte Zahlungen an die Lieferanten der abzuschreibenden Vermögensgegenstände. Die Auszahlungen für die Herstellung beispielsweise eines neuen Lagergebäudes unterscheiden sich von den Kundenzahlungen durch unregelmäßigen Anfall und hohe Beträge. Ihnen ist bei der Finanzplanung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sonstige betriebliche Aufwendungen: Inhalt dieser Position sind Aufwendungen für Energie, Mieten, Pachten, Leasingraten, Instandhaltung der Betriebs- und Geschäftsausstattung, Telekommunikation, Werbung, Versicherungen, Beratung usw. Soweit diesen Aufwendungen noch keine Auszahlungen entsprechen, sind sie als Verbindlichkeiten oder Rückstellungen zu passivieren. Erträge aus Beteiligungen: Erzielt das Unternehmen Erträge (Gewinnanteile) aus ihm gehörenden Kapitalanteilsrechten (z. B. Aktien, GmbH-Geschäftsanteile, Kommanditanteile) anderer Unternehmen, sind diese bis zum Einzahlungstermin als Forderungen zu aktivieren. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleibungen des Finanzanlagevermögens: Erträge aus Finanzanlagen, die keine "Beteiligungen" im Sinne des § 271 Abs. 1 HGB sind, sind bis zum Einzahlungstermin als Forderungen zu aktivieren.

197

Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge: Erträge aus dem Finanzumlaufvermögen (z. B. aus Festgeldern und Kontokorrentkonten) sind bis zu ihrer Einzahlung als Forderungen in der Bilanz auszuweisen. Abschreibungen aufFinanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens: Für diese außerplanmäßigen Abschreibungen gilt das fiir "Abschreibungen" Gesagte. Zinsen und ähnliche Aufwendungen: Solange Zinsaufwendungen und ihnen ähnliche Aufwendungen (z. B. Gewinnausschüttungen an Genußscheininhaber) nicht bezahlt sind, erscheinen sie als Verbindlichkeiten oder Rückstellungen in der Bilanz. Der in den Zuführungsbeträgen zu Pensionsrückstellungen enthaltene Zinsanteil ist in dieser GuV-Position auszuweisen, die korrespondierenden Betriebsrentenzahlungen erfolgen in Abhängigkeit von der Rentenzusage und der tatsächlichen Rentenbezugsdauer eventuell Jahrzehnte später. Außerordentliche Erträge: Erträge aus Geschäftsvorfällen, die selten vorkommen und flir das Unternehmen von wesentlicher Bedeutung sind (z. B. Gewinn aus dem Verkauf der einzigen Tochtergesellschaft), müssen als Forderungen aktiviert werden, solange keine Einzahlung korrespondiert. Außerordentliche Aufwendungen: Für außerordentliche Aufwendungen gilt das fiir "außerordentliche Erträge" Gesagte entsprechend. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag: Die Steuern vom Einkommen (Körperschaftsteuer) und vom Ertrag (Gewerbeertragsteuer) werden nach Bemessungsgrundlagen ermittelt, die auf dem steuerrechtliehen Ergebnis (GewinnNerlust) des Planungszeitraums basieren. Die Einkommensteuer ist kein Aufwand, weil sie vom Einzelkaufmann bzw. von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft geschuldet wird. Im Finanzplan gehört die Einkommensteuer in die Rubrik "Entnahmen". Solange die Körperschaft- und Gewerbeertragsteuer nicht bezahlt sind, ist ihre Passivierung als Verbindlichkeit oder Rückstellung erforderlich. Zu erwartende Steuererstattungen werden als Sonstige Forderungen aktiviert. Bei der Planung der Steuerzahlungen sind Steuervorauszahlungen für den aktuellen Planungszeitraum zu den gesetzlich vorgegebenen Fälligkeitsterminen anzusetzen. Die Steuervorauszahlungen werden vom Finanzamt (flir die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer) und von der Gemeinde (für die Gewerbesteuer) aufgrund der Steuern für ein bereits veranlagtes abgelaufenes Kalenderjahr festgesetzt, können jedoch im Lauf des Planungszeitraums neu festgesetzt werden. Problematisch ist die Planung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen, weil diesen Zahlungen Steuerbescheide zugrundeliegen, die häufig erst ein bis zwei Jahre nach Ablauf eines Pla-

198

nungsjahres ergehen. Noch längere Zahlungsverzögerungen resultieren aus steuerlichen Betriebsprüfungen und finanzgerichtlichen Verfahren. Sonstige Steuern: In dieser Position sind grundsätzlich die in den "Steuern vom Einkommen und vom Ertrag" nicht enthaltenen Steuern auszuweisen, soweit sie Aufwendungen sind (z. B. Vermögensteuer der Kapitalgesellschaft, Grundsteuer, Gewerbekapitalsteuer, Kraftfahrzeugsteuer). Für die Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer gilt grundsätzlich die für die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag formulierte Aussage. Die Grund- und Kraftfahrzeugsteuer haben keine Salden als Bemessungsgrundlagen und können daher mit einer wesentlich höheren Treffsicherheit geplant werden. Die Vermögensteuer eines Einzelkaufmanns und der Gesellschafter einer Personengesellschaft ist im Finanzplan in der Rubrik "Entnahmen" auszuweisen. Nicht mit Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung korrespondierende Positionen in der Plan-Bilanz und im Finanzplan: Einzahlungen von Eigenkapitalgebern (vor allem: Einlagen des Einzelkaufmanns bzw. Gesellschafters) erhöhen das bilanzielle Eigenkapital, Auszahlungen an Eigenkapitalgeber (vor allem: Einlagenrückzahlungen, Gewinnausschüttungen) mindern das bilanzielle Eigenkapital. Einzahlungen von Fremdkapitalgebern (vor allem: Bankkredite, Gesellschafterkredite) erhöhen die Verbindlichkeiten, Auszahlungen an Fremdkapitalgeber (vor allem: Kredittilgungen) mindern die Verbindlichkeiten, soweit sie keine Kapitalnutzungsentgelteund damit Aufwendungen- sind (vor allem: Kreditzinsen). Auszahlungen vor dem Abschlußstichtag sind als Aktive Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag darstellen (z. B. im voraus bezahlte Versicherungsbeiträge). Einzahlungen vor dem Abschlußstichtag sind als Passive Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag darstellen (z. B. im voraus vereinnahmte Pacht).

8.2.2 Zeitliche Struktur des Finanzplans Ein Planungsgrundsatz lautet: Je ferner der Planungshorizont (=Ende des Planungszeitraums}, desto länger die Teilperioden innerhalb des Planungszeitraums. Wenn man einen Plan für morgen aufstellt, kann man Stunde für Stunde planen, wenn man einen Plan für ein Jahr aufstellt, wird man Monate oder Wochen planen. Der Unternehmensplan für ein neu zu gründendes Unternehmen wird üblicherweise für einen Planungszeitraum von drei Jahren, unterteilt in drei Teilperioden von jeweils einem Jahr, erstellt. Zweck einer derartigen Gründungsplanung ist die Darstellung der Unternehmensentwicklung in den ersten Jahren- in der Anlaufphase -,die insbesondere zeigen soll, welche Anlaufverluste zu erwarten sind und ob vielleicht bereits im zweiten Jahr der Unter199

nehmensexistenz mit einem ausgeglichenen Jahresergebnis, eventuell sogar mit Gewinn zu rechnen ist. Bei dieser Planungsstruktur stehen der Beginn und das Ende des Planungszeitraums fest (z. B. vom 1.4.1997 bis 31.3.2000 oder- verkürzt- bis 31.12.1999); man bezeichnet sie daher als Blockplanung. Eine Teilperiode kann weiter untergliedert werden, etwa ein Jahr in Halbjahre, Quartale, Monate, Wochen, Tage. Je näher die zu planende Teilperiode zur Gegenwart liegt, desto eher werden Detailinformationen für kürzere Planungsabschnitte mit höherem Genauigkeitsgrad verfiigbar und notwendig sein. Einen Unternehmensplan für das Jahr 2000 auf Wochenbasis zu erstellen, dürfte im Oktober 1996 mangels hinreichender Detailinformationen wenig sinnvoll sein. Man wird deshalb den "Plan 2000" allenfalls auf Quartals- oder Halbjahresbasis erarbeiten. Die Planung für das Jahr 1997 sollte im Oktober 1996 auf Monatsbasis erstellt werden, wobei das erste Quartal oder das erste Halbjahr 1997 tiefergehend in Wochen unterteilt werden kann. Gestaltet man die Planungsrechnungen so, daß die Planungszeiträume immer dieselbe Länge behalten, spricht man von einer rollierenden Planung: Die jeweils älteste Teilperiode wird aus der Planung gestrichen und dafür die unmittelbar an den bisherigen Planungszeitraum anschließende Teilperiode in die Planung einbezogen. Soll die Planungsrechnung z. B. stets zwölf Monate umfassen und läuft der gegenwärtig geltende Plan vom 1.3.1997 bis 28.2.1998, ist bei einem Arbeitsvorlauf von rund zwei Monaten für die Detailplanung aufWochenbasis im Januar 1997 der Monat März 1997 als älteste Teilperiode aus dem Plan zu eliminieren und dafür der Monat März 1998 als jüngste Teilperiode anzuhängen, so daß der "neue" Plan dann vom 1.4.1997 bis 31.3.1998 reicht. Der Vorteil der rollierenden Planung ist in einem gleichbleibend langen Planungszeitraum zu sehen, der unabhängig von konventionellen zeitlichen Abgrenzungen (z. B. Quartalsende, Halbjahresende, Geschäftsjahresende) zu einer Vorausschau über eine konstante Anzahl von Wochen, Monaten, Quartalen, ... zwingt. Der Nachteil besteht in dem fehlenden zeitlichen Bezug zur Plan-Bilanz und zur Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, so daß Abstimmungen zwischen diesen Rechenwerken und der rollierenden Finanzplanung schwerfallen und zusätzliche Übergangsrechnungen bedingen.

8.2.3 Inhaltliche Struktur des Finanzplans Die Ableitung eines Finanzplans aus zahlungswirksamen Basisdaten und die Verbindung zwischen Ergebnis- und Finanzplanung werden in der folgenden Übersicht schematisiert:

200

(~_ _A_b_sa_tz_ _~)- -

-

-

-

-

-

-

-{Produktionsmengen)

*

*

(Materialeinsatzquote0

(

Umsatzerlöse

(

)

Materialmengen )

*

( Erlösminderungen )

(

+ Andere Erträge

)

( Materialaufwand )

+ :E Erträge (ohne Finanzerträge

( Personalaufwand )

+

+

Andere ) Aufwendungen

(

Umsatzsteuer

)

(

(

Forderungen

)

:E Aufwendungen (ohne Finanzaufwand, ohne Steuern)

I

Zahlungsverhalten der Kunden, orderungsausfälle

+ (

Umsatzsteuer

)

Laufende Auszahlungen Laufender Einzahlungs-/ Auszahlungsüberschuß

(

) = Basisdaten

=Zahlungen

~---~

201

Investitionszulagen, Investitionszuschüsse

+

IUmsatzsteuererstattung I

Umsatzsteuerzahlung

+ Andere Steuererstattungen

I

+-t

Andere Steuerzahlungen

+i

.I

Fremdkapitalbedarf,

+i

i-

Tilgungs- und Zinszahlungen Festbetragskredite

I

I

Variabler Kreditbedarf, L I Bankguthaben

l Stand Kontokorrentkonto l I

Kontokorrent-Kreditlinie

Abb. 45: Verbindungen zwischen Basisdaten und Zahlungen im Finanzplan

202

i-

Sollzinsen Kontokorrentkonto

Habenzinsen Kontokorrentkonto

I

I

I

"I Eigenkapitalüberschuß I

Aufnahmen Festbetragskredite

I

.-

Entnahmen

Einlagen

I

I

Gesamter

I Kapitalbedarf/-überschuß I

I

Im Finanzplan wird der gesamte Zahlungsstrom des Unternehmens zunächst grob in einen Einzahlungsstrom und in einen Auszahlungsstrom geteilt. Der Einzahlungsstrom wird gegliedert in die regelmäßigen, laufenden Einzahlungen im Zusammenhang mit der Absatztätigkeit im Kerngeschäft des Unternehmens (Umsatzerlöse ~ Kundenzahlungen) und aus Sonstigen betrieblichen Erträgen (z. B. Einzahlungen aus der Vermietung einer selbst nicht benötigten Produktions- und Lagerhalle) sowie in unregelmäßige Einzahlungen aus dem Verkauf von Vermögensgegenständen insbesondere des Anlagevermögens (z. B. Verkauf eines Grundstücks, einer Maschine, eines Fahrzeugs). Weitere Einzahlungen sind Steuererstattungen (insbesondere aufgrund von Umsatzsteuerguthaben) und Kapitalzufiihrungen von den Unternehmenseigentümern und Kreditgebern. Der Auszahlungsstrom wird gegliedert in die regelmäßigen, laufenden Auszahlungen im Zusammenhang mit den Aktivitäten in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Absatz, Beschaffung und Fertigung, die in Abhängigkeit vom gewünschten Detaillierungsgrad der Information nach Kostenarten spezifiziert werden (z. B. Rohstoffe, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe, Montagekomponenten, Fremdleistungen, Personalkosten, Mieten, Instandhaltungskosten, Werbekosten, Transportkosten, Versicherungsbeiträge, Beratungskosten). Geplante Auszahlungen fiir die Anschaffung/Herstellung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens (z. B. Immobilien, Maschinen, Fahrzeuge, Büroeinrichtung) sind unbedingt gesondert auszuweisen, weil diese Auszahlungen diskontinuierlich und in relativ großem Umfang anfallen, damit sowohl in zeitlicher als auch betraglieber Hinsicht von besonderer Bedeutung sind. Es folgt die Planung der Umsatzsteuer-Zahllast oder des Umsatzsteuer-Erstattungsanspruchs und weiterer Steuerzahlungen, insbesondere der Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften bzw. der Einkommensteuer bei Nicht-Kapitalgesellschaften. Entnahmen der Unternehmenseigentümer, sei es in Form von Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen im Zug einer Herabsetzung des Gezeichneten Kapitals bei Kapitalgesellschaften, sei es in Form von Entnahmen bei Nicht-Kapitalgesellschaften, sind ebenfalls separat zu planen. Saldiert man an dieser Stelle die bisher genannten Ein- und Auszahlungen, resultiert der Fremdkapitalbedarf (negativer Saldo) oder der Eigenkapitalüberschuß (positiver Saldo). Es folgt die Planung der Festbetragskredite, ftir die Tilgungs- und Zinszahlungen bei (zeitlich begrenzten) Zinssatzfestschreibungen und Tilgungsplänen sicher oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit angegeben werden können. Ein nicht durch Festbetragskredite gedeckter verbleibender Fremdkapitalbedarf ist schließlich durch Inanspruchnahme von Kontokorrentkrediten und/oder Wechseldiskontkrediten als Fremdfinanzierungsinstrumente mit flexibler, kurzfristiger Kreditbeanspruchung zu decken. Zwecks Überwachung der Ausschöpfung der Kontokorrentkreditlinien bzw. Wechseldiskontkreditlinien empfiehlt sich der Ausweis der voraussichtlichen Kontokorrentkreditlinien bzw. Wechseldiskontkreditlinien und die Berechnung des noch freien Kreditrahmens bzw. einer drohenden Überziehung des Kreditrahmens. Bei der Gestaltung eines Finanzplanschemas ist zu beachten, daß ausschließlich Zahlungen in die Ermittlung des Kapitalbedarfs oder -Überschusses einfließen dürfen, keinesfalls aber diverse als Basisdaten zur Berechnung der Ein- und Auszahlungen im 203

Finanzplan ebenfalls enthaltene (Absatz-, Beschaffungs-, Fertigungs-)Mengen oder Zeiten, Erträge, Aufwendungen, Lagerbestandswerte usw. Sämtliche Zahlungen sind unsaldiert auszuweisen, d. h. Einzahlungen dürfen im Vorfeld nicht mit Auszahlungen verrechnet werden, damit die ursprünglichen Größenordnungen der Zahlungen für Sensitivitätsanalysen und Risikobeurteilungen erhalten bleiben.

8.2.4 Berücksichtigung des Risikos Planzahlungen haben unterschiedliche Risikograde. Während z. B. die Tilgungs- und Zinszahlungen für Darlehen mit fest vereinbartem Tilgungs- und Zinszahlungsplan bei Festschreibung des Zinssatzes innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums sicher (risikolos) sind, ist den geplanten Kundenzahlungen ein besonders hohes Risiko immanent, weil die Entwicklung des Absatzes und der Verkaufspreise unsicher ist, die Kundenstruktur Änderungen unterliegt, die Kundenbonität besser oder schlechter werden kann (Kundeninsolvenzen!), Kunden im Lauf der Zeit ihr Zahlungsverhalten ändern können usw. Diese Vielzahl von Einflußfaktoren ist vor allem bei relativ fernen Planungshorizonten- etwa bei einer 3-Jahres-Planung- praktisch nicht zufriedenstellend in den Griff zu bekommen. In der Theorie versucht man, das Risiko mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsfunktionen abzubilden und kalkulierbar zu machen. Der Praktiker jedoch ist bereits mit der Aufgabe, eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auch nur für eine einzige riskante Zahlungsart (z. B. Zahlungen an Lieferanten für Warenlieferungen) zu formulieren, häufig überfordert. In der Praxis treten Ereignisse schließlich nicht - wie in der Theorie unterstellt - als Ergebnis der Berechnung eines irgendwie gewichteten arithmetischen Mittelwerts, begleitet von Standardabweichungen, ein. Wenn das Geschäft floriert, werden hohe Umsätze und damit hohe Kundenzahlungen erzielt. Andererseits muß mehr Material eingekauft und mehr Personal beschäftigt werden mit der Folge entsprechend hoher Zahlungen an Lieferanten und Mitarbeiter. Bei unbefriedigender Geschäftslage sind die Kundenzahlungen niedrig, die Lohn- und Gehaltszahlungen verharren jedoch zumindest ein paar Monate lang auf höherem Niveau, weil eine Stammbelegschaft nötig ist, weil arbeitsrechtliche Bestimmungen Kündigungen verhindem bzw. verzögern, weil einzelne Mitarbeiter im Unternehmen zentrale Funktionen ausüben und damit unentbehrlich sind (Stichwort: Kostememanenz). Ein Unternehmen läuft nicht zu 30% "hervorragend" (Planumsatz: 10 Mio DM), zu 40% "zufriedenstellend" (Planumsatz: 8 Mio DM), zu 20% "schleppend" (Planumsatz: 5 Mio DM) und zu 10% "katastrophal" (Planumsatz: 2 Mio DM), so daß ein "gewichteter" Planumsatz von (10 · 0,3 + 8 · 0,4 + 5 · 0,2 + 2 · 0,1 =) 7,4 Mio DM als Basis fiir die Planung der Kundenzahlungen, für die Beschaffung von Material, für die Personalplanung, fiir die Planung der Transportkosten usw. anzusetzen ist. Es läuft entweder zu annähernd 100 % "hervorragend" oder zu annähernd 100 % "zufriedenstellend" oder zu annähernd 100% "schleppend" oder zu annähernd 100% "katastrophal". Daraus

204

folgt, daß das Risiko mit seinen Konsequenzen fiir die finanzielle Entwicklung des Unternehmens durch die Aufstellung alternativer Finanzpläne berücksichtigt werden sollte (sog. Szenariotechnik). Diese Vorgehensweise hat den systematischen Vorzug, daß die Zahlungswirkungen alternativ möglicher Zukunftslagen konsistent dargestellt werden und somit der Finanzplan der Unternehmensleitung und budgetverantwortlichen Mitarbeitern Hinweise auf situationsgerechte Maßnahmen geben kann.

8.2.5 Plan-Ist-Abweichungen Eine gute Planungsqualität kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß Abweichungen der Ist-Zahlungen von den Plan-Zahlungen nur geringfiigig auftreten und möglichst zuverlässig analysiert werden können. Voraussetzung hierfiir ist der Ausweis der Planungsgrundlagen für die einzelnen Zahlungen im Finanzplan selbst oder in Anlagen zum Finanzplan. Im Interesse einer übersichtlichen Darstellung sollte im allgemeinen die letztgenannte Verfahrensweise gewählt werden. Plan-Ist-Abweichungen bei Zahlungen sind zunächst daraufhin zu untersuchen, ob sie auf Planungsfehlern beruhen (z. B. falsche Planung der Lohn- und Gehaltszahlungen wegen lückenhafter Erfassung der vertraglich vereinbarten Sonderzuwendungen und der freiwilligen Sozialleistungen) oder ob externe Ursachen (z. B. unerwarteter Anstieg der Rohstoffpreise, unerwartete Änderung des Steuerrechts mit Wirkung auf die geplanten Steuerzahlungen) fiir die Abweichungen verantwortlich sind. Die Abweichungsanalyse vermittelt zum einen Aufschluß über eventuell zu vermeidende Auszahlungen (z. B. Miete für einen seit zwei Jahren gemieteten Lagerraum, der der Lagerbestandsplanung zufolge nicht mehr benötigt wird und daher bei Aufstellung des Finanzplans übersehen wurde) und über eventuell zu steigemde Einzahlungen (z. B. Minderung der Forderungsausfallquote durch frühzeitiges, konsequentes Mahnwesen). Zum anderen lernt man aus den durch die Abweichungsanalyse aufgedeckten Mängeln der Finanzplanung, so daß die Zuverlässigkeit künftiger Finanzpläne zunimmt.

8.3 Praktisches Finanzplanungsbeispiel Die Erstellung eines Finanzplans wird nun detailliert anband eines Zahlenbeispiels erläutert. Planungsgegenstand ist ein mittelständisches Produktionsuntemehmen, Planungszeitraum ist das Jahr 1997, das in die zwölf Monate unterteilt wird. Die Finanzplanung 1997 basiert auf der Ergebnisplanung 1997. In der Ergebnisplanung wird bewußt auf die monatsgenaue Abgrenzung von Aufwendungen191, die nicht monatlich zu Auszahlungen fiihren, verzichtet, um die Ableitung der Auszahlungen im Finanzplan leichter verständlich erklären zu können. Beispiele für derartige Aufwendungen sind 191 Die Aufwendungen sind bei Aufstellung einer monatlichen GuV-Rechnung monatsgenau abzugrenzen.

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Versicherungsbeiträge, Kraftfahrzeugsteuer, Beiträge zu Verbänden, Urlaubs- und Weihnachtsgelder, Darlehenszinsen, Gewerbe- und Grundsteuer. Mit derselben Begründung werden im Ergebnisplan keine Bestandsveränderungen bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen berücksichtigt. Im Finanzplan sind die Zahlungswirkungen von Bestandserhöhungen und-minderungenzutreffend abgebildet z. B. in Form vergleichsweise hoher Umsatzerlöse bei Bestandsminderung oder vergleichsweise hoher Auszahlungen an Materiallieferanten, hoher Lohn- und Gehaltszahlungen und hoher Auszahlungen für Energie und weitereSachmittel und bezogene Leistungen (z. B. laufender Kfz-Betriebsaufwand, Maschinen- und Kfz-Instandhaltung, Telekommunikation) bei Bestandserhöhung. Ergebnis- und Finanzplan stimmen im Kern ihres Aufbaus weitgehend überein, wobei der Finanzplan umfangreicher ist als der Ergebnisplan. Die einzelnen Ertrags- und Aufwandspositioneil im Ergebnisplan und die korrespondierenden Einzahlungs- bzw. Auszahlungspositioneil im Finanzplan werden parallel besprochen. Um dem EDV -interessierten Leser die Formulierung eigener Ergebnis- und Finanzpläne mit Hilfe des Microsoft-Tabellenkalkulationsprogramms Excel, Version 5.0, zu erleichtern, sind die Excel-Formeln angegeben. Wird im folgenden gesagt: "Ab Februar lautet die Formel: ... ", so ist die angegebene Formel explizit für Februar gültig; für die Folgemonate ist diese Formel bei automatischer Fortschreibung der Spaltenparameter um jeweils einen Monat zu kopieren. Beide Pläne wurden in einer Excel-Arbeitsmappe auf zwei Tabellenblättern erstellt in folgenden Zellbereichen: Finanzplan links oben "FINANZPLAN 1997": A 1, Finanzplan rechts oben "Summe": 01, Finanzplan links unten "Freie Kreditlinie/Überzieh.": A71, Finanzplan rechts unten leer: 071, Ergebnisplan links oben "ERGEBNISPLAN 1997": Al, Ergebnisplan rechts oben "Summe": 01, Ergebnisplan links unten "Ergebnis nach Steuern": A56, Ergebnisplan rechts unten "-335.376": 056. Die Spalte B wurde flir besondere Zwecke (z. B. Eintragung von Überträgen aus der vorhergehenden Planungsperiode) freigelassen, daher beginnen die für Januar angegebenen Formeln mit Spalte C. Das Tabellenblatt "Finanzplan" ist mit "FP" bezeichnet, das Tabellenblatt "Ergebnisplan" mit "EP". Zellen aus dem Finanzplan werden mit der vorangestellten Kurzbezeichnung "FP!" zitiert, Zellen aus dem Ergebnisplan mit "EP!". Beispiel: Zelle D7 aus dem Finanzplan wird als "FP!D7" zitiert, dieselbe Zelle wird als "EP!D7" zitiert, falls sie zum Ergebnisplan gehört. Ergebnis- und Finanzplan sind im Anhang als ausklappbare Faltblätter enthalten. Der Ergebnisplan beginnt mit der Angabe des geplanten monatlichen Absatzes und des geplanten monatlichen durchschnittlichen Verkaufspreises (ohne Umsatzsteuer) für eine Mengeneinheit Diese beiden Zeilen (EP!2 und 3) sind kursiv geschrieben, weil sie Basisdaten für die Umsatzplanung darstellen. Der Plan geht von einem deutlichen Absatzrückgang im Winter aus und berücksichtigt eine urlaubsbedingt schleppende 206

Absatztätigkeit im August. Die Planung der Verkaufspreise trägt der erwarteten Absatzmarktentwicklung Rechnung. Die Erträge setzen sich aus Umsatzerlösen abzüglich Erlösminderungen, Mieterträgen und Sonstigen Erträgen zusammen. Umsatzerlöse sind Erträge aus dem Absatz von Produkten im Rahmen des Kerngeschäfts des Unternehmens, dagegen sind z. B. Mieterträge und Sonstige Erträge (etwa aus der Veräußerung von Anlagegegenständen mit Gewinn) gesondert ausgewiesen. Die Umsatzerlöse (ohne Umsatzsteuer) resultieren aus der Multiplikation des für einen Monat geplanten Absatzes mit dem für denselben Monat geplanten durchschnittlichen Verkaufspreis. Für Januar ergibt sich in EP!C5 ein Planumsatz von (15 · 3.900 =) 58.500 DM. Die Formel lautet: RUNDEN(C2*C3;0). Die Umsatzerlöse werden durch Skonti der Kunden gemindert. Aufgrund von Erfahrungswerten und Prognosen über das Zahlungsverhalten der Kunden wird angenommen, daß ca. 30% der Umsatzerlöse innerhalb von zwei Wochen nach Lieferung zu Kundenzahlungen abzüglich 3 % Skonto fiihren. Diese erwarteten Erlösminderungen werden dem Planmonat zugeordnet, für den der Umsatz geplant wird. Darüber hinaus werden Forderungsausfälle bezogen auf den gesamten Planumsatz in Höhe von 2 % erwartet. Für Januar resultieren somit Erlösminderungen m Höhe von [58.500 · (0,3 · 0,03 + 0,02) =] 1.696,50, gerundet 1.697 DM. Formel: RUNDEN (-C5 *(0,3 *0,03+0,02);0). Im Finanzplan sind die erwarteten Kundenzahlungen in den Zeilen FP!4 bis 6 ausgewiesen. Neben den bereits erwähnten Skontozahlern gibt es Kunden, die ein Zahlungsziel von zwei Monaten beanspruchen, dann allerdings den vollen Rechnungsbetrag zahlen; auf sie entfallen rund 25 %der Planumsätze. Die restlichen Planumsätze (43 %) fiihren mit einem Zahlungsziel von drei Monaten zu Einzahlungen. Addiert man die Umsatzanteile der drei aufgrund ihres Zahlungsverhaltens differenzierten Kundengruppen, resultieren nur (30 % + 25 % + 43 % =) 98 %. Die verbleibenden 2 % der Umsatzerlöse entsprechen der erwarteten durchschnittlichen Forderungsausfallquote (insbesondere infolge Kundeninsolvenzen). Angesichts der Kundenzahlungsziele sind Annahmen über die Monatsumsätze in den letzten drei Monaten des Jahres 1996 zu treffen: Im Oktober 1996 betrage der Umsatz 203.500 DM, im November 1996 375.000 DM und im Dezember 1996 237.000 DM. Für die Kundenzahlungen, die zwei Wochen nach Lieferung abzüglich 3% Skonto eingehen (Zeile FP!4) errechnet sich ftir Januar eine Planeinzahlung von [(237.000· 0,5 + 58.500· 0,5) ·1,15 ·0,3 · 0,97 =] 49.444,54, gerundet 49.445 DM. Bei unterstellter Gleichverteilung der Umsatztätigkeit über einen Monat werden die in der zweiten Dezember-Hälfte 1996 erzielten Umsatzerlöse (237.000 · 0,5) und die in der ersten Januar-Hälfte 1997 erzielten Umsatzerlöse (58.500 · 0,5) im Januar 1997 gezahlt. Der Faktor 1,15 berücksichtigt, daß die Kundenzahlungen 15% Umsatzsteuer beinhalten, der Faktor 0,3 steht für die Erwartung, 30% der Forderungen werden skontiert, und der Faktor 0,97 berücksichtigt den 3 %igen Skontoabzug. Die Formel für Januar lautet: RUNDEN((237000+EP!C5)*1,15*0,5*0,3*0,97;0), die Formel für Februar lautet: RUNDEN((EP!C5+EP!D5)*1,15*0,5*0,3*0,97;0). Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Für die Kundenzahlungsreihe 25%/2 Monate/netto lautet die Formel ftir Januar: RUNDEN(375000*1,15*0,25;0), die 207

Formel für Februar lautet: RUNDEN(237000*1,15*0,25;0), und die Formel für März lautet: RUNDEN(EP!C5*1,15*0,25;0). Für April bis Dezember ist die März-Formel zu kopieren. Für die Kundenzahlungsreihe 43 %/3 Monate/netto lautet die Formel für Januar: RUNDEN(203500*1,15*0,43;0), die Formel für Februar lautet: RUNDEN (375000*1,15*0,43;0), die Formel für März lautet: RUNDEN(237000*1,15*0,43;0), und die Formel für April lautet: RUNDEN(EP!C5*1,15*0,43;0). Für Mai bis Dezember ist die April-Formel zu kopieren. Das Unternehmen hat eine Lagerhalle, die es für eigene Zwecke auf absehbare Zeit nicht selbst nutzen wird, für 1.800 DM monatlich vermietet. Diese Mieterträge sind in Zeile EP!7 ausgewiesen. Die Miete für einen Monat wird am Monatsanfang zuzüglich 15 % Umsatzsteuer bezahlt, so daß bei gleichbleibender Miethöhe eine monatliche Einzahlung von (1.800·1,15 =) 2.070 DM resultiert. Die Formel im Finanzplan lautet für Januar: RUNDEN(EP!C7*1,15;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Die Zeile EP!8 Sonstige Erträge des Ergebnisplans ist ein Auffangbecken für alle Erträge, die den drei bereits genannten Ertragsarten nicht zugeordnet werden können, z. B. Zuschreibungen, ergebniswirksame Rückstellungsauflösungen, als Erträge gebuchte Investitionszuschüsse und Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens. Für Juni 1997 ist der Verkauf eines dann voraussichtlich nicht mehr benötigten, gebrauchten Lkw für 23.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer geplant. Der Lkw steht im Veräußerungszeitpunkt mit rund 18.000 DM zu Buch, so daß sich ein Veräußerungsgewinn von 5.000 DM ergibt. Im Finanzplan wird diese Einzahlung in Zeile FP!40 Anlageveräußerungen im Juni mit (23.000 ·1,15 =) 26.450 DM ausgewiesen. In der Zeile FP!8 Einzahlungen aus Sonstigen Erträgen wären z. B. erwartete Schadenersatzzahlungen, die dem Unternehmen wegen der Verletzung eines ihm gehörenden Patents zustehen, auszuweisen. Die Aufwandsplanung beginnt mit der Position Materialaufwand. Die Materialplanung kann an geplanten Monatsumsätzen oder an geplanten Produktions- und Absatzmengen anknüpfen. Die Ableitung des Materialeinsatzes mit einem Prozentsatz des Planumsatzes (sog. Materialeinsatzquote) ist in unserem Fall nicht zweckmäßig, da die erwarteten Verkaufspreise der Erzeugnisse (Zeile EP! 3) im Lauf des Jahres 1997 in einzelnen Monaten erheblichen Schwankungen unterliegen, während der Materialaufwand je Mengeneinheit (1.575 DM) konstant bleibt. Darüber hinaus soll im Januar für 100.000 DM Material und im Mai für 120.000 DM Material bezogen werden, das in dem angegebenen Materialstückaufwand von 1.575 DM nicht enthalten und liefertechnisch bedingt nur in relativ großen Mengen erhältlich ist. Der für Januar geplante Materialbezug errechnet sich aus (100.000+15·1.575=) 123.625DM. "100.000" ist der zusätzliche Materialeinkauf im Januar, "15" ist der geplante Absatz im Januar. Die Formel für Januar lautet: RUNDEN(l00000+C2*1575;0), die Formel für Februar lautet: RUNDEN (D2*1575;0), die Formel für Mai lautet: RUNDEN(120000+G2*1575;0). Für März und April sowie für Juni bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. 208

Im Finanzplan sind die Zahlungen an Materiallieferanten unter der Annahme berechnet worden, daß die Fertigung einen Vorlauf von knapp vier Wochen hat; das benötigte Material muß demnach im Monat vor dem Absatzmonat beschafft werden. Sämtliche Materialeingangsrechnungen werden nach zwei Wochen abzüglich 2 % Skonto bezahlt, d. h. es gilt hier die entsprechende Auszahlungsstruktur wie fiir 30% der Umsatzerlöse, die mit einem Zahlungsziel von zwei Wochen zu Einzahlungen führen (siehe Zeile FP!4). Die Materialsonderbezüge im Januar (100.000 DM) und im Mai (120.000 DM) werden im seihen Monat abzüglich 2 % Skonto bezahlt. Die Zahlungen an Materiallieferanten im Januar betragen bei einem Umsatzsteuersatz von 15% fiir alle bezogenen Materialien voraussichtlich [(15 ·1.575 + 7 ·1.575) ·1,15 · 0,5 · 0,98 + 100.000 ·1,15 · 0,98 =] 132.225,28, gerundet 132.225 DM, die Formel lautet: RUNDEN((-EP!C2-EP!D2) *1575*1,15*0,5*0,98-100000*1,15*0,98;0). Für Februar lautet die Formel: RUNDEN ((-EP!D2-EP!E2)*1575*1,15*0,5*0,98;0). Für März und April ist die Februar-Formel zu kopieren. Für Mai lautet die Formel: RUNDEN((-EP!G2-EP!H2) *1575*1,15*0,5*0,98-120000*1,15*0,98;0). Für Juni lautet die Formel: RUNDEN ((-EP!H2-EP!I2)*1575*1,15*0,5*0,98;0). Für Juli bis November ist die Juni-Formel zu kopieren. Im Januar 1998 wird mit einem Absatz von 20 Mengeneinheiten gerechnet, so daß die Formel fiir Dezember lautet: RUNDEN((-EP!N2-20)*1575*1,15*0,5*0,98;0). Bei der Planung des Personalaufwands sind steuer- und sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen zu beachten, die sich auf die Höhe des Personalaufwands und auf die Zahlungszeitpunkte auswirken. Geschäftsfiihrer der GmbH ist der Mehrheitsgesellschafter, so daß seine Beschäftigung sozialversicherungsfrei ist. Der Ergebnisplan enthält ab April eine Lohn- und Gehaltssteigerung für alle Beschäftigten von durchschnittlich 3,5% bezogen auf die Lohn- und Gehaltssumme im März. Die Formel für das Geschäftsfiihrer-Gehalt brutto lautet im April: RUNDEN(El3*1,035;0), die Formel für die Mitarbeiter-Gehälter und -Löhne brutto lautet im April: RUNDEN(El4*1,035;0). Am 1. Mai soll ein zusätzlicher Mitarbeiter mit einem Bruttogehalt von monatlich 4.200 DM eingestellt werden; die Formel lautet nun: RUNDEN(E14*1,035+4200;0). Im Dezember erhalten alle Beschäftigten ein 13. Monatsgehalt auf der im April angehobenen Basis; die Formel für Dezember lautet somit fiir das Geschäftsführer-Gehalt brutto: RUNDEN(E13*1,035*2;0), und fiir die übrigen Beschäftigten: RUNDEN((El4* 1,035+4200)*2;0). Die Beiträge des Unternehmens als Arbeitgeber zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung betragen ca. 20 % der Bruttolöhne und -gehälter der Mitarbeiter und sind in Zeile EP!15 SV-Beiträge AG-Anteil angegeben, fiir Januar: (34.800 · 0,2 =) 6.960 DM. Die Formel fiir Januar lautet: RUNDEN(C14*0,2;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Diese Beitragsberechnung unterstellt, daß die Löhne und Gehälter in vollem Umfang beitragspflichtig sind, d. h. in keinem Fall werden die Beitragsbemessungsgrenzen überschritten. Die vom Arbeitgeber allein zu tragenden Beiträge zur Berufsgenossenschaft als Trägerinder gesetzlichen Unfallversicherung werden mit 3% der Mitarbeiter-Gehälter undLöhne brutto geplant, für Januar: (34.800 · 0,03 =) 1.044 DM. Die Formel fiir Januar 209

lautet: RUNDEN(C14*0,03;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Der Sonstige Personalaufwand (z. B. Betriebsfeiern, Geburtstags- und Hochzeitsgeschenke, Fahrtkostenzuschüsse) wird mit durchschnittlich 5% der Mitarbeiter-Gehälter und -Löhne brutto angesetzt, wobei Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit unterstellt wird. Für Januar resultiert ein Betrag von (34.800 · 0,05 =) 1.740 DM, die Formel lautet: RUNDEN(C14*0,05;0). Im Finanzplan sind die unterschiedlichen Termine der Personalzahlungen wie folgt berücksichtigt: Die Nettolöhne und -gehälter werden dem geschäftsfUhrenden Gesellschafter und den Mitarbeitern zum Monatsende überwiesen. Die Lohnsteuer und gegebenenfalls Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag sind bis Mitte des Folgemonats an das Finanzamt abzuflihren, die Sozialversicherungsbeiträge (mit Ausnahme der Beiträge zur Berufsgenossenschaft) sind ebenso bis Mitte des Folgemonats an die Krankenkasse(n) zahlbar. Bei der Planung der Steuerzahlungen an das Finanzamt wird von einer durchschnittlichen Belastung der Bruttolohn- und Bruttogehaltssumme von 30 % ausgegangen. Die Nettozahlung an den Geschäftsfuhrer beträgt somit im Januar (9.000 · 0,7 =) 6.300 DM, die Formel lautet: RUNDEN(-EP!C13*0,7;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Bei der Berechnung der Nettolöhne und -gehälter der übrigen Beschäftigten sind zusätzlich deren Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu berücksichtigen, die rund 20 % betragen, so daß sich gemeinsam mit den Steuerabzügen ein prozentualer Abzug von den Bruttolöhnen und Bruttogehältern von etwa 50 % ergibt, flir Januar also (34.800 · 0,5 =) 17.400 DM. Die Formel zur Berechnung der Nettolöhne und -gehälter lautet flir Januar: RUNDEN (-EP!C14*0,5;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragszahlungen sind mit einmonatiger Zahlungsverzögerung zu planen. Angenommen, die Bruttolohn- und Bruttogehaltssumme (ohne Geschäftsflihrergehalt) betrage im Dezember 1996 74.600 DM und das Geschäftsflihrergehalt 18.000 DM, dann beträgt die Steuerzahlung im Januar [(74.600 + 18.000) · 0,3 =] 27.780 DM, die Formel flir die Januar-Zahlung lautet: RUNDEN(-92600*0,3;0), die Formel flir die Februar-Zahlung lautet: RUNDEN(-(EP!C13+EP!C14)*0,3;0). Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Die im Januar abzuflihrenden Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Anteil) betragen (74.600 · 0,4 =) 29.840 DM, die Formel flir die Januar-Zahlung lautet: RUNDEN(-74600*0,4;0), die Formel flir die Februar-Zahlung lautet: RUNDEN(-EP!C15*2;0). Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Auf den voraussichtlichen Jahresbeitrag zur Berufsgenossenschaft sind meistens im Lauf des Beschäftigungsjahres Abschlagszahlungen zu leisten, deren Höhe und Fälligkeitstermirre von Berufsgenossenschaft zu Berufsgenossenschaft unterschiedlich festgelegt sein können, so daß sich keine allgemeingültige Annahme über den hierflir zu planenden Auszahlungsstrom formulieren läßt. Im Finanzplan ist im Mai die Zahlung des Restbeitrags flir 1996 in Höhe von etwa 6.000 DM geplant, im August und Dezember

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sind Abschlagszahlungen auf den Jahresbeitrag 1997 in Höhe von jeweils 6.900 DM angesetzt. Der Sonstige Personalaufwand soll in dem Monat zu Auszahlungen fuhren, in dem er als Aufwand im Ergebnisplan ausgewiesen ist. Angenommen, für die dem Sonstigen Personalaufwand zugrundeliegenden Geschäfte gilt ein Umsatzsteuersatz von 15 %, resultieren die hierfür zu planenden Auszahlungen im Januar mit (1.740·1,15 =) 2.001 DM, die Formel lautet: RUNDEN(-EP!C17*1,15;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Die laufenden Aufwendungen für Kraftfahrzeuge sind in den Zeilen EP! 18 und 19 des Ergebnisplans ausgewiesen. Der Kfz-Aufwand (Treibstoffe, Wartung, Reparatur, Pflege usw., jedoch ohne Leasingraten) in Zeile EP!18 ist in den einzelnen Monaten unterschiedlich hoch ausgewiesen in Abhängigkeit von den fahrleistungsbedingten Aufwendungen (insbesondere Treibstoffe, Reifen, kilometerabhängige Wartung) und dem Anfall von Reparaturen und weiteren unregelmäßigen Aufwendungen. Die Kfz-Versicherungsbeiträge sind in Zeile EP!29 Versicherungsbeiträge enthalten, die Kfz-Steuern sind in Zeile EP!49 gesondert ausgewiesen. Die Leasingraten für Kfz (Zeile EP! 19) betragen gleichbleibend monatlich 3.700 DM plus Umsatzsteuer. Der Kfz-Aufwand (ohne Leasing) soll annahmegemäß im selben Monat zu Auszahlungen fuhren und mit 15 % Umsatzsteuer belastet sein; im Finanzplan ist die Januar-Auszahlung daher in Höhe von (1.500 ·1,15 =) 1.725 DM geplant, die Formel lautet: RUNDEN(-EP!C18*1,15;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Die Leasingraten sind am Monatsanfang zu zahlen und unterliegen ebenfalls der 15 %igen Umsatzsteuer, so daß im Januar eine Auszahlung von (3.700·1,15 =) 4.255 DM resultiert. Die Formellautet RUNDEN(-EP!C19*1,15;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Für geleaste Maschinen sind in Zeile EP!20 des Ergebnisplans monatlich Leasingraten von 5.200 DM angesetzt. Diese Leasingraten sind jeweils am Monatsanfang zuzüglich 15% Umsatzsteuer zu zahlen und im Finanzplan in Zeile FP!22 mit monatlich (5.200·1,15 =) 5.980 DM ausgewiesen; die Formel lautet: RUNDEN(-EP!C20*1,15;0). Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Die Aufwendungen für Energie und Entsorgung sind zu einem wesentlichen Teil von den Maschinenlaufzeiten und von der Raumheizung abhängig (Zeile EP!21 des Ergebnisplans). Die Zahlungen hierfür sind jeweils im Folgemonat fallig. Im Finanzplan ist für Januar eine Auszahlung von 5.060 DM ausgewiesen, basierend auf der Annahme, daß der Energie- und Entsorgungsaufwand im Dezember 1996 4.400 DM zuzüglich 15% Umsatzsteuer betragen wird. Ab Februar sind die Auszahlungen durch die Formel RUNDEN(-EP!C21*1,15;0) aus dem Ergebnisplan abgeleitet. Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren.

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Für die Reinigung hauptsächlich der Gebäude sind im Ergebnisplan (Zeile EP!22) monatlich 1.800 DM vorgesehen. Die Eingangsrechnungen hierfiir sind jeweils im Folgemonat zahlbar. Beträgt der Reinigungsaufwand im Dezember 1996 1.700 DM zuzüglich 15 % Umsatzsteuer, ist im Januar 1997 eine Auszahlung von 1.955 DM zu planen (Finanzplan, Zeile FP!24). Ab Februar ist die Auszahlung monatlich gleichbleibend durch die Formel RUNDEN(-EP!C22*1,15;0) aus dem Ergebnisplan abgeleitet. Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Die Aufwendungen fiir Instandhaltung (ohne Kfz-Instandhaltung) und Werbung sind in der Zeile EP!23 bzw. 24 des Ergebnisplans mit jeweils unterschiedlichen Monatsbeträgen geplant. In der Finanzplanung wird die Auszahlung im Folgemonat unterstellt. Für Dezember 1996 werden 3.000 DM Instandhaltungsaufwand und 6.000 DM Werbeaufwand geplant; somit errechnen sich bei 15 %iger Umsatzsteuerbelastung für Januar 1997 (3.000 · 1,15 =) 3.450 DM Auszahlung fiir Instandhaltung (Zeile FP! 25) und (6.000 ·1,15 =) 6.900 DM Auszahlung für Werbung (Zeile FP!26). Ab Februar sind die Auszahlungen aus dem Ergebnisplan abzuleiten durch die Formeln RUNDEN(-EP!C23 *1,15;0) fiir die Instandhaltung und RUNDEN(-EP!C24*1,15;0) für die Werbung. Für März bis Dezember sind die Februar-Formeln zu kopieren. Die Aufwendungen fiir Telefon und Telefax sind in Zeile EP!25 des Ergebnisplans mit 2.000 DM monatlich geplant und im Folgemonat plus 15% Umsatzsteuer zahlbar. Falls die Aufwendungen im Dezember 1996 1.800 DM plus Umsatzsteuer betragen, ist die Plan-Auszahlung im Januar 1997 in Höhe von (1.800 ·1,15 =) 2.070 DM nach folgender Formel berechnet: RUNDEN(-1800*1,15;0), ab Februar: RUNDEN(-EP!C25*1,15;0). Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Die Aufwendungen fiir Porto werden in Höhe von 600 DM monatlich geplant und im selben Monat bezahlt. Umsatzsteuer fällt nicht an. Die Formel für Januar im Finanzplan lautet: -EP!C26. Für Februar bis Dezember ist die Januar-Formel zu kopieren. Der Aufwand fiir Bürobedarf ist monatlich mit 2.500 DM geplant (Zeile EP!27 des Ergebnisplans). Bei 15 %iger Umsatzsteuerbelastung und Zahlung der Eingangsrechnungen im Folgemonat resultiert bei einem erwarteten Aufwand von 4.000 DM im Dezember 1996 im Januar eine Auszahlung von 4.600 DM (Zeile FP!29 des Finanzplans), ab Februar sind die Auszahlungen aus dem Ergebnisplan durch folgende Formel abgeleitet: RUNDEN(-EP!C27*1,15;0). Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Für Fachliteratur werden 800 DM monatlich geplant (Zeile EP!28 des Ergebnisplans). Die Auszahlungen sind im selben Monat zu leisten mit einem Zuschlag von 7 % für die Umsatzsteuer. Die monatlichen Auszahlungen betragen (800 ·1,07 =) 856 DM, die Formel lautet: RUNDEN(-EP!C28*1,07;0). Für Februar bis Dezember ist die JanuarFormel zu kopieren. 212

Die Versicherungsbeiträge und die (Anderen) Beiträge zur Industrie- und Handelskammer und gegebenenfalls zu einem Arbeitgeberverband, Industrieverband und weiteren Institutionen sind im Ergebnisplan (Zeilen EP!29 und 30) bereits ihren Fälligkeiten entsprechend ausgewiesen und werden ohne Modifizierung in den Finanzplan (Zeilen FP!31 und 32) übernommen durch folgende Formeln für Januar: -EP!C29 für die Versicherungsbeiträge und -EP!C30 für die anderen Beiträge. Für Februar bis Dezember sind die Januar-Formeln zu kopieren. Für Rechts- und Beratungsaufwendungen sind im Ergebnisplan (Zeile EP!31) monatlich 5.000 DM angesetzt, die jeweils im Folgemonat zu zahlen sind. Unter der Annahme, daß im Dezember 1996 ebenfalls rund 5.000 DM derartige Aufwendungen anfallen, betragen die Auszahlungen von Januar bis Dezember 1997 in jedem Monat (5.000·1,15 =) 5.750 DM, ab Februar durch die Formel RUNDEN(-EP!C31 *1,15;0) aus dem Ergebnisplan abgeleitet. Bei dem Ansatz von 15% Umsatzsteuer auf den gesamten Aufwand wird unterstellt, daß hierin keine umsatzsteuerfreien Gerichtsgebühren enthalten sind. Für März bis Dezember ist die Februar-Formel zu kopieren. Die Zeilen EP!32 Abschreibungen und EP!33 Rückstellungsbildung des Ergebnisplans fehlen im Finanzplan. Die hier anzugebenden Beträge folgen aus bilanziellen Bewertungen, die keine unmittelbaren Zahlungswirkungen auslösen. Die aus Abschreibungen und Zuführungen zu Rückstellungen resultierenden Minderungen des Gewinnausschüttungspotentials und die Steuerentlastung sind in den Zeilen FP!54 Gesellschafterentnahmen, in FP!47 Gewerbesteuer, in FP!48 Einkommen-/Körperschaftsteuer und in FP!49 Vermögensteuer enthalten. Als Sammelposition für die nicht gesondert im Ergebnisplan ausgewiesenen Aufwendungen ist die Zeile EP!34 Sonstige Aufwendungen vorgesehen. Diese sonstigen Aufwendungen sind mit 6.000 DM monatlich geplant und seien jeweils hälftig im selben Monat und im Folgemonat zahlbar mit einer Umsatzsteuerbelastung von 15 %. Betragen diese Aufwendungen im Dezember 1996 ebenfalls ca. 6.000 DM, sind in jedem Monat des Jahres 1997 (6.000*1,15=)6.900DM Auszahlungen zu planen. Die Formel für Januar lautet: RUNDEN((-6000-EP!C34)*0,5*1,15;0), die Formel ab Februar lautet: RUNDEN((-EP!C34-EP!D34)*0,5*1,15;0). Für März bis Dezember ist die FebruarFormel zu kopieren. Die Summe der für jeden Monat geplanten Aufwendungen und die Monatssalden für Erträge abzüglich Aufwendungen sind im Ergebnisplan in den Zeilen EP!35 bzw. 37 angegeben. Die Januar-Formel für die Aufwandssumme lautet: SUMME(C 11 :C34), die Januar-Formel für Erträge minus Aufwendungen lautet: C9-C35. Im Finanzplan werden in Zeile FP!35 die Auszahlungen addiert [Formel für Januar: SUMME(Cl2:C34)] und in Zeile FP!36 mit den Einzahlungen saldiert (Formel für Januar: C9+C35).

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Ergebnis- und Finanzplan sind bis hierher im wesentlichen strukturell einheitlich; im weiteren differieren sie erheblich. In Zeile FP!38 des Finanzplans sind die Auszahlungen für Investitionen in das Anlagevermögen einschließlich Umsatzsteuer zu planen. Zwischen den angegebenen Beträgen und dem Ergebnisplan besteht keine Formelverknüpfung. Diese Auszahlungen sind besonders sorgfältig der Höhe und dem Termin nach zu planen, da sie eine hohe Kapitalbindung über einen langen Zeitraum bedeuten. Die Auszahlungen für die Anschaffung/Herstellung von Anlagegütern erscheinen über deren Nutzungsdauern verteilt in Form von Abschreibungen in den Ergebnisplänen mehrerer Jahre (Zeile EP!32). Bei der Anschaffung/Herstellung geringwertiger Vermögensgegenstände (Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten ::; 800 DM ohne Umsatzsteuer) ist die Sofortabschreibung im Jahr der Anschaffung bzw. Fertigstellung üblich, so daß Abschreibungen und Auszahlungen übereinstimmen, falls die Anschaffungs-/Herstellungskosten im seihen Jahr bezahlt werden. Wird die Anschaffung/Herstellung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens subventioniert, sind die geplanten Einzahlungen in Zeile FP!39 Investitionszulagen und -zuschüsse des Finanzplans auszuweisen. Während die Subventionshöhe gesetzlich eindeutig feststeht (im Fall der Investitionszulagen) oder bei Planung des Investitionsvorhabens von der zuständigen Subventionsbehörde vorbehaltlich der Mittelbereitstellung im Subventionshaushalt zugesagt wird (im Fall der Investitionszuschüsse), ist die Prognose der Zeitpunkte der Subventionszuflüsse mit größerer Unsicherheit behaftet. Investitionszulagen werden erst nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem subventionsfähige Investitionen getätigt wurden, beantragt und an das Unternehmen ausgezahlt, Investitionszuschüsse können bereits im Jahr der Realisierung eines Investitionsprojekts zufließen. Erwartete Einzahlungen aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens werden in Zeile FP!40 des Finanzplans angegeben. Eine separate Planungszeile empfiehlt sich, weil die anläßlich der Veräußerung gebrauchter Anlagegüter erzielbaren Erlöse schwierig zu schätzen sind, ebenso die Einzahlungstermine. Zu beachten ist weiterhin, daß derartige Einzahlungen unregelmäßig anfallen. Die Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen sind in den Zeilen FP!41 bis 43 des Finanzplans ausgewiesen. Diese gesonderte Planung ist erforderlich, weil das Umsatzsteuergesetz im Fall der Regelbesteuerung nach vereinbarten Entgelten die Termine der Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen von den Terminen der Kundenzahlungen (Umsatzsteuer enthalten) und der Zahlungen an Lieferanten (als Vorsteuer abziehbare Umsatzsteuer enthalten) abkoppelt. Davon ausgenommen sind lediglich erhaltene und geleistete Anzahlungen. Bei der Planung wurde der 10., bei verzögerter Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung beim Finanzamt spätestens der 15. des Folgemonats als gesetzlicher Fälligkeitstermin der Umsatzsteuer-Zahllast berücksichtigt. Auch im Fall der Erstattung von Umsatzsteuer-Guthaben kann im Regelfall mit der Einzahlung im Folgemonat gerechnet werden, es sei denn, das Finanzamt macht die Erstattung von der 214

Prüfung der Eingangsrechnungen, aus denen der Vorsteuerabzug beansprucht wird, abhängig, so daß sich Verzögerungen bei der Überweisung des Umsatzsteuer-Guthabens ergeben. Beantragt das Unternehmen zu Beginn eines Kalenderjahrs die sog. Dauerfristverlängerung fiir die Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und die Umsatzsteuerzahlungen, verschieben sich die Zahlungsreihen der Umsatzsteuer-Zahllast und des Umsatzsteuer-Guthabens um einen Monat in die Zukunft, d. h. Auszahlungen werden um einen Monat später fällig, Einzahlungen fließen um einen Monat später zu. Dafiir ist Mitte Februar ein Elftel der Summe der fiir das vorangegangene Kalenderjahr zu leistenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungen abzüglich erhaltener Umsatzsteuer-Erstattungen Mitte Februar zu zahlen. Diese Sondervorauszahlung ist in der UmsatzsteuerVoranmeldung fiir Dezember des laufenden Jahres abzuziehen. Im Finanzplan sind im Januar 1997 7.634 DM Mehrwertsteuer und 3.421 DM Vorsteuer aus Dezember 1996 angesetzt, so daß die Zahlung an das Finanzamt im Januar 4.213 DM beträgt. In die Umsatzsteuer-Voranmeldung fiir Januar, die im Februar zu einer Erstattung von 28.788 DM führt, sind 8.846 DM Mehrwertsteuer einzutragen. Die Mehrwertsteuer in der Januar-Voranmeldung ist wie folgt zu berechnen: Umsatzerlöse im Januar (Ergebnisplan Zeile EP!5) Mieterträge im Januar (Ergebnisplan Zeile EP!7) - Kundenskonti: Umsatzerlöse Dezember 1996 237.000 DM Umsatzerlöse Januar 1997 58.500 DM 295.500DM (295.500. 0,5. 0,3. 0,03 =)

58.500 DM 1.800 DM

- 1.330 DM 58.970 DM

= umsatzsteuerliches Entgelt davon 15 % Mehrwertsteuer= 8.845,50 DM Die Formel für Februar lautet: RUNDEN(-((EP!C5+EP!C7-(237000+EP!C5)*0,5*0,3*0,03)+C40/1,15)*0,15;0). Ab März lautet die Formel: RUNDEN( -((EP!D5+EP!D7-(EP!C5+EP!D5)*0,5*0,3*0,03)+D40/l, 15)*0, 15;0). Der Term "D40/1,15" steht fiir eventuelle Erlöse aus Veräußerungen von Anlagegütern, die einem Umsatzsteuersatz von 15% unterliegen und in Zeile FP!40 des Finanzplans einschließlich Umsatzsteuer ausgewiesen sind. Werden Einzahlungen aus Anlageveräußerungen geplant, die umsatzsteuerfrei sind (insbesondere Grundstücksverkäufe oder Lieferungen an Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Land der EU), ist dieser Term aus der Formel zu eliminieren. Werden in Zeile FP!8 des Finanzplans Einzahlungen aus sonstigen Erträgen ausgewiesen, die der Umsatzsteuer unterliegen, ist in die Formel der Term "+D8/1,15" einzufügen. Für April bis Dezember ist die März-Formel zu kopieren. Der Ausfall einer Forderung führt zu einer Berichtigung der vom Umsatzerlös berechneten Mehrwertsteuer. Diese Stornierung ist nach den umsatzsteuerliehen Vorschriften erst dann zulässig, wenn der Forderungsausfall endgültig feststeht, also meist mehrere Monate nach dem Umsatzmonat Deshalb wäre es unrealistisch, die Mehrwertsteuer 215

bereits in dem Monat, in dem der Umsatz erfolgt, um die Forderungsausfallquote (hier: 2 %) zu kürzen. Darüber hinaus fallen Forderungen nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt aus, sondern diskontinuierlich in mehr oder weniger hohen Beträgen. In 1997 ist ein Forderungsausfall von rund (2,25 Mio DM· 2% =) 45.000 DM zu erwarten. Daraus folgt eine Mehrwertsteuer-Erstattung in Höhe von (45.000 DM ·15% =) 6.750 DM. Dieser Betrag wird im Finanzplan der Einfachheit halber im Dezember als Mehrwertsteuer-Minderung angesetzt. In die Umsatzsteuer-Voranmeldung flir Januar sind 37.634 DM Vorsteuer einzutragen, die wie folgt zu berechnen ist: Materialeinkauf im Januar: Material-Sondereinkauf Material flir Februar: 7 ·1.575 DM - Lieferantenskonti: Material für Januar: 15 ·1.575 DM Material für Februar: 7 ·1.575 DM

100.000 DM = 11.025 DM

= 23.625 DM = 11.025 DM 34.650 DM

(34.650. 0,5. 0,02 =) Material-Sondereinkauf: 100.000 DM· 2% = = Materialeinkauf nach Skontierung

davon 15 % Vorsteuer = Weitere umsatzsteuerbelastete Leistungsbezüge im Januar: 1.740 DM Sonst. Personalaufwand (Zeile EP! 17) 1.500 DM Kfz-Aufwand (Zeile EP! 18) 3.700 DM Kfz-Leasing (Zeile EP! 19) 5.200 DM Maschinen-Leasing (Zeile EP!20) 3.400 DM Energie, Entsorgung (Zeile EP!21) 1.800 DM Reinigung (Zeile EP!22) 1.000 DM Instandhaltung (ohne Kfz) (Zeile EP!23) 8.000 DM Werbung (Zeile EP!24) 2.000 DM Telefon, Telefax (Zeile EP!25) 2.500 DM Bürobedarf (Zeile EP!27) 5.000 DM Rechts- und Beratungsaufwand (Zeile EP! 31) 6.000 DM Sonstige Aufwendungen (Zeile EP!34) 41.840 DM Summe davon 15 % Vorsteuer = 800DM Fachliteratur (Zeile EP!28) davon 7 % Vorsteuer = 115.000 DM Anlageinvestitionen inkl. USt (Zeile FP!38) enthaltene 15 % Vorsteuer: 115.000 : 1,15 · 0,15 = Vorsteuer 216

111.025 DM

-

347DM 2.000 DM 108.678 DM 16.301,70 DM

6.276,-- DM 56,-- DM 15.000.-- DM 37.633.70 DM

Die Formel für Februar lautet: RUNDEN((l00000*0,98+EP!Dll-(EP!Cll-100000 +EP!D 11 )*0,5*0,02+EP!Cl7+EP!C 18+EP!C 19+EP!C20+EP!C21 +EP!C22+EP!C23 +EP!C24+EP!C25+EP!C27+EP!C3l+EP!C34)*0,15+EP!C28*0,07-C38/1,15*0,15;0). Der Term "C38/1,15" steht für Investitionen in das Anlagevermögen, die einem Umsatzsteuersatz von 15% unterliegen und in Zeile FP!38 des Finanzplans einschließlich Umsatzsteuer ausgewiesen sind. Werden Auszahlungen fiir den Erwerb von Anlagegütern geplant, die umsatzsteuerfrei sind (insbesondere Grundstückskäufe, Finanzanlagen), ist dieser Term aus der Formel zu eliminieren. "C38/1,15" wurde mit einem Minuszeichen in die Formel aufgenommen, weil er im Finanzplan als Auszahlung negativ definiert ist, in die Vorsteuerberechnung jedoch als positive Steuerbemessungsgrundlage eingeht. Die Formel ftir März lautet: RUNDEN((EP!Ell-(EP!Dll+EP!Ell)*0,5*0,02+EP!D17 +EP!D 18+EP!D 19+EP!D20+EP!D21 +EP!D22+EP!D23+EP!D24+EP!D25+EP!D27 +EP!D31+EP!D34)*0,15+EP!D28*0,07-D38/1,15*0,15;0). Für April und Juni bis Dezember ist die März-Formel zu kopieren. Die Formel ftir Mai lautet: RUNDEN((l20000*0,98+EP!Gll-(EP!Fll-120000 +EP!G 11)*0,5*0,02+EP!Fl7+EP!Fl8+EP!Fl9+EP!F20+EP!F21 +EP!F22+EP!F23 +EP!F24+EP!F25+EP!F27+EP!F3l+EP!F34)*0,15+EP!F28*0,07-F38/1,15*0,15;0). Die abzuführenden Steuern (ohne die separat ausgewiesene Umsatzsteuer) sind in den Zeilen EP!49 bis 54 des Ergebnisplans und in den Zeilen FP!45 bis 50 des Finanzplans angegeben. Die in den einzelnen Monatsspalten eingetragenen Beträge sind in beiden Plänen identisch, weil im Ergebnisplan auf eine Aufteilung der Steuern auf die einzelnen Monate verzichtet wurde. In der Gewinn- und Verlustrechnung einer Kapitalgesellschaft sind die Körperschaftsteuer und die Vermögensteuer als Aufwendungen auszuweisen, deshalb sind sie im Ergebnisplan enthalten. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften sind Einkommen- und Vermögensteuer keine Aufwendungen, sondern Privatausgaben des Einzelkaufmanns bzw. der Gesellschafter. Die Prognose der Gewerbesteuer, der Einkommen-/Körperschaftsteuer und der Vermögensteuer verlangt eine gesonderte Steuerplanungsrechnung, auf die hier nicht eingegangen wird. Die geplanten Steuerzahlungen wurden in den Plänen ohne explizite rechnerische Ableitung von ihren Bemessungsgrundlagen angesetzt. Erwartete Steuererstattungen wären mit einem positiven Vorzeichen einzutragen. Gehört das Unternehmen einer Branche mit branchenspezifischen Steuern (z. B. Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Versicherungsteuer, Branntweinsteuer, Biersteuer) an, ist dafiir eine zusätzliche Zeile in die Pläne einzufügen. Die Steuerbeträge wurden den Monaten unter Beachtung der gesetzlichen Termine für die Steuer(voraus)zahlungen zugeordnet. Die Kraftfahrzeugsteuer ist grundsätzlich für ein Jahr im voraus zu zahlen, so daß sich Monate mit hohen Steuerzahlungen und Monate ohne Steuerzahlungen ergeben können. Für die anderen aufgeftihrten Steuern sehen die Steuergesetze folgende Fälligkeitstermine für die vierteljährlichen Teilzahlungen

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(bei Grund- und Vermögensteuer) und Vorauszahlungen (bei Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) vor: Grund- und Gewerbesteuer: 15. Februar, 15. Mai, 15. August, 15. November; Einkommen-/Körperschaftsteuer: 10. März, 10. Juni, 10. September, 10. Dezember; Vermögensteuer: 10. Februar, 10. Mai, 10. August, 10. November. Der m Zeile FP!52 des Finanzplans angegebene gesamte Kapitalbedarf (= Auszahlungsüberschuß mit negativem Vorzeichen) bzw. Kapitalüberschuß (= Einzahlungsüberschuß) eines Monats resultiert als Saldo aus folgenden Positionen: Zeile FP!36: Laufende Einzahlungen -laufende Auszahlungen inkl. Umsatzsteuer, Zeile FP!38: Anlageinvestitionen inkl. Umsatzsteuer, Zeile FP!39: Investitionszulagen/-zuschüsse, Zeile FP!40: Anlageveräußerungen inkl. Umsatzsteuer, Zeile FP!43: Umsatzsteuer-Zahllast/-Guthaben, Zeile FP!50: Summe Steuern (ohne Umsatzsteuer). Die Finanzplanung zeigt relativ hohe Auszahlungsüberschüsse in den Monaten Januar, März, April, Mai und Juni, die gedeckt werden müssen, um das Unternehmen im finanziellen Gleichgewicht zu halten. An dieser Stelle des Finanzplans sollte man diskutieren, ob Änderungen geplanter Zahlungen möglich und zweckmäßig sind, um einen nach gegenwärtigem Stand der Planung zu erwartenden Auszahlungsüberschuß zu mindern oder ganz zu vermeiden (z. B. durch geringere Materialeinkäufe, soweit die laufende Produktion nicht gefahrdet wird, oder durch Verschiebung geplanter Anlageinvestitionen um einige Monate in die Zukunft). In den Zeilen FP!53 und 54 werden die Einlagen bzw. Entnahmen des Einzelkaufmanns oder des/der Gesellschafter(s) geplant. Bei der Planung der Entnahmen ist zu beachten, daß der/die Unternehmenseigentümer auf Entnahmen aus dem Unternehmen zur Dekkung ihrer Privatausgaben angewiesen sind, falls sie außerhalb des Unternehmens keine oder nur relativ niedrige Einnahmen erzielen (z. B. aus Wertpapieren, vermieteten Immobilien). In unserem Beispiel sind im Jahr 1997 25.000 DM Entnahmen geplant. Dieser Betrag ist in Zusammenhang mit dem Geschäftsführergehalt (siehe Zeile FP! 14) zu sehen, um zu prüfen, ob die Entnahmen der Höhe und den Terminen nach plausibel geplant sind. Saldiert man die Zeilen FP!52, 53 und 54, erscheint in Zeile FP!55 der Fremdkapitalbedarf (= Auszahlungsüberschuß mit negativem Vorzeichen) oder der Eigenkapitalüberschuß (= Einzahlungsüberschuß) eines Monats. Die nachfolgenden Zeilen betreffen die Fremdfinanzierung, die grob in Festbetragskredite und variable Kredite (Kontokorrentkredite, Wechseldiskontkredite) gegliedert werden kann. In Zeile FP!62 ist der fortgeschriebene Schuldsaldo aller Festbetragskredite angegeben. Der am 1.1.1997 beanspruchte Kredit beträgt 348.000 DM und ist vierteljährlich nach218

schüssig (31.3., 30.6., 30.9., 31.12.) mit nominal 7,5% p. a. zu verzinsen sowie halbjährlich nachschüssig (30.6., 31.12.) in Höhe vonjeweils 18.500 DM zu tilgen. Daraus errechnen sich folgende Zinszahlungen: am 31.3.1997 6.525 DM, am 30.6.1997 6.525 DM, am 30.9.1997 6.178,13 DM, am 31.12.1997 6.178,13 DM. Die Tilgungen betragen am 30.6.1997 und am 31.12.1997 jeweils 18.500 DM; sie sind in Zeile FP!59 eingetragen. Am 1.2.1997 sei die Aufnahme eines neuen Kredits über 200.000 DM geplant, der zu 100% valutiert werden soll. Die Zinsen sind vierteljährlich nachschüssig (31.3., 30.6., 30.9., 31.12.) in Höhe von nominal6% p. a. zu zahlen. In 1997 sei noch keine Tilgung zu leisten. Die Zinszahlungen betragen am 31.3.1997 2.000 DM, am 30.6.1997, 30.9.1997 und 31.12.1997 jeweils 3.000 DM. Zusammen mit den oben berechneten Zinsen flir die am Jahresbeginn vorhandene Kreditrestschuld addieren sich die Zinszahlungen auf 8.525 DM am 31.3.1997, 9.525 DM am 30.6.1997 und jeweils 9.178 DM am 30.9.1997 und 31.12.1997 (Zeile FP!58). Zinszahlungen und Tilgungen sind in Zeile FP!60 (Schuldendienst gesamt) zusammengefaßt. Die Formel fiir Januar lautet: C58+C59; sie ist fiir Februar bis Dezember zu kopieren. Aus Saldierung der Zeilen FP!57 (Kreditaufnahmen) und FP!59 (Tilgungen) resultiert Zeile FP!61 (Nettokreditaufnahme/-tilgung). Die Formel flir Januar lautet: C57+C59; sie ist fiir Februar bis Dezember zu kopieren. Zeile FP!62 (Restschulden Festbetragskredite) zeigt die geplante fortgeschriebene Kreditrestschuld. Die Formel flir Februar lautet: C62+D61; sie ist fiir März bis Dezember zu kopieren. Der durch Kontokorrentkredit zu deckende variable Kreditbedarf bzw. ein aus Einzahlungsüberschüssen entstehendes Guthaben als Saldo aus den Zeilen FP!55 (Fremdkapitalbedarf/Eigenkapitalüberschuß), FP!57 (Kreditaufnahmen), FP!58 (Zinsen) und FP!59 (Tilgungen) ist in Zeile FP!64 als Monatsbetrag ausgewiesen. Die Formel für Januar lautet: C55+C57+C58+C59; sie ist fiir Februar bis Dezember zu kopieren. Zeile FP!65 enthält den fortgeschriebenen Stand des Kontokorrentkreditkontos ohne Berücksichtigung von Zinsen. Der im Januar benötigte Kontokorrentkredit beträgt bei einem angenommenen Kontokorrentguthaben zum 31.12.1996 in Höhe von ca. 13.000 DM (13.000- 164.601 =) 151.601 DM. Ein negativer Saldo in Zeile FP!65 bedeutet, daß in diesem Umfang Kontokorrentkredit benötigt wird, ein positiver Saldo bedeutet, daß auf dem Kontokorrentkonto ein Guthaben in dieser Höhe erwartet wird. Die Formel fiir Februar lautet: C69+D64; sie ist flir März bis Dezember zu kopieren. Die Zinsen flir den Kontokorrentkredit werden vierteljährlich abgerechnet und dem Kontokorrentkonto belastet (31.3., 30.6., 30.9., 31.12.), so daß ab dem Ersten des Folgequartals Zinseszinsen zu zahlen sind. Die hier demonstrierte Finanzplanung auf Monatsbasis differenziert nicht zwischen den Zahlungsterminen innerhalb eines Monats, d. h. der errechnete Stand des Kontokorrentkontos ist der in einem Monat durchschnittlich zu erwartende Kontokorrentsaldo, nach dem die Monatszinsen bemessen werden. Die Nominalzinssätze p. a. sind in die Zeilen FP!66 (Kontokorrent-Habenzinssatz) und FP!67 (Kontokorrent-Sollzinssatz) einzutragen. In der hier formulierten Berechnungstabelle kann je Monat genau ein Habenzinssatz und genau ein Sollzinssatz geplant wer219

den. Rechnet man ab einem bestimmten Monat mit fallenden bzw. steigenden Zinssätzen, sind ab diesem Monat entsprechend niedrigere bzw. höhere Werte einzutragen, wobei der Habenzinssatz im allgemeinen konstant bleibt. In unserem Beispiel wird mit einem während des gesamten Planungsjahres gleichbleibenden Habenzinssatz von 0,5 % gerechnet. Der Sollzinssatz wird im ersten Halbjahr in Höhe von 9,5% geplant, im zweiten Halbjahr auf 9 % gesenkt. Durch Multiplikation des geplanten Kontokorrentguthabens (positiver Betrag in Zeile FP!65) mit dem Habenzinssatz (Zeile FP!66) erhält man die Guthabenzinsen, durch Multiplikation des geplanten Kontokorrentkredits (negativer Betrag in Zeile FP!65) mit dem Sollzinssatz (Zeile FP!67) erhält man die Kreditzinsen. Für Januar resultiert eine Zinsbelastung flir die Inanspruchnahme von Kontokorrentkredit in Höhe von ( -151.601· 0' 095 =) -1.200,17 DM. Für Februar re12 sultiert ein Zinsertrag in Höhe von (127.257 · O,OOS =) 53,02 DM. Die Formel zur 12 Zinsberechnung im Januar lautet: RUNDEN(WENN(C65